Skip to main content

Full text of "Aus unverzagtem Herzen Gedichte"

See other formats


Google 


This  is  a  digital  copy  of  a  book  that  was  prcscrvod  for  gcncrations  on  library  shclvcs  bcforc  it  was  carcfully  scannod  by  Google  as  pari  of  a  projcct 

to  make  the  world's  books  discoverablc  online. 

It  has  survived  long  enough  for  the  Copyright  to  expire  and  the  book  to  enter  the  public  domain.  A  public  domain  book  is  one  that  was  never  subject 

to  Copyright  or  whose  legal  Copyright  term  has  expired.  Whether  a  book  is  in  the  public  domain  may  vary  country  to  country.  Public  domain  books 

are  our  gateways  to  the  past,  representing  a  wealth  of  history,  cultuie  and  knowledge  that's  often  difficult  to  discover. 

Marks,  notations  and  other  maiginalia  present  in  the  original  volume  will  appear  in  this  flle  -  a  reminder  of  this  book's  long  journcy  from  the 

publisher  to  a  library  and  finally  to  you. 

Usage  guidelines 

Google  is  proud  to  partner  with  libraries  to  digitize  public  domain  materials  and  make  them  widely  accessible.  Public  domain  books  belong  to  the 
public  and  we  are  merely  their  custodians.  Nevertheless,  this  work  is  expensive,  so  in  order  to  keep  providing  this  resource,  we  have  taken  Steps  to 
prcvcnt  abuse  by  commcrcial  parties,  including  placing  technical  restrictions  on  automatcd  qucrying. 
We  also  ask  that  you: 

+  Make  non-commercial  use  ofthefiles  We  designed  Google  Book  Search  for  use  by  individuals,  and  we  request  that  you  use  these  files  for 
personal,  non-commercial  purposes. 

+  Refrain  from  automated  querying  Do  not  send  aulomated  queries  of  any  sort  to  Google's  System:  If  you  are  conducting  research  on  machinc 
translation,  optical  character  recognition  or  other  areas  where  access  to  a  laige  amount  of  text  is  helpful,  please  contact  us.  We  encouragc  the 
use  of  public  domain  materials  for  these  purposes  and  may  be  able  to  help. 

+  Maintain  attributionTht  GoogX'S  "watermark" you  see  on  each  flle  is essential  for  informingpcoplcabout  this  projcct  andhclping  them  lind 
additional  materials  through  Google  Book  Search.  Please  do  not  remove  it. 

+  Keep  it  legal  Whatever  your  use,  remember  that  you  are  lesponsible  for  ensuring  that  what  you  are  doing  is  legal.  Do  not  assume  that  just 
because  we  believe  a  book  is  in  the  public  domain  for  users  in  the  United  States,  that  the  work  is  also  in  the  public  domain  for  users  in  other 
countries.  Whether  a  book  is  still  in  Copyright  varies  from  country  to  country,  and  we  can'l  offer  guidance  on  whether  any  speciflc  use  of 
any  speciflc  book  is  allowed.  Please  do  not  assume  that  a  book's  appearance  in  Google  Book  Search  mcans  it  can  bc  used  in  any  manner 
anywhere  in  the  world.  Copyright  infringement  liabili^  can  be  quite  severe. 

Äbout  Google  Book  Search 

Google's  mission  is  to  organizc  the  world's  Information  and  to  make  it  univcrsally  accessible  and  uscful.   Google  Book  Search  hclps  rcadcrs 
discover  the  world's  books  while  hclping  authors  and  publishers  reach  new  audiences.  You  can  search  through  the  füll  icxi  of  ihis  book  on  the  web 

at|http  :  //books  .  google  .  com/| 


Google 


IJber  dieses  Buch 

Dies  ist  ein  digitales  Exemplar  eines  Buches,  das  seit  Generationen  in  den  Realen  der  Bibliotheken  aufbewahrt  wurde,  bevor  es  von  Google  im 
Rahmen  eines  Projekts,  mit  dem  die  Bücher  dieser  Welt  online  verfugbar  gemacht  werden  sollen,  sorgfältig  gescannt  wurde. 
Das  Buch  hat  das  Urheberrecht  überdauert  und  kann  nun  öffentlich  zugänglich  gemacht  werden.  Ein  öffentlich  zugängliches  Buch  ist  ein  Buch, 
das  niemals  Urheberrechten  unterlag  oder  bei  dem  die  Schutzfrist  des  Urheberrechts  abgelaufen  ist.  Ob  ein  Buch  öffentlich  zugänglich  ist,  kann 
von  Land  zu  Land  unterschiedlich  sein.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  sind  unser  Tor  zur  Vergangenheit  und  stellen  ein  geschichtliches,  kulturelles 
und  wissenschaftliches  Vermögen  dar,  das  häufig  nur  schwierig  zu  entdecken  ist. 

Gebrauchsspuren,  Anmerkungen  und  andere  Randbemerkungen,  die  im  Originalband  enthalten  sind,  finden  sich  auch  in  dieser  Datei  -  eine  Erin- 
nerung an  die  lange  Reise,  die  das  Buch  vom  Verleger  zu  einer  Bibliothek  und  weiter  zu  Ihnen  hinter  sich  gebracht  hat. 

Nu  tzungsrichtlinien 

Google  ist  stolz,  mit  Bibliotheken  in  partnerschaftlicher  Zusammenarbeit  öffentlich  zugängliches  Material  zu  digitalisieren  und  einer  breiten  Masse 
zugänglich  zu  machen.     Öffentlich  zugängliche  Bücher  gehören  der  Öffentlichkeit,  und  wir  sind  nur  ihre  Hüter.     Nie htsdesto trotz  ist  diese 
Arbeit  kostspielig.  Um  diese  Ressource  weiterhin  zur  Verfügung  stellen  zu  können,  haben  wir  Schritte  unternommen,  um  den  Missbrauch  durch 
kommerzielle  Parteien  zu  veihindem.  Dazu  gehören  technische  Einschränkungen  für  automatisierte  Abfragen. 
Wir  bitten  Sie  um  Einhaltung  folgender  Richtlinien: 

+  Nutzung  der  Dateien  zu  nichtkommerziellen  Zwecken  Wir  haben  Google  Buchsuche  für  Endanwender  konzipiert  und  möchten,  dass  Sie  diese 
Dateien  nur  für  persönliche,  nichtkommerzielle  Zwecke  verwenden. 

+  Keine  automatisierten  Abfragen  Senden  Sie  keine  automatisierten  Abfragen  irgendwelcher  Art  an  das  Google-System.  Wenn  Sie  Recherchen 
über  maschinelle  Übersetzung,  optische  Zeichenerkennung  oder  andere  Bereiche  durchführen,  in  denen  der  Zugang  zu  Text  in  großen  Mengen 
nützlich  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an  uns.  Wir  fördern  die  Nutzung  des  öffentlich  zugänglichen  Materials  für  diese  Zwecke  und  können  Ihnen 
unter  Umständen  helfen. 

+  Beibehaltung  von  Google-MarkenelementenDas  "Wasserzeichen"  von  Google,  das  Sie  in  jeder  Datei  finden,  ist  wichtig  zur  Information  über 
dieses  Projekt  und  hilft  den  Anwendern  weiteres  Material  über  Google  Buchsuche  zu  finden.  Bitte  entfernen  Sie  das  Wasserzeichen  nicht. 

+  Bewegen  Sie  sich  innerhalb  der  Legalität  Unabhängig  von  Ihrem  Verwendungszweck  müssen  Sie  sich  Ihrer  Verantwortung  bewusst  sein, 
sicherzustellen,  dass  Ihre  Nutzung  legal  ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  ein  Buch,  das  nach  unserem  Dafürhalten  für  Nutzer  in  den  USA 
öffentlich  zugänglich  ist,  auch  fiir  Nutzer  in  anderen  Ländern  öffentlich  zugänglich  ist.  Ob  ein  Buch  noch  dem  Urheberrecht  unterliegt,  ist 
von  Land  zu  Land  verschieden.  Wir  können  keine  Beratung  leisten,  ob  eine  bestimmte  Nutzung  eines  bestimmten  Buches  gesetzlich  zulässig 
ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  das  Erscheinen  eines  Buchs  in  Google  Buchsuche  bedeutet,  dass  es  in  jeder  Form  und  überall  auf  der 
Welt  verwendet  werden  kann.  Eine  Urheberrechtsverletzung  kann  schwerwiegende  Folgen  haben. 

Über  Google  Buchsuche 

Das  Ziel  von  Google  besteht  darin,  die  weltweiten  Informationen  zu  organisieren  und  allgemein  nutzbar  und  zugänglich  zu  machen.  Google 
Buchsuche  hilft  Lesern  dabei,  die  Bücher  dieser  Welt  zu  entdecken,  und  unterstützt  Autoren  und  Verleger  dabei,  neue  Zielgruppcn  zu  erreichen. 
Den  gesamten  Buchtext  können  Sie  im  Internet  unter|http:  //books  .  google  .corül  durchsuchen. 


5-2?^?? 


H.  BARON 

.1I.HIC  iKid  Baal". 
1W  CHATaWORTH  HOAD, 
'-"""OH.  H.1I.I.,  tKetflHO 


r 


LEXIKON 


DER 


KIRCHLICHEN  TONKUNST. 


BEARBEITET 
VON 


P.  UTTO  KORNMULLER 

O.  S.  B. 


-^H^«- 


ZWEITE, 

VERBESSERTE  UND  VERMEHRTE  AUFLAGE. 

MIT  DRUCKGENEHMIGUNG  DES  BISCHÖFL.  ORDINARIATES  REGENSBÜRG. 


L  TEIL 
SACHLICHES. 

REGENSBURG  1891. 
ALFRED  COPPENRATHS  VERLAG. 

(H.  PAWELEK.) 


r 


Vorwort  zur  ersten  Auflage. 


Die  Bestrebungen  unserer  Zeit,  die  katholische 
Kirchenmusik  wieder  auf  bessere  Bahnen  zu  lenken,  als 
auf  welchen  sie  seit  vielen  Jahrzehnten  gewandelt  ist, 
scheint  wohl  nichts  mehr  zu  fördern,  als  die  Verallge- 
raeinerung  der  Kenntnisse,  welche  die  heilige  Tonkunst 
betreffen.  Hierzu  glaubt  der  Verfasser  durch  die  Bear- 
beitung einer  Encyklopädie  der  kirchlichen  Musik,  worin 
die  verschiedenen  Seiten  dieser  Kunst  ins  Auge  gefasst 
werden,  beitragen  zu  können. 

Zwar  gibt  es  mehrere  musikalische  Lexika  und  unter 
denselben  vortreffliche  Werke;  diese  befassen  sich  jedoch 
ihrer  Aufgabe  gemäss  nur  mit  dem  Allgemeinen  der 
Tonkunst,  ohne  des  Wesens  der  einzelnen  Gattungen 
weiter  als  im  Vorübergehen  zu  gedenken,  wenn  sie  nicht 
gar,  wie  es  fast  immer  geschieht,  Irrtümer  und  Un- 
richtigkeiten über  Katholisches  bringen.  Solche  Lexika 
können  natürlich  einem  katholischen  Kirchenmusiker 
nicht  genügen. 

Je  mehr  die  Kenntnis  in  einer  Disziplin  wächst 
d  allseitig  wird,  desto  freudiger,  eifriger,  richtiger  und 
bigreicher  wird  die  Wirksamkeit  in  ihr  werden.  Bei 
•  kirchlichen  Tonkunst  handelt  es  sich  nun  nicht  bloss 
1   die   Theorie   der   Tonsetzkunst,    allgemeine   Musik- 


r 


IV  Vorwort  zur  ersten  Auflage. 

geschichte,  Biographie,  Bibliographie  und  Ästhetik,  son- 
dern mehr  noch  um  specielle  Kirchenmusik-Geschichte, 
um  die  Prinzipien,  aus  welchen  sie  ihr  Leben  und  ihr 
Gedeihen  schöpft,  um  die  Liturgie,  die  kirchlichen  Be- 
stimmungen und  die  Verwendung  der  musikalischen 
Mittel  zum  besonderen  Zwecke.  Passt  man  dies  alles 
zusammen,  so  erreicht  die  kirchenmusikalische  Wissen- 
Schaft  einen  Umfang  und  eine  Vielseitigkeit,  welche 
eine  eigene  Encyklopädie  rechtfertigt. 

Vorliegendes  Werk    soll  ein  Versuch  sein,   in    ge- 
drängter Darstellung  so  ziemlich  alles,    was  den  Freun- 
den und  Pflegern  der  kirchlichen  Tonkunst  zu  wissen 
hotwendig  und  nützlich  sein  oder  für  sie  überhaupt  ein 
Interesse  haben  kann,  wenigstens  der  Hauptsache  nach 
vorzuführen.    Ein  vollständiges  Lexikon  zu  bearbeiten, 
lag  nicht  in  meinem  Plane.    Darum   finden   sich   neben 
den  bedeutendsten  und  neben  bekannteren  Kompositeuren 
verhältnismässig   nur  wenig   andere  Namen   angeführt, 
und  wurde  nicht   das  Register   aller  Werke   eines  Mei- 
sters aufgenommen.    Ich  wollte  nur  ein  einfaches,    den 
gewöhnlichen  Bedürfnissen  Rechnung  tragendes  Hand- 
und  bequemes  Nachschlagebuch  für  minder  unterrichtete 
Chorregenten,    Schullehrer  und  Musikfreunde  schreiben, 
welchen  nicht  gegönnt  ist,  Kosten  für  grössere  Special- 
werke aufzuwenden,    selbständigen  Studien  zu  obliegen 
und   Bibliotheken   auszunützen.    Ich   weiss   wohl,   dass 
ein  encyklopädisches  Werk  noch  nicht  tiefes  und  gründ- 
liches Wissen  zu  verschaffen  vermag,    aber   es  ist  doch 
im    stände,    über    vieles   die   nötigsten   Aufschlüsse   zu 
geben  und  zum  eigenen  Nachdenken  und  Nachforschen 
anzuregen. 

Da  mir  neben  der  hiesigen  Klosterbibliothek  auch 
die  Benützung  der  Proskeschen  und  Mettenleitnerschen 


Vorwort  zur  ersten  Auflage.  V 

Bibliothek  freundlichst  gestattet  war,  so  konnte  ich  eine 
namhafte  Anzahl  einschlägiger  Werke  einsehen  und  zu 
Rate  ziehen.  Vieles  habe  ich  selbständig  und  neu  be- 
arbeitet, vieles  aber  auch  den  benützten  Werken  wört- 
lich oder  mit  einigen  Abänderungen  entnommen,  so  dass 
im  ganzen  mein  Buch  viel,  mehr  als  ein  Sammelwerk 
angesehen  sein  will. 

Für  das  Liturgische  befragte  ich  die  verschie- 
denen liturgischen  Bücher:  Missale,  Caeremoniale  Episc, 
die  Ritualien  und  Directorien,  dann  die  Entscheidungen 
der  Congregatio  Ss.  Rit.,  die  neueren  bischöflichen  Er- 
lasse u.  s.  w.,  besonders  war  mir  massgebend  die  Ver- 
ordnung des  seligen  Bischofs  Valentin  von  Regensburg 
d.  d.  16.  April  1857;  ferner:  die  Werke  von  Dr.  Am- 
berger  (Pastoraltheologie),  Dr.  A.  Maier  (Kultus  des 
Allerheiligsten),  de  Herdt,  Durandus  (Rationale),  Kardinal 
Bona,  die  Liturgiken  von  Schmid  und  Luft. 

Für  Geschichte,  Archäologie  und  Biographie 
benützte  ich  die  einschlägigen  Werke  von  Gerbert,  Fer- 
kel, Kiesewetter,  Ambros,  Proske  (Musica  divina),  Cous- 
semaker,  v.  Winterfeld,  Schubiger,  Binterim,  Sev.  Meister, 
Pascal  (Origines  et  raisons  de  la  Hturgie  cathoL),  die 
Kirchenlexika  von  Aschbach  und  Weite,  die  musikali- 
schen Encyklopädien  von  Rousseau,  Schilling,  Bernsdorf, 
Fetis  (1.  Aufl.). 

Über  den  Choral  erholte  ich  Aufschlüsse  aus  den 
Werken  von  Antony,  Janssen,  Morelot,  Haberl,  Metten- 
leiter (Enchiridion  nebst  Orgelbuch),  WoUersheim,  P.  Be- 
idikt  Sauter  (Choral  und  Liturgie),  aus  liturgischen 
^sangbüchern  u.  a. 

Für  die  Theorie  der  Musik  —  aus  den  Werken 
1  B.  Marx,  Dehn,  G.  Weber,  G.  Bellermann,  R.  West- 
al  u.  a. 


VI  Vorwort  zur  ersten  Auflage. 

Für  die  Orgel  —  aus  den  Orgelbüchem  von  Tö- 
pfer Heinrich,  B.  Mettenleiter. 

Für  die  Ästhetik  —  aus  den  Schriften  von 
Dr.  Dursch,  Dr.  Deutinger  (Kunstlehre),  Stein  (katho- 
lische Kirchenmusik).  Ausserdem  boten  verschiedene 
musikalische  Zeitschriften  und  praktische  Musikwerke 
manches  verwertbare  Material. 

Alles  lag  mir  daran,  die  kirchliche  Tonkunst  von 
dem  einzig  richtigen,  d.  h.  dem  kirchlichen  Stand- 
punkte aus  anzuschauen  und  zu  beurteilen;  darum  hebe 
ich  bei  jeder  Gelegenheit  die  Anschauungen  der  Kirche 
hervor  und  füge  an  den  gehörigen  Stellen  die  kirch- 
lichen und  liturgischen  Bestimmungen  ein.  Darauf  kommt 
ja  alles  an,  dass  der  Geist  der  Kirche  wieder  in  die 
gottesdienstliche  Musik  einkehre,  und  Liturgie  und 
Musik  wieder  ein  einheitliches,  ein  zusammenge- 
höriges und  zusammenstimmendes  Ganze  werde. 
Durch  blosse  Musikkunst  oder  durch  Asthetisieren  lässt 
sich  ^das  nicht  erreichen.  Ohne  Berücksichtigung  des 
Geistes,  welcher  die  Liturgie  durchweht,  mögen  wir 
wohl  die  Kirchenmusik  auf  einen  anderen,  vielleicht 
kunstvolleren  Weg  leiten,  aber  nicht  auf  den  rechten. 

Zu  bemerken  habe  ich  noch,  dass  es  mir  zum 
leichteren  Auffinden  der  in  verschiedenen  Artikeln  be- 
handelten Materien  zweckmässig  erschien,  ein  Sach- 
register beizugeben. 

Möge  mein  Buch  auch  nach  seiner  Vollendung 
gleiche  freundliche  Aufnahme,  wie  die  ersten  Lieferun- 
gen desselben,  finden  und  sich  bei  der  Beurteilung  bil- 
liger Nachsicht  erfreuen  in  Anbetracht  der  Schwierig- 
keiten, welche  solche  Arbeiten  stets  begleiten.  Ich 
verhehle  mir  keineswegs  die  formellen  und  materiellen 
Mängel,  welche  demselben  ankleben,   glaube  aber  doch 


Vorwort  zur  ersten  Auflage.  VII 

mit  diesem  unvollkommenen  Versuche  ein  weniges  der 
katholischen  Kirche  nützen  zu  können  und  dadurch  der 
Forderung  des  heiligen  Ordensstifters  Benedikt:  „Ut  in 
Omnibus  glorificetur  Dens"  nachzukommen. 

Zum  Schlüsse  fühle  ich  mich  noch  gedrungen,  hier 
öffentlich  meinen  tiefgefühlten  Dank  insbesondere  Sr.  bi- 
schöf  liehen  Gnaden,  dem  Hoch  würdigsten  Herrn^  Herrn 
Ignatius,  Bischof  von  Regensburg,  für  die  huldvollste 
Gestattung,  die  Proskesche  Bibliothek  zu  benützen,  so- 
wie dem  Bibliothekar  derselben.  Hoch  würden  Herrn 
Ordinariatsassessor  G.  Jakob,  dann  meinem  Hochwür- 
digsten Titl  Herrn  Abte,  Utto  Lang,  dem  gründlichen 
und  wohlerfahrenen  Musikkenner,  auszusprechen,  ferner 
allen  jenen  geehrten  Herren,  welche  mich  durch  Rat 
imd  That  bereitwilligst  unterstützten,  sei  es  durch  Be- 
lehrungen, Mitteilungen,  Beiträge  oder  Berichtigungen. 


Metten,  den  26.  Mai  1870. 


Der  Verfasser. 


Vorwort  zur  zweiten  Auflage. 


Das  „Lexikon  für  kirchliche  Tonkunst"  hat  in 
dieser  zweiten  Auflage  insofern  eine  Umänderung  er- 
litten,  als  der  Stoff  in  zwei  Teile  geschieden  wurde, 
von  denen  der  I.  Teil  das  Sachliche,  der  IL  Teil  das 
Biographische  zu  bieten  hat  (jeder  Teil  ist  für  sich 
käuflich).  Manche  Verbesserungen  haben  stattgefunden 
und  eine  reichliche  Anzahl  Artikel  wurden  eingefügt, 
so  z.  B.  die  längeren  Artikel  „Ästhetik",  „Geschichte 
des  Orgelspieles '^;  auch  das  27.  Kapitel  des  I.  Buches 
des  Caeremoniale  Episcoporum  wurde  unter  „Verord- 
nungen" möglichst  vollständig  gegeben. 

Hier  spreche  ich  auch  öffentlich  meinen  Dank 
Herrn  Professor  Valentin  Hintner  in  Wien  aus,  wel- 
cher die  Freundlichkeit  hatte,  mich  auf  eine  Reihe  Ver- 
besserungen aufmerksam  zu  machen. 

Möge  diese  zweite  Auflage  ebenfalls  wohlwollende 
Aufnahme  finden  und  beitragen  zur  allseitigen  För- 
derung und  Hebung  der  katholischen  Kirchenmusik  und 
damit  zur  grösseren  Ehre  Gottes,  zur  Verschönerung  des 
Gottesdienstes  und  zur  wahren  Erbauung  der  Gläubigen. 


Metten,  den  1.  JuU  1891. 


Der  Verfasser. 


Quellenlitteratur. 


lUissale  romannm,  Gradnale  rom.,  Pontificale  rom.,  Caeremo- 
niale  Episcoporum  (neueste  Edition  1888).  Verschiedene 
bischöfliche  Erlasse. 

Mühlbauer,  W.,  Decreta  authentica  C.  S.  Rit.  et  Instructio  Cle- 
mentina.   III  tomi.    Monachii,  sumpt.  Stahl,  1863— 67. 

Amberger,  Dr.  Jos.,  Pastoraltheologie,  3  Bde.  Regensburg  1883. 

Bona,  Joannes,  Kardinal,  „De  divina  psalraodia^  (Opp.  omn.). 
Antverpiae  1694. 

Dnrandus,  Wilh.,  Rationale  divin.  officiorum.    Venetiis  1568. 

Herdt,  J.  B.,  S.  Liturgiae  praxis  juxta  ritum  rora.  3.  Aufl.  3  Bde. 
Löwen  1855. 

Maier,  Dr.,  Die  liturgische  Behandlung  des  Allerheiligsten.  Re- 
gensburg 1864 

Pascal,  J.  ß.  E.,  Origines  et  raisons  de  la  liturgie  catholique. 
Petit-Montrouge,  J7  P.  Migne,    1844. 

Schmid,  Fr.  X.,  Litureik  der  christkatholischen  Religion.  3  Bde. 
2.  Aufl.    Passau  1öö5. 

Thalhofer,  Dr.  V.,  Handbuch  der  katholischen  Liturgik.  I.  Frei- 
burg i.  Br.,  Herder,  1887. 

Binterim,  A.,  Denkwürdigkeiten  der  christlichen  Kirche.  7  Bde. 
Mamz  1825-41. 


Ambros,  Dr.  W.  A.,  Geschichte  der  Musik.  4  Bde.  Breslau  1862—78. 
Forkel,   Job.  Nik.,   Allgemeine   Geschichte  der  Musik.    2  Bde. 

1788    1^1 
Herbert,  Fürstabt,  Martin,  De  Cantu.    2  Bde.    St.  Blasien  1774. 

—  Scriptores  ecclesiastici  de  Musica  sacra  potissimum.   3  Bde. 
Ebd.  1784. 

»nssemaker,    Ed.  de,   Scriptores  de  Musica  medii  aevi.    Nova 
series  a  Gerbertina  altera.    3  Bde.    Paris  1866 — 76. 

—  Histoire  de  rHarmonie  du  moyen  äge.    Ebd.  1860. 

—  L'art  harmonique  aux  XII.  et  XI Q.  si^cles.    Ebd.  1865. 
»mmer,  Arrey  v.,  Handbuch  der  Musikgeschichte.  Leipzig  1878. 


r 


X  Quellenlitteratur. . 

Kiesewetter,  R.  G.,  Geschichte  der  europäisch-abendländischen 
und  unserer  heutigen  Musik.    (1834)  1864. 

Guido  von  Arezzo,  sein  Leben  und  Wirken.    1840. 

Proske,  Dr.  Karl,  Musica  divina.    4  Bde.    Regensburg  1853 — 64. 

Selectus  Missarum.    2  Bde.    Ebd.  1855. 

Schnbiger,  P.  Anselm,  Die  Sängerschule  von  St.  Gallen.  Ein- 
siedeln 1858. 

Die  Kirchenmusik  in  der  Schweiz  1873. 

Winterfeld,  Karl  v.,  Johannes  Gabrieli  und  sein  Zeitalter, 
2  Bde.    1834. 

Baenmker,  Wilh.,  Zur  Geschichte  der  Tonkunst  in  Deutschland, 
Freiburg  i.  Br.  1881. 


Riemann,  Dr.  Hngo,  Studien  zur  Geschichte  der  Notenschrift- 
Leipzig  1878. 

Fortlage,  Dr.  Karl,  Das  musikalische  System  der  Griechen  in 
seiner  Urgestalt.    Ebd.  1847. 

Westphal,  Dr.  Rnd.,  Die  Musik  des  griechischen  Altertums, 
Ebd.  1883. 

Tzetzes,  Dr.  Joh.,  Über  die  altgriechische  Musik  in  der  griechi- 
schen Kirche.    München  1874. 

Marx,  A.  Bernh.,  Die  Kunst  des  Gesanges.    Berlin  1826. 


Antony,  Jos.,  Archäologisch-liturgisches  Lehrbuch  des  Grego- 
rianischen Kirchengesanges.    Munster  1829. 

Haberl,  Dr.  Fr.  X.,  Magister  choraUs.   9.  Aufl.    Regensburg  1890. 

Kienle,  P.  Ambrosius,  Choralschule.    Freiburg  i.  Br.  1884. 

Pothier,   Dom  Jos.,  Les  m^lodies  gregoriennes.    Tournay  1880. 

Meister-Baenmker,  Das  katholische  Kirchenlied.  2  Bde.  Frei- 
burg i.  Br.  1862—86. 


Bellermann,  Dr.  Heinr.,  Der  Kontrapunkt.  (2.  Aufl.).  Berlin  1877. 

Dehn,  Wilhelm,  Theoretisch-praktische  Harmonielehre.  Ebd.  1860. 

Lehre  vom  Kontrapunkt,  Kanon  und  der  Fuge,  herausge- 
geben von  B.  Scholz.    Ebd.  1859. 

Dommer,  Arrey  v.,  Elemente  der  Musik.    Leipzig  1862. 

Marx,   Bernh.,   Die  Lehre   von  der  musikalischen  Komposition. 
4  Bde.    Leipzig  1875. 

Morelot,   Stephan,   Elements  d'harmonie   apphqu^e  ä  Taccom- 
pagnement  du  plain-chant.    Paris  1861. 

Oberhoffer,  Heinr.,  Harmonielehre.    2.  Aufl.    Trier  1883. 

Schule  des  katholischen  Organisten.    (4.  Aufl.).    Ebd.  1884. 

Piel,  Peter,  Harmonielehre.    Düsseldorf  (1890). 

Schjnetz,  Pet.,  Die  Harmoniesierung  des  Gregorianischen  Chorals. 
Ebd.  (1887). 

Spies,   P.   Meinrad,    Tractatus  musicus  compositorio-practicus. 
Augsburg  1745. 


Quellenlitteratur. 


XI 


Choral  und  Liturgie  (P.  Benedict  Sauter).    Freiburg  i.  Br. 

Dentinger,  Dr.  M.,  Kunstlehre.    Regensburg. 

Hanslik,  Dr.  Ed.,  Vqjn  Musikalisch-Schönen.    7.  Aufl.    1885. 

Jnngmann,  P.  Jos.,  Ästhetik.    2.  Aufl.    Freiburg  i.  Br.  1884. 

Koestlin,  Dr.  Adolf.  Die  Tonkunst.    Stuttgart  1879. 

Jakob,  Dr.  Georg,  Die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche.    Landshut 

1857  (1880). 
Stein,  Gereon,  Die  katholische  Kirchenmusik.    Köln  1864 
Thibaut,  Dr.  A.  Fr.  J.,   Über  Reinheit   der  Tonkunst  (mehrere 

Auflagen). 

!F^tis,  Fr.  Jos.,  Biogi-aphie  universelle.    Paris  1862—72. 
liipowsky,  Felix  Jos.  v.,  Bayerisches  Musikerlexikon.   München 

Hendel-Reissmann,   Musikalisches  Konversationslexikon.    Berlin 

1870-^. 
Kiemann,  Dr.  Hugo,  Musik-Lexikon.    3.  Aufl.    1887. 
Rousseau,  J.  J.,  Dictionaire  de  Musique.    1767. 


€äcilienkalender  von  Fr.  X.  Haberl  1876—85,  und  dessen  Fort- 
setzung als  „Kirchenmusikalisehes  Jahrbuch**  1886—90. 
RegensDurg. 

Monatshefte  für  Musikgeschichte  (Eitner  Robert).    1869—90. 

Leipziger  Allgemeine  Musikzeitung.    1866—82. 

Vierteljahrschrift  für  Musikwissenschaft.    1886—90. 

Witt,  Dr.  Franz,  Fliegende  Blätter  für  katholische  Kirchen- 
musik.   Regensburg,  seit  1866. 

—  ^-  Musica  Sacra.    Regensburg,  seit  1868. 

Gregoriusblatt  (H.  Böckeier).    Aachen,  seit  1877. 


Helmholtz,   H.,  Die  Lehre  von  den  Tonempfindungen.    4  Aufl. 
Braunsohweig  1877. 


"^ 


I 


i 


Im  gleichen  Verlage  von  Alfred  Coppenrath  (H.  Pa)* 
welek)  in  Regensburg  erschienen; 

Zehn 

M[  a  r  i  e  n  1  i  e  d  e  r 

für 

vi  e  r  s  t  i  m  m  igen  gemiscliteii   Chor 

von 

P.  ütto  Kornmttller. 

Opus  5. 
Partitur  M.  1.  — ,  4  Stimmen  ä  30  Pf. 


Requiem     in     ES 

für 

Sopran   und  Alt  mit  Orgel 

von 

P.  Utto  KornmUller. 

Opus  6. 
Partitur  M.  1.  — ,  4  Stimmen  ä  20  Pf. 


Druck  der  Verlags -/Dstalt  rorm.  G.  J.  Mauz  in  Reg«niAurg. 


F 


,  »  '  ■  — 


I. 


Sachlicher   Teil 


j 


Kornmüller,  Lexikon. 


l 


r 


A. 


A.  Schon  vor  Aristoxenus,  einem  Schüler  des  Aristoteles 
(etwa  um  350  v.  Chr.),  wurden  die  Töne  der  Musik  mit  den  Buch- 
staben des  Alphabets  bezeichnet,  und  zwar  wurde  der  erste  und 
tiefste  Ton  A  genannt.  Dies  blieb  auch  so  bis  um  die  Zeit 
Guido's  von  Arezzo,  wo  man  um  einen  Ton  tiefer  hinabging  und 
ihn  mit  F  bezeichnete.  Guido  schreibt  in  seinem  „Micrologus", 
Cap.  II:  „Imprimis  ponatur  r,  a  modernis  adjunctum.*^  «I>ä- 
ter  hörte  auch  dieses  auf,  Grundlage  des  Tonsystems  zu  sein, 
und  es  trat  das  C  an  seine  Stelle,  von  welchem  aus  die  7  Haupt- 
töne nach  dem  Alphabet,  wie  noch  jetzt  gebräuchlich,  genannt 
wurden.  Dadurch  ist  A  der  sechste  Ton  der  diatonischen  Skala 
geworden.  Das  eingestrichene  a  ist  auch  der  Ton,  nach  welchem 
im  Orchester  eingestimmt  wird  (s.  Stipimung). 

A,  ital.  Präposition,  bedeutet  auf,  bei,  gegen,  in,  zu, 
mit,  über,  bis  in,  bis  zu.  Mit  den  Artikeln  il  V,  la  und  lo 
zusammengesetzt,  bildet  diese  Präposition  den  ital.  Dativ:  al, 
plur.  ai  oder  a':  all',  plur.  agli;  alle,  plur.  ägli;  alla,  plur. 
alle.  Diese  Präposition  kommt  in  der  Kunstsprache  in  inren 
Zusammensetzungen  häufig  vor,  z.  B.  a  tempo,  alP  unisono  etc. 
Es  folgen  nier  die  in  der  Ku-chenmusik  am  häufigsten 
vorkommenden  Kunstausdrücke  dieser  Gattung: 

l)a  capella  bezeichnet  entweder,  dass  ein  Tonstück  nur 
für  Singstimmen  ohne  Begleitung  bestimmt  ist,   oder  dass   die 
begleitenden  Instrumente  mit  der  Singstimme  im  Einklang  oder 
in  der  Oktav  fortschreiten,  —  oder  es  soll  damit  das  Tempo  be- 
zeichnet werden,  soviel  als  „alla  breve^,  demgemäss  eine  raschere 
Ausführung  der  sonst  längeren  Noten  erfordert  wird;   a  due  = 
zu  zweien,  von  zwei  Sängern  oder  Instrumentisten  auszuführen;  — 
a  mezza  voce,   mit  halber  Stimme;   a  poco    a  poco  =  nach 
und  nach,    allmählich;    a  prima  vista  :=  auf  den  ersten  Blick, 
vom  Blatte  singen  oder  spielen;   a  quattro   (oder  ä   quatre), 
zu  vieren;  a  suo  luogo,  soviel  wie  loco,  bedeutet,  dass  die  bis 
in  um  eine  Oktav  nöher  oder  tiefer  gespielten  Noten  wieder 
der   gewöhnlichen    Tonhöhe  vorgetragen   werden   sollen;    a 
^po  bedeutet  den  Wiedereintritt  des  durch  ein  anderes  Zeit- 
8  unterbrochenen  ersten  Zeitmasses;  auch  wird  dies  mit  „tempo 
tto"   (tempo  l^^o)  bezeichnet;   a   tre   voci   oder  bloss   a  tre 
brois),   für   drei  Stimmen;   a   voce   sola=s:  für   eine  Sing- 
••ne  allein. 

1* 


4  Abbreviatur. 

2)  al,  all*.  —  al  fine  bedeutet  die  Wiederholung  eine» 
Satzes  von  Anfang  (da  oapo)  oder  von  einem  Zeichen  (dal 
segno)  bis  zu  der  Stelle,  wo  das  Wort  Fine  (Ende)  steht;  alT 
ottava,  in  der  Oktave,  gewöhnlich  eine  Oktave  höher  (air 
ottava  alta),  sonst  mit  der  näheren  Bezeichnung  „all'  ottava 
bassa^,  um  eine  Oktav  tiefer;  sodann  bedeutet  es  in  Partituren^ 
dass  ein  Instrument  mit  einem  anderen  in  der  Oktav  fortschrei- 
ten —  und  beim  Generalbassspielen,  dass  statt  der  Aocorde  nur 


beim  Zeichen. 

3)  alla.  —  alla  breve,  im  gekürzten,  d.  h.  schnelleren 
Zeitmass,  gewöhnlich  im  Zwei-  oder  Dreizweitel-  (Zwei-  oder 
Dreihalbetakt)  Takt,  in  welchem  die  halben  Noten  fast  die  Be- 
wegung der  Viertel  haben;  alla  capella  soviel  als  „a  capella**;^ 
alla  stretta,  eng,  zusammengezogen^  zunächst  in  Fugen,  wo* 
das  Thema,  ehe  die  vorhergehenden  Stimmen  es  geendet  haben, 
in  den  folgenden  eintritt,  oder  in  engeren  Nachahmungen  er- 
scheint, —  dann  aber  auch  das  schnellere  Tempo  gegen  den 
Schluss  in  anderen  Tonstücken. 

Abbreviatur,  Abkürzung,  kommt  bei  den  in  der  Musik 
gebräuchlichen  Benennungen  und  Kunstwörtern,  wie  bei  den  oft 
wiederkehrenden  oder  länger  fortjjeführten  Notenfiguren  vor.  Die 
gebräuchlichsten  Abkürzimgen  sind: 

I.  Abbreviatur  der  Kunstwörter  (die  Bedeutung  der 
einzelnen  s.  in  den  betreffenden  Artikeln):  A.  =  Alto  ^ing- 
stimme);  acceL  =  accelerando;  all«  =  allegro;  alltfco=  allegretto; 
andte  c^  andante;  andtoo  =  andantino;  arc.  ==  colarco;  a.  t.  = 
a  tempo;  att.  =  attaoca;  B.  =  Basso;  Basso  —  Contrabasso; 
c.  =  con  (oder  in  Zusammensetzungen  col,  con . . .) ;  c.  8va  - 
coir  ottava;  cal.  =  calando;  Cello  =  Violoncello;  Clar.  und  C\^^ 
=  Clarinetto;  Cor.  und  Co.  =  Corno;  cresc.  =  crescendo; 
D.  C.  =  Da  capo;  D,  S.  =  dal  segno;  decresc.  =  decrescendo; 
dim.  =  diminuendo;  dol.  =  dolce;  espr.  und  espress.  = 
espressivo;  f  und  fo  =  forte;  Fag.  =  Fagotte;  ff  =  fortissimo; 
Ft  =  Flaute  j  fp  =  fortepiano;  fz  =  forzando;  leg.  =  legato; 
m.  =  mezzooder  meno;  marc.  =  marcato;  mezz.  =  mezzo  (mezza); 
m.  f.  =  mezzo  oder  meno  foi*te;  min.  =  minore;  modto.  =  mo- 
derato;  m.  v.  =  mezza  voce;  Ob.  =  Oboe;  Ped.  =  Pedale;  perd. 
und  perdend.  =  perdendosi;  p.  und  jpo  =  piano;  p.  f.  =  piu 
forte  oder  poco  forte;  pizz.  ~  pizzicato;  pp.  =  piamssimo;  ralL 
=  rallentando;  rf.  und rfz.  =  rinforzando;  rip.  ==  ripieno;  ritard.  =s^ 
ritardando;  rit.  =  ritenuto;  seg.  =  segue;  sfz.  ==  sforzando; 
Sopr.  =  Soprane;  sord.  =  sordim;  sost.  imd  sosten.  =  sostenuto; 
s.  S.  —  senza  Sordini;  s.  v.  =  sotto  voce;  stacc.  =  staccato;' 
string.  =  stringendo;  T.  =  Taste,  auch  tutti;  t.  s.  =  tasto  solo; 
Ten.  =  Teuere;  ten.  =  tenuto;  Timp.  =  Timpanij  tr.  =  trillo; 
Tromb.  =  Trombone;  unis.  =  unisono;  V»  =  Violaj  V®iio  -- 
Violoncello;  v.  s.  =  volti  subito;  l^^a  =  prima  (nämlich  volta); 
2da  =  secunda  (volta). 

IL    Abbreviatur   der   Notenfiguren,    wie  sie  oft  in 
einzelnen  Stimmen,   sehr  häufig  aber  in  Partituren  der  Figural* 


•Abschnitt. 


5 


musik  vorkommt.  Man  schreibt  die  erste  Figur  ganz  und  deutet 
ihre  Wiederholung  durch  Querstriche  an,  teils  mit  Noten,  teils 
ohne  Noten,  oder  indem  das  Wort  „simili  (ähnlich)"  oder 
^segue  (es  folgt)"  beigesetzt  wird.    Hier  mehrere  Beispiele: 

Schreibart. 


'^$^^^M 


Ausführung. 


?= 


bis 


Zeichen  der  Repetition  sind: 


^^1^^^ 


Abschnitt  bezeichnet  einen  Ruhepunkt  in  der  Melodie 
ie  besondere  Rücksicht  auf  den  Umfang  des  abgesonderten 
les,  also  ein  Glied  ohne  besondere  wesentlich  unterscheidende 
"kmale. 


6  Absolutio  —  Accent. 

Absolutio,  ^ne  kirchlich«  Ceremonie,  welche  mit  dem  Be* 
fi^räbnisritus  (Exequiae)  in  Verbindung  steht.    Die  Feier   für  di^ 
Verstorbenen  in  der  Kirche  sollte  eigentlich  in  Gegenwart  de» 
Leichnams  stat^tfinden,   damit   die  Gläubigen   um   so  mehr  szum 
Gebete   für    denselben    aufgenmntert   würden.    Da   aber    durch 
staatliche  Anordnimgen  es  untersagt  worden  ist,   den  Leichnam? 
in  die  Kirche  zu  bringen,  so  wird  aie  gottesdienstliche  Feier  erst 
pach  dem  Begräbnisse  gehalten;   eine  Ausnahme  findet  nur  mit 
staatlicher  Bewilligung  bei  Begräbnissen  von  Bischöfen,   Abterv 
Fürsten  u.  a.  statt,  wenn  diese  in  der  Kirche,   beziehungsw^eise* 
in   einer  Gruft   in  derselben  begraben  werden.    Darum  wird  in 
der  Kirche  ein  Trauergerüste  (tumba)  aufigerichtet,  um  den  Leich- 
nam zu  vergegenwärtigen,  und  dann  Omcium,  Messe  und  Abso- 
lution gefeiert.    Die  letztere  besteht  darin,  dass  der  Priester  mit 
Leviten  und  Ministranten,  während  vom  Chore  das  Responsorium 
„Libera  me"  gesungen  wird,  sich  zur  Tumba  begibt,  um  dieselbe 
herumgehend  und  das  Pater  noster   still    betend   dieselbe   niit 
Weihwasser  besprengt,   dann  beräuchert   und.  nach  Vollendunr- 
dieses  Aktes  die  vorgeschriebenen  Versikel  und  die  Oration  singt 
Bei  den  Exequien  emes  Papstes,  Kardinals,   Bischofes,  Kaisers^ 
Königs  u,  s.  w,  werden  fünf  Absblutionen  gesprochen.    Wo  drei 
Seelengottesdieiiste  für  einen  Verstorbenen  abgehalten  werden^ 
findet    die    Absolution    nach    dem    dritten ,     dem    sogenannten 
Dreissigsten ,   statt;   ist  der  Gottesacker  in  unmittelbarer  Nähe 
der  Kirche,  so  geht  man  zur  Absolution  an  das  Grab  des  Ver- 
^torbenen  selbst. 

Abstossen  der  Töne,  ist  jene  Art  des  Vortrages,  bei  wel- 
cher die  Töne  kurz  und  merklich  von  einander  abgesondert  an- 
gegeben werden.  Es  erfordert  viele  Übung  und  grosse  Genauigkeit. 
Bei  Bogeninstjrumenten  geschieht  es  durch  einen  kurzen  ötoss 
der  Hand,  bei  Blasinstrumenten  durch  -einen  kurzen  Atemstoss. 
und  durch  eigentümliche  Bewegung  der  Zunge.  Das  Zeichen, 
wodurch  der  Komponist  es  andeutet,  sind  entweder  Punkte 
(.  .  .  .)  oder  Striche  (  *  »  *  *  )  über  den  Noten,  erstere  für 
schwächeres,  letztere  für  stärkeres  Stossen;  oder  es  wird  den 
Noten  „staccato**  beigefügt. 

Acceleraiido,  beschleunigend,  an  Schnelligkeit  (meist  auch 
an  Stärke)  zunehmend.  " 

Aecent  --  Betonung  und  Betonungszeichen.  Beide  sind 
entweder  sprachlich  oder  musikalisch  und  bezwecken  klare  Ver- 
ständlichkeit, gehörige  Verschmelzung  des  Lichtes  und  des  Schat- 
tens und  eine  lebhafte  und  innige  Ansprache  des'  Gefühles.  Im 
allgemeinen  versteht  man  darunter  die  abgemessene  Hervor- 
hebung von  Wortsilben  oder  musikalischen  Tönen.  Es  ist  für 
einen  Komponisten  l:^nerlässlich ,  sich  mit  der  Pro  so  die,  d.  h. 
der  Lehre  von  der  Länge  und  Kürze  der  Sprachsilben  in 
derjenigen  Sprache  wohl  Hbekanht  zu  machen,  in  welcher  sein 
Text  geschrieben  ist;  so  namentlich  für  den  Kirchenkoniponisten 
bezüglich  der  lateinischen  Sprache.  Eine  hinreichende  Kenntnis 
davon  hat  sich  auch  der  kirchliche  Ghoralsänger  zum  richtigen 
Vortrage  der  Psalmen,  Antiphonen  und  dergleichen  anzueignen.  — ' 
Der  musikalische  Accent  teilt  sich  in  den  taktischen,  gemäss 
welchem  einem  oder  einzelnen  Teilen  eines  Taktes  ein  grösseres 


Accentus  ecclesiasticus  —  Accord.  7 

Gewicht  zukommt^  als  den  anderen;  in  den*  rhythmischen, 
Tv^eksher  es  mit  synnnetrischen  Reihen  kleinerer  oder  grösserer 
Abschnitte  miteinander  verbimdener  Töne  zu  thun  hat:  und  in 
den  malenden  oder  Gefiihlsacoent ,  der  sich  beim  lebendii^en 
Vortrage  äussert,  durch  die  Vorträgsbezeichnungen  (z.  B.  forte, 
piano,  cresc,  *  ■  — r:  ::==*-  und  dergleichen)  einigenteils  ange^- 
deutet,  hauptsächlich  aber  doch  durcn  das  richtige  Verständnis 
und  ästhetische  Gefühl  des  Vortragenden  bedingt  wird. 

Accentus  ecclesiasticus  bezeichnet  den  Einzek^esang  des 
Priesters,  Diakons,  Subdiakons,  des  antwortenden  Dieners,  im 
Gegensatze  zum  Concentus,  unter  welchem  Worte  man  alte 
Gesänge  verstand,  welche  vom  Gesamtchor,  oder  überhaupt  von 
mehreren  zugleich  vorgetragen  wurden.  Zum  Accentus  gehören 
also:  der  Kollektenton  —  tonus  orationum  seu  CoUectarum;  der 
Epistel-  und  Evangelienton;  die  Passion;  der  Gesang  der  Pro- 
pnetien,  des  Martyrologiums  und  ähnlicher.  Jeder  Redevortrag 
schliesst  eine  Modulation  in  sich,  welche  um  so  bedeutender 
hervortritt,  je  feierlicher  der  Vortrag  ist.    Aber  auch  die  sinn- 

femässe  Abteilung  des  Textes  beim  Vortrage  verlangt  verschie- 
ene  Modulation  der  Stimme.  Es  scheinen  sich  schon  frühzeitig 
in  der  Kirche  für  die  verschiedenen  Distinktionen  oder  Textein- 
schnitte feststehende  Tonfiguren  gebildet  zu  haben,  welche  man 
auch  Accente  oder  Töne  nannte.  Ein  Vorbild  hatte  man  schon 
im  feierlichen  Lese  vortrage  der  Synagoge.  (Vergleiche  -Das  li- 
turgische Recitativ^  von  P.  Bohn.  Monatshefte  für  Musikge- 
schichte 1887,  Nr.  3.  4.  5.) 

Accidentien,  die  zufällig  im  Verlaufe  eines  Tonstückes 
vorkommenden  Versetzungszeichen. 

Accolade  bedeutet  die  Klammer  oder  den  senkrechten 
Strich,  wodurch  mehrere  zusammengehörige  Liniensysteme  vorn 
am  Rande  miteinander  verbunden  werden,  zum  Zeichen,  dass 
die  auf  diesen  Systemen  befindlichen  Noten  gleichzeitig  ausgeführt 
werden;  so  in  Partituren  und  dergleichen. 

Accompagnement ,  Begleitung  einer  oder  mehrerer  Solo- 
stimmen durch  andere  Instrumente;  besonders  auch  gebraucht 
für  die  Unterstützung  und  Begleitung  einer  oder  mehrerer  Stim- 
men oder  Instrumente  auf  rianoforte  oder  Orgel  nach  einem 
bezifferten  Basse. 

Accord.   Die  neuere  Harmonielehre,  wie  sie  besonders  von 

V.  Oettingen  undRiemann  ausgebildet  worden  ist.   benennt  den 

Accord  einfach  Klang.   Die  Lehre  von  den  Accorden  ist  neueren 

Ursprunges;  man  hatte  anfangs  nur  Melodie  —  nichts  von  Harmonie 

oder  Zusammenklang  mehrerer  Töne.  Einen  Ersatz  dafih*  mag  der 

Gang  der  Melodie  selbst  geboten  haben,  indem  sie  bestimmte  mter- 

valle  durchlief  und  diejenigen  Töne  menr  heiyorhob,  welche  später 

-'lordae  principales*   oder  „essentiales**  hiessen  und  die  Tonart 

inzeichneten.    Was  in  den  Lehrbüchern  der  Alten,  z.  B.  Guido, 

innes  de  Muris  etc.  -harmonia,  symphonia*'  genannt  wird,  ist 

hts   anderes  —  nach    ihren   eigenen  Definitionen   —   als   die 

;elTechte  Verwendung  der  Intervalle  zur  Melodie,   die  kunst^ 

nässe  Aufeinanderfolge  derselben.     Erst  gegen   Anfang  des 

eiten  christßchen   Jahrtausends   wagte    man,    einer  Stimme 

mcipalis)  eine  zweite  Stimme  (organalis)  in   der  Quint   oder 


8  Aöoord. 

Siuart  mitgehen  ^u  lassen,  wodurch  den  eigentlichen  Acoorden 
er  Weg  angebahnt  wurde.  Die  im  zwölften  und  den  folgenden 
Jahrhunderten  stattfindende  Entwickelimg  des  drei-  und  mehr- 
stimmigen Satzes  führte  zwar  die  Beachtung  des  wohllautenden 
Zusammenklan^es  mehrerer  Töne  von  selbS;  herbei,  die  Praxis 
arbeitete  zwar  m  Accorden,  aber  die  Theorie'  hatte  sich  noch 
nicht  daran  gemacht,  eine  systematische  'Accordenlehre  zu  bil- 
den. —  Das  Verdienst,  das  erste  wirklich  geordnete  Accorden- 
system  aufjf^estellt  zu  haben,  gebührt  dem  Franzosen  Rameau; 
sein  Werk  ist  betitelt;  „Tratte  de  Tharmonie*^.  Paris  1722.  Ihm 
schloss  sich  später  d'Alembertin  seinen  «EliSmens  de  Musique* 
an.  Noch  mehr  ward  es  ausgebildet  von  Marpurg,  Kirnber- 
ger,  Albrechtsberger,  Gottfried  Weber,  Andr6  und 
anderen. 

Unter  Ac\cord  verstehen  wir  den  Zusammenklang  von 
wenigstens  drei  in  gewissem  Verhältnis  zu  einander  stehen- 
den Intervallen.  Aus  der  diatonischen  Tonreihe  —  c  d  e  f  g  a 
h  c  .  .  .  —  lassen   sich  entnehmen:   c  e  g,   d  f  a,  e  g  h,  f  a  c, 

§h  d,  a  c  e,  h  d  f,  oder,   was  dasselbe  ist,  wir  setzen  über  je- 
en  Ton  dieser  Scala  zwei  Intervalle  aus  dieser  Reihe  terzenweise: 


IL     III.    IV.     V.     VI.  VII.  VIII. 


Hier  ergeben  sich  sieben  Acoorde,   von   denen  die  auf  der 
I.,  IV.,  V.  Stufe  gleiches  Verhältnis  haben;  ebenso  die  11.,  III.,  IV. ; 

fanz  verschieden  von  den  vorhergehenden  ist  der  Accord  auf 
er  siebenten  Stufe.  Diese  drei  Gattungen  der  Dreiklänge  — 
•  Accorde  von  drei  Tönen  —  bilden  die  erste  Reihe  der  Stamm- 
ac Corde,  von  denen  sich  wieder  andere  ableiten  lassen.  Die 
erste  Gattung  besteht  aus  einer  grossen  Terz  mit  darübergelegter 
kleiner  Terz,  oder  aus  dem  Grundton,  grosser  Terz  und  remer 
Quint,  c  e  g,  f  a  c,  g  h  d,  und  einen  solchen  Accord  nennen  wir 
den  grossen  oder  Dur- Dreiklang;  die  zweite  Gattung  besteht 
aus  einer  kleinen  und  darübergelegten  grossen  Terz,  oder  aus 
Grundton,  kleiner  Terz ,  reiner  Qumt  —  d  f  a,  e  g  h,  a  c  e  — , 
der  weiche,  kleine  oder  Mo  11 -Dreiklang;  die  dritte  Gat- 
tung —  h  d  f  —  besteht  aus  zwei  kleinen  Terzen,  oder  Grund- 
ton, kleiner  Terz  und  verminderter  Quint  imd  wird  vermin- 
derter Dreiklang  genannt.  Eine  vierte  Gattung  wii'd  auch  als 
libermässiger  Dreiklang  angefühi't,  c  e  gis,  bestehend  aus 
zwei  grossen  Terzen,  oder  Grundton,  grosser  Terz,  iibermässiger 
•Quint,  welcher  aber  aus  der  diatonischen  Skala  nicht  gebUaet 
werden  kann,  die  übermässige  Quint  ist  vielmehr  nur  ein  zu- 
fällig erhöhtes  Intervall;  maii  kann  ihn  auch  aus  der  Mollskala 
.(mit  grosser  Septime)  herleiten. 

Der  grosse  Dreiklang  ist  schon  in  der  Natur  selbst  be- 
gründet; die  Erfahrung  und  genaue  Untersuchungen  haben  es 
fezeigt,  dass,  wenn  eme  Saite  oder  eine  Pfeife  zum  Tönen  ge- 
rächt wird,  auch  noch  andere  Töne  als  der  gewünschte  schwach 
hörbar  werdeii;   es  sind  die  Töne,  welche  mit  dem  Namen  Ali- 


Accord. 


9 


«tuottöne  bezeichnet   und  auch  mit  den   Natur-Hörnern   und 
Trompeten  hervorgebracht  werden: 


^ 


1— r~r 


t 


=fc=t 


9 

c     c 


^^^^^m 


g 


c 


Da  durch  Oktavenversetzung  das  Verhältnis  der  Töne  zu 
einem  Grundton  nicht  in  seinem  Wesen  geändert  wird,  so  können 
die  über  einem  Basston  stehenden  Intervalle  in  verschiedener 
Ordnung,  Lage  vorkommen,  die  Terz  über  der  Quint  und  der- 
^eichen.  Ist  die  Oktav  des  Basstones  der  oberste  Ton,  so  sagt 
man,  der  Accord  ist  in  der  Oktavenlage,  —  ist  es  die  Terz, 
so  hat  man  den  Accord  in  der  Terzen  läge,  —  ist  es  die  Quint, 
in  der  Quinten  läge  (Beispiel  a).  Anders  verhält  es  sich,  wenn 
der  Basston  seine  Stelle  emem  anderen  Intervall  des  Accordes 
abtritt,  wenn  z.  B.  die  Terz  zum  Basston  wird,  dann  bilden  sich 
neue  Accorde,  weil  das  Intervallenverhältnis  auch  geändert 
wird,  —  abgeleitete  Accorde  oder  Umkehrungen,  deren 
es  fiii*  einen  Accord  so  viele  gibt,  als  er  Intervalle  über  dem 
BasBton  hat.  Für  den  Dreiklang  gibt  es  demnach  zwei  Um- 
kehrungen; liegt  die  Terz  im  bass,  so  wird  die  ursprüngliche 
Quint  zur  Terz,  die  Oktav  zur  Sext,  und  es  erscheint  der  Terz- 
öext-Accord  oder  kurz  Sext- Accord  genannt;  liegt  die  Ouint 
im  Bass,  so  bildet  sich  der  Quart-Sext-Accord  (Beispiel  d,  c). 


c 


:aa-B=ri— _-i3- 


Bauen  wir  über  den  Dreiklängen  der  diatonischen  Skala 
noch  eine  Terz  auf,  so  erhalten  wir  Vierklänge,  Septimen-^ 
accorde  genannt,  weil  das  oberste  Intervall  eine  Septime  zum 
Orundton  büdet.  Nach  den  Intervallen,  aus  denen  der  Septimen- 
accord  besteht,  hat  er  verschiedene  Gestalt: 


m 


I.     IL  III.  TV.  V.   VI.VILVIII. 


Die  gebräuchhchsten  Septimenaccorde  sind: 
1)  Der  Haupt- oder  Dominant-Septimenaccord  (g  h 
),  bestehend  aus  Grundton,  grosser  Terz,  reiner  Quint  und 
mer.  Septime,  —  lässt  sich  scnon  aus  den  Grundtönen  (siehe 
m  c  e  g  b)  darstellen  und  hat  das  Eigentümliche,  dass  er  sich 
ts  aurder  V.  Stufe  der  Tonleiter  (Dominante)   findet  und 


10 


Accord. 


nur  in  der  Tonart  möglich  ist,  welcher  er  leitereigen  zugehört 
er  ist  auch  der  vorzüglichste  Leitaccord  aus  der  nächst  höherei 
oder  Dominantentonart  und  hat  jederzeit  seine  bestimmte  Aui 
lösung:  der  Bass  geht  eine  Quint  abwärts  oder  eine  Quart  auf 
wäi-ts  in  die  Tomca,  die  Septime  löst  sich  in  die  Terz  dei 
Tonicadreiklangs  auf,  die  Terz  geht  in  die  Oktav,  die  Quint  bleib 
liegen,  —  falls  nicht  die  regelmässige  Auflösung  durch  einei 
Trugschluss  verhindert  wird  (Beispiel  b  oben). 

2)  Der  grosse  Septimenaccord  (c  e  g  h,  f  a  c  e),  dei 
sich  auf  der  1.  und  IV.  Stufe  der  Dur-Skala  bildet. 

3)  Der  kleine  Septimenaccord  (d  f  a  c,  e  g  h  d,  ac  e  g), 
bestehend  aus  kleiner  Terz,  reiner  Quint  und  kiemer  Septime! 
hat  seinen  Sitz  auf  der  IL,  III.  imd  VI.  Stufe  der  Dur-Skala. 

4)  Der  kleinverminderte  Septimenaccord  (h  d  f  •a)j 
aus  kleiner  Terz,  verminderter  Quint  und  kleiner  Septime  bestehend, 
ruht  auf  der  VII.  Stufe  der  Dur-  (oder  IL  Stufe  der  Moll-)  Skala. 

5)  Der  schlechthin  sogenannte  verminderte  Septimen- 
accord (h  d  f  as)  auf  der  IL  Stufe  der  Molltonleiter,  bestehend 
aus  kleiner  Terz,  verminderter  Quint  und  verminderter  Septime, 
ist  nebst,  dem  vorigen  mehr  den  Nonenaccorden  beizuzählen. 


1, 


3. 


4. 


ö. 


^^^^1^^^ 


Alle  Septimenaccorde ,  mit  Ausnahme  des  Dominant- 
Septimenaccordes  und  des  verminderten  Septimen- 
accordes  sind  stark  dissonierend  und  bedürfen  daher,  auch  im 
freien  Stil,  einer  Vorbereitung.  Wie  bei  den  Dreiklängen  kann 
auch  bei  den  Vier  klängen  die  Lage  der  über  dem  Basston 
stehenden  Intervalle  verschieden  sein ;  wechselt  der  Basston  seine 
Stellung  mit  den  anderen  Intervallen  des  Accordes,  so  ergeben 
sich   abgeleitete  Accorde,   Umkehrungen:    wir   erhalten    den 

?uintsext-Accord,   wenn  die  Terz  den  Basstön  bildet;  den 
erzquart-Accord,   wenn   die  Quint;   den  Secundaccord^ 
wenn  die  Septime  im  Bass  liegt  (Beispiel  a,  b,  c). 


a. 


b. 


c. 


r 


5  .     5        ■ 5  3  5     3        ._       .     5       . 


Baut  man  über  den  Septimenaccord  noch  eine  Terz,  so 
ergibt  sich  ein  Fünf  klang,  der  Nonenaccord.  Je  nachdem  die 
zugefügte  Terz  gross  oder  klein  ist  (über  dem  Dominant-Septimen- 
accord,  da  wir  die  übrigen  Nonenaccorde  ausser  Betracht  lassen), 


Accord. 


11 


ist  der  Nonenaccord  gross  (ghdefa),  welchen  man  der  Dur- 
tonärt  zueimet,  oder  klein  (g  h  d  f  as),  welcher  der  Molltonart 
angehört.  Die  None  als  Dissonanz  muss  ebensogjut,  als  die 
Septime  aufgelöst  werden,  und  zwar  abwärts,  wie  sie  auch  eine 
Vorbereitung  fordert.  Wie  in  verschiedenen  Lagen,  so  kommt 
dieser  Accord  auch  in  seinen  verschiedenen  Umkehi'ungen  häufig- 
vor,  namentlich,  mit  Hinweglassung  des  Grimdtones,  als  (ver- 
minderter) Septimenaccord;  wenn  die  Quint  im  Bass  liegt, 
als  Quintsext- Accord;  wenn  die  Septime,  als  Terzquart- 
Accord. 

Beispiel. 


l^mmi 


Der  verminderte  Septimenaccord  ist  besonders  geschickt 
zu  Ausweichungen  in  (vier  verschiedene)  weit  entfernte  Tonarten; 
so  gelangt  man  durch  den  Accord  h  d  f  as  nach  OmoU,  mittelst, 
enharmonischer  Verwechselung  nach  A-moU,  Fis-moU  und  Es-^ 
moll  (Beispiel  a). 


Nun  gibt  es  drei  solcher  Accorde  (ßeispiel  b),  die  mit 
ihren  vier  verschiedenen  Deutungen  den  Übergang  nach  den 
zwölf  Tonarten  des  Quintenzirkels  sowohl  nach  den  Dur-  als 
den  Molltonarten  vermitteln  helfen,  da  sich  der  verminderte 
Septimenaccord  ebensowohl  auf  einen  Durdreiklang,  als  auf  einen 
Molldreiklang  beziehen  kann. 

Noch  zu  bemerken  ist  der  übermässige  Sextaccord, 

welcher  von  dem  doppelt  verminderten  Dreiklang  (z.  B.  eis  es  g> 

abgeleitet  wird  und  mit  einem  Dominant-Septimenaccord  bei  aus- 

assener  Quint  gleichen  Klang  hat :  er  kann  bei  enharmonischer 

rwechselung  der  Septime  dieses  Dominantenaccordes  mit  der 

rmässigen  Sext  zur  Modulation   in   eine   ganz   ferne   Tonart 

übermässige  Sextaccord  findet  sich  auf  der  kleinen  VI.  Stufe 

ler  .Tonart)  verwendet  werden. 

Altere   Theoretiker  nehmen  auch    ündecimen-,    Terz- 
iimenaccorde   an,    welche  Accorde   sich   aber  besser  aus 
gehaltenen  Intervallen  erklären  lassen. 


12  Adagio  —  Advent. 

Auch  teilt  man  die  Accorde  ein  in  konsonierende  und 
dissonierende;  unter  ersteren  versteht  man  solche,  welche 
nur  aus  Konsonanzen  zusammengesetzt  sind,  also  die  Dur-  und 
Molldreiklänge  mit  ihren  Umkehrungen;  unter  letzteren  solche, 
in  denen  sich  Dissonanzen  vorfinden ,  also  die  Septimen-  imd 
Nonenaccorde  mit  ihren  ümkehrungen,  sowie  alle  übrigen  Drei- 
klänge,  bei  denen  ein  Intervall  zufällig  erhöht  oder  erniedrigt 
worden,  welche  von  den  neueren  Theoretikern  als  alterierte 
Accorde  bezeichnet  werden.  —  Die  Meister  des  fünfzehnten  und 
sechzehnten  Jahrhunderts  wendeten  in  ihren  kirchlichen  Werken 
nur  Dreiklänge  und  Sextaccorde  unmittelbar  an;  was  an  disso- 
nierenden Accorden  sich  findet,  hat  nicht  die  Natur  selbständiger 
Accorde,  sondern  die  Dissonanz  tritt  nur  als  vorgehaltener  Ton 
auf,  selbst  die  Quart-Sextaccorde  wurden  noch  vermieden;  erst 
von  dem  Anfange  des  siebzehnten  Jahrhunderts  an  wurden  solche 
Accorde  allmählich  häufiger  als  frei  eintretende  gebraucht. 

Adagio,  s.  Tempo. 

Advent,  Adventus  (lat.),  die  Ankunft,  bezeioimet  in 
der  Kirchensprache  jene  Zeit,  welche  der  Vorbereitung  auf  das 
heilige  Weihnachtsft^st  gewidmet  ist.  Die  ersten  Spuren  der 
Feier  des  Adventes,  wozu  unstreitig  die  Fastenzeit  das  Modell 
und  Vorbild  abgegeben  hat,  finden  sich  im  vierten  Jahrhunderte 
in  der  Diöcese  Tours,  von  wo  aus  sie  nach  und  nach  Verbreitung 
über  die  ganze  Kirche  —  des  Morgen-  wie  des  Abendlandes  — 
fand.  Noch  im  neunten  Jahrhunderte  begann  man  den  Advent 
am  Feste  des  heiligen  Martinus,  später  am  Feste  des  heiligen 
Andreas,  bis  im  vierzehnten  oder  fünfzehnten  Jahrhunderte  die 
römische  Kirche  den  Anfang  auf  den  Sonntag  zwischen  dem 
27.  November  und  3.  Dezember  festsetzte.  Die  Adventzeit  ver- 
setzt in  die  Jahrtausende  vor  Christo,  ihr  Elend,  ihre  Sünden- 
not, aber  auch  ihre  Sehnsucht  („Rorate  coeli  desuper  et 
nubes  pluant  justum,  „Thauet,  Himmel,  den  Gerechten,  ihr  Wol- 
ken regnet  ihn  herab  I"),  womit  auch  die  äussere  Natur  mit  ihrem 
Winterfeleide  zusammenstimmt.  Dieser  Charakter  des  Adventes 
zeigt  sich  in  seinen  liturgischen  Einrichtungen  und  Eigentüm- 
lichkeiten: neben  dem  Gebrauche  der  blauen  Farbe,  im  Unter- 
bleiben des  Gloria  in  excelsis  und  Ite  missa  est  (statt  dessen 
Benedicamus  Domino  gesungen  wird),  des  Te  Deum  laudamus 
im  Officium  der  Sonn-  und  Ferialtage,  im  Schweigen  der  Orgel 
in  den  Temporalmessen  (mit  Ausnahme  des  dritten  Sonntags, 
s.   Verordnungen);    doch    wird    das    AUeluja    wie    gewöhnlich 

febraucht,  weil,  wie  Durandus  bemerkt,  im  Advent  nicht  alle 
'reude  verbannt  ist  bei  der  Hoffnung  auf  die  Menschwerdung 
Jesu  Christi.  Die  ganze  Liturgie  zielt  darauf  hin,  die  Flammen 
der  Sehnsucht  nach  der  Ankunft  Jesu  Christi  in  den  Herzen  zu 
entzünden,  und  auf  die  Notwendigkeit  der  Wegbereitung  hinzu- 
weisen; das  spricht  sich  in  dem  kleinsten  Versikel,  in  der  unbe- 
deutendsten Antiphon  aus,  das  verkündet  in  Tönen  jede  für 
diese  Tage  bestimmte  Choralmelodie.  So  beginnen  z.  B.  in  den 
letzten  acht  Tagen  —  wie  die  Sehnsucht  sich  steigern  soll  — 
die  Antiphonen  zum  Magnificat  sämtlich  mit  „0**,  um  sie  recht 
deutlich  als  Seufzer  heiliger  Sehnsucht  zu  bezeichnen  (siehe  Anti- 
phonen).   Hierzu  gehören   auch  die   sogenannten  Novenen, 


Aolisoh  —  Ästhetik.  IS 

neuntägige  Andachten,  unmittelbar  vor  dem  Weihnachtsfeste 
angestellt,  welche  meistens  mit  einer  musikalischen  Litanei  vor 
ausgesetztem  hoohwürdigsten  Gute  gefeiert  werden.  Eine  der 
Adventzeit  eigentümliche,  besonders  holde  und  ansprechende 
Feier  liegt  in  der  Roratemesse  (sogenannt  von  dem  Introitus^ 
welcher  mit  „Rorate"  beginnt),  d.  i.  einer  Votivmesse  de  Beata 
Maria  Virgine.  Der  Chordirigent  beachte  in  diesen  Messen  das 
zuständige  Gräduale  („Tollite  portas^)  und  Offertorium  („Ave 
Maria");  die  Roratemessen  haben  kein  Gloria  und  Credo,  ausge- 
nommen an  Samstagen,  wo  Gloria  (ohne  Credo)  gesungen  wird, 
und  während  der  Oktav  Immaculatae  Concept.  V.  M.  (Unbefleckte 
Empfängnis),  wenn  das  Messformular  von  diesem  Feste  genom- 
men ist.  —  Die  vier  Adventsonntage  werden  so  hoch  genalten, 
dass  an  ihnen  nie  ein  anderes  Fest  (mit  Ausnahme  eines  Festes 
I.  classis)  gefeiert  wird.  Eine  Eigentümlichkeit  des  dritten 
Sonntags,  dessen  Introitus  mit  „Gaudete"  beginnt,  ist,  dass  an 
ihm  wieder  die  erhabenen  Harmonien  der  Orgel  ertönen  und  die 
sich  in  die  Herzen  tiefer  einsenkende  Freud^  über  die  ganz  nahe 
gerückte  Ankunft  des  Erlösers  verdolmetschen. 
Äolisch,  s.  Kirchentonarten. 

Äolodikon  —  ein  Tasteninstrument,  dessen  Ton  durch 
freistehende  Metallfedern,  die  mittelst  eines  Blasbalges  in  Schwin- 
gung versetzt  werden,  erzeugt  wird,  indem  beim  Niederdrücken 
einer  Taste  ein  Ventil  sich  öffnet  und  dem  Winde  den  Zutritt 
zur  Metallfeder  ermöglicht,  welche  dadurch  vibriert  und  den  be- 
stimmten Ton  angibt.  Es  hat  gewöhnlich  sechs  Oktaven  und 
zwei  Pedaltasten,  welche  zur  Erzeugung  des  Windes  vom  Spieler 
selbst  getreten  werden  und  wodurch  auch  crescendo  und  de- 
crescendo hervorgebracht  werden  kann.  Über  den  Erfinder  des- 
selben sind  die  Angaben  geteilt,  obwohl  die  Zeit  seiner  Erfindung 
erst  in  den  Anfang  dieses  Jahrhunderts  fällt.  Gegenwärtig  ist 
es  durch  das  Harmonium  verdrängt. 

Ästhetik,  die  Wissenschaft  von  dem  Schönen  überhaupt 
und  von  den  schönen  Künsten  insbesondere,  hat  sich  auch  mit 
der  Kirchenmusik  zu  befassen,  welche  als  Spezies  der  Musikkunst 
ebenfalls  dem  Kreise  der  schönen  Künste  angehört.  Um  aber 
darthun  zu  können,  wann  die  Kirchenmusik  den  Anforderungen 
einer  schönen  Kunst  entspreche,  d.  h.  schöne  Werke,  Kunst- 
werke für  den  kirchlichen  Dienst  schaffe,  muss  sie  vor  allem 
die  Aufgabe  der  Kirchenmusik  erforschen  und  begründen, 
dann  die  Mittel  angeben,  welche  zur  Lösung  dieser  Aufgabe 
ihr  zu  Gebote  stehen ,  und  ihre  richtige  Anwendung 
andeuten. 

I.    Um    die    Aufgabe    der   Kirchenmusik   zu   erforschen^ 

braucht  sie  sich  nicht  viel  zu  bemühen,  da  es  Sache  der  Kirche 

selbst  ist,    dieselbe  zu  bestimmen,   und  die  Kirche  sie  wirklich 

timmt  hat:    Erhöhung   der  Feier  des  Gottesdienstes^ 

-  Gott  mehr    zu   ehren    und   die  Gläubigen  mehr  zu 

bauen.    Hier  handelt  es  sich  vorzugsweise  um  den  offiziellen 

5r  liturgischen  Gottesdienst,   und  es  muss  somit  die  Aufgabe 

'  Kirchenmusik  dahin  eingeschränkt  werden,  dass  sie  bestimmt 

zur  Erhöhung  der  gottesdienstlichen  Feier  gemäss 

1  Willen  der  Kirche. 


14  Ästhetik. 

Eine  einseitige  Ästhetik  hat  diesen  Punkt  ausser  Au&ce: 
^gelassen,  wodiurch  seit  langer  Zeit  die  Kirchenmusik  der  Willkii 
überantwortet  und  auf  einen  höchst  beklagenswerten  niedere! 
Standpunkt  gebracht  wurde. 

Diese  Einschränkung  ^gemäss  dem  Willen  der  Kirche*  is 
begründet  aj  im  Ursprünge  der  Kirchenmusik.  Wie  ist  si< 
^um  Gottesdienste  gekommen  ?  Der  Mensch,  überwältigt  iron.  de 
Majestät  und  Liebe  Gottes,  fand  die  einfache  Sprache  nicht  ^re 
nutend  zum  Ausdruck  dessen,  was  sein  Herz  bewegte ;  die  Spraciic 
steigerte  sich  durch  Modulationen,  welche  seinen  AfiFekten  ent- 
sprachen, zum  Gesänge;  es  ward  das  Gebet  zum  Gesänge,  unc 
d!er  Gesang  beim  Gottesdienste  war  nichts  anderes  als  G-ebet 
Im  Laufe  der  Zeit  wurde  der  Gesang  und  diiB  ganze  gottesdienst- 
liche Feier  in  eine  bestimmte  Ordnung  (Liturgie)  georacht,  und 
dieser  bestimmte  Gesänge  autoritativer  Weise  eingefügt.  So  war 
es  bei  den  Juden  und  auch  bei  den  Heiden;  so  gestaltete  sich 
alles  selbstverständlich  auch  gleich  vom  Anfange  an  in  der 
christlichen  Kirche. 

b)  In  der  Geschichte  der  Ausbildung  derKirchen- 
m  u  s  i  k.  Da  Gott  das  Beste  und  Schönste  gebührt,  imd  die  Gewalt  der 
Töne  über  die  Herzen  der  Menschen  durch  kunstreichere  Ton- 

febüde  gesteigert  wird,  so  nahm  die  Kirche  auch  die  weiterge- 
ildete  Musikkunst  auf,  d.  h.  sie  gestattete  die  Anwendung  der 
höheren  Kunstmittel,  mit  dem  einzigen  Vorbehalt  der  Geziemend- 
heit; die  Gesänge  selbst  blieben,  was  sie  in  ihrer  ursprünglichen 
Gestalt  waren,  Teile  des  Gottesdienstes,  wesentliche  Teile  der 
autoritativ  festgestellten  Liturgie.  Dies  bezeugen  die  mehr  als 
tausend! ähr ige  Übung  und  die  verschiedenen  V  erfügungen  der 
Kirche  ois  auf  unsere  Zeit. 

c)  In  dem  Wesen  der  Liturgie,  welche  ein  Organis- 
mus ist,  der  nichts  duldet,  als  was  innerlich  mit  ihm  zusammen- 
hängt und  Vereinigung  zulässt. 

Die  Kirchenmusik  ist  demnach  durch  diese  Zulassung  nicht 
etwas  völlig  Freies,  sondern  etwas  Gebundenes;  gebunden  unü  einge- 
fügt in  den  Körper  der  Liturgie,  ein  Glied  desselben  und  darum  von 
gleichem  Geiste  zu  Beseelendes;  sie  ist  von  der  Kirche  in  Dienst 
genommen,  nicht  selbständige  Herrin,  sondern  untergeordnete, 
wenn  auch  hochgestellte  Dienerin.  Die  Kirche  will  nur,  dass  sie 
die  Liturgie  verherrliche,  und  vor  allem  den  Text,  die  Worte 
der  Liturgie,  durch  ihre  Kunstmittel  vernehmlicher,  verständlicher 
und  eindringlicher  mache,  und  dazu  erhebe  und  verkläre. 

So  wird  auch  die  Kunstphüosophie  nach  allseitiger  und 
aufrichtiger  Untersuchung  der  Thatsachen  und  Gründe  keine 
andere  Aufgabe  der  gottesdienstlichen  Musik  stellen  können, 
als  welche  die  Kirche  stellt:  Erhöhung  der  Feier  des  Got- 
tesdienstes nach  ihrem  (der  Kirche)  Willen  zu  dem 
Zwecke,  dass  Gott  um  so  mehr  geehrt  und  die  Gläu- 
bigen um  so  mehr  erbaut  werden. 

Man  thut  also  unrecht,  wenn  man  die  Kirchenmusik  als 
einen  puren,  freien  Schmuck  des  Gottesdienstes  erklärt  und  die 
Emanzipation  derselben  proklamiert.  Die  Musik,  d.  h.  das  Mu- 
sikalische, ist  allerdings  auch  ein  Schmuck,  eine  Zierde,  aber 
in  erster  Linie  ein  Schmuck  des  von  der  Kirche  vorgeschriebenea 


■^ 


Ästhetik.  15 

und  zur  Liturgie  wesentlich  gehörigen  Textes,  und  dui'ch  diese 
Verbindung  erat  ein  wahi^er  Schmuck  des  Gottesdienstes.  So 
umkleiden  auch  die  Choralmelodien  den  liturgischen  Text  und 
schmücken  ihn,  es  wirkt  der  Text  deshalb  emdringlicher.  Be- 
züglich der  Umkleidung  der  litiurgischen  Texte  mit  anderer 
Mdodie  luid  auch  noch  mit  Harmonie  hat  die  Kirche  der  Kunst 
freie  Hand  gelassen,  und  es  können  darum  die  hierzu  gebrauch- 
ten Tonformen  und  A,\isdrucksweisen  mannigfacl^.sein;  niu'  fordert 
sie  —  was  auch  die  Ästhetik  fordern  muss,  —  Übereinstimmung 
des  Charakters  der  musikalischen  Kunstgebilde  mit  dem  Cha- 
rakter der  liturgischen  Texte  und  des  liturgischen  Gesanges, 
also  die  Fähigkeit,  in  die  Liturgie  sich' einheitlich  einzuordnen 
und  ihren  diesbezüglichen  Vorschriften  zu  genügen, 

II.  Die  Mittel,  deren  sich  die  Kirchenmusik  bedient,  sind 
keine  anderen,  als  welche  der  Tonkunst  überhaupt  zu  Gebote 
stehen:  1)  der  Ton  sowohl  der  menschlichen  Stimme  als  auch 
der  Instrumente,  nach  Höhe  und  Tiefe;  2)  die  Verbindung 
der  Töne:  im  Nacheinander  —  Melodie,  im  Miteinander  —  Har- 
monie:  3)  die  Bewegung  oder  Zeitfolge  der  Töne:  Rhyth- 
mus, Takt,  Tempo;  4)  die  Stärke  und  Schwäche  der  Töne: 
Dynamik,  Anschwellen,  Abschwellen;  5)  die  Farbe  der  Töne: 
Kmder-,  Frauen-.  Männerstimmen,  verschiedener  Instrumental- 
klanff,  Register  der  Orgel;  6)  Kombination  der  Tonsätze  und 
der  Stimmen,  Satzformen. 

ni.  Diese  genannten  Mittel  wendet  der  Kircl^enkom- 
ponist  an  zur  Schaffung  seiner  KunstgebUde.  Der  Ästhetiker 
hat  das  Recht,  an  diese  die  Frage  zu  stelßn,  ob  sie  schön  seien; 
denn  Schönheit  ist  die  vorzüghchste  Eigenschaft,  welche  an  den 
Werken  einer  -schönen  Kunst"  hei:vorleuchten  muss.  Die  Schön- 
heit ist  eine  üoersinnliche  Eigenschaft,  vermöge  welcher  Geist 
und  Sinn  des  Beschauers  oder  Hörers  Befriedigung,  Wohlgefallen, 
Genuss  empfindet.  Nicht  Geist  allein,  nicht  Sinn  allein,  sondern 
beide  zugleich  und  miteinander  sollen  befriediget  werden.  Der 
Mensch  ist  ein  sinnlich-geistiges  Wesen,  und  diese  seine  Doppel- 
natur muss  und  darf  nach  des  Schöpfers  Willen  an  dem  Genüsse 
schöner  Gegenstände  teÜnehmen;  gerade  die  Beihilfe  der  unter 
Leitung  der  Vernunft  stehenden  Sinne  fördern  die  geistige  Er- 
fassung der  Schönheit. 

Eine  Quelle  und  Grundbedingung  aller  Schönheit  ist  Har- 
monie, Übereinstimmung.    Da  der  Mensch  nach  dem  Eben- 
büde  Gottes,  des  Vollkommensten,  der  absoluten  Schönheit  und 
des  Urquells  aller  Schönheit,  geschaffen,  und  somit  die  mensch- 
liche Vernunft  ein  Abbild  der  göttlichen  Vernunft  ist,   so  kann 
dem  vernünftigen  Gmste  nur  Wohlgefallen  und  Genuss  bereiten, 
was  Wahrheit  und  Übereinstimmimg,  Ordnung  und  Güte,  Leben 
imd  Bewegung  zeigt ;  unangenehm  und  abstossend  wirkt  Mangel 
Übereinstimmung,  Unordnung  und  Widerspruch  gegen  Religion 
l  Sittlichkeit,  Schwäche  und  Flatterhaftigkeit,  Dunkelheit  und 
schwommenheit,    totes   und  einförmiges   Wesen.     Es  muss 
)  bei  jedem  Kimstgebilde  oder  Dinge,   damit  es  das  Prädikat 
hön"  wirklich  vermene,   1)  die  Idee,   welche  ihm  zu  Grunde 
ii  und  von  welcher  die  Form  der  sinnliohwahrnehmbare  Äus- 
ck  sein  soll,  in  Harmonie  mit  den  obersten  Forderungen  der 


r" 


16  Ästhetik. 

Vernunft  stehen,  d.  h.  sittlich  gut  sein;  2)  die  Form,  als  die 
sinnliche  Hülle  der  Idee,  mit  dieser  vollste  Harmonie  aufweisen 
als  der  klare,  wahre  und  lichtvolle  Ausdruck  derselben  erkanni 
werden  („Wahrheit  im  Ausdrucke");  3)  alle  Teile  der  Form 
müssen  unter  sich  und  mit  dem  Ganzen  harmonieren  („Einheit 
in  der  Mannigfaltigkeit*')^  Die  logische  Entwickelung  oaer  Ent- 
faltung der  emen  Idee  gibt  Leben  und  Bewegung  („Anmut  der 
Form")  und  widerstrebt  jedem  unsymmetrischen  undunorganischen 
Teile.  4)  Da  die  Kunst  nicht  sich  Selbstzweck  ist,  und  jeder 
Künstler  einen  bestimmten  Zweck  erreichen  will,  so  muss  das 
Kunstgebilde  auch  mit  dem  Zwecke  harmonieren,  demselben  an- 
gemessen sein.  Diese  Zweckbestimmung  thut  aer  Würde  der 
Kunst  und  der  Schönheit  keinen  Eintrag,  ist  vielmehr  fordernd 
für  die  Erfüllung  der  Bedingungen,  unter  welchen  die  Schön- 
heit existiert. 

Nach  diesen  Grundsätzen  hat  die  Ästhetik  auch  die  kirchen- 
musikalischen  Kunstgebilde  zu  beurteilen.  Sie  hat  demnach  ihr 
Augenmerk  sowohl  auf  die  innere,  als  auch  auf  die  äussere 
Schönheit  zu  richten. 

1)  Die  innere  Schönheit  setze  ich  in  die  richtige  Erfassung 
der  Idee  und  deren  möglichst  adäquaten  Ausdruck  in  der  sinn- 
lichen Form,  im  Tongebüde.  Da  nun  die  Tonkunst  ohne  Wort 
nur  eine  symbolische  Kunst  ist,  die  nur  durch  Analogien  redet, 
d.  h.  durch  die  ihr  zu  Gebote  stehenden  Mittel  von  den  Gefühlen 
und  inneren  Stimmungen  nur  Gleichnisse,  Ähnlichkeiten  zu  geben 
vermag,  so  ist  sie  nicht  imstande,  an  und  für  sich  volle  Klarheit 
zu  schaffen,  sie  kann  ein  allge  meines  Gefühl,  wie  Lust,  Freude, 
Wehmut,  Erregtheit  symbolisieren,  aber  sie  vermag  nicht  ein 
Gefühl  unter  besonderen  Umständen,  nicht  den  Anlass,  woraus 
es  hervorgegangen,  nicht  Modifikationen  durch  einen  besonderen 
Charakter  und  dergleichen  zum  Ausdi-ucke  zu  bringen,  selbst  die 
sogenannte  Tonmalerei  will  nicht  viel  besagen.  Diese  Klarheit 
und  Bestimmtheit  schafft  erst  das  mit  der  Musik  verbundene 
Wort,  der  Gesang;  auch  die  Situation,  ein  Programm,  die  Kon- 
ventionalität  oder  die  Erinnerung  und  Assoziation  von  Vorstel- 
lungen mögen  den  Tongebilden  onne  Worte  einige  Bestimmtheit 
verleihen. 

Die  Kirchenmusik  ist  nun  in  der  glücklichen  Lage,  fast 
alle  diese  Momente  benützen  zu  können,  und  es  kommt  nur 
darauf  an,  für  das  richtige  Gefühl  oder  die  richtige  Stimmung 
auch  die  entsprechende  musikalische  Idee  oder  den  entsprechen- 
den musikalischen  Gedanken  zu  gewinnen  und  diesen  dann  im 
lautbaren  Tonbilde  zu  verkörpern  und  zu  entfalten. 

So  kann  nur  jene  Kirchenmusik  schön  genannt  werden, 
welche  sowohl  dem  Inhalte  des  Textes  volle  Kechnung  trägt, 
als  auch  der  Heiligkeit  des  Gottesdienstes  und  des  Ortes  ange- 
messen ist,  und  zu  dem  allem  an  den  Charakter  der  liturgischen 
Handlung  oder  Situation,  die  sie  begleiten  soll,  sich  aüfs  engste  an- 
schliesst.  Letztere  Forderungen  haben  ijire  besondere  Bedeutung 
für  die  Musik  ohne  Text,  wie  Orgelpräludien  auf  Grund  ihres 
Zusammenhanges  mit  dem  Gesänge  als  Vor-  und  Nachspiele. 

2)  Die  äussere  Schönheit  betrifft  die  Benützung  der  Ton- 
mittel nach  den  Gesetzen  der  Kunst  und  gründet  sich  auf  gute 


^VIA  —  Agapeii.  17 

Technik,  richtige  Faktur:  gehöriges  Verhältnis  der  Teile,  Ab- 
schnitte, Sätze,  rerioden  zu  einander  und  zum  Ganzen,  sangbare 
Melodie  und  gesunde  Harmonie ,  fferegejten  Rhythmus,  ordnungs- 
mässige  Verwendung  und  gute  Verbindung  aer  Stimmen,  ver- 
nünftiges Verhältnis  der  Instrumente  (wenn  solche  gebraucht 
werden)  zünden  Singstimmen  und  dergleichen. 

Die  Ästhetik  nat  also  beides  mitsammen;  die  innere  und 
äussere  Schönheit,  bei  Beurteilung  von  kirchlichen  Musiken  in 
Betracht  zu  ziehen,  um  ein  wahres  und  gerechtes  Urteil  abgeben 
zu  können.  Sie  kann  zwar  das  allein  vor  ihr  Forum  ziehen, 
was  ich  äussere  Schönheit  genannt  habe  (und  man  hat  bisher 
häufig  zum  grössten  Schaden  der  Kirchenmusik  es  so  gehalten 
oder  doch  auf  die  innere  Schönheit  zu  wenig  Rücksicht  genom- 
men) ,  aber  dann  wird  sie  eben  nur  zu  einem  einseitigen  und 
darum  falschen  Urteile  gelangen. 

Alle  obigen  Forderungen  und  Grundsätze  entsprechen  voll- 
kommen dem  Geiste  und  den  Verordnungen  der  Kirche ;  so,  wenn 
sie  z.  B.  gemeine,  lascive,  weichliche,  leidenschaftliche  Melodien 
und  Harmonien,  verworrene  Kontrapunkte  imd  nutzlose  Künste- 
leien verboten,  den  Gebrauch  der  Instrumente  eingeschränkt  hat ; 
wenn  sie  will,  dass  durch  den  Gesang  die  Gemüter  zur  Andacht 
gestimmt,  zu  himmlischen  Dingen  angeregt  und  erhoben  werden 
sollen;  wenn  sie  ihre  Stimme  erhebt  gegen  ungehörige  Wieder- 
holung der  Textworte  und  gegen  ungebührliche  Ausdehnung 
der  Aliisikstücke ,  wodurch  der  Celebrant  imnötigerweise  aufge- 
halten wird  u.  s,  w. 

^VIA,  s.  Psalm.  . 

Agapen,  von  dem  griechischen  dyointi  =  Liebe,  hiessen  in 
den  ersten  Zeiten  des  Christentums  jene   schon  zu  den  Zeiten 
der  Apostel  eingeführten  gemeinschaftlichen  Mahlzeiten,  die  teils 
der  cnristlichen  Bruderliebe,    teils   dem  Vorbilde   derselben  im 
letzten  Abendmahle  des  Herrn  ihren  Ursprung  verdankten  und 
aus  den  Opfergaben  der  Gemeinde  bestellt  wurden.    Es  nahmen 
daran  die  Gläubigen  ohne  Unterschied    des  Standes   oder  Ver- 
mögens teil  und  sie  fanden  teils  nach  dem  heiligen  Abendmahle 
in  einem  öffentlichen  Versammlungsorte  als  allgemeine,  feier- 
liche, teils  in  den  Privatwohnungen  der  Reichen  als  besondere 
statt;    erstere   an  gewissen  bestimmten  Tagen,   letztere  täglich, 
jedesmal  unter  dem  Vorstande  eines  Presbvters   oder  Diakons, 
wie  aus  den  Schriften  der  Kirchenschriftsteller,   namentlich  des 
heiligen  Chrysostomus,  des  heiligen  Clemens  Alexandrinus  und  des 
Tertullian  hervorgeht.    Sie  begannen  und  schlössen   mit  Gebet 
und   Gesang,   rehgiöse  Gespräche   und   Absingen   von  Hymnen, 
Psalmen  etc.  machten  die  Unterhaltung  dabei  aus.    Sie  trugen 
hierdurch   zur  Vervollkommnung   und    Ausbreitung   der   Musik 
"'""entlich  bei.    Als   später   weltliche  Lieder  und  Gesänge  und 
ere  grosse  Missbräuche  sich  einschlichen,  wurden  sie  abge- 
ifft.    Auch  vor   und  nach  den  anderen  Mahlzeiten   war   es 
)fohlen,  Psalmen  zu  singen,  damit,  wie  der  heilige  Chrysosto- 
(Expos.  in  Ps.  XLI)  bemerkt,   dadurch  alle  Unmässigkeit, 
Gelassenheit  und  dergleichen  einen  Gegenhalt  finde,   so  fern 
*uten  und   der  Sinn  wieder    auf  Gott   unbefleckt   gerichtet 

ornmüUer,  Lexikon.  2 


18  Agoge  —  Akustik. 

werde.  —  Von  diesen  Liebesmahlen  nannte  man  die  vorzüglicF 
dabei  gebrauchten  Gesänge  selbst  Agapen.  , 

Agoge,  bei  den  alten  Griechen  eine  stufenweise  Folg^  vor 
Tönen;  auch  eine  mehr  oder  minder  schnelle  geregelte  Bewe- 
gung, Tempo. 

Akademie*  war  der  Promenadeplatz  im  alten  Athen,  w< 
der  Philosoph  Plato  seinen  Schülern  Vorträge  zu  halten  pflegte 
Diesen  Namen  leg^e  man  im  ^chzehnten  Jahrhundert  in  Italieii 
Gesellschaften  bei,  welche  einen  wissenschaftlichen  Zweck  ver- 
folgten. Akademie  der  Musik  hiessen  dan^  später  auch  Institute 
und  Gesellschaften,  welche  die  Pflege  der  Tonkunst  sich  zum 
Zwecke  setzten.  In  Deutschland  ist  der  Name  fast  ganz  abge- 
kommen; solche  Institute  nennen  sich  jetzt  Konservatorien  oder 
Musikschulen,  wo  Musik  gelehrt  wird,  Liederkranz  oder  Lieder- 
tafel u.  s.  w.,  wo  sie  nur  praktisch  und  zum  Zwecke  der  Unter- 
haltung geübt  wird.  In  Italien  versteht  man  unter  Accademia 
gewöhnlich  auch  ein  Konzert,  eine  Privatmusik. 

Akustik  (griechisch  ««oi-rfrixi/,  von  „a>e«i.'«*ir**  hören"  stammend) 
ist  die  Wissenschaft,  welche  sich  mit  der  Natur  des  Klanges  be- 
schäftig'et,  die  Lehre  vom  Schall.  Schon  die  Griechen  der  klas- 
sischen Periode  hatten  eine  speziellere  Kenntnis  und  machten 
eine  ausgedehnte  Anwendung  von  den  akustischen  Gesetzen; 
zur  exakten  Wissenschaft  wurde  sie  aber  erst  in  neuerer  Zeit 
durch  die  Untersuchungen  Bacos  und  Galileis  erhoben,  von 
welchem  sie  auch  den  Namen  erhielt.  Seitdem  beschäftigten 
sich  viele  Naturforseher  mit  ausgedehnteren  und  tieferen  Unter- 
suchungen über  die  Natur,  Erzeugung,  Fortpflanzung  etc.  des 
Schalles.  Vorzügliches  leistete  Chladni,  dessen  Klangfiguren 
die  Wirkungen  der  einzelnen  Töne  auch  sichtbar  machen ;  ausser 
anderen  sind  noch  zu  nennen  Laplace,  Ampere,  W.  Weber  und 
vor  allen  H.  Helmholtz. 

Was  die  Akustik  als  Lehre  selbst  angeht,   so  mögen  fol- 
gende gedrängte  Andeutimgen  genügen. 

Die  Luft  kann  durch  die  Bewegung  elastischer  Körper  in 
Schwingungen  versetzt  werden,  welche  man  wegen  ihrer 
Ähnlichkeit  mit  den  durch  einen  in  ruhiges  Wasser  geworfenen 
Stein  erzeugten  Wasserwellen  auch  Luft  wellen  nennt.  Die  ans 
Gehörorgan  treffenden  Luftschwingungen  oder  Wellen  bringen 
in  dem  Gehörnerv  die  Empfindung  des  Schalles  hervor;  folgen 
mehrere  solcher  Luftwellen  in  seJir  unregelmässiger  Bewegung 
aufeinander,  so  entsteht  ein  Geräusch;  folgen  sich  viele  ein- 
fache Luftstösse  in  regelmässigen,  gleichen  Zeiträumen,  so  dass' 
dieselben  gezählt  und  oerechnet  werden  können,  so  haben  wii- 
einen  Klan^;  wird  der  Klang  nach  der  zeitlichen  Beschaffenheit 
seiner  Schwmgungeii,  nach  Höhe  und  Tiefe  mit  anderen  Klän- 
gen in  Beziehung  gesetzt,  so  nennt  man  ihn  einen  Ton. 

Die  Höhe  oder  Tiefe  eines  Tones  hängt  von  der  Anzahl 
der  Schwingungen  ab,  welche  ein  elastischer  Körper  in  einer 
bestimmten  Zeit  macht.  Als  Zeiteinheit  pflegt  man  die  Sekunde 
anzunehmen.  Je  weniger  Luftschwingungen  in  einer  Sekunde, 
desto  tiefer  ist  der  Ton,  je  mehr,  desto  höher.  Als  tiefster  Ton 
erscheint  das  C^  des  32  füssigen  Registers  in  grossen  Orgeln 
mit  16V,  Schwingungen;  doch  lassen  solche  tiefen  Pfeifen  vielmehr 


Akustik.  19 

nur  Luftstösse  hörön,  und  es  ist  ein  eigentlicher  Ton  erst  dann  ver- 
nehmbar, wenn  ihnen  ein  16-  und  Sfüssiges  Register  beigezogen 
wird.    Ebenso  unvollkommen  und  dazu  sehr  scnmerzhaS  unan- 

fenehm  ist  der  höchste  Ton,  der  auf  40,960  Schwingungen  in 
er  Sekunde  berechnet  wird.  Die  musikalisch  gut  brauchbaren 
Töne  mit  deutlich  wahrnehmbarer  Tonhöhe  liegen  zwischen  4Ö 
(E,  des  Kontrabasses)  und  4000  (das  5  gestrichene  d  des  Piccolb 
mit  4752)  Schwingungen,  im  Bereiche  von  sieben  Oktaven. 

Ob  ein  Körper  schnelle  oder  langsame  Schwingungen,  d.  h. 
in  einer  Sekunde  eine  grössere  oder  geringere  Anzahl  derselben 
macht,  hängt  von  seiner  Beschaffenheit  ab.  Die  Anzahl  der 
Schwingungen  einer  Saite  ist  um  so  grösser,  je  kürzer  und 
je  stärker  sie  gespannt  ist  und  endlich  je  geringer  die 
Dicke  derselben  ist;  also  gibt  sie  auch  einen  desto  höheren  Ton;  die 
tieferen  Töne* erfolgen  beim  umgekehrten  Verhältnisse.  Darum 
hat  man  z.  B.  beim  Klavier  längere  und  kürzere  Saiten,  bei  der 
Orgel  längere  und  kürzere  Pfeifen;  auf  der  Violine  werden  die 
Saiten  durch  den  Fingeraufsatz  verkürzt  u.  s.  w. 

Bei  schwingenden  elastischen  Körpern  wird  sich  ein  ähn- 
liches Verhältnis  darstellen.  Wenn  man  zwei  Stimmgabeln  oder 
Metallzunj^en  von  gleicher  Länge ,  aber  ungleicher  Dicke  zum 
Tö'nen  brmgt,  so  wird  die  dickere  einen  höheren  Ton  geben,  als 
die  dünnere;  ebenso,  feilt  man  eine  Stimmgabel  dünner,  so  wird 
ihr  Ton  nicht  höher,  sondern  tiefer,  weil  sie  vermöge  ihrer  er- 
höhten Schwingtahigkeit  weiter  ausschwingt  und  also  nicht  so 
oft  in  der  bestimmten  Zeit  schwingen  kann,  als  vorher.  —  Saiten 
werden  mit  Metalldraht  umsponnen,  um  ihr  spezifisches  Gewicht 
zu  vermehren  und  die  Zahl  ihrer  Schwingungen  zu  vermindern. 
Merken  wir  nun  einen  Ton,  der  eine  gewisse  Anzahl  von 
Schwingungen  hat,  an  und  nennen  ihn  z.  B.  c,  so  wird  ein  Ton, 
der"  in  derselben  Zeit  genau  die   doppelte  Anzahl  von  Schwin- 

füngen  macht,  die  höhere  Oktav  (1:2),  und  der  halb  so  viel 
chwingungen  macht,  die  tiefere  Oktav  von  c  (1  :  • ,)  sein. 
Zwischen  jedem  Tone  und  seiner  Oktav  liegen  nochi  sechs 
andere  Töne,  deren  Schwingungsverhältnisse  das  Monochord 
also  angibt: 

Ginindton.  Secund.  Terz.  Quart.  Quint.  Sext.  Septime.  Oktav, 
c  defgahc 

1  9/  5/  4/  3/  5  15/  9 

d.  h.  wenn  wir  zwei  Töne  haben,  von  denen  der  eine  in  einer 
Sekunde  9  Schwingungen  macht,  indes  der  andere  nur  8  solche 
Schwingungen  macht,  so  bezeichnen  wir  ein  solches  Intervall  als 
eine  Sekunde;  ingleichen,  schwingt  ein  Ton  4mal  in  derselben 
Zeit,  da  ein  anderer  ömal  schwingt,  so  nennen  wir  den  zweiten 
die  Terz  des  ersteren  u.  s.  w. 

Da  die  Länge  der  Saiten  in  umgekehrtem  Verhältnisse  zu 
Schwingungszahlen  steht,  so  ist  die  Saitenlänge,  wenn  eine 
be,  die  den  Ton  c  angibt,  gleich  1  gesetzt  wird: 

nen  der  Töne: 
^sprechende  Saitenlänge : 
rhältnis  der  Schwingungszahlen: 

8/      9/        »5- 
/  9       / 1  0        /  I  fi 

2* 


c    d 

e    f    g    a    h    c 

AI     3        2/       3/     8/         1; 

/5   ,   4      /3      .5     /lä     <1 
5/     4/      3/       5/      15/        9 

8/       9/ 
/9       /lO 

»5-        8/      9/        8/      15/ 
/ifi      /P      /lO      /9        /l« 

20  Akustik. 

Die  Unterschiede  zwischen  den  einzelnen  Tönen  sind  nicht 
gleich;  die  beiden  ersten  Verhältnisse  8 :  9  und  9 :  10,  nur  wenig 
(um  *''/«  j  was  unter  dem  Namen  eines  musikalischen  Komma 
bekannt  ist)  verschieden,  nennen  wir  den  ganzen  Ton,  und 
zwar  ersteres  einen  grossen  ganzen^  das  zweite  9  :  10  einen 
kleinen  ganzen  Ton;  das  dritte  Verhältnis,  nahe  um  die  Hälfte 
kleiner,  nennen  wir  einen  halben  Ton.  Aus  diesen  drei  Inter- 
vallen bildet  sich  die  diatonische  Tonreihe. 

Werden  diese  Verhältnisse  auf  andere  Tonleitern  über- 
getragen, so  ergeben  sich  einige  Differenzen,  indem  z.  B.  in 
D-dur  das  a  sich  höher  berechnet  als  in  C-dur,  nämlich  um  '%,• 
Da  aber  das  menschliche  Ohr  solche  kleine  Unterschiede  kaum 
vernimmt,   so  hat  man   in   der  Praxis   auf  sie  keine  Rücksicht 

fenommen  und  die  Oktave  in  zwölf  gleiche  Teile  oder  halbe 
öne  eingeteilt,  deren  zwei  einen  ganzen  Ton  geben,  die  so- 
genannte chromatische  Skala.  Diese  auf  gleiche  Grössen  ge- 
Drachten  Verhältnisse  heissen  nun  die  gleichschw^ebende 
Temperatur,  nach  welcher  auch  unsere  Instrumente  ein- 
gestimmt sind. 

Der  Ton  kann  auf  mehrfache  Weise  erzeugt  werden;  neben 
der  menschlibhen  Stimme  bedient  sich  die  Musik  hierzu  der  In- 
strumente.   Lassen  wir  die  menschliche  Kehle  als  vollkommenstes 
Instrument  beiseite,  so  scheiden  sich   nach   der  Klangerzeugung 
die  musikalischen  Instrumente  a)  in  solche,  bei  welchen  der  Ton 
durch  Streichen  eines  durch  Spannung  elastisch  gewordenen  Körpers 
(Darmsaiten,  Draht)  —  Streichinstrumente ;  b)  in  solche,  bei 
d  enen  der  Ton  durch  Blasen  (Mund,  Blasbalg) — Blasinstrumente; 
c)  in  solche,  bei  denen  der  Ton  durch  Schlagen  auf  einen  elasti- 
schen Körper  —  Schlaginstrumente  —  hervorgebracht  wird. 
Hieroei  ergibt  sich  aber  auch  eine  verschiedene  Färbung 
des  Klanges.    Die  nämliche  Note  nacheinander  auf  dem  Klaviere^ 
der  Violine,  Flöte,  Oboe  oder  auch  durch  die  menschliche  Stimme 
und  dergleichen  angegeben,   klingt   doch  bei  gleicher   Tonhöhe 
und  Tonstärke  etwas  anders,  was  wir  die  Klangfarbe  nennen. 
Diese  ist  sehr  mannigfaltig  je  nach  dem  Instrumente  oder  dem 
singenden  Individuum;   aber  diese  jedem  Instrumente  und  jeder 
Singstimme     eigentümliche    Klangifarbe     kann     überdies    auch 
noch  durch  Ansatz,  Intonation,  Mundstellung  Modifikationen  er- 
fahren.   Quelle  der  Klangfarbe  ist  die  Schwingungsform  eine& 
tönenden  Körpers,  welche  das  mehr  oder  minder  starke  Hervor-, 
treten  der  Partial-  oder  Obertöne  bestimmt;  die  Schwingungs- 
form wird  aber  durch  das  Organ,   durch  den  Stoff  und  die  Kon- 
struktion der  Instrumente  bedingt. 

Der  Schall  verbreitet  sich  nach  allen  Richtungen  weiter^ 
indem  ein  schwingendes  Luftteilchen  den  benachbarten  seine  Be- 
wegung mitteilt.  Dies  geschieht  mit  grosser  Schnelligkeit,  denn 
man  hat  beobachtet,  dass  in  der  Luft  von  gewöhnlicher  Be- 
schaffenheit der  Schall  in  einer  Sekunde  den  Weg  von  1050  Fuss 
zurücklegt.  Die  Schallgeschwindigkeit  ist  durch  die  Verschie- 
denheit der  Medien  und  durch  die  Temperatur  wesentlich  bedingt; 
bei  tieferer  Temperatur  ist  sie  geringer,  als  bei  höherer.  Merk- 
würdigerweise aber  verbreitet  sich  (ßr  Schall  viel  schneller  durch 
dichte  Körper,   als  durch  weniger  dichte.    Es  ist  bekannt,  dass. 


^ 


Akustik.  21 

'man  fernen  Kanonendonner,  Trommelschlag  und  dergleichen 
deutlicher  hört,  wenn  man  das  Ohr  an  die  Erde  legt,  als  durch 
die  freie  Luft.  —  Auf  bedeutenden  Höhen,  wo  die  Luft  weniger 
dicht  ist,  wird  der  Schall  der  Stimme  geringer  und  der  Knall 
einer  Flinte  nicht  mehr  sehr  weit  hörbar.  Im  luftleeren  Räume 
aber  gibt  z.  B.  eine  Glocke  keinen  Klang,  weil  das  Klangmedium 
—  die  Luft  fehlt. 

Die  Stärke  oder  Intensität  des  Schalles  ist  sowohl  von 
der  Grösse  des  schallenden  Körpers  und  der  Breite  oder  Grösse 
seiner  Schwingungen,  als  auch  vom  Grade  der  Entfernung  ab- 
hängig, wie  nicht  minder  von  der  Gleichförmigkeit  und  Dichte 
des  Mediums.  Er  nimmt  an  sich  im  umgekehrten  Verhältnisse 
der  Entfernung  ab.  Auf  die  Intensität  wirken  noch  günstiger 
Wind,  starke  Resonanz  der  Körper  und  dergleichen.  Schlechte 
Leiter  und  daher  von  schlechter  Wirkung  auf  die  Stärke  des 
Schalles  sind  z.  B.  Sägespäne,  wollene  Teppiche,  rauhe  Tücher 
und  dergleichen. 

Hieraus  lässt  sich  erklären ,  dass  bei  Nacht  ein  Schall 
deutlicher  und  weiter  gehört  wird,  weil  die  Luft  gleichmässiger 
und  nicht  von  schallhemmenden ,  durch  die  Sonne  erzeugten 
Luftßtrömungen  durchzogen  ist;  —  dass  die  Kraft  der  Töne  in 
einer  Kirche,  welche  ganz  von  Personen  angefüllt  ist,  beein- 
trächtiget wird,  weil  durch  den  aufsteigenden  Dunst  die  Gleich- 
förmigkeit der  Luft  gestört  und  die  Schallwellen  zu  oft  in  ihrer 
geraden  Richtung  unterbrochen  werden. 

Wenn  die  Schallstrahlen,  welche  sich  durch  die  Luft  in 
gerader  Richtung  fortbewegen,  auf  dichtere  Gegenstände  treffen, 
so  wird  ihre  Richtung  mehr  oder  minder  verändert;  sie  können 
eine  Beugung  erfahren,  wodurch  natürlich  ihre  Intensität  eine 
Beeinträcntigung  erleidet,  was  man  erfahren  kann,  wenn  man, 
einer  Predigt  zuhörend,  hinter'einem  Pfeiler  steht.  Ja,  die  Schall- 
strahlen können,  wenn  sie  auf  ein  festes  Hindernis  stossen,  ge- 
radezu zurückgeworfen  werden,  ähnlich  wie  die  Wellenkreise 
sich  am  Ufer  brechen.  Diese  Erscheinung  des  zurückgeworfenen 
Schalles  wird  Echo  genannt;  es  wird  aber  erst  erzeugt  in  einer 
Entfernung  von  mehr  als  58  Fuss.  Ist  die  Entfernung  nicht  so 
gross,  so  entsteht  durch  die  Reflexion  in  ausgedehnteren  hohlen, 
namentlich  gewölbten  Räumen,  welch  letztere  der  Resonanz  be- 
sonders günstig  sind,  der  Nachhall,  der  oft  so  störend  auf 
musikalische  Pi'oduktionen  einwirkt.  Je  glatter  und  elastischer 
die  reflektierenden  Wände  sind,  desto  stärker  ist  ihr  Echo  und 
Nachhall»  Hier  sind  die  schlechten  Leiter  an  ihrer  Stelle;  Tuch, 
feuchter  Anwurf  der  Wände,  Vorhänge  und  dergleichen  dämpfen 
den  Schall  bedeutend.  In  weiten  Räumen  ist  Durchbrechung 
der  Wände  mit  Galerien,  Anbringung  von  Verzierungen  aller 
*"-^  der  Zerstreuung  des  Schalles  und  Verhinderung  oes  Nach- 
les  sehr  vorteilhaft. 

Eine    andere    Erscheinung    ist    noch  das   Mitklingen. 

nche  tiefen  Töne   der  Orgel   oder   eines   anderen  Instrumen- 

etc.   erregen  Mitdröhnen   der   Fensterscheiben   oder   anderer 

genstände,   wenn   diese   in  Schwingungsgeschwindigkeit   mit 

n  klingenden  übereinkommen   können.    Hierauf  beruht   auch 

Resonanz,    welche,    wie   schon   gesagt,    den   Ton   unter 


22  Akustik. 

fewissen  Bedingungen  verstärkt  und  angewendet  wird,  um  das 
ehwineen  der  Saiten  als  hörbaren  Ton  erscheinen  zu  lassen. 
Daher  aer  Resonanzboden  bei  Klavieren,  der  Körper  der  Streich- 
instrumente, wobei  der  Deckel  den  Resonanzboden  bildet.»  Wenn 
zwei  Instrumente  nahe  bei  einander  stehen  oder  verbunden  wer- 
den, so  kann  man,  wenn  bei  dem  einen  ein  bestimmter  Ton 
(nicht  bei  allen  Tönen  ist  dies  der  Fall)  angespielt  wird,  den 
nämlichen  Ton  auf  dem  anderen  Instrumente  leise  mitklingen 
hören.  Ja,  es  ist  der  Fall,  dass  z.  B.  zwei  Orgelpfeifen,  die  ge- 
hörig gestimmt  sind,  einen  dritten  von  ihnen  verschiedenen  Ton 
erzeugen  (Kombinationston). 

Ein  anderes  Mitklingen  findet  statt,  wenn  z.  B.  eine  Saite 
angeschlagen  wird;  es  schwingt  dabei  nicht  bloss  ihre  ganze 
Länge  und  erklingt  in  ihrem  eigenen  Ton,  sondern  nebenbei 
schwingen,  wenn  auch  weniger  stark,  nooh  die  beiden  Hälften 
fiir  sich,  ebenso  ihre  drei  Drittel,  ihre  vier. Viertel  u.  s.  w.  Auf 
diese  Weise  kommt  es,  dass  man  neben  dem  eigentlichen  Tone 
noch  die  Oktav,  die  Quint  über  der  Oktav,  die  zweite  Oktav  und 
die  darüberliegende  Terz  und  dergleichen  mittönen  hört,  welche 
Töne  mit  dem  Namen  Aliquottöne,  Teiltöne  oder  Ober,- 
töne  bezeichnet  werden. 

Zur  weiteren  Verbreitung  und  Verstärkung   des  Schalles^ 
namentlich  der  Sprache,  dienen  auch  die  Sprachrohre,   durch 
welche  der  Schall  eine  Zeit  lang  zusammengehalten  wird.    Auf 
einem   weiten    und   hohen   Musikchore   wira   analog   die    Musik 
nicht   die  Fülle   und  Kraft  haben,   als   auf  einem  engeren   und 
verhältnismässig  niedrigeren  Chore.  —  Aus  allem  diesem  ist  er- 
sichtlich,   dass  die  bauliche  Beschaffenheit  einer  Kirche  und  die 
Stellung  der  Musiktribune  oder  des  Musikchores  einen  grossen 
Einfluss  auf  die  Wirkung  der  Musik  ausübt,  und  dass  die  Chor- 
dirigenten und  das  Sängerpersonal  solchen  Verhältnissen  gebüh- 
rende Rücksicht  trafen  müssen.    Bedarf  eine  grosse  Kirche  an 
und  für  sich  schon  eine  grössere  Anzahl  kräftiger  Stimmen,   als 
eine  kleine,   so   wird   noch   berücksichtiget  werden   müssen,   ob 
eine  Kirche  klangbefördernd  ist  oder  nicht;  in  manchen  singt  es 
sich  äusserst  schwer  und  ermüdet  der  Gesang  bald,   namentlich 
auf  Chören,   welche  sehr  hoch  angebracht  smd  und  die  Decke 
sehr  nahe  Über  sich  haben,  oder  wo  wegen  Kleinheit  des  Raumes 
der  Ton  sich  nicht  entwickeln  kann  oder  wegen  Mangel  an  ge- 
höriger Resonanz,   z.  B.  bei  Überfüllung  einer  Kirche,   sich  wie 
erdrückt  zeigt.    Der  Sänger  muss  bei  solchen  Umständen  mög- 
lichste Sorge  tragen,   seme  Stimme  zu  bewahren  und  nicht  zu 
entkräften,   dadurch,   dass  er  ganz  natürlich  singt,   ohne  darauf 
zu  merken,    ob  er  sich  viel  oder  wenig  höre;    bei  einem  wohl- 
disziplinierten und  in  richtigem  Verhältnisse  besetzten  Chore  wird 
dann  die  rechte  Wirkung  nicht  fehlen.    Schreien   aber  wäre  das 
Allerübelste  und  Verderblichste.   Man  nehme  in  dieser  Rücksicht 
gern   die   Ratschläge   einsichtiger   Zuhörer   an.     Bei   Singen  in 
freier   Luft ,   z.  B.  oei  Prozessionen,   spare   und   schone  man  die 
Stimme  besonders.   Die  Bauart  der  Kirche  ist  in  akustischer  Be- 
ziehung auch  bei  der  Wahl  der   Tonstücke  und  der   Art  des 
Vortrage^  in  Betracht  zu  ziehen.   Es  ist  nicht  gleichgültig,  ob 
die  Kirche  gotisch  oder  romanisch  oder  neueren  Stiles  ist;  so 


A  la  mi  re  —  AUeluja.  23 

wird  ein«  gotische  Kirche  mit  vielen  Pfeilern  und  Durchbre- 
chungen starke  Figuration  weniger  gut  vertragen  und  einen 
langsameren,  gedehnteren  Vortrag  verlangen,  während  es  bei 
Kirchen  römischen  Stiles  wegen  des  Gewölbes,  wo  die  Schall- 
wellen nicht  viel  unterbrochen  werden,  viel  Nachhall  und  Echo 
^eben  wird  und  man  die  Töne  nicht  dehnen  darf,  sondern  sie 
knapper  hervorbringen  muss.  Dass  hierbei  vielerlei  Modifikationen 
stattfinden  können,  ist  natürlich;  ich  wollte  vorstehendes  nur 
anftihi'en,  um  die  Kirchenmusiker  zu  veranlassen,  ihre  Kirchen 
in  dieser  Hinsicht  zu  studieren. 

A  la  mi  re,  s.  Solmisation. 

Albertinische  Bässe,  s.  Ar p egg io. 

Aliquottöne,  s.  Akustik. 

Allabreve,  s.  Takt. 

Allegro,  AHegretto  (AllV),  s.  Tempo. 

Allelnja,  ein  hebräisches  Wort  („laudate  Deum",  „lobet 
Ixott"),  welches  häufig  in  der  Kirche  gebraucht  wird,  um  die 
g-eistig^e  Freude,  den  Jubel  des  Herzens  über  ein  heiliges  Ge- 
heimnis auszudrücken.  Rupert  v.  Deuz  sagt:  „Dies  der  lateini- 
schen Sprache  fremde  Wort  w€dst  hin  auf  das  ewige  Gastmahl 
der  Engel  und  Heiligen  im  Himmel,  deren  Geschäft  darin  besteht, 
den  Herrn  immer  zu  loben  und  ohne  Unterlass  das  Wunder  der 
Anschauung  Gottes  zu  besingen.  Es  ward  aber  dies  hebräische 
Wort  nicht  ins  Lateinische  übersetzt,  damit  wir  an  die,  diesem 
Leben  noch  nicht  zukommende,  sondern  noch  fremde  Freude 
\ind  Thätigkeit  erinnert  würden."  Die  Juden  bedienten  sich  dieses 
Wortes  häufig,  namentlich  hatten  sie  bei  ihrer  jährlichen  Passah- 
feier ihre  Allelujapsalmen  (Ps.  1T3— 118),  das  grosse  Hallel 
f^enannt.  Gregor  aer  Grosse  bezeugt  in  seinen  Briefen,  dass  der 
grottesdienstliche  Gebrauch  des  AlTeluja  aus  dem  Tempel  von 
Jerusalem,  wo  es  vorzüglich  in  der  österlichen  Zeit  gebraucht 
wurde,  herstamme.  Diesem  Beispiele  folgte  die  abendländische 
Kirche,  und  es  erschien  schon  im  fünften  Jahrhunderte  eine  Ver- 
ordnung, zu  welchen  Zeiten  man  sich  des  AUeluja  zu  bedienen 
habe,  und  wann  nicht.  In  der  Regel  des  heiligen  Benedikt  wer- 
den hierüber  auch  schon  bestimmte-  Weisungen  gegeben.  Eine 
ausgezeichnetere  Verwendung  erlangte  es,  ausser  dem  Gebrauche 
zur  österlichen  Zeit,  im  Graduale,  wo  es  nach  den  einzelnen 
Versen  gesungen  wird.  An  Festtagen  wurde  es  mit  reicheren 
melodiscnen  Tropen  abgesungen,  womit  man  sich  aber  nicht 
begnügte,  sondern  noch  ein  längeres  Melisma  auf  dem  letzten  a 
hinzufügte.  Diese  melodische  Phrase  hiess  P  n  e  u  m  a  oder 
Neuma,  auch  jubilus,  und  bildete  sich  hin  und  wieder  zu  einer 
langgedehnten,  notenreiohen  Figur  aus.  Stephan  von  Autun  be- 
zeicnnet  diese  Modulation  als  den  Ausdruck  des  Dankes  und  der 
Lobpreisung,  welche  die  Gläubigen  Gott  darbringen.  „Das  Wort,*' 
pricht  er,  „ist  kurz,  aber  zu  emem  langen  Pneuma  wird  es  aus- 
edehnt,  da  die  Sprache  nicht  hinreicht,  die  Gefühle  auszudrü- 
ken.^  Durandus  erzählt,  dass  das  AUeluja  in  manchen  Kirchen 
ur  von  Knabenstimmen  vorgetragen  wurde,  während  das  Graduale 
ie  Erwachsenen  sangen. 

In  der  römisch-kathohschen  Kirche  wird  das  AUeluja  vor« 
;ugBweise  beim  Graduale  und  am  Schlüsse  der  Eingangsverse  im 


24  Allerheüigenfest. 

Officium  „Deus  in  adjutorium  .  .  .  Gloria  Patri*'  gesungen,  mit 
Ausnahme  der  Zeit  von  Septuagesima  bis  Charsamstag,  wo  dem 
-Dens  in  adjutorium"  nach  dem  Amen  der  Spruch;  „Laus  tibi 
Domine,  rex  aeternae  gloriae"  beigefügt  wird.  Während  der 
Osterzeit  und  der  Fronleichnamsoktav  tritt  es  an  alle  Antipho- 
nen, Versikel  und  kleineren  und  grösseren  Responsorien.  Von 
erhebender  Wirkung  ist  besonders  das  dreimal  immer  in  einem 
höheren  Tone  gesungene  AUeluja  nach  der  Epistel  in  der  Messe 
am  Charsamstage.  Bei  dieser  und  ähnlichen  feelegenheiten  wird 
der  gregorianische  Choral  seine  geheimnisvolle  Kraft  und  Wir- 
kung stets  in  unbestreitbarer  Weise  jedermann  kundthun. 

Allerheiligenfest,  Festum  Omnium  Sanctorum  (Fest.  00.  SS.). 
In  der  orientalischen  Kirche  wurde  schon  im  vierten  Jahrhun- 
derte ein  gemeinsames  Fest  aller  heiligen  Märtyrer  und  der 
übrigen  Heuigen  gefeiert;  in  der  abendländischen  Kirche  aber 
hat  erst  Papst  Bonifaz  IV.,  nachdem  er  den  von  Kaiser  Phokas 
ihm  geschenkten  heidnißchen  Pantheontempel  in  eine  Kirche  der 
seligsten  Jungfrau  und  der  heiligen  Märtyrer  verwandelt  hatte, 
das  Allerheiligenfest  eingeführt.  In  allgemeine  Aufnahme  kam 
es  um  Mitte  des  neunten  Jahrhunderts,  und  von  dieser  Zeit  an 
galt  es  als  ein  Fest  ersten  Ranges  mit  einer  Oktave  (dupl.  I.  cl. 
c.  Oct.).  Gregor  III.  (731)  veroronete  dessen  Feier  auf  den  1.  No- 
vember. „Keinem  der  Auserwählten  soll  die  Verehrung  entzogen 
werden,"  das  ist  der  Grundgedanke  dieses  Festes,  welches  zu- 
gleich ein  Fest  der  Verherrlichung  der  Kirche  selbst  ist,  die  so 
viele  Auserwählte  erzogen  und  sie  in  ihrer  Gesamtheit  ihren 
streitenden  Gliedern  zur  Nacheiferung  vorführt.  Preis  und  Lob 
Gottes  für  solchen  Reichtum  der  Gnaden,  Inanspruchnahme  des 
vollen  Segens,  der  in  der  Gemeinschaft  der  Heiligen  liegt,  durch 
Anrufung  der  Fürbitte  aller  Verklärten,  knüpft  sich  daran.  Dieser 
hohen  Bedeutung   des  Festes   entspricht   auch   ganz   seine  litur- 

fische  Fülle  und  Schönheit.  Eine  Vigilie  bereitet  auf  den 
'esttag  vor  und  alle  Antiphonen,  Responsorien,  Hymnen  und 
dergleichen  nebst  den  Choralmelodien  sind  nur  eine  weitere  schöne 
Ausführung  der  genannten  Bedeutung. 

An  dieses  Fest  schliesst  sich  der  Allerseelentag ,  Comme- 
moratio  omnium  fidelium  defunctorum  (Comm.  00.  Fid.  Deff.),  und 
wie  an  jenem  Feste  die  streitende  Kirche  ihren  Blick  zur  trium- 
phierenaen  gerichtet  hatte,  wendet  sie  nun  ihr  Auge  zu  der  lei- 
denden Kirche,  zu  den  im  Reinigungsorte  nogh  seufzenden  Seelen 
ihrer  dahingeschiedenen  Brüder  unaSchwestern,  um  ihnen  durch 
ihre  Gebete  und  Opfer  Linderung  oder  Erlösung  bei  Gott  zu  er- 
flehen. Jederzeit  hatte  die  Kirche  sich  der  Seelen  im  Fegfeuer 
in  mütterlicher  Liebe  angenommen;  die  Gedächtnisfeier  aller 
Seelen  als  allgemeines  Fest  aber  fiinden  wir  zuerst  durch  Abt 
Odüo  von  Clugny  998  für  die  Klöster  seines  Ordens  eingeführt; 
bald  aber  gewann  sie  auch  Aufnahme  in  der  ganzen  Kircne.  Sie 
fällt  auf  den  2.  November,  und  wenn  dieser  Tag  ein  Sonntag 
ist,  auf  den  dritten.  Eingeleitet  wird  sie  durch  die  Vesper  des 
Totenofficiums,  die  sich  unmittelbar  an  die  zweite  Vesper  des 
Allerheiligenfestes  anschliesst,  so  dass  nach  dem  „Benedicamus . . . 
Deo  gratias"  sogleich  die  erste  Antiphon  „Placebo  Domino*  be- 
gonnen wird.   In  gleicher  Weise  werden  die  Matutin  und  Laude» 


n^ 


Alma  Redemptoris  —  Ambo.  25 

mit  der  Matutin  und  den  Landes  des  Officiums  des,  Tages  ver- 
bunden (»nisi  alia  sit  consuetudo  Ecciesiarum",  fü^  die  Rubrik 
des  Rituals  bei).  An  manchen  Orten  findet  auch  eme  Proasession 
auf  den  Gottesacker  statt,  wobei  die  Psalmen  ,,Miserere^  und 
„De  profundis"  gebetet  oder  gesungen  luid  die  Gräber  mit  Weih- 
wasser besprengt  werden.  Die  Kirche  ist  in  schwarze  Farbe 
fehüllt  una  am  Tage  selbst  wird  das  feierliche  Re^fuiem  abge- 
alten.  Zu  bemerken  ist  noch,  dass  das  ganze  Officium  sub  ritu 
dupl.,  mit  Invitatorium,  3  Nokturnen  (9.  Respons.  „Libera  me 
Domine  de  morte")  und  vollständigen  Antiphonen  vor  und  nach 
den  Psalmen  gesungen  oder  gebetet  wird;  die  Psalmen  „Lauda 
anima^  und  „De  profundis"  m  Vesp.  und  Laud.  fallen  weg.  — 
Der  Choralgesang  ist  durchweg  der  reinste  Ausdruck  der  kirch- 
lichen Stimmung. 

Alma  Redemptoris,  s.  Antiphon. 
Alt,  s.  Stimme. 

Alteratio  (lat.),   Veränderung   der   Noten   durch   ein  Ver- 
setzungszeichen;   die   älteren   Theoretiker  benannten  damit  die 
Verdoppelung  des  ursprünglichen  Wertes  einer  Note. 
Alterierte  Accorde,  s.  Accord. 

Alternatim,  wechselweise,  wie  z.  B.  der  Psalmengesang, 
von  zwei  Chören  ausgeführt. 

Ambitus,  Umfang.  Mit  diesem  Worte  bezeichneten  die 
Alten  die  Grenze,  innerhalb  welcher  sich  in  einer  Tonart  die 
Melodie  bewegen  durfte.  In  den  ältesten  Zeiten  war  der  Am- 
bitus sehr  germg,  eine  Quint  oder  Sext,  wie  wir  es  an  den  dem 
heiligen  Ambrosius  zugeschriebenen  Hvmnenmelodien  ersehen; 
aber  auch  später  durfte  die  Oktav  des  Grundtones  bei  den 
authentischen  imd  die  Oktav  der  Unterquint  bei  den  plaga- 
lischen  Tonarten  nicht  überschritten  werden.  Doch  gestattete 
man  nachderhand  bei  einigen  Tonarten  die  Überschreitung 
dieses  Masses  um  einen  oder  zwei  Töne,  bis  das  neuere  Musik- 
system auch  diese  Schranke  brach  und  nur  mehr  den  natürlichen 
Umfang  der  Singstimme  oder  des  Instrumentes  kennt,  d.  h.  die 
Tonweite  nach  Höhe  und  Tiefe,  welche  eine  Singstimme  oder 
ein  Instrument  erreichen  kann.  —  Bei  den  älteren  Fugisten  be- 
zeichnete der  Ambitus  den  Umfang  der  Tonarten,  in  welche  eine 
regelrechte  Fuge  ausweichen  dm-fte.  Man  hatte  davon "  drei 
Ai-ten:  clausula  primaria  war  die  Modulation  von  der  Grund- 
tonart nach  der  Tonart  der  Oberquint,  z.  B.  von  C  nach  G; 
clausula  secundaria  —  die  Modulation  von  der  Grundtonart 
nach  der  Paralleltonart,  z.  B.  von  C-dur  nach  A-moil  oder  von 
A-moU  nach  C-dur;  clausula  tertiaria  —  die  Modulation  in 
-die  Terz  bei  einer  Durtonart,  oder  in  die  Sext  bei  einer  Molltonart, 
z.  B.  von  C-dm'  nach  E-dur,  oder  von  A-moU  nach  F-dur. 

Ambo  (vom  griech.  ava/Suirw,  hinaufsteigen)  war  ein  er- 
ites  Pult  oder  eine  kleine  Empore,  deren  in  den  alten  Kirchen 
Abschlüsse  des  Presbyteriums  gegen  das  MittelschifiF  zwei 
;ebracht  waren,  und  von  welchen  aus  die  Epistel  und  das 
mgelium  gesungen  wurden.  Auf  diese  Ambonen  führten  zu 
len  Seiten  Stufen  (gradus);  unter  ihnen  war  ein  Raum  für 
Sänger  imd  Kleriker  reserviert,  welche  bei  höheren  Festlich- 
*ien   die   bestimmten   Gesänge,    besonders    die    zwischen   der 


26  Ambrosianischer  Gesang  —  Ansatz. 

Epistel  und  dem  Evangelium  (Responsorium  graduale^  Gesang- 
an  oder  auf  den  Stufen)  singen  sollten.  In  Deutschland  hies» 
im  späteren  Mittelalter  der  Ambo  „Lettner*^.  Die  Renaissance-^ 
zeit  Baute  solche  Ambonen  nicht  mehr;  aus  ihnen  erwuchs  die 
„Kanzel^. 

Ambrosianischer  Gesang.  Darunter  versteht  man  die 
Gesangsweise  oder  vielmehr  die  Gesänge,  welche  der  heilige  Am- 
brosius,  Bischof  von  Mailand  (gest.  397)  in  der  von  ihm  geord- 
neten Liturgie  gebrauchte.  Es  kann  darüber  nichts  Bestimmtes 
gesagt  werden,  weil  alle  Dokumente  fehlen.  Die  in  neuerer  Zeit 
ans  Licht  gebrachten  Manuskripte  mit  ambrosianischen  Gesän- 
gen, welche,  da  die  Neumen  auf  Linien  stehen,  dem  elften  oder 
zwölften  Jahrhunderte  angehören,  scheinen  keineswegs  die  ur- 
sprünglichen, sondern  später  ausgebildete  Melodieen  zu  sein.  Auf 
diese  passt  die  Charakteristik  eher,  welche  einige  mittelalterliche 
Theoretiker  vom  ambrosianischen  Gesänge  geben.  Nach  der  Tra- 
dition soll  Ambrosius  den  Antiphonal-  oder  Weohselgesang  beim 
Gottesdienste  in  der  abendländischen  Kirche  eingeführt,  (ße  vier 
authentischen  Tonarten  für  den  kirchlichen  Gebrauch  festgestellt 
und  Hymnen  zuerst  im  heiligen  Offizium  verwendet  haben.  Ihm 
schreibt  man  auch  den  Gesang  des  Te  Deum  laudamus ,  „am- 
brosianischer Lobgesang"  gemeiniglich  geheissen,  sowie  die  Me- 
lodieen der  Präfation  und  des  Pater  noster  zu. 

Amen,  ein  hebräisches  Wort,  das  beim  jüdischen  Gottes- 
dienste schon  in  häufiger  Anwendung  war,  wurde  von  da  in  die 
Kirche  au|genommen.  Es  hat  im  Ritus  eine  doppelte  Bedeutung, 
die  einer  Bestätigung  und  die  eines  Wunsches,  „wahrhaftig,  so 
ist  es,  so  glaube  ich^  und  „es  geschehe".  Ganz  bezeichnend  und 
treffend  ist  die  Weise,  in  welcher  das  Amen  im  Choral  gesungen 
wird.  Sei  es,  dass  dem  „Amen"  nach  den  Orationen,  wie  z.  B. 
bei  der  Kollekte,  nur  ein  und  derselbe  Ton,  sei  es,  dass  ihm, 
wie  nach  der  Sekrete  und  vor  dem  Pater  noster  u.  dgl.  das  Fort- 
schreiten um  einen  ganzen  Ton  zugewiesen  wird,  so  drückt  es 
immer  von  Seiten  des  Chores  den  festen,  vertrauensstarken  Wunsch 
der  Erhörung  dessen,  um  was  der  Priester  gebetet  hat,  aus;  so- 
wie es  mit  einer  melodischen  Kadenz  am  Schlüsse  der  Hymnen, 
des  Symbolums  und  dergleichen  versehen,  durch  die  enge  Zusam- 
menfassung der  Tonart  auch  das  zusammenfassen  wilf,  was  im 
Hymnus  u.  s.  w.  selbst  an  Lob,  Preis,  Dank  gegen  Gott  ausge- 
sprochen worden  ist. 

Amt.  Mit  diesem  Ausdrucke  bezeichnet  man  im  Deutschen 
auch  eine  mit  Gesang  (von  Seiten  des  Priesters  und  Chores)  und 
Musik  gefeierte  Messe;  „missa  cum  cantu,  missa  cantata";  „Hoch- 
amt" =  missa  solemnis,  auch  „Hochmesse",  feierliches  Amt; 
„Choralamt",  wenn  dabei  bloss  der  einfache  Gregorianische  Choral 
mit  oder  ohne  Orgelbegleitung  zur  Anwendung  kommt. 

Anakrnsis  (griech.)  soviel  wie  Auftakt. 

Andante,  s.  Tempo. 

Animato,  belebt,  erregt  —  als  Vjortragsbezeichnung. 

Ansatz  1)  beim  Spiel  der  Blasinstrumente,  s.  Elmbou- 
chure;  2)  beim  Gesang  die  Art  und  Weise,  wie  der  eine  Phrase 
beginnende  Ton  hei"vorgebracht  wird,  wobei  man  uixt^i'scheidet: 
a)  den  Ansatz  mit  Glottisschluss,   bei   dem   die  Öffnung  der 


Aussprache  —  Antiphon.  27 

Glottis  (Stimmritze)  einen  eigentümlichen  Gutturallaut  (Knack) 
dem  Tone  vorausschickt,  wie  es  auch  beim  Stacoatosingen  einer 
Tonfigur  der  Fall  ist;  b)  den  hauchartigen  Ansatz,  bei  dem 
die  (jlottis  leicht  geöffnet  ist,  und  dem  Tone  ein  schwacher 
Hauch  vorangeht.  'Man  nennt  auch  wohl  die  Stellung  der  gesam- 
ten bei  der  Tonbildung  beteiligen  Teile  des  Stimmorgans  Ansatz. 
Ansprache,  ein  musikahscher  Kunstaüsdruck,  welcher  über- 
haupt vom  Erklingen  eines  Tones  gebraucht  wird,  vorzüglich 
aber  bei  der  Orgel  vorkommt.  Man  sagt,  eine  Pfeife  spreche 
präcis  und  gut  oder  schlecht  an,  je  nachdem  beim  Niederdrücken 
einer  Taste  der  Ton  alsogleich  in  seiner  vollen  Klarheit  zum 
Vorschein  kommt  oder  nicht;  letzteres  hat  seinen  Grund  ent- 
weder im  sohlechterr  Anschlage  oder  gewöhnlich  in  unrichtiger 
Konstruktion  der  Pfeifen,  mangelhaftem  Mechanismus  u.  s.  w. 

Anthem,  eine  in  der  englischen  Kirche  gebräuchliche 
Kunstform,  ähnlich  der  Kirchenfeantate ;  sie  besteht  teils  aus 
breitangelegten  polyphonen  Chören  nach  Ai-t  der  Motette,  teils 
aus  Soiosätzen  mit  Instrumentalbegleitung.  Händel  lieferte  da- 
von Meisterwerke. 

Antiphon  (griech.  dvziiptopij,   Gegen-  oder  Wechselgesang). 
Man  bezeichnet  jetzt  mit  diesem  Namen  gewisse ,  den  heihgen 
Schriften  entnommene  Sprüche,   welche  vor  und  nach  den  Psal- 
men bald  teilweise,  bald  ganz  gesprochen  oder  gesungen  werden, 
Je  nachdem  das  Officium  mit  minderer  oder  höherer  Feier  (sub 
ritu  simplici,  semiduplici  oder  duplici)  persolviert  wird.    Der  Ur- 
sprung aieses  Namens  reicht  ins  nöchste  Altertum  hinauf.   „Can- 
tus  antiphonus**  war  der  abwechselnde  Psalmgesang,   wobei  ein 
Chor    den   ersten    Vers,     der    andere    Chor   den    zweiten    Vers 
sang  u.  s.  f.    Diese  Art  des  Gesanges  war  auch  den  Juden  nicht 
unbekannt,  und  es  erleidet  kaum  einen  Zweifel,  dass  die  Christen 
sie  aus  dem  Judentume  herübernahmen.   Sokrates  übrigens  nennt 
den  heiligen  Ignatius  von  Antiochia  für  den  Urheber  der  Anti- 
phonie   in   der  griechischen  Kirche,    Ambrosius   soll   sie  in  die 
mteinische   Kirche   verpflanzt    haben,    welches   Verdienst    abei** 
Theodoret  dem   Diodorus  und   Flavian  zuschreibt.    Es   wurden 
jedoch  nicht  Psalmen  allein  gesungen,   sondern   man  hob  leinige 
Verse  aus  einem  treffenden  rsalme  oder  andere  passende  Stellen 
aus  der  heiligen  Schrift  heraus  und  sang  sie  zwischen  die  ein- 
zelnen Psälmenverse ,   welcher  Weise  schon  Synoden  im  vierten 
Jahrhunderte  Erwähnung  thun;   diese  Satze   messen  Antipho- 
nen  und  hatten   gegenüber   dem   Psalmengesange   ihre   eigene 
Modulation;   beide  stimmten  aber  im  Ton  (Tonart)  überein.    Die 
Repetition  der  Antiphon  nach  jedem  oder  nach  zwei  oder  drei 
Psalm versen  hatte  besonders  an  hohen  Festtagen  und  viele  Jahr- 
hunderte  hindurch   namentlich    beim   „Magnificat"    imd   „Bene- 
'^•ctus*'  statt,  sowie  für  diese  Ausdehnung  und  Verlängerung  der 
malmen  auch  die.  Länge  der  darunter  stattfindenden  (Seremonien 
eranlassung  gab.  Beispiele  hiervon  finden  wir  im  Gesänge  des 
ivitatoriums,    bei    der   Kerzen  weihe    am    Feste    Maria   Ijicht- 
ess    und    bei    den  Ceremonien    der  Kirchweihe    in  mehreren 
Balmen.    In   der  Ambrosianischen   Liturgie   war   in  dieser  Be- 
ehung  alles  geregelt  worden;  wie  es  in  der  römischen  Liturgie 
imit  bestellt  war,   darüber  mangeln   die  Dokumente;   erst  die 


28  Antiphon.  ' 

Regel  des  heiligen  Benedikt  bringt  uns  feste  Bestimmungen 
hierüber  und  nach  ihm  das  Antiphonarium  des  heiligen  Gregor. 
So  scheidet  der  grosse  Ordensstifter  den  Gesang  des  Officium s 
in  ^cantum  cum  antiphona"  und  „cantum  sine  antiphona"  oder 
^in  directum  (directanee)*',  demgemäss  bei  den  Psalmen  eine  re- 
gulierende Antiphon  angewendet  oder  ein  Psalm  ohne  eine  solche 
entweder  bloss  recitiert  oder  recitierend  mit  geringer  Modulation 
in  der  Mitte  und  am  Ende  eines  jeden  Psalmes  (ein  Regulative 
für  Benediktiner  aus  dem  siebzehnten  Jahrhundert  schreibt 
die  Modulation  fa  la  mi  re  fa  für  mediatio  imd  finis  in  cantu 
directaneo  vor)  gesungen  wurde.  (Vergl.  Gerb.  I.  104.  b.: 
«Syllabae  continuatim  sub  una  voce  junguntur,  quasi  linea  in 
directum  deducta."  Ein  mailändisches  Manuskript  aus  dem 
elften  Jahrhunderte  schreibt  den  cantus  directaneus  so  vor,  dass 
«in  Psalm  von  beiden  Chören  zugleich  [nicht  alternierend]  und 
stehend  gebetet  werde.) 

Häufig  ward  das  Aäduja  als  Antiphon  gebraucht,  das  nach 
dem  ersten  Vers  einmal,  nach  dem  zweiten  zweimal,  nach  dem 
dritten  dreimal,   nach  dem  vierten  wieder  einmal  u.  s.  f.  gesun- 

fen  wurde,   wenn  nicht  eine  Abkürzung  des  Psalmes  stattfand; 
ies  nannte    man    auch    „triumphare",    als    Ausdruck    erhöhter 
Freude  und  gesteigerten  Jubels  (dreimal  singen). 

Die  Antiphonen  fanden  ihre  Stelle  nicht  bloss  im  Officium, 
d.  h.  in  den  kirchlichen  Tagzeiten,  sondern  auch  bei  der  Feier 
des  heiligen  Messopfers  bediente  man  sich  derselben.  Papst  Cö- 
lestin  soll  zuerst  die  Psalmen  zum  Beginne  des  heiligen  Opfers 
haben  singen  lassen;  man  sang  auch  überhaupt  an  Festtagen, 
wenn  sich  die  Celebration  der  heiligen  Messe  unmittelbar  an  die 
Persolvierung  der  Terz  anschloss,  einen  Psalm  mit  einer  Anti- 
phon, unterdessen  der  Celebrant  sich  zum  Opfer  bereitete  und 
zum  Altare  schritt,  —  das  ist  der  ursprüngliche  Introitus,  der 
später  auf  die  Antiphon  mit  ihrer  Wiederholung  und  einen  einzigen 
Fsalmvers  mit  „Gloria  Patri**  eingeschränkt  wurde.  In  gleicher 
Weise  sang  der  Chor  eine  Antiphon  mit  einem  Psalme,  zwischen 
dessen  Verse  die  Antiphon  menr  oder  minder  oft,  je  nach  Be- 
dürfnis wiederholt  wurde,  während  die  Gläubigen  die  Opfergaben 
darbrachten  oder  zum  Tische  des  Herrn  gingen  —  Offertorium 
und  Communio;  nachdem  beides  aufhörte,  blieb  nur  mehr  ein 
Vers  des  Psalmes  in  Gebrauch,  welcher  in  dem  Missale  als 
^Offertorium"  und  „Communio"  bezeichnet  ist. 

In  der  jetzigen  römischen  Liturgie  hat  jeder  Psalm  seine 
Antiphon;  eine  Ausnahme  findet  sich  in  den  kleinen  Tagzeiten 
und  während  der  Österlichen  Zeit  bei  den  Nokturnen ,  wo  drei 
Psalmen  unter  Einer  Antiphon  zu  stehen  kommen.  Diese  An- 
tiphon wird  an  der  Spitze  der  Psalmen  —  ausgenommen  in  festis 
semidupL,  simplic.  et  in  feriali  officio,  sowie  bei  den  kleinen 
Hören,  in  offic.  defunct.,  wenn  ,es  nicht  sub  ritu  dupl.  gebetet 
oder  gesungen  wird  und  bei  anderen  liturgischen  Verrichtungen, 
z.  B.  Dei  Begräbnissen,  Weihungen,  wo  nur  die  Anfangsworte 
der  Antiphon  vor  dem  Psalme  gebraucht  werden,  —  ganz  gebetet 
oder  gesungen,  ebenso  stets  am  Schlüsse  nach  dem  „Gloria 
Patri  .  .  .  Sicut  erat";  jedoch  nach  den  Psalmen  oft  auch  ^d^h- 
gespielt",    d.   h.   nicht    gesungen,    Sondern    nur   von   Einigen 


Antiphon.  29 

vernehmbar  gesprochen,    während   die   Orgel  ein   kurzes   Post- 
ludium  macht. 

Was  die  Bedeutung  der  Antiphonen  anbelangt,  so  sprechen 
sie  gleichsam  den  Grundton  aus,  der  sich  durch  den  folgenden 
Psalm  hindui*chzieht,  geben  den  Gesichtspunkt  an,  von  welchem 
aus  die  Kirche  die  Psalmen  nach  ihrer  typischen  und  messiani- 
sehen  Beziehung  auffasst,  —  wie  sie  auch  die  Intonatio  de& 
folgenden  Psalmes  regeln,  indem  der  darauf  folgende  Psalm 
stets  im  Tone  der  Antiphon  zu  singen  ist.  Zur  leichteren  und 
schnelleren  Kenntnis  des  Tones  oder  der  Tonart  ist  in  vielen 
Choralbüchern  die  Schlussformel  des  Psalmtones  über  dem  Evo  vae 
(saoculorem.  Amen)  nebst  Angabe  der  Tonart  durch  eine 
Ziffer,  der  Antiphon  beigesetzt. 

Ausser  diesen  Antiphonen  (in  der  Messe,  im  Officium  und 
bei  anderen  liturgischen  Verrichtungen),  die  mit  Psalmen  vei*- 
bunden  sind,  wird  noch  einigen  anderen  für  sich  bestehenden 
Gesängen  der  Name  „Antiphon"  beigelegt,  welchen  dieser  Name 
nach  seiner  gewöhnlichen  Bedeutung  nicht  zukommt.  Hierher 
gehören  die  Antiphonen :  „Haec  est  praeclarMm**,  welche  in  einigen 
Kirchen  nach  dem  sonntäglichen  Gottesdienste  gesungen  wird; 
yjStella  coeli*^ ;  yyMedia  vita  in  morte  8umu8*\  ,.Sub  tuum  praesidium" 
itach  der  lauretanischen  Litanei,  u.  a.  Insbesondere  sind  noch 
zu  nennen  die  vier  Marianischen  Antiphonen,  eigentlich 
Hjmnen  und  Anrufungen  der  seligsten  Jungfrau  Maria,  die  täg- 
lich den  kirchlichen  Tagzeiten  angehängt  werden.  Es  sind  fol- 
gende: 1)  Alma  RedemptoriSj  von  Hermanus  Contractus  (cf.  Schu- 
oiger,  „die  Sängerschule  von  St.  Gallen",  pag.  85),  vom  ersten 
Adventsonntage  an  bis  2.  Februar  zu  singen;  2)  Ave  ReginUy  vom 
2.  Februar  bis  Gründonnerstag;  der  Verfasser  ist  unbekannt; 
S)  Regina  codi,  für  die  Osterzeit;  Verfasser  unbekannt;  4)  Scdve 
ReginOf  von  Hermannus  Contractus,  vom  Sonntage  Trinitatis  biß 
zum  Advent.  Der  Zusatz:  „0  Clemens,  o  pia,  o  dulcis  Virgo 
Maria  I*  ist  vom  heiligen  Bernhard  von  Clairvaux.  Diese  vier  An- 
tiphonen sind  sowohl  dem  Wortinhalte  als  der  Melodie  nach 
der  Erguss  der  zärtlichsten  Frömmigkeit,  des  kindlichsten  Ver- 
trauens auf  die  Fürbitte  Mariens,  der  Ausdruck,  der  höchsten 
Erhabenheit  zugleich,  zu  der  ein  christliches  Gemüt  sich  empor- 
schwingen kann,  —  wahre  Perlen  der  alten  katholischen  Kirchen- 
musik, welchen  von  allen,  die  sie  kennen,  mit  Begeisterung  und 
tiefster  Ergriffenheit  des  Herzens  gesungen  und  mit  heihger  Be- 
fiierde  und  grösster  Erbauung  vernommen  werden.  Das  Salve 
Kegina  wird  in  Einsiedeln  nach  einer  reicheren  Melodie  gesun- 
ken, die  als  „das  Einsiedler  Salve  Regina**  sich  eines  besonderen 
Ruhmes  erfreut. 

Diese  Marianischen  Antiphonen  wurden  von  Klöstern  schon 
frühzeitig  beim  Chordienste  zur  besonderen  Verehrung  der  hei- 
1  Gottesmutter  aufgenommen,  so  z.  B.  das  Salve  Regina  von 
Dominikanern  um  die  Mitte  des  dreizehnten  Jahrhunderts, 
sie  fanden  bald  auch  Eingang  in  die  gesamte  römische  Kirche. 
Noch  ein  paar  Worte  von  den  grossen  Antiphonen  0 
biphonae  majores),  welche  in  den  letzten  Tagen  des  Ad- 
s  zum  Magnifikat  gesungen  werden.  Sie  haben  ihren  Namen 
'n,  dass  sie  sämtlicn  mit  den  Ausruf  0  anfangen;  ihr   Inhalt 


30  Antiphonarium  —  Arie. 

wBist  auf  den  verschiedenen  Charakter  des  Welterlösers  und  die 
Bedürfnisse  des  Menschengeschlechtes  hin,  und  sie  sind  der  Aus- 
druck einer  nach  Erlösung  seufs^enden  Seele.  Bezeichnend  ist 
die  im  zweiten  Tone  gesetzte,  dem  Inhalt  ganz  entsprechende 
Melodie.  Dieser  Antiphonen  sind  sieben  nach  dem  römischen 
Antiphonar  und  Brevier;  einige  Kirchen  haben  neun,  wie  z.  B. 
die  von  Paris,   welche   sie   folglich  schon  am  15.  Dezember  he- 

f innen,  d.  h.  beim  Magnifikat  m  der  I.  Vesper  dieser  feria.  Sie 
aben  auch  das  Eigentümliche,  dass  sie  stets  dupliziert, 
d.  h.  niemals  verkürzt,  sondern  vor  und  nach  dem  Magnifikat 
ganz  gesungen  werden. 

Antiphonarinm  wird  dasjenige  Buch  genannt,  worin  die 
Antiphonen  und  Responsorien  für  das  Officium  im  Chor  ent- 
halten sind.  Es  kommt  auch  der  Name  Antiphonale  vor.  — 
Das  Antiphonarium  des  heiligen  Gregor,  s.  Gregor  d.  Gr. 

Antieipation,  ä  Vorausnanme. 

Apotome,  s.  Semitonium. 

Applikatur,  Fingersatz,  nennt  man  die  Weise,  die  Fin- 
ger beim  Spiele  musikahscher  Instrumente  anzuwenden,  seien  es 
nun  Tast-  oder  Blas-  oder  Streichinstrumente  oder  Harfen.  Es 
liegt  an  einem  richtigen  und  geregelten  Fingersatze  sehr  viel, 
indem  bei  isehr  vielen  Instrumenten  nicht  bloss  die  Reinheit  der 
Intonation,  die  Deutlichkeit  und  Sicherheit  der  Tongebung  ab- 
hängt, sonjieni  durch  sie  allein"  manche  Tonfolgen,  Figuren  und 
Passagen  am  bequemsten  ausgeführt  werden  können.  Der  Finger- 
satz wird,  wo  er  angezeigt  ist,^  mittelst  arabischer  Ziffer  ober- 
oder  unterhalb  der  betreffenden  Noten  ausgedrückt.  Beim  Violin- 
spiel redet  man  auch  von  halber  und  ganzer  Applikatur, 
was  mit  zweiter  oder  dritter  Position  oder  Lage  gleichbe- 
deutend ist;  bei  jener  rückt  die  Hand  so  weit  hinauf,  dass  der 
erste  Finger  auf  der  Stelle  aufgesetzt  wird,  wo  in  natürlicher 
Lage  oder  erster  Position  der  zweite  Finger  seine  Stelle  hatte; 
bei  jener  ist  die  Finger  läge  noch  um  eine  Stufe  höher  gertickt. 

Apeo,  coU'arco,  mit  dem  Bogen,  bei  Streichinstrumenten 
im  Gegensatze  zu  pizzicato,  wobei  die  Saiten  mit  dem  Finger 
gezupft  werden. 

Aretiniscbe  Silben,  s.  Solmisation  und  Guido  v.  Arezzo. 

Arie,  ital.  aria,  franz.  mV,  ist  jene  musikalische  Kunstform, 
welche  irgend  ein  lyrisches  Moment  zur  höchsten  Entfaltung 
und  durch  Verwebung  eines  Hauptgedankens  nach  den  Graden 
kunstgemässer  Steigerung  zu  allseitiger  Entwickelung  bringt. 
Erfordert  die  Ausführung  derselben  die  höchste  Kraft  und  Kunst- 
fertigkeit, so  wird  sie  zur  Bravourarie;  eine  kleine,  wenig 
ausgeführte,  meistens  nur  aus  Einem  Satze  bestehende  Arie  heisst 
Anette  oder  Cavatine;  das  Arioso  aber  ist  eine  kurze  Ge- 
sangsform, welche  zwischen  das  Recitativ  eingeschoben  wird, 
oder  in  welche  dieses  am  Schlüsse  übergeht.  Den  Ursprung  der 
Arie  muss  man  in  den  monodischen  Gesängen  suchen,  welche 
im  Hause  des  Grafen  Bardi  zu  Florenz  durch  Galilei  zuerst  ins 
Leben  gerufen  wurden.  Zu  eigentlichen  selbständigen  Melodien 
wurden  sie  durch  Viadana  (s.  d.)  ausgebildet.  Um  Mitte  des 
siebzehnten  Jahrhunderts  zeigen  diese  schon  eine  angenehme, 
ausdrucksvolle  Cantilene,   und  es  kommen  hin  und  wieder  Kolo- 


Arpeggio  —  Arrangieren. 


91 


raturen  zum  Vorschein.  Ihre  Anwendung  fanden  sie  hauptsäch- 
lich in  Opern,  Oratorien,  Kantaten.  Erst  Aless.  Scarlatti  erhob 
die  Arie  durch  Scheidung  vom  Recitativ,  durch  Regelung  des 
liietorischen  Teiles ,  dui'ch  bessere  Gestaltung  und  Verlängerung 
derselben  zur  selbständigen  Kunstform.  Ihre  nunmehrige  Form 
von  zwei  Teilen  und  dem  Da  Capo  behielt  sie  bis  Gluck  und 
Mozart  ohne  sonderliche  Modifikation;  von  da  ab  wurde  mehr 
der  Textinhalt  als  Norm  genommen ,  die  konventionelle  Form 
<im'ohbroohen  und  die  freie  Arie  geschaffen.  Die  Arie  ist  ent- 
weder ein  für  sich  bestehendes  Musikstück,  oder  ein  Glied  eines 
grösseren,  zusammengesetzten  Tonwerkes,  z.B.  einer  Oper,  eines 
Oratoriums.    In  der  Kirche  findet  die  Arie  keine  Verwendung. 

Arpeggio,  von  arpay  Harfe,  abgeleitet,  bedeutet  das  Vor- 
tragen von  Accorden  nach  Harfenweise,  das  Brechen  derselben, 
wobei  nämlich  die  Töne  nicht  zusammen,  sondern  nacheinandißr 
angegeben  werden.    Diese  Spielweise  kann  nur  auf  Klavier-  und 

Geigeninstrumenten  geschehen   und   wird  durch  das  Zeichen  i 

oder  ( ,  welches  dem  Accorde  voi'gesetzt  wird ,  angedeutet,  z.  B. 


ausgeführt 


oder 


In  manchen  Kirchenmusiken  kommen  sogenannte  arpeg- 

firte  Bässe,  Harfenbässe,  auch  Albertische  Bässe  (von 
em  römischen  Musiker  und  Sänger  Alberti,  f  1740,  der  sie  zuerst 
in  Anwendung  brachte,  so  geheissen),  genannt,  vor,  welche  nichts 
anderes  sind,  als  Begleitungen,  wo  der  Grundbassnote  einige 
oder  alle  Töne  eines  Accordes  in  verschiedenen  Figuren  nacii- 
schlagen,  z.  B. 


u.  8.  w. 


Arrangieren,  davon  abgeleitet  Arrangement y  ist  in  der 
musikahschen  Kiinstsprache  das  Umsetzen  oder  Einrichten  eines 
Tonstückes  für  weniger  oder  mehrere  Instrumente  oder  Stim- 
Es  ist   eigentlich  eine  Versündigung  am  Tonwerk  selbst, 


men. 


indem  dieses  durchs  Arrangement  seine  Idee  und  seinen  Cha- 
rakter einbüsst.  Es  könnte  nur  entschuldiget  werden,  wenn  .z.  B. 
kleinere  Chöre  sich  in  die  Notwendigkeit  versetzt  sähen,  reich- 
etzte  Tonstücke  aufzuführen,  was,  ohne  die  Anzahl  der 
nmen  zu  reduzieren,  nicht  geschehen  könnte,  und  dann  mag 
luch  angehen,  um  sich  Musikwerke  zugänglicher  zu  machen 
l  sie  in  ihrem  Ideeninhalte  zu  prüfen  und  kennen  zu  lernen, 
j  man  jetzt  besonders  durch  Arrangement  fürs  Klavier  — 
ivierauszüge  —  zu  bewerkstelligen  sucht.  Immerhin  ge- 
t  dazu  ein  gewiegter,  gründlicher  Musiker,    der   das  Original 


32 


Arsis  —  Atem. 


möglichst  unverstümmelt  lässt  und  mit  Gewissenhaftigkeit,  Üb- 
legung,  Umsicht,  Ernst  und  Fleiss  verföhrt. 

Arsis  —  Hebungy  daher  Aufschlag,  leichter  Taktteil. 

Artikulation  in  der  Sprache  ist  die  Unterscheidung  u: 

genaue  Hervorbringung  der  Laute,  in  der  Musik  die  Gliederu] 
er  einzelnen  Töne,  die  Verbindung  des  musikalischen  Klang 
mit  einer  genauen  Deklamation  des  Textes. 

Assai,  s.  Tempo. 

Atem,  atmen,  ist  für  den  Sänger  von  grosser  Wichtigke 
Es  hat  Einfluss  auf  die  Tonbildung  und  die  Schönheit  des  Vc 
träges,  und  wie  kunstgemässes,  regelrechtes  Atemholen  au( 
die  Anstrengung  des  Singens  vermindert,  so  kann  durch  Nac 
lässigkeit  hierin  dem  Stimmorgane  selbst  grosser  Schaden  zug 
fügt  werden.  Der  Sänger  hat  also  durch  sorgfältige  Übung  < 
danin  zu  bringen .  vor  allem  auf  naturgemässe  Weise  tief,  u  i 
hörbar  und  schnell  Atem  schöpfen  zu  können;  nach  g» 
schehener  Einatmung  lasse  er  den  Atem  ganz  ruhig  ab  flies  sei 
denn  die  Kunst  des  Gesanges  ist  lediglich  durch  einen  ruhige 
Atemabfluss,  durch  eine  berechnete  Atem  Verteilung  beding 
Alles  UnnatürHche  beim  Atemholen  —  z.  B.  Einziehen  cfi 
Bauches,  Heben  der  Schultern  und  dergleichen  —  muss  entferr 
bleiben:  Dann  bemühe  er  sich  um  einen  langen  Atem,  nich 
etwa  den  Atem  lang  an  sich  zu  halten,  sondern  ihn  lang  auf 
zuspinnen,  längere  Stellen  nach  einem  einzigen  Atemzuge  singe 
zu  können;  er  lerne  mit  demselben  ökonomisch  umzugehen 
er  verbrauche  ihn  nicht  schnell;  auf  der  anderen  Seite  aber  dar 
man  nie  so  lang  in  einem  Atem  fortsingen,  bis  es  eben  nim 
mer  geht,  dadurch  wird  die  Kraft  schnell  erschöpft,  abgesehei 
von  anderen  Nachteilen  für  die  Stimme  und  die  Org-ane.  Mai 
warte  eine  passende  Gelegenheit,  Pausen,  Fermaten jinterpunk 
tionen  ab,  um  Atem  zu  schöpfen.  Freilich  sollten  dies  die  Ton 
setzer  auch  in  ihren  Werken  berücksichtigen.  Regeln  fün 
Atmen  I.  nach  musikalischen  Gesetzen: 

1)  Atme  bei  jeder  Pause,  wenn  auch  ein  Weitersingei 
möglich  wäre; 

2)*  atme  auf  einem  leichten,  nie  auf  einem  schweren  Taktteile 

3)  nicht  bei  einem  Taktstriche,  also  nicht  beim  Schluss  einet 
Taktes,  wenn  nicht  die  Figur  eine  Ausnahme  gestattet,  z.  B.  (a) 


4)  atme  vor  jeder  langgehaltenen  Note  (b);  sowie  vor 
jeder  Fermate  oder  Kadenz,  während  welcher  man  nie  atmen  darf; 

ö)  suche  jeden  zusammenhängenden  musikalischen  Gedan- 
ken in  einem  Atem  vorzutragen. 


Attacca  —  Ave  Regina.  38 

IL  Nach  sprachlichen  Gesetzen: 

1)  Trenne  den  Zusammenhang  der  Worte  so  wenig  als 
möglich,  und  fasse  wenigstens  in  einem  Atem  so  viele  Worte 
zusammen,  als  mitsammen  einen  Sinn  bilden; 

2)  nach  einer  Interpunktion,  die  mehr  trennt  als  ein  Komma, 
hole  Atem;  wenn  auf  eine  lange  Phrase  ein  Komma  folgt  und 
Atem  notwendig  wird,  soll  es  schnell  geschehen; 

3)  die  Adjektiva  dürfen  nicht  von  den  Substantiven,  über- 
haupt die  zusammengehörigen  Worte  nicht  getrennt  werden; 
ebenso  zerreisse  man  auch  kein  Wort,  es  sei  denn«,  dass  darüber 
eine  melodische  Phi*ase  zu  singen  ist,  welche  in  einem  Atem 
nicht  gesungen  werden  kann. 

Den  ^itmoment,  welcher  zum  Atemholen  notwendig  ist, 
darf  man  nicht  dem  Tone,  vor  welchem  dies  geschieht,  sondern 
demjenigen,  nach  welchem  es  geschieht,  entziehen. 

Attacca  =  alsogleich  (fortspielen),,  steht  gewöhnlich  am 
Schlüsse  einer  Abteilung  eines ,  grösseren  Tpnstücfces  und  bedeu* 
tet,  dass  die  folgende  ADteilung  unmittelbar  folgen  solle. 

Anferstehnnggfeier,  s.  Karwoche. 

AnflÖsun^  1)  der  Dissonanzen  ist  die  stufenweise  Fort- 
führung eines  dissonierenden,  Tones  in  einem  Accorde  zu  einem 
konsonierenden  Tone.  Durch ,  die  Dissonanz  wh'd  das  beruhigende 
reine  Dreiklangsverhältnis  unterbrochen  oder  gestört;  jedoch 
bringen  die  Dissonanzen  ein  anregendes  Element  der  Bewegung 
in  die  Harmonie  und  bedingen  emen  Fortschritt,  wodurch  die 
Ruhe  und  Befriedigung  wieaer  hergestellt  wird,  die  Auflösung. 
Dieser  Fortschritt  zur  Konsonanz  kann  abwärts  oder  aufwärts 
stattfinden,  je  nach  der  Beschaffenheit  des  dissonierenden  Tones 
oder  IntervaUes.  Die  Septime,  die  Non,  die  vorgehaltene  Quart  u.  s.  w. 
lösen  sich  abwärts  auf,  wogegen  die  übermässigen  Intervalle, 
z.  B.  die  Quint  im  übermässigen  Dreiklang  aufwärts  fortschreiten. 
2)  Auflösung  eines  Kanon,  s.  Resolutio. 

Anflösungszeichen,  s.  Versetzungszeichen. 

Auftakt  heisst  der  Anfang  eines  Tonstückes  oder  einer 
Phrase,  der  nicht  mit  dem  ersten  schweren  Taktteil  beginnt, 
sondern  mit  einem  späteren,  leichten,  meistens  dem  letzten  Takt- 
teile. So  viel  nun  durch  den  Auftakt  von  der  vollen  Taktgeltimg 
zu  Anfang  vorweggenommen,  so  viel  muss  dem  letzten  Takte 
des  Tonsttickes  fehlen,  so  dass  der  erste  und  letzte  Takt,  d.  h. 
die  Bruchstücke  am  Anfange  und  Ende  zusammengenommen, 
einen  vollen  Takt  geben* 

Augmentation,  s.  Kanon. 

Ausdruck,  s,  Vortrag. 

Aushalt,  s.  Fermate. 

Aussprache,  s.  Vortrag. 

Ausweichen,  s.  Modulation. 

Authentisch,  s.  Kirchentonarten. 

Autor,  Autor  e,  der  Urheber,  der  Verfasser,  der  Komponist. 

Ave  Maria,  der  sogenannte  englische  Gruss,  welcher  dem 
er  noster  („Vater  unser")  angefügt  wird;  in  der  Messliturgie 
imt  es  an  vielen  Marienfesten  als  Offertorium  zur  Anwendung. 

Ave  Regina«  s.  Marianische  Antiphonen. 

Lornmüller,  Lexikon.  3 


34  B  —  Bas8. 


B. 


B,  das  um  einen  Halbton  erniedrigte  H.  Ursprünglich  wai 
B  der  zweite  Ton  der  Skala,  welche  mit  A  begann  und  un: 
einen  ff-anzen  Ton  nach  B  (unserem  H)  Fortschritt  (s.  griechische 
Musik).    In    der    zweiten    Oktave    der    mittelaltenichen    Skak 

A  —  a — ^  musste   das  b   öfters  zur  Vermeidung  des  Tritonus  zu 

F  vertieft  werden,   so   dass    sich  auf  der  Stufe  b  zwei  Töne  er- 

faben,  das  b  als  b  durum  oder  bquadratum  (b  mi)  3  =  h,  und 
as  b  molle  oder  rotundum  (b  fa)  =  t?b.  Gegen  Ende  des  elften 
Jahrhunderts  ward  auch  das  b  molle  für  die  untere  Oktav  (1?  Bj 
von  einigen  Theoretikern  zugelassen.  Jetzt  gilt  b,  als  i?  gestal- 
tet, als  Erniedrigungszeichen  für  alle  diatonischen  Töne;  auch 
doppelt  (7!^)  kommt  es  vor,  z.  B.  eses,  asas.  B  als  Abkürzung 
bedeutet  auch  Basso;  c.  B.  =  col  Basso,  mit  dem  Bass  geheno, 
CB  =  Contrabass;  B.  C.  •=  Basso  continuo. 

Bal^  ist  jenes  Werkzeug  bei  Orgelinstrumenten,  wodurch 
der  für  dieselben  notwendige,  künstliche  Wind  erzeugt  wird. 
Man  hat  verschiedene  Arten  derselben:  Spannbälge,  wenn  die 
Falten  zwischen  den  Balgplatten  einfach  (Froschmäuler) ,  Fal- 
tenbälgo,  wenn  die  Falten  mehrfach  sind.  In  neuerer  Zeit 
wendet  man  auch  das  Cylindergebläse  an,  so  genannt  von 
dem  winddichten  Cylinder,  einem  viereckigen  Kasten,  in  welchem 
ein   mit   Leder  gepolsterter  Stempel   die  Luft  einzieht  und  aus- 

Sresst.  Die  Zahl  und  Grösse  der  Bälge  muss  zu  der  Grösse  und 
em  Stimmenreichtum  der  Orgel  in  genauem  Verhältnisse  stehen. 
Um  die  Dichtigkeit  und  die  Menge  des  Windes  zu  regulieren, 
bedienen  sich  die  Orgelbauer  der  sogenannten  Wind  wage. 

Bart,  s.  Pfeife. 

Baryton  (ital.  Baritono.  franz.  Bcisse-taille) ,  eine  männliche 
Stimmgattung,  welche  zwiscnen  Tenor  und  Bass  liegt  und  einen 
Umfang  von  G — g'  hat. 

Bass  (ital.  Basso ^  franz.  Basse),  die  tiefste  menschliche 
Stimmgattung;  dann  die  tiefste  oder  unterste  Stimme  in  mehr- 
stimmigen Tonsätzen,  als  solche  hat  er  als  Stütze  und  Grundlage 
der  Harmonien  eine  vorzügliche  Bedeutung.  (Einige  leiten  das 
Wort  „Bass"  unrichtig  von  dem  griechischen  Worte  Basis,  Grund- 
lage, her,  weil  m  einigen  Kompositionen  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts diese  Stimme  also  betitelt  ist;  der  Ausdruck:  bassus, 
bassa  vox  [tiefe  Stimme]  findet  sich  schon  in  Traktaten  des 
dreizehnten,  vierzehnten  und  fünfzehnten  Jahrhunderts;  er  ist 
vom  griechischen  ßa&vc,  tief,  hergeleitet.)  Der  Bass  verträgt  es, 
von  Sen  übrigen  Stimmen  weiter  abzustehen,  einen  Gegensatz 
zu  den  anderen  Stimmen  zu  bilden  und  sich  durch  eigenartigen 
Gang  (gemessene  oder  auch  grosse  Schritte  auf  die  wichtigsten 
•Stufen)kenntlich  zu  machen.  Er  ist  eine  in  harmonischer  wie 
melodischer  Hinsicht  wichtige  Stimme;  giite  Komponisten  be- 
handeln ihn  daher  mit  grosser  Sorgfalt.   Sein  Gang  ist  überhaupt 


Bassklausel  —  Benediktinerorden.  '  35 

schon  d^n  akustischen  Gesetzen  gemäss  langsamer,  dadurch  ge- 
wichtiger, mehr  inihig,  kraftvoll  und  würdig.  In  der  polyphonen 
Schi'eibart  kann  er  jedoch  seinen  Charakter  in  etwas  verleugnen 
imd  an  der  Lebendigkeit  der  übrigen  Stimmen  teilnehmen.  Bei 
grösserer  Bewegtheit  des  Basses  ist  aber  wohl  zu  beachten,  dass 
der  Deutlichkeit  und  Wirksamkeit  durch  zu  schnelle  Figuren 
kein  Eintrag  geschehe.  Eine  gute  und  wohleingi*ei4*ende  Führung 
.des  Basses  ist  immer  eines  der  sichersten  Kennzeichen  von 
tüchtiger  Bildung  im  Satze  (s.  Stimme). 

Bassklansel,  s.  Kadenz. 

Bassinstrumente  —  diejenigen  Tonwerkzeuge,  welchen  die 
Ausführung  der  Bassstimme  in  den  Instrumentalwerken  über- 
tragen ist:  Kontrabass,  Violoncell,  Fagott,  Bassposaune,  Bom- 
bardon u.  dgl. 

Bassist  heisst  derjenige,  welcher  die  Bassstimme  singt 
oder  spielt. 

ßasso  eontinuo,  fortlaufender  Bass  wurde  die,  besonders 
auch  von  Viadana  um  1600  in  Übung  gebrachte  und  ein-  oder 
mehrstirnmigen  Tonsätzen  beigegebene  bezifferte  Bassstimme  ge- 
nannt, welche  gewöhnlich  durch  die  Orgel  oder  das  Klavier 
ausgeführt,  die  eine  »oder  mehrere  Singstimmeii  begleitete  und 
denselben  eine  fortlaufende  richtige  Unterlage  bot. 

Bassschlüssel,  s.  Schlüssel. 

Batntta.  der  Taktschlag,  die  Taktbewegung;  ä  batutta, 
nach  dem  Taktschlag. 

Bebisation,  s.  Solfeggio. 

Begleitstimme,  s.  Accompagnement. 

Begräbnis,  s.  Exequiae. 

Benediktinerorden.  Wenn  von  Verdiensten  um  Kirchen- 
musik die  Rede  ist,  so  kann  es  wohl  nicht  geschehen,  ohne  auch 
des  Ordens,  welcher  dem  heiligen  Benedikt  von  Nursia  526  seinen 
Ursprung  verdankt  und  in  der  Folge  welthißtorische  Bedeutung 
erlangt,  nat,  zu  gedenken.  Der  Benediktinerorden,  das  ganze 
Mittelalter  hindurcn  vorzugsweise  ein  Salz  der  Erde  sowohl  durch 
das  heilige  Stillleben  seiner  Mönche  in  Beschaulichkeit  einerseits, 
andererseits  durch  seine  Missionsthätigkeit  nach  aussen,  verband 
damit  auch  die  Pflege  der  Wissenschaften  und  Künste.  Die 
Klöster  waren  die  Asyle  für  die  von  der  Roheit  und  Barbarei 
dem  Untergange  geweihten  Schätze  der  Bildung,  Kunst  und 
.  Wissenschalt,  und  m  ihnen  .wuchsen  Künstler  und  Gelehrte  heran, 
welche  das  Ferment  der  Kultur  wieder  den  Völkern  vermittel- 
ten. Ebenso  müssen  wir  die  vorzüglichsten  Musiker  und  die 
eigentliche  Musikbildung,  nachdem  aie  alten  Kulturstaaten  zer- 
trümmert lagen,  in  den  Klöstern  suchen,  —  mit  wenigen  Aus- 
nahmen jahrhundertelang. 

Die  Institution  des  Benediktinerordens  legte  den  Mönchen 
Pflege  dieser  heiligen  Kunst  nahe  oder  machte  sie  vielmehr 
}wenaig.  Der  heilige  Benedikt  schrieb  in  seiner  Regel  vor, 
s  seine  Mönche  bei  Tag  und  bei  Nacht  Gott  das  Opfer  des 
)es  und  Preises  zu  bestimmten  Stunden  darbrächten  und  die- 
heilige  Dienst  Gottes  mit  aller  Würde  gefeiert  werd.e.  Im 
U.,  l2,  la,  15.,  17.,  la,  38.  und  47.  Kapitel  macht  er  den  Ge- 
\g  namhaft;   er  redet  von  „psalmis  modulatis",   von  Hymnen, 

3* 


^•''6  Benediktinerorden. 

wozu  übel'all  Gesang  notwendig  ist;  er  spricht  ferner  von  P 
men  >oum  antiphona^  tind  von  solchen  „sine  antiphona  seu 
directum^  ^  d.  h.  solchen,  bei  welchen  eine  Antiphon  die  Gesar 
weise  angibt,  und  Solchen,  welche  bloss  zu  recitieren  wai 
Ebenso  hält  er  auch  das  legere  und  cantare  auseinander  i 
benennt  einen  „cantor*^.  Die  Gesangsweise  Belbst  wird  wohl  -< 
der  römischen  -im  grossen  und  ganzen  nicht  verschieden  gewe 
sein,  da  er  in  Beziig  auf  das  Offizium  selbst  sich  im  allgemeii 
an  das  römische  Cnorgebet  anschloss.  Constant.  Cajetanus 
richtet,  dass  der  heilige  Benedikt  selbst  den  Papst  Hormis« 
mit  Nachdruck  angegangen  habe,  die  beantragten  Singschu 
am  Lateran  und  Vatikan  zu  eröffnen,  und  dass  an  der  rö: 
sehen  Kirche  Mönche  als  Lehrer  des  Gesanges  wirkten. 

Dem  heiligen  Benedikt  lag  aber  nicht  bloss  daran,  di 
iiberhaupt  gesungen  wurde,  sondern  dass  dies  auch  in  gu 
und  andächtiger  Weise  geschehe.  „So  sollen  wir,"  sagt  er,  Jbe 
Psalmengebete  stehen,  dass  das  Merz  mit  dem  Munde  übere 
stimmt.  Nicht  jeder  soll  «(bei  den  kunstreicheren  Gesängen)  s 
gen,  sondern  wer  es  gut  versteht  und  die  Zuhörer  erbauen  kai 
es  soir  gesungen  werden  mit  Demut,  würdevoll  und  in  Ehrfurch 

Ünzweifelhaffc  steht  fest,  dass  in  der  zweiten  Hälfte  ( 
sechsten  Jahrhunderts  der  Gesang  in  den  Klöstern  des  heilig 
Benedikt  fleissig  betrieben  wurde.  Denn  aus  ihnen  ging  c 
grosse  Reformator  oder  vielmehr  der  eigentliche  Begründer  c 
kirchlichen  Gesanges,  der  heilige  Papst  Gregor  der  Gros 
591 — 604  hervor;  er  war  Zögling,  Mönch  und  Äbt  des  von  il 
selbst  gestifteten  Klosters  S.  Andreas  in  Rom  gewesen.  Na 
seinem  Tode  bekleidete  der  Abt  Johannes  vom  Kloster S.Mj 
tili  die  Stelle  eines  Archikantors  an  der  Basilika  des  heilig 
Petrus.  Während  um  diese  Zeit  und  noch  später  der  Kirche 
gesang  sich  nur  auf  die  bischöflichen  Kirchen  beschränkte,  < 
tönte  er  bei  Tag  und  bei  Nacht  in  den  Klöstern  und  erhielt 
diesen  durch  das  fortwährende  Chorgebet  eine  solide  Traditioi 
basis.  Mit  ihrer  Missionsthätigkeit  fiel  dann  den  Mönchen  d 
heiligen  Benedikt  auch  die  Aufgabe  zu,  den  römischen,  von  d 
Kirche  approbierten  Gesang  in  die  Welt  auszubreiten;  Schuld 
für  die  Musik,  d.  h.  den  Kirchengesang,  erstanden  zuglei( 
überall,  wohin  sie  den  katholischen  Glauben  verpflanzten  ui 
wo  sie  Niederlassungen  gründeten.  Veranlassung  dazu  gab  nicl 
bloss  das  kirchliche  Bedürfnis,  sondern  auch  die  Anwesenhe 
vieler  Jünglinge,  welche  sich  unter  Leitung  der  Mönche  d( 
Studien  widmeten  und  zu  den  kirchlichen  Feierlichkeiten  au( 
in  Bezug  auf  den  Gesang  beigezogen  wurden. 

Zuerst  erglänzte  ihre  Thätigkeit  in  England,  wohi 
Gregor  selbst  noch  den  Mönch  Augustinus  mit  mehreren  Bi 

fleitern  gesendet  hatte.  Durch  diesen  ward  der  römische  Gesan 
ort  eingeführt  und  kurze  Zeit  darauf  fester  begi'ündet  durc 
den  obengenannten  Johannes,  den  der  englische  Bischof  Benc 
dikt,  „Biscopus*'  beigenamit,  auf  seiner  Rückreise  von  Roi 
mitnahm.  In  den  britannischen  Klöstern  ragten  später  als  b( 
deutende  Musiker  hervor:  Heddius  in  York,  Osbert,  Mönc 
in  Glasgow,  Thiuredus,  Mönch  in  Dover;  der  heilige  Cutberth 
Schüler  Beda's,  Simon,  welcher  zugleich  unter  den  Historiker 


Benediktinerorden.  37 

einen  ehrenvollen  Platz  einnimmt;  Wo  Ist  an:,  an  der  Kloster- 
und  Kathedralkirche  aum  heiligen  Winton ;  W  i  1  h  e  1  m*  S  o  m  e  r  *■ 
set  in  Malmesbury  u..  v.  a.  Auch  Alcu in-  hatte  seine  Bildung' 
in  der  Klosterschule  zu  York,  wo  er  naohderhand  Vorsteher  ge- 
wesen, erhalten.  Dass  aber  nicht  bloss  der  Gesang,  sondern  auch 
die  Instrumentalmusik  betrieben  wurde,  beweist  ein  Konzil  von 
Glasgow  747 ,  welches  die  Entfernung  des  Spieles,  aller  Saiten- 
instrumente aus  den  Klöstern  dekretierte.  <      ' 

In  Gallien,  wo  eine  totale  Reformation  des  Kirchengesan- 

fes  durch  Pipin  angestrebt  und  von  Karl  dem  Grossen  energisch 
urchgeführt  wurde,  waren  es  wieder  Mönche,  welche  in  dem 
Betrieoe  dieser  Kunst  sich  auszeichneten.  In  den  Klosterschulen 
ward  Musik  praktisch  und  theoretisch  gelehrt,  und  die  Zöglinge 
nahmen  an  dem  Chorgesange  der  Mönche  bald  mehr,  bald  we- 
niger Anteil;  ihre  speziellen  Schulen  für  künstlichen  Gesang 
ragten  ruhmreich  hervor.  An  der  Spitze  auch  der  ausserklöster- 
licnen  Singanstalten  und  Singchöre  standen  faßt  nur  Mähner, 
welche  in  ßenediktinerfclösterH  ihre,  musikalische  Bildung  erhalten 
hatten,  mit  diesen  religiösen  Genossenschaften  noch  in  irgend 
einem  Verbände  standen,  oder  ihnen  noch  angehörten. 

Neben  Alcuin  sind  zu  nennen:  Amalarius,  dessen  Nach-^ 
folger,  Abt  Odo  von  Clugnv,  Papst  Leo  IX.,  welcher  vorerst 
Mönch,  dann  Bischof  in  Toul  war  und  Gesänge  komponierte,  die 
denen  des  heiligen  Gregor  an  die  Seite  gesetzt  zu  werden  ver- 
dienten. —  In  Deutschland  stand  einzig  in  seiner  Art  das 
Erlöster  St.  Gallen  da,  wohin  die  römische  Gesangsweise  durch 
einen  römischen  Sänger,  Romanus,  kam,  die  sich  bald  zur 
Ivöchsten  Blüte  entfaltete.  Dort  strahlte  Notker  Balbulus.  der 
eine  grosse  Anzahl  Sequenzen  und  Hymnen  dichtete  und  tom- 
Xwnierte,  deren  Gebrauch  sich  bis  ins  siebzehnte  Jahrhundert 
erhielt,  seit  1619  aber  ganz  aufgehoben  wurde;  Ratbert, 
welchem  auch  Volkslieder  in  deutscher  Sprache  ihren  Ursprung 
verdanken;  Hermanus  Contractus,  später  in  Reichenau,  der« 
eine  eigene  Tonzeichenschrift  ersann,  u.  a.  (vgl.  „die  Singschule 
von  St.  Gallen",  von  P.  Ans.  SchubM^er).  Nicht  minder  blühte  die 
Musik  in  Reichenau.  wo  die  Zöglinge  der  Klosterschule  Unter- 
richt im  Spiel  aller  gebräuchlichen  Instrumente  erhielten;  unter 
Rhabanus  Maurus  gelangte  Fulda  zu  grossem  musikalischen 
Ruhme,  und  Hirschau  durch  seinen  grossen  Abt  Wilhelm. 
Gerühmt  waren  die  Singschulen  zu  St.  Emmeram  in  Regensburg, 
Corvey,  Halberstadt  u.  m.  a. 

Ein  Benediktinermönch   war  es,   der    einen  Fortschritt  in 

der  Notation  zuwege  brachte  und  die  Diaphonie  ausbildete,  H  u  c  - 

bald,  Mönch  zu  St.  Amand  in  Flandern;  auf  dessen  System  ein 

anderer  Möiich,   Guido  v.  ArezzO,   fortbaute   und  durch  seine 

"•--^ntümliche  Lehr  weise  den  Musikunterricht  wesentlich  erleich- 

3.    Die  Orgel,  ienes  vorzugsweise  kirchliche  Instrument,  ver- 

tt  ihi-e  Vervollkommnung  in  der  Konstruktion  hauptsächlich 

Mönchen,   sowie   auch   ihre   weitere  Verbreitung.    757  kam 

erste  Orgel  nach  Frankreich,   als  Geschenk  des  griechischen 

iers  an   ripin.    Kurz   darauf  konstruirte  Wikt er p,   Bischof 

Augsburg,  ein  Klosterzögling,  eine  Orgel.    In  Freising  waren 

•neunten  Jahrhunderte  die  besten  Orgelspielerund  Orgelbauer. 


38  Benediktinerorden. 

Von  musikalischen  Schriftstellern  des  zehnten  bis  dr 
zehnten  Jahrhunderts  seien  noch  aus  dem  Orden  des  heilig 
Benedikt  genannt:  Regino  von  Prüm,  Bertio  y;on  Reichen« 
Aurdian  von  Reome,  Ansdm  von  Parma,  Uauard  von  Fulda,  Mi 
quard  von  Eptemach,  Remigius  von  Auxerre,  Stegebert  vom  Gei 
blacehser  Kloster,  Udescalcus,  Abt  von  St.  Ulrich  in  Augsbui 
Adam  von  Fulda,  der  heilige  Bernhard  von  Clairvaux.  Es  i 
nicht  möglich,  die  Namen  aller  Mönche,  die  sich  um  die  Pflej 
der  Kirchenmusik  besonders  verdient  gemacht  haben,  und  der* 
die  Chronisten  rühmlich  gedenken,  hier  anzuführen;  das  mü 
einer  speziellen  Musikgeschichte  des  Benediktinerordens  übe 
lassen  oleiben.  (Vgl.  Studien  und  Mittheilungen  aus  dem  B 
nediktinerorden,  Jahrgänge  1880,  81.  85.) 

Wie  die  geistige  Bildung  vom  zwölften  und  dreizehnte 
Jahrhunderte  an  auch  ausser  den  Klöstern  sich  verbreitete,  fai 
auch  die  Musik  um  so  mehr  Gönner  und  Freunde  in  der  Welt,  ui 
von  da  an-  haben  wir  den  Fortschritt  der  Musik  zu  ihrer  höhere 
Entwickelung  und  Ausbildung  nicht  mehr  in  den  Klöstern  j 
suchen.  Von  nun  an  haben  wir  nicht  mehr  bahnbrechende  M( 
ster  zu  betrachten,  sondern  müssen  ihr  Verdienst  auf  der  en 
ffegengesetzten  Seite  suchen.  Bei  der  raschen  Entwickelung  d 
Musik,  die  natürlich  auch  mit  vielen  Auswüchsen  umgeben  W8 
erhielten  die  Klöster  als  konservatives  Element  die  Kirchenmus 
auf  edler  Bahn  und  bewahrten  sie  vor  weltlicher  Künstelei  ur 
Ausartung;  vermöge  der  Klosterregel,  die  in  ihrem  innerste 
Wesen  dem  Konservatismus  huldiget,  ward  auch  im  Kirchei 
gesange    das  Altehrwürdige   beibehalten   und   meistens   nur  m 

grösster  Umsicht  den  neueren  Werken  die  Aufführung  gestatte 
er  Gregorianische  Choral  blieb  die  einzig  erlaubte  Kirchenmusi 
im  Chor  und  bei  den  Konventgottesdiensten.  Erst  später  far 
figurierte  und  Instrumentalmusik  für  hochfeierliche  Gottesdiensi 
auch  in  den  meisten  Klöstern  Eingang;  immer  stand  aber  de 
Gregorianische  Choral  als  einschränkendes  Element  und  heilsame 
Gegengewicht  zur  Seite.  Hierbei  war  aber  von  den  Kloste 
schulen  die  Kenntnis  der  weltlichen  Musik  nie  ausgeschlossei 
sie  fand  ebenfalls  ihre  treue  Pflege. 

Vom  Jahre  1277  berichtet  der  Chronist  Andreas  von  Re 
gensburg,  dass  der  dortige  Bischof  Mönche  vom  Kloster  Heil 
bronn  (m  Mittelfranken)  berief,  um  den  Figuralgesang  in  seine 
Kirche  einzuführen;  132i7  fing  man  an,  ihn  im  Kloster  St.  Eren 
(Einsiedeln)  in  der  Schweiz,  1413  erst  in  St.  Blasien  im  Schwan 
walde  zu  betreiben.  So  findet  man  den  figurierten  Kirchengesan 
in  den  Klöstern  nur  hin  und  wieder  auftreten.  Allerdings  fan 
die  Kirchenmusik  nicht  in  allen  Klöstern  die  gleiche  lieDevoll 
Pflege,  und  es  fehlte  nicht  an  Ausartungen  und  Missbräuchei 
aber  es  fehlte  auch  nie  an  Männern,  welche  dem  Übel  immc 
wieder  zu  steuern  suchten.  Der  Allgemeinheit  der  Klöster  kan 
das  Verdienst  nicht  abgesprochen  werden,  dass  sie  einen  feste 
Damm  gegen  die  Verwelthchung  der  Kirchenmusik  stets  gebildf 
haben  bis  zum  vorigen  Jahrhunderte,   wo   auch  von  ihnen  ei 

f rosser  Teil  der  mehr  weltlichen  Instrumentalmusik  zu  huldige 
egann.    Von  Klostervorständen ,   welche  im   vorigen  Jahrhur 
derte   mit    Aufbietung    aller    Kraft    eine    heilige    und    würdig 


Besetzung.  39 

Kirchenmusik  wieder  herzustellen  suchten,  sei  der  Abt  Honorat, 
von  Öttobeuren  in  Schwaben,  genannt,  welcher  um  1785  keine 
Kosten  scheute,  um  selbst  aus  der  vatikanische^  Bibliothek  und 
von  anderen  Orten  her  kontrapunktische  Werke  der  besten 
Kirchenkomponisten  anzuschaffen;  und  der  Fürstabt  Gerbert 
zu  St.  Blasien  im  Schwarzwald,  dessen  Verdienste  zu  bekannt 
sind,  als  dass  sie  hier  näher  besprochen  werden  sollten  (s.  Ge  rb  ert). 

Vom  sechzehnten  bis  neunzehnten  Jahrhunderte  mangelte 
es  dem  Benediktinerorden  ebenfalls  nicht  an  grossen  und  bedeu- 
tenden Musikern.    Nur  einige  Namen  sollen  hier  stehen. 

In  Palermo  machte  sich  iia  sechzehnten  Jahrhunderte  Mau- 
rus  Chiaula,  Zögling  des  Klosters  St.  Martin  daselbst,  durch 
ausgezeichnete  Kompositionen  für  Gesang  und  Instrumente  be- 
rühmt. Um  diese  Zeit  galt  Laurentius  Gazius,  Mönch  im 
Kloster  von  St.  Justina  m  Padua,  als  ein  musikalisches  Orakel; 
Engelbert  im  Kloster  St.  Mathias  in  Trier  war  gerühmt  als 
vollendeter  Musiker.  Im  siebzehnten  Jahrhunderte  gab  Johann 
Caramuel  v.  Lobkowitz  ein  „Novum  Musurgiae  specimen"» 
f Venet.  1645),  heraus ;  dem  Benediktinerorden  gehören  B  a  c  c  h  i  n  i , 
Bedos  los  Cellos,  Jumillac  an;  aus  dem  achtzehnten  Jahr- 
hunderte gedenken  wir  des  P.  Meinrad  Spiess  von  Yrsee, 
dessen  Werke  noch  jetzt  geschätzt  sind;  des  P.  Oliv  er  us  Legi- 
pontius  von  Köln;  P.  Anton  Zieggeier  in  Zwiefalten;  Cajetan 
Colberer  in  Andechs;  Königsberger  in  Prüfening  u.  a.  m. 

Um  die  Musikgeschichte  erwarben  sich  Calmet,  Mabil- 
lion,  Petz  zu  MöIk  in  Österreich,  sowie  Phil,  Jos.  Caffiana 
im  Kloster  St.  Germain  in  Paris  durch  sein  Werk:  „Essai  d'une 
histoire  de  la  musique"  (Paris  1777),   und   die  Mau r in  er   Kon- 

frejgation,   welche   in   ihrer  „Histoire  litteraire  de  la  France" 
ie  interessantesten  Notizen  über  die  Musikgeschichte  des  Mittel- 
alters gab,  viele  Verdienste. 

Aus  der  neuesten  Zeit  legte,  anderer  nicht  zu  gedenken, 
P.  Anselm  Seh  üb  ig  er  in  Emsiedeln  ein  gewichtiges  Zeugnis 
dafür  ab,  dass  dem  Benediktinerorden  die  Pflege  der  Musik  noch 
immer  am  Herzen  liege,  sowohl  durch  mehrere  Kompositionen, 
als  auch  besonders  durch  sein  treffliches  Werk:  „Die  Sänger- 
schule St.  Gallen";  ferner  P.  Benedikt  Saute r,  jetzt  Abt  zu. 
Emaus  in  Prag,  durch  sein  bemerkenswertes  Buch:  „Choral  und 
Liturgie*  (Schaffhausen  bei  Hurter  1865);  Dom  Jos.  Pothier, 
der  eifrigste  Restaurator  des  Choralgesanges  in  Frankreich,  mit 
seinem  vortrefflichen  Werke:  „Les  melodies  gregoriennes** ; 
P.  Ambrosius  Kienle  in  Emaus,  welcher  das  vorige  Werk  ins 
Deutsche  übersetzte  und  ein  treffliches  Chorallehrbuch  schrieb. 
In  den  Klöstern  ist  auch  jetzt  noch  meist  die  beständige  Übung 
und  Anwendung  des  Gregorianischen  Gesanges  oder  des  Chorales 
zu  suchen. 

Besetzung  heisst  überhaupt  die  Bestellung  von  Sängern 
l  Instrumentisten  behufs  des  Zusammenwirkens  bei  einer 
sikalischen  Aufführung.  Daher  sagt  man  z.  B.,  ein  Kirchen- 
)r  sei  gut  besetzt,  wenn  er  tüchtige  Musiker  in  sich  begreift,  — 
sei  stark  besetzt,  wenn  die  Anzäil  der  Musiker  eine  ansehn- 
le  ist.  Im  Besonderen  bezeichnet  man  damit  die  Art  und 
nse,  wie  die  Masse  der  Exekutierenden  in  Gruppen  gesondert 


40  Bewegung. 

wird  und  wie  diese  Gruppen  in  ein  richtiges  Verhältnis  zu  ein- 
ander gesetzt   werden.    Eine  gute  und  gutgewählte  Besetzung 
aller  einzelnen,   zur  Aufführung  eines  Tonsttiokes  notwendigen 
Stimmen  ist   ^ine  Sache  von  der  grössten  Wichtigkeit,  nament- 
lich die  Besetzung  der  Stelle  des  Dirigenten,  dem  die  Verteilung- 
der  Exekutierenden  zu  den  einzelnen  Stimmen  obliegt.   Die  Wir- 
kung eines  Tonstückes   hängt  fast  ganz  von  der  Besetzung  der 
Stimmen  ab.    Hierbei  sind  mancherlei  Umstände  in  Betracht  zu 
ziehen:   der  Ort  der  Auffühining,   der  Charakter  des  Tonsttiokes 
und   die  gi'össere   oder  geringere  Bedeutung  der  einzelnen  Stim- 
men.   Für   ein  grosses  Lokal  oder   für  einen  Platz   unter  freiem 
Himmel  sind  mehr  Sänger  und  Musiker  notwendig,  während  eine 
grosse  Anzahl  derselben  in  einem  beschränktei'en  Kaume  schlecht 
angebracht   sein   würde.     Ein  g^rosses   Tonstüek   erfordert    eine 
grössere  Anzahl  Exekutanten;  ein  einfaches,  von  sanfterem  Cha- 
rakter, würde   durch  viele  Sänger   und  Musiker  erdrückt.    Die 
Stimmen  ferner,   welche  die  Melodie  tragen  oder  auch  der  Bass. 
dessen  Wichtigkeit   als  Fundamentalstimme  gross  ist,   müssen 
mehr  „hervortreten   und   dürfen   nicht   durch   starkes  Auftreten 
oder  Übeiiiönen  der  Mittel-  oder  Begleitungsstimmen  beeinträch- 
tiget werden;  ebenso  müssen  die  Instrumente,  besonders  die  lär- 
menden, bei  V  ereinigung  mit  Singstimmen  in  gehöriger  Mässigung 
erhalten  werden.  -^Besetzung  nennt  man  auch   die  Ausstat- 
tung eines  Tonstückes  bezüglich  der  Anzahl  der  Instrumente,  — 
kleine  Besetzung,  kleines  Orchester,  bestehend  aus  dem  Streich- 
quartett,  Clarinette,   Flöte,   Hörner,   etwa  noch  Trompeten;  — 
grosse  Besetzung,  —  grosses  Orchester,   wo  zu  den  genannten 
Instrumenten  noch  Oboen,  Fagott,   alles  doppelt,  noch  ein  paar 
Hörner  nebst  Pauken  u.  dgl.  kommen. 

Bei  einem  Singchor  muss  eine  fast  gleiche  Besetzung  für 
alle  Stimmen  stattfinden,  namentlich  darf  der  Sopran  nicht  un- 
gebührlich besetzt  sein,  da  er  als  Melodieträger  ohnehin  schon 
hervortritt,  eher  darf  die  Zahl  der  Basssänger  erhöht  werden, 
indem  die  tiefen  Bässe  seltener  sind  und  sie  durch  die  grössere 
Anzahl  in  etwas  ersetzt  werden  müssen.  —  Die  Kirchenohöre 
leiden  meistens  an  dem  Fehler  ungehöriger  Besetzung,  woran 
oft  Umstände  schuld  sind,  die  zu  entfernen  den  Direktoren  nicht 
möglich  ist;  oft  ist  es  aber  Unverständnis,  oft  Eitelkeit,  grössere 
Werke  aufzuführen,  wozu  die  Kräfte  des  Chores  eben  nicht  hin- 
reichen. Ein  Mann,  welcher  seine  Stellung  als  kirchlicher 
Musikdirektor  begreift;  wird  nicht  dahin  trachten,  Werke  auf- 
zuführen, welche  über  die  Kräfte  seines  Chores  gehen,  sondern 
das,  was  er  gut  besetzen  kann,  wählen  und  es  so  exekutieren, 
dass  die  Erbauung  gefördert  werde. 

Bewegung  ist  in  der  Musik  überhaupt  das  Aufeinander- 
folgenlassen der  Töne  in  einem  bestimmten  Grade  der  Langsam- 
keit oder  Geschwindigkeit,  welche  Bewegimg  T e mp o,  Zeitmass 
genannt  wird.  (Ihre  verschiedenen  Arten  und  Bezeichnungsweisen 
s.  Tempo.)  Im  besondern  aber  bezeichnet  man  damit  das 
Fortschreiten  eines  Tones  zum  anderen  in  die  Höhe  oder  Tiefe  - 
die  melodische  Bewegung;  —  sie  ist  entweder  steigend  oder 
fallend,  je  nachdem  das  Fortschreiten  der  Töne  zu  höheren 
oder  tieferen  Tönen   stattfindet;   stufenweise   oder   sprung- 


Bezifferung  —  Bezug. 


41 


weise,  je  nachdem  die  Melodie  von  einer  Tongtufe  zur  nächst- 
höheren sich  bewegt  oder  mehrere  Stufen  überspringt,  z.  B.  zur 
Terz  oder  Quint.  Die  stufenweise  Bewegung  ist  entweder  dia- 
tonisch, wenn  sie  durch  ganze  oder  grosse  halbe  Töne,  o,  d, 
«,  f  ♦  .  .,  chromatisch,  wenn  sie  nur  durch  kleine  und'grosse 
halbe  Töne,  c,  eis,  d,  dis  .  .  .  eeführt  wird: 

Bezüglich  der  Rhythmik  Kann  das' Fortschreiten  durch  Töne 
von  gleicher  Greltung —  gleichartige  B.,  oder  durch  Töne  von 
verschiedener  Geltung  —  ungleichartige  B.,  geschehen. 

Wenn  mehrere  Stimmen  gleichzeitig  nebeneinander  gehen,, 
so  muss  ihre  gegenseitige  Bewegung  auch  in  Betracht  gezogen 
werden,  abgesehen  von  der  jeder  einzelnen  Stimme  zukommen- 
den melodischen  Bewegung,  —  man  nennt  diese  dann  die  har- 
monische Bewegung.  Sie  ist  mehrfach:  1)  eine  gleiche,  wenn 
alle  Stimmen  bezüglich  des  Notenwertes  gleich  sind  (s.  unten 
Beispiel  a);  —  2)  ungleich,  wenn  die  beiderseitige  Bewegung 
in  Bezug  auf  den  Noten  wert  verschieden  ist  (b),  oder  rhyth- 
mische Rückungen,  Synkopen  vorkommen  (c);  —  3)  gerade 
(motus  rectus),  Parailelbewegung,  wenn  zwei  (oder  drei) 
Stimmen  zugleich  aufwärts  oder  abwärts  steigen  (d);  4)  unjje- 
rade  (motus  conti'arius),  Gegenbewegung,  wenn  die  eine 
steigt,  während  die  andere  föUt  (e);  5)  Seitenbewegung  (mo- 
tus obliquus),  wenn  die  eine  liegen  bleibt,  während  die  andere 
steigend  oder  fallend  foi-tschreitet  (f).    Beispiele: 


I  "T    T     r  r 


^ 


j-j. 


I 


f 


y.^ 


W 


BesUfernng,  s.  Generalbass. 

Besag  —  Besaitung  —  die  Gesamtheit  aller  Saiten,  init 
^"'')her  ein  Instrument  bespannt  ist,  seien  es  Darm-  oder  Metalir 
m.  Man  redet  von  einem  starken  und  schwachen  Bezug, 
achdem  die  dazu  verwendeten  Saiten  stärker  oder  schwächer 
.  Richtig  oder  falsch  ist  der  Bezug,  insofern  die  Saiten 
msehtmg  ihrer  Stärke  und  Art  in  richtigem  Verhältnisse  zu 
nder  und  überhaupt  zur  ganzen  Konstruktion  —  Bau,  Grösse 

besondere  Beschaffenheit  des  Instrumentes   gewählt   sind 

nicht.    An  der  Richtigkeit  des  Bezuges  liegt  sehr  viel,   sie 


42  Bicinium  —  Bogen. 

ist  von  wesentlichem  Einflüsse  und  bedingt  die  Starke,  Schön- 
heit und  Gleichheit  des  Tones  eines  Instrumentes.  Neben  diesem 
allem  muss  auch  die  Qualität  der  Saiten  beachtet  werden,  da  die- 
Güte  des  Tones  ebensowohl  von  der  geringeren  oder  besseren 
Beschaffenheit  des  Materials  abhängt,  aus  welcher  die  Saiten 
fabriziert  sind.  Man  beziehe  darum  seine  Saiten  nur  von  guten 
und  zuverlässigen  Fabrikanten. 

Um  eine  richtige,  in  gehörigem  Verhältnisse  zu  einander 
stehende  Besaitung  zu  ermöglichen,  hat  man  eigene  Instrumente 
erfunden,  Chordometer  (Saitenmesser)  genannt.  Diese  bestehen 
aus  zwei  viereckigen  Stückchen  Eisen  oder  Messing  von  6 — 8  Zoll 
Länge,  die  an  einem  Ende  derart  zusammengeschraubt  sind,  dass 
sie  am  anderen  Ende  etwa  drei  bis  vier  oder  mehr  Linien  von- 
einander abstehen  und  zwischen  ihnen  ein  nach  der  Schraube 
hin  spitzig  zulaufender  leerer  Raum  entsteht;  an  beiden  Seiten 
ist  das-  Instrument  in  Grade  abgeteilt,  damit  man  beobachten 
kann,  wie  weit  sich  das  in  die  uffnung  gesteckte  Ende  der  Saite^ 
deren  Stärke  man  messen  will,  ohne  ^wang  nach  der  Schraube 
zu  schieben  lässt.  Einen  durch  Versuche  auf  seine  Richtigkeit- 
erprobten Bezug,  z.  B.  einer  Violine,  misst  man  mit  diesem 
Chordometer  und  zeichnet  sich  die  Stärke  oder  Dicke  jeder  Saite 
auf,  wonach  man  dann  die  später  aufzuziehenden  Saiten  be- 
messen kann. 

Bicininm  (bis,  canere),  ein  zweistimmiges  Tonstück;  jetzt- 
gebraucht man  den  Ausdruck  Duo  oder  Duett  dafür. 

Bis  (lat.)y  zweimal,  wurde  früher  häufig  angewendet,  wenn 
eine  oder  mehrere  Takte  wiederholt  werden  sollten  (s.  Abbre- 
viatur). 

Biscantns,'  soviel  wie  Discantus  (s.  d.). 

Bisnnca  (lat.),  zweimal  gekrümmt,  alter  Name  für  Sech- 
zehntelnote. 

Blasinstrumente,  s.  Instrumente. 

Blind  nennt  man  in  der  Orgel  Tasten,  Pfeifen,  Register- 
züge u.  dgl.,  die  nur  fürs  Auge  dastehen,  entweder  um  Lücken 
auszufüllen  oder  zur  Zierde. 

Bobisation,  s.  Solfeggio. 

Bogen  als  Zeichen  —  ^^  in  der  Notenschrift  bedeutet^ 
dass  die  Notenreihe,  über  oder  unter  welcher  dieses  Zeichen  an- 
gebracht ist,  aneinandergebunden,  geschleift  vorgetragen  werden 
soll.  Ist  der  Bogen  über  zwei  Noten  auf  gleicher  Tonstufe  an- 
gebracht, so  verlangt  er,  dass  die  zweite  Note  nicht  wieder 
angegeben  werde.  —  Bogen  als  Instrument  bedeutet  dasjenige 
Werkzeug,  mit  dem  die  Saiten  der  Geigeninstrumente  gestrichen 
und  zum  Tönen  gebracht  werden.  Ein  guter  Bogen  muss  sauber 
aus  sehr  hartem  und  elastischem  Holze  (Brasilien-  oder  Sohlangen- 
holz)  gearbeitet  sein ,  damit  .  dem  Drucke  des  Haai'bezuges  auf 
die  Saiten  genu^  widerstanden  werden  könne  und  der  Stab 
sich  nicht  zugleich  mit  den  Haaren  auf  die  Saiten  lege.  Der 
Stab  darf  nicnt  von  der  Richtung  einer  geraden  Linie  abwei- 
chen, und  der  Haarbezug  soll  nicht  zu  schwach,  doch  auch  nichti 
zu  stark  sein.  —  Bogen  heissen  auch  die  gekrümmten  Rohre,, 
die  bei  Blechinstrumenten  aufgesetzt  (aufgesteckt)  werden,  um 
die  Stimmung  zu  verändern. 


Bogenstrich  —  Buchstabentonschrift.  4^ 

Bogenstrich,  =  Ftihrnng  ist  die  Art  und  Weise^  wie  der 
Bogen  über  die  Saiten  der  Geigeninstrumente  geführt  wird,  und 
wie  die  Töne  nach  Massgabe  der  Stärke  und  Schwäche,  Länge 
und  Kürze,  der  Zeitdauer,  Beschaffenheit  der  auszuführenden 
Tonreihen  und  Tonfonnen  (Passagen)  u.  dgl.  den  Ihstru- 
menten  entlockt  werden.  Die  Bogenftihrung,  der  Bogenstrich 
ist  der  wichtigste  Teil  bfeim  Spiele  eines  Geigeninstrumentes^ 
indem  davon  die  Schönheit  des  Klanges  und  die  Nuancen  des. 
Vortrages  abhängen.  Sie  zerfällt  in  drei  Arten:  in  die  gestos- 
sene,  gezogene  und  geschleifte.  Diese,  verschieden  modi- 
fiziert, geben  die  Strien  arten,  von  denen  das  Nähere  in  den 
Lehrbüchern  des  Violinspieles  einzusehen  ist.  Hin  auf  st  rieh 
oder  Aufstrich  sagt  man,  wenn  der  Bogen  von  der  Spitze 
nach  dem  Frosche  oder  dem  unteren  Teile  desselben  genihrt 
wird.  Herabstrich  oder  Herunterstrich,  wenn  das  Umge- 
kehrte stattfindet.  Im  Französischen  heisst  der  Aufstrich  poussö^ 
der  Herabstrich  tir6;  einige  Kompositeure  bedienen  sich  auch 
der  Zeichen  |*"i  U  ,  um  den  besonderen  Bogenstrich  zu  be- 
zeichnen. 

Bordnn  oder  Bonrdon,  ein  sechzehn-  und  achtfüssiges,. 
weites,  gedecktes  Holzregister  für  das  Manual  der  Orgel,  mit 
hohem  Aufschnitt,  wegen  der  Tonfülle  unentbehrlich. 

ßrevis,  s.  Noten,  Mensuralmusik,  Choral. 

Brio  (ital.),  Lebhaftigkeit,  Feuer;  con  hno,  mit  Lebhaftig-. 
keit,  mit  Feuer. 

Brustwerk  in  der  Orgel  ist  das  in  der  Regel  zum  zweiten 
oder  dritten  Manual  gehörige,  in  der  Mitte  der  Orgel  aufgestellte 
Pfeifen  werk;  es  ist  regelmässig  schwächer  intoniert  als  das. 
Hauptwerk,  welches  gewöhnlich  auch  mehr  und  kräftigere  Re- 
gister enthält. 

Buchstabentonschrift  ist  die  Anwendung  der  Buchstaben 
zur  Bezeichnung  der  Töne.  Sie  steigt  ins  hohe  Altertum  hinauf: 
schon  die  alten  Griechen  hatten  ihr  Alphabet  zu  Vokal-  und 
Instrumentalnoten  benützt.  Im  römischen  Reiche,  das  seine 
Kunstbildung  hauptsächlich  aus  Griechenland  überkommen  hatte^ 
waren  wie  die.  griechische  Musiklehre  so  auch  die  griechischen 
Tonzeichen  in  Übung.  Wann  man  statt  der  griechischen  Buch- 
staben der  lateinischen  sich  bediente,  ist  unbekannt;  Boethius. 
(t  525)  gebraucht  solche  neben  den  griechischen  Zeichen,  aber 
er  beginnt  das  altgriechische  System  (H  C  D  E  . . .)  mit  ABC... 
und  setzt  das  Alphabet  bis  r  fort,  so  dass  A  =  unserem  H,. 
B  C  .  .  .  .  ist.  vom  zehnten  Jahrhunderte  an  bedienen  sich 
die  musikalischen  Traktate  in  gleicher  Weise  der  lateinischen 
Buchstaben  zur  Tonbezeichnung,  doch  mit  der  nämlichen  Be- 
deutung, welche  sie  bei  uns  haben,  Proslambanomenos  A,  Hypate 

oaton  B und  zwar  fortlaufend  bis  P.    Doch  zu  Ende 

ses  Jahrhunderts  vereinfachte  man  die  Tonbezeichnung,  indem 
n  die  untere  Oktav  mit  gi-ossen  (A — G),  die  obere  Oktav  mit 
nen  Buchstaben  (a— g)?  die  damber  hinausliegenden  Töne 
I  kleinen  griechischen  Buchstaben  (so  Odo)  notierte.  Ein  um 
se  Zeit  unter  A  hinzugefügter  Ton  wurde  mit  griechischem 
rnma  r  bezeichnet,  die  Töne  oberhalb  g  aber  notierte  schon 
do  mit  Doppelbuchstaben,   so  dass   die  ganze  Tonreihe  sich 


44  C  —  Cäcilienveiein. 

also  gestaltete;  r  A  B  C  D  E  F  G  a/"^  o  d  e  f  g  ^  ^  ^  ^. 

Daneben  ging  eine  eigene  Notation  für  die  Instrumente, 
welche  bei  unserem  C  die  Reihe  beginnend,  von  A  anfing,  so 
dass.  A  =  unserem  C,  B  =  D  .  .  .  w  war  und  der  Halbton  zwi- 
schen C— D  und  G— A  fiel  (Notker,  Hucbald). 

Die  vorher  genannte  Tonbedeutung  der  Buchstaben  ver- 
blieb ihnen  nun  bis  auf  den  heutigen  Tag,  nur  mit  dem  Unter- 
schiede, dass  das  ursprüngliche  B,  b  dem  Buchstaben  H,  h  Platz 
femacht  hat  und  das  b  als  ^  zum  Erniedrigungszeichen  gewor- 
en  ist,  femer,  dass  die  Oktaven  nicht  melir  durch  grosse  und 
kleine  Buchstaben  allein  unterschieden  werden,  sondern  dass; 
bei  dem  erweiterten  Tonsystem  die  Oktaven  noch  dm*ch  ZiflFern 
und  Strichlein  gekennzeichnet  werden,  also ;  grosse  Kontraoktav 

C^  D'^ H-,   Kontraoktav:    C  Di  E^  .  .  .  .;   grosse   Oktav 

C  D  E  .  .  .  .;   kleine  Oktav:   c  d  e  .  .  .  .,  eingestrichene  Oktav 

c  d  e  .  .  .  .  h;  zweigestrichene  Oktav:  ed....  h^^drei-  und  vier- 

gestrichene  Oktav:  c....,c....  —  Auch  zur  Accordbezeioh- 
nung  werden  seit  Anfang  dieses  Jahrhunderts  die  Buchstaben 
benützt  (seit  Gottf.  Weber),  indem  man  mit  grossen  Buchstaben 
dur-Dreiklänge  (Ö  =  cdur-Accord),  mit  kleinen  Buchstaben  moll- 
Accorde  (a  =  a  moll-Accord)  bezeichnen  wUl;  eine  kleine  Null, 
oben  angefügt,  soll  den  verminderten  Dreiklang,  die  beigesetzte 
Zahl  7  emen  Septimenaccord  bedeuten.  Neuere  Tonlehrer  ver- 
wenden die  Bucnstaben  wieder  in  anderer  Weise. 


C. 

{Artikel,  welche  unter  C  vermisst  werden,  sind  unter  K  zu  suchen.) 

C  ist  der  Name  des  ersten  Tones  in  der  natürlichen  und 
diatonischen  Tonreihe  des  neueren  Tonsystems;  er  wird  als 
Grundklang  betrachtet,  von  ihm  aus  werden  die  mathematischen 
,  Verhältnisse  der  Intervalle  berechnet.  In  der  alten  Solmisation 
und  noch  jetzt  bei  den  Franzosen  heisst  er  ut,  bei  den  ItaUenern 
wird  er  do  genannt.  —  C  am  Anfange  des  Linienöystems  nach 
der  Vorzeichnung  gesetzt,  dient  als  Zeichen  des  Viervierteltaktes, 

und  durchstrichen  ^  als  Zeichen  des  Allabrevetaktes. 

Cäcilienverein.  Dieser  Verein  zur  Hebung  der  katholi- 
schen Kirchenmusik  ward  veranlasst  durch  die  Bemühungen  des 
verstorbenen  Generalpräses  Dr.  Franz  Witt,  damals  Inspektor 
des  k^l.  Studienseminars  bei  St.  Emmeram  in  Regensburg,  und 
konstituirte  sich  als  solcher  am  1.  September  18to  bei  Gelegen- 
heit der  neunzehnten  Generalversammlung  der  katholischen 
Vereine  Deutschlands  in  Bamberg.  Er  breitete  sich  schnell  aus. 
Durch  Dekret  vom  16.  Dezember  1870  von  Papst  Pius  IX.  er- 
hielt er  kirclüiche  Sanktion.  Darin  heisst  es:  „Allgemeine 
Statuten   des  St.  Cäcilienvereines   zur  Förderung  der 


()Sß«r  —  Cantabile.  45 

Kirchenmnißik  in  allen  Ländern  deutsclier  Zunge. 
I.  Der  Verein  erfreut  sich  des  Protektorates  Sr.  Eminehz  des 
Kardinals,  welchen  der  Heilige  Vater  gnädigst  ernennt,  und  der 
Aufsicht  des  Ordinarius  derjenigen  Diöcesen^  in  welchen  sich 
Vereinsmitglieder  befinden.  Die  Vereinsangelegenheiten  leitet 
ein  Generalpräses,  dem  die  Präsides  der  einzelnen  Diöoesen  zur 
Seite  stehen.  Der  Generalpräses  wird  gemäss  eines  speziellen 
Wahlstatutes  und  mit  vorhergehender  Zustimmung  Sr.  Eminenz 
des  Kardinalprotektors  bestmit.  Ferner  wählen  die  Mitglieder 
acht  Männer  von  erprobten  Kenntnissen  in  der  Tonkunst,  welche 
die  Kompositionen,  die  der  Aufführung  in  den  Tempeln  des  Herrn 
würdig  sind,  prüfen;  ihre  2^hl  kann  bis  zwanzig  vermehrt  wer- 
den. —  IL  Damit  der  Zweck  des  Vereines ,  die  liturgische  und 
kirchliche  Musik  nach  dem  Geiste  der  Kirche  und  den  genauest 
einzuhaltenden  Gesetzen  zu  fördern,  erreicht  werde,  wird  sich 
der  Verein  angelegen  sein  lassen:  d|iss  1)  der  Gregorianische 
Gesang  oder  Choral  überall  gepflegt,  und  der  figurierte,  polyphone 
Gesang,  soweit  er  den  kirchlichen  Gesetzen  entspricht,  verbreitert 
werde,  mögen  nun  die  Kompositionen  der  älteren  oder  neueren 
Zeit  angehören;  2)  die  heiligen  Gesänge,  welche  das  Volk  bei 
gewissen  Andachten  zu  singen  pflegt,  werden  so  weit  geduldet, 
als  es  die  kanonischen  Gesetze  gestatten;  3)  die  kirchlichen  Ge- 
setze in  betreff  des  Gebrauches  der  Orgel  und  der  übrigen  zu- 
lässigen Instrumente  werden  genau  beobachtet  werden;  4)  wofern 
in  gewissen  Kirchen,  besonders  in  den  kleineren  und  Land- 
kircnen,  nicht  sogleich  diese  Bestimmungen  durchgeführt  werden 
können,  ist  wenigstens  dahin  kräftigst  zu  wirken,  dass  die  li- 
turgische Musik  allmählich  auf  einen  besseren  Stand  zurück- 
geführt werde.  —  III.  Der  Generalpräses  wird  Sr.  Eminenz 
dem  Kardinalprotektor  jährlich  Bericht  erstatten  über  das  Wir- 
ken und  die  Fortschritte  des  Vereines,  imd  in  ähnlicher  Weise 
die  Diöcesanpräsides  dem  hochwürdigsten  Ordinarius."  — 

Der  Cäcilienverein  wirkte  ungemein  wohlthätig  auf  die 
Verbesserung  der  Kirchenmusik  und  hat  seit  seinem  Bestehen 
Grossartiges  geleistet,  namentlich  durch  die  Verbreitung  der 
Grundsätze  einer  wahren  Kirchenmusik.  Gegenwärtig  hat  er 
sich  nicht  bloss  in  Deutschland,  Osterreich  und  in  der  Schweiz 
allenthalben  Bahn  gebrochen,  sondern  hat  auch  in  Amerika  grosse 
Verbreitung  gewonnen.  Auch  andere  Länder  besitzen  einige 
solcher  Vereine,  und  wenn  auch  nicht  überall  Bezirks-  und 
Pfari-vereine  gegründet  werden  können,  so  haben  doch  die  Grund- 
sätze des  CäcÜienvereines  schon  in  allen  Weltteüen  Beachtung 
gefunden. 

ۊsar  (caesura),  Einschnitt,   ist   in   der  Musik  der  Punkt, 

wo    innerhalb    einer    grösseren    Periode   eine   melodische    oder 

rhvthmische  Phrase  von  der  anderen  sich  scheidet.    Sie  geschieht 

1  dui'ch  kurze  Pausen,  bald  durch  eine  mittelst  eines  Punktes 

längerte  Note,   bald  durch  Gleichartigkeit  der  Formuherung 

je  zwei  und  zwei  Takten. 

Cambiata  nota  (ital.)  =  Wechselnote  (s.  d). 

Campana  (lat.),  s.  Glocke. 

Cantabile,  sangbar,  bezeichnet  im  allgemeinen  eine  Stelle, 
Iche    sich    vor    anderen    figurierten    Sätzen   durch    fassliche, 


46  Oantatorium  —  Cautu3  planus. 

leichte  und  fliessende  Melodie  auszeichnet;   es  deutet   auch 
eine   mehr   langsame   als   schnelle  Bewegung   und  fordert  eil 
fliessenden,  zar&ingenden  Vortrag. 

Cantatoritim ,  das  Gesangbuch,  in  welchem  alle  kh* 
liehen  Gesänge  sowohl  des  Antiphonariums  als  des  Gradu 
enthalten  sind. 

Canticum  (lat.,  franz.  Cantique)  wird  ein  Lobgesang, 
Hymnus  genannt.  In  dem  kirchlichen  Offizium  sind  die  d 
vorzüglichsten  das  Canticum  Zachariae,  der  Lobgesang  \ 
Zacharias:  „Benedictus  Dominus  Dens  Israel"  (Luk.  1,  68),  v^ 
«her  in  den  Landes  des  Tagesoffiziums  und  bei  dem  Begräbnii 
Erwachsener  gesungen  wird;  das  Canticum  Mariae  V.  „Mi 
nificat**  (Luk.  1,  46),  das  in  ieder  Vesper  seine  Stelle  hat,  u 
das  Canticum  Simeonis  „Isunc  dimittis"  (Luk.  2,29)  im  Co 
pletorium  und  bei  der  feierlichen  Kerzenweihe,  resp.  Kerz< 
Verteilung  am  Feste  Maria  Lichtmess.  Die  ersten  zwei  L( 
ffesänge  haben  das  Eigenttimliche,  dass  sie  im  Offizium  in  feierli 
langsamen  Tone  und  jeder  Vers  mit  dem  Initium  des  Psal 
tones  vorgetragen  wird. 

Cantilena  (lat.),  Kantilene.  ein  liederartiges  kleines  T( 
stück  für  Gesang;  dann  auch  ein  besonders  gesangreichi  hervi 
tretender  Teü  eines  Tonstückes,  überhaupt  Melodie  (Gerbe 
Script,  I.  35.  107),  vgl.  Cantabile. 

Cantiones  (sacrae),  geistliche  Gesänge,  Motetten  und  s 
dere  für  den  Gottesdienst  gehörige  Gesänge. 

Canto  (ital.)  oder  Cantus  (lat.),  eigentlich:  Gesang,  bezeic 
net  als  Kunst ausdruck  die  sonst  Diskant  oder  Sopran  benanii 
Stimme,  welche  als  die  höchste  Stimme  bei  mehrstimmigem  G 
sänge  zumeist  die  Melodie  führt. 

Canto  fratto  (ital.  ein  gebrochener  Gesang),  ein  Mitteldii 
zwischen  Cantus  planus  und  Cantus  figuratus,  einstimmig  ^ 
der  Choral,  aber  in  Mensur  gebracht;  er  bedient  sich  jedocn  n 
des  Tempus  imperfectum  und  benützt  keine  höherwertigen  Not' 
als  die  brevis,  wohl  aber  alle  kleineren  Noten  bis  zu  Semicroii 
{Sechzehntelnote).  Er  war  im  siebzehnten  Jahrhunderte  sch< 
bekamst  (vergl.  Andrea  di  Modona,  Canto  harmonico,  Modoi 
1690)  und  scheint  seinen  Ursprung  dem  unbefriedigenden,  ei 
förmigen  Eindrucke  zu  verdanken,  welchen  der  Gesang  d 
Chorals,  den  man,  fast  seit  dem  Emporkommen  der  Mensun 
musik,  in  gleichlangen  Noten  vortragen  zu  müssen  glaubt 
hervorrief. 

Cantus  ambro sianns ,  die  Singweise  und  die  Gesäug 
welche  der  heilige  Ambrosius,  Erzbischof  in  Mailand,  in  seiui 
Kirche  einführte. 

Cantus  flgnralis  oder  flgnratus       Figuralgesang  (s.  d.). 

Cantns  flrrans  (ital.  canto  fermo),  ein  an  eine  gewisse  Nor] 
gebundener,  ein  unveränderlicher  Gesang,  wie  es  der  (jregorianiscl 
Gesang  ist;  dann  auch  eine  einfache  Melodie  überhaupt,  zu  we 
eher  nach  den  Regeln  des  Kontrapunktes  eine  oder  mehrei 
Stimmen  gesetzt  werden. 

Cantns  planus  (franz.  plain^chant) ,  ist  soviel  wie  Chor a 
der  Gegensatz  zu  Cantus  figuratus;  er  erhielt  diesen  Namen  zi 
Zeit,  als  die  Mensuralmusik  entstand,   weil   er   einfach  und  fn 


Cantus  usualis  —  Charakteristisdr.  47 

^ahinschritt,  ohne  in  ein  Zeitmass  eingeschränkt  zu  sein.  Franko 
iron  Köln  sa^:  „In  plana 'musiea  non  attenditur  inensura.^  So 
fasst  auch  Garlancto  cmtus  planus  als  Gegensatz  zu  oantus 
mensurabilis  auf. 

Später  wendete  man  für  den  Choraigesang  auch  gewisser- 
massen  eme  Art  Mensur  an,  indem  man  jede  Note  desselben 
fßmch  lang  vortrug.  Schon  im  dreizehnten  Jahrhunderte  be^ 
ofoachteten  die  französischen  Sänger,  nach  dem  Zeugnisse  des 
Hieronymus  von  Mähren,  bestin^mte  Regeln  bezüglich  der  Länge 
oder  Kürze  der  Noten  bei  den  Ligaturen,  Andrea  di  Modona 
<zu  Ende  des  siebzehnten  Jahrhunderts)  stellt  kurzweg  die  Vor- 
schrift auf:   Alle  Noten   sind  gleichwertig;   lang  nur  die  erste, 

vorletzte  und  letzte  Note;  auch  «die  als  longae  "  vorgeschriebenen 

und  die  gedoppelte  Note;  kommt  eine  Semibrevis  4  auf  kurzen 
Silben  vor,  so  ist  die  vorhergehende  Note  um  den  Wert  einer 
Semibrevis  zu  verlängern;  kommen  mehrere  Semibreves  in  un- 
mittelbarer Folge  nacheinander,  so  sind  sie  als  breves  anzusehen. 
Auch  von  den  notis  öbUquis  |^  sei  Anfang  und  Ende  cön  mi- 
sura,  als  gleichwertige  breves  zu  singen. 

Cantus  usualis,  s.  Usus. 

Cauda  (lat.),  Schweif,  Anhängsel,   hiess  bei  den  Mensura- 
listen  der  Strich,   mit  welchem  die  Brevis  (m)  rechts  oder  links, 
mit    der  Richtung  nach  oben  oder  nach  unten  versehen  wurde  ; 
und  wonach  der  Weiii  der  Note  sich  änderte  (s.  Proprietas  und 
Mensuralmusik).    Auch  die  Jubilen  (s.  d.),  die  melodischen  Zu- 
sätze und  Formeln,  Neumen,  pneumata,  welche  bei  den  Choral- 
fesängen  oft  auf  die   letzte   Sübe   oder   als  Anhängsel   an   die 
Antiphonen  gesungen  wurden,  Messen  so  (GoussemaKer ,   Script. 
n.  m,  Gerb.  Script.  UL  229,  Gerb,  de  Cantu  I.  506,  IL  184). 
C.  f.,  Abkürzung  für  Cantus  firmus. 
Cello,  abgekürzt  für  Violoncello  (ital.). 
Cembalo  (ital.),  soviel  als  Klavier. 

Cento  (lat.),  ursprünglich  ein  Flickwerk,  eine  Sammlung; 
daher  heisst  das  Antipnonarium  des  heiligen  Gregor  L  auch  cento 
antiphonarius ,  weil  er  in  diesem  Buche  alle  Choralgesänge  tiir 
die  neüige  Messe  gesammelt  und  zusammengestellt  hatte. 

Chanterelle  nennen  die  Franzosen  die  höchste  Saite  auf 
der  Violine  (die  E-Saite  oder  Quint)  und  überhaupt  auf  den  mit 
Darmsaiten  bezogenen  Instrumenten. 

Charakter  (vom  griech.  xn(*d6(!eiv  —  schärfen,  spitz  maclien, 
dann  einschneiden,  einprägen)  ist  der  Inbegriff  der  eigentümlichen 
Merkmale  und  Eigenschaften  eines  Dinges  oder   einer   Person, 
oder  das  Gepräjs^.,  wodurch   ein  Ding  oder  eine  Person  von  an- 
deren unterschieden  ist.    Ein  Kunstwerk   hat  Charakter  oder  ist 
charakteristisch,  wenn  der  Künstler  ihm  durch  eine  kräftige  Dar- 
Uung  des  Grundgedankens  ein  eigentümliches  Gepräge  gegeben, 
sen  Grrundgedanken  durch  entsprechende  Mittel  zum  Ausdruck 
>racht  hat.    Bei   einem  musikalischen  Kunstwerke   geschieht 
i  durch  die  passenden  Tonformen,    durch  die  Harmonie   imd 
i  Rhythmus,  sowie  dm'ch  die  entsprechendsten  Tonwerkzeuge. 
Charakteristisch  ist  alles,  was  durch  bestimmte  Merkmale 
1  von  anderen  Gegenständen  unterscheidet.   Man  redet  darum 


48  Ohiavotte  —  Chor. 

in  der  Musik  von  charakteristischen  Tonen,  welche  dei 
nach  die  einzigen  sind;  durch  welche  eine  Tonart  von  der  ander« 
'Sich  unterscheidet;  so  z.  B.  sind  in  D-dur  gegenüber  der  Tona 
C-dur  das  Fis  und  Cis  die  charakteristischen  Töne;  beztl^li< 
der  alten  Tonaiiien  vgl.  Kirchentonarten. 

Fragt  es  sich  um  die  Charakteristik  der  verschieden« 
(neueren)  Tonarten,  so  findet  sich  eine  eigentümliche  Ve 
schiedenheit  zwischen  Dur  und  Moll,  indem  ersteres  heiter  m 
freundlich  klingt,  letzteres  mehr  trüb  und  düster  erscheint.  W 
man  einen  Unterschied  zwischen  den  einzelnen  Tonarten  derB< 
ben  Gattung,  z.  B.  der  Tonart  C-dur  und  A-dur,  finden,  so  liej 
er  nicht  in  inneren  (ästhetischen)  Gründen,  sondern  bloss 
äusseren  (technischen)  oder  akustischen,  indem  etwa  bei  Geige: 
Instrumenten  die  Tonsätze  in  den  Tonarten,  wo  viele  bedecKi 
Töne  vorkommen,  weniger  hell  klingen  als  solche,  bei  denc 
man  mehr  offene  Saiten  anwenden  kann.  Auch  mag  die  höhei 
Lage  der  Töne  die  Melodie  oder  Harmonie  dünner  und  einschne 
dender  klingend  gestalten,  aber  das  Wesen,  der  Charakter  wii 
dadurch  eigentlich  nicht  berührt,  obwohl  auch  nicht  geleugn« 
wird,  dass  all  dies  als  sekundäres  Mittel  in  Anwendung  komme 
kann.  Eine  Melodie,  welche  der  wahre  Ausdruck  der  Fröhhc] 
keit  ist,  wird  dies  bleiben,  mag  sie  in  E-dur  oder  H-dur  od< 
F-dur  spielen.  Unsere  Tonarten  in  Dur  sowohl  als  Moll  sie 
nur  Transpositionen  der  zwei  Haup^attun gen  C-dur  und  A-mo] 
und  bleiben  sich  in  ihrem  inneren  Wesen,  m  ihren  Verhältnisse 
immer  gleich.  Anders  verhält  es  sich  bei  den  alten  oder  Kirchei 
tonarten  (s.  diesen  Artikel). 

Chiavette  (ital.),  chiavi  trasportati,  versetzte  Schlüssel. 

Chor  (lat.  Chorus^  ital.  Coro,  franz.  Choeur)  vom  gi'iechische 
Worte  xo(ioi',  welches  ursprünglich  die  Runde,  den  Rundtanz  m 
Gesang,  später  selbst  emen  Haufen  von  Sängern  und  Tänzer 
und  auch  den  Tanzplatz  bedeutet.  Jetzt  versteht  man  daruntc 
zunächst  eine  Veremigung  von  Personen  zum  Vortrage  eine 
Gesangstückes  mit  oder  ohne  Instrumentalbegleitung.  Je  nac 
den  Bestandteilen,  aus  denen  der  Chor  zusammengesetzt  is 
gibt  es:  einen  Männerchor,  der  aus  lauter  männliche 
Stimmen  (Tenor,  Bass),  Frauen-  oder  Knabenchor,  der  nu 
aus  weiblichen  oder  Knabenstimmen  (Sopran,  Alt),  ge 
mischten  Chor,  der  aus  beiden  Gattungen,  also  aus  Sopranei 
Alten,  Tenoren  und  Bässen  besteht.  Gewöhnlich  versteht  ma 
unter  Chor  auch  das  Musikstück  selbst,  welches  von  einer  so 
chen  Vereinigung  von  Sängern  ausgeführt  werden  und  de 
Gefühlsausdruck  emer  Gesamtheit  darstellen  soll.  Teilt  sich  dies 
Gesamtheit  in  verschiedenen  Gefühlsausdruck,  so  wird  dies  durc 
Doppelchöre,  drei-,  vierfache  Chöre  bezweckt.  Diese  Abte 
lung  kann  aber  auch  bei  Gleichförmigkeit  der  Stimmen  vor 
Komponisten  zur  gi'össeren  Entfaltung  der  musikalischen  Kunß 
angewendet  werden.  Je  nach  der  Anzahl  der  ausführende 
Stimmen  hat  man  ein-,  zwei-,  drei-  oder  mehrstimmig 
Chöre;  der  Stil  kann  ein  freier  oder  gebundener  sein.  Sin 
die  Chöre  mit  Instrumentalbegleitung  versehen,  so  kann  dies 
entweder  bloss  die  Singstimmen  verstärke  nd  oder  aue 
selbständig  sein. 


Choral.  49 

Da  der  Chor^esang  mehr  durch  die  Massen  wirksam  ist, 
so  dürfen  die  Singstimmen  nur  mit  einfacheren  Melodieen  bedacht 
werden,  wogegen  die  etwa  darein  verflochtenen  Solopartieen  in 

frösserer  Femheit  imd  kunstreicherer  Bildung  auftreten  können, 
ibenso  müssen  die  Textworte,  welche  einem  Chore  zu  Grimde 
liegen,  einfach  und  in  gedrängter  Kürze  einen  angemessenen 
Gedanken  aussprechen,  was  namentlich  bei  Fugen  von  der 
^össten  Bedeutunf^  ist.  —  Mit  dem  Namen  Chor  bezeichnet 
man  auclx  bei  Klavierinstrumenten  die-  Anzahl  gleichgestimmter 
Saiten,  welche  durch  eine  einzige  Taste  angeschlagen  werden; 
weshalb  man  von  einem  Pianoforte  sagt,  es  sei  z.  B.  dreichörig, 
wenn  drei  Saiten  für  einen  Ton  und  einen  Hammer  bestimmt 
sind.  Ebenso  nennt  man  bei  der  Orgel  die  zu  einer  Taste  ge- 
hörigen Pfeifen  ein  Pfeifenchor,  insbesondere  bei  den  Mixturen. 
Endlich  bezeichnet  man  mit  dem  Worte  Chor  auch  den 
Raum  der  Kirche,  welcher  für  die  Musik  bestimmt  ist  und  wo 
sich  die  Orgel  befindet;  eigentliche  Musikchöre  wurden  durch 
die  Einfühiomg  der  Orgel  in*  die  Kirche  notwendig;  früher  be- 
fanden sich  die  Kirchensänger  im  Presbyterium,  nahe  dem  Altare, 
da  sie  mit  dem  Klerus  gleichsam  Einen  Köi'per  bildeten.  In  den 
Klöstera  ist  Chor  derjenige  Platz,  wo  das  Offizium  täglich  all- 
gemein laut  gebetet  oder  gesungen  wird.  (Oratorium,  Betsaal.) 

Choral  (lat.  Cantus  planus,  firmus,  gregorianus, 
franz.  Plain-chant,  ital.  Canto  fermo)  ist  jene  Art  von  Kir- 
chenmusik, welche  sich  einstimmig  (unisono)  in  melodisch  ver- 
bundenen Haupttönen  ohne  genau  abgemessenes  Zeitmass,  doch 
in  jgewissem  Rnythmus  fortbewegt.  („Cantus  planus  simplex  est, 
qui  simplicibus  notis  incerti  valoris  simpliciter  est  constitu- 
tus,  cujusmodi  est  gregorianus.*  Tinctoris.)  Man  nennt  ihn 
auch  gregorianiscnen   Gesang,   weil  der  heihge  Papst  Gre- 

for  I.  der  Gr.  der   eigentliche  Begründer  desselben  ist;  um  aber 
iess  zu  sein,   muss  er  auch  in  den  Tonarten,   die  dieser  heüige 
Papst  als  die  Grundlage  der  Kirchengesänge  aufstellte,  geschrie- 
ben sein.    Gewöhnlich  wird  er   Cantus   ecclesiasticus,   Kir- 
chengesang schlechthin  genannt;    der   Name   Cantus  grego- 
rianus  kommt   zum  erstenmal   in  dem  Traktate  Wilhelms  von 
Hirschau  vor.    Ein  fernerer  Name  ist  römischer  Gesang,   weü 
diese  Singweise   zu   Rom   zuerst   eingeführt   und   durch   die  Be- 
mühungen des  heiligen  Gregor  und  seiner  Nachfolger  im  ganzen 
Abendlande   verbreitet   ward;    besonders    wurde   m    der    ersten 
Hälfte  des  Mittelalters  dieser  Gesang  mit  diesem  Namen  als  ein  von 
anderen  gebräuchlichen  Gesangsweisen,  wie  dem  Ambrosianischen, 
dem  Gallikanischen  Gesänge,   sich   unterscheidender   bezeichnet. 
Cantus  planus  heisst   er  im  Gegensatze  zum  Cantus   figu- 
ratus,   unter  dem  Namen  Cantus  firmus  dient  er  zur  Grund- 
lage (Tenor)  eines  kontrapunktisch  gearbeiteten  mehrstimmigen 
istückes.    Der  Name  choralis  ward  ihm  beigelegt,   weil  er 
le   Verwendung  hauptsächlich  bei  Abhaltung   der   Kirchen- 
ber,  der  Offizien,  wozu  die  Geistlichkeit  im  Chore  versammelt 
r,   fand;    dieser  Name  kam  erst  in  Gebrauch,  als  die  Figural- 
sik,  welche  gewöhnlich  solomässig  behandelt  wurde,  sich  ein- 
bürgert hatte.  • 

T)er  Choral   oder  gregorianische  Gesang   ist   eine  Gesangs- 

vornmüller,  Lexikon.  4 


50  .  Choral. 

weise  rein  diatonischen  Geschlechtes,  welche  nämlich  durch 
zwei  und  drei  ganze  Töne  mit  einem  untermischten  Halbton, 
oder  in  reinen  Quarten  und  Quinten  voranschreitet.  Von  Inter- 
vallen kommen  nur  die  kleme  und  grosse  Sekunde  (halber  und 
ganzer  Ton),  die  kleine  und  grosse  Terz,  die  reine  Quart  und 
>uint  (kleine  und  grosse  Sext)  zur  Verwendung.  Alle  grösseren 
onschritte  kommen  so  wenig  als  die  verminderten  und  über- 
mässigen Intervalle  vor,  namentlich  ist  der  sogenannte  Tritonus, 
die  Aufeinanderfolge  von  drei  ganzen  Tönen  (f-h)  (diabolus  in 
musica)  und  umgeKehrt  die  falsche  Quin t  (h-f)  verpönt,  und 
es  müssen  diese  Intervalle  jederzeit  aurch  Erniedrigung  des  h 
in  b  zurechtgestellt  werden.  Als  Notenschrift  bedient  sich 
der  Choral  viereckiger  schwarzer  Zeichen,  Noten  (P rankonische 
Noten),  die  sich  aus  den  Neumen  herausgebüdet  hatten  und 
manchmal  auch   sehr  voneinander   abwichen  (s.  Noten).     Die 

jetzt  gebräuchlichen  Choralnoten  sind  die  longa,  lange  1,    die 

brevis,   kurze  ■,   und  die  halbkurze,   semibrevis  #.    In  Mün- 
sterischen und  Kölnischen  Choralbüchern  findet  man  vorzüglich 


nur  die  longa  n^z:  und  die  brevis  #;  auch  noch  eine  Mittel- 
gattung ZT iiz,   die  weder  kurz  noch  lang   ist.    Einen  absoluten 

Wert  haben  diese  Noten  (incerti  valoris)  nicht,  sie  sind  nur  im 
Verhältnisse  zu  einander  abzumessen.  Ob  die  Noten  im  allge- 
meinen länger  oder  nicht  so  lange  anzuhalten  sind,  richtet  sich 
teils,  und  zwar  vorzüglich  nacn  dem  Silbenmasse  des  Textes, 
teils  nach  der  mehr  oder  weniger  schnellen  Bewegung,  die  man 
dem  Gesangstücke  geben   will.    Sind  zwei  Noten  übereinander- 

stehend  durch  einen  Strich  verbunden  H^E,  so  wird  die  untere 

zuerst,  dann  die  obere  gesungen ;  man  nennt  sie  notae  ligatae 
und  sie  finden  sich  nur  in  älteren  Büchern;  häufiger  finden  sich 

die  notae  obliquae,  schiefe  Noten  ii^  .  ,  wo   die  obere  Note 

zuerst,  dann  die  untere,  d.  h.  der  Anfang  und  d^s  Ende  dieser 
gedehnten   Notenfigur   gesungen    wird.    Eine    Note    mit    einem 

Punkt  und  Bogen  versehen  (n.  coronata)    —  — ^   gilt  ungefähr 

so  viel  als  eine  lange  und  kurze  Note  mitsammen. 

Um  die  Tonhöhe  der  Noten  erkennbar  zu  machen,  bedient, 
sich  der  CJhoral  vier  Linien,  —  anfangs  gebrauchte  man  zwei 
farbige  Linien,  bald  nachher  vier  schwarze,  später  fünf,  was 
noch  jetzt  vielfach  in  Übung  ist;  unter,  auf  oder  über  diese 
Linien  werden  die  Noten  gestellt,  so  dass  im  ganzen  neun  Stufen 

*7 


:_^ :     -G-liz± 


_4-ii 


T^E-^z 


sich  ergeben.  

T 

Den  Noten  kommen  besondere  Namen  zu,  man  nennt  sie 
entweder  nach  der  Guidonischen  Solmisation  ut  re  mi  fa  sol  la 
(denen  noch,  um  der  lästigen  Mutation  überhoben  zu  sein,  die 
Silbe  si  zugefügt  wurde),  oder  mit  den  Buchstaben  des  Alpha- 
bets c  d  e  f  g  a  h  (b). 


Choral  51 

Um  die  Noten  zu  unterscheiden,  gleichsam  das  Geheimnis 
der  Notation  aufznschhdssen ,  bedient  man  sich  der  Schlüssel 
<clave8).  Es  wird  dadurch  der  Name  einer  Note  festgesetzt 
und   nach  dieser   alle  übrigen  bestimmt.    Jetzt  sind  noch   zwei 

— 5 

Schlüsseln  in  Gebrauch,   der   c  nt  Schlüssel  ~i und 

der  F  fa  Schlüssel  i^zü^m  sie  stehen  immer  auf,  nie  zwi- 
schen den  Linien,  und  die  Noten,  welche  auf  der  bleichen  Linie 
stehen,  haben  den  Namen  von  ihnen.  Zu  bemerKen  ist,  dass 
der  F  Schlüssel  nie  auf  der  ersten,  sehr  selten  auf  der  vierten 
Linie  steht;  ebenso  der  C  Schlüssel  nicht  auf  der  ersten  Linie. 

Manchmal  geschieht  es,  dass  die  vier  Linien  flir  einen  Ge- 
sang; von  grossem  Tonumfange  nicht  ausreichen,  wenn  der 
Schlüssel  auf  seiner  Stelle  verbleiben  soll.  Für  diesen  Fall 
transponiert  man  den  Schlüssel,  d.  h.  man  versetzt  ihn  um 
■eine  oder  zwei  Linien  höher  oder  tiefer,  a)  oder  verwechselt  den 
C  Schlüssel  mit  dem  F  Schlüssel;  denn  Hilfslinien  werden  nicht 
angewendet,  ausser  es  müsste  der  Gesang  den  Umfang  des  Sy- 
stems nur  um  einen  Ton  überschreiten,  d) 

a.  b. 

Zur  Erleichterung  des  Notenlesens  ist  auch  ein  eigenes 
Zeichen,  Kustos,  Notenzeiger  (s.  Beisp.  a)  ■,  |  oder  '^  im 
Gebrauche,  wodurch  beim  Wechsel  der  Zeilen  oder  bei  Verse- 
tzung des  Schlüssels  die  Stelle  angezeigt  wird,  auf  welcher  in 
der  folgenden  Zeile,  oder  nach  dem  versetzten  Schlüssel  die  erste 
Note  steht. 

Ausser  diesen  kommen  noch  andere  Zeichen  in  der  Choral- 
schrift vor:  Pausen,  Erniedrigungs-  und  Erhöhungs-  oder 
Wiederherstellungszeichen.  Die  Ruhepunkte  oder  Pau- 
sen sind  senkrechte  Linien  oder  Striche,  welche  die  vier  Linien 
des  Systems  zum  Teil  oder  ganz  durchschneiden. 


a)  b)       c)  a)  Suspirium. 

b)  Respiratio, 

c)  Pausa  und  Finis. 


iz  th.fzUL  I    —  I  I  b)  Respiratio, 


a)  dient   zur  leichteren  Übersicht   im  Lesen   und  trennt   bloss 

kurze   Abschnitte;     früher    wurden    solche    Trennungsstrichlein 

(trictae)  nach  jedem  Worte  gesetzt;  b)  der  über  das  ganze  System 

reichende   Strich   weist   den   Sänger   zum  Atemholen  und   zum 

bsetzen  mit  der  Stimme   an.    Bei   zu  langen  Sätzen  kann  man 

ich  bei  kurzem  Strichen  Atem  holen.   In  neueren  Werken  steht 

jr  grosse  Strich  bloss  da,  wo  ein  neuer  Satz  oder  Sinn  beginnt. 

uoh  findet  er  sich  manchmal  am  Ende  jeder  Zeile,  wenn  auch 

iine   Pause   stattfinden   soll,    c)  Der   doppelte  Strich   steht  am 

nde  eines  Gesanges   oder   bei   einem   Hauptabsatze ,    in   welch 

tzterem  Falle  eine  grössere  Pause  zu  halten  ist. 

4* 


52  Choral. 

Erniedrigungszeichen  ist  das  B-moll  ("7  5),  welches 
beim  Tritonus  (f— h)  zur  Anwendung  kommt,  da  die  Übermässige 
Quart  f— h  verboten  ist  und  in  die  reine  Quart  (f— h)  verwandelt 
werden  muss  (auch  absteigend  statt  h— f  wird  b— ^-  Bisweilen 
steht  dies  Zeichen  gleich  nach  dem  Schlüssel  am  Anfange  der 
Zeile  und  gilt  für  alle  darin  vorkommenden  Noten  h  (wesent- 
liches B-moll);  bisweilen  steht  es  im  Laufe  des  Stückes  links 
vor  der  Note  h  oder  der  Figur,  in  welcher  h  verbunden  vor- 
kommt,  und  gilt  nur  für  diese  Note  allein  (zufälliges,   acci- 

dentelles  B-moll).  Das  B-quadrat  2  hebt  die  vorangegan- 
gene Erniedrigung  (b)  wieder  auf,  und  ist  darum  Auflösungs- 
oder Wiederherstellungszeichen.  Ist  kein  {?  vorausgegangen,, 
so  steht  dies  B-quadrat  nur  als  Merkzeichen,  um  den  Sänger 
aufmerksam  zu  machen ,  nicht  b  zu  singen ,  wozu  er  etwa  ver- 
sucht sein  könnte.  In  einigen  älteren  Choralbüchern  wird  ^ 
fälschlich   als  t^  gesetzt;    es  ist  nur  ein  verunstaltetes  S  (!^)-  — 

Das  Erhöhungszeichen  <,  Doppelkreuz,  von  einigen  auch 

B-cancellatum,  gegittertes  B  genannt,  das  sich  in  einigen 
Choralbüchern  findet,  ist  dem  eigentlichen  diatonischen  Tonsystem 
des  Chorals  fremd;  es  wurde  angewendet,  um  den  Leitton  der 
grossen  Septime  herzustellen,  im  ersten  Tone  z.  B.  das  untere  c 
vor  dem  Finalton  d  in  eis  zu  verwandeln,  des  Wohlklanges, 
wegen.  Es  konnte  aber  nirgends  als  in  Hauptkadenzen  (eis  d, 
fis  g,  gis  a)  zugelassen  werden,  ohne  zerstörend  auf  das  ganze 
Tonsystem  einzuwirken;  nur  in  dieser  Weise  hat  es  seine  Ver- 
teidiger seit  Jahrhunderten  gefunden,  nunmehr  hat  man  e& 
wieoer  abgeworfen.  Diese  Erhöhung,  Di^sis,  wurde  aus  der 
Figuralmusik  herübergenommen  und  dr^gte  sich  auf,  als  die 
Harmonie  sich  ausbildete  und  der  Choral  mit  der  Orgel  begleitet 
zu  werden  anfing.  Bezüglich  der  Tonarten,  in  welchen  der 
Choral  sich  bewegt,  s.  d.  Art.  Kirchentonarten. 

Der  Chor  algesang  ist  ein  einstimmiger  Gesang,  doch 
hat  man  nach  und  nach  angefangen,  wo  Orgeln  vorhanden 
waren,  ihn  mit  der  Orgel  zu  begleiten;  so  war  es  in  den  Klö- 
stern und  Stiften  bei  den  Konvent-  und  Stiftsgottesdiensten, 
wenigstens  in  Deutschland.  Seit  der  Säkularisation  derselben 
1803  hat  dies  aufgehört  und  der  Choral  war  seitdem  in  Deutsch- 
land von  den  Kircnenmusikchören  fast  ganz  verschwunden.  Nur 
in  einigen  Städten,  wo  ehemals  geistlicne  Stifte  waren,  wurden 
noch   Jahrtage,   Anniversarien,   als   sogenannte  Choralämter 

gehalten,  bei  denen  ein  oder  zwei  Choralisten  den  Choral  ohne 
egleitung  absangen.  In  neuerer  Zeit  greift  man  wieder  zu  dem 
altehrwürdigen  Cmoral  zurück;  vorzügfich  ist  dies  der  Thätigkeit 
des  Cäcilienvereines  zu  verdanken,  nachdem  schon  vorher  meh- 
rere kirchliche  Obere  sich,  leider  mit  geringem  Erfolge,  darum 
bemüht  hatten.  Apathie  hatte  man  anfänglich  dagegen,  weil 
die  richtige  Vortragsweise  des  Chorals  fast  ganz  verloren  ge- 
gangen war  und  man  ihn,  Note  für  Note  gleichwertig^  vortrug, 
statt  ihn  als  einen  taktfreien  Gesang  zu  beriandeln  gleich  einem 
Recitative.  Um  ihn  gehörig  vorzutragen,  gehören  nicht  bloss 
technische  Fertigkeit,  Kenntnis  seiner  Regeln  und  eine  einiger- 
mässen  kultivierte  Stimme,  sondern  vielmehr  noch  Frömmigkeit 


^»■•T 


•f 


,  Choral.  53 

und  gesunder  Sinn;  noch  mehr  unterstützt  Verständnis  der  latei- 
nischen Sprache  und  kirchlichen  Liturgie.  Hier  handelt  es  sich 
nicht  um  fingierte  Affekte  und  Gefühle,  wie  bei  den  Bühnen- 
künstlern, sondern  um  Wahrheit  der  Gefühle  und  Affekte. 
WoUersheim  legt  den  Kirohensängern  überhaupt  ans  Herzj  drei 
Stücke  nicht  zu  vergessen:  dass  sie  zur  Ehre  Gottes  smgen, 
dass-  sie  zu  ihrer  und  der  anderen  Gläubigen  Erbauung  singen, 
dass  sie  im  Hause  Gottes  singen.  Sie  müssen  ihren  Gesang 
als  ein  Gebet  betrachten;  dann  werden  .sie  auch  andere  For- 
derungen an  ihren  Gesang  erfüllen,  als:  Übereinstimmimg  der 
Stimnien  und  Unterordnung  unter  den  Rector  chori,  Vermeidung 
aller  Übereüung  und  alles  Drängens,  Modulation  der  Stimme  im 
Stärkegrad,  Unterlassen  des  Sonreiens,  des  Herausstossens  und 
Brechens  der  Töne ,  Fernhaltens  aller  Schnörkel  und  künstlichen, 
die  Eitelkeit  zeichnenden  Zuthaten,  sowie  der  Sucht,  vor  anderen 
gehört  zu  werden;  sie  werden  sich  bemühen,  den  Text  richtig 
zu  sprechen,  zu  betonen  und  unterzulegen,  und.  werden  auch  in 
der  ganzen   Haltung   des   Körpers,    in  Gebärde    und  Miene,    im 

fanzen  Benehmen  das  vermeiden,  was  der  Andacht  und  Würde 
es  Gottesdienstes  und  der  Heiligkeit  des  Oi-tes  nicht  entspricht. 
Die  besten  neuesten  Chorallehrbücher  sind:  Magister  choralis, 
von  F.  X.  Haberl,  7.  Aufl.  Regensburg  F.  Pustet;  Choralschule 
von  P.  Ambros  Kienle,  Freiburg  bei  Herder  1884;  besonders 
hervorragend:  Les  m^lodies  grögoriennes  d'apr^s  la  tradition, 
par  Dom.  Jos.  Pothier,  1880,  Tournay.  Ins  Deutsche  übersetzt 
von  P.  Ambros  Kienle,  1881,  Freiburg,  Herder. 

Obwohl  der  Choralgesang,  gut  vorgetragen,  auch  ohne 
Begleitung  seinen  Zweck  vollkommen  erjfullen  kann,  so  liebt 
man  es  doch,  ihn  öfter  mit  der  Orgel  zu  begleiten.  Aber 
«ine  solche  Begleitung  hat  auch  ihre  eigentümliche  Seite:  die 
Hannonisierung  des  Chorals  kann  nur  auf  Grundlage  des  Ton- 
systems richtig  geschehen,  in  welchem  der  Choral  selbst  kom- 
poniert ist,  d.  h.  nach  dem  Systeme  der  (alten  Kirchentonarten, 
welche  durchaus  diatonisch  sind  und  von  ^der  modernen  Schluss- 
weise meist  ganz  abweichen.  Choräle  richtig  zu  harmonisieren 
ist  immerhin  eine  schwierige  Aufgabe,    da   sie   ohne  Harmonie 

fedacht  und  erfunden  sind  und  durch  Überhäufung  mit  Accorden 
er  Aufschwung  und   das   raschere  Dahinschreiten  der  Melodie, 
namentlich  bei  notenreicheren  Figuren,   leicht  gehemmt  werden 
kann.     Das   ist    eine   unverbrüchBche    Regel,    dass    wegen    der 
Harmonie  kein  einziger  Ton  der  Melodie  geändert  werden  darf. 
Es  sind  gegenwärtig  (bei  Beobachtung  der  ebengenannten  Regel) 
drei   Arten   der  Harmonisierung   in  Übung:   die  einen  gestalten 
die  Begleitung  rein  diatonisch   mit  Ausschluss  jeder  Diesis  und 
«eben   jeder   Note  einen   Accord   (L.   Schneider,   Van  Damme); 
''•"  anderen  lassen  sparsam  chromatische  Töne,  so  bei  Kadenzen 
(Mettenleiter,   Oberhoffer);    die   dritten  lassen   ebenfalls    die 
is  in  der  Begleitung  zu,   geben   aber   manchen  Figuren  nur 
3  n  Accord ,   um  dem  Gesänge  möglichste  Freiheit  zu  gestat- 
in dieser,  jedenfalls  vollkommensten  Weise  sind  die  Choral- 
eitungen:  Organum  concomitans  ad  Ordinarium  Missae,  von 
C.  Witt  und  Organum  concomitans  ad  Graduale  et  Vesperale 
inum,  von  Jos.  Hanisch  und  F.  X.  Haberl  (beide  Werke  bei 


■54  Choralbücher  —  Chordh-ektor. 

F.  Pustet   in  Regensburg  verlegt)  gehalten.    Bemerkenswert 
auch:  „Die  Harmonisierung  des  Gregorianischen  Choralgesange 
Von  P.  Schmetz,  1886  (Düsseldorf,  L.  Schwann). 

Choralbücher  sind  jene  Bücher,  in  welchen  die  für  ( 
kirchlichen  Verrichtungen  notwendigen  und  bestimmten  Chor 

fesänge  gesammelt  und  enthalten  smd.  Nach  ihrer  Bestimmui 
aben  sie  verschiedene  Namen:  Antiphonarium,  Graduale,  Vesj 
rale,  Processionale  (s.  d.).  Sämtliche  Choralbücher  wurden  S( 
dem  Jahre  1870  einer  Recension  unterworfen,  vom  apostolisch 
Stuhle  autorisiert  und  als  offizielle  Choralbücher  (typische  Ai 
gäbe)  durch  F.  Pustet  in  Regensburg  gedruckt. 

Choralisten,  eigens  besoldete  Laiensänger,  welche  an  Doi 
und  Stiftskirchen  angestellt  sind,  um  die  Geistlichkeit  im  C\u 
gebete  oder  vielmehr  im  Chorgesange  zu  unterstützen. 

Choraliter.  Dieses  Wort  wira  gebraucht,  um  anzudeute 
dass  entweder  für  einen  Gottesdienst  der  Cantus  Gregorian 
als  Musik  angewendet  wird,  oder  dass  ein  Text  einstimmig  ui 
nach  Art  des  Chorales  komponiert  ist.  Choraliter  lege 
(choralmässig  lesen)  bezieht  sich  auf  den  Singleseton  der  E\'a 
gehen,  Lektionen,  Prophetien  und  anderer  kircnlicher  Lesestück 

Chor-anla  (aula  chori)  hiess  der  an  den  Dom-  und  Stift 
kirchen  zum  Unterrichte  der  Chorknaben  im  Gesänge  eingeric 
tete  Saal. 

Ohoraulen  hiessen  die  an  den  Dom-  und  Kollegiatsstift 
kirchen  angestellten  Chorknaben.  Diese  lebten  in  eigenen  I 
stituten  (s.  kirchliche  Sing  schulen)  beisammen  unter  d 
Aufsicht  und  Leitung  des  Chordirektors,  welcher  auch  d( 
Unterricht  im  Gesänge  zu  besorgen  hatte.  Ausserdem  wurde 
sie  noch  in  den  übrigen  Gegenständen  der  an  den  Stiften  ur 
Abteien  regelmässig  organisierten  Dom-  und  Klosterschuh 
unterwiesen.  Manchmal  wurden  mit  diesen  Instituten  Knabe 
seminarien  in  Verbindung  gebracht,  oder  doch  die  geeignete 
Scholaren  der  letzteren  als  Choraulen  unterhalten  und  verwende 

Chorda  (lat.),  die  Saite,  auch  davon  genannt  der  Ton  selbs 

Chordirektor,  Chordirigent,  Chorregent,  rege?i8  cho 
u.  dgl.  ist  diejenige  Person,  welche  für  die  Musik  des  Kirche: 
Chores  zu  sorgen  und  sie  zu  leiten  hat  (s.  Kantor).  In  Fran 
reich  hiessen  sie  auch  Musikmeister,  mattre  de  musieju 
Der  Name  Kapellmeister,  maitre  de  chapelle,  ist  jüngere 
Ursprunges ;  er  wurde  wohl  zuerst  im  fünfzehnten  oder  sechzehi 
ten  Jahrnunderte   dem  Vorsteher   des  päpstlichen  Sängerchon 

fegeben,  da  1545,  als  nach  dem  Brande  eier  Archive,  wobei  d 
atzungen  dieses  Chores  mit  verbrannt  waren  ^  die  Konstitutif 
und  die  alten  Satzungen  erneuert  und  erweitert  wurden,  d( 
Vorsteher  der  Sänger  „Magister  capellae"  benannt  wir 
Von  da  scheint  sich  dieser  Name  an  den  Höfen  der  Fürste 
welche  für  ihre  Privatkapellen  und  ihr  Privatvergnügen  sie 
Sänger  und  Musiker  anstellten,  eingebürgert  und  nacliderhai 
auf  alle  Vorsteher  der  Musike;höre  an  den  Dom-  und  vStiftski 
chen  übergegangen  zu  sein. 

Die  Erfordernisse  und  Pflichten  eines  kirchlichen  Musil 
Vorstehers,  mag  er  nun  einen  Titel  führen, '  welchen  en*  wi 
mögen  folgende  sein: 


Chordometer  —  Chorkl^idung.  55 

1)  Er  sei  Katholik  und  zwar  ein  getreues  Kind  sei- 
ner heiligen  Kirche,  durchdi'ungen  von  ihrem  Geiste,  rait- 
lebend  mit  ihrem  Sinne,  begeistert  für  ihre  Ehre  und  Verherr- 
lichung, unsträflich  in  seinem  Lebenswandel.  Überdies  besitze 
er  hinreichende  Kenntnis  der  liturgischen  Vorschrif- 
ten, die  auf  die  Dienstleistungen  und  das  Verhalten  des  Chores 
Bezug  haben;  verstehe  vollkommen  den  Geist,  der  in  den  ein- 
zelnen Ceremonien  und  gottesdienstlichen  Handlungen  waltet 
und  durch  die  Musik  verdolmetscht  werden  soll.  Er  ver- 
gesse nie  diel  Unterordnung  unter  die  geistlichen  Kir- 
chenvorstände. 

2)  Er  besitze  hinreichende  praktische  Musikkennt- 
nisse und  Fertigkeiten;  unerlässlich  ist  die  Kenntnis  der 
Gesangkunst  und  der  Orgel;  dass  er  auch  einigenteils  mit 
den  Instrumenten,  die  etwa  zur  Anwendung  kommen,  vertraut 
sei  bezüglich  ihres  Charakters  und  Wesens,  wenn  er  sie  auch 
nicht  spielen  kann,  bedarf  kaum  einer  Erwähnung. 

3)  Ein  guter  Musikdirigent  ohne  tiefere  theore- 
tischeMusikbildung  ist  undenkbar;  diese  ist  ihm  notwendig 
Äur  Einsicht  in  die  ganze  Konstruktion  der  aufzuführenden  Werke, 
^vodurch  erst  eine  genaue  und  sichere  Einübung  und  Produktion 
derselben  ermöglicht  wird;  ist  notwendig  zur  Erfassung  des 
Geistes,  der  in  oer  Komposition  ruht.  Die  Geschichte  der  Kirchen- 
musik darf  ihm  nicht  fremd  sein.  Er  bilde  seinen  Geschmack 
und  ignoriere  deshalb  noch  nicht  die  profanen  Meisterwerke 
eines  Mozart,  Bethoven  etc.  Hierzu  mu6s  eine  allgjemeine 
Bildung  sich  gesellen,  ohne  sie  bleibt  ihm  vieles  unaufgeschlos-, 
sen;  sie  hilft  ihm,  erst  wahrhaft  die  heilige  Tonkunst  zu  wür- 
digen und  ihre  Geheinmisse  zu  enträtseln. 

4)  Er  sehe  sich  um  gute  kirchliche  Musikstücke  um, 
studiere  die  besten,  hole  sich  Belehrung  bei  Männern,  die  ihm 
Aufschluss  geben  können,  eigne  sich  so  die  Wissenschaft  über 
heilige  Musik  an,  verbanne  alle  leichtfertige  und  seichte 
Musik  von  s(^inem  Chore,  wenn  solche  bisher  Platz  gefunden; 
verpöne  alle  Ärgernisse,  die  so  häufig  den  Chor  entweihen 
unu  suche  seinem  Chore  die  kirchliche  Würde  zu  wahren;  er 
lasse  sich  von  dem  verdorbenen  Geschmacke  des  „Publikums" 
nicht  am  Gängelbande  führen. 

Kurz,  er  betrachte  sein  Amt  als  ein  heiliges,  seine 
Pflichten  als  hochwichtige,  —  sie  betreffen  den  Dienst 
Gottes,  die  Erbauung  der  Gläubigen,  die  Verherrlichung 
der  Kirche. 

Chordometer,  s.  Bezug. 

Chorkleidnng.   Nach  dem  Ordo  romanus  I.  und  H.  trugen 

die  Subdiakonen   der   schola   cantorum   die  Planeta  —  das  nach 

allen  Seiten  geschlossene  Messgewand,   welches   sie   bei  Beginn 

'8  Gesanges  vorne  in  die  Höhe  hoben.    Ums  zwölfte  Jahrhun- 

rt  war  die  Kleidung  der  Sänger  die  sogenannte   cappa,    eine 

•t  Mantel  mit  Ärmeln  und  einer  Kapuze,    welcher  vorne  offen 

ar,    bis   auf  die  Füsse   reichte,    mit  Fransen  besetzt   und  von 

eissen  Linnen   war.    Den  Kopf  bedeckten  sie  mit  einem  Hute, 

A  den  Händen  trugen  sie,  oder  doch  wenigstens  der  Vorsänger, 

*inen,  manchmal  von  Süber  gefertigten  oder  sonst  geschmückten 


'^ 


56  ^ühorsänger  —  Chronometer. 

Stab  (virga  regia).  Doch  war  es  nicht  tiberall  gleioh,  in  manchen 
Gegenden  waren  die  Kapuzen,  als  den  Mönchen  gehörig,  ver- 
boten. In  den  Klöstern  war  es  Vorschrift,  dass  die  Cantores 
ihren  Kirchendienst  in  der   cappa-cuculla,   einem  mantelarti- 

fen  Kleide,  welches  bei  den  verschiedenen  Orden  verschiedene 
'arbe,  weiss  oder  schwarz  hatte,  vom  15.  September  bis  zum 
Karsamstag,  und  in  weissen  Chorhemden,  superpelliceis, 
vom  Karsamsta^  bis  15.  September  verrichten,  ausgenommen  an 
Vigilien  und  bei  Totenoffizien,  denen  sie  in  ihrer  gewöhnlichen 
klösterlichen  Kleidung  beiwohnten.  Im  allgemeinen  ward  immer 
gefordert,  dass  die  chori  ministri,  Sänger,  Choralisten, 
m  klerikaler  Kleidung  und  mit  einem  Chorrocke  —  auch  die 
Singknaben  —  im  Chore  erscheinen.  So  bestimmt  eine  Synode 
von  Antwerpen  1576  den  Gebrauch  von  Chorröcken  in  den  Land- 
kirchen aucn  für  die  Schuljugend,  welche  zum  Chorgesange 
herangebildet  wurde.  Gleiches  verlangten  Augsburger  Synodal- 
dekrete (1610)  und  überdies,  dass  die  Sanger  womöglich  Kleriker 
seien.  So  ist  es-  auch  jetzt  noch  Gebrauch  —  leider  nur  bei 
wenigen  Anlässen  — ,  dass  die  Sänger  in  Chorröcken  ihren  Dienst 
leisten.  ..Die  Chorröeke  aber  seien  gebührend  lang,  mit  weiten, 
kurzen  Ärmeln  versehen;  schwarze  oder  blaue  Kragen  sind  nicht 
Vorschrift.  In  Frankreich  vollführen  die  Zöglinge  der  Knaben- 
seminare an  einigen  Kirchen  den  Gesang  in  weissen  Alben,  mit 
roten  Cingulen  und  gleichfarbigen  Birreten. 

Chorsänger  werden  diejenigen  jgenannt,  welche  überhaupt 
auf  dem  Kirchenchore  mit  ihrer  Stimme  mitzuwirken  haben, 
dann  auch  solche,  welche  sich  nicht  an  den  Solopjartieen  betei- 
ligen, sondern  bloss  im  Chor,  d.  d.  beim  Tutti  mitsingen. 

Chroma  (griech.  jir(»o>/*a,  Farbe),  war  schon  bei  den  Grie- 
chen terminus  technicus  für  Modulation.  Chromatisches  Ge- 
schlecht, s.  griechische  Musik.  —  Chromatische  Töne 
nennt  man  im  neueren  Tonsysteme  alle,  von  den  ursprünglichen 
Tonstufen  c  d  e  f  g  a  h  hergeleiteten  und  aus  diesen  durch 
Erhöhung  oder  Erniedrigung  entstandenen  Töne,  z.  B.  von  c — eis 
oder  ces,  von  g — gis  oder  ges.  Die  dabei  gebrauchten  Anhäng- 
silben (es,  is,  eses,  Isis)  werden  daher  auch  chromatische 
Silben  jgenannt.  Eine  melodische  Tonfolge  mit  eingemischten 
chromatischen  Tönen,  aufwärts  mit  Erhöhungen  (c,  eis,  d,  dis, 
e,  f,  fis,  g,  gis,  a,  ais,  h,  o)  und  abwärts  mit  Erniedrigungen 
(c,  h,  b,  a,  as,  g,  ges,  f,  e,  es,  d,  des,  c)  wird  auch  chromatische 
Tonleiter  geheissen. 

Chronometer,  Zeit-  oder  Taktmesser.  Da  die  verschie- 
denen Noten,  Pausen  u.  dgl.,  sowie  die  Tempobezeichnungen  keine 
absolute  Dauer  der  Zeit  angeben,  sondern  erstere  nur  bedeuten, 
dass  z.  B.  die  Viertel-,  Achtelnoten  oder  Pausen  den  vierten  oder 
achten  Teil  der  Zeitdauer  von  einer  Einheit,  von  der  ganzen 
Note  oder  Pause  haben ,  aber  noch  keineswegs  bestimmt  ist, 
welche  Zeitdauer  dieser  Einheit  zukommt,  —  letztere,  die  Tempo- 
bezeichnungen nur  im  allgemeinen  auf  die  schnellere  oder  lang- 
samere Bewegung  hinweisen,  so  suchten  sinnige  Köpfe  ein 
absolutes  Bewegungsmass  herzustellen,  welches  ganz  genau  die 
Dauer  einer  solchen  Noteneinheit  angäbe,  wie  sie  der  Komponist 
gedacht  und  angenommen  hat.    Unter  vielen  zu  diesem  Zwecke 


Chronometer.  57 

ersoniienen  Instinimenten  erwies  sich  das  Metronom,  welches 
der  Hofmechanikus  Mätzel  in  Wien  konstruierte,  als  das  voll- 
kommenste. Die  Maschine  besteht  aus  einem  durch  ein  Räder- 
werk in  Bewepunff  gesetzten,  aufrecht  stehenden  Pendel,  der 
vor  einer  Graatafel  schwingt  und  dessen  Bewegung  durch  ein 
verschiebbar  ap  ihm  angebrachtes  Bleigewicht  in  verschiedenen 
Graden  beschleunigt  oder  verzögert  werden  kann.  Der  Kom- 
ponist sucht  nun  cien  Grad  auf,  auf  den  gestellt,  der  Pendel  das 
Zeitmass  einer  ganzen,  halben,  Viertel-  u.  s.  w.  Note  angibt,  wie 
•er  dasselbe  für  seine  Komposition  gedacht  hat  oder  wünscht, 
und  verzeichnet  diesen  Grad  mit  beigesetzter  Note  am  Anfange 
des  Stückes.    So   deutet  beispielsweise  M-M   (Mälzls  Metronom) 

oder  Mlzl  (Mälzl)  oder  M  (Metronom)  ^  =  50  an,  dass  eine  halbe 

Note  so  lange  dauern  soll,  als  ein  Pendelschlag,  wenn  das  regu- 
lierende Gewicht  auf  50  (die  Gradtafel  geht  von  50  bis  160)  steht. 
G.  Weber  hat  ein  weniger  kostspieliges,  eigentlich  sehr 
wohlfeiles  Instrument  angefertigt,  das  jeder  sich  selbst  in  kür- 
zester Zeit  anfertigen  kann.  Es  besteht  in  einem  einfachen,  mit 
einem  kleinen  Gewichte  (z.  B.  einer  Bleikugel)  beschwerten  Faden 
von  bestimmter  Länge,  der  an  einem  finde  gehalten  und  am 
Gewichte  durch  einen  massigen  Stoss  in  Bewegung  gesetzt  wird. 
Je  kürzer  der  Faden  ist,  desto  schneller  schwingt  der  Pendel, 
je  länger,  desto  langsamer.  Teilt  man  den  Faden  nach  Zollen 
ein  und  bemerkt  sie  daran,  so  kann  man  wie  am  Metronom,  mit 
ihm  das  Zeitmass  sehr  genau  bemessen.  Eine  vergleichende 
Tafel  des  Metronom  mit  Webers  Fadenpendel  stellt  sich 
also  dar: 


Mälzl. 

Weber. 

Mälzl. 

Weber. 

Mälzl. 

Weber. 

Ifetronom.       Rheinland. 

Metronom. 

Rheinland. 

Metronom. 

Rheinland 

Zoll. 

Zoll. 

Zoll. 

50 

=        55 

76 

=      24 

116 

=        10 

52 

=        50 

:              80 

--.      21 

120 

=          9 

54 

=        47 

!         84 

=      19 

126 

=          8 

56 

=        44 

88 

=      18 

132 

-        7'/, 

58 

=        41 

92 

=      16 

138 

=        7 

60 

=        38 

!        96 

-=      15 

144 

=       6'A 

63 

_.        34 

100 

=      14 

152 

=-       6 

66 

=        31 

104 

=      13 

160 

=        5 

69 

=        29 

108 

-      12 

72      =        26         !       112      =      11         I 

Bei  Anwendung  der  Metronomen  vergesse  man  nicht,  dass 
sie  nur   ein  Fingerzeig  für  die  Auffassung  vonseiten  des  Kom- 
ponisten ist;   jeder   tüchtig  gebildete  Musikdirektor  wird  durch 
Studium  und  Eindringen  in  den  Geist  der  Komposition  den  Grad 
Bewegung  am  sichersten  erkennen;   überdies    kann   es  Um- 
nde  geben,  welche  eine  Abweichung  von  der  metronomischen 
rzeichnung  fordern,  insofern  nämlich  die  grössere  Tonmasse, 
man   zur  Produktion  verwenden   kann,    oder   ein  grösseres 
tal  mindere  Schnelligkeit  des  Tempo  gebieten ;  auch  die  jedes- 
lige  Sthnmung  des  Musikers  wii'd  ihren  Einfluss  auf  die  Auf- 
sung  des  StücKes  äussern,  so  dass  wir  bei  erregterer  Stimmung 


58  Cirus  —  CoUecta. 

das  Tonstüok  lebhafter  als  bei  ruhiger   Gemütsstimmung  vor- 
tragen werden. 

Cirus,  Cirenlns,  Circumflexns,  diejenige  melodische  Figur^ 
bei  welcher  die  Stimme  nach  einer  kleinen  Abweichung  wieder 
in  denselben  Ton  zurückkehrt,  z.  B.  cdc,  che,  gagfg. 
(Hucbald.) 

Clarinette,  Clarinetto,  ein  gewöhnlich  aus  Buchsbaum 
oder  Ebenholz  gefertigtes  Blasinstrument,  das  der  Oboe  ähnlich 
ist,  nur  dass  sem  Mundstück  nicht  wie  bei  dieser  aus  zwei  Blät- 
tern, sondern  aus  einem  einzigen  schnabelförmigen  Stücke  mit 
einem  unten  angefügten  Blättchen  von  spanischem  Rohrholze 
besteht.  Ausser  dem  Mundstück  (die  Birne  genannt)  besteht 
es  aus  zwei  Mittelstücken,  an  welchen  die  Tonlöcher  und 
Klappen  angebracht  sind,  und  an  diese  schliesst  sich  unten  der 
Schalltrichter,  Becher  oder  Stürze,  an.  Die  Clarinette  hat 
einen  vollen,  kräftigen,  aber  weniger  scharfen  Ton  als  die  Oboe; 
in  den  unteren  Regionen  jedoch  klingt  er  dumpf,  dunkel  und 
dick,  in  den  höheren  sehr  hell,  in  den  höchsten  aber  scharf 
schneidend,  am  schönsten  voll  und  weich  in  den  Mitteltönen. 
Der  Umfang  des  Instrumentes  beträgt  überhaupt  vier  Oktaven, 
vom  kleinen  c  bis  zum  dreigestrichenen  a.  Um  es  möglich  zu 
machen,  aus  allen  Tonarten  bequem  und  rein  spielen  zu  können, 
bedient  man  sich  verschieden  stimmender  Clarinetten;  die  ge- 
bräuchlichsten sind  die  C-,  B-  und  A-Clarinette ,  von  denen  die 
erste  ihre  Töne  gibt,  wie  sie  notiert  sind;  die  B-Clarinette  klingt 
um  einen  ganzen  Ton,  die  A-Clarinette  um  eine  kleine  Terz 
tiefer,  als  die  Notierung  zeigt.  Für  das  Orchester  ist  dieses 
Instrument  von  Wichtigkeit ;  auch  als  Soloinstrument  ist  es  eines 
der  glänzendsten  und  ausdruckvollsten,  da  es  alle  möglichen 
Passagen  und  grosse  Modifizierung  des  Tones  gestattet.  —  Er- 
funden ward  die  Clarinette  von  dem  Flötenmacher  J.  Christian 
Denner  in  Nürnberg  um  1690;  zu  allgemeinerem  Gebrauche 
kam  sie  erst  später.  Anfangs  hatte  sie  nur  die  sieben  Tonlöcher 
und  zwei  Klappen;  im  Lauie  der  Zeit  erfuhr  sie  viele  Verbes- 
serungen, namentlich  wurde  die  Zahl  der  Klappen  vermehrt, 
welche  der  berühmte Clarinettist  Iwan  Müller  bis  auf  dreizehn 
brachte.  Um  ihre  Verbesserung  sammelten  sich  noch  Verdienste 
der  Hofmusikus  Stadler  in  Wien  (1801),  Jansen  in  Paris, 
J.  Ziegler  in  Wien,  Friedrich  Czermak  in  Prag  u.  a. 

Clariiio,  s.  Trompete. 

Clausula  (lat.),  s.  Kadenz. 

Clavis,  franz.  clef,  deutsch  Schlüssel,  bedeutet  1)  Taste 
an  den  Klavieren,  Orgeln;  2)  den  Balken  in  der  Orgel  zum  Auf- 
ziehen der  Bälge;  3)  in  älteren  Lehrbüchern  das  Zeichen,  wel- 
ches wir  jetzt  Schlüssel  nennen ;  auch  die  Note  selbst  wird  so 
genannt,  z.  B.  der  Clavis  C        die  Note,  der  Ton  C. 

Cliviö,  Oinis,  s.  Neumen. 

Collecta  (lat.),  heisst  das  Gebet,  die  Oration,  welche  der 
Priester  nach  dem  (iloria  der  heiligen  Messe,  oder  wenn  dieses 
ausfällt,  nach  dem  Kyrie  betet  oder  singt  und  mit  dem  Segens- 
spruch: „Dominus  vobiscum"  einleitet.  An  sie  schliessen  sich 
oft  je  nach  der  Gattung  des  Festes,  oder  wenn  Commemora- 
tionen  von  Heiligen  stattfinden,  noch  eine  oder  mehrere  Orationen 


Colon  —  Completorium.  59 

an.  Die  Gesangsweise  dieser  Orationen  wird  CoUectenton 
genannt  (e.  Oration). 

Colon,  s.  Distinctio. 

Color  flat.),  Farbe.  1)  Guido  benutzte  farbige  Linien  statt 
der  Schlüsselbuchstaben  oder  Schlüsselzeichen  una  zeichnete  die 
F-Linie  mit  roter,  die  C-Linie  mit  gelber  Farbe.  Die  Mensuralisten 
bedienten  sich  auch  roter  Noten,  um  eine  gegenteilige  Mensur 
(perfekt  oder  imperfekt)  anzudeuten,  oder  anzuzeigen,  dass  die 
betreffenden  Noten  um  eine  Oktav  höher  jaresungen  werden,  oder 
auch  um  den  Cantus  firmus  zu  unterscheiden.  Als  im  fünfzehn- 
ten Jahrhunderte  die  weisse  (leere)  Note  höherwertig  als  die 
schwarze  (mit  ausgefülltem  Kopfe)  angenommen  wurde,  verstand 
man  unter  color  die  letztere  Art  Noten  ((jlarean).  2)  Color 
nennt  Marchettus  von  Padua  auch  die  sogenannte  musica  ficta, 
die  Einfügung  chromatischer  Halbtöne  (coTores  ad  pulcritudinem 
oonsonantiarum,  Gerb.  III,  74.  135).  3)  s.  v.  wie  Verzierungen, 
Passagen  u.  dgl.  Die  Sänger,  auch  der  älteren  Zeit,  Hessen  es 
sich  nicht  nehmen,  die  melodische  Führung  der  Stimmen  durch 
sogenannte  Diminution  oder  Fraktion,  d.  i.  Auflösung  grösserer 
Noten quantitäten  in  kolorierende  Figuration  verschönern  zu 
wollen,  so  dass  schon  Josquin  de  Pres  sich  darüber  beklagt. 
Hieronvmus  von  Mähren  beschreibt  in  seinem  Tractatus  de  Musica 
(dreizehntes  Jahrhundert)  die  Koloraturen  (flores),  deren  sich  die 
französischen  Sänger  beim  Choralgesange  bedienten.  Um  der 
verkehrten  Anwendung  zu  begegnen,  setzten  später  die  Meister  die 
gewünschten  Koloraturen  in  ihre  Kompositionen  teilweise  selbst 
ein;  ausserdem  aber  gab  man  gute  Anweisungen,  um  durch 
Kolorieren  einen  Gesang  zu  einem  eleganten  und  zierlichen  zu 
machen,  wie  es  z.  B.  A.  Petit-Coclicus ,  Prätorius  thaten.  Der 
Contrapunctus  floridus  ist  nichts  anderes,  als  eine  bescheidene 
und  vernünftige  Anwendung  des  Kolorierens  auf  die  Komposition. 
Im  Grunde  genommen  sind  auch  die  Ligaturen  und  Neumen 
(Jubilen)  des  Gregorianischen  Chorals  nichts  anderes,  als  Kolo- 
raturen, welche  aie  einfache  Melodie  geschmeidiger,  biegsamer 
und  .schmuckvoller  machen.  In  der  Epoche  der  grossen  Arie 
(siebzehntes  und  achtzehntes  Jahrhundert)  ward  die  Koloratur 
aufs  höchste  getrieben,  wie  sie  sich  in  Arien  von  Händel,  Jo- 
melli,  selbst  noch  von  Mozart  und  Haydn  findet.  Jetzt  ist  sie 
fast  ganz  zurückgedrängt. 

Comes,  s.  Fuge. 

Commissiira ,  bedeutete  ehemals  eine  Tonverbindung ,  bei 
Tvelcher  zwischen  zwei  konsonierende  Töne  eine  Dissonanz  und 
zwar  eine  aus  dem  nächstliegenden  Intervalle  eingeschoben 
wurde.  Geschah  dies  auf  dem  guten  Taktteil,  so  hiess  sie 
commissura  directa,  auf  dem  schlechten  Taktteü  —  com- 
«lissura  cadens. 

Coinmnnio,  s.  Messe. 

Coraplementnm  intervalli  wird  die  Quantität  oder  Inter- 
aUengrösse  genannt,  welche  einem  Intervalle  zur  Ergänzung 
er  Oktave  fetilt  und  die  Umkehrung  bildet. 

Completorium  (die  Vollendung),  der  Schluss  des  kirch- 
ichen  Tagesoffiziums ,  auch  Completa  oder  Complendae 
Tüher   genannt,     ist   gleichsam    das    priesterliche    Abendgebet. 


60  Con  —  Copula. 

Ursprünglich  galt  die  Vesper  als  Abendoffizium;  das  Comple- 
torium  ist  erst  eine  Schöpfung  des  heiligen  Benedikt  und^  er 
bestimmte  hiefür  den  4,  90.  und  133.  Psalm,  wie  es  im  Bene- 
diktinerbrevier noch  jetzt  sich  findet;  im  neunten  Jahrhunderte 
kam  ein  Teil  des  30.  Psalmes  hinzu,  sowie  der  Lobgesang  Si- 
meons  „Nunc  dimittis"  mit  einer  eigenen  Antiphon,  worauf  noch 
Gebete  (jetzt  eine  einzige  Oration)  folgte.  &u  den  Zeiten  des 
heüigen  Gregor  I.  wurde  die  Komplet  nicht  in  der  Kirche ,  son- 
dern in  den  Dormitorien  von  den  Mönchen  gebetet,  und  zwar 
gleich  nach  dem  Nachtessen.  Nach  den  letzten  Versen  begaben 
sich  alle  zur  Ruhe.  —  Die  (drei  oder)  vier  Psalmen,  welche  im 
römischen  Brevier  eine  Antiphon  haben,  werden  im  achten  Psalm- 
tone gesungen;  das  „Nunc  dimittis"  aber  im  dritten  Tone.  Das 
Completorium  bleibt  sich  stets  gleich,  mit  Ausnahme  der  Gebete 
(Preces),  welche  an  den  festis  semidupl.,  simplic.  und  an  den 
Feriis  eingeschoben  werden.  An  die  Oration  und  die  folgenden 
zwei  Versikel  und  Responsorien  nebst  Benediktion  reiht  sich 
unmittelbar  die  der  Zeit  nach  treffende  marianische  Antiphon. 

Con,  ital. ,  mit;  z.  B.  con  fuoco  oder  brio  =  mit  Feuer; 
con  espressione  =  mit  Ausdruck;  con  moto  =  mit  Bewegung; 
con  Sordino  =  mit  dem  Dämpfer;  con  spirito  =  mit  Geist.  —  In 
Zusammensetzung  mit  dem  Artikel  erscheint  col,  coli',  colla, 
cogli,  z.  B.  ooir  arco  (auch  bloss  aroo)  ==  mit  dem  Bogen;  coli' 
ottava  =  mit  der  Oktave  zu  begleiten;  colla  i)arte  ^  mit  der  Haupt- 
atimme,  d.  h.  dass  die  Begleitung  sich  im  Tempo  nach  der  melome- 
führenden  Hauptstimme  richten  soll. 

Concentus,  das  Zusammensingen,  Zusammenklingen,  die 
Übereinstimmung  mehrerer  Stimmen,  sei  es  durch  Unisonogesang 
vieler  Stimmen,  oder  in  Oktaven,  oder  in  Quinten  und  Quarten, 
wie  zu  Hucbalds  Zeiten,  oder  sei  es  in  ordentlicher  Harmonie, 
wie  heutzutage,  wo  dieses  Woiii  so  viel  sagen  will  als  Accord 
(s.  Accentus  eccles.). 

Concordantia ,  bei  den  alten  Theoretikern  soviel  als 
Konsonanz. 

Condnctus,  eine  der  ältesten  mehrstimmigen  Kompositions- 
formen,  wobei   der   Tenor   (cantus   firmus)   nicht  aus  dem  Gre- 
forianischen  Choral   genommen,    sondern    freie  Erfindung   des 
onsetzers  war  (FranKO),  und  sich  wohl  auch  freier  bewegte. 

C4»ndukten  sind  enge  Röhren,  welche  den  Orgelpfeifen, 
welche  nicht  unmittelbar  über  der  Windlade  stehen,  den  Wind 
zuführen. 

Conjunetivum  hiess  in  der  antiken  Musik  und  bei  den 
aus  Boethius  schöpfenden  Theoretikern  das  dritte  Tetrachord 
des  Tonsystems,  insofern  es  mit  dem  letzten  Tone  des  zweiten 
Tetrachordes  anfing;  der  gi*iechisohe  Name  ist  synemmenon. 
Conjunctio  (Synaphe),  bedeutet  also  den  Zusammenhang  zweier 
verbundener  Tetracnorde  (s.  Griech.  Musik).  Hierauf  gründet 
sich  auch  die  alte  Benennung  conjunctiva  (nota)  für  die  ao- 
cidentelle  Erhöhung  oder  Erniedrigung  eines  Tones.  —  Con- 
junctio nannten  alte  Tonlehrer,  wie  Marchettus  de  Padua,  auch 
die  Intervalle,  als  die  Verbindung  der  einzelnen  Töne. 

Continuo,  s.  Basso  continuo. 

Copula  (lat.),  Band,  Verbindung,  bedeutet  1)  eine  Vorrich- 


Corno  —  Dämpfer.  61 

tune  an  der  Orgel,  wodurch  mehrere  Manuale  oder  diese  mit  dem 
Pedal  verbunden  werden  können  (Manual-,  Pedalkoppel).  2J  Göpel 
oder  Koppel  ist  der  Name  einer  achtfüssigen  Labialstimme  in 
der  OrgeL  3)  Copula  war  auch  eine  der  ältesten  zwei-  oder 
dreistimmigen  Kompositionsform,  wobei  eine  oder  zwei  Stimmen 
in  fortgesetzten  Ligaturen  von  z^wei  Noten  bei  schneller  Aus- 
führung sich  bewegten  (Franko,  W.  Odington). 

Corno  (ital.),  s.  Hörn. 

Corpus  (Körper)  nennen  die  Instrumentenmacher  den  Ka- 
sten bei  Klavier-,  Geigen-  und  Lauteninstrumenten. 

Credo,  s.  Messe. 

Crescendo  (s.  Vortragszeichen),  abgekürzt  er  esc, 
wachsend,  zunehmend,  bedeutet,  dass  die  Stärke  des  Tones  oder 
einer  Reihe  von  Tönen  anwachsen,  zunehmen  soll.  Bei  längeren 
Reihen  wird  das  Wort  in  Silben  auseinander  gedehnt  gesetzt; 
bei  kurzen  Stellen  bedient  man  sich  auch  des  2ßichens       i=d> 

Cylindergebläse,  s.  OrgeL 

Cymbalnm,  ein  im  Mittelalter  gebräuchliches  Instrument, 
welches  mit  vielen  Glöcklein  besetzt  war.  Gerbert  führt  in  den 
Script,  einige  alte  Anweisungen  an,  solche  Glöcklein  nach  den 
Tönen  der  C)ktave  herzustellen. 


D. 

D  —  die  zweite  Stufe  der  modernen  diatonischen  Tonreihe^ 
in  der  Solmisation  und  bei  den  Franzosen  und  Italienern  heisst 
sie  Re. 

Da  eapo  (ital.),  vom  Anfange  an,  bedeutet  die  Wieder- 
holung eines  Satzes  bis  zu  einer  mit  „Fine**  bezeichneten  Stelle, 
daher  auch  „Da  capo  al  Fine**.  Die  Wiederholung  eines  Satzes, 
welche  in  den  früheren  Arien  stereotyp  war,  findet  sich  zuerst 
in  den  Opern  von  Alessandro  Scarlatti  (1693). 
Dainenisation.  s.  So If egg io. 

Dämpfer,    ital.  Sordino,    franz.  Sourdine,    ist  eine  me- 
chanische Vorrichtung,    um    den  Ton  musikalischer  Instrumente 
weicher  oder   schwäciier   zu   machen.     Bei   Geigeninstrumenten 
besteht   er   aus   einem    kleinen   dreizackigen   Kamme   aus   Holz, 
Elfenbein  oder  Metall,  dessen  gespaltene  Zacken  auf  den  oberen 
Teil  des  Steges  gesteckt  werden,  ohne  dass  sie  die  Saiten  berüh- 
ren; der  Dämpfer  muss  ganz  genau  auf  den  Steg  passen,  damit 
der  Ton  nicht  schnarrend  und  ungleich  werde.    Bei  Blasinstru- 
menten  besteht   er   aus  einem  gut  abgedrehten  Stückchen  Holz 
(fflr  die  Trompete),  oder  aus  einer  mit  Tuch  überzogenen  hohlen 
^el  von  Pappe,   welche  Vorrichtungen  in  den   Schalltrichter 
3hoben  weroen.    Bei  Klavierinstrumenten  bringt  ein  mit  Tuch 
r  feiner  Wolle  belegter  Körper,  welcher  auf  die  Saite  fällt,  so- 
1  der  Finger  von  der  Taste  gehoben  wird,  die  Dämpfung  hervor. 
Bei  Geigen-  und  Blasinstrumenten  wird  der  Gebrauch  des 
npfers  durch  „con  Sordino",  die  Entfernung  desselben  durch 
nza  Sordino"  angezeigt. 


62  Dasian-Notierung  —  Deklamation. 

Dasian-Notiernng  ist  die  eigentümliche  Tonzeichenschrii 
deren  sich  ein  von  Gerbert  unter  dein  Namen  Hucbald  vorg 
führter  Tonlehrer  des  zehnten  Jahrhunderts  und  seine  Schul 
wohl  nur  zu  Unterrichtszwecken  bediente.  Er  legte  das  Zeiche 
|-  zu  Grunde  und  bildete  durch  Verbindung  desselben  mit 
und  C  und  durch  die  verschiedene  Stellung  dieser  Zeichen  eir 
Tonreihe  von  vier  aneinander  geschlossenen  gleichen  Tetraoho 


D  E  P  G 


a  2  G  d 


den,    welche   der  Reihe:   r  A  B^(^)  C 

e  fis  g  ^      Sc   (eis)   entsprachen.    So  gewann  er  lauter   reir 

Quinten  für  das  Organum.   (Vgl.  Kirchenmusikalisohes  Jahrbuc 
von  Dr.  F.  X.  Haberl,  1891,  S.  3.) 

Deehant  (franz.),  s.  v.  w.»Discantus  (s.  d.). 

Decime,  ist  ein  Intervall,  dessen  Töne  zehn  diatonisch 
Stufen  voneinander  abstehen,  z.  B.  C— e.  Sie  ist  eigentlich  di 
um  die  Oktave  höher  gerückte  Terz  und  wird  aucn  stets  a 
solche  behandelt.  Der  r^ame  Decime  wird  hauptsächlich  ni 
gebraucht,  wenn  vom  Kontrapunkt  die  Rede  ist,  da  die  Umkel 
rung  einer  Stimme  in  die  Terz  verschieden  ist  von  der  Decim 
In  der  Generalbassschrift  wird  sie  mit  10  bezeichnet,  nicht  mit 
wenn  die  Note  eine  Stufe  aufwärts  geht. 

Decrescendo,  abnehmend,  der  Gegensatz  von  crescendc 
anwachsend,  deutet  an,  dass  die  Stärke  des  Tones  in  einer  Noi 
oder  Notenreihe  sich  nach  und  nach  vermindern  soll.  Das  Ze 
chen  dafür  ist 

Deduetio  (lat.),  bezeichnet  schon  bei  Hucbald  die  aufwärl 
gehende  Führung  der  Töne.  Auch  bezeichneten  ältere  Theor< 
tiker  mit  diesem  Worte  eine  Accordfolge,  in  der  eine  Dissonan 
sich  in  eine  Konsonanz  auflöste;  Johann  de  Garlandia  verstau 
darunter  die  vollständige  Benennung  der  Cläves,  z,  B.  C  fa  u 
A  la  mi  *re.  Dann  benannte  man  später  die  sieben  Hexachord 
(naturale,  durale,  moUe),  welche  sich  an  der  guidonischen  Han 
ergeben,  deductiones,  als  von  der  Silbe  ut  fortgeführte  Reiher 
sonst  auch  proprietates  geheissen. 

Deklamation  ist  der  künstlerische,  über  dem  einfache: 
Konversationston  stehende  Redevortrag,  welcher  nicht  blos 
durch  deutliche  und  schöne  Wortaussprache  begrifflich  etwa 
dem  Verstände,  sondern  auch  durch  Mitbeteiligung  der  En 
pfindung  oder  Leidenschaft  es  unserem  Gefühle  nahe  legt.  Aue 
m  der  Musik  redet  man  von  Deklamation,  1)  insofern  der  Korr 
ponist  sich  angelegen  sein  lässt,  dass  er  bei  Gesangmelodiee 
vor  allem  das  Metrische  des  Textes  ins  Auge  fasst  und  di 
accentuierten  und  accentlosen  Silben  korrekt  benandelt,  den  mu 
sikalischen  Accent  mit  dem  musikalischen  zusammenfallen  läss 
und  die  Ein-  und  Abschnitte  beiderseits  wohl  beachtet;  dan 
dass  er  auch  dem  Gefühlsinhalte  durch  Hebung,  Senkung,  Vei 
weilen,  Vorwärtsdrängen  u,  s.  w.  Rechnung  trägt.  (Vgl.  «De 
Sprachgesang"  von  P.  Magnus  Ortwein,  Rgsog.  J.  Seiling  1884 
2)  Insofern  der  Sänger  nicht  bloss  richtig  spricht,  sondern  auc] 
seinen  Gesang  mit  dem  Texte  in  allem  Genannten  übereinstim 
men  lässt  und  zum  Ausdrucke  zu  bringen  sucht,  w^-s  der  Tex 
will   und   der  Komponist   beabsichtigt.    Für   den  Kirchensänge 


Deponere  —  Diaphonie.  63 

ist  eine  richtige  Deklamation,  besonders  für  den  Choralgesang, 
unumgänglich  notwendig. 

Deponere  (lat.)  cantum,  bedeutete  früher:  einen  Gesang 
abwärts  und  seinem  Ende,  seinem  Finaltone  zuführen. 

Desäus  ist  der  franz.  Name  für  Sopran  oder  Diso  an  t. 

D^tache,  franz.  Bezeichnung  des  Abstossens  der  Noten  — 
Stacoato. 

Detonieren,  Detonation,  bedeutet  vornehmlich  beim  Sin- 
gen das  Zuhoch-  und  Zutiefangeben  des  Tones,  das  Abweichen 
vom  richtigen  Tone,  kurz  das  Falschsingen.  Es  hat  seinen  Grund 
teils  in  schlecht  gebildetem  musikalischen  Gehöre,  teils  in  der 
Organisation  der  Stimmwerkzeuge,  teils  in  fehlerhafter  Methodik 
beim  Gesangunterricht;  oft  wird  es  auch  veranlasst  durch  zu 
grosse  Anstrengung,  manchixial  auch  durch  Nachlässigkeit  des 
Sängers.  Häuf&  findet  sich  bei  jungen  Sängern,  dass  sie  in 
einem  tieferen  Tone  enden,  als  in  welchem  sie  angefangen  haben, 
dass  sie  mit  der  Stimme  sinken.  Ist  der  „Grund  davon  nicht 
fehlerhafte  Organisation,  so  kann  diesem  Übelstande  meistens 
abgeholfen  werden,  wenn  der  Sänger  sich  gewöhnt,  ohne  Furcht 
und  mit  einer  edlen  Dreistigkeit  vorzutragen,  wenn  er  sich  einer 
^ten  Haltung  des  Körpers  befleissigt,  seiner  Stimme  nicht  zu 
viel  zumutet,  namentlich  vor  allem  heftigen  Singen  sich  hütet, 
dabei  besondere  Aufmerksamkeit  auf  das  Atemnolen  hat  und 
stets  auf  seine  Stimme  hört,  um  sich  über  den  richtigen  Ton 
Rechenschaft  geben  zu  können. 

Deuterus,  s.  Kirchentöne. 

Diapason,  griechischer  Name  für  Oktav.  Die  Franzosen 
bezeichnen  mit  diesem  Worte  teils  die  Mensur  einiger  Blas- 
instrumente, teils  die  Normaloktav  (D-normal),  teils  den  Stimm - 
ton  (Pariserton)  und  daher  auch  die  Stimmgabel  selbst. 

Diapente,  griechische  Benennung  der  reinen  Quint. 

Diapentisare  bezeichnete  bei  den  alten  Tonlehrern  •  das 
Fortschreiten  in  Quinten,  welches  beim  Organum  stattfand. 

Diaphonie  (griech.)  nannten  die  Griechen  alle  Intervalle 
ausser  der  Oktave  (antiphonia),  der  Quart  und  Ouint  (Symphonia), 
z.  B.  die  Sext,  die  Terz,  wobei  beide  Töne  scharf  auseinander- 
treten, ohne  deswegen  dissonierend  zu  sein.  —  Im  elften  Jahr- 
hunclerte  und  in  den  folgenden  bedeutet  der  Name  einen  Zwie- 
gesang,  oder  auch  einen  von  mehreren  Stimmen  ausgeführten 
Gesang,  wobei  die  verschiedenen  Melodieen  einen  guten  Zu- 
sammenklang geben.  Was  Guido  „Diaphonie*^  nennt,  bezeichnete 
Hucbald  noch  als  „Symphonie",  da  bei  ihm  die  zu  einer  Haupt- 
stimme (vox  prinoipalis,  Cantus  firmus)  eine  zweite  oder  auch 
dritte  und  vierte  nur  in  Quart-,  Quint-  oder  Oktavparallelen  hinzu- 
trat. Bei  Guido  erscheint  die  zweite  Stimme  melodisch  schon 
nifthr  verschieden,  indem  er  über  oder  unter  einem  liegenden 
itus  firmus  auch  Terzen  zulässt  und  an  den  Abscdmitten  (}ie 
len  Stimmen  gegeneinander  gehend  in  Umsono  zusammen- 
fen  läfist  (occursus).  Von  nun  an  wird  der  Name  Diaphonie 
Geschlechtsname,  unter  den  Joh.  de  Muris  alle  Arten  des 
vierzehnten  Jahrhunderte  gebräuchlichen  zwei-  und  mehr- 
mmigen  Kompositionsformen  subsummiert:  Discantus  und 
ganum  mit  seinen  Spezies :  Kondukten,  Motetteq,  Fugen,  Can- 


64  Diaschisma  —  DicJsis. 

tilenen,  Rondellen,  Ochetus,  Copula.  Einen  bloss  zweistimmig 
Gesang  bezeichnet  er  auch  mit  Diaphonia  (vom  griech.  rfv*»  zwc 
einen  dreistimmigen  mit  Triphonia  u.  s.  w.  (Coussem.  IL  395,  Gei 
III.  239.) 

Diaschisma,  s.  Komma. 

Diastemma,  griechischer  Ausdruck  für  kleineres  Int  erva 
(s.  Systema). 

Diatessaron  hiess  bei  den  Griechen  und  alten  Theoretike: 
die  reine  Quart;  „diatessaronare**  bezeichnete  das  Foi 
schreiten  in  Quarten  beim  Organum. 

Diatonisch.  Mit  diesem  Worte,  das  aus  der  griechisch* 
Musik  beibehalten  wurde,  bezeichnet  man  die  Tonleiter,  die  vo 
Grundtone  bis  zu  seiner  Oktave  durch  sieben  Stufen  aufstei^ 
von  denen  zwei  grosse  halbe  Töne,  die  übrigen  ganze  Tone  sin 
als  C  D  E'^F  G  A  H'^c.  Jeder  Gesang,  der  seine  Intervalle  ai 
einer  solchen  Tonleiter  nimmt,  wird  ein  diatonischer  Gesang  g 
nannt;  es  verschlägt  nichts,  wenn  auch  die  Tonreihe  oder  3 
Gesang  auf  andere  Stufen  durch  Anwendung  von  Versetzung 
zeichen  versetzt  wird  (Transponierter  Gesadg),  wenn  ni 
die  diatonischen  Intervallenverhältnisse  beibehalten  und  nicl 
Intervalle  beigezogen  werden,  welche  der  diatonischen  Leiti 
fremd  sind  (cnromatische  und  enharmonische  Töne).  1 
der  heutigen  Musik  kommt  selten  die  diatonische  Tonleiter  rei 
zur  Anwendung,  indem  sie  durch  die  harmonischen  und  melod 
sehen  Ausweichungen  (Modulationen)  sehi*  häufig  unterbreche 
wird.  Die  Choräle  oder  der  Gregorianische  Gesang  sind  in  d( 
diatonischen  Tonweise  geschrieben  und  dulden  mit  Ausnahme  d( 
b  rotundum  keine  leiterfremde  Erhöhung  und  Erniedrigun 
der  Töne. 

Diatonisches  Tongeschlecht  nannten  die  Griechen  di« 
jenige  Anordnung  ihres  Tetrachordes,  welche  einen  Halbton  un 
zwei  ganze  Töne  (h  cd  e)  und  zwar  in  den  verschiedenen  Toi 
arten  m  abwechselnder  Reihenfolge  nacheinander  erscheinen  lies 

Diazeuxis,  Diazengmenon  (disjunctio),  die  Trennun 
zweier  Tetrachorde  (s.  Griechische  Musik). 

Dies  irae,  s.  Sequenzen. 

Diesis  war  bei  den  Griechen  zunächst  ,iede  Teüung  de 
Töne ;  insbesonders  nannten  sie  den  vierten  Teil  eines  Tone 
eine  enharmonische  Diesis,  nach  welcher  Aiistoxenus  auc 
die  Grösse  der  übrigen  Intarvalle  mass.  Analog  den  Grieche: 
hiessen  die  Theoretiker  des  zwölften  und  dreizehnten  Jahrhur 
derts  ein  Intervall,  das  nach  den  mathematischen  Berechnunge: 
keinen  vollen  halben  Ton  ausmachte,  eine  Diesis.  («Cum  al 
quis  tonus  bipartitur  propter  aliquam  consonantiam  colorandan 
prima  pars  toni,  sie  divisi,  si  per  ascensum  fit,  maior  est,  et  vc 
catur  chroma,  pars  vero,  quae  restat,  diesis  dicitur."  Mai 
chettus  de  Päd.  —  Joann.  de  Muris  sagt:  -Semitonium  minu 
vocatur  diesis.")   —   Später   (sechzehntes  Jahrhundert)  verstam 

man  unter  diesem  Worte  das  Erhöhungszeichen  (5  oder  j))  beir 

Semitonium   fictum.   —   Die   Italiener   und  Franzosen  benennei 

noch  das  Kreuz  (jt)  diesis,  di^ze,  und  fügen  diese  Wörter  dei 

Tonnamen  bei,    z.  B.  eis  —  franz.  c  ut  di^ze;  ital.  c  sei  fa  u 


Differentia  —  Dirigieren.  65 

diesis.  —  Vor  dem  sechzehnten  Jahrhunderte  machte  man  von 
der  Diesis  als  der  Erhöhung  eines  Tones  in  der  diatonischen 
Leiter  im  Gregorianischen  Choral  (Cantus  planus)  keinen  Gebrauch; 
für  den  Discantus  sprechen  schon  die  Theoretiker  zu  Ende  des 
zwölften  Jahrhunderts  als  „musica  ficta"  davon. 

Differentia,  s.  Psalm. 

Diffinitio,  s.  Psalm. 

Dilettant,  vom  ital.  dilettante,  bezeichnet  überhaupt 
einen  Liebhaber  der  Kunst,  und  der  Tonkunst  insbesondere,  der 
dieselbe  nicht  ex  professo,  sondern  bloss  zu  seinem  Vergnügen 
treibt,  sich  mit  ihr  nicht  aus  Beruf  abgibt.  Obwohl  man  gewohnt 
ist,  unter  Dilettanten  sich  Leute  vorzustellen,  welche  die  Musik- 
kunst nicht  gründlich  verstehen,  —  ein  Naclüiall  der  Zunft- 
mässigkeit,  —  so  ist  doch  gewiss,  dass  in  ihre  Reihen  eine  sehr 
grosse  Anzahl  der  gebildetsten  Kenner  und  wahrsten  Kunst- 
freunde zählen,  und  auf  der  anderen  Seite,  dem  berufsfertigen 
Musikantentum,  eine  bisweilen  grössere  Anzahl  von  solchen  sich 
findet,  welche  von  der  ästhetischen  und  historischen  Grundlage 
ihi'er  Kunst  nichts  verstehen,  und  lediglich  auf  das  Technische 
losarbeiten  —  handwerksmässig. 

Diminuendo  (abgekürzt  dim.),  vermindernd,  abnehmend 
an  Stärke  des  Tones. 

Diminntio,  war  1)  bei  den  Mensuralisten  die  doppelt  (und 
auch  vierfach)  beschleunigte  Geschwindigkeit,  wodurch  der  Wert 
der  Noten  verringert  wurde.  Die  doppelte  Geschwindigkeit  hiess 
dim.  Simplex,  die  vierfache  dim.  duplex.  2)  Bei  den  Sän- 
gern des  siebzehnten  Jahrhunderts  war  diminutio  eine  Kolora- 
tur und  bestand  in  dei*  Auflösung  einer  längeren  Note  in  mehrere 
§:eschwinde  und  kleinere  Noten,  wie  z.  B.  der  Triller  u.  dgl. 
)  Verringerung  des  Noten  wertes  bei  der  Nachahmung  (s.  Ka- 
non und  Imitation). 

Directanee,  s.  Antiphon. 

Direetorium  chori  bezeichnet  1)  das  Buch,  welches,  spe- 
ciell  zum  Gebrauche  der  Kanoniker  und  anderer  zur  Absingung 
der  kanonischen  Hören  verpflichteter  Kleriker  und  Sänger  be- 
stimmt, die  Intonation  aller  dabei  vorkommenden  Antiphonen, 
Hymnen,  Invitatorien  u.  s.  w.  enthält.  Grosse  Autorität  nat  das 
von  Guidetti  1681  angefertigte  Direetorium,  welches  1874  von 
der  G.  S.  R.  als  offiziell  autorisiert  neu  gedruckt  wurde  (Rgsbg. 
bei  Fr.  Pustet).  2)  Das  Buch,  worin  die  Verrichtungen  des 
Musikchors  und  die  Art  und  Weise  der  Abhaltung  derselben 
aufgeschrieben  sind.  3)  Direetorium  heisst  auch  der  Diöcesan- 
Kirchenkalender,  worin  die  an  jedem  Tage  des  Jahres  treffenden 
Feste  u.  dgl.  für  den  priesterlichen  Dienst  verzeichnet  sind,  von 
dem  auch  ein  Chordirektor  Kenntnis  haben  soll. 

Dirigieren,    das  Leiten  von  Instrumental-   oder  Gesangs- 

ften.    Aufgabe  eines  Dirigenten  ist:    Erzielung  einer  ebenso- 

hl   korrekten  imd  klaren   als   richtigen   und   durchgeistigten 

.'Stellung  des   betreffenden  Tonstückes    durch   entsprechende 

-Wirkung  auf  die  Ausführenden.    Um   seiner  Aufgaoe  zu  ge- 

jen,  bedarf  der  Dirigent  eines  Kirchenchores  einer  stattlichen 

mme  von  geistigen  und  technischen  Eigenschaften :  gründliche 

^ntnis  der  elementaren  und  speciellen  höheren  Musiklehre,  der 

KommüUer,  Lexikon.  5 


r 


66  Diskant. 

Harmonielehi-e  und  des  Kontrapunktes,  des  Chorals;  genügende 
Fertigkeit  im  Partiturlesen,  Kenntnis  der  auf  seinem  Chore  ver- 
wendeten Instrumente,  namentlich  der  Orgel;  Tüchtigkeit  im 
Gesänge  und  im  Unterrichte  desselben;  feines  Grehör  und  richtige 
Auffassung  der  Musikstücke,  hierzu  hinreichende  allgemeine  Bil- 
dung, Kenntnis  der  liturgischen  Vorschriften  imd  Bildung  des 
Geschmackes ;  unverdrossenen  Eifer  und  Energie,  Durchdrungen- 
sein von  d.er  Erhabenheit  des  katholischen  Gottesdienstes.  ( v  gl. 
F.  Witt,  Über  das  Dirigieren,  Rgsbg.  Pustet  1870;  Kornmüller, 
Der  katholische  Kirchenchor,  Landshut,  J,  Thomann,  1868.) 

Diskant,    discantus,    war   ursprünglich   eine    zu   einem 
gegebenen  bestimmten  Gesänge,   Cantus  firmus,  gesungene  Me- 
lodie.    Franco    von   Köln   definiert    das    Wort:    „Discantus    est 
aliquorum  diversorum  cantuum  consonantia,   in   qua   illi  diversi 
cantus  per  voces  longas  et  breves  et  semibreves  proportionaliter 
adequantur   et   in   scripto   per  debitas   figuras  proportionati  ad 
invicem   designantur.'*     Jon.   de   Muris   erklärt   es  in   ähnlicher 
Weise:    „Discantant,   qui   simul   cum   uno   vel  pluribus  dulciter 
cantant,  ut  ex  distinctis  sonis  unus  fiat,  non  unitate  simplicitatis, 
sed  dulcis  concordisque  mixtionis  unione.**   Es  büdete  der  Discan- 
tus die  Anfänge  der  Harmonie  und  des  Kontrapunktes  und  hat 
seinen  Ursprung  wohl  schon  im  elften  und  zwölften  Jahrhunderte. 
Frühzeitig  blühte  er  in  Frankreich  unter  dem  Namen  D^chant, 
welcher  nicht  mensuriert  entweder  syllabisch,    oder  nach  Über- 
einkunft  der   Sänger   nach   Art    eines   melismatischen  Gesanges 
über   den    gehaltenen    Tönen    eines    Cantus    firmus    ausgeführt 
wurde;   letztere  Weise   hiess   auch   fleurettes.    Eine  ebenfalls 
in  Frankreich  einheimische  Art  des  Discantus   waren   die  soge- 
nannten Faux   bourdons  (8.  d.  Art.).  —  Im  Anfange  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts   bezeichnete   Discantus  jeden   zwei-   oder 
mehrstimmigen  mensurierten  (triplex,  quadruplex  cantus)  Gesang. 
Walter  Odington  (um  1217)  macht  eine  umfassendere  Einteilung 
des  Discantus,  von  ihm  werden  fünl  Species  angeführt:  1)  R en- 
de llus,   d.  i.  ein  Gesang,   in   welchem   eine    Stimme   nach   der 
anderen  ein   bestimmtes  Thema   oder   einen  Abschnitt  mit  Bei- 
behaltung  desselben  Textes   (cum   eadem  litera)  wiederholte  — 
Imitation,  Kanon;  2)  Coiiductus,  wobei  alle  Stimmen  mit  einem 
frei  gebildeten  Tenor  in  aller  Freiheit  und  Mannigfaltigkeit  sich 
bewegend  zu  schönem  Zusammenklange  gegeneinander  geführt 
und  geeinigt  wurden;  dieser  Art  waren  besonders  die  Ligaturen 
(gebundene  Noten^ruppen)   eigen,   welche   nur  vokalisiert   wur- 
den, nur  eine  einzige  Silbe  unter  sich  hatten  (sine  litera);   auch 
waren   sie  gewöhnlich   mit   caudis,   figurierten  Kadenzen  oder 
Jubilen  versehen.    3)  Copula,  wo  die  diskantierende  Stimme  in 
bestimmten  Ligaturen  von  zwei  oder  drei  Noten  hinschritt  (Syn- 
kopen).   4)  Motettus,   wenn   über   einen   träfen  Tenor  die  an- 
deren Stimmen  in  schnelleren  Noten   mit  Fesmaltung  eines  be- 
stimmten Modus,   eine   derselben   besonders,  in  Semibreven  sich 
bewegten,  jede  Note  hatte  ihre  Silbe,  jede  Stimme  also  verschie- 
denen Text  (cum  diversis  literis).    5)  Ho q  u  e  t u  s  oder  0  c h e  t u  s , 
wobei  eine  Stimme  schwieg,    während  die  andere  sang,   und  so 
abwechselnd;   die   Pausen   waren   kurz   (s.  d.  Art.).    Diese  Satz- 
manieren scheinen   nur   anfänglich   selbständig  und   bei  kurzen 


Disposition  —  Dissonanz.  67 

Stücken  angewendet  worden  zu  sein ;  bald  traten  sie  gemischt 
auf.  In  der  modernen  Musik  versteht  man  unter  Diskant  die 
höchste  Gattung  der  menschlichen  Stimme  überhaupt,  gleich- 
bedeutend mit  Sopran,  auch  Canto  genannt. 

Disposition  einer  Orgel  ist  1)  die  vor  dem  Baue  einer 
Orgel  schriftlich  festzustellende  Anordnung  des  Baues  bezüglich 
der  Anzahl  und  Verteilung  der  Register,  der  Bälge,  der  Mecha- 
nik u.  s.  w.  2)  Die  summarische  Beschreibung  einer  schon  be- 
stehenden Orj^el,  besonders  nach  Zahl  und  Art  der  Register,  Kop- 
peln, Kollektivzüge  u.  s.  w. 

Dissonanz,  Disco rdanz,  von  Marchettus  auch  Diapho- 
nie  bezeichnet,  ist  das  Verhältnis  zweier  oder  mehrerer  Töne, 
deren  Zusammenklang  ein  Gefühl  des  Unbefriedigtseins,  der 
Unruhe  hervorruft;  speciell  den  Ton  des  Intervalles  oder  die 
Töne  eines  Accordes,  welche  durch  ihre  Eigenschaft  als  stre- 
bende Töne  (Töne,  welche  eine  bestimmte  Fortschreitung  eine 
Stufe  auf-  oder  abwärts  verlangen)  eben  das  Unbefriedigende, 
Ungesättigte  verursachen.  In  arithmetischer  Beziehung  sind  ihre 
Schwingungsverhältnisse  komplizierter  als  die  der  Konsonanzen. 
Fr  an  CO  teilt  die  Dissonanzen  in  a)  vollkommene:  Sekunde, 
übermässige  Quart  (Tritonus),  und  kleine  und  grosse  Septime; 
b)  unvollkommene:  grosse  und  kleine  Sext.  Die  neuere  Musik 
kennt  auch  a)  unvollkonimene  Dissonanzen,  als:  verminderte 
Quint  und  kleine  Septime  mit  ihren  Umkehrungen,  der  über- 
mässigen Ouart  und  grossen  Sekunde;  ferner  (fie  verminderte 
Terz  und  übermässige  Quint  mit  ihren  Umkehrungen ,  der  über- 
mässigen Sext  und  verminderten  Quart,  endlich  die  übermässige 
Sekunde;  b)  vollkommene  Dissonanzen:  die  übermässige 
Prime,  verminderte  Oktave,  kleine  Sekunde  und  grosse  Septime, 
sowie  alle  mehrfach  erhöhten  oder  erniedrigten  Töne  im  Ver- 
hältnisse zur  Tonica.  Einige  Theoretiker  teuen  sie  auch  1)  in 
wesentliche,  welche  zum  Wesen  eines  Stamm-  oder  abgelei- 
teten Accordes  gehören;  2)  in  zufällige,  welche  alle  nicht 
wesentlichen  und  harmoniefremden  Töne  eines  Accordes  in  sich 
begi'eifen.    (Durchgänge,  Vorhalte  etc.) 

In   der  älteren  Tonlehre   und   Tonpraxis    (sowie   in    dem 
Stile,   den   man   heutzutage   den   strengen  Stil  nennt),   durfte 
kein  dissonierendes  Intervall,  mit  Ausnahme  der  durchgehenden 
Noten,   frei   eintreten,    sondern   musste    vorbereitet   werden, 
d.  h.  der  Ton,   welcher   zu   den  gleichzeitig  erklingenden  Tönen 
in  ein  «dissonierendes  Verhältnis  treten  sollte,  musste  unmittelbar 
vorher  schon  als  ein  konsonierendes  Intervall  zu  den  ihn  beglei- 
tenden  Tönen   erschienen  sein;    auch   musste   es   sich   gehörig 
auflösen,    d.  h.  in  eben  derselben  Stimme,   in  welcher  es  vor- 
kam, stufenweise  um  einen  ganzen  oder  einengrossen  halben 
Ton  in   die   nächst  gelegene  Konsonanz  der  Tonart,   auf-   oder 
ibwärts,  je  nach  der  Art  des  dissonierenden  Intervalls  fortschrei- 
en.    Die  in  neuester  Zeit  aufgestellte  Theorie,  welche  jeden  Ton 
Is  Vertreter  eines  Dreiklanges  betrachtet,  erklärt  die  Dissonanz 
ds   eine  Störung   der   einheitlichen   Auffassung    der   zu    einem 
Klange   (Accorde)   zusammengehörigen   Töne   durch   einen   oder 
mehrere  Töne,   welche   als  Vertreter  eines  anderen  Klanges  an- 
gesehen werden  müssen. 

5* 


68  Dissonanzaocorde  —  Dominante. 

Die  neuere  Musik  hat  sieh  von  der  Vorbereitung  der  Dis- 
sonanzen fast  ganz  losgesagt,  und  lässt  sie  völlig  frei  eintreten. 
Die  regelmässige  Auflösung  wird  oft  auch  übergangen  und  von 
Dissonanz  zu  Dissonanz  fortgeschritten,  was  Ellipse  oder  Trug- 
fortschreitung  genannt  wird. 

Dissonanzaccorde  sind  alle  Accorde  ausser  dem  Dur-  und 
Moll-Dreiklang,  also  1)  alle  Septimenaccorde,  2)  alle  Nonaccorde, 
3)  der  übermässige  und  verminderte  Dreiklang,  4)  alle  Vorhalts- 
und alterierten  Accorde. 

Distinctio  (lat.)  bedeutet  im  Gregorianischen  Chorale  einen 
Einschnitt  oder  ein  kürzeres  oder  längeres  Absetzen,  welches 
teils  durch  die  Interpunktion  des  Textes,  teils  durch  die  Gestal- 
tung der  Melodie  gefordert  ist.  Hucbald  sagt:  „Eodem  modo 
cantilena  distinguitur ,  quo  et  sententia :  quippe  tenor  Spiritus 
humani  per  coTa  et  commata  discurrendo  quiescit."  Wie  die 
Beobachtung  der  Interpunktionen  beim  Lese  vortrage  zum  Ver- 
ständnisse notwendig  ist,  so  ist  es  auch  der  Fall  mit  den  Di- 
stinktionen  beim  Gesänge.  Deshalb  ward  auch  als  Regel  auf- 
gestellt, dass  die  Melodie  in  den  Abschnitten  mit  deni  Texte 
übereinstimmen  müsse,  und  es  war  selbst  nicht  gleichgültig,  auf 
welchen  Ton  einer  Tonart  (Oktavenreihe,  Kirchenton)  man  eine 
Distinktion  setzte.  In  den  neueren  Choralbüchern  sind  diese 
Abschnitte  mit  den  sogenannten  Suspirien  angezeigt.  Guido 
definiert  die  Distinktion  überhaupt  als  einen  bequemen  Ort  oder 
Punkt  zum  Atemholen  und  nennt  sie  auch  partes,  Teile  der 
Melodie;  Joh.  Cottonius  unterscheidet  zwischen  cola,  commata. 
periodus  nach  Art  der  von  Cicero  und  Quintilian  für  den  Rede- 
vortrag gegebenen  Vorschriften.  —  Man  bezeichnete  dann  mit 
diesem  Worte  den  so  begrenzten  Teil  (Satz)  selbst. 

Ditonus,  alte  Bezeichnung  der  grossen  Terz. 

Divisi  —  geteilt,  steht  m  Stimmen  für  Streichinstrumente 
über  denjenigen  doppelgriffigen  Passagen,  welche  nicht  von 
einem,  sondern  von  zwei  Spielern,  deren  einer  die  höheren,  der 
andere  die  tieferen  Noten  übernimmt,  ausgeführt  werden  sollen. 

Divisio,  Teilung;  divisio  monochordi,  die  Einteilung 
und  Abmessung  des  Monochords;  divisio  modi  —  punctum 
divisionis,  s.  Punkt. 

Dolce,  sanft,  lieblich,  eine  Vertragsbestimmung,  auch 
Name  eines  Orgelregisters. 

Dominante,  lat.  dominans,  der  herrschende  Ton,  der- 
jenige Ton,  welcher  über  dem  Grundtone  (Tonica)  sich  besonders 
Demerklich  macht.  Im  neueren  Harmoniesysteme  ist  es  die 
Quint  der  Tonart,  von  älteren  Lehrern  „Quinta  toni"  genannt. 
Im  Gregorianischen  Tonsjsteme  nimmt  die  Dominante  eine  ver- 
schiedene Stufe  ein;  so  ist  der  herrschende  Ton,  d.  i.  derjenige, 
welcher  über  den  Finalton  am  meisten  hervortritt  und  besonders 
im  Psalmengesang  am  meisten  gehört  wird,  im  ersten  Ku'chen- 
tone  die  Quint,  im  zweiten  die  Terz  über  der  Finale  D;  im 
dritten  die  Sext,  im  vierten  die  Quart  über  der  Finale  E,  im 
fünften  die  Quint  und  im  sechsten  die  Terz  über  der  Finale  F, 
im  siebenten  die  Quint  und  im  achten  die  Quart  über  der 
Finale  G. 

Das  neue  System  kennt  nur  für  jede  Tonart  eine  Domi- 


Doppelgi'iflFe  —  Dupla  proportio.  69 

iaante,  nämlich  die  Oberquint  der  Tonart;  neben  dieser  wird  die 
Quart  (Unterquint)  noch  als  Nebendominante  bezeichnet  mit 
dem  Namen  Unter  dominante,  während  die  Haupt-  oder  to- 
nische Dominante  die  Ob  er  domin  ante  heisst.  Sie  verdanken 
ihre  Geltung  den  harmonischen  Beziehungen  und  der  Verwandt- 
schaft der  Tonarten. 

Doppelgriife  nennt  man  eine  zweistimmige  Intonation  auf 
Saiteninstrumenten,  oder  das  Angeben  zweier  Töne  zu  gleicher  Zeit. 

Doppelte  Intervalle  werden  diejenigen  Intervalle  genannt, 
welche  die  Oktave  überschreiten,  und  gewissermassen  als  die 
doppelte  Stufe  der  ersten  Oktave  zu  betrachten  sind. 

Dorisch,  s.  Kirchen  ton  arten. 

Doxologie  bezeichnet  einen  Lobspruch  oder  eine  Formel 
2ur  Verherrlichung  Gottes.  Die  vollständigeren  Doxologien  ent- 
halten immer  das  Lob  der  heiligsten  Dreieinigkeit.  Man  ver- 
wendete sie  hauptsächlich  zum  Beschlüsse  der  feierlichen  Gebete, 
Oesänge,  Predigten  als  die  Krone  des  Ganzen.  In  solcher  Weise 
sind  die  Schlussstrophen  der  meisten  Kirchenlieder  und  Hvmnen 
auch  Doxologien,  werden  aber  nicht  so  genannt.  Nach  dem 
alten  Sprachgebrauche  der  Kirche  werden  unter  dem  Worte 
^Doxologie"  hauptsächlich  nur  zwei  Verherrlichungsformeln  ver- 
standen: das  „Gloria  in  excelsis  Deo**,  welches  die  grössere 
Doxologie  ist  und  an  gewissen  Tagen  und  Festen  in  der  heiligen 
Messe  gebetet  oder  gesungen  wira;  und  das  „Gloria  Patri**  etc., 
welches  die  kleinere  Doxologie  heisst  und  am  Schlüsse  des 
Eingangsspruches  im  Offizium  in  den  Hören,  am  Schlüsse  der 
Psahnen,  beim  Introitus  der  heiligen  Messe  u.  dgl.  (vom  Passions- 
sonntag bis  Karsamstag  bleibt  es  in  der  heiligen  Messe  und'  im 
Tagesorazium,  mit  Ausnahme  nach  dem  „Domine  ad  adjuvandum" 
und  den  Psalmen  weg ;  in  den  letzten  drei  Tagen  der  Karwoche 
auch  nach  den  Psalmen)  vorgeschrieben  ist.  Beide  Doxologien 
reichen  ins  hohe  christliche  Altertum  hinauf.  Bei  „Gloria  Patri"  etc. 
ist  es  Vorschrift,  das  Haupt  zu  entblössen,  eine  tiefe  Verbeugung 
zu  machen  und  erst  bei  „Sicut  erat"  sich  wieder  aufzurichten. 

Dreiklang,  s.  Accord. 

Dreistimmig  (triphonisch)  nennt  man  einen  Tonsatz,  in 
welchem  sich  eine  Ober-,  Mittel-  und  Unterstimme  vereinigen, 
sei  es  nun ,  dass  diese  Vereinigung  auf  einem  Instrumente 
(Klavier  u.  dgl.)  oder  auf  verscniedenen  hergestellt  wird 
(Trio),  oder  dass  drei  Singstimraen  das  dreistimmige  Verhältnis 
ergeben  (Terzett).    Die   ältesten   bekannten  Beispiele   von   tri- 

Shonischer  Harmonie   fallen   in   das   dreizehnte  und   vierzehnte 
ahrhundert,  wie  z.  B.  die  Lieder  des  Adam  de  la  Haie  oder  des 
Francesco  Landino. 

Duett,  ital.  D netto,  frz.  Duo,  ist  ein  Tonstück,  welches 
1  zwe^  obligaten  Singstimmen  oder  Instrumenten  ausgeführt 
•d,  in  der  Weise,  dass  beide  Stimmen  gleiche  Rechte  als  Haupt- 
nmen  haben. 

Duodecime,   bei   den   Alten  Diapason   cum  Diapente,   die 
ölfte   Stufe   der   Tonleiter,    die    um   eine   Oktave  liöher   ge- 
.41te  Quint. 

Dupla  proportio,  in  der  Mensuraltheorie  die  Beschleuni* 
lg  des  Tempos  auf  das  Doppelte. 


70 


Dur  —  Durchgang. 


Dur,  vom  lat.  durus.  hart,  ursprünglich  zur  Bezeichnung 
des  harten  B,  b  (unsers  H,  n)  zum  Unterschiede  von  dem  weichen 
B  (b  rotundum)  gebraucht.  Beim  Beginne  der  Solmisation  nannte 
man  das  Hexachord  g  —  e  wepen.  des  darin  gebrauchten  ji| ,  h 
hexachordum  dm*um,  und  als  die  modernen  Tonarten  aufkamen,, 
hiess  man  die  Tonart  mit  der  grossen  Terz  >  Durtonart  und  den 
grossen  Dreiklang  einen  Duraccord. 

Durchkomponiert  ist  ein  in  Strophen  abgeteiltes  Lied 
(Hymnus),  wenn  nicht  für  alle  dieselbe  Melodie  beibehalten  wird> 
sondeim  einzelne  oder  mehrere  besonders  behandelt  sind.  So 
auch  bezüglich  der  Psalmverse. 

Durchführung  heisst  die  kunstgemässe  Verarbeitung  eines 
oder  mehrerer  Themate  zu  einem  Tonstüoke,  so  besonders 
in  Fugen. 

Durchgang,  Transitus,  durchgehende  Noten,  sind 
solche,  welche  nicht  in  einer  zu  Grunde  liegenden  Harmonie 
enthalten  sind,  insgemein  einer  zur  Harmonie  gehörenden  Note 
vorangehen  oder  folgen;  sie  dienen,  die  sich  fo&enden  harmoni- 
schen Töne  enger  zu  verknüpfen  und  melodison  fliessender  zu 
machen.  Man  unterscheidet  reguläre  Durchgangstöne  a).  — 
solche,  welche  auf  dem  schlechten  TaktteÜe  ihr^n  Platz  haben» 
und  irreguläre  Durchgangstöne  b),  —  solche,  welche  auf  dem 
guten  oder  schweren  TaktteUe  an  der  Stelle  eines  harmonischen 
Intervalls  stehen,  in  welches  sie  übergehen  oder  sich  auflösen^ 
wesshalb  sie  aucn  Weohselnoten  heissen. 


Zwischen  die  harmonischen  Hauptnoten  können  mehrere 
Durchgangsnoten  eingeschoben  werden,  sowie  auch  sprung- 
weise eintreten,  nur  müssen  sie  stufenweise  zur  Hauptnote 
übergehen.  Oft  erscheinen  sie  in  mehreren  Stimmen  zugleich 
und  oilden  dann  Durchgangsaccorde.  Hierher  kann  man 
auch  die  meisten  Accorde  der  Orgelpunkt-Harmonien  rechnen  a). 


a 


3#lä^^^^ 


i: 


7 

5 


Doch  lassen  manchmal  die  Durchgangsaccorde  auch  eine 
andere  Deutung  zu,  dass  sie  nämlich  als  harmonisch  selbständig 
sich  darstellen,  wie  im  obigen  Beispiele  b. 


Durohsteohen  —  Engführung.  71 

Durchstechen  des  Windes  in  der  Orgel  ist  ein  gedämpftes 
Mitklingen  fremder  Töne,  welches  dadurch  veranlasst  wird,  dass 
die  Kanzellenschiede  nicht  dicht  genug  sind,  oder  dass  sich 
Pfeifenstöcke  von  den  Dämmen  abheben  oder  die  Schleifen  nicht 
festUegen.  Auch  kann  eine  ähnliche  Erscheinung  vorkommen, 
wenn  zwei  mit  den  Aufschnitten  einander  zugekehrte  Pfeifen 
zu  nahe  beieinander  stehen. 

Dux,  8.  Fuge. 

Dynamik  (^iech.),  d.  i.  die  Lehre  von  den  Kräften  und 
den  durch  sie  hervorgerufenen  Bewegungen,  ist  ein  Teil  der 
Lehre  vom  musikalischen  Vortrage,  und  betriflFt  die  verschie- 
denen Abstufungen  der  Stärke  und  Schwäche  des  Tones  vom 
fo  bis  zum  pp.  Die  gehörige  Anwendung  dieser  Abstufungen 
ist  ein  vorzügliches  Wirkungsmittel  der  musikalisphen  Kunst. 


E. 


,E,  ist  die  dritte  diatonische  Stufe  unseres  heutigen  Ton- 
systems; die  Franzosen  und  Italiener  benennen  sie  mi  (s.  Sol- 
misation). 

Echo,  s.  Akustik. 

Echelle,  der  französische  Name  für  Tonleiter. 

Ecmeles  voees  nannten  die  Alten  diejenigen  Töne  oder 
Intervalle,  welche  für  die  Melodie  unbrauchbar  waren,  wie  der 
Tritonus  und  die  verminderte  Quint. 

Einklang  (lat.  unisonus  und  aequisonus),  die  vollkommene 
Übereinstimmung  zweier  Töne  von  gleicher  Dauer  und  Höhe. 

Einspielen  bedeutet  1)  das  Bestreben,  durch  fleissige  Übung 
sich  an  ein  Instrument  oder  an  eine  Spielart  gewöhnen ;  2)  die 
Bemühung,  durch  fleissigen  und  zwecKmässigen  Gebrauch  den 
rauhen,  ungleichartigen,  mangelhaften  Ton  eines  neuen  Instru- 
mentes zu  verbessern,  was  man  häufiger  „ausspielen"  nennt; 
3)  bezeichnet  man  damit  auf  Kirchenchören  ein  in  die  Tonart  eines 
vorzutragenden  Musikstückes  einleitendes  Präludium  der  Orgel. 

Eintreten,  Einsetzen,  Eintritt  bezeichnet  den  Zeitpunkt, 
mit  welchem  in  einer  mehrstimmigen  Musik  eine  jede  Stimme 
nach  vorhergegangenen  Pausen  zu  singen  oder  zu  spielen  an- 
föngt,  am  öftesten  kommt  dieser  Ausdruck  bei  Fugen,  überhaupt 
bei  einer  im  kanonischen  Stile  gesetzten  Musik  vor,  wo  gewöhn- 
lich eine  Stimme  nach  der  anderen  beginnt,  eintritt. 

Embfmchnre  —  (franz.)  bedeutet  den  Ansatz  des  Mundes 
oder  die  Art  und  Weise,  ein  Blasinstrument  an  den  Mund  zu 
)ringen  und  die  Stellung  der  Lippen  zur  Hervorbringung  des 
Tones  auf  demselben  zu  bilden.  Vom  Ansätze  hängt  es  ab, 
jb  der  Ton  voll  oder  dünn,  angenehm  oder  hart  zum  Vor- 
schein kommt. 

Emmeles  voces  nannten  die  Alten  die  für  den  Gesang 
brauchbaren  Töne  oder  Intei'valle. 

Engfährnng,  s,  Fuge. 


' 


72  Enharmonisch  —  Exequiae. 

Enharmonisch  heissen  zwei  Töne,  die  von  zwei  Tonstufen 
abgeleitet,  nur  als  ein  Ton,  auf  derselben  Tonhöhe  angegeben 
werden,  obwohl  eigentlich  ein  geringer  Unterschied  der  Tonhöhe 
stattfinden  sollte,  welcher  Unterschied  durch  die  gleichschwe- 
bende Temperatur  des  modernen  Tonsjstems  aufgehoben  wird. 
(Auf  der  Violine  beobachten  gute  Spieler  noch  diesen  Unter- 
schied.) So  ist  im  Grunde  z.  B.  eis  nöher  als  des,  und  beide 
Töne  gehören  verschiedenen  Tonstulen  an,  sie  werden  aber  auf 
derselben  Höhe  intoniert. 

Enharmonische  Verwechslung  findet  statt,  wenn  die  Ton- 
stufen verwechselt  werden,  ohne  die  Tonhöhe  zu  ändern;  wenn 
z.  B.  gis  anstatt  as  gesetzt  wird;  enharmonische  Accorde 
sind  demnach  jene,  die  bei  abweichender  Benennung  einiger  oder 
aller  Töne  doch  ganz  gleich  klingen.  So  klingt  z.  B.  der  Sept- 
accord  c,  e,  g,  b  ganz  gleich  mit  dem  übermässigen  Quintsext- 
Accorde  c,  e,  g,  ais,  wenn  auch  deren  Bedeutung  hinsichtlich 
der  durch  sie  stattfindenden  Modulation  eine  verschiedene  ist. 
Enharmonische  Tonleiter  ist  die  Darstellung  der  Tonleiter 
mit  ihren  Zwischentönen,  welche  mit  ihren  doppelten  Zeichen 
geschrieben  werden,  als :  c,  eis,  des,  d,  dis,  es,  e,  f,  fis,  ges  u.  s.  w. 

Enharmonisches  Geschlecht,  s.  Grieschische  Musik. 

Epistel,  s.  Messe. 

Epitritus,  das  Verhältnis  von  3:  4  (Quart). 

Epogdons,  das  überteilige  Verhältnis  von  8 :  9  (ganzer  Ton). 

Erhöhung  nennt  man  diejenige  Veränderung  der  sieben 
Tonstufen  c,  d,  e,  f,  g,  a,  h,  durch  welche  diese  Stufen  in  den 
zunächst  darüber  liegenden  kleinen  halben  Ton  umgewandelt 
werden;  bei  doppelter  Erhöhung  findet  dieses  um  einen  ganzen 
Ton  statt.  Diese  neuen,  erhöhten  Töne  behalten  den  Namen 
ihres  Stammtones,  und  werden  nur  durch  die  Anhängung  der 
Silbe   is   für   die  einfache    und  isis   für   die   doppelte  Erhönung 

unterschieden.    Das  Erhöhungszeichen  ist  das  Kreuz  Jf,   für 

doppelte  Erhöhung  jj^  H  oder  ^. 

Erniedrigung  ist  hingegen  die  Umwandlung  der  na.tür- 
lichen   Tonstufen   m  den   zunächst  unterhalb  liegenden  kleinen 

halben  Ton;  sie  wird  angezeigt  durch  das  Zeichen  !?,  bei  dop- 
pelter Erniedrigung  b!?,  und  den  ursprünglichen  Tonnamen  wird 

die  Silbe  es  angehängt,  als:  des,  es,  fes,  ges,  statt  hes  sagt  man 
b.    Bei  doppelter  Erniedrigung  wird  noch  ein  es  angefügt,  also: 

deses,  asas,  —  bb.  Soll  ein  durch  j}  erhöhter  Ton  wieder  ernie- 
driget werden,  so  setzt  man  ihm  das  Zeichen  tll  vor. 

Espressione  (ital.),  der  Ausdruck,  con  espres.  mit  Ausdruck. 

Euphonie  (griech.)  bedeutet  den  Wohllaut,  Wohlklang  der 
Töne  oder  der  Harmonie. 

Evovae,  eigentlich  Euouae,  ist  eine  Zusammenstellung 
der  sechs  Vokale  der  Wörter  Seculorum  Amen,  mit  welchen 
die  Doxologie  oder  das  Gloria  Patri  am  Schlüsse  eines  ieden 
Psalmes  sich  endiget.  Man  bedient  sich  der  Vokale  dieser  Scnluss* 
Worte  zur  Unterlage  unter  die  Töne,  welche  den  jedesmaligen 
Psalm  ton- Ausgang  anzeigen. 

Exequiae,    Begräbnisfeier.     Alle  nur  einigermassen  ge- 


Exequiae.  73 

bildeten  Völker  hielten  die  Leiber  der  Verstorbenen   in  Ehren 
und  legten   sie  unter  gewissen  Ceremonien  zur  Ruhe  entweder 
in  Gräbern  oder  Leiehenkammern  oder  verbrannten  sie.    Um  so 
mehr  ehren  die  Christen  die  Leiber  ihrer  Verstorbenen  als  Tempel 
des  heiligen  Geistes,   als  Hüllen  geheiligter  Seelen,   Gefässe  der 
Gnade,  welche  einst  am  grossen  Tage  der  Auferstehung  mit  der 
Seele  wieder  vereiniget  und  verklärt  die  himmlischen  Wohnun- 
gen betreten  sollen;   zugleich  widmet  die  erbarmungsvoUe ,   mit- 
leidige Liebe  der   katholischen  Kirche   ihre   Gebete  und   Opfer 
den  abgeschiedenen  Seelen,  um  die  ihnen  wegen  zeitlicher  Sünden- 
strafen, w«gen  anklebender  Mängel  und  Fehler  noch  zu  erstehen- 
den Leiden   abzukürzen.    Die   katholische  Kirche  lässt  nur  zwei 
Bestattungsweisen  zu.    Bestattung  des  Leichnams   in   der  Erde, 
und  Aufbewahrung  des  einbalsamierten  Leichnams    in  geweih- 
ten Grüften  und  Totenkapellen.  In  den  ersten  Zeiten  des  Christen- 
tums geschah  die  Begräbnis  gewöhnlich  mit  gi'osser  Feierlichkeit 
und  war  unmittelbar  mit  dem  heiligen  Messopfer  verbunden;  bei 
dem   Leichenbegängnisse   sang  man  Psalmen,   Antiphonen   und 
Responsorien.    Im  allgemeiiien   bestattet   die  katholische  Kirche 
die  Leiber   ihrer  Abgestorbenen   noch  jetzt   unter  fast  gleichem 
Geremoniell   zur  Erde   und   bringt  das  heilige  Messopfer  für  die 
abgeschiedenen  Seelen  dar.    Die  ganze  Begräbnis  besteht  in  Fol- 
gendem:   1)  In   der  Aussegnung   der  Leiche  oder  Empfang- 
nahme des  Leichnams  von  Seiten  der  Kirche  zur  Begräbnis.    Die 
Antiphon   „Si  iniquitates"    mit   dem  Psalme  ^De   profundis"    im 
VII.  Tone  beginnt  den  Akt,  und  führt  den  Gläubigen  das  strenge 
Gericht  Gottes  zu  Gemüte,   erinnernd  an  die  Sündhaftigkeit  des 
Menschen,   worauf  der  Priester  nach  einigeti  Versikeln  und  Re- 
sponsorien die  Seele  des  Verstorbenen  der  Barmherzigkeit  Gottes 
empfiehlt.    Darnach  stimmt  er  die  Antiphon  -Exultabunt  Domino* 
an  und   der  Chor  fährt  mit  dem  Psalme  „Miserere",   einem  fortr 
gesetzten  Flehen  um  Gnade  und  Erbarmung,  auf  dem  Wege  zur 
Grabstätte  fort.    Die  wunderschöne  Antiphon:  „Subvenite  angeli" 
beim  Eintritte   in  den  Gottesacker  ist  ein  Zuruf  an  die  heiligen 
Engel,    die  Seele  des  Bruders   an   der  Pforte   des  Paradieses   in 
Empfang    zu  nehmen   und   in   die  Wohnungen  der  Seligen  ein- 
zuführen.   Am  Grabe   wird   das  „Requiem  aeternam*"   gesungen, 
und  nachdem  der  Priester  die  Leiche  ins  Grab  eingesegnet,   be- 
ginnt  er  die   Antiphon    „Ego    sum"   und   singt   mit  dem  Chore 
wechselweise  das  Canticum  Zachariae  „Benedictus"  im  IL  Kircheh- 
tone,  welches  ein  schöner  Erguss  des  kindlichen  Vertrauens  auf 
die   Erlösung   ist.    Am  Schlüsse   wird   die  Antiphon   „Ego   sum 
resurrectio  et  vita"  („ich  bin  die  Auferstehung  und  das  LebenJ^) 
ganz    abgesungen   und   einige   Versikel,    Responsorien   und  die 
Oration  beschliessen  diesen  Akt.  Zu  der  Begräbnisfeier  gehört  2)  das 
heilige  Messopfer    für  die  Verstorbenen,    Requiem  genannt 
dem  ersten  Worte  des  Introitus  des  dabei  gebrauchten  Mess- 
nulars.    Ehedem   wurde   es  in  Gegenwart  des   in  der  Kirche 
lergesetzten  Leichnams,    also   vor  der  Begräbnis   abgehalten, 
che   heilige  Messopfer  für   die   Seelenruhe   der  Verstorbenen 
pden  auch  am  3.,  1  und  30.  Tage  abgehalten,  woher  noch  die 
•räuchlichen  Namen  der  Leichengottesdienste :  der  Siebente, 
Dreissigste  (s.  Absolutio). 


1 


74  F  —  Falßobordone. 


F. 


F  —  fa,  Solmisationssilbe,  welche  immer  einen  halben  Ton 
(mi>  unter  sich  hat  und  bald  den  Ton  f,  bald  den  Ton  c,  bald  7 
andeutet,  s.  Solmisation. 

Fagott,  ital.  Fagotto,  franz.  Basson,  ein  Blasinstrument 
von  Holz  mit  Tonlöchera  und  Klappen,  welches  von  einem  Ka- 
nonikus Afranio  zu  Ferrara  1539  aus  dem  sogenannten  Pommer 
oder  Bombard  konstruiert  wurde,  indem  er  die  lange  Röhre 
desselben  bog,  zusammenlegte  und  mit  einem  Mundstücke 
eleich  dem  der  Oboe  versah.  —  Der  Fagott  besteht  aus  zwei 
Röhren  von  Ahomholz,  die  von  ungleicher  Länge  in  ein  drittes 
Stück  Holz  nebeneinander  eingezapft  sind.  In  diese  drei  Teile 
sind  acht  Tonlöcher  und  zehn  Klappen  verteilt.  Im  kürzeren 
Rohre ,  dem  sogenannten  Flügelrohre,  steckt  oben  eine 
schwache,  messmgene  Röhre,  welche  gegen  ihre  Mündung  zu 
immer  enger  zuläuft  und  in  Gestalt  eines  lateinischen  S  gebogen 
ist,  weshalb  sie  auch  das  Fagott-Es  oder  geradezu  Es  genannt 
wird;  an  dem  engeren  Ende  dieser  Röhre  (Mündung)  steckt  das 
sogenannte  Rohr,  vermöge  dessen  das  Instrument  wie  die  Oboe 
intoniert  wird.  Der  Tonumfang  des  Fagottes  reicht  vom  Kontra-B 
bis  zum  eingestrichenen  b  oder  c.  —  Der  Fagott  ist  eines  der 
brauchbarsten  Orchesterinstrumente;  in  der  Tiefe  ist  den  Tönen 
grosse  Würde  eigen,  in  den  höheren  Lagen  dagegen  haben  sie 
grosse  Weichheit  und  Sanftheit  und  in  den  höchsten  Tönen  viel 
Durchdringendes.  Das  gute  Spiel  desselben  erfordert  neben  einer 
starken  und  gesunden  Bi*ust  grossen  Fleiss  und  sorgfältige  Übung. 

Falset,  s.  Stimme. 

Falsobordone  (ital.),  franz.  Fanxbourdon,  eine  der  ältesten 
Formen  mehrstimmigen  Gesanges,  welche  nach  neueren  For- 
schungen ihren  Ursprung  in  England  haben  soll,  übrigens  auch 
in  anderen  Ländern  geübt  wmrde  und  besonders  in  Frankreich 
beliebt  war.  Sie  bestand  ursprünglich  darin,  dass  die  organizie- 
renden  Stimmen  den  Tenor  m  Terzen-  und  Sextenparallelen  be- 
gleiteten; die  drei  Stimmen  schritten  also  in  Sextaccorden  fort, 
nur  mit  der  Abweichung,  dass  sie  am  Anfange  und  am  Schlüsse 
nicht  1.,  3.,  6.,  sondern  1.,  5.,  8.  sangen. 

Nach  den  Terzsexten -FalsoDordoni,  welche  dreistimmig 
waren,  bildete  sich  in  der  Dufay'schen  Periode  eine  zweite 
Gattung,  welche  sich  auf  vier  Stimmen  ausdehnte.  Eine  der  vier 
Stimmen  trug  den  Cantus  firmus  vor,  die  übrigen  schritten  mit 
ihr  in  einem  auf  lauter  Konsonanzen  gebauten  gleichen  Kontra- 
punkt, aber  ohne  bestimmten  Rhythmus,  durchwegs  mit  der 
Vortragsweise  des  Chorals,  dahin;  in  den  Fuialklauseln  wurden 
Ligaturen  angewendet,  welche  sich  auch  bald  in  den  Mittel- 
kadenzen einianden.  Falsibordoni  dieser  Art  haben  sich  bis  auf 
den  heutigen  Tag  erhalten  und  bewahren  ihre  Geltung,  insofern 
der  in  ihnen   hervortretende   Cantus   firmus   ihnen    objektiven, 


Fastenzeit.  75 

kirchlichen  Charakter  verleiht,    und   die   harmonische  Hülle  ihn 
zur  Geltung  kommen  lässt. 

Eine  dritte  Art  fauxbourdons  —  ganz  imeigentlich  so  jje- 
nannt.  war  im  XVII.  Jahrh.  in  Gebrauch,  welche  nach  Baini 
darin  bestand,  dass  die  Oi'gel  eine  aus  dem  Cantus  iirmus  eines 
Chorals  entlehnte  Bassmelodie  vortrue,  zu  welcher  dann  ein 
Sänger  einen  eigenen,  d.  h.  selbst  enundenen  Gesang  —  eine 
eigentliche  Kantilene  —  aus  dem  Stegreif  ausführte.  Auf  solche 
Weise  wechselten  die  einzelnen  Stimmen  von  Vers  zu  Vers, 
während  die  Bassmelodie  sich  immer  gleich  blieb  (basso  obstinate). 
Der  päpstliche  Sänger  Fr.  Severi  gab  solche  Kantilenen  1615  zu 
Rom  heraus  für  soßhe  Sänger,  welche  sie  nicht  extemporisiereri 
konnten.  Da  diese  Gattung  durch  den  Gebrauch  von  künstlichen 
Passagen,  Trillern  und  anderen  Verzierungen  ausartete,  kam  sie 
bald  in  Miskredit  und  verschwand  allmählich. 

Fastenzeit,  Quadragesima.  Diese  Zeit,  welche  von  der 
Kirche  der  Busse  und  heuigen  Trauer  gewiamet  ist  und  die 
Vorbereitung  auf  das  heilige  Osterfest  und  auf  die  Erlösungs- 
made bildet,  nimmt  mit  dem  Aschermittwoche  (Dies  cinerum) 
uiren  Anfang.  Der  Osterfestkreis  jedoch  beginnt  schon  mit  dem 
Sonntage  Septuagesimae,  von  welchem  aus  Trüber  die  Fastenzeit 
begann,  weswegen  auch  für  die  Zeit  von  diesem  Sonntage  an 
fast  alle  liturgischen  Eigentümlichkeiten  der  Fastenzeit  Geltung 
haben.  Der  Aschermittwoch  wird  in  der  römischen  Kirche  seit 
dem  VIII.  Jahrh.  als  der  erste  Tag  des  grossen  Fastens  gefeiert; 
von  dem  Gebrauche,  Asche  den  Gläubigen  auf  das  Haupt  zu 
streuen,  welches  aucn  im  Alten  Bunde  als  ein  Zeichen  der  Busse 
vorkommt,  reden  die  Liturgisten  des  XII.  und  XIII.  Jahrh.  als 
einer  schon  alten  Ceremome.  Wie  die  Kirche  alles  weiht  und 
segnet,  was  im  Kultus  verwendet  wird,  so  hat  sie  auch  einen 
eigenen  Ritus  für  die  Aschenweihe  angeordnet.  Bei  feierlicher 
Vollziehimg  derselben  verbindet  sie  damit  Gesang.  Vor  der 
Weihe  singt  der  Chor  die  Antiphon  „Exaudi  nos  Dömine",  wel- 
cher ein  Psalmvers  mit  „Gloria  Patri"  und  Repetition  der  Anti- 
phon (wie  beim  Introitus.  der  Messe)  folgt.  Nach  der  Weihe 
und  bei  Aufstreuung  der  Asche  erhebt  der  Chor  wiederholt  seine 
Stimme  und  singt  die  Antiphonen :  „Immutemur"  und  -Inter 
vestibulum"  mit  dem  „Emendemus",  worauf  die  heilige  Messe 
ohne  Gloria  und  Credo  folgt. 

Was  die  liturgischen,    den  Chor  betreffenden  Vorschriften 
für  die  heilige  Fastenzeit  angeht,   so   hat   bei   den  Messen   oder 
Amtern   der  Sonntage   und  der  Ferien  die  Orgel  und  überhaupt 
die  Instrumentalmusi  zu  schweigen,  nur  die  menschliche  Stimme, 
ergiiffen  von  den  Bewegungen  der  Seele,   soll  in  Tönen  die  Ge- 
fühle der  Trauer  und  Zerknirschung  kundgeben;   hierbei  gibt  es 
'^T.usser  an  Festen)  weder  Gloria  in  excelsis ,  '  noch  Ite  missa  est, 
•ich  kein  AUeluia,  an  dessen  Stelle  beim  Graduale  der  Tractus, 
a  Officium   nacn  „Dens  in   adjutorium"    der   Lobspruch   „Laus 
bi,  Domine,  rex  aeternae  gloriae**  tritt.    Nur  der  4.  Sonntag  in 
3r  Fasten,  Laetare  genannt,  macht  eine  Ausnahme;  es  ist  da 
er   Gebrauch   der   Orgel   erlaubt,    weil   die   Kirche    sowohl  im 
itroitus   als  in   der  Epistel  und  im  Evangehum  an  die  himm- 
ichen  Freuden   erinnert,   um   die  Gläubigen  zu   einem   beharr- 


76  Fauxbourdon  —  Figuralgesang. 

liehen  Eifer  in  Busse  und  Fasten,  Kreuz  und  Leiden  aufzu- 
muntern. 

Noch  zu  bemerken  ist,  dass  die  Vesper  an  allen  Tagen 
der  heiligen  Fastenzeit  (an  den  Sonntagen  jedoch  nicht)  vor 
Mittag  abgehalten  wird;  der  Grund  dieser  Anordnung  liegt  in 
dem  Gebrauche  der  ersten  christlichen  Jahrhunderte,  an  Fasttagen 
die  Mahlzeit  erst  nach  Sonnenuntergang  einzunehmen.  —  Am 
Freitage  in  der  4.  Fastenwoche  oder  vor  dem  Passionssonntage 
feiert  die  Kirche  das  Fest  der  sieben  Schmerzen  Maria, 
-Festum  Septem  dolorum",  wobei  die  herrliche  Sequenz:  -Stabat 
Mater"  sowohl  in  der  heiligen  Messe,  als  auch  statt  des  Hymnus 
im  Officium  und  zur  besonderen  Abendandacht  ihre  Verwen- 
dung findet. 

Fauxbourdon,  s.  Falsobordone. 

Fermate,  Fermata,  ist  ein  Ruhepunkt  im  Verfolge  eines 
Tonstückes,  wo  auf  einer  Note  der  Ton  länger  ausgehalten,  oder 
bei  einer  Pause  länger  verweilt  wird,  als  es  nach  der  regelmäs- 
sigen Dauer  statt  hätte.  Das  Zeichen  hierfür  ist  ein  Halbbogen 
mit  Punkt  ^  über  die  Note  oder  Pause  gesetzt,  bei  welcner 
diese  Unterbrechung  der  Taktbewegung  oder  dieses  Anhalten 
stattfinden  soll.  Die  Dauer  der  Fermate  ist  unbestimmt  und  ist 
dem  richtigen  Gefühle  und  der  Auffassung  des  Dirigenten  anheim- 
gegeben. Im  Französischen ^ heisst  dies  Zeichen  Uourone,  im 
Italienischen  Corona. 

Figur  bezeichnet  zuerst  in  der  Musik  eine  um  einen  Ton 
herum,  oder  von  einem  Ton  zum  anderen  herausgebildete  Gestalt 
oder  Gruppe  von  Tönen,  wobei  entweder  eine  melodische  Haupt- 
note in  Kleinere  Teile  zerlegt  und  diese  in  einem  bestimmten 
Metrum  angegeben  werden  (rhythmische  Figur),  oder  mit 
einer  Hauptnote  auf  einer  und  derselben  harmonischen  Grimd- 
lage  Neben-  und  Wechselnoten  verbunden  werden  (melodische 
Figur).  Es  können  auch  Accorde  zu  verschiedenen  Figuren  ge- 
brochen (harmonische  Fi^r),  sowie  alle  diese  Arten  gemischt 
werden,  wodurch  die  Figurierung  im  grossen  und  ganzen  statt- 
findet. Wie  solche  Figuren  in  einer  Stimme  vorkommen,  so 
können  sie  auch  in  mehreren  zugleich  vorkommen.  Dann  aber 
werden  unter  dem  Namen  Figuren  einige  vorzugsweise  be- 
griffen, welche  unter  der  Menge  der  Figuren  im  allgemeinen 
ganz  besonders  hervortreten,  unter  welchen  zu  benennen  sind: 
die  rhythmischen  Figuren  der  Triolen,  Quintolen  u.  dgl.  des 
Tremolo,  Staccato,  der  Synkope;  die  melodischen  Figuren 
des  Trillers,  Doppelschlages,  des  Vorschlages  una  die 
harmonischen  Fij^uren  des  Arpeggio's. 

Fignrae  hiessen  im  XH.  und  XHI.  Jahrb.  auch  die  Noten. 
Franco  nennt  zwei  Gattungen,  einfache  und  zusammen- 
gesetzte (simplices  et  compositae);  die  einfachen  sind: 
longa,  brevis  und  semibrevis;  bald  kam  als  vierte  Art  die  mi- 
nima hinzu;  die  zusammengesetzten  sind  die  Ligaturen,  die 
Vel-bindung  mehrerer  Noten  zu  einem  Notenbilde,  wozu  auch 
die  obliquitates,  oder  notae  obliquae  (s.  C h o r a  1)  gehörten 
(s.  Noten  und  Mensuralmusik). 

Fignralgesan^,  lat.  Cantus  figuralis  seu  mensurabi- 
lis,    ital.    Canto    figurato,    franz.   Chant    figur6,    ist   jene 


Finalis  —  Flöte.  77 

Gattung  Gesangsmusik,  welche  im  XIL  Jahrh.  aus  dem  Discan- 
tus  sich  herauszubilden  anfing.  Der  Discantus,  eine  freigebildete 
Nebenmelodie,  kam  bald  dazu,  über  einer  Note  des  Cantus  firmus 
zwei  oder  mehrere  Noten  vorzutragen,  was  notwendig  darauf 
hinführte,  die  Noten  der  beiden  Melodieen  in  ein  bestimmtes 
Wertverhältnis  zu  setzen.  Man  mass  die  Tonzeichen  ohne  ge- 
nauen Takt,  welcher  erst  weit  späteren  Ursprunges  ist,  nach 
ihrer  Figur  durch  fortgesetztes  2jählen,  wobei  die  Brevis  zu 
Grunde  gelegt  wurde.  In  dieser  Weise  bildete  sich  das  Men- 
suralsystem, musica  mensurabilis  aus,  welches  erst  im 
XV.  Jahrb.,  zur  Zeit  der  ersten  niederländischen  Schule,  den 
höchsten  Grad  der  Vollendung  erreichte  Da  die  bisherigen 
Tonzeichen  nicht  ausreichten,  um  eine  solche  Werteinteilung  zu 
vollziehen,  gestaltete  man  sie  etwas  um  und  vermehrte  ihre 
Zahl.  Dem  mit  diesen  neuen  Noten  (figurae)  aufgezeichneten 
mensurierten  Gesänge  gab  man  dann  den  Namen  Figural- 
gesang.  Aber  aucn  der  Gesang  selbst  wurde  in  seinen  Ton- 
bewegungen  mannigfaltiger,  so  aass  sich  gegenüber  dem  mehr 
gleichmässig  fortschreitenden  Chorale  eigentliche  Tonfiguren  und 
Verzierungen,  gleich  den  alten  Fleurettes  des  Discantus  bildeten 
und  um  so  mehr  den  Namen  „Figur algesang"  rechtfertigten. 
Übrigens  bezeichnete  man  später  mit  diesem  Namen  bald  bloss 
den  mehr  verzierten  Gesang,  bei  welchem  nämlich  Noten  ver- 
schiedener Gattung  zur  Anwendung  kamen,  bald  jeden  mehr- 
stimmigen Gesang,  wenn  auch  alle  Stimmen  Noten  von  gleicher 
Geltung  hatten.  —  Manche  Musiker  der  neueren  Zeit,  wo  man 
keine  andere  Kirchenmusik  mehr  kannte ,  als  die  mit  obligater 
Instrumentalbegleitung  und  den  rituellen  Choral,  bezeichneten 
mit  „Figurierter  Musik"  jede  mit  Instrumenten  begleitete 
Kirchenmusik. 

Finalis,  s.  Kirchentonarten. 

Fine  (ital.):  der  Schluss,  das  Ende.  Dies  Wort  wird  in 
Musikstücken,  von  welchen  ein  Teil  wiederholt  werden  soll  (da 
Capo,  dal  Segno)  an  der  Stelle  angebracht,  wo  die  Repetition 
und  auch  das  Stück  geschlossen  werden  soll. 

Fingersatz,  s.  Applikatur. 

Fiorituren  (abgeleitet  vom  ital.  fiorito,  verblümt),  nennt 
man  die  Verzierungen  im  Gesänge. 

Fistelstimme,  s.  Stimme. 

Fistula  (lat.),  Röhre,  Pfeife:  fist.  organica,  Orgel- 
pfeife. 

Flöte,   ital.    Flauto,    franz.    Flute.  '  Sie   ist   wohl  unter 

allen   musikalischen   Instrumenten   das    älteste.     In    der    ersten 

rohen  Gestalt  der  Natur  war  sie  nichts  anderes  als  ein  einfaches 

Rohr,    das   an   einem  Ende   zugeklebt,   am   anderen  angeblasen, 

einen  hellen  Ton  von  sich  gab.    Daraus  entstand  die  sogenannte 

"'   ten-   oder   Fanpfeife.    Nach  und   nach   kam   man  darauf, 

solches  Rohr   zur  Erzielung  mehrerer  Töne  mit  Löchern  zu 

iehen.    Diese  wurden  jedoch  nicht  quer,   wie   unsere  Flöten, 

den  Mund  gesetzt,   sondern  gerade   heruntergehalten   ange- 

jen,  oben  hatten  sie  ein  sogenanntes  Mundstück.    Auch  dop- 

ie  Flöten,  welche  im  Mundstücke  nebeneinander  steckten  und 

\eieh  angeblasen  werden  konnten,   hatte   man.    Mit  der  Zeit 


78  Flügel  —  Fortschreitung. 

erhielten  die  einfache,  wie  die  doppelte  Flöte  mancherlei  Ver- 
änderungen und  Vervollkommnungen,  bis  man  dahin  kam,  sie 
quer  an  den  Mund  zu  setzen,  welche  Art  als  die  bequemste  auch 
fortan  beibehalten  ward.  In  ihrer  jetzigen  Gestalt  besteht  die 
Flöte  aus  vier  zusammengezapften  Stücken  Röhre,  dem  Kopf- 
stück, zwei  Mittelstücken,  von  denen  das  obere  in  ver- 
schiedenen Grössen  gebraucht  wird,  und  dem  Fusse;  im  Kopf- 
stücke befindet  sich  die  Propfschraube  zur  Erlangung  einer 
reinen  Stimmung;  sie  wurde  1726  von  Quänz  erfunden;  Terners 
hat  die  Flöte  sieben  Tonlöcher  und  mehrere  (sieben  bis  fünfzehn) 
Klappen,  teils  um  alle  Töne  der  chromatischen  Leiter  ihres  Um- 
fanges,  teils  um  mehr  Reinheit  und  eine  völlige  Gleichheit  der- 
selben in  Hinsicht  ihrer  Stärke  zu  erlangen.  Verfertigt  werden 
die  Flöten  entweder  aus  Buchsbaum-,  Eben-  oder  Kokosholz. 

Die  Flöte  gehört  unter  den  Rohrinstrümenten  zu  den  aus- 
gebildetsten; ihr  sanfter,  der  menschlichen  Stimme  nahe  ver- 
wandter Ton  macht  sie  zum  Ausdrucke  schöner,  reiner  und 
zäi-tlicher  Gefühle  geschickt.  Ihre  schöne  Klangfarbe  macht  sie 
für  das  Orchester  unentbehrlich,  sowie  die  Stärke  ihrer  Töne  in 
den  hohen  Oktaven,  wodurch  sie  im  Vereine  mit  den  Streich- 
instrumenten zur  Melodieführung  sich  sehr  tauglich  erweist.  Es 
gibt  verschiedene  Arten  von  Flöten,  von  denen  einige  nur  für 
Militärmusik  angewendet  werden. 

Flügel,  s.  Pianofort e. 

Fondamento  (ital.)  bedeutet  soviel  als  Grundstimme,  Bass. 

Forte  (lat.),  stark,  kräftig. 

Fortschreitnng  ist  entweder  die  Bewegung  einer  Stimme 
von  einem  Tone  zum  anderen,  dies  ist  die  melodische  Fort- 
schreitung; oder  die  Fol^e  der  Töne  in  mehreren  Stimmen 
zugleich,  d.  n.  von  Accorden,  m  Bezug  auf  die  Reinheit  der  daraus 
entstehenden  Harmonie,  und  dies  heisst  die  harmonische  Fort- 
schreitung. In  Absicht  auf  die  Melodie  muss  die  Fortschrei- 
tung leicht  und  natürlich,  d.  h.  fliessend  und  dem  Ausdrucke 
angemessen  sein.  Darum  sollen  alle  Dissonanzen  vorbereitet 
werden,  ausser  sie  kommen  im  Durchgange  vor  (der  freie,  moderne 
Stil  wendet  sie  auch  unvorbereitet  an);  es  sollen,  wo  immer 
möglich,  alle  zu  grossen  Sprünge  vermieden,  statt  der  über- 
mässigen und  verminderten  Intervalle  lieber  grosse  und  kleine, 
überhaupt  aber  solche,  deren  beide  Enden  in  emer  und  derselben 
Tonart  hegen,  gewählt  werden. 

Hinsichtlich  der  harmonischen  Fortschreitung  ist  zu 
beachten:  dass  jede  Stimme  ihrer  Lage  nach  immer  dieselbe 
bleibe,  d.  h.  dass  die  Stimmen  sich  nicht  überschreiten,  kreuzen 
(Ausnahmen  können  allerdings  vorkommen);  dass  in  der  Fort- 
schreitung zweier  Stimmen  die  unmittelbare  Folge  vollkommener 
Konsonanzen  —  reiner  Quinten  und  Oktaven  —  vermieden  werde, 
was  durch  die  Gegenbewegung  meistens  geschehen  kann. 

Bei  der  harmonischen  Fortschreitung  kommt  auch  die  be- 
dingte Fortschreitung  der  Dissonanzen  einer  Tonart  in  Betracht 
und  eine  ganz  allgemeine  Regel  für  sie  ist:  dass  jede  Disso- 
nanz in  eben  derselben  Stimme,  in  welcher  sie  vor- 
kommt, stufenweise  fortschreite,  und  zwar  entweder  um 
einen  grossen  halben  oder   um  einen  ganzen  Ton  in  die  nächst- 


Fronleichnamsfest.  79 

^gelegene  Konsonanz  der  Tonart  (Auflösung).  Unter  diesen  zeich- 
nen sich  aus:  die  Quart  der  Tonart  (als  Dominantseptime), 
Direlche  abwärts  in  die  kleine  oder  grosse  Terz,  und  der  Leit- 
ton (die  grosse  Septime),  welcher  aufwärts  in  die  Oktave 
schreitet. 

Fronleichnamsfest,  Festum  Corporis  Christi,  das 
Fest  zur  besonderen  Verehi-ung  des,  heiligsten  Altarssakramentes, 
wurde  zuerst  —  veranlasst  durch  ein  Gesicht  einer  Klosterfrau 
Juliana  —  von  dem  Bisöhofe  Robert  von  Lüttich  1246  für  seine 
Diöcese  angeordnet;  Papst  Urban  befahl  durch  eine  Bulle  vom 
Jahre  1264,  es  in  der  ga^^^^n  Christenheit  zu  feiern,  was  aber 
wegen  seines  baldigen  Todes  nicht  zur  Ausführung  kam.  Erst 
1311  wurde  es  durch  Clemens  V.  auf  der  Synode  zu  Vienne 
neuerdings  eingeschärft,  und  seitdem  begeht  die  katholische  Chri- 
stenheit dieses  Fest  mit  vorzüglicher  Pracht  am  Donnerstage 
nach  dem  ersten  Sonntage  nach  Pfingsten.  Der  eigentliche  Em- 
setzungstag  des  heiligen  Gedächtnisses  der  Eucharistie  ist  aller- 
dings der  Gründonnerstag;  da  aber  dieser  Tag  als  Vorabend 
des  Todestages  des  Herrn  sich  nicht  recht  zu  einer  Freudenfeier 
^eignet,   wie   sie  dieses  hochheilige  Geheimnis  fordert,   so  wurde 

fanz  bUlig   der   erste  Donnerstag  nach    dem  Schlüsse   der   drei 
ochsten  Feste  des  Jahres  (Weihnachten,  Ostern,  Pfingsten)  hierzu 
gewählt.    Die   ganze    Feier    drückt   die   grosse    Wertschätzung, 
mystische  Erhebung  und  gläubige  Liebe  zu  diesem  höchsten  Ge- 
heimnisse  aus.     Nach    aUgememer    Annahme    wurde    der    heil. 
Thomas  von  Aquin  vom  Papste  Urban  beauftragt,   das  Officiimi 
der  ganzen  Festlichkeit  anzufertigen;    das  vortrefflichste   davon 
ist   die  Sequenz  „Lau da  Sion".    Wie   der  Text  aller  Ahtiphonen, 
Hynanen  u.  dgL  einen  heiligen,    von  glühender   Liebe   zu  Jesus 
im  heiligsten  Sakramente  durchdrungenen  Dichter  bekunden,  so 
sind  aucn  die  Choralmelodieen  des  ganzen  Officiums  Meisterwerke 
•eines  kirchlichen  Sängers.  —  In   der   Art  und  Weise   der   Feier 
zeichnet    sich    dieses  Fest  besonders  durch   eine  theophorische 
Prozession   aus,  imd   das  hochwürdigste   Gut  wird  sowohl  am 
Festtage   selbst   als  auch   während   der  ganzen  Oktave   bei  der 
Hauptmesse   am  Vormittage,    an  vielen   Orten   auch   bei   einer 
Nachmittags-  oder  Abendandacht  (Vesper  oder  Litanei)  feierlich 
ausgesetzt;   hiervon  macht   die  Synode  von  Sens  1320  schon  Er- 
w^ähnung.  —  Die  Fronleichnamsprozession  ist  die  feierlichste  im 
ganzen   Jahre,   ist   wahrscheinlich   so   alt    als    das  Fest    selbst, 
und   wird   am  Festtage   nach  dem  Hochamte,   dann   am  achten 
Tage   (in   die   octava),   und   an  vielen  Orten  auch  am  Sonntage 
innerhalb  der  Oktave  begangen,  in  der  Art,  dass,  wenn  günstige 
Witterung  ist,  sie  sich  auch  ausserhalb  des  Gotteshauses  in  den 
Strassen   der  Städte   und  Märkte  oder  in  den  Fluren  der  Dörfer 
bewegt.    Die  Beteiligung   des  Chores    daran  besteht  in  der  Ab- 
gang von  Hyinnen   zu  Ehren   der  hochheiligsten  Eucharistie, 
Q  denen  die  Kitualien  namentlich  „Pange  lingua**,   „Sacris  so- 
iniis**,  „Verbum  supemum  prodiens",  „Salutis  humanae  sator*^ 
zeichnen.  In  Deutschland  und  anderen  Ländern  (das  römische 
jual   sagt    darüber,  nichts)  ist  es  Gebrauch,    das  Allerheiligste 
ährend   des  Zuges   an  vier  nach  Art  der  Altäre  geschmückten 
sehen   (Stationes)   niederzusetzen,    die  Anfangsverse   der  vier 


80  Fugato  —  Fuge. 

Evangelien  zu  singen,  darauf  kurze  Gebete  zu  verrichten,  und 
ehe  man  weiter  zieht,  den  Segen  zu  geben. 

Das  Rituale  Ratisbonense  bezeichnet  das  Amt  des  Sänger- 
chores bei  der  Fronleiohnamsprozession  also:  -Chorus  musicus, 
deinde  crux  Cleri  saecularis",  d.  h.  vor  dem  Kreuze,  das  dem 
Säkularklerus  vorgetragen  vp^ird,  gehen  die  Sänger  (in  Chorklei- 
dung) ;  „dum  Sacerdos  diöcedit  ab  altari,  Clerus  vel  Saoerdos  can- 
tare  incipit  Hymnum:  Fange  lingua",  d»  h.  wenn  der  Priester 
mit  dem  AUerheiligsten  den  Altar  verläset,  beginnt  der  Klerus  — 
Sängerchor  —  oder  der  Priester  selbst  (nur  im  Notfalle,  wo  kein 
Sänger  zu  haben  ist),  den  Hymnus  Fange  lingua.  „Absolute 
Hymno  possunt  cani  Psalmi  aliquot,  huic  Feste  congruentes,  uti: 
Credidi,  Laudate  Dominum  de  coelis  etc.  vel  Sequentia:  Lauda 
Sion  etc.",  d.  h.  nach  dem  Hymnus  können  einige  Fsalmen,  die 
dem  Feste  entsprechen,  z.  B., „Credidi,  Laudate  u.  dgl.  oder  die 
Sequenz  „Lauda  Sion"  gesungen  werden.  ^Cum  ad  primum  (se- 
cundum)  altare  perventum  fuerit,  ....  canitur  aliquod  Mottetum 
vel  Responsorium."  Nach  der  Ankunft  beim  ersten  (zweiten) 
Altare  wird,  nachdem  das  Allerheiligste  niedergestellt  ist,  ein 
Motett  oder  ein  Responsorium  gesungen.  Hierauf  hat  der  Chor 
nur  auf  die  bekannten  Versikel  zu  antworten.  Beim  Weggange 
vom  ersten  Altare  singt  der  Chor  den  Hymnus:  „Sacris  solemniis**, 
beim  Verlassen  des  zweiten  und  dritten  Altares  die  Hymnen: 
„Verbum  supernum"  und  „Salutis". 

Fugato,  ein  in  Fugenform  gearbeiteter,  jedoch  nicht  in  der 
Strenge  und  Vollständigkeit  dieser  Form  una  namentlich  nicht 
als  selbständiges  Ganze,  sondern  meist  nur  als  Teil  eines  grösse- 
ren Ganzen  ausgeführter  Satz. 

Fuge,  lat.  und  ital.  Fuga,  franz.  Fugue,  ist  eine  musi- 
kalische Kimstform,  bei  welcher  ein  gegebener  Satz  oder  musi« 
kalischer  Gedanke  durch  verschiedene  Stimmen  hindurchgeführt, 
d.  h.  wechselweise  von  allen  Hauptstimmen  ergriffen  und  von 
denselben  nach  bestimmten  Regeln  nachgeahmt  und  verarbeitet 
wird.  Diese  Kunstform  findet  sowohl  im  Vokal-  als  auch  im 
Instrumentalsatze  Anwendung. 

Bei  der  Konstruktion  der  Fuge  kommen  hauptsächlich  sechs 
Stücke  in  betracht:  1)  Der  Hauptsatz,  dux,  thema,  auch 
Subjekt  (franz.  sujet,  ital.  Sogetto),  Führer  genannt.  2)  Der 
Gefährte,  comes,  oder  die  Antwort,  franz.  reponse,  ital. 
Consequenza  oder  Risposta,  eigentlich  das  Thema  in  seiner 
Wiederholung  durch  eine  andere  Stimme  auf  einer  anderen  Ton- 
stufe. 3)  Der  dem  Comes  entgegengestellte  Satz,  oder  die 
Fortsetzung  des  Themas  zur  Begleitung  der  Antwort.  4)  Der 
Zwischensatz,  welcher  dazu  dient,  die  Verbindung  zwischen 
dem  Hauptsatze  und  dem  Gefiihrten  herzustellen  oder  die  Wieder- 
schläge aneinander  zu  knüpfen.  Die  Zwischensätze,  Episoden, 
feben  den  Teilen  der  Fuge  innigeren  Zusammenhang  und  sollen 
er  Einheit  wegen  aus  Figuren  oder  Teilen  des  Hauptsatzes  be- 
stehen. 5)  Der  Wiederschlag,  Repercussio,  d.  h.  die  Ord- 
nung, in  welcher  Führer  und  Gefährte  sich  in  den  verschiedenen 
Stimmen  abwechselnd  hören  lassen.  Gewöhnlich  nennt  man 
nicht  die  allererste  Durchfühi'ung  des  Themas  durch  die  Stimmen, 
sondern  erst  diejenige,  welche  die  weitere  Ausführung  der  Fuge 


Fuge. 


81 


anhebt,  den  Wiedersohlag,  —  überhaupt  den  erneuten  Eintritt 
des  Themas  als  dux.  6)  Die  Durchführung,  d.  i.  die  Fort- 
spinnung  und  weitere  Verarbeitung  des  FugenstoflPes.  7)  Der 
Schluss.  Auf  die  Erfindung  oder  Wahl  des  Hauptsatzes 
kommt  sehr  viel  an,  dass  er  melodisch  gut,  leicht  ausführbar 
und  harmonisch  wohl  verwendbar  sei;  gute  Komponisten  bilden 
ihn  kurz,  nicht  leicht  länger  als  acht  Takte,  damit  ihn  das  Ohr 
leicht  fasse,  aber  doch  gehaltvoll,  so  dass  er  zu  Engflihrungen, 
Nachahmungen,  Gängen  hinreichenden  Stoff  bietet. 

Was  den  Comes,  die  Antwort  betrifft,  so  wird,  wenn 
der  Hauptsatz  (dux)  in  der  Tonic a  anfängt  und  in  der  Domi- 
nante schliesst,  der  Gefährte  (comes)  in  der  Dominante  an- 
fangen und  mit  äerTonica  schljessen,  und  umgekehrt;  weshalb 
aucn  oft  beim  Comes  eine  kleine  Änderung  des  Themas  (Rückung, 
Verschiebung,  Verengimg,  oder  Erweiterimg  eines  Tonschrittes 
um  einen  halben  oder  ganzen  Ton)  eintritt,  um  eben  den  Rück- 

fang  in  den  Hauptton  zu  erzielen  (a).  Wenn  das  Thema  oder 
er  Hauptsatz  nicnt  mit  der  Tonica,  sondern  mit  der  Terz  oder 
einem  anderen  Intervall  der  Tonleiter  anfangt,  so  fangt  die 
Antwort  mit  derselben  Stufe  der  Dominantentonart  an  (b).  J.  C. 
Lobe  legt  hierbei  alles  Gewicht  auf  die  Beachtung  der  Terz. 


a.    Thema. 


Antwort. 


&^^ 


P5=1: 


tt 


Antwort. 


b.        Thema. 


Bin^Wi^i^ 


Wenn  der  Hauptsatz  von  allen  Stimmen  vorgetragen  wor- 
den  ist  —   erste  Durchführung  oder   Exposition,    so  ist   die 
Tonart  sicher  gestellt  und  es  kann  nun  in  andere  Tonarten  mo- 
duliert, der  Führer  öfter  auf  verschiedenen  Tonstufen  dargestellt, 
die  Antwort  freier  vorgebracht    und   andere  Kunstformen,    als 
Kanon,  verschiedenartige  Nachahmungen,  teilweise  Entwickelun- 
gen,   doppelter  Kontrapunkt,  Vergrösserung,  Verkleinerung  des 
Lemas  u.  dgl.  in  Anwendung  gebracht  werden.    Die  teüweisen 
twickelungen   des  Themas   und   seine  Antworten  bestehen  in 
rschiedenen,   aus  einzelnen  Figuren  derselben  gebildeten  Füh- 
n,   Gängen,   kleinen  kanonischen   oder  freien  Nachahmungen 
•  verschiedenen  Stufen  und  in  verschiedenen  Gestalten. 

Zu  beachten  ist  noch  die  Engführung  (Stretto),   welche 
rin  besteht,  dass  die  Antwort  dem  Thema  näher  gerückt  wird, 

Kommüller,  Lexikon.  6 


82  Fuge. 

d.  h.  früher  eintritt,  als  im  Anfange  geschehen  ist,  wobei  es 
gerade  nicht  notwendig  ist,  das  ganze  Thema  zu  wiederholen. 

Gegen  das  Ende  der  Fuge  hin  wird  "vrieder  die  Rückkehr 
zur  Haupttonart  angebahnt  und.  durch  Modulation  nach  der 
Dominante  der  Schluss  vorbereitet,  welcher  bei  jedet  ausgear- 
beiteten Fuge  feierlich  sein  soll.  Hier  haben  nun  die  Hauptstei- 
gerungsmittel: die  Engführung  und  der  Orgelpunkt  ihren 
rlatz  und  vollenden  das  Ganze  mit  einer  entsprechenden  Schluss- 
kadenz, in  welcher  alle  fugierenden  Stimmen  gleichsam  wie 
erschöpft  ausruhen;  doch  bleibt  diese  manchmal  auch  weg,  und 
es  bildet  dann  der  Orgelpunkt  auf  der  Dominante  und  Toniba 
den  Schluss. 

Man  teüt  die  Fugen  in  verschiedene  Arten  ein :  ausser  den 
schon  genannten  Vokal-  und  Instrumentalfugen,  in  einfache 
oder  reine  und  begleitete  Fugen;  in  den  ersteren  nehmen 
alle  Stimmen  an  der  Fugenarbeit  teil,  in  letzteren  erscheinen 
neben  den  fugierenden  Stimmen  noch  eine  oder  mehrere  beglei- 
tende Stimmen;  in  strenge  und  freie  Fugen,  je  nachdem  das 
Thema  und  die  ganze  Durchführung  im  strengen  Stile  abgefasst 
ist,  oder  darin  viele  und  gefällige  Verzierimgen  stattfinden;  — 
nach  der  Zahl  der  verwendeten  Subjekte  gibt  es  einfache, 
Doppel-,  Tripel  fugen  u.  dgl.;  nach  der  Zahl  der  fugier.enden 
Stimmen  zwei-,  drei-,  vierstimmige  Fugen  u.  s.  w.  Altere 
Tonlehrer  teüen  die  Fuge,  je  nachdem  der.Comes  in  diesem  oder 
jenem  Intervalle  eintritt,  in  Sekund-,  Terz-,  Quart-,  Quint- 
fugen u.  s.  w.  ein.  Die  Quintfuee,  d.  h,  diejenige,  wobei  die 
Beantwortung  des  Themas  in  der  Quint  stattfindet,  ist  jetzt  die 
gebräuchlichste.  Fugen  des  Tones  heissen  diejenigen,  welche 
ganz  im  Sinne  der  alten  Kirchentonarten  gebildet  sind;  sie  dür- 
fen in  Subjekt  und  Antwort  die  Grenzen  einer  Oktave  nicht 
überschreiten,  auch  nicht  in  entferntere  Tonarten  modulieren, 
und  müssen  sich  des  Gebrauches  von  Kreuzen  und  Been  mit 
wenigen  Ausnahmen  enthalten.  Sie  heissen  Fuga  ricercata 
oder  Kicercari,  wenn  der  ganze  FugenstoflF  aus  dem  Subjekte 
genommen  ist  und  sicli  in  einer  Menge  von  Kanons,  Imitationen 
und  Strettos  ausbildet. 

Eine  Fuge  im  Sinne  unserer  heutigen  Tonkunst  als  ein 
aus  strengen  und  freien  Nachahmungen  in  bestimmter  Folge 
und  nach  gewissen  Regeln  zusammengesetztes  zwei-  oder  mehr- 
stimmiges Tonstück  finden  wir  in  den  alten  Meisterwerken  nicht. 
Der  Name  „Fuga**  kommt  zuerst  bei  Johann  de  Muris  vor,  und 
er  definiert  sie:  „identitas  partium  cantus,  quoad  valorem,  for- 
mam,  nomen  et  interdum  quoad  locum  notarum  et  pausarum 
suarum."  Sie  bildete  sich  aus  den  kontrapunktischen  Arbeiten 
des  XIV.  imd  XV.  Jahrh.  heraus,  wo  man  sich  öfters  der  „Repeti- 
tiones",  Wiederholung  dessen,  was  eine  Stimme  vorausgesungen 
hatte^  durch  die  anderen  Stimmen  bediente;  im  Grunde  waren 
sie  nichts  anderes,  als  mehr  oder  minder  freie  Nachahmungen. 
Den  Namen  „Fuga"  aber  nahm  man  von  dem  Auseinandergehen 
der  Stimmen,  welches  auch  „fugere**  hiess,  oder  vielmehr  von 
dem  gleichsam  auf  dem  Fusse  Nachtreten,  Verfolgen  der  einen 
Stimme  durch  die  andere.  Johann  Ogkenheim  trat  um  1500  mit 
einer  neuen  Art  Fuga  hervor,   welche  sich  als  canon  perpetuus 


Fuge.  83 

darstellt.  Im  XVI.  und  ffi-ossenteils  noch  im  XVII.  Jahrh.  be- 
nannte mian  die  strengen  Kanonischen  Nachahmungen  insgemein 
Fugen,  wie  die  Aufschrift  „Fuga**  über  den  einzeilig  notierten, 
oft  mit  rätselhaften  Devisen  versehenen  Kanons  bezeugt;  die 
freien  Nachahmungen  im  Motetten-  und  Madrigalenstil  messen 
-ad  fugam".  Wie  hoch  solche  kanonische  und  fugenai'tige  Ge- 
fuge  geschätzt  wurden,  zeigt  Adr.  Coclicus,  welcher  in  seinem 
-Compendium  Musices"  (1552)  den  Komponisten  als  letzte  Regel 
hinstellt:  „Ut  prospiciat  componista,  si  possibile  fuerit,  quod  una 
vox  aliam  sequatur  per  fugam  in  inchoatione  cantus.*^  Ein  un- 
seren Quintenfugen  ähnlicnes  Gebilde  finden  wir  bei  Zarlino. 
Das  XVII.  Jahrh.  war  besonders  thätig,  die  Fuge  der  im 
XVin.  Jahrh.  erreichten  Vollkommenheit  entgegen  zu  führen. 
Zwar  erscheint  sie  (wohl  für  die  Vokalmusik)  nach  Herbst's 
^Musica  poetica"  (1643)  noch  als  strengere  oder  freiere  Nach- 
ahmung im  Unisono,  in  der  Quart,  Quint  und  Oktav,  welche  bis 
zu  einer  clausula  formalis  geführt  und  dann  mit  gleicher  Ver- 
arbeitung einies  neuen  oder  aus  den  vorangehenden  Begleitungs- 
stimmen entnommenen  Themas  fortgesetzt  wird;  doch  kennt 
er  schon  die  Bezeichnungen  „Dux"  und  pComes*'.  Fugae  solutae 
nennt  er  diejenigen,  bei  welchen  sich  die  Stimmen  mcht  so  ge- 
nau folgen  und  nachahmen,  fugae  ligatae  sind  die  reinen  Kanons 
(fugae  perpetuae,  fugae  per  motum  contrarium  etc.),  Ath.  Kir- 
cher nennt  erstere  fugae  partiales,  letztere  fugae  totales.  Die 
wesentlichsten  Beförderer  der  Entwickelung  der  Fuge  aber  waren 
die  Organisten,  unter  ihren  Händen  reifte  sie  der  Schönheit  einer 
organisch  jge^liederte^  und  geregelten  Kunstform  entgegen. 
Frescobaldi  wird  als  der  erste  geriflimt,  welcher  in  Italien  den 
fugierten  Stil  auf  der  Orgel  mit  Kunst  gebrauchte;  nach  Deutsch- 
land verpflanzte  das  Spiel  sein  berühmter  Schüler  Frohberger; 
in  Frankreich  war  Lulli  wegen  seiner  Fugen  angesehen  (?).  und 
was  die  meisten  in  der  Praxis  übten,  erfassten  auch  die  Theore- 
tiker bald  und  stellten  Grundsätze  und  Regeln,  welche  sie  in 
den  praktischen  Werken  für  allgemein  beoDachtet  fanden,  zu- 
sammen, 80  Fux  in  seinem  „Gradus  ad  Parnassum"  u.  A.  Das 
Werk  vollendeten  auf  dem  praktischen  Felde  die  grossen  Meister 
Händel  und  Bach,  auf  dem  theoretischen  steht  noch  unübertroffen 
Marpurg  mit  seiner  Abhandlung  über  die  Fuge  da,  welche  von 
S.  Sechter  umgearbeitet,  teilweise  ergänzt  und  berichtigt  wurde. 
Um  dieselbe  Zeit  (in  der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrh.)  ar- 
beitete auch  Riepel  ein  Werk  über  die  Fuge,  und  Vogler  schrieb 
sein  „System  des  Fugenbaues".  In  neuerer  Zeit  ragen  unter 
den  Theoretikern  Cherubini,  E.  Fr.  Richter  u.  a.  hervor,  und  in 
jeder  grösseren  Kompositionslehre  findet  sich  eine  ausgedehntere 
Abhandlung  über  die  Fuge. 

Die  Fuge  nimmt  unter  den  musikalischen  Kunstformen  die 
^'ichste  Stelle  ein  sowohl  wegen  der  hohen  geistigen  Einheit 
i  der  reichsten  Mannigfaltigkeit  der  Gestaltungen,  die  sich  aus 
nem  Gedanken  entwickeln,  als  auch  wegen  des  selbständigen 
ibens,  das  jede  Stimme  entfaltet,  und  wegen  der  kombinierten 
iwendbarkeit  fast  aller  anderen  Kunstformen.  Sie  ist  nicht 
3hr  ein  einfaches  Bild  öder  Porti-ät,  sondern  es  sind  künstlich 
X)rdnete   Gruppen,    in   welchen  die   Figuren   nach  Charakter, 

6* 


84:  Fughetta  —  Fusa. 

Ausdruck  und  Wichtigkeit  wetteifern.  Dieser  hohe  Wert  kommt 
aber  nur  derjenigen  Fuge  zu,  welche  neben  kunstreicher  Archi- 
tektonik auch  ein  poetisches,  ein  ideales  Moment  in  sich  trägt^ 
d.  h.  einen  Gedanken,  eine  Stimmung,  nach  seinen  natürlichen 
und  notwendigen  Beziehungen  in  dieser  Architektonik  entwickelt 
und  darstellt.  So  ist  sie  eme  Aufgabe,  welcher  nur  die  tüchtig- 
sten Meister  gewachsen  sind;  eine  blosse  schulmässige  Kombi- 
nation von  fugenmässigen  Gebilden  und  Künsteleien  ohne  lei-^ 
tenden  Gedanken  mag  wohl  das  Ansehen  einer  Fuge  haben^' 
bleibt  aber  immerhin  nur  eine  Form  ohne  Geist,  ein  Komplex 
nichtssagender  Bildergruppen. 

In  der  Kirchenmusik  findet  diese  Kunstform  nur  sehr  be- 
schränkte Anwendung,  da  eben  die  Kirchenmusik  nicht  um  ihrer 
selbst  willen  da  ist,  sondern  den  Gottesdienst  zu  berücksichtigen 
hat,  der  selten  ein  so  ausgebreitetes  Tonstück  als  eine  eigentliche 
Fuge  ist,  zulässt;  fugierter  Stil  und  Fughetten  aber  finden  leich- 
ter Verwendung.  Es  ist  auch  ein  im  Zwecke  der  Kirchenmusik 
nicht  begründeter  und  auch  vom  idealen  Standpunkte  nicht  zu 
rechtfertigender  Gebrauch,  welcher  sich  besonders  am  Ende  des 
verflossenen  und  in  der  ersten  Hälfte  dieses  Jahrh.  breit  machte,, 
an  die  Gloria,  Credo,  Sanctus,  Agnus  über  die  Schlussworte  die- 
ser Gebete,  oft  über  das  Wörtchen  „Amen"  oder  „Alleluja"  allein 
eine  Fuge  zu  knüpfen.  Doch  gilt  dies  nur  von  den  Smgfugen^ 
für  die  Orgel  ist  aber  diese  Kunstform  besonders  geeignet,  und 
der  katholische  Organist  wird  Zeit  und  Gelegenheit  finden,  sie 
in  Anwendung  zu  bringen,  f 

Fughetta,  eine  kleine,  leichte  und  nicht  weit  ausgearbeitete 
Fuge,  weniger  tiefen  und  ernsten  Inhaltes  und  meist  auf  eine 
einzige  Durcnführung  beschränkt. 

Führer,  s.  Fuge. 

Füllstimme  ist  eine  solche  Stimme,  welche  entweder  eine 
vielfach  besetzte  Hauptstimme  im  Einklänge  oder  in  der  Oktave 
verstärkt,  oder  die  Harmonie  vervollständigt  oder  durch  Ver- 
doppelung einzelner  Accordtö'ne  noch  mehr  ausfüllt. 

Fnndamentalbass  ist  die  Bezeichnung  der  Accorde  durch 
ihren  Hauptton,    d.  i.  den  Grundton  ihres  Stammaccordes ,   z.  B. 


Fund.-B.  C  C  G  H. 
Rameau  war  wohl  der  erste,  welcher  die  allerdings  auch  früher 
schon  gebrauchten,  aber  theoretisch  noch  nicht  als  Umkehrungs- 
accorde  angenommenen  Accorde  auf  Stammaccorde  zurückführte, 
nämlich  auf  Dreiklänge,  und  Sext  und  Septime  nur  als  einfache 
Zuthaten  betrachtete.  Seine  Lehre  war  von  Valotti,  Kirnberger,, 
Vogler  u.  a.  adoptiert  und  weiter  ausgebildet.  Sechter  legt  in 
seiner  Kompositionslehre  einen  grossen  W  ert  auf  den  Fundamental- 
bäss,  um  die  naturgemässe  Verbindung  der  Harmonieen  zu  be- 
gründen. —  Fundament  wurde  früher  auch  der  bezifferte 
Orgelbass  und  überhaupt  die  Bassstimme,  auch  Basis,  benannt'. 
Fnsa,  s.  Noten  und  Mensuralmusik. 


\ 


Fusston  —  Gefährte.  85 

Fnsston,  ein  Ausdruck,  welcher  zur  Tonhöhebestimmung 
vom  Orgelbau  hergenommen  ist.  Eine  offene  Labialpfeife,  welche 
den  Ton  (gross)  CTgibt,  ist  ungeföhr  8  Fuss  lang,  eine  Pfeife 
von  4*  gibt  den  Ton  c,  eine  Pfeife  von  16  Fuss  den  Ton  C,. 
Danach  neisst  ein  Register  (Pfeifenreihe) ,  deren  tiefster  Ton 
C  16,  8,  4  oder  2  Fuss  lang  ist,  ein  16-,  8-,  4-  oder  2füssiges 
Register.  Bei  gedeckten  Pßifen  und  Zungenstimmen  aber  deckt 
sich  nicht  die  Körperlänge  mit  der  Tongrösse,  indem  z.  B.  eine 
gedeckte  Pfeife  von  4  Fuss  Länge  schon  den  Ton  einer  offe- 
nen Pfeife  von  8  Fuss  gibt;  von  einem  solchen  gedeckten  Re- 
gister (Gedackt)  sagt  man  dann,  es  habe  8  Fusston.  Und  so 
auch  bei  den  Zungenstimmen. 

Fz.  =  forzato,  eigentlich  sforzato,  forciert,  d.  h.  stark 
hervorgehoben,  eine  Bezeichnung,  welche  nur  für  einen  Ton 
oder  Accord  Geltung  hat. 


G. 

G  ist  der  Name  des  fünften  Tones  der  modernen  Tonleiter, 
welche  von  C  ausgeht.  In  der  Solmisation  und  bei  den  Fran- 
zosen und  Italienern  heisst  es  sol. 

Gamba  ist  ein  in  grösseren  Orgeln  vorkommendes  Flöten- 
register von  enger  Mensur  und  starkem  Windzufluss;  es  gibt 
«einen  scharfen  streichenden  Ton,  spricht  aber  für  sich  schwer 
und  langsam  an,  und  wird  darum  gewöhnlich  nur  in  Verbindung 
mit  anderen  Registern  gebraucht.  Neuere  Orgelbauer  bauen  die 
Gamba  schon  so,  dass  sie  als  Soloregister  gebraucht^  werden 
kann.  Ihr  Ton  ist  sanft  streichend,  etwas  schneidend.  'Sie  wird 
auch  als  4  Fuss  gebraucht,  im  Pedal  als  löfüssiges  Register 
selten,  und  wnd  von  einigen  „Gambenbass**,  von  anderen  „Violon- 
bass"  geheissen. 

r  =  Gamma,  der  dritte  Buchstabe  im  griech.  Alphabet, 
entsprechend  unserm  G.  Früher  benannte  man  damit  die  gui- 
donische  Skala,  weil  ihr  tiefster  Ton  um  die  Zeit  Guido's  r  war. 
Der  griechische  Buchstabe  wurde  aus  keinem  anderen  Grunde 
angenommen  als  zur  Unterscheidung  des  tiefsten  Tones  von  den 
höheren  G,  g.  Auch  später  noch  nannte  man  den  Umfang  oder 
die  Tonreihe  irgend  einer  Stimme  oder  eines  Instrumentes 
„Gamma".  Die  Franzosen  bezeichnen  mit  dem  Worte  „Gamme" 
die  Skala  oder  Tonleiter. 

G&ns;  als  musikalisch-technischer  Ausdruck  bezeichnet  eine 
musikalische  Form,  in  welcher  ein  Motiv  oder  eine  Figur  öfter 
gleichartiger  oder    ähnlicher   Gestalt   wiederholt    aneinander 
eiht  erscheint   ohne   eigentlichen   Schluss.    Sie   ist   entweder 
monisch  oder  bloss  melodisch. 
Ganzschluss,  s.  Kadenz. 
Gebläse,  s.  Balg. 
Gebundener  Stil,  s.  Stil. 
Oedackt,  so  viel  wie  gedeckt,  s.  Pfeifen. 
Gefährte,  s.  Fuge. 


86  Gegenbeweguiig  —  Geige. 

Gegenbewe^nng,  s.  Bewegung.  ^ 

Gehör  ist  im  allgemeinen  der  Sinn  des  tierischen  Köi*- 
pers,  durch  welchen  die  Schallwellen  (s.  Akustik)  empfunden 
werden.  Diese  werden  durch  die  Ohrmuschel  aufgefangen  und 
nach  dem  Trommelfell  geleitet,  welches  dadurch  in  Schwingun- 
gen versetzt  wird,  die  sich  durch  feste,  kleine  Knochen  (Hammer, 
Ambos,  -Steigbügel)  bis  zur  Flüssigkeit  des  Labyrinthes  und 
dessen  Nervenverbreitung  fortpflanzen.  Das  Wesentlichste  am 
Gehörorgane  ist  der  Gehörnerv.  Man  hat  auf  Grimd  der  aku- 
stischen Gesetze  die  Hypothese  aufgestellt,  es  müsse  sich  im 
Ohre  ein  Organ  befinden,  welches  wie  eine  Art  Harfe  mit  meh- 
reren tausend  saitenartigen,  genaugestimmten  Körper chen  ver- 
sehen sei,  mit  deren  jedem  nur  eine  Faser  des  Gehörnerven 
verbunden  ist,  die  weiter  keinen  Dienst  hat,  als  die  Schwingun- 
gen dieser  einen  Saite  zum  Centralorgan  des  Bewusstseins  zu 
telegraphieren.  Mikroskopisch-anatomische  Untersuchungen  der 
neueren  Zeit  sind  zur  Öestätigung  dieser  Hypothese  ziemlich 
.  weit  vorgedrungen.  Im  Behälter  des  Gehörnerven  ^  der  soge- 
nannten Schnecke,  welche  den  Tonempfindungen  dient  und  das 
musikalische  Ohr  ist,  während  die  anderen  Teile  des  Ohres, 
mehr  für  die  Wahrnehmung  des  Schalles  und  der  Geräusche  be- 
stimmt scheinen,  ist  das  Emde  jeder  Nervenfaser  verbunden  mit 
kleinen  elastischen  Körperchen,  die  vollkommen  geeignet  schei- 
nen, durch  KlangweUen  in  Mitschwingung  versetzt  zu  werden. 
Von  ihrem  ersten  Entdecker ,  dem  Marchese  Corti,  heissen  diese 
Gebilde  die  Corti'schen  Fasern,  das  Corti'sche  Organ. 
Deren  sind  nach  Kölliker  etwa  3000  in  der  Schnecke  enth£uten. 
Genauere  Empfindimg,  feinere  Wahrnehmung  scheinen  demnach 
durch,  zahlreichere  Endungen  isolierter  Nerven  beding  zu  sein; 
doch  wird  auch  durch  Übung  die  Feinheit  des  Gehöres  gestei- 
gert. —  Was  man  speciell  musikalisches  Gehör  nennt,  ist 
nichts  anderes,  als  die  Fähigkeit,  Töne,  welche  von  aussen  an 
das  Ohr  gelangen,  unterscneiden  und  dieselben  wenigstens 
innerlich  reproduzieren  zu  können.  Diese  Fähigkeit,  passender 
Tonsinn  genannt,  ist  allen  vollsinnigen  Menschen  angeboren, 
zeigt  sich  aber  in  so  verschiedenen  Graden,  dass  die  Annahme, 
manche  Menschen  besässen  ^ar  kein  musikalisches  Gehör ,  we- 
nigstens den  Schein  der  Ricntigkeit  für  sich  hat;  eine  Haupt- 
ursache dieser  irrigen  Annahme  liegt  aber  in  dem  Mangel  rich- 
tiger Unterscheidung  zwischen  Tonsinn  und  Tonerzeugung, 
in  dem  unrichtigen  Schlüsse  von  der  sinnlichen  Tonbildung  una 
Tonunterscheidung  auf  den  seelischen  Tonsinn.  So  sehen  wir 
viele  Menschen,  welche  die  grössten  Musikfreunde,  höchst  em- 
pfänglich für  Musikeindrücke,  aber  doch  nicht  imstande  sind,  mit 
mrem  Stimmorg^nismus  die  gehörten  Töne  richtig  wiederzugeben. 
Dass  hier  die  Übung,  namentlich  vom  frühesten  Alter  an,  viel 
zu  bessern  vermag,  ist  ausser  allem  Zweifel. 

Geige  ist  der  Gattungsname  mehrerer  Instrumente  von 
verschiedener  Art  und  Grösse,  welche  aus  Holz  gefertigt,  mit 
Darmsaiten  bezogen  und  mittelst  eines  aus  Holz  gearbei- 
teten und  mit  Pierdehaaren  bespannten  Bogens.  dessen  Haare 
mit  Kolophonium  wirksam  gemacht  worden,  durch  Streichen 
der  Saite   zum  Klingen  gebracht   werden.    Der  Ursprung  dieser 


Geige.  87 

Instrumente  reicht  ins  hohe  Altertum  hinauf;  man  findet  der- 
gleichen schon  bei  den  Indiern,  und  zwar  ein  Saiteninstrument 
mit  Schallkasten,  Rebec  genannt;  ebenso  im  nördlichen  Em'opa 
ein  ähnliches,  welches  bei  Venantius  Fortunatus  Crotta  heisst 
und  den  keltischen  Volksstämmen  eigen  war.  Der  kymrische 
Name  lautete  „Orwth",  die  Angelsachsen  nannten  das  Instrument 
„Crudh",  gahdelisch  hiess  es  „cruit",  englisch  „crowd".  Die  mittel- 
alterlichen Schriftsteller  führen  oft  ein  Saiteninstrument  mit 
Namen  Kota  oder  Rotte  an,  welches  im  wesentlichen  dasselbe 
Instrument  ist;  der  Name  Rotta  ist  offenbar  aus  dem  keltischen 
Crowd  entstanden.  Anfänglich  war  es  ein  zitherartiges  Instru- 
ment und  wurde  mit  den  Fingern  oder  dem  Piektrum  gespielt, 
woraus  sich  in  der  Folge  der  ßeigenbogen  entwickelte.  Es  war 
mit  sechs,  später  mit  drei  Saiten  bespannt,  welche  über  ein  an 
einem  Halse  angebrachtes  Griffbrett  und  Über  den  Corpus  des 
Instrumentes  hmliefen  und  an  einem  Saitenhalter  befestiget 
waren.  Bei  saitenreichen  Instrumenten  lagen  die  zwei  tiefsten 
Saiten  auch  ausserhalb  des  Griffbrettes.  Vor  dem  XII.  Jahrh. 
hatte  es  eine  mandolinenförmige  Gestalt;  von  da  an  büdete  man 
den  Schallkasten  in  ein  reines  Oval  um,  wie  es  zahlreiche  Ab- 
bildung^Bn  auf  romanischen  Monumenten  beweisen.  Da  die 
Seiteneinbuchtungen  fehlten,  musste  der  Bogen  über  alle  Saiten 
zugleich  geführt  werden,  und  so  diente  das  fiistrument  wohl  zur 
Begleitung  des  Gesanges  nach  Weise  des  Organon.  Im  Mittel- 
alter gab  es  noch  ein  anderes  ähnliches  Instrument,  bei  Hieron. 
de  Moravia  Rubebe  geheissen,  welches  zweisaitig  und  etwas 
tiefer  gestimmt,  wie  unsere  Viola  war,  und  daher  gut  zur  uni- 
sonen  Begleitung  der  höheren  Männerstimme  passte.  Diese  In- 
strumente wm'den  nach  und  nach  modifiziert,  handlicher  gemacht, 
imserer  Violine  und  Viola  ähnlicher,  oder  vielmehr  sie  gestalte- 
ten sich  in  diese  um.  Gegen  Ende  des  XVI.  Jahrh.  ist  auch 
noch  ein  schmales,  mehr  keulenförmiges  Instrument  bekannt, 
von  den  Franzosen  „Poches",  von  den  Deutschen  „Poschen", 
von  den  Italienern  „Ribecchino  und  Violino  picciola"  geheissen, 
welches  schon  vier  Saiten  hatte ;  im  Orchester  des,  MSnteverde 
findet  es  noch  eine  Stelle.  Beide  Instrumente,  Rubebe  imd  Ri- 
becchino kommen  auf  Gemälden  fast  immer  nebeneinander  vor. 
Im  XVI.  Jahrh.  war  es  auch,  dass  die  Violinen  mit  vier  Saiten 
bespannt  allgemein  eingeführt  wurden  imd  die  noch  jetzt  be- 
stehende Form  erhielten.  Als  den  ersten  Geigenmacher,  welcher 
ihnen  die  letzige  kleine  Gestalt  gab,  wird  ein  gewisser  Testator 
zu  Mailand  (um  1620)  genannt.  Berühmte  Geigenmacher  aus  den 
folgenden  Jahrhunderten  sind  besonders :  die  Gebrüder  und  Söhne 
Amati  und  Stradivario  zu  Cremona;  Gius.  Guarnerio,  und 
Jakob  Stainer  in  Tirol  u.  a.  m.  Bis  1680  spielte  man  auf  der 
"^^oline  nur  bis  zum  zweigestrichenen  a,  höchstens  b,  sich  strenge 
i  den  Umfang  der  Sopranstimme  haltend;  nach  und  nach  sticjg 
an  höher  zur  halben  und  ganzen  Applikatur  und  zuletzt  bis 
un  viergestrichenen  c.  —  Man  hört  auch  von  Halbgeigen 
anchmal  reden;  das  sind  nichts  anderes  als  Geigen,  welche  in 
mfang  und  Mensur  für  Anfänger  im  Violinspiele  eingerichtet 
*nd ,  die  mit  ihren  Fingern  und  Armen  noch  nicht  die  Mensur 
iner  gewöhnlichen  Geige  erstrecken  können. 


88  Geige. 

Was  die  verschiedenen  Namen  anbelangt,  so  führen  wir 
noch  Folgendes  an:  Das  saitenbezogene  Instrument  wurde  im 
Spätlatein   nach  dem  Worte  „fides  (Saite)"  fidula  oder  vidula 

genannt,  ^oher  noch  das  deutsche  „Fidel,  fidein".  Im  XIII.  Jahrh. 
ommt  auch  der  Name  „Vioel  oder  Fitola"  vor,  ebenso  „figella". 
Gerson  nennt  es  „viella,  vielle";  Cottonius  schreibt  auch  „phiala". 
So  bildet  sich  der  Name  „fidula"  durch  die  Zwischemormen 
„fipella,  vieille,  Vioel"  zu  dem  noch  jetzt  gangbaren  Worte 
Viola  und  Violine  um.  —  Das  deutsche  Wort  Geige  stammt 
vielleicht  von  dem  Instrumente  „gigue"  der  Troubadoure,  etwa 
benannt  nach  seiner  Form,  welche  an  Schenkel  und  Bein  einer 
Ziege  oder  eines  Hammels  (guigue,  guigot)  mahnte.  (Ambros, 
Geschichte  der  Musik,  IL)  Wigand  leitet  „Geige"  vom  altnordi- 
schen „geiga",  d.  i.  zittern,  oder  von  „Gi^el" —  das  Hin-  und 
Herzucken  —  mit  Anspielung  auf  die  zucKende  Bewegung  des 
Geigenbogens  —  ab.  Das  Wort  „gige"  kommt  im  Mittelhoch- 
deutschen erst  um  1200  vor. 

Wie  man  die  Geigeninstrumente  für  hohe  Stimmung  in 
kleinerem  Massstabe  aniertigte,  so  that  man  es  auch  für  tiefe 
Stimmung  in  entgegengesetzter  Weise  und  bildete  grosse  Geigen, 
Bassgeigen,  Violone  (Kontrabass)  geheissen,  weiche  seit  dem 
XVI.  Jahrh.  bald  drei-,  bald  vier-,  manchmal  auch  fünfsaitig  ein 
dem  Orchester  unentbehrHches  Instrument  sind. 

Die  noch  jetzt  üblichen  Geigeninstrumente  bilden  das  Streich- 
quartett: die  Violine  oder  Diskantgeige ;. die  Viola  di  bracci^ 
oder  Armgeige ,  Altgeige  oder  Bratsche ;  das  Violoncello ,  die 
kleine  Bassgeige;  Violone,  der  grosse  Bass,  Kontrabass,  wel- 
cher in  mehr  als  vierstimmigen  Tonstücken  zur  Verstärkung 
gebraucht  wird. 

Die  BestandteÜe  und  die  Konstruktion  der  Geigeninstrumente 
sind  vollkommen  gleich.  Ihr  Kör{)er  besteht  aus  einer  in  der 
Mitte  zu  beiden  Seiten  eingebuchten  Decke,  Dach-  oder  Re- 
sonanzboden, aus  gut  getrocknetem  Fichtenholze  gefertigt, 
und  dem  gleichgestalteten  Boden  aus  Ahorn,  welche  beide  Teile 
durch  dünne  Wandungen,  die  Zarge,  verbunden  sind.  Auf  die 
Beschaffenheit  des  Daches  kommt  das  Meiste  für  die  Güte  des 
Tones  an.  In  der  Nähe  der  Einbuchtungen  befinden  sich  im 
Resonanzdeckel  zu  beiden  Seiten  die  F-Löcher,  welche  die  äussere 
Luft  mit  der  im  Resonanzkörper  befindlichen  in  Verbindung 
setzen  und  zum  Ansetzen  und  Richten  der  Stimme  oder  des 
Stimmstockes  notwendig  sind.  Diese  Stimme  ist  ein  der 
Höhe  des  Körpers  ganz  entsprechendes  Stäbchen  aus  Resonanz- 
holz, das  etwa  7^  Zoll  hinter  dem  rechten  Fusse  des  Steges, 
unter  der  dünnsten  Saite,  zu  stehen  hat  und  dessen  Stellung 
wesentlich  zum  guten  Klange  des  Instrumentes  beiträgt.  Um 
dem  entgegengesetzten  Teile  der  Decke,  worüber  die  stärksten 
Saiten  liegen,  einen  Gegendruck  zu  geben,  wird  an  der  inneren 
Seite  der  Decke  ein  scYimales  Stückchen  Holz  befestigt,  das  in 
der  Mitte,  unter  dem  linken  Fusse  des  Steges  am  dicksten  ist 
und  nach  beiden  Seiten  sich  verringert  und  ins  Ebene  ausläuft. 
Nach  oben  wird  zwischen  Boden  undDecke  der  Hals  eingesetzt, 
auf  welchem  oben  das  Griffbrett  befestigt  ist;  letzteres  reicht 
bis  gegen  den  Steg  herab  und  es  laufen  darüber  die  Saiten  hin- 


I 


Geigenprinzipal  —  Generalbass.  89 

weg.  Damit  die  Saiten  nicht  auf  dem  GriflPbrette  aufliegen,  son- 
<iern  sich  frei  schwingen  können,  ist  am  oberen  Teile  desselben 
•ein  kleines  Querholz,  mit  Einschnitten  versehen,  angebracht, 
welches  die  Saiten  über  dem  GriflTbrett  erhält.  Der  Hals  endet 
sich  nach  oben  am  Ende  des  Griffbrettes  in  den  Kopf,  der 
■etwas  nach  rückwäiiis  gebogen,  in  der  Mitte  wie  ein  Kästchen 
ausgestochen,  an  den  Seitenwänden  durchbohrt  ist,  um  darin 
-die  Schrauben  oder  Stimmwirbel  aufzunehmen,  an  denen 
vermittelst  eines  kleinen  Loches  die  Saiten  befestigt  und  auf- 
gespannt werden.  Der  holüe  Teil  des  Kopfes  heisst  der  Lauf, 
der  Wandel  und  der  Wirbelkasten;  der  oberste  Teil  des 
Kopfes  windet  sich  in  eine  Schnecke  zusammen.  Am  ent- 
gegengesetzten Teile  des  Instrumentes  befindet  sich  ein  gewölb- 
tes Brettchen  mit  Löchern,  in  welche  die  Saiten  unten  vermittelst 
eines  Knötchens  befestigt  werden  —  Saitenhalter  oder  Saiten- 
fessel  geheissen,  welches  durch  Draht  oder  ein  Saitenstück  an 
■einem  in  die  Zarge  eingelassenen  Klötzchen  festgehalten  wird. 
In  der  Mitte  des  Körpers  auf  der  Decke  steht  der  Steg,  ein 
Brettchen  mit  zwei  Füssen,  1 — 1'/,  Zoll  hoch,  worauf  die  Saiten 
am  höchsten  liegen.  Die  Schwere  desselben  hat  auf  die  Schwin- 
.guögen  der  Saiten,  die  durch  ihn  auf  den  Resonanzboden  über- 
etragen  werden  sollen,  einen  grossen  Einfluss.  Zu  schwere 
tege  geben  einen  dumpfen  und  schwer  ansprechenden  Ton,  da- 
egen  zu  leichte  einen  scharfen  und  spitzen.  Es  soll  am  Rande 
'der  Decke  Und  des  Bodens  ein  von  schwarzem  oder  anderem 
Holze  eingelegter  Streifen  nicht  fehlen;  ohne  diesen  oder  wenn 
er  bloss  mit  schwarzer  Farbe  gezogen  ist,  nennt  man  die  Geigen 
Schachtelgeigen.  —  Ehe  die  Geigen  mit  Lack  (Bernsteinlack 
ist  der  beste)  überzogen  werden,  werden  sie  noch. gebeizt.  - 
Belehrende  Bücher  über  diesen  Gegenstand  sind:  „Über  den 
Bau  der  Bogeninstrumente  etc.  von  Jak.  Aug.  Otto,  Hof- 
instrumentenmacher  in  Jena,  1828";  „Die  Violine,  ihre  Geschichte 
und  ihr  Bau",  von  G.  Abele,  Neuburg  a.  d.  D.  1864;  r»pie  Geigen- 
macher der  alten  italienischen  Schule",  von  L.  Diehl,  Ham- 
burg 1864. 

Gei^enprinzipal  heisst  ein  angenehmes,  eigenartig  klin- 
gendes Prinzipalregister  mit  streichendem  Tone,  gewöhnnch  zu 
acht  Fuss. 

Gemischte  Stimmen  nennen  die  Orgelbauer  alle  mehr- 
ohörigen  Stimmen,  z.  B.  die  Mixtur.  Bei  den  Vokalkompositionen 
deutet  es  die  Zusammensetzung  aus  Knaben-  (Frauen-)  und 
Männerstimmen  an  (vocibus  inaequalibus)  im  Gegensatze  zu  Ge- 
sangstücken, welche  bloss  von  Knaben-  oder  bloss  von  Männer- 
stimmen vorzutragen  sind  (vocibus  aequalibus,  von  Stimmen 
gleicher  Gattung). 

Gemshorn,  ein  Orgelregister  mit  acht  und  auch  vier  Fuss 
►n,  ähnlich  wie  die  Spitzfiöte  mit  konischem  Körper  und  etwas 
selndem  Tone. 

Generalbass.    Unter  diesem  Worte  versteht  man  die  tiefste 
•imme  eiper  Komposition,   wenn  sie  bestimmt  und  eingerichtet 
,  einen  Überblick  der  Modulation  zu  geben.   Zu  diesem  Zwecke 
id   in  einer  solchen  Stimme  diejenigen  Teüe  ergänzt,   bei  wei- 
ten der  Bass  pausiert,  und  wieder  mit  kleinen  Noten  die  jedes- 


90  Generalbass. 

mal  tiefste  Stimme  eingetragen  oder  ordentlich  einjjereiht  mit 
Angabe  der  Schlüssel,  auch  oft  des  Namens  dieser  Stimme  oder 
dieses  Instrumentes ;  auch  werden  in  eine  solche  vervollständigte 
Stimme  die  Haimonieen  durch  Ziffern  und  andere  Zeichen 
(Signaturen)  angezeigt.  Daher  hat  eine  solche  .Stimme  den 
Namen  „bezifferter  Bas s*.  Um  eine  leichte  Übersicht  zu 
schaffen,  ist  es  notwendig,  die  Stimme  nicht  mit  Ziffern  zu  über- 
laden, zumal  nm*  die  emfachen  Harmonieen  gegeben  werden 
sollen,  und  das  Bestreben,  die  verschiedenen  Durchgänge  und 
Figurationen  anzugeben,  nur  die  grösste  Verwirrung  hervorrufen 
müsste.  Hiernach  suchte  man  die  Bezifferung  mögfichöt  zu  ver- 
einfachen und  bezeichnet  jetzt  1)  die^Dreiklänge  gar  nicht, 
ausser  wenn  ein  der  Tonart  nicht  angehöriger  Dreiklang  eintritt 
oder  ändere  Umstände   seine  Kennzeichnung  erheischen,   wozu 

man  entweder  nur  die  Terz,  ob  klein  oder  gross  (b,  8,  B)  angibt, 

oder  wenn  auf  dfer  gleichen  Note  ein  anderer  Accord  erklungen 

hat,  man  den  Eintritt  des  Dreiklangs  mit  §  und  den  etwa  nöti- 

5    5    5  ^ 

gen  Versetzungszeichen  (jt,  1?,  |j)  anzeigt;  ebenso  bedürfen  der  ver- 
minderte imd  der  übermässige  Dreiklang  einer  vollständigen  Bezeich- 
nung. 2)  Der  Terzsext- Accord  wird  regelmässig  nur  mit  6;  4)  der 
Grundseptim-Accord  mit  7,  die  davon  abgeleiteten  Accorde 

Terzquintsext-,  Terzquart- und  Sekund- Accord  mit  g,  %  2  (oder  |) 
und  die  Nonenaccorde  mit  9  oder  ^  beziffert.  In  allen  Fällen, 
wie  schon  oben  bemerkt,  wo  eine  modulatorische  Veränderung 
eintritt,  irgend  ein  Intervall  des  Accordes  erhöht  oder  erniedriget 
wird,    muss   dies  angedeutet  werden.    Die  resp.  Erhöhung  eines 

Tones  wird  mit  jf  (oder  tJ),  die  Erniedrigung  mit  i?  (oder  l()  vor  der 

Zahl  angezeL^,  oder  man  durchstreicht  auch  im  Falle  der  Er- 
höhung die  Zahl,  z.  B.  &,  »,  *.  Bei  einzelnen  liegenbleibenden 
Intervallen  oder  Accorden  bedient  man  sich  der  Kürze  halber 
kleiner  Querstriche,  z.  B.  5  j^  statt  |  5;  durchgehende  Noten 
werden  mit  o  bezeichnet;  kleine  schiefe  Striche  wendet  man 
auch  an,  wenn  eine  Reihe  von  gleichartigen  Accorden,  hinter- 
einander folgt. 

Diesen  bezifferten  Bass  auf  der  Orgel  oder  dem  Klaviere 
ausführen,  heisst  das  Generalbassspielen.  Es  ist  dies  be- 
sonders dem  katholischen  Organisten  notwendig,  da  sämtliche 
ältere  Kirchenkompositionen,  bei  denen  die  Orgel  begleitet,  eine 
bezifferte  Orgelstimme  haben.  Erst  in  neuester  Zeit  pflegen  die 
Kompositeure  auch  bei  instrumentierten  Kirchenstücken  eine 
ausgesetzte  Orgelstimme  gleichsam  als  Klavierauszug  beizugeben, 
mehr  aber  zu  aem  Zwecke,  um  daraus  einige  Instrumente,  welche 
etwa  nicht  besetzt  werden  können,  mit  der  Orgel  zu  ergänzen, 
oder  dieselbe  als  Direktionsstimme  zu  benützen. 

Zur  guten  Vollführung  des  Generalbassspieles  bedarf  es 
der  Unterweisung  und  Übung.  Hierzu  dienen  die  sogenannten 
Generalbassscnulen,  unter  denen  die  von  Dr.  Georg  Türk 
noch  immer  einen  vorzüglichen  Platz  einnimmt.  Um  seiner  Auf- 
gabe zu  genügen,  müss  der  Generalbassspieler  eine  vollständige 
Kenntniss  der  Harmonie   und   der  Bezifferung  haben    und    hm- 


Gesang  —  Gesangkunst.  91 

längliohe  Vertrautheit  der  Komposition,  um  die  Formen  zu  veir 
stenen;  er  muss  in  die  Intentionen  des  Komponisten  eindringen» 
sein  W  erk  studieren,  um  den  ganzen  Gang  der  Komposition  sich 
einzuprägen  und  demgemäss  auch  die  Begleitung  zu  vollführen,, 
damit  er  nicht  z,  B.  minderstimmige  Sätze  etwa  vollgriffig  be- 
gleite oder  durch  sein  Spiel  Solosätze  störe;  er  soll  eine  feste- 
Stütze  ftlr  die  übrigen  Stimmen  werden.  Hierzu  ist  noch  zu 
fiigen  eine  vielseitige  Erfahnmg  in  den  Bewegungsgesetzen  der 
Harmonie,  eine  sor^ältige  Kenntnisnahme  dessen,  was  unter  ge- 
wissen Umständen  allgemein  oder  in  der  Periode  oder  Schule 
des  Komponisten  oder  auch  in  seiner  besonderen  Schreibart  ge- 
meiniglicn  zu  geschehen  pflegt. 

Die  bezifferten  Bässe  oder  der  Generalbass  sind  nicht  eine- 
Erfindung  Viadana 's,  wie  oft  irrtümlich  berichtet  wird,  son- 
dern sie  fanden  schon  vor  ihm  Anwendung  und  verdanken  ihren 
Ursprung  wahrscheinlich  der  zu  Ende  des  XVI.  Jahrh.  auftau- 
chenden Monodie,  zu  deren  Begleitung  solche  einfache  Harmonien 
genügend  befunden^  wurden. 

Gesang,  lat.  tJantus,  ital.  Canto,  franz.  Chant  ist  vor- 
erst die  Anwendung  der  menschlichen  Stimme  zu  musikalischen 
Zwecken,  dann  gebraucht  man  dies  Wort  zur  Bezeichnung  einer 
Melodie,  der  Tonfolge  der  Hauptstimme  eines  Tonstückes  über- 
haupt; auch  bezeichnet  man  oamit  ein  grösseres  Gesangstück,. 
z.  H.  ein  Lied. 

Der  Gesang  im  allgemeinen  ist  entweder  ein  natürlicher, 
oder  ein  künstlicher,  je  nachdem  der  Sänger  bloss  nach  na- 
türlicher Anlage  ohne  weitere  Organbildune^  oder  nach  den 
Regeln  der  Singkunst  und  mit  gehöriger  Ausbildung  der  Stimm- 
organe singt.  Gesang,  als  ein  Ton  stück  zum  Singen  genommen, 
kann  nach  dem  Zwecke  und  dem  Bau  verschieden  sein,  z.  B.  Kir- 
chengesang, Bühnengesang  u.  dgl. 

Gesangknnst.  Die  menschliche  Stimme  ist  das  edelste 
und  vollkommenste  Instrument.  Doch  bedarf  sie,  um  solches  in 
Wahrheit  zu  sein,  immerhin  der  Ausbildung;  gut  und  schön- 
singen, ist  eine  Kunst.  Diese  Ausbildung  hat  sich  dahin  zu 
richten,    den  Klang  der  Töne  zum  Wohllaut  zu  veredeln,   das-  j 

Organ  zur  klaren  und  prompten  Abgabe  jeden  Tones  im  Bereiche 
seines  Stimmumfanges  zu  befähigen,  die  Stimmregister  auszu- 
gleichen, die  Stimme  biegsam  und  geschmeidig  zu  machen,  die 
Modifikationen  der  Tonstärke  ihr  anzueignen;   femer  durch  theo-  | 

retische  Kenntnisse  und  praktische  Übungen  zu    gewinnen  und  j 

es  zu  erlernen,   den  in  dem  Texte  und  in  der  Melodie  ruhenden  J 

Affekten   einen  richtigen  Ausdruck    zu   verleihen,     oder    einen  i 

schönen  Vortrag  zu  erzielen.  —  Von  jeher  legte  man  einen  gros-  i 

sen   Wert   auf  die  Bildung  der  Stimmorgane   und  schönen  Ge-  j 

angsvortrag.    Isidor  von  Sevilla   fordert  für   den   Sänger   eine  i 

Ute  Stimme  und  sagt:  „Perfecta  est  vox  alta,  suavis  et  clara; 
Ita,  ut  in  sublimi  sufficiat;  clara,  ut  am'es  audientium  adim- 
)l€at:  suavis,  ut  animos  audientium  blandiat."  Die  Kirche  hat 
jeit  aem  VI.  Jahrh.  eigene  Singschulen  (s.  d.)  unterhalten,  worin 
Knaben  und  Jünglinge  zu  guten  Sängern  herangebildet  wurden;, 
ier  Choralgesang  mit  seinen  Melismen,  Tonfiguren  und  Ligatu- 
ren war  ein  wahrer  Kunstgesang.    Grosse  Anforderungen  an  den 


"öä  Geschichte  der  Kirchenmusik  —  Glocken. 

Sänger  stellte  der  Mensuralgesang ,  wie  nicht  minder  die  Poly- 
phonie  des  XV.,  XVI.,  XVII.  Jahrh.  Die  Monodie  verlangte  vor 
allem  ausgeprägten  Vortrag;  die  höchsten  Leistungen  der  mensch- 
lischen  Stimme  lieferte  jedoch  das  Zeitalter  der  grossen  Bravour- 
«änger  und  Sängerinnen  (XVIII.  Jahrh.). 

Dem  Kirchenchorsänger  werden  allerdings  keine  solchen 
Aufgaben  gestellt,  wie  dem  Sänger  im  Konzertsaale  und  auf  der 
Bühne,  wo  schärfere  Affekte  ihr  Recht  behaupten,  aber  er  kann 
auch  seiner  Pflicht  nicht  ordentlich  genügen  ^  wenn  er  nicht  gut 

febildet  und  geschult  ist.  Deshalb  muss  ein  kirchlicher  Chor- 
irigent  ein  wohlgebildeter  Sänger  sein;  da  ihm  gewöhnlich 
obliegt,  seine  Gesangskräfte  selbst  heranzuziehen.  —  An  Studien- 
werken für  den  Gesanglehrer  zumeist  ist  kein  Mangel  (z.  B.  Sie- 
ber, V.  Stockhausen);  besonders  empfehlenswert  ist  „die  Elementar- 
und  Chorgesangschule  von  Stark  und  Faisst"  (Stuttgart,  1880); 
als  Vorübungen  für  Kirchengesang  sind  wohl  die  50  Solfeggien 
von  Bertalotti  (Ausgabe  von  F.  X.  Haberl,  Regensburg,  F.  Pustet) 
unübertroffen. 

Geschichte  der  Kirchenmusik,  s.  Kii^chenmusik. 

Gleiche  Stimmen,  voces  aequales,  werden  diejenigen  ge- 
nannt, welche  nur  einer  der  Hauptgattungen:  Männerstimmen 
<Tenor  und  Bass)  oder  Frauenstimmen  (Knabenstimmen,  Diskant 
und  Alt)  angehören.  Vergl.  Gemischte  Stimmen,  voces 
inaequales. 

Glocken,  lat.  campanae,  nolae,  auch  cloccae,  jene 
aus  Erz  gegossenen  Klangwerkzeuge,  deren  sich  auch  die  Kü*che 
zu  mancherlei  Zwecken  und  in  verschiedener  Grösse  bedient, 
haben  sich  aus  den  bei  den  alten  Völkern,  z.  B.  Römern,  Grie- 
chen gebräuchlichen  Schellen  (tintinabula)  herausgebildet;  wahr- 
scheinlich fanden  sie  bald  nach  Konstantin  Eingang  in  die  Kirche. 
Anfänglich  waren  sie  geschmiedet  und  vorerst  bei  den  Mönchen 
unter  dem  Namen  „signa"  in  Gebrauch.  Um  die  Mitte  des 
VII.  Jahrh.  finden  wir  gegossene  Glocken  in  Frankreich,  bald 
nachher  auch  in  Deutschlar^d,   doch   noch   bei  weitem  nicht  all- 

ferhein.  Wer  den  Glockenguss  erfunden,  ist  überhaupt  nicht 
ekannt.  Mit  der  Zeit  wuraen  sie  in  immer  grösserem  Umfange 
und  Gewichte  hergestellt  und  in  Thürmen  aulgehangen,  damit 
sie  ihren  Schall  weithin  entsenden  könnten.  Dass  me  Glocken 
vom  Bischöfe  Paulinus  zu  Nola  in  Kampanien  erfunden  seien, 
stellt  sich  als  eine  nicht  genügend  begründete  Annahme  heraus ; 
„campanae"  wurden  sie  wohl  deswegen  genannt,  weil  das  Erz 
Kampaniens  zum  Glockenmaterial  sich  besonders  tauglich  erwies, 
und  die  etwaige  erste  Anwendung  grösserer  Glocken  zu  Nola 
in  dieser  Provinz  mag  Veranlassung  zum  Namen  „Nolae"  gege- 
ben haben.  Der  deutsche  Name  „Glocke"  oder  das  latinisierte 
„clocca"  scheint  erst  im  VIII.  Jahrh.  zur  Geltung  gekommen  zu 
sein;  in  den  Briefen  des  heil.  Bonifacius  (f  755)  kommt  er  einige- 
mal vor;  er  ist  nach  Grimm  von  dem  althochdeutschen  Worte 
„diu  clocha"  und  dieses  von  „clochen",  d.  i.  schlagen,  klopfen, 
abzuleiten. 

Die  Glocken,  diese  schnellen  und  weithintragenden  Ver- 
künder aller  heiligen  Handlungen  der  Kirche,  sind  gleichsam  die 
Zeugen  der  Kirche  und   vermögen  wundersam  die  Gefühle,  die 


Glocken.  93 

der  jedesmaligen  Handlung  der  Kirche  oder  Feier  oder  den  daa 
menschliche  Leben  überhaupt  berührenden  Ereignissen  entspre- 
chen, zu  verkünden  und  zu  wecken.  Gerson  (1^9)  citiert  emen 
alten  Spruch  über  den  verschiedenen  Gebrauch  der  Glocken,  den 
man  ihnen  auftnifrägen  pflegie: 

Laudo  Deum  verum,  plebem  vöco,  congrego  clerum,- 
Defunctos  ploro,  pestem  fugo,  festa  deooro. 

Wegen  der  so  innigen  Verbindung  der  Glocken  mit  den 
verschiedenen  Handlungen  der  Kirche  fing  man  schon  frühzeitig 
an,  sie  unter  entsprechender  Feierlichkeit  zu  ihrem  Dienste  ein- 
zuweihen. (Glockentaufe,  Benedictio  campanarum.) 

Damit  die  Glocken  ihren  Zweck  um  so  besser  erfüllen^ 
sieht  man  darauf,  dass  sie  einen  guten,  wohltönenden  Klang^ 
haben;  fordert  man  dies  schon  von  einer  einzelnen  Glocke,  so 
gewinnt  es  um  so  höhere  Bedeutung  beim  Zusammenklingen 
mehrerer  Glocken,  bei  einem  ganzen  Geläute,  und  es  müssen 
darauf  die  Kirchenvorstände  ein  besonderes  Augenmerk  richten. 
Der  gute  Ton  und  das  angenehme  Zusammenklingen  hängen 
sowohl  von  dem  Stoffe  (Glockenspeise)  und  dessen  Bereitung- 
als  von  der  Stimmung  ab.  Was  ersteren  anbelangt,  sind  die- 
Angaben  der  Glockengiesser  verschieden;  als  vorzüglichste  Mi- 
schung geben  englische  Meister  80  Teile  feinstes  russisches 
Kupfer,  lO— 11  Teile  feinstes  englisches  Zinn,  5—6  Teile  Zink 
und  4r—3  Teile  Blei  an ;  Silber ,  dem  der  Volksglaube  eine  so 
grosse  Bedeutung  beilegt,  ist  nicht  nötig.  Die  Reinheit  des 
Klanges  ist  bedingt  durch  die  Reinheit,  Gute  und  Gleichartigkeit 
der  Masse,  und  dass  letzteres  stattfinde,  ist  notwendig,  dass  der 
Schmelzprozess  mit  möglichster  Sorgfalt  vollführt  werde.  Mit 
Veraccordierung  aus  Sparsamkeitsrücksichten  wird  darum  selten 
etwas  Vollkommenes  erzielt  werden,  da  das  Gute  überall  teuer 
ist.  Die  Stimmung  betreffend  ist  die  Zahl  der  Glocken  zu  be- 
lücksichtigen,  welche  zu  einem  Geläute  verbunden  werden. 
Weniger  gut  erscheint  das  Zusammenklingen  dreier  Glocken, 
welche  den  Dreiklang,  z.  B.  c  e  g  geben,  als  welche  nach  der 
diatonischen  Reihe  (c  d  e,  de  fis)  gestimmt  sind ,  da  das  Läuten 
mehrerer  Glocken  durch  den  nicht  gleichzeitig  erfolgenden  An- 
schlag mehr  ein  melodisches  Ertönen  ist,  und  ein  blosser  Drei- 
klang, ob  gross  oder  klein,  eine  ziemlich  einförmige  Melodie  gibt. 
Bei  vier  Glocken  kann  die  diatonische  Reihe  nach  oben  oder 
unten  um  einen  Ton  vermehrt  werden.  Bei  sechs  aber  ist  es 
am  besten,  den  Dreiklang  mit  einem  Tetrachord  zu  verbinden, 
z.  B.  c  e  g  a  h  c  oder  c  a  e  f  a  c.  Zu  bemerken  ist  indes,  dass 
hierbei  sehr  viel  von  den  Beitöneii  (Aliquottönen)  abhängt, 
welche  neben  dem  Haupttone  der  Glocken  sehr  vemehmhch 
hörbar  werden;  diese  verschönem  den  Hauptton  nur,  wenn  sie 
diesem  consonieren  und  machen  ein  angenehmes  Geläute  mög- 
i,  wenn  sie  nicht  in  grellem  Dissonanzverhältnis  mit  den 
ipttönen  der  anderen  Glocken  stehen.  Bis  jetzt  ist  es  noch 
ungelöstes  Problem,  bestimmte  Beitöne  in  den  Glocken 
zustellen,  obwohl  es  jedem  Glockengiesser  möglich  ist,  der 
cke  den  geforderten  Hauptton  zu  geben.  Ausführlicher  be- 
icbt  diesen  Gegenstand  ein  Aufsatz  der  „Cäcilia*'  1867,. 
2  und  ff. 


94  Glockenspiel  —  Gradüale. 

Glockenspiel  (franz.  Garillon),  ein  aus  abgestimmten 
<jlooken  und  (Höcklein  zusammengesetztes  Instrument;  früher 
waren  Glockenspiele  besonders  in  Holland  und  den  Niederlanden 
«ehr  verbreitet  und  befandeiii^  sich  meist  auf  Kirchthürmen.  Sie 
wurden  entweder  mittelst  emes  Uhrmechanismus  mit  Walzen 
wie  unsere  Spieluhren  oder  durch  eine  Tastatur  gespielt  oder 
auch  mit  Klöppeln  geschlagen.  (Vgl  Gregoriusblatt  1878.)  Selbst 
in  Orgeln  hatte  man  Glockenregister  (Orgel. zu  Weingarten).  In 
der  kathoHschen  Kirche  gebraucht  man  eme  Glöckleinzusammen- 
csetzung  bei  Altar  klingeln;  an  vielen  Orten,  namentUch  in  den 
Rheinlanden,  besteht  die  sogenannte  „Sanctusglocke",  welche 
bei  feierlichen  Gottesdiensten  benützt  wird,  aus  einer  Kombi- 
nation von  vielen  Glöckchen.  Anweisungen,  Glöcklein  zu  gies- 
£en,  finden  sich  fast  in  allen  musikalischen  Traktaten  des  XL 
und  XII.  Jahrh. 

Gloria.    Mit  diesem  Worte  wird  kurz  der  englische  Lob- 

fesang  bezeichnet,  welcher  der  heiligen  katholischen  Messe  nach 
em  K^yrie  eingefügt  ist.  Er  wird  auch  die  grosse  Doxologie 
genannt  und  besteht  aus  dem  Hymnus,  welcnen  die  himmlischen 
Geister  bei  der  Geburt  des  götthchen  Welterlösers  sangen:  „Glo- 
ria in  excelsis  Deo  et  in  terra  pax  hominibus  bonae  voluntatis^ 
und  verschiedenen  Zusätzen,  deren  Urheberschaft  teils  dem 
Papste  Telesphorus  (f  139),  welcher  zugleich  verordnete,  dass  das 
•Gloria  bei  aer  Messe  gesungen  werde,  teils  dem  heiL  Hilarius 
(Ende  des  IV.  Jahrh.)  zugeschrieben  wird,  diesem  jedoch  nur 
insofern,  als  er  diesen  „Hymnus  angelicus"  aus  dem  Grie- 
-chischen  übersetzt  habe.  Anfangs  und  wie  das  Gradüale 
St.  Gregorii  nach  dem  Zeugnisse  Radulfs  von  Tungern  ausweist, 
war  in  der  Choralmelodie  jeder  Silbe  nur  ein  Ton  zugeteilt;  spä- 
ter wurden  zur  Verzierung  bei  grösseren  Feierhchkeiten  an  man- 
chen Stellen  mehrere  Noten  ooer  Neumen  angebracht.  Wie  bei 
anderen  Gebetsgesängen,  so  glaubte  man  auch  dem  Gloria  Zu- 
43ätze  und  Paraphrasen,  sogenannte  Tropen,  einschalten  zu 
dikfen,  was  jedoch  bald  verboten  wurde.  Das  Gloria  wird  in 
allen  Messen  gesungen;  ausgenommen  sind  einige  Votivmessen, 
dann  die  Missa  de  Requiem,  sämtliche  Ferialmessen  und  die  an 
den  Sonntagen  im  Advent  und  in  der  Fasten  —  überhaupt  die- 
jenigen Messen,  welche  in  violetter  oder  schwarzer  Farbe  gelesen 
werden.  Im  kirchlichen  Gebrauche  sind  vier  Melodien  „Gloria**: 
in  duplicibus,  in  festis  B.  V.  Mariae,  in  semidupUcibus  und  in 
simplicibus,  deren  Intonationen  in  jedem  Missale  verzeichnet  sind. 

Gloria  Patri,  s.  Doxologie. 

Grabmusik,  s.  Karwoche. 

Gradüale  heisst  1)  ein  Gesang  zwischen  der  Lektion  oder 
Epistel  und  dem  Evangelium  in  der  heiligen  Messe,  welcher 
gegenwärtig  aus  ein  paar  der  heiligen  Schrift,  meistens  dem 
buche  der  Psalmen  entnommenen  Versen  besteht.  Ursprünglich 
wurde  dieser  Gesang  Responsum  oder  Cantus  responsorius 
oder  Psalmus  responsorius  genannt,  weil  der  Vorsänger 
-(Kantor)  ihn  eröffnete,  der  Chor  aber  einstimmend  respondierte. 
Über  die  Abstammung  des  Wortes  „Gradüale"  aber  sind  die  Li- 
turgen  nicht  einig ;  einige  leiten  es  daner,  dass  der  Gradualgesang 
gesungen  wurde,  während  der  Diakon  die  Stufen  (gradus)  zum 


Gregorianischer  Gesang  —  Griechische  Musik.  95 

Ambo  zur  Lesung  des  Evangeliums  hinaufsteigt,  oder  noch  an 
den  Stufen  des  Altares  steht;  andere,  und  dies  ist  die  Mehr- 
zahl, entnehmen  den  Ursprung  dieser  Benennung^ dem  Orte, 
den  der  Vorsänger  einnahm.  Dieser  Ort  war  in  der  Kegel  irgena 
eine  Erhöhung;  —  in  Rom  war  es  dieselbe  Stufe,  auf  wefcher 
der  Lektor  stand.  Nach  Joh.  Beleth  (in  der  zweiten  Hälfte  des 
XU.  Jahrb.  schrieb  er  eine  wertvolle  „Divinorum  officiorum  ex- 

Slioatio**)  "stellte  sich  der  Kantor  an  gewöhnlichen  Tagen  auf 
ie  Stufen  vor  dem  Altare,  —  an  höheren  Festen  aber  auf  den 
Ambon  —  den  erhöhten  rlatz  zur  Ablesung  des  Evang[eliums. 
Der  etwas  spätere  W.  Durandus  berichtet  in  seinem  „Rationale**, 
an  gewöhnhchen  Tagen  werde  das  Graduale  in  der  Mitte  des 
Chores  vor  den  Stufen  des  Altares,  an  Festen  auf  den  Stufen 
desselben  gesungen.  —  Wer  den  Gradualgesang  eingeführt,  ist 
nicht  bekannt;  der  genannte  Durandus  schi'eibt,  dass  die  hh. 
Gregor,  Ambrosius  und  Gelasius  Gradualien  gefertigt  und  deren 
Gesang  befohlen  hätten.  In  Afrika  war  zur  Zeit  des  heil.  Augu- 
stinus ein  ganzer  Psalm  üblich;  auch  in  Rom  scheint  man  noch 
im  V*  Jahm.  einen  ganzen  Psalm  gesungen  zu  haben.  Zwischen 
dieser  Zeit  und  dem  Ende  des  VI.  Jahrb.  erhielt  das  Graduale 
eine  dem  jetzigen  ähnliche  Gestalt.  Der  Zweck  dieses  Gesanges 
w^ar  aber  nicht  gerade  die  Ausfüllung  der  zur  Vorbereitung  auf 
die  Verkündigung  des  Evangeliums  erforderlichen  Zeit,  sondern 
die  geistige  Erheoung  und  Erweckung  der  Gefühle  des  Dankes, 
der  Empfänglichkeit  für  die  stattfindende  Verkündigung  der 
Lehre  des  Heiles.  An  das  Graduale  reiht  sich  das  Alleluja, 
an  gewissen  Tagen  die  Sequenz;  zu  bestimmten  Zeiten  tritt  an 
die  Stelle  des  jflleluja  der  Tr actus,  ein  Gesang  in  langsamer 
gedehnter  Weise  ohne  responsorienartigen  Wechsel,  von  einem 
oder  zwei  Sängern  allein  ohne  Unterbrechung  vorgetragen.  — 
Die  vom  Chore  gesungenen  Graduale  sollen  in  ihrem  Texte  mit 
den  vom  Priester  am  Altare  gelesenen  übereinstimmen.  2)  Es 
wird  mit  dem  Namen  Graduale  auch  das  Buch  bezeichnet, 
worin  die  Gesänge,  welche  der  Chor  während  der  Feier  der 
heiligen  Messe  abzusingen  hat,  als  z.  B.  Kyrie,  Gloria,  Introitus, 
Gracmale,  Offertorium  u.  dgl.  aufgezeichnet  sind. 

Gregorianischer  Gesang,   Cantus  gregorianus,  s.  Choral 
und  Kirchenmusik. 

Griechische  Musik.    Die  Anfänge  der  Tonkunst  umgaben 

die  Griechen  mit  Mythen,    und  es  galten  ihnen  die  Musen  Mel- 

pomene    und   Erato    als    die  Erfinderinnen   derselben;    einige 

nennen  Epimetheus  und  Prometheus.     Unter  ihren   Fort- 

büdnern  und  besonderen  Pflegern  waren  Apollon,. Hermes, 

Pallas  Athene,  Orpheus,  Amphion,    Pan,  Marsyas  u.  a. 

Erst  seit  dem  VI.  Jahrb.  v.  Chr.  oegann  die  höhere  Entwicke- 

iung  der  Musik.    In  Wirklichkeit  hat  die  Musik,   wie  die  Poesie 

fOrchestik,  ihren  Ursprung  in  der  Religion,   und  diesem  Ur- 

iinge  treu  stehen  die  arei  bchwesterkünste  in  der  klassischen 

t  des  Griechentums  noch  vorwiegend  im  Dienste  der  Religion. 

r   Blüte   des  Epos  geht  die   apollinische  Chorlyrik  und  die 

igiösen  Hymnen,   Nomoi  genannt  von  der  stetigen  Kompo- 

ionsform,  voraus.    An  den  grossen  Kultusstätten,  z.  B.  Delphi, 

b  es  eigentliche  Singschulen.    Das  war  in  der  vorhomeriscnen 


96  Griechische  Musik. 

und  homerischen  Zeit,  wo  auch  die  Kithara  schon  ^ekaniit- 
und  gebraucht  wurde.  Beim  Beginne  der  Olympiaden  (VIL  Jahrh. 
vor  Chr.)  trat  Terpander  in  Sparta  auf  mit  seiner  siebensaiti- 
gen  Lyra,  und  dies  ist  die  Zeit,  wo  die  erste  Feststellung  der 
musischen  Gesetze  (Katastasis)  stattfand.  (Dorische  und  be- 
ziehungsweise äolische  Tonart,  diatonisches  Geschlecht,  sieben-^ 
saitiges  Tonsystem.)  Ein  Fortschritt  geschah  durch  Klonas^ 
dem  Haupte  der  altpeloponnesischen  Aulodik,  mit  Einführung^ 
der  Auloi  (Flöten,  doch  mehr  unseren  Klarinetten  ähnlich)  zur 
Begleitung  des  Gesanges.  100  Jahre  nach  Terpander,  d.  i.  720 
V.  Chr.,  wu'd  Archilochus  als  grosser  Künstler  genannt,  dessen 
Dichtungen  und  Kompositionen  eigentliches  Lied  waren,  wel- 
ches bisher  aus  dem  Kanon  der  künstlerischen  Normen  ausge- 
schlossen war;  nun  wurde  mit  demselben  (vom  Volke  schon 
lange  geübt)  durch  die   Repetition  (Strophe)  und  den  dreiteih- 

fen  Rhythmus  ein  neues  !rrincip  in  der  Kunst  zur  Geltung  ge- 
rächt. Archilochus  führte  auch  die  Parakataloge,  d.  h. 
Wechsel  von  Gesang  und  Recitation  (Deklamation)  bei  ununter- 
brochener Instrumentalbegleitung,  ein.  Flutarch  schreibt  ihm 
die  vom  Gesänge  verschiedene  Instrumentalbegleitung  zu,, 
während  „die  Alten**  den  Gesang  nur  unisono  bfegleitet  hätten. 
Durch  Olympus,  von  welchem  nicht  bestimmt  ist,  ob  er  eine 
historische  Persönüchkeit  oder  bloss  ein  Gattungsbegriff  für  eine^ 
ganze  Schule  sei,  kam  die  Auletik,  reine  Instrumentalmusik, 
aus  Phrygien  nach  Hellas  und  damit  die  Dur-Tonarten  Phr  vgiscb 
und  Lyoisch  (freilich  nicht  unser  modernes  Dur)  zu  dem  alt- 
hellenischen Moll  (dorisch-äolisch). 

Um  diese  Zeit  geschah  die  zweite  Katastasis  und  es  be- 
gann die  klassische  Periode  der  griechischen  Musik.  Ihre 
Hauptvertreter  waren  Thaletas.  Xenodamus,  Xenokritus, 
als  Komponisten  chorischer  Musik,  Polymnastus  und  Saka- 
das  als  die  Meister  einer  neuen  Stilart  der  Monodik  und  Instru- 
mentalmusik. Es  trat  die  bisher  nur  dem  Volke  angehörige 
orchestische  oder  chorische  Musik  in  den  Kreis  der  Kunst;  (Se 
Kitharistik  bildete  ein  Seitenstück  zur  Auletik,  und  beide  ver- 
einigten sich  wieder  zu  einer  dritten  Gattung  der  Instrimiental- 
musik;  die  Tonarten  erweiterten,  sich  durch  Hinzutritt  des 
eigentlich  Lydischen,  des  Jastischen  und  Lokrischen^ 
und  das  weltliche  Lied  wurde  von  Sappho  mit  dem  Mixolydi- 
sehen  bereichert;  die  Transpositionsskalen  vermehrten  sich  für 
die  Instrumente,  und  wuchs  damit  der  Tonumfang  um  das 
Tetrachordon  hypaton;  die  chromatischen  und  enhar- 
monischen  Tongeschlechter  kommen  in  Übung,   und   man  be- 

finnt  die  Kompositionen,  vorerst  die  Instrumentalpartien  und 
ie  Begleitung  in  Noten  zu  fixieren.  In  dieser  Periode  wird 
auch  Lasos  (um  550  v.  Chr.)  genannt  als  der  Erste,  welcher 
über  die  Theorie  der  Musik  scnrieb.  Einflussreich  waren  auch 
die  Bemühungen  des  Pythagoras  (geb.  um  580  v.  Chr.),  wel- 
cher in  allen  Zweigen  der  Musik  sich  verdient  machte,  die  Ka- 
nonik  erfand,  d.  h.  die  musikalischen  Verhältnisse  auf  Zahlen 
Äurückfiihrte,  —  und  die  Theorie  und  die  Instrumente  verbes- 
serte. Diese  klassische  Zeit  reicht  bis  Phrynis  von  Mytüene, 
um  420  V.  Chr.    Die  nun  beginnende  nachklassische  Periode, 


Griechische  Musik.  97 

die  bis  in  die  alexandrinische  Zeit  hinein  und  nur  mit, geringen 
Veränderungen  sogar  bis  in  die  römische  Kaiserzeit  reicht,  ist 
noch  sehr  dunkel  aus  Mangel  an  hinreichenden  Quellen.  Der 
bedeutendste  uns  bekannte  Mann  ist  Aristoxenus,  um  350 
V.  Chi*.,  welcher  zuerst  eine  wissenschaftliche  Begründung  der 
Musik  versuchte.  Von  seinen  Werken  sind  nur  drei  Bücher 
dp/AoviJta  öxotxna  auf  uns  gekommen  und  diese  nicht  vollstän- 
dig, —  dann  noch  die  Fragmente,  welche  Plutarch  und  Ari- 
stides  aus  seinen  Werken  excerpiert  und  ihren  musikalischen 
Schriften  eingereiht  haben.  Um  die  mathematische  Klanglehre 
erwarb  sich  der  berühmte  Mathematiker  Euklides  (277  v.  Chr.) 
besondere  Verdienste.  War  die  vorausgegangene  Periode  (klas- 
sische) die  der  schöpferischen  Kunst,  so  begann  mit  Aristo- 
xenus die  Periode  der  Kunsttheorie,  die  der  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  immer  mehr  welkenden  Nachblüte  der  Kunst 
zur  Seite  geht. 

Von  der  musikalischen  Theorie  der  Griechen  möchte  fol- 
gendes das  Wissenswerteste  sein: 

Das  Tonsystem  der  Griechen  war  eigentümlich.  Sie  schie- 
den die  Reihe  ihrer  Tonverhältnisse  in  Symphonie  und  Dia- 
phonie  (keineswegs  gleichbedeutend  mit  Konsonanz  und 
Dissonanz)*  unter  ersterer  verstanden  sie  diejenigen  Intervalle, 
in  welchen  beide  Töne  eine  einheitliche  Verbindung  eingehen, 
gleichsam  einen  einzigen  Ton  bilden,  nämlich  die  Oktave  (Dia- 
pason), die  Quint  (Diapente)  und  die  Quart  (Diatessaron), 
welche  auf  den  einfachsten  Verhältnissen  1:2,  2  :  3,  3  :  4  be- 
ruhen. Unter  Diaphonie  aber  begriffen  sie  alle  übrigen  Ton- 
verhältnisse oder  Intervalle,  wo  die  beiden  Töne  bestimmt  und 
scharf  auseinander  treten,  also  auch  die  Terz  und  Sext.  Basis 
oder  die  Grundlage  des  Tonsystems  war  die  Quart,  deren 
Verfolgen  die  diatonischen  Klänge  h  e  a  d  g  c  f  ergab.  Das 
Quartenintervall  mit  seinen  Mitteltönen  hiess  Tetrachord, 
em  viersaitiges  System  und  das  erste  Grundsj^stem  der  grie- 
chischen M^sik.  Durch  Aneinanderreihen  zweier  Tetrachorde 
entstand  die  siebensaitige  Lyra  Terpaiiders.  Nach  und  nach 
erweiterte  man  das  Tonsystem  auf  fünfzehn  Saiten,  indem  man 
teils  nach  oben,  teils  nach  unten  ein  Tetrachord  anfügte,  und 
zwar  bald  so;  aass  man  die  Tetrachorde  unverbunden,  ge- 
trennt (diezeugmenon)  nebeneinander  stellte,  bald  so,  dass 
der  höchste  Ton  des  unteren  Tetrachords  zugleich  der  erste  Ton 
des  oberen  war  (synemmenon,  verbunden). 

Die  beiden  Hauptrepräsentanten  der  antiken  musikalischen 
Forschung,  Aristoxenus,  der  Schüler  des  Aristoteles,  und  Clau- 
dius Ptolemäus  zur  Zeit  Hadrians,  legen  eine  Skala  von 
15  Tönen  zu  Grimde:  AHCDEFGahcdefga  (also 
^  Moll-Oktaven  ohne  Erhöhung  der  &.  und  7.  Stufe),  genannt 
;  -volle,  umfassende  System"  (Systema  teleion  oder  perfectum) 
Gegensatze  zu  den  weniger  umfangreichen  Systemen  oder 
alen  früherer  Zeit. 


Kornmüller,  Lexikon. 


98 


Griechische  Musik. 


Die  griechische  Nomenklatur  war  folgende 


AHCDEFGahcdefg  a 


I  ®  »o  5  ®  >o■ 


2'  ,5*  &  "  S 


o 

OB 


g    *<     *     13-    ®     *     ö 

B  S-vi  »o  g  5  " 


<D 


CO  [^ 


S.  ö 


o 

ö   c 
a 


g   o   8»  ®  ®   g 

Ä  g  ®  S  S  ®  -ö 

na    ®  Oq  CT"  3    ö^ 

»5  P  F  o 


e  Nete,  die  letzte  (Saite), 

d  Paranete,  die  vorletzte, 

c  Trite,  die  dritte, 

h  Paramese,  die  näohatmittlere, 

a  Mese,  die  mittlere, 

G  Llchanos^  die  Zeigfingersaite 

F  Parhypate,  die  nächsterste, 

E  Hypate,  die  erste. 


Ausgangfsskal  a. 


Die  altklassische  Periode  hat  den  Ton  Proslambanomenos 
und  das  Tetrachord  hyperbolaion  noch  nicht  in  Anwen- 
dung gebracht. 

Auf  dem  „vollen"  System  bildeten  die  griechischen  Theore- 
tiker sieben  Oktavgattungen: 

1)  H-h,  die  Mixoly (fische, 

2)  C-c,  die  Lydische, 

3)  D-d,  die  Pnrygische, 

4)  E-e,  die  Dorische, 

5)  F-f,  die  Hypolydische, 

6)  G-g,  die  Hypophrygische  (jonische), 

7)  a-a,  die  Hypodorische  oder  Lokrische  (äolisch). 

Die  Griechen  setzten  zur  Gewinnung  dieser  Oktavgattun- 
gen zwei  Tetrachorde  derselben  Gattung  zusammen.  Diese  Tetra- 
chorde  sind:  efga,  hcde,  wo  der  Halbton  zwischen  die 
1.  und  2.  Stufe  fiel,  —  dorisches  Tetrachord  geheissen*  defg, 
a  h  c  d,  wo  der  Halbton  zwischen  die  2.  und  3.  Stufe  fiel,  phry- 
gisches  T.;  c  d  e  f,  p  a  h  c  —  lydisches  T.  Getrennt  zu- 
sammengesetzt ergaben  sich  die  Oktavgattungen,  Skalen,  Tonarten: 

efga        hcde,    dorische  T. 
defg        ahcd,    phrygische  T. 

cdef       gahc,    lydische  T. 

Man  stellte  sie  aber  auch  verbunden  zusammen  und 
fügte  zur  Vervollständigung  der  Oktave  oben  oder  unten  einen 
Ton  an,  diazeukti scher  Ton;  in  erster em  Falle  setzte  man  zu 
dem  Namen  der  Tonart  hyper  (über),  im  letzteren  hypo  (unter): 


EFGah   c   de  dorisch,  D  E  FG   ahcd  phrygisch. 

AHDCEFGah  hypodorisch,  Gahcdefg  hypophrygisch. 

HCDEFGah  hyper  dorisch,  ahode  fg  a  hyperphrygisch. 

u.  s.  w. 

Von  den  gleichen  Skalen  hyperlyd.  und  hypophrjrg.,  sowie 
hyperphryg.  und  hypodor.  erhielten  erstere  den  Namen  „j  onisch*. 


— -  — *-■•  m~ 


Griechische  Musik.  99 

letztere  den  Namen  „äolisch";  die  hyperdörisohe  hiess  auch 
^mixolydische*'. 

Diese  Namen  gebrauchten  die  Griechen  dann  noch,  um 
die  Tran sp OS itions Skalen,  Tonoi,  zu  bezeichnen.  Aristoxenus 
hatte  (nacn  gleichschwebender  Temperatur)  die  Oktave  in  12 
Halbtonintervalle  geteilt,  auf  deren  jedem  man  die  verschie- 
denen Skalen  darstellte,  z.  B.  phrygisch:  efisgahcdefisg 
a  h  c  d  e  im  hoch  mixolydischen  Tonos.  Aus  den  Schriften  der 
Alten  geht  ferner  hervor,  dass  ihnen  die  Anordnung  nach  dem 
■Quinte nzirkel  nicht  unbekannt  war,  wie  sich  z.  B.  das  Ver- 
hältnis von  Ober-  und  Unterdominante  in  den  Wörtern  hyper 
und  hypo  ausdrückt. 

Neben  der  15.  Tonskala  bildeten  die  Griechen  noch,  eine 
Skala  von  11  Tönen",  durch  welche  zwei  nach  dem  Quinten- 
zirkel verbundene  Tonoi  miteinander  vermittelt  wurden.  Erstere 
hiess  auch  Diezeugmenon-System,  enthaltend  zwei  Moll- 
Oktaven,  letztere  das  Synemmenon-System,  welches  in  seiner 
unteren  Partie  eine  Moll-Oktave  darbietet,  statt  der  höheren 
Oktave  aber  ein  verbundenes  Tetrachord  oder  drei  Töne,  welche 
die  Schlusstöne  auf  dem  Diezeugmenon-Systeme  des  zunächst 
vorhergehenden  Tonos  sind. 

Lydisch.  Synem.      defgabcdesfg 

Diezeug.    defgabcdefgabcd. 

Hypolyd.  Synem.      AHcdefgabcd 

Diezeug.    AHcdefgahcdefga. 
Beide   vereinigte   man  und   schaltete   in   der  Theorie   den 
ersten  Synemmennonton  ein,  welcher  als  der  eigentümliche  den 
Leitton  zum  unmittelbar  vorhergehenden  Tonos  oildet. 

AHcdefgabcdhcdefga 
AHcdefga[b]hcdefga. 

Der  Anfangston  der  Oktavengattung  war  bei  den  Griechen 
nicht  immer  der  Schlusston  der  Melodie,  auch  nicht  eigentlicher 
Grundton  oder  Tonica.  Die  thetische  Mese,  d.  h.  .die 
Quart  hatte  eine  hervorragende  Bedeutung  und  war  die  eigent- 
liche Tonica.  Die  lydische  Tonart  der  Alten  ist  also  nicht 
unsere  Durtonart  cdefgahc,  sondern  genau  dasselbe,  was 
man  im  Systeme  der  Kirchentöne  als  ,jlydiBch"  bezeichnet:  f  g 
a  h  c  d  e  f .  —  Die  Melodien  schlössen  m  einzelnen  Tonarten  in 
der  Quint,  in  anderen  in  der  Prim,  in  anderen  in  der  Terz:  har- 
monischer Grundton  aber  war  lür  alle  die  Prim  oder  die  Tonica. 

Was  die  Frage  nach  Harmonie  angeht,  so  ist  so  viel 
l^ewiss,  dass  sie  Harmonie  im  modernen  Sinne,  d.  h.  die  gleich- 
zeitige Zusammenstellung  der  von  Natur,  durch  ihren  ürsprimg 
und  Inhalt^  einigen  Töne,  die  den  Naturgesetz« n  und  dem 
künstlerischen  Geiste  gemässe  Fortfünrung  zusammen- 
klingender Töne,  nicht  hatten;  wohl  aber  kannten  und 
übten  sie  eine  harmonische  Zwei-  und  Mehrstimmigkeit,  d.  h. 
eine  Weise  des  musikalischen  Voi-trages,  wo  die  Begleitung  der 
Saiteninstrumente  von  dem  Gesänge  der  Singstimme  abwich, 
was  sie  Krusis,  Synkrusis  nannten.  Der  Gesang  aber  war 
unisono :  nur  durch  die  abweichende  Begleitung  wurde  die  Mehr- 
stimmigkeit hervorgebracht. 


100  Griechische  Musik. 

Tongeschlechter  hatten  die  Griechen  drei:  1)  das 
diatoniscne,  in  welchem  nur  Ganz-  und  Halbtöne  in  der  Weise 
vorkamen,  dass  immer  ein  einziges  Halbtonintervall  von  zwei 
Ganztönen  der  Skala  eingeschlossen  war,  2)  das  chromatische^ 
in  welchem  auf  den  ursprünglichen  Haloton  des  Tetrachords  ein 
zweiter  Halbton  eingefügt  war;  z.  B.  a  b  h  c  d*  3)  dag  enh ar- 
menische, wobei  innerhalb  des  Halbtonintervalles  ein  der  Skala 
fanz  fremder  und  auch  unserem  Tonsysteme  ganz  imbekannter 
'on  eingeschaltet,  und  der  Halbton  in  zwei  viertelstöne  ge- 
schieden wurde;  einen  solchen  Viertelston  nennt  Aristoxenus 
„enharmonische  Diesis",  welche  das  kleinste  Intervall  bil- 
dete und  von  ihm  zur  Messung  der  Grösse  der  übrigen  Intervalle 
gebraucht  wurde.  Das  chromatische  und  enharmonische  Ge- 
schlecht entwickelte,  sich  aus  der  von  Olympus  angewandten 
Gestaltung  der  Skala,  welcher  den  auf  den  Halbton  folgenden 
Ganzton  ausliess  (a  h  [c]  d,  indem  man  in  diese  Lücke  em  klei- 
neres Intervall  einschoD;  es. durften  aber  nie  mehr  als  zwei 
aneinander  grenzende  Diesen  und  Halbtonintervalle  in  der 
Skala  aufeinanderfolgend  gebraucht  werden. 

Die  Kanonik,  die  Bestimmung  der  mathematischen  Klang- 
verhältnisse, hatten  die  Griechen  eifrig  gepflegt.  Die  absolute 
Tonhöhe,  d.  h.  die  Zahl  der  Schwingungen  konnten  sie  noch 
nicht  ermitteln,  aber  das  relative  Verhältnis,  in  welchem  die 
Schwingungszahlen  der  verschiedenen  Töne  der  natürhchen  Skala 
untereinander  stehen,  haben  sie  mit  Hilfe  des  Monochordes  rich- 
tig gefunden,  vorerst  von  den  grösseren  Intervallen  (Pvthagoras : 
Oktav,  Quint,  Quart,  grossen  Ganzton),  später  von  Jen  kleine- 
ren. Die  alte  pythagoräische  Skala  Kennt  darum  auch  nur 
gleich  grosse  Ganztöne,  während  Ptolemäus  die  natürliche 
Skala  mit  den  verschieden  grossen  Ganztönen  zu  Grunde  legt; 
von  beiden  verschieden  aber  war  die  Stimmungsart  des  Aristo- 
xenus,  welcher  das  Gehör  als  einzigen  Schiedsrichter  bei  Ent- 
scheidung über  musikalische  Intervalle  annahm,  die  Oktave  in 
zwölf  gleiche  Halbtonintervalle  teilte  und  so  die  gleichschwe- 
bende Skala  bevorzugte. 

Eine  Notation  findet  sich  bei  den  Griechen  schon  ziem- 
hch  früh;  sie  bedienten  sich  zu  diesem  Zwecke  der  24  Buch- 
staben ihres  Alphabetes,  man  fing  beim  eingestrichenen  fis  mit 
4  an  und  ging  mit  dem  Alphabete  abwärts,  so  dass  man  beim  f 
mit/2  anlangte,  worauf  man  wieder  mit^  begann  imd  sich  da- 
bei, sowie  aucn  bei  den  über  fis  hinausliegenden  Tönen  umge- 
legter oder  anderweitig  entstellter  Buchstaben  bediente.  Diese 
Bezeichnungsart  galt  dem  Gesänge  und  ist  viel  jünger  als  die 
Instrumentalnoten,  welche  aus  eigentümlichen  Zeichen  oestanden, 
und  zum  Ausdi;;ucke  einer  Erhöhung  eine  besondere  Lage  er- 
hielten, z.  B.  |-  d,  J.  es.  -1  dis.  Die  Zahl  aller  wii'klich  von- 
einander verschiedenen  Tonoezeichnungen  oder  Noten  betrug 
nach  den  neuesten  gründlichen  Forschungen  85. 

Von  einer  ausgebildeten  Rhythmik  bei  den  Griechen 
(jvenn  auch  nicht  so  vollkommen)  wie  in  der  modernen  Musik 
zu  sprechen,  nötigte  schon  die  verschiedene  Anwendung  der 
Instrumentalmusik  bei  ihnen,  wenn  auch  nicht  ihre  Schriften 
näheren  Einbhck  gestatteten.    Anfänglich  war  die  Rhythmik  noch 


Griffbrett.  101 

mit  der  metrischen  Theorie  vereint,  später  schied  sie  sich  von 
ihr  ab,  behielt  aber  die  metrische  Nomenklatur  bei.  -Rhythmos 
ist  das  aus  den  in  Taktteile  zerfallenden  Takten  bestehende 
Oanze.^  Das  klassische  Altertum  hatte  anfangs  nur  eine  zwei- 
und  dreiteilii^e  Taktart,  erst  mit  dem  VI.  Jahrn.  v.  Chr.  kommt 
auch  eine  fünfteilige  in  Gebrauch.  Jeder  Takt  hatte  einen 
schweren  und  leichten  Taktteil  (Thesis  imd  Arsis),  und  die  Alten 
schlugen  ihn  mit  der  Hand  oder  dem  Fusse.  Gewöhnlich  fasste 
man  mehrere  Einzeltakte  als  einen  einzigen  zusammengesetzten 
Takt  (rhythmische  Reihe  oder  Satz)  zusammen^  der  dann  in 
Taktabscnnitte  zerlegt  wurde.  Die  kürzeste  Zeit  hiess  x^ovo^ 
nQwxo<!,  welche  nicht  weiter  zerlegt  werden  konnte.  „Alles,  was 
xms  von  griechischen  Musikresten  überkommen  ist,  sagt  West- 
phal,  zeigt  die  schärfste  rhythmische  Periodisierung.  Die  grie- 
chiscne  Rhythmik  bezeichnet  jeden  periodischen  Vorder-  und 
Nachsatz  (Kolon)  geradezu  als  einen  einheitlichen  zusammen- 
gesetzten Takt.  Jeae  in  zwei  grosse  Hälften  zerfallende  Reihe 
wird  als  ein  gerader  oder  daktylischer  Takt  angesehen,  dessen 
eine  Hälfte  den  schweren  und  die  andere  den  leichten  Taktteil 
bildet  u.  s.  w.* 

Der  Musiker  musste  auf  die  sprachliche  Prosodie  die 
strengste  Rücksicht  nehmen,  die  Länge  als  Länge,  die  Kürze 
als  Kürze  behandeln,  nur  war  die  Zeitdauer  keine  absolute ;  diese 
wurde  durch  das  Tempo  bestimmt. 

Um  die  Länge  oder  Kürze  einer  Note  zu  bezeichnen,  be- 
clienten  sich  die  Griechen  folgender  Zeichen:  _.  i_,  ij^  jj_l,  der 
Chronos  protos  wurde  gar  nicht  bezeichnet.  Hiermit  stehen 
auch  die  Pausen,  welche  besonders  in  den  Instrumentalkompo- 
sitionen häufiger  vorkommen,  in  Verbindung:  ^,  ^ ,  V>  V  •  •  • 
(etwa  unserer  Achtel-,  Viertel-,  Dreiachtel-  und  Halbepause  u.  s.  w. 
entsprechend). 

So  stand  es  im  allgemeinen  mit  der  Musik  der  Griechen, 
welche  für  uns  nicht \  blosses  antiquarisches  Interesse  hat;  sie 
liegt  der  Musik  der  christlichen  Welt  etwa  in  der  Weise  zu 
Grunde,  wie  die  ffdechisehe  Architektur,  Plastik  und  Poesie  den 
entsprechenden  cnristliohen  Künsten.  Die  Musik  des  byzantini- 
schen und  abendländischen  Mittelalters  ist  zunächst  die  unmit- 
telbare und  continuirliche  Fortpflanzung  der  altgriechischen  und 
altrömischen  Musik;  mag  sich  auch  im  Laufe  der  Jahrhunderte 
noch  so  viel  geändert  haben,  das  Fundament  ist  nachweislieh 
das  altgriechische.  —  Näheres  über  diesen  Gegenstand  ist  in 
speoiell  davon  handelnden  Werken  nachzusehen;   besonders   em- 

§  fehlenswert  sind:  Gevaert,  Histoire  et  Theorie  de  la  Musique 
e  TAntiquit^,  Gand  1875,  1881;  Westphal,  Die  Musik  des  grie- 
chischen Alterthinns,  Leipzig  1883;  Fortlage.  Das  musikalische 
System  der  Griechen  in  seiner  Urgestalt,  ebd.  1847;  Be Her- 
mann F.,  Die  Tonleitern  und  Musiknoten  der  Griechen,  Berlin 
1847.  —  Eine  Sammlung  von  Schriften  griechischer  Musittheore- 
tiker  gab  M.  Meibom  unter  dem  Titel:  „Antiquae  musicae  scri- 
ptores  Septem  gr.  et  lat.",  2  Bde„  Amsterdam  1652,  heraus;  auch 
in  den  -Operum  mathemat.  volum.  IH."  von  Joannis  IWallis, 
Oxford  16^,  sind  deren  drei  enthalten. 

Griffbrett  ist   das   dünne   schmale  Brettchen,   meist   von 


102  Gründonnerstag  —  Harmonie. 

Ebenholz,  welches  auf  den  Hals  der  Streichinstrumente,  der  Laute^ 
GuitaiTe  und  ähnlichen  Instrumenten  befestiget  ist  und  worüber 
die  Saiten  laufen.  Mit  den  Fingern  der  linken  Hand  wird  darauf 
gedrückt  und  dm*ch  solchen  Druck  der  vibrierende  Teü  der  Saite 
um  so  viel  verkürzt,  als  nötig  ist,  um  einen  geforderten  Ton 
zu  erzeugen. 

Gründonnerstag,  s.  Karwoche. 

Grnndstirame  ist  in  der  Kompositionslehre  soviel  wie  Bass* 
stimme.  In  der  Orgelbaukunst  heissen  Grundstimmen  die  ein- 
fachen Stimmen  (Register),  welche  im  Manual  und  Pedal  die 
tiefsten  sind. 

Grnndton  heisst  der  tiefste  Ton  eines  terzenweise  aufge- 
bauten Accordes.  Grundton  der  Tonart  ist  der  erste  Ton  der 
betreffenden  Tonleiter  (Tonika). 

Guidonische  Hand,  ein  mechanisches  Hilfsmittel,  wohl 
schon  vor  Guido  bekannt  und  angewendet,  besonders  benützt 
zur  Zeit  der  Solmisation.  Es  bestand  darin,  dass  man  jedem 
Fingergelenke  und  auch   den  Spitzen  der  Finger  die  Bedeutung 

eines  der  zwanzig  Töne  des  damaligen  Tonsystems  (von  rbis  ^< 

beilege.  Man  bediente  sich  derselben  bei  dem  Mangel  einer 
präcisen  Tonschrift,  besonders  für  Treffübun^en  beim  Gesang- 
unterrichte; aber  auch  nach  Einführung  einer  sicheren  Tonschrnt 
spielt  die  „Hand"  noch  lange  Zeit  eine  grosse  Rolle. 

Gnidonische  Silben  werden  die  aus  dem  Hymnus  „Ut  queant 
laxis**  (auf  das-  Fest  des  heil.  Johannes  des  Täufers)  genomme- 
nen Silben ,  ut  re  mi  fa  sol  la  genannt,  welche  bei  der  Solmisation 
den  einzelnen  Tönen  beigelegt  wurden. 


H. 


H,  die  siebente  diatonische  Stufe  im  neueren  Tonsysteme; 
di     Franzosen  und  Italiener  nennen  sie  si. 

Halbkadenz,  s.  Kadenz. 

Halbe  Applikatur,  s.  v.  w.  erste  Position  im  Violinspiele. 

Halbton,  semitonus,  ist  in  unserem  Musiksysteme  das 
kleinste  zu  verwendende  Intervall;  man  unterscheidet  einen 
diatonischen  Halbton,  welcher  sich  zwischen  Tönen  findet^ 
die  auf  benachbarten  Stufen  ihren  Sitz  haben  (a-f,  h-c,  c-des),  una 
einen  chromatischen  Halbton,  welcher  nur  eine  Ableitung 
von  demselben  Tone  der  Grundskala  ist  (c-cis,  h-b).  Ersterer 
heisst  auch  grosser  Halbton,  letzterer  kleiner  Halbton. 

Hand,  s.  Guidonische  Hand. 

Harmonie.  Die  Grundbedeutung  dieses  Wortes  ist:  Über- 
einstimmung und  schöne  Ordnung  der  einzelnen  Teile  des  Kunst- 
werkes, und,  auf  die  Musik  übertragen,  bedeutet  Harmonie  1)  die 
Vereinigung  mehrerer  für  sich  bestehender  und  ihrer  äusseren 
Erscheinung  nach  ganz  verschiedenen  Töne  zu  einem  Haupt- 
oder Gesamtklange,  d.  h.  einem  Accorde;  deshalb  werden  Accorde 


Harmonie. 


103 


auch  Harmonien  genannt,  z.  B.  Septimenharmonie.  Nach  der 
Lage  der  AccordtÖne  spricht  man  von  einer  engen  oder  wei- 
ten (zerstreuten)  Harmonie  (oder  Lage).  Eng  wird  sie  genannt, 
wenn  z.  B.  bei  einem  vierstimmigen  Aocorde  die  drei  oberen 
Stimmen  so  nahe  beisammen  Hegen,  dass  kein  zum  Accord  ge- 
hörender wesenthcher  #ron  mehr  Platz  zwischen  ihnen  hat  (a); 
im  gegenteiligen  Falle  heisst  sie  weit  (b). 


Mit  den  dissonierenden  Accorden,  welche  auch  Harmo- 
nien sind,  darf  die  Disharmonie  nicht  verwechselt  werden, 
welche  ein  fehlerhaftes  Verhältnis  der  zu  einem  Accord  ver- 
einigten, Intei'valle  oder  eine  fehlerhafte  Zusammenfügung  von 
Accorden  darstellt.  2)  Harmonie  bedeutet  auch  das  aus  der 
Natur  der  Konsonanzen  hervorgehende  Verhältnis  des  eines  Tones 
zum  anderen,  oder  das  Zusammenfliesseii  mehrerer  Töne  in  einen; 
hiernachgibt  es  eine  reine,  vollkommene  Harmonie  mit  ihren 
Nebenbegriffen  und  Abstufungen.  So  erkennen  wir  dem  Drei- 
klange, weil  er  aus  den  konsonierendsten  Intervallen  besteht, 
die  reinste  und  vollkommenste  Harmonie  zu,  dem  Nonenaccorde 
die  wenigst  reine  und  vollkommene.  3)  Harmonie  bedeutet 
auch  noch  die  Beschaffenheit  eines  Tonstückes,  insofern  es,  in 
seinen  Grundlinien  betrachtet,  als  eine  Folge  von  Accorden  an- 
gesehen wird,  oder  —  was  dasselbe  ist  —  das  Verhältnis  der 
einzelnen  Bestandteile  eines  Tonstückes  sowohl  zu  einander, 
unter  sich,  als  zu  der  dem  ganzen  Tonstücke  und  seinem  Cha- 
rakter zu  Grunde  liegenden  Idee:  also  die  gehörige  Übereinstim- 
mung, den  geordneten  Zusammenhang  unter  den  einzelnen  Teilen 
des  Tonstückes,  Einheit  in  der  Mannigfaltigkeit...  Hierbei  handelt 
es  sich  um  die  Accordverbindung  und  um  die  Übereinstimmung 
der  grösseren  oder  kleineren  Ahsätze  eines  ganzen  Tonwerkes, 
die  ^eichsam  als  einzelne  Redeteile  und  Abschnitte  des  gesam- 
ten musikalischen  Redevortrages  angesehen  werden  müssen. 

Über  alles  dies  hat  die  Lehre  von  der  Tonsetzkunst  Auf- 
schluss  zu  geben,  deren  erster  Teil  die  Harmonik  umfasst, 
d.  h.  denjenigen  Teil  der  musikalischen  Grammatik,  der  sich  mit 
der  Lehre  von  den  Intervallen,  Tonleitern,  Tonarten,  Ton- 
geschlechtern, Konsonanzen  und  Dissonanzen  u.  s.  w.  beschäf- 
tiget. Der  zweite  Teü  ist  die  Harmonielehre,  welche  alle  in 
der  Musik  vorkommenden  Tonverbindungen  in  sich  fasst,  d.  h. 
welche  sich  mit  den  Accorden,  deren  Verwendung  zu  Modula- 
tionen u.  s.  w,  beschäftiget.  Ein  dritter  Teil  lehrt  die  musika- 
lischen Formen  handhaben,   d.  i.  die  Harmonie,   wie  wir  sie  in 


•• 


104  Harmoniesystem. 

ihrer  drittem  Bedeutung  aufgefasst  haben,  vereint  mit  der  musi- 
kalischen Ästhetik,  die  Behandlung  der  einzelnen  Singstimmen 
und  Instrumente  oder  in  ihrer  Veremigung. 

Harmoniesystem,  Während  bei  den  alten  Griechen  der 
Name  «Harmonie"  der  Ausdruck  für  Oktave  war,  und  in  der 
klassiscnen  Zeit  griechischer  Musik  damit  die  Oktavgattungen 
bezeichnet  wurden,  obwohl  ihnen  der  Wohlklang  zweier  zugleich 
erklingender  Töne  (Konsonanz)  nicht  unbekannt  war,  bedeutete 
den  Musikern  des  Mittelalters  dieser  Name  überhaupt  die  Gesangs- 
musik. So  spricht  sich  schon  der  heil.  Isidor  („armonica,  quae 
ex  vocum  cantibus  constat")  aus  und  nach  inm  die  anderen 
Tonlehrer.  Im  XHI.  Jahrh.  wird  unter  Musica  armonica 
nicht  mehr  bloss  der  einfache,  unisono  Gesang  (mus.  arm. 
Simplex),  sondern  auch  schon  der  mehrstimmige  (arm.  multi- 
plex), die  Diaphonie,  das  Organum  verstanden.  Nach  und 
nach  ward  der  Begriff  von  mehrstimmigem  Gesänge  als  der  vor- 
züglichere dem  Worte  „Harmonie"  gegeben,  so  dass  im  XVI. 
und  XVII.  Jahrh.  die  Tonsetzer  manche  ihrer  Kompositionen 
-Harmoniae  sacrae"  etc.  betitelten.  Obwohl  im  XVI.  Jahrh.  die 
Kunst  der  Behandlung  mehrerer  gleichzeitiger  Stimmen  schon 
zu  einer  grossen  Höhe  gestiegen ,  und  die  Theorie  des  Kontra- 
punktes m  mehreren  trefflichen  Werken  bearbeitet  erschien,  so 
wurde  doch  an  eine  eigentliche  svstematische  Harmonielehre 
noch  nicht  gedacht,  um  so  mehr,  .da  sich  die  Komposition  nur 
in  dem  Kreise  der  Kirchentonarten  bewegte  und  aen  meisten 
Kompositionen  eine  auf  solche  Tonalität  basierte  Melodie,  cantus 
firmus,  zu  Grunde  lag,  wovon  die  Wahl  der  Kadenzen  bestimmt 
wurde;  sonst  war  der  harmonische  Zusammenklang  verschiede- 
ner Stimmen  im  wesentlichen  nur  auf  harte  und  weiche  dia- 
tonische Dreiklänge  und  Sextaccorde  beschränkt.  Alle  anderen 
später  üblich  gewordenen  Accorde  kamen  nicht  als  selbständige, 
sondern  nur  als  gleichsam  zufällige,  aus  Vorhalten  entstandene 
vor.  In  den  Lehrbüchern  war  die  Umkehrung  wohl  auf  Inter- 
valle, aber  noch  nicht  auf  Accorde  angewendet,  es  wurden  auch 
nicht  die  Accorde  aufgeführt,  sondern  nur  Regeln  gegeben,  wie 
man  bei  mehrstimmigen  Zusammenklängen  zu  verfahren  habe. 
Diese  Regeln,   welche   durch  Beobachtung  und  durch  ein  wohl- 

feübtes  Tongefühl  ihre  Vervollkommnung  fanden ,  waren  aber 
eineswegs  bloss  auf  das  Wohlgefühl  des  Ohres  und  auf  Willkür 
fegründet,  sondern  aus  den  mathematischen  Verhältnissen  der 
länge,  aus  den  betreffenden  Oktavenreihen  und  ihrer  Tonalität 
abgeleitet.  Die  Theoretiker  begnügten  sich,  das  festzustellen, 
was  in  der  Praxis  sich  als  richtig  bestätiget  hatte,  ohne  noch 
um  den  Grund  dieser  harmonischen  Verbindungen  Nachforschun- 
gen zu  unternehmen.  Als  am  Schlüsse  des  XVI.  Jahrh.  die  Be- 
gleitung des  Gesanges  (oft  einer  einzigen  Singstimme)  mit  der 
Orgel  oder  dem  Klavier  auftauchte  (vgl.  Viadana),  sah  man 
sich  genötigt,  dem  Organisten  die  Harmonietöne,  welche  er  über 
den  mm  vorgelegten  Sassnoten  (basso  continuo)  zur  Begleitung 
zu  spielen  hatte,  anzudeuten,  was  durch  darübergesetzte  Ziffern 
(Generalbassschrift)  geschah.  Dies  waren  die  Anfönge  der  wissen- 
schaftlichen Behandlung  der  Harmonie.  So  viel  nun  hiefür  im 
XVII.  und  Anfangs  des  X VIII.  Jahrh.  gearbeitet  wurde,  zog  man 


Harmoniesystem.  105 

doch  weniger  die  wissenschaftliche  Begründung  der  Acoorde^  als 
die  harmonische  Beziehung  derselben  aufeinander  in  den  Kreis 
der  Untersuchungen,  und  von  Viadana,  dem  grossen  Beförderer 
des  Generalbasses,  und  dem  Strassburger  Theologieprofessor  Jos. 
Lippius,  der  vielleicht  als  der  erste  die  „Triasharmonica**  in 
semer  „Synopsis  musicae  novae"  (1612)  theoretisch  feststellte,  bis 
zu  Tartini  imd  Rameau  verfliesst  ein  ganzes  Jahrhundert. 
Erst  im  Anfange  des  vorigen  Säkulums  suchte  man  nach  einem 
wissenschaftlichen  Gesichtspunkte  der  Harmonie,  nach  einem 
Systeme  derselben.  Tartini  war  ohne  Zweifel  der  erste,  wel- 
cher ein  Princip  entdeckte,  auf  welchem  er  ein  Harmonielehrge- 
bäude aufführen  konnte,  nämlich  das  Phänomen  des  dritten 
aus  zwei  anderen  gegeoenen  Tönen  hervorgehenden  Tones;  er 
beobachtete  nämlich,  dass  eine  auf  der  Violine  rein  gegriffene 
und  stark  genug  gespielte  Terz,  die  grosse  Terz  unter  dem 
Grundtone  erklingen  lasse.  Glücklicher  als  er  (sein  System  fand 
keine  Aufnahme)  war  der  Franzose  Rameau.  Aus  den  Schrif- 
ten von  Mersenne,  Descartes  und  Zarlino  ward  er  mit  den  Ali- 
quoten eines  Tones  bekannt  und  durch  Annäherung  derselben 
im  Umfange  einer  Oktave  ergab  sich  ihm  auf  die  natürlichste 
Weise  der  vollkommene  Dreiklang  oder  Perfektaccord, 
und  so  hatte  er  eine  Grundlage  für  ein  Harmoniegebäude  gefun- 
den, die  er  nun  nach  allen  Richtungen  hin  auszubeuten  suchte. 
Um  die  anderen  Accorde  zu  gewinnen,  fügte  er  teils  nach  oben, 
teils  nach  unten  dem  grossen  Dreiklange  eine  Terz  hinzu,  und 
er  fand,  den  obersten  Ton  (Quint)  hinweglassend,  den  kleinen 
Dreiklang;  so  auch  den  Septimenaccord  durch  Hinzufilgung  einer 
Oberterz,  und  so  fort  den  Nonenaocord  u.  dergl.  Er  wendete 
ferners  auch  die  Umkehrung  der  Accorde  an.  Um  auch  die 
Verbindung  der  Accorde,  ein  regelrechtes  Harmoniegefüge  zu 
berücksichtigen,  erdachte  er  die  Theorie  vom  Fundamental- 
bas s,  welche  aber  nur  Theorie  bleiben  konnte.  Obwohl  seinem 
Systeme,  das  d'Alembert  später  klarer  darzustellen  und  zu  ver- 
bessern suchte,  grosse  Mängel  anhafteten,  so  wird  sein  Verdienst, 
die  wissenschaftliche  Begründung  der  Harmonie  versucht  zu 
haben,  dadurch  nicht  geschmälert.  Er  gab  den  Anstoss,  dass 
bald  in  Frankreich,  Deutschland  und  Italien  gelehrte  Musiker  an 

fleiohe  Arbeiten  sich  daran  machten  imd  mehr  oder  minder  dem 
;ameauschen  Systeme  folgend.  Treffliches  für  den  Ausbau  einer 
wissenschaftlichen  Harmonik  leisteten,  so  z.  B.  Marburg,  Sorge, 
Kimberger^  Martini,  Valotti  mit  seinem  Schüler,  dem  Abb6  Vog- 
ler, u.  a.  In  neuerer  Zeit  trat  M.  Hauptmann  mit  einem  neuen 
Harmoniesysteme  hervor,  welches  er  in  seinem  Werke:  „Die 
Natur  der  Harmonik  und  Metrik"  dargelegt  hat.  Den  Kern  des- 
selben bildete  die  Aufstellung  des  polaren  Gegensatzes  zwischen 
der  Durkonsonanz  (Durdreiklang)  und  der  Mollkonsonanz  (MoU- 
reiklang),  wie  F  As  C  E  G,  wobei  vom  Tone  C  ausgehend  der 

ollaccord  (F  As  C,  eigentlich  C  As  F)  das  Gegenbild  vom  Dur- 
jcord  (C  ^  G)  ist.  Weiter  wurde  dieses  System  ausgebildet 
on  A.  V.  Ottingen,  welcher  den  so  gewonnenen  MoUaccord 
ich  dem  obersten  Tone,  der  Quint,  benannte  („Harmoniesystem 
dualer  Entwickelung",  1866),   und  von  H.  Riemann,   welcher 


106  Harmonium  —  Himmelfahrt  Christi. 

es  durch  Ausbau  einer  neuen  Bezifferung  und  Terminologie 
praktisch  zu  machen  sucht. 

Harmonium  ist  der  jetzt  allgemein  gebräuchliche  Name 
für  die  erst  in  diesem  Jahrhunderte  in  Gebrauch  gekommenen 
orgelai-tigen  Instrumente  mit  freischwingenden  Zungen,  sonst 
Aolodikon  (s.  d.),  auch  Physharmonika  benannt.  Es  werden  in 
neuerer  Zeit  derartige  Instrumente  mit  mehreren  Registern, 
Spiele  genannt,  gebaut.  Sie  sind  sehr  beliebt  und  müssen  oft 
in  kleineren  Kirchen  die  Orgel  ersetzen;  auch  in  Gesangszirkeln 
und  zur  Hausmusik  findet  man  sie  allein  und  in  Verbindung  mit 
anderen  Instrumenten  sehr  häufig  verwendet.  Ihre  Vervollkomm- 
nung ist  jedoch  noch  nicht  abgeschlossen.  Sehr  zweckmässig 
sind  sie  zur  Vorübung  für  das  Orgelspiel  zu  gebrauchen.  Har- 
moniumschulen gibt  es  mehrere,  z.  B.  von  J.  Bernards,  B.  Metten- 
leiter, J.  B.  Singenberger  u.  a. 

Hautbois,  s.  Oboe. 

Hemiolius  (numerus)  bedeutet  das  Verhältnis  2 :  3  (Quint). 
Hemiolia  oder  Hemiola  hiessen  bei  den  Mensuralisten  des  XIV. 
und  XV.  Jahrh.   die   mehr  oder  weniger  ausgedehnten  Gruppen 

? geschwärzter  Noten,  die  inmitten  der  weissen  Noten  sich  vor- 
anden.  Die  geschwärzte  Note  gilt  ein  Drittel  weniger  als  die 
gleichgeformte  weisse,  so  dase  bei  diesen  Gruppen  statt  des  drei- 
teiligen Rhythmus  der  zweiteiüge  eintrat. 

Hemitonium  (griech.),  Name  des  Halbtones,  semitonium. 
Johann  de  Muris  gebraucht  (Gerb.  III.  233)  dies  Wort  auch  statt 
mediatio,  Mittelkaaenz  der  Psalmtöne.  (Vgl.  Couss-Script.  451.) 

Hexaehord,  eigentlich  ein  Instrument  von  sechs  Sai- 
ten, dann  besonders  diejenige  Reihe  von  sechs  diatonischen 
Tonstufen,  aus  welchen  das  sogenannte  Guidonische  Tonsystem 
sich  aufbaute  und  welche  mit  den  sechs  Süben  ut,  re,  mi,  fa^ 
sol,  la  bezeichnet  wurden.    (Vgl.  Solmisation.) 

Himmelfahrt  Christi,  Festum  Ascensionis  DominL 
Vierzig  Tage  nach  dem  Osterfeste,  an  einem  Donnerstage,  feiert 
die  Kirche  das  Gedächtnis  der  Himmelfahrt  des  Herrn,  wenngleich 
festlich,  doch  mit  minder  glänzendem  Ritus  als  das  heilige  Weih- 
nachts-  und  Osterfest.  In  früheren  Jahrhunderten  (und  jetzt 
noch  in  Frankreich)  ging  der  Messe  eine  feierliche  Prozession 
ausser  der  Kirche  voraus,  wobei  Reliquien  der  Heüigen  mitge- 
tragen und  nebst  verschiedenen  den  Evangelien  entnommenen 
Responsorien  oder  Antiphonen  auch  der  Preisgesang  Fortimats 
„Salve  festa  dies"  abgesungen  wurde.  „Die  Prozession  selbst 
sinnbildete  den  Gang  der  Apostel  zum  Ölberge ,  von  dem  aus 
der  Herr  sich  zum  Himmel  erhob.  Ehemals  war  diesem  Tage 
eine  eigene  Sequenz:  „Rex  omnipotens  die  hodierna"  zugeteilt. 

An  manchen  Orten  hat  sich  aus  den  früheren  Zeiten  eine 
bildliche  Darstellung  der  Himmelfahrt  Christi  erhalten.  Nach  der 
Non  (resp.  vor  der  Vesper)  begibt  sich  der  Klerus  im  Festornate 
in  die  Mitte  der  Kirche,  wo  eine  Statue  des  Heilandes  auf  einem 
kleinen  Altar  bereitet  ist,  um  in  die  Höhe  gezogen  werden  zu 
können.  Nach  dem  feierlich  durch  den  Diakon  abgesungenen 
Evangelium  stimmt  der  Celebrant  dreimal  mit  jedesmal  erhöhter 
Stimme  den  Vers  an:  „Ascendo  ad  Patrem  meum  etc."  und  der 
Chor  setzt  ihn  fort  mit  „Deum  meum  et  Deum  vestrum,  alleluja". 


Himmelfahrt  Maria  —  Horae  canonicae.  107 

Hierauf  wird  das  Bild  in  die  Höhe  gezogen,  und  nach  dem  Ver- 
schwinden desselben  über  dem  Gewölbe  singt  der  Celebrant  die 
Oration;  nach  dem  festlich  gesungenen  „Benedioamus  Domino*^ 
beginnt  die  Vesper. 

Himmelfahrt  Maria,  Assumptio  B.  V.  Mariae,  richtig 
übersetzt  die  Aufnahme  der  seligsten  Jungfrau  Maria  (in  den 
Himmel),  s.  Marien  feste. 

Historiae.  So  benannte  man  früher  Antiphonen  und  Re- 
sponsorien  des  Officiums ,  welche  historischen  oder  erzählenden 
(auch  lyrischen)  Inhalts  und  entweder  der  heiligen  Schrift  oder 
den  Akten  der  heiligen  Märtyrer  und  anderer  Heiligen  entnom- 
men waren. 

Homophonie  (griech.),  s.  Polyphonie. 

Hoqnetus,  s.  Ochetus. 

Horae  canonicae,  die  kanonischen  Stunden  oder  Tagzeiten 
sind  die  dem  katholischen  Klerus  vorgeschriebenen  Gebete,  welche 
das  Brevier  enthält.  Dieser  Stunden  oder  Tagzeiten  sind  sieben: 
1)  Matutin  und  Landes;  2)  die  Prim;  3)  die  Terz;  4)  die 
Sext;  5)  die  Non  ;  6)  die  Vesper;  7)  das  Kompletorium. 
Der  heil.  Benedikt  nennt  die  Matutin  „Vigiliae"  oder  „nocturna 
laus",  weil  sie  nach  Mitternacht  gebetet  wurde;  die  übrigen 
•Hören  bildeten  das  Tagesofficium,  officium  diurnum. 
Die  Landes  (Matutini)  betete  man  bei  Sonnenaufgang.  Ma- 
tutin mit  den  Landes  und  Vesper  nebst  Komplet  heissen  auch 
die  grossen  Hören  (horae  majores),  die  übrigen  die  kleinen 
Hören  (horae  minores).  —  Die  ersten  Christen  versammelten  sich 
schon  zu  bestimmten  Zeiten   des  Tages  und  der  Nacht  zum  all- 

femeinen   gottesdienstlichen   Gebete,   besonders   an   Sonn-  und 
'esttagen;  die  Stunden  waren  die  nämlichen,  welche  noch  jetzt 
die  Namen   der   einzelnen  Teile   des  Officiums  bezeichnen;    z.  B. 
Prim  =  prima  hora.  welche  in  der  ersten  Stunde  des  Tages  — 
die  Alten  zählten   aie  Tagesstunden  vom  Aufgange  der  Sonne,. 
die  der  Nacht  vom  Untergange  der  Sonne  an  —  gebetet  wurde. 
Die  kirchlichen  Gebetstunden  wurden   täglich  gehalten;  mit  be- 
sonderer  Feierlichkeit   ausser   den   Nokturnen  Matutin  (Landes) 
und  Vesper,   welche  mit   Gesang  verbunden  waren,   während 
Terz,   Sext  und  Non  gewöhnlich  dIoss  recitiert  wurden.    Gegen 
Ende  des  IV.  Jahrh.  zogen   sich   die  Laien  mehr  und  mehr  von 
der  Teilnahme  daran  zurück;   aber   der  Klerus  setzte  Gebet  und 
Psalmengesang  in  den  Kirchen,   zu  denen  er  gehörte,   nach  der 
überlieferten  Weise  fort.   Neben  den  Psalmen  gab  es  noch  Hym- 
nen, Lesungen  und  Gebete;   alles  war  für  die  einzelnen  Stunden 
festgesetzt;   was  noch  beigefüfjt  wurde,  bestimmte   der  Bischof 
oder  dessen  Stellvertreter,  bis  m  den  einzelnen  Kirchen  sich  ein 
Herkommen  bildete.    Um  Einheit  herzustellen,  beauftragte  Papst 
Damasus  den  heil.  Hieronymus,  die  Psalmen  und  Lesungen  Tür 
'  )  einzelnen  Tage  und  Stunden  zu  bezeichnen,  und  schrieb  dies 
erk    den   einzelnen   Kirchen   vor.    Von   Gelasius   und  Gregor 
Gr.    wurde   die   Liturgie   der  kirchlichen   Stunden   verbessert 
id  erweitert.    Bis  auf  Gregor  VH.  nannte   man  die  kirchlichen 
igzeiten  cursus  (die  Griechen  heissen  sie  xa^wr,  wovon  einige 
n  Namen  „kanonische  Stimden"  herleiten);   dieser  Papst  ver- 
Irzte   für    seinen   Hof   den    allmählich  zu  bedeutender  Länge 


108  Hörn. 

eingewachsenen  Cursus,  welche  Verkürzung  nun  den  Namen 
JBreviarium  curiae  Romana e"  erhielt.  Zuerst  erhielten  die 
Franziskaner  und  Dominikaner,  später  die  anderen  Orden  (die 
Benediktiner  behielten  die  durch  ihre  Regel  vorgeschriebene 
Norm  bei)  und  der  Weltklerus  die  Bewilligung,  sich  dieses  ver- 
kürzten Offioiums,  woher  der  Name  „Brevier",  zu  bedienen. 
Papst  Pius  V.  verbesserte  das  Brevier,  sowie  Clemens  VIII.  und 
Urban  VIII.,  doch  wurde  verstattet,  dass  jene  Breviere,  welche 
älter  als  200  Jahre  wären,  beibehalten  werden  dürfen. 

Da  die  einzelnen  Hören:  Matutin  und  Landes,  Prim,  Ves- 
per und  Komplet  in  speciellen  Artikeln  behandelt  werden,  so 
bleibt  nur  übrig,  einiges  über  die  kleinen  Hören:  Terz,  Sext  und 
Non  bezüglich  des  Gesanges  zu  sagen.  Jede  derselben  beginnt 
mit  der  Anrufung  „Dens  m  aäjutormm  etc.",  worauf  der  Hymnus 
folgt.  Den  Psalmen  (drei  Abschnitte  aus  dem  118.  Psalm)  geht 
eine  Antiphon  voraus,  welche  aus  den  Laudes  entnommen  und 
nur  angestimmt,  ganz  aber  erst  nach  den  Psalmen  gesungen 
wird.  Das  Kapitel,  Responsorium  breve  und  die  Oration  be- 
schliessen  die  Hora. 

Hörn,  lat.  Cornu,  ital.  Corno,  franz.  Cor.  Der  Ursprung 
•dieses  Instrumentes  verliert  sich  ins  höchste  Altertum,  wo  Tier- 
hörner  zu  musikalischen  Zwecken  verwendet  wurden.  Die  älte- 
sten Hebräer  verfertigten  Hörner  aus  Holz,  welche  anfangs  lang 
und  gerade  waren,  später  aber  etwas  gebogen  wurden;  nachher 
kamen  auch  solche  aus  Metall  in  Gebrauch.  Die  in  der  heüigen 
Schi'ift  so  oft  vorkommenden  Posaunen  waren  nichts  anderes, 
-als  derlei  Hörner  mit  Mundstück  und  Schalltrichter,  welch  letz- 
terer entweder  einfach  oder  mannigfach  verziert  war.  Bei  den 
Römern,  weniger  bei  denQriechen.  treffen  wir  diese  halbgeboge- 
nen Hörner  in  allerlei  Grössen  und  Gestalten  an.  Erst  im  Jahre 
1680  kam  man  in  Paris  auf  den  Gedanken,  das  lange  Homrohr 
■der  bequemeren  Behandlung  wegen  zirkeiförmig  zu  biegen  und 
zusammenzulegen,  wie  es  ietzt  ist.  Im  vorigen  Jahrhunderte 
wurde  es  durch  den  böhmiscnen  Grafen  Anton  von  Spörken  nach 
Deutschland  verpflanzt.  Von  der  Zeit  an,  da  man  sich  des  Her- 
nes nicht  bloss  zur  Jagdmusik  („Waldhorn,  cor  de  chasse,  corno 
di  cachia"),  sondern  auch  zu  anderen  musikalischen  Zwecken 
bediente,  verbreitete  es  sich  immer  mehr  und  erfuhr  mancherlei 
Verbesserungen.  Die  ältesten  Hörner  standen  in  Es.  Ihnen 
folgten  zuerst  die  G-,  dann  die  B-Hörner.  Bald  verfertigte  man 
auch  F-Hörner  und  hiernach  erst  erschienen  die  Krummbögen 
und  Aufsatzstücke.  Die  Inventionshörner  erfand  zwischen  lt53 
und  1755  Anton  Joseph  Hampel  in  Dresden;  ebenso  die  Sor- 
dinen sind  seine  Erfindung.  Kölbel  in  Petersburg  war  der 
■erste,  der  durch  Klappen  und  einen  halbrunden  Deckel  auf  dem 
Stülp  dem  Instrumente  eine  chromatische  Tonreihe  zu  geben 
versuchtjB;  Bini  verfertigte  das  erste  tiefe  B-Horn.  Das  Ver- 
dienst der  Erfindung  der  Ventilhörner  gehört  dem  Kammer- 
musikus Heinrich  Stötzel  aus  Pless  in  Oberschlesien  (um  1815); 
das  erste  Instrument  der  Art  mit  drei  Ventilen  verfertigte  der 
Instrumentenmacher  CA.  Müller  in  Mainz  1830.  Das  Klappen- 
und  Flügelhorn  gehört  zu  den  neuesten  Hornerfindungen,  wu*d 
aus  Messmg  oder  Kupfer  verfertigt,  ist  nur  einmal  gebogen,  hat 


Hörn.  109 

aber,  um  einen  grösseren  Tonumfang  zu  erhalten,  eine  weitere 
Röhre.  Es  ist  eigentlich  eine  Trompete  mit  Mundstück,  daher 
das  Volle  und  Rynde  des  Tones;  es  hat  die  Skala  vom  kleinen 
h  bis  zum  zweigestrichenen  c  in  chromatischer  Folge,  klingt 
jedoch  um  eine  Oktave  tiefer. 

Seiner  jetzt  gemeinüblichen  Form  nach  ist  das  Hörn  ein 
Blasinstrument  ohne  Tonlöcher,  das  aus  einer  langen,  von  Mes- 
sing-, seltener  Silberblech  zusammengelöteten  Röhre  besteht^ 
wefche  in  einen  weiten  Schalltrichter,  Sturz  oder  Stürze  ge- 
nannt, endiget,  gewöhnlich  vierfach  rund  zusammengewunden 
ist  und  mittelst  eines  metallenen  Mimdstückes  mit  konischem 
Kessel  und  schmalem  Rande  angeblasen  wird.  Die  Länge  der 
Röhre,  welche  am  oberen  Ende  am  engsten  ist  und  gegen  den 
Schalltrichter  hin  sich  bis  zu  einem  haloen  Zoll  erweitert,  wel- 
cher Trichter  in  seinem  äussersten  Umfange  ungeföhr  122iOll  im 
Durchmesser  hält,  beträgt  über  16  Fuss  (gegen  190?  während  ihr 
Tonmass  nur  16füssig  ist,  d.  h.  ihr  tiefster  Ton  C  eben  klingt, 
wie  das  tiefe  C  eines  löfüssigen  Orgelprinzipals.  Das  Hörn,  m 
seiner  gewöhnlichsten  Beschaffenheit,  ohne  Tonlöcher  (Naturform) 
gibt  infolge  des  Anblasens,  verschiedener  Bildung  der  Lippen 
und  des  Ansatzes,  nur  die  nachfolgenden  Töne,  welche  jedoch 
um  eine  Oktave  tiefer  klingen,  als  die  Noten  bezeichnen: 


Um  die  zwischen  dieser  Reihe  noch  liegenden  Töne  hervor- 
zubringen, und  daher  auch  aus  anderen  Tonarten  als  C-dm*  blasen 
zu  können,  bedient  man  sich  künstlicher  Mittel:  des  Stopfens 
und  der  Bögen.  Das  sogenannte  Stopfen  geschieht  durch  das 
Einsetzen  der  halbgebogenen  Hand  in  den  Schalltrichter,  wo- 
durch die  Luft  in  ihrem  Ausströmen  gehindert  und  der  Ton 
höher  oder  verhältnismässig  auch  tiefer  wird;  doch  klingen  solche 

festopfte  Töne   dumpfer.    Um   aus   anderen  Tonarten  olasen  zu 
önnen,   bedient   man    sich   der    sogenannten    Aufsatzbögen 
(Setzstücke),   welche  oben    auf  das  Mimdstücksende  des  Horns 
aufgesetzt  werden;  dadurch  findet  eine  Verlängerung  der  Röhre 
statt,   und   durch  die  Benützung    der   bestimmten  Bögen   kann 
man  das  Hörn  nach  dem  Grundtone  derjenigen  Tonart  stimmen, 
aus   welcher   ein  Tonstück  geht.    Natürlich  geht   die  Stimmung 
immer   abwärts  wegen   der  Verlängerung  der  Röhre.    Auf  diese 
Weise  erhält  man  dann  B-,  A-,  G-,  F-,  Es-  u.  dgl.  Hörner,  d.  h. 
"-^'che,   die   in   B,   A   u.  s.  f.  stimmen.    Die   Tonstücke   für   die 
mer   werden  aber  stets  in  C  geschrieben,  und  dabei  bemerkt, 
welcher  Tonart  das  Instrument  gestimmt  werden  soll  (Cornu 
B,  Cornu  in  G  u.  dgl.).    Der  Satz : 


^gES^J 


klingt 


110  Hydraulia  —  Hymnus. 

auf  dem  B-Horn:  auf  dem  G-Horn,  wie: 


i 


^E^SE^ES 


1 


Die  gestopften  Töne  geben  einen  dumpfen  Klang,  der  ge- 
gen die  heilen  In  aturtöne  auffallend  zurücktritt  und  im  Orchester 
gar  keine  Wu'kung  macht;  in  hohen  Stimmungen  sprechen 
manche  Töne  gar  nicht  an  oder  sind  nur  in  Verbindung  mit 
anderen  Tönen  zu  haben.  Daher  wendete  man  in  grösseren 
Orchestern  zwei  bis  drei  paar  Hörner  von  verschiedener  Stim- 
mung an.  Diese  und  manche  andere  Missstände  führten  zur  Er- 
findung der  Inventionshörner,  bei  denen  innerhalb  des  Zir- 
kels der  Röhrenwindungen  zwei  Zapfen  angebracht  waren,  in 
welche  zwei  Röhren  passten,  die  nach  Gefallen  mehr  oder  we- 
niger herausgezogen  werden  konnten  und  den  Ton  wegen  der 
schnellen  Verlängerung  der  Röhre  augenblicklich  veränderten. 
Nach  mancherlei  Verbesserungen  kam  man  endlich  auf  die  voll- 
kommensten und  zweckmässigsten  Arten  von  Hörnern,  nämlich 
■die  Ventil'hörner.  Ihre  Eigentümlichkeit  besteht  darin,  dass 
an  ihnen  an  gewissen  Stellen  kleine  Rohrstücke  oder  hohle 
Oylinderchen  angebracht  sind,  welche  genau  in  daselbst  ange- 
brachte Seitenötfnungen  des  Hernes  passen  und  vermittelst 
kleiner  Hebel  (zwei  oder  drei)  durch  den  Druck  der  Finger  wie 
bei  Klappen  aj!;i  Klarinetten  verschlossen  oder  geöffnet  werden. 
Durch  dieses  Offnen  oder  Schhessen  der  Luftwege  des  Instru- 
mentes geschieht  eine  teilweise  Verlängerung  der  Hornröhre, 
wodurch  eben  der  Ton  eine  Veränderung  erfährt.  Schon  durch 
zwei  solcher  Ventile,  wovon  das  eine  den  Ton  um  einen  halben, 
das  andere  ihn  um  einen  ganzen  Ton  erniedriget,  kann  das  Hörn 
«ine  vollständige  und  gleichmässig  kräftig  tönende  chromatische 
Tonleiter  durcn  seinen  ganzen  Tonumfang  erhalten.  Doch  am 
vollkommensten  ist  ein  Instrument  mit  drei  Ventilen,  wobei  zu 
den  zwei  anderen  noch  eines  hinzugefügt  wird,  welches  den 
Ton  um  eine  kleine  Terz  erniedriget.  Hierdurch  ist  das  Höchste 
erreicht,  sowohl  hinsichtlich  der  Zahl  der  Töne  als  ihrer  Rein- 
heit, und,  wenn  damit  das  Stopfen  verbunden  wird,  auch  ihres 
Klanges.  Durch  die  Ventile  hat  das  Hörn  allerdings  viel  an 
Feinheit  und  grösserer  Unbeschränktheit  der  Behandlung  gewon- 
nen, aber  sein  Ton  hat  daneben  viel  von  seinem  romantischen 
Zauber  eingebüsst  und  ist  gleichsam  ein  Zwitterding  zwischen 
Hörn  und  Trompete  geworden. 

Hydraulia  (organa),  Wasserorgeln.  Ktesibios  zu  Alexan- 
dria (180  V.  Chr.)  wird  als  deren  Erfinder  genannt.  Tonerzeu- 
gend war  auch  nur  der  Wind,  aber  dessen  Stärke  wurde  durch 
Wasser  (Heronsball)  geregelt.  Aribo^  (Ende  des  XL  Jahrh.)  nennt 
noch  die  Orgeln  hydraulia. 

Hymnus.  Dieses  Wort  (giieoh.  iW-?),  welches  im  allge- 
meinen Gesang  bedeutet,  wurde  schon  fmhzeitig  bei  den  alten 
Griechen  zunächst  auf  die  Gesänge  zu  Ehren  der  Götter  bezogen. 
Auch  in  die  christliche  Kirche  nahm  man  dies  Wort  auf  zur  Be- 
zeichnung der  Lobgesänge  zu  Ehren  des  dreieinigen  Gottes,  der 


r 


Hymnus.  111 

seligsten  Jungfrau  Maria  und  der  Heiligen.  Der  Apostel  Paulus 
redet  schon  von  Psalmen,  Lobgesängen  (v/«v«*)  und  geistlichen 
Liedern,  von  welchen  letzteren  sich  der  eigentliche  Unterschied 
nicht  so  genau  angeben  lässt.  Fester  dagegen  und  noöh  jetzt 
im  kirchlicnen  Gebrauche  stehend  ist  eine  andere  dreifache  Unter- 
scheidung: Psalmen,  Cantica  und  Hymnen.  Die  Psalmen 
beschränken  sich  auf  den  bekannten  Psalter  Davids ;  die  Cantica 
sind  die  übrigen  biblischen  Gesänge,  als:  aus  dem  A.  T.  das 
Cantioum  Moysis;  Canticum  Triumpuerorum;  Ezechiae  u.  4gl-; 
aus  dem  N.  T.  das  Canticum  „Magnificat",  „Benedictus"  und 
^Nirnc  dimittis".  Unter  Hymnen  hätte  man  die  vom  apostoli- 
schen Zeitalter  an  neu  hinzugekommenen  chriötlichen  Gesänge 
zu  verstehen;  die  Hymnen  der  ersten  Christen  waren  Gesänge 
von  höherem  Schwünge  als  die  Psalmen  und  Cantica,  und  ver- 
einigten mit  den  Bitten  den  Preisgesang,  so  dass  sie  eigenthche 
Bitten,  Lobgesänge,  sind. 

In  der  lateinischen  Kirche  wird  die  mailändisohe  Kirche 
als  die  erste  angenommen,  in  welcher  Hymnen  ins  Officium  ein- 
geführt und  bei  den  bestimmten  Teilen  desselben  gesungen 
WTirden,  Dies  geschah  durch  den  heil.  Ambrosius,  welcher  teils 
selbst  Hjrmnen  dichtete,  teils  schon  gebräuchliche  dazu  benützte. 
In  Spanien  wurde  die  Einführung  im  VIL  Jahrh.  durch  das 
Konzil  von  Toledo  gutgeheissen.  In  der  römischen  Liturgie 
kommen  sie  erst  im  X.  Jahrh.  vor.  Der  heil.  Benedikt,  welcher 
den  Gesang  von  Hymnen  im  Officium  —  „Ambrosiani"  nennt 
er  sie  —  schon  im  VI.  Jahrh.  seinen  Mönchen  vorschreibt, 
scheint  dem  Usus  der  Mailänder  Kirche  gefolgt  zu  sein.  Binterim 
bezweifelt  sogar,  ob  am  Ende  des  XIII.  Jahrh.  bei  den  deutschen 
Kirchen  die  Hymnen  im  Officium  gebräuchlich  waren.  Einige 
partikulare  Liturgien  haben  bis  heutigen  Tages  den  Ausschluss 
der  Hymnen  aus  dem  Officium  festgehalten,  z.  B.  die  von  Lyon.  — 
Die  römische  Kirche  hat  im  Tagesofficium  ebenso  viele  Hymnen, 
als  dieses  Hören  oder  Stunden  in  sich  fasst,  nämlich  sieben; 
doch  ist  ihr  Platz  darin  verschieden.  In  der  Matutin  folgt  der 
Hymnus  gleich  nach  dem  Invitatorium ,  in  den  Landes,  m  der 
Vesper  und  Komplet  nach  den  Psalmen,  wobei  nur  eine  kurze 
Lesung,  das  Kapitel  eingeschaltet  ist  (das  ist  auch  die  Ordnung 
des  Apostels:  Psalmi,  Hymni,  Cantica);  in  den  kleineren  Hören 
hat  er  seinen  Platz  vor  den  Psalmen.  Ausser  dem  Officium 
singt  die  Kirche  noch  bei  anderen  liturgischen  Handlungen 
Hymnen,  z.  B.  bei  der  Priesterweihe  „Veni  Creator  Spiritus" ;  oei 
der  Benediktion  mit  dem  Allerheiligsten  „Pange  Imgua";  bei 
Prozessionen  u.  dgl. 

Die  Hymnen,  jene  kirchlichen  Poesien,  in  denen  die  höchste 
Glut    der   Andacht,    der   erhabenste    Aufschwung    des   Geeistes 
herrscht,   schlössen  sich  anfangs   an   den   freien  Psalmbau   der 
Hebräer  an,   mit  der  Ausbreitung  des  Christentums  jedoch  wen- 
eten  sie  sich  mehr  einem  festen  Metrum  und  dem  Strophenbau 
er  Römer  und  Griechen   zu,   und  später  nahmen  sie  unter  den 
iänden  der   romanischen  und  germanischen   Völker   auch  den 
^ini..auf.    Gegen  Ende   des  Mittelalters  wurde   der  Reim  fast 
um  Übermasse  getrieben  und   die  Strophenform  immer  gekün- 
stelter  imd   moderner,    wobei  nicht    selten    die   Innigkeit   und 


112  Hymnus. 

Andacht  Einbusse  erlitt,  wie  ein  frommer  Gelehrter  sich  aus- 
drückt: ,,Accessit  latinitas,  recessit  pietas.*'  So  musste  das  Wort 
-Hymnus"  allmählich  die  engere  Bedeutung  von  strophischen 
kirchlichen  Gesängen  annehmen,  obwohl  selbst  das  Gloria  und 
Te  Deum  noch  den  Namen  j^Hymnus*^  beibehielten.  Nach  dieser 
Begriffsstellung  scheint  zwar  die  ganze  christliche  lyrische  Poesie 
ausser  den  Psalmen  und  Cantica  der  Gattung  -Hymnus"  unter- 
geordnet zu  sein,  doch  ist  man  gewohnt,  den  Namen  „Hymnus* 
nur  auf  die  lateinischen  (und  griechischen)  Kirchengesänge  an- 
zuwenden mit  Ausschluss  des  deutschen  Kirchenliedes,  selbst 
wenn  es  im  höchsten  Hymnentone  gedichtet  wäre. 

Was  das  Charakteristische,  das  eigentlich  tiefere  Element 
und  innere  Wesen  der  wahrhaft  kirchlichen  Hymnen  anbelangt, 
so   sind   sie  im  allgemeinen  der  Ausdruck  einer  bleibenden,   ^- 

femein  gültigen,  zu  jeder  Zeit  wirksamen  Gesinnung.  Es  sind 
aber  vorzügnch  die  Grundtugenden,  Glaube,  Hoffnung  und  Liebe, 
welche  in  den  Hymnen  zum  Ausströmen  gelangen;  sie  bauen 
zuerst  eine  dogmatische,  beziehungsweise  mstorische  Grundlage 
auf,  darauf  erneben  sie  ihre  Bitten  und  finden  zum  Schlüsse  ui 
dem  Lobe  des  dreieinigen  Gottes  und  in  der  Vermittelung  Christi 
ihre  Vollendung.  Am  bestimmtesten  tritt  diese  Form  in  den 
ambrosianischen  Hymnen  zutage.  Ihr  Motto  ist  auch  immer  ein 
äusseres,  kein  inneres;  es  knüpft  sich  entweder  an  bestimmte 
Tagzeiten  des  Officiums  oder  an  kirchliche  Festtage,  an  Feste  des 
Herrn  oder  der  Heiligen  an.  Hierin  unterscheiden  sich  haupt- 
sächlich die  älteren  Hymnen  von  den  neueren. 

Was  den  musikalischen  Teil  der  Hymnen  betrifft,  so  sind 
sie  gewöhnlich  Muster  des  Ausdrucks  frommer  Stimmung  in 
Tönen,  ihre  Melodie  hält  gleichen  Schritt  mit  dem  erhabenen 
Aufschwünge  der  Poesie  und  dient  nur  um  so  mehr  dazu,  das  Wort 
zu  verklären.  Die  älteren  Hynmen  haben  in  der  Regel  eine  Note 
über  einer  Silbe,  nur  am  Ende  der  Textzeile  kommt  zuweilen 
ein  Neuma  vor.  An  der  Absingung  der  Hymnen  beteiligte  sich 
stets  der  ganze  Chor. 

Ein  Blick  auf  die  Geschichte  der  Hymnologie  möge  uns 
noch  die  vorzüglichsten  Hymnendichter  der  katholischen  Kirche 
vorführen. 

Die  Nachrichten  über  die  Gesänge  des  apostolischen  Zeit- 
alters sind  dürftig;  es  ist  aber  schon  durch  mehrere  bekannte 
Stellen  des  heü,  Apostels  Paulus  (Koloss.  3,  16;  Ephes.  5,  19; 
I.  Kor.  14,  26)  unzweifelhaft,  dass  ausser  den  alttestamentlichen 
Gesängen  auch  von  Anfang  an  neue  Lieder  in  den  christlichen 
Versammlungen  gesungen  wurden.  Im  II.  Jahrh.  wu*d  als 
Hymnendichter  der  christliche  Märtyrer  Athen ogenes  (f  169) 
genannt,  auch  Kl e mens  von  Alexandria u.  a.  Im  UI.  Jahrh.  gibt 
es  schon  einen  bedeutenden  Reichtum  von  Hymnen  und  als  aus- 
gezeichneter Dichter  wird  der  ägyptische  Bischof  Nepos  ge- 
rühmt. Mit  dem  IV.  Jahrh.  beginnt  ein  neuer  Aufschwung  der 
christlichen  Poesie,  veranlasst  sowohl  durch  den  triumphierenden 
Frieden,  welchen  die  Kirche  nach  aussen  errungen  hatte,  als 
auch  durch  die  Bestrebungen  der  Häretiker,  die  gerade  durch 
Gesänge  ihre  Lehren  unter  das  Volk  zu  bringen  und  zu  befesti- 
gen suchten.    Chrysostomus  war   einer   der  ersten,   welcher 


Hymnus.  113 

diirch  Gesänge  mit  orthodoxem  Inhalte   solchem  Treiben   entr 

fegenwirkte.  In  der  syrischen  Kirche  zeichnete  sich  besonders 
er  heil-  Ephräm  aus.  In  diesem  Jahrhunderte  hebt  sich  auch 
die  lateinische  Hymnenpoesie,  während  die  der  Griechen  allmäh- 
lich abnimmt;  bei  den  letzteren  erscheinen  noch  als  Hymnen- 
dichter: Gregor  v.  Nazianz,  Synesius,  Bichof  v.  Ptolemais 
(V.  Jahrb.),  Andreas,  Erzbisohof  von  Kreta  (t  724),  Germa-r 
ntis,  Patriarch  von  Konstantinopel  (f  740),  Johannes  Dar 
mascenus  u.  a.  m. 

Mehr  Bedeutung  hat  für  uns  die  lateinische  Hymnologie, 
wobei  es  nur  zu  bedauern  ist,  dass  man  von  einer  grossen  An- 
zahl Hymnen  die  Verfasser  gar  nicht  weiss  odei^  nur  unsichere, 
zweifelhafte  Nachrichten  über  sie  besitzt. 

Als  ersten  Begründer  des  lateinischen  Hymnengesanges 
nennt  man  gewöhnlich  den. heil.  Hilarius,  Bischof  von  Poitiers 
(t  368);  die  von  ihm  existierende  li^mnensammlun^  wird  aber 
von  den  besseren  Kritikern  bezweifelt.  Zugeschrieben  werden 
ihm  die  Hymnen:  „Lucis  largitor  splendide";  „Dens  pater  inge- 
nite";  „Beata  nobis  gaudia"  u.  a.  m.  Den  englischen  Lobgesang 
„Gloria  in  excelsis",  wie  er  in  der  heüigen  Messe  gesungen  wird, 
übersetzte  er  aus  dem  Griechischen  ins  Lateinische.  Dem  heil. 
Damasus,  Papst  (1384),  werden  auch  zwei  Hymnen  zugeschrie- 
ben: „Decus  sacrata  nominis"  zu  Ehren  des  heil.  Andreas,  und 
„Martyris  ecce  dies"  zu  Ehren  der  heü.  Agatha.  Eine  vorzüg- 
liche Stelle  nimmt  der  heil.  Ambrosius,  Bischof  von  Mailand 
(t  397),  ein,  welcher  viele  Hymnen  dichtete,  mit  Melodien  ver- 
sah und  ins  Officium  seiner  Kirche  aufnahm  und  welche  noch 
jetzt  den  Kern  des  kirchlichen  Hymnengesanges  büden.  Wie 
sehr  aber  seine  Hymnen  von  jeher  m  kirchlichem  Ansehen  stan- 
den, beweist  die  Benennung  „Ambrosiani",  ainbrosianische  Hym- 
nen, womit  nicht  bloss  (5e  von  Ambrosius  selbst  gedichteten, 
sondern  auch  die  ihnen  nachgebüdeten  Gesänge  bezeichnet  wur- 
den. Daher  ist  auch  nicht  zu  ermitteln,  wie  viele  ihn  persönlich 
zum  Verfasser  haben;  wenigstens  acht  sollen  ihm  bestimmt 
zugehören. 

Der  heü.  Augustin  verdient  hier  insofern  Erwähnung, 
als  er  zu  „Ad  perennis  vitae  fontem"  den  StofF  lieferte  (Medit. 
S.  Aug.  cap.  25.),  der  später,  wahrscheinlich  durch  Petrus  Da- 
miani,  verarbeitet  worden  ist.  Sicherer  wird  ihm  das  Prae- 
conium  jjaschale  „Exultet  jam  angelicis  choris"  am  Karsamstage 
zugeschrieben,  und  das  österliche  „Cum  rex  gloriae"  ist  ganz  aus 
seinen  Schriften  genommen. 

Einer   der  gefeiertsten  christlichen  Dichter  und  der   vor- 
züglichste Hymnolog  des  V.  Jahrb.  ist  Aurelius  Prudentius 
Klemens  (f  412),   zu  Saragossa  in  Spanien  geboren.   Oberster 
'*T  kaiserlichen  Leibwache  und  christhcher  Fürsprecher  bei  den 
maligen   Gerichtshändeln,    der   seine    späteren  Lebenstage  in 
rückgezogenheit  der   christlichen   Muse   weihte.     Aus   seiner 
immlung  von  Liedern  auf  alle  Tage  (Liber  Cathemerinon)  und 
is  seinen  Gesängen  auf  die  heiligen  Märtyrer  (Liber  Peristepha- 
m)  hat  die  Kirche  ungeßihr  vierzehn  Hymnen,  wohl  mit 'einigen 
[)änderungen  aufgenommen;   so  z.  B.  Ales  diei  nuntius  —  Lux 
ce   surgit  aurea  —  Salvete   flores  martyrum  —  0  sola  magna 

Kommüller,  Lexikoo«  8 


IW:  Hymnus. 

urbium  —  Quicunque  Christum  guaeritis  u.  a.  Dem  V.  Jährh. 
gehört  noch  der  Presbyter  Sedulius  (f  430),  wahrscheinlich  ein 
Schotte,  ah,  von  dessen  Lebensumständen  gar  nichts  auf  uns 
gekommen  ist.  Wir  kennen  von  ihm  nur  ein  grösseres  Gedicht: 
-opus  paschale**  und  zwei  kleinere  Gesänge,  von  welchen  einer 
die  Geschichte  des  Erlösers  in  23  Strophen  darstellt,  deren  jede 
mit  einem  anderen  Buchstaben  des  Alphabets  beginnt.  Hieraus 
sind  die  zwei  Hymnen  „A  solis  ortus  cardine **  imd  „Hostis  Hero- 
des  impie"  für  Weihnachten  und  Eipiphanie  entlehnt. 

Gleichen  Ruhm  mit  dem  Vorhergehenden  geniesst  im 
VI.  Jahrh.  Venantius  Fortunatus,  gebürtig  in  Oberitalien, 
gestoi*ben  als  Bischof  von  Poitiers  um  600.  von  ihm  besitzen 
wir  mehrere  vortreffliche  Hymnen,  welche  kirchliche  Sanktion 
haben,  als:  ,,Pange  lingua  gloriosi  certaminis  —  Vexilla  regis 
prodeunt  —  Salve  festa  dies  —  Quem  terra  pontus  sidera  — 
Agnoscat  omne  saeculum".  Der  heil.  Papst  Gregor  I.  d.  Gr., 
der  so  viel  für  die  Verbesserung  und  zweckmässige  Einrichtung 
des  Gottesdienstes  und  des  Kironengesanges  gethan,  glänzt  auch 
als  Verfasser  von  Hymnen.  Die  bekanntesten  sind:  „Audi  be- 
nigne Conditor  —  Ecce  jam  noctis  tenuatur  umbra  —  Primo  dienun 
omnium  —  Nocte  surgentes  vigilenius  omnes  —  Rex  Christe 
factor  omnium  —  Te  lucis  ante  terminum".  Beda  der  Ehrwür- 
dige (Venerabilis),  geboren  um  672  in  England,  wird  von  "Walafr. 
Strabo  schon  als  geistlicher  Liederdichter  erwähnt.  Von  seinen 
11  Hymnen  wurde  nur  der  Hymnus:  „Hjmnum  canamus  gloriae" 
noch  im  XIV.  Jahrh.  am  Feste  Christi  Himmelfahrt  gesungen. 
Paul  Winfrid,  auch  bekannt  unter  dem  Namen  Paul  Diaco- 
nus,  geboren  in  der  Lombardei,  war  Diakon  zu  Aquileja  und 
Notar  des  Longobardenkönigs  Desiderius,  verlebte  seine  späteren 
Lebensjahre  als  Ordensmann  zu  Monte  Cassino,  wo  er  um  800 
starb.  Er  dichtete  mehrere  Hymnen,  von  denen  sich  der  Hym- 
nus ,,Ut  queant  laxis"  wegen  der  von  Guido  daraus  entnomme- 
nen Solmisationssilben  ut,  re,  mi,  fa,  sol,  la  einer  besonderen 
Berühmtheit  erfreut.  Durandus  erzählt,  Paul  sollte  einst  zu 
Monte  Cassino  die  Weihe  der  Osterkerze  („Exultet")  vornehmen, 
war  aber  von  solcher  Heiserkeit  ergriffen,  dass  ihm  der  Gesang 
unmöglich  schien.  Da  dichtete  er  diesen  Hymnus  zu  Ehren  des 
heü.  Johannes,  und  siehe,  er  erhielt  seine  Stimme  alsbald  wieder, 
wie  einst  Zacharias.  —  Dem  Kaiser  Karl  d.  Gr.  wird  der  Hymnus 
„Veni  Creator  Spiritus"  zugelegt,  was  natürlich  in  Zweifel  ge- 
zogen wird.  Zu  den  Hymnologen  des  IX.  Jahrh.  gehören: 
Alcuin  (t804),  Paulinus  von  Aquileja  (t  804),  Walafried 
Strabo  von  Reichenau  (f  849),  Tutilo  von  St.  Gallen  (f  880), 
Rhabanus  Maurus  .{f  856),  dem  die  bekannten  Hymnen: 
„Festum  nunc  celebre  —  Christe  sanctorum  decus  angelorum  — 
Tibi  Christe  splendor  Patris"  ziigeschrieben  werden;  Theodul- 
phus,  Bischof  von  Orleans  (f  821)  ist  der  Verfasser  des  „Gloria, 
laus,  honor"  für  den  Palmsonntag. 

Im  X.  Jahrh.  entwickelte  sich  eine  eigentümliche  Poesie 
in  den  Sequenzen  oder  Prosen,  worüber  aas  Nötige  in  dem 
betreffenden  Artikel  nachgesehen  werde.  Ihr  Urheber  oder  we- 
nigstens ihr  Beförderer  ist  Notker  der  Stammler,  der  Altere, 
Abt  von  St.  Gallen  (f  912).    Durch  kirchliche  Dichtungen  zeich- 


Hymnus.  115 

nete  sich  in  diesem  Jahrhunderte  noch  aus:  Odo,  Abt  von 
Clugny  (t  942),  Hucbald,  Mönch  von  St.  Amand  (1930),  Ekke- 
hard,  Mönch  von  St.  Gallen  (f  966),  Notker  der  Jüngere,  eben- 
falls Mönch  daselbst  (f  975). 

Aus  dem  XL  Jahrb.  nennen  wir  Robert,  König  von 
Frankreich  (f  1031),  mit  der  schönen  Sequenz  „Veni  sancte  Spi- 
ritus" (?);  Hermann  Contr actus,  mit  der  Sequenz  „Ave  prae- 
ciara  maris  Stella"  und  den  Antiphonien  j,Alma  redemptoris 
mater "  und  „Salve  r  egina" ;  PetrusUamiani,  Abt  von  Avellano 
(t  1072),  einer  der  fruchtbarsten  geistlichen  Dichter,  mit  dem 
Osterhymnus  „Paschalis  festi  gaudium"  und  dem  Gesänge:  „Ad 
perennis  vitae  fontem"  aus  den  Schriften  des  heil.  Äugustin 
verarbeitet. 

Würdig  reiht  sich  den  besten  Hymnologen  der  heil.  Bern- 
hard, Abt  von  Clairvaux  (f  1153),  im  XU.  Jahrb.  an  mit  deui 
lieblichen,  liebeseufzenden  „Jesu  dulcis  memoria";  und  nicht 
minder  glänzt  im  folgenden  Jahrhunderte  der  Doctor  angelicus, 
der  heil.  Thomas  von  Aquin  (f  1174)  mit  seinen  Lobgesän^en 
von  dem  allerheiligsten  Altarssakramente :  „Fange  lingua  gloriosi 
Corporis  —  Lauda  Sion  —  Verbum  supernum  prodiens  —  Adoro 
Te  devote".  —  Der  heil.  Bonaventura  aus  dem  Orden  des 
heü.  Franziskus,  der  viele  heiligen  Sänger  erzeugte  (f  1274),  be- 
sang wie  der  heü.  Bernhard  vorzüglich  die  seligste  Jungfrau 
Maria.  Von  Thomas  von  Celano,  dem  Sänger  des  „Diesirae", 
und  Jacoponus,  von  dem  das  „Stabat  mater"  herrührt,  wird 
bei  den  Sequenzen  geredet  werden. 

Vom  XV.  Jahrb.*  ab  ist  die  lateinische  Hymnographie 
eigentlich  abgeschlossen,  obwohl  noch  einige  gute  Hymnen  vor- 
kommen. Im  allgemeinen  verlieren  sie  immer  mehr  den  Hymnen- 
charakter und  gehen  in  oft  spielende,  gekünstelte  Cantionen  oder 
Lieder  über*  die  Zeit  war  eine  andere  geworden,  es  fehlte  der 
Typus  des  Erhabenen  und  ruhig  Kirchhchen;  die  Nachahmung 
des  Altklassisehen  führte  völlig  davon  ab.  Am  bekanntesten 
sind  aus  späterer  Zeit  der  Liebesseufzer  des  heil.  Ignatius:  „0 
Deus,  ego  amo  te,  nam  prior";  und  der  des  heil.  Franziskus 
Xaverius:  ^0  Deus,  ego  amo  te,  nee  amo  te,  ut  salves  me";  des 
heil.  Aloysms:  „0  Christe  pendens  arbore";  und  der  Marienhym- 
nus des  heil.  Casimir:  „Omni  die  die  Mariae". 

Wie  gesagt,  gibt  es  ausser  diesen  Hymnen  und  Hymnen- 
dichtern noch  eme  grosse  Anzahl,  von  denen  nichts  ins  kirchliche 
Officium  aufgenommen  wurde;  von  sehr  vielen  Hymnen  kennt 
man  nicht  einmal  die  Verfasser.  Noch  ist  zu  bemerken,  dass 
Papst  Pius  V.  eine  Reform  des  Breviers  vornehmen  liess,  wobei 
er  die  reoipierten  Hymnen  in  ihrer  ältesten  Form  beibehielt. 
Aber  der  durch  die  Renaissance  der  klassischen  Studien  und 
Wissenschaften  geweckte  Geist  wollte  siöh  damit  nicht  begnügen. 
Urban  VIH.  setzte  eine  Kommission  von  drei  Jesuiten  nieder, 
svelchen  die  Autgabe  wurde,  die  Hymnen  poetischer  zu  machen; 
loch  fanden  die  verbesserten  Gesänge  nicht  überall  Aufnahme. 
In  Frankreich  vollzog  sich  im  vorigen  Jahrhunderte  eine  soge- 
nannte Verbesserung  des  Breviers,  wobei  eine  grosse  Anzahl  der 
kirchlich  sanktionierten  Hymnen  entfernt  und  diu'ch  neue  Dich- 
tungen ersetzt  wurden.     Als  hervorragende   Dichter    derselben 

8* 


116  Hypo. 

werden  genannt:  Jean  Baptiste  de  Santeul,  geboren  1630  zu 
Paris  und  Regularkanoniker  von  8t.  Viktor^  und  Charles 
Coffin,  geboren  1676  zu  Paris  und  Rektor  der  Universität  da» 
selbst  (t  1T49). 

Schliesslich  noch  einige  liturgische  Bemerkungen: 

1)  Der  Schluss  der  Hymnen  im  Officium  wechselt  mit 
den  verschiedenen  Festen  und  Festzeiten.  Man  bedient  sieh  der 
in  einer  Zeit  gebräuchlichen  Schlussformel  für  alle  Hymnen, 
welche  im  Metrum  nicht  von  ihr  verschieden  sind,  und  derei^ 
Schluss  nicht  so  eng  mit  dem  Hymnus  verbunden  ist,  dass  mit 
Weglassung  desselben  der  Hymnus  selbst  verstümmelt  würde. 
Das  Direktorium  gibt  jederzeit  den  nötigen  Aufschluss.  So  wird 
z.  B.  von  Weihnachten  und  Epiphanie,  in  der  Fronleichnams- 
oktave  luid  an  den  Marienfesten  mit  ihren  Oktaven  die  Schluss- 
strophe: ^Jesu  Tibi  sit  gloria,  qui  natus  es",  vom  weissen 
Sonntag  bis  Christi  Himmelfahrt:  „Deo  patri  sit  gloria  et  FiliOj. 
aui  a  mortuis  etc."  gebraucht.  Dieser  Tausch  midet  auch  bei 
den  Hymnen  der  He ili genfeste  statt,  welche  in  eine  solche 
Festzeit  oder  Oktave  einfallen. 

2)  Im  Hymnus  der  heiligen  Bekenner  (Confessorum): 
„Iste  Confessor"  werden,  wenn  die  Festfeier  nicht  auf  den  Todes- 
tag des  heiligen  Bekenners  zutriflFt,  die  dritte  und  vierte  Text- 
zeue  der  ersten  Strophe:  „Meruit  beatas  scandere  sedes"  in 
„meruit  supremos  lauois  honores"  verändert,  was  im  Direktorium 
durch  (m.  s.)  oder  (m.  v.)  angezeigt  wird. 

3)  Die  Hymnen  der  HeiBgenfeste  während  der  Oktave  einea 
Marienfestes  haben  bei  gleichem  Metrum  auch  die  Melodie  des 
Hymnus :  „0  gloriosae  Virginis".  (Hymni  infra  Octavam  B.  M.  V* 
ejusdem  metri,  conclusi  cum  „Gloria  Tibi  etc."  canendi  simt  in 
tono  B.  M.  V.  S.  C.  R.  28.  Mart.  1626.) 

4)  Das  Ceremoniale  Episcop.  lib.  I.  28,  lib.  IL  1  erlaubt,, 
dass  die  Hymnen  im  Officium  abwechselnd  mit  der  Orgel  gesun- 
gen werden,  d.  h.  dass  eine  Strophe  in  cantu  piano  oder  auch 
figuriert  gesungen,  die  andere  von  der  Orgel  „abgespielt*'  werde, 
wobei  jedoch  während  des  Orgelspieles  diese  andere  Strophe  von 
einem  oder  zwei  Kantoren  vernehmlich  zu  sprechen  ist.  Die 
erste  und  letzte  Strophe,  sowie  diejenigen,  bei  denen  zu  knieen 
ist^  müssen  jederzeit  gesungen  werden,  wenn  auch  dies  schon 
bei  den  unmittelbar  vorhergehenden  geschehen  wäre.  (Quod  si 
hymnus  cantatur  a  musicis  vel  altematim  ab  organo,  tunc  can- 
tores  legent  mediocri  voce  ea  verba,  quae  a  musicis  seu  ab  or- 
gano cantantur.) 

Hypo,  s.  Kirchentonarten. 


Imitation.  117 


i(j). 


Imitation,    Nachahmung,   findet   statt,    wenn   ein   von 
einer  Stimme  vorgetragener  Satz  von  einer  anderen  Stimme  auf 

fleiche  oder  ähmiche  Weise  wiederholt  wird.  Diese  Wieder- 
olung  kann  geschehen:  1)  auf  derselben  Stufe  (Beisp.  1)  oder 
auf  anderen,  z.  B.  Sekund,  Terz,  Quint  u.  s.  w.;  2)  mit  genauer 
Beobachtung  der  Intervallschritte  oder  mit  Abweichungen;  er- 
stere  Art  heisst  dann  die  strenge,  letztere  die  freie  Nach- 
iihmung  (Beisp.  2,  3);  3)  in  derselBen  Notengattung  oder  ver- 
ändert, d.  h.  aie  zweite  Stimme  kann  der  ersten  nacnfolgen  mit 
derselben  Tongesoh windigkeit,  oder,  auch  in  langsamerer  oder 
•schnellerer  Bewegung,  so  dass  sie  z.  ß.  statt  der  halben  Noten 
-der  ersten  Stimme  Viertelnoten,  oder  statt  der  Viertelnoten 
Halbenoten  u.  dgl.  anwendet  (Beisp.  4);  4)  in  gerader  oder  Gegen- 
bewegung, d.  h.  wenn  die  zweite  Stimme  die  erste  in  ihren 
Bteigenden  oder  fallenden  Schritten  auf  eine  oder  die  andere 
Weise  nachahmt,  oder  aber  mit  Berücksichtigung  der  Intervallen- 
^rössen  die  steigenden  Schritte  der  ersten  Stimme  als  fallende 
und  die  fallenden  als  steigende  Schritte  nachahmt  (Beisp.  5) ; 
ö)  in  vor-  oder  rückwärtsgehender  Bewegung,  insofern  die  nacn- 
ahmende  Stimme  den  gehörigen  Gang  der  ersten  Stimme  beibe- 
hält, oder  vom  Ende  zum  Anfange  hin  nachahmt  (Beisp.  6). 

Imitationen,  wobei  immer  nur  ein  kleiner  Satz  einer  voran- 

fegangenen  Stimme  nachgeahmt  wird,  nach  Beendigung  dessel- 
en  die  nachahmende  Stimme  wieder  ihren  eigenen  Gang  verfolgt, 
heissen  periodische.  Folgt  aber  eine  Stimme  ihrer  Vorgängerm 
ohne  Unterbrechung  und  stets  auf  dieselbe  Weise  nach,  ahmt  sie 
dieselbe  ununterbrochen  nach,  so  ist  dies  eine  kanonische 
Nachahmung  —  ein  Kanon  (s.  Repetition  und  Kanon). 

1.  2. 


3iE£feÖ^^ 


m^W^^^ 


C7        r  rrf 

3. 


5.  t      ra  6. 


118  Imperfectio  —  Instrument. 


jji-U 


3t=t 


f 


-i. 


%^ 


rcrf  ]sri" 


Imperfectio,  s.  Perfectio  und  Mensuralmusik. 

Improperien,  s.  Karwoche. 

Ingressa,  s.  Introitus. 

Instrument.  Dies  Wort,  welches  überhaupt  jedes  Werk- 
zeug bedeutet,  —  bezeichnet  auch  in  der  Musik  jedes  Werkzeug, 
jeden  künstlich  zubereiteten  Körper,  vermittelst  dessen  musika- 
lische Töne  hervorgebracht  werden.  Lassen  wir  das  Inenschliche 
Stimmorgan,  die  Kehle,  welche  unstreitig  das  vollkommenste 
und  edelste  Instrument  ist,  beiseite,  so  gibt  es,  nach  gemeiner 
Annahme,  drei  Hauptklassen  von  musikalischen  Instrumenten: 
Saiten-,  Blas-  und  SchlaginsTfcrumente.  Die  erste  Klasse, 
die  der  Saiteninstrumente,  fasst  wieder  drei  Arten  in  sich: 
1)  Bogen  in  Strumente,  d.  i.  solche,  deren  Ton  durch  Strei- 
chen der  Saiten  mit  einem  Bogen  hervorgebracht  wird,  als: 
Violine,  Viola,  Violoncell,  Kontrabass  u.  a.  2)  Lauteninstru- 
mente, d.  i.  solche,  deren  Saiten  zur  Tonerzeugiing  mit  den 
Fingern  oder  mit  einem  künstlichen  Werkzeuge  (Piektrum)  ge- 
rissen werden,  als:  die  Harfe,  Laute,  Theorbe,  Guitarre,  Zithern,  a. 
3)  Solche,  auf  welchen  die  Saiten  durch  Schlagen  mit  einem  an- 
deren Körper  zum  Tönen  gebracht  werden;  geschieht  es  mittels 
einer  Klaviatur  (Tasten),  so  heissen  sie  Klavier-  oder  Tasten- 
instrumente, als:  Klavier,  Pianoforte  u.  a.;  es  kann  aber  auch 
die  Hand  des  Spielers  Klöppel  führen  und  damit  die  Saiten  in 
Vibration  setzen,  was  z.  ß.  beim  Hackbrett  der  Fall  ist.  —  Die 
zweite  Klasse,  die  Blasinstrumente,  teilt  man  wieder  1)  in 
solche,  die  den  nötigen  Wind.,  durch  einen  Blasbalg  erhalten,  wie 
alle  Orgelarten:  die  Orgel,  Aolodikon,  Harmonien  u.  a.;  2)  in 
solche,  welche  von  dem  Spieler  selbst j^eblasen  werden,  als  Oboe, 
Flöte,  Clarinette,  Fagott,  Trompete,  Hörn,  Posaune  u.  a.  —  Die 
dritte  Klasse  umfasst  die  Schlaginstrumente,  d.  h.  solche^ 
bei  welchen  der  tongebende  Körper ,  welcher  keine  Saite  ist» 
durch  Schlagen  mit  einem  Werkzeuge  in  Vibration  gesetzt  und 
zum  Tönen  gebracht  wird,  als:  Pauke,  Trommel,  Triangel,  Glo- 
ckenspiele u.  a.  m.  Hier  haben  wir  nur  die  allerbekanntesten 
und  gebräuchlichsten  Instiiimente  angeführt;  ausser  diesen  gibt 
es  noch  eine  grosse  Menge  anderer  Instrumente,  welche  teils  in 
alten  Zeiten  in  Gebraaieh  waren,   deren  Einrichtung  man  häufig 

far  nicht  mehr  kennt,  teils  bei  einzelnen  Völkern  allein  vor 
ommen,  teils  jetzt  noch  vorkommen  oder  neu  erfunden  wurden, 
aber  sich  nicht  allgemeiner  Annahme  erfreui^n.  Unserem  Zwecke 
zu  entsprechen,  müssen  Wir  uns  vielmehr  mit  der  Frage  be- 
schäftigen: Weldie  Instrumente  können  bei  der  kathohschen 
Kirchenmusik  gebraucht  werden?  wobei  wir  zugleich  einiges 
aus  der  Geschichte  der  Instrumentalmusik  üDerhaupt  bei- 
ziehen müssen. 

Obwohl  die   heidnischen  Völker   und   auch   die  Juden  bei 


Instrument.  119 

ihren  gottesdienstlichen  Handlungen  der  Instrumente  sich  be- 
dienten, und  man  es  in  der  Behandlung  der  Instrumente  zu  einer 
gewissen  Fertigkeit  gebracht  hatte,  so  schlössen  doch  die  Chri- 
sten dieselben  von  ihren  kirchlichen  Versammlungen  aus,  da 
ihnen,  wie  ein  heiliger  Kirchenvater  sagt^  die  reinen  Herzen  und 
die  keuschen  Lippen,  sowie  ihr  tugendreiohes  Leben  die  edelsten 
Instrumente  sein  sollen.  Es  war  ihnen  ein  Greuel,,  die  Instru- 
mente, womit  die  Heiden  bei  ihren  Tänzen,  Spielen  und  Götzen- 
opfem  die  schändlichsten  Leidenschaften  erregten,  bei  ihren 
heiligen  Gebeten  imd  Opfern  ertönen  zu  hören.  Überdies  konn- 
ten sie  nicht  begreifen,  wie  man  den  höchsten  Herrn,  dem  man 
mit  dem  Herzen  dienen  muss,  mit  solch  äusserlichen  Dingen^ 
mit  dem  Klange  toter  Instrumente  ehren  könnte.  Wohl  bei 
häuslichen  (religiösen)  Gesängen  war  es  ihnen  verstattet,  diese 
mit  einem  ehrbaren  Instrumente  zu  begleiten;  bei  weltlichen 
Feierlichkeiten,  Gastmählern  u.  dgl.  waren  Instrumente  ebenfalls 
im  Gebrauche.  Mehrere  Jahrhunderte  lang  hat  man  fast  gar 
keine  Nachrichten  über  Instrumentalmusik  bei  den  christlichen 
Völkern,  erst  im  VIÜ.  Jahrh.  tauchten  wieder  bestimmtere  Nach- 
richten auf;  denn  das  Glasgower  Konzil  747  will  aus  den  Klöstern 
die  „citharistae  aliique  fidicines"  ausgewiesen  haben,  was  aber 
nicht  allseitig  durchgeführt  wurde,  da  fast  um  die  nämliche  Zeit 
Abt  Guthbert  den  LuUus,  Erzbischof  von  Mainz  und  Nachfolger 
des  heil.  Bonifaz  {t755),  um  einen  Zitherspieler  (die  Zither  hiess 
in  England  rota)  bat.  Orgeln  finden  wir  ebenfalls  im  VIII.  Jahrb., 
obwohl  daraus  nicht  zu  schliessen  ist,  als  wären  sie  erst  um 
diese  Zeit  erfimden  werden;  Kaiser  Konstantin  Kopronymus 
sendet  eine  Orgel  an  Pipin  den  Kurzen  (752 — 768)  in  Frankreich, 
welche  in  der  Kirche  des  heil.  Kornelius  in  Compiegne  aufgestellt 
wurde ;  einige  Jahre  nachher  sendete  derselbe  Kaiser  eine  solche 
an  Karl  d.  Gr.  Von  da  an  erhielt  die  Orgel  Aufnahme  in  der 
Kirche  und  zwei  Jahrhunderte  später  besassen  die  meisten  Ka- 
thedralen und  grösseren  Kirchen  ein  solches  Werk.  Über  den 
Betrieb  des  Spieles  anderer  Instrumente  in  diesem  Zeiträume 
wird  berichtet,  dass  im  Kloster  Reichenau  den  Zöglingen  Unter- 
richt erteilt  wurde  ^im  Organum,  welches  allem  zur  Beglei- 
tung des  Gesanges  im  Münster  angewendet  wurde,  auf  der  Harfe, 
der  Flöte,  der  Trompete,  der  Posaune  und  der  Deltazither  oder 
dreisaitigen  Leier. ^  Ausser  der  Orgel,  welche  bis  ins  XVI.  Jahrh. 
hinein  nur  dazu  diente,  den  Ton  anzugeben  und  die  Sänger 
etwa  durch  Mitspielen  der  Melodie  im  Tone  zu  erhalten,  waren 
alle  anderen  Instrumente  von  kirchlichem  Gebrauche  ausgeschlos- 
sen. Amalarius  (IX.  Jahrh.)  schreibt:  „Unsere  Sänger  haben 
keine  Zimbeln,  keine  Leiern  oder  Zithern  in  den  Händen,  noch 
andere  Instrumente,"   und  Johannes  Egidius  (XIII.  Jahrh,)  sagt,  - 

w^o  er  von  der  Orgel,  als  einem  Instrumente,  welches  aus  vielen  j 

Pfeiffen  zusammengesetzt  und  durch  Blasbälge  zum  Tönen  ge- 
bracht wird,  redet:  „Dies  einzige  Instrument  wird  in  der  Kirche 
bei  den  verschiedenen  Gesängen  angewendet  und  bei  Prosen, 
Sequenzen  und  Hymnen,  mit  Ausschluss  anderer  Instrumente." 

So  bheb  es  bis  ins  XVI.  Jahrh.  hinein,  obwohl  zur  Zeit 
der  Troubadours  und  Ministreis  eine  Menge  Instrumente  auf- 
tauchten  und    die  instrumentale   Musik   bald   durch   die   Stadt- 


1 


120  Instrument. 

oder  Kunstpfeifer  uAd  Thürmer  in  „ehrlichem  Gewerbe*  getrie- 
ben wurd^.    - 

Bis  zum  Beginne  des  XVII.  Jahrh.  machte  die  Instrumental* 
musik  keinen  eigentlichen  Fortschritt;  man  hatte  es  darin  wohl 
bis  zu  einer  gewissen  Fert^keit  gebracht,  allein  das  Instrumenten- 
spiel war  mehr  nur  ein  Nachhall  des  Gesanges,  ein  besonderer 
Instrumentalstil  hatte  sich  noch  nicht  bilden  kö'nnen.  Im 
Leben  des  Benvenuto  Cellini  wird  berichtet,  dass  sein  Sohn  am 
1.  Aug.  1524  in  Gesellschaft  der  ausgezeichnetsten  Spielleute 
jener  Zeit  den  Papst  Klemens  VII.  durch  sein  Zinkenbiasen  in 
dem  Vortrage  ausgesuchter  Motetten  erfreute.  Daraus  geht 
hervor,  dass  man  aus  geistlichen  oder  weltlichen  Gesängen  die 
für  ein  Instrument  passendsten  auswählte  imd  sie  ohne  Gesang 
auf  dem  Instrumente  vortrug.  Dies  wird  um  so  imzweifelhafter 
durch  das  Faktum,  dass  bei  den  meisten  geistlichen  und  welt- 
lichen Ton  werken  jener  und  späterer  Zeit  (bis  zum  Ende  des 
XVI.  Jahrh.)  die  Bemerkung  sich  findet,  „sie  seien  für  lebende 
Stimmen  und  Instrumente  zugleich  dienlich'*  („tum  viva  voce, 
tum  omnis  generisinstrumentis  cantatu  commodissimae;"  —  „per 
oantar  et  sonar");  nirgends  finden  sich  aber  eigene  Instrumental- 
stimmen, allen  ist  der  Text  unterlegt;  es  war  also  Gebrauch, 
entweder  die  Tonstücke  durch  Singstimmen  allein,  oder  durch 
Instrumente  allein-^  oder  zuletzt  durch,  beide  zugleich  auszufüh- 
ren. Selbst  das  Lauten-  und  Zitherspiel,  in  Italien  bei  der 
Vorliebe  für  den  Gesang  sehr  verbreitet  und  geübt,  hatte  auf 
Arpeggiobegleitung  der  Gesangstimme  führen  können,  aber  im 
ganzen  XVL  Jahrh.  kennen  wir  bis  jetzt  noch  kein  Beispiel  einer 
solchen  Anwendung;  man  hielt  sich  gewöhnlich  daran,  die  Sing- 
stimme zu  spielen  und  mutmasslich  bei  passenden  Einschnitten 
einen  vollen  Accord,  der  auf  dem  Griff  brette  bequem  in  der 
Hand  lag,  anzuschlagen,  wie  es  noch  bei  Tanzweisen  gegen 
Schluss  aes  XVI.  Janrh.  geschah.  Der  volle,  prächtige  Ton  der 
Laute,  ihr  grösserer  Umfang  reizte  allerdings,  auf  ihr  (wie  auf 
dem  Klavier)  die  vollständige  Wirkung  eines  grossen  vielstim- 
migen Gesanges  im  blossen  Saitenspiel  oder  durch  sie  als  Be- 
gleiterin  einsamen  Gesanges  etwas  Annliches  darzustellen.  Darum 
nden  wir  gegen  Ende  des  Jahrhimderts  in  den  vielen  Lauten- 
büchern Motetten  und  Madrigalen  der  berühmtesten  Meister  für 
dies  Instrument,  ohpe  Gesang,  eingerichtet,  wobei  man  es  dem 
Sänger  überliess,  nach  seinem  Gefallen  und  dem  Umfange  seiner 
Kehle  aus  den  ursprünglichen  Werken  jener  Meister  irgend  eine 
Stimme  singend  auszumhi'en.  Man  schrieb  sie  oft  auch  in  Noten 
vor,  und  setzte  die  Begleitung  in  Lautentabulatur  darunter, 
wobei  nur  die  wesentlichsten  (jänge  und  Intervalle  beibehalten 
wurden.  Sammlungen  von  Gesängen  für  eine  einzelne  Sing- 
stimme mit  einer  besonderen,  auf  eigentümliche  Weise  einge- 
richteten Begleitung  finden  wir  unter  der  grossen  Menge  der 
damals  gedruckten  Tonwerke  gar  nicht,  wenn  man  nicnt  die 
von  L.  Viadana  auf  die  Bahn  gebrachten  geistlichen  Kon- 
zerte hierher  rechnen  will. 

Keime  eines  eigentlichen  Instrumentalstiles  zeigten  sich 
erst  zu  Ende  des  XVl.  und  Anfang  des  XVII.  Jahrh.  und  zwar 
zuerst  in  Venedig,  wo  der  Glanz  imd  die  Pracht,  welche  sich  in 


Instrument.  121 

der  reichen  und  mächtigen  Dogenstadt  im  höchsten  Grade  ent- 
falteten,  schon  mehrohörige  Vokabnusik  und  deren  Begleitung 
und  Unterbrechimg  mit  Instrumentalmusik  hervorgerufen  hatte. 
In  solcher  Weise  Komponierte  der  iüngere  Gabriäi  nicht  bloss 
weltliehe  Kantaten,  sondern  auch  Motetten  u.  dgl..  z.  B.  ein 
-In  eoolesiis  benedicite*^  für  zwei  Chöre  mit  drei  Zinken,  einer 
Geige,  zwei  Posaunen,  oder  ein  „Surrexit  Christus*^  für  drei  Sing- 
stimmen mit  einem  Orchester  von  zwei  Zinken,  zwei  Violinen 
und  vier  Posaunen,  mit  Vor-  und  Zwischenspiel,  mit  Chor  und 
von  verschiedenen  Instrumenten  begleiteten  Einzelgesange ,  alles 
in  reichster  Mannigfaltigkeit  miteinander  abwechselnd,  Monte- 
verde,  seit  1613  Kapellmeister  an  der  St.  Markuskirche,  lässt 
Bohon  einzelne  Instrumente,  wie  Zinken  und  Geigen,  in  rollenden 
Instrumentalpassagen  eine  Begleitung  bilden.  Ebenso  löst  sich 
das  selbständige  Orgelspiel,  wie  es  schon  geraume  Zeit  bestan- 
den, vom  Vokalmusikstd  ao,  sucht  sich  selbständiger  zu  gestal- 
ten; man  verlässt  das  bisherige  Arrangieren  („auf  die  Orgel 
absetzen",  „in  Tabulatur  schreiben**)  und  oie  Kompositionen  gehen 
immer  mehr  der  Natur  des  Instrumentes  nach;  es  knüpfen  sich 
immer  mehr  Verzierungen,  Koloraturen  und  kontrapunktische 
Künste  an,  und  es  entwickelt  sich  auf  der  einen  Seite  das  dem 
Tasteninstrumente  abgenommene  rasche  Virtuosenspiel  (t  o  c  c  a  t  e), 
andererseits  die  fugierte  Bearbeitung  eines  belieoigen  Themas 
{anfangs  noch  regellose  Wiederholung  des  Themas  in  verschie- 
dener Lajge),  welcne  von  nun  an  das  eigentliche  Feld  des  Orga- 
nisten bildet,  und  von  Seb.  Bach  auf  den  höchsten  Grad  der 
Vollkommenheit  gebracht  wurde. 

Den  Anfang,  selbständig  aufzutreten,  nimmt  die  Instru- 
mentalmusik erst  vom  XVIII.  Jahrhundert,  nachdem  sie  bisher 
entweder  nur  Dienerin  der  Vokalmusik  zur  Begleitung  derselben  ge- 
w^esen  war  oder  die  Instrumentalkompositionen  teils  als  techniscne 
Kunststücke,  teils  als  Cantabilitätsmusik,  in  den  Sätzen  für  Bogen- 
instrumente  etwa  stellenweise  mit  Sprüngen  und  Passagen 
untermeng  erscheinen.  In  Italien  war  es  insbesondere  AI. 
Scarlatti,  welcher  durch  Einführung  eines  proportioniert  zu- 
sammengestellten Orchesters  den  Grund  zur  Losreissung  der 
Instrumente  von  der  Nachahmung  des  Gesanges  legte.  In  den 
Werken  von  D.  Scarlatti  ima  des  Franzosen  C  o  u  p  e  r  i  n 
finden  sich  schon  bedeutende  Spuren  der  Verselbständigung  der 
Instrumente. 

Von  Bach  an  datiert  sich  ein  eigentlicher  Instrumental- 
st iL    Freilich  kannte  und  übte  man  noch  nicht,  was  man  heut- 
zutage „Effektuieren"  nennt;   von  dem  ästhetischen  Reize  dieses 
oder  jenes  Instrumentes  oder   dessen  Tonmaterials  wusste  man 
soviel  als  nichts;  man  setzte  eben  für  jedes  Instrument,  was  auf 
demselben  bequem  auszuführen   war.    Gesteigerte  Figuralkunst 
ad    nur   in    den   Kompositionen   für    Bogenmstrumente    statt, 
jrigens  suchte  man  durch  rhythmische  und  thematische  Mittel 
n  Kontrast   einzelner  Sätze  hervorzubringen.    Galt  bisher   die 
jntrapunktische   Kirnst  als   das   Höchste,    so   brach  nun  Bach 
3ue  Bahnen  und  führte  die  Periode  der  -freien  Schreibart"  her- 
'i,   welche   sich   zur   triumphierenden   Gegnerin   des  „strengen 
üs**  nach  imd  nach  ausgestaltete  und   die  herrlichsten  Früchte 


122  Instrument. 

der  Instrumentalkunst  hervorbrachte.  An  Bach  knüpft  sich  die 
höhere  Kultur  der  Bogeninstrumente  und  der  Orcnestermusik 
an,  und  als  Haupt  dieser  Periode  erscheint  Jos.  Haydn,  wel- 
cher sowohl  dem  Quartett  die  charakteristiche  Form  verlieh  und 
es  zur  seltensten  Vielseitigkeit  und  Vollendung  ausbildete,  als 
auch  die  Form  der  Symphonie  feststellte,  erweiterte  und  mit 
reichem  Gehalt  erfüllte.  In  die  Fussstapfen  Haydns  trat  W.  A. 
Mozart,  welcher  noch  mehr  als  jener  erkannte,  welche  Klang- 
fülle, welcher  Farbenreichtum  in  den  verschiedenen  Instrumenten 
verborgen  liege,  und  auf  die  beste  Weise  diese  Einsicht  in  seinen 
Tonschöpfungen  benützte.  Er  hat  das  Orchester  in  vollkommen- 
ster Art  organisiert;  er  hat  sich  zwar  in  den  ererbten  Formen 
gehalten,  aber  der  hervorstechendste  Charakter  seiner  Instru- 
mentalkompositionen ist  das  Gesangmässige  bei  glänzender 
Farbenpracht.  All  dies  trug  sowohl  zur  Erhöhung  der  Instini- 
mentaltechnik,  zur  Verallgemeinerung  des  Konzertwesens,  als 
auch  zur  Ausnützung  aller  Instrumente  bei.  Durch  L.  v.  Bee- 
thoven wurde  die  Cantabilität  wieder  mehr  eingeschränkt,  und 
wenn  er  auch  die  Überlieferten  Formen  nur  erweiterte  und  durch 
Abweichungen  verändertie  und  in  dieser  Beziehung  nicht  gerade 

fanz  Neues  schuf,  so  vermochte  sein  Riesengeist  die  Form  ganz 
em  Inhalte  dienstbar  zu  machen  und  sein  tiefstes  inneres  Leben 
imd  Fühlen  der  Form  einzuhauchen.  Aber  durch  einen  allzu- 
^ossen  Aufwand  von  Tonmaterial  wurde  er  für  die  Nachwelt 
ein  um  so  gefährlicheres  Vorbild  für  eine  bloss  materielle,  also 
fehlerhafte  Kolossalität,  weil  bei  ihm,  dem  grossen  Genie,  mei- 
stens auch  ein  dem  grossen  Aufwände  des  Materials  entsprechen- 
der Reichtum  von  Kemhaften  Gedanken  zu  Grunde  liegt,  was 
bei  seinen  Nachfolgern  leider  nicht  der  Fall  ist.  Seit  Beethoven 
ist  in  Instrumentalmusik  nichts  Höheres  geleistet  worden,  und 
was  als  solches  ausgegeben  wird,  ist  meist  nichts  anderes  als 
die  übertriebene  Anhäufung  von  Tonmassen,  eine  pompöse, 
nei*veneiTegende  Schallvermenrung,  eine  Formlosigkeit  und  tfltra- 
liberalität,  die  sich  über  jedes  Gesetz  der  Natur  und  Kunst  hin- 
weggesetzt, —  eine..  Musik,  die  häufig  eines  entspuechenden 
Inhaltes  entbehrt.  (Über  das  Auftreten  der  Instrumente  in  der 
Kirche  s.  d.  Art.  Kirchenmusik,  III.) 

Die  reine  Instrumentalmusik  (ausser  dem  Orgelspiele)  ist 
von  der  Kirche  nie  zugelassen  worden,  und  es  kann  kemem 
Zweifel  unterliegen,  dass  die  ihrer  Zeit  beliebten  Symphonien 
sowie  die  sogenannten  Aufzüge  (beim  Aus-  und  Eingehen  des 
Priesters  zur  Saki-istei)  mit  voller  Blechmusik  u.  a.  m.  gänzlich 
unkirchlich  sind.  Aber  auch  in  Begleitung  des  Gesanges  haben 
die  Instrumente  keine  gänzliche  Freiheit:  nebstdem,  dass  ihr 
Gebrauch  nur  ein  geduldeter  ist,  hat  die  Kirche  im  Falle  ihrer 
Zulassung  beschränkende  Vorschriften  sowohl  ihrem  Charakter^ 
als  ihrer  Anwendung  nach  erlassen.  In  Kürze  zusammengefasst 
besagen  sie  Folgendes:  Unter  allen  Instrumenten  ist  die 
Orgel  allein  für  den  kirchlichen  Gebrauch  als  geeignet  aner- 
kannt und  durch  die  Regeln,  welche  hinsichtlich  ihres  Gebrau- 
ches in  den  liturgischen  Büchern  festgestellt  sind,  mit  einem 
gewissen  liturgischen  Charakter  ausgezeichnet  worden.  (Das 
Weitere  s.  im  Art.  „Orgel".)   Alle  Instrumente  ferner,  welche 


Instrumentalmusik  —  Intervall.  123 

einen  theatralischen  Charakter  haben,  alsz.  B.  Pauken,  Jagd- 
hörner, Pfeifen,  Harfen,  Becken  u.  dgl.  müssen  durchaus  ausge- 
schlossen bleiben;  dagegen  sollen  nur  jene  gebraucht  werden, 
die  geeignet  sind,  die  Stimmen  der  Singenden  zu  verstärken  und 
zu  unterstützen,  und  um  dieses  Zweckes  willen  und  ihm  ent- 
sprechend sollen  sie  angewendet  werden.  Die  Instrumente  haben 
in  der  Ku'che  nur  eine  untergeordnete  Stellung  und  dürfen 
nie  den  Gesang  beeinträchtigen.  Militärische  Aufzüge 
mit  Pauken  imd  Trompeten  eignen  sich  nicht  für  das  Haus 
Gottes .  auch  bei  Prozessionen  ausser  der  Kirche  ist  es  besser,, 
statt  ihrer  Hymnen  und  Litaneien  zu  singen.  Symphonien, 
reine  Instrumentalmusik,  sollen,  wo  sie  gebräucnlich  sind^ 
nur  angewendet  werden,  wenn  sie  keinen  Teil  des  Gottesdien- 
stes ausmachen,  imd  dann  nur  selten  und  müssen  immer  einen 
ernsten,  feierlichen  Charakter  haben  und  zur  Andacht  stimmen. 
(Vgl.  „Verordnungen".) 

Instrumentalmusik  heisst  die  bloss  von  Instrumenten  aus- 
geführte Musik  im  Gegensatze  zur  Gesang-  oder  Vokalmusik,, 
auch  der  mit  Instrumenten  begleiteten,  s.  Instrument. 

Interyall  —  Intervallum  —  bezeichnet  den  Zwischen- 
raum zweier  verschiedener  Töne  und  deutet  die  Entfernung  an,, 
in  welcher  ein  Ton  von  einem  anderen  absteht.  In  unserer 
Terminologie  aber  braucht  man  den  Ausdruck  „Intervall"  in  der 
Ali),  dass  man  die  beiden  Töne  selbst,  welche  einen  Zwischen- 
raum begrenzen,  ein  Intervall  nennt,  z.  B.  c— g  ist  das  Intervall 
einer  Qmnt.  Bei  der  Abzahlung  der  Intervalle  beginnt  man  ge- 
meiniglich von  dem  tieferen  Tone  und  zählt  die  Stufen  aufwärts, 
bis  zum  höheren  Tone  in  der  Tonleiter  des  ersteren.  Jedoch 
zählt  man  manchmal  auch  abwärts,  z.  B.  a-(g)-f,  und  nennt  dann 
f  die  Unter terz  zu  a;  so  redet  man  auch  von  einer  Unterquart,. 
Unterquint.  Die  Intervalle,  resp.  Stufen,  benennt  man  mit  den 
lateinischen  Zahlnamen:  Prime,  Sekunde^  Terz,  Quart,  Quinte^ 
Sext,  Septime,  Oktave,  None,  Decime,  Undecime,  Duodecime^ 
Terzdecime.  (Diese  Namen  haben  sich  als  weibliche  Substantiva 
erhalten,  weil  die  Alten  nicht  die  Intervalle  als  primus  tonus- 
u.  dgl.  bezeichneten,  sondern  als  prima,  secunda  .  .  .  chorda 
[Saite],  hergenommen  von  [dem  Monochord  und]  der  mehrsaiti- 
gen  Leier,  worauf  z.  B.  die  erste  Saite  c,  die  zweite  d,  die  dritte 
e  u.  s.  f.  klang.)  Weü  die  Töne  einer  Tonart  (die  diatonische 
Tonleiter  zu  Grunde  gelegt),  vom  Grundtone  aus  gezählt,  in 
siebenfach  verschiedener  Entfernung  vorkommen,  so  gibt  es  auch 
nur  sieben  generell  von  einander  verschiedene  Intervalle,  näm- 
lich Sekund,  Terz,  Quart,  Quint,  Sext,  Septime,  Oktave. 
Diese  sieben  Intervalle  heissen  einfache,  d.  h.  innerhalb  einer 
Oktave  liegende;  zusammengesetzte  Intervalle  entstehen, 
wenn  der  Tönraum  der  Oktave  überschritten  wird,  als  None, 
Decime  u.  s.  f.,  welche  im  Grunde  nichts  anderes  sind,  als 
Sekund,  Terz  u.  dgl.  in  der  höheren  Oktavenreihe.  Alle  Inter- 
valle, welche  über  die  13.  Stufe  (chromatische  Skala),  von  einem 
angenommenen  Grundtone  an  gerechnet,  hinausgehen,  werden 
mit  denselben  Namen  belegt,  als  wären  sie  in  jenem  ersten 
Zwischem-aume  von  13^  Stufen  enthalten;  z.  B.  C-G  einfache 
Quint,  C-g  doppelte,  C-g  dreifache  Quint. 


124 


Intervall. 


Unter  gewissen  Umständen  unterscheidet  man  die  zusam- 
mengesetzten Intervalle  von  den  einfachen,  z.  B.  die  Sekund  von 
der  Non.  Die  Sekund  kann  nämlich  in  der  Harmonie  auf  zwei 
ganz  verschiedene  Arten  gebraucht  werden,  ohne  ihi*  ursprüng- 
uches  Verhältnis  einer  zweiten  Stufe  zum  Grundtone  zu  ver- 
lassen: einmal  als  wirkliche  Sekund  und  das  andere  Mal  als 
eigentliche  Non:  als  Sekund,  wenn  das  untere  Ende  des  Inter- 
valls, der  Grunaton,  disponiert  (a),  und  als  Non,  wenn  sie  selbst 
als  oberes  Ende  des  Intervalls  den  Charakter  einer  Dissonanz 
erhält  (b). 


a., 


I 


^m 


i 


b. 


^ 


g^^ibpifl 


r  y>r 


Da  jeder  Ton  erhöht  oder  erniedriget  werden  kann,  so 
kann  auch  jedes  Intervall  sich  in  verchiedener  Grösse  darstellen, 
z.  B.  eine  Quint  kann  sein  c-g,  c-ges,  c-gis.  Um  diese  specielle 
Verschiedenheit  der  Intervalle  kenntlich  zu  machen,  bedient  man 
sich  der  Beiwörter  rein  oder  gross,  klein  oder  falsch,  ver- 
mindert, übermässig,  z.  B.  reine  Quart,  verminderte  Septim 
u.  dgl.  Mit  dem  Prädikate  rein  werden  alle  die  Intervalle  be- 
zeichnet, die  nur  eine  einzige  konsonierende  Gattung  ent- 
halten, und  die  sogleich  die  Eigenschaft  der  Konsonanz  verlieren, 
wenn  das  Verhältnis  auch  nur  um  einen  halben  Ton  verrückt 
wird.  Dies  findet  statt  bei  der  Oktav,  Quint  und  Quart, 
und  nur  bei  diesen  allein  kann  das  Prädikat  „rein"  angewendet 
werden.  Gross  und  klein  sind  die  Beinamen  derjenigen  Inter- 
valle, welche  im  Falle  einer  Erhöhung  oder  Erniedrigung  um 
•einen  kleinen  halben  Ton  ihre  Eigenschaft  als  Konsonanz  noch 
nicht  verlieren.  Solche  Intervalle  sind  die  Terz  und  Sext,  und 
insbesondere  noch  die  Sekund  und  Septim.  Übermässig  und 
vermindert  sind  Prädikate,  welche  nur  jenen  Intervallen  bei- 
gelegt werden,  die  schon  die  eine  oder  die  andere  vorige  Eigen- 
schaft besitzen,  und  zwar  ersteres  allen  reinen  und  grossen 
Intervallen,   wenn  dieselben  noch  lun  einen  kleinen  halben  Ton 

•erhöht  werden,   entweder  durch  Erhöhung   des  oberen  (i)  oder 

durch  Erniedrigung  des  unteren  (!?)  das  Intervall  begrenzenden 
Tones,  —  und  letzteres  Prädikat  allen  reinen  und  kleinen  Inter- 
vallen, wenn  sie  noch  um  einen  kleinen  halben  Ton  verkleinert 

werden,    entweder   durch   Erniedrigung  (^,  P)  des  oberen,   oder 

durch  Erhöhung   (jj,  i)  des  unteren,   das  Intervall  begrenzenden 

Tones.  So  hat  man  verminderte  Quinten  und  Sekunden,  über- 
mässige Sekunden  und  Sexten  u.  dgl. 

Man  kann  die  Intervalle  auch  umkehren,  d.  h.  den  un- 
teren Ton  um  eine  Oktave  höher  nehmen  und  ihn  so  über  den 
ursprüngUch  höheren  Ton  legen;  oder  den  oberen  um  eine 
Oktave  tiefer  setzen,  welche  umgekehrte  Intervalle  dann  auch 
abgeleitete  (im  Gegensatze  zu  den  ursprünglichen  oder  natür- 


Intervall.  125 

liehen,   welche  man   Stamm  Intervalle  heissen  kann),   genannt 
werden.    Sie  stellen  sich  dar: 

1.  2.  3.  4.  5.  6.  7.  8. 
8.  7.  6.  5.  4.  3.  2.  1. 
d.  h.  aus  der  Prim  wird  die  Oktav,  aus  der  Sekund  die  Septim  etc,. 
wobei  zu  beachten  ist,  dass  auch  die  Prädikate  sich  umkehren^ 
z.  B.  aus  der  gi'ossen  Terz  wird  die  kleine  Sext,  aus  der  ver- 
minderten Quint  die  übermässige  Quart  etc.  Die  abgeleiteten 
Intervalle  haben  ihre  Bedeutung  bei  der  Umkehrung  der 
Accorde  und  beim  doppelten  Kontrapunkt. 

Einige  Töne  imd  Intervalle  einer  Tonai*t  haben  eine  eigene 
Beüennimg.  Grundton,  Prim  —  Tonica;  die  Terz  der  Tonart  — 
Mediante;  die  (^uint  der  Tonart  —  Oberdominante;  die 
Quart  Unterdominante;  die  grosse  Septim  —  Leitton,  sub- 
semitonium  modi,  franz.  note  sensible;  die  übermässige 
Quart  —  Triton,  aus  drei  ganzen  Tönen  bestehend. 

In   den   alten  musikalischen  Schriften  haben  die  Intervalle 
noch   andere,   meist   aus   dem  Griechischen  stammende  Namen i  ^ 
die  Oktav  —  Diapason;    die  reine  Quint  —  Diapente;    die   reine 
Quart   —  Diatessaron:    die   grosse   Terz  —  Ditonus;    die  kleine 
Terz   —   Semiditonus;    die   grosse   Septim  —   Semitonium  modi 
oder  Subsemitonium  modi;   ein  ganzer  Ton   oder   die  grosse  Se- 
kund —  Tonus;   die  kleine  Sext  —  Diapente  cum  Semitono;   die 
grosse  Sext  —  Diapente  cum  tono  oder  Diatessaron  cum  ditono» 
Was   den    charakteristischen   Ausdruck    anbelangt, 
der  den   Intervallen  innewohnt,   möge   folgendes  genügen.    Die 
Töne,    als  Ausdruck   einer   Seelen-  oder  Gefühlsstiijimung ,    ver- 
mögen  dies  nicht  bloss  durch  ihre  Farbe  und  Höhe  oder  Tiefe,, 
sondern  auch  durch  ihre  Schritte   und  durch  das  Verhältnis,  in 
dem   einer   zum   anderen  steht.    Alle  Konsonanzen  haben  etwas 
Beruhigendes  in  sich,  beschwichtigen  die  Leidenschaften,   brin- 
gen der   Seele   des   Zuhörers   Frieden;    die  Dissonanzen  zeigen 
stets   etwas  unstät  Hinwegstrebendes,    malen  alle  psychiscnen 
EiTegungen.    Enge  Tonschritte  zeichnen  in  ihrer  einfachen  und 
sicheren   Bewegung   den  Charakter   friedlicher  Ruhe,   während 
weite    Tonsohritte    eine   lebhaftere    Erhebung,     ein    männliche» 
Selbstgefühl,   Erhabenheit  über   das  Niedrige   vielmehr  ausspre- 
chen;   Fortschritte   in   halben   Tönen  haben  gewöhnlich    etwas 
weichlich   Sehnsüchtiges   und    Unkräftiges    an    sich.    Besonders 
charakteristische  Bedeutsamkeit  wohnt  den  Terzen   inne :   durch 
eine  anscheinbar  kleine  Verrückung  ihrer  Grenze  bestimmen  sie 
schon   den   Charakter    einer  ganzen   Tonart,   ob  Moll  oder  Dur. 
Während  die  kleine  Terz  in  mehr  oder  minder  starker  Bewegung 
klagt  und,   wo   sie   sich  findet,   nie  vollkommene  Ruhe  una  Be- 
ruhigung nerrscht,  verleiht  die  grosse  Terz  feste  Beruhigung  imd 
bo^'+^^ere  Festigkeit.    Alle  kleinen  und  besonders  die  verminderten 
jrvalle    haben    irgend    einen    unvollkommenen    Zustand    der 
wache  an  sich;  die  übermässigen  Intervalle  aber  zeigen  den 
rakter   der  grossen  Intervalle  m  dem  Zustande  der  höchsten 
irspannimg.    Welcher  Ausdruck   gebührt   den  Kirchengesän- 
i    .?    Die  alten  Choralmelodien  sagen  es  uns,  welche  nichts  von 
<     -)Y  Weichlichkeit,  weibischen  Klage  oder  erregter  Leidenschaf  t 
1     nen. 


126  Intonation  —  Introitus. 

Intonation,  Intonieren,  heisst  1)  im  allgemeinen  das 
Angeben  der  Töne  durch  Stimmen  oder  Instrumente.    Besonders 

gebraucht  man  dies  Wort  bezüglich  des  Gesanges  durch  mensch- 
sehe  Stimmen.  Es  hängt  ein  grosser  und  wesentlicher  Teil 
des  Eindruckes,  den  eine  Musik  auf  den  Zuhörer  macht,  von 
«inef  reinen,  richtigen  Intonation  ab^  und  es  ist  höchst  peinlich, 
einen  Chor  zu  hören,   in  welchem   eme  oder  die  andere  Stimme 

fegen  die  andere  unklar,  schwankend,  etwas  zu  tief  oder  zu 
ooh  singt,  d.  h.  detoniert.  Um  dies  zu  verhüten  und  eine 
reine  Latonation,  einen  stimmungshaltenden  Gesang  zu  erzielen, 
bedarf  es  nebßn  einem  einigermassen  guten  Gehöre  fleissiger 
Bildung  und  Übunjg  der  Stimmorgane,  steter  Aufmerksamkeit 
auf  die  übrigen  Stimmen,  rechtzeitigen  Atemholens  imd  Mass- 
haltens im  Singen*  am  ehesten  kommt  Detonation  zum  Vor- 
scheine, wenn  die  Stimmorgane  durch  grosse  öder  langdauernde 
Anstrengung  ermüdet  sind;  nur  die  Rune  wird  zu  reiner  Intona- 
tion wieder  befähigen. 

Unter  Intonation,  Intonieren  versteht  man  2)  auch  das 
Voransingen  des  Anfangs  einer  Antiphon,  eines  Psalmes  u.  dgl. 
in  der  kathohschen  Kircne,  welches  dem  Celebranten  oder  einem 
ersten  Kantor  obUegt  und  früher  teilweise  ein  Ehrengeschäft 
war;  dafür  findet  man  auch  den  Ausdruck:  „antiphonam  .  .  im- 
ponere**.  3)  Wird  mit  dem  Namen  „Intonation"  auch  die  kurze 
rhrase  eines  Gesanges  selbst  belegt,  welche  der  Celebrant  oder 
Kantor  vorzusingen  hat,  worauf  der  ganze  Chor  den  Gesang 
fortsetzt,  z.  B.  die  Melodien:  „Gloria  in  excelsis  Deo,  Credo  in 
unum  Deum,  Asperges  me**  u.  dgl.,  wie  sie  in  den  Mess-  und 
Ritualbücherfi  enthalten  sind. 

Intrade,  ital.  entrada,  teils  soviel  als  Introduktion,  teils 
das  lärmende,  an  keine  Ordnung  und  keinen  Zusammenhang 
gebundene  schmetternde  Blasen  eines  Trompetenchores,  welches 
am  Ende  gewöhnhoh  mit  dem  länger  ausgenaltenen  Accorde  auf 
der    Dominante    schliesst,   in   gemeiner   Sprache    auch    Tusch 

fenannt.  Diese  Intrade  dankt  ihren  Ursprung  wahrscheinlich 
er  Sitte  am  Ende  des  Mittelalters,  die  bei  den  Königen  und 
Fürsten  bestand,  sich  bei  feierlichem  Auftreten  durch  einen 
Trompeterchor  begleiten  und  ankündigen  zu  lassen.  Diese  Sitte 
verpjflanzte  sich  auch  in  die  Kirche,  und  noch  heutzutage  glaubt 
man  an  vielen  Orten,  den  Gottesdienst  nicht  feierlich  halten  zu 
können,  ohne  solche  ärgerhche,  von  der  Kirche  verpönte  Tusche 
am  Anfange  und  Ende  des  Hochamtes ,  manchmal  auch  beim 
Gloria,  Sanctus,  Ite  missa  est,  ja  selbst  bei  der  heiligen  Wand- 
lung schmettern  zu  lassen. 

Introduktion,  ital.  Introduzione,  Einleitung,  heisst 
im  allgemeinen  eine.  Art  Vorspiel,  wodurch  das  nacnf eisende 
Tonstück  sozusagen  recht  eingängüch  gemacht  und  des  Zuhörers 
Empfänglichkeit  dafür  in  bester  Form  gestimmt  werden  soll. 
Ehedem  hatten  nur  grösser^  Tonstücke,  Oratorien^  Symj)honien 
u.  dgl.  solche  Einleitungen.  Jetzt  kommen  sie  auch  bei  kleine- 
ren Tonstücken  als  ein  Tonsatz  von  einer  geringen  Anzahl  von 
Takten  meist  in  langsamerem  Tempo  vor. 

Introitns  (lat.),  Eintritt,  Eingang,  heisst  in  der  katho- 
lischen  Liturgie  jene  Antiphon,    welche   vom   Chore  gesungen 


Introitus.  127 

wird^  während  der  Gelebrant  aus  der  Sakristei  ins  Presbyterium 
eintritt  und  zum  Altare  schreitet.  Nach  einer  Bestimmung  des 
Caerem.  Episc.  darf  er  nicht  früher  begonnen  werden,  als  bis 
der  Gelebrant  an  den  Stufen  des  Altares  angekommen  ist.  In 
der  Ambrosianischen  Liturgie  heisst  diese  Antiphon  Ingressa, 
was  das  Nämliche  bedeutet.  Die  vornehmsten  Liturgisten  schrei- 
ben die  Einführung  des  Litroitus  dem  Papste  Cölestin  L  (t  432) 
zu,  von  dem  übrigens  das  Pontifikalbucn  nur  meldet,  dass  er 
verordnete,  vor  dem  heiligen  Opfer  die  Psalmen  Davids  anti- 
phonatim  zu  siiLgen,  was  früher  nicht  geschah.  Welche  Gestalt 
und  Form  der  Introitus  bis  auf  Gregor  d.  Gr.  gehabt,  darüber 
mangeln  uns  zuverlässige  Nachrichten.  Der  heil.  Gregor  d.  Gr. 
traf  die  Einrichtung,  dass  vor  und  nach  dem  Psalme  ein  aus 
letzterem  genommener  Vers  (Antiphon)  gesungen  werde,  und 
setzte  zugleich  einen  bestimmten  Vers  für  jeden  Tag  und  für 
jedes  Fest  an.  Seit  dem  VIII.  Jahrb.,  wenn  nicht  früher,  ist  es 
Gebrauch  geworden,  statt  eines  ganzen  Psalmes  zwischen  die 
Antiphon  nur  einen  einzigen  Vers  desselben  mit  der  Doxologie 
^Gloria  Patri  etc."  zu  singen.  Die  Antiphon  wurde  anfänglich 
aus  dem  betreffenden  Psalme  genommen ,  später  begnügte  man 
sich,  irgend  eine  passende  Stelle  aus  der  heiligen  Schrift  zu 
entnehmen;  einige  Introitus  ^alve  sancta  parens"^(vonSedulius) 
und  „Gaudeamus  omnes  in  Domino"  gehören  auch  der  heiligen 
Schrift  nicht  an. 

Der  Introitus  findet  sich  in  den  alten  Missalen  gewöhnlich 
nicht,  sondern  bloss  in  den  Gradual-  oder  Gesangbüchern.  Erst 
seit  dem  XIV.  Jahrh.  spiicht  der  Gelebrant  den  Introitus  still 
mit.  Im  XI.  Jahrh.  finff^ man  in  Frankreich  und  in  Klöstern  an, 
den  Introitus  an  hohen  Festtagen  zu  paraphrasieren,  d.  h.  durch 
dazwischenlaufende  Sprüche,  Gebete,  Erwägungen  auszudehnen; 
diese  Einschiebsel  hiessen  Tropen.  Teüweise  begnügte  man 
sich  damit,  die  Antiphon  zwischen  dem  Verse  und  der  Doxologie 
2u  wiederholen. 

In  dem  römischen  Missale  ist  jetzt  für  jede  Messe  ein  be- 
atimmter  Introitus  vorgeschrieben;  nur  am  Karsamstage  und  in 
der  Pfingstvigilie  fehlt  er  wegen  der  stattfindenden  Taufweihe, 
nach  welcher  die  Litanei  folgt,  deren  Kyrie  und  Ghriste  am 
Schlüsse  zugleich  als  Kyrie  .  .  .  der  nun  beginnenden  heiligen 
Messe  vom  Chore  gesungen  wh-d. 

Der  Introitus  eröffnet  immer  die  besondere,  durch  die  kirch- 
liche Zeit,   durch  ein  bestimmtes  Fest  oder  Anliegen  motivierte 
Feier,  auf  deren  Gegenstand  er  die  Intention  der  Gläubigen  rich- 
tet.   Demgemäsö  enthält   er   bald  eine   Ankündigung  und  Ver- 
herrlichung der  gefeierten  Begebenheiten  oder  des  Geheimnisses 
in  mannigfaltiger   Form,    bald   den  Ausdruck  der   Freude,   des 
Dankes,   der  Hoffnung,    der  Sehnsucht,   des  Wunsches   und  der 
'^  tte,   von   denen   das  gläubige  Gemüt  jeweils  hauptsächlich  er- 
Ut  sein  soll.  —  Der  Introitus  ist  ein  Wechselgesang;  nach  alter 
rbung  wird  er  in  der  heüigen  Fasten-  und  Adventzeit,    sowie 
ei  den  gemeinen  Festen    (ferialibus   et   simplicibus)  von  einem 
antor,    bei  den  Festen  semiduplicibus,  in  Dominicis  und  dupli- 
ibus  von  zwei  Kantoren,  bei  solennen  Pesten  (f  solemnibus  i.  e. 
class.)  aber   von  vier  Kantoren  intoniert,    dann   vom  ganzen 


128  Invitatorium' —  Jubilus,  Jubilatio. 

Chore  bis  zum  Psalmenverse  zu  Ende  gesungen,  worauf  der  oder 
die  Kantoren  die,  erste  Hälfte  des  Psalmenverses  allein  vortra- 
gen, welchen  der  Gesamtchor  mit  der  zweiten  Hälfte  respon- 
diert.  Ebenso  gesqhieht  es  bei  der  Doxologie  Gloria  patri. 
Hernach  intonieren  die  Kantoren  in  bezeichneter  Ordnung  noch- 
inals  den  Anfang  des  Introitus  und  der  Chor  singt  denselben  zu 
Ende.  Durchweg  sind  die  Melodien  des  Introitus  sehr  fasslich, 
dqr  Tonumfang  nibht  zu  weit.  —  Nach  den  Anfangsworten  des 
Introitus  werden  auch  einige  Sonntage  genannt,  z.  B.  Sonntag 
(Dominica)  Laetare  (der  4.  Sonntag  in  der  Fasten),  Sonntag  Ex- 
audi  (6.  Soniltag  nach  Ostern)  u.  a.  m. 

Invitatorium  (von  invitare,  einladen)  heisst  ein  Vers,  wel- 
cher  am   Anfange   des  kirchlichen   Offieiums  (der  Matutin)  ab- 
wechselnd mit  je  zwei  Versen  des  94.  Psalmes:  „Venite  exultemus 
Domino"   gesungen  oder  gebetet  wird.    Jedes   Fest  und  jedeö 
Officium  vom   Tage   hat   sein  besonderes  Invitatorium,    dessen. 
Schlussworte  dann  gewöhnlich  „Venite  adoremus"  sind.    Es  steht 
am  Anfange  des  Omciums  als  eine  Einladung,  ein  Aufruf  an  die 
Betenden  oder  Singenden,  mit  Eifer  das  Lob  Gottes  zu  verkün- 
den und  ihn  anzubeten.   Ist  der  Psalm  die  allgemeine  Einladiuig, 
so  gibt   der  Beisatz  oder  Vers   die  besondere  Beziehung  auf  das 
Fest  oder   den  Tag.    Die  Anordnung  dieses  Einleitungsspruches 
oder   Gesanges    reicht   ins   hohe   Altertum   hinauf;     schon    die 
Regel  des   heil.  Benedikt  (VI.  Jahrh.)   kennt  ihn   (Cap.  9.  »psal- 
mus  nonagesimus  quartus    cum   antij)hona    aut  certe 
decantandus").    Auch  das  feierliche  Totenofficium  hat  sein  Invi- 
tatorium;   dessen    ermangelt   aber   nach   römischem   Ritus   das 
Officium  vom  Feste  Epipnanie  und  das   der  drei  letzten  Tage 
in  der  Karwoche;   als  Grund  hierfür  gilt,  dass  das  Epiphaniefest 
älter  ist   als  die  Einführung  des  Invitatoriums,  —  dass  man  aus 
Ehrfurcht  den   uralten  Ritus   beibehalten   wollte,   und   die   drei 
letzten  Tage   der  Karwoche  zu  sehr  der  Trauer  gewidmet  sind, 
als  dass  man  solch  freudigen  Zuruf  gebrauchte.   Der  Invitatorien- 
vers   bewegt  sich  stets  m   einer  erhaben  schönen  Melodie  rnid 
auch   der  Psalm  hat  seinen   eigentümlichen   Gesang.    Ein   oder 
zwei  Kantoren  beginnen  den  Vers,   welchen  der  Chor  repetiert; 
dann  fährt  der  Kantor  den  Psalm  singend  fort,  nach  dessen  Ab- 
schnitten  der  Chor  immer   wieder  mit  dem  ganzen  Verse  oder 
mit  der  zweiten  Hälfte  des  Verses  antwortet:  am  Schlüsse  singt 
der  Kantor  nochmal  den  Vers  zur  Hälfte  und  der  Chor  vollendet 
ihn.    In  den  Gradualbüchern  und  Antiphonarien  finden   sich   die 
Invitatorien  (Ps.  Venite  adoremus)  nach   den  acht  Kirchentönen 
geordnet.    In  den  alten  Ritualien  ist  vorgeschrieben,   es  an  eini- 
gen Festtagen  mit  besonderer  Feierlichkeit  abzusingen:  „Ut  sex 
cantent  tres  primos  versus  submissa  voce,   et  alios  tres  alii  sex 
alta  voce,*^   was  darauf  hinzudeuten   scheint,  dass   der  Einlei- 
tungsspruch, z.  B.  -Regem  Confessorum,  venite  adoremus"  nioht 
überall  im  (jebrauche  war. 

Jonisch,  s.  Griechische  Musik  und  Kirchenton- 
arten. 

Jnbilns,  Jubilatio  heissen  die  melodischen  Anhängsel^ 
welche  an  das  AUeluja  des  Graduale  sich  anschliessen  und  über 
dem   letzten   a   das   AUeluja   oft   in   sehr   ausgedehnter  Weise 


Kadenz.  129 

* 

fesungfen  werden.  Man  nannte  sie  früher  auch  Neuma.  Schon 
er  heil.  Augustinus  erwähnt  solcher  Jubilen,  die  bei  den  Hirten 
und  Soldaten  in  Gebrauch  waren  —  Auslassungen  der  Stimme 
ohne  Worte.  Die  allelujatischen  jubilen  wurden  im  Mittelalter 
auch  Sequentiae  genannt,  denen  man  später  Worte  unterlegte ; 
man  erweiterte  diese  zu  Wnzen  hymnenartigen  Dichtungen, 
welche  dann  den  Namen  Sequenzen  oder  Pr;osen  erhielten 
(s.  Sequenz). 


K. 


(Artikel,   welche  hier  sich  nicht  finden,   sind  unter  C  oder  Z  zu 

suchen.) 


Kadenz,  ccuientia,  clausula y  ist  derjenige  Schritt  in  einem 
harmonischen  Satze,  mit  welchem  dieser  entweder  zu  einer  kur- 
zen Ruhe  oder  zum  vollkommenen  Schlüsse  gebracht  wird,  oder 
überhaupt  derjenige  Schritt,  welcher  einen  Einschnitts- oder  Absatz- 
punkt in  dem  harmonischen  Gewebe  eines  Tonsatzes  bezeichnet. 
Es  gibt  drei  Hauptarten  von  Kadenzen:  die  ganzen,  die  hal- 
ben und  die  Trugkadenzen.  1)  Die  ganzen  Kadenzen, 
Ganzschlüsse,  vollkommene  Kadenzen  (cad.  perfectae) 
genannt,  gewähren  daß  Gefühl  einer  vollkommenen  Beruhigung, 
eines  völligen  Abschlusses  und  geschehen  durch  den  Schritt  von 
der  Dominantharmonie  zur  tonischen  Harmonie,  z.  B.: 


Diese  vollkommene  Kadenz  hat  ihren  Platz  nicht  bloss  am 
Schlüsse  eines  Tonstückes,  wo  sie  auch  Finalkadenz  (claus. 
final is)  heisst,  sondern  auch  in  dessen  Zwischensätzen  (claus. 
media  od^r  intermedia),  wo  eine  Nebentonart  ihren  Zwischen- 

fesang   abschliesst.    Am  bestimmtesten  lässt  die  vollkommene 
Kadenz  den  Schluss  fühlen,,  wenn  der  vorhergehende  Dominant- 
accord   seinen  Grundton   im  Basse   hat   und  die  oberste  Stimme 
des    Schlussaccordes    die     Tonika   hören     lässt;    weniger     be- 
ruhigend wirken  diese  Accorde,  wenn  der  Dominantaccord  in 
*  er  ümkehrung  erscheint  mit  unmittelbarer  Folge  des  Tonika- 
3ordes   (a),    oder  wenn  der  Schlussaccord   iü  der   Terz  oder 
intla^e   erscheint  (b).    Zeigt  sich   aber  der  Schlussaccord  in 
ler  ümkehrimg,  etwa  als  Sextaccord  (c),   so   hört  die  Kadenz 
f,  eine  vollkommene   zu  sein  und  kann  nicht  einmal  mehr  als 
)schluBS  eines  Zwischensatzes,  vielweniger  als  Finalkadenz .  sich 
Itend  machen* 

Kommüller,  Lexikon.  9 


130 


Kadenz. 


Bildet  sich  die  Kadenz  dtxrch  die  Aufeinanderfolge  des 
Oberdominant-  und  Tonikaaccordes ,  so  wird  sie  auch  authen- 
tischer Schluss  genannt  zum  Unter schiedQ  von  dem  plagali- 
schen  Tonschlusse  (Kirohenschluss).  Dieser  plagalisohe  Sonluss 
bildet  sich  durch  die  Verwendung  des  Unterdominant-Accordes 
statt  des  Oberdominant- Accordes,  wobei  erforderlich  ist,  dass  der 
Dominantaccord  sich  schon  vorher  in  bestimmtester  Weise  hören 
lässt.  Dieser  Tonschluss  hat  jedoch  nicht  das  Bestimmte,  Über- 
zeugende auf  die  Tonart,  welches  dem  authentischen  eigen  ist; 
allem  durch  den  Aufschwung  von  einer  tieferen  Quint  zu  einer 
höheren  trägt  er  etwas  Erhabenes  und  Feierliches  an  sich  und 
findet  deshalb  mit  Recht  in  der  Kirchenmusik  seine  häufige 
Verwendung. 

2)  Die  Halbkadenz,  Halbschluss,  unvollkommene 
Kadenz,  schliesst  nur  eine  halb  vollendete  Tonreihe  ab,  so  dass 
wohl  ein  bedeutender  Abschnitt,  aber  auch  eine  notwendige  Fort- 
setzung der  Tonreihe  fühlbar  ist.  Sie  bildet  sich  dadm*cn,  dass 
der  Dominantaccord  den  Schlussaccord  bildet  (a). 


I 


3)  Der  Trugschluss  (clausula  falsa  oder  cad.  d'in- 
ganno),  wobei  die  Vorbereitung  zum  ordentlichen  Schluss  ge- 
macht wird,  allein  statt  des  ordentlicherweise  folgenden  Schluss- 
accordes  ein  unerwai'teter,  fremder  Accord  eintritt  und  das  Gehör 
in  seiner  Erwartimg  täuscht  (b).  Dies  kann  in  der  mannigfal- 
tigsten Weise  stattfinden. 

Bei  den  alten  Theoretikern  finden  sich  die  Schlussfälle, 
cadentiae,  clausulae  formales,  abgetheilt  1)  in  principales  oder 
prima riae,  wenn  sie  auf  dem  Grundton  der  Trias  harmoniea 
(Dreiklang)  statthatten*  2)  minus  prima  riae  oder  secun- 
dariae,  wenn  sie  auf  der  Quint,  daher  auch  claus.  dominan- 
tes geheissen;  3)  affin ales  oder  tertiariae,  mediantes, 
wenn  sie  auf  der  Terz  des  Grundtones  der  Tonart  ruhten; 
4)  peregrinae,  fremde,  wenn  das  Stück  oder  der  Abschnitt 
auf  einem   nicht   in    der    Trias    harmoniea   enthaltenen   Tone 


Kaikant  —  Kammermusik. 


131 


schloss.  —  Ferners  finden  sich  clausulae  cantilzantes,  alti- 
zantes,  tenorizantes  und  bassizantes,  Diskantr,  Alt-,  Tenor-, 
Bass-SohlussföUe ,  je  nachdem  die  diesen  Stimmen  eigentümliche 
Förts(Areitung  in  der  Kadenz  im  Basse  erschien,  z.  B. : 


1>i9kant./ 
Alt. 


1 


Tenor. 
Bass. 


C.  ordinäria  od.  bassizans. 

4 


Canticans. 


a^^ji^is 


I  j 


«j 


Altizäns. 


Tenoriz. 


Eine  cl.  fiorata  oder  florida  fand  statt,  wenn  die  Ka- 
denz statt  der  langen  Noten  mit  vielen  kleinen  ausgeschmückt 
war ;  coronatio  clausulae  hiess  aber  eine  kurze  Wiederholung 
oder  Imitation  des  vorangegangenen  Subjekts  oder  Themas  einer 
Fuge,  ein  Anhang,  Coda  (örgelpunkt) ,  wobei  eine  oder  zwei 
Stimmen  liegen  blieben,  bis  die  anderen  ihr  Ziel  erreichen.  (Vgl. 
Distinctio.) 

Kaikant  wird  derjenige  genannt,  welcher  dureh  Nieder- 
treten der  Balgklaves  die  Orgelbälge  in  Thätigkeit  setzt.  (Balg- 
treter,  Orgelziener.) 

Kammermusik    bezeichnet    eine    Mittelgattung    zwischen 
Kirchen-   und  Theatermusik,   welche  im  Gegensatze   zu  jenen 
beiden  für  den  öflFentlichen  Gebrauch  bestimmten,,  nur  in  priva- 
ten Zirkeln  zum  Vortrage  kommt.    Sie  hat  von  beiden  etwas  an 
sieh  genommen  und  will  nicht  bloss  religiöse  Empfindungen  er- 
-wecken,  sondern  auch  moralische  Anregungen  bewirken  und  in 
Einfachheit  und  Naivität  sowohl,   als  auch  durch  künstlerische 
Verknüpfungen  und  Gestaltungen  erfreuen.    Ihr  Name  stammt 
daher,  weü  vordem  nur  grosse  Herren  an  ihren  Höfen  und  in 
ihren  Prunkgemächern  (camera)  sich  privatim   mit  Musik  unter^ 
etlten  zu  lassen  pflegten  und  nur  den  ihnen  zunächst  Stehenden 
en  Zutritt  dazu  gestatteten.    Der   eigentliche  Kammerstil  ent- 
iokelte  sich  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  und  trieb 
ine   schönsten  Zweige   in   den  Streichquartetten  und  Streich- 
lintetten  u.  dgl.    Überhaupt  bediente  sieh  die   Kammermusik 
ir  weniger  Instrumente  und  zwar  von  sanfterer  Gattung,  seien 
•   nur  Streich-  oder  Blasinstrumente   oder  das  Klavier,   wie  es 

9* 


132  Kammerton  —  Kanon. 

eben  für  ein  Zimmer  passend  erschien.  Seit  Anfang  dieses  Jahr^ 
himderts  ist  sie  auf  ein  Minimum  herabgesunken,  imd  ihre  Stelle 
nimmt  entweder  die  einfache  Hausmusik  oder  das  Öffentliche 
Konzei*t  ein,  obwohl  noch  manches  im  Kammerstü  komponiei-t 
wird.  Die  Musiker,  welche  zu  solchem  Zwecke  in  Diensten  der 
Fürsten  standen,  hiessen  Kammermusiker,  .Kammersän- 
ger, Kammervirtuosen  u.  s.  w.  und  ihre  Gesamtheit  hiess 
Kapelle.  .  - 

./  Kammerton    oder   Kapellton   bezeichnet   die  Stimmung 

der  zur  Kammermusik  nötigen  Instrumente,  die  m}t  den  damah- 
gen  Blasinstrumenten  gleichstehende  Stimmung,  welche  um  einen 
Ton  tiefer  als  die  Chorstimmung  wai*.  Später  hat  man  diese 
Stimmung  auch  hinaufgeschraubt ;  gegenwärtig  differiert  sie  noch 
an  den  verschiedenen  Orten. 

Kanon  (griech.) ,  eigentlich  Regel ,  Gesetz ,  hiess  ursprüng- 
lich die  Andeutung,  welche  die  Kompositeure  manchen  Sätzen 
in  einer  Stimme,  deren  modifizierte  Wiederholung  sie  nicht 
schrieben,  aber  ausgeführt  wissen  wollten,  beifügten  (Devisen), 
und  hatte  mit  einer  Folgestimme  nichts  zu  thun.  Solche  Ij)e- 
visen  brachte  man  dann  auch  für  eine  zweite  oder  dritte  Stiminfe 
an,  welche  die  erste  in  verschiedener  Art  nachzuahmen  hatten. 
Diese  Nachahmungen  hiessen  vorerst  fugae  oder  consequentiae; 
zu  Ende  des  XvII.  Jahrh.  büdete  sich  die  Form  heraus, 
welche  wir*  letzt  Fuge  nennen,  die  übrigen  strengen  und 
genauen  Nachahmungen  behielten  den  Namen  Kanon.  Be- 
sonders die  niederländische  Schule  war  es,  welche  im  XT. 
und  XVL  Jahrh.  die  kanonische  Kunst  auf  die  Spitze  trieb; 
Adam  von  Fulda  klagt  schon  1490,  dass  einige  Komponi- 
sten die  ganze  musikalische  Kunst  in  kanonischen  Gesängen 
suchten. 

Kanon,  eine  Gattung  der  polj^honen  Musik,  ist  jene 
musikalische  Kunstform,  in  welcher  eine  zweite  oder  mehrere 
Stimmen  die  Melodie  der  ersten  Stimme  (Thema,  Subjekt)  genau 
und  ohne  Unterbrechung  von  der  ersten  bis  zur  letzten 
Note  nachahmen,  während  die  erste  selbst  noch  im  Vortrage 
begriffen  ist,  so  dass  allmählich  alle  Stimmen  gleichzeitig  mit 
diesem  Gesänge,  mit  dieser  Melodie  beschäftigt  sind,  jede  aber 
mit  einem  anderen  Teile.  Je  nachdem  zwei,  drei  oder  mehrere 
Stimmen  dazu  verwendet  werden,  gibt  es  zwei-,  drei-  oder 
mehrstimmige   Kanons,    die   wieder   für  gleiche   oder   un- 

fleiche  Stimmen  geschrieben  sein  können.  Die  Nachahmung 
ann  sowohl  auf  derselben  Tonstufe,  als  auch  auf  allen  übrigen 
der  Tonleiter  geschehen,  und  hiernach  unterscheidet  man:  Ka- 
nons im  Einklänge,  in  der  Sekunde,  in  der  Terz  u.  dgl. 
Der  Satz  der  Oberstimme  wird  zur  Unterstimme  imd  umgekehrt; 
es  müssen  also  die  Stim^ien  nach  den  Regeln  des  Kontrapunktes 
in  der  Oktave  abgefasst  werden,  mit  Ausnahme  des  Kanons  im 
Einklänge,  wo  dies  deshalb  nicht  nötigast,  weil  keine  Umkeh- 
rung der  Stimmen  stattfindet.  Ist  em  Kanon  so  eingerichtet, 
dass  das  Ende  wieder  zum  Anfange  zurückkehrt,  und  so  das 
Ganze  beliebig  von  ieder  Stimpae  wiederholt  werden  kann,  sp 
heisst  er  ein  unendlicher  (c.  perpetuus,  infinitus),  und  in 
diesem  Falle  muss  man  entweder  an  einem  passenden  Orte  abr 


Kanonik  —  Kantor.  183 

schliessen  oder  einen  freien  Schluss  anhängen.  Hat  Jede  Stimme 
ganz  die  nämüche  Melodie  auszuführen,  so  genügt  die  Notierung 
einer  einzigen;  nur  muss  dabei  bemerkt  werden,  für  wie  viele 
Stimmen  der  Kanon  gesetzt  ist  imd  wo  jede  Stimme  einzutreten 
hat,  und  in  welchem  Intervalle;  das  ^wohnliche  Zeichen  hiefür 
ißt  §.  Ein  solcher  auf  einer  einzigen  Zeile  notierter  Kanon  wird 
ein  geschlossener  genannt;  sind  sämtliche  Stimmen  partitur- 
mässig  verzeichnet,  so  heisst  er  ein  offener  Kanon;  fenlt  aber 
die  Anweisimg  über  den  eigentlichen  Gebrauch  der  aufgezeich- 
neten Stimme,  so  heisst  er  ein  Rätselkanon,  womit  im 
XV.  und  XVL  Jahrh.  viel  Spielerei  getrieben  wurde.  Man 
büdete  auch'  Kanons  in  der  Vergrösserung  (canon  per 
augmentationem,  wo  nämlich  das  Thema  m  doppeltem 
Notenwerte  nachgeahmt  wurde),  in  der  Verkleinerung 
(canon  per  diminutionem,  wo  die  Nachahmung  in  verklei- 
nertem Noten  werte  stattfand),  in  rückgängiger  Bewegung 
(canon  retrogradus  oder  cancrizans,  wo  aie  nachahmende 
Stimme  das  Thema  verkehrt  brachte)  u.  s.  w. ,  welche  Weisen 
der  Ausführimg  mit  einem  Sinnspruche  (Devise)  angedeutet 
wurden,  z.  B.  jTarde  venit  socius*^  oder  „Illum  oportet  crescere, 
me  autem  minui"  oder  „Novissimi  erunt  primi  et  primi  novissimi". 

Ein  Zirkelkanon  (canon  per  tonos)  entsteht,  wenn  das 
erste  Motiv  mit  der  erhöhten  Quart  in  die  Dominant  ausweicht, 
diese  Erhöhung  der  Quart  aber  immer  fortgesetzt  wird,  wodurch, 
wenn  man  nicht  wülkürlich  abbricht,  alle  Tonarten  durchlaufen 
werden,  bis  man  wieder  bei  der  ersten  Tonart  anlangt.  Kanons, 
deren  Stimmen  umkehrungsföhig,  also  nach  den  Gesetzen  des 
doppelten  oder  einfachen  Kontrapunktes  entworfen  sind,  werden 
strenge  und  eigentliche  Kanons  genannt,  wenn  dies  nicht 
der  Fall  ist,  —  uneigentliche,  freie  oder  Scheinkanons. 
Alle  Arten  des  Kanons  können  entweder  rein  oder  begleitet 
(d.  h.  mit  anderen  nicht  kanonischen  Stimmen)  ausgeübt  werden. 

Auch  einfache  Kanons,  wenn  nur  e  i  n  Subjett,  und  dop- 
pelte, wenn  zwei  Subjekte  nachgeahmt  werden,  gibt  es.  Das 
Nähere  gehört  in  die  Kompositionslehre. 

Kanonik  ist  derjenige  Teil  der  mathematischen  Klanglehre, 
welcher  sich  mit  der  Einteilung  der  Klänge  nach  äusserem  Mass 
und  Verhältnis  beschäftigt. 

Kantate  bedeutet  im  allgemeinen  ein  Gesungenes,  Gesangs- 
stück. Ursprünglich  war  sie  blosse  Liedform  gewesen;  nach  und 
nach  erweiterte  sie  sich,  dass  man  unter  diesem  Namen  gegen- 
wärtig ein  grösseres  Musikstück  begreift,  welches  je  nacn  dem 
Inhalte  des  Textes  Einzelgesänge  (Arien),  Duette,  Terzette  u.  s.  w., 
Chorgesänge  und  Recitative  in  sich  fasst.  Nach  dem  zu  Grunde 
liegenden  Stoffe  zerfallen  sie  in  geistliche  und  weltliche 
Lantaten. 

Kantor  (lat.),  Cantore  (ital.),  Chantre  (franz.),  ein  Sänger. 
Tom  Anfange  der  Kirche  an  waren  Männer  bestellt,  welche  den 
Jhor  oder  das  singende  Volk  zu  leiten  und  zu  überwachen 
Latten.  In  der  orientalischen  Kirche  bestand  ein  eigener  „Ordo 
saltum^;  die  apostolischen  Kanonen  und  Konstitutionen  reden 
fter  von  Lektoren  und  Sängern;  auch  geschieht  der  Lektoren 
der  Weise  Erwähnung,   dass   sie   nicht   bloss   die  Lesungen, 


134  Kantor. 

somdern  auch  den  Gesang  auszuführen  hatten.  In  der  römischen 
oder  occidentaüschen  Kirche  sofeeint  nach  den  Zeugnissen,  die 
Gerbert  in  seinem  Werke  ,De  cantu  et  musica"  anführt,  das 
Volk  sich  nicht  so,  wie  es  im.  Orient  der  Fall  war,  am  Kirchen- 
gesange  beteiliget  zu  haben,  bis  der  heilige  Ambrosius  es  bei 
einem  Aufrühre  der  Arianer  zum  I^salmengesange  veranlasste. 
Die  Sänger  in  der  römischen  Kii'che  waren  Kleriker  in  den  nie- 
deren Weihen;  Diakonen  und  Priester  durften  nie  diesen  Dienst 
leisten,  wenigstens  galt  dies  Gesetz  noch  lange  nach  Gregor 
d.  Gr.  Die  Sänger  wurden  durch  eine  eigene  Benediction  zu 
ihrem  Amte  eingeweiht. 

Nachdem  im  Anfange  der  Gesang  nur  Erwachsenen  obge- 
legen war,  wurden  später  auch  Knaben  zum  kirchlichen  Gesang- 
dienste herangezogen,  zuerst  von  Papst  Hilarius  (461 — 68),  welcher 
eine  Sängerscnule  in  Kom  gründete:  dann  vorzüghch  durch  Papst 
Gregor  d.  Gr.,  welcher  die  alte  Sängerschule  reformierte  und 
als  rflanzschule  für  seinen  neuen  Gesang  einrichtete.  Ähnliche 
Institute  wurden  bald  auch  bei  anderen  grossen  Kirchen  gegrün- 
det (s.  Singschule). 

Einer  der  Sänger  war  der  primus  cantor  oder  rector 
chori,  der  die  Psalmodie  und  alle  Gesänge  anzufangen  hatte, 
worauf  der  übrige  Chor,  der  zu  beiden  Seiten  des  Altars  auf- 
gestellt war,  einfiel  und  den  Gesang  fortfühi-te.  Der  erste  Sänger 
an  manchen  Kirchen  hiess  auch  Archikantor,  Primicerius; 
an. ihn  reihten  sich  der  cantor  secundus,  tertius,  quartus^ 
welche  auch  Paraphonisten  hiessen;  unter  diesen  war  der 
Vierte  wieder  ausgezeichnet,  indem  er  die  Stelle  des  Primi- 
cerius bei  minderen  Feierlichkeiten  vertrat;  er  führte  entweder 
den  Namen  ouartus  scholae  schlechthin,  oder  nannte  sich 
Archiparapnonista.  Manchmal  wm'den  diese  untergeordneten 
Sänger  auch  dome stiel  cantorum  geheissen,  sowie  die  Klö- 
ster ihre  archichori  oder  armarii  (von  armarium,  Rüst- 
kammer, Bibliothek)  hatten,  welche  letztere  die  Verwahrung  und 
Zurechtlegung  der  Chorbücher  besorgten. 

An  diese  erwachsenen  Sänger  schlössen  sich  die  pueri 
cantor  es  oder  symphoniaci,  Singknaben  an,  wo  man  deren 
hatte.  Der  heil.  Isidor  (VII.  Jahrh.)  unterscheidet  drei  Gattun- 
gen von  Sängern:  Praecentor  war,  welcher  vorsang,  Suc- 
c  e  n  t  o  r ,  welcher  nachsang  und  respondierte ;  Concentor 
überhaupt  ein  Mitsingender, 

Das  Amt  des  Archikantors  oder  Primicerius  war  in  der 
alten  Kirche  und  noch  weit  ins  Mittelalter  hinein,  bis  die  Laien- 
kantoren und  Kapellmeister  (Musikmeister)  ihre  Stellen  einzu- 
nehmen begannen,  eine  ansehnliche  Würde,  welche  selbst  Bischöfe 
und  Kardinäle  bekleideten;  es  war  ihnen  nämlich  in  Bezug  auf 
Gesang  und  Lesung  der  ganze  Klerus  untergeordnet,  und  er- 
forderte ihr  Amt  eine  grosse  Wissenschaft.  Den  Umfang  ihrer 
Pflichten  finden  wir  in  mehreren  Konstitutionen  der  Klöster  und 
Stifte  aufgezeichnet.  Lanfranc  bestimmte,  dass  der  Archikantor 
wenigstens  an  den  höheren  Festen  die  Antiphonen  undPsahnen 
anstimme,  dem  Bischöfe  oder  Abte  das,  was  er  zu  singen  hat> 
auflege  oder  vorsinge,  das  heilige  Officium  ordne  und  einrichte, 
den  zweifelhaften  Sinn  der  Rubriken  erkläre,  Hymnen,   Sequen- 


Kapelle.  135 

zen  und  Lektionen  aus  den  Lebensbeschreibungen  der  Heiliffen 
verfasse  und  mit  Musik  versehe,  Sänger  bilde,  (fie  Aufsicht  üoer 
die  Singknaben  in  der  Kirche  und  im  Hause  lühre,  sowie  über 
deren  Befähiginig ,  Zulassung  und  Verwendung  beim  Chor dienste 
das  Urteil  abgebe;  wenn  beim  Chorgesange  di«  Stimmlage  zu 
tief  oder  zu  hoch  geworden,  soll  er  wieder  eine  passende  Stim- 
mung hervorrufen,  auch  die  Fehlenden  zurechtweisen  und  ihre 
Fehler  verbessern.  Nicht  minder  lag  ihm  die  Sor^e  für  die  gute 
und  richtige  Lesung  ob.  Unter  ihm  standen  nicht  bloss  die 
Sänger,  sondern  auch  die  Akolythen  und  Exorcisten,  da  diese 
ebenfalls  am  Gesänge  sich  zu  beteiligen  hatten. 

Zur  Leitung  des  Ganzen  bedienten  die  „rectores  chori"  sich 
verschiedener  Zeichen  und  trugen  zu  diesem  Behufe  auch  nach 
alter  Sitte  einen  silbernen  oder  goldenen  Stab  in  der  Hand,  wel- 
cher Virga  regia  hiess.  (Vgl.  Gerb.  Script.  I,  321  und  -Studien 
und  Mitteilungen  aus  dem  Benediktinerorden",  1885,  I,  276  ff.) 

Als  man  in  der  zweiten  Hälfte  des  Mittelalters  überall 
Pfarrschulen  eingeführt  hatte,  war  das  Amt  des  Kantors  mit 
dem  Amte  des  Schullehrers  (lateinische  Schullehrer  waren  es; 
neben  der  deutschen  Sprache  war  damals  die  lateinische  ordent- 
licher Lehrgegenstand,  ausschliesslich  deutsche  Schulen  gab  es 
noch  nicht)  vereinigt,  und  es  genügte  gewöhnlich  ein  Mann, 
welcher  mit  den  Scnulknaben  den  Kirchengesang  vollzog.  Von 
daher  verblieb  der  Name  Kantor  in  vielen  Gegenden  dem. Chor- 
dirigenten. Je  nach  Bedürfnis  bestellten  sich  diese  Kantoren 
auch  Gehilfen,  Succentores,  welche  bei  minder  feierlichen 
Gottesdiensten  während  der  Woche  an  seiner  Stelle  amtierten 
und  oft  nur  grössere  Schüler  waren,  die  sich  auf  den  Gesang  und 
Chordienst  wohl  verstanden. 

Beim  Auftreten  der  Figuralmusik  nahm  der  Kantor,  wo 
diese  Musik  eingeführt  wurde,  häufig  einen  Figuralkantor 
zur  Seite ^  der  mr  diese  Musik  zu  sorgen  hatte,  während  der 
eigentliche  Kantor  den  Chordienst  in  cantu  usuali,  d.  h.  im  Cho- 
ral leistete.  Als  das  humanistische  Zeitalter  begann,  interessierte 
man  sich  immer  weniger  für  das  ursprünglische  Geschäft  des 
Kantors,  und  während  1483  es  noch  hiess:  „Omnis  vero  regimi- 
nis  scholastioi  honor  in  chorali  latet  ordinata  modestaque  fre- 
quentatione",  minderte  man  bald  nachher  die  Lehrstunden  für 
den  Gesang  und  setzte  die  ganze  Kraft  in  die  Studien,  so  dass 
das  Ehrenvolle  des  Kantorats  nach  und  nach  auf  eine  tiefere 
Stufe  sank. 

Für  den  Chor  der  Kanoniker  an  Dorn-  oder  Regularstiften 
(und  an  grösseren  Kirchen,  wo  man  es  für  notwendig  fand), 
waren  später  noch  einige  Laiensänger  besoldet  und  angestellt, 
Chor  allsten  genannt,  welchen  der  Vortrag  der  Antiphonen, 
Responsorien  und  derjenigen  Gesänge,  die  eine  bessere  Musik- 
bildung erforderten,  als  man  sie  in  der  Regel  von  den  Kanoni- 
kern fordern  konnte,  sowie  die  Intonationen  oblagen.  Der  erste 
dieser  Choralisten  hiess  der  Dom-  oder  Stiftskantor. 

Kapelle  (itaJ.  cappella).  Unter  dieser  Benennung.,  ver- 
steht man  eigentlich  ein  kleines  Gotteshaus  oder  ein  zur  Übung 
christlicher  Andacht  und  Gottesverehrung  oder  auch  zur  Ver- 
richtung gewisser  geistlicher  Funktionen  bestimmtes  Gebäude, 


136  Kapellmeister  —  Karwoche. 

welches  ausser  und  neben  dem  Pfarrgottesdienste  einzelnen  Per- 
sonen, Familien  oder  Gemeinden  zm*  Benützung  dient.  —  Bei 
den  Kapellen  an  fürstlichen  Höfen  war  immer  eine  Anzahl  Geist- 
licher und  Kleriker  angestellt,  welche  den  Gottesdienst  u.  dgl. 
zu  besorgen  hatten,  und  welche  man  daher  capellani  nannte. 
Schon  in  der  Karolinger  Zeit  wurde  der  ganze  bei  Hofe  dienende 
Klerus  als  Hofkapelle  bezeichnet.  —  Jtn  XIV.  oder  XV.  Jahrh. 
benannte  man  mit  diesem  Worte  auch  vorzüglich  das  Sänger- 
chor, welches  geistUche  und  weltliche  Fürsten  sich  hielten.  Die 
jetzt  sogenannte  „Sixtinische*  Kapelle  ist  die  Fortsetzung  der 
alten  schola  cantorum  (s.  d.).  Als  die  Kapellmeister  und  Musiker 
nicht  bloss  mehr  für  diese  Hofkapellen  und  Kirchen,  sondern 
auch  für  die  Kammer-  und  Bühnenmusik  verwendet  wurden, 
trug  man  diese  Namen  „Kapelle,  Kapellmeister*^  etc.  auch 
auf  weltliche  Tonkünstler-Gesellschaften  und  organisierte 
Musikbanden  über,  so  dass  man  auch  einen  Theatermusikdirek- 
tor, der  mit  kirchlicher  Musik  gar  nichts  zu  thun  hat,  -Kapell- 
meister" und  das  Musikcorps,  z.  B.  eines  Regiments,  „Kapelle** 
nennt.  —  Hiernach  erklärt  sich  von  selbst  der  Name  „Kapell- 
knaben", d.  h.  solche  Knaben,  welche  bei  Kirchenmusiken  in 
Hof-  oder  Stiftskapellen  gebraucht  und  zu  diesem  Behufe  in  eige- 
nen Instituten  unterricntet ,  erzogen  und  unterhalten  werden. 
Da  die  ältere  Kirchenmusik  und  vorzüglich  die  in  der  päpstli- 
chen Kapelle  gebrauchte  Musik  nur  Gesangskompositionen  waren, 
so  ging  der  Ausdruck  a  capella  auch  auf  mehrstimmige  Vokal- 
kompositionen ohne  Instrumentalbegleitung  über,  vorzugsweise 
solche,  welche  im  kontrapunktischen  Stile  gearbeitet  sina. 

Kapellmeister,  s.  Chordirektor. 

Kapitel,  Capitulum  heisst  in  der  liturgischen  Sprache 
ein  kurzer  Abschnitt  aus  der  heiligen  Schrift,  welcher  m  den 
kirchlichen  Tagzeiten  gebetet  oder  mit  eigentümlichem  Schluss- 
fall gesungen  wird,  worauf  stets  der  Chor  mit  „Deo  gratias"  nach 
der  nämlichen  Melodie  antwortet. 

Karwoche,  Hebdomas  sancta,  die  heilige  Woche,  nimmt 
ihren  Anfang  mit  dem  Palmsonntage,  Dominica  Palmarum, 
und  umfasst  die  Tage  bis  zum  heiligen  Osterfeste.  Das  ist  die 
Zeit  der  erhebendsten,  ergreifendsten  und  schönsten  Ceremonien, 
wo  die  Kirche  ihre  ganze  Liebe  zu  Jesu,  ihrem  göttlichen 
Bräutigame,  in  vollendetstem  Ausdrucke  zeigt  und  die  Herzen 
der  Gläubigen  unwiderstehlich  in  den  Kreis  ihrer  heiligen  Ge- 
fühle des  Mitleidens  und  Trauerns  hineinzieht.  Handelt  es  sich 
ja  um  die  Erinnerung  an  das  höchste  Geheimnis,  an  die  wich- 
tigste Begebenheit  mr  jeden  Menschen  —  an  das  Leiden  und 
Sterben  Jesu,  an  die  Erlösung!  —  Alles,  was  zu  ceremoniellem 
Gebrauche  dient,  wird  geweiht. .und  gesegnet;  darum  die  feier- 
liche Weihe  der  Palm-  oder  Ölzweige,  mit  denen  die  Pro- 
zession stattfinden  soll.  Die  Weihe  selbst  hat  viele  ^-Ähnlichkeit 
mit  dem  Messritus;  sie  besteht  aus  einer  Antiphon:  -Hosanna 
Filio  David",  einer  Epistel,  einem  Evangelium,  einer  Präfation 
mit  folgendem  Traktus  und  mehreren  Orationen.  Anstatt  des 
Graduale  singt  der  Chor  das  „Collegerunt"  oder  „In  monte  Oli- 
veti".  Auch  während  der  Austeilung  der  gesegneten  Palmzweige 
an  den  Klerus  und  die  Gläubigen  ist  der  Chor  l)eschäftigt,  er  hat 


•c  -  >• 


Karwoche.  137 

• 

die  Ceremonie  mit  dem  Gesänge  der  Antiphonen  ^Pueri  'Hebrae- 
orum"  zu  begleiten.  Nach  der  Austeilung  ruft  der  Diakon : 
^Procedamus  in  pace  (lasset  ims  im  Frieden  ziehen)*,  der  Chor 
antwortet:  „In  nomine  Christi.  Amen.  (Im  Namen  Christi.  Amen)" 
und  die  Prozession  zieht,  begleitet  von  dem  Gesänge  „Cum  ap- 
propinquasset"  oder  anderer  ^jitiphonen,  durch  die  jfirchenpforte 
hinaus  ins^  Freie,  um  den  Einzug  Jesu  in  Jerusalem  darzustellen. 
Bei  der  Zurückkunft  des  Zuges  an  der  Kirche  tritt  ein  Teil  der 
Kantoren  hinein,  schliesst  die  Thüre  und  singt:  „Gloria,  laus  et 
honor",  worauf  der  Klerus  ausserhalb  der  Tnüre  es  wiederholt; 
die  Kantoren  in  der  Kirche  fahren  fort,  die  zweite,  dritte,  vierte 
Strophe  dieses  Hymnus  zu  singen,  worauf  jederzeit  der  Klerus 
mit  „Gloria,  laus  etc."  antwortet.    Nach  Beendigung  des  Gesan- 

fes  klopft  der  Subdiakon  mit  dem  Fusse  des  Kreuzes  an  die 
'hüre;  sie  Öffnet  sich,  die  Prozession  geht  im  Mittelschiff  gegen 
den  Altai*  (der  Chor  singt  unterdessen  die  Antiphon:  „Ingrediente 
Domino"),  worauf  der  Klenis  sich  in  die  Sakristei  begibt,  um  zur 
heiligen  Messe  sich  anzukleiden. 

Der  Hynlnus  „Gloria,  laus  et  honor"  wird  dem  Bischöfe 
Theodulph  von  Orleans  zugeschrieben.  Dieser  wurde,  angeklagt, 
als  sei  er  in  eine  Verschwörung  gegen  den  Kaiser  Ludwig  den 
Frommen  vei'wickelt,  zu  Angers  ins  Gefängnis  geworfen.  Als 
am  Palmsonntage  die  Prozession,  welcher  auch  der  Kaiser  bei- 
wohnte, gerade  an  dem  Fenster  des  Kerkers,  worin  Theodulph 
gefangen  lag,  vorüberzog,  sang  der  Bischof  diesen  Hymnus  in 
eiliger  Stimmung.  Der  Kaiser  wurde  davon  so  gerührt  und 
angegriffen,  dass  er  seinen  Gefangenen  frei  Hess  und  wieder  auf 
den  bischöflichen  Stuhl  einsetzte.  —  Im  höheren  Mittelalter  be- 
schränkte man  an  vielen  Kirchen  die  Prozession  nicht  bloss  auf 
den  Gang  um  die  Kirche,  sondern  man  zog  um  die  Städte  und 
Ortschaften  herum,  dabei  trugen  vier  Priester  das  heilige  Sakra- 
ment (corpus  Domini)  auf  einer  entsprechend  geschmückten  Bahre 
mit.  Sobald  man  an  das  Stadtthor  zurück  kam,  gingen  fünf 
Singknaben  auf  den  Thorturm  und  sangen  von  da  aus  mit  ihren 
reinen  und  hellklingenden  Stimmen  den  Hymnus  „Gloria,  laus"; 
unten  am  Turme  vor  dem  Stadtthore  lagen  Priester  und  Volk 
auf  den  Knieen  und  sangen  es  nach  etc.  Nach  Vollendung  des 
Gesanges  setzte  sich  die  Prozession  wieder  in  Bewegung  zur 
Kirche,  vor  welcher  die  Priester  die  Bahre  mit  dem  heiligen 
Leibe  des  Herrn  quer  über  den  Weg  stellten ;  die  Prozession  zog 
daran  voiüber,  und  unter  Kniebeugungen  sang  der  Klerus:  „Ave 
rex  noster  etc." 

Der  Palmsonntag  trägt  diesen  Namen  schon  seit  den  älte- 
sten  Zeiten;    Sakramentarien   aus  dem   V.   Jahrh.    nennen   ihn 
^Dominica   ad  palmas"  oder  „in  palmas*';   die  Palmenprozession 
""»heint  im  VI.  oder  VII.  Jahrh.  aus  dem  Oriente  in  die  lateinische 
rohe  herübergekommen  zu  sein.  —  An  die  Prozession  schliesst 
h  unmittelbar   das   Amt  der  heiligen  Messe   an*    die   heilige 
Bude,   welche  bisher  herrschte,   macht  nun  der  Trauer  Platz, 
B  fortan  der  Charakter   der  ganzen  Woche  ist.    Die  Messe  des 
Imsonntags  ist  ausgezeichnet  'durch  den  Gesang  der  Passion 
er   Leidensgeschichte   Jesu  nach  Matthäus.  —  Der  zweite  be- 
itungsvolle  Tag  der  Karwoche  ist  der  Gründonnerstag,  Feria  V. 


138  Karwoche. 

in  Coena  Domini.    Er  wird  am  Mittwoch  nachmittags  durch  die 
Matutin  und  Landes  des  Officiums,  die  Trauer-  oder  Kumpebnette 

feheissen,  eingeleitet.  Die  Feier  dieses  Tages  datiert  sich  von 
en  frühesten  Zeiten  her.  Der  Matutinus  tenebrarum  beginnt 
ohne  Invitatorium  imd  Hymnus  mit  der  Antiphone  des  ersten 
Psalmes,  hat  als  Lektionen  in  der  ersten  Noktum  die  Klage- 
lieder Jeremiä  (s.  Lamentationen),  in  der  zweiten  Lesungen 
aus  den  Schriften  der  heiligen  Väter,  in  der  dritten  aus  den 
Apostelbriefen  ohne  Benediktion  und  Schlussspruch  („Tu  autem 
Domine,  miserere");  auch  fehlt  Homüie  und  Evangelium.  An 
die  Matutin  schliessen  sich  die  Landes,  nach  deren  Psalmen  imd 
Antiphonen  alsogleich  die  Antiphon  .zum  „Benedictus*^  folgt  mit 
der  foerlichen  Absinffunj^  dieses  Canticums.  Die  Recitation  des 
„Miserere"  mit  der  Oration  des  Tages  macht  den  Beschluss.  In 
gleicher  Weise  wird  auch  das  Officmm  an  den  folgenden  Tagen 
gehalten. 

Die  heilige  Messe,  in  weisser  Fai-be,  der  Farbe  der  Freude, 
gelesen,  entbenrt,  wie  des  Psalmes  „Judica"  im  Stufengebete, 
sg  auch  des  „Gloria  Patri"  im  Introitus;  die  Freuide  am  Giün- 
donnerstage,  als  dem  Einsetzungstage  des  heiligsten  Altarssakra- 
mentes, will  sich  nicht  laut  aussprechen.  Dafür  ertönt  wohl 
noch  das  Gloria  und  es  schallen  ihm  die  Klänge  der  Orgel  und 
aller  Glocken  nach;  diess  ist  aber  auch  der  letzte  Freudenruf 
bis  zum  Gloria  und  AUeluja  des  Karsamstags.  Jetzt  verstummen 
die  Orgel  und  die  Glocken,  und  in  stiller  Trauer  vollziehen  sich 
die  Ceremonien,  nur  begleitet  von  ruhigen,  gedehnteren  Gesän- 
gen, entsprechend  den  Gefühlen  des  Mitleidens  und  der  liebe- 
vollen Teimahme  der  Kirche  an  dem  grossen  Opferleiden  ihi'es 
Bräutigams.  Da  an  diesem  Tage  überall  nur  ein  einziges  heüiges 
Messopfer  gefeiert  wird,  so  findet  nach  der  Kommunion  des  Prie- 
sters auch  noch  zur  besonderen  Erinnerung  an  das  letzte  Abend-» 
mahl  eine  allgemeine  Kommunion  des  ganzen  Ortsklerus  und 
der  Gläubigen  statt,  während  welcher  der  Chor  Gesänge  zu  Eh- 
ren des  allerheüigsten  Altarssakramentes  singen  kann.  Am 
Schlüsse  der  Messe  wird  das  heüigste  Sakrament  an  einen  Seiten- 
altar übertragen,  wobei  der  Hymnus  „Pange  lingua"  gesungen 
wird.  —  In  bischöflichen  Kirchen  folgt  dann  die  feierliche  01- 
weihe;  auch  daran  beteiligt  sich  der  Sängerchor,  was  in  dem 
Pontifikale  einzusehen  ist.  Ebenso  ist  es  mit  der  Fusswaschung 
oder  dem  Mandatum,  jener  schönen  Ceremonie,  durch  welche 
die  liebevolle  Herablassung  Jesu  Christi,  da  er  nach  dem  Abend- 
mahle den  Jüngern  die  Fiisse  wusch  und  sie  zur  gegenseitigen 
Liebe  ermahnte,  in  Erinnerung  gebracht  wird. 

Der  folgende  Tag,  Karfreitag,  Feria  VI.  in  Parasceve^ 
ist  in  der  katholischen  Kirche  ein  Tag  der  tiefsten  Trauer  und 
wurde  von  jeher  mit  solchen  Gefühlen,  mit  hohem  Ernste,  in 
feierlicher  Stille,  strengem  Fasten  und  unter  düsteren  Trauer- 
ceremonien  beim  Gottesdienste  gefeiert.  Die  Liturgie  dieses 
Tages  beginnt  mit  Absingung  einer  Prophetie,  Oration  und 
Lektion,  worauf  ein  Traktus  folgt  (139.  Psalm,  Klage  über  die 
andrängenden  Feinde)  und  die  Passion  nach  dem  ElvangeHsten 
Johannes.  Nun  werden  die  feierlichen  Gebete  für  die  gesamte 
Kirche,   für  den  Papst,   für  alle  Bischöfe  und  den  Klerus,   für 


Karwoche,  139 

Ketzer  und  Schismatiker,  für  Juden  imd  Heiden  verrichtet,  zu 
welchen  Gebeten  der  Bischof  oder  Priester  in  einer  im  Tone  der 
Präfation  gesuujgenen  Aufforderung  alle  Gläubigen  einladet.  Vor 
jeder  der  Orationen  ruft  der  Diakon:  ^Flectamus  genua*^,  der 
öubdiakon:  „Levate*^  nur  vor  der  Oration  für  die  Juden  unter- 
bleibt der  Ruf  und  die  Kniebeugung,  weil  sie  den  Heiland  da- 
durch verhöhnten,  ebenso  am  Schlüsse  der  Oration  das  »Amen^^ 
weil  diese  Bitte  nie  ganz  erfüllt  werden  wird  bis  zum  Tage  des 
Weltgerichtes.  Nach  diesen  Gißbeten  enthüllt  der  Celebrant  all- 
mählich das  Büd  des  Gekreuzigten,  welches  seit  dem  Passions- 
sonntage  mit  einem  blauen  Tuche  bedeckt  war,  und  singt  dabei: 
„Ecce  lignum  crucis"  („Sehet  das  Holz  des  Kreuzes"),  clie  assi- 
stierenden Priester  setzen  den  ergreifenden  Gesang  fort:  „in  quo 
Salus  mimdi  pependit"  („an  welchem  das  Heil  der  Welt  gehan- 
gen") und  der  Chor  antwortet :  „Venite,  adoremus  I"  („Kommet, 
lasset  uns  anbeten  1");  so  dreimal  in  immer  höherem  Tone.  Nach- 
dem das  Kruzifix  ganz  enthüllt  ist,  legt  es  der  Priester  ehr- 
fui'chtsvoU  auf  ^in  schwarzes  Tuch  nieder,  küsst  nach  dreimali- 
gem Fussfalle  die  Wunden  Christi,  was  nach  ihm  die  Altardiener 
und  die  Gläubigen  thun.  Diese  Anbetung  oder  Adoration  ist 
jedoch  keine  eigentliche  Anbetung,  wie  sie  dem  Allerhöchsten 
selber  und  allein  gebührt,  sondern  ist  das  TiQocxvvtiv  der  Ciien- 
talen:  zum  Ausdrucke  der  innigsten  Verehrung  kniefällig  ver- 
ehren. Während  dieser  Verehrung  oder  Adoration  des  Kreuzes 
werden  vom  Chore  die  rührenden  und  eindringlichen  Impro- 
perien  („Popule  mens  .  .  .")  gesungen,  in  welchen  Gott  seinem 
Volke  die  Wohlthaten  vorhält,  die  er  ihm  erwiesen,  die  es  aber 
mit  Undank  und  mit  dem  schmerzvollsten  und  schmählichsten 
Tode,  den  es  dem  Heilande  bereitete,  vergolten  hat.  Eine  der 
schönsten  und  tiefgefühltesten  Kompositionen  dieser  Improperien 
hat  Palästrina  geliefert;  sie  bilden  noch  heutzutage  einen  Glanz- 
punkt der  die  neiligen  Ceremonien  des  Karfreitags  begleitenden 
Gesänge  in  der  Sixtina  zu  Rom.  Der  ganze  Rrtus  ist  sehr  alt 
und  midet  sich  bereits  im  V,  Jahrh.  Nach  dieser  feierhchen 
Verehrung  des  Kreuzes  wird  unter  Absingung  des  Hymnus  „Ve- 
xilla  regis  prodeunt"  das  AUerheiligste  unter  tiefer  Verhüllung 
vom  NeDentQtare  oder  aus  einer  Kapelle,  wohin  es  tags  vorher 
gebracht  wai'd,  auf  den  Hochaltar  getragen,  und  es  beginnt  die 
Misga  praesanctificatorum,  d.  i.  die  Aufopferung  einer 
tags  vorher  konsekrierten  Hostie,  woran  sich  der  Chor  mit  Ge- 
sang nur  durch  die  Responsorien  beteiligt.  Nach  der  Messe 
pflegt  die  tags  vorher  schon  konsekrierte  zweite  Hostie  in  Pro- 
zession an  einen  eigenen,  mit  Blumen  und  vielen  Lichtern  ver- 
zierten und  erhellten  Ort  getragen  und  zm*  Anbetung  in  der 
Monstranz  ausgesetzt  zu  werden;  die  Prozession  begleitet  der 
Chor  mit  dem  Responsoriüm:  „Tenebrae  factae  sunt"  oder  mit 
der  Antiphon  „Caligaverunt"  oder  anderen  passenden  Gesängen* 
Nachmittags  findet  wieder  die  Vorfeier  des  Karsamstags 
lurch  Absingung  der  Trauermette,  wie  an  den  zwei  vorhergehen- 
ien  Tagen  statt.  Am  Abende  wird  an  manchen  Orten  eine  so- 
genannte „heilige  Grabmusik"  abgehalten,  eigentlich  eine 
eierliche  Anbetung  des  in  der  Monstranze  ausgesetzten  aller- 
leiligsten  Leibes  Jesu  Christi,   so   genannt  von   dem  Orte  der 


140  Karwoche. 

Aussetzung,  welcher  in  vielen  Kirchen  eine  verzierte  Grabhöhle, 
das  Grab,  worin  der  heilige  Leichnam  Jesu  bestattet  wurde,  dar- 
stellt. Bei  dieser  sogenannten  Grabmusik  haben  sich  grosse  Miss- 
bräuche eingeschlicnen,  indem  hierbei  von  kirchücher  Musik  fast 
überall  abgesehen,  und  Tonwerke,  welche  oft  theatralischen  oder 
doch  unkirchliohen  Charakter  haben,  aufgeführt  werden.  Solche 
Musik  beeinträchtigt  und  stört  den  Ernst  des  Ortes  und  Tages, 
imd  wird  die  Kirche  oft  zum  Konzertsaal,  wo  die  Zuhörer  mcht 
der  Andacht  wegen  sich  einfinden.  Die  Eichstätter  Pastoral- 
instruktion untersagt  solche  (Oratorien)musik  gänzlich  imd  ge- 
stattet nur  eine  andächtige  Musik,  etwa  das  „Stabat  mater**  und 
ähnliche  der  kirchlichen  Stimmung  angemessene  und  erbauende 
Gesänge,  während  der  Priester  vor  dem  ÄUerheiligsten  knieend 
anbetet;  es  ist  nur  eine  wahrhaft  heilige  Musik  zu  dulden,  welche 
der  Trauer  der  Kirche,  dem  Schmerze  und  der  Andacht  der 
Gläubigen  Ausdruck  leiht. 

Die  Feier  des  Karsamstags  beginnt  mit  der  Segnung  und 
Weihe  des  neuen  Feuers  vor  der  Kircnenthüre,  wobei  dem  Chöre 
obliegt,  die  Responsorien  zu  sprechen;  damit  ist  verbunden  die 
Segnung  der  fünf  Weihrauchkörner,  die  der  Osterkerze  eingefügjt 
werden.  Auf  dem  Rückwege  ertönt  beim  Anzünden  der  drei- 
armigen  Kerze  der  Ruf  des  Diakons:  „Liunen  Christi  1"  („Licht 
Christi  I**)  dreimal  mit  erhöhter  Stimme,  u;nd  ebenso  oft  antwortet 
der  Chor  mit  den  übrigen  Geistlichen:  „Deo  gratiasl^  Es  be- 
mächtiget sich  nunmehr  aller  eine  heilige  Freude,  dass  durch 
•Christum  den  Auferstandenen  der  Welt  das  wahre  Licht  der 
Wahrheit  und  Beseligung  gebracht  worden,  durch  Christum,  wel- 
cher selbst  das  ewij^e  Licht,  im  dreieinigen  Gotte  wohnt.  Wäh- 
rend des  unvergleichlich  schönen  Preis-  und  Freudengesanges 
-Exultet",  den  nun  der  Diakon  singt,  werden  die  fünf  Weihrauch- 
KÖrner  auf  die  Osterkerze  befestiget  und  diese  Kerze  sowohl  als 
auch  die  anderen  und  alle  Lampen  in  der  Kirche  angezündet. 
Der  darauffolgende  Gesang  von  zwölf  Prophetien  führt  alle  im 
Alten  Testamente  enthaltenen  Vorbüder  und  Verheissungen  der 
Auferstehung  des  Gottmenschen  vor  und  wird  durch  eine  nach 
jeder  Prophetie  eingereihte  Oration  mit  Vorausschickung  des 
„Flectamus  genua"  —  „Levate**  unterbrochen;  nach  der  vierten, 
achten  und  elften  aber  singt  der  Chor  einen  Traktus.  Hierauf 
wird  zur  Taufwasserweihe  geschritten,  wobei  die  Schola  die 
Antiphon:  „Sicut  cervus  ad  fönt  es  *^  (»Wie  der  Hirsch  sich  sehnt 
nach  der  Wasserquelle*^)  absingt  und  die  Sehnsucht  einer  sün- 
digen Seele  nach  dem  Bade  der  Wiedergeburt  zum  Ausdrucke 
brmgt.  Die  Weihegebete  haben  den  Präfationston  und  fordern 
den  Chor  zu  Responsorien  auf.  Nach  dem  Weiheakte,  während 
der  gesamte  Klerus  zum  Hochaltare  zurückkehrt,  wird  die  Füi- 
bitte  aller  Heüigen  angerufen,  dass  alle,  welche  auf  den  Tod 
Christi  getauft ,  und  der  Sünde  abgestorben  sind ,  mit  Jesu  zu 
einem  Leben  der  Tugend  und  Heiligkeit  auferstehen  mögen. 
Hierzu  ist  vorgeschrieben  die  AUerheiugenlitanei,  welche  heute 
dupliciert  wird,  d.  h.  einige  Sänger  singen  eine  Bitte  oder  den 
Namen  eines  Heiligen  mit  „ora  pro  nobis  etc.**  vor,  und  der  Chor 
samt  dem  Klerus  wiederholt  das  Ganze.  Bei  dem  Rufe  „Pecca> 
tores*  begibt  sich  der  Celebrant,  welcher  mit  den  Leviten  während 


Karwoche.  141 

der  Litanei  vor  dem  Altare  auf  dem  Angesichte  gelegen. ist,  in 
die  Sakristei,  um  sich  zum  heiligen  Messopfer  anzufleiden  und 
kehrt  nach  dem  Agnus  Dei  zum  Altare  zurück;  der  Chor  beginnt 
das  »Kyrie  eleison^  im  Choral.  Kaum  aber  ist  das  Gloria  ange- 
stimmt, so  ertönt  neben  dem  Geläute  aller  Glocken  auch  oie 
Orgel  wieder  und  begleitet  den  freudenvollen  Engelgesang.  Nach 
der  Epistel  bricht  der  Celebrant  in  den  Jubelruf:  „AUeluja**  aus. 
welchen  er  dreimal,  jedesmal  mit  erhöhter  Stimme  singt,  und 
den  der  Chor  in  der  nämlichen  Tonhöhe  wiederholt.  So  ist  die 
Osterfreude  zum  voraus  verkündet,  und  alsbald  fordert  der  Chor 
auf,  den  gütigen  Gott  zu  loben,  sowohl  durch  Psalmvers:  «Con- 
fitemini",  als  durch  den  darauffolgenden  Tractus:  „Laudate*^» 
Abweichend  vom  gewöhnlichen  Messritus  ist,  dass  heute  weder 
ein  Offertorium  noch  ein  Agnus  Dei  gesprochen  und  gesungen 
wird,  da  die  Kirche  ob  der  Freude  über  den  auferstandenen  Hei- 
land des  Opfers  des  Lammes  Gottes  nicht  gedenkt,  sondern  nur 
für  das  grosse  Geheimnis  der  Auferstehung  und  Erlösung  sozu- 
sagen Aug  und  Ohr  hat.  Nach  der  Kommunion  des  Priesters 
singt  der  Chor  die  Vesper,  welche  mit  der  Messe  verflochten  ist 
und  nur  aus  dem  116.  Psalm  und  dem  Magnifikat  mit  den  zu- 
ständigen Antiphonen,  —  alles  im  feierlich  jubelnden  VIIL  Tone 
—  besteht.  Abgeschlossen  wird  die  Feier  mit  dem  österlichen 
-Ite  missa  est,  alleluja,  alleluja**  und  dem  Johannisevangelium. 
In  der  Messe  des  Karsamstags  hat  die  Kirche  die  Auferstehung 
des  Hei-m  yigilienartig  anticipiert;  am  Abende  des  Tages  jedoch 
begeht  sie  im  Officium  die  festliche  Feier  dieses  Geheimnisses. 

Die  Anferstehungsfeier  (welche  aber  nicht  alle  Ritualien 
kennen)  vollzieht  sich  nach  dem  Rituale  Ratisbon.  majus^ 
womit  auch  andere ,  z.  ß.  das  Salzburger,  der  Hauptsache  nach 
übereinstimmen,  in  folgender  Weise:  Der  itlerus  und  Chor  begibt 
sich  zu  geeigneter  Stunde  am  Abende  des  Karsamstags  zum 
„heiligen  Grabe"  imd  betet  dort  knieend  eine  Zeit  lang  still^ 
während  dessen  alle  ihre  Kerzen  anzünden.  Der  Officiator  trägt 
dann  nach  geschehener  Incensation,  ohne  Intonation  und 
Segen,  das  AUerheihgste  auf  den  Hochaltar;  der  Chor  aber 
bereitet  die  Prozession  mit  feierlichem  Gesänge  des  Hymnus 
-Aurora  coelum  purpurat".  Am  Hochaltare  stimmt  nun  der 
Priester  den  Versikel  an:  «Surrexit  Dominus  etc.**  m.  „Qui  pro 
nobis  pependit  in  ligno,  alleluja")  mit  der  im  Rituale  verzeich- 
neten öration,  worauf  er  die  Benediktipn  mit  dem  Sanctissimum 
erteüt.  Dem  Chore  obliegt,  wie  sonst,  das  „Tantum  ergo  etc." 
zu  singen.  Wo  die  Matutin  nicht  vorher  gesungen  worden  isty 
kann  auch  (am  Hochaltäre^  das  „Te  Deum"  würdig  der  Feier 
eingefü^  werden.  Nach  aem  Segen  und  der  Einsetzung  des 
Allerheuigsten  lassen  einige  Ritualien  die  Marianische  Antiphon: 
„Regina  coeli",  andere,  wie  das  Regensburger  u.  dgl.,  den  Gesang: 
-Surrexit  Christus  hodie",  oder  abwechsemd  auch  das  deutsche 
Lied:  „Christus  ist  erstanden",  vom  Volke  gesungen,  zu,  —  nicht 
aber  vorher.  Dass  der  Priester  dreimal  „Christus  ist  erstanden  1" 
mit  dem  SS.  in  der  Hand  anstimmt,  ist  unliturgisch;  ein  drei- 
maliges Lärmen  mit  Trompeten  und  Pauken  vollends  verwerflich  1 

Auch  bei  dieser  Gelegenheit  zeigte  das  gemütvolle  Mittel- 
alter (Xn.,  XIII.  Jahrh.)  seine   Lebendigkeit  im  Glauben   durch 


142  Kastraten  —  Kirchenjahr. 

dramatische  Behandlung  und  plastische  Darstellung  der  heiligen 
Begebenheit.  Frauen  war  (doch  nur  in  einigen  französischen 
Kirchen,  sonst  hatten  Subdiakonen  oder  andere  Kleriker  in  weis- 
sen Alben  diese  Rollen  zu  übernehmen)  die  Ehre  zugesprochen, 
am  heiligen  Grabe  die  Rolle  der  drei  heiligen  Frauen,  welche 
nach  der  bibhschen  Erzählung  zum  Grabe  Jesu  kamen  und  aus 
dem  Munde  des  Engels  vernahmen:  „Er  ist  nicht  mehr  hier;  er 
ist  auferstanden,**  mit  lieblichem  Gesänge  darzustellen,  und  nach- 
dem ein  als  Ei^el  gekleideter  Knabe  ihnen  entgegnet:  -Alleluja, 
resurrexit  Dominus,  surrexit  Leo  fortis  Christus  Filius  Dei,"  er- 
hob das  Volk  seine  Stimme  und  sang:  -Te.Deumlaudamus.**  Seit 
dem  XV.  und  XVI.  Jahrh.  ist  diese  Feierlichkeit  auf  den  jetzi- 
gen Ritus  eingeschränkt  worden;  doch  bediente  man  sich  hierbei 
eine  ziemliche  Zeit  lang  nur  des  im  Grabe  ruhenden  Kruzifixes; 
die  Aussetzung  des  Allerheiligsten  im  Grabe  selbst  ist  erst  spä- 
teren Ursprunges,  weniger  den  Vorschriften  der  Kü'che  entspre- 
chend. Üoerhaupt  war  das  Ganze  nicht  allgemeine  Feier  der 
Kirche,  das  römische  Ritual  kennt  sie  nicht;  selbst  in  den  ein- 
zelnen Kirchen  wurde  sie  mit  einigen  Modifikationen  abgehalten. 
(Vgl.  Schubiger,  Säügerschule  von  St.  Gallen,  pag. 69.  Clement, 
Hist.  g^n.  de  la  Musique  r^lig.  pag.  221.  Dr.  Ap.  Maier,  „Die 
liturgische  Behandlung  des  Allerheiligsten*.  Rgsb.  Manz  1860.) 

Kastraten,  im  Deutschen  auch  Hämiiilinge  genannt, 
waren  jene  Sänger,  welche  infolge  der  Entmannung  ihrer  Viril- 
stimme verlustig  ^ngen  und  immer  ihre  Knabenstimme  behiel« 
ten.  Diese  unmenschliche  Sitte,  auf  solche  Weise  dauernde 
Sopran-  und  Altstimmen  herzustellen,  hat  ihren  ürspi*ung  in 
Itsuien.  In  den  kirchlichen  Chören  figurieren  sie  zum  ersten  Mal 
urkundlich  im  Jahre  1601.  Obwohl  Klemens  XIV.  den  Bann 
über  die  Operateure  aussprach,  konnte  doch  erst  durch  die  kräf- 
tigen Massregeln  der  Franzosen,  nachdem  sie  Italien  in  Besitz 
genommen  hatten,  dem  Unwesen  ein  förmliches  Ende  gemacht 
werden.  Seitdem  werden  in  der  päpstlichen  Kapelle  die  Sopran- 
und  Altpartien  wieder  wie  ehemals  durch  Falset-  oder  Fistel- 
sänger ausgeführt. 

Kinnor,  die  älteste  Harfe  der  Hebräer,  welche  bald  drei- 
•eckig,  bald  viereckig  geformt  war.  Die  dreieckige  Kinnor  war 
bei  den  Leviten  die  gewöhnlichste.  Der  Rahmen  war  aus  Fich- 
tenholz vom  Libanon  und  meistens  reich  verziert.  Die  gewöhn- 
liche Zahl  der  Saiten  gibt  Josephus  zu  zehn  an;  andere  Dehaup- 
ten,  sie  sei  mit  vierundzwanzig  und  noch  mehr  Saiten  bespannt 

fewesen.    Gespielt  ward  sie  mit  einem  Piektrum,  der  Resonanz- 
oden war  unten  am  Ende  des  Rahmens,   und  deshalb   spielte 
man  darauf  mehr  nach  unten  als  in  der  Mitte  oder  gar  oben. 

Kirchenjahr,  das,  stellt  die  Geschichte  der  Welterlösung, 
«der  Thätigkeit  Jesu  für  die  Menschen,  in  den  Zeitraum  eines 
Jahres  eingeschlossen,  dar ,  und  fordert  den  katholischen  Chri- 
sten auf,  cueses  gottmenscmiche  Leben  Jesu  mit zul eben.  Dass 
in  der  Vorführung  der  verschiedenen  Begebenheiten  des  Wan- 
dels Jesu  Christi  auf  Erden  und  in  der  innigen  Teilnahme  der 
Gläubigen  daran  verschiedene  Gefühle  zum  Ausdrucke  kommen, 
sieht  jedermann  ein;  und  daraus  mag  auch  der  füi*  die  Kirche 
irgendwie  thätige  Musiker  begreifen,  wie  wichtig  ihm  die  Kenntnis 


Kirchenkonzert  —  Kirchenlied.  143 

I  ^es  Geistes,  der  aus  den  einzelnen  Teilen  des  KirchenjahriBS 
spricht,  vielmehr  noch  die  Aufnahme  desselben,  das  innerste 
Mitleben  und  Mitfühlen  ist.  Die  Tonkunst  bildet  einen  einfluss- 
reichen Faktor  in  der  Liturgie,  da  ihre  Schöpfungen  ein  vorzüg- 
liches Mittel  sind,  die  heiligsten  und  edelsten  Gefiöile  zu  wecken, 
insofern  sie  selber  der  Aüsfluss  dieser  Gefühle  und  Stimmun- 
gen sind. 

Es  ist  nicht  hier  Raum  und  Ort,  dieses  alles  einlässiger  zu 
besprechen,  einige  kurze  Andeutungen  reichen  hin;  übrigens 
verweise  ich  auf  bedachtsame  Lesung  folgender  Werke:  Hippel, 
«Schönheit  der  katholischen  Kirche  ,  Mainz  1864;  Nikel,  »Die 
Feste  des  Herrn**,  ebenda;  und  besonders  Staudenmeierj  „Geist 
des  Christentums**,  Mainz  1847.  Das  Kirchenjahr  beginnt  unab- 
hängig vom  politischen  Jahr  mit  dem  ersten  Adventsonntage 
und  schliesst  mit  dem  letzten  Tage  des  folgenden  Jahres  vor 
diesem  Sonntage.  Man  scheidet  es  gewöhnhch  in  drei  grosse 
Teile,  Festkreise,  ab:  Weihnacnts-,  Oster-,  Pfingöt- 
f  est  kr  eis.  Staudenmeier  nimmt  noch  analog  den  vier  Jahres- 
zeiten einen  vierten  Festkreis:  den  Allerheiligenfestkreis 
an.  Jeder  dieser  Kreise  hat  seinen  Mittelpunkt  in  dem  hohen 
/  Feste,  von  welchem  er  den  Namen  trä^.  Jedes  dieser  hohen 
Feste  ist  durch  eine  Vor-  wie  durch  eine  Nachfeier  ausge- 
zeichnet, und  jedem  liegt  eine  That  des  grossen  Gottes  zu 
Grunde:  dem  Weihnachtsfeste  die  That  der  Menschwerdung 
des  Sohnes  Gottes:  dem  Osterfeste  die  That  der  Erlösung;  dem 
Pfingstfeste  die  That  der  Ausgi essung  des  heiligen  Gei- 
stes und  der  Stiftung  der  Kirche;  die  Feste  Allerheiligen 
und  Allerseelen  mit  ihrem  Kreise  deuten  auf  den  endlichen 
Ausgang  der  Dinge  in  der  Zeit  und  auf  das  allgemeine 
Weltgericht.  Diesen  Grundlagen  gemäss  vollziehen  sich  auch 
an  den  einzelnen  Festen  und  ihrer  Ümgebunjg  im  gjläubigen  Ge- 
müte  verschiedene  Stimmungen,  welciie  die  Musik  wiederzu- 
geben hat.  Der  Umfang  der  kirchlichen  Feste  ist  folgender: 
Der  Weihnachts festkreis  umfasst  die  Zeit  vom  1.  Advent- 
sonntage  bis  zum  Sonntage  Septuagesima;  von  da  an  beginnt 
der  Osterfestkreis,  welcher  sich  ois  zum  Samstage  vor  Pfing- 
sten ausdehnt.  Letzterer  Tag,  als  die  Vigilie  des  heiügen  Pfingst- 
festes,  büdet  den  Anfang  des  dritten  Festkreises,  wefcher  seinen 
Schluss  mit  dem  Tage  vor  dem  1.  Adventsonntage  findet  und 
Pfingtfestkreis  heisst.  Das  Specielle  möge  man  in  den  be- 
treffenden Artikeln  nachlesen. 

Kirchenkonzert,  s.  Konzert. 

Kirchenlied  bezeichnet  ein  Lied,   welches,   obwohl  in  der 
Landessprache  gedichtet,  dennoch  zu  kirchlichem  Gebrauche  ge- 
kommen  ist,   zum   Unterschiede   von   solchen   geistlichen   imd 
religiösen  Liedern,  welche  gemäss  ihrer  Haltimg  und  Form  sich 
am  kirchlichen   Gebrauche  wohl   eigneten,    aber  hierzu   nicht 
icipiert  sind. 

Wir  unterscheiden  zwei  Hauptgattungen  des  Kirchen- 
iedes:  1)  die  historischen,  in  denen  die  Erzählung  den  zu- 
ammenhaltenden  Faden  bildet,  und  2)  die  reinlyrischen, 
Teiche  sich,  gleich  den  Gebeten,  in  Empfindungen  und  Betrach- 
imgen  bewegen.  Erstere  Gattung  ist  besonders  bei  den  Deutschen 


144  Kirchenlied. 

gepflegt  worden  und  gehört  vorzugsweise  den  Katholiken  an, 
üie  zweite  Gattung  ist  wieder  doppelter  Art:  1)  mehr  objektiv 
—  Hymnen;  2)  mehr  subjektiv  moralisierend,  —  Lied  inl 
engeren  Sinne. 

Unter  der  ersteren  Art  verstehen  wir  jene  erste,  aj)osto- 
lisch  erleuchtete  Betrachtung  der  Religionswahrheiten,  die  mit 
scheinbarer  Ruhe,  aber  desto  grösserer  innerer  Entschiedenheit 
sich  zum  Ewigen  erhebt,  anbetend  und  flehend,  sich  versenkend 
imd  sehnend.  Das  sind  die  eigentlichsten  Kirchengesänee,  so 
sind  die  alten  Kkchenhymnen,  aber  auch  unter  aen  ältesten 
deutschen  sind  vorzügliche.  Unter  der  zweiten  Art  verstehen 
wir  diejenigen j  worin  sich  mehr  das  einzelne  Herz  in  erhöhter 
Stimmung  ergiesst  und  mit  dem,  Göttlichen  imd  Heiligen  ver- 
bindet; sie  tragen  mehr  die  Farbe  des  Individuellen.  Diesen 
Charakter  haben  die  meisten  Marienlieder,  auch  viele  Weihnaohts- 
und  Fastenlieder,  selten  die  sakramen talischen,  fast  gai*  nicht 
die  Oster-,  Pfingst-  und  Dreifaltigkeitslieder,  feine  dritte  Art 
könnte  noch  beigefügt  werden  als  diejenigen  Kirchenlieder  um- 
fassend, welche  nur  m  einzelnen,  gleichsam  litaneienartig  neben- 
einander geordneten  Sätzen  bestehen.  Hierher  gehören  ausser  den 
strophischen  Litaneigesängen  besonders  viele  Wallfahrtsgesänge. 

Als  Anforderungen,  welche  man  an  das  Kirchenhed 
stellen  muss,  können  folgende  bezeichnet  werden:  1)  es  muss 
wahrhaft  kirchlichen  Gehalt  haben,  so  dass  das  Ganze  vom 
eigentlichen  Dogma  getragen  wird;  2)  es  muss  eine  kirchlich 
volkstümliche  Sprache  haben;  bei  jedem  Volke  hat  das 
Kirchliche  seine  besonderen  Typen  und  Anschauungen,  von  denen 
für  bestimmte  Gedanken  gar  mcht  abgewichen  werden  darf;  3)  es 
muss  eigentlich  Poesie  sein. 

Geschichte  des  Kirchenliedes.  Da  es  vom  Anfange 
an  der  Wille  und  das  Bestreben  der  Kirche  war,  die  Gemeinde 
so  innig  als  möglich  zur  Teilnahme  an  ihrem  religiösen  Leben 
heranzuziehen,  so  sehen  wir  auch  in  den  ersten  Zeiten  des  Chri- 
stentums die  Gemeinde  vielfach  an  der  kirchlichen  Liturgie, 
namentlich  durch  den  Gesang  Anteil  nehmen.  Dies  war  aoer 
nur  möglich^  so  lange  ein  Volk  die  liturgische  Sprache  verstand. 
Wo  dies  nicht  der  Fall  war,  da  soGte  zwar  dieses  Mittel, 
das  kirchliche  Leben  zu  fördern,  der  Volks-Ku'chengesang,  nicht 
beseitiget  bleiben;  man  gab  dem  Volke  Bearbeitungen  der  kirch- 
lichen Hymnen,  Psalmen  oder  eigene  Lieder.  Freilich  gehörten 
diese  nun  nicht  mehr  zur  eigentlichen  Liturgie  und  konnten  so- 
mit nur  teilweise  der  Absicht  der  Kirche  dienen,  empfingen  aber 
gleichwohl  durch  den  lang  dauernden  religiösen  Gebrauch  in  und 
ausser  der  Kirche  einen  gewissen  liturgischen  Charakter.  Diese 
Lieder  bilden  einen  grossen  Schatz  kirchlicher  Poesie  und  zeigen 
auch,  wie  sehr  das  Christentum  auf  die  Entwickelung  einer  Kunst, 
hier  der  Poesie,  bei  einem  Volke  eingewirkt  hat.  Dies  ist  be- 
sonders der  Fall  beim  deutschen  Kirchenliede.  Seine  Geschichte 
scheidet  sich  in  di*ei  Perioden:  L  Von  den  ältesten. Zeiten  bis 
zum  Anfange  des  XVI.  Jahrh.  oder  bis  zur  Reformation;  IL  von 
der  Reformation,  wo  zugleich  das  protestantische  Kirchenlied 
beginnt,  bis  zur  zweiten  Hälfte  des  XVnL  Jahrh. ;  IH.  die  neuere 
Zeit  oder  die  Zeit  der  Reform  der  Gesangbücher. 


Kirchenlied.  145 

1.  Periode.  Bei  Einführung  der  christlichen  Religion  in 
Deutschland  ward  beim  Gottesdienste  als  liturgische  Sprache  die 
lateinische  festgehalten,  das  Volk  wohnte  demselben  still  bei 
und  scheint  sich  am  Gesänge,  welcher  der  Grej^orianische  mit 
lateinischem  Texte  war,  nur  durch  kurze  Reframs  beteiliget  zu 
haben,  namentlich  durch  die  Rufe:  ^Kyrie  eleison,  Christe  elei- 
son**, welche  auch  später  bei  sehr  fielen  Kirchenliedern  Refrain 
blieben.  Je  mehr  sich  aber  das  Christentum  in  Deutschland 
einwurzelte,  die  Sitten  und  die  Sprache  der  Deutschen  sich  bil- 
deten und  namentlich  letztere  eine  grosse  Bildungsfähigkeit  er- 
wies, stellte  sich  bei  dem  tiefsinnigen  und  gemütvollen  Cnarakter 
der  Deutschen  das  Bedürfnis  ein,  seine  innersten  religiösen  Em- 
pfindimgen  in  eigenem  Worte  imd  eigener  Weise  zum  leben- 
digen Ausdrucke  zu  bringen  und  mit  Gesängen  in  der  Mutter- 
sprache am  Gottesdienste  sich  zu  betheiligen.  Bei  den 
romanischen  Völkern  war  dies  weniger  der  Fall,  da  die  ka- 
nonische Sprache  der  Kirche,  die  lateinische,  ihnen  eine  mütter- 
lich vertraute  war.  Auch  noch  ein  anderer  Umstand  wirkte  zur 
Entstehung  des  deutschen  Kirchenliedes  mit.  Die  ersten  Apostel 
Deutschlands  waren  unablässig  bemüht,  die  heidnischen  Gesinnun- 
gen und  Vorstellungen  ihrer  Neubekehrten  zu  verdi'ängen  und 
zu  vertilgen,  und  ihnen  dagegen  den  milden,  freundlichen  Geist 
des  Christentums  einzuhauchen.  Zu  diesem  Zwecke  verfassten 
sie  einfache  Lieder  und  später  solche  von  grösserer  Ausdehnung, 
in  welchen  sie  die  christliche  Lehre  dem  Volke  darboten  und  m 
dieser  anziehenden  Form  leicht  zugänglich  machten,  wie  sich 
ein  Analogen  in  den  im  XVII.  Jahrh.  gebräuchlichen  Katechis- 
musliedern  über  das  Glaubensbekenntnis,  die  zehn  Gebote  u.  dgl. 
darbietet.  Leider  sind  von  diesen  Frühlingsblüten  deutscher 
Poesie  nur  sehr  wenige  erhalten  worden.  Ratpert,  Mönch  von 
St.  Gallen,  dichtete  schon  frühzeitig  (IX.  Jahrh.)  ein  Lied  in 
deutscher  Sprache  auf  den  heü.  Gaßus  und  gab  dasselbe  dem 
Volke  in  der  „Kirche  zu  singen;  es  existiert  nm*  mehr  in  einer 
lateinischen  Übersetzung,  die  Melodie  ging  ganz  verloren.  Das 
Wessobrunner  Gebet  (Lied)  gehört  auch  dieser  Zeit  an  imd  atmet 
wahre  Majestät  der  religiös  poetischen  Erfindung  und  Anschau- 
ung; das  Lied  „vom  heil.  Petrus**  hat  durchaus  den  Typus  von 
Kirchengesang,  sogar  den  gewöhnlichen  Refrain  „Kyrie  eleison**. 
Dass  es  mehrere  derartige  Kirchenlieder  gegeben  haoe,  darf  man 
mit  Recht  daraus  schliessen.  dass  die  Kapitularien  und  Konzilien- 
beschlüsse jener  Zeit,  z.  ß.  das  Konzil  von  Mainz  813,  bereits 
sechs  Gattungen  von  Liedern  namhaft  machen.  Ausser  solchen 
Originalliedem  wurden  (schon  im  VIII.  und  IX.  Jahrh.)  die  iu 
der  Kirche  üblichen  Hymnen,  Psalmen  und  Gebete  übersetzt  und 
dem  Volke  zugänghch  gemacht.  Die  Melodien  waren  auf  keinen 
Fall  vom  Gregorianischen  Choral  viel  verschieden,  wie  Verglei- 
chungen  ergeben  haben;  sie  waren  ganz  einfach  ohne  grossen 
Tonumfang,  fürs  Volk.  Die  ersten  Kirchenlieder  waren,  wie 
schon  erwähnt,  kurz,  da  sie  das  ganze  Volk  auswendig  behalten 
musste,  manchmal  nur  eine  oder  die  andere  Strophe,  gleichsam 
als  Variation  zum  Kyrie  eleison,  erst  später  schlössen  sich  neue 
Strophen  an.  Der  allgemeine  Name  für  das  Kirchenlied  war 
Layen   oder   Lais,   welches  man  eben  von  dem  gewöhnlichen 

Kommüller,  Lexikon.  10 


146  Kirchenlied. 

Refrain  „Kyrie  eleison"  ableitet,  wie  Bruder  Berthold  im  XIII. 
Jahrh.  das  Lied  -Nun  bitten  wir  den  heiligen  Geist"  einen  »Kyr- 
leison"  nennt.  Die  ältesten,  nachweislich  im  praktischen  Ge- 
brauche gestandenen  Lieder  sind:  „Christ  ist  erstanden;  Christus 
fuhr  gen  Himmel;  Nun  bitten  wir  den  heiligen  Geist;  Ein  Kin- 
delein  so  lobelioh;  In  Gottes  Namen  fahren  wir"  u.  a.  m.,  welche 
meistens  bis  ins  XIL  Jahrh.  verfolgt  werden  können. 

Zur  Zeit  der  Kreuzzüge  stieg  die  deutsche  Poesie  hoch, 
und  die  Minnesänger  pflegten  das  geistliche  Lied  eifrig,  aber 
für  das  Kirchenlied  schemt  ihre  Thätigkeit  von  wenigem  Ein- 
flüsse gewesen  zu  sein,  wenn  nicht  etwa  das  Minnelied  das 
Kirchenlied  vom  einfachen  vierzeiligen  Strophenbau  zu  einem 
künstlicheren  übergeleitet  hatj  worm  es  später  erscheint.  Im 
XIII.  Jahrh.  vermehrten  sich  die  religiösen  Lieder,  die  aus  kind- 
lich reinem,  glaubenstreuem  und  liebewarmen  Herzen  entquollen, 
bei  jeglichem  Gemüt e  Anklang  fanden.  Manche  allgemeine 
Schicksale,  die  Nachwehen  der  Kreuzzüge,  Erdbeben,  Pest  u.  s.  w. 
erhielten  die  religiöse  Stimmung  des  deutschen  Volkes  lange 
Zeit  hindurch  wach  und  lebendig,  wobei  auch  die  Flagellanten 
(bis  ins  XIV.  Jahrh.  hinein)  eine  Menge  geistlicher  Lieder  in 
Umlauf  brachten,  ohne  übrigens  für  den  Heutschen  Kirchengesang 
irgend  eine  weitere  Bedeutung  zu  haben.  Im  XIII.  und  XIV.  Jahrh. 
gab  die  Einführung  neuer  Kirchenfeste,  z.  B.  des  Fronleichnams- 
.  Festes,  Dreifaltigkeitsfestes  und  mehrerer  Marienfeste,  Gelegenheit 
zu  neuen  Dichtungen ,  welche  wieder  in  deutsche  Sprache  über- 
tragen wurden,  z.  B.  Lauda  Sion,  Pange  lingua.  Eine  besondere 
Art  von  Liedern,  w.elche  gegen  Ende  dieser  Periode  aufkamen, 
bilden  diejenigen,  welche  mit  Latein  untermischt  sind,  wie  das 
bekannte  «In  dulci  jubilo",  angeblich  von  Petrus  Dresdensis. 

Als  Dichter  geistlicher  und  Kirchenlieder  aus  dieser  Zeit 
lassen  sich  nennen:  Job.  Tauler,  Konrad  von  Würzbure,  Heinrich 
von  Meissen,  Martin  von  Reutlingen,  Sebastian  Brand,  Heinrich 
von  Laufenberg,  Adam  von  Fulda  u.  a.  m. 

Die  Anzahl  der  Lieder,  welche  sich  vor  der  Reformation 
als  eigentliche  Kirchenlieder  nachweisen  lassen,  mögen  gegen  100 
betragen,  und  sie  bilden  nicht  nur  durch  ihre  Form  und  Melodien, 
sondern  auch  der  Anzahl  nach  den  Kern  des  deutschen  Kirchen- 
gesanges für  die  folgende  Periode.  Zu  Ende  dieser  Periode  ent- 
stehen auch  die  Gesangbücher,  hervorgerufen  durch  das  Be- 
dürfnis, die  zahlreicher  gewordenen  Kirchenlieder,  welche  überdies 
häufig  durch  ihren  grösseren  Umfang  schwerer  zu  erlernen  und 
im  Gedächtnisse  zu  oehalten  waren,  in  einem  Buche  beisammen 
zu  haben,  wozu  die  neue  Kunst  des  Bücherdruckes  das  geeignetste 
Mittel  an  die  Hand  gab.  Wie  schon  im  XV.  Jahrh.  mehrere 
Bibelübersetzungen  gedruckt  erschienen,  so  wurden  nun  auch 
mehrere  Sammlungen  von  älteren  und  neueren  Liedern  in  Druck 
herausgegeben.  Unter  den  damals  existierenden  kirchlichen  Lie- 
dersammluhgen  sind  zu  nennen :  Die  in  den ,  seit  1470  in  den 
grösseren  Städten,  Mainz,  Antwerpen,  Basel,  Strassburg  u.  a. 
gedruckten  Messbüchern,  Agenden  und  Diöcesanrituahen  aufge- 
nommenen; ein  „Gesangbüchlein",  1494  zu  Heidelberg  gedruckt, 
enthaltend  in  deutscher  Übersetzung  das  Veni  sancte,  Regina 
coeli,  Recordare,  Salve,  Magnificat  etc.;  Ortulus  anime,   Strass- 


Kirchenlied.  147 

bürg  1501  (erschien  auch  später  in  vielen  neuen  Auflagen)  u.  s.  w. 
Eine  erkleckliche  Anzahl  solcher  vor  1524  erschienenen  deutöoher 
Gesangbücher  hat  Sev.  Meister  in  seinem  Werke:  ^Das  katho- 
lische deutsche  Kirchenlied**  aufgefühi-t,  wodurch  es  ersichtlich 
•  wird,  dass  nicht  Luther  der  Schöpfer  des  Kirchenliedes  gewesen  ist. 
IL  Periode.  Angetrieben  durch  die  Thätigkeit  der  Re- 
formatoren, welche  nach  Abschaffung  der  Messe  und  bei  dem 
Hasse  alles  Römischen  naturgemäss  auf  den  deutschen  Gemeinde- 
.gesang angewiesen  waren,  diesen  auch  dazu  benützten,  in  den 
Liiedera  ihre  Grundsätze .  und  Lehren  dem  Volke  besser  einzu- 
flössen, und  gedrängt  durch  den  Eifer  derselben,  womit  sie  die 
alten  aus  der  katholischen  Kirche  herübergenommenen  Lieder 
nach  ihren  neuen  Glaubensbegriffen  „reinigten^  und  neue  dichteten, 
suchten  die  Kathoüken  ihren  alten  Liederschatz  unversehrt  zu  be- 
wahren, durch  gewissenhafte  Herausgabe  der  alten  Lieder  den 
verstümmelten  Gesängen  der  Häretiker  entgegenzuarbeiten  und 
das  Volk  vor  der  in  diesen  Gesängen  zu  Markte  getragenen 
häretischen  Ansteckung  zu  schützen.  Zu  solchem  Zwecke  ent- 
stand unter  mehreren  anderen  besonders  das  Gesangbuch  von 
Mich.  Vehe,  Stiftsprobst  zu  Halle  an  der  Saale,  1537,  welches 
in  der  Vorrede  ausdrücklich  diese  Absicht  ausspricht.  Neue 
Lieder  wurden  in  dieser  Zeit  nur  mit  grosser  Vorsicht  aufge- 
nommen. -^  Zu  den  ältesten  und  bekanntesten  katholischen 
Gesangbüchern  gehören  ausser  diesem  noch:  das  Gesangbuch 
von  Gg.  Witzel,  Pfarrer  zu  St.  Viktor  in  Mainz,  „Odae  Chri- 
stianae^,  1541 :  „Psaltes  ecclesiasticus",  1550;  das  Gesangbuch  von 
Leisetritt,  Domdechant  in  Budissin,  1567;  das  Tegernseer 
durch  Ad.  Walasser,  1574.  Mit  dem  Ende  dieses  Jahrh.  beginnen 
auch  die  Diöcesangesangbücher,  die  dem  Hauptinhalte  nach  alle 

fleich,  nur  durch  Anordnung  und  Zusätze  sich  unterschieden: 
as  Kölnische,  1581,  1619;  (ms  Mainzer,  Münchener,  1606;  das 
Faderborner  (bis  in  die  neue  Zeit  wenigstens  50  Auflagen);  das 
Würzburger  1628  u.  s.  w.  Unter  den  Dichtern  ragen  hervor: 
Ullenberg,  welcher  den  ganzen  Psalter  in  strophische  Lieder 
übersetzte  und  sie  mit  Melodien  versah;  der  Jesuit  Friedrich 
Spee  (t  1635)  und  Angelus  Silesius  (Scheffler)  von  Breslau 
(um  1(^6). 

Über  das  protestantische  Kirchenlied    genüge    folgendes: 
Luther   behielt  den  lateinischen  Kirchengesang  noch  einige  Zeit 
bei  aus  Mangel  an  genügenden  deutschen  Gesängen ;  die  katholi- 
schen musste  man  erst  umformen,  viele  konnte  man  gar  nicht  mehr 
brauchen,  so  die  Marienlieder;   es  war  demnach  eine  grosse  und 
Zeit  raubende  Arbeit,  das  ganze  Kirchenjahr  mit  passenden  Lie- 
dern  zu   versorgen.      Darum   die    Mahnung   Luthers    an    seine 
Freunde,   sich  mit  der  Dichtung  solcher  Lieder  zu  beschäftigen. 
Es  kann  deswegen   nicht  überraschen,    zu   sehen,   dass   die  Ke- 
formatoren  nach  dieser  Seite  hin  eine  Rührigkeit  entfalteten,  die 
bald  eine  wahre  Flut  von  Gesangblättern  und  deutschen  Gesang- 
büchern, ein«  beispiellose  Produktivität  bei  Berufenen  und  Un- 
)erufenen  in  dichterischer  und  musikalischer  Beziehung  und  einen 
virklichen  Aufschwung  des   deutschen  Kirchengesanges  hervor- 
ief ,  und  zuletzt  auch  einen  Rückschlag  auf  die  Gesangsverhält- 
isse   der  katholischen  Kirche  nicht  verfehlen  konnte.    Luther 

10* 


148  Kirchenlied. 

selbst  bearbeitete  einige  Lieder  und  formte  etwa  einige  ältere 
Melodien  um;  von  den  ihm  anfönglich  zugeschriebenen  36  Me-^ 
lodien  gehört  nach  neueren  Untersuchungen  keine  einzige 
Luther  als  Originalarbeit  an,  selbst  nicht  die  Melodie  zum 
Liede  „Eine  feste  Burg".  (Vergl.  Bäumker,  das  katholische 
deutsche  Kirchenlied,  b.  22  ff.)  Unter  den  protestantischen 
Liederdichtern  sind  hei-vorzuheben :  Paul  Speratus,  Justus  Jonas, 
J.  Agricola,  Spengler,  Spangenbe^,  Lobwasser:  aus  der  Zeit 
der  neueren  Poesie:  Opitz,  Weckherlin,  Flemming,  Job. 
Heermann,  Job.  Rist,  Neander,  Neumark,  Spenner,  Olearms  und 
vor  allen  der  fromme  Paul  Gerhard,  als  würdigster  Vertreter 
des  protestantischen  geistlichen  Liedes.  Aus  neuerer  Zeit:  Gel- 
iert, Klopstockj  Utz,  Gramer,  Jacobi,  Claudius^  Schubart,  Lavater, 
Herder,  isFovahs,  Arndt  u.  s.  w.  Ein  Zeugnis  der  grossen  Pro- 
duktivität an  Liedern  bei  den  Protestanten  gibt  das  Liederlexikon 
von  G.  L.  Hardenberg  (f  1786),  welches  in  fünf  Quartbänden 
72,732  Liederanfönge  (I)  enthält,  worin  freilich  mit  gutem  Waizen 
eine  Unmasse  von  Stroh  und  Häcksel  gemischt  erscheint, 

HL  Periode;  Diese  beginnt  um  die  Mitte  des  XVIH.  Jahi'h. 
und  charakterisiert  sich  dm*cn  die  nun  beginnende  Reform  der 
Gesangbücher.  Die  gelehi-te  Richtung  der  Poesie,  welche  zuerst 
durch  die  schlesische  Dichterschule  (deren  Gründer  Opitz  war 
und  welche  seit  dem  XVII.  Jahrb.  die  deutsche  Nationalutteratur 
beherrschte),  eingeführt  worden,  äusserte  ihren  Einfluss  auch 
auf  den  katholischen  deutschen  Kirchengesang  und  zwar  meist 
in  jener  stolzen  über  das  Alte  absprechenden  Weise,  die  sie  bis 
auf  die  Wirksamkeit  der  romantischen  Schule  beibehalten  hat. 
Die  alte  Sprache  der  bisherigen  Kirchenlieder  war  zum  Ärgernis 
geworden,  und  an  die  Stelle  der  so  viele  Jahrhunderte  hindurch 
vom  Volke  gesungenen  und  liebgewonnenen  Lieder  samt  ihren 
Melodien  wurden  über  200  neue  Texte  mit  neuen,  dem  neuen 
Geiste  auch  entsprechenden  Melodien  gesetzt,  Waren  diese  neuen 
Lieder  auch  ganz  gläubigem  und  recht  poetischem  Geiste  ent- 
sprossen, so  konnten  sie  doch  die  alten  schlichten,  aber  um  so 
tiefer  gefühlten  Lieder  nicht  ersetzen.  Gegen  Ende  des  Jahr- 
hunderts aber  wurde  die  „Verbesserung"  noch  schlimmer;  die 
tiefe  symbolische  Dogmensprache  musste  nüchternem  Rationa- 
lismus und  philanthropischer  Moralreflexion  weichen;  die  Kirchen- 
lieder trugen  nun  den  Charakter  der  Aufklärerei  und  Lehrhaftig- 
keit,  der  Verflachung  und  Vejrweltlichung.  Fast  allen  fehlt  es 
an  Einfalt,  Tiefe  und  Innigkeit  der  Empnndung,  und  während 
man  sich  an  Gott  wendete,  hatte  man  eigentüch  die  Absicht^ 
dem   Volke   etwas  vorzupredigen.    Übrigens  soll   hiermit  nicht 

fesagt  sein,   dass  unter  mesen  neuen  Liedern  nicht  auch  Perlen 
irchlicher  Poesie  sich  fanden. 

In  neuester  Zeit  wird  man  sich  des  Übels  mehr  und  mehr 
bewusst,  und  man  geht  wieder  auf  die  alten  Lieder  zurück;  mit 
den  Melodien  zwar  nat  man  leichtere  Arbeit,  nicht  so  geht  es 
mit  den  Texten,  deren  altertümliche  Sprache  man  unmöglich 
beibehalten  kann.  Unterdessen  sind  mehrere  Werke  von  Bedeu- 
tung in  die  Öffentlichkeit  getreten,  welche  eine  dem  ku'chlichen 
Geiste  mehr  entsprechende  Reform  des  katholischen  deutschen 
Kirchengesanges    anbahnen   könnten.      Solche    sind:     „Cantioa 


Kirchenlied.  149 

«)iritualia^  (München  1845,  Regensburg  1869),  Sammlungen  von 
Kirchenliedern  von  Simrock,  Hölscher,  Kehrein,  Bone*  u.  a.; 
Fr.  BoUenB  „Der  deutsche  Choralgesang"  (Tübingen  1851).  Das 
vorzüglichste  Werk  isii:  „Das  katholische  deutsche  Kirchenlied** 
von  Sev.  Meister,  neu  bearbeitet  von  W.  Bäumker  (Freiburg 
1885,  1886).  Sehr  beachtenswert  sind  noch:  „Ein  Wort  zur 
Gesangbuchsfrage**  von  P.  G.  Dreves  (ebenda)  und  J.  Mohrs 
-Psälterlein**  nä^st  „Einleitung  und  Quellennachweis**  (Regens- 
burg 1891). 

Was  die  Melodien  der  Kirchenlieder  anbelangt,  so  sind 
sie  ein  wesentlicher  Teü  derselben  und  häufig  noch  wichtiger 
als  der  Text;  sie  stehen  oft  in  so  inniger  Ver Bindung  mit  dem 
Texte,  dass  sie  durch  keine  anderen  ersetzt  werden  können  und 
es  ein  Missgriff  ist,  gewisse  Melodien  wieder  anderen  Texten 
unterzulegen.  Das*  Herz  fühlt  sich  zunächst  in  der  Melodie  und 
das  Volk  hat  gemeiniglich  diese  im  Sinne,  wenn  es  von  einem 
schönen  Liede  spricht;  gerade  durch  die  Melodie  wird  das 
Wort  in  die  Seele  gesenkt  und  wieder  aus  derselben  hinauf  zum 
Hinmiel  getragen.  Leider  kennt  man  von  den  ältesten  Melodien 
keine  mehr;  sie  gingen  teils  verloren  oder  man  kann  die  in 
Neumenschrift  auibewahrten  nicht  mehr  entziffern,  teils  erlitten 
^e  durch  die  Jahrhunderte  hindurch  mancherlei  Umgestaltungen, 
dass  es  unmöglich  ist,  ihre  ursprüngliche  Gestalt  zu  erkennen; 
und  als  die  Gesangslitteratur  begann,  zeichnete  man  die  gewöhn- 
lichsten gar  nicht  auf  als  schon  „jedermann  bekannt**.  Jeden- 
falls sind  die  älteren  Gesänge  sehr  einfach,  ohne  grossen  Ton- 
umfang ffewesen,  wahrscheinhch  den  ernsten  Charakter  des 
Gregonamschen  Chorals  tragend.  Die  aus  Übersetzungen  ent- 
standenen Lieder  erhielten  regelmässig  die  Melodien  ihrer  latei- 
nischen Urtexte;  oft  nahm  man  auch,  wie  Leigetritt  gethan  hat, 
nur  Stücke  aus  Gregorianischen  Gesängen,  z.  B.  aus  Sequenzen 
u.  dgl.,  und  legte  innen  deutsche  Texte  unter;  je  nachdem  sie 
einer  Zeit  angehörten,  tragen  sie  entweder  das  Gepräge  der 
Kirchentonarten,  oder  neigen  sich  mehr  dem  Volksmässigen  zu. 
Denn  auch  die  Choralmelodien  nach  dem  XIII.  Jahrh.  finden 
sich  häufig  nur  mehr  in  der  jonischen,  den  harten  Tonarten 
unserer  Tonkunst  näher  stehenden  Tonart.  Der  volksmässige 
Ton  findet  sich  vornehmlich  bei  denjenigen  Liedern,  welchen 
man  liebhche  Weisen  weltlicher  Lieder  unterstellte  oder  welche 
aus  weltlichen  Liedern  mit  Beibehaltung  ihrer  Melodien  zu  geist- 
lichen umgedichtet  wurden.  Solches  fand  besonders  im  XV.  ißhrh. 
statt,  jedoch  weisen  die  kirchlichen  Gesangbücher  deren  nur  eine 
geringe  Anzahl  auf. 

Femer  ist  auch  in  der  Form  der  Melodien  ein  allmählicher 
Übergang  vom  Einfachen  oder  streng  Choralmässigen  zum  mehr 
Ausgeschmückten  und  Figuralen  bemerklich.  Diejenigen  Gesang- 
bücher, welche  mehr  dem  Volksliede  Rechnung  tragen,  bringen 
die  Singweisen  vielfach  mit  Verschnörkelungen  und  Zuthaten, 
welche  im  Volksmunde  nach  und  nach  entstanden  waren,  so 
namentlich  das  Mainzer  Cantual  (1605)  und  Corner  (1625).  Bei 
späteren  macht  sich  der  Einfiuss  der  Figuralmusik  mehr  und 
mehr  geltend,  so  dass  wir  z.  B.  im  Münsterschen  (1677)  Gesang- 
buche auch   die  altkirchliehen  Hymnenmelodien  rhythmisch  und 


150  Kirchenlied. 

melodisoh  mehr  ausgestaltet  finden  ^  und  daran  die  Spuren  all- 
mählicher Verweichlichung  des  kirchlichen  Gesanges  oemerken. 
Schon  die  Comerschen  Bücher  beschränken  sich  nicht  mehr 
bloss  auf  den  älteren  geistlichen  Volksgesang,  sondern  beinick- 
sichtigen  zugleich  die  verweltlichte  Richtung  ihrer  Zeit  und 
nehmen  viele  Weisen  auf,  welche  schon  Corner  selbst  als  „etwas 
frisch  und  liederlich"  bezeichnete.  Am  meisten  mag  diese  Rich- 
tung durch  die  „geistlichen  Hirtenlieder"  des  Angelus  Silesiua 
gefördert  worden  sein.  Die  Aufnahme  solcher  Smgweisen  bei 
jüngeren  katholischen  Gesangbüchern  kann  weniger  befremden, 
da  bei  diesen  nicht  ein  rein  Kirchlicher  Zweck  vorlag.  Die  Titel 
vieler  Gesangbücher  weisen  ausdrücklich  auf  den  Gebrauch  ausser 
der  Kirche,  z.  B.  „in  und  vor  den  Häusern,  im  Feld"  u.  dgL. 
Übrigens  war  bei  den  Katholiken  das  Kirchenlied  nie  scharf  vom 
weltlichen  geschieden,  wie  dies  bei  den  Protestanten  der  Fall  ist. 

Die  neueren  Melodien  tragen  durchweg  den  Typus  ihrer 
Zeit,  teUs  süsslich  sentimental,  teils  gänzlich  nichtssagend  imd 
leer,  wie  es  sich  z.  B.  im  Fuldaischen  Gesangbuche  1780  zeigt. 

Eine  Frage  ist  noch  zu  beantworten:  „Beteiligte  sich  das 
Volk  früher  aurch  deutschen  Kirchengesang  am  Gottesdienste^, 
und  in  welchem  Verhältnisse  steht  dieser  zum  lateinischen 
Gesänge?"  Melanchton  selbst  sagt:  „Dieser  Gebrauch  (dass  das 
Volk  m  der  Kirche  singe)  ist  allezeit  für  löblich,  gehalten  wor- 
den in  der  Kirche.  Denn  wiewohl  an  etlichen  Orten  mehr,  an 
etlichen  Orten  weniger  deutsche  Gesänge  gesungen  worden,  so 
hat  doch  in  allen  Kirchen  je  etwas  das  Volk  deutsch  gesungen, 
darum  ist  es  so  neu  nicht."  Das  Volk  sang  bei  Bittgärigen,. 
Wallfahrten,  an  Kirchweih-  und  Heiligenfesten ;  beim  Gottesdienste 
in  Abwechselung  mit  dem  Sängerchore;  so  wechselten  nament- 
lich deutsche  Strophen  betreffender  Festlieder  mit  den  einzelnen 
Sätzen  der  Sequenzen.  Die  Liturgie  bot  ausserdem  Zwischen- 
zeiten, in  welche  das  Volk  singend  eintreten  konnte,  z.  B.  nach 
der  Wandlung  oder  bei  der  Kommunion,  wofür  die  Überschriften 
•uralter  Lieder  noch  zeugen.  Auch  bei  der  Weihnachtsfeier,  bei 
den  dramatischen  Feierfichkeiten  auf  Ostern,  Himmelfahrt  u.  dgl. 
war  das  Volk  mit  deutschen  Gesängen  bet-eihgt.  Nach  der  Ke- 
formation  nahm  man  allerdings  mehr  Bedacht,  den  deutschen 
Gesang  auch  während  der  heihgen  Messe  an  der  Stelle  des 
lateinischen  Platz  greifen  zu  lassen.  (Dazu  ist  das  Gesangbuch 
von  Leisetritt  schon  eingerichtet.)  Diese  Konzession,  welche  man 
der  Reformation  gegeniiber  machte,  kam  später  zu  entschiedener 
und  vollständiger  Geltung,  wenn  auch  stets  unter  Vorbehalt  und 
Wahrung  des  lateinischen  Kirchengesanges.  In  Süddeutschland, 
wo  die  katholische  Religion  über  dem  Protestantismus  das  Über- 
gewicht behielt,  kam  der  deutsche  Volksgesang  in  den  Kirchen 
nie  zu  so  ausgedehntem  Gebrauche,  wie  in  den  Ländern,  wo  die 
Reformation  sich  besonders  geltend  gemacht  hatte.  Der  Volks- 
gesang (d.  h.  in  so  ausgedehntem  Masse)  konnte  gegenüber  dem 
Gregorianischen  Choral  und  später  bis  in  die  neueste  Zeit  der 
figurierten  und  Instrumentalmusik  gegenüber  nie  feste  Wurzel 
fassen,  so  dass  die  organisatorischen,. Befehle  eines  Kaisers  Jo- 
seph II.  notwendig  waren,  um  in  Osterreich  den  deutschen 
Volksgesang  etwas  in  Gang  zu  bringen. 


Kirchenmusik.  151 

Wie  in  früheren  Zeiten  Konzilien  sich  gegen  den  Gebrauch 
der  Landessprache  bei  den  Kirchengesängen  ausgesprochen,  so 
ist  es  noch  jetzt  der  Fall,  und  deutsche  Kirchenlieder  werden 
nur  mit  Einschränkungen  gebilliget  und  auf  öberhirtliche  An- 
ordnung unter  Berücksichtigung  besonderer  Umstände  zugelassen. 
Als  Belege  für  solche  Einschränkungen  dienen  mehrere  bischöf- 
liche Erlasse,  welche  sich  hiei*tiber  bestimmter  aussprechen, 
besonders  ein  Aussohreiben  des  Bischofs  Wilhelm  von  Trier,  d.  d. 
7.  März  1856,  und  eine  Verordnung  des  Bischofs  Valentin  von 
Regensburg,  d.  d.  16.  April  1857.  In  letzterer  heisst  es  (VI.  4): 
„Kirchliche  Gesänge  in  der  Landessprache  sollen  nur  bei  gerin- 
geren Feierlichkeiten,  bei  Volksanaachten,  bei  Prozessionen, 
Bittgängen,  Abendandachten  (nicht  aber  bei  dem  Hochamte  und 
den  feierlichen  Vespern)  zur  Anwendung  kommen,  auch  bei  der 
heiligen  Messe,  wenn  diese  still  gelesen  wird;  nur  soll  in  letzte- 
rem Falle  der  stillen  Andacht  des  einzelnen  gleichfalls  Raum. 
fegeben  werden.  Es  dürfen  aber  in  der  Kirche  nur  solche  Lie- 
er  gesungen  werden,  welche  nach  Text  und  Melodie  dem 
katholischen  Geiste  entsprechen,  die  Gemüter  zur  Andacht  stim- 
men und  kirchliche  Approbation  für  sich  haben.  Und  in  dieser 
Auffassung  verdient  der  kirchliche  Volksgesang  als  besonders 
erbauhch  m  möglicher  Weise  gefördert  zu  werden."  —  In  neuester 
Zeit  sind  für  mehrere  deutsche  Diöcesen  neue  Gesangbücher  be- 
arbeitet worden,  denen  grossenteüs  die  Arbeiten  von  Meister- 
Bäumker  und  Jos.  Mohr  zu  Grunde  liegen. 

Kirchenmusik.  Die  Aufgabe  dieses  Artikels  ist,  die  Ge- 
schichte der  Kirchenmusik  nach  ihren  Hauptmomenten  vorzu- 
fuhren. Die  Kenntnis  derselben  ist  für  den  Kirchenmusiker  in- 
sofern von  hoher  Bedeutung,  als  er  daraus  ersieht,  wie  die 
Kirche  es  mit  ihrer  Musik  von  Anfang  an  gehalten,  gleiche 
Prinzipien  für  sie  unabänderlich  —  weil  in  der  Natur  der  Sache 

felegen  —  durch  alle  Jahrhunderte  festgehalten  hat,  imd  was 
urch  die  menschliche  Schwachheit  Fehlerhaftes  sich  einge- 
mischt, immer  wieder  zu  verbessern  suchte;  das  wird  ihm  zur 
klareren  Einsicht  in  das  Wesen  der  kirchlichen  Musik  selbst 
verhelfen  und  vor  einseitigen  Anschauungen  bewahren. 

Um  aber  mit  möglichster  Klarheit  voranzugehen,  halte  ich 
es  für  geeignet,  die  Geschichte  der  Kirchenmusik  nach  ihren 
Gattungen:  Choral,  harmonische  Gesangsmusik,  instru- 
mentierte Kirchenmusik  in  drei  Partien  zu  behandeln. 

I.    Geschichte     der     einstimmigen    Kirchenmusik 
oder  des  Chorals;   Von  den  ersten  Zeiten  des  Christentums  an 
galt  die  Musik,  resp.  der  Gesang  als  ein  wichtiges  Beförderungs- 
mittel der  Andacht  und  Erbauung  sowohl  für  die  Singenden  als 
Hörenden,  und  ward  deshalb  von  Seiten  der  Kirchenobern  jeder- 
zeit  sorgfältig  gepflegt.    Hat  ja   das   Christentum   selbst   einen 
dusikalischen   Anfang  genommen,  indem   der  Welterlöser  und 
•tifter  unserer  heüigen  Keligion  unter  dem  Lobgesange  der  himm- 
schen  HeiTscharen  in   die  Welt   eintrat.    Christus   der   Herr 
at   durch  sein   eigenes  Beispiel   den   Gesang   geheiliget;   nach 
Einsetzung  des  hemgen  Abendmahls  stimmte  er  den  Lobgesang 
1  (Matth.  26,  30).    Dem   Beispiele   des  Herrn   folgten  die  Apo- 
iel,  welche  in  ihren  Briefen  den  Gläubigen  anempfehlen,  Gottes 


152  Kirchenmusik. 

Lob  zu  singen  (Kol.  3^  15;  Eph.  5,  19;  u.  a.  m.).  Da  die  Psal- 
men den  eigentlichen  Kern  des  gottesdienstliohen  Gesanges  bei 
den  ersten  Christen  ausmachten,  neben  welchen  noch  einige 
Lobgesänge,  Cantica,  zur  Anwendung  kamen,  so  trugen 
ohne  Zweifel  die  Melodien  hebräischen  Tirpus.  Neben  diesen 
Gesängen  mögen  auch  bald  solche  Lobgesänge  entstanden  sein, 
welche  augenblicldicher  Begeisterung  entsprangen  —  Geistes- 
ge sänge,  wie  sie  der  heil.  Paulus  nennt,  und  welche  man  des 
Eindruckes  halber,  den  sie  machten,  bei  vorkommenden  Gelegen- 
heiten mit  einigen  Wendungen  vielleicht  wiederholte;  besonders 
waren  hierfür  die  Agapen  günstig,  aus  denen  dann  diese  Ge- 
sangsweise wieder  in  das  kirchliche  Officium  übergegangen  sein 
mag.  Hieraus  leiten  die  spezifisch  christlichen  Gesänge  ihren 
Ursprung  ab;  sie  waren  gegründet  auf  die  Art  und  Weise  der 
gleichzeitigen  antiken  Tonkunst,  in  ihren  Melodien  den  griechi- 
schen Ghorgesängen  nachgebildet  mit  denselben  musikalischen 
Mitteln,  demselben  Tonmaterial,  nach  denselben  Tongesetzen  und 
Prinzipien,  aber  voll  von  neuem  christlichen  Gehalte  im  Geiste 
des  christlichen  Gebetes  als  der  Ausdruck  der  neugewonnenen 
christlichen  Ideen  von  Gott  und  dem  Verhältnis  der  Menschheit 
zu  ihm.  Wir  dürfen  kaum  einen  Zweifel  hegen,  dass  von  diesen 
Gesängen  die  besten  und  tauglichsten  bewahrt  und  immer  wie- 
der gesungen  wurden,  so  dass  sie  in  treuer  Tradition  auf  die 
folgenden  Jahrhunderte  kamen;  die  Treue  und  Sorgfalt,  mit 
welcher  die  Hirten  über  andere  Dinge  chiistlichen  Wesens 
wachten,  Hess  gewiss  auch  nicht  die 'aufgenommenen  Gesänge 
aus  dem  Auge.  Viele  unserer  Kiröhengesänge ,  deren  Ursprung 
so  weit  hinauf  reicht,  dass  man  für  ihr  Entstehen  kein  Doku- 
ment mehr  hat,  mögen  diesen  ersten  christlichen  Zeiten  ent- 
stammen, wie  auch  die  Psalm-  und  andere  Recitationstöne  un^ 
streitig  den  apostolischen  Zeiten  angehören;  einige  im  Laufe 
der  Zeiten  vorgenommene  Veränderungen  kommen  hierbei  nicht 
in  Betracht. 

In  den  allerersten  Zeiten  sang  die  ganze  Gemeinde,  doch 
bald,  als  die  Liturgie  sich  mehr  ausbildete  und  die  Gemeinden 
zahlreicher  wurden,  oeteiligte  sich  das  Volk  weniger  daran;  die 
apostolischen  Konstitutionen  (lib.  II.  c.  57)  schreiben  vor,  dass 
das  Volk,  nachdem  ein  Sänger  einen  Psalm  gesungen,  am  Ende 
in  den  Gesang  einfalle  (extrema  versuum  succinat)  und  auch  auf 
das  vom  Diakon  Gesprochene  (Recitierte)  mit  Kyrie  eleison  ant- 
worte. Solche  Melodien,  wie  überhaupt  die  Gesänge  der  ersten 
Jahrhunderte  müssen  einfach,  von  geringem  Tonumfang  und  un- 
gekünstelt gewesen  sein.  Zur  guten  Ordnung  des  Ganzen  war 
neben  den  Sangern  ein  Vorsänger,  Primicerius,  Praecentor,  Mo- 
nitor, Canonarcha  genannt,  aufgestellt. 

Die  geistlichen  Oberhirten  sorgten  dafür,  dass  die  Gläu- 
bigen den  nötigen  Gesang  wohl  enemten,  und  aus  der  Zeit 
Konstantins  werden  uns  zwei  Männer,  Flavian  und  Diodor,  ge- 
nannt, welche  sich  angelegen  sein  liessen,  das  Volk  im  Gesänge 
(per  vices  —  wahrscheinlicn  im  Wechselgesange)  zu  unterrichten. 
Der  Wechselgesang  wurde  nach  Theodoret  zuerst  in  Antiochia 
angewendet  und  verbreitete  sich  vom  Orient  aus  nach  dem  Oo- 
cident,  wo  det  heil.  Ambrosius  ihn  eingeführt  haben  solL 


Kirchenmusik.  153 

Als  im  IV.  Jahrh.  die  Christenverfolgungen  aufhörten,  der 
Kultus  in  erhabener  Weise  aufzublühen  begann  und  die  Liturgie 
mit  grösserem  Glänze  sich  vollzog,  nahm  auch  die  kirchliche 
Musik  einen  hö'heren  Aufschwung.  Fromme,  wissenschaftlich 
gebildete  Päpste  und  Bischöfe  unternahmen  es,  den  Kirchen- 
gesang zu  ordnen  und  gewisse  Modulationen  filr  denselben  fest- 
zustellen, überhaupt  Emheit  und  Zusammenhang  in  den  litur- 
S lachen  Gesang  zu  bringen.  Im  Oriente  ragen  als  besondere 
eförderer  der  kirchlichen  Musik  hervor:' der  heil.  Basilius 
zu  Gäsarea  (f  379)  und  der  heil.  Äthan asius  zu  Alexandria 
<t  363);  in  der  abendländischen  Kirche  werden  als  solche  die 
Päpste  Damasus,  Leo  L,  Gelasius,  Symmachus,  Johan- 
nes L,  Bonifa zius  IL  namhaft  gemacht.  Ein  besonderes  Ver- 
dienst aber  hatte  sich  der  heil.  Ambro sius,  Erzbischof  von 
Maüand  (f  397)  um  die  Verbesserung  des  Kirchengesanges  er- 
worben, welchem  er  durch  Feststellung  von  vier  Tonarten  eine 
systematische  Grundlage  gab ;  auch  das  Volk  zog  er  wieder  mehr 
zum   Psftlmengesange   heran  und   verfasste   in  frommer  Gottbe- 

feisterung  menrere  der  erhabensten  Kirchenhymnen,  welche  ihre 
estimmte  Stelle  in  den  Hören  des  kirchlichen  Officiums  erhiel- 
ten. Seine  Gesangsweise,  die  Ambrosianische  genannt ^  ver- 
breitete sich  bald  auch  nach  Gallien,  Spanien  u.  dgl.,  wo  sie  bis 
ins  VIII.  und  IX.  Jahrh.  die  herrschende  blieb. 

Der  seit  dem  IV.  Jahrh.  modulationsreicher  gewordene 
und  durch  Ambrosius  auf  bestimmtere  Gesetze  gegründete  Ge- 
sang erforderte  gebildetere  Sänger,  so  dass  man  sich  veranlasst 
fand,  eigene  Scnulen  hierfür  zu  gründen;  als  Gründer  solcher 
wohl  organisierter  Schulen  nennen  die  Geschichtschreiber  die 
Päpste  Silvester  (314)  und  Hüarius  (461). 

Wie  sich  die  Musik  weiter  entwickelt  hat,  darüber  wissen 
wir  nichts;  die  Grundlage  blieb  ein  paar  Jahrhunderte  die  Am- 
brosianische in  den  occidentalischen  Kirchen,  bis  der  heü.  Papst 
Gregor  d.  Gr.  (590—604)  mit  einem  erweiterten  Systeme  auftrat 
und  der  Musik  eine  entwicklungsfähigere  Basis  schuf.  Ohne 
Zweifel  hatten  sich  neue  und  umfangreichere  Gesänge  gebildet, 
füi'  welche  der  Rahmen  des  alten  ^stems  nicht  mehr  passte, 
vielleicht  hatte  Studium  und  die  Musikübung  selbst  fähige  Gei- 
ster auf  eine  naturgemässe  Anordnung  und  ausgedehntere  Be- 
nützung des  Tonreiches  geführt.  Gregor,  wie  «r  mit  seinem 
vorzügfichen  Organisationstalente  die  ganze  Liturgie  neu  geord- 
net und  festgestellt  hatte  (in  den  Hauptzügen  ist  sie  die  näm- 
liche, wie  heutigen  Tages),  unternahm  es,  durcn  diese  Organisation 
eigentlich  selbst  genötigt  ^  auch  den  Kirchengesang  zu  ordnen, 
<iie  alten  Melodien,  soweit  sie  entsprechend  waren,  zu  fixieren 
oder  zu  verbessern,  die  unbrauchbaren  fortzulassen  und  durch 
neue  zu  ersetzen,  alle  aber  auf  bestimmte  Regeln  und  Gesetze 
ztuückzuführen,  die  er  in  seinem  Systeme  von  acht  Tonarten 
oder  Oktavenreihen  und  in  gewissen,  zu  diesen  gehörigen  Melo- 
dien, sogenannte  Tropen,  festgestellt  hatte.  Die  nun  für  die 
Liturgie  angenommenen  und  genau  bestimmten  Gesänge  sam- 
melte er  in  ein  Buch,  Antiphonarium  centonem,  wo  sie. 
über  und  neben  dem  Texte  mit  Neumen  aufgezeichnet  waren; 
dies  Buch  deponierte  er  am  Altare  des  heil.  Petrus*  als  Norm  für 


154  Kirchenmusik. 

alle  Zeiten  und  gründete  zur  euten  Aufführung  des  Kirchen- 
gesan^es  und  zur  Reinerhaltung  der  Melodien  eine  eigene  Schule^ 
resp.  richtete  die  alte  Schule  neu  ein,  und  erteüte  in  ihr  an  die 
dort  aufj^enommenen  Schüler  in  eigener  Person  fleissif  Unter- 
richt. Diese  neu  gewonnene  Gesangsweise  erhielt  von  ihm  den 
Namen  ,,Gregorianischer  Gesang**,  später  Choral,  cantus. 
choralis,  weil  fortwährend  im  Chore  der  Klöster  und  Stifter 
gebraucht,  dann  auch  cantus  romanus  zum  Unterschiede  von 
jedem  anderwärts  gebräuchlichen  Gesänge,  und  cantus  planus- 
und  firmus  im  Gegensatze  zu  dem  mensurierten  und  figurierten 
Gesänge  geheissen. 

Nach  Ablauf  von  200  Jahren  sehen  wir  diesen  Gesang- 
schon überall  herrschend.  Den  Bemühungen  der  Päpste  um 
Verbreitung  der  römischen  Liturgie  und  des  damit  verbundenen. 
Gesanges  zur  Herstellung  der  einer  inneren  Einheit  des  Glauben», 
entsprechenden  äusseren  Einheit  kam  die  Bewunderung  entgegen, 
welcne  diesem  römischen  Gesänge  wegen  seiner  Vortrefflichkeit 
von  aussen  zu  teil  wurde.  Die  Päpste  sendeten,  gebeten  imd 
auch  unaufgefordert,  Abschi'iften  des  Antiphoiiaroriginals  und 
geschulte  Sänger  in  andere  Länder,  wie  Gregor  selbst  für  Eng- 
land that.  In  verschiedenen  Gegenden  Deutschlands  fand  der 
Gregorianische  Gesang  seine  Einführung  durch  die  Glaubens- 
boten, hauptsächlich  im  VIIL  Jahrh.  unter  Gregor  IL,  so  nament- 
lich in  Bayern,  festere  Begründung  aber  durch  den  heü.  Boni- 
fazius,  welcher  mehrere  Schulen,  worin  auch  der  Gesang  sorgfältige 
gepflegt  ward,  gründete,  z.  B.  in  Fulda,  Eichstädt,  Würzburg» 
In  Frankreich  machte  sich  der  römische  Gesang  um  714  geltend 
und  verdränete,  auch  schon  durch  Pipins  Bemühen,  gegen  Ende 
des  Jahrh.  oie  gallikanische  Weise.  Namentlich  war  es  Karl 
d.  Gr.,  welcher,  persönlich  für  diesen  Gesang  eingenommen ^  in 
den  seiner  Herrschaft  unterworfenen  Ländern  mit  allen  in  seiner 
Gewalt  stehenden  Mitteln  allenthalben  ihn  zur  Geltung  zu  brin- 
gen suchte,  mit  Hilfe  von  römischen  Sängern  und  authentischen 
Abschriften  des  Antiphonars  die  falschen  Singweisen  verbesserte, 
Singschulen  einzuricnten  und  gründlichen  Unterricht  zu  er- 
teilen befahl. 

Bislang  war  man  im  unklaren,  welches  der  Unterschied 
zwischen  dem  Ambrosianischen  und  Gregorianischen  Gesänge 
sei,  da  Ambrosianische  Monumente  fehlten  und  man  zur  Beurtei- 
lung fast  nur  auf  scheinbar  sich  widersprechende  Angaben 
älterer  Theoretiker  angewiesen  war.  Die  neueste  Zeit  hat  auch 
in  diese  Angelegenheit  Licht  gebracht.  Es  kam  durch  den 
Antiquar  Rosenthal  in  München  ein  Manuskript  zum  Vorschein, 
welches  die  Ambrosianischen  Gesänge  für  das  Officium  und  die 
Messe  vom  1.  Adventsonntage  bis  zum  Karsamstage  enthält, 
und  dessen  Alter  von  Sachverständigen  ins  XL  Jahrh.  gesetzt 
wird.  Die  Melodien  sind  in  guidoniscner  Schrift,  d.  h.  mit  Neu- 
men  auf  Linien  verzeichnet,  so  dass  sie  keiner  Beanstandung 
unterliegen  können.  P.  Anselm  Kienle  von  Beuron  unternahm 
es,  eine  Vergleichung  dieser  Gesänge  mit  den  Gregorianischen 
anzustellen  und  die  Aufmerksamkeit  auch  auf  die  Texte  zu 
richten,  welche  in  beiden  Liturgien  an  gleicher  Stelle  vorkom- 
men;  deren  sind   sehr   wenige   und   auch  diese  stimmen  nur  in 


Kirchenmusik.  155 

gewissen  Stücken  und  nie  vollkommen  überein.  Die  Resultate 
seiner  Untersuchung  veröffentlichte  er  in  den  „Studien  und  Mit^ 
teüimgen  aus  dem  Benediktinerorden,  V.  Jahrg.  1884,  Raigern". 
Es  ergibt  sich  daraus,  dass  ein  charakteristischer  Unterschied 
zwischen  beiden  Gesangsweisen  stattfindet,  beide  stets  neben- 
einander bestanden  und  der  Gregorianische  Gesang  keineswegs 
eine  blosse  Weiterbüdung  des  Anabrosianischen  ist. 

Beide   beruhen   auf    den  gleichen    acht   Tonarten,    haben 

fleichen  freien  Rhythmus,  wobei  die  Bewegung  auf  den  kleinen 
ongruppen  beruht,  die  durch  ihr  Ebenmass  m  Zahl  der  Töne 
und  Klang  der  Intervalle  einen  klaren  Rhythmus  bewirken;  bei 
beiden  ist  die  Melodie  bald  einfach,  bald  reich  ausgestattet,  doch 
am  reichsten  beim^  Ambrosianischen.  Aber  beide  atmen  einen 
verschiedenen  Geist;  während  der  erster e  seine  Motive  mit  vieler 
melodischer  Ornamentik  umwirkt,  und  sie  gleichsam  mit  süd- 
lichem Reichtum  ausstattet,  gibt  der  römische  Gesang  selbst  das- 
Gleiche  in  km'zgefasstem  Ausdrucke.  Dom  Pothier  sagt:  „Die 
Ambrosianischen  Melodien  sind  ein  kunstvoller  Gesang,  sie  haben 
Schwung,  Begeisterung,  tiefe  Empfindung  und  eine  ungeahnte 
Melodierulle,  aber  uns  erscheinen  sie  fremd.  Der  Gregorianische 
Gesang,  obwohl  er  der  Harmonisierung  oft  bedeutende  Schwie- 
rigkeiten in  den  Weg  legt,  trägt  das  harmonische  Element 
stärker  in  sich,  als  der  Ambrosianische;  dieser  ist  in  dieser  Be- 
ziehung völlig  orientalisch,  oft  eine  Melodie  ohne  die  Möglichkeit 
der  Harmonisierung.  Die  Melodie  ist  lebensvoll^  aber  nicht  im 
modernen  Stil,  mit  Detailmalerei  und  subjektivier enden  Ausfüh- 
rungen, sondern  einfach  und  gross  im  Stile  der  alten  Malerei.'* 

Das  benannte  Manuskript,  welches  die  Ambrosianischen 
Weisen  in  guidonischer  Tonschrift  aufoezeichnet  enthält,  gibt 
sicheres  Zeugnis  über  die  Beschaffenheit  dieses  Gesanges  im 
XI.  Jahrb.,  wie  solche  Zeugen  andererseits  der  Gregorianische' 
Gesang  aufzuweisen  hat.  Daraus  könnte  man  mit  Recht  schlies- 
sen,  dass  diese  beiden  Gesangsweisen  ihren  eigentümlichen 
Charakter  schon  durch  ihre  Urheber  erhielten,  sowie  es  auch 
wahrscheinlich  wird,  dass  die  Melodien  wenigstens  der  Haupt- 
sache und  den  Grundzügen  nach  ie  zu  den  Zeiten  des  heil. 
Ambrosius  imd  des  heil.  Gregor  dieselben  wie  im  XI.  Jahrh.  waren. 

Leider  war  die  damals  gangbare  Notenschrift,  die  Neu- 
m  e  n ,  nicht  imstande,  Abweichimgen  im  Gesänge  zu  verhindern,  und 
so  tauchten  an  verschiedenen  Orten  Varianten  und  fehlerjiafte 
Gesänge  auf,  welche  oft  viel  Anlass  zur  Klage  gaben  und  den 
Wunsch  nach  einer  besseren  Notenbezeichnung  wachriefen;  aber 
alle  Versuche,  so  sehr  sie  auch  die  Reinheit  der  Melodien  schütz- 
ten, erwiesen  sich  als  unpraktisch  und  gewannen  keine  weitere 
Verbreitung,  so  die  Buchstabenmethode  Oddos,  die  Zeichenschrift 
Hucbalds  und  Hermanns. 

Unterdessen  nahm  auch  die  Gesangsbüdung  einen  höheren 
Aufschwimg,  wozu  namentlich  die  fränkische  Hofsingschule  bei- 
trug; überhaupt  blieb  die  ganze  durch  Karl  d.  Gr.  hervorgerufene 
ernste  Thätigkeit  in  Wissenschaften  und  Künsten  und  die  innige 
Beziehimg  von  Kirche  und  Staat  nicht  ohne  Einfluss  auf  Hebung 
1er  Tonkunst.  Die  Ausdehnung  der  kirchlichen  Riten,  die  häu- 
figeren und  glänzenderen  Kirchenfeierlichkeiten  und  die  in  religiösen 


156  Kirchenmusik. 

Dingen  nun  frei  aufwallende  Begeisterung  konnten  nicht  mehr 
Geimgen  finden  an  dem  Gregorianischen  Repei-torium;  man  er- 
laubte sich  keineswegs  eine  Änderung  oder  Zurücksetzung,  aber 
man  schmückte  die  Choräle  je  nach  dem  Grade  der  Feierlichkeit 
mit  Koloraturen  und  fügte  weit  ausgedehnte  Jubilen  an,  auch 
neue  Gesänge  wurden  iiber  neuen  Hymnen  und  Prosen  kompo- 
niert (Sequenzen  und  Tropen),  die  aber  das  Gepräge  des  Cna- 
rakters  der  verschiedenen  Völker  des  Abendlandes  bekamen. 
Eine  bedeutende  Veränderung  der  Gregorianischen  Weisen  ge- 
schah jedoch  da,  wo  man  einem  Jubilus  einen  Text  unterlegte, 
wodurch   die   Gestalt   des  Gesanges  und  die  Vortragsweise  oei 

fleichen  Noten  und  Intervallen  eine  andere  werden  musste.  Von 
em  Charakter  der  neuen  Melodien  aus  dieser  Zeit  sagt  der  Abt 
Oueranger  von  Solesmes,  welches  Kloster  in  dieser  Sache  wich- 
tige Forschungen  angestellt  hat:  „Die  vom  VIII.  bis  XI.  Jahrh. 
verfassten  Stücke  des  Kirchengesanges  kann  man  in  zwei  grosse 
Klassen  einteilen,  wovon  die  eine  aus  Stücken  besteht,  die  ganz 
•oder  teüweise  im  Gregorianischen  Stile  gehalten  sind,  die  andere 
-einen  neuen,  zugleich  rohen  und  schwerfallig  melodischen  Cha- 
rakter an  sich  trägt.  Diese  letztere  Klasse  teilt  sich  wieder  in 
Stücke,  die  mit  einem  Reim  und  gewissen  Versmass,  und  in  pro^ 
saische,  die  aber  mit  einer  gekünstelten,  und  was  den  Charakter 
angeht,  jener  der  Gregorianischen  Weise  ganz  fremdartigen 
Melodie  verseilen  sind." 

Vor  dem  IX.  Jahrh.  scheint  die  Komposition  der  Kirchen- 
melodien nicht  in  viele  Regeln  eingeengt  gewesen  zu  sein;  man 
beachtete  hauptsächlich  den  Ton,  m  welchem  man  komponieren 
wollte,  und  d^n  Tropus  oder  die  Formel,  in  welcher  die  Eigen- 
tümlichkeit des  Tones  besonders  hervorstach  und  auf  welche 
man  den  Schluss  zurückführte,  hielt  sich  innerhalb  des  Oktaven- 
umfanges  und  suchte  darin  dem  durch  den  Text  und  seine 
Stellung  bedingten   Gefühle   den  möglichst  guten  Ausdruck  zu 

feben.  Mit  dem  Aufleben  der  Wissenschaften  wendete  sich  das 
tudium  auch  der  musikalischen  Theorie  zu,  und  ins  Quadrivium 
aufgenommen,  ward  die  Musik  ein  notwendiges  Fach  für  jeden 
als  gelehrt  geltenden  Mann.  Wie  das  tiefere  Eindringen  in  die 
anderen  Wissenschaften  zum  Systematisieren  und  Organisieren 
der  menschlichen  Erkenntnisse  führte,  so  konnte  sich  die  Musik, 
in  den  Kreis  der  Wissenschaften  gezogen,  dem  auch  nicht  ent- 
ziehen, gewann  aber  dabei  wenig,  da  die  freie  Pflege  derselben 
als  Kunst  vielfach  gelähmt  und  ihre  Entwickelung  gehemmt 
wurde;  es  gereichte  ihr  die  oben  angesetzte,  bloss  auf  mathema- 
tische Berechnungen  gegründete  Tonlehre  mit  Ausschliessung 
des  zweiten  berecntigten  Schiedsrichters  über  Wohlklang,  näm- 
lich des  Ohres,  und  das  Zurückgehen  auf  die  Musiktheorie  der 
Griechen,  an  der  man  immer  festhielt,  nicht  zum  Nutzen;  es 
wurden  die  Melodien  oft  nur  mehr  Erzeugnisse  des  Verstandes, 
richtig  gelöste  Rechnungsexempel;  man  blieb  bei  den  mathema- 
tischen Verhältnissen  nicht  bloss  in  Beziehung  auf  die  Bestim- 
mung der  (melodischen)  Konsonanzen,  deren  bloss  sechs  bis 
^egen  das  XII.  Jahi*h.  genannt  werden  (tonus,  semitonus,  ditonus, 
semiditonus,  diatessaron,  diapente;  später  kamen  noch  für  seltene 
Fälle   diapente   cum   semitonio  und   diapente  cum  tono  hinzu), 


KirchenmuBik.  157 

sondern  man  trug  die  bevorzugten  Verhältnisse  (dupla,  sesqui- 
altera,  sesquitertia,  sesquiootava  proportio)  auf  alles  mögliche 
über:  auf  die  Einteilung  des  Textes  und  der  Melodie  m  Ab- 
schnitte, auf  die  Verbindung  der  Intervalle,  auf  die  Notenzahl 
der  zusammengeführten  Neumen  oder  Notengruppen,  auf  deren 
entsprechenden  Anfangs-  und  Schlusston  und  cue  Verlängeiimg 
der  Töne.  In  solch  minutiösem  Abwägen  glaubten  die  Theore- 
tiker dieser  Zeit  (als  Vorgänger  des  noch  subtileren  Mensural- 
systems) die  wahre  Schönheit  der  Form  gewinnen  zu  können. 

Der  Verschlimmerung  der  Gesänge  ward  erst  im  XI.  Jahrb. 
gründlich  vorgebeugt,  als  Guido  von  Arezzo  (1020)  das  Li- 
niensystem zm*  Geltung  brachte  und  den  sonst  unsicheren 
Neumen  einen  bestimmten  Platz  anwies.  Seine  That  kann  nicht 
hoch  genug  angeschlagen  werden,  da  es  jetzt  erst  möglich  ward, 
die  Melodien  dauernd  und  leicht  kennthch  zu  fixieren,  und  hier- 
durch einer  glücklichen  Entwickelung  des  ganzen  praktischen 
Musikwesens  die  Bahn  gebrochen  wurde.  Dass  Guido  auch  sonst 
in  der  Musiklehre  eine  hervorragende  Stelle  eingenommen  und 
eine  höhere  Stufe  der  Tonkunst  einführt,  zeigen  seine  Traktate 
im  Vergleiche  mit  früheren  Traktaten,  als  auch  der  Umstand, 
dass  er  von  folgenden  Lehrern  als  Autorität  angesehen  wird 
und  seine  Vorschriften  und  Regeln  stets  als  Grundlage  ange- 
nonmien  sind. 

Von  den  Männern,  welche  vor  oder  zur  Zeit  Guidos  sich 
um  die  Tonkimst  besonders  verdient  gemacht  haben,  seien  hier 
namhaft  gemacht:  im  Frankenreiche:  Alkuin,  der  Vorstand  der 
Hofschule  zu  Paris,  Amalarius,  dessen  Nachfolger,  Agobard 
von  Lyon,  Aurelian  von  Reom^,  Remigius  von  Auxerre^ 
Oddo  von  Clugny,  Hucbald  von  St.  Amand  in  Flandern;  in 
Deutschland  zeichneten  sich  in  der  Musik  besonders  aus:  das 
Kloster  St.  Gallen,  wo  Notker  Balbulus  die  ersten  Sequen- 
zen dichtete  und  komponierte,  Notger  Labeo  und  Tutilo 
treflfliche  Meister  waren;  die  Klöster  Reichenau  mit  seinen  Mei- 
stern Berno  und  Hermann  Gontractus;  St.  Emmeram  in 
Regensburg  u.  a.;  ruhmvoll  werden  noch  genannt:  Rhabanus 
Maurus  zu  Mainz,  Johannes  von  Fulda,  Regino  von  Prüm, 
Haymo  von  Halberstadt  u.  a.  m.  In  England  blühte  die 
Schule  zu  Oxford  und  eifrige  Beförderer  der  Musik  waren  der 
König  Alfred  der  Grosse,  (Trimbaldus,  Johannes  Scotus, 
Osbert  u.  a. 

Guidos  Traktate  blieben  nun  lange  Zeit  die  Grundlage  der 
ganzen  Musiklehre  und  die  späteren  Theoretiker  bringen  nur 
eine  und  die  andere  Erweiterung;  auch  der  Musikuntemcht  ge- 
wann an  Leichtigkeit  durch  die  Aretinische  Methode  oder  Sol- 
misation,  die  Anwendung  der  sechs  Süben  ut,  re,  mi,  fa,  sol,  la, 
welche  ein  Hexachord  bilden  und  welche  man  anfönglich  aufs 
Monochord  anwendete,  bald  aber  mit  ihnen  ein  System  —  die 
sogenannte  Guidonische  Hand  —  errichtete,  zum  Zwecke^ 
die  hage  des  Halbtones  genau  und  sicher  zu  bestimmen.  Als 
die  Linien  erfunden  und  dadurch  die  Anfangsnoten  des  cantus 
durahs  und  molUs  (zum  Überflusse  noch  mit  Buchstaben  ange- 
geben, aus  denen  sich  die  späteren  Schlüssel  bildeten)  sich  leiont 
oestimmen  Hessen,  kehrten  auch  die  nach  und  nach  vereinfachten 


158  Kirchenmusik. 

Neumen  ihre  Gestalt  in  die  schwarze,  sogenannte  Frankonote, 
welche  schliesslich  die  Oberhand  behielt  und  für  den  Choral  die 
nun  seit  Jahrhunderten  gebräuchliche  geblieben  ist. 

Diese  Fortschritte  auf  dem  theoretischen  imd  praktischen 
Felde  waren  natürlich  für  die  Kirche  von  hoher  Wichtigkeit, 
und  sie  war  nicht  mehr  auf  die  schwankende  Tradition  ange- 
wiesen, sondern  konnte  durch  leicht  verständliche  Notierung  die 
Einheit  und  Reinheit  der  Melodien  besser  bewahren.  Doch 
reichte  schon  lange  das  Gregorianische  Antiphonar  nicht  mehr 
aus;  wie  vom  VI.  bis  XL  Jahrb.,  so  auch  jetzt  und  noch  mehr 
als  früher,  drängten  die  neuen  Feste,  die  teils  örtliche,  teils 
allgemeine  Feier  fanden,  das  steigende  Kultur-  und  Glaubens- 
leben und  das  sich  vei'voUkommnende  Musikwesen  zur  Kompo- 
sition neuer  Melodien  zu  neuen  Texten;  wenn  auch  die  menr- 
stimmige  Musik  (X.  Jahrh.  das  Organum^  XL  Jahrh.  der  Discantus, 

XII.  und  XIII.  Jahrh.  die  Mensuralmusik)  nun  mehr  zu  keimen 
und  in  allgemeinere  Aufnahme  zu  kommen  anfing,  so  blieb  doch 
für  kirchliche  Zwecke,  namentlich  in  den  Klöstern  der  Unisono- 
gesang, der  Choral,  die  Hauptmusik,  und  nur  ausnahmsweise, 
an  Festtagen  etwa,  liess  man  die  neue  Musikgattung  zu.  Aber 
80  glatt  lief  auch  beim  Choral  nicht  alles  ab,  auch  da  gab  es 
Fehler  und  Missbräuche,  welche  die  Oberhii-ten  und  Synoden 
immer  wieder  rügen  mussten;  Künsteleien,  viele  freie  Kolora- 
turen, weitschweifige  Läufe  und  Passagen,  sinnliche  und  profane 
Weisen,  possenreisserische  Modulation  der  Stimmen  und  anderes 
mehr  tadeln  die  aus  jener  Zeit  erhaltenen  Synodalbeschlüsse  und 
Dokumente.  In  Frankreich  besonders  und  teilweise  in  Italien 
und  Deutschland  kamen  derlei  Missbräuche  vor;  in  den  Klöstern 
übrigens  hielt  man  sich  streng  an  die  ältere  einfache  Weise,  na- 
mentlich wird  dies  von  den  Kartäusern  gerühmt  (und  bald  auch  von 
den  Prämonstratensern). 

Nehmen  wir  Rücksicht  auf  die  Gesangsweise  selber  (die 
Texte  der  Paraphrasen,  Hymnen  und  Sequenzen  waren  sehr  oft 
ohne  allen  poetischen  (behalt,  obwohl  darunter  auch  sehr  viele 
Perlen  der  neiligen  Poesie  sich  finden),  so  können  wir  sie  wieder 
mit  Gueranger  also  bezeichnen:   ^Bei  den  Gesängen  des  XL   bis 

XIII.  Jahrh.  bildet  eine  träumerische  und  ein  wenig  ländliche, 
jedoch  sehr  angenehme  Melodie  den  Hauptcharakter.  Sie  wird 
nervorgebracht  durch  häufige  Ruhepunkte  auf  der  Finale  und 
der  Dominante,  in  der  Absiont,  ein  gewisses  weites  Mass  zu  be- 
zeichnen, und  durch  eine  lange  Dehnung  der  Noten  auf  dem 
letzten  Worte,  die  etwas  sehr  Anziehendes  hat.  Manche  haben 
einen  rascheren  und  lebhafteren  Gang,  untermischt  mit  Stellen 
von  zarter  und  süsser  Melodie,  oft  tritt  ein  düsterer  und  ernster 
Charakter  hervor;  aber  alle  diese  Stücke  haben  nicht  mehr  die 
grossartige  Einfachheit  der  Motive,  deren  Idee  das  Gregorianische 
Antiphonar  aus  der  Musik  der  Griechen  geschöpft  hat."  Übri- 
gens war  man  nicht  allezeit  so  neuerungssüchtig,  nur  neue  Me- 
lodien zu  erfinden;  oft  begnügte  man  sich,  alte  Melodien  für 
neue  Texte  zu  nehmen  oder  dieselben  teilweise  umzubüden,  wie 
€s  z.  B.  bei  den  Melodien  des  Festes  SS.  Corporis  Christi  der 
FaU  ist. 

Erst  mit  dem  Ende  des  XIII.  Jahrh.  trat  wie   in  anderen 


Kirchenmusik.  159 

litui'gisohen  Sachen  bei  manchen  Kirchen  auch  im  Kirchengesange 
eine  tiefgehende  Verschlimmerung  ein,  wozu  auch  noch  die 
nebenhergehende  Mensuralmusik  mit  ihren  Künsten  beitrug.  Man 
zwängte  nun  selbst  den  Chor  algesang  in  eine  Art  Mensur  ein, 
wovon  der  Traktat  des  Hieronymus  de  Moravia  Zeugnis  gibt. 
Aber  immer  sehen  wir  daneben  auch  die  ernsten  Bestrebungen, 
im  Gregorianischen  Gesänge  die  Reinheit  möglichst  zu  bewahren 
oder  wieder  herzustellen.  Durch  das  ganze  AlV.  und  XV.  Jahrh. 
hindurch  ziehen  sich  die  Beweise  für  solches  edles  Bestreben, 
besonders  der  Klöster  und  der  Bischöfe.  So  beklagt  in  einem 
weitläufigen  Schreiben  Papst  Johann  XXII.  von  Avignon  (1322) 
die  Missbräuche  der  Kirchenmusik  und  geduldet  nur  an  grösse- 
ren Festtagen  einen  einfachen  Discantus,  und  der  Kanzler  Ger- 
eon von  Paris  berichtet,  dass  in  der  Kirche  U.  L.  Frau  nur 
Choralgesang  benützt  werden  durfte.  Im  allgemeinen  hatte  der 
Choral  von  siBinem  Nebenbuhler  nicht  so  viel  zu  fürchten,  indem 
die  neue  harmonische  Musik  doch  meistens  Gregorianische  The- 
men zu  Grunde  legte,  auch  bei  den  alten  Kirchen tonarten  ver- 
blieb und  sich  doch  nur  an  reicher  ausgestatteten  Chören,  deren 
nicht  so  viele  waren,  einbürgern  konnte;'  aber  der  Reiz  der 
Neuheit  wirkte  doch  etwas  zurück  und  die  grosse  Nachlässigkeit, 
die  sich  bei  weltlichen  Sängern  bezüglich  des  Chorals  zeigte, 
Hess  viel  befürchten.  Einen  entscheidenden  Schritt  that  in  dieser 
Gefahr  das  Konzil  von  Trient.  Auf  die  24.  Sitzung  desselben 
hin  befahl  Papst  Pius  V.  in  der  Bulle  vom  8.  Juli  Ibm,  dass  das 
Officium  divinum  nach  Form  und  Inhalt  neu  korrigiert,  emen- 
diert  und  danach  allein  sollte  recitiert  und  gesungen  werden, 
ebenso  dass  auch  die  heilige  Messe,  sowohl  die  stille  als  die 
feierlich  gesunkene,  nm*  nach  dem  neu  korrigieiiien  Missale  dürfe 
fcelebriert  werden  (Bulle  vom  14.  JuU  1570).  Hierdurch  ward  von 
selbst  eine  Verbesserung  und  Wiederherstellung  des  reinen  Gre- 

forianischen  Gesanges  geboten.    Im  Jahre  1581  vollendete  Gvii- 
etti ,   der   schon   früher   bei  der  Emendation  des  Brevieres  und 
Missales  zu  Rate  gezogen  worden  war,  das  Directorium  chori; 
Gregor  XIII.   approbierte   es    und   1582   erschien   es  im  Drucke 
(s.   Guidetti).    Es   enthält   ausser  dem   Officium   de  Dominica, 
den  Vespern  und  dem  Kompletorium   das  Officium  der  wichtig- 
sten Zeiten  des  kirchlichen  Jahres,  das  Proprium  de  Sanctis  nach 
der  Ordnung   der  zwölf  Monate,   das  Commune  Sanctorum,   das 
Officium  Dedioationis  Ecclesiae,   das   Officium  B.  V.  M.  und  De- 
functorum.    die  Psalmentöne,    die   Singweise   der  Versikel,    der 
Hymnen,  der  Litaneien,  der  Begi'äbnisse,  der  Kyrie,  Gloria  u.  a.  m. 
Eine  zweite  Ausgabe  erschien  1589  noch  bei  Lebzeiten  Guidettis. 
Damit  war  vom  heiligen  Stuhle  selber  eine  schon  sehr  reichhal- 
tige und  durch  dessen  Approbation  nun  einzig  gültige  Quelle  für 
den  liturgischen  Gesang  aufgeschlossen.    Ihr  folgten   in  gleicher 
Veise  bald  die  übrigen:   das  Antiphonarium,  in  welchem  die 
turgischen  Gesänge  für  das  Breviarium  enthalten  sind,  und  das 
raduale,    d.   h.   die   Sammlung  aller  bei   der  heiligen  Messe 
ich  der  Ordnung  des  Missale  durch  das  ganze  Kirchenjahr  ^e- 
ibenen   Gregorianischen    Gesänge.     Letzteres    erschien,    wahr- 
iheinlich  von  Rugg.  Giovanelli  nach  Palästrinas  Tode  bearbeitet, 
if  Paul  V.  Geheiss  1614—1615  zu  Rom  in  Druck,   und  geniesst 


160  Kirchenmusik. 

diese  Ausgabe  als  die  einzig  approbierte  und  zugleich  treueste 
und  korrekteste,  das  meiste  Ansahen;  das  Antipnonarium  war 
sehen  einige  Jahre  vorher,  gleichfalls  auf  Befehl  Paul  V.,  aus- 
gegeben worden  (die  bessere  Ausgabe  desselben  ist  die  1650  bei 
Kobletti  in  Rom  erschienene).  1644  liess  Papst  Urban  VIII.  auch 
noch  das  Hymnarium  mit  dem  cantus  firmus  und  dem  cantus 
figuratus  des  Palästrina  zu  Antwerpen  und  Rom  drucken. 

So  ward  das  grosse  Werk  vollendet,  die  Gregorianischen 
Gesänge  für  den  liturgischen  Gebrauch  nach  dem  ranzen  Um- 
fange der  Liturpe  bestimmt  und  durch  die  päpstliche  Appro- 
bation die  Einheit  auch  in  dieser  Beziehung  hergestellt,  eine  That 
von  immenser  Bedeutung.  Dadurch  ward  der  Wiljkür  eine  heil- 
same Schranke  gezogen  und  waren  eine  Menge  unkirchlioher 
Weisen  und  nicntssagender  Hymnen,  Sequenzen  und  Tropen 
oder  Interpolationen  entfernt  worden,  welche  als  zwecklose 
Überladungen  den  Gottesdienst  nicht  gefördert,  vielmehr  gestört 
und  über  Gebühr  ausgedehnt  hatten. 

Es  fehlte  nun  nichts  mehr  —  als  die  Ausführung  und  An- 
wendung; diese  liess  aber  auf  sich  warten.  Der  unkirchliche 
Sinn  hatte  in  den  meisten  Ländern  schon  zu  weit  um  sich  ge- 
griffen, als  dass  die  vom  römischen  Stuhle  ausgehende  Reform 
f^en  die  einreissende  weltliche  moderne.. Musik  einen  genügen- 
en  Damm  hätte  büden  können.  Die  Übung  des  cantus  gre- 
^orianus  wurde  immer  mehr  aufgegeben  und  verblieb  fast  nur 
in  den  Klöstern  und  Stiften,  von  denen  die  ersteren  in  vielen 
Stücken  ihre  traditionellen  Melodien  —  durch  päpstliches  Indult,, 
insofern  sie  älter  als  200  Jahre  waren  —  beibenielten;  erst  nach 
der  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  nahmen  fast  alle  Orden  eine 
Verbesserung  ihrer  Gesangbücher  vor  und  brachten  sie  mehr  in 
Einklang  mit  den  römischen.  Auch  manche  Diöcesen  und  Län- 
der behielten  ihre  eigentümlichen  Gesangsweisen  —  selbst  bis 
auf  die  neueste  Zeit  —  bei  und  nahmen  nierbei  gleiches  Indult 
mit  den  Klöstern  in  Anspruch.  Immer  aber,  bei  noch  so  grosser 
Verschiedenheit  der  Melodien,  wahi'te  man  die  Grundlage  des 
Gregorianischen  Gesanges,  die  Kirchentonarten,  wenn  man  auch 
der  Diesis  seit  dem  XVII.  Jahrh.  ungebührliche  Freiheit  gestattete 
und  unter  der  Finale  oder  Confinale  keinen  Ganzton  mehr  er- 
tragen wollte.  Nicht  unerwähnt  darf  bleiben,  dass  man  durch 
Harmonisierung  des  Chorals,  resp.  durch  Orgelbegleitung  in  rei- 
nen Dur-  oder  Molltonarten  den  Charakter  der  lurchentonarten 
oft  sehr  schädigte.  Eine  weitere  Verschlimmerung  des  Chorals^ 
dem  auch  in  dieser  Periode  wieder  eine  Menge  von  Provinzial- 
und  Diöcesansynoden  in  seiner  Würde  Anerkennung  und  Pflege 
zu  verschaffen  sich  bemühten,  fand  sich  darin,  dass  er,  wohl 
schon  seit  längerer  Zeit,  die  Freiheit  des  Vortrages  einbüsste 
und  man  neben  gleichgültigem,  schlechtem  Absingen  häufig  ihn 
zu  einem  Gesänge  fast  gleicher  Notenlänge  machte  ohne  beson- 
dere Unterscheidung  von  gebundenen  und  getrennten  Noten 
alles  in  abgebrochenen  Tönen  herausstiess  (canto  martellato)» 
Dass  er  seit  Aufhebung  der  Klöster  in  mehreren  Ländern  voll- 
ends auf  das  geringste  Minimum  zurückgedi'ängt  wurde,  ist 
männiglich  bekannt. 

Erst    in   neuerer   Zeit    brach    mit   dem   Wiedererwachea 


Kirchenmusik.  161 

kirchlichen  Lebens  auch  die  Morg'enröte  der  Erhebung  des  Gre- 
gorianischen Chorals  an.  Was  seit  ein  paar  Decennien,  nament- 
Jioh  nach  dem  Vorausgange  des  römiscnen  Stuhles,  für  Herstel- 
lung des  liturgischen  Gesanges  von  den  Bischöfen  geschah,  lässt 
alle  früheren  öemühun^en  weit  hinter  sich.  In  Belgien  erhob 
sich  der  Choral  zuerst,  riesige  Anstrengungen  machte  Frankreich, 
und  in  Deutschland  gibt  es  kaum  eine  Didcese,  in  welcher  nicht 
ernste  Massregeln  getroffen  werden,  diese  Gesanff sgattung  wieder 
zur  höheren  Blüte  zu  bringen;  die  Bischöfe  una  Provinzialsyno- 
den  erneuten  die  kirchlichen  Prinzipien,  und  was  sie  intendier- 
ten, führten  kirchlich  gesinnte,  gelehrte  Musiker  mit  Aufwendung 
aller  Kräfbe  aus.  Viel  ist  schon  gewonnen,  vorzüglich  durch  die 
Cäcüienvereine,  mehr  wii'd  noch  geschehen;  an  revidierten  und 
neu  aufgelegten  Choralbtichern,  an  Orgelbüchem  hierzu  und  an 
theoretisch-praktischen  Anweisungen  zum  guten  Choralgesange 
ist  kein  Mangel,  und  wenn  auch  die  Einsicht  bei  einem  grossen 
Teile  des  Musikpersonals  in  dieser  Beziehung  tief  steht,  so  lässt 
sich  gleichwohl  bei  reger  Bethatigung  der  Geistlichkeit  und  der 
Musikdirektoren  noch  vieles  erhoffen.  (Vgl.  den  Art.  „Choral*.) 

n.  Geschichte  der  harmonischen  Gesangmusik. 
Wie  im  Artikel  „Grieachische  Musik'*  gesagt  worden,  kann- 
ten die  Alten  eine  mehrstimmige  Musik,  namentlich  Vokalmusik, 
nicht^die  Anfänge  dieser  waren  der  christlichen  Zeit  vorbehal- 
ten. Doch  auch  da  lassen  sich  erst  im  X.  Jahrh.  (nach  des  heil. 
Isidors  „Origines"  schon  früher)  unscheinbare  Keime  der  Har- 
monie im  Organum  (s.  d.)  entdecken.  Von  römischen  Sängern 
wird  diese  Musikform  zu  Metz  gelehrt  und  nach  vielfältiger 
Übung,  besonders  im  nördlichen  Frankreich  und  den  Niederlan- 
den, von  Hucbald  (f  930)  zum  ersen  Mal  theoretisch  behandelt 
und  ihr  ein  legitimer  Platz  in  der  Musikwissenschaft  gewonnen. 
Das  Organum,  weil  von  römischen  Sängern  gelehrt,  scheint 
darum  am  frühesten  Begutachtung  für  den  Gebrauch  der  Kirche 
erlangt  zu  haben.  Nach  unseren  Begriffen  mag  das  freilich  eine 
barbarische  Musik  gewesen  sein,  welcne  den  Cantus  fii*mus  durch 
andere  Stimmen  m  Quinten  oder  Quarten  (diapentissare ,  dia- 
tessaronizare)  bald  oberhalb ,  bald  unterhalb  in  paralleler  Be- 
wegung begleitete;  aber  auch  so  rohe  Anfänge  dürfen  nicht 
unterscnätzt  werden,  sie  waren  eben  Anfänge,  Keime,  welche 
sich  nach  und  nach  zu  den  herrlichsten  Gebilden  ausgestalteten. 
Dies  ,jOrganizare**  blieb  nun  für  lange  Zeit  die  festfiche  Weise 
des  kii'cmichen  Gesanges. 

Stufenweise  und  langsam  entwickelte  sich  die  Harmonie, 
welche  sich  nun  als  drittes  Element  der  Musik  zu  Melodie  und 
Rhythmus  (der  freilich  auch  noch  nicht  so  scharf  ausgeprägt 
war,  wie  später)  gesellte.  Während  Hucbald  die  Quinten  für 
das  Oi'ganum  am  tauglichsten  fand,  zog  Guido  von  Arezzo  die 
Quarten  vor,  mischte  auch  andere  Töne  ein  und  bahnte  dadurch 
den  Weg  zum  Diskantus,  bei  welchem  der  Mitsänger  oder 
Diskantierende  nicht  mit  dem  Cantus  firmus  oder  Tenor  bezüg- 
lich der  Anzahl  der  Töne  gleichen  Schritt  hielt,  sondern  an  ein- 
zelnen Stellen  freie  Töne  als  Koloratur  einschaltete,  während 
der  Tenor  eine  und  die  andere  Note  länger  aushielt;  dass  dabei 
auch  andere  Töne  als  die  Konsonanzen  eintraten,   ist  selbstver- 

KornmUIler,  LexikoQ.  11 


162  Kirchenmusik. 

ständlich ;  am  Ende  und  an  gewissen  Stellen  in  der  Mitte  (pausa, 
metrum)  trafen  sie  im  Einklänge  zusammen.  Diese  Art  des 
Diskantierens  (üeurettes)  war  neben  der  einfachen  Ai*t  besonders 
in  den  französischen  Kii*chen  beliebt ,  wo  auch  etwas  später  die 
sogenannten  Fauxbourdons  kultiviert  wurden  (s.  d,\  Duroh 
die  Diskante  kam  das  Gesetz  der  Gegenbewegung  zur  Gel- 
tung und  durch  die  dreistimmigen  Fauxbom*dons  bahnte  sich  die 
regärechte  Kadenz  an.  Ein  kleiner  Schritt  war  von  da  ans 
noch  zu  einer  wirklichen  drei-  und  vierstimmigen  Musik  zu  ma- 
chen, der  auch  nicht  allzu  lang  auf  sich  warten  liess.  Schon 
im  XII.  Jahrh.  begegnen  wir  Kompositionen  zu  zwei,  drei  und 
vier  Stimmen,  als  Dechants,  Tripla,  Quadruple,  Motett,  Rondel- 
lus,  Gonductus  u.  s.  w.  benannt,  von  denen  die  Musikschrifbsti^ler 
des  XII.  und  XIII.  Jahrh.  reden  und  von  welchen  ein  Kodex 
von  Montpellier  nicht  weniger  als  340  enthält.  Der  einfache 
Diskantus  spielte  noch  bis  ms  XIV.  Jahrh.  eine  grosse  Rolle, 
wobei  man  aber  nicht  vergessen  darf,  dass  man  unter  dem 
„Diskantus'^  jeden  mehrstimmigen  Gesang  verstand  und  obige 
genannte  Motett,  Rondellus  u.  dj^.  nur  als  Species  desselben  be- 
gi'ififen  wurden.  Von  einigen  Diskantier-  und  Fauxbourdons- 
Manieren  haben  sich  in  Spanien  und  selbst  in  der  Sixtina  noch 
bis  heute  einige  Oberreste  erhalten. 

Paris,  der  damalige  Hauptsitz  aller  Wissenschaften,  stand 
in  allen  diesen  Dingen  voran,  wie  überhaupt  sehr  viele  Traktate 
aus  dieser  Zeit  von  Sin^neistern  dieser  Universität  oder  von 
solchen,  welche  da  die  Atusik  studiert  hatten,  verfasst  sind. 
Doch  blieben  deshalb  andere  Nationen  hinter  den  Franzosen 
nicht  oder  nicht  so  weit  zurück.  England  zählte  um  diese  Zeit 
berühmte  Diskantatoren ,  in  DeutsclSand,  Spanien  und  Italien 
pflegte  man  die  Musik  sehr,  und  jede  Nation  förderte  sie  auf 
ihre  eigentümliche  Weise ,  so  "dass  man  einen  „modus  italicus, 
modus  anglicus*  unterschied;  wiederum  liebten  z.  B.  die  Deut- 
schen mehr  die  Intervallspriinge  (oonsonantias  interruptas) ,  die 
Lombarden  die  Intervalle  mit  inren  Zwischennoten  (oonsonantias 
continuas). 

Der  Discantus  floridus  verlangte  ein  genaues  Zusammen- 
treffen der  beiden  Sänger,  was  aber  nicht  geschehen  konnte, 
ohne  ieder  Note  einen  bestimmten  Wert  beizulegen  —  es  drängte 
sich  die  Mensur,  die  Wertbestimmung  der  Töne  oder  Noten 
auf,  und  so  gelangte  auch  der  Rhythmus  zu  gesteigerter  Fort- 
bildung; es  entwickelte  sich  die  Mensuralmusik,  welche 
Fr  an  CO  von  Köln  zuerst  in  systematischer  Form  und  Ordnung 
behandelte.  Die  Noten  hatten  sich  aus  den  Neumen  bereits 
in  schwarze  quadratische  Punkte  (Fränconote)  umgebildet;  eben- 
falls erscheinen  schon  im  XIIL  Jahrh.  Imitationen,  Repetitionen, 
Verkehrungen  des  Themas  und  andere  Mittel  der  Komposition  — 
Einleitungen  zum  wirklichen  .  künstlichen  Kontrapunkt.  Alle 
diese  Erfindungen  und  Verschönerungen  (nach  dem  damaligen 
Stande  der  Kunst)  wurden  beim  Kirchengesange  angewendet, 
wofür  man  in  glaubensvoller  Begeisterung  das  Höchste  in  der 
Kunst  zu  leisten  suchte,  anfangs  nur  in  einigen  Kirchen;  nach 
und  nach  breiteten  sich  die  neuen  Formen  und  Satzweisen, 
nachdem  das  Ungehörige  reprobiert  war,  insoweit   sie   sich  für 


Kirchenmusik.  163 

-den  kirchlichen  Dienst  tauglich  und  zweckmässig  erwiesen, 
überallhin  aus.  Dass  die  Kirche  sorgföltig  über  die  Einführung 
<ler  neuen  Errungenschaften  wachte,  sehen  wir  aus  einem  Dekret 
•des  Papstes  Johann  XXII.,  1322  von  Avignon  aus  datiert,  worin 
«r  den  Kirchenoberen  vorhält,  wie  die  neue  Schule  in  den  Gottes- 
häusern sich  breit  mache  und  durch  mannigfaltige  Künste  der 
Mensur  und  des  Kontrapunktes  den  Gregorianischen  Kirchen- 
li^ang  hintiansetze  und  verdunkle.  Ganz  jedoch  will  der  Papst 
die  neue  Singweise  aus  der  Kirche  nicht  verdrängt  wissen,  son- 
dern gestattet,  dass  „zuweilen,  besonders  an  Festtagen,  bei  feier- 
lichen Messen  u.  s.  w.  emige  Konsonanzen,  wie  die  Oktav, 
Quint,  Quart  u.  dgl.  über  aem  einfachen  Chorale  angebracht 
werden,  wenn  dieser  selbst  nur  unversehrt  und  deut- 
lieh bleibe."  Dieser  letzte  Satz  ist  von  grösster  Bedeutung, 
weU  er  die  Richtschnur  für  die  folgenden  Zeiten  wurde;  die 
Kompositeure  legten  ihren  Kirchenmusiken  die  Ghorahnelodien 
zu  Grunde  und  wenn  sie  dieselben  nicht  in  ihrem  ganzen  Um- 
fuage  benützten,  so  verwendeten  sie  wenigstens  einen  Teil  der- 
selben als  Thema,  welches  sie  wohl  oft  bis  zur  Unkenntlichkeit 
ausdehnten;  und  wenn  sie  auch  nicht  z.  B.  ein  Choral-Kyrie 
u.  dgl.  bei  ihren  Messen  nahmen,  so  war  es  doch  allezeit  ein 
Stück  aus  dem  Gregorianischen  Antiphonar  oder  Graduale.  Dass 
auch  weltliche  Liederweisen  mit  kircnlichen  Melodien  zusammen- 
geführt wurden,  ja,  dass  man  oft  jene  den  Kirchenkompositionen 
VM  Grunde  legte,  war  nur  eine  vorübergehende  Abweichung, 
welche  bei  der  Kirche  nie  Billigimg  fanaund  vom  Konzil  von 
Trient  ganz  verboten  wurde.  Auf  die  Ursache  dieser  Ungehö- 
n^keit  kann  ich  hier  nicht  weiter  eingehen,  am  besten  hat  sich 
hieiüber  W.  Ambros  in  seiner  Musikgeschichte,  Bd.  III,  S.  23  u.  ff. 
ftissge^roohen. 

Im  Laufe  des  XIV.  Jahrh.  hatte  sich  der  künstliche  Kontra- 
punkt mit  seinen  strengen  Regeln  über  Intervallenverbindung, 
Gebrauch  der  Dissonanzen,  Gegenbewegung,  den  Kunststücken 
der  Nachahmung,  Vergrösserung,  Verengerui^  des  Themas  u.  s.  w. 
vollkommen  entwickwt,  obgleicn  von  eigentlicher  Schönheit  noch 
lange  keine  Rede  war;  erst  als  man  in  der  Behandlung  der 
Kunatmittel  zu  einer  gewissen  Leichtigkeit  und  Sicherheit  ge- 
langt war,  glückte  es  bedeutenden  Talenten,  wirklich  musikaliscne 
Kunstwerke  zu  schaffen.  Als  ein  solches  Talent  erscheint  Wil- 
h-elm  Dufay,  im  Hennegau  gebürtig,  Sänger  in  der  päpstlichen 
KapeUe  zu  Rom  von  1428—1437,  von  dessen  Kompositionen 
noäi.  eine  ziemliche  Anzahl  in  verschiedenen  Bibliotheken  vorhan- 
den ist.  Meist  vierstimmig  gesetzt,  zeigen  sie  einen  regekechten 
Kentrapunkt:  die  Mensur  in  ihrer  ganzen  Ausbildung,  regel- 
mässig eingeführte  und  aufgelöste  Dissonanzen,  häufige  Nach- 
ahmungen und  fugierte  Stellen.  Allen  Stücken  liegt  ein  be- 
fiitimmtes  Thema  zu  Grunde,  welches  entweder  dem  unoral  oder 
dem  rhythmisch  bewegteren  Volksliede  entnommen  ist.  Der 
T-ext  ist  bei  den  Messen  nur  erst  am  Anfange  angedeutet:  Kyrie, 
Et  in  terra  u.  s.  w.;  ihn  gehörig  unterzulegen,  musste  der  Sänger 
verstehen.  Zeitgenossen  Dufay s  sind:  KBinchois,  V.  Pau- 
g'ues,   Eloy,    Domarto,    Brasart,    J.   Cousin    u,    a.    Diese 

11* 


/ 


,164  Kirchenmusik. 

gehören  der  ersten  niederländischen  Schuje  an,  ihr  Haupt 
ist  Dufay. 

.  Vor  und  neben  dem  geschriebenen  Kontrapunkte  (res  facta) 
bildete  zwischen  diesem  und  dem  alten  Diskantus  (bis  ins  XVIL 
Jahrh.)  der  improvisierte  Kontrapunkt,  Cantus  supra 
üb  cum  oder  Cfontp.  a  mente  genannt,  eine  Mittelstufe;  er 
war  von  den  Niederländern  besonders  gepflegt,  durch  sie  in  die 
päpstliche  Kapelle  verpflanzt,  von  wo  aus  sich  wieder  verbrei- 
tend er  eine  gi-osse  Rolle  in  Italien  und  FräAkreich  spielte,  wer 
niger  in  Deutschland,  wo  man  ihn  wohl  kannte,  aber  wenig 
acntete.    In  Vened^  wurden  die.  Sänger  als  ,^Contrapuncti^  auf 

fenommen,     die   Konstitutionen    der    päpsthchen   Kapelle   von 
545  forderten  dessen  Kenntnis,  Zarlino  hörte  ihn  noch  singen. 

In  der  folgenden  Periode,  zweite  Hälfte  des  XV.  Jalirh,, 
bildete  sich  das  Technische  dei-  Kirnst  immer  mehr  aus,  die 
harmonischen  Verhältnisse  werden  nach  allen  Seiten  des  dia- 
tonischen Systems  hin  versucht,  alle  kontrapunktischen  Künste 
bis  zu  den  sogenannten  Rätselkanons  —  welche  im  Grunde 
nichts  anderes  waren,  als  raumersparende  Abkürzungen,  bewh'kt 
durch  verschiedene  Taktzeichen  oder  auch  Devisen,  die  man  dem 
Thema  beisetzte,  —  werden  geübt  und  die  Vielstimm  ig  keit 
vermehrt  sich.  Auch  die  Notenschrift  bildet  sich  um,  indem 
an  die  Stelle  der  schwarzen  Franco-Note  die  weisse  tritt. 

Unter  den  Meistern  dieser  Zeit,  einem  Busnois,  Regis, 
Caron  u.  s.  w.  ragt  als  der  erfindungsreichste  und  fruchtbarste, 
der  zugleich,  durch  ein  langes  Leben  unterstützt,  das  Haupt  einer 
ausgebreiteten   —    der    zweiten   niederländischen   Schule 

geworden  ist  und  den  kunstreichen  niederländischen  Stü  nach- 
altig  auch  für  die  Kirche  festgestellt  hat,  Johann  Okeghem 
hervor,"  ebenfalls  ein  geborner  Hennegauer,  zuletzt  Kapellmeister 
unter  Ludw:ig  XI.  in  Tours :  er  wa-r  geboren  um  1426  und  starb  um 
1513.  Seine  Kunst  erbte  er  auf  seme  Schüler  fort,  Josquin  de 
Pros,  Brumel,  AI.  Agricola,  Loyset  Compere,  rierre 
de  la  Rue  u.  v.  a.,  von  welchen  unstreitig  Josquin  (von  1480 
biß  1520  blühend)  del*  vielseitigste  und  genialste  ist;  in  der  mu- 
sikalischen Technik  ein  vollendeter  Meister,  voll  freier  Kühnheit, 
streng  und  doch  voll  Anmut,  war  er  die  Bewunderung  aller,  und 
seine  Werke,  in  denen  fast  jeder  Satz  durch  einen  Zug  des 
Genies  ausgezeichnet  ist,  wurden  in  allen  Kapellen  gesucht.  Er 
lenkte  die  Kompositionsweise  nun  dahin ,  dass  sie  nicht  bloss 
künstlich  und  gelehrt,  sondern  auch  sinnig  wurde.  So  lange 
bedurfte  es ,  bis  den  Tönen  auch  ein  Geist  emgehaucht ,  ein  m- 
neres  mitgeteilt  werden  konnte,  das  sich  deutlich  offenbarte 
und  als  das  Höhere  den  Vorrang  über  das  Technische  bean- 
sprucht. Man  darf  eben,  um  nicht  ungerecht  gegen  frühere 
Meister  zu  sein,  nicht  vergessen,  dass  die.  Kirnst  auch  Entwick^ 
lungsphasen  durchmachen  muss,  vom  Ausseren  zum  Inneren, 
von  der  Technik  zum  Geiste. 

Um  diese  Zeit  (Ende  des  XV.  Jahrh.)  beginnt  auch  die 
Ausübung  des  Notendruckes  (s.  d.),  wodurch  (Se  Verbreitung 
und  Pflege  der  Tonkunst  nicht  wenig  befördert  wurde. 

Bis  gegen  Mitte  des  XVI.  Jahrn.  standen  die  Niederländer 
als  die  ersten  Meister  da;    doch  blieben   andere  Länder  in   der 


Kirchenmusik.  165 

Musikktinst  nicht  zurück,  wenn  sie  jenen  auch  nicht  sobald  den 
Vorrang  ablaufen  konnten.  In  Italien  hatte  sich  die  Tonkunst 
selbständig  entwickelt  (diese  Entwickelung  geschah  unter  dem 
Einflüsse  des  Charakters  und  der  politischen  Zustände  des  ita- 
lienischen Volkes  und  nahm  daher  die  Eigentümlichkeiten;  die 
Haupt-  und  Grundgesetze  der  musikalischen  Komposition  waren 
überall  die  nämlichen)  und  es  ist  ein  kräftiger  Beweis  dafür,  dass 
Job.  Carthusiensis,  ein  Musikgelehrter  aus  Namur,  nachdem 
er  sich  in  der  Heimat  zum  Sänger  gebildet,  in  Italien  die  Musik, 
d.  i.  die  gelehrte  Theorie  bei  viktorin  deFeltre  studierte. 
Italien  hatte*  ferner  seinen  Marchettusde  Padua  (1274)  und 
Prosdocimus  de  Beldomando;  in  Florenz  war  eine  Schule 
totstanden,  welcher  der  berühmte  Land  in  o  (t  1390),  Jacopo 
da  Bologna,  der  ausgezeichnete  Organist  An t.  Squarcialupo 
(um  1340—70)  u.  a.  angehörten.  Durch  die  Niederländer,  welche 
in  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jahrb.  vorzugsweise  als  Mitglie- 
der der  päpstlichen  Kapelle  von  Avignon  nacn  Rom  kamen  und 
Später  an  italienische  Kirchen  berufen  wurden ,  gelangte  eine 
neue  Anregung  in  die  italienische  Musik  und  ward  der  Grund 
zur  künftigen  Berühmtheit  derselben  gelegt.  So  sehen  wir  nach 
Dufay  die  Meister  Josquin  und  Hobrecht  zu  Florenz  und 
Rom;  in  Neapel  sind  um  1480  drei  berühmte  Niederländer:  Tin- 
ctoris,  Bernh.  Hycaert  und  Wilh.  Guarnerii;  in  Mailand 
um  1490  Gaspar  und  Oudenard;  die  päpstliche  Kapelle  be- 
stand im  XV.  und  anfangs  des  XVI.  Janrn.  grösstenteils  aus 
niederländischen  Sängern. 

England  ging  eigentlich  den  Niederländern  voran,  indem 
Joh.  Dunstable  iur  den  Urheber  der  Polyphonie  zu  halten 
ist,  ihm  folgten  erst  Binchois,  Dufay  u.  a. ;  er  kann  als  das 
Haupt  einer  eigenen  Schule  gelten ,  welche  den  älteren  Diskan- 
tus  zu  höherer  Ausbildung  brachte.  Wenn  nun  die  Tonkunst 
in  England  nicht  zu  so  glänzenden  Früchten  wie  im  Nach- 
barlanae  jenseits  des  Kanals  gedieh,  so  darf  man  keineswegs 
glauben,  es  sei  dieselbe  etwa  vernachlässiget  worden  oder  habe 
nur  ein  ärmliches  Dasein  gefristet.  Wie  England  sich  früher 
hervorthat,  so  weist  es  auch  im  XVI.  Jahrh.  Komponisten  auf, 
welche  höchst  achtungswert  dastehen  (Tallis,  Bird)  und  auf  be- 
ständige treue  Pflege  der  Musik  hinweisen. 

in   Deutschland   findet   man   bis  ins  XV.  Jahrh.  hinein 
weniger  hervortretende  Leistungen;    die  politischen  Verhältnisse 
leisteten  der  Entwickelung  der  Tonkunst  auch  keinen  Vorschub. 
Gleichwohl  fehlte  es  nicht  an  tüchtigen  Tonkünstlern.   Die  Trak- 
tate der  älteren  Lehrer  Aribo  Scholasticus  und  Engelbert 
von  Admont  sind  aller  Achtung  würdig;  durch  einen  gewissen 
'Wenzel   von  Prachawitz   kam  die  Lehre   von  J.  de  Muris 
18  Frankreich  herüber;   Adam   de  Fulda  ist  ein  begeisterter 
erehrer   Dufays,    Komponist  und   musikalischer  Schriftsteller; 
larean,  der  Freiburger  Professor,  gibt  in  seinem  „Dodecachor- 
►n"    ein   unschätzbares  theoretisches  Werk;    1498   wird  in  der 
iserlichen   Kapelle    ein    Sänger c bor   gestiftet   u.    dgl.     Das 
blende  wurde  aber  reichlich  ersetzt,   als   um  1500  eine  grosse 
zahl   deutscher  Meister   des   Tonsatzes   auftraten:    A.  Fink, 
I  s  a  a  c  aus  Prag,   Stephan  Mahn,  Senfl,   Paul  Hof- 


166  Kirchenmusik. 

haimer,  Arnold  v.   Brück   u.   a.  und  mit  den  Niederländern 
wetteiferten. 

In  Spanien  waren  wie  in  Frankreich  die  neuen  Musik- 
formen bekannt  und  die  Thatsacbe,  dass  im  XVI.  Jahrh,  viele 
spanische  Sänger  und  Komponisten  in  der  päpstlichen  Kapelle 
emen  ehrenvoflen  Platz  einnahmen,  setzt  ein  eifriges  Betreiben 
der  Tonkunst  in  den  vorhergehenden  Zeiten  voraus,  was  \mi  sc» 
mehr  dadurch  Bestätigung  findet,  dass  im  XIIL  Jahrh.  Alfons  X.^ 
der  Weise,  einen  musikalischen  Lehrstuhl  an  der  Universität 
Salamanka  gründete,  aus  welcher  Zeit  noch  eine  Sammlung 
„Canticas"    erhalten   worden   ist.     Und   während   Spanien   eine 

f rosse  Anzahl  Sänger  (wohl  ist  zu  beachten,  dass  die  Sänger 
er  päpstlichen  Kapelle  auch  in  der  Komposition  erfahi'en  sein 
mussten)  nach  Rom  sendete,  waren  doch  auch  seine  Kirchen  mit 
trefflichen  Musikkapellen  versehen;  bedeutende  Namen  waren: 
Balth.  Ruiz,  Bern,  de  Figueroa,  N.  Sepulveda,  Math.  Fernandez, 
N.  Castillo  u.  a. 

Gegen  Mitte  des  XV I.  Jahrh.  trieb  die  niederländische 
Kunst  neue  Blüten  in  Oberitalien.  Im  reichen  Freistaate  Vene- 
dig gab  die  enge  Verbindung  des  kirchlichen  mit  dem  politischen 
Leoen  und  die  ganze  Grossartigkeit  und  Pracht,  womit  die  Feste 
in  und  ausser  der  Kirche  begangen  wurden,  dem  Niederländer 
Adrian  Willaert,  welcher  von  1518  an  in  Rom  gewesen,  seit 
1527  aber  das  Kapellmeisteramt  an  der  Staatskirche  von  St.  Mar- 
kus in  Venedig  übernommen  hatte,  Veranlassung,  die  Musik 
ebenfalls  grossartiger  zu  gestalten.  Sein  Hauptver(Eenst  besteht 
in  der  Art  und  Weise  der  Behandlung  des  kunstreichen  Psalmen- 
gesanges; er  liess  die  Stimmen  in  zwei  oder  mehrere  Chöre  aus- 
einander gehen  und  abwechselnd  singen  (die  Räumlichkeit  der 
Markuskirche  mit  zwei  Musikchören  und  Orgeln  brachte  ihn  wohl 
auf  diesen  Gedanken),  wobei  eine  Mannigfaltigkeit  der  Trennung 
und  Vereinigung  derselben  statthaben  konnte;  übrigens  musste 
der  Gesang  doch  immer  nach  dem  Psalmtone  eingerichtet  sein. 
Es  standen  nun  nicht  mehr  blosse  Stimmen,  sondern  Stimm- 
körper gegenüber,  welche  wesentUch  Einfluss  auf  die  Entfal- 
tung eigentficher  Harmonie  hatten  und  ohne  Willen  des  Meisters 
nach  und  nach  die  Homophonie  anbahnten.  Auch  das  Wort 
erhielt  wieder  mehr  Berechtigung  und  Anteil,  und  die  eigentliche 
Schönheit  des  Gesanges  una  der  harmonischen  und  melodischen 
Füg;ung  gewann.  Willaert,  ein  fleissiger  und  sorgfältiger  Kom- 
ponist, wurde  der  Gründer  der  so  berühmten  venetianischen 
Schule,  welche  sich  über  ein  paai*  Jahrhunderte  erhielt  und. 
weithin  nach  Süden  und  Norden  wirkte.  Untet  seinen  Schülern, 
erwarben  sich  hohen  Ruhm:  Cyprian  de  Rore,  sein  Nachfolger 
im  Kapellmeisteramte,  welcher  sein  Talent  melir  der  weltlichen 
Musik  widmete  imd  eine  bestimmtere  Scheidung  dieser  von  der 
kirchlichen  Musik  durch  die  reiche  Benützung  der  Chromatik 
zur  lebendigeren  Betonung  des  Wortes  herbeiführte;  —  Zarlina 
(1565),  welcher  der  grösste  Theoretiker  seiner  Zeit,  ja  Reformator 
der  Theorie  war,  und  Costanzo  Porta,  einer  der  grössten. 
Meister  des  Kontrapunktes. 

In  Rom  wai',  Venedig  entgegen,  die  künstliche  Musik  ina 
unmittelbaren    Verkehre    mit    dem    inneren    Leben    der    Kirche 


Kirchenmusik.  167 

geblieben  und  hatte  sich  stets  innig  an  den  Grefforianißchen. 
Choral  angeschnuegt.  Im  Anfange  des  XVI.  Jahrh.  waren  es 
allerc^gs  nooh  Fremde,  meistens  Niederländer  gewesen,  welche 
an  der  Spitze  der  Kirchenmusik  standen,  die  Einheimischen  selbst 
hattai  noch  wenig  Bedeutendes  in  der  neuen  Kunst  geleistet. 
Um  1514 — 1545  erscheint  der  Florentiner  Costa nza  Festa  mit 
einfach  würdigen  Kompositionen,  und  unter  Leo  X.  und  Kle- 
mens  VII.  steht  der  Franzose  EJliazar  Genet,  genannt  „il  Car- 
pent^rasso^  in  hohem  Ansehen.  Ausser  diesen  zeichneten  sich 
mehrere  Spanier,  soP.  Ferez,  Bart.  Escobedo  und  vorzüglich 
Christ oforo  Morales  durch  ihre  Kirchenkompositionen  aus. 
Dass  Claudio  Goudimel  neben  diesen  eine  bevorzugte  Stelle 
ni(^t  bloss  •  durch  Kompositionen ,  sondern  besonders  durch 
Gründung  einer  Schule  des  Kontrapunktes  zu  Rom  eingenom- 
men habe,  aus  welcher  Animuccia,  Palestrina,  Nanino  und  an- 
dere Meister  hervorgingen,  ist  gänzlich  unerwiesen.  P  a  1  e  s t  r  in  a , 
dui'ch  einen  Flamlänoer  gebildet,  war  besonders  berufen,  der 
Musik  d^n  edelsten  Geist  einzuhauchen  und  sie  mit  voller 
Freiheit  zu  höherem  Zwecke  nutzbar  zu  machen;  durch  ihn 
erhielt  die  künstliche  Musik  die  erhabene  Form,  welche  durch 
die  Kirche  für  ihren  Dienst  begutachtet  wurde;  er  schuf  Mu- 
ster der  echten  Kirchenmusik  und  begründete  den  nach  ihm 
genannten  Palestrinastil.  Der  Hauptpunkt ,  auf  den 
es  bei  Würdigung  dieses  Meisters  ankommt,  ist,  dass  die  F'or- 
men  des  künstlichen  Satzes  aufgehört  haben,  Zweck  des  Ton- 
werkes zu  sein,  dass  Palestrina  mit  eisernem  Fleisse  sich 
zum  Beherrscher  aller  künstlichen  Formen  erhebend  dieselben 
zu  Mitteln  des  Ausdruckes  herabgesetzt  hat.  Von  den  Kunst- 
mitteln  machte  er  bald  freieren,  bald  eingeschränkteren  Ge- 
brauch, je  nachdem  es  Inhalt  und  Bestimmung  des  Werkes 
geboten.  In  seinen  Kirchenkompositionen  (in  den  der  Missa 
Papae  Marcelli  vorangehenden  nicnt  so  sehr)  kommt  ganz  allein 
die  Sache  zur  Darstellung,  der  kirchlich-religiöse  Inhalt  ohne 
subjektive  Beimischung  und  Modifikation;  mit  ernster  Kraft  ver- 
biBoet  sich  zarte  Anmut,  mit  grosser  Tiefe  wohlklingende  Klar- 
heit, und  über  alles  ist  der  Adel  und  die  heüige  Ruhe  der  Fröm- 
migkeit ausgegossen.  Palestrinas  Wirken  ist  für  die  Kirche  von 
der  höchsten  Bedeutung:  er  zeigte,  was  der  Geist  der  Fröm- 
migkeit mit  den  Mitteln  der  strengen  Schule  machen 
könne,  und  er  ward  dadm-ch  ein  starker  Damm  gegen  die  auf* 
wuchernde  Chromatik. 

Nächste  Veranlassung  zu  seiner  Grösse  gab  das  Konzil 
von  Trient.  Als  dieses  bei  der  allgemeinen  Revision  der  Miss- 
bräuche in  der  Kirche  auch  das  Unkirchliche  in  der  Musik  in 
Erwägung  zog,  wurde  voi'erst  im  allgemeinen  festgestellt,  dass 
die  Bischöfe  diejenige  Musik,  in  welcher,  sei  es  bei  Orffeispiel 
oder  Gesang,  etwas  Prolanes  und  Unheiliges  beigemischt  sich 
finde,  von  aer  Kirche  fern  halten  sollen ;  dann  bestimmte  es,  dass 
wie  über  die  Ordnung  beim  Kirchendienste  überhaupt,  so  auch 
über  Gesang  und  Orgelspiel  bei  demselben  die  Provinzialsynoden 
das  Genauere  anordnen  sollen,  einstweilen  aber  die  Bischöfe  mit 
zwei  Mitgliedern  des  Kapitels  schon  Vorsorge  treffen  könnten. 
Für  Rom   ernannte   Papst   Pius  IV.  1564   eine  Kommission   von 


168  Kirchenmusik. 

acht  Kardinälen,  von  welchen  zwei,  Karl  Borromäus  und  Vito- 
lezzo,  für  die  Musik  designiert -wurden.  Diese  beiden  wendeten 
sich  an  Palestrina,  welcher  sich  durch  seine  bisherigen  Kömpo-« 
sitionen  als  den  passendsten  Mann  bewährt  hatte,  und  trugen 
ihm  die  Komposition  einer  Probemesse  auf,  worin  den  kirohlicnen 
Forderungen  —  Ausschliessung  der  weltlichen  Melodien  und  der 
Textmengung  in  einem  und  demselben  Stücke,  Fernhaltung  von 
Texten,  welche  nicht  aus  den  heiligen  Büchern  geschöpft  sind, 
namentlich  für  Motetten  deutliches  Hervortreten  der  Textworte  — 
Genüge  geschehe.  Palestrina  lieferte  drei  Messen,  von  welchen 
die  dritte  am  19.  Juni  1565  zum  erstenmal  aufgeführt,  allgemei- 
nen Beifall  und  Bewunderung  fand.  Sie  ist  bekannt  unter  dem 
Namen  „Missa  Papae  MarcelB",  für  sechs  Stimmen*  komponiert. 
Diese  Messe  wurde  nun  den  übrigen  und  den  folgenden  Kompo- 
nisten ein  Vorbild  und  Muster  des  Kirchenstiles.  (Die  Erzäh- 
lung Bainis  von  den  drei  Messen  wird  von  Dr.  F.  X.  Haberl  als 
unrichtig  erklärt.    Kirchenmusikalitches  Jahrbuch  1891,  S.  90.) 

Neben  Palestrina  wirkten  in  seinem  Geiste :  der  Florentiner 
Giov.  Animuccia  (f  1571),  der  geistreiche  Spanier  Tom.  Lud. 
da  Vittoria,  Feiice  Anerio,  ralestrina's  Nachfolger  als  Kom- 
ponist der  päpstlichen  Kapelle,  Franc.  Anerio  und  Giov. 
Maria  Nanino,  welcher,  von  Palestrina  unterstützt,  1575  eine 
Schule  der  Komposition  eröffnete,  die,  dessen  Geist  zum  Vorbüde 
nehmend,  als  „die  römische  Schule"  diesen  Geist  von  Meister 
auf  Meister  fortpflanzte  und  vielleicht  in  Baini  ihren  letzten 
Vertreter  gesehen  hat. 

Allenthalben  treten  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrh, 
grosse  Meister  der  Tonkunst  auf,  in  England:  Christoph  Tye 
um  1548,  Rob.  Wite,  Th.  Tallis,  f  1585,  William  Bird, 
t  1623,  Th.  Morley  u.  a.;  in  Frankreich,  in  Spanien:  D.  Ortiz, 
Fr.  Guerrero,  T.  Navarro  u.  a.;  in  Deutschland:  Gr.  Aichin- 
ger,  Jakob  Handl,  genannt  Gallus,  Ad.  Gumpelzhaimer, 
Leo  Hasler,  J.  Eccard,  Seth  Calvisius,  die  beiden  Prä- 
torius  u.  a.  Die  Niederländer  aber  nahmen-  im  ganzen  Norden 
noch  vorzüglich  die  musikalischen  Ehrenstellen  ein.  Namen  wie 
J.  Richafort,  N.  Gombert,  Crequillon,  Canis,  Clemens 
von  Papa,  Philipp  de  Monte  u.  a.  waren  hochgeehrt;  über 
allen  aber  ragt  Roland  de  Lattre  oder  Orlandus  Lassus, 
t  1595  als  herzoglicher  Kapellmeister  in  München,  hervor,  frucht- 
bar im  höchsten  Grade  an  Kompositionen,  sowohl  im  weltlichen 
als  kirchlichen  Fache :  gross  und  erhaben  im  Stil,  voll  Schwung 
und  Mannigfaltigkeit  bei  grosser  Tiefe,  in  besonders  kräftigen 
und  volltönenden  Harmonien  sich,  entfaltend,  doch  an  kirchlicher 
Strenge  oft  hinter  Palestrina  zurückbleibend.  Mit  Lassus  hat 
die  Blüte  der  Niederländer  ein  glänzendes,  aber  schnelles  Ende 
genommen. 

Dieses  .Jahrhundert  hat  die  harmonische  (kontrapunktische) 
Kirchenmusik  auf  den  Höhepunkt  ihrer  Vollendung  geführt,, 
nicht  bloss  die  Technik  hatten  die  Meister  aufs  höchste  geför- 
dert, es  war  kräftiges  ^eben ,  tüchtige  Satzfügung  und  Konse- 
quenz in  den  Musikstücken,  sondern  auch  zum  wahren  Aus- 
drucke eines  Inneren  waren  sie  geworden,  es  sprach  ein  Geist 
aus  ihnen. 


Kirchenmusik.  169 

Gewöhnlioli   blieb    man    beim  vierstimmigen    Satze,    ohne 
dass  deswegen  über  Mangel  an  mehrstimmigen  Stücken  zu  kla- 

fen  wäre.  Mit  Vorliebe  jedoch  wurde  von  einigen  Tonsetzern 
er  mehrchörige  Stil,  die  öchöpfung  Willaerts,  in  Anwendung  ge- 
bracht, und  vorzügliche,  grossartige  Kompositionen  waren  die 
Frucht  dieser  Bemühungen.  Das  Konzil  von  Trient  hatte  beson- 
ders wohlthätig  eingewirkt  auf  die  Komposition,  dass  sie  dem 
Mrehüchen  Geiste  mehr  und  mehr  entspreche;  die  künstlichen 
Formen  wurden  eingeschränkt;  der  Bedeutung  des  Textes  mehr 
Gewicht  beigelegt,  und  auch  die  weltlichen  Themate,  welche 
von  den  Niederlandern  und  Deutschen  häufig  angewendet  wur- 
den (bei  den  Messen),  wichen  den  kirchlichen  MSlodien,  deren 
sich  die  römische  Schule  fast  ausschliesslich  bediente,  während 
die  Venetianer  bald  nur  eigene,  frei  erfundene  Motive  zu  Gininde 
legten.  In  dieser  Weise  arbeiteten  die  grossen  Organisten  von 
St.  Markus:  Andreas  Gabrieli  und  Claudio  Merulo;  des 
ersteren  Neflfe  Johannes  Gabrieli  trat  mehr  in  die  Fussstapfen 
von  Cyprian  de  Rore,  und  gewährte  überdies  in  seinen  ku'ch- 
lichen  Kompositionen,  die  oft  für  mehrere  Chöre  gearbeitet  sind, 
der  Chromatik  schon  mehr  Einfiuss;  bei  allen:  diesem  zeigt  sich 
auch  das  Trachten  nach  grösserer  Bewe^chkeit  und  Fi'eiheit 
der  Melodie,  das  Streben,  jede  durch  den  Text,  ja,  dessen  ein- 
zelne Worte  gegebene  Anschauung  durch  entspreonende,  in  sich 
verständliche  Tonfiguren  auszudrücken,  deren  Bedeutung  durch 
entsprechende  Harmonien  hervorzuheben;  der  Kirchenton  wiu'de 
noch  mit  aller  Schärfe  betont. 

Mit  dem  Beginne  des  XVII.  Jahrh.  aber  bereitete  sich  ein 
rascher  Abschwung  dieser  Kompositionsweise  vor.  Dies  g^eschah 
durch  die  auftauchende  Monodie  und  den  dramatischen 
Einzelpesang.  Nachdem  diese  Gesangweise  in  der  weltlichen 
Musik  sich  bis  1600  zu  einer  hohen  Stufe  jgehoben  hatte,  benützte 
sie  Viad'ana  1597  auch  fiir  die  Kirche,  m  dem  Falle,  dass  man 
nicht  zu  mehrstimmigen  Gesängen  genug  Sänger  hatte,  und 
sehi'ieb  seine  Kirchenkonzerte  fiS  eine  oder  zwei  Stimrhen 
mit  begleitender  Orgel  (Baseo  continuo,  Bassus  generalis),  wel- 
cher Orgelstimme  oder  welchem  Basse  er  bald  einen  selbständi- 
fen  Charakter  gab.  Da  die  Oberstimme  und  der  Bass  ihre 
elbständigkeit  zu  wahren  suchten,  die  Mittelstimmen  dieselbe 
einbüssten  und  zu  Füllstimmen  herabsanken,  so  ergab  sich  von 
selbst,  dass  über  jeder  Bassnote  der  Dreiklang  angeschlagen  wer- 
den musste  und  hierdurch  schliesslich  die  Homophonie  über  die 
Polyphonie  zu  herrschen  begann.  Beim  dramatischen  Einzel- 
gesang fand  man,  um  die  einzelnen  Gemütsbewegungen  und 
Ipidenschaftlichen  Ergüsse  auszudrücken,  da?  Chroma  und  die 
Dissonanzen  höehst  geeignet.  Diese  mussten  aber  die  Kirchen- 
tonarten untergraben,  diese  auf  den  unveränderten  Tönen  der 
Skala  beruhenden  Tonarten  nach  und  nach  zu  den  heutigen 
zwei  Tongeschlechtern  Dur  und  Moll  ausgleichen,  in  welchen 
wohl  schon  von  Alters  her  die  Volksmusik  sich  hören  liess,  die 
jedoch  von  den  gelehrten  und  geschulten  Musikern  nicht  oder 
iidohst  selten  angewendet  wurden.  Damit  änderten  sich  zugleich 
iie  harmonischen  Gesetze;  gegenüber  den  verschiedenen 
aiTnonischen  Beziehimgen   der  alten   unter   sich   verschiedenen 


170  Kirchenmusik. 

Tonarten  treten  nun,  da  die  Tonarten  siöh  zu  zwei  in  allen 
Verhältnissen  wiederk^renden  veraUgemeinem,  ebenso  gleiche 
Verhältnisse  in  modulatorisoher  Hinsiont  überall  ein  und  es  bildel» 
sieh  das  neuere  Tonsvstem  aus. 

Bei  dem  nun  rasch  erfolgenden  Aufschwung  der  weltlichen 
Musik,  in  welche  auch  die  Kirchenkompositeure  verwickelt  wur- 
den, bei  der  Förderung  der  Musik  nach  dramatischer  Seite  Inn 
und  der  Anwendung  neuer  dazu  dienender.  Kunstmittel,  konnte 
ein  schlimmer  Rückschlag  auf  die  Kirchenmusik  gar  nicht  au&r 
bleiben.  Neben  der  nunmehr  häufiger  auf  den  Kirchenchören 
ertönenden  Instrumentalmusik  that  sich  eine  mit  schnelleren 
Noten  ausgestattete  Melodie  hervor,  welche  sich  oft  anstatt  der 
früheren  lang  gehaltenen  Noten  in  aUerlei  Koloraturen,  Passagen^ 
Läufen  u.  a.  erging;  Soli,  Duetten  wechselten  mit  Chören,  und 
man  wollte,  wie  Viadana  sagt,  nun  auch  in  der  Kirche  den  ^in- 

fern  Gelegenheit  geben,  ihre  Kunst  zu  zeigen  und  beim  Publikum 
Ihre  einzulegen. 

Von  I&lien  breitete  sich  diese  neue  Musikweise  bald  in 
alle  Länder  aus,  nach  Deutschland  kam  sie  hauptsächlich  durch 
Öeinrich  Schütz  (Sagittarius). 

Dass  unter  solchen  Umständen  die  polyphone  Musik  bald 
in  den  Hintergrund  treten  musste,  ist  ganz  natürlich;  der  strenge 
Stil  a  capella  machte  allmählich  dem  viel  freieren  und  ^aziöse- 
ren  stile  concertante  Platz*  Gleichwohl  fand  sie  noch  m  vielen 
Kü'chen  liebevolle  Pflege  imd  es  thaten  sich  noch  ansehnliche 
Meister  hervor,  welche  der  palestrinischen  Kunst  hohe  Ehre 
machten.  So  Paolo  Agostini  (f  um  1660),  Fr.  Foggia  (1604 
bis  1684) ,  Oraz.  Benevoli,  der  die  tiefsten  Kenntnisse  im 
Kontrapunkte  besass,  die  beiden  Bernabei,  Th.  Bai,  einer  der 
grössten  Meister  in  richtiger  Aecentuirung  der  Wortsüben,  der 
feine,  sinnige  Corce,  Ant.  Caldara,  Gregorio  Allegri 
(t  1640),  der  grösste  Stern  dieses  Jahrhunderts,  u.  a.  Bezeichnend 
ist  auch,  .dass  man  die  möglichste  TonfüUe,  die  man  durch  die 
Anwendung  von  Instrumenten  erreichte,  auch  oft  auf  den  Ge- 
sang übertrug  und  die  kunstreiche  Polyphonie  weniger  Stimmen 
für  zu  wirkungs-  und  eifektlos  erachtend,  das  Massenhafte  aus- 
bildete und  z.  B.  Messen  zu  drei,  vier,  ja  zu  zwölf  Chören  kom- 
ponierte (s.  mehrchörig).  Mit  dem  XVIII.  Jahrh.  seheint  der 
palestrinische  Geist  und  seine  Kirnst  ganz  zu  Grabe  zu  gehen^ 
der  Opernstil  drang  in  die  Kirche  unaufhaltsam  ein,  polyphonische 
Verwickelungen,  wie  sie  die  römische  Schule  in  ihrer  Blütezeit 
übte,  galten  nichts  mehr,  an  ihre  Stelle  trat  die  streng  abge- 
messene Fuge  und  ein  sehr  bewegter,  oft  sehr  leichtfertiger 
fugierter  Stil,  welcher  ein  schlechter  Ersatz  für  die  3te 
Erhabenheit  war;  sonst  behauptete  die  Homophonie  und  das 
Solowesen  das  Feld.  Die  ernste  christliche  Schreibweise  (für 
Gesang)  nahm  eine  andere  Gestalt  an,  die  Kirchentonarten  ver- 
stand man  kaum  mehr,  überall  drängte  sich  das  moderne  Ton* 
System  ein,  so  dass  man,  für  den  I.  Ton  reines  D-moll,  für  den 
lll.  E-moU  mit  eigenem  Schlüsse  u.  d^l.  annahm;  man  verliess 
die  schöne  Satzfügung  der  Alten  und  hielt  sich  an  kürzere  Sätze^ 
deren  jeder,  auch  der  kürzeste,  seine  eigene  bald  halbe,  bald 
ganze  Kadenz  bekam.   Dazu  war  das  ganze  derartige  Tongebilde 


Kirchenmusik.  171 

(a  capella)  steif^  trocken,  ohne  die  Würde  und  Erhabenheit,  ohne 
den  Anhauch  der  Andacht  und  Geisteserhebung,  ohne  den  edlen 
Schwung,  welcher  die  älteren  Kontrapunktwerke  aufizeiohnet; 
man  war  darin  nicht  mehr  heimisoh,  da  die  Kirchenkomponisten 

fewö'tuilich  auch  Bühnenkomponisten  waren  und  daher  ihr^i 
ochsten  Ruhm  holten.  Gleichwohl  finden  sich  noch  Männer,, 
welche  sich  bestrebten,  den  alten  ruhmreichen  kirchlichen  Vor- 
bildern zu  folgen.  Unter  diesen  nennen  wir:  AI.  Scarlatti, 
Dur  ante,  Leon.  Leo  (welche  beide  mit  G.  Greco  Stifter  der 
berühmten  neapolitanischen  Schule  waren;  diese  Schule 
repräsentiert  die  Epoche  des  „schönen  Stiles**;  aber  ihre 
Stifter  stehen  noch  m  der  Mitte  der  alten  Strenge  und  der  spä- 
teren Sentimentalität,  Zerfahrenheit,  Haltlosigkeit,  Leidenschaft- 
lichkeit; sie  verklärten  den  frülieren  Ernst  zu  schÖnePMilde,. 
der  -spätere  Leichtsinn  war  noch  durch  Ernst  und  Gediegenheit 
ferne  gehalten;  plastische  Schönheit,  Ebenmass,  architektonischer 
Verstand  in  der  Gruppierung,  überall  feiner  Sinn  für  das  rechte 
Mass,  Grazie  war  ihnen  eigentümlich).  Fr.  Feo,  den  gewandten 
Perti,  Giamb.  Martini,  AI.  Pavona,  Ant.  Lotti,  welcher 
der  ruhmvollste  Vertreter  der  venetianischen  Schule  im  XVIII» 
Jahrh.  ist,  Gr.  Ballabene,  Fux  und  besonders  der  gi'osse  Römer 
Pitoiii. 

Als^  um  1750  in  Deutschland  die  Instrumentalmusik  mit 
mächtiger  Kraft  und  Fülle  zu  hoher  Kunst  sich  zu  heben  begann^ 
hatte  vollends  die  letzte  Stunde  für  den  wahren  kirchlichen  har- 
monischen Gesang  geschlagen,  und  wenig  fruchtete  es,  dass  noch 
Männer  wie  Martmi,  Valotti,  r avona,  Vogler  u.  a.  sich  bemühten, 
einen  kirchlichen  Stil  aufrecht  zu  erhalten  sogar  in  den  instru- 
mentierten Kirchenstücken,  geschweige  in  Gesangstücken,  mit 
welchen  man  ganz  und  gar  aufräumte  (Ausnahmen  kamen  aller- 
dings vor  in  Deutschland  sowohl  als  in  Spanien  und  Italien,  wo 
namentlich  die  sixtinische  Kapelle  mit  Ausschluss  selbst  der 
Orgel  am  Stüe  a  capella  festhielt).  Es  gab  in  Deutschland  bald 
keine  Kirchenmusik  mehr  —  ebenso  wenig  als  in  anderen  Län- 
dern, nur  Spanien  verhielt  sich  conservativer,  da  dort  auch  die 
Oper  gegen  andere  Länder  weit  zurückblieb. 

Erst  im  Beginne  des  laufenden  Jahrhunderts  traten  ein- 
zelne Männer  hervor,  welche  die  alten  Meister  wieder  würdigten 
und  aus  den  Archiven  hervorholten,  so  der  fromme  und  kunst- 
reiche Kasp.  Ett  zu  München,  welcher  nachgehends  selbst  im 
alten  Stile  einige  Werke  zu  liefern  versuchte.  Einen  Haupt- 
anstoss  zur  Wiedererweckung  der  gefeierten  Musik  des  XVI.  Jahrh. 

fab  der  König  Ludwig  L  von  Bayern  bei  der  Einrichtung  der 
önigUchen  Aflerheüigen-Hofkapelle,  in  welcher  nur  kontrapunk- 
tische Werke  zur  Aufführung  gelangen  sollten.  Tüchtig  ai'bei- 
tete  auf  diesem  Felde  dann  weiter  der  langjährige  HoTkapell- 
meister  C.  Aiblinger,  die  Hofkapläne  Schmid  und  Hauber, 
welche  mit  Ett  treu  kämpften  una  stritten,  hauptsächlich  dm*eh 
Sammlung  und  Aufführung  alter  Meisterwerke.  Unterdessen 
kam  Dr.  Karl  Proske,  ein  ausgezeichneter  Musiker,  nach  Re- 
gensburg, welchej'  nun  um  Hebung  der  Kirchenmusik  unver- 
gängliche Verdienste  sich  errang,  zweimal  die  Musikarchive  der 
vorzüglichsten  Städte  Italiens  durchforschte,  Abschriften  machte. 


] 


172  Kirchenmusik. 

«ine  reichhaltige  Bibliothek  alter  Meisterwerke  anlegte  und  zuletzt 
unter  Autoritelt  des  Bischofes  Valentin  einen  Jahrgang  solcher 
Kirchenmusik  unter  dem  Titel  „Musica  divina*  in  vier  bedeu- 
tenden Bänden  mit  Separatstimmen,  dann  einen  „Seleotus  novus 
Missarum^  veröffentlichte.  Ihm  zur  Seite  bemühte  sich  Job. 
Oeorg  Mettenleiter  mit  Ausführung  dieser  Werke  in  der 
alten  Kapelle  zu  Regensburg,  wie  auch  der  tüchtige  Domkapell- 
meister  J.  Schrems  daselbst.  Gleichzeitig  veranstaltete  der 
Domherr  Stephan  Lück  in  Trier  eine  Sammlung  praktischer 
Kirohenstücke ,  und  selbst  Akatholiken  erkannten  den  hohen 
Wert  der  alten  Meisterwerke,  so  dass  ihre  Kapellen  und  Aka- 
demien diese  Musik  pflegten  (so  der  kgl.  Domchor  in  Berlin,  die 
kais.  ri^sische  Hofkapelle  in  Petersburg  etc.)  und  Ausgaben  der- 
selben Veranstalteten.  Nicht  minder  trugen  ferner  begeisterte 
Männer  für  die  Hebung  der  katholischen  Kirchenmusik,  wie  be- 
sonders für  die  Wiederaufnahme  dieser  Musikgattung  durch 
anregende  Schriften  bei,  so  der  berühmte  Heidelberger  rrofessor 
'Thioaut,  der  Pastor  Stein  in  Köln  u.  a.  Durch  solche  lang- 
wierige Thätigkeit,  oft  von  bitteren  Kämpfen  und  Mühen  be- 
gleitet, blüht  die  kirchliche  Gesangsmusik  wieder  schöner  heran 
und  hat  in  vielen  Kirchen  wieder  Eingang  und  Pflege  gefunden. 
Das  grösste  Verdienst  hierin  gebührt  dem  Kanonikus  Dr.  Franz 
Witt,  welcher  durch  seine  Schriften  ein  besseres  Verständnis 
dessen ,  was  der  Kirchenmusik  not  thut ,  anbahnte  und  durch 
<lie  Gründung  des  alsbald  vom  heiligen  Stuhle  begutachteten 
•Cäcilienvereines  (s.  d.)  den  Anstoss  und  das  Mittel  zur  Reform 
der  gesunkenen  Kirchenmusik  gab.  Grosses  ist  seitdem  gelei- 
stet worden. 

in.  Geschichte  der  instrumentierten  Kirchen- 
musik. Im  Artikel  „Instrumentalmusik"  ist  schon  das  Nötige 
über  die  Nichtanwendung  der  Instrumente  beim  katholischen 
Gottesdienste  in  dem  ersten  Jahrtausend  gesagt  worden.  In  den 
folgenden  Jahrhimderten  finden  wir  wieder  nur  die  Orgel  in  den 
Kirchen  zugelassen,  doch  mehr  oder  minder  ist  ihr  Gebrauch 
•eingeschränKt;  Honorius  Augustod.  (XII.  Jahrb.)  schreibt:  „Bei 
der  heiligen  Messe  wenden  wir  Gesang  an,  bei  den  Hymnen 
und  Lobgesängen  (Sequenzen,  Te  Deum,  Magnifikat  u.  dgl.) 
wollen  wir  Gott  auch  mit  der  Orgel  und  mit  Glocken  dienen." 
Man  scheint  es  noch  lange  für  störend  und  ungeziemend  gehal- 
ten zu  haben,  zu  der  Zeit,  wo  die  höchsten  Geheimnisse  geleiert, 
■das  heiligste  Opfer  vollzogen  wurde,  andere  als  Menschenstim- 
men ertönen  zu  lassen.  Freilich  war  die  Orgel  noch  sehr  unbe- 
holfen; aber  je  mehr  sie  Verbesserungen  ermhr,  ihr  Ton  ange- 
nehmer, ihre  Mechanik  handlicher,  ihr  Umfange  grösser  wurde, 
desto  mehr  Anteil  gestattete  man  ihr  an  (^er  kirchlichen  Musik. 
Auch  ihr  Spiel  vervollkommnete  sich  unter  dem  Einflüsse  der 
t  aufblühenden  Harmonie,   wie   auch  sie  unzweifelhaft  wieder  auf 

f,  diese   rückwirkend  war.    In   welcher  Weise   aber  die  Orgel  ge- 

j  handhabt  wurde,   lässt   sich   nicht  so  leicht  bestimmen,   da   die 

I;  ältesten  bekannt  gewordenen  Orgelstücke  erst   dem  XV^  Jahrb. 

r  angehören;   in  dieser  Zeit  und  noch  lange  Zeit  nachher  war  der 

L  Orgelstil  vom  Vokalstil  in  nichts  unterschieden.    Man  begleitete 

r-  mit  Orgelspiel  die  Gesängstücke,  besonders  die  Choräle,  und  als 


l! 


.L± 


Kirchenmusik,  175 

Viadana  um  1600  mit  seinen  Concerti  spirituali  hervortrat,  er- 
schien hei  den  ein-  oder  zweistimmig  ausgeführten  (ursprünglich 
melirstimmig  komponierten)  und  hei  den  monodisch  gebildeten 
Gesängen  die  Orgel  als  ein  notwendiges,  Füllung  und  F\indament 
gebendes  Instrument;  auch  bei  vollständig  mit  Gängern  besetztem 
Chore  ^ab  man  die  Orgel  (Basso  contmuo)  oft  als  Begleitung 
beL  Dies  wurde  alsba}d  so  heliebt,  dass  um  1620  ein  Kusp. 
Vincentius,  Organist  in  Würzburg,  das  „Opus  ma^um  mus/ 
des  Orlando  Lasso  (516  Nummern)  vollständig  mit  einem  Bassp- 
continuo  versehen  hatte ,  und  in  der  Folgezeit  wenige  Werke 
zur  Ausgabe  gelangten,  die  nicht  von  einem  „Basso  ad  Organum 
accomoaato'*  oder  ^Basso  generali  ad  org."  (bei  zwei  ijnd  drei 
(]Iliören)  von  „duplici"  und  -triplici  Basso  ad  org.  accomodato^ 
begleitet  gewesen  wären.  Ebenso  nützlijoh  erkannte  man  die» 
Instrument  zur  Ausfüllung  von  Zwischenpausen  oder  zur  Ein- 
leitimg zum  Gesänge  (Präludien  etc.).  Das  Orgelspiel  gewann 
mit  dem  Anfange  des  XVL  Jahrh.  einen  sehr  hohen  Aufschwung, 
und  da  ihr  ganzes  Wesen  sich  mit  dem  kirchlichen  Charakter 
leichter  vertrug,  durch  hohen  Ernst  und  Würde  bei  ^osser  Ton- 
fülle wie  kein  anderes  Instrument  zu  kirchlichem  Dienste  sich 
empfahl,  so  finden  wir  sie  auch  durch  alle  Jahrhunderte  gleich-^ 
sam  als  liturgisches  Instrument  ihren  Platz  in  den  Kirchen  ein- 
nehmen. Gleichwohl  nahmen  sie  einige  Kirchen  auch  nicht  an, 
wie  z.  ß.  die  päpstliche  Kapelle  bis  auf  den  heuti|jen  Tag.  Dass 
Missbrauch  an  manchen  Orten  nicht  ausblieb,  wird  Niemanden 
befremden;  die  Kirche  hat  ihn  aber  jederzeit  gerügt,  ohne  den 
rechten  Gebrauch  der  Orgel  beim  iSottesdienste  zu  verbieten. 
Die  VerordnitQg  des  Konzils  von  Trient  (sess.  22.)  lautet:  „Von 
den  Kü'chen  sollen  ferne  gehalten  werden  jene  Musiken,  bei 
denen,  sei  es  durch  das  Orgelspiel,  sei  es  im  Gesänge,  etwas. 
Leichtfertiges  und  Wollüstiges  sich  eingemischt  finde."  Und  so 
betrafen  und  betreffen  noch  alle  Stimmen,  welche  sich  gegen 
das  Orgelspiel  in  der  katholischen  Kirche  erheben,  nicht  dieses- 
an  sich,  sondern  immer  nur  die  ärgerliche  oder  ungehörige  Be- 
handlung desselben. 

Anders  gestaltet  sich   die  Sache  bei  den  übrigen  Instru- 
menten, diese  hat  die  Kirche  nie  gebüliget,  weil  sie  in  ihnen  nie 
eine  Zierde  des  Hauses  Gottes  sehen  konnte,  vielmehi*  Störung, 
Hineintragung  des  w.eltlichen  Wesens  ins  Heiligtum,   und  durch 
sie   manch   anderes  Ärgernis  veranlasst   fand.    Wir  finden  auch 
weder  in  den  Schriften,  noch  in  den  Konzilienbeschlüssen,  noch 
in  den  auf  uns  gekommenen  Musikwerken  bis  um  die  Mitte  des- 
XVI.  Jahrh.  eine  Andeutung,    dass  andere  Instrumente   als  die 
Orgel   für  die  Kirche  benützt  wurden.    Nm*  sporadisch  mögen 
solche  Fälle  vorgekommen  sein,  wie  z.  B.  Gerson  (um  14(X))  mel- 
det, dass  er  ausser  der  Orgel  in  einigen  Kirchen  auch  eine  Tuba 
^Trompete  oder  Posaune),  sehr  selten  aber  tiefe  Trompeten  (bom- 
)ardas)  oder  Schalmeien  oder  Krummhörner  angewendet  sah.  Dass- 
\m  die  Zeit  des  beginnenden  zweiten  Jahrtausends  die  übrigen 
nstrumente    füi*    die   Kirche   als   gänzHch  untaugUch  befunden 
rurden,  darf  nicht  wundern,  da  man  einenteÜs  noch  strenge  an 
Bn  kh-chhchen  Vorschriften  hielt  und  alle  Neuerungen  möglichst 
itfernt  zu  halten  suchte,  andernteils  aber  auch  die  gewöhnlichen 


1 74  Kirchenmusik. 

Instrumente  ihrem  ganzen  Charakter  nach  für  die  Bhrwürdigkeit 
dee  OottesdienBtes  mcht  passten,  indem  ihr  Grebraueh  ein  sehr 
weltlicher  war,  obwohl  wir  übrigens  annehmen  können,  das» 
man  zur  Zeit  der  Troubadours  und  Ministreis  sie  fertig  spielte 
imd  dass  man  sie,  als  die  Stadt-  und  Kunstpfeifer  und  Türmer 
«ie  in  „ehrlichem  Grewerbe^  trieben,  auch  regelrecht  und  kunst- 
voll, d.  h.  dem  doiisnaligen  Stande  der  musikalischen  Ausbildung 
femäss,  handhabte,  dass  also  in  Bezug  auf  die  Fertigkeit  des 
pieles  kein  Mangel  sich  zeigte.  In  mehreren  Beziehungen  lief 
ihnen  aber  die  Orgel  den  Rang  ab,  welche  einmal  nur  lür  die 
Kirche  benützt  dem  weltlichen  Gebrauche  j^anz  entzogen  war, 
dann  durch  die  Macht  imd  Anmut  ihi*er  Tone,  besonders  bei 
•eintretenden  Verbesserungen  (Register)  durch  Fülle  der  Harmonie 
sich  emjpfahl,  und  das  gebundene  Spiel ,  das  lange  Anhalten  des 
Tones  und  die  Unmöghchkeit,  schnelle  weltlich  klingende  Fiffu- 
ren  einzumischen,  wie  das  Spiel  keines  anderen  Instrumentes  aer 
H^ä^keit  und  Würde  des  Gottesdienstes  entsprach.  Erst  um 
die  Mitte  des  XVI.  Jahrh.,  als  der  Musik  allenthalben  höhere 
und  allseitige  Pflege  zugewendet  wurde,  tauchen  Nachrichten 
über  den  Gebraupn  einiger  Instrumente  in  der  Kirche  in  be- 
stimmterer Form  auf.  iSoö  verordnet  das  Konzil  von  Cambray, 
dass  bei  einem  gesungenen  Credo  weder  Orgel  noch  Instru- 
mentalmusik zur  Verwendung  komme,  ausser  sie  sei  der  Art, 
dass  jedes  Wort  verstanden  werden  könne;  bei  denjenigen 
Stücken  aber,  welche  zum  Lobe  Gottes  g^iören,  z.  B.  minnen, 
Gloria,  Sanktus,  sei  die  Musik  an  ihrem  Platze.  Derlei  verord-- 
nungen  waren  aber,  das  darf  man  nicht  übersehen,  noch  lai^ 
keine  allgemeinen,  d.  h.  für  die  ganze  Kirche,  sondern  bloss  mr 
einzelne  Provinzen  und  Diöcesen  geltende  Verordnungen;  die 
Kirche  kennt  für  ihren  Gottesdienst  nur  ihren  Choral  und  lässt 
hin  -und  wieder  zur  Erhöhung  der  Feierlicheit  mehrstimmigen 
Gesang  und  die  Orgel  zu.  Auch  das  Konzil  von  Trient  redet 
nnr  von  der  Orgel  und  von  keinem  anderen  Instrumente,  und 
das  Maüänder  Konzil  1575  und  viele  andere  bestimmen,  es  solle 
nur  der  Orgel  eine  Stelle  in  der  Kirche  eingeräumt  werden,  die 
Flöten,  Hörn  er  und  die  übrigen  Instrumente  sollen  ausge- 
schlossen sein.  —  Einen  wesentlichen  Anstoss  zur  Einführung 
der   Instrumente    in   die  Kirche  haben  unzweifelhaft  auch  die 

fressen  Kapeilen  gegeben,  welche  kunstliebende  Fürsten  und 
idle  an  ihren  Höfen  einrichteten  und  dahin  nicht  bloss  die  besten 
Sänffer,  sondern  auch  vorzügliche  Instrumentisten  zogen.  Das 
Titelblatt  zum  II.  Teüe  des  „Opus  novum"  von  Orl.  Lasso  zeig^ 
die  Abbüdtmg  der  damals  gebräuchlichen  Instrumente:  Glavi- 
ehordium.  Laute,  zwei  Chelys  (eine  grosse  und  kleine  Geige),  zwei 
Flöten,  zwei  Zinken  imd  zwei  Tubae  (Ti'ompeten),  und  der  bald 
auf  den  Titeln  erscheinende  Beisatz  „tum  viva  voce,  tum  cujus- 
vis  generis  instrumentis^  weist  auf  ihre  Ausführung  durch  Instru- 
mente, sei  es  mit  oder  ohne  Gesang,  nicht  bloss  ausser,  sondern 
auch  in  der  Kirche  (dabei  hatten  die  Instrumentisten  keine  eigens 
ausgeschriebenen  Stimmen,  sondern  spielten  aus  dem  Singpart) 
hin.  So  veröffentlichte  der  Salzburger  Kapellmeister  Hasen- 
knopf  „Sacrae  cantiones  (München,  gedruckt  bei  Berg  1588) 
ö,    6,  8   et   plurium   vocum,  tum  viva  voce   tum  omnis  generis 


Kirchenmu&ik.  175 

inttrumentis  cantatu  acoomodissimae^ ;  Johannes  Croc.e  1607 
SB  Venediff  Motetten  zu  aoht  Stimmen  -con  Ofini  istromeiiti^ ; 
M« X  Staaeimayr.k.  k.  Kapellmeister,  Magnifikat  und  Psalmen 
mit  Instrumenten.  BernardBorlasca,  kurfüi*stlich  bayerischer 
Kapellmeister,  beschreibt  uns  in  der  Vorrede  zu  seiner  ,,Scala 
Jacob*  (Venedig  1616)  sogar  die  Einrichtung  eines  instrumen- 
tierten Doppelchores:  „In  den  ersten  Chor  smd  die  vier  Haupt- 
stimmen nut  dem  Sopran  (Eimuchen  oder  Falsetisten)  zu  steifen 
^t  Begleitung  von  Saiteninstrumenten,  als  Viola  a  bräccia, 
iHm^ba,  arpona,  lyra,  wie  es  der  Brauch  ist  in  der  bayerieoben 
Hofkapelle,  wo  man  eine  grosse  Anzahl  Instrumente  jeder  ^at- 
timg  hat.  Den  zweiten  Chor  bildet  dieselbe  Art  Singstimmen, 
über  zu  ihnen  treten  andere  Instrumente,  wie  Gornett,  Posaune 
<^ompona  bene  temperata)  mit  einer  Violine.  *  Den  Meistern 
An  fürstlichen  Höfen  standen  eben  ansehnliche  Orchester  zu  Ge- 
h&%e,  welche  man  auch  für  die  Kirche  ausnützen  wollte,  fiM>  dem 
Oriandq  Lasso  zu  München  neben  60  Sängern  30  Instrumentkten, 
CL  Moriteverde  zu  Venedig  verfügte  über  ein  Orchester  von  33  In- 
«ttmnenten ;  kleinere  Chöre  mussten  sich,  wollten  sie  Instrumental- 
musik haben,  mit  der  Orgel  begnügen,  für  welche  sich  der 
Organist  das  Stück  in  Tabülatur  schrieb  und  die  Sänger  Note 
für  Note  begleitete  oder  (nach  1600)  einen  „Basso  continuo^  sich 
aussetzte;  gebrauchten  sie  Instrumente,  so  waren  es  im  allge- 
meinen nur  die  Posaunen,  auf  welchen  sich  alle  Töne  der  Skala 
leicht  und  rein  blasen  Messen,  dann  noch  die  Zinken  oder  Tpom- 
peten,  weniger  die  Saiteninstrumente,  welche  man  für  die  Kirche 
viel  zu  schwach  und  weichlich  hielt;  Posaunen  blieben  auch 
iMK^  später  nebeii  der  Orgel  ein  beliebtes  Begleitungsmittel.  In 
Sjpiuuen  bediente  man  sich  sehr  gerne  der  Harfe,  deren  GrebrflMich 
ms^  in  der  Kathedrale  von  Pampelima  noch  erhalten  hat. 

}/ät  dem  Beginne  des  XVUI.  Jahrh.  machte  der  Gebrauch 
4«  Instanimente  auf  den  Kirchenchören  einen  bedeutenden  Portr 
«chHtt.  Unzweifelhaft  trug  die  neapolitanische  Schule  viel  dazu 
-bei,  welche  ihre  Kirchenwerke  häufig  mit  Instrumenten  versah, 
insbesondere  nachdem  AI.  Scarlatti  ein  proportioniert  zu- 
sammengestelltes Orchester,  wie  es  nie  voiiier  der  Fall 
war,  eingeführt  hatte,  das  in  Violinen,  Viola,  Violoncell, 
Kontrabass,  zwei  Oboen  und  zwei  Hörnern  bestand,  und  wodurch 
-er  den  Grund  zur  Vervollkommnung  und  Verselbständigung  der 
Instmmentalmufiik  legte.  Seit  dieser  Zeit  ungeföhr  mehren  sich 
4ie  instrumentierten  Kirchenstücke,  welche  auch  in  ihren  Gesang- 
partien  immer  mehr  einen  weltlichen  Charakter  annehmen,  und 
drängen  den  reinen  Gesang  zurück.  Nur  die  besseren  Meister 
Imlten  noch  am  alten  Kirchenstile  fest,  obwohl  es  auch  ihnen 
ö*ir  seltener  geUnf^,  den  ehrwürdigen  Ton,  der  die  Werke  eines 
Palestrina,  Vittoria,  Hasler  u.  a.  adelt,  zu  finden  und  der  Musik 
<Len  Charakter  der  lebensvollen  Gläub^keit  und  Innigkeit  auf- 
■zttprägen.  So  sehr  der  Weg,  welchen  die  Instrumentalmusik 
be&eten  hatte,  sie  zu  hoher  Ausbüdimg  und  Vollkommenheit 
-2U  führen  geeignet  war^  so  unheilvoll  war  er  fiir  die  Kirche,  da 
<iie  Tonsetzer  rar  weltliche  Musik  gewöhnlich  auch  Direktoren 
Tind  Komponisten  für  die  Kirchenchöre  waren;  zwei  sich  so 
widersprechende    Elemente,     wie   Bühnen-    und   Kirchenmusik, 


176  Kirchenmusik. 

können  aber  nicht  von  einer  Person  besorgt  werden,  ohne  das^ 
eines  von  beiden  benachteiliget  wü-d  und  dasjenige,  welches 
mehr  den  Sinnen  schmeichelt,  die  Oberhand  behält.  So  kam  es, 
dass  die  weltlichen  Formen  in  der  Kirchenmusik  sich  geltend 
machten  und  der  leidenschaftliche  und  rein  individuelle  Ausdruck 
als  das  Höchste  gepriesen  ward.  Und  wenn  auch  bis  über  die 
Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  hinaus  den  Singstimmen  noch 
ein  VoiTang  gelassen  wTu*de  und  das  Instrumentale  noch  eine 
untergeordnete  Stellung  beibehielt,  so  trug  sich  doch  die  instrur 
mentäe  Beweglichkeit  auf  die  Singstimmen  über  und  that  der 
Würde  und  dem  Ernste  des  Gottesdienstes  grossen  Abbruch;  al» 
Beispiel  mögen  die  Werke  eines  Brixi  gelten.  Den  Komponi- 
steuj  welche  über  der  weltlichen  Musik  das  Verständnis  heu^er 
Musik  eingebüsst  hatten,  lag  zudem  oft  nur  daran,  einem  »prak- 
tischen Bedürfnisse^  abzuhelfen,  ohne  weitere  Rücksicht  auf  den 
kirclüichen  Geist.  Nach  Seb.  Bach,  dem  Wendepunkte  zwischen 
der  alten  und  neuen  Zeit,  verselbständigte  sich  die  Instrumental- 
musik immer  mehr  und  es  trat  die  Herrschaft  der  Melodie  und 
die  durch  die  Homophonie  bedingte  freiere  Weise  individuellen 
Ausdiiickes  stärker  als  je  hervor.  Die  Kirchenwerke  sanken 
nach  und  nach  neben  den  Solosätzen  und  Fugen  fast  zu  blossen 
Instrumentalwerken  über  einem  wenig  oder  nicntssafy^enden  höchst 
simplen  Gerüste  der  Singstimmen  herab;  selbst  bei  den  genialer 
ren  Tonsetzern  ward  dieser  Mangel  oft  fühlbar  (Naumann,  Haydn, 
Mozart,  Jomelli  u.  a.).  Bei  den  Deutschen  reifte  der  Instrumental- 
stü  durch   Joseph  Haydn  und  W.  Mozart  der  Vollendung  ent- 

fe^en  und  eiTeichte  in  Beethoven  den  Gipfel  der  VoUkommen- 
eit;  nebenbei  tauchten  auch,  wie  in  Italien  der  Bravourgesang 
sich  hob,  in  den  anderen  Ländern  Virtuosen  des  Instrumentat^ 
Spieles  auf,  kurz,  die  Musik  erfreute  sich  einer  höchsten  Pflege, 
Vervollkommnung  und  Veredlung.  So  sehr  dies  alles  seine  Be- 
rechtigung für  die  Bühne,  die  l^ammer  imd  den  Konzertsaal 
hatte,  so  ungehörig  es  aber  für  das  Haus  Gottes  erscheinen 
musste,  wo  man  nicht  mit  einschmeichelnden  Melodien  und  Har- 
monien die  Ohren  kitzeln,  mit  scharfen  und  hinreissenden  Rhyth- 
men die  Leidenschaften  erregen,  mit  Künsten  auf  das  Lob  des 
-Publikums^  spekulieren  soU,  —  man  trug  all  die  weltlichen 
Vorzüge  auch  auf  die  Kirchenmusik  über.  Wie  man  schon  früh- 
zeitig das  seelenvolle  Spiel  des  Violinvirtuosen  Corelli  (f  1713)  in 
einigen  Kirchen  Roms  zu  hören  wünschte,  so  ward  auch  bei  den 
Deutschen  ein  ähnliches  Begehren  wach,  die  Kirnst  ihrer  grossen 
Meister,  —  die  allerdings  sehr  gross  waren  in  weltlicher  Musik,  — 
im  Hause  Gottes  zu  vernehmen,  d.  h.  den  alten  Stü,  die  kirch- 
lichen Weisen  zuiilckzusetzen ,  dem  weltlichen  Stile  und  der 
Bravour  Platz  zu  bieten  und  dem  Orchestralen  das  Übergewicht 
über  dem  Vokalen  zu  gestatten.  So  trugen  J.  Haydn  und  Mo^ 
zart  ihre  hohe  weltliche  Kunst  auf  ihre  Kirehenwerke  über; 
ersterer  stattet  seine  Messen  mit  der  vollen  von  ihm  erfundenen 
Pracht  des  Orchesters  aus  und  ergeht  sich  mit  seiner  ganzen 
lebensfreudigen  Natürlichkeit  im  Heiligtume;  des  letzteren  uni- 
verselles Genie  wäre  geeignet  gewesen,  auch  das  Kirchliche  in 
orinneller  Weise  anzufassen  und  darin  gross  zu  werden,  wenn 
er  2ieit  und  Ruhe  genug  gefunden  hätte,  fiir  die  Kirche  ernstlich 


Kirchenschluss  —  Kirchenspi'ache.  177 

genug  zu  denken.  Beide  wurden  der  Ausgangspunkt  der  neueren 
verweltlichten  Kirchenmusik,  welche  durch  den  am  Anfange 
dieses  Jahrhunderts  bewunderten  Rossini-Stil  zm*  vollen  Er- 
bärmlichkeit herabgedrückt  wurde.  Edler  dachten  noch  viele 
Kompositeure  und  suchten  die  Kirchenmusik  auf  höherer  Stufe 
zu  erhalten  (Cherubini,  Vogler,  Stadler,  Eybler  u.  a.), 
aber  auch  sie  konnten  den  Verrall  nicht  hemmen.  Beethoven 
lieferte  inhaltsschwere,  tiefsinnige  Messen  voll  des  edelsten  Gei- 
stes '—  sie  sind  unübertreffliche  musikalische  —  leider  aber  nicht 
Idrchliche  Kunstwerke,  sie  ermangeln  der  leidenschaftslosen,  de- 
mütigen, friedreichen  Frömmigkeit;  Ausdruck  der  Heftigkeit, 
Steigerung  jeglichen  Gefühles  bis  auf  die  Spitze  ist  nicht  das 
Wesen  der  Kirchenmusik.  Verloren  wai*  die  Glaubensfestigkeit 
imd  jegliche  Kenntnis  des  kirchhchen  Willens  in  der  Richtung 
des  Musikalischen;  jeder  Tonsetzer  wollte  nach  privater  An- 
schauung verbessern  —  darum  konnte  selten  einer  das  Rechte 
treffen;  der  eine  sah  in  Haydn,  der  andere  in  Beethoven  das 
Ideal,  der  andere  suchte  es  in  einem  Mischmasch  zwischen  Altem 
und  Neuem  —  und  wenn  wir  die  einfache  Kraffc  einer  Palästrina- 
Messe  dagegen  halten,  so  bleibt  uns  unendlich  viel  für  unsere 
gegenwärtige  instrumentierte  Kirchenmusik  zu  wünschen  übrig. 
Wer  wird  oen  Stein  der  Weisen  entdecken? 

Von  den  besseren  Meistern  seit  Beethoven  nennen  wir: 
Drobisch,  Ett,  Hahn  B.,  Horak,  Hummel,' Kirras,  Met- 
tenleiter B.,  Rotter,  Schnabel  J.,  Greith  C.,  Schaller  F. 
u.  a.  m.  Unserer  Zeit  thut  es  not,  dass  sie  die  alten  Meister 
recht  zur  Hand  nehme  und  sie  studiere  und  aufführe;  daraus 
wird  sie  bei  weitem  mehr  Belehrung  und  Erkenntnis  schöpfen 
und,  durch  ihre  Ideen  befruchtet,  mit  Gottes  Hilfe  den  Weg 
finden  zu  einer  Harmonie  und  Instrumentation,  welche  das  Wesen 
der  wahren  Kirchenmusik  nicht  beeinträchtiget. 

Kirchenschluss,  s.  Kadenz. 

Kirchensprache.  Die  Sprache,  welcher  sich  die  römisch- 
kathohsohe  Kirche  in  ihrer  gesamten  Liturgie  bedient,  ist  die 
lateinische.  Gewichtige  Gründe  veranlassen  die  Kirche,  an 
dieser  Sprache  festzuhalten.  Bei  der  grossen  Verschiedenheit 
der  Sprachen  in  der  Welt  und  bei  der  beständigen  Veränder- 
lichkeit der  lebenden  Sprachen  würde  nicht  selten  die  Gleichheit 
des  Sinnes  und  somit  die  Einheit  der  Kirche  verletzt  werden. 
Ohne  Gleichheit  der  Sprache  wäre  es  für  einen  Priester  nur  zu 
häufig  unmöglich,  die  heiUgen  Geheimnisse  zu  feiern;  und  die 
liturgischen  Gebete  u.  dgl.  oedürfen  ebenso  einer  unveränder- 
lichen, toten  Sprache,  weil  sie  der  korrekte  Ausdruck  des  Glau- 
bens sind;  diese  allein  vermag  die  nötige  Schärfe  und  Bestimmt- 
heit des  Ausdruckes  zu  geben  und  feste  Dauer  zu  verbürgen. 
Die  Sprache  des  Gottesdienstes  ist  heilig,  sie  wird  es  aber  desto 
mehr,  je  femer  sie  dem  täglichen  Gebrauche  steht.  Das  heilige 
Opfer  ist  dann  auch  keine  Predigt  oder  Christenlehre,  sondern 
ausschliesslich  Dienst  Gottes.  Und  an  diesem  nimmt  der  Gläu- 
bige vollen  Anteil,  wenn  er  den  Sinn  der  heiligen  Handlung 
versteht  und  seine  Meinung  mit  dem  Priester  macht;  auch  stehen 
ihm  Bücher  genug  zu  Gebote,  um  alles  auch  in  seiner  Mutter- 
sprache lesen  zu  können.   Das  Konzil  von  Trient  hat  darum  den 

KorDmüUer,  Lexikon.  12 


178  Kirchenstil  —  Kirchentonarten. 

Gebrauch  der  Landessprache  bei  den  heiligen  Gottesdiensten  ver- 
boten, und  die  Entscneidung  der  S.  R.  (T.  geht  dahin,  dass  Ge- 
sänge in  der  Landessprache  wader  bei  Hochämtern,',  noch  bei 
anderen  liturgischen  Handlungen  gebraucht  werden  dürfen. 
Die  Bestimmung,  welche  Gesänge  mit  (bei  uns)  deutschem  Texte 
und  wann  sie  benützt  werden  können,  liegt  m  der  Kompetenz 
der  Bischöfe.  —  Der  kirchliche  Tonsetzer  und  Sänger  oedarf 
vorzüglich  auch  des  Verständnisses  des  kirchlichen  Textes  ttnd 
muss  sich  dasselbe,  wenn  er  der  lateinischen  Sprache  unkundijg 
ist,  auf  irgend  eine  Weise  aneignen.  Hierbei  sei  empfohlen  die 
„Fassliche  und  praktische  Grammatik  der  katholischen  Kirchen- 
sprache. Für  Cnorregenten ,  Lehrer,  Laienbrüder  und  Ordens- 
frauen. Von  Dr.  F.  Nissl,  3.  Aufl.,  Regensburg  bei  Bössenecker.* 
—  Ausführliches  hierüber  ist  in  dem  trefflichen  Werke:  «Die 
Kunst  im  Dienste  der  Kirche*,  von  G.  Jakob  (Landshut 
1857),  S.  167  u.  ff.  enthalten.    (Vgl.  Kirchenlied.) 

Kirchenstil,  s.  Stil. 

Kircfaentonarten,  Kirchentöne,  modi,  toni,  bezeichnen 
die  Tonarten  des  älteren  Tonsystems,  welche  sich  in  den  christ- 
lichen Kirchengesängen  herausgebildet  hatten  ^  im  XVIL  Jahrb. 
durch  Einführung  des  Chroma  mancherlei  Modifikationen  erlitten 
und  nach  und  nach  zu  zwei  Tonarten,  dur  und  moU  des  neuen 
Tonsystems  einschrumpften.  Der  Name  Kirchentonarten 
ward  ihnen  gegeben  zum  Unterschiede  von  den  neuen  Tonai-ten, 
welche  anfönghch  nur  für  die  weltliche  Musik  massgebend  waren ; 
sie  finden  ihre  Anwendung  bloss  in  imd  für  die  Kirche,  in  wel- 
cher sie  ihr  reiches  Leben  bis  auf  den  heutigen<  Tag  bewahrt 
haben;  auf  ihnen  ruhen  sämtliche  liturgischen  und  rituellen  Ge- 
sänge, und  in  ihnen  komponierten  die  alten  Meister  ihre  unsterb- 
lichen kirchlichen  Tonwerke. 

Die  Kirchentonarten  finden  ihren  Ursprung  nicht  in  einer 
bloss  äusserlichen  Herübernahme  des  grieohichen  Tonsystems, 
sondern  flössen  aus  den  Gesangsweisen  der  christlichen  Kirche 
selbst,  welche  sich  selbständig  und  eigentümlich  entwickelten, 
wenn  auch  natürlich  Anklänge  und  Einflüsse  der  griechischen 
Musik  nicht  fehlten, 

S.  Ambrosius  suchte  zuerst  die  vorhandenen  christlichen 
Gesänge  zu  regeln  und  stellte  zu  diesem  Zwecke  ein  eigenes 
Tonsystem  mit  vier  Tonarten,  erbaut  über  den  vier  Tönen  des 
Tetrachordes  d  e  f  g  auf .  in  welche  er  die  damaligen  Kirchen- 
gesänge einreihte,  üa  die  Harmonie  noch  unbekannt  war,  so 
kann  von  Tonarten,  wie  sie  sich  später  nach  ihren  harmonischen 
Beziehungen  entfalteten,  noch  nicht  die  Rede  sein,  und  ös  mögen 
diese  Töne  wohl  vielmehr  bestimmte  Formeln  gewesen  sein, 
welche  aus  diesen  Oktavenreihen  gebildet  durch  die  Lage  der 
Halbtöne  u.  dgl.  eine  unterscheidende  Färbung  erhielten.  Sie 
hatten  keine  andere  Namen,  als:  tonus  primus,  tonus  secundus, 
tertius,  quartus.  Die  jetzt  gebrauchten  Namen:  tonus  dorius, 
phrygius,  lydius  etc.  stammen  aus  späterer  Zeit  (durch  den  Frei- 
Durger  Professor  Glarean  wieder  geläufig  gemacht,  nachdem  sie 
ein  paar  Jahrhunderte  ausser  Gebrauch  gewesen  waren). 

S.  Gregor  der  Grosse,  welcher  die  Kirchengesänge  neu  ord- 
nete und  verbesserte,  fand  deren  schon  viele,  welche  in  den  Raum 


Kirbhentonarten.  179 

der  Ambrosianischen  Tonarten  sich  nicht  einreihen  liessen,  wes- 
halb er  sich  genötigt  sah,  die  bisherigen  vier  Tonarten'  in  der 
Weise  bu  erweitern,  dass  er  ihnen  vier  Nebentonarten' bei- 
fügte, welche  mit  ihren  Haupttönen  awui^  gleiche  Finale  behiel- 
ten, aber  ihre  Bewegung  nach  oben  und  unten  von  derselben 
machten,  d.  h.  Ihren  Ambitus  von  der  Unterquart  der  Final«  bis 
anr  Oberqüart  erstreckten,  während  die  Hauptn  oder  authentischen 
Tcmarten  ihrö  Modulation  zwischen  der  Fmale  imd  deren  Ober- 
oktsT  einschränkten.  Im  ganzen  Mittelalter  erkannte  man  nur 
acht  Töne,  Modi,  Tonarten  an;  später  errichtete  nian  auf 
attchoL  Tonstufen  der  diatonischen  Leiter  Oktavreihen  und  da  eine 
(atif  d«r  jetzigen  siebenten  Stufe  errichtete)  Reihe  keine  legitime 
Zusammensetzung  oder  Teilung  im  reine  Quart  oder  Quint  zulässt, 
veii)lieb  man  zuletzt  bei  12  Tonarten,  welche  Glarean  in  sei- 
nem Dödecachordon  siegreich  verfochten  hat.  Aus^angsjiiunkte 
dieser  12  Tonreihen  sind  die  sechs  Stufen  der  diatonischen  Leiter 
d,  e,  f,  gj  a,  c,  welche  sechs  authentische  oder  Hauptton- 
reihen und  sechs  plagale  oder  Nebentonarten  ergeben. 
Brstere  werden  von  den  alten  Autoren  auch  principales  oder 
magistri,  letztere  collaterales  oder  discipuli  benannt. 

Die  12  Kirchentonarten  sind: 

Authentisch:  Plagral: 

I.  dorisch:  D  E'^F  G  a  h'-^c  d.  II.  hypodoriach:  A  H'^C  D  E-^F  tt  a. 

III.  phrygiach:  E'^F  G  a  h'-c  d  e.  IV.  hypophryyisch :  H-^C  D  EF  O  a  h'^c. 

V.  lydisch:  F  G  a  h-^c  d  e^f.  VI.  hypolydisch:  C  D  E-F  G  a  h'^c. 

yil.  mixolydisch :  G  a  h'^c  d  e'^f  g.  VIII.  hypomixolydisch :  DE^F  G  a  h  c'^d. 
IX.  äolisch:  a  h^c  d  e^f  g  a,  X.  hypoäoliscb:  E^F  O  a  h"  c  d  e. 

XI.  jonisch:  o  d  e'^f  g  a  h'^c.  XII.  hypojonisüh:  G  a  h'^'o  d  e^f  g. 

Mehrere  dieser  Tonarten  scheinen  dem  äusseren  Anblicke 
nach  gleich  zu  sein,  z.  B.  der  L  und  VIII.,  sind  aber  doch  ihrem 
Wesen  nach  verschieden,  denn  beim  I.  Ton  ist  die  Finale  D, 
beim  VIII.  G;  etsterer  ist  authentisch,  letzterer  plagal,  die  Quar- 
ten- und  Quintenzusammensetzung  in  beiden  gerade  entgegen- 
gesetzt ;  .  ihre  ganze  melodische  Gliederung  wird  dadurch  eine 
ganz  verschiedene,  was  sich  auch  noch  in  der  Domiiiante,  dem 
nach  der  Finale  am  meisten  vorherrschenden  Tone,  —  welcher 
beim  I.  a,  beim  VIIL  c  ist,  zeigt.  Um  zu  erkennen,  zu  welcher 
Tonart  eine  Choralmelodie  gehört  (selten  ist  in  den  Choralbüchcrn 
die  Tonart  eines  Gesanges  beigefügt ;  bei  den  Antiphonen  ist  sie 
leicht  aus  dem  angefügten  Psalmausgange  zu  ersehen,  wobei 
häufig  der  Psalm-  oder  Kirchenton  durch  eine  Nummer  näher 
bezeichnet  ist),  sind  folgende  Merkmale  zu  beachten: 

1)  Der  Ambitus,  Umfang,  welcher  bei  jedem  Tone  nur 
eiiie  Oktav  —  bei  anderen  Tonarten  erweitert  er  sich  um  einen 
oder  z^ei  Töne — ausmacht,  aber  bei  gleicher  Finale,  je  nach- 
dem plagal  oder  authentisch  eine  verschiedene  Klanghöhe  hat; 

2)  die  Finale,  der  Schlusston,  welcher  beim  I.  und  IL  I), 
beim  HL  und  IV.  E,  beim  V.  und  VI.  F,  beim  VII.  und  VIIL  O, 
beim  IX.  und  X.  a  und  beim  XL  und  XII.  c  ist; 

3)  die  Dominante,  welche  nicht  wie  beim  neueren  Ton- 
systeme jederzeit  die  5.  Stufe  über  dem  Gnindtone,  sondern  den 
nach  der  Finale,   dem  Haupttone,   am  meisten   hervortretenden 

12* 


180  Kirchentonarten. 

und  sich  geltend  machenden  Ton  bezeichnet.  So  ist  a  die  Do- 
minante für  den  L,  IV.  und  VI.  Ton,  F  für  den  II.,  e  für  den 
IX.  und  XII.,  d  für  den  VIL,  c  für  den  III.,  V.,  VIU.  und  X., 
g  für  den  XI.  Ton.  Das  InteiTall,  welches  die  Finale  mit  der 
Dominante  bildet ,  heisst  wegen  seiner  öfteren  Wiederkehr  auch 
Repercussio,  Wiederschiag. 

4)  Die  aus  dem  XII.  und  XIII.  Jahrh.  stami^ende  Teilung' 
der  Oktav  in  Quint  und  (^uart  bei  den  authentischen  Tonarten^ 
und  in  Quart  imd  Qmnt  bei  den  plagalen,  mag  auch  noch,  wenn 
die.  anderen  Merkmale  keine  Gewissheit  geben,  entscheidend  sein. 

Nicht  immer  durchschreiten  die  Gesänge  den  ganzen  Am- 
bituB  ihrer  Tonart  (t onus  imperfectus);  oft  auch  überschrei- 
ten sie  denselben  (tonus  plusquamperfectus  oder  super- 
ab  und  ans),  wie  z.  B.  der  J.  Ton  häufig  das  C  unter  der  Fmale 
nimmt,  oder  der  III.  bis  zm*  Teg-z  unter  den  Schlusston  absteigt; 
manchmal  übei'schreiten  sie  ihren  natürlichen  Umfang  um  menr 
als  einen  Ton^  so  dass  der  Plagalton  mit  dem  authentischen 
gemischt  erscheint  (tonus-  mixt us),  oder  sie  modulieren  in  einen 
fi-emden  Ton  (tonus  commixtus);  einige  Gesänge  schliessen 
selbst  in  einem  anderen  als  dem  regelmässigen  Finaltone  (tonus 
irregularis)  gegenüber  denjenigen,  welcne  ihre  Finale  beob- 
achten und  toni  reguläres  genannt  werden.  Alles  dies  musB 
in  Betracht  gezogen  werden,  wenn  es  sich  um  die  Bestimmung 
der  Tonart  einer  Choralmelodie  handelt. 

Die  Kirchentonarten,  auf  rein  diatonischer  Basis  beruhend, 
verschmähen  bei  regelrechter  Behandlung  jede  Alteration  der 

Töne  durch  jj^  oder  {?;    ausgenommen   ist  nur  das  Zutreffen  des 

Triton,  der  übermässigen  Quart  (f— h,  h— f),  wo  das  h  in  b 
verwandelt  werden  muss.  Die  Transpositionen,  wodurch  eine 
Tonreihe  durch  Anwendung  des  b  um  eine  Quart  höher  gesetzt 
wird,    sowie   andere   Ti'anspositionen   durch    Vorzeichnung   von 

Jj  oder  W  sind  nicht  hierher  zu  rechnen,  da  sie  keine  Alteration, 

Änderung  der  Verhältnisse  einer  Tonart  begründen. 

Da  mit  der  Entwickelung  der  Hannonie  und  der  harmo- 
nischen Behandlung  dieser  Tonai'ten  sich  besonders  in  den  Ka- 
denzen Fälle  ergaben,  wo  die  Gesetze  der  Harmonie  die  Alteration 
einiger  Töne  forderten,  so  bestimmte  man  näher,  welche  im  all- 
gemeinen einer  Erhöhung  oder  Erniedi'igung  fähigen  Töne  in 
einer  bestimmten  Tonart  nicht  alteriert  werden  können,  ohne 
die  Tonart  selbst  zu  zerstören.  Diese  Töne,  welche  wesent- 
liche oder  charakteristische  Töne  heissen,  sind:  im  Dori- 
schen H  und  F,  im  Phjygischen  F,  im  Lydischen  H,  im  Mixo- 
lydischen  H  und  F,  im  AoBschen  C  imd  F,  im   Jonischen   H.^ls 

fVosse  Septime  und  C.  Das  H  erlitt  nur  beim  Triton  eine  An- 
erung,  sonst  erhöhte  man  oft  z.  B.  im  Dorischen  das  C  in  eis, 
im  Phrygischen  das  G  in  gis,  allerdings  nur  bei  Kadenzen.  Man 
findet  jedoch  auch  Chorallehrbücher  aus  dem  XVII.  und  XVHL 
Jahrh.  und  Choralbücher  aus  der  neuesten  Zeit,  welche  solche 
Alterationen  bei  allen  Kadenzen  im  unbegleiteten  Choralgesange 
einsetzen,  was  aber  dem  Ernste  und  der  Würde  desselben  un- 
zweifelhaft grossen  Eintrag  thut.  Jetzt  hält  man  wieder,  mit 
vollem  Rechte,   an   der  strengen  Diatonik  sowohl  für  den  unbe- 


Kirohentonarten.  181 

glejtejbißu  als  begleiteten  Choral  fest.  Nach  dem  Vorgänge  der 
Meister  des  Xvl.  Jahrh.  bedient  man  sich  der  den  einzelnen 
Tonarten  eigentümlichen  Kadenzen,  welche  die  Diatonik  in.  der 
Melodie  vöing  unangetastet  lassen  und  ihr  keinen  Unterhalbton 
aufdrängen,  wo  der  Oktavenreihe  gemäss  ein  solcher  nicht  Platz 
hat  (z.  B.  der  {jhrygische,  der  mixolydische  Schluss).  Vergl. 
Oberhofier,  Die  Schule  des  katholischen  Organisten;  Piel, 
Harmonielehre;  Ha  Her,  Die  harmonische  Modulation  der  Kir- 
x^hentonarten  u.  a. 

Einige  Bemerkungen  über  das  Wesen  und  die  Eigen- 
schaften der  einzelnen  Kirchentöne,  sowie  ihre  harmonischen 
Beziehungen  mögen  diesen  Artikel  vervollständigen. 

I.  und  n.  Tonart,  Dorisch;  sie  ist  der  äolischen  Tonart, 
welche  sich  auf  ihrer  Quinte  aufbaut,  am  nächsten  verwandt 
und  weicht  in  sie  häufig  aus;  wegen  der  g:leiGhen  Charakteristi- 
ken F  und  H ,  welcher  letztere  Ton  öfters  in  B  verwandelt  wer- 
ben muss,  verbindet  sie  sieh  auch  mit  der  mixolydischen;  nach 
dem  jonischen,  welches  seltener  anklingt,  drängt  die  grosse  Sext 
H,  und  das  Lydische  auf  ihrer  Terz  gründend  steht  ihr  auch 
sehr  nahe.  Da  diese  Tonart,  in  ihrer  authentischen  Art,  sehr 
nach  der  Quint  strebt  und  dieses  Intervall  oft  gleich  anfangs 
und  in  der  Mitte  hören  lässt,  gewinnt  ihr  Charakter,  der  wegen 
des  weichen  Dreiklanges  etwas  trübe  erscheint,  einen  Aufschwung, 
zumal  auch  die  helleren,  freudigeren  Dreiklän^e  des  verwandten 
mixolydischen  und  jonischen  ihn  tröstend,  erheiternd,  ermutigend 
machen.  Namentlich  der  I.  Ton  schreitet  würdevoll  imd  ernst, 
reich  an  Melodie  dahin  und  ist  der  wahre  Ton  für  feierliche, 
freudigernste  Andacht;  darum  findet  er  so  häufige  Anwendung 
sowohl  bei  ernsten  als  bei  freudigen  Ereignissen.  Der  H.,  dorisch 
plagal,  spricht  gemäss  seiner  tieferen  Lage,  und  da  er  schon  in 
der  kleinen  Terz  ober  der  Finale  seine  Dominante  erreicht,  viel- 
mehr tiefe  Trauer,  Schmerz,  gepaart  mit  Gottvertrauen,  und  auch 
Verlangen  nach  den  himmlischen  Dingen  aus. 

III.  und  IV.   Phrygisch.    Seine   harmonischen   Beziehun- 

fen   sind. vornehmlich  abwärts  gerichtet,   weil  es  auf  der  Ober- 
ominante  nur   das   harmonisch  entwictelungsfahige  H   findet; 
darum   verbindet   es   sich   mit  dem  Aolischen  (auf  seiner  Unter- 
dominante) zumeist,  welches  durch  Anwendung  des  ]p  das  Phry- 
f'sche   auf  seinem  eigenen  Grundtone  darzustellen   imstande  ist. 
uch   das  Jonische   ist   ihm   sehr  verwandt  und  manchmal  ver- 
bindet  es.  sich   auch   mit  dem  Dorischen.    Da   ihm  kleine  Terz 
und  kleine  Septime  eigen  ist  und  es  keinen  Dominantaccord  bil- 
den   kann,     so    entbehrt   das    Phrygische    eines    vollkommenen 
Schlusses.     Abweichend   von   den   anderen   Tönen   beginnt    der 
IIL  Ton  gewöhnlich  in  einem  anderen  als  dem  ihn  kennzeich- 
nenden Fmaltone  und  lässt  die  Tonart  zu  Anfang  noch  in  gros- 
^r  Unbestimmtheit;   unter  die  Finale  steigt  es  manchmal  noch 
is  G.    Eigentümlich   sind   ihm    auch  grosse  Intervallenschritte, 
eiche  den  Ausdruck  starker  Gemütsbewegungen  geben.    Seine 
Mize  Melodiebildung  hat  etwas  Geheimnisvolles,   das   sich  eher 
hlen   als  beschreiben  lässt,    wozu  der  kleine  Sekundenschritt 
d  das  oft  rasche  Aufstreben  zur  kleinen  Sext  u.  dgl.  das  Sei- 
•e  beiträgt.   Eignet  sich  der  IV.  Ton  im  allgemeinen  mehr  für 


182  Kirchentonarten. 

sanfte,  klagende,  wehmütige  Stimmung,  so  drückt  der  III.  Ton 
tiefe  Bedürftigkeit,  Zerknirsohimg  an  sich  aus,  aher  neu  belebend^ 
erfrisehend,  erhellend  tritt  das  Jonisohe  hinzu:  „tiefer  Zerknir- 
schung, steht  liimmlischer  Trost  am  nächsten.^  Kieht  bloss 
Bußspsalmen,  sondern  auch  feierliche  Lobgesänge  sind  im  phry?* 
gisohen  Tone  (authentisch)  komponiert,  so  das  herrliche  „Fange 
lin^ua^,  dessen  Melodie  so  sanft,  so  eindringend  und  zugleich  so 
breit  gehalten  und  feierlich  ist;  das  ausgezeichnete  Praeconium 
paschale  -Exultet",  das  ,,Te  Deum  laudamus",  welches  den  DI. 
und  IV.  Ton  in  sich  vereiniget. 

V.  und  VI.  Lydisch  —  eine  harmonisch  arme  Tonart,  da 
ihr  die  Modulation  nach  der  Unterdominante  versagt  ist,  die 
Harmonie  ihrer  Oberdominante  (jonisch  C)  aber  in  ihren  Ver- 
hältnissen fast  ^anz  gleich  sich  bUdet,  indem  die  durch  den 
Triton  hervorgerufene  Alteration  des  H  in  B  sie  mit  dem  Joni- 
schen identificiert.  Unrecht  aber  ist  es,  wenn  in  neuerer  Zeit 
allen  lydischen  Gesängen  ein  t^  als  allgemein  giltige  Vorzeichnung 
an  die  Spitze  gesetzt  wurde,  die  Alten  fertigen  genug  Melodien, 
welche  den  Beweis  hefern ,  dass  das  H  beun  V.  Ton  recht  gut 
bestehen  kann  und  gerade  dieser  Ton,  welcher  nach  dem  heUen 
Jonischen  hinleitet,  trägt  dazu  bei,  dem  V.  Tone  einen  jubeln- 
den, triumphierenden  Ausdruck  zu  verleihen,  welchen  der  kühne 
Aufschwung  durch  die  Töne  des  j^rossen  Dreiklai^es  zur  domi- 
nierenden Quint  (F  A  C)  noch  steigei*t.  In  die  mittlere  Stimm- 
höhe gestellt,  bei  seltener  Anwendung  von  Halbtönen  bewahrt 
sich  dieser  Ton  eine  gewisse  freudige  Energie  und  er  findet  auch 
seine  Anwendung  zum  Ausdrucke  freumger,  jubelnder  Stim- 
mungj  z.  B.  „Christe  sanctorum  decus  angelorum**,  „Laetare^ 
(Introitus)  etc.  Der  IV.  Ton,  welcher  um  eine  Quart  tiefer,  aber  • 
zur  Dominante  bloss  eine  Terz  aufwärts  steigt  und  des  Halb- 
tones E— F  sich  häufiger  bedient,  behält  zwar  das  Melodiöse  des 
Lydischen  bei,  aber  atmet  mehr  sanfte  Ruhe  und  Salbung  und 
eignet  sich  mehr  für  stille  Herzensandacht.  Das  „Ave  Regina* 
verläuft  bloss  in  den  oberen  Regionen  des  VI.  Tones  und  kommt 
daher  dem  Charakter  seines  authentischen  Tones  sehr  nahe. 

Vn.  und  Vin.  Ton,  Mixo lydisch.  Ausgezeichnet  durch 
grosse  Terz  und  kleine  Septime,  ist  er  zu  einem  voUständigen 
Schlüsse  mittelst  eines  Dominant(septimen)accordes  nicht  fähig, 
sondern  macht  ihn  durch  seinen  Unterdominantenaccord ;  sonder- 
barer Weise  nennt  diesen  Schluss  die  neuere  Musik  „Kirchen- 
schluss^,  als  ob  dies  der  einzige,  den  kirchlichen  Tönen  eignende 
Schluss  wäre.  Das  Mixolydische  erscheint  als  eine  Emanation 
des  Jonischen,  stets  von  ihm  abhän^g,  auf  dies  sich  zurück- 
beziehend; nächst  der  Verbindung  mit  dem  Jonischen  neigt  es 
sich  auch  zum  Dorischen,  mit  welchem  es  gleiche  wesentliche 
Töne  hat.  Die  Meister  des  XVI.  Jahrh.  stellten  auch  Jonisoh 
auf  G  dar  mit  Anwendung  von  Fis,  Hessen  aber  jederzeit  vor 
dem  Schlüsse  das  F  noch  deuthch  hören.  Grundzug"  des  authen- 
tischen Tones  ist  Erhebung:  da  aber  das  Aufschweben  aus  dem 
Jonischen  nicht  zu  eigener  abgeschlossener  Bestimmtheit  gelangt 
und  darum  einen  weniger  feuerigen,  mehr  geistigen  Aufschwung 
nimmt,  so  führt  der  darin  gemischte  Zug  von  Wehmut  und  hei- 
liger Sehnsucht  in  die  Sphären  heiligen  kirchlichen  Ernstes.    Die 


Kirchentonarten.  183 

Melodien  des  VIL  Tones  zeichnen  sich  durch  Lebendigkeit,  Glanz, 
Wohlklang  und  Mannigfaltigkeit  der  Bewegung  aus,  sie  finden 
ihre  Anwendung  zu  lyrischem,  zarten  oder  mystischen  kräftigen 
Ausdrucke.  Milder  und  zarter  gestaltet  sich  die  Vermischung 
des  VII.  mit  dem  VIII.  Tone,  wie  im  .Lauda  Sion".  Der  Plagal- 
ton (VIII.)  benützt  oft  die  Quinte  oberUltlb  seiner  Finale  und 
nimmt  dadurch  teil  an  dem  Glänze  und  der  Kraft  des  VII.  To- 
nes, welche  durch  die  untere  Quart  mit  Milde  und  sanfterem 
Wesen  gemischt  wird.  Zeigt  er  aaneben  auch  männlichen  Ernst, 
so  kann  sein  Charakter  modifiziert  werden,  je  nachdem  die 
Melodie  mehr  in  den  oberen  Tönen  der  Leiter  oder  in  den  un- 
teren sich  hält.  Da  er  infolge  seines  Baues  fast  allen  Stimmim- 
gen  angemessen  sein  kann,  fand  er  auch  sehr  häufige  Verwen- 
dung, und  hierin  mag  auch  der  (Jrund  liegen,  dass  die  Alten  ihm 
das  Epitheton  -pe.rfectus,  vollkommen"  beilegten. 

IX.  und  A.  Aolisch.  Seine  wesentlichen  unveränderlichen 
Töne  sind  H,  G  und  F,  welche  ihn  nach  dem  Phrygischen  und 
Jonischen  hinleiten;  namentlich  verbindet  er  sich  gerne  mit  er- 
sterem,  welches  ihm  eine  höhere  kirchliche  Weihe  aufdrückt. 
Häufig  begnügt  er  sich  mit  Halbschlüssen  auf  der  Dominante. 
Meistens  bewegen  sich  die  äohschen  Melodien  in  plagalischer 
Haltung,  was  (fieser  Tonart  einen  stillen,  wehmütigen,  leidenden 
Charakter  verleiht,  dessen  Trübe  nur  durch  die  häi^figen  Halb- 
schlüsse  auf  der  Dominante  mit  grossem  Dreiklange  aufgehellt 
und  gemindert  wird.  Sanft,  weich,  elegisch  ist  aber  menr  die 
reine  authentische  Weise. 

XI.  und  XII.  Jon i seh,  ganz  mit  unserer  C-dur-Tonleiter 
übereinstimmend,  moduliert  gern,  um  nicht  wieder  einer  harten 
Tonleiter  auf  G  mixolydisch  und  F  lydisch  zu  begegnen,  welche 
Modulation  den  Alten  zu  wenig  erheoend  erschien,  nach  E  phry- 
gisch  und  A  äolisch,  auf  welchen  Stufen  es  auch  oft  unvollkom- 
mene  Kadenzen  macht.  In  den  einfachen  Choralgesängen  kommt 
es  seltener  vor  und  dann  gewöhnlich  in  genus  moUe  auf  F 
(mit  t^)  transponiert,  häufiger  aber  in  den  harmonisch  gearbei- 
teten Kirchenstücken.  Der  Charakter  des  Jonischen  ist  freudig, 
heiter,  mutig. 

Ist  auch  der  Charakter  jeder  einzelnen  Tonart  nur  im  all- 
gemeinen zu  bestimmen,  so  ist  doch  gewiss,  dass  sich  jede  ein- 
zelne von  der  anderen  in  dieser  Beziehung,  durch  ihr  inneres 
Wesen  bestimmt  unterscheidet,  wie  in  der  neueren  Musik  die 
beiden  Tongeschlechter  dur  und  moll. 

Zum  Schlüsse  geben  wir  die  Charakteristik  nach  Guido 
von  Arezzo  und  Kardinal  Bona: 

Ersterer  fasst  sie  in  einem  Verse  also: 
Omnibus  est  primus,  sed  et  alter  tristibus  aptus, 
Tertius  iratus;  quartus  dicitur  fieri  blandus. 
Quintum  da  laetis,  seXtum  pietate  probatis. 
Septimus  est  juvenum  (er  erheischt  jugendUche   Kraft 
und  helltönende  Stimmhöhe),  sed  postremus  sapientum 
(der  Bedächtigen). 

Bei  Kardinal  Bona  heisst 

der   I.  Ton  foecundus,  modestus,  severus; 
„    IL      „    gravis; 


184  Klang,  Klanglehre  —  Klayierauszug. 

der     III.  Ton  animosus,  promptus  (raysticus); 
„       IV,     „    oompunctivus,  biandus,  attractivus  (har- 

moniGus); 
n,         V.     „    delectabilis,  laetus,  jubilans; 
„       VI.     y,    devotus,  suavis; 

yj     Vn.    4    sublimis,  majestate  plenus  (angelicus); 
„    VIII.     „    universalis,  narrativis  (perfectus). 

Treffliche  Anleitungen  für  aie  Kirchentöne  geben:  C.  v. 
W  int  erleid,  „Joh.  Gabrieli  und  sein  Zeitalter«,  Berlin  1834, 
Sohlesinger,  II  Theile  und  Notenheft;  B.  Marx,  „Die  Lehre 
von  der  musikalischen  Komposition",  Leipzig  1842  bei  Breitkopf 
und  Härtel,  I.  Bd.;  Antony,  -Lehrbuch  des  Gregorianischen 
Kirchengesanges",  Münster  1829  bei  Coppenrath;  Haberl,  „Ma- 
gister chorahs",  Regensburg  1890  (9.  Auflage).  Vgl.  „Die  alten 
Theoretiker"  und  „Johannes  Cottonius"  im  Kirchenmusikalischen 
Jahrbuche  von  Dr.  F.  X.  Haberl.  188&-1890. 

](Clang,  Klanglehre,  s.  Akustik.  —  Die  moderne  von 
A.  V.  Ottingen,  Thiersch,  Hostinsky  und  Riemann  vertretene 
Harmonielehre  versteht  unter  Klang  einen  terzweise  aufgebauten 
Accord  auf  Grund  der  mit  einem  Tone  mitklingenden  Obeiv  oder 
Aliquottöne  (s.  d.). 

Klavier,  Clavi  chordium,  franz.  clavecin,  ital.  clavi- 
cembalo,  ein  Tasteninstrument,  bei  welchem  der  Ton  durch 
das  Anschlagen  schmaler,  an  die  Tasten  befestigter  Messing- 
blechstäbchen, Tangenten,  an  Drahtsaiten  hervorgebracht  wird. 
Die  Erfindung  desselben  fällt  in  das  XIII.  oder  XI  v.  Jahi-h.  und 
ward  schon  zu  Lassos  Zeit  zur  Begleitung  von  Gesängen  ver- 
wendet. Die  ältesten  Klaviere  waren  natürlich  von  geringerem 
Umfange  als  im  Anfange  unser s  Jahrhunderts,  wo  sie  ihre  Blüte- 
zeit zurückgelegt  hatten  und  fünf  Oktaven  umfassten;  seitdem 
mussten  sie  den  aus  ihnen  hervorgegangenen  kräftiger  tönenden 
Fortepianos  und  Flügeln  den  Platz  abtreten,  obgleich  sie  hin- 
sichtlich der  Biegsamkeit  des  Tones  (An-  und  Abschwellen)  und 
der  Spielart  (zu  gebundenem  und  getragenem  Spiele  sehr  taug- 
lich) mnen  voranstellen.  Der  Ton  des  Klavieres  ist  angenehm, 
doch  schwach  und  etwas  singend;  von  wesentlichem  Einflüsse 
auf  ihn  sind  die  schmalen  vor  den  Anhängleisten  durch  die 
Saiten  geflochtenen  Tuchstreifen.  Die  Gestalt  des  Klaviers  ist 
gewöhnlich  ein  längliches  Viereck.  Gegenwärtig  sind  die  Kla- 
viere fast  gänzlich  ausser  Gebrauch  gekommen.  —  Klavier 
werden  gewölmlich  auch  die  Klaviaturen  oder  Tastaturen  der 
Orgeln  genannt. 

Klavierauszug  nennt  man  die  Übertragung  eines  grösseren 
musikalischen  Werkes,  welches  ursprünglich  für  mehrere  Stim- 
men oder  für  das  ganze  Orchester  bestimmt  ist,  auf  das  Klavier 
oder  Pianoforte,  die  Umarbeitung  der  Partitur  für. dieses  Instru- 
ment. Er  dient  zur  Privatübung,  zum  leichteren  Übersehen  der 
harmonischen  und  melodischen  Grundzüge  einer  grösseren  Kom- 

Sosition,   zur  Reproduktion  derselben  für  sich  oder  für  kleinere 
ieise,  auch  zum  Einstudieren  der  Gesangpartien.   Bei  kleineren 
Werken   wird   er   statt  der  Partitur  als  ,^irektionsstimme"  bei- 

fegeben.    Wird  er  nicht  vom  Komponisten  selbst  gefertigt,   son- 
ern  von  einem  anderen,    so   ist   das   nicht   immer   eine   leichte 


Klingende  Stimmen  —  Komponieren.  185 

Aufgabe;  es  erfordert  diess,  wenn  der  Klavierauszug  einen  Wert 
haben  soll,  sehr  grosse  Kenntnisse  der  Harmonie,  genaues  Stu- 
dium des  Kunstwerkes  und  feines  Gefühl  für  dessen  geringste 
Nuanoen,  um  den  Geist  des  Tonsetzers  zu  fassen  und  das  Werk 
soviel  als  möglich  wieder  zu  geben,  wie  er  es  dachte. 

Klingende  Stimmen  heissen  in  der  Or^el  alle  Register, 
w^elche  wirtlich  tongebend  sind,  zum  Unterschiede  von  den  an- 
deren Registern,  welche  bloss  iiir  die  Mechanik  bestimmt  sind, 
•wie  die  Koppeln  (s.  Copula),  Kaikantenruf  u.  a. 

Kolon,  s.  Distinktion. 

Kolophonium,  Geigenharz,  hat  seinen  Namen  von  der 
griechischen  Stadt  Kolophon,  in  deren  Nähe  solches  Hai'z  ge- 
wonnen wird.  Doch  ist  dies  im  ursprünglichen  Zustande  wegen 
seiner  geringen  Härte  zum  Bestreichen  der  Bögen  nicht  so  taug- 
lich, weshalb  man  sich  lieber  des  künstlich  durch  Destülation 
erzeigen  Harzes  bedient.  Dieses  verleiht  dem  damit  gestriche- 
nen Bogen  die  gehörige  Rauhheit,  um  die  Saiten  der  VioHnen 
und  sonstigen  Saiteninstrumenten  anzugreifen.  Für  Violonbögen 
wird  eine  Mischung  von  Pech  und  Kolophonium  (im  Winter  mit 
beigegebenem  Wacns)  empfohlen.  Die  Haare  der  Bögen  werden, 
wenn  sich  zu  viel  Kolophonium  angesetzt  hat^  mit  laulichtem 
Wasser  und  Seife  gereiniget,  worauf  man  sie  mit  einem  leinenen 
Tuche  abtrocknet.  —  Das  Streichen  des  Bogens  mit  Kolophonium 
soll  auf  folgende  Weise  geschehen:  Zuerst  zieht  man  den  Bogen 
ptiit  ^anz  Kurzen  Strichen  am  Kopfe  so  lang  durch  das  Kolo- 
phonium, bis  es  etwas  warm  wird.  Dann  fährt  man  langsam, 
ohne  abzusetzen,  bis  an  den  Frosch.  Hier  macht  man  wieder 
mehrere  Striche,  je  nachdem  das  Kolophonium  mehi*  oder  minder 
warm  ist,  und  mhrt  dann  die  ganze  Länge  des  Bogens  etliche 
Male  durch,  bis  man  den  Bogen  ninlänglich  bestrichen  glaubt. 

Kombinationston.  Darunter  versteht  man  einen  Ton,  der 
aus  den  in  gewissen  Zeiträumen  zusammentreffenden  Wellen- 
zügen zweier  oder  mehrerer  höherer  Töne  als  ein  dritter  tieferer 
in  der  Luft  sich  büdet.  So  z.  B.  wird,  wenn  C  und  E  ertönen, 
da  ihre  Schwingungszahlen  sich  wie  4  :  5  verhalten  und  bei  der 
je  fünften  Schwingungswelle  des  E  beide  Wellen  zusammen- 
treffen, ein  um  zwei  Oktaven  tieferes  C  hörbar  sein.  Der  C-Ton 
wird  auch  Tartinischer  Ton  genannt,  weil  Tartini- ihn  entdeckt 
haben  soll.  Helmholz  nennt  ihn  Differenz  ton,  da  seine  Schwind 
gimgszahl  der  Differenz   zwischen   den  Schwingungszahlen   der 

grimären  Töne  gleich  ist;  er  entdeckte  aber  auch  andere  Kom- 
inationstöne, deren  Schwingungszahl  gleich  ist  der  Summe  der 
Sohwingungszahlen  der  primären  Töne,  und  diese  nennt  er 
Summationstöne,  z.  B.  C  -|-  c  lässt  den  Summationston  g 
hören  u.  s.  w.,  s.  Akustik. 

Komma  (s.  Akustik)  wird  in  der  Musik  der  Unterschied 
oder  Grössenrest  genannt,  welcher  nach  Abzug  zweier  kleiner 
Halbtöne  vom  ganzen  Tone  sich  ergibt.  Die  Hälfte  des  Kommas 
nannten  die  Alten  schisma,  während  sie  unter  diaschisma 
die  Hälfte  der  Diesis  oder  des  kleinen  halben  Tones  verstanden. 
—  Komma  bezeichnete  bei  den  alten  Theoretikern  auch  einen 
kleinen  Melodieabschnitt,  s.  Distinktion. 

Komponieren   (vom    latein.    componere,     zusammen- 


186  Kompogitionslehre  —  Konsonanz. 

setzen),  Tonstücke  nach  den  grammatischen  und  ästhetischen 
Regeln  der  Kunst  anfertigen.  Kompanist  =  Toneetzer  ist  der- 
jenige, welcher  solches  ihut  (franz.  Compositeur,  ital.  com- 
gositore).  Komposition  «der  Akt  des  Komponlerens,  das 
chafPen  von  Tonstücken;  dann  auch  das  TonstücK  selber. 

Konniositionslehre ,  die  Gesamtheit  aller  Regeln,  nach 
denen  eiii  Tonstück  grammatikalisch  richtig  verfertigt  wird.  Sie 
zerfallt  in  mehrere  Abteilungen:  in  die  iiarmonielehre ,  in  die 
Lehre  vom  Kontrapimkte ,  vom  Kanon  und  der  Fuge,  in  die 
Lehi*e  vom  Rhythmus  und  von  der  Form  der  Tonstücke,  in  die 
von  der  Instrumentation  u.  dgl. 

Konjunktur  bezeichnete  bei  alten  Theoretikern  auch  die 
Vereinigung  melirerer  Semibreves  oder  Minima  über  einer  Text- 
silbe im  Gegensatze  zu  Ligatur,  welche  nur  zwischen  Longa 
und  Breves  statthatte. 

Konservatorium,  ital.  Conservatorio,  franz.  Oonser- 
vatoire,  ist  der  Name  einer  musikalischen  Bildui^sanstalt, 
eigentlich  ein  Institut,  das  die  Tonkunst  pflegen  una  in  ihrer 
Reinheit  bewahren  soll.  Die  Konservatorien  sind  italienischen 
Urspi*unges.  Die  ältesten  Konservatorien  in  Italien  waren  fromme 
Stiftungen,  auch  Hospitäler,  die  von  reichen  Privatpersonen  unter- 
halten wurden,  und  mit  denen  zugleich  ein  Institut  für  die  mu- 
sikalische Bildung  talentvoller  Zöglinge  beiderlei  Geschlechtes 
verbunden  war;  diese  erhielten  freie  Wohnung,  Kost,  Kleidung 
und  Unterricht,  doch  wm'den  auch  Pensionaire  angenommen, 
welche,  ohne  in  der  Anstalt  zu  wohnen,  am  Unterrichte  teü- 
riahmen.  In  Neapel  gab  es  drei  solcher  Institute  Itir  Knaben, 
unter  denen  das  Deriihmteste  und  älteste  das  der  ^S.  Maria  di 
Loretto**,  1537  von  einem  spanischen  Geisthchen  Giov.  di  Tappia 
gegründet  wurde.  Bald  veranlasste  der  starke  Andrang  von 
Zöglingen  die  Gründung  eines  zweiten,  von  S.  Onofrio,  s|)äter 
erstand  ein  drittes,  de  IIa  Pietä;  ein  viertes,  Poveri  di  Giesü 
Christo  bestand  aber  nicht  lange.  Knaben  von  8 — 20  Jahren 
fanden  darin  Aufnahme;  der  Lehrkursus  dauerte  acht  Jahre. 
1799  wurden  diese  drei  Institute  in  ein  einziges  unter  dem  Namen 
^Reale  Collegio,di  Musica"  verschmolzen.  —  In  Venedig  gab  es 
vier  solcher  Institute  für  Mädchen:  -Ospedale  della  Pietä,  de 
Mendicanti,  degF  Incurabili  und  Ospeaaletto  di  S.  Giovanni  et 
Paolo".  —  UM  entstand  ein  Consei*vatoire  in  Paris,  welches 
sich  gegenwärtig  zu  dem  grossartigsten  Äfusikinstitute  der  Welt 
ausgeDudet  hat.  —  In  Deutschland  und  Österreich  gibt  es  viele 
solche  Institute,  z.  B.  in  Berlin,  Leipzig,  Prag,  Wien.  —  Die  Kon- 
servatorien, wie  sie  jetzt  bestehen,  leisten  für  Instrumentalmusik 
und  für  künstlichen  ßühnen^esang,  überhaupt  für  weltliche  Musik 
sehr  Rühmliches,  für  kirchhche  Musik  kann  aber  ihre  Thätigkeit 
nicht  besonders  in  Anschlag  gebracht  werden.  (S.  Akademie.) 
Konsonanz,  consonantia.  Zusammenklang,  gleich- 
zeitiges Erkhn^en  von  Tönen.  In  der  Musik  wird  darunter  jenes 
Verhältnis  zweier  Töne  verstanden,  welches  mit  beruhigender, 
befriedigender  Kraft  auf  unsere  Seele  wirkt,  oder  ein  Intervall, 
dessen  Bestandteile  kein  Streben  nach  Auflösung  haben.  In  aku- 
stischer Beziehung  stehen  die  Schwingungen  zweier  konsonie- 
render  Töne  in  einem  einfachen  Zahlenverhältnisse  (s.  Akustik), 


Kontra  —  Kontrabass.  187 

1  :  2  ffibt  die  Oktav,  2  ;  3  die  reine  Quint,  3  ;  4  die  reine  Quart, 
4  :  5  die  grosse  Terz,  5  :  6  die  kleine  Terz.  Aus  der  Umkenrung 
der  letzten  zwei  Verhältnisse  ergibt  sich  nooh  5  :  8  die  kleine 
Sext  und  6  :  10  oder  3  :  5  die  grosse  Sext.  So  lange  nach  der 
Weise  der  Griechen  die  Arithmetik  für  die  Bestunmung  von 
Konsonanz  und  Dissonanz  zweier  Intervalle  als  massgebend  be- 
trachtet wurde,  gewährte  man  nur  (dem  Einklänge)  der  Oktav, 
der  reinen  Quint  und  der  reinen  Quart  eine  konsonierende  Eigen-^ 
Schaft.  Hief  zu  kam  noch  die  Duodezim  (Diapason  diapente)  und 
DoppeloktaY  (Di§diapason),  welche  letztere  zusammengesetzte 
Konsonanzen  (compositae)  im  Gegensatze  zu  den  anderen,  welche 
die  Oktav  nicht  überschritten  und  einfache  Konsonanzen  (»im- 
plioes)  hiessen,  genannt  wurden.  „Consonantiae  secundariae 
nannte  man  auch  die  Konkordanzen  oder  Intervalle,  welche  sich 
über  die  Oktav  erstrecken,  aber  noch  innerhalb  der  Doppeloktav 
liegen;  die  darüber  hinausliegenden  hiessen  C.  remotae.'*  Die  Un- 
dezim  (Diapason  Diatesseron)  wurde  als  JConsonanz  von  mehreren 
Theoretikern  bestritten.  Mit  dem  Gebrauche  der  Diaphonie  Hess  man 
auch  nach  dem  Urteile  des  Ohres,  welches  sie  als  befriedigende  und 
beruhigende  Intervalle  erkannte,  andere  Intervalle  als  Konsonie- 
rende gelten,  und  Franco  von  Köln  teilt  die  Konsonanzen  (Con- 
cordanzen  nennt  er  sie)  in  vollkommene:  Einklang  und 
Oktave;  mittlere:  Quint  und  Quart;  imd  unvollkommene: 
grosse  und  kleine  Terz.  Die  Sexten  rechnet  er  zu  den  unvoll- 
kommenen Diskordanzen.  In  den  Schriften  von  Johann  de  Muris 
findet  sich  schon  die  wichtige  Regel,  dass  zwei  vollkommene 
Konsonanzen  (Oktaven  und  Quinten)  in  gerader  Bewegung  nicht 
aufeinanderfolgen  dürfen.  Eme  höhere  Vollendung  erhielt  die 
Lehre  von  den  Konsonanzen  durch  Zarlino  in  der  Mitte  des 
XVI.  Jahrb.,  welchem  das  Verdienst  zugeschrieben  wird,  das 
wahre  Verhältnis  der  grossen  und  kleinen  Terz  gefunden 
zu  haben. 

Kontra  bedeutete  ehedem  die  Altstimme;  jetzt  bedient 
man  sich  dieses  Woi-tes  in  der  Zusammensetzung,  um  eine  Stimme 
zu  bezeichnen,  welche  tiefere  Töne  hat  als  eine  andere  ihres- 
gleichen; so  sagt  man  Kontraalt,  Kontrabass,  Kontraoktav,  um 
eine  tiefe  Alt-  und  Bassstimme,  oder  die  tiefste  Oktav  (die  unter 
dem  grossen  .C  liegt,  deren  Töne  daher  auch  Kontratöne,  z.  B. 
Kontra-C,  Kontra-F,  genannt  werden)  zu  bezeichnen. 

Kontrabass,  ital.  Violono,  franz.  zuweilen  Basse  de 
Violon  (gi'osse  Bassgeige),  ist  die  grösste  Gattung  der  Geigen- 
instrumente und  das  tiefste  der  Bassinstrumente.  Für  das 
Orchester  ist  er  unentbehrlich,  indem  sein  tiefer  und  durchdrin- 
gender Ton  dem  Ganzen  Fülle  und  Stütze  verleiht  und  die 
Grundstimme  heraushebt.  In  seinem  Bau  und  seinen  Bestand- 
teilen ist  er  von  den  übrigen  Geigeninstrumenten  nicht  verschie- 
den, ausser  dass  die  untere  Decke  oft  platt  und  nicht  gewölbt 
ist.  Gewöhnlich  ist  er  mit  drei,  in  guten  Orchestern  mit  vier, 
auch  wohl  mit  fünf  Saiten  überspannt,  welche  ein  kräftiger, 
kurzer  Bogen  zum  Tönen  bringt.  Statt  der  früheren  Wirbel 
werden  jetzt  die  Saiten  mittels  emer  Schraubenvorrichtung  leicht 
gespannt,  welche  1778  der  Hofmusikinstrumentenmacher  Bach- 
mann   in  Berlin  erfunden  hat.  -    Die  Notierung  geschieht,  wie 


188 


Kontrapunkt. 


beim  Violoncello  im  BassschlUisel ,  die  Töne  sind  aber  um 
-eine  Oktav  höher  gesohriebenf  als  sie  eigentlich  klingen  sollen. 
Kontrapunkt,  lat.  Contrapunotu8,ital.  Contrappunto, 
franz.  Gontrepoint.  Zur  Zeit,  als  man  begann ,  zu  emer  vor- 
handenen Melodie  eine  andere  zu  setzen,  ihr  gegenüberzustellen, 
und  mit  ihr  verbunden  vorzutragen,  hiess  die  Note  punctua 
-oder  punctum,  woraus  sich  der  Name  oontrapunctare, 
kontrapunktieren,    d.   h.   eine   oder  mehrere  Noten  einer  schon 

fegebenen  gegenüberstellen,  bildete.  Im  allgemeinen  kann  man 
Kontrapunkt  mit  Harmonie  gleichbedeutend  nehmen.  Im  beson- 
•deren  aber  bedeutet  Kontrapunkt  die  Art  und  Weise,  einer  ge- 
gebenen Melodie,  welche  Cantus  firmus,  canto  fermo  (früher 
Tenore)  heisst,  nach  bestimmten  Regeln  eine  oder  mehrere 
^Stimmen  beizugeben.  Kontrapunkt  wird  dann  auch  die  so  zur 
;;gegebenen  Melodie  hinzugesetzte  Stimme  genannt,  welche  so- 
wonl  Ober-  als  Unterstimme  sein,  bei  Vereinigung  mehrerer 
Stimmen  aber  auch  als  Mittelstimme  betrachtet  werden  kann. 
Je  nach  der  Zahl  der  kontrapunktierten  Stimmen  hat  man  zwei-, 
drei-,  vierstimmigen  Kontrapunkt,  wenn  zum  Cantus 
firmus  eine,  zwei  oder  drei  Stimmen  hinzutreten.  Haben  die 
Noten  des  Kontrapunktes  gleichen  Wert  mit  denen  des  Cantus 
'firmus,  so  nennt  man  dies  gleichen  Kontrapunkt  (a);  sind  sie 
aber  verschiedenen  Wertes,  so  dass  z.  B.  zwei,  vier,  acht  Noten 
auf  eine  Note  des  Cantus  firmus  treffen,  so  heisst  er  unjjleicher 
Kontrapunkt  (b).  Eine  andere  Gattung  ist  diejenige,  bei  welcher 
■die  Kontrapunktstimme  mit  Bindungen,  Ligaturen  auf  dem  guten 
Taktteile  fortschreiljet  (c);  blühender  (floridus,  colo4*atua 
sive  diminutus)  Kontrapunkt  heisst  er,  wenn  die  kontrapunk- 
tierte Stimme  Noten  verschiedenen  Wertes  gemischt  enthält  (d). 


^^^^^^^ 


d. 


^^7^>j5lg^lf^ 


etc. 


In  älteren  Lehrbüchern  finden  sicli  noch  als  besondere 
Namen:  Contrapunctus  hyperbatus,  ital.  Centrappunto 
sopra  il  sogetto,  wenn  die  kontrapunktierende  Stimme  über 
dem  Cantus  fu^mus  liegt,  und  Contrapunctus  hypobatus, 
ital.  Contrappunto  sotto  il  soggetto,  wenn  sie  unter  dem 
Cantus  firmus  lie^;  —  Contrapunctus  gradativus,  wemi 
«ine    kontrapunktierende   Stimme    sich    stufenweise.    Contra- 


fFT^n;,-^  '  F  ,.         ■  .  ,  y      ' 


\ 


Konti'apunkt.  18& 

punctus  saltativus,  wenn  sie  sich  sprungweise  fortbewegt. 
Contrapunctus  alla  mente  war  der  extemporierte  Kontra- 
punkt, wobei  die  Sänger  aus  dem  Stegreif  zum  Cantus  firmua 
einen  Kontrapunkt  sangen;  es  gab  dafür  eigene  Regeln,  welche 
in  den  Werken  von  Aaron  und  25aoconi  u.  a.  sich  finden. 

'  Einfacher  Kontrapunkt  ist  überhaupt  das  Hinzusetzen 
einer  oder  mehrerer  Stimmen  zu  einer  gegebenen  Melodie  nach 
den  Regeln  des  reinen  (strengen  oder  freien)  Satzes.  Insofern 
gebraucht  man  jetzt  dafür  das  wort:  Harmonie,  harmonisieren. 
Redet  aber  die  neuere  Kunstsprache  von  Kon]brapunkt,  so  Ter-^ 
steht  sie  jene  Art  der  Harmonie  danmter,  welche  der  Urakeh- 
rung  fähig  ist,  und  teüt  ihn  in  doppelten,  dreifachen  und 
vierfachen  Kontrapunkt  ein.  Hauptgrundsatz  jedes  Kontra-^ 
Punktes  ist,  dass  jede  Stimme  zur  anderen  einen  richti- 
gen guten  Bass  bilde.  Doppelter  Kontrapunkt  findet  statt,, 
wenn  zwei  Stimmen  so  gegen  einander  gesetzt  werden,  dass 
ohne  die  geringste  Veränderung  und  ohne  Fehler  gegen  den 
reinen  Satz,  die  untere  zur  Oberstimme  und  die  obere  zur  Unter- 
stimme gemacht  werden  kann.  Die  Versetzung  der  Stimmen 
heisst  man  Umkehrung.  Dreifach  (wohl  zu  unterscheiden 
von  dreistimmig,  was  dann  stattfindet,  wenn  man  dem  dop- 
pelten Kontrapunkte  eine  dritte  Stimme  als  Ausfüllungs-  oder 
negleitungstimme  beifügt),  ist  der  Kontrapunkt,  wenn  jede  der 
drei  Stimmen  umkehrungsfähig  ist,  wenn  jede  zu  den  bei- 
den anderen  einen  guten  Bass  und  folglich  auch  jede  zu  den 
beiden  anderen  eine  gute  Melodie  büdet;  er  lässt  sechs  verschie- 
dene Stellungen  seiner  Stimmen  zu.  Vierfach  ist  der  Kontra- 
punkt,  wenn  vier  versetzungsfahige  Melodien  vorhanden  sind.. 
Vom  dreifachen,  wie  noch  mehr  vom  vierfachen  Kontrapunkte 
macht  man  selten  Anwendung  sowohl  wegen  der  grossen  Ver-^ 
Wickelung  als  auch  wegen  der  oft  unvoBständigen  Harmonie, 
was  nicht  zu  vermeiden  ist;  desto  mehr  findet  aber  der  dop- 
pelte Kontrapunkt  Anwendung.  Seine  Umkehrung  kann  m 
verschiedenen  Intervallen  stattfinden.  Wenn  die  Unterstimme 
um  eine  oder  zwei  Oktaven  erhöht  wird,  also  über  die  ursprüng- 
liche Oberstimme  hinauftritt  und  als  Oberstimme  erscheint,  so 
entsteht  der  Kontrapunkt  in  der  Oktave;  wird  die  Unterstimme 
in  gleicher  Weise  um  eine  None  erhöht,  so  entsteht  der  doppelte 
Kontrapimkt  in  der  None  u.  s.  f.  Je  nach  der  Intervallenentfer- 
nung, m  welcher  die  Umkehrunjg  stattfindet,  gibt  es  nun  einen 
doppelten  Kontrapunkt  in  der  Oktave,  None,  Decime,  Undecime, 
Duodecime.  Obiger  Erklärung  zufolge  kann  natürlich  auch  die 
Oberstimme  um  eme  Oktave,  None,  Decime  u.  s.  w.  tiefer  gesetzt 
werden,  nur  muss  die  Hauptbedingung  dabei  erfüllt  werden, 
dass  durch  die  Versetzung  einer  Stimme  zugleich  eine  wirk- 
liche Umkehrung  der  Stimmen  erfolgt.  Die  gebräuchlichste  und 
leichteste  Art  des  doppelten  Kontrapunktes  ist  die  in  der 
Oktave.  Hierbei  haben  folgende  Umkehrungen  xler  Intervall- 
verbindungen statt: 

1.    2.    3.    4.    5.    6.    7.    8. 

8.    7.    6.    5.    4.    3.    2.    1. 
d.  h.  aus  der  Prim  wird  die  Oktave,  aus  der  Sekunde  die  Septime,, 
aus  der  Terz  die  Sext  u.  s.  w. 


190 


Konteapunkt. 


I   t 

Umkehrung. 


I        I  I  I      r    -ä^ 


I 

Nächst  dem  doppelten  Kontrapunkte  in  der  Oktave  sind 
die  Kontrapunkte  in  der  Decime  und  Duodecirae  am  verwend- 
barsten.   Bei  ersterem  ändern  sich  die  Intervalle  also: 


1.    2.    a 
10.    9.    8. 

Bei  letzterem  so: 


4.    5.    6.  ,  7.    8.    9.    10. 
7.    6.    5.    4.    a    2.      1. 


1.      2.      a    4.    o.    ().    7.    8.    9.     10.    11.    12. 
12.     11.     10.    9.    8.    7.    6.    5.    4.      a      2.      1. 

Zu  den  beiden  im  Kontrapunkte  gesetzten  Stimmen  kann 
noch  eine  Nebenstimme  als  ausfüllende  oder  begleitende  Stimme 
treten.  Der  Kontrapunkt  findet  seine  Anwendung  zumeist  in 
<ler  Fuge^  in  Motetten,  Chören  u.  djgl.,  aber  auch  in  Wei-ken  des 
freien  Stiles  vermag  er  grosse  Wirkung  zu  thun,  wie  es  die 
Werke  Mozarts,  Haydns,  Beethovens  u.  a.  beweisen. 

Das  Studium  äes  Kontrapunktes  ist  für  jeden  Komponisten 
unumgänglich  notwendig,  da  er  nur  dadurch  sich  die  vollkom- 
men freie  Thätiepkeit  aneignet,  welcher  er  bedarf,  um  etwas 
Gutes  in  seiner  Kunst  zu  schalen ;  dadurch  lernt  er  tüchtiges 
Ausarbeiten  und  Fortspinnen,  die  konsequente,  logische  Entwi- 
ckelung  der  musikaliscnen  Gedanken,  ohne  welches  seine  Arbeit 
höchstens  eine  wertlose,  unbefriedigende  Mosaik  wäre.  Man 
studiert  den  Kontrapunkt  nicht,  um  bloss  Fugen,  Kanons  u.  dgl. 
machen  zu  können,  sondern  um  innerhalb  der  Schranken  der 
Kunstgesetze  sich  frei  bewegen  zu  lernen,  um  jede  Form;  sei 
sie  welche  sie  wolle,  mit  einem  planmässig  zurechtgelegten,  in 
allen  Teilen  soliden  Inhalt  füllen  zu  können. 

Die  Anßlnge  des  Kontrapunktes,  wie  überhaupt  der  Har- 
monie hat  man  in  dem  Organum  Hucbalds  zu  suchen,  welches 
sich  zumeist  in  Quinten-,  Quarten-  und  Oktavenparallelen  fort- 
bewegte. Zu  Guidos  Zeit  wagte  man  es  schon,  andere  Intervalle 
einzumischen;  die  Diaphonie  (Discantus)  und  die  „Fleurettes** 
zeigen  eine  von  der  Hauptmelodie  (Tenore)  ziemlich  abweichende 
Nebenmelodie.  Die  Erfindung  der  Noten  —  im  XII.  Jahrh.  — 
trug  um  so  mehr  zu  rascheren  Fortschritten  der  Harmonie 
bei,  als  sie  ein  leichtes  Mittel  der  Aufzeichnung  der  Töne,  der 
Sichtbarmachung  derselben  sind.  Die  Mensuralmusik,  welche 
im  XIII.  Jahrh.  sich  rasch  entwickelte,    blieb   nicht   beim   zwei- 


Kontrapunkt  ist  —  Konzert.  191 

stimmigen  Discantus,  sondern  verband,  bald  auch  mehreife  Stim- 
men nach  bestimmten  Regeln  und  kannte  schon  dem  Kanon 
und  der  Imitation  ähnliche  (iebilde.  Geopen  Ende  des  XIV.  öder  im 
Aäfange  des  XV.  Jahrh.  tritt  an  die  ^elle  des  Namens  ^Discan- 
tus* der  Name  »Contrapunctus*  und  die  harmonische  Kunst  ge- 
stsiltete  sich  immer  schöner  aus;  Marchettus  von  Padua  lehrt 
schon  die  Auflösung  der  Dissonanz  in  die  Konsonanz  und  Johann 
de  Muris  weiss  ^te  Lehren  über  das  Fortschreiten  der  Intervalle 
aufzustellen.  Die  Praxis  ging  immer  weiter  voran  und  aus  ihr 
zog  die  Theorie  dann  feste  Grundregeln;  bis  gegen  Ende  des 
XVl.  Jahrh.  entstanden  nach  und  nach  sehr  ausmhrliche  Lehr- 
bücher, Ä.  B.  von  Prosdocimus,  Gafurius, 

Mit  Guillielmus  Düfay  (c.  1400—74)  fängt  die  Periode  des 
künstlichen  Kontrapunktes  (c.  artificiosus).an,  welcher 
durch  die  nachfolgenden  Meister  Ockenheim,  Josquin  de  Prfes, 
Willaei-t  u.  m.  a.  (aie  sogenannte  niederländische  Schule)  beson- 
ders gepflegt  und  zu  grosser  Vollkommenheit  gehoben  wurde. 
Doch  artete  er  bald  in  eitle  und  unnütze  Künsteleien  und  Spie- 
lereien aus,  welche  erst  im  XVI.  Jahrh.  durch  Männer  wie  Pa- 
lestrina,    Lassus,    Gabrieli    u.    a.   zurückgedrängt   wurden.    Als 

frösster  Theoretiker  dieser  Zeit  steht  Zarlino  (f  1590)  da.  In 
er  Palestrinischen  Periode  entfaltete  sich  die  kontrapunktische 
Kunst  in  herrlichster  Weise  und  schuf  Werke,  deren  Wert  immer 
in  Geltung  bleiben  wird.  Mit  dem  Aufblühen  der  Oper  und  ihrer 
Ausbüdung  wurde  der  Kontrapunktik  das  Feld  streitig  gemacht 
und  sie  musste  sich  immer  mehr  in  die  Kirche  zurückzienen,  wo 
zuletzt  —  seit  ungefähr  100  Jahren  —  sie  auch  wenig  mehr 
geachtet  wurde,  nun  aber  doch  wieder  zur  Anerkennung  kommt. 
Aufs  Höchste  hat  sie  wohl  Sebastian  Bach  vervollkommnet.  Im 
vorigen  und  laufenden  Jahrhunderte  schrieben  vorzügliche  Lehr- 
bücher über  den  Kontrapunkt  unter  anderen:  Fux  (Gradus  ad 
Parnassum),  Paolucci,  Alorechtsberger,  Marx,  Bellermann,  Dehn, 
Bussler. 

Kontrapunktist  heisst  derjenige,  welcher  alle  Formen  der 
kontrapunktischen  Schreibweise  zu  bewältigen  imstande  ist.  In 
früheren  Zeiten  war  Komponist  und  Kontrapunktist  gleichbedeu- 
tend; nachdem  aber  aus  dem  Kontrapunkte  sich  em  freier  Stil 
und  andere  Formen  der  musikalischen  Kunst  herausgebildet 
haben,  oder  vielmehr  die  Entwickelung  der  musikalischen  Kunst 
solche  geschaffen,  kann  doch  noch  vom  Komponisten  gefordert 
werden,  dass  er  auch  Kontrapunktist  sei,  —  vom  Kircnenkom- 
ponisten  muss  dies  gefordert  werden,  da  seine  Studien  vorzüg- 
fich  auf  die  Meister  des  XVI.  und  XVII.  Jahrh.  gerichtet  sem 
müssen,  welche  ihre  Kirchensachen  nur  im  strengen  Kontra- 
punkte schrieben,  und  aus  denen  er  die  beste  musikalische  Aus- 
drucksweise des  kirchlichen  Geistes  zu  erlernen  hat. 

Konzert  bedeutet  entweder  ein  Musikstück  mit  Instru- 
menteiibegleitun^ ,  das  einem  oder  dem  anderen  Musikei*  Gele- 
genheit gibt,  die  Fertigkeit  und  Schönheit  seines  Spieles  zu 
entwickeln;  oder  die  Zusammenstellung  einer  Reihe  von  Ton- 
stücken und  die  Aufführung  derselben  durch  Sänger  oder  Instru- 
mentalisten,  oder  durch  beide.  Unter  letztere  Gattung  fallen  die 
Ooncerts   spirituels,   geistliche   Konzerte,    in  denen  nur 


192  Kopfstimme  —  Kyrie  eleison. 

feistliche  Tonstücke,  religiöse  Musik,  aufgeführt  werden.  Sie 
aben  ihren  Namen  von  dem  Konzerte,  welches  1725  von  Philidor 
in  Paris  für  diejenigen  Tage  eingerichtet  worden  ist,  an  welchen 
die  Theater  geschlossen  waren.  Verschieden  von  diesen  sind 
^e  Kirche xtk  o n z  e  r t  e.  Dies  sind  Musikstücke,  durch  Ludovico 
Viadana  gegen  das  Jahr  1600  eingeführt,  in  welchen  eine,  zwei, 
drei  oder  mehrere  Stimmen,  wefohe  die  Cantilenen  ausführten, 
zur  Füllung  der  Harmonie  noch  eines  anderen  begleitenden  har- 
monischen Instrumentes  (gewöhnhch  benützte  man  dazu  die 
Orgel)  bedurften.  Zu  solchen  Tonstücken  ^ab  dem  Viadana  Ver- 
anlassung die  manchmal  zutreffende  geringe  Zahl  der  Sänger, 
welche  nicht  hinreichte,  um  eine  vier-  oder  mehrstimmige  Kom- 

gosition  aufzuführen;  auch  der  Wunsch  war  massgebend,  den 
Ungern  Kompositionen  für  verschiedene  Stimmen  zu  liefern, 
woraus  sie  eine  wählen  konnten,  um  damit  Ehre  sich  zu  machen. 

Kopfstimme,  s.  Stimme. 

Kornett,  1)  soviel  wie  Zinken  (s.  d.);  2)  eine  gemischte 
Orgelstimme,  klüftig  und  hell. 

Korrekt  heisst  überhaupt  jedes  Werk  einer  Kunst,  wel- 
ches mit  genauer  Beobachtung  der  vorgeschriebenen  Formen  und 
Gesetze  gearbeitet  ist. 

Kreirz,  s.  Erhöhung. 

Krusis,  8.  Griechische  Musik. 

Knrrende,  ein  Singchor  aus  Schülern  der  niedern  Schul- 
klassen bestehend,  der  an  gewissen  Tagen  der  Woche  vor  den 
Häusern  von  Privatleuten  sang  und  dafür  eine  Gabe  erhielt.  Die 
Einführung  der  Kurrende  wird  dem  Bischöfe  von  Asti,  Scipio 
Damianus  (f  1472),  zugeschrieben. 

Knstos  (lat.).  der  Wächter,  ital.  mostra,  ist  der  Name 
des  Zeichens,  welches  früher  an  das  Ende  einer  Notenzeile  ge- 
setzt wm'de,  um  die  Tonstufe  anzuzeigen,  auf  welcher  die  erste 
Note  der  nächsten  Zeile  erscheint,  z.  B.: 


Jetzt  wird  der  Kustos  nur  mehr  in  der  Ohoralnotenschi'ift 
gebraucht.    (S.  ChoraL) 

Kyrie  eleison.  Dieser  Aufruf  einer  von  der  Tiefe  ihi*es 
Elendes  durchdrungenen  Seele  'ward  nach  einigen  vom  Papste 
Sylvester,  nach  anderen  vom  Papste  Damasus  aus  der  griechi- 
schen Liturgie  in  die  römische  herübergenommen.  Gregor  d.  Gr» 
bestimmte  mr  seine  Kirche,  dass  es  von  den  Klerikern  vor  und 
vom  Volke  nachgesungen  werde;  auch  fügte  er  „Christo  eleison*' 
bei.  Die  alten  Ordines  Romani  sagen  bloss,  dass  der  Chor  diesen 
Ruf  singend  fortsetze,  bis  der  Papst  oder  Bischof  das  Zeichen 
zum  Aufhören  gebe;  eine  bestimmte  Zahl  der  Wiederholungen 
war  nicht  festgesetzt.  War  eine  Prozession  vorhergegangen,  oei 
welcher  ohnehin  das  Kyrie  eleison  gesungen  worden  war,  so 
liesB  man  es  weg ,  wie  es  heute  nocn  z.  B.  in  der  Messe  vom 
Karsamstage  der  Fall  ist.  War  keine  Prozession  vorhergegangen, 
so    wurda   es    überdies    mit    gehobener    Stimme,     in    höherer 


s 


La  —  Lamentationen.  193 

Stimmlage  gesungen.  In  der  römischen  Liturgie  findet  dieser 
Ruf  neunmal  statt,  dreimal  »Kyrie  eleison**  zu  Ehren  des  Vaters, 
dreimal  „Christe  eleison"  zu  Ehren  des  göttlichen  Sohnes,  dann 
wieder  dreimal  „Kyrie  eleison"  und  zwar  zu  Ehren  des  heiligen 
Geistes;  die  Dreizahl  wendet  sich  also  an  die  heiligste  Dreifal- 
tigkeit, während  der  dreimalige  Gesang  eines  und  desselben 
Rufes  das  inständige  Seufzen  und  Flehen  ausdrückt. 

Bis  ins  Mittelalter  hinein  betete  der  Celebrant  das  Kvrie 
nicht  mit,  wenn  es  gesungen  wurde.  Nach  dem  XIL  Jahrh. 
mischte  man  dem  Kyrie  eleison  auch  Paraphrasen ,  sogenannte 
Tropen  bei,  welche  sich  lange  erhielten  und  die  langen  Neumen 
der  Melodie  mit  Text  versahen;  sie  waren  nur  aus  und  zur 
Andacht  und  Erbauung  beigefügt  und  wurden  bloss  bei  festli- 
chem Gottesdienste  gebraucnt.  So  findet  sich  z.  B.  in  einem 
1519  zu  Paris  gedruckten  Missale:  „Cunctipotens  genitor  Dens 
omnium  Creator  eleison  etc."  oder  „Kyrie  eleison,  Pater  infan- 
tium,  Kyrie  eleison,  Refector  lactentium  etc."  Ein  Missale  aus 
dem  Jahre  1631  hat:  „Kyrie,  fons  bonitatis  Pater  ingenite  a  quo 
bona  cuncta  procedunt,  eleison,"  und  so  in  ähnlicher  Weise  oei 
jedem  wiederholten  Rufe*  es  ist  aber  in  der  Rubrik  beigefügt: 
„nuUo  modo  sunt  de  oroinario  seu  usu  romano."  In  einer  ana- 
logen Weise  sehen  wir  das  Kyrie  eleison  bei  so  vielen  deutschen 
Kirchenliedern  verwendet.  Diese  Tropen  wechselten  selbst  nach 
den  verschiedenen  Festen.  Die  Choralmelodien  des  Kvrie  sind 
nach  dem  Range  des  Festes  (solemrie,  dupl.  oder  semidupl.  etc.) 
bald  reicher,  bald  einfacher  gestaltet,  jederzeit  aber  sind  sie  der 
vollendetste  Ausdruck  des  zum  Herrn  um  Gnade  und  Barmher- 
zigkeit seufzenden  Herzens.  Mit  der  Melodie  des  ersten  Kyrie 
stimmt  meistens  die  des  Ite  missa  est  oder  Benedicamus  zusammen. 


L. 

La  (A  la  mi  re),  in  der  Solmisation  und  bei  den  Franzosen 
und  Italienern  der  Ton  a. 

Labialstimmen  oder  Flötenwerk  heissen  diejenigen  Orgel- 
register, deren  Pfeifen  vom  Winde  mittels  eines  Labiums  an- 
geolasen  werden.  Bei  zinnernen  Pfeifen  heisst  der  oberhalb  dem 
Aufschnitte  flach  eingedrückte  Teil  der  Pfeife  das  Oberlabium 
(Oberlippe),  der  unterm  Aufschnitte  befindliche  das  Unt er- 
lab i  um  (Unterlippe).  Innerhalb  dem  Aufschnitte,  im  Pfeifenfuss 
befestigt  ist  der  Kern,  eine  ziemlich  dicke  Platte,  welche  dem 
Winde  nur  durch  eine  enge  Spalte  am  Aufschnitte  den  Durch- 
gang gestattet,  und  ihn  an  das  Oberlabium  führt,  wo  er  sich 
schneidet,  dieses  mit  dem  Pfeifenkörper  in  zitternde  Bewegung 
versetzt  imd  den  Ton,  nach  Massgabe  der  Mensur,  formirt. 

Lais,  s.  Kirchenlied. 

Lamentationen  werden  speciell  jene  den  Klageliedern  des 
Jeremias  entnommenen  Lesungen  genannt,  welche  an  den  letz- 
ten drei  Tagen  der  Karwoche  in  der  ersten  Nokturn  der  Matutin 

Kornxnüller,  Lexikon.  18 


194  Lauda  Sion  —  Laute. 

zum  Lese-  und  Gesangsvortrage  bestimmt  sind.  Die  Klagelaute, 
welche  dieser  Prophet  über  den  Trümmern  einer  gottverlassenen 
und  verheerten  Stadt  aussprach,  wendet  die  Kirche  für  die  von 
Gott  abgewichene,  bis  ins  innerste  verwüstete  grosse  Gottesstadt, 
die  ganze  Menschheit  an,  wie  sie  der  Herr  m  seiner  eigenen 
heiligsten  Menschheit  in  jenen  Tagen  an  sich  genommen,  um 
ihre  Schuld  und  Strafe  zu  büssen;  ruft  sie  jeder  Seele  zu,  die 
durch  die  Sünde  zu  einer  Wüstenei  wird,  und  fordert  mit  herz- 
durchdringender Stimme:  -Jerusalem,  Jerusalem,  convertere  ad 
Dominum  Deum  tuum,"  „Jerusalem,  bekehre  dich  zum  Herrn, 
deinem  Gotte,"  zur  Umkehr  auf.  Diese  Lamentationen  sind 
gegenüber  allen  anderen  Lektionen,  die  immer  nur  im  gewöhn- 
Gchen  Lektionenton  vorgetragen  werden,  durch  eigene  Melodien 
ausgezeichnet,  welche  bis  zum  XVL  Jahrh.  in  höchster  Würde 
una  Feierlichkeit,  für  grossen  Stimmumfang  und  grosse  Gesangs- 
tüchtigkeit berechnet,  der  klagenden  Stimmung  Ausdruck  liehen. 
Die  jetzt  gebräuchlichen  Melodien  sind  aus  den  früheren  aus- 
gezogen und  nach  dem  Tropus  des  Magnifikat  VL  toni  umge- 
staltet. Auch  diese  vereinfachte  Gesangsweise  hat  etwas  Ergrei- 
fendes und  Tiefrührendes.  Die  Tonsetzer  des  Mittelalters  boten 
alle  ihre  Kunst  auf,  um  diese  heiligen  Klageffesänge  mit  ange- 
messenem harmonischen  Schmucke  zu  umgeoen  und  ihre  Wir- 
kung zu  erhöhen*  Meisterstücke  in  dieser  Beziehung  haben  wir 
namentlich  von  Palestrina  und  Vittoria.  —  Die  Kirche  verbietet 
nicht,  dass  die  Lamentationen,  wenn  sie  choraüter  gesungen  wer- 
den, die  leiseren  Töne  der  Orgel  oder  eines  ähnlichen  Instrumen- 
tes, z.  B.  eines  Harmoniums,  zur  Begleitung  haben. 

Lauda  Sion,  s.  Sequenzen. 

Laudes  (Lobgesänge)  heisst  der  Teil  des  kirchlichen  Offi- 
ciums,  welcher  sich  unmittelbar  an  die  Matutin  anschliesst,  und 
ähnlich  der  Vesper  aus  fünf  Antiphonen  mit  fünf  Psalmen,  dem 
Kapitel,  Hymnus,  Versikel  und  Responsorium ,  dem  Lobgesange 
des  Zacharias  mit  einer  Antiphon  und  der  darauf  foLsenden 
Oration  (und  an  manchen  Tagen  einer  oder  mehrerer  Comme- 
morationen)  besteht.  Früher  hiess  dieser  Teil  „Matutinus",  weil 
er  am  Morgen  gebetet  oder  gesungen  wurde.  Den  jetzigen  Na- 
men „Laucles"  erhielt  er  daher,  weil  die  betreflPenden  rsalmen 
fast  sämtlich  das  Lob  Gottes  aussprechen,  wie  das  Canticum 
„Benedicite"  und  namentlich  die  zu  einem  Psalme  aneinander 
gereihten  Psalmen  148,  149  und  150.  An  den  Ferialtagen  wech- 
seln die  Psalmen  mit  Ausnahme  des  letzten. 

Laudi,  s.  Oratorium. 

Lauf,  s.  Periode. 

Laute,  lat.  testudo,  franz.  luth,  ital.  liuto,  ein  sehr 
altes,  früher  allgemein  beliebtes,  jetzt  aber  ganz  in  Vergessenheit 

feratenes  Saiteninstrument.  Sie  ist  orientalischen  Ursprunges; 
urch  die  Mauren  kam  sie  nach  Spanien,  von  da  nach  Italien 
und  dann  nach  Deutschland.  In  ihrer  Urgestalt  war  sie  der 
Schale  einer  Schildkröte  sehr  ähnlich ,  daher  ihr  lateinischer 
Name  (testudo,  die  Schildkröte).  Bei  den  späteren  Lauten  war 
der  Körper  aus  dünnen  Ahornspänen  bauchig  und .  gegen  den 
Hals  enger  zusammenlaufend  streifenweise  zusammengesetzt  und 
mit   einem   flachen  Resonanzboden   bedeckt,    welcher  nahe   am 


—m — 


Lautentabulatur  —  Ligatur.  195 

GrifiTbrette  mit  einem  runden,  meist  künstlich  verzierten  Schal- 
loche versehen  ist.  Der  Hals  ist  lang,  ziemlich  breit,  und  das 
daran  befindliche  Griffbrett  mit  Bünden  (Halb-Tongriffen)  wie 
bei  unseren  Guitarren  versehen.  Unten  am  Resonanzboden  ist 
der  Saitenhalter  für  24  Darmsaiten  (einige  Basssaiten  überspon- 
nen)  angebracht;  14  dieser  Saiten  (11  zweichörig)  laufen  üoer 
das  Griffbrett  und  den  Sattel  in  den  Wirbelkasten,  wo  sie  ge- 
stimmt werden,  die  übrigen  laufen  neben  dem  Griflfbrette  in 
einen  eigenen  Wirbelkasten.  Diese  letzteren  werden  aber  nicht 
durch  Fmgeraufsatz  verkürzt,  sondern  bleiben  in  ihrer  Stimmung 
und  bilden  die  Grundstimme,  w6shalb  bei  verschiedenen  Ton- 
arten eine  Umstimmung  derselben  stattfinden  musste.  Die  Stim- 
mung ist  gewöhnlich  D-moU,  aber  die  Saiten  klingen:  Contra 
A,  B,  gross  C,  D,  E,  F,  G,  A,  klein  d,  f,  a,  und  emgestrichen 
d,  f,  a. 

Die  Tonstücke  wurden  nicht  mit  Noten,  sondern  mit  Buch- 
staben auf  einem  System  von  sechs  Linien  notiert,  ohne  Vor- 
zeichnung und  Schlüssel.  Alle  sechs  Linien  hiessen  a^  wiewohl 
nur  drei  leere  Saiten  dieses  Namens  vorkommen  j  die  tiefsten 
Basssaiten  wurden  durch  die  Zahlen  6,  ^,  4  angezeigt,  die  näch- 
sten vier  mit  a  und  geraden  Strichen.  Über  der  sechsten  Linie 
standen  zur  Bezeichnung  der  Dauer,  welcher  die  in  Buchstaben 
gegebenen  Töne  unterliegen  sollen,  Notenzeichen.  Diese  Notie- 
rung hiess  die  Lautentabulatur  und  erhielt  sich  lange;  um 
1509  begann  man  in  Italien  statt  der  Buchstaben  Ziffejn  zu  ge- 
brauchen. Ein  Beispiel  der  Lautentabulatur  ist  in  der  (jeschicnte 
der  Musik  von  Ambros,  IL  Bd.  pag.  495,  zu  finden;  vgl.  auch 
Bd.  III.  pag.  426. 

Die  Laute  scheint  durch  die  Harfe  besonders  Eintrag  er- 
litten zu  haben.  Man  hatte  Lauten  von  verschiedener  Grösse: 
Diskant  ,  Alt-,  Tenor-  und  Basslauten  u.  s.  w.  Aus  diesen  bil- 
deten sich  später  mehrere  neue  Instrumente,  deren  Saiten  auch 
mit  den  Fingern  gerissen  werden,  und  welche  Lauteninstru- 
mente heissen,  z.  B.  die  Theorbe,  Mandoline,  Guitarre  u.  a. 

Lautentabulatur,  s.  Tabulatur. 

Legate  (ital.),  verbunden,  die  dem  Staccato  entgegenge- 
setzte Vortragsmanier. 

Leitereigene  Accorde  sind  solche,  welche  nur  aus  Tönen 
bestehen,  die  der  herrschenden  Tonart  eigen  sind. 

Leitton,  lat.  subsemitonium  modi,  franz.  Note  sen- 
sible, wird  vorzugsweise  die  siebente  Stufe  der  diatonischen 
Tonleiter  genannt,  weil  sie  die. Neigung  hat,  in  die  Oktav  des 
Grundtones  fortzuschreiten.  Übrigens  kann  auch  die  kleine 
Septime  des  Dominant-Septimenaccordes  als  ein  Leitton  bezeich- 
net werden. 

Lento,  s.  Tempo. 

Libera  me,  s.  Absolutio. 

Ligatur,  Ligatura,  die  Bindung,  bezeichnet  einmal  das 
vollkommene  Anemanderketten  einer  Keihe  von  Tönen,  und 
zweitens  die  Verbindung  zweier  oder  mehrerer  Noten  von  glei- 
cher Tonhöhe,  welche  wie  ein  Ton  angehalten  werden.  Diese 
Bindung  wird  durch  einen  Bogen  -^  ^  angedeutet.  Die  Alten 
bezeichnen  mit  Ligatur  auch  den  Vortrag  mehrerer  Noten  über 

13* 


196  Lipmia  —  LitasM^i. 

einer  Silbe,  w^^  di^qh  .^Jgentümliche  Verbindung  der  schwarzen 
(Choral)-^oten  av^^gßdrüctt  wurde.  In  (ier  MensurAlnwsik  war 
Ligatur  die  Verbindung  zweier  oder  m^hr^rer  Noten,  welche  je 
n^ch  ihrer  .Qß^talt,  Art  und  Zajil  in  ^inem  bestimmten  Wert- 
yerhältnjisse  zu  ^i^jandßr  nach  gewissen  Regeln  standen.  Aus- 
führtjches  Vehe  man  in  BeUermanns  Wqrk:  „Die  Mensuiral- 
ngtenetc.",  in  Ambro^,  „Q^^hiohte  der  Mu^ik**,  II.  Bd.  u.  a. 

{4pii>99'*  Das  gjpieoh.  ^ei/{f*'t,  wovon  d^s  lat.  Limma  um- 
gebildet ist,  ,beis§t  daß  «ÜbriggebUebene ,  der  Re^t**,  und  wurde 
bei  f^n  i^athjQlliatischen  :Klai?gberechnuAgen  dies  Wort  auch  von 
dq^  Äjlteh  so  g^prauobt.  Sie  messen  Limma  sowohl  den  zwi- 
sc^ßn  dßm  gro^gen  und  kißinen  Halbton,  als  auch  zwischen 
grqs^er  Teyz  und  Quart  verbleibenden  Rqst. 

I4i||ji,i^p^y^l(;em  —  bezeichnet  die  fünf  von  unten  nach  oben 
zu  zählenden  Linien,  deren  man  sich,  zur  Aufzeichnung  der  Noten 
be^ißnt.  DJe  Npten  Jiaben  ihren  Platz  sowohl  auf  «3s  zwischen 
den  Linien  ijnd  es  können  mittelst  dieser  fünf  Linien  elf  Noten- 
ste,lj,en  be^eiphnet  werden.  Dieses  Fünf-Liniensystem  hat  sich 
als  fj^s  vollkommenste  erityiesen,  weil  es  dem  Hauptumfange 
je4er  Sing&timme  entspricht  und  am  übersichtlichsten  i^t;  (Be 
iibj^r  die  itof  Lini.en  n^ch  oben  oder  unten  hinausHegßnden  Töne 
erbI4l|jen  .^pgj^kilvztje  Linien  unter  oder  über  dem  Kopfe  oder 
durch  denselDepL.  Wefl^n  ^,ber  diese  Notenlinien  durch  ihre  Häu- 
fui^g  (w.\e  pei  sehr  hohen  Tönßn  der  Flöte  u.  dgl.)  d^,s  Noten- 
lesen  erschweren,  so  schreibt  man  die  zu  hohen  (oder  zu  tiefen) 
Tpp^  um  ei^i^e  Oktav  tiefer  (oder  höher)  und  deutet  mit  einem 
8va  an ,  dass  sie  um  eine  Oktav  höher  (beziehungsweise  tiefer) 
auszuführen  seien.  Aufschluss  darüber,  welcher  Ton  auf  irgend 
einer  Linie  steht,  gibt  der  an  den  Anfang  der  Linien  gesetzte 
Schlüssel.  Für  die  Choralnotenschiift  wendet  man  bloss  vier 
Linien  an,  obwohl  auch  das  ITünf-Liniensystem  nichts  Ungewöhn- 
hcbes  d^bei  ist.  —  Bßzüglich  der  Grescniehte  ist  zu  bemerken, 
dass  man  im  a.  J^hrh.  zuerßt  Linien  in  die  musikalische  Schrift 
einführte  (s.  Hu c bald);  im  XL  Jaferh.  i&og  man  durch  die  Neu- 
men  Linien,  zuerst  eine,  dann  zwei,  eine  rote  und  gelbe:  Guido 
vpn  Arezzo  setzte  vier  Linien  fest.  Im  XII.  und  XIII.  Jahrb. 
und  auch  später  noch  benützten  die  Harmpnistejn  für  den  Tenor 
vier,  für  den  Di^Jk;antus  fünf  Linien;  in  der  Folgezeit  kam  es 
auch  vor,  dass  ^ie  JComponi^tein  die  vier  Singstimmen  auf  ein 
System  von  ^rtui  Linien  eintrugen,  indem  sie  die  Noten  jeder 
Stimme  mit  be^ondfirqn  Fpben  auszeichneten.  Bei  der  Lauteur 
tapulatur  warßn  sechs  Linien  in  Gebrauch.  Seit  der  Ausbildung 
der  Harmonie  im  XV.  nnd  XVI.  Jährh.  blieb  man  bei  fünf  Linien 
stehen,  wogegen  arlle  schon  gemachsten  neueren  Vorsqhläge  (Zif- 
fern, Buchstaben  u.  a.)  nicht  aufkommen  konnten. 

Litanei.  Dieses  aus  dem  Griechischen  .(*'r* *'*.*«)  stammende 
Wort  bedeutet  ursprünglich  ein  Gebet,  Flehen,  Anrufen.  Im 
engeren  Sinne  wurde  dieses  Wort  in  der  alten  Liturgie  auf  die 
beim  Beginne  der  Katechumenenmesse  öfter  wiederholte  An- 
rufung „Kyrie  ele^ison"  angewendet,  wie  auch  der  heil.  Benedikt 
in  meiner  Kegel  mit  „Litania^  nichts  anderes  bezeichnet,  als  das 
vor  der  Orat^on  des  Officiums  öfter  gespr.ochene  „Kyrie  eleison^. 
Die  „Litania  missalis**,   aus  dem  Orient  in  die  lateinische  Kirche 


LitaiieL  197 

aufffenoramen,  war  eine  Anzahl  Bitten  oder  Gebete,  welche  vom 
Diakon  vor  der  Kollekte  gesprochen  oder  ffesungen  wurden,  und 
-worauf  das  Volk  mit  einem  sich  gleich  oleibende'n  Rufe  (z.  B. 
^Oramus  te  Domine,  exaudi  et  miserere")  antwortete.  Diese  Art 
Litanei  erhielt  sich  bis  ins  IX.  Jahrh.  Gregor  d.  Gr.  macht  da- 
von in  seinem  Sacranientaiium  Erwähnung. 

Nach  altem  hturgischeti  Sprachgebrauche  werden  ^Litaniäfe 
majores  und  minores"  die  Prozessionen  genannt,  welche  siin 
St.  Markustage  (25.  April)  und  a'n  döh  drei  Bittagen  (die  drei 
Tage  nach  dem  5.  Sonntage  nach  Ostern)  stattfinaen,  während 
welchen  die  auch  mit  dem  Namen  „Litaniae"  bezeichneten  An- 
rufungen Gottes  und  der  Heiligen  gesungen  oder  gebetet  werde'n. 
Im  allgemeinen  aber  verstehen  wir  unter  diesem  Worte  eine 
Reihe  von  Bitten  und  Anrufungen,  die  teils  an  Gott,  teils  an 
seine  Heiligen  als  Fürbitter  gerichtet  werden.  Sie  beginnen  stets 
mit  dem  Rufe :  »Kyrie  eleison  , . .  (Herr,  erbarme  dich  unsier  ...)*' 
und  wenden  sich  an  die  göttliche  Person  mit  „Miserere  nobis 
(Erbarme  dich  unser)",  an  die  heilige  Gottesmutter  und  die  Hei- 
ligen mit  „Ora  (Orate)  pro  nobis  (Bitf  [Bittet]  für  uns)".  In  den 
erhaltenen  Denkmälern  der  ersten  christlichen  Jährhunderte  fin- 
det sich  nichts,  was  unseren  Litaneien  gliche;  doch  war  ihnen 
eine  Anrufung  der  Heüij^en  in  einigermassen  ähnlicher  Weise 
nicht  unbekannt.  Aus  diesen  ältesten  Anrufungen  hat  sich  im- 
sere  gegenwärtige,  schon  seit  vielen  Jahrhunderten  von  der 
Kirche  adoptierte  und  begutachtete  Litaneienform  nach  und  nach 
herausgebildet. 

Die  jetzt  rituell  angenommenen,  d.  h.  für  gottesdienstlichen 
Gebrauch  erlaubten  Litaneien  sind:  die  Allerneiligenlitanei 
(schon  sehr  alt);  die  lauretanische,  welche  von  der  Marien- 
kapelle zu  Loretto  den  Namen  führt,  indem  die  dortselbst  ange- 
brachten allegorischen  Inschriften  und  Gemälde,  die  sich  auf  die 
heilige  Jungfrau  beziehen ,  in  dieser  Litanei  zusammengefasst  sind 
(XIII.  oder  äIV.  Jahrb.),  und  die  vomheiligstenNamenJesu, 
welche  durch  die  lauretanische  Litanei  veranlasst  scheint,  spä- 
teren Ursprunges  ist  und  auf  die  Bitten  des  Herzogs  Wilhelm  V. 
von  Bayern  £  d.  14.  April  1646  vom  heiligen  Stuhle  approbiert 
sein  soll.  Seit  dem  21.  August  18^  hat  sie  mit  etwas  geänder- 
ter Fassung  die  sichere  Approbation  des  heiligen  Vaters  Pius  IX. 
erhalten.  Alle  übrigen  noch  bekannten  Litaneien,  z.  B.  vom 
heiligsten  Altarssaki*amente,  können  nur  bei  Privatandachten 
benützt  werden. 

Die  Allerheiligenlitanei  hat  ihre  rituelle  Anwendung  beson- 
ders an  den  Bitttagen  und  bei  der  Rückkehr  vom  Taurbrunnen 
am  Karsamstage  und  Pfingstsamstage  und  ist  an  diesen  Tagen 
dadurch  ausgezeichnet,  dass  die  Bitten  dupliciert  werden, 
d.  h.  der  Chor  antwortet  nicht  bloss  mit  dem  }^,  j,Miserere  no- 
bis etc.",  sondern  die  Kantoren  singen  die  Bitte  mit  dem  Re- 
sponsorium  voran  und  der  Chor  wiederholt  daö  Ganze,  die 
Bitte  und  das  Responsorium. 

Die  Litaneien  wurden  eine  beim  Volke  sehr  beliebte  An- 
dacht und  fanden  ihre  häufige  Anwendung  als  Nachmittags- 
fottesdienst.  Zu  diesem  Zwecke  lieferten  schon  die  Komponisten 
es  Mittelalters  und  ihre  Nachfolger  herrliche  kontrapunktische 


198  Liturgie, 

Werke,  wie  auch  kaum  ein  Kirchenkomponist  zu  finden  sein 
wird,  unter  dessen  Werken  nicht  auch  Litaneien  figurieren.  Alle 
besseren,  mit  dem  Geiste  der  Kirche  vertrauten  und  ihm  Rech- 
nung tragenden  Meister  haben  die  t'orm  des  Wechselgesanffes 
beibehalten,  nur  der  neueren  und  neuesten  Zeit  war  es  vorbe- 
halten, sich  von  der  kirchlichen  Form  zu  entfernen  imd  geist- 
liche Kantaten  daraus  zu  machen.  Nun  hat  man  diese  ungehörige 
Form  auch  wieder  überwunden. 

Liturgie,  vom  griech.  A««roi;py«rt,  öffentliches  Amt,  wird  in 
der  heiligen  Schrift  meist  von  einem  religiösen  Amte  oder  Dienste 
gebraucht,  in  welchem  Sinne  es  denn  auch  in  die  Kirchensprache 
übergegangen  ist,  wo  es  den  religiösen  Dienst  oder  den  christ- 
lichen Gotlesdi enst  bezeichnet,  und  zwar  den  kirchlich  genau 
bestimmten  Gottesdienst,  d.  h.  die  Gesamtheit  der  von 
Jesu  Christo,  den  Aposteln  und  der  Kirche  angeordneten 
und  der  Art  und  Weise  ihrer  Vollführung  nach  genau  bestimm- 
ten heiligen  Handlungen  der  christlichen  Gottesverehrung.  Im 
engeren  Sinne  und  vorzugsweise  begreift  man  darunter  bloss  die 
Feier  der  heiligen  Messe;  im  weiteren  Sinne  noch  die  heiligen 
Sakramente,  die  Sakramentalien  und  die  öflPentlichen  Gebets- 
weisen und  Andachtsübungen.  Da  der  Kirche  daran  liegt,  dass 
die  gottesdienstlichen  Akte  in  möglichst  würdige  Formen  ein- 
gekleidet seien,  hat  sie  von  jeher  Sorge  getragen,  die  Feier  der- 
selben in  den  Ritualbüchern  zu  bestimmen,  und  strebte  auch 
immer  die  möglichste  Gleichförmigkeit  an  allen  Orten  an. 

Um  die  liturgischen  Gegenstände  zu  behandeln,  die  gleich- 
förmige Einhaltung  der  Riten  zu  überwachen,  Zweifel  zu  lösen, 
authentische  Erklärungen  zu  geben  u.  s»  w.,  hatte  Sixtus  V.  158ö- 
eine  eigene  Kommission,  die  Congregatio  sacrorum  Rituum 
(S.  R.  C.),  die  Kongregation  der  heiligen  Riten,  für  ständig 
>eingesetzt. 

Die  vom  Konzü  von  Trient  geforderte  Revision  des  Bre- 
viers und  Missale,  welche  für  ersteres  1568,  für  letzteres  1570  ge- 
schah, hatte  auch  die  Neubearbeitung  der  üorigen  liturgischen 
Bücher  zur  Folge;  es  folgte  1596  das  Pontificale,  1600  das. 
Caeremoniale  Episcoporum  und  endlich  1615  das  Rituale 
r  Oman  um.  Unter  Leo  XIIL  geschah  eine  neue  Revision  und 
es  erschienen  als  typische  Ausgaben,  d.  h.  als  solche,  nach 
welchen  allein  neue   Ausgaben   oder  Abdrücke   einzelner   Teile 

gemacht   werden   dürfen:    das   Missale   und  Diurnale   1884,   das 
irevier    1885,   das  Caeremoniale  Episcoporum   1888,   das  Pontifi- 
cale 1888,  das  Rituale  romanum  1887. 

Auch  die  liturgischen  Choralgesänge  wurden  in  neuester 
Zeit  (seit  1870)  einer  Revision  unterzogen  und  es  erschienen  als 
officielle  „curante  S.  Rit.  Congregatione"  unter  den  Auspizien 
der  Päpste  Pius  IX.  und  Leo  XIII.  hergestellte  und  als  typisch 
geltenae  Ausgaben:  a)  das  Gra duale,  welches  alle  stehenden 
und  wechselnden  Choralgesänge  für  die  Feier  des  heiligen  Mess- 
opfers in  sich  schliesst;  b)  das  Aiitiphonarium  und  Psalte- 
rium,   welche   die  Gesänge   für   die  Matutin  und  die  Hören  des 

fanzen  Jahres  enthaltenj  c)  Directoriura  chori;  d)  Officium 
efunctorum,    e)  Officium   Nativitatis   Domini  et  Heb- 
domadae  sacrae;  f)  Cantus  Passionis;  g)  Processionalo 


Lobgesang  —  Magnifikat.  199 

romanum;  h)  Vesperale  romanum.  1878  erklärte  Leo  XIII. 
sämtliche  von  der  Congreg.  S.  Rit.  approbierte  und  durch  Fr. 
Pustet  in  Regensburg  gedruckte  Choralbücher  für  authentischö 
Ausgaben. 

Dass  ein  Kirchenkomponist  und  Chordirektor  besonders 
mit  der  katholischen  Liturgie  sich  vertraut  machen,  in  ihren 
Geist  eindringen  und.  an  die  bezüglichen  Vorschriften  sich  bin- 
den müsse,  um  auch  seine  Musik  mit  den  heiligen  Handlungen 
in  schönen  Einklang  zu  bringen,  versteht  sich  wohl  von  selbst. 

Lobgesang  =  Hymnus  (s.  d.). 

Loco  =  am  Orte,  deutet  an,  dass  die  bis  dahin  um  eine 
Oktav  (öv")  höher  oder  tiefer  gespielten  Noten  wieder  in  ihrer 
ursprünghchen  Lage  gelten. 

Lndi  magister  (Meister  des  Spieles)  hiessen  früher  die 
Organisten. 

Lydisch,  s.  Kirchentonarten. 


M. 

M.  M.  Abkürzung  für  „Mälzls  Metronom". 

Maggiore  oder  franz.  majeur  (grösser),  bedeutet  in  einem 
Tonstücke  den  Übergang  aus  der  weichen  (minore  oder  mi- 
neur)  Tonart  in  die  harte;  das  maggiore  (grösser)  und  minore 
(kleiner)  bezieht  sich  auf  die  Terz,  welche  das  charakteristische 
Intervall  der  harten  und  weichen  Tonart  ist. 

Magnifikat,  der  Lobgesang,  welchen  die  seligste  Jungfrau 
Maria  im  Hause  des  Zacharias  anstimmte  (Luk.  1,  46 — 55).  In 
den  ersten  christlichen  Zeiten  wurde  er  schon  in  die  kirchlichen 
Gesänge  eingereiht  und  fand  früher  seine  Verwendung  auch  an 
Sonn-  und  Festtagen  beim  Früh^ottesdienste ;  jetzt  wird  er  täg- 
lich in  der  Vesper  gebetet.  Dieses  Lobgesanges  bemächtigte 
sich  die  harmonische  Kunst  des  XVI.  und  XVII.  Jahrh.  mit 
Vorliebe  und  schuf  für  ihn  die  kostbarsten  und  erhabensten  Ton- 

febilde;  doch  fasste  man  ihn,  dem  Sinne  gemäss,  mehr  als 
emütiges  Danklied,  denn  als  festlichen  Jubelgesang  auf,  weshalb 
auch  da,  wo  die  Meister  sich  der  kirchlichen  Intonation  anschlös- 
sen, sie  ihm  vorherrschend  die  weiche  Tonart  aneigneten;  die 
Demut,  das  Bewusstsein,  so  Grosses  sei  der  Lobsingenden  ge- 
schehen ohne  Verdienst,  sie  habe  es  empfangen  als  ein  Geschenk 
der  Gnade,  spricht  vor  allem  als  Grundgefühl  sich  aus. 

An  hohen  Festtagen  war  es  im  Mittelalter  Gebrauch,  nach 
einem  oder  zwei  Versen  des  Magnifikat  (wie  beim  „Benedictus") 
im  einfachen  Choralgesange  die  Antiphon  einzuscnieben,  wodurch 
ausser  einer  der  Festlichkeit  angemessenen  Ausdehnung  ein 
anderer  Zweck  erreicht  wurde,  nämlich  dass  die  während  dieses. 
Kantikums  stattfindenden  Incensationen  gut  vollendet  werden 
konnten. 

Im   Mittelalter   wurde  es   bei   Vorschriften   für   das  Chor- 

febet  bloss  mit  „Evangelium"  gleich  dem  Cantikum  „Benedictus'^ 
ezeichnet. 


200  Maitrise  —  Marien  feste. 

Maitrise  (franz.),  die  Bezeichnung  einer  kirchlichen  Sing- 
schule. 

Man.,  abgekürzt  statt  Manuale;  weist  den  Organisten 
darauf  hin,  dass  er  den  bezeichneten  Passus  auf  dem  Manual« 
mit  Hinweglassung  des  Pedals  zu  spielen  habe. 

Maneries  (lat.),  soviel  als  modus,  tropus. 

Manieren,  soviel  als  Verzierungen  (s.  d.) 

Manual,  in  der  Orgel  die  für  das  Spiel  der  Hände  be- 
stimmte Klaviatur.  Grössere  Orgeln  haben  zwei,  drei,  auch 
vier  Manuale,  von  welchen  eines  das  Hauptmanual  heisst,  da 
es  die  meisten  und  kräftigsten  Stimmen  enthält;  die  übrigen 
als  Nebenmanuale  bezeichnet.  Bei  zwei  Manualen  heisst  das 
über  dem- Hauptmanuale  liegende  auch  Oberwerk. 

Mannale  heisst  ein  Buch,  welches  von  kleiner  Form  und 
geringem  Umfange,  nur  das  Nötigste  und  am  öftesten  Vorkom- 
mende, z.  B.  im  Choralgesange  enthaltend,  zum  Handgebrauche 
eingerichtet  ist. 

Mannbrien  werden  die  Registerknöpfe  der  Orgel  genannt. 

Manns  mnsicalis,  die  musikalische  oder  harmonische  Hand, 
s.  Guidonische  Hand. 

Marcato  gleich  markiert,  accentuiert,  steht  in  einem 
Tonsatze  bei  Stellen  und  Stimmen,  welche  besonders  kräftig 
hervorgehoben  werden  sollen. 

Marianisehe  Antiphonen,  s.  Antiphon. 

Marienfeste.  Der  katholische  Christ  kennt  nach  Gott  kein 
Wesen,  das  mehr  der  Verehrung  und  Huldigung  würdig  wäre, 
als  Maria,  die  unbefleckt  empfangene  Jungfrau,  die  mit  den 
höchsten  Gnaden  gezierte  Mutter  des  Gottessohnes,  des  Heilandes 
der  Welt.  Ihre  innige  Beziehung  zur  Welterlösung  wissen  wir 
zu  schätzen;  als  die  mit  grosser  Macht  ausgerüstete  Fürspre- 
cherin erscheint  sie  uns  in  den  Erweisen  ihrer  Mutterliebe  oop- 
£elt  liebenswürdig,  und  nur  ein  Ausfluss  dieser  Erkenntnis  und 
liebe  ist  es,  wenn  die  Kirche  eigene  Festtage  zur  besonderen 
Verehrung  Maria  angeordnet  hat,  wenn  die  Gläubigen  sie  mit 
kindlicher  Zärtlichkeit  und  besonderem  Eifer  verehren.  Der 
Marienkultus  ist  so  alt  wie  die  Kirche,  und  mehrere  der  Feste 
der  seligsten  Jungfrau  haben  ihren  Ursprung  im  hohen  christ- 
lichen Ältertume,  z.  B.  die  Feste  Maria  Verkündigung  und  Maria 
Himmelfahrt  wurden  schon  im  V.  Jahrb.,  Maria  Lichtmess  im 
VI.  Jahrb.  begangen.  In  den  Katakomben  wurden  Büder  der 
heiligen  Gottesmutter  gefunden,  in  begeisterten  Anrufungen  giesst 
der  heil.  Ephrem  der  Syrer  seine  liebeglühende  Seele  gegen  die 
Himmelskönigin  aus,  und  mit  den  Jahrhunderten  meliren  sich 
Hymnen  und  Lobgesänge  zu  Ehren  Maria,  bis  in  der  Periode 
der  Mystiker  diese  poetische  Huldigung  den  höchsten  Gipfel  er- 
reicht. Einen  wunderbar  reichen  Blütenkranz  könnte  man  um 
ihr  Haupt  winden  von  den  ausserordentlich  zahlreichen  Hymnen, 
Sequenzen,  Litaneien,  die  bis  auf  unsere  Tage  zu  ihrer  Ehre  und 
Verherrlichung  gedichtet  und  gesungen  worden.  Hinter  dön 
Dichtern  blieben  die  Sänger  und  Tonkünstler  nicht  zurück,  sie 
wollten  auch  den  Tribut  ihrer  Liebe  durch  vorzü^iche  Erzeug- 
nisse ihrer  Kunst  der  geliebten  Gottesmutter  zu  Füssen  legen. 
Eine    schöne    Stufenleiter    führt    von    den    tiefinnig    gefühlten 


«■  ■*■»■»■ 


Marienfeste.  201 

•Gesängen  im  einfachen  Choral  bis  zu  den  künstlichst  ausgebil- 
deten Schöpfungen  harmonischer  Kunst.  Überall  aber  tritt  be- 
geisterte heilige  Liebe  und  kindliche  Zärtlichkeit,  manchmal 
auch  schwärmerische  Miene  hervor.  Die  Antiphonen,  Hymnen, 
Sequenzen  u.  dgl.  für  die  Feste  Maria  zählen  in  der  Re^el  zu 
den  besten  Stücken  des  Chorals  und  der  älteren  harmonischen 
Kirchenmusik. 

Die  vorzüglichsten  Feste  Maria,  welche  in  der  katholischen 
Kirche  gefeiert  werden,  sind: 

1)  Festum  Immaculatae  Conceptionis  B.  V.  M.,  das 
Fest  der  unbefleckten  Empfängnis  Maria  (S.  Dez.)* 

2)  Festum  Purificationis,  das  Fest  der  Reinigung  Ma- 
ria oder  Maria  Lichtmess  (2.  Febr.).  An  diesem  Tage  fmdet  eine 
feierliche  Kerzenweihe  statt,  während  welcher  der  Chor  einige 
ans  dem  im  Missale  stehenden  Antiphonen,  „Lumen  ad  revela- 
tionem",  „Exur^e  Domine"  und  nebst  dem  Canticum  Si ra co- 
li is  „Nunc  dimittis",  nach  dessen  einzelnen  Versen  die  zustän- 
dige Antiphon  wiederholt  wird,  vorzutragen  hat;  ebenso  die 
Antiphonen  „Adorna"  oder  „Responsum"  und  die  Versikel  „Ob- 
tulerunt"  bei  der  darauf  folgenden  Prozession. 

3)  Festum  Annuntiationis  B.  V.M.,  das  Fest  der  Ver- 
kündigung M.ariä  (25.  März); 

4)  Fesium  Visitationis  ß.  V.  M.,  das  Fest  Maria  Heim- 
suchung (2.  Juli); 

5)  Festum  Assumtionis  B.  V.  M.,  das  Fest  der  Himmel- 
fahrt Maria  (15.  Aug.); 

6)  Festum  Nativitatis  B.  V.  M.,.  das  Fest  der  Geburt 
Maria  (8.  Sept.); 

7)  Festum  VE  Dolorum  B.  V.  M.,  das  Fest  der  sieben 
Schmerzen  Maria,  welches  am  Freitag  vor  dem  Passionssonntage 
und  am  3.  Sonntage  im  September  gefeiert  wird,  und  durch  die 
herrliche  Sequenz  „Stabat  mater"  ausgezeichnet  ist. 

Im  Mittelalter  war  eine  grosse*  Anzahl  Hymnen  und  Se- 
<juenzen  für  diese  einzelnen  Feste  der  seligsten  Jungfrau  in  Übung, 
^on  denen  aber  bei  der  tridentinischen  Reform  des  Missale  und 
Breviers  nur  die  Hymnen  „Ave  maris  Stella**  und  „0  gloriosa 
Virginum",  welche  beide  ein  hohes  Alter  aufweisen,  und  die 
Sequenz  „Stabat  mater"  beibehalten  wurden  (für  das  Officium 
parvum  B.  V.  M.  noch  der  Hymnus:  „Memento  salutis  auctor"). 
Kirchliche  Aufnahme  und  Übung  fanden  ferner  die  sogenannten 
Marianischen  Antiphonen  am  Schlüsse  der  Tagzeiten:  Ave 
Regina,  Regina  coeli,  Salve  Regina  und  Alma  redem- 
ptoris  mit  ihren  lieblichen  Melodien;  an  einigen  Orten  werden 
auch  die  Antiphonen:  Stella  coeli,  Immaculata,  0  prae- 
^larum  vas,  bei  bestimmten  Gelegenheiten  gesungen. 

Eine  besondere*  Anregung  für  die  Verherrlicnung  der  se- 
ligsten Jungfrau  Maria  gab  in  unserem  Jahrhunderte  den  Dich- 
tern und  Tonkünstlern  die  Feier  des  nur  den  Charakter  einer 
Pri'vatandacht  tragenden  Marien-  oder  Maimonats.  In  dieser 
Beziehung  sind  zu  erwähnen  die  Dichter  Guido  Görres,  P.  Gall 
Morel,  Muth  u.  a.,  deren  liebliche  Marienlieder  grösstenteils 
eine  glückliche  musikalische  Bearbeitung  durch  Heub erger, 
Oreith,    Aiblinger,   Julius    Maier,    L  i  n  dp  ain  t  n  er, 


202  Matutin  —  Melisma. 

Seiler,  Koenen,  Haller,  P.  Theresias  u.  v.  a.  erfahren 
haben. 

Matutin,  hora  matutina,  bildet  mit  den  Landes  den 
ersten  Teil  des  kirchlichen  Officiums  oder  Breviergebetes.  Ur- 
sprünglich hiess  sie  „Vigiliae  nocturnae"  und  wurde  in  drei  Ab- 
teilungen während  der  Nacht,  wie  die  Römer  die  Nacht  in  drei 
Vigiliae  einteilten,  gebetet  und  gesungen.  Als  später  das  Offi- 
cium bloss  Gebet  der  Kleriker  wurde,  zog  man  diese  drei  Ab- 
teilungen und  die  Landes  (Vigiliae  matutinae)  in  eine  Höre 
oder  sogenannte  (grosse)  Gebetstunde  zusammen.  Sie  besteht 
jetzt  aus  dem  Vorbereitungsgebete  Pater,  Ave,  Credo,  dem  Verse 
„Domine  labia  etc.",  dem  Emleitungsspruche  „Dens  in  adjuto- 
torium  etc.",  woran  sich  das  Invitatormm  mit  dem  94.  Psalme^ 
der  Hymnus  und  die  drei  Nokturnen  schliessen.  Jede  Nokturn 
besteht  aus  drei  Psalmen  mit  ihren  Antiphonen  (in  der  österli- 
chen Zeit  nur  mit  einer  Antiphon),  drei  Lektionen  und  ebenso 
viel  Responsorien.  An  die  neunte  Lektion  schliesst  sich  ausser 
dem  Ferialofficium  und  der  Fastenzeit  das  „Te  Deum",  worauf 
die  „Landes"  beginnen.  So  ist  die  Anordnung  im  römischen  Bre- 
vier; einige  Ordensbreviere  weisen  eine  andere  Ordnung  auf 

Maxima,  s.  Noten. 

Mediante,  Name  der  Terz  des  Dreiklanges. 

Mediatio,  s.  Psalm. 

Mehrchörig  ist  derjenige  Tonsatz,  der  in  der  Vereinigung 
mehrerer  vierstimmiger  Chöre  zu  gemeinschaftlicher  Wirkung 
besteht.  Von  dem  mehrchörigen  Satze  ist  der  mehr  als  vier- 
stimmige Satz  zu  unterscheiden,  indem  bei  ersterem  zwei  oder 
mehrere  Stimmkörper,  für  sich  bestehende  Chöre,  wovon  jeder 
seine  eigene  Funaamentalstimme  oder  seinen  Bass  hat,  ihre 
Wirksamkeit  selbständig  gegeneinander  äussern,  bei  letzterem 
aber  alle  Stimmen  auf  einer  Bassstimme  berunen  und  einen 
einzigen,  mehr  als  vierstimmigen  Chor  bilden.  Die  Alten  nann- 
ten z.  B.  einen  Satz  für  acht  Stimmen  in  zwei  Chöre  geschieden : 
„a  Otto  voci  in  due  cori  reali",  einen  Satz  von  acht  Stim- 
men mit  einer  Fundamentalstimme:  „aotto  voci  reali". 
Ockenheim  komponierte  schon  für  viele  Stimmen  (bis  zu  36); 
die  berühmten  Niederländer  des  XVL  Jahrh.  aber  schrieben  nur 
vier-,  selten  fünf-  oder  sechsstimmig.  Erst  Adr.  Willaert  ver- 
suchte wieder  die  Komposition  für  zwei  Chöre.  Um  die  Mitte 
des  XVL  Jahrh.  benützte  man  die  mehrstimmige  und  mehr- 
chörige  Satzweise  zu  erhabener  Wirkung,  Vorzügliche  Werke 
derart  lieferten  Willaert,  die  beiden  Gabrieli,  Palestrina,  Lasso, 
Ingegneri.  Im  XVH.  Jahrh.  gab  es  keinen  tüchtigen  Meister, 
der  nicht  den  vielstimmigen  Satz  gepflegt  hätte;  man  stieg  mit 
der  Stimmenzahl  bis  zu  §6,  ja  selbst  48  Stimmen  (Benevoh  1650 
und  Ballabene  1790).  Im  XVni.  Jahrh.  nahm  die  Sucht  nach 
Vielstimmigkeit  wieder  ziemlich  ab. 

Mehrdeutig  nennt  man  einen  Ton,  ein  Intervall,  einen 
Accord,  insofern  ihm  gemäss  einer  verschiedenen  Herleitung 
verschiedene  Deutung  unterlegt  werden  kann. 

Mehrstimmig,  s.  Stimme. 

Melisma  (im  Griechischen:  Lied,  Gesang,  Weise)  be- 
deutet als  technisch-musikalischer  Kunstausdruck  den  verzierten 


j 


Melodie  —  Melodisch.  203 

Gesang,   die  durch  mehrere  Noten  über  einer  einzigen  Silbe  dar- 
gestellte Verzierungsfigur. 

Melodie,  Melodia  (von  a«^Aoc,  Gesanglied),  ist  im  allge- 
meinen jede  Reihe  von  nacheinander  folgenden  Tönen,  im 
Gegensatze  zur  Harmonie,  welche  mehrere  Töne  miteinander 
gleichzeitig  ertönen  lässt;  näher  bestimmt  aber  eine  in  sich 
selber  und  rhythmisch  zu  einem  bestimmten  musikalischen  Ge- 
danken geordnete  Folge  einzelner  Töne.  Die  Melodie  ist  der 
v^esenthäiste  Teil  des  Musikstückes,  die  Seele  desselben,  der 
die  Harmonie,  als  solche,  nur  als  aushelfendes  und  unterstützen- 
des Ausdrucksmittel  untergeordnet  bleibt;  die  Melodie  gleicht 
der  Zeichnung  in  einem  Gemälde,  den  Kontouren,  die  Harmonie 
den  Farben,  dem  Kolorit.  Eine  gute  Melodie  zu  erfinden,  ist 
Sache  der  Phantasie  und  des  Gefühls  und  kann  nicht  gelehrt 
werden;  was  Melodik  heisst,  ist  nur  die  Lehre  von  der  regel- 
rechten Gestaltung,  von  dem  regelrechten  Bau  der  Melodie, 
wie  sie  aus  symmetrischen  Taktgliedern  bestehen  muss,  wenn 
sie  leicht,  fasslich  und  gefölhg  sein  soll;  weist  an,  verschiedene 
Einschnitte,  Kadenzen,  Ruhepunkte  zu  setzen,  die  Perioden  zu 
konstruieren  und  aneinander  zu  reihen,  gibt  die  ästhetischen  Be- 
dingungen an  u.  dgl. 

Man  hat  dem  Gregorianischen  Choral  oft  den  Vorwurf  ge- 
macht, dass  er  nicht  Melodie  sei.  Allerdings  in  dem  strikten 
neueren  Sinne  nicht,  da  ihm  der  streng  symmetrische,  abgemes- 
sene Bau  fehlt;  dass  aber  seine  Tonreihen  wirklicher  Ausdruck 
von  Empfindungen  und  Stimmungen,  wenn  auch  nicht  von 
leidenschaftlichen  sind,  kann  nur  Vorurteil  oder  Unkenntnis 
verneinen. 

Während  die  neuere  Tonkunst  alle  möglichen  Intervalle 
in  der  Melodie  zulässt,  hatten  die  Alten  strenge  Regeln  in  dieser 
Beziehung,  gemäss  welchen  ein  Choral  meloaisch  oder  unmelo- 
discli  charakterisiert  wurde.  Hiernach  durften  nur  diatonische 
Intervalle,  d.  h.  solche,  welche  in  der  diatonischen  Oktavenreihe 
vorkommen,  gebraucht  werden.  Diese  Gesetze  haben  einen  sehr 
friihen  Ursprung,  da  man  sie  schon  in  den  alten  Weisen  des 
Gregorianischen  Chorals  beobachtet  findet.  Sie  sind  von  da  in 
die  Mensuralmusik  herüber  genommen  worden  und  bilden  gleich- 
sam ein  Gesetz  für  alle  wahre  Kirchenmusik.  Mit  dem  Verlassen 
dieser  Gesetze  beginnt  der  Verfall  der  Kirchenmusik.  Diese  Re- 
geln waren  nicht  etwas  Pedantisches,  sondern  hatten  ihre  guten, 
aller  Achtung  werten  Gründe;  einmal  war  dafür  massgebend^ 
dass  die  Gesänge  leicht  auszuführen  seien,  was  bei  schwierigen 
Intervallen,  dergleichen  die  verminderten  und  übermässigen  sind, 
nicht  so  gut  möglich  wäre;  dann  lag  den  Alten  daran,  ihrer 
Musik  den  Stempel  der  erhabensten  Einfacheit  und  reinsten 
kirchhchen  Keuschheit  aufzudrücken,  sie  fern  von  aller  Leiden- 
schaftlichkeit zu  erhalten. 

Melodik,  die  Lehre  von  der  Melodie. 

Melodisch  nennt  man  jede  Tonreihe,  welche  dem  inneren 
und  äusseren  Wesen,  den  Gesetzen  u.  s.  w.  der  Melodie  ent- 
spricht, welche  überhaupt  einen  musikalischen  Gedanken  aus- 
spricht,  oder  auch  welche   auf  das  Ohr  und  Gemüt  einen  ange- 


f 

"204  Melopoia  —  Mensuralmusik. 

nehmen  Eindruck  macht;    Tonreihen,   welche  dieser   Merkmale 
entbehren,  werden  unmelodisoh  genannt. 

Melopoia  (griech.),  die  Kunst  oder  auch  Anweisung,  Melo- 
dien anzufertigen  oder  zu  komponieren. 

Melos  (griech.),  Gesanff  oder  Lied. 

Mensur,  mensura,  Mass,  ein  musikalischer  Kunstaus- 
druck von  verschiedener  Bedeutung.  Manchmal  deutet  es  das 
mathematische  Verhältnis  der  Töne  zu  einander,  also  soviel  als 
Intervall  an;  manchmal  das  quantitative  Verhältnis  derselben, 
das  Mass  in  Länge  und  Kürze;  gewöhnlich  aber  versteht  man 
darunter  in  der  Instrumentalbaukunst  die  mathematische  Ein- 
teilung der  wesentlichsten  Teile  eines  Instrumentes,  sowohl  im 
Verhältnisse  zu  einander  unter  sich,  als  zu  ihrer  Wirkung.  So 
bedeutet  z.  B.  bei  Blasinstrumenten  und  der  Orgel  die  Mensur 
das  Verhältnis  der  Weite  des  Rohres  und  der  Pfeifen  zu  deren 
Länge;  bei  Saiteninstrumenten  die  verhältnismässige  Länge  der 
Saiten  zu  der  Höhe  oder  Tiefe  des  Tones  u.  dgl.  Eine  Geige 
von  kurzer  oder  kleiner  Mensur  hat  einen  kleineren  Körper  als 
gewöhnlich,  kürzeren  Hals  u.  dgl.,  daher  auch  engere  Spielart, 
Auf  die  Höhe  oder  Tiefe  der  Stimmung  hat  eine  kleinere  oder 
grössere  Mensur  zwar  keinen  Einfluss,  aber  auf  die  Klangfarbe 
und  Klangkraft. 

Mensuralmusik  oder  Mensuralgesang  bezeichnet  die 
in  bestimmte  taktmässige  oder  vielmehr  taktmässig  bestimmte 
Geltung  gebrachte  Musik  von  dem  Anbeginne  des  Taktwesens, 
das  sich  zuerst  aus  der  Prosodie,  den  Längen  luid  Kürzen  der 
gesungenen  Worte  des  Kirchentextes  entfaltete,  bis  in  das  XVI. 
oder  äVIL  Jahrb.,  wo  das  alte  Takt-  oder  Mensural wesen  in 
unser  jetziges  Taktsystem  überging.  Der  Gegensatz  war  der 
Cantus  planus,  oder  musica  plana,  der  Ghoralgesang,  wel- 
cher in  freierem  Rhythmus,  ohne  solche  abgemessene  Geltung 
der  Noten  dahinschritt.  Ein  Zeitpunkt,  wann  die  Mensuralmusik 
begann,  lässt  sich  selbstverständlich  nicht  genau  angeben,  da  es 
sich  hierbei  nicht  um  eine  plötzliche  glückliche  Entdeckung, 
sondern  um  die  Entwickelung  einer  Kunst  handelt,  deren  Schritte 
oft  ganz  unscheinbar  sind  und  sich  erst  nach  und  nach  zu  augen- 
föUigeren  Resultaten  gestalten.  So  lange  die  Musik  nur  ein- 
stimmig oder  symphonische  Diaphonie  —  gleiches  Organum  — 
war,  reichte  die  alte  unbestimmte  Tonbezeichnung  notdürftig 
aus;  als  aber  mehrere  Töne  in  die  Harmonie  eingeführt,  und  über 
eine  Note  mehrere  Töne  als  Diskantus  gesungen  wurden,  was 
schon  zu  Guidos  Zeiten  in  durchgehenden  Tönen  der  Fall  war, 
musste  man  sich  nach  bestimmteren  Notengeltungszeichen  um- 
sehen. Wie  die  Kunst  sich  in  sich  erweiterte,  musste  auch  die 
Tonschrift  eine  Erweiterung  und  Verbesserung  erfahren.  Um 
die  Mitte  des  XII.  Jahrh.  mag  man  begonnen  haben,  den  Tönen 
eine  bestimmte  Länge  oder  Kürze  zuzuweisen  und  hierfür  ent- 
sprechende Wertzeicnen,  Noten  festzustellen.  Zu  letzteren  be- 
nützte man  die  bisher  in  Frankreich  üblichen  quadratischen 
Chorabioten  "i  ■  ♦  und  stufte  ihren  Wert  so  ab ,  oass  die  eine 
den  doppelten  Wert  der.  folgenden  hatte:  duplex  longa  ■■„ 
longa  %  brevis  ■,  semibrevis  ♦.  Bald  jedoch  verliess  man  die 
Zweiteilung    und  machte  jede  Note  dreiteilig,  indem  man  dies 


»M  "  ■ 


Mensuralmusik.  205* 

für  das  Vollkommenste  hielt  und  darum  einen  modus  perfectus 
annahm,  die  Zweiteilung  als  unvollkommen,  modus  imperfectus, 
bezeichnete.  Alle  von  Coussemaker  aufgefundenen  vorfran coni- 
schen Traktate  lehi'en  schon  die  Dreiteilung:  duplex  longa  = 
2  longae^  longa  =;=  (3  (2)  bi*eyes;  das  Verli^ltnis  der  semibrevis 
zur  brevis  war  noch  nicht  ganz  klar  gestellt,  dies  geschah  erst 
im  XIII.  Jahrh.  Damit  im  Zusammenhange  stand  die  Lehre 
vom  modus,  d.  i.  vom  Fortschreiten  des  Tenors  oder  Cantus  fir- 
mus  in  bestimmten  Notengruppen,  sowie  die  Lehre  von  den 
Ligaturen  und  den  Pausen,  in  der  ersten  Hälfte  des  XUL  Jahrh. 
war  die  Mensm*altheorie  schon  so  weit  vorgeschritten,  wie  sie  in 
den  Traktaten  von  Franco  von  Köln,  Hieronymus  von  Mähren 
u.  a.  aufgezeichnet  ist.  Es  hatten  sich  auch  schon  unterschie- 
dene Kompositionsformen  für  zwei,  drei,  vier  Stimmen  heraus- 
febüdet,  als  z.  B.  motettus,  rondellus,  copula,  hoquetus.  Als 
Komponisten  (notatores,  organistae)  vor  Franco  werden  genannt: 
die  rariser  Singmeister  Perotinus,  Robert  de  Sabilone,  Petrus,. 
Leoninus,  ein  anderer  Franco  u.  s.  w. 

Was  den  Inhalt  der  Mensurallehre  angeht,  so  ist  es  un- 
möglich, in  Kürze  einen  klaren  Einblick  in  dieselbe  zu  vermit- 
teln. Es  sei  darum  auf  Werke,  welche  speciell  davon  handeln, 
verwiesen,  z.  B.  Bellermann,  Die  Mensuralnoten  und  Takt- 
zeichen des  XIV.  und  XV.  Jahrh.  (Berlin  1858);  Ambros,  Ge- 
schichte der  Musik,  IL  Bd.  (Breslau  1864)-  Jakbbsthal,  Die 
Mensuralnotenschrift  des  XII.  und  XIII.  Jahrb.  (Berlin);  Rie- 
mann,  Studien  zur  Geschichte  der  Notenschrift  (Leipzig  1878).  — 
N.ur  etwas  weniges  soll  angedeutet  werden.  Anfänglich  bedien- 
ten  die  Mensuralisten   sich  bloss  der  genannten  vier  schwarzen 

Noten ;  um  1300  kamen  noch  die  minimae  J^  und  semiminimae  ^ 

hinzu;  etwas  später  gebrauchte  man  Noten  mit  weissen  Köpfen, 
während  man  die  schwarzen  (notae  coloratae)  nur  für  mindere 
Notenwerte  (semiminima,  fusa,  semifusa)  verwendete.  Die  Pau- 
sen waren  den  Notenwei*ten  entsprechend  (ungefähr  wie  unsere 
Pausen  gestaltet).  Ausserdem  beachtete  man  in  den  früheren 
Zeiten  die  Ligaturen,  eine  Notenfigur,  welche  mehrere  über 
einer  Silbe  stehende  Noten  verband,  und  die  Plica,  eine  Ver- 
zierung, welche  einen  über  oder  unter  der  nächstfolgenden  Note 
zu  singenden  Ton  andeutete. 

Die  Dreiteilung  der  Notenwerte  mng  bloss  bis  zur  Semi- 
brevis; von  der  mmima  an  galt  nur  ^Zweiteilung.  Ein  Pimkt 
n£^oh  einer  Note  verlängerte  (perfektionierte)  sie  entweder,  oder 
er  zeigte  die  zu  einem  modus  gehörige  Zahl  von  Noten  an  (Pun- 
ctum divisionis). 

Bezüglich  der  Wertbestimmung  bezog  sich  Modus  major 
auf  das  Verhältnis  der  maxima  (früher  duplex  longa)  zur  longa. 
Modus  minor  auf  das  Verhältnis  von  der  K>nga  zur  brevis,  beide 
konnten  perfectus  oder  imperfectus,  d.  h.  drei-  oder  zweiteüig 
sein;  Tempus  perfectum  oder  imperfectum  wies  auf  das  drei- 
oder  zweiteilige  Verhältnis  zwischen  brevis  oder  sjfemibrevis;  pro- 
latio  major  und  minor  bezog  sich  auf  die  Teilung  der  semibi*evis, 
ob   sie    drei    oder   zwei   minimae    enthalte.    Diese    Verhältnisse: 


206  Messe. 

wurden  am  Anfange  des  auf  fünf  Linien  geschriebenen  Gesanges 
durch  verschiedene  Zeichen  angedeutet,  z.  B. 


a)  b)  0). 

a)  Modus  minor  perfectus  temporis  perfeoti  cum  brolatione 
majore;  b)  Modus  minor  imperfectus  temporis  imperfeoti  cum 
proiatione  majore;  c)  Modus  minor  perfectus  temporis  perfeoti 
cum  proiatione  minore. 

Messe,  Missa.  Die  heilige  Messe  ist  die  höchste  Kultus- 
handlung in  der  katholischen  ßirche,  ja,  der  Mittelpunkt  des 
fanzen  Kultus  oder  des  Dienstes,  den  der  Mensch  seinem  Gotte 
arbringt.  Als  die  fortwährende  unblutige  Erneuerung  des  blu- 
tigen Opfers  von  Golgatha  steht  sie  da  als  der  heiligste  Akt,  in 
welchem  sich  Gott  wiederholt  den  Menschen  schenkt  und  opfert, 
und  diese  wieder  in  Vereinigung  mit  ihrem  Gotte  treten,  die 
Erlösungsgnade  sich  aneignend.  Als  das  höchste  Opfer  von  der 
Kirche  von  Anbeginn  gefeiert,  wurde  der  eigentliche  Opferakt 
mit  symbolischen  Handlungen,  welche  dazu  in  nächster  Beziehung 
stehen,  umgeben,  wie  ein  kostbarer  Edelstein  mit  goldener  und 
silberner  Fassung  umschlossen.  Zur  hehren  Feier  aber  genüge 
nicht  das  bloss  gesprochene  Wort,  die  dabei  im  Herzen  sich 
mächtig  regenden  Gefühle  und  Stimmungen  drangen  in  gestei- 
gerter Ausdrucksform  durch  die  gesungenen  Töne  hervor;  Ge- 
sang war  von  Anfang  an  wesentlicher  Bestandteil  der  katholi- 
schen Opferfeier.  Dass  in  späteren  Jahrhunderten  eine  stille 
Messfeier,  anfänglich  eine  durch  gewichtige  Umstände  hervor- 
gerufene Ausnahme,  auch  wieder  aus  bedeutenden  Gründen  nun- 
mehr die  Zahl  der  feierlich  mit  Gesang  abgehaltenen  Messen 
überbietet,  schwächt  dieses  Faktum  nicht  ab. 

Was  hier  hervorgehoben  werden  muss,  das  ist  der  bei  dem 
heiligen  Messopfer  stattfindende  Gesang,  die  Kirchenmusik, 
nicht  minder  das  vom  Celebranten  und  den  Leviten,  als  das  vom 
Chore  Gesungene. 

Das  erste  liturgische  Gesangsstück  ist  der  Introitus,  mit 
welchem  der  Sängerchor  die  heilige  Handlung  des  Messopfers 
eröffnet.  Leider  war  geraume  Zeit  hindurch  (fieser  Gesang  ver- 
gessen und  unbekannt,  obwohl  er  eine  grosse  Bedeutung  in  sich 
schliesst;  denn  er  gibt  in  Text  und  Melodie  den  Grundgedanken 
für  das  betreffende  Fest,  ist  so  eine  wahre  Einleitung  und  Vor- 
bereitung für  die  Messfeier,  wie  das  „Invitatorium"  für  das 
Officium.  An  den  Introitus  reiht  sich  das  Kyrie  an,  wodurch 
die  Barmherzigkeit  Gottes  angefleht  wird,  seinem  Volke  die 
nötige  Gnade  (Verzeihung  und  Heiligung)  angedeihen  zu  lassen. 

Hocherfreut  über  die  in  Christo  erschienene  Erbarmimg 
Gottes,  über  die  vollbrachte  Erlösung  des  ewigen  Hohenpriesters 
stimmt  der  Priester  im  Jubeltone  das  Gloria,  den  englischen 
Lobgesang  an,  welches  der  Chor  in  freudig  erhabenem  Schwünge 
fortsetzt. 

Mit  gehobener  Stimme   fleht   der  Celebrant  in  den  Kol- 


Messe.  207 

lekten  oder  0 rationell  um  Segen;  die  Gebete  beziehen  sich 
alle  auf  die  Feier  des  Tages.  Da  sich  alles  auf  die  uns  zu  teil 
gewordene  Offenbarung,  wie  sie  im  göttlichen  Worte  und  den 
göttlichen  Thaten  enthalten  ist,  gründet,  so  singt  der  Sub- 
diakon  darauf  die  Epistel  im  einfachen  Lesetone,  nach  ihm  der 
Diakon  das  Evangelium  in  dem  feierlichen  Evangelientone. 
Zwischen  der  Epistel  und  dem  Evangelium  lässt  sich  wieder  der 
<jhor  vernehmen  und  trägt  entweder  das  Gr a  duale  mit  dem 
Allein  ja,  oder  den  Trakt  us,  oder  auch  als  Fortsetzung  des 
AUeluja  die  Sequentia  vor.  Das  Graduale  ist  gleichsam  eine 
allgemeine  Zustimmung  zu  dem,  was  in  der  Epistel  als  Wort 
des  heiligen  Geistes  an  die  Kirche  verkündet  worden,  und  spricht 
bald  Gemhle  des  Dankes,  bald  der  Freude,  des  Vertrauens,  des 
Bussschmerzes  u.  s.  w.  aus,  während  der  Diakon  Zeit  gewinnt, 
sich  für  die  Verkündigung  des  Evangeliums  vorzubereiten.  Na- 
mentlich zeichnen  die  „AUeluja"  mit  ihren  oft  sehr  ausgedehnten 
Neumen  oder  Jubilen  den  grossen  Jubel  der  Seele  ob  der 
Barmherzigkeit  und  Huld  Gottes;  die  Sequenzen  erzählen  die 
Wunderthaten  Gottes  oder  singen  sein  Lob  in  den  Werken  und 
Tugenden  der  Heiligen,  während  der  Traktus  die  bussfertige, 
reumütige,  zerknirschte  Stimmung  ausspricht. 

Nach  dem  Evangelium  fordert  aer  Celebrant  durch  An- 
stimmen des  „Credo  in  unumDeum"  zur  sofortigen  Ablegung 
des  Glaubensbekenntnisses  und  Neubelebung  des  Glaubens  auf, 
und  der  Chor  setzt  das  „Credo"  in  feierlich  ruhigem  Tone  fort. 
Orundzug  ist:  Feste  Überzeugung,  ruhige  Betrachtung  und  Be- 
schaulichkeit. 

Der  Gesang  des  darauf  folgenden  Offertoriums  hat  einen 
ähnlichen  Inhalt  wie  der  Introitus  und  gibt  die  dem  Feste  ent- 
entsprechende Stimmung  der  Opfernden  an. 

Sobald  der  Priester  die  Präfation,  jenen  herrlichen  Lob- 
gesang,  wobei  anfangs  das  Volk  oder  der  Chor  antwortet,  zu 
Ende  gesungen  hat,  ertönt  in  feierlichem  Jubel  das  dreimal 
Heilig,  „Sanotus",  mit  ^^Benedietus",  welches  letztere  beim 
Einzüge  des  göttlichen  Heilandes  in  Jerusalem  erscholl  und  hier 
auf  den  auf  dem  Altare  erscheinenden  Jesus  angewendet  ist. 
Seit  langer  Zeit  werden  diese  beiden  Stücke,  aber  nur  bezüglich 
des  Gesanges,  getrennt  und  ersteres  vor,  letzteres  nach  der 
Wandlung  gesungen,  wie  es  das  Caeremoniale  Episc.  L.  IL  c.  8. 
Nr.  71,  72  vorschreibt  und  ein  D.  C.  R.  vom  12.  Nov.  1831  wieder- 
holt ausspricht.  „Sanctus  cantari  post  praefationem ,  sed  Be- 
nedictus,  qui  venit  reservari  post  elevationem  ss.  Sacramenti, 
quae  Ceremonialis  dispositio  in  Missis  Pontificalibus  servanda 
est,  et  laudabiliter  in  aliis.  Si  autem  Benedictus  in  aliis  Missis 
ante  consecrationem  cantatur,  sub  elevatione  vel  potius  postea 
potest  cantari  „Tantum  ergo"  vel  aliqua  antiphona  ss.  Bacra- 
mento  propria."  Die  stereotype  süsslicne  und  sentimentale  Be- 
handlung des  Benediktus  in  der  modernen  Musik  mag  wohl  einen 
Anklang  an  eine  mystische  Miene  zum  göttlichen  Heilande  ge- 
ben, aber  der  wahren  kirchlichen  Stimmung,  welche  demütige 
Anbetung  mit  einem  Rückblicke  auf  unsere  Sünden  ist,  wodurch 
wir  den  Herrn  ans  Kreuz  geschlagen,  —  entspricht  sie  nimmer. 

Beim  „Pater  noster"  singt  auch  der  Priester  wieder  mit 


208  Messe- 

lauter Stimme  und  der  Chor  antwortet  mit  den  I3J.  }^.:  „Amen; 
Sed  libera  nos  etc.*^,  worauf  er  dreimal  wie  der  Priester  ruft: 
„Agnus  Dei**,  Lamm  Gottes,  das  du  hinwegnimmst  u.  s.  w^ 
erbarme  dich  unser,  verzeihe  uns  unsere  Sünden,  die  du  auf  dich 
genommen  hast,  und  schenke  uns  dann  den  Seelenfrieden  in  der 
Vereinigung  mit  dir,  „dona  nobis  pacem". 

Die  Communio,  gewöhnlich  in  einem  Psalmverse  be^ 
stehend  und  dem  Inhalte  und  der  Stimmung  nach  übereinstim- 
mend mit  dem  Charakter  und  der  Bedeutung  des  Festes  schliesst 
im  Gesänge  sich  unmittelbar  an  das  „Agnus  Dei"  an.  Auch  die 
„Communio **   ist   seit   langem  von  den  Chören  ignoriert  worden 

gleich  dem  Introitus  (und  Graduale).  Noch  beteiligt  sich  der 
hör  an  den  Responsorien  auf  die  vom  Celebranten  gesungene 
„Postcommunio**  und  beantwortet  das  „Ite  missa  est"  oder 
„Benedicamus  Domino"  durch  „Deo  gratias^  in  gleicher 
Melodie  mit  dem  ^Ite  missa  est".  i 

Um  den  Geist  und  Charakter  der  Messgesänge  —  als  Aus^ 
druck  der  kirchlichen  Stimmung  —  kennen  zu  lernen  (und  wel- 
cher Kirchenkomponist  oder  Chordirektor  darf  dies  unterlassen ?)y 
reichen  Worte  und  Erklärungen  nicht  hin;  man  muss  sich  an 
den  streng  liturgischen  Gesang,  dessen  sich  die  Kirche  von  jeher 
bediente  und  worin  sie  den  wahren  Ausdruck  niedergelegt  und 
die  richtige  Stimmung  verdollmetscht  hat,  an  den  Gregorianischen 
Choral  halten.  Dieser  muss  studiert  und  in  seiner  heiligen  Tiefe 
erfasst  werden,  wozu  Kenntnis  und  klares  Verständnis  des  Mesa- 
ritus  imd  vorzüglich  ein  frommes  Gemüt  und  gläubiges  Herz 
den  besten  Schlüssel  leiht.  Denn  nicht  Wissenschaft  und  tech- 
nische Vollendung  allein  machen  den  kirchUchen  Tonkünstler, 
sondern  vielmehr  die  Frömmigkeit  und  der  kirchliche  Sinn,  wel- 
cher ihn  befähiget,  die  in  sich  aufgenommene  kirchliche  Stim- 
mung durch  seine  Kunst  in  Tönen  wieder  zu  geben.  Wäre  das. 
immer  der  Fall  gewesen,  und  hätten  die  Komponisten  nicht  ihre 
Ansicht  und  Meinung,  ihr  oft  so  verkehrtes  subjektives  Ur- 
teil, losgetrennt  von  der  Kirche,  als  massgebend  verfolgt,  wir 
hätten  nicht  über  so  viel  Quark  und  unkirchliche  Musik  zu  kla- 
gen; denn  die  Kirche  kennt  keine  Leidenschaftlichkeit,  ist  gleich 
fern  von  excessiver  Freude  als  niederschlagender  Trauer,  ver- 
abscheut alle  weltliche  Sentimentalität,  dramatische  Effekte  und 
süssliche  Melodiehascherei  und  alles  gemeine  und  triviale  Musik- 
machen. In  der  Kirche  wird  Trauer  durch  Hoffnung  und  Ver- 
trauen gemildert  und  mit  sanfter  Ruhe  Übergossen,  die  Freude 
durch  den  Gedanken  an  die  ehrfurchtgebietende  Majestät  Gottes- 
und  an  die  Gebrechlichkeit  der  Menschennatur  in  massvollen 
Grenzen  erhalten.  Alles  soll  erhaben  sein  über  den  Schwächen 
und  Ausschreitimgen  des  Individuums.  Und  darnach  bernisst. 
sich  auch  die  Aufgabe  des  Chores  als  Teilnehmer  an  der  heilig- 
sten Handlung.  Der  Chor  wird  sich  aber  seiner  hohen  Aufgabe^ 
erst  dann  vollkommen  bewusst  werden,  wenn  er  auch  in  räum- 
licher Beziehung  mit  dem  celebrierenden  Klerus  wieder  in  nähere 
Verbindung  tritt. 

Beigefügt  seien  noch  einige  Bestimmungen,  welche  specieli 
den  Gesang  bei  dem  heihgen  Messopfer  betreffen;  andere  wolle 
man  im  Artikel  „Orgel"  nachsehen.    „In  Missa  conventuali  semper 


Metrik.  209 

cani  debent  Gloria,  Credo,  totum  Graduale,  OfFertorium,  Prae- 
fatio  et  Pater  noster.  C.  S.  R.  14.  April  1753.  Vgl.  C.  S.  R. 
29.  Dec-  1884  (Dioec.  Lucionens.).  —  A  cantoribus  in  cnoro  incipi 
non  potest  Introitus,  priusquam  Sacerdos  eamdem  Missam  ce- 
lebraturus  ad  altare  pervenerit.  C.  S.  R.  14.  April  1735.  —  Sacerdos 
celebrans  Missam  conventualem ,  in  qua  chorus  symbolum 
apostolorum  cantare  tenetur,  illam  prosequi  non  potest  eo 
tempore,  quo  a  choro  oantatur  symbolum  praedictum.  C.  S.  R. 
17.  Dec.  1695.  —  Submissa  voce  dicenda  (tum  div.  Officii  tum 
Missae),  quae  omittuntur  ob  sonitum  organi;  quando  non  pul- 
santur,  integre  esse  cantanda.  C.  S.  R.  22.  Juli  1848.  —  rer 
Episcopum  provideatur,  ut  Symbo-lum  apost.  integre  intelli- 
gibili  voce  decantetur.  10.  Mart.  1657.  Caerem.  Ep.  1.  I.  c.  28, 
n.  10.  —  In  Missis  de  Requiem,  quae  celebrantur  cum  cantu, 
canendum  esse  versum  „Absolve*  et  Sequentiam  „Dies  irae**. 
C.  S.  R.^.  Febr.  1847.  —  Zahlreiche  kirchliche  Aussprüche  kämpfen 
gegen  den  Missbrauch,  die  kirchlichen  Messtexte  zu  verkürzen, 
zu  verstümmeln  oder  auszulassen,  namentlich  aber  wird  immer  das 
volle  und  verständliche  Absingen  des  „Credo*  gefordert. 

Metrik  (griech.),  die  Lehre  vom  Metrum,  d.  i.  vom  Vers- 
masse, welches  wiederum  in  der  Folge  einzelner  rhvthmischer 
Glieder  (Versfüsse)  zusammengesetzt  aus  Silben  von  bestimmter 
Länge  ( — )  oder  Kürze  (^)  besteht.  In  der  Musik  hat  das  Me- 
tnim  mit  den  Tonfüssen,  aus  welchen  die  verschiedenen  Arten 
des  Taktes  bestehen,  sowie  mit  der  Ähnlichkeit  ihrer  Wiederkehr 
zu  thunj  und  ist  also  eigentlich  die  herrschende  Bewegung  einer 
musikalischen  Periode,  die  mehr  oder  minder  starke  Betonung 
der  einzelnen  Taktglieder. 

Was  insbesondere  die  Vokalmusik  anbelangt,  so  richtete 
man  sich  anfänglich  nach  der  Sprachmetrik  und  nahm  die  Töne 
lang  oder  kurz,  d.  h.  betonte  sie  mehr  oder  weniger  nach  der 
Länge  oder  Kürze  der  Silben.  Nachdem  mit  der  Proportionslehre 
der  Takt  erwachsen  war,  ergab  sich  von  selbst  das  natürliche 
Metrum  von  schweren  und  leichten  Taktteilen  und  Gliedern. 
Diese  Betonung  in  den  rhythmischen  Ordnungen,  gemäss  welcher 
die  stärksten,  starken  und  schwachen  Töne  in  entsprechendem 
Grade  hervorgehoben  werden,  heisst  der  metrische  Accent. 

Der  Hauptsache  nach  reduciert  der  musikalische  Rhythmus 
alle  zusammengesetzten  Sprachmetren  auf  einfache  jambische, 
trochäische  und  daktylische.  Doch  richtet  sich  der  musikalische 
Accent  nicht  so  streng  nach  dem  poetischen ;  Haupt-  und  Stamm- 
süben  werden  wohl  stets  betont,  und  wenn  sie  nicht  allemal 
durch  lange  Noten  ausgezeichnet  sind,  so  haben  sie  doch  immer 
einen  metrischen  Accent. 

Der  Tonsetzer  ist  überhaupt  nicht  genötigt,  in  seinen  me- 
lodischen Längen  und  Kürzen  nach  der  prosodischen  Quantität 
mit  Strenge  sich  zu  richten.  Er  kann,  ie  nach  dem  Bedüi'fnis 
auf  einen  Daktylus  drei,  auf  einen  Trocnäus  oder  Jambus  zwei 
gleiche  lange  Noten  setzen,  weil  diese  gleichen  Längen  durch 
ihr  inneres  Verhältnis  als  Thesis  und  Arsis  noch  immer  genug- 
sam verschiedenen  Nachdruck  haben.  Ausserdem  ist  die  Musik 
an  den  mannigfaltigsten  Abstufungen  der  Länge  und  Kürze  imge- 
mein  reich,    während   in  der  Poesie  deren  nur  zwei,    nur   eine 

Kornmüller,  Lexikon.  14 


210  Metronom  — ,  Miserere. 

Länge  und  eine  Kürze  vorhanden  sind.  Alle  prosodischen 
Rhythmen  können  daher  vielfach  musikalisch  ausgedrückt  wer- 
den, nur  darf  man  die  richtige  Accentbetonung  nicht  ausser  acht 
lassen.  Bei  den  Meistern  des  XV.  und  XVI.  Jahrh.  finden  sich 
in  dieser  Beziehung  manche  Unregelmässigkeiten  und  auch  wahre 
Verstösse  gegen  die  Prosodie  und  den  metrischen  Accent,  welche 
teils  scheinbar  sind  und  durch  Rückungen  und  Synkopen  ver- 
anlasst, durch  eine  grössere  Notenanzahl  und  Hinzunahme  eines 
schweren  Taktteiles  ausgeglichen  werden,  teils  ihre  Entstehung 
in  dem  taktfreien  Gesänge  (welcher  auch  bei  reeller  Stimmen- 
mehrheit noch  lange  Zeit  Geltung  hatte)  finden. 

Metronom  (griech.),  s.  Chronometer. 

Metrnm  heisst  bei  den  mittelalterlichen  Musikschriftstellern 
äucli  die  Mediatio  oder  Mittelkadenz  der  Psalmverse. 

Mette,  deutsche  Bezeichnung  der  Matutin  (officium  noctur- 
num).  „Mette"  im  Volksmund  bekannt  als  der  feierliche  Gottes- 
dienst mit  gesungener  Matutin  und  Landes;  „Trauermette",  die 
feierliche  Abhaltung  von  Matutin  und  Landes  an  den  Nachmit- 
tagen von  Mittwoch,  Donnerstag  und  Freitag  in  der  Karwoche 
(s.  d.).  Nach  dem  Chronicon  Gott  wie.  soll  der  Name  von  „can- 
tus  Mettensis"  herstammen,  indem  die  Gesangweise  von  Metz  in 
Frankreich  allgemein  sich  verbreitet  habe,  und  so  auch  in  Deutsch- 
land; die  Deutschen  hätten  sie  „Mett"  oder  „Mette"  genannt. 
Gerb,  de  Cantu,  L  272. 

Mezzo,  ital.  Adjektiv,  =  halb,"  kommt  in  verschiedenen 
Zusammenstellungen  vor:  mezzo  forte,  abgekürzt  geschrieben 
m.  f.  =  halb  starTk;  mezza  voce  =  mit  halber  Stimme,  ist  beim 
Singen  diejenige  Tongebung,  welche  mit  verhältnismässig  schwa- 
chem Atemfluss  und  partieller  Schliessung  der  Stimmritze  ge- 
schieht, und  mittels  welcher  ein  sanfter,  flötenartiger  Klang 
erzielt  wird;  Mezzo  Sopran,  s.  Sopran. 

Mi  —  der  dritte  Ton  in  der  Guidonischen  Solmisation,  bei 
den  Franzosen  und  Italienern  der  Name  des  Tones  e;  in  der 
alten  Solmisation  bezeichnete  mi  immer  den  unteren  Ton  des 
Intervalls  eines  halben  Tones  und  konnte  somit  z.  B.  zwischen 
e  f,  h  c,  a  b  u.  s.  w.  den  Tönen  e,  h,  a  zukommen,  wobei  der 
obere  Ton,  also  f,  c,  b  immer  fa  benannt  wurde  (s.  Mutation). 

Das  bekannte  „mi  contra  fa"  bezeichnete  die  verminderte 
Quint  (h-f)  oder  die  übermässige  Ouart  (f-h),  welche  bei  den  Al- 
ten verpönte  Intervalle  (Querstana)  waren,  woher  der  Satz;  „Mi 
contra  fa  diabolus  in  musica." 

Minima,  s.  Notation  u.  Mensuralmusik. 

Minore  (ital.),  mineur  (franz.)  =  kleiner,  bedeutet  speciell 
die  kleine  Terz  des  Dreiklanges,  und  wurde  früher  in  Tonsätzen 
bei  Übergängen  von  der  Durtonart  (maggiore)  in  die  parallele 
Molltonart  beigefügt. 

Miserere,  der  50.  Psalm  „Erbarme  dich  meiner,  o  HerrI" 
Er  wird  als  Bussgebet  und  Bitte  iii  dem  Officium  und  bei  an- 
deren Gelegenheiten,  z.  B.  bei  Leichenbegängnissen,  bei  Abend- 
andachten m  der  Fastenzeit,  welche  man  wegen  des  alleinigen 
Gebrauches  dieses  Psalmes  selbst  mit  dem  Namen  Miserere 
belegte,  bei  Weihungen  u.  a.  angewendet,  und  gab  den  Tonsetzern 
Gelegenheit,  manche  kostbare  rerle  der  musikalischen  Kunst  ans 


Missa  —  Modulation.     •  211 

Tageslicht  zu  fördern,  so  dass  wenige  Kirchenkomponisten  sein 
werden,  welche  nicht  eine  Komposition  dieses  Psamies  geliefert 
hätten.  Besonders  berühmt  ist  die  von  AUegri,  welche  alljähr- 
lich noch  von  der  Sixtina  in  der  Karwoche  gesungen  wird. 
Meisterwerke  dieser  Art  sind  ferner  die  Miserere  von  Palestrina, 
Orlandus  Lassus  u.  a. 

Missa,  die  heilige  Messe.  Die  Kirche  unterscheidet  eine 
Missa  solemnis,  eine  Messe,  welche  bei  aller  Feierlichkeit,  mit 
Gesang,  Weihrauch  und  Leviten»  und  Beobachtung  aller  von  den 
Rubriken  hierfür  vorgeschriebenen  Ceremonien  abgehalten  wird; 
Mißsa  privata,  ohne  Gesang  und  Leviten,  —  stille  Messe; 
Missa  cantata  seu  media,  welche  zwischen  ^beiden  steht,  ohne 
Leviten,  jedoch  mit  Gezang  gefeiert  wird.  Sie  benennt  ferner 
ciine  Missa  conventualis,  welche  täglich  in  den  Dom-,  Stifts- 
und Klosterkirchen  gefeiert  wird,  secundum  ordinem  officii: 
Missa  parochi^-lis,  die  Pfarrmesse.  Zur  Erhöhung  der  Feier- 
lichkeit hat  eine  entsprechende  Kirchenmusik  beizutragen  (s. 
M  e  s  s  e). 

Missale  ist  das  Buch,  in  welchem  die  einzelnen  Messfor- 
mulare für  die  Feste,  Sonntage  und  Ferien  des  Kirchenjahres, 
sowie  die  für  den  celebrierenden  Priester  bestimmten  Gesänge 
und  die  kirchüchen  Ceremonien  bei  der  Messfeier  enthalten  sind. 

Mitklingen,  s.  Akustik. 

Mittelstimmen  heissen  alle  Stimmen  einer  mehrstimmigen 
Komposition ,  welche  zwischen  den  sogenannten  äusseren 
Stimmen,  der  höchsten  oder  obersten  und  der  tiefsten  oder  un- 
tersten Stimme  liegen.  Im  homophonen  Satze  treten  sie,  obwohl 
sie  zum  Ganzen  notwendig  sind  und  auch  da  kimstgerecht  ge- 
führt werden  müssen,  nicht  so  bedeutungsvoll  hervor  als  im 
polyphonen  Satze,  wo  sie  mit  den  Aussenstimmen  gleichen  Rang 
behaupten;  ebenso  können  sie  im  Orchester  als  melodieführend 
eine  wichtige  Stelle  einnehmen.  , 

Mixolydiseh,  s.  Kirchentonarten, 

Mixtur,  die  gebräuchlichste  der  gemischten  Orgelstimmen, 
wobei  drei,  vier,  sechs  Pfeifen  in  höherer  Oktav,  Quint  oder  auch 
noch  Dezime  auf  eine  Taste  vereinigt  erklingen.  Die  gemischten 
Stimmen  haben  den  Zweck,  dem  Orgelklange  Schärfe  und  Glanz 
zu  geben;  allein  und  für  sich  können  sie  zur  Melodieführung 
nicht  verwendet  werden,  sondern  bedürfen  stets  der  Deckung 
durch  grössere  Grundstimmen.  . 

Moderato,  s.  Tempo. 

Modulation  ist  im  allgemeinen  das  Verfahren,  verschiedene 
Harmoniefolgen  aneinander  zu  knüpfen,  so  dass  sie  als  Güeder 
einer  Kette  erscheinen  und  eine  gewisse  organische  Verbindung 
und  Vermittelung  bekunden.  Diese  Harmonien  können  entwe- 
der einer  und  derselben  Tonart  angehören  oder  das  Gebiet  ihrer 
Gnmdtonart  verlassen  und  Accorde  aus  fremden  Tonarten  herbei- 
ziehen und  eine  Zeit  lang  sich  in  ihnen  ergehen,  um  zum  Schlüsse 
wieder  in  die  Haupttonart  zurückzukehren.  Erstere  Weise  heisst 
leitereigene,  letztere  leiterfremde  oder  ausweichende 
Modulation. 

Man  gebraucht  den  Ausdruck  modulieren,  Modulation 
ohne  Beisatz  auch,   um   den  Übergang,    das  vollständige 

14* 


212  #      Modus  —  Motett. 

Ausweichen  aus  einer  gegebenen  Tonart  in  eine  verwandte 
und  fremde  zu  bezeichnen.  —  Die  Regeln  der  Modulation  lehrt 
die  Harmonielehre. 

Bei    den   alten  Theoretikern  bedeutet  modulare,    wofür 
sie  auch  moderare  sagten,    „einen  Gesang,   eine  Melodie  erfin-^ 
den,  komponieren". 

Modus  (lat.),  Art,  Weise,  bedeutet  a)  bei  den  Alten,  z.  B* 
Guido  von  Arezzo,  die  Ai*t  der  Ton-  (oder  Intervallen-)Fortschrei- 
tung  von  einem  angenommenen  Grundtone  an  nach  oben  und 
unten,  z.  B.  D  E  F  G  a  (C  D  E  F  G  a)  primus  modus;  dann 
auch  überhaupt  Tonart;  b)  bei  Lehrern  des  XL  und  XII.  Jahrh. 
werden  auch  die  Intervalle  (Tonverbindungs weisen)  so  genannt; 

c)  bei  den  älteren  Mensuralisten  ein  rhythmisches  Schema  für 
die  Melodiebildung,   z.  B.  longa   brevis  und  longa  brevis  longa. 

d)  In  der  Mensuraltheorie  des  XV.  und  XVI.  Janrh.  die  Bestim- 
mung des  Masses  der  grössten  Notengattungen,  nämlich  der 
Maxima  (Modus  major)  und  der  Longa  (Modus  minor) ,  welche 
dreiteilig  (Modus  perfectus)  oder  zweiteilig  (Modus  imperfectus) 
genommen  werden  konnten.    (S.  Mensur almusik.) 

Moll,  vom  lat.  mollis,  weich;  Moll-Drei  kl  an  gl,  der  weiche 
Dreiklang  mit  kleiner  Terz ;  Moll-T  o  n  a  r  t ,  welche  auf  die  Oktaven- 
reihe  oder  Skala  mit  kleiner  Terz  gebaut  ist  und  einen  Moll- 
Dreiklang  als  Haupt-  und  Schlussaccord  besitzt. 

Molto ,  ital.  =  viel,  sehr,  beträchtlich,  steht  immer 
neben  Vortrags-  oder  Tempobezeichnungen  zu  deren  näheren 
Bestimmung,  z.  B.  -AUegro  molto",  sehr  schnell. 

Monochord  (Einsaiter),  Klangmesser,  ist  ein  Instrument, 
auf  welchem  die  Verhältnisse  der  Intervalle  ausgemessen  und 
durch  Zeichen  bemerkt  werden,  so  dass  man  jedes  einzelne 
Intervall  mittels  eines  beweglichen  Steges,  welcher  unter  eina 
Drahtsaite  geschoben  wird,  angeben  kann.  Es  ist  mit  einer,  oft 
auch  mit  mehreren  in  Einklang  gestimmte  Saiten  bezogen. 

Monodie.  Die  Griechen  nannten  jeden  einstimmigen  Ge- 
sang Monodia;  daher  belegte  man  im  XVI.  und  XVII.  Jahrh. 
alle  Sologesänge  mit  diesem  Namen. 

Motett,  motettum,  bezeichnet  eine  Komposition,  Welcher 
ein  kurzer  biblischer  Text  zu  Grunde  liegt,  und  welche  gewöhn- 
lich in  reicherem  Stile  (blühendem  Kontrapunkte)  gehäten  ist. 
Im  XII.  Jahi'h.  findet  sich  das  Wort  „motetus",  auch  „mutetus^, 
als  Bezeichnung  der  diskantierenden  Stimme  angewendet,  welche 
in  reicherer  Anwendung  von  verschiedenen  Intervallen,  schnel- 
leren Noten  und  Koloraturen  den  einfacheren  Tenor  oder  Cantus 
firmus  begleitete,  auch  eine  weitläufigere  Textunterlage  gegen- 
über dem  Tenor  forderte.  Der  Name  „Motetus"  verblieb  der 
ersten  diskantierenden  Stimme  auch  in  den  folgenden  Jahrhun- 
derten noch,  wo  man  eine  di'itte  Stimme  (Triplum)  und  selbst 
vierte  (Quadruplum)  und  fünfte  (Quintuplum)  beifügte.  Allmäh- 
lich ging  der  Name  auf  eine  eigentümliche  Kompositionsform^ 
über.  Franko  redet  schon  von  „motetus"  als  einer  besonderen 
Form,  welche  stets  mit  gleichem  oder  verschiedenem  Texte ,  nie 
ohne  solchen,  gesungen  wird.  Da  dieser  und  die  nachfolgenden 
Lehrer  sich  über  diesen  Funkt  für  uns  sehr  unverständlich  aus- 
drücken,   so   darf  es  nicht   auffallen,    wenn   die  Ableitung  des 


Motiv  —  Musica.  213 

Ausdi'uckes  »Motett"  noch  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt  ist. 
G^bert,  Winterfeld,  Ambros  leiten  es  vom  französischen  Worte 
-Mot",  „Wort,  Sinnspruch"  ab  (vgl.  Ambros,  Geschichte  der  Musik, 
IL  337);  ich  glaube  es  richtiger  von  ^motus,  die  Bewegung"  ab- 
zuleiten, und  darin  das  eigentliche  Wesen  der  Motette  zu  finden. 
Vona  Anfange  an  bezeichnete  man  damit  einen  bewegteren 
Ges^g,  wie  aus  den  von  Gerbert  und  Coussemaker  gebotenen 
wenigen  Beispielen  zu  ersehen  ist;  auch  Walter  Odingten  nennt 
ihn  „motus  brevis  cantilenae",  eine  kurzgehaltene  Bewegung  des 
Gesanges.  Hieronvmus  de  Moravia  sagt:  „Motetus  est  super  de- 
terminatas  notas  nrmi  cantus  mensuratas,  sive,  ultra  mensuram, 
diversus  in  notis,  diversus  in  pausis,  multiplex  oonsonans  can- 
tus," also  ein  sich  aufs  freieste  über  einem  gemessenen  Cantus 
firmus  bewegender  Gesang,  wobei  der  Diskant  im  sechsten  Modus 
(aus  lauter  kurzen  Noten  bestehend)  gewöhnlich  gehalten  war. 
Mit  dem  XV.  und  XVI.  Jahrh.  verschwinden  die  sämtlichen 
Species  de«  Diskantus  (s.  d.)und  konsolidieren  sich  als  Mittel  zu 
«mem  Zwecke  —  zum  künstlichen  Kontrapunkte,  der  Name 
„Motett"  blieb  aber  für  eine  ausgebildete  kontrapunktische 
Kunstform,  welcher,  wie  gesagt,  Stellen  aus  der  heiligen  Schrift, 
überhaupt  religiöse  Texte  zu  Grunde  gelegt  wurden;  das  XVI. 
Jahrh.  benannte  dann  die  nämliche  Kunstform  mit  weltlichem 
Texte  und  Charakter  als  „Madrigal".  Motettenstil  bezeichnet 
jetzt  noch  eine  freiere,  bewegtere,  kontrapunktisch  gehaltene 
Kompositionsform.  Die  älteren  Meister,  besonders  der  römischen 
Schule,  legten  ihren  Motetten  ein  Choralthema  zu  Grunde,  die 
späteren  bildeten  ihre  Themata  frei-  Die  Behandlungsart  war 
verschieden,  bald  wurde  das  Thema .  durch  mehrere  Stimmen  als 
Catittis  fii*mu8  durchgeführt,  während  die  Nebenötimmen  densel- 
ben ih  mehr  oder  minder  reichem  Kontrapunkte  ausschmückten ; 
bald  war  das  Thema  der  eigentliche  Keim,  woraus  sich  die  fol- 
genden Satzteile  entwickelten,  immer  aber  konnte  der  Tonsetzer 
mit  grösserer  Freiheit  in  solchen  Kompositionen  seine  Fähigkeit 
und  sein  Talent  entfalten. 

Motiv  wird  das  kleinste  Glied  eines  Tongedankens  ge- 
nannt. Es  gibt  rhythmische  und  melodische  Motive,  und 
sie  sind  die  Keime,  aus  welchen  grössere  Tongestalten  hervor- 
WÄchsen,  indem  sie  in  verschiedenster  Weise  wiederkehren. 
<S.  Periode.) 

Metns  (lat.),  die  Bewegung,  Bewegungsart  (s.  Bewegung). 

Musica,  Musik.  Darunter  verstanden  die  alten  Griechen 
.die  Künste  der  Musen,  besonders  die  in  Wort  und  Ton  bilden- 
den, .  die  Ton-,  Dicht-  und  Redekunst.  Erst  später  erhielt  die 
Tonkunst  ausschliesslich  den  Namen  „Musik"  (s.  Tonkunst). 
Die  mittelalterlichen  Theoretiker  definierten  sie  verschieden,  wie 
aus  dem  musikalischen  Traktat  des  Hieronvmus  von  Moravia  zu 
ersehen  ist;  uns  ist  sie  die  Kunst,  welche  dui*ch  Töne  in  schönen 
Fcmnen  Empfindungen  und  Seelenstimmungen  symbolisiert.  Nach 
eben  diesem  Autor  teilte  man  am  allgemeinsten  die  Musik  in 
harmonische,  armonica  („est  modulatio  vocis"),  worunter 
man  den  Gesang  verstand,  organische,  organica,  bei  wel- 
cher durch  Einblasen  von  Wind,  wie  bei  der  Orgel,  Flöte  u.  dgl. 
die  Töne  hervorgebracht  wurden,   rhythmische,   rhythmica 


214  Musica  ficta,  falsa  —  Mutieren. 

(„pertinens  ad  nervös  et  pulsus**),  die  Musik  der  Zupf-  und  der 
Schlaginstrumente,  wie  der  Zither,  der  Pauken  u.  dgl.  Andere 
verstehen  unter  rhythmischer  Musik  die  Metrik.  —  Wir  Mo- 
dernen unterscheiden  Vokal-  und  Instrumentalmusik  mit 
ihren  Unterabteilungen  (s.  d.);  ferner  theoretische  und  prak- 
tische Musik;  in  Bezug  auf  den  Zweck  auch  noch  Kir öftren-, 
Kammer-,  Konzert-,  Theater-,  Militärmusik.  Dietheore- 
tische  Musik  begreift  die  Akustik,  Kanonik,  Grammatik 
imd  Ästhetik;  die  praktische  aber  die  eigentliche  Setzkunst, 
Komposition  und  die  Ausübung  oder  Exekution  in  sich. 

Mnsica  ficta,  falsa  findet  nach  Garlandias  (XII.  Jahrh.) 
Erklärung  statt,  „wenn  man  aus  einem  ganzen  Tone  einen  hal- 
ben Ton  macht  und  umgekehrt,"  und  bedeutete  den  Alten  die 
Einführung  eines  der  Oktavenreihe  oder  Tonart  fremden  Tones. 
Sie  wurde  angewendet  teils  des  Bedürfnisses  halber,  wenn  man 
ohne  sie  sonst  weder  eine  reine  Quart,  noch  reine  Quint  oder 
Oktav  haben  konnte,  z.  B.  F— cS  (F  — bt?),  b|;— ff  (bl?— ff),  teüs 
zur  Verschönerung  des  Gesanges.  Marchettus  von  Padua  will 
den  Namen  musica  ficta  oder  falsa  in  musica  colorata  (s.  Color) 
geändert  wissen.  Sie  wurde  bei  den  Instrumenten  und  vorzüg- 
lich bei  der  Orgel  (in  organis,  oder  beim  Organum?)  angewendet, 
und  der  Anonymus  IL  bei  Coussemaker  (Script,  mus.  med.  aevi, 
Bd.  I.)  sagt  geradezu,  ohne  die  falsa  musica  sei  das  Diskantieren 
unmöglich,  ^ie  heisst  musica  falsa,  falsche  Musik,  nicht  desr- 
wegen,  weil  sie  falsch  klingt  oder  dissoniert,  sondern  weil  der 
Halbton  an  einer  Stelle  angebracht  wird,  wo  er  regelmässig 
keinen  Platz  hat  (inusitato  looo),  weil  er  leiterfremd  (extraneus) 
ist  und  früher  nicht  gebraucht  wurde.  Dasselbe  besagt  der 
Name  musica  ficta,  erdichtete,  fingierte  Musik.  Tinctoris,  Rhau 
u.  a.  nennen  das  accidentelle  bt?  stets  musica  ficta  oder  auch 
nota  oonjuncta  (synemmenon).  —  Unter  musica  ficta  verstehen 
einige  Tonlehrer,  z.  B.  Fink  auch  die  Transposition  eines 
Gesarigös. 

Musica  figurata,  s.  Figuralgesang. 

Musica  mensnrata,  Cantus  mensurabilis,  s.  Mensu- 
ralmusik. 

Musica  plana,  s.  Cantus  planus  und  Choral. 

Mutation  (vom  lat.  mutare,  .verändera) ,  ist  1)  die  Verän- 
derung der  Knabenstimme  beim  Übergang  in  die  Tenor-  oder 
Bassstimme.  Diese  Veränderung  tritt  m  der  Periode  der  heran- 
nahenden Mannbarkeit  zwischen  dem  14.  und  17.  Jahre  ein  imd 
gibt  sich  durch  Heiserkeit,  Unsicherheit  der  Töne  und  das  ^beiv 
sehlagen  der  Stimme  in  das  höhere  Register  zu  erkennen.  Die 
Dauer  dieses  Zustandes  ist  verschieden;  doch  ist  bis  zum  Zeit- 
punkte, wo  die  Stimme  sich  gesetzt  „hat,  grosse  Vorsicht  luid 
öchonimg  bei  den  vorzunehmenden  Übungen,  soll  die  Stimme 
nicht  verdorben  werden,  zu  beobachten.  2)  Mutation  hiess  in 
der  Solmisatiön  die  Verwechselung  einer  Hexachordstufe  mit 
einer  anderen  desselben  Schlüssels  von  gleicher  Tonhöhe.  Dies 
geschah  wegen  der  Unzulänglichkeit  der  sechs  Guidonischen 
Silben,  und  man  suchte  auf  jeden  halben  Ton  die  Silben  mi-fa 
zu  bringen  (s.  Solmisatiön). 

Mutieren,  s.  Stimme. 


Nachahmung  —  Neumen.  215 


N. 


Nachahmung,  s.  Imitation. 
Nachhall,  s.  Akustik. 
Nachsatz,  s.  Periode. 
Nachspiel,  s.  Praeambulum. 

NatnrtÖne  heissen  diejenigen,  welche  ohne  alle  weiteren 
Hilfsmittel  sich  auf  Instrumenten  (besonders  Hörnern  und  Trom- 

Seten  ohne  Ventile  oder  Klappen)  auf  ganz  naturgemässe  Weise 
ei*vorbringen  lassen.  Auch  versteht  man  darunter  die  Töne 
einer  Oktavenleiter,  welche  sich  in  regelrechtem  Fortschreiten 
ergeben,  und  besser  leite r eigene  genannt  werden  im  Gegen- 
haite  zu  denjenigen,  welche  nicht  in  oer  Tonleiter  liegen,  sondern 
durch  Vorsetzungszeichen  erst  gewonnen  werden  (zufällige 
oder  künstliche,  leiterfremde  Töne). 

Neapolitanische  Schule,  s.  Kirchenmusik  und  Schule. 

Neunten  (griech.  vevf*a,  der  Wink).  Unter  diesem  Namen 
versteht  man  ij  die  Tonschrift,  welche  seit  Gregor  d.  Gr.  bis 
ins  XIL  und  XIII.  Jahrh.  (hin  und  wieder  noch  länger)  im  Ge- 
brauche war  und  aus  Punkten,  Häckchen,  Strichlein  m  verschie- 
dener Gestalt  und  Richtung  bestand,  wodurch  dem  Sänger  die 
Tonhöhe,  auch  das  Steigen  und  Fallen  der  Stimme  versmnlicht 
wurde.  Da  dies  noch  immer  eine  sehr  mangelhafte  Gedächtnis- 
hilfe war,  begann  man  im  IX.  und  X.  Jahrh.  eine  Linie  über  der 
Textzeüe  zu  ziehen  und  die  Neumen  in,  über  und  unter  diese 
Linie  zu  setzen.  Zu  Guidos  Zeiten  waren  schon  zwei  Linien 
im  Gebrauche;  Guido  selbst  verbesserte  die  Schrift  dadurch,  dass 
er  zu  den  zwei  Linien  (roth  F  und  gelb  C)  noch  zwei  andere 
fügte  und  auf  und  zwischen  ihnen  den  Neumen  den  bestimmten 
Platz  anwies.  Aus  den  Neumen  bildete  sich  die  quadratische 
oder  jetzt  gebräuchliche  Notenchoralschrift  heraus.  Öie  Neumen, 
deren  Anzahl  gross  war,  hatten  verschiedene  Namen,  je  nach 
ihrer  Bedeutung.  Man  teüte  sie  a)  in  solche,  welche  einen  ein- 
zigen Ton  bedeuten,  z.  B.  Punctum,  Virga:  b)  in  solche,  welche 
in  einem  einJsigen  Zeichen  zwei  oder  menrere  Töne  darstellen, 
z.  B.  Flexa,  Clivis,  Plica,  Podatus;  c)  in  solche,  welche  besondere 
Singmanieren  bedeuten,  z.  B.  Oriscus,  Quilisma;  d)  in  solche,  welche 
ganze  Notenformeln  bedeuten ,  z.  B.  Pressus ,  Cephalicus.  Wer 
sich  hierüber  eingehender  unterrichten  will,  nehme  Ambro s, 
Geschichte  der  Musik  (IL  Bd.),  Schubiger,  Die  Sängerschule 
von  St.  Gallen  oder  „Pal6ographie  musicale"  (Solesmes  1889) 
zur  Hand.  —  2)  Neumen  bedeutete  zu  Guidos  Zeiten  nicht  bloss 
ein  einzelnes  Zeichen,  notula,  sondern  mehrere  derselben 
miteinander,  wenn  er  davon  spricht,  dass  „es  in  der  Harmonie 
Klänge  und  Töne  gebe,  deren  einer,  zwei  oder  drei  auf  eine 
Silbe  gebracht  und  wieder  einzeln  oder  doppelt  zu  Neumen 
oder  Teilen  des  Gesanges  werden;  einer  oder  mehrere  solcher 
Teile   machen   eine  Distinktion    oder   einen    bequemen   Platz 


216  Nooturnus  cantus  —  Noe. 

zum  Atemholen."  Dies  Neuma  unterscheidet  sich  vom  vor- 
stehenden dadurch,  dass  nicht  ein  zusammengesetztes  Noten- 
zeichen, sondern  ein  kleinerer  oder  grösserer  Notenkomplex,  der 
oiner  oder  auch  mehreren  Silben  und  \Vöi"tern  zukommt,  darunter 
zu  verstehen  ist.  —  3)  Bedeutet  Neuma  auch  noch  eine  gewisse 
melodische  Phrase,  am  Schlüsse  eines  Verses  oder  einer  An- 
tiphon, die  besonders  regelmässig  über  der  letzten  Silbe  des 
Allelüja  im  Graduale  vorkommt;  dieser  Name  stammt  hier  von 
TTvevßtrt,  Wind,  Atem,  pneuma,  verkürzt  neuma;  dieses  „pneuma* 
oder  „neuma"  wurde,  da  es  keinen  Text  unter  sich  hatte,  bloss 
vokalisiert;  es  war  die  Veranlassung  zu  den  Sequenzen  (s.  Alle- 
lüja, Jubilus  und  Sequenz). 

Nocturnus  cantns  ist  derjenige  Teil  des  kirchlichen  Offi- 
ciums,  welcher  ursprünglich  in  der  Nacht  gebetet  oder  gesungen 
wurde,  wie  es  in  manchen  Orden  noch  der  Fall  ist;  jetzt  De- 
zeichnet man  bestimmte  Abschnitte  desselben  mit  diesem  Namen 
(s.  Horae  canonicae).  Das  Festofficium  hat  drei  Nokturnen, 
das  Ferialofficium  und  die  einfachen  Feste  (festa  simplicia)  haben 
nur  einen.  Sie  bestehen,  indem  sie  sich  an  das  Invitatorium  und 
den  Hymnus  anreihen,  nach  römischer  Weise  aus  drei  Psalmen 
mit  ihren  Antiphonen  (in  der  österlichen  Zeit  stehen  die  drei 
Psalmen  unter  einer  Antiphon),  worauf  ein  t,  mit  Ijfe.  folgt. 
Nach  geschehenem  Absolutionsspruch  erbittet  der  Lektor  die 
Benediktion  mit  „  Jube  Domine  benedicere",  nach  deren  Erteilung 
durch  den  Oberen  er ,  die  Lesung  der  ersten  Lektion  beginnt ; 
wird  sie  gesungen,  so  ist  der  Lektionston  mit  seinen  Fällen  ein- 
zuhalten; beschlossen  wird  jede  Lesung  —  mit  Ausnahme  der 
beim  Officium  Defunctorum  (Totenofficmm)  und  *  an  den  drei 
letzten  Tagen  der  Karwoche  vorkommenden  Lektionen  —  mit 
„Tu  autem.  Domine,  miserer e  nobis",  worauf  der  Chor  antwortet: 
«Deo  gratias"  und  das  Responsorium  mit  dem  Verse  beginnt. 
Wii'd  dies  Responsorium  gesungen,  so  singen  es  zwei  Sänger 
allein  bis  zum  Vers,  worauf  andere  beim  Vers  fortsetzen  und 
mit  der  Repetition  vom  Asteriscus  (Sternchen)  an  vollenden. 
An  den  höchsten  Festtagen  wiu*de  früher  das  erste  Responsorium 
des  ersten  Nocturnus  in  manchen  Kirchen,  z.  B.  in  der  Sixtini- 
schen  Kapelle,  in  polyphonem  Gresange  vorgetragen.  —  In  obiger 
Weise  wird  es  aucli  mit  den  zwei  anderen  Lektionen  des  ersten, 
und  mit  denen  des  zweiten  und  dritten  Nocturnus  gehalten,  nur 
mit  dem  Unterschiede,  dass  nach  dem  Verse  und  der  Repetition 
von  den  Vorsängern  das  Gloria  Patri  bis  zu  „Sicut  erat"  gesun- 
gen und  darauf  vom  Chore  das  Responsorium  vom  Asterisous 
an  (wenn  zwei  Sternchen  sind,  vom  zweiten  an)  repetiert  wird. 
Den  Beschluss  des  dritten  Nocturnus  macht  mit  Ausnahme  ge- 
wisser Zeiten  und  Tage  das  Te  Deum  laudamus. 

Noe.  Dieses  Wort,  welches  in  älteren  Weihnachtsmotet- 
ten, z.  B.  von  Palestrina,  Antonelli  vorkommt,  scheint  nichts 
anderes  zu  sein,  als  ein  einfacher  Hirtenruf,  wovon  auch  die 
französische  Benennung  von  Weihnachten,  Noel,  den  Ursprung 
nehmen  mag.  Ähnliche  Silben  und  Wörter  finden  sich  auch  in 
den  Traktaten  der  älteren  Tonlehrer,  z.  B.  von  Aurelius  Reom., 
Regino  v.  Prüm,  Hucbald,  wo  sie  als  Textunterlage  für  die  Tro- 
pen oder  Tonformeln  zur  leichteren  Behaltung  derselben  gesetzt 


!▼ 


None  — .  Noten.  217 

sind,  wie  Nonannoeane ,  Noeacis  u.  s.  w.  Sie  werden  teils  er- 
klärt als  einfache  Interjektionen  und  Ausrufe  der  Freude,  wie 
bei  uns  z.  B.  tralala,  eja  u.  s.  w.,  oder  sie  stellen  sich  dar  als 
Nachahmungen  der  altgriechischen  Vokalisen;  jedenfalls  sind  sie 

Sriechisohen  Ursprungs.  Vgl.  Gerbert  „de  Cantu"  I,  42.  149,  247 ; 
,  77;  Ambros,  GescSchte  der  Musik  I,  445. 

None  (vox  nona),  ist  die  neunte  Stufe  von  einem  Grund- 
tone aus,  ,in  unserm  Tonsystem  die  zweite  Stufe,  nur  in  einer 
höheren  Oktav.  In  harmonischer  Beziehung  jedoch  verlangt  sie, 
als  wesenthcher  Bestandteil  eines  Accordes,  eine  andere  Behand- 
lung. Sie  ist,  mag  sie  gross  oder  klein  sein,  eine  Dissonanz  luid 
hat  sich  darum ,  gewonnlioh  nach  unten  in  die  Oktav ,  aufzu- 
lösen. Ist  dieser  Ton  nicht  Non,  sondern  Sekunde,  so  bleibt  er 
liegen  und  der  darunterliegende  Ton  hat  abwärts  zu  gehen.  — 
Non  hwsst  auch  eine  Hora  des  Tagesoffioiums,  welche  anfäng- 
lich um  die  neunte  Stunde  (3  Uhr  nachmittags)  gebetet  wurde. 
Vgl.  Horaecanonicae. 

Nonenaccord,  aufgebaut  aus  Grundton,  Terz,  Quint,  Sep- 
time und  Non,  wird  nach  der  Beschaffenheit  der  Non  klein 
oder  gross  genannt.  Selbständige  Bedeutung  spricht  nur  der 
Nonaccord  auf  der  V.  Stufe  der  Tonart  an.  Die  meisten  Non- 
aooorde  sind  als  Vorhaltsacoorde  anzusehen.    Vgl.  Aocord. 

Nota  cambiata  =  Wechselnote. 

Noten,  notae  figurae.  Um- die  musikalischen  Töne  fürs 
Auge  zu  fixieren  und  die  musikalischen  Gedanken  durch  sicht- 
bare Darstellung  allgemein  verständlich  zu  machen ,  verfiel  der 
n^nschliche  Geist  darauf,  wie  für  die  Sprachlaute  die  Buchsta- 
ben, so  für  die  Töne  gewisse  Zeichen  zu  ersinnen,  welche  sie 
sowohl  nach  ihrer  Höhe  und  Tiefe,  als  nach  Wert  und  Geltung 
kennbai'  machen.  Die  älteste  und  bekannte  Tonschrift  ist  die 
griechische  (s.  Griechische  Musik).  Sie  fand  überall  Ein- 
gang, wohin  die  griechische  Musik  sich  verbreitete.  Anich  in  die 
christliche  Zeit  reicht  sie  noch  weit  herein,  wenigstens  führt 
Hucbald  in  seinen  Tractaten  noch  Stücke  von  griechischer  No- 
tation an,  wohl  nur  für  das  theoretische  Studium,  da  die  ganze 
damalige  Tonlehre  auf  der  griechischen  beruhte,  nicht  aber  zum 
pi-saktischen  Gebrauche.  Von  Gregor  d.  Gr.  aber  wird  schon  be- 
merkt, dass  er  sich  der  ersten  sieben  Buchstaben  des  lateinischen 
Alphabetes  zur  Bezeichnung  oder  vielmehr  Benennung  der  Töne 
bediente,  welche  Weise  rortan  Gelttmg  behielt.  Gleichwohl 
w^aren,  als  mwi  im  IX.  bis  XII.  Jahrb.  die  griechische  Theori« 
an  die  Spitze  der  Musikwissenschaft  stellte,  auch  die  griechischen 
Tonnamen  lange  im  Gebrauche  und  ein  Anonymus  I.-(bei  Ger- 
bert, Script.  L,  390)  wendet  das  durchlaufende  lateinische  Alpha- 
bet an.  Ziui  eigentlichen  Notenschrift  scheinen  die  Buchstaben 
jedoch  seltener  verwendet  worden  zu  sein;  im  Kodex  von  Mont- 
pellier und  in  smderen  finden  sie  sich  (im  dm*chlaufenden  Alpha- 
bet) neben,  resp.  unter  oder  über  den  Neumen  ^«ichsam  zur 
EiTklärun^  derselben  gesetzt.  Unterdessen  hatte  sich  auch  eine 
andere  kürzere  Tonbezeichnungsweise  Geltung  verschaflFt,  deren 
Ursprung  wir  allerdings  nicht  mehr  nachgehen  können,  da  wir 
un»  über  die  Musik  vor  dem  IX.  Jahrb.  in  den  meisten  Punkten 
in  gänzlicher  Unwissenheit  befinden;   das   sind  die  sogepannten 


218  .  Noten. 

Neumen  (s.  d.),  mit  welchen  die  ältesten  Antiphonarien,  die 
wir  besitzen,  notiert  sind.  Damit  soll  schön  der  heil.  Gregor 
seinen  Antiphonarium  centon.  notiert  haben,  was  man  besonders 
aus  dem  Antiphonarium  von  St.  Gallen  schloss,  welches  lange 
Zeit  für  öine  vom  römischen  Sänger  Romanus  dahin  gebrachte 
authentische  Abschrift  des  echten  Gregorianischen  Antiphonars 
gegolten  hat,  nach  den  Untersuchungen  des  P.  Anselm  Schubi- 
ger aber  dem  IX;  oder  X.  Jahrh.  angehört.  Die  Neumen  er- 
hielten sich  teilweise  bis  ins  XII.  und  XBl.  Jahrh.  im  Gebrauche. 
Man  fühlte  sehr  wohl,  welch  unzureichendes  Mittel  zur  richtigen 
Tonbezeiehnung  sie  waren,  da  überdies  noch  durch  Sorglosigkeit 
im  Schreiben  und  durch  den  Umstand  j  dass  die  Zeichen  nicht 
an  allen  Orten  gleiche  Bedeutung  hatten  oder  die  Form  ändeiiien 
oder  auch  eine  Vermehrung  erfuhren,  das  Übel  vergrössert 
wurde:  aber  aller  Scharfsinn  wollte  lange  nicht  verfangen  und 
die  ausgesonnenen  neuen  Tonbezeichnungen  eines  Oddo,  Hucbald, 
Hermann  behielten  nur  örtliche  Anwendung,  zu  weiterer  Ver- 
breitung und  Annahme  kam  es  nicht.  Erst  Guido  gelang  es, 
den  glücklichen  Wurf  zu  thun  und  einen  sicheren  ausdauernden 
Grund  zu  legen.  Zu  den  vor  ihm  schon  angewendeten  zwei 
Linien  (roth  und  gelb)  fügte  er  noch  zwei  una  wies  jeder  Linie 
und  jedem  Zwischenräume  nur  eine  Tonstufe  an:  da  man  den 
zwei  farbigen  Linien  die  Buchstaben  (Schlüssel)  F  und  C  stets 
vorzusetzen  pflegte,  so  wurden  auch  die  Farben  überflüssig  imd 
man  begnügte  sich  mit  vier  schwarzen  Linien.  Bei  dieser  Me- 
thode ergab  sich  von  selbst  gar  bald,  wie  unnötig  es  sei,  ver- 
schieden gestaltete  Neumen  zu  setzen;  Guido  selbst  sagt  schon, 
dass  nicht  mehr  die  Form,  sondern  der  Platz,  den  die  Neumen 
einnehmen,  die  Art  des  Tones  entscheiden.  Rasch  verringerte 
sich  die  Zahl  der  alten  Notenzeichen,  ihre  Gestalt  wurde  ein- 
facher und  kaum  nach  Verfluss  eines  Jahrhunderts  ist  die  punkt- 
artige und  Quadratform  die  gebräuchliche  geworden  (weil  m  dem 
Traktate  Francos  zum  erstenmal  ausgebildet  vorkommend,  auch 
die  schwarze  Franconote  geheissen).  Sie  empfahl  sich  als 
selbst  in  einiger  Entfernung  gut  lesbar  und  war  dadurch  auch 
hervorgerufen,  dass  wegen  Bestimmtheit  der  Notenschrift  man 
die  Gesänge  nicht  mehr  aus  dem  Gedächtnisse,  sonderii  gleich 
aus  dem  Buche,  in  das  mehrere  zugleich  sahen  mussten,  absang. 

Job.  de  Muris  sagt,  dass  die  Deutschen  für  die  Choral- 
gesänge, wenigstens  an  Säkularkirchen,  bis  auf  seine  Zeit  herab 
mit  nicht  quadratischen  Zeichen  notieren  und  die  Linien  C  und 
F  mit  Farben  auszeichnen;  in  den  gallikanischen,  sowohl  Säku- 
lar- als  auch  Regularkirchen  bediene  man  sich  der  quadratischen 
Noten,  wie  sie  in  der  Mensuralmusik  in  Übung  sind,  und  welche 
sich  praktischer  erweisen.    (Couss.  II,  311.) 

Die  quadratische  schwarze  Note  hat  sich  in  drei  Formen: 
■  ■  ♦,  nebst  den  Ligaturen  und  Obliquitäten  (notae,  figurae  sim- 
plices  et  compositae,  auch  punctus  oder  punctum  nannte  man 
die  Noten)  für  die  Bücher  des  römischen  Chorals  bis  auf  den 
heutigen  Tag  erhalten  (s.  Choral). 

Mit  der  Entwickelung  der  Musik  schritt  auch  die  Tonsohrift 
zu  weiterer  Ausbildung  vor.  Beim  einfachen  Organum  genügte 
es  noch,    den  Ton   einfach   zu   kennen,    für  den  kunstreicheren 


Noten.  219 

Discantus  (XII.  Jahrh.)  jedoch  stellte  sich  ein  weiteres  Be- 
dürfnis ein.  Da  der  Diskantierende  oft  über  einer  Note  des 
Tenors  oder  Cantus  firmus  mehrere  Tone  zu  singen  hatte,  so 
musste  bei  den  geschriebenen  Diskanten  dem  Tenorsänger  doch 
bekannt  werden,  wie  lange  er  seinen  Ton  anzuhalten  habe,  um 
an  den  gehörigen  Stellen  mit  dem  Diskante  in  Konsonanzen  zu- 
sammenzutrefifen ;  man  bildete  nun  zu  diesem  Zwecke  die  Noten 
und  suchte  durch  gewisse  Formen  die  bestimmte  Geltung  anzu- 
zeigen. Zu  Francos  Zeiten  hatte  die  Mensuralmusik  folgende 
Notenforaien  mit  verschiedener  Geltung  aufgestellt:  ■■  maxima,. 
•■  longa,  ■  brevis,  ♦  semibrevis.  Gegen  das  Ende  des  XIV.  Jahrh. 
machte  man  weisse  Notenköpfe  statt  der  schwarzen,  welche 
noch  einige  Zeit  neben  den  ersteren  verblieben  und  als  notae 
coloratae  dem  Sänger  andeuteten ,  dass  er'  sie  imperfect 
d.  h.  zweizeitig  zu  nehmen  habe.  Man  fügte  für  raschere  Ton- 
schritte  noch  Unterabteilungen   hinzu,   so   dass   im  XVI.  Jahrh. 

folgende   Notenskala   allgemein  gültig  war:     |ZZ    maxima,    Q 
longa,    l3    brevis,  ♦  semibrevis,  ,  minima,  t  semiminima,  t  fusa 


und  i/  semifusa.     Untermischt    wurden   oft    noch    die    schwarze 

brevis  und  semibrevis  unter  dem  Namen  Hemiole,  als  um  den 
dritten  oder  vierten  Teil  verkürzte  Noten. 

Nachträglich  ist  noch  zu  bemerken,  dass  die  Neumen  für 
die  einfachen  Choräle  sich  erst  in  Formen  umgestalteten,  welche 
Tinotoris  wegen  ihre^  Ähnlichkeit  mit  Fliegenfüssen  „pedes. 
muscanmi^  nennt,  und  fernerhin  im  gothischen  Zeitalter,  wo 
auch  die  Schrift  e.ckig  (gothisch,  Fraktur)  und  dick  auftritt,  zu 
quadratischen  Köpfen  mit  fast  gleich  dicken  Stielen  wurden  — 
von  W.  Ambros  Nagel-  und  Hufeisensohrift  geheissen  — y 
welche  in  geschriebenen  Choralbüchern  noch  im  XVIL  Jahrh., 
in  Druckwerken  mit  geringen  Einschränkungen  hin  und  wieder 
(z.  B.  in  Kölnischen  Choralwerken)  bis  zur  neueren  ■  Zeit  sich, 
findet. 

Von  Mitte  des  XVI.  Jahrh.  an,  als  man  die  Subtilitäten 
des  Mensuralsystems  verliess,  wurde  auch  die  Notierung  ein- 
facher, d.  h.  verblieb  ganz  bei  den  weissen  Noten  una  ihren 
Unterabteilungen;  im  Drucke  behielt  man  die  eckige  Gestalt  bis- 
zum  Anfange  des  XVIII.  Jahrh.  bei,  für  die  Handschriften  aber 
machte  sich  die  runde  Form  (Nulle  mit  Stiel)  als  die  leichter 
auszuführende  schon  zu  Ende  des  XVL  Jahrh.  mehr  geltend. 
Das  war  noch  eigentümlich,  dass  man  damals  die  Achtel-  und 
Sechzehntelnoten,  welche  über  einer  Sübe  oder  als  gebunden  vor- 
zutragen waren,  noch  nicht  mit  einem  (oder  zwei)  dicken  Striche 
verband,  sondern .  einzeln  mit  der  zugehörigen  Fahne  versehen^ 
nebeneinander  setzte. 

Seit  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  hat  sich  die  Noten- 
(dnick)sohi*ift  zu  einem  hohen  Grade  von  Vollkommenheit  und 
Schönheit  erschwungen,  wie  die  Drucksachen  aus  den  ersten 
Offizinen  zeigen  (s.  Notendruck). 

Ich  muss  es  mir  versagen,  Beispiele  von  Notenschriften 
aus   den  früheren  Jahrhunderten  anzuführen   und   verweise  des- 


220  Notendruck  —  Notenschrift. 

halb  auf  Gerbert,  „De  Cantu**,  IL,   Ambros,  „Geschichte  der  Mu- 
sik", IL,  Bellermann  u.  a. 

Notendruck.  Viele  Jahrzehnte  vergingen,  bis  man  auf 
den  Gedanken  kam,  die  neue  Erfindung  der  Buohdruckerkunst 
für  Musikwerke  zu  benützen.  Erst  in  den  Jahren  1473,  1474  und 
1475  erscheinen  Notendrücke  durch  Antonium  Zarotum  Par- 
mensem  zu  Mailand.  Das  -Diffinitorium  Tinctoris**  1483  ist 
wohl  das  erste  gedruckte  musikalische  (theoretische)  Werk,  hat 
aber  noch  keine  Noten;  das  von  Hugo  von  Reutlingen  „Flores 
musicae"  1488  hat  schon  Noten,  aber  noch  keine  Figuralnoten. 
In  vielen  Messbüchern  dieser  Zeit  findet  man  bloss  die  Noten- 
linien eingedruckt,  die  Noten  wurden  erst  mit  der  Hand  einge- 
schrieben. Die  ältesten  Figuralnoten  finden  sich  in  Gafors 
«Practica  utriusque  cantus"  (1496  schon  die  zweite  Ausgabe).  Die 
Notentypen  scheinen  aus  Holz  geschnitten  zu  sein,  wie  man 
sich  überhaupt,  nachdem  man  von  den  Holzplatten,  in  welche 
ganze  Musiksätze  eingegraben  waren,  abgegangen  war,  anfang- 
Bch  nur  der  Typen  von  Holz  bediente.  Sobald  dies  gelungen 
war  (Anfang  des  XVL  Jahrb.),  verbreitete  sich  der  Notentypen - 
druck  schnell  in  Deutschland,  Frankreich,  Italien  und  den  Nieder- 
landen. Um  1500  begann  der  Druck  mit  gegossenen  Lettern, 
doch  anfanglich  immer  noch  so,  dass  man  zuerst  die  Linien  und 
<iann  die  Noten  dioickte.  Ottavio  Petrucci  von  Fossom- 
brone  wird  als  der  Erfinder  der  metallenen  Notentypen  genannt. 
Aus  seiner  Buchdruckerei  zu  Venedig  ging  als  erstes  derartiges 
Werk  1502  eine  Sammlung  von  Motetten  nervor,  welcher  1503 
einige  Messen  von  Pierre  de  la  Rue  und  bis  1511  eine  grosse 
Menge  anderer  Tonwerke  folgten.  1498  hatte  er  vom  Senate  der 
Republik  für  seine  Erfindung  ein  Privüegium  auf  20  Jahre  er- 
halten. Seine  Werke  sind  äusserst  accurat  und  sauber  geai^ 
beitet.  Auch  Peter  Schöfer  tritt  1512  zu  Worms  mit  einem 
praktischen  Notenwerke  hervor,  nachdem  schon  1511  zu  Mainz 
gedi'uckte  Tabulaturen  erschienen  waren.  Vgl.  „Ottavio  dei  Pe- 
trucci de  Fossombrone,  der  erste  Erfinder  des  Musiknotendruckes. 
Von  W.  Schmid,  Kustos  der  k.  k.  Hofbibliothek,  Wien  1845«, 
worin  aber  die  „Stella  musica  von  Bild",  1508  gedruckt  von  Eglin, 
unrichtig  als  Metall-  statt  Holztypendruck  angeführt  ist. 

Nach  Ablauf  dieser  Zeit  findet  man  diese  Notendruckweise 
allenthalben  eingeführt  und  1532  erscheinen  in  Deutschland  schon 
AUS  mehreren  Offizinen  musikalische  Werke  ganz  schön  und 
scharf  gedruckt.  Doch  sank  diese  Kunst  wieder  von  ihrer  Höhe 
Jierab,  Dis  Breitkopf  in  Leipzig  1755  sie  zu  einem  so  hohen 
Grade  der  Vollkommenheit  brachte,  dass  er  eigentlich  als  Neu- 
-erfinder  derselben  angesehen  werden  kann.  Ei  neuester  Zeit 
gewinnt  der  Notentypendruck  wieder  neuen  Aufschwung  und 
wird  darin  das  Höchstmögliche  geleistet.  Tauchnitz  in  Leip- 
zig war  der  erste,  welcher  die  Stereotypie  für  den  Notendruck 
beizo^.  Gegenwärtig  wendet  man  indes  hauptsächlich  den  Stich 
Äuf  Zinkpiatten  an,  ebenso  die  Lithographie,  welche,  eine 
Erfindung  Sennefelders,  von  Fr.  Gleissner  in  Verbindung  mit  dem 
Musikalienhändler  Falter  in  München  1798  zum  erstenmal  für 
<ien  Notendruck  verwendet  wurde. 

Notenschrift,  s.  Noten. 


Notensystem  —  Oboe.  221 

Notensystem  nennen  wir  den  Inbegriff  aller  Zeichen,  mit- 
tels derer  die  Töne  nach  Höhe  und  Tiefe,  ihre  Geltunff,  ihre  be- 
stimmten oder  unbestimmten  Verlängerungen  und  Verkürzungen 
(Punkte,  Legato,  Tenuto,  Ruhezeichen,  Stacoato)  und  Unter- 
brechungen (rause,  Halt)  notiert  werden,  also:  das  Liniensystem,^ 
die  Noten,  ErhöhuMs-  und  Erniedrigungszeichen,  Schlüssel  und 
Bezeichnimgen  der  Taktarten,  die  Gfeltungszeichen  für  Ton  und 
Pause  ^  auch  die  Künstwörter  und  ihre  Abbreviaturen  u.  dgL 
Wie  dieses  Notensystem  von  der  Neumenzeit  an  durch  die  Periode 
der  Mensuralmusik  und  der  neueren  Musik  bis  jetzt  sichentwickelte^ 
ist  in  den  verschiedenen  betreffenden  Artikeln  weiter  ausgeführt. 

Notenzeiger,  s.  Kustos. 

Note  sensible  (franz.),  der  Leitton. 

Novene,  s.  Advent. 


O. 


O,  1)  (ital.)  =  oder;  2)  0  als  Kreis,  bezeichnete  in  der 
Mensuralmusik  (s,  d.)  das  Tempus  perfectum  an,  wobei  die  Brevis 
di-ei  Semibreves  galt;  3)  die  sogenannten  „grossen  0",  d.  h.  die 
Antiphonen,  welche  in  den  letzten  sieben  Tagen  vor  dem  hei- 
ligen Weihnachtsfeste  nach  dem  römischen  Breviere  zum  Magni- 
fitat  zu  singen  sind  (s.  Advent  u.  Antiphon). 

Oberdominante,  die  fünfte  Stufe  der  Tonart,  —  Oberdo- 
minanten-Accord,  der  auf  dieser  Stufe  gebaute  gi'osse  Dreiklang. 

Ol^erstimme,  die  höchste  Stimme  eines  mehrstimmigen 
Satzes,  welche  in  der  neueren  Musik  gewöhnlich  auch  die  melodie- 
führende  ist, 

Obertöne,  s.  Akustik. 

Oberwerk,  s.  Manual. 

Obligat  (verbunden,  verpflichtet),  ital.  obligato,  bezieht 
sich  in  der  Musik  auf  solche  Stimmen  oder  Instrumente,  welche 
als  ein  notwendiger  Teil  des  Satzes,  sei  es  auch  nur  an  einzel- 
nen Stellen,  nicht  willkürhch  weggelassen  werden  können;  sind 
sie  nicht  unumgänglich  notwendig,  so  dass  das  Tonstück  durch 
ihren  Mangel  nichts  oder  wenigstens  im  Wesen  nichts  verliert^ 
dass  sie  also  nur  reine  Füllstimmen  sind,  so  bezeichnet  man  dies 
mit  „ad  libitum*',  „nach  Belieben **. 

Obliqmis  (lat.),  schief;  motus  obliquus,  Seitenbewegung 
(s.  Bewegung);  nota  obliqua,  s.  Choral.  —  Auch  die  Men- 
suralmusik bediente  sich  als  Ligaturen  der  notae  obliouae. 

Oboe,  ital.  Oboe,  franz.  Hautbois.  Dies  bekannte  In- 
strument entstand  aus  der  Schalmei  und  war  schon  in  der  Mitte 
des  XVII.  Jahrb.  gebräuchlich.  Wegen  seines  durchdringenden 
Tone&  gebrauchte  man  es  anfangs  nur  hei  der  Militärmusik^ 
woher  der  Name  für  das  militärische  Musikcorps  „Hautboisten** 
stammt.  Bald  wurde  es  verbessert  und  erschien  zuletzt  als  un- 
entbehrhches  Orchesterinstrument,  da  es  zu  Glanz  und  Frische 
der  Färbung  überhaupt,  wie  zu  feinen  und  pikanten  Mischungen 


222  Occursus  —  Officium. 

im  besondern,  in  Verbindung  mit  anderen  Instrumenten  sehr 
viel  beiträgt.  Die  Oboe  wird  gewöhnlich  aus  Buchsbaum,  auch 
aus  Ebenholz  gefertigt  und  besteht  —  21  Zoll  lang  —  aus  einem 
Kopfstück,  einem  Mittelstück  und  aus  der  Stürze.  In  die  oberste 
Oflmung  des  Kopfstückes  wird  das  Rohr  gesteckt,  welches 
eigentlich  das  Hauptorgan  ist  zur  Hervorbrmgung  des  Tones 
durch  die  eingeblasene  Luft,  die  es  in  zitternde  Bewegung  setzt. 
^ur  Ermöglichung  jeder  Stimmung  hat  man  ein  zweites  Kopf- 
stück imd  Mittelstück;  neuere  Instrumente  haben  nur  ein  Kopf- 
stück, aber  mit  eigentümlicher  Vorrichtung  zum  Ausziehen.  Der 
Tonlöcher  sind  wenigstens  acht,  Klappen  hat  es  mehrere  (13), 
und  sein  Umfang  reicht  vom  kleinen  h  bis  zum  dreigestrichen^n 
f  oder  a  durch  alle  chromatischen  Töne.  Am  angenehmsten 
sind  die  mittleren  Töne,  die  tiefsten  sind  etwas  breit  und  blockend, 
die  höchsten  scharf  und  schneidend;  auch  Staccato  macht  sich 
nicht  gut.  —  Früher  hatte  man  mehrere  Oboen,  z.  B.  Bass-Oboe, 
aus  welcher  das  Fagott  entstand. 

Occursus  (lat.,  „die  Begegnung")  nennt  Guido  im  Orga- 
num die  Führung  zweier  Stimmen  ourch  Gegenbewegung  zum 
Einklang. 

Ochettus,  auch  Hocetus,  Hoquetum,  ital.  Ochetto, 
franz.  Hoquet,  „Schluchzer*^,  war  eine  im  Discantus  sehr  be- 
Uebte  Satzmanier,  nach  welcher  der  Sänger  einzelne,  durch  kurze 
Pausen  unterbrochene,  kurz  abgestossene  Töne  hören  liess,  die 
an  die  abgebrochenen  Laute  des  Schluchzens  erinnerten  und 
daher  ihren  Namen  hatten.  Dufay  und  seine  Zeitgenossen  ge- 
hrauchen eigentlich  den  Ochettus  nicht  mehr;  doch  finden  sich 
leise  Anklänge  und  Abarten  noch  später. 

Offertorium  ist  derjenige  Hauptteil  der  heiligen  Messe, 
wo  Brot  und  Wein,  welche  zur  Konsekration  bestimmt  sind, 
vom  Priester  Gott  dargebracht  und  unter  bestimmten  Gebeten 
aufgeopfert  werden.  In  den  ältesten  Zeiten  der  Kirche  brachten 
die  Gläubigen  selbst  diese  Opfergab,en  und  legten  sie  auf  den 
Altar,  sowie  auch  die  ganze  Gemeinde  bei  dem  Gottesdienste  die 
Kommunion  mit  dem  Priester  feierte.  Unterdessen  sang  der 
Ohor  einen ^salm  mit  Antiphon,  welcher  später,  da  die  Gläu- 
bigen nicht  mehr  Brot  una  Wein  darbrachten  und  die  Opferung 
wenig  Zeit  in  Anspruch  nahm,  auf  einen  einzigen  Psalmvers^ 
reduciert  wurde,  weicher  Vers  als  „Offertorium"  in  den  Missalien 
bezeichnet  ist.  Im  Mittelalter  wurde  an  Festtagen  in  wechsel- 
weisem Gesänge  eine  Antiphon  in  feierlich  gedehnter,  auch  mit 
vielen  Neumen  und  Jubilen  geschmückter  Weise  gesungen  und 
mit  einem  Psalme  verbunden,  an  dessen  Schlüsse  die  Antiphon 
nochmal  ertönte.  —  Da  für  jede  Messe  das  Offertorium  vorge- 
schrieben ist,  hat  sich  der  Chor  danach  zu  richten,  und  immer 
diesen  Text  zu  singen. 

Offleinm  (lat.),  bedeutet  überhaiipt  eine  Pflicht,  eine  Ob- 
liegenheit und  ist  in  der  katholischen  Sprachweise  der  stehende 
Ausdruck  für  die  dem  Herrn  und  Gott  darzubringende  Anbetung : 
Officium  divinum,  der  Gottesdienst,  sowohl  das  heilige  Mess- 
opfer als  das  Gebet,  das  der  Priester  darzubringen  hat.  Doch 
wird  unter  Officium  gewöhnlich  nur  das  Breviergebet  —  Offi- 
cium  nocturnum   et   diurnum,    die   zur  Nachtzeit   und   am 


Officium  defunctorum  —  Oktav.  223 

Tage  zu  entrichtenden  Hören  —  verstanden  (s.  horae  canoni- 
cae).  —  Officium  defunctorum  ist  das  Gebet,  welches  von 
der  katholischen  Kirche  für  die  Abgestorbenen  öffentlich  abge- 
halten vrird.  Es  besteht  aus  .der  Vesper  mit  fünf  Antiphonen, 
fünf  Psalmen,  Versikel  und  Responsormm,  dann  einer  Antiphon 
imd  dem  Magnifikat,  worauf  die  treffenden  Preoes  (Ps.  „Lauda 
anima"  etc.)  und  Orationen  folgen;  ferners  aus  der  Matutin 
von  drei  Nokturnen.  Mit  Hinweglassung  der  gewöhnlichen  Ein- 
gangsformel „Dens  in  adjutorium*'  beginnt  sogleich  das  Invita- 
torium  mit  dem  94.  Psalme,  woran  sich  die  drei  Antiphonen  und 
Psalmen  u.  dgl.,  wie  beim  gewöhnlichen  Breviergebete  anschlies- 
sen.  Versikel  und  Responsorium  haben  ihren  eigenen  Fall.  Die 
Lektionen,  welche  ohne  Benediktion  angefangen  und  im  gewöhn- 
lichen Lektionenton  gesungen  werden,  entbehren  des  Schlussfalles 
und  des  „Tu  autem  Domme",  und  es  folgt  allsogleich  das  Re- 
sponsorium. So  durchläuft  es  die  drei  Nokturnen;  nieran  schlies- 
sen  sich  die  Landes,  wie  sie  in  jedem  Breviere  enthalten  sind. 
Die  Vesper  pro  defunctis  wird  am  Allerseelentage  und 
ausser    den  im  Brevier  bezeichneten  Monatstagen  auch  am  Be- 

fräbnisvorabende  und  am  Jahrtage  (anniversarium)  gebetet.  Das 
nvitatorium  und  drei  Nokturnen  werden  gesungen:  am 
Allerseelentage,  am  Begräbnis-  und  Jahrtage  und  am  3.,  7.  und  30. 
Werden  die  drei  Nokturnen  nicht  gesungen,  so  fällt  auch  das 
Invitatprium  weg;  soll  am  Begräbnistage  nur  ein  Nokturn 
(ex  iiationabili  causa)  gesungen  werden,  so  wird  immer  der  erste 
genommen,  samt  dem  Invitatorium.  Dupliciert  werden  die 
Antiphonen  am  Allerseelentage,  Begräbnistage,  dem  Dritten,  Sie- 
benten und  Dreissigsten  und  am  Janrtage,  auch  wenn  nur  ein 
Nokturn  statthat.  Die  zu  den  Preces  in  der  Vesper  und  in  den 
Landes  gehörenden  Psalmen  „Lauda  anima"  und  „De  profundis*' 
fallen  nur  am  Allerseelen-  und  am  Begräbnistage  aus.  —  Der 
Gesangton 'ist  bezüglich  der  Psalmen  immer  der  Ferialton,  d.  h. 
der  Psalm  wird  ohne   Initium   und  mit   der  ferialen  Mediatio 

fesungen,  selbst  wenn  die  Antiphonen  dupliciert,  d.  h.  auch  vor 
en  Psalmen  ganz  gesungen  werden.  Nach  den  Antiphonarien 
von  1630,  1669  und  1683  werden  im  Officium  defunctorum  die 
Cantica  „Magnificat*'  und  Benedictus*^  feierlich  intoniert  und  zu 
Ende  gesungen.  Dass  die  ganze  Tonlage  des  Gesanges  tiefer  zu 
halten  ist,  braucht  nicht  erwähnt  zu  werden. 

Officium  defunctorum  (abgekürzt  Offic:  deff.),  s.  Officium. 

Oktav,  1)  der  achte  Ton  aer  Tonleiter,  welcher  mit  dem 
ersten  gleichnamig  ist  und  eigentlich  nur  eine  Wiederholung  des 
ersten  Tones  in  emer  anderen  Höhenlage  ist.  Während  man  vor 
dem  X.  Jahrh.  keinen  Unterschied  in  der  Bezeichnung  der  Oktav- 
töne gemacht  zu  haben  scheint,  da  in  vielen  Manuskripten  das 
sogenannte  durchgehende  Alphabet  (von  A  bis  P  oder  auch  Z) 
angewendet  und  die  Oktav  von  A,  B,  C  .  .  .  mit  H,  J,  K  .  .  . 
bezeichnet  ist  (Mskr.  von  Montpellier,  Gerb.  Sc.  I,  150,  331  u.  s.  w.), 
lehrt  Odo  (im  X.  Jahrh.)  die  Oktav  mit  den  nämlichen,  aber 
kleinen  Buchstaben  zu  schreiben,  A — a,  C— c,  D— d.  .  .  .    Guido 

wendet  für  die  zweite  Oktav  Doppelbuchstaben  an :  A — a — ^  u.  s.  w., 

a 

um  dadurch  anzudeuten,  dass  ein  Oktavton  bloss  die  Wiederholung 


224  Oktavenparallelen  —.Oratio. 

eines  ersteren  tieferen  Tones  sei,  nur  in  einer  höheren  Laee. 
2)  Das  Intervall  von  einem  ersten  zu  einem  um  acht  Stufen  der 
natürlichen  diatonischen  Tonreihe  entfernten  Tone.  Der  grie* 
chische  Name  dafür  ist  Diapason,  d.  h.  durch  alle  (Töne)  una  ihr 
Verhältnis  ist  1  :  2,  das  der  Doppeloktav  1  :  4  Das  Oktavinter- 
vall ist  die  vollkommenste  Konsonanz,  und  mittelalterliche  Theo- 
retiker weisen  sie  in  die  Reihe  der  zusanunengesetzten  Kon- 
sonanzen, weil  sie  die  einfachen  Konsonanzen,  Quart  und  Quint^ 
in  sich  schliesst  und  aus  der  Zusammensetzung  beider  sicn  er- 
gibt. 3)  Ein  Orgelregister,  im  Manual  8S  4t  und  2*  mit  Prinzipal- 
mensur und  Prinzipgdstärke;  im  Pedal,  Oktavbass,  16^,  8'  und  At 
von  Holz,  offene,  kräftige  Pedalstimme  von  Prinzipalmensur  und 
grosser  Tonfülle.  4)  Im  kirchlichen  Sprachgebrauche  bedeutet 
Oktave  einen  Zeitraum  von  acht  Tagen,  während  welcher  die 
Nachfeier  der  grossen  Feste  des  Kircnenjahres  begangen  wird. 
Auch  das  Alte  Testament  kennt  schon  solche  Oktaven.  Die 
Tage  während  der  Oktave  werden  bezeichnet  als  „dies  infra 
octavam",  der  achte  Tag  als  „dies  octava".  Die  Oktav  hat  beson- 
ders das  Eigentümliche,  dass,  wenn  ein  anderes  Fest  in  die 
Oktav  fällt,  sofern  es  nicht  duplex  I.  oder  IL  classis  ist,  das 
Hauptfest  in  der  Vesper  und  in  den  Landes  commemoriert  wird 
(com.  oct.),  und  wenn  letzteres  eine  eigene  Melodie  für  Gloria, 
Ite  missa  oder  Benedicamus  hat  oder  eine  eigene  Präfation,  diese 
während  der  Oktave  zur  Anwendung  kommen,  ausgenommen, 
wenn  das  zutreffende  Fest  eine  eigene  Präfation  oder  eigenes 
Gloria  u.  s.  w.,  wie  z.  B.  ein  Marieniest,  hätte. 

Oktavenparallelen,  s.  Parallelen. 

Oratio,  Gebet.  Obwohl  in  der  Liturgie  fast  alles  G^bet 
ist,  so  sind  doch  einige  bestimmt  formulierte  und  mit  besonde- 
rem Schlüsse  versehene  Gebete  mit  diesem  Namen  vorzugsweise 
benannt.  In  der  heüigen  Messe  sind  drei  Orationen  ausgezeich- 
net hervorgehoben:  die  Collect  vor  der  Epistel,  die  Secret 
vor  der  Präfation  und  die  Postcommunio  vor  dem  Ite  missa 
est  etc.  Von  diesen  werden  nur  die  erste  und  dritte  gesungen, 
die  Secret  aber  stets  still  gebetet,  daher  ihr  Name.  Bei  allen 
liturgischen  Handlungen  ausser  der  Messe  nehmen  die  Orationen 
eine  oevorzugte  Stelle  ein  und  werden,  je  nach  der  Feierlichkeit, 
entweder  gesungen  oder  bloss  gesprochen.  Sie  haben  ihren 
eigjenen  Gesangsvortrag,  welcher  entweder  tonus  festivua 
(feierlich)  oder  tonus  ferialis  (gewöhnlich)  heisst.  Ersterer 
findet  statt  an  allen  Festen  dupl.,  semidupl.  und  an  den  Sonn- 
tagen, und  zwar  bei  der  heüigen  Messe,  bei  der  Matutin  und 
der  Vesper.  Er  besteht  darin,  dass  der  auf  einem  Tone  fort- 
schreitende Gesang  zwei  Veränderungen  macht,  die  erste  (pun- 
ctum principale)  beim  Strichpunkte  als  f  e  d  f;  die  zweite 
beim  Doppelpunkte  als  f  e ;  beide  wiederholen  sich  in  umgekehi^- 
ter  Ordnung  oei  der  längeren  Schlussformel.  Ist  die  Oration  sehr 
kurz,  80  mllt  das  zweite  Punktum  (:)  weg;  ebenso  wenn  die 
Sohlussformel  „Qui  vivis"  oder  -Oui  tecum"  angewendet  wird, 
findet  auch  nur  die  erstere  Modulation  statt.  Der  Tonus  fe- 
rialis wird  gesungen  an  allen  Festen  niederer  Ordnung,  als  die 
obengenannten,  heisst  auch  tonus  simplex  und  hat  gar  keine 
Modulation.     Eine    zweite   Art    desselben,    schlechtweg   tonus. 


y 


Oratorium.  225 

ferialis  genannt,  behält  auch  den  gleichen  Ton,  föUt  aber  beim 
letzten  Worte  der  Oration  und  der  Schlussformel,  welche  immer 
die  kurze  (»Per  Chr.  D.  N."  oder  „Qui  vivis  et  regnas  in  saecula 
saeculorum")  ist,  in  die  kleine  Ünterterz  (f  d)  ab.  —  Am  Kar- 
freitage werden  die  mit  „Oremus*'  beginnenden  neun  Orationen 
nach  einer  eigenen  Weise  gesungen,  welche  in  den  Messbüchern 
verzeichnet  ist.  (Mehr eres  s.  in  dem  „Magister  choralis"  von 
F.  X.  Haberl  [Regensburg.  Pustet],  wo  über  diesen  Gegenstand  voll- 
ständigste Anweisung  gegeben  ist.) 

Oratorinm  ist  jedes  musikalische  Drama  bedeutungsvollen, 

? gewöhnlich  biblischen  Inhaltes,  das  bloss  zur  musikalischen  Auf- 
ührung,  nicht  zur  theatralischen  Darstellung  bestimmt  ist.  Die 
Dichtung  hat  demnach  eine  Handlung  oder  Begebenheit  zu  brin- 
gen oder  sie  zu  vergegenwärtigen,  was  teüs  durch  zur  Handlung 
fehörige  Personen,  teils  durch  erzählende  Personen,  teils  durch 
en  Chor  als  den  Repräsentanten  der  Gefühle  und  Reflexionen 
einer  ganzen  Gemeinoe  oder  einer  Masse  von  Individuen  ge- 
schieht. Die  Bestandteile  des  Oratoriums  sind  daher  Recitative, 
Arien,  Duetten,  Terzetten,  Quartetten  und  Chöre,  denen  sich  die 
Instrumente  als  weitere  Ausdrucks-  und  Färbungsmittel  beige- 
sellen. Vorbereitet  war  es  teils  durch  Lieder  und  abwechselnde 
Chöre  der  christlichen  Pilger,  welche  in  den  Zeiten  der  Kreuz- 
züge auf  ihren  Wallfahrten  das  Leben  und  den  Tod  des  Erlösers, 
das  jüngste  Gericht  und  andere  christlich-religiöse  Gegenstände 
öffentlicn  absangen;  teüs  durch  die  Mysterien  oder  geistlichen 
Schauspiele,  deren  älteste  Spuren  sich  bis  ins  XI.  Jahrh.  verfol- 

fen  lassen,  und  welche  an  d^n  hohen  Festtagen  Scenen  aus  der 
eüigen  Geschichte,  hauptsächlich  der  Passion,  Auferstehung  und 
Wiederkunft  Christi  darstellten  und  dem  Volke  eine  sehr  ein- 
dringliche Predigt  und  Erinnerung  an  die  grössten  Geheimnisse 
waren.  Doch  auch  im  IX.  und  X.  Jahrh.  finden  wir  dergleichen 
in  den  Kirchen  selbst,  mit  der  heüigen  Messfeier  verbunden,  so 
z.  B.  war  von  den  Klerikern  und  Chorknaben  der  Besuch  der 
heiligen  Frauen  am  Grabe  dramatisch  vorgestellt;  die  Sequenz 
„Victimae  paschali^  ist  dies  kleine  Drama.  Mehreres  hierüber 
erzählt  Schubiger  in  seiner  „Sängerschule  von  St.  Gallen".  Das 
dramatische  Element  war  durchs  ganze  Mittelalter  mit  der  gottes- 
dienstlichen Feier  verbunden.  Und  hierin  finden  wir  einen 
hauptsächlichen  Vorläufer  der  Oratorien.  Die  nähere  Veranlas- 
sung zu  denselben  gab  der  heil.  PhüippNerius  um  1560,  welcher 
Begebenheiten  aus  der  biblischen  Geschichte  unter  Begleitung 
der  Musik  in  seinen  Bet-  und  Lehrstunden  absingen  und  vor- 
tragen liess,  und  welche  musikalischen  Darstellungen  von  der 
Gelegenheit,  wozu  sie  aufgeführt  wurden,  den  Namen  „Oratorien" 
erhielten.  Anfänglich  Messen  sie  „Laudi  spirituali"  (s.  Neri). 
Im  folgenden  Jahrhunderte  erhielt  das  Oratorium  eine  bessere 
Form  und  mehr  Mannigfaltigkeit.  Die  grösste  Ausbüdung  erhielt 
es  durch  die  Deutschen;  Händel  hat  dieser  Kunstgattung  den 
Charakter  der  Grossartigkeit  verliehen ,  und  er  steht  noch  neute 
unübertroffen  und  allbewundert  da.  In  den  katholischen  Kirchen 
hat  das  Oratoriiun  keinen  Platz  gefunden,  ausser  dass  hie  und 
da  am  Karfreitage  Passionsmusiken,   Oratorien,   welche  Scenen 

Koi-nmüller,  Iiexikon.  15 


226  Orchester  —  Orgel. 

aus  dem  Leiden  und  Sterben  des  göttlichen  Heilandes  darstell- 
ten, mit  vollständig  privatem  Charakter  ausgeführt  werden, 

Orchester  —  im  Altertume  der  Raum  vor  der  Bühne  bis 
zu  den  Sitzen  der  Zuschauer  so  genannt,  —  bezeichnet  heute 
1)  den  inl  Schauspielhause  vor  der  Scene  befindlichen,  für  die 
Musiker  bestimmten  Raum,  von  woher  man  diesen  Namen  2)  auch 
auf  das  ganze  beim  Theater  beschäftigte  Musikpiersonal  ausser 
den  spielenden  Sängern  übertrug.  Und  so  benennt  man  3)  auch 
die  Gesamtheit  der  in  der  Konzert-,  Opern-  oder  Kirchenmusik 
gebräuchlichen  Streich-  und  Blasinstrumente. 

Organist  wird  diejenige  Person  genannt,  welche  die  Orgel 
beim  Gottesdienste  zu  spielen  hat;  im  XII.  und  XIII.  Jahrh.  wur- 
den die  Diskantatoren  und  Harmonisten  „Organistae"  genannt. 

Organe,  ital.  Name  der  Orgel;  Pleno  organo  =  mit 
voller  Orgel,  d.  h.  das  Orgelstück  oder  ein  Teil  desselben,  dem 
diese  Worte  beigesetzt  sind,  soll  mit  Anwendung  aller  Register 
gespielt  werden. 

Organum,  1)  lateinischer  Name  der  Orgel.  Eigentlich  heisst 
das  Wort  ein  Werkzeug,  und  man  verstand  früher  unter  Organa 
alle  Musikinstrumente;  deshalb  ward  die  Orgel  zuerst  Organum 
hjdraulion  genannt  und  erst  später  kam  ihr  ausschliesslich  der 
emfache  Name  Organum  zu.  z)  Unter  Organum  wird  dann 
auch  die  erste  Art  mehrstimmigen  Gesanges  verstanden,  wie  sie 
zuerst  von  Hucbald  (X.  Jahrh.)  gelehrt  wurde;  es  begleiteten 
dabei  eine  oder  mehrere  Stimmen  die  Hauptmelodie  (vox  prin- 
cipalis)  in  Quinten,  Quarten  oder  Oktaven.  Diese  Parallelbewe- 
gung fand  nur  dann  eine  Unterbrechung,  wenn  ein  Tritonus  zu 
vermeiden  war,  wobei  die  zweite  Stimme^-  auf  c  .oder  f  liegen 
blieb.  Guido  behandelte  im  zweistimmigen  Organum  die  beglei- 
tende Stimme  schon  etwas  freier;  er  zog  das  Quartenorganum 
den  anderen  vor,  mischte  auch  Terzen  und  Sekunden  em  und 
führte  die  beiden  Stimmen  bei  den  Abschnitten  in  den  Einklang 
zusammen.  Bald  entwickelte  sich  hieraus  der  Discantus  (s.  d.), 
wobei  die  zweite  Stimme  sich  bald  auch  nicht  mehr  begnügte, 
eine  Note  gegen  eine  Note  der  Hauptmelodie  zu  singen,  sondern 
zwei  und  mehrere  Noten  ausführte,  was  dann  wieder  zur  Men- 
suralmusik den  Weg  bahnte.  Dass.  aber  das  schlichte  Parallel- 
organum  noch  im  XlV.  Jahrh.  in  Übung  war,  darüber,  belehrt 
uns  der  Traktat  des  Elias  Salomon  (Gerb.  III.  57).  Übrigens 
wurden  auch  unter  dem  Namen  Organum  im  allgemeinen  alle 
mensurierten  Kirchengesangsformen  verstanden,  wie  Franco  sagt : 
„Communiter  vero   Organum   quilibet   cantus  ecclesiasticus  tem- 

Eore  mensuratus"  (Gab.  III.  2).   (Vgl.  Kirchenmusikalisches  Jahr- 
uch  von  Dr.  F.  X.  Haberl,  1891.) 

Orgel,  Organo,  Organum,  franz.  Orgue,  —  dieses  gross- 
artigste und  harmoniereichste  unter  allen  Instrumenten,  welches 
vor  allen  übrigen  allein  am  würdigsten  erachtet  wurde,  seine 
Tonfülle  im  Hause  Gottes  ausströmen  zu  lassen,  hat  seine  älteste 
Geschichte  in  ziemliches  Dunkel  gehüllt.  Eine  allgemeine  An- 
nahme leitet  ihren  Ursprung  von  der  Hirtenflöte,  syrinx,  her; 
man  durfte  die  Luft  nur  auf  andere  Weise  als  mit  den  Lippen 
zuführen;  dies  kostete  aber  den  Weg  langer  Bemühungen.  Man 
wendete  neben  der  Luft  als  Ton-  resp.  Wind  erzeugendes  Element 


Orgel.  227 

das  Wasser  an  und  hatte  dann  oi-gana  hvdraulica,  Wasser- 
orgeln, welche  im  IL  Jahrh.  v.  Chr.  in  Älexandrien  erfunden 
wurden  und  auf  dem  Gesetzte  des  Heronsballes  beruhten.  Nach 
Heron  sollen  sie  eine  Erfindung  des  Ktesibios  und  nach  Sueton 
ein  Lieblingsinstrument  Neros  gewesen  sein,  auf  welches  Julian 
der  Apostat  ein  Epigramm  verfasst  hat,  worin  er  sagt,  dass  me- 
tallene hohle  Pfeifen  durch  Luft -tönend  gemacht  werden;  der 
Spieler  fahre  rasch  mit  flüchtigeni  Finger  über  die  Tasten  und 
es  erscheinen  hinreissende  Melodien.  Wann  die  Windorgeln  in 
Gebrauch  kamen,  ist  nicht  bekannt.  Tertullian  redet  noch  vdn 
Wasserorgeln,  der  heil.  Augustin  aber  kennt  schon  Windorgeln. 
Er  spricht  sich  (Expos,  in  Ps.  57  und  150)  also  aus:  „Organa 
dicuntur  omnia  instrumenta  musicorum ;  non  solum  illud  Organum 
dicitur,  quod  grande  est  et  inflatur  follibus."  .  .  .  Cum  Organum 
vocabulum  graecum  sit,  omnibus  instrumentis  musicis  conveniens ; 
hoc  cui  fofles  adhibentur,  alio  Graeci  nomine  appellant.  Ut 
autem  Organum  dicatur,  magis  latina  et  ea  usitata  (et  vulgaris! 
est  cohsuetudo.**  Cassiodor  vergleicht  sie  einem  Turme,  aus 
Pfeifen  zusammengesetzt,  und  nebt  besonders  die  Stimmfülle 
^vox  copiosissima"  hervor:  er  spricht  von  hölzernen  Tasten  und 
von  der  Geschicklichkeit  der  Meister,  welche  so  volltönende  und 
süsse  Melodien  hervorzulocken  verstehen.  Nirgends  ist  übrigens 
hier  von  dem  Gebrauche  in  der  Kirche  die  Rede.  Man  meint, 
unter  Papst  Damasus  (366 — 384)  seien  die  Orgeln  in  die  kirch- 
lichen Versammlungen  eingeführt  worden;  ESirdinal  Bona  aber 
nimmt  das  VII.  Jahrb.,  die  Zeit  des  Papstes  Vitalian  (657—672) 
an.  In  Frankreich  kannte  man  sie  schon  im  V.  Jahrh.,  denn 
Claudius  Mammertus  (f  474)  gibt  die  Beschreibung  einer  Orgel, 
und  in  Arles  wurden  zwei  Sarkophage  aufgefunden,  aus  dem 
VI.  oder  Vn.  Jahrh.  stammend,  auf  denen  pneumatische  Orgeln 
abgebildet  sind.  Die  Aufmerksamkeit  wurde  auf  die  Orgeln  erst 
im  V III.  Jahrh.  gelenkt,  von  woher  sich  ihre  grössere  und  schnel- 
lere Verbreitung  datiert.  Der  byzantinische  Kaiser  Konstantin 
Kopronymus  sendete  757  eine  Orgel  dem  Majordomus  Pipin  dem 
Kurzen  zum  Geschenke  und  einige  Jahre  nachher  dem  Könige 
Karl  d.  Gr.  eine  von  grösserem  Umfange.  Erstere  wurde  in  der 
Kirche  St.  Corneille  zu  Compiegne,  letztere  in  der  Kirche  zu 
Aachen  aufgestellt;  von  ihr  rühmt  der  Mönch  von  St.  Gallen 
(lib.  II.  de  reb.  bell.  Caroli  M.  cap.  10),  dass  sie  den  Donner  in 
ihren  grossen  Pfeifen,  in  ihren  kleinen  die  Geschwätzigkeit  der 
Lyra  oder  den  süssen  Ton  einer  Cymbel  habe.  In  kurzer  Zeit 
war  das  Werk  nachgeahmt  und  in  weniger  als  zwei  Jahrhun- 
derten adoptierten  die  Kathedralen  und  grösseren  Kirchen  dies 
Instrument.  Walafrid  Strabo  schreibt  von  St.  Gallen  und  meh- 
reren Kirchen,  wo  sie  angewendet  wurden.  Dass  sie  erst  jetzt 
mehr  und  mehr  sich  verbreiteten,  mag  vielleicht  seinen  Grund 
darin  finden,  dass  etwa  diese  byzantinischen  Instrumente  voll- 
kommener als  die  alten  bekannten  waren,  wobei  überdies  der 
Eifer,  mit  dem  Karl  d.  (jr.  die  Kirchenmusik  behandelte,  auch 
nicht  ohne  Einfluss  geblieben  sein  mag.  Dies  wird  um  so  wahr- 
scheinlicher, wenn  wir  bemerken,  dass  dies  Instrument  vorzüg- 
lich in  den  der  Herrschaft  der  Franken  unterstehenden  oder  dem 
Frankenreiche  zunächst  liegenden  Ländern,   wie  England  (wel- 

15* 


228  Orgel. 

ches  im  X.  Jahrh.  zu  Winchester  schon  eine  Orgel  mit  40O 
Pfeifen  und  26  Blasbälgen  hatte,  zu  deren  Regierung  70  stark« 
Männer  nötig  waren),  seine  Verbreitung^fand ,  während  man  in 
Italien,  wo  die  Orgeln  doch  von  den  Kömerzeiten  auch  nicht 
unbekannt  waren,  vom  Orgelspiel  und  Orgelbau  wenig  wusste, 
so  dass  Papst  Johann  VIII.  an  den  Bischof  Arno  von  Freisinn 
schrieb,  er  solle  ihm  eine  Orgel  und  einen  des  Spieles  und  der 
Reparatur  dieses  Instrumentes  Kundiften  Mann  senaen.  Von  nun 
an  kam  die  Orgel  überall  in  Aufnahme,  so  dass  eine  Synode 
vowi  Jahre  1242  von  ihnen  spricht,  als  wären  sie  gewöhnlich  in 
den  Kirchen.  Doch  fand  sie  auch  ihre  Gegner  und  in  einigen 
Kirchen,  z.  B.  in  Lyon,  liess  man  sie  nicht  zu  bis  in  die  neueste 
Zeit ;  so  verschmähte « auch  die  sixtinische  Kapelle  deren  Gebrauch 
bis  auf  den  heutigen  Tag. 

Es  steht  fest,  dass  die  Orgel  .^as  ganze  Mittelalter  hinduroh 
ein  liturgisches  Instrument  war.  Über  ihre  fiüheste  Gestalt  imd 
Einrichtung  geben  manche  Schrift-  und  Bildhauerwerke  einigen 
Aufschluss.  Manuskripte  und  Skulpturen  zeigen  tragbare  Orpeln, 
welche  ein  und  derselbe  Musiker  mit  der  einen  Hand  spielte, 
während  er  mit  der  anderen  den  Blasbalg  handhabte.  Diese 
tragbaren  Orgeln,  Portative  geheissen,  auch  für  Prozessionen 
und  Umzüge  sehr  tauglich,  in  Deutschland,  Italien,  Frankreich 
und  den  Niederlanden  gebräuchlich,  erhielten  sich  in  unverän- 
dei"ter  Gestalt  bis  ins  äV.  Jahrh.  Bei  Agrikola  (1532)  und  Lus- 
cinus  (1536)  erscheint  das  Portativ  schon  zum  Positiv  ausge- 
bildet, einen  festen  Standpunkt  verlangend,  mit  zwei  Bälgen 
versehen,  imd  es  bedurfte  eines  eigenen  Kaikanten. 

Die  Orgel  war  lange  Zeit  ein  im  Tonumfange  beschränktes 
und  auch  plumpes  Instrument.  Doch  wenn  es  heisst,  dass  ihre 
Tasten  oft  vier  Zoll  breite,  schaufeiförmige,  von  einander  ab- 
stehende Klaves  gewesen  und  mit  Fäusten  ,jgeschlagen"  oder 
mit  den  Ellenbogen  niedergedrückt  worden  seien,  so  mag  dies 
nicht  allgemein  der  Fall  {gewesen  sein,  da  Hucbald  (X.  Jahrh.) 
von  den  Orgeln  (hydraulia)  Erwähnung  in  einer  Weise  thut, 
nach  welcher  man  annehmen  muss,  dass  sie  beim  Gesänge  ge- 
braucht wurden  oder  dass  auf  ihnen  allein  Choralmelodien  zur 
Aufführung  kamen.  Gleiches  kann  man  aus  dem  Traktate  Not- 
kers  (Gerb.  Sc.  I.  101)  schliessen.  Hätte  die  Orgel  bloss  zum 
Ton  angeben  gehört,  so  wäre  mit  wenigen  Pfeifen  gedient  ge- 
wesen; im  XI.  und  XII.  Jahrh.  hatte  man  aber  schon  Orgeln 
mit  anderthalb  oder  zwei  Alphabeten  oder  Oktaven,  meistens 
von  C,  aber  auch  von  A  anfangend,  kurz  mit  dem  Umfange  der 
menschlisch en  Stimme  8,  15  bis  21  Töne.  Überdies  waren  diese 
Orgeln  oft  mit  zwei,  di-ei  oder  mehreren  Chören,  d.  h.  Pfeifen- 
reihen versehen,  doch  hatten  die  Pfeifen  einer  Reihe  noch  den 
nämlichen  Durchmesser.  Der  Ton  war  allerdings  noch  schall- 
stark, dröhnend  und  ungleich,  wozu  dann  das  Getöse  der  Bälge 
kam,  welche,  noch  klein  und  oft  zahlreich,  mit  den  Händen  auf 
und  nieder  gedrückt  wurden.  Im  XIII.  Jahrh.  müssen  die  Orgeln 
schon  eine  bedeutende  Verbesserung  erfahren  haben,  da  auf 
ihnen,  wie  Garlandia  berichtet,  die  musica  falsa,  d.  h.  die  chro-: 
matiscnen  Halbtöne,  wenn  auch  nur  in  eingeschränktem  Masse 
angewendet  wurde.    Die  ältesten  Orgeln,  welche  Prätorius  sah^ 


■ 

/ 


Orgel.  229 

hatten   die  Skala  cdefgabhodefga  oder  von  h  c 

d e  f;   halbe  Töne   waren  nur  drei  in   der  Oktav:   a  b, 

h  c,  e  f. 

Die  Portative  hatten  wenig  Pfeifen,  damit  genügten  sie 
ihi'em  Zwecke;  eine  Abbildung  aus  dem  XIII.  Jahrh,  zeigt  deren 
nur  acht.  —  Der  Ausbildung  der  Harmonie  scheint  auch  die 
Verbesserung  der  Orgeln  langsam  nachgefolgt  zu  sein.  Prätorius 
nennt  eine  grosse  Oi*gel  in  Halberstaat,  gegen  1359  von  Nie. 
Faber  erbaut,  welche  vier  Klaviere  und  Pedale  (?)  hatte;  die 
m-össte  Pfeife  gab  das  natürliche  h  und  war  31  Fuss  hoch, 
äO  Bälge  setzten  das  Werk  in  Bewegung.  Als  eigentlicher  Er- 
finder des  Pedals  (um  1470)  wird  Bernhard,  mit  dem  Beinamen 
-der  Deutsche",  genannt,  welcher  auch  das  Manual  um  einen 
Ton  höher  gestimmt  habe,  jedoch  hat  man  herausgefunden,  dass 
er  es  bloss  nach  Venedig  gebracht  haben  soll.  Das  Pedal  blieb 
lange  Zeit  hindurch  ein  onarakteristischer  Vorzug  der  deutschen 
Orgeln  und  das  Instrument  erhielt  dadurch  erst  seine  ganze  Kraft 
und  Würde;  die  englischen  Orgeln  hatten  im  vorigen  Jahrhun- 
derte noch  kein  Pedal,  erst  1790  machte  Abb6  Vogler  die  Eng- 
länder mit  der  Wirkung  dieser  mächtigen  deutschen  Erfindung 
bekannt.  Vor  dem  XV.  Jahrh.  kannte  man  die  Register  wenig 
oder  gar  nicht.  Um  diese  Zeit  fing  man  erst  an,  die  an  Klang- 
farbe verschiedenen  Pfeifen  von  einander  abzusondern,  während 
vorher  alle  Pfeifen  auf  einem  Tone  zugleich  ertönten.  Die 
Deutschen  erfanden  verschiedene  Schnarr  werke;  man  ahmte 
den  Ton  verschiedener  Instrumente  nach  und  lernte  auch 
4 — 32füssige  Instrumente  machen;  damit  war  die  Erweiterung 
der  Klaviatur  verbunden. 

Als  die  chromatischen  Töne  in  die  Harmonie  eingeführt 
wurden,  bedachte  man  auch  die  Orgeln  damit;  Ganandias 
(Xni. *  Jahrh.)  sagt:  „Falsa  musica  instrumentis  musicis  multum 
necessaria,  specialiter  in  organis;"  doch  vorerst  bediente  man 
sich  neben  b  nur  des  es  und  gis,  aber  noch  nicht  geteilt,  um 
auch  dis  und  as  erreichen  zu  können;  um  diese  zuTbekommen, 
setzte  man  für  sie  eigene  Klaves  und  rfeifen  ein,  so  dass  z.  B. 
dis  und  es  nebeneinander  standen,  bis  man  die  temperierte 
Oktave  ausfindig  machte  und  so  das  chromatische  Wesen  ver- 
einfachte. Die  eigentliche  Vervollkommnung  konnte  erst  durch 
Erfindung  der  Windwage  im  XVII.  Jahrh.  (1648)  geschehen. 
In  den  letzten  zwei  Jahrhunderten  bis  auf  unsere  Tage  hat  die 
Orgel  so  mannigfaltige  und  einflussreiche  Verbesserungen  in 
Klang  und  Mechanismus  erfahren,  dass  sie  als  eines  der  voll- 
kommensten Instrumente  den  höchsten  Rang  einnimmt. 

Im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  suchte  Abbe  J.  Vogler 
(s.  d.)  durch  sein  Simplificationssystem  eine  Verbesserung 
im  Orgelbau  herbeizufünren,  welche  jedoch  wenig  Erfolg  errang. 
Gegenwärtig  besitzt  sowohl  Deutschland ,  als  auch  England, 
Franki'eich,  Italien  u.  s.  w.  treffliche  Orgelwerke.  Berühmt  ist 
die  grosse  Orgel  von  Harlem  in  den  Niederlanden;  die  Orgel  in 
det  Peterskirene  und  die  Orgel  im  Ulmer  Münster  haben  je  100 
Register;  1862  wurde  auch  aie  Kirche  von  St.  Sulpice  zu  Paris 
mit  einer  Orgel  geschmückt,  welche  7000  Pfeifen,  5  Manuale,  ein 
vollständiges  Pedal  und  100  klingende  Stimmen  mit  pneumatischen 


230  Orgel. 

Motoren  hat;  der  Erbauer  derselben  ist  Cavaille-ColL  Auch 
Deutschland  besitzt  bedeutende  Orgelbauer,  z.  B.  die  Firma  Wal- 
ker in  Ludwigsburg,  Steinmavr  in  Ottingen,  Stallhut  in  Burt- 
scheid.  Sauer  m  Frankfurt  a.  a.  0.,  Weigle  in  Stuttgart  u.  a.  In 
neuerer  Zeit  hat  man  auch  die  Elektricität  beim  Orgelbau  ver- 
wendet. 

Die  Orgel  muss  schon  im  Zeitalter  Dufays  und  noch  mehr 
im  Verlaufe  des  XV.  Jahrh.  die  bedeutendsten  Verbessei-ungen. 
in  der  Struktur  und  im  Mechanismus,  besonders  im  Tastenwerk 
erhalten  l\aben,  von  dessen  Brauchbarkeit  zu  harmonischem  Spiele 
das  Entstehen  eigentlicher  Künstler  auf  diesem  Instrumente  ganz 
allein  und  notwendig  bedingt  war.  Sie  hatte  ihre  allmähliche 
Ausbildung  und  Vervollkommnung  dem  Kontrapunkte  zu  ver- 
danken und  hat  dem  Kontrapunkte  hinwieder  oie  erspriesslich- 
sten  Dienste  geleistet.  Denn  gerade  der  gebundene  und  künst- 
lerisch entwickelte  Stil,  welcher  bei  vollkommener  Einheit  die 
allseitige  Mannigfaltigkeit  gestattet,  ist  für  sie  der  geeignetste» 
Gefeiert  war  im  XI V.  Jahrh.  der  olinde  Francesco  Landino 
zu  Florenz,  f  1390,  wegen  seiner  Geschicklichkeit  nur  „Francesco 
degli  Organi"  geheissen;  ebendaselbst  Antonio  Squarcialupo^ 
t  1430,  gewöhnlich  „Antonio  degli  Organi*^  genannt;  gerühmt 
war  der  aeutsche  Bernhard  zu  Venedig  in  der  zweiten  Hälfte 
des  XV.  Jahrh.  Venedig  besass  im  XVI.  Jahrh.  immer  bedeu- 
tende Organisten,  welche  zugleich  gi*osse  Tonsetzer  waren,  z.  B. 
die  beiden  Gabrieli,  Claudio  Merulo  u.  a.  Um  1630  hatte  Rom 
den  durch  europäischen  Ruf  ausgezeichneten  Organisten  Fr  esc  o- 
baldi,  zu  dem  auch  Deutsche  wanderten,  um  das  Orgelspiel  zu 
studieren.  Sein  Schüler  Froh  berger,  der  berühmte  kaiserliche 
Hoforganist  zu  Wien,  machte  dem  Lehrer  alle  Ehre.  Überhaupt 
hatten  Italien  und  Deutschland  nie  Mangel  an  guten  Organisten 
und  diese  behaupteten  immer  ihren  aßen  Ruf.  In  den  letzten 
zwei  Jahrhunderten  überflügelte  aber  letzteres  alle  Länder 
durch  seinen  Orgelmeister  Bach  und  dessen  zahlreiche  Schüler 
und  Nachfolger,  in  neuer  und  neuester  Zeit  durch  Abbö  Vog- 
ler, Chr.  Kink,  H  e  sse,  H  e  r  z  o  g,  Brosig,  anderer  nicht 
zu  gedenken. 

Eine  nähere  Beschreibung  der  Orgel  nach  ihrer  inneren 
Einrichtung  und  Struktur  übergehe  ich,  da  eine  blosse  Aufzäh- 
lung der  vielen  Teile  und  Teuchen  zwecklos  ist  und  niemand, 
der  die  Orgel  kennen  will,  genügen  kann,  und  verweise  auf 
etliche  gute  und  wohlfeile  Werkchen,   die  alles,  was  einem  Or- 

fanisten  in  betreff  der  Konstruktion  seines  Instrumentes  notwen- 
ig zu  wissen  ist,  klar  und  bündig  enthalten.  Es  sind  dies 
folgende:  Heinrich,  Orgellehre,  Struktur  und  Erhaltung  der  - 
OrgeL  Glogau  1861.  —  J.  G.  Töpfer,  Die  Orgel,  Zweck  und  Be- 
schaffenheit ihrer  Teüe,  Erfurt  und  Leipzig  1862.  —  Seidel, 
Die  Orgel  und  ihr  Bau,  4.  Aufl.  bearbeitet  von  B.  Kothe,  1887. 
—  Kleinere  Schriften:  Mettenleiter  B.,  Die  Behandlung  der 
Orgelj  Regensburg,  Fr.  Pustet;  Kunze,  Die  Orgel  und  ihr  Bau,. 
Leipzig,  Leukart;  Kothe  B.,  Kleine  Orgelbaulehre,  Leobschütz,. 
Kotne.  —  Es  sei  auch  hingewiesen  auf  das  grosse  vortreflliche 
Werk  von  J.  G.  Töpfer,  welches  1888  (Weimar,  Voigt)  in  zwei- 
ter,  von  Max  Allihn   umgearbeiteter  Auflage   unter   dem  Titel: 


Orgel.  231 

^Die  Theorie  und  Praxis  des  Orgelbaues"  mit  65  Tafeln,  er- 
schienen ist. 

Die  Orgel,  dieses  den  Zwecken  der  Kirche  am  meisten  an^ 
passende  Instrument  erfreute  sich  schon  frühzeitig,  wie  erwähnt, 
der  Aufnahme  in  der  Kirche  und  liebreicher  Pflege.  Da  es  aber 
einmal  menschliche  Schwäche  ist,  auch  das  Beste  zu  missbrau- 
ohen,  so  sah  sich  auch  schon  frühzeitig  die  Kirche  genötigt, 
eingeschlichene  Missbräuche  im  Orgelspiele  und  in  der  rechtzei- 
tigen Anwendung  zu  tadeln  und  m  dieser  doppelten  Beziehung 
Verordnungen  zu  erlassen.  1558  verdammt  em  Konzil  zu  Paris 
den  häufigen  Missbrauch,  auf  der  Orgel  beim  Gottesdienste  weich- 
liche Melodien  zu  spielen,  und  gestattet  nur,  den  frommen  Ernst 
und  die  heilige  Müae,  welche  der  Grundtypus  der  Hymnen  und 
der  anderen  Gesänge  ist,  in  Tönen  auszudrücken.  In  gleicher 
Weise  bestimmt  das  Konzil  von  Trient,  es*  solle  alle  Musik, 
welche,  sei  es  in  Gesang  oder  Orgelspiel,  etwas  Lascives  oder 
Wollüstiges  vorführt,  aus  dem  Hause  Gottes  verbannt  werden. 
Wollte  Gott,  dass  diese  Vorschrift  des  heil.  Kirchenrates,  der 
noch  viele  andere  gleichen  Inhaltes  an  die  Seite  gestellt  wer- 
den könnten,  allen  Organisten  vor  Augen  .schwebte,  und  sie 
sich  des  eigentlichen  Zweckes  des  Orgelspieles  beim  Gottesdienste 
bewusst. wären;  gewiss  hätten  wir  nicht  so  viel  nachlässiges  und 
ärgerliches  Orgelspiel  noch  heute  zu  beklagen! 

Der  kirchlicne  Organist  wird  sich  an  die  Worte  des  Kar- 
dinals Bona  halten:  „Das  Orgelspiel  muss  so  ernst  und  gemessen 
sein,  dass  es  nicht  das  ganze  Gemüt  durch  seine  Annehmlichkeit 
abziehe  und  zerstreue,  sondern  mehr  Veranlassung  und  Gelegen- 
heit biete,  dem  Sinne  der  Gesangsworte  (wenn  die  Orgel  den 
Gesang  begleitet),  nachzudenken  und  sich  den  Gefühlen  der  An- 
dacht ninzugeben;"  er  wird  sich  bemühen,  in  seine  Kunst  sich 
immer. mehr  zu  vertiefen,  den  kirchlichen  Sinn  bei  den  heiligen 
Handlungen  inniger  zu  erfassen,  sein  Spiel  als  ein  Werk  der 
Andacht  und  Erbauung  zu  betrachten  und  alles  fern  zu  halten, 
was  das  Haus  Gottes  entweihen  könnte. 

Die  Behandlung  der  Orgel  oder  das  Orgelspiel  hängt 
aufs  innigste  mit  der  EntwicKelung  des  Orgelbaues  und  der 
Musikkunst  zusammen,  und  beide  wn-ken  vervollkommnend  auf- 
einander. Im  Anfange,  d.  h.  vom  IX.  Jahrh.  an,  da  die  Orgel 
als  kirchliches  Instrument  Aufnahme  fand,  wird  man  sich  wohl 
begnügt  haben,  Choralmelodien  einstimmig  zu  spielen  oder  damit 
den  Gesang  zu  begleiten  oder  aber  auch  emen  tieferen  Ton  liegen 
zu  lassen  und  darüber  die  Melodie  zu  singen  oder  zu  spielen. 
Manche  führen  auch  die  „Organum"  benannte  Gesangsweise  auf 
die  Orgel  zurück.  Dass  man  später  auch  Figuration  gebrauchte, 
dürfte  Kaum  bezweifelt  werden,  da  selbst  die  aus  dem  XL  und 
XII.  Jahrh.  stammenden  Gesangstücke  (Choräle)  oft  reiche  Fi- 
guration aufweisen. 

Schriftliche  Monumente  des  Orgfelspieles  bietet  erst  das 
XV.  Jahrh.  in  dem  „Fundamentum  organizandi"  des  blinden 
Organisten  Konrad  Paumann   (f  1473),   worin  32  Orgelstücke 

gegeben  werden,  meistens  nur  zweistimmig,  wobei  der  ßass  mit 
unten   Figuren   kolorierend   aultritt.     Vor   diesem   war   schon 
Francesco  Landino  zu  Florenz  (f  1390)  gerühmt,  doch  kennt 


232  Orgel. 

man  kein  Werk  von  ihm.  Daselbst  blühte  auch  Antonio 
Sq^uarcialupo  (etwa  1430—1470),  dessen  eeschriebene  Kompo- 
sitionen nur  ein  sehr  primitives  Orgelspiei  bekunden.  Mit  der 
Entwiokelung  des  mehrstimmigen  Geisanges  tritt  auch  der  Orgel- 
bau auf  höhere  Stufen  (Arnold  Schlick  des  Älteren  -Organisten- 
spiegel" 1511,  Konstruktion  und  Behandlung  der  Orgel)  und  damit 
auch  das  Orgelsniel,  wie  es  sich  itn  „Tabulaturbuche  1512"  von 
Arnold  SchlicK  dem  Jüngeren  zeigt.  Hier  finden  schon  der 
Kontrapunkt  und  die  Nachahmung  Verwendung-  und  wird  im 
zwei-  und  dreistimmigen  Satze  bei  Treier  Verwendung  des  Pedals 
vollstimmige  Harmonie  angestrebt,  die  Figuration  ist  massvoll. 

Während  von  da  an  bis  zu  Ende  des  Jahrhunderts  in 
Deutschland  kein  Fortschritt  geschah,  gewann  das  Orgelspiel  in 
Frankreich,  England  und  Italien  eine  bedeutende  Ausbudung. 
Die  Franzosen  zeigen  bei  voller  Harmonie  mehr  Freundlich- 
keit, klaren  Ausdruck  und  Fassung,  wenn  auch  die  Kontrapunktik 
zurücktritt.  Die  englischen  Organisten  beweisen  eine  grosse 
Gewandtheit  in  allen  niederländischen  Künsten  (Christopher  Tye 
um  1550,  Thomas  Tallis,  f  1585,  William  Bird,  1538—1623,  bei 
welch  letzterem  die  neuere  Kunst  schon  zum  Durchbruche  kommt, 
John  Bull,  1563 — 1628,  welcher  als  Virtuose  Deutschland  und 
Frankreich  bereiste,  u.  a.). 

In  Italien,  dem  vorzüglichsten  Sitze  der  Musikkunst  in 
diesem  Jahrhunderte,  eretehen  grosse  Orgelmeister,  und  das 
Orgelspiel  und  die  Orgelkomposition  treibt  die  herrlichsten  Blü- 
ten. Neben  Florenz  rühmt  sich  Venedig  tüchtiger  Organisten: 
Francesco  d'Anna  (um  1490),  Giachetto  Buus  (1541—45)  u.  a.  Die 
Markuskirche  daselbst  hatte  zwei  Orgeln  und  besoldete  zwei 
Organisten.  Um  die  Mitte  des  XVI.  Jahrh.  war  man  schon  so 
weit  vorgeschritten,  dass  man  für  besondere  Orgelkompositionen 
eigene  Namen  anwandte:  Phantasien,  welche  gleichsam  im- 
provisierte Ergüsse  augenblicklicher  Erregung  sein  sollten;  Ri- 
cercari,  sorgsam  durchgebildete,  ausgesuchte  Arbeiten;  Con- 
trapunti,  meist  aus  Fragmenten  der  Tonleiter  gebildet  und 
zu  allerlei  Nachahmungen  und  Engführungen  verwebt;  Into- 
nazioni,  kurze  Sätze  nach  den  Kirchentonarten  (Präambulen ) ; 
Toccata,  aus  schlichten  Accorden  und  Koloraturen  bestehend; 
Canzoni,  Stücke,  welche  mit  einem  liedermässig  nach  gleichem 
Zuschnitte  erfundenen  Thema  durch  öftere  Wiederholung  des- 
selben fugenartig  ausgearbeitet  waren.  Darin  zeichneten  sich 
aus:  Claudio  Merulo,  1557—84,  Organist  zu  San  Marco,  Andreas 
Gabrieli  und  dessen  Neffe  Johannes  Gabrieli  u.  a. 

Beim  Beginne  der  neuen  Musikperiode  um  1600  tritt  auch 
Deutschland  wieder  hervor,  obwohl  anfangs  noch  auf  nicht  be- 
sonders hoher  Stufe  (Figuristen  und  Koloristen),  wie  die  Tabu- 
laturbücher  von  Ammerbach,  den  beiden  Bernhard  Schmid  in 
Strassburg  und  A.  Wolz  ausweisen,  in  denen  fast  nur  Stücke 
itaHenischer  Meister  und  Umarbeitungen  von  Gesangskomp^si- 
tionen  („Absetzen"  in  Tabulätur)  sich  finden.  Im  allgemeinen 
betrieb  man  das  Orgelspiel  fast  mehr  handwerksmässig.  Das 
höhere  Orgelspiel  und  dessen  Komposition  kam  aus  Italien  nach 
Deutschland;  es  gestaltete  sich  nun  selbständiger,  nachdem  es 
vorher  mehr   der  Nachhall    von   Gesangstücken    war    oder   ein 


■ 


• 


■ 
I 

i 


Orgel.  233 

Verschnörkein  von  Gesangsparten.  Leo  Hasler  war  ein  Schü- 
ler des  Andreas  Gabriel!  und  ein  Mitschüler  von  Johann  Gabrieli, 
Gregor  Aichinger  studierte  auch  in  Italien;  ein  Schüler  von 
Andreas  Gabrieli  war  auch  Pet.  Sweelink  von  Amsterdam, 
der  Vater  der  norddeutschen  Organistenschule,  aus  welcher  Mel- 
chior Schild,  Sam.  Scheid,  X.  Scneidemann,  Joh.  Prätorius  u.  a.. 
hervorgingen.  Mich.  Prätorius  verschmilzt  schon  die  Canzonen- 
form  mit  der  Toccate  und  bringt  1609  achtbare  Beweise  eines 
•edleren  Orgelstiles.  Besonders  reformierend  und  bahnbrechend 
wrirkte  Samuel  Scheidt  (Tabulatura  nova  1624) ,  welcher  mit 
dem  alten  Kolorieren  und  Absetzen  brach,  frei  schaffend  mit 
,  fugierten  Sätzen  u.  dgl.  gute  Durchführungen  lieferte.  Vor-  und 
Nachspiele  aus  Themen  der  Choralmelodien  bildete;  auch  der 
bisher  bei  den  Organisten  gebräuchlichen  Tabulaturschrift  gab 
er  Abschied  und  bahnte  dem  Gebrauche  der  gewöhnlichen  Note 
für  die  Orgel  den  Eingang. 

Von  da  ab  trat  Deutschland  mit  der  Orgelmusik  in  den 
Vordergrund;  insbesondere  waren  es  die  Protestanten,  welche 
das  Orgelspiel  immer  höher  und  kunstreicher  ausbildeten,  da 
dasselbe  im  protestantischen  Gotteshause  eine  weit  hervorragen- 
dere Stellung  einnimmt,  als  beim  katholischen  Gottesdienste. 
Darum  sind  auch  die  protestantischen  Kirchen  Norddeutschlands 
schon  frühzeitig  mit  grossen,  umfangreichen  Orgelwerken  ver- 
sehen, welche  nicht  bloss  50  und  mehr  Register,  sondern  auch 
2-  3  Manuale  und  ein  Pedal  von  27—32  Tasten  umfassten.  Ihre 
nun  edierten  Orgelstücke  zeigten  einen  ernsten  und  würdevollen 
Charakter,  hauptsächlich  durch  den  getrageilen  Gemeindegesang 
ernster  Choräle  und  Kirchenlieder  veranlasst,  welcher  überdies 
dem  Organisten  Raum  gab,  kunstvolle  Begleitung  anzubringen, 
und  durch  die  Repetition  (Strophen)  zur  vielgestaltigen  Harmonie- 
sierung  reizte.  Wie  von  selbst  verlangte  Vor-  und  Nachspiel 
homogenen  Charakter  mit  der  Gesangsmelodie,  und  beim  unab- 
hängigen Wirken  der  Orgel  ausserdem  behielt  neben  den  figuren- 
reicnen  und  beweglichen  „Präludien **  der  fugierte  Stil,  welcher 
sich  allmählich  zur  vollkommenen  Fuge  ausbildete,  sein  Recht. 

Doch  auch  die  katholischen  Organisten  waren  nicht  un- 
thätig:  sie  zähHen  vortreffliche  Männer  in  ihren  Reihen.  Da 
beim  katholischen  Gottesdienste  die  Orgel  eine  mehr  unterge- 
ordnete Anwendung  findet,  bei  Begleitung  der  mehrstimmigen 
OiBSänge  und  des  Chorals  auf  die  vorgeschriebenen  Accordreihen 
des  Basso  continuo  und  des  Generalbasses  eirigeschränkt  war 
und  ausserdem  sich,  abgesehen  von  den  Vor-  und  Nachspielen, 
weniger  Gelegenheit  ergab,    sich  in  ausgedehntem  Spiele  zu  er- 

fehen,  so  finaen  sich  auch  weniger  verönentlichte  längere  Orgel- 
ompositionen ;  viel  besser  war  eine  Eigenart  gepflegt,  die  soge- 
nannten Versetten,  kurze  fugenartige  Sätze  mit  blosser 
Exposition  eines  Themas  durch  drei  oder  vier  Stimmen  ohne 
weitere  Durchführung,  welche  beim  Psalmen-  und  Hymnen- 
gesange  u.  s.  w.  statt  der  nicht  gesungenen  Verse  und  Strophen 
(Abspielen)  eingeschoben  wurden. 

Auf  den  nohen  Stand  katholischer  Orgelmusik  deuten  Na- 
men wie  Frescobaldi  (f  1644)  in  Rom,  Fr  ob  erger  in  Wien 
(tl667),  Bernh.  Pasquini  in  Rom  (f  1710),  Carissimi  (f  1674), 


234  Orgel. 

Jak.  V.  Kerl  (f  1690)  u.  a.  Ersterer  war  ein  bahnbrechendes 
Genie  und  hat  den  späteren  Meistern,  wie  Lotti,  Scarlatti,  Hän- 
del, Bach,  durch  Steigerung  des  kanonischen  Satzes  zum  fogier- 
ten  vorgearbeitet,  seine  Ausarbeitungen  über  kirchliche  Canti 
fermi  setzte  er  strenge  in  den  Kirchentonarten  mit  feiner  Kontra- 
punktik, seine  Toccate,  Ricercari  und  Capprici  und  lebhafteren 
fugierten  Sätze  mehr  in  den  neueren  Tonarten,  wobei  er  sich 
selbst  schon  der  Chromatik  als  Mittel  eines  erhöhten  Ausdruckes 
bedient. 

Da  es  für  den  katholischen  Organisten  eine  vorzügliche 
Aufgabe  war,  bei  der  ihm  oft  spärlich  zugemessenen  Zeitdauer 
der  Vor-  und  Nachspiele  ein  extemporiertes  Spiel  zu  vollführen, 
und  bei  der  Mannigfaltigkeit  der  Gesänge  nicht  immer  passende 
Vorlagen  zuhanden  waren,  so  finden  wir  schon  frühzeitig  An- 
weisungen über  das  „Phantasieren"  (Extemporieren),  so  von 
G.  Diruta  in  seinem  Werke  „II  Transilvano"  (1615  mit  meh- 
reren Auflagen). 

Vor  1700  waren  die  Orgelkompositionen  häufig  noch  mehr 
oder  minder  steif  und  eckig,  doch  nach  dieser  Zeit  geschah  ein 
rascher  Fortschritt  zu  glatterer  Melodie,  angenehmerer  Accord- 
fügung  und  Modulation,  und  reicherem  Accompagnement  —  alles 
bewirkt  durch  die  neue  Bearbeitung  der  Theorie,  die  Hervor- 
drängung und  Gültigkeitserklärung  des  Dur-  und  Moll-Geschlech- 
tes und  des  neueren  Tonsystems,  durch  die  Opernkomposition, 
welche  ihr  Absehen  besonders  auf  schöne,  fliessende  und  cha- 
rakteristische Melodiebildimg,  schönen  Rhythmus,  gefällige  Mo- 
dulation richtete;  der  Einnuss  der  neapolitanischen  und  neu- 
venetianischen  Schule  machte  sich  menr  und  mehr  geltend, 
überhaupt  trug  die  Verselbständigung  der  Instrumentalmusik 
das  meiste  bei.  Von  den  vielen  Orgelmeistern  dieser  Periode 
seien  bloss  genannt:  J.  Paclielbel  in  Nürnberg  (f  1706),  Werk- 
meister in  Halberstadt  (t  1706),  Zachau  m  Halle  (f  1722), 
Kuhnau  in  Leipzig  (j-  1732),  Dietrich  Buxthude  in  Lübeck 
(t  1707),  ReinKcn  in  Hamburg  (f  1722)  auf  protestantischer 
Seite  —  unter  den  Katholiken:  M.  Casini  in  Florenz  (um  1722), 
Samber  zu  Salzburg  (um  1704),  Georg  Muffat  zu  Salzburg 
(t  1704)  und  sein  Sohn  Gott  lieb  Muffat  zu  Wien  (f  1770), 
Murschhauser  in  München  (f  1737),  Fux  in  Wien  (f  1741), 
Domenico  Scarlatti  (f  1747),  Caldara  in  Wien  (1736). 

Auf  den  Höhepunkt  der  Ausbildung  gelangte  die  Orgel- 
kunst im  vorigen  Jahrhunderte  durch  Joh.  Seo.  Bach,  den 
Grossmeister  aller  Organisten,  der  den  Orgelstil  nach  allen  Rich- 
tungen vervollkommnete  und  namentlich  die  Fuge  zur  Vollen- 
dung brachte,  nachdem  die  italienische  mit  der  deutschen  ver- 
mählte Orgelkunst  schon  reichlich  vorgearbeitet  hatte.  Ein 
vorzüglicher  Organist  war  auch  G.  Fr.  Handel,  doch  überragte 
ihn  Bach,  dessen  Kompositionen  Zeugnis  geben  von  seiner  Grösse 
und  Meisterschaft.  Sem  Sohn  Emanuel  sagt  von  ihm:  „Bei  Bach 
war  alles,  Melodie,  Harmonie,  Bewegung  u.  ß.  w.,  der  Natur  des 
Instrumentes  und  seiner  Bestimmung  angemessen.  Die  Mittel, 
die  ihm  zu  so  heiligem  Stile  verhalfen,  waren  seine  eigentüm- 
liche Behandlung  der  Kirchentonarten,  die  stete  Anwendung  der 
geteilten   Harmonie,   der  Gebrauch  des   obligaten  Pedals;    dazu 


i 


Orgel.  235 

kommt  eine  neue  zweckmässi^ere  Applikatur  und  eine  besondere 
Art  zu  registrieren.  Seine  Kontrapunktik  lässt  jede  Stimme 
melodisch  und  real  fortschreiten;  für  seine  Fugen  verwendet  er 
nicht  bloss  alle  Arten  des  Kontrapunktes  imdlCanons,  sondern 
war  auch  besonders  auf  ein  charakteristisches  Thema  bedacht. 
Kontrapunktik  war  ihm  zur  zweiten  Natur  geworden/ 

»eine  Kunst  wurde  wohl  ein  halbes  Jahrhundert  durch 
seine  Söhne  Friedemann  und  Emanuel  und  durch  seine  Schü- 
ler fortgepflanzt,  so  durch  J.  M.  Schubart  in  Stadt-Ilm  (geb. 
1690),  J.  Kaspar  Vogler,  J.  Tob.  Krebs,  der  Vater  des  spä- 
ter so  berühmt  gewordenen  Ludw.  Krebs  in  Buttstädt  (f  1700), 
H.  Nik.  Gerber  in  Schwarzburg-Sondershausen,  Job.  Öhristv 
Kittel  in  Erfurt  (f  1809),  Bachs  letzter  Schüler. 

Unter  den  Katholiken  ragen  hervor:  Justinus  a  Des- 
pons,  Karmelitermönch  in  Würzburg  (f  1723),  E.  Eberlin  in 
Salzburg  (f  1762),  Valotti  in  Padua  (t  1780),  der  Spanier  Bodos 
de  Cellos  (f  1797),  G.  Pasterwitz  in  Kremsmünster  (f  1803),. 
J.  G.  Albrechtsberger  in  Wien  (f  1809),  F.  Maximilian 
Stadler  in  Molk  (+  1818),  Franz  Schneider  ebenda  (f  1812)^ 
Abb6  Vogler  (f  1814). 

Doch  um  den  Beginn  des  XIX.  Jahrb.,  wo  ein  anderer 
Geist  die  Welt  durchsäuerte  und  die  Instrumentalmusik  in  den 
Kii'chen  sich  immer  weltlicher  zu  geberden  anfing,  wo  die  neue 
Harmonielehre  einen  reichlicheren  Gebrauch  der  Dissonanzen 
gestattete,  und  sinnliche  Melodie  und  weichere  Harmonie  mehr 
Gefallen  fanden,  kam  die  strenge  Weise  Bachs  in  Vergessenheit; 
technische  Virtuosität,  leeres  Figurenwerk,  toter  Mechanismus^ 
zeigte  sich  hervorragend,  die  Formen  blieben,  aber  der  Geist  war 
entwichen.  Auch  Kittel  ging  schon  mehr  dem  subjektiven 
Ausdrucke  nach.  Zwei  seiner  Schüler  sind  beachtenswert:  M.  G. 
Fischer,  welcher  treffliche,  kirchlich  zu  nennende  Orgelwerke 
schuf,  und  Chr.  Rink,  welcher  mehr  ÜbersichtUchkeit  der 
Formen,  sowie  Gemeinfasslichkeit  der  Harmonie  und  melodische 
Motive  anstrebte,  dabei  allerdings  beliebt  wurde.  Aber  wegen 
der  Weichheit  vieler  seiner  Kompositionen  kann  von  ihnen  nur 
ein  eingeschränkter  Gebrauch  für  Kirchenzwecke  gemacht  wer- 
den. Noch  ist  zu  nennen  J.  Knecht  in  Biberach  (f  1817),  wel- 
cher den  Orgelstil  wieder  von  gemeinen  Wegen  auf  höhere 
Bahnen  zu  lenken  suchte  und  sich  an  Abbe  Vogler  anschloss;. 
aber  auch  von  seinen  Orgelkompositionen  sind  nicht  alle  brauchbar. 

Um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  begann  die  Orgelmusik  in 
Deutschland  einen  gewaltigen  Aufschwung  zu  nehmen;  man- 
cherlei Umstände  trugen  dazu  bei,  namentlich  die  Einrichtung 
von  Konservatorien,  an  denen  auch  Lehrer  für  das  Orgelspiel 
wirkten,  dann  die  Popularisierung  harmonischer  und  komposito- 
rischer Kenntnisse,  das  Wiedererwecken  der  Ton  werke  des 
Palestrinastües  und  erneute  Hochschätzung  der  Kontrapunktik^ 
sowie  das  Hervorziehen  der  Werke  Seb.  Bacns ;  besonders  trugen 
auch  dazu  bei  die  grossen  Fortschritte  in  der  Orgelbaukunst^ 
welche  gegenwärtig  ein  so  leichtes  Spiel  wie  auf  einem  Klaviere 
ermö*gUcnen.  Schon  Vogler  machte  Keisen  als  Orgelvirtuös,  aber 
als  lS)nzertinstrument  scheint  die  Orgel  erst  seit  Mendelssohns 
Zeiten  üblich  geworden  zu  sein,  welcher  mehrere  Orgelsonaten 


236  Orgeldisposition  —  Orgelrevision. 

«ohrieb.  Seitdem  ist  die  Orgel  auch  für  grosse  Konzertsäle  ein 
unentbehrliches  Instrument  geworden;  die  neueste  Zeit  ist  reich 
an  Orgelsonaten,  Phantasien,  Konzertfugen  u.  s.  w.,  doch  haben 
dergleichen  Stücke  beim  katholischen  Gottesdienste  keinen  Platz, 
<ia  sie  nicht  geeignet  sind,  die  Andacht  zu  unterstützen,  sondern 
den  Geist  davon  ab-  und  zur  Kunstfertigkeit  des  Spielers  und 
der  Komposition  hinzulenken. 

Der  Charakter  des  neueren  Orgelstiles  ist  immer  mehr 
poliert  und  verfeinert  geworden,  der  Ausdruck  subjektivster 
Stimmung,  dabei  glänz-  und  effektvoll  (G.  Merkel,  Lange,  Adolf 
Hesse,  Rneinberger,  Piutti,  Stehle  u.  a.).  Unter  den  Katholiken 
verdienen  noch  Beachtung:  Kaspar  Ett,  Moriz  Brosig,  wel- 
cher, an  Mendelssohn  sich  anlehnend,  ganz  modern  schrieb, 
jedoch  nie  unedel,  häufig  grossartig  und  effektvoll.  Für  prak- 
tische Zwecke  schrieb  auch  J.  Hanisch  in  Regensburg  vieles 
Gute,  ebenfalls  H.  Ob  er  hoff  er  in  Luxemburg,  J.  Ev.  Habert 
in  Gmunden  u.  a.;  auch  viele  Sammlungen  besitzt  die  neueste 
Zeit,  so  von  B...  Kothe,  Kewitsch,  Troppmann,  Dieboid  (Riegel, 
Herzog)  u.  a.  Übrigens  ist  gegenwärtig  m  Deutschland  gar  kein 
Mang3  an  trefflichen  Organisten  sowohl  auf  katholischer,  als 
protestantischer  Seite.  (Ritter,  A.  G.,  Geschichte  des  Orgel- 
spiels, vornehmlich  des  deutschen  vom  XIV.  bis  zu  Anfang  des 
XVHL  Jahrb.,  Leipzig,  M.  Hesse  1884.  —  Voigt  mann,  K.  J., 
Das  neuere  kirchlicne  Orgelspiel  im  evangelischen  Kultus,  Leip- 
zig 1870,  bei  Mathes.  —  Ambros,  Dr.  W.  A.,  Geschichte  der 
Musik.) 

Orgeldisposition ,  die  Anlage  und  Anordnung  aller  Teile 
der  Orgel,  also  der  Register  nach  Art  und  Beschaffenheit,  der 
Bälge,  der  Klaviatur,  des  ganzen  Mechanismus  u.  s.  w. 

Orgelraetall  ist  eine  Mischung  von  Zinn  und  'Blei,  aus 
welcher  die  metallenen  Labialpfeifen  gefertigt  werden.  Je  we- 
niger Blei  beigemischt  wird,  desto  härter  ist  das  Metall  und 
desto  frischer  und  kräftiger  der  Ton  der  Pfeife;  je  grösser  der 
Zusatz  von  Blei ,  desto  weicher  das  Metall  und  desto  weicher, 
zarter  und  gedämpfter  erscheint  der  Ton.  Zweckmässig  ist  es, 
wenn  nicht  rein  englisch  Zinn  (16  lötig)  genommen  wira,  doch 
12-  oder  10 lötiges  Metall  zu  verwenden.  Mehr  als  V^  Blei  zuzu- 
setzen, ist  verwerflich. 

Orgelpfeife,  s.  Pfeife. 

Orgelpunkt  ist  eine  bestimmte  Folge  von  verschiedenen 
Accorden  zu  einer  und  derselben,  meist  ununterbrochen  tönenden 
Bassnote ;  wenn  eine  solche  Folge  in  einer  vollkommenen  oder 
unvollkommenen  Kadenz  auf  der  vorletzten  oder  letzten  Bassnote 
(Dominant  oder  Tonica)  vorkommt,  so  entsteht  die  sogenannte 
angehaltene  Kadenz.  Der  Orgelpunkt  (punctus  organi- 
cus)  kommt  schon  bei  Franoo  von  Köln  vor  und  verdankt  seine 
Entstehung  vielleicht  dem  Organum  des  Hucbald.  Die  Accorden- 
folge  kann  entweder  rein  tonisch  oder  tonisch  und  ausweichend 
sein;  auch  kann  der  Orgelpunkt  im  Laufe  des  Tonstückes  statt- 
finden, sowie  es  nicht  notwendig  ist,  dass  die  ausgehaltene  Note 
stets  im  Bass  liege,  sie  kann  auch  einer  anderen  Stimme  zuge- 
teilt werden. 

Orgelrevision,  auch  Orgelexamen,  Orgelprobe, Orgel- 


■ 

i 


Orgeltrio  —  ParalleLen.  237 

grüfunffj  ist  die  von  einer  zuständigen  Behörde  durch  einen 
aehkundigen  angestellte  Untersuchung,  ob  eine  neue  Orgel 
accordmässig,  d.  i.  nach  dem  mit  dem  Orgelbauer  vor  dem  Baue 
abgeschlossenen  Kontrakte  oder  Accordfe,  der  die  Disposition  der 
Orgel  und  alle  übrigen  Bedingungen  des  Baues  enthält,  und  ob 
sie  auch  sonst  tüchtig  gearbeitet  ist. 

Orgeltrio,  s.  Trio. 

Orgelzieher,  s.  Kalk  an  t. 

Orgel tabnlatur,  s.  Tabula tur. 

Osterfest.  Dieser  Tag  mit  seiner  Oktav,  als  Erinnerungs- 
feier  an  das  trost-  und  freudenreichste  Geheimnis  der  Ek-lösung, 
an  den  Sieg  des  Gottmenschen  Jesus  über  Tod  und  Hölle  einge- 
setzt, ist  für  die  Christenheit  der  Tag  des  höchsten  Jubels,  wie 
keiner  im  ganzen  Jahre.  Im  Mittelalter  erschoU  dieser  Jubel 
nicht  bloss  m  den  Gotteshäusern,  man  trug  ihn  auch  hinaus  in 
Gottes  freie  Natur,  um  auch  jeder  Kreatur  das  Glück  der  edel- 
sten Kreatur,  des  Menschen,  das  ihm  durch  die  Erlösimg  zu  teil 
geworden,  laut  zu  verkünden,  und  sie  zur  Teilnahme  an  dem 
allgemeinen  Jubel  aufzurufen.  So  bewegte  sich  nach  der  Aus- 
teilung des  Weihwassers,  wobei  das  „Asperges  me"  durch  den 
Gesang  „Vidi  a(juam**  ersetzt  ward,  eine  ßierliche  Procession 
aus  der  Kirche  hinaus,  und  der  Chor  sang  mit  dem  ins  „  Alleluja*^ 
einstimmenden  Volke  freudige  Osterhymnen  und  Antiphonen,, 
unter  anderen  die  schöne  Poesie  „Salve  festa  dies  etc."  von  Ven. 
Fortunatus  (VII.  Jahi'h.).  Bei  der  Rückkunft  stimmte  der  Cele- 
brant  wieder  eine  Antiphon  an,  welche  der  Chor  oder  das  Volk 
zu  Ende  fortsetzte.  Dann  begann  die  Festmesse,  welche  wie 
alle  Messen  der  ganzen  Oktav  ihre  eigene  Sequenz  hatte,  doch 
nicht  die  „Victimae  Paschali"  von  Wipo,  welche  anfangs  am 
Ostermontage  gesungen,  später  im  XVI.  Jahrb..  für  die  Messe 
des  heiUgen  Ostertages  angeordnet  wurde.  Jetzt  findet  bei  uns- 
nur  der  gewöhnliche  Umgang  zur  Aussprengung  des  Weihwas- 
sers statt.  Ausser  der  Sequenz  hat  die  Liturgie  nichts  Eigen- 
tümliches; die  priesterKchen  Tagzeiten  aber  entbehren  nach 
römischem  Ritus  der  Hymnen  und  haben  auch  in  der  Matutin 
nur  eine  Nokturn. 

Ottava  (ital.)  =  Oktav. 


F. 


P.,  Abkürzung  für  Pedal;  p.  —  piano;  fp.  =  fortepiano. 

Palmsonntag,  s.  Karwoche. 

Parallelbewegnng,  s.  v.  als  gerade  Bewegung,  motus 
rectus,  wenn  zwei  oder  mehrere  Stimmen  nach  gleicher  Richtung^ 
fortschreiten. 

Parallelen,  fehlerhafte,  entstehen,  wenn  in  einem  Ac- 
corde  zwei  Stimmen   eine  reine  Quint   oder  eine  Oktav  bilden.. 


238  Paralleltonarten  —  Parapteres. 

und    in    dem   folgenden  Accorde   in   denselben   Stimmen   das 
gleiche  Intervallenverhältnis  stattfindet,  z.  B. 


gp[ti^l= 


a)  b) 

Solche  Oktaven-  und  Quintenfolgen  sind  zwischen  realen 
"Stimmen  verboten,  da  erstere  die  reale  Mehrstimmigkeit  des 
Satzes  und  die  Selbständigkeit  der  Stimmen  aufhebt,  letztere 
aber  die  Zusammengehörigkeit  der  Harmonie  stört,  indem  jeder 
der  beiden  Accorde  (a  und  b)  eine  andere  Tonart  repräsentiert. 
Oktavenparallelen  sind  aber  statthaft,  wo  nur  eine  Vermehrung 
der  Klangwirkung  beabsichtiget  wird;  so  z.  B.  wenn  Flöten  die 
Violinen  in  einer  höheren  Oktav  begleiten  oder  der  Kontrabass 
mit  dem  Violoncell  geht.  Eine  Fortschreitung  zweier  Stimmen 
in  gemischten  Quinten  (d.  h.  einer  reinen  und  einer  vermin- 
derten) ist  in  den  Mittelstimmen  stets,  auch  in  einer  Aussen-  und 
Mittelstimme  erlaubt,  wenn  die  verminderte  Quint  auf  die  reine 
folgt,  zwischen  den  beiden  äusseren  Stimmen  niemals.  Obwohl 
man  auf  diese  Verbote  der  fehlerhaften  Oktaven-  und  Quinten- 
fortschreitungen  strenge  hielt,  so  haben  doch  die  grössten  Meister 
der  neueren  2eit  manche  Lizenzen  aus  ästhetischen  Gründen  sich 
erlaubt.  Im  realen  Satze,  namentlich  im  Vokalsatze,  müssen 
diese  Verbote  strenge  aufrecht  erhalten  werden.  —  Die  mehr- 
stimmige Komposition  nahm  ihren  Anfang  bei  einer  fortlaufen- 
den Reihe  von  Oktaven,  Quinten  und  Quarten  im  sogenannten 
Organum  (s.  d.)  Hucbalds  (X.  Jahrh.)  und  Guidos  (XI.  Jahrb.); 
jedoch  der  Occursus  (s.  d.),  den  Guido  besonders  betont  und  der 
am  Schlüsse  einer  melodischen  Phrase  beobachtet  wurde,  und 
«in  richtigeres  Gefühl  brachten  es  dahin,  dass  Johannes  Cotton 
(Anfang  des  XII.  Jahrh.)  für  die  Diaphonie  die  Anweisung  geben 
konnte:  wo  die  Hauptstimme  aufwärts  geht,  soll  die  Örganal- 
fltimme  abwärts  gehen,  und  umgekehrt.  Nach  und  nach  lernte 
man  durch  den  Diskantus  und  den  Fauxbourdon  eine  gewähl- 
tere Stimmführung  und  im  XIV.  Jahrh.  sprechen  Marchettus 
von  Padua  und  Johann  de  Muris  das  förmliche  Verbot  der 
Oktaven-  und  Quintenparallelen  aus;  es  wurden  nun  Gesetze 
für  eine  bessere  Verbindung  der  Harmonien  gegeben,  daneben 
aber  auch  wesentlich  durcn  Bereicherung  der  Tonfolgen  mit 
«tufenweisen  durchgehenden  Dissonanzen  auf  die  Entfaltung  der 
Melodie  hingewirkt.  —  Parallelen  werden  auch  die  auf  der 
Orgel  windlade  aufliegenden  verschiebbaren  Schleifen  benannt 
(s.  Windlade). 

Paralleltonarten,  s.  Tonart. 

Paraphonisten,  s.  Kantor. 

Parapteres  nennt  Hucbald  kleine  Tonformeln,  ..welchen 
Süben,  z.  B.  Annaneane  unterlegt  sind  und  etwas  Ahnliches 
waren,  wie  die  Finalen  der  Psalmtöne.  Neuere  Forscher  wollen 
darunter  besondere  Tonarten  erkennen,  welche  bei  Regino  (Gerb. 
IL  73)   als   medii   toni  erwähnt  werden  und  nichts  anderes  sind, 


i 


Partitür  —  Passion.  239 

als  Gesänge,  welche  weder  über  noch  unter  die  Finale  sich 
weiter  als  eine  Quart  oder  höchstens  eine  Quint  erstrecken,  sonst 
Cantus  communis  genannt. 

Partitur  oder  Sparte,  ital.  Parti  tu  ra,  Partizi.pne, 
Sparta,  Spartito,  franz.  Partition,  ist  die  schriftliche  Über- 
sicht aller  zu  einem  mehr-  und  vielstimmigen  Tonstticke  gehöri- 
gen Stimmen,  die  Takt  für  Takt  untereinander  geschrieben 
werden,  so  dass  man  sowohl  die  Bewegung  jeder  einzelnen 
Stimme  verfolgen,  als  auch  das  Miteinander,  aas  harmonische 
Zusammenwirken  überschauen  kann.  In  einer  Partitur  dürfen 
die  vier  Hauptstimmen  (bei  Instrumentalsachen  meistens  das 
Bogenquartett)  oder  die  vier  Singstimmen  nie  von  einander  ge- 
trennt werden,  iind  man  hält  die  uhöre  zusammen,  als'  den  Sing- 
stinamenchor ,  den  Streich-,  den  Holzbläser-,  den  Blechchor;  die 
Anordnung  und  Übereinanderstellung  der  Chöre  geschieht  aber 
von  den  Komponisten  verschieden,  immer  jedocn  nimmt  der 
Bass  die  unterste  Stelle  ein.  —  Geschriebene  Partituren  nach 
unserer  Weise  kommen  erst  Ende  des  XVI.  Jahrh.  vor,  d.  h. 
wir  besitzen  noch  solche;  die  Proske'sche  Bibliothek  in  Regens- 
burg hat  eine  solche  von  einem  Motette  Palestrinas  (Original): 
aus  fmheren  Zeiten  führt  Ambros  eine  mit  schwarzen  (Franco)- 
Noten  aus  dem  Werke  des  Hieronymus  de  Moravia  (XIII.  Jahrh.j 
an,  welches  auf  ein  lOliniges  System,  worin  die  drei  Singstim- 
men untereinander  tabulaturmässig,  natürlich  ohne  Taktstriche, 
eingetragen  sind,  notiert  ist.  (Ambros,  Geschichte  der  Musik, 
Bd.  IL  pag.  325.)  Ein  anderes  Beispiel  führt  H.  Bellermann  in 
seinem  „Kontrapunkt"  (Berlin,  1862)  aus  dem  Ende  des  XV.  Jahrh. 
an,  nämlich  em  Stück  des  Heinr.  Isaac;  der  vierstimmige  Satz 
ist  in  rautenförmigen  offenen  Semibreven  auf  einem  lOlinigen 
System  notiert,  welchem  die  fünf  claves  signatae  und  Schlüssel 
vorangestellt  sind,  die  Noten  sind  zur  leichteren  Unterscheidung 
in  verschiedenen  Farben  gehalten,  für  den  Diskant  rot,  für  den 
Alt  grün,  für  den  Tenor  schwarz,  für  den  Bass  rot;  Taktstriche 
teilen  die  Noten  in  Takte  von  je  zwei  ganzen  Noten  oder  vier 
halben  Noten.  Wie  gesagt,  sind  Partituren  aus  dem  XVI.  Jahrh. 
sehr  selten,  da  fast  aUe  Kompositionen  in  einzelnen  Stimmbüchern 
erschienen,  und  die  handschriftlichen  Partituren  der  Komponisten, 
die  sie  wohl  nie  aus  der  Hand  gaben,  grösstenteils  verloren 
gingen.  Die  Sitte,  Musiken  in  Partitur  herauszugeben,  fand  erst 
spät,  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVII.  Jahrh.  aflgemeinere  Auf- 
nahme. Die  älteste  gedruckte  Partitur  ist  wohl  vom  Jahre  1577. 
-Tutti  i  Madrigali  di  Cipr.  de  Rore**,  Venetia.  Darin  stehen  schon 
die  Stimmen  im  fünfzeiligen  System  übereinander,  wie  bei  uns. 
Die  deutsche  Tabulatur,  in  welche  sich  die  Organisten  im 
XVI.  und  XVII.  Jahrh.  die  Gesangstücke  absetzten,  kann  eigent- 
lich nicht  unter  die  Partituren  gerechnet  werden.  In  den  Par- 
tituren des  XVI.  und  Anfang  des  XVII.  Jahrh.  finden  sich 
häufig  mehr  die  einzelnen  Glieder  der  Melodie  als  die  Takte 
durch  Striche  gesondert,  wie  dies  auch  in  den  Stimmbüchern 
aus  dieser  Zeit  vorkommt. 

Passage,  s.  Periode. 

Passion,  Passio.  In  der  katholischen  Kirche  wird  mit 
iiesem  Namen   die  Leidensgeschichte   des   göttlichen   Heilandes 


240  Passionsmusik  —  Pater  noster. 

bezeichnet,  welche  am  Palmsonntage,  Dienstag  und  Mittwoch  in 
der  Karwoche  und  am  heiligen  Karfreitage  bei  der  Messe  nach 
den  vier  Evangelisten  abgelesen  oder  abgesungen  wird.  Wenn 
die  Passion  gesungen  wird,  stellt  sie  eine  Art  geistlichen  Dramas 
dar;  denn  sie  wu-d  von  einem  Diakon  als  Evangelisten,  dem 
eigentlichen  Erzähler,  vom  Celebranten  oder  einem  anderen,  der 
die  Person  Christi  darstellt  und  nur  die  Worte  desselben  zu  sin- 
gen hat,  und  einem  dritten  (Subdiakon),  welcher  dasjenige  sins^, 
was  eine  einzelne  andere  Person,  z.  B.  Pilatus,  Petrus  oder  das 
ganze  Volk  spricht,  ausgeführt.  Wo  mehrere  Sänger  zu  haben 
sind,  werden  die  Keden  des  Volkes  (Turba)  durcn  einen  Chor 
gesungen.  In  den  Chorbüchern,  welche  hiezu  benützt  werden, 
Passionalia  genannt,  und  in  allen  Missalien  sind  die  Personen 
mit  den  Buchstaben  E.,  S.  (X.)  und  T.,  d.  h.  Evangelista, 
Sacerdos  (Christus),  Turba  bezeichnet.  Wo  bloss  zwei  Prie- 
ster oder  Leviten  ausser  dem  Celebranten  vorhanden  sind,  soll 
der  Celebrans  die  Rolle  des  Christus,  singen,  nie  aber  ausser  der 
Turba  (Chor)  eine  Rolle  von  Laien  gesungen  werden.  Die  Me- 
lodie, welche  für  jede  Person  ihren  eigentümlichen  imd  chai'ak- 
teristischen  Gang  und  Schlussfall  hat,  war  vor  der  Herausgabe 
des  „Directorium  chori"  je  nach  Kirchen  imd  Gegenden  oder 
Ländern  sehr  variirend,  oft  aufs  reichste  mit  Neumen  imd  (hän- 
gen von  grossem  Umfange  ausgeschmückt,  doch  hat  die  gegen- 
wärtige römische  Singweise  in  ihrer  Einfachheit  immerhin  noch 
genug  Erhabenes  und  Ergreifendes.  Die  ^Ordines  Romani"  ma- 
chen keine .  Erwähnung  von  Passionsgesang,  aber  Durandus 
redet  schon  in  seinem  Rationale  davon,  dass  die  Worte  des 
Erlösers  mit  sanfterer  Stimme  als  die  des  Evangelisten  gesun- 
gen werden,  die  der  gottlosen  Juden  aber  „clamose  et  cum 
asperitate  vocis". 

Passionsmusik  ist  ein  Oratorium  grösseren  und  kleineren 
Umfanges,  dessen  Text  das  Leiden  und  Sterben  Jesu  Christi  vor- 
führt. Bekannt  ist  „Die  grosse  Passion  nach  Matthäus"  von 
Seb.  Bach,  dessen  Passion  nach  Johannes,  «Die  sieben  Worte 
des  Erlösers  am  Kreuze"  von  Jos.  Haydn,  „Der  Tod  Jesu"  von 
Graun  u.  v.  a.  (s.  Karfreitag). 

Pastorale  (ital.),  eigentlich  zu  deutsch  -Hirtengedicht^ 
oder  „hirtenmässig"  bedeutet  ein  Tonstück  von  ländlich  ein- 
fachem Charakter  meist  im  Vs  Takt  gesetzt.  Auf  den  katholischen 
Kirchenchören  brachte  man  derlei  charakterisierte  Tonstücke  in 
der  Weihnachtszeit  an,  wobei  man  die  Hirtenlieder  und  Schal- 
meienweisen nachahmte,  um  an  die  Hirten  zu  erinnern,  welche 
den  neugebornen  Heiland  zuerst  anbeteten.  Bekannt  sind  die 
Pastoralmessen  und  Pastoraloffertorien  u.  dgl.,  welche  meistens 
auf  eine  sehr  unglückliche,  der  Würde  des.. Gottesdienstes  nicht 
entsprechende  Tonmalerei  hinaus  liefen.  Übrigens  finden  sich 
auch  unter  den  älteren  Kompositionen  pastoreile  Motetten. 

Pater  noster,  „Vater  unser",  das  Gebet  des  Herrn  findet 
s.elbstverständhch  eine  häufige  Anwendung  in  der  Liturgie. 
Überall,  wo  man  sich  an  Gottes  Huld  ima  Gnade  besonoers 
wendet,  im  Officium  und  bei  dem  heiligen  Messopfer,  findet  es 
seine  Stelle,  so  am  Anfange  jeder  Hora,  häufig  vor  aen  Oratio- 
nen  u.  dgl.    In   der  Messliturgie   wird   es  gesprochen  im  Kanon, 


i 


Pauke  —  Pause.  241 

nämlich  nach  der  Wandlung,  unmittelbar  vor  Brechung  der  hei- 
ligen Hostie  und  dem  Agnus  Dei,  und  der  Umstand,  dass  das- 
selbe in  sämtlichen  Messhturgien  als  ein  durchaus  notwendiger 
Bestandteil  erachtet  wird,  veranlasste  schon  den  heil.  Hierony- 
mus  zu  der  Ansicht,  dass  der  liturgische  Gebrauch  dieses  Gebetes 
auf  einer  Anordnung  des  Herrn  selbst  beruhe.  Im  Messkanon 
wird  es  eingeleitet  durch  die  Worte:  „Oremus,  Praeoeptis  salu- 
taribus  .  .  .",  welche  schon  im  höchsten  Altertume  in  Gebrauch 
waren  und  das  Gefühl  der  Ehrfurcht  ausdrücken ,  womit  das 
Pater  noster  gebetet  werden  soll.  Während  ausser  der  heiligen 
Messe  ^  das  Pater  noster  immer  still  (secreto)  gebetet  und  nur 
manchmal  die  ersten  zwei  Worte  und  die  vorletzte  Bitte 
vom  Priester  laut  gesprochen  oder  gesungen  werden,  geschieht 
in  der  Messe  der  Taute  Sprech-  oder  Gesangvortrag  des  ganzen 
Pater  noster,  darauf  gründend,  dass  in  den  alten  Zeiten  der 
Kirche  auch  dies  heilige,  vom  Herrn  selbst  überlieferte  Gebet 
sorgföltig  vor  denen,  welche  noch  nicht  zur  Kirche  gehörten, 
geheim  gehalten  wurde:  bei  anderen  Gelegenheiten  konnten 
solche  anwesend  sein,  darum  es  still  gebetet  wurde,  bei  der  hei- 
ligen Messe  waren  aber  die  Katechumenen  und  Nichtgläubigen 
schon  vor  dem  Credo  entfernt  worden.  Das  Pater  noster  wird 
nach  zwei  Melodien  gesungen,  von  denen  die  eine  feierlich ^  die 
andere  ferial  (in  Missis  deff*.  und  in  festis  simplicibus  et  diebus 
ferialibus)  ist;  sie  sind  kollektenartig,  dem  Präfationston  ähnlich, 
einfach  aber  majestätisch.  Der  Chor  hat  die  letzte  Bitte:  „Sed 
libera  nos  etc.^'  zu  singen.  Das  Pater  noster  wird  nicht  mit  der 
OrgqJ  begleitet,  auch  ist  es  nicht  erlaubt,  den  Gesang  desselben 
bei  Amtern  zu  unterlassen. 

Panke,  lat.  Tvmpanum,  ital.  Tympano,  franz.  Tim- 
bale,  unter  den  Schlaginstrumenten  das  älteste.  Unsere  Kessel- 
pauke besteht  aus  einem  Kessel,  gewöhnlich  aus  Kupfer,  oben 
am  Rande  ist  ein  eiserner  Reif  mit  8 — 10  Löchern  befestiget, 
über  welchen  das  Pauken  feil  (Esels-,  Ziegen-  oder  Kalbshaut) 

fespannt  ist.  Dieser  Reif  wird  mittels  Schrauben  auf  den  Rand 
es  Kessels  befestiget,  und  durch  das  Drehen  dieser  Schrauben 
die  Pauke  gestimmt.  Geschlagen  werden  die  Pauken  mittels 
zweier  Stöckchen  (Schlägel),  an  denen  je  ein  hölzerner  Knopf, 
mit  Tuch  umwunden,  Defestiget  ist.  Beim  Schlagen  sind  die 
Pauken  in  ein  eigenes  Gestell  eingesetzt.  In  der  Kegel  benützt 
man  zwei  Pauken,  von  denen  die  grössere  in  der  Dominante, 
die  kleinere  in  der  Tonika  des  Musikstückes,  wozu  sie  verwendet 
werden,  gestimmt  wird.  Die  Notierung  für  dieses  Instrument 
geschieht  im  Bassschlüssel  und  immer  in  C, 


S 


ä 


jtzz: 


es  muss  aber  immer  die  Stimmung  am  Anfange*  des  Stückes  an- 
gezeigt sein.  Dass  die  Pauken  für  die  Kirchenmusik  sehr  unpas- 
sende Instrumente  sind,  braucht  wohl  nicht  bewiesen  zu  werden. 
Pause ,  lat.  pausa  (pausatio),  das  Innehalten ,  der  Still- 
stand —  bedeutet  m  der  Musik  das  Schweigen  der  Stimmen  an 

Koramüller,  Lexikon.  16 


242 


Pause. 


gewissen  Stellen  des  Tonstückes,  dann  auch  das  Zeichen  selbst, 
welches  die  Dauer  dieses  Schweigens  andeutet.  Als  sich  die 
Diaphonie  im  XII.  Jahrh.  zur  Mensuralmusik  entwickelt  hatte, 
musste  man  auch  bedacht  auf  die  Zeit  des  Schweigens  einer 
oder  mehrerer  Stimmen  nehmen  und  den  betreffenden  Sängern 
durch  gewisse  Zeichen  dies  bemerklich  machen.  Hierzu  bediente 
man  sich  senkrechter  Striche,  welche  durch  die  Linien  des  Noten- 
systems gezogen  wurden.  Ein  Strich,  der  ein  Spatium  füllte, 
kam  der  Dauer  einer  Brevis  oder  einem  Tempus  gleich;  füllte  er 
nur  die  Hälfte  eines  Zwischenraumes,  galt  er  die  Dauer  einer 
Semibrevis;  em  durch  zwei  Spatien  gehender  Strich  hatte  die 
Zeitgeltung  einer  Longa  imperfecta,  durch  drei  Spatien  die  einer 

Perfecta.  Auch  als  man  die  weissen  Noten  einführte,  blieb  man 
ei  den  nämlichen  Zeichen,  nur  für  die  weiteren  Teüungen  der 
Semibrevis  kamen  noch  die  pausae  aculeatae  hinzu,  und  so 
hatte  man  nmi: 


i 


Pausa  longa    Pausa  Semipausa       Suspirium  Semisuspirium 

—  Dauer  einer  —  Dauer  einer    —  für  die         —  für  die 

Brevis.      Semibrevis  oder    Minima.  Semiminima. 
eines  Taktes. 

Für  die  fusa  oder  semifusa  kamen  zwei  und  drei  Häk- 
chen in  Anwendung.  Bei  diesen  Zeichen  blieb  es  im  allgemeinen 
bis  auf  den  heutigen  Tag  nur  mit  geringen  Änderungen: 


^ 


^ 


4  Takt-P. 


i 


2  Takt-P.      1  Takt-P.      '/,  Takt-P.     '/<  Takt.P. 


f 


Vg  Takt-P.        V,«  Takt-P.         '/^a  Takt-P.  V«4  Takt-P. 

Sind  mehr  als  vier  Takte  zu  pausieren,  so  werden  diese 
einfachen  Pausen  zusammengesetzt  oder  über  einem  oder  zwei 
dicken  Strichen  die  Zahl  der  Taktpausen  in  Ziffern  angezeigt,  z.  B. : 

6  12  15 


1 


"¥ 


E 


EB 


m 


Um  Missverständnisse  zu  vermeiden,  schreibt  man  von 
einer  Taktpause  aufwärts  die  Zahl  gewöhnlich  darüber.  —  Die 
Pausen  von  geringerem  Werte  als  einem  Takte  nennt  man  auch 
„Suspiren*'  oder  „Sospiren",  vom  lateinischen  Suspirium 
und  französischen  Soupirs.  Da  die  Pausen  die  Stellen  von 
stimimen  Noten  vertreten ,  so  erdulden  sie  auch  jede  sonstige 
orthographische  Behandlung  derselben;  so  kann  z.  B.  ein  Punkt 
nach  ihnen  gesetzt  werden,  welcher  ihre  Geltung  um  die  Hälfte 


Pausa  correpta  —  Periode.  243 

verlängert.  —  Eine  Pause  durch  alle  Stinimen  eines  Tonstückes 
heißst  Generalpause. 

Pausa  correpta,  s.  Psalm. 

Pedal,  s.  Orgel. 

Pentecostes,  s.  Pfingsten. 

Perdendo,  —  si,  (itaL),  verlierend,  sich  verlierend,  ahneh- 
mend,  soviel  als  diminuendo. 

Perfektaccord  =  grosser  Dreiklang. 

Perfectio,  eigentlicli  Vollendung,  Vollkommenheit,  ist  ehi 
Ausdruck,  den  die  Mensurallehrer  des  XIII.  und  XIV.  Jahrh. 
a)  bezüglich  der  Wertbestimmung  der  nota  langa  (■)  gebrauchen ; 
diese  Note  gilt  ihnen  als  perfekt,  wenn  sie  den  Wert  von  drei 
Tempora  ooer  drei  Breven  hat;  hingegen  als  imperfekt,  wenn 
sie  bloss  den  Wert  von  zwei  solchen  nat.  Daher  „Tempus  per- 
fectum  oder  imperfectum"  sich  immer  auf  die  Geltung  der  nota 
longa  bezieht.  Hierfür  bestanden  bestimmte  Regeln,  z.  B.  Longa 
perncitur,  cum  longa  praecedit;  oder  imperficitur ,  cum  brevis 
fpngam  praecedit  etc.;  b)  zur  Bezeichnung  der  Eigenschaft  von 
dem  Fortschreiten  der  Noten  (des  Abschnittes  oder  Tonfusses, 
analog  den  Versfüssen),  welche  sie  modus  naifhten;  ^modus 
perfectus*^  war  vorhanden,  wenn  ein  solcher  Rhythmus  mit  der- 
selben Note  oder  figura  endete,  mit  welcher  er  begann;  im 
gegenteiligen  Falle  war  er  imperfekt. 

Periode  bedeutet  in  der  Musik  die  Vereinigung  solcher 
einzelner  melodischen  Teile  zu  einem  Ganzen,  die  an  und  für 
sich  zwar  einen  musikalischen  Sinn  haben,  durch  ihre  Vereini- 
gung aber  erst  den  Ausdruck  einer  Empfindung  bis  zu  einem 
gewissen  Grade  von  Vollkommenheit  erhalten.  In  ihrer  Grund- 
form stellt  sie  sich  achttaktig  dar  (sie  kann  auch  eine  grössere 
Ausdehnung,  jedoch  nicht  wohl  über  16  Takte  haben)  und  ihre 
Teüe  sind  das  Motiv,  der  Abschnitt  und  der  Satz.  Das 
Motiv  ist  das  kleinste  musikalische  Gedankenbild,  aus  wenigen 
Noten  bestehend,  welches  den  Raum  eines  Taktes  nicht  über- 
schreitet. Durch  Wiederholung,  Anknüpfung  des  versetzten  oder 
sonst  veränderten  oder  eines  ganz  neuen  Motives  entsteht  der 
Abschnitt,  welcher  schon  zwei  Takte  füllt.  Durch  ähnliche 
Behandlung  des  Abschnittes  bildet  sich  der  viertaktige  Satz, 
w^elcher  noch  nicht  abschliessend ,  als  Vordersatz,  einen 
Nachsatz  von  gleich  vielen  Takten  und  auf  ähnliche  Weise, 
wie  die  Erweiterung  des  Motives  und  Abschnittes  geschah,  ge- 
nommen, nach  sich  zieht  und  so  zur  Periode  sich  gestaltet.  Die 
Perioden  können  nach  dem  Zwecke  und  der  Absicht  des  Ton- 
setzers wieder  erweitert  oder  verengert  werden,  wodurch  Perioden 
von  mannigfaltiger  Grösse  entstehen.  Durch  Wiederholung,  An- 
knüpfung neuer  Perioden  u.  dgl.  erhält  man  Doppelperioden 
und  Periodengruppen,  die  nun  ein  ganzes  Tonstück  aus- 
machen. Doch  sina  nicht  alle  Teile  eines  Tonstückes  lauter 
solche  rhythmisch  wohl  gebüdete  Perioden,  sondern  es  kommen 
daneben  auch  Verbindungsglieder  vor,  die  freier  gestaltet  sind, 
z.  B.  Gänge,  melodisch  organisierte  Tonfolgen  ohne  einen  in 
sich  befriedigenden  Abschluss,  Passagen,  Gänge  aus  schnell 
folgenden,  ganz  oder  meist  gleichen  Noten,  Läufe,  den  Passagen 
ähnliche   Gestaltungen,    Zusätze    zu    den   Perioden,   Anhängsel, 

16* 


244  Pfeife  —  Pfingsten. 

Einschiebsel  etc.  Diese  strenge  rhythmische  Struktur  und 
symmetrische  Gliederung  findet  aber  m  den  kontrapunktischen^ 
kanonischen  und  Fugenwerken  geringe  oder  keine  Anwendung, 
da  dort  das  ganze  Thema  in  seinen  Wiederholungen  den  Rhyth- 
mus gibt. 

Pfeife  überhaupt  ein  Instrument,  welches  aus  einem  Rohr 
besteht,  in  das  über  einen  Kern  hinweg  Luft  geblasen  wird, 
welche  teilweise  ober  dem  Kerne  entweicht,  teflweise  in  den 
Rohrkörper  eindringt  und  durch  ihre  Schwingungen  den  Ton 
erzeugt.  Pfeifen  sind  die  tongebenden  Teile  der  Orgel  und  sind 
also  das  Wichtigste  an  derselben.  Sie  sind  entweder  von  Me- 
tall —  aus  reinem  Zinn  oder  einer  Mischung  von  Zinn  und  Blei 
fauch  bloss  „Metall"  benannt)  oder  von  Holz  —  Fichten-,  Kie- 
fern-, Eichen-  oder  Birnbaumholz,  und  haben  bald  die  Gestalt 
von  Cylindern  öder  Säulen,  bald  von  Kegeln  und  Pyrami- 
den. Auch  ihre  innere  Einrichtung  unterscheidet  sie,  indem 
bei  den  Labialpfeifen  öder  dem  Flötenwerk  die  Luft  allein 
als  tonerzeugendes  Mittel  erscheint,  bei  dem  Rohr-  oder  Zun- 
genwerk (s.  ^.)  eine  mitschwingende  Zunge  den  Ton  bestimmt. 
Nach  den  akustischen  Gesetzen  hat  die  Länge  der  Pfeifen  Ein- 
fluss  auf  Höhe  oder  Tiefe  des  Tones,  so  dass  eine  längere  Pfeife 
einen  tieferen  Ton  gibt,  als  eine  kürzere.  Hierbei  ist  bemerkens- 
wert, dass  eine  oben  gedeckte  Pfeife  (Gedakt)  um  eine  Oktav 
tiefer  klingt  als  eine  offene  von  gleicher  Länge.  Doch  gibt  es 
noch  Umstände,  welche  bei  gleicher  Länge  der  Pfeifen  deren  Ton 
verschieden  darstellen,  nicht  in  Bezug  auf  die  Höhe  oder  Tiefe, 
sondern  auf  den  Klang;  auf  die  Klangfarbe  hat  wirksamen 
Einfluss:  das  Material,  woraus  die  Pfeifen  gefertigt  sind,  die  Form 
des  Aufsatzes,  das  zuströmende  Luftquantum,  .die  Mensur  oder 
das  Verhältnis  der  Weite  zur  Länge,  und  die  Grösse  des  Auf- 
schnittes im  Verhältnisse  zum  Querschnitte.  Durch  Beachtung 
und  Anwendrmg  dieser  Hilfsmittel  erzielt  der  Orgelbauer  die  ver- 
schiedenen Register  und  Orgelstimmen,  d.  h.  die  nach  un- 
serem Tpnsysteme  abgestimmten  und  durchlaufenden  Reihen  von 
Pfeifen ^' einer  und  derselben  Klangfarbe.  Pfeifen  mit  enger 
Mensur  haben  einen  scharfen ,  mageren ,  streichenden  Ton  mit 
eigentümlich  geigenartiger  Färbung,  während  weite  Pfeifen 
einen  vollen ,  starken  Ton  geben ,  weshalb  letztere  auch  für  die 
sogenannten  Prinzipalstimmen  verwendet  werden. 

Pfingsten,  Pentecostes.  Das  heilige  Pfin^tfest,  der 
Mittelpunkt  des  Pfingstfestkreises ,  ist  eingesetzt  zur  Erinnerung 
an  die  dritte  grösste  Wohlthat  Gottes  an  aie  Menschen:  die  Hei- 
ligung, die  Sendung  des  heiligen  Geistes.  Diesem  Feste  kommt 
darum  auch  wieder  eine  feierlichere  Liturgie  zu.  Am  vorhergehen- 
den. Tage,  Vigilie,  werden,  wie  am  Karsamstage,  Prophetien  ab- 
gesungen, Abschnitte  der  heiligen  Schrift  des  A.  T.,  worin  die 
Wirkungen  des  heiligen  Geistes  vorgebüdet  sind,  dann  auch  die 
Taufwasserweihe  abgehalten,  die  Litanei  gesungen:  ebenfalls 
werden  beim  Gloria  der  Messe  alle  Glocken  geläutet.  Die  Matutin 
hat^  wie  das  Osterofficium ,  nur  eine  Nokturn,  bestehend  aus 
drei  Psalmen  imd  drei  Lektionen;  als  Hymnus  der  Terz  wird  der 
Hymnus:  „Veni  Creator  Spiritus"  gebraucht,  welcher  auch  an 
manchen  Orten    vor   dem  Hochamte   feiei^ich   abgesungen   wird 


Phrase  —  Plica.  245 

In  alten  Zeiten  hielt  man  am  Pfingstfeste  vor  dem  feierlichen 
Gottesdienste  eine  Prozession,  doch  nur  in  den  Räumen  der 
Kirche.  Die  Messe  des  Tages  (und  der  ganzen  Oktav)  hat  eine 
Sequenz:  „Veni  sancte  Spiritus  et  emitte  coelitus",  welche  dem 
Papste  Innocenz  III.  zugeschrieben  wird,  und  an  die  Stelle  der 
früher  gebräuchlichen,  des  Königs  Robert:  „Veni  sancte  Spiritus, 
reple"  getreten  ist.  In  einzelnen  Kirchen  findet  nachmittags 
eine  Vorstellung  .der  Sendung  des  heiligen  Geistes  statt; 
der  Celebrant  geht  nach  dem  Kesp.  breve  der  Non,  mit  dem 
Pluviale  bekleidet,  an  den  Ort  der  Kirche,  wo  die  Gestalt  einer 
weissen  Taube  als  Sinnbild  des  heiligen  Geistes  herabgelassen  zu 
werden  pflegt,  incensiert  und  intoniert:  „Veni  sancte  Spiritus", 
und  während  die  Gestalt  herabgelassen  wird,  vollendet  der  Chor 
den  Hymnus.  Zum  Schlüsse  singt  der  Priester  die  Oration  mit 
den  gewöhnlichen,  eine  Hora  beschliessenden  Versikeln.  Das 
-Benedicamus"  wird  vom  Chore  feierlich  gesungen,  worauf  die 
Vesper  beginnt. 

Phrase  bezeichnet  in  der  Musik  ein  Melodieglied  von  grös- 
serem oder  geringerem  Umfange,  welches  in  einem  Atem  zu 
singen  oder  ohne  abzusetzen  vorzutragen  ist. 

Phrasierung  ist  die  Abgrenzung  der  Phrasen  oder  der 
Melodieglieder  beim  Vortrage.  Sie  wird  im  Gesänge  erreicht 
durch  sinngemässes  Atemholen,  bei  Instrumenten  durch  kleine 
Pausen  und  Absetzen.  Die  sinngemässe  Phrasierung  ist  eine  der 
ersten  Bedingungen  des  guten  Vortrages,  wie  bei  der  Rede  die 
Beobachtung  der  Interpunktion. 

Piu  (ital.)  =  mehr,  dient  zur  näheren  Bestimmung  man- 
cher Vortragsbezeichnungen,  z. ,B.  piü  lento  ■=  langsamer;  piü 
allegro  =  schneller. 

Pizzicato  (ital.),  abgekürzt  piz.  oder  pizz.,  —  gekneipt, 
geschnellt,  —  bezeichnet  iene  Vortragsart  bei  den  Streichinstru- 
ten,  wobei  die  Saiten  nicnt  mit  dem  Bogen  gestrichen,  sondern 
mit  einem  Finger  gezupft  oder  gerissen  werden;  an  der  Stelle, 
wo  der  Bogen  wieder  in  Anwendung  gebracht  werden  soll,  steht 
dann  arco  oder  coli'  arco. 

Plica,  in  der  Neumenschrift  schon  gebräuchlich,  bedeutete 
vor  der  Mensuralzeit  die  Vorausnahme  des  folgenden  Tones  im 
innigsten  Anschlüsse  an  den  vorhergehenden,  anticipatio.  In 
der  Mensuralmusik  war  sie  ein  der  Note  beigefügter  Strich  (tra- 
ctulus),  fand  nur  am  Ende  einer  Ligatur  statt  und  bedeutete 
eine  Verzierung,  Manier,  nicht  aber  eine  Wertveränderung.  In 
dem  Traktat  eines  gewissen  Aristoteles  zu  Francos  Zeit  rechnet 
sie  unter  die  Species,  welche  in  jeder  Gesangsgattung  des  Wohl- 
klanges halber  angewendet  werden.  Sie  war  longa  perfecta  und 
imperfecta  (■  ,')  oder  brevis  recta  und  altera  (■  '>),  und  es  fielen 
bei  der  Perfektion  zwei  Tempora  auf  den  Körper  (corpus)  und 
ein  Tempus  etc.  auf  die  Plica;  bei  der  Imperfektion  geschah  es 
in  gleichen  Teilen.  Der  Plicaton  konnte  einen  halben  oder  gan- 
zen Ton,  eine  Terz,  Quint  auf-  oder  abwäi'ts,  je  nach  der  Ton- 
verbindung gehen,  so  dass  wir  darunter  kaum  etwas  anderes 
suchen  dürfen ,  als  das  Portamento.  Der  genannte  Autor 
sagt:  „Fit  autem  plica  in  voce  per  compositionem  epiglotti 
cum   repercussione   gutturis   subtiliter  inclusa",    und    „Plica   est 


246  Poco  —  Portativ. 

Kignum  dividens  sonum  in  sono  diverso  per  diversas  vocum 
distantiaß." 

Poco  (ital.)  =i  wenig,  etwas;  un  poco  =  ein  wenig,  kommt 
oft  in  Tonstücken  zur  nälieren  Bestimmung  der  Vortragsbezeich- 
mmgen  vor,  z.  B.  un  poco  Adagio  —  ein  wenig  langsam; 
poco  forte  —  etwas  stark;  poco  a  poco  —  nach  und  nach. 

Polyphonie  (vom  griech.  noXv,  viel  und  (potvr,,  die  Stimme)^ 
die  Vielstimmigkeit,  im  Gegensatze  zur  Homophonie,  Gleichstim- 
migkeit;  davon  polyphon isch,  vielstimmig.  Dieses  Wort, 
erst  seit  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  im  allgemeineren  Ge- 
brauche (Luscinius  im  XVI.  Jahrh.  bedient  sich  auch  schon  des 
Ausdruckes:  ^concentus  polyphonus") ,  bedeutet  nicht  überhaupt 
jeden  mehrstimmigen  Satz,  sondern  nur  einen  solchen,  in  wel- 
chem von  den  einzelnen  Stimmen  jede  gewissermassen  ihre 
Selbständigkeit  behauptet,  wie  es  z.  B.  bei  den  Kontrapunkten, 
Kanons,  Fugen  der  Fall  ist;  Homophonie  weist  dann  auf 
solche  mehrstimmige  Sätze,  wo  eine  Stimme  die  melodieführende 
ist,  die  übrigen  dieser  nur  untergeordnet  als  begleitende,  den 
Accord  vervollständigende,  füllende  Stimmen  erscheinen;  besser 
könnte  man  sie  die  gleichzeitige  Satzweise  nennen.  Hieraus 
erklärt  sich  auch  der  Ausdruck:  polyphonisohe  Satz-  oder 
Schreibweise. 

Portamento  dl  voce,  bezeichnet  teils  das  Halten  und  Tra- 
gen der  Stimme  in  den  verschiedenen  möglichen  Schattirungen, 
teils  und  vorzüglich  das  sanfte  Hinübergleiten  von  einem  Tone 
zum  folgenden,  den  man  im  voraus  nur  ganz  leise  zu  berühren 
hat,  welches  dann  am  vollkommensten  ist,  wenn  jeder  Ton  in 
völliger  Gleichheit  der  Fülle,  Stärke  und  Rundung  in  den  ande- 
ren gleichsam  überfliesst  und  so  mit  ihm  aufs  genaueste  ver- 
bunden wird.  Das  ist  der  wichtigste  Punkt  der  Gesangslehre 
und  bei  vollkommener  Ausbildung  eine  der  höchsten  Schönheiten 
der  Gesaiigskunst.  Doch  muss  es  mit  Verstand  und  nicht  überall 
angewendet  werden.  Auch  der  Choralgesang  kennt  das  Porta- 
mento  und  benützt  es  als  ein  gutes,  den  Gesang  verschönerndes 
\'ortragsmittel ;  ohne  dasselbe  wird  der  Gesang  steif,  schleppend 
und  hölzern.  In  guten  Choralbüchern  ist  es  durch  die  Semi- 
brevis  (♦)  oder  durch  die  nota  obliqua  (^  •)  angezeigt.  In 
mehrsilbigen  Wörtern  bei  fallender  Tonfolge  hat  es  immer  statt, 
wenn  die  letzte  von  zwei  oder  mehreren  auf  eine  Silbe  kommen- 
den Noten  und  die  erste  über  der  folgenden  Silbe  stehende  Note 
auf  gleicher  Tonstufe  stehen,  vorausgesetzt,  dass  diese  folgende 
Silbe  keine  ganz  kurze  ist,  wie  bei  gloria,  Dominus  etc.,  z.  B.: 


S=5 


:r«Ä=:i-t=rd» 


i=pi±lzz===zii^~^-""^-»--B,zi 


al  -  le  -   lu  -  ja.     nie  -  am.      nicht  aber  bei    glo   -    ri-am. 

Bei  aufsteigender  Tonfolge  lässt  es  sich  nicht  in  gleichem 
Falle  überall  anwenden,  und  es  erfordert  der  richtige  Gebrauch 
desselben  schon  einen  gebildeten  Geschmack  des  Sängers  (s.  Plica). 

Portativ,  s.  Positiv. 


Posaune  —  Praeambulum.  247 

Posaune,  ital.  Trombone,  lat.  Tuba.  Dies  Instrument 
kommt  schon  im  hohen  Altertume  vor.  In  der  katholischen 
Kirche  wurde  die  Posaune  im  Mittelalter  bei  religiösen  Feier- 
lichkeiten angewendet,  da  ihr  Ton  bei  Begleitung  des  Gesanges 
diesem  etwas  sehr  Feierliches  und  Erhabenes  verlieh.  Im  X  V I. 
und  XVII.  Jahr h.  war  sie  beim  Gottesdienste  allgemein  gebraucht, 
und  man  fügte  gerne  den  kontrapunktischen  Werken  drei  bis 
vier  Posaunen  bei,  welche  die  vier  Singstimmen  begleiteten  und 
unterstützten;  doch  waren  sie  nicht  säbständig,  sondern  spiel- 
ten nur  das,  was  die  Sänger  sangen.  Die  gegenwärtige  Form 
der  Posaunen  rührt  aus  dem  XVI.  Jahrh.  her;  als  ihr  Erfinder 
wird  Hans  Meuschel  in  Nürnberg  (f  1533)  genannt.  —  Die  Haupt- 
teile der  Posaune  sind:  1)  das  Haui)tstück,  zwei  gleichlange 
Röhren,  welche  oben  durch  ein  messingenes  Querstück  fest  aus- 
einandergehalten werden,  das  man  mit  der  linken  Hand  anfasst; 
2)  das  Mundstück,  welches  in  einer  dieser  Röhren  oben  steckt 
und  ganz  dem  Mundstücke  einer  Trompete  gleicht,  nur  etwas 
gi-össer  ist;  3)  der  Schalltrichter,  welcher  auf  die  zweite 
Röhre  gesteckt  ist;  4)  die  sogenannten  Stangen,  zwei  Röhren, 
welche  unten  in  einem  Bogen  sich  verbinden;  m  sie  passen  genau 
jene  anderen  zwei  Röhren,  so  dass  sie,  obwohl  leicnt  verschieb- 
bar ,  mittels  eines  Handgriffes ,  doch  winddicht  schliessen.  Durch 
das  Verschieben  wird  der  Körper  des  Instrumentes  verlängert 
und  verkürzt,  und  werden  eben  dadurch  tiefere  und  höhere  TCne 
hervorgebracht.  Um  nach  den  verschiedenen  Stimmhöhen  der 
menschlichen  Stimme  begleiten  oder  spielen  zu  können,  fertigte 
man  Posaunen  von  verschiedener  Dnnension  an:  Diskant-, 
Alt-,  Tenor-  und  Bassposaune.  Die  Notierung  der  Posaune 
geschieht  in  den  treffenden  Stimmschlüsseln  und  regelmässiger 
Vorzeichnung,  da  sie  alle  chromatischen  Töne  in  der  Oktaven- 
reihe zu  geben  vermögen;  die  Diskantposaune  wird  jetzt  gewöhn- 
lich durch  eine  Ventiltrompete  ersetzt.  Häufig  wird  jetzt  bloss 
die  Bassposaune  angewendet,  deren  Umfang  vom  tiefen  C  bis 
zum  eingestrichenen  E  reicht. 

Position,  s.  Applikatur. 

Positiv  heisst  eme  kleine  Orgel  ohne  Pedal.  Seine  Register 
enthalten  nur  kleines  Pfeifenwerk,  als  Grundstimme  ein  Gedakt 
von  acht  Fuss;  der  Mechanismus  ist  gleich  dem  bei  grösseren 
Orgeln,  nur  haben  sie  weder  Abstrakten  noch  Wellenbrett,  da 
die  Taste  mittels  eines  sogenannten  Stechers  unmittelbar  die 
Cancelle  öffnet.  Die  Positive  haben  gewöhnlich  nur  einen  Balg, 
der  dann  aber  mit  einem  Schöpfbalg  versehen  ist.  Sie  sollten 
nur  sanfte  und  keine  schreienden  Register  haben.  Regal  wird 
eine  solche  kleine  Orgel  genannt,  wenn  sie  lauter  Zungenstim- 
men hat,  Portativ,  wenn  sie  so  gebaut  ist,  dasF  man  sie  leicht 
tragen  und  von  einem  Orte  zu  einem  anderen  fortschaffen  kann. 

Postludium,  s.  v.  als  Nachspiel. 

Praeambulum  (lat.)  und  praeambulieren,  so  viel  als 
Präludium  und  präludieren,  franz.  Pr61ude,  überhaupt  eine 
Einleitung  zu  irgend  einem  Tonstücke,  ein  Vorspiel  ausTühren. 
Speciell  bezeichnet  dieser  Ausdruck  jene  kürzeren  oder  längeren 
Orgelsätze,  mit  welchen  während  des  Gottesdienstes  die  kirch- 
lichen Gesänge  oder  Musikstücke  eingeleitet  werden.   Dass  diese 


248  Praecentor  —  Praeludium. 

Vorspiele  den  ihnen  folgenden  Gesängen  und  Stücken  angemes- 
sen sein  und  dem  ganzen  Charakter  der  Festfeier  entsprechen 
müssen,  ist  selbstverständlich.  Der  katholische  Organist  kann 
sich  bei  der  ungleichen  Dauer  dieser  Vorspiele  gewöhnlich  nicht 
damit  zufrieden  geben ,  einige  Vorspiele  auswendig  .  zu  lernen, 
sondern  er  hat  sich  in  das  Studium  der  Harmonielehre  und 
einigermassen  in  die  Hauptformen  des  Orgelstiles  zu  vertiefen, 
um  nach  Bedürfnis  frei  präludieren  oder  die  erlernten  Sätze  ge- 
hörig anwenden,  zerteilen,  verbinden,  umformen,  transponieren 
oder  sonst  für  den  jedesmaligen  Zweqk  gestalten  zu  könneiL 
Übrigens  ist  es  keine  Schande  für  einen  auch  wohlgebildeten 
Organisten,  ausgedehntere  Präludien  aus  einer  aufgelegten  Stimme 
zu  spielen;  der  gute  katholische  Organist  wird  es  nicht  für  eine 
Elu*e  halten,  in  eigenen  bizarren  Phantasien  sich  zu  ergehen 
oder  durch  Fingerfertigkeit  auf  den  Beifall  eines  unwissenden 
Publikun  s  zu  spekulieren;  leichtfertige,  weltlich  duftende,  senti- 
mentale und  arienhafte  Weisen  bleiben  ihm  fern,  ihm  ist  nur 
der  hohe  Zweck  seiner  Kunst,  die  Würde  des  Gotteshauses  und 
die  Erhabenheit  der  gottesdienstlichen  Feier  massgebend.  —  Das 
Nämliche  hat  vom  Postludium,  Nachspiel,  zu  gelten,  welches 
Nachklang  der  vorgeführten  Gesangstücke  bilden  soll. 

Praecentor,  s.  Kantor. 

Praefation,  eigentlich:  Vorrede,  Vorwort,  ist  der  Gebets- 
hymnus, welcher  bei  der  katholischen  Messfeier  den  Kanon  und 
die  heiligste  Handlung  einleitet;  er  bildet  für  Priester  und  Volk 
eine  Voroereitung  auf  die  sich  bald  vollziehenden  Geheimnisse 
und  zugleich  ein  X/ob  Gottes,  weshalb  er  auch  mit  lauter  Stimme 
gesungen  wird.  Präfationen  kennt  schon  das  hohe  Altertum, 
und  einige  nennen  den  Papst  Gelasius  als  denienigen,  welcher. 
Text  und  Melodie  dazu  für  die  römische  Kirche  geliefert  habe. 
Früher  hatte  jedes  Fest  seine  eigene  Präfation;  das  römische' 
Missale  enthält  deren  11:  für  Weihnachten,  Epiphanie,  die  Fasten- 
zeit, Passionszeit,  Ostern,  Himmelfahrt  Christi,  Pfingsten,  Drei- 
faltigkeitsfest (zugleich  für  alle  Sonntage),  für  die  Marienfeste, 
die  Apostelfeste  und  die  gewöhnliche  (communis),  und  weist 
ihnen  eine  zweifache  Gesangs  weise  zu:  eine  feierliche  und 
feriale.  Die  Melodie  selbst  zeichnet  sich  durch  Einfachheit  und 
grosse  Erhabenheit  aus:  die  feriale  nähert  sich  sehr  dem  Kol- 
lekten- oder  Orationstone,  und  findet  ihre  Anwendung  nicht  bloss 
bei  der  Messpräfation ,  sondern  auch  bei  denen,  welche  bei  ver- 
schiedenen feierlichen  Weihungen  gesungen  werden.  —  DasCae- 
remoiiiale  Episc.  zählt  sie  nicht  unter  den  mit  der  Orgel  zu 
begleitenden  Gesängen  auf. 

Praeintonatio ,  das  vorausgängige  Anstimmen  der  Anti- 
phonen und  Hymnen,  findet  bei  den  Vespern,  beim  Kompletorium 
und  den  anderen  Hören,  wenn  sie  feierlich  mit  Gesang  abgehal- 
ten werden,  in  Dom-  und  Kollegiatkirchen  nach  dem  Caerem. 
Episc,  sowohl  bei  An-  oder  Abwesenheit  des  Bischofs  statt;  es 
hat  dabei  ein  zu  diesem  Amte  bestimmter  Priester  denjenigen, 
welchen  es  obliegt,  eine  Antiphon  oder  den  Hymnus  anzu- 
stimmen, diese  Intonation  voranzusingen,  worauf  der  Betreffende 
nachsingt. 

Praeludium,  s.  Praeambulum. 


Presto  —  Probe.  249 

Presto,  s.  Tempo. 

Prim  (prima  chorda,  die  erste  Saite)  bedeutet  a)  die  erste 
Stufe  einer  Tonleiter  =  Tonica;  b)  überhaupt  einen  mit  einem 
vorhergehenden  gleichklingenden  Tone  =  .Einklang,  Unison, 
dessen  Stelle  in  der  Harmonie  (nicht  aber  in  der  Melodie)  oft 
auch  die  Oktav  vertritt.  Insofern  kann  man  von  einer  reinen 
Prim  reden;  die  übermässige  Prim  ist  nichts  anderes  als  der 
chromatisch  erhöhte  Ton  im  Verhältnisse  zu  seinem  Stammtone, 
z.  B.  eis  —  C,  und  kann  in  der  Melodie  zur  Ausschmückung  an- 
gebracht werden;  selten  aber  hat  sie  in  der  Harmonie  als  über- 
mässige Oktav  und  dann  nur  im  Durchgange  Platz. 

Primicerins,  s.  Kantor. 

Primo  (ital.),  der  erste,  prima,  die  erste,  z.  B.  Violino 
primo,  die  erste  Violine;  Cor no  primo  (abgekürzt:  I'li'),  das 
erste  Hörn;  „a  prima  vista  spielen",  vom  ersten  Anblicke,  d.  h. 
vom  Blatte  weg,  ohne  vorher  ein  Stück  gesehen  oder  durchge- 
gangen zu  haben,  spielen. 

Principal  ist  diejenige  unter  den  Orgelstimmen,  welche 
die  grösste  Tonstärke,  Kraft  und  Fülle  bei  weiter  Mensur  und 
vielem  Windzuflusse  hat.  Die  grösste  Manual-Principal- 
stimme  steht  gewöhnlich  von  besserem  und  stärkerem  Metall 
gearbeitet  und  glänzend  poliert  in  der  Fronte  (Prospekt)  der 
Orgel,  wo  sie  zugleich  eme  Zierde  abgeben  soll.  Die  auf  der 
grösseren  Güte  des  Metalls  beruhende  rräcision  des  Tones  gibt 
mr  das  Vorrecht,  als  Norm  bei  der  Stimmung  des  übrigen  Pfei- 
fenwerkes zu  dienen.  Da  sie  Hauptstimme  ist  (daher  ihr  Name), 
wird  ihre  Tongrösse  nach  einer  eigenen  Mensur  gemessen,  wo- 
nach sich  die  Mensur  der  übrigen  Stimmen  richtet.  Nach  ihr 
wird  auch  die  Grösse  der  Orgel  benannt;  hat  das  Principal 
16  Fusston,  so  heisst  die  Orgel  ein  16füssiges  Werk,  hat  es 
8  Fusston,  ein  Sfüssiges  Werk.  Grösser  als  16  Fuss  wird  das 
Principal  nicht  wohl  für  das  Manual  disponiert;  ins  Pedal  jedoch 
kann  ein  32füssiges  Principal  kommen,  welches  Principalbass 
heisst.  Kleine  rrincipalstimmen  richten  sich  nach  der  Haupt- 
stimme dieses  Namens  und  werden  Principaloktaven  ge- 
heissen.    Geigenprincipal  ist  enger  mensuriert. 

Probe,  franz.  K6petition,  ital.  Repetizione,  in  der 
Musik  die  der  wirklichen  öffentlichen  Aufführung  vorhergehende 
Privataufführung .  eines  Tonstückes ,  die  vornehmlich  dazu  not- 
wendig ist,  dass  jeder  der  Mitwirkenden  seine  einzelne  Partie 
sowohl  als  das  ganze  Tonstück,  deren  Charakter  und  besondere 
Eigentümlichkeiten  genau  kennen  lernt  und  dadurch  in  den  Stand 

fesetzt  wird,  desto  gewisser  und  richtiger  seinen  Vortrag  der 
Ausführung  des  Ganzen  anzupassen;  dann  ferner  auch,  um  mög- 
liche Fehler  in  den. Notenstimmen  u.  dgl.  zu  berichtigen,  und 
dadurch  das  Tonstück  bei  der  eigentlichen  Aufführung  als  ein  in 
sich  vollendetes  Werk  darzustellen.  Der  letzten,  auch  Haupt- 
oder Generalprobe  genannt ,  gehen  bei  vielstimmigen  oder 
längeren  Tonstücken  mehrere  Einzeln-  und  Partieproben 
vorner.  Dass  eine  gute  Einübung  und  gewissenhafte  Probe  auch 
für  die  Kirchenmusik  am  Platze  ist,  ergibt  sich  schon  aus  dem 
erhabenen  Zwecke  derselben:  durch  sie  sollen  die  höchste  Majestät 
Gottes  verherrlichet  und  die  Gläubigen  erbaut  werden. 


250  Progression  —  Proprietas. 

Progression  (lat.),  Fortschreitung,  in  der  Musik  die  stufen- 
weise fortgehende  Versetzung  eines  kurzen  melodischen  Satzes 
in  einer  und  derselben  Stimme;  sie  unterscheidet  sich  von  der 
Nachahmung,  Imitation,  dadurch,  dass  letztere  zwischen  ver- 
schiedenen Stimmen  stattfindet,  die  Progression  nur  in  der- 
selben Stimme  die  Nachahmung  des  Satzes  unmittelbar  nach- 
einander bringt.  Die  Progression  kann  auch  harmonisch  sein 
(vgl.  Sequenz). 

Prolatio  bedeutete  bei  den  Mensuralisten  die  Mensur  der 
Semibrevis,  welche  entweder  drei  minimae  (prolatio  major)  oder 
zwei   solche   (prolatio  minor)    enthalten  konnte.    Ersteres  wurde 

durch   einen   Punkt   im   Tempuszeichen  0  (T^  letzteres   durch 

das   Fehlen   des   Punktes    angezeigt.    Auch   wurde   die   relative 
Wertbestimmung  der  Noten  so  genannt. 

Prophetien  werden  in  der  katholischen  Liturgie  jene  Lese- 
stücke aus  der  heiligen  Schrift  genannt,  welche  am  Karsamstage 
und  Pfingstsamstage  vor  der  Taufwasserweihe  gesungen  werden, 
und  teils  die  Verheissungen  Gottes  von  der  Erlösimg,  teils  Vor- 
bilder der  Auferstehung  des  Erlösers  und  des  erlösten  Menschen, 
sowie  der  Sendung  des  heiligen  Geistes  und  der  Wirksamkeit 
dieses  Geistes  in  der  Kirche  enthalten.  Sie  werden  im  Lektions- 
tone, ohne  einen  Fall  am  Ende  gesungen ;  zwischen  ,je  dreien  ist 
ein  Traktus  eingeschaltet,  jeder  folgt  auch  eine  Oration. 

Proportion  —  Verhältnis.  Aus  der  Vergleichung  der  ein- 
zelnen Töne  miteinander  nach  der  Zahl  ihrer  Schwingungen 
ergeben  sich  gewisse  Zahlenverhältnisse,  welche  von  den  Alten 
proüortio  oder  ratio  genannt  wurden.  War  ein  Teil  oder  ein 
Glied  der  Proportion  in  dem  anderen  2,  3  .  .  .  mal  ohne  Rest 
enthalten,  so  hiess  die  proportio  dupla,  tripla  .  .  .  z.  B.  1:2 
(Oktav  oder  Diapason);  blieb  noch  ein  Rest,  so  war  sie  proportio 
oder  ratio  superparticularis,  üb  erteiliges  Verhältnis;  sol- 
ches findet  z.  B.  statt  bei  der  Quint  2:3,  proportio  sesquialtera 
oder  hemiolus;  bei  der  Quart  3:4,  proportio  sesquitertia, 
epitritus;  bei  der  kleinen  Terz  5  :  6,  sesquiquinta ;  beim  ganzen 
Ton  8  :  9,  sesquioctava  oder  epogdous  geheissen.  Enthielt  das. 
grössere  (xlied  das  kleinere  in  sich  und  noch  zwei  Teile  darüber, 
wie  3:5,  so  nannte  man  es  superbipartiens  u.  s.  w.  —  Bei 
den  Mensuralisten  bezeichnete  Proportio  die  Tempobestimmungen 
mittels  der  Brüche  ? ,  f .  f ,  ^  und  umgekehrt  ^ ,  ^ ,  .^ ,  f  u.  s.  w. 
Proportio  dupla  ?,  was  besagen  will,  dass  die  Notenwerte  um 
die  Hälfte  geringer ,  also  das  Tempo  um  die  Hälfte  beschleunigt 
genornmen  werde;  Proportio  subdupla  ^  dagegen  zeigte  das  Ge- 
genteil, die  Verlangsamung  au  und  hob  aas  vomergehende 
schnellere  Tempo  wieder  auf.  Ahnlich  verliielt  es  sich  mit  der 
Proportio  tripla  ^  und  subtripla  ^  u.  s.  w.  Auch  für  die  Bezeich- 
nung des  Verhältnisses  des  Noten  wertes  mehrerer  Stimmen 
gegeneinander  wendete  man  solche  Bezeichnungen  an. 

Proprietas  (Eigentümlichkeit).  1)  Mit  diesem  Worte  be- 
zeichnet man  die  Eigenschaft  eines  Gesanges  (cantus  planus),  in- 
wiefern er  sich  in  einem  der  drei  Hexachorde  (durale,  naturale, 
moUe)  bewegte,  und  die  Hexachorde  selbst  (s.  v.  w.  Deductio). 
2)  Die    Mensuraltheorie    bediente    sich    dieses   Wortes,    um   die 


T'^ 


Prosa  —  Prozessionen.  251 

Eigenschaft  der  ersten  Note  einer  Ligatur  (brevis  oder  longa) 
anzuzeigen.  Das  geschah  durch  das  Setzen  oder  Fehlen  eine» 
Striches  an  dieser  Note,  weshalb  auch  einige  Mensurallehrer  die- 
sen Strich  (cauda)  selbst  proprietas  nennen.  War  ein  solcher 
abwärts  gehender  Strich  an  aer  ersten  Note  einer  Ligatur  an- 
gebracht (cum  proprietate),  so  galt  sie  als  brevis;  fehlte  der 
Strich  (sine  proprietate),  so  galt  sie  als  longa;  doch  dies  nur» 
wenn  die  zweite  Note  der  Ligatur  tiefer  stand  als  die  erste;  bei 
aufwärts  gehenden  Noten  war  das  Umgekehrte  der  Fall.  Ein 
nach  oben  gerichteter  Strich  machte  die  ersten  zwei  Noten  zu 
Semibreven  (opposita  proprietas). 

Prosa,  s.  Sequenzen. 

Prosodie  bedeutet  das  Zeitverhältnis  der  Silben  und 
den  Inbegriff  der  Regeln  über  die  Quantität,  d.  h.  die  Länge  und 
Kürze  der  Süben.  In  diesem  letzteren  Sinne  wird  sie  auch 
Prosodik  genannt,  die  daher  von  der  Metrik  oder  Verslehre 
wohl  zu  unterscheiden  ist. 

Prozessionen  (von  procedere,  vorangehen)  sind  jene 
religiösen  Auf-  und  Umzüge,  welche  zur  Verherrlichung  Gottes^ 
und  seiner  Heiligen  und  zur  Erflehung  seiner  Huld  und  Gnade 
veranstaltet  werden.  Es  ist  der  innere  Drang  des  gesunden  re- 
ligiösen Lebens,  welches,  selbst  die  Hallen  des  Tempels  zu  enge 
findend,  draussen  im  Gottestempel,  angesichts  der  ganzen  Welt 
lautes  Zeugnis  geben  und  sich  offenbaren  will.  Bei  allen  Völ- 
kern der  alten  Zeit  schon  waren  solche  religiöse  Umzüge  im  Ge-^ 
brauche,  und  dass  sie  im  Christentume,  in  emer  Religion,  welche 
nicht  bloss  im  Inneren  der  Seele  wohnen  will,  sondern  den  Men- 
schen zur  That  anregt,  eine  weite  Anwendung  fanden,  vielmehr 
sich  von  selbst  ergaben,  ist  leicht  begreiflich. ,  Als  die  katholische 
Kirche  nach  den  Verfolgungen  sich  freier  bewegen  konnte,  wur- 
den die  Prozessionen  häufiger  und  zugleich  kirchlich  geoixinet» 
Wollte  man  die  Leiber  heuiger  Märtyrer  von  einem  Orte  zum 
anderen  bringen,  so  geschah  es  in  Prozession,  wobei  der  Klerus 
und  das  Volk  Hvmnen  und  Psalmen  sangen  und  Gebete  spra- 
chen; hatte  der  Bischof  den  Gottesdienst,  so  begleitete  man  ihn 
in  Prozession  zur  Kirche;  bei  öffentlichen  Drangsalen  ging  man 
in  Prozession  zu  den  Gräbern  der  Heiligen,  um  durch  deren 
Fürbitte  Erlösung  zu  erlangen;  dabei  sang  man  Litaneien.  Das. 
römische  Rituale  teilt  sie  in  ordentliche  und  ausserordent- 
liche. Erstere  sind  gesetzlich  vorgeschrieben  und  finden  statt 
am  Feste  Maria  Lichtmess,  am  Palmsonntage,  am  Karsamstage 
und  Pfingstsamstage,  am  Markustage,  an  den  drei  Tagen  der 
Bittwoche  (am  Feste  Christi  Himmelfahrt)  und  am  Feste  des- 
heiligen Fronleichnams  unseres  Herrn.  Für  alle  diese  Prozes- 
sionen sind  die  Gesänge  bestimmt  bezeichnet,  womit  der  Chor 
sie  zu  begleiten  hat.    (S.  diese  Feste  und  Litaneien.) 

Die  ausserordentlichen  Prozessionen  werden  durch  gewisse 
wichtige  Umstände  veranlasst  oder  werden  von  Bruderschaften 
oder  überhaupt  durch  besondere  Anordnung  des  Bischofes  ab- 
gehalten. 

Alle  Prozessionen  begleitet  der  Sängerchor  in  Chorklei- 
dung, und  bedient  sich  des  vorgeschriebenen  Chorals;  ausser 
diesem    kann    er    auch   entsprechende   mehrstimmige    Gesänge 


252  Psallete  -  Psalm. 

vortragen,  zulässig  erscheint  auch  noch  die  Begleitung  dieser 
Oesänge,  resp.  Unterstützung  der  Sänger  -mit  Hörn  und  Posau- 
nen, andere  Instrumente  haben  mit  dem  Chore  nichts  zu  schaffen: 
Märsche  und  Harmoniemusiken  stören  nur  die  Andacht  und 
haben  nicht  im  geringsten  etwas  Kirchliches  an  sich.  „Mili- 
tärische Aufzüge  mit  Pauken  und  Trompeten  eignen 
sich  nicht  für  das  Haus  Gottes ;  auch  bei  Prozessionen  ausser 
der  Kirche  ist  es  besser,  wenn  lautes  Gebet  und  Gesänge,  be- 
sonders Hymnen  und  Litaneien,  an  deren  Stelle  treten.  Nicht 
der  Lärm  .der  Instrumente ,  sondern  die  Andacht  und  Ehrfurcht 
der  Betenden  erhöht  wahrhaft  jede  Feier."  (Oberhirtliche  Ver- 
ordnung des  Bischofes  Valentin  von  Regensburg,  d.  d.  16.  April 
1857.) 

Psallete,  s.  Sing  schulen. 

Psalm,  lat.  Psalmus,  ital.  Salmo,  franz.  P säume,  be- 
deutet überhaupt  einen  Lobgesang  mit  Instrumentalbegleitung. 
Specieir  verstehen  wir  unter  Psalmen  jene  150  Lobgesänge  des 
Alten  Testamentes,  welche  im  „Buche  der  Psalmen"  enthalten 
teils  die  Könige  David  und  Salomo,  teils  andere  gottgeweihte 
Männer  zu  Urhebern  haben.  Unter  göttlicher  Inspiration  ver- 
fasst,  enthalten  einige  Weissagungen  vom  kommenden  Erlöser, 
sämtliche  sind  aber  Muster  religiöser  Poesie  von  unvergänglicher 
Schönheit;  alles,  was  ein  menschliches  Herz  erregt  und  bewegt, 
rührt  und  erhebt,  entzückt  und  begeistert,  hat  in  den  Psalmen 
seinen  Ausdruck  gefunden;  alle  Stimmungen  der  Seele  tönen 
darin  aus,  mit  allen  ihren  Schattierungen  vom  tiefsten  Schmerze 
bis  zur  entzückenden  Freude,  von  der  wehmütigsten  Klage  bis 
zum  lautesten  Jubel,  von  banger  Furcht  bis  zur  seligsten  Hoff- 
nung und  zum  ruhigsten  Gottvertrauen,  von  den  schmerzlichsten 
Empfindungen  der  Gottverlassenheit  bis  zu  den  höchsten  Ahnun- 
gen und  dem  lieblichsten  Vorgeschmäcke  des  Himmels,  von  der 
wehmütigsten  Klage  bis  zum  neitersten  Dankgefühle. 

Die  Juden  sangen  sie  bei  ihren  gottesaienstlichen  Hand- 
lungen, und  die  katholische  Kirche  nahm  sie  aus  dem  Judentunie 
herüber  in  Erkenntnis  ihres  hohen  Wertes;  schon  der  Apostel 
mahnte,  fleissig  die  Psalmen  zu  singen.  Bei  der  Ausbreitung  des 
Christentums  hediente  man  sich  im  Orient  der  griechischen 
Übersetzung  der  Septuaginta,  im  Occident  aber  der  unter  dem 
Namen  „Itala"  oder  „Vulgata"  bekannten  lateinischen  Recension, 
deren  Verfertiger  man  nicht  kennt.  Der  heil.  Hieronymus  nahm 
zwar  aus  Auftrag  des  Papstes  Damasus  eine  Überarbeitung  vor, 
doch  blieb  man  schliesslich  bei  der  alten  Itala.  Der  heil.  Bene- 
dikt ist  wohl  der  erste,  von  welchem  bekannt  ist,  dass  er  eine 
Einteilung  der  Psalmen  zum  kanonischen  Gebrauche  feststellte ; 
in  seiner  Kegel  verteilt  er  die  150  Psalmen  auf  die  ganze  Woche, 
so  dass  täglich  ein  Teil  derselben  zur  Gebetsanwendung  kommt, 
die  längeren  Psalmen  teilte  er  in  zwei  Hälften  ab;  die  römische 
Kirche  nahm  vielleicht  diese  Einteilung  der  Hauptsache  nach 
auch  an.  Im  Laufe  dei*  Zeiten  ergaben  sich  manche  Modifika- 
tionen, teils  durch  die  Einführung  aer  Heiligenfeste  ins  Officium, 
teils  durch  die  verschiedenen  Ortsgewohnheiten,  bis  nach  dem 
XIII.  Jahrh.  der  Gebrauch  des  Officiums,  wie  es  der  römische 
Klerus  persolvierte,  sich  beim  ganzen  lateinischen  Klerus  Geltung 


Psalm.  25» 

verschaffte  (s.  Brevier)  und  endlich  infolge  des  Konziliums  von 
Trient  die  jetzige  Einteilung  der  Psalmen  als  kirchliches  Gebet 
autoritativ  festgestellt  wurde. 

Nach  den  apostolischen  Konstitutionen  stimmte  ein  Lektor 
nach  der  Lesung  der  heilten  Bücher  die  Psalmen  an  und  das 
Volk  stimmte  em.  Wie  diese  Weise  beschaffen  war^  darüber 
sind  die  Liturgen  und  Schriftsteller  nicht  einig;  die  emen  neh- 
men an ,  das  V  olk  habe  nachgesungen ,  was  der  Lektor  vorge- 
sungen, und  das  sei  wahrhaft  Antiphonalgesang:  die  anderen 
sagen,  es  habe  der  Lektor  bloss  angestimmt  und  das  Volk  habe 
dann  den  Psalmengesang  fortgesetzt,  oder  man  habe  sich  in 
Chöre  geteilt,  von  denen  jeder  einen  Vers  sang.  Doch  ist  nichts 
Sicheres  hierüber  bekannt.  Erst  im  V.  und  VL  Jahrb.  traten  die 
bestimmten  Zeugnisse  für  den  Wechselgesang  hervor,  wie  er 
noch  heutzutage  beim  kanonischen  Psahnengesange  stattfindet. 
In  einigen  Kirchen  und  Orden  wurden  und  werden  einzelne  Psal- 
men nicht  im  Wechselgesange ,  sondern  vom  ganzen  Chore  ver- 
einigt gebetet  oder  gesungen,  welche  Weise  als  cantus  directa- 
neus  von  Thomassin  bezeichnet  wird. 

In  den  ältesten  Zeiten  waren  einige  Kleriker  für  den  Ge- 
sang oder  die  Lesung  der  Psalmen  (resp.  für  das  Anstimmen 
oder  Vorsingen  derselben)  bestellt,  welche  Psalmisten  hiessien 
und  zu  ihrem  Amte  durch  eine  eigene  Weihe  oder  Segnung^ 
befördert  wurden. 

In  der  katholischen  Liturgie  finden  die  Psalmen  die  aus- 
gebreitetste  Anwendung.  Nicht  bloss  im  Officium  bedient  man 
sich  ihrer,  auch  in  der  Messliturgie  finden  sie  ihre  Stelle,  wenn 
auch  im  Introitus,  Graduale,  Ofertorium,  Communio  nur  mehr 
in  einzelnen  Versen  vorkommend;  ebenso  bei  anderen  heiligen 
Handlungen,  z.  B.  bei  Leichenfeier,  grösseren  Weihungen  u.  ügL 

Die  Art  und  Weise,  wie  die  Psalmen  nach  bestimmten 
Melodien  gesungen  werden,  heisst  Psalmodie.  Entsprechend 
den  acht  Kirchentönen  wurden  auch  dem  Psalmengesange  acht 
wesentlich  verschiedene  Melodien  zugeteilt,  welche  man  Psalm- 
töne, modi  Psalmorum,  nennt.  Im  X.  Jahrb.  gab  es  für 
jeden  Ton  mehrere  Finalklauseln  oder  DifferiBnzen,  von  wel- 
chen man  die  wesentlichsten  bis  heute  beibehielt.  Eigentümlich 
ist  es,  dass  man  für  den  Psalm  „In  exitu  Israel"  zur  Antiphon: 
„Nos  qui  vivimus*  eine  besondere  Klausel  statuierte  (den  soge- 
nannten Tonus  peregrinus),  welche  im  Tonale  S.  Bernardi 
dem  I. ,  von  anderen  dem  VIII.  Tone  zugeteilt  wird.  Für  den 
Psalmen vers  nach  der  Antiphon  des  Introitus  und  das  Gloria 
patri  danach  und  in  den  Responsorien  haben  sich  ebenfalls  acht 
verschiedene  Formeln  gebildet,  welche  jedoch  reicher  und  feier- 
licher als  die  gewöhnlichen  Psalmtöne  dahin  schreiten.  Da  sich 
dieses  alles  in  aen  Choral-  und  Chorallehrbüchern  findet,  können 
wir  darüber  hinweggehen.  Jedem  Psalme  geht  eine  Antiphon 
vorher,  welche  in  einem  bestimmten  Tone  moduliert  und  nach 
diesem  richtet  sich  der  Gesang  des  Psalmes.  Bei  iedem  Psalm- 
tone hat  man  aber  Mehreres  zu  beobachten;  den  Anfang  oder 
die  Inchoatio,  Initium;  die  Mitte  oder  mediatio,  und  den 
Ausgang  oder  die  Terminatio,  Finalis  oder  Differentia 
genannt.    Die  Intonation   des  Psalmes  nach  dem  Introitus  ist 


254  Psalm. 

bei  jedem  modus  nur  eine,  ebenso  auch  die  Gesangsweise  fiir 
die  Cantica,  welche  nur  psalmenmässig  gesungen  werden.  Die 
Intonation  der  gewöhnlichen  Psalmen  jedoch  wechselt,  je  nach- 
dem eine  grössere  oder  geringere  Feier  stattfindet  —  solemn 
oder  feriaL  Bei  der  solemnen  Intonation  wird  nur  der  erste 
Vers  mit  der  kleinen  melodischen  Phrase  am  Anfange  (initium, 
inchoatio)  gesungen,  bei  allen  folgenden  Versen  ßlllt  das  Initium 
weg;  bei  der  ferialen  wird  es  auch  beim  ersten  Verse  fortgelassen. 
Die  Mittelkadenz,  mediatio,  medium,  bleibt  sich  durch 
alle  Verse  gleich,  nur  einige  Psalmtöne  bilden  sie  in  ferialer 
Weise  etwas  einfacher.  Jedoch  tritt  beim  II.,  IV.,  V.  (VI.)  und 
VIII.  Tone  eine  Veränderung  —  intonatio  in  pausa  cor- 
xepta  —  ein,  indem  der  letzte  abfallende  Ton  der  Mediatio 
weggelassen  wird,  im  Falle  der  Vers  in  seiner  ersten  Hälfte,  vor 
-dem  Sternchen  (*  asteriscus)  mit  einem  einsilbigen,  unbeugbaren 
•oder  hebräischen  Worte,  z.  B.  tu,  sum,  Sion,  Israel  u.  a.  schliesst. 
Die  Schlusskadenz,  finalis,  terminatio  ist  aber  bei  meh- 
reren Psalmtönen  mehrfach  gestaltet;  für  diesen  Wechsel  ist  die 
Anfangsnote  der  Antiphon  massgebend.  Welche  von  mehreren 
Finalen  zu  nehmen  sei,  ist  stets  nach  der  Antiphon  angegeben, 
■oft  stehen  unter  dieser  Finalmelodie  die  Buchstaben  EVOVAE, 
welche  nichts  anderes  als  die  aus  „seculorum.  Amen."  genom- 
menen Vokale  sind,  da  jeder  Psalm  regelmässig  (mit  Ausnahme 
des  Offic.  hebdomadis  sctae.  und  Ofnc.  defujict.)  mit  y,  Gloria 
Patri  etc."  schliesst. 

Was  die  Anwendung  der  solemnen  oder  ferialen  Psalmodie 
(toni  Psalmorum  festivi  und  ferialis)  betrifft,  so  findet  erstere 
stets  statt  1)  an  allen  Festen,  die  dupl.  L,  II.  class.  und  majus 
sind,  und  zwar  beim  ganzen  Officium;  2)  in  den  festis  dupl., 
in  Dominicis  und  festis  semiduplicibus  nur  bei  Matutin,  Lan- 
des und  Vesper.  Der  Tonus  ferialis  wird  gebraucht  1)  in 
fest,  duplicibus  minoribus,  Dominicis  et  festis  semidupl.  beiPrim, 
Terz,  Sext,  Non  und  Komplet;  2)  in  festis  simplicibus  und  in 
feriis  beim  ganzen  Officium,  sowie  stets  im  Officium  Defuncto- 
rum.  Wie  schon  bei  den  betreffenden  Artikeln  erwähnt,  werden 
die  zwei  Cantica  „Magnificat"  und  „Benedictus"  bei  jedem  Ge- 
brauche, in  allen  Versen,  feierlich  intoniert  und  zu  Ende 
gesungen.  * 

In  Bezug  auf  den  Vortrag  ist  zu  bemerken:  Die  Cantioa 
werden  langsamer  und  höher  gesungen  als  die  gewöhnlichen 
Psalmen;  doch  auch  die  Intonation  der  letzteren  soll  bei  fest- 
lichen und  freudigen  Gelegenheiten  in  einer  höheren  Tonlage 
geschehen,  als  an  Tagen  der  Trauer.  Die  Mediatio  und  die  Ter- 
minatio ist  etwas  zu  dehnen  und  darf  nie,  besonders  nicht  in 
der  letzten  und  vorletzten  Note,  rasch  abfallen  und  abgebrochen 
werden.  In  der  Mitte  jedes  Psalmverses,  bei  dem  Sternchen,  ist 
eine  kleine  Pause  zu  machen;  es  haben  alle  Sänger  zu  gleicher 
Zeit  zu  enden  und  gleichmässig  wieder  die  zweite  Hälfte  zu  be- 
ginnen. Daneben  ist  richtige  Pronunciation  und  richtige  Accen- 
tuation  —  deutliche,  klare  Aussprache  der  Silben  durcliaus  not- 
wendig; eilfertiges  Herausschreien  oder  Verschlingen  von  ganzen 
Silben  thut  sowohl  dem  Zwecke  des  Gesanges  als  der  Würde 
des    Gottesdienstes    oder    der    liturgischen    Handlung    grossen 


—  ^ 


Psalmodie  —  Qualität.  255 

Abbruch.  Alle  Schnörkel,  Zusätze,  und  in  der  Melodie  nicht 
vorgeschriebene  Betonungen  müssen  sorgfältigst  vermieden 
werden.  Der  Psalmensänger  soll  seinen  Gesang  aß  einen  Gebets- 
akt erkennen  und  auch  in  den  Sinn  der  Psalmen  einzudringen 
suchen.  Dass  die  ehrfurchtsvollste  Stellung  dfen  Sänger  aus- 
jzeichnen  müsse ,  und  dass  sein  ganzes  Benehmen  kundgeben 
solle,  dass  er  ein  heiliges  Geschalt  vollziehe,  bedarf  kaum  der 
Erwähnung. 

Psalmodie,  s.  Psalm. 

Psalter,  Psalterium,  bezeichnet  1)  ein  Saiteninstrument  der 
alten  Juden,  zu  dessen  Spiel  die  Psalmen  gesungen  wurden; 
2)  die  Sammlung  der  Psalmen  überhaupt  und  insbesondere  die 
des  Breviers. 

Pult,  das  Gestelle,  auf  welches  bei  Ausführung  eines  Ton- 
stückes die  Noten  gelegt  werden. 

Punkt,  a)  Punctus  heisst  bei  den  Alten  auch  so  viel  wie 
Note,  figura  (im  Singular  gebrauchten  sie  dies  Wort  regelmässig 
als  Masculinum,  im  Plural  als  Neutrum);  daJier  Contrapunctus. 
Manchmal  bedeutet  es  auch  einen  Kornplex  von  Noten,  Abschnitt, 
Phrase,  b)  Als  Verlängerungs-  oder  V  ergrösserungszeichen  der 
Noten  kommt  der  Punkt  schon  in  der  Mensuralmusik  vor  und 
war  für  sie  von  hoher  Bedeutung.  Das  XVI.  Jahrb.  kannte  vier 
Gattungen:  a)  punctum  additionis,  welcher  die  Note,  zu  deren 
Seite  er  steht,  um  die  Hälfte  ihres  Wertes  verlängert;  b)  pun- 
ctimi  divisionis,  welcher  die  Modi  voneinander  scnied  (anfangs 
ein  Strichlein,  oft  auch  mit  einem  kleinen  Kreise  ersetzt);  c)  pun- 
ctum alterationis,  welcher  anzeigte,  dass  die  Note,  über  der 
er  stand,  doppelt  lang  gesungen  werden  solle;  d)  punctum  per- 
fectionis,.  welcher  der  Note,  hinter  welcher  er  gesetzt  war,  die 
Perfektion  oder  Dreiteiligkeit  sicherte.  Von  all  diesen  Gattun- 
gen verblieb  für  die  neuere  Musik  bloss  das  punctum  addi- 
tionis, d.  h.  der  Punkt  verlängert  die  Note,  nach  welcher  er 
steht,  um  die  Hälfte  ihres  Wertes.  Es  kommen  in  unserer 
heutigen. Musik  auch  zwei  Punkte  nebeneinander  vor,  dann  gilt 
der  zweite  wiederum  die  Hälfte  des  ersten.  —  Der  Punkt  kommt 
ferner  noch  als  Vortragszeichen  über  den  Noten  vor,  wo- 
durch angedeutet  wird,  dass  die  so  bezeichneten  Noten  leicht 
abgestossen  werden  sollen  (staccato);  scharfe«  Abstossen 
wird  durch  kleine  senkrechte  Striche  über  den  Noten  bezeichnet. 

Punktiert,  s.  "staccato. 


Q. 


Quadragesimae,  s.  v.  w.  Fastenzeit. 

Qnadruplum  hiess  bei  den  Mensuralisten  ein  vierstimmiger 
Gesang  oder  auch  eine  vierte  Stimme. 

Qnitlität.  Einige  mittelalterliche  Tonlehrer  gebrauchen 
dieses  Wort  in  Beziehung  auf  den  modus  (Tonart)  einer  Melodie. 


256  Quart  —  Quinte. 

Unter  Quantität   aber  verstehen   sie   entweder   die   Intervallen- 
weite oder  den  Ambitus  einer  Melodie. 

Qnart  (Diatesseron)  ist  ein  Intervall  von  vier  Tönen  oder 
der  vierte  Ton  von  einem  angenommenen  Grundtone,  wird  von 
einigen  zu  den  Vollkommenen,  von  anderen  zu  den  unvollkom- 
menen Konsonanzen  gezählt  und  hat  das  Verhältnis  von  4  :  3. 
Sie  kommt  in  dreifacher  Art  vor:  rein,  übermässig  und  ver- 
mindert. D^s  Intervall  der  reinen  Quart  besteht  aus  zwei 
ganzen  Tönen  und  einem  grossen  halben  Tone,  wie  c-f ;  die  über- 
mässige aus  drei  ganzen  Tönen,  wie  f-h,  daner  der  Name  Tri- 
tonus;  die  verminderte  aus  zwei  grossen  halben  und  einem 
ganzen  Tone,  wie  fis-b,  h-es.  Beim  Gebrauche  für  die  Kompo- 
sition war  und  ist  sie  mancherlei  Beschränkungen  unterworfen. 
Im  Choral  ist  der  Tritonus  ein  besonders  verpöntes  Intervall;  im 
zweistimmigen  Satze  sind  Quartenparallelen  unzulässig,  wie  auch 
im  doppelten  Kontrapunkte,  da  ihre  Umkehrung  Qumtenparalle- 
len  erzeugen  würde ;  gebraucht  wurden  sie  in  den  (dreistimmigen 
Fauxbourdons ,  wo  noch  ein  Terzintervall  darunter  lag  (Fort- 
schreitung in  Terzsext-Accorden)  u.  dgl.  Als  Dissonanz  stellt  sie 
sich  dar,  wenn  ihr  tieferer  Ton  im  Bass  liegt,  als  Konsonanz 
aber,  wenn  sie  von  Mittelstimmen  oder  einer  Mittel-  und  Ober- 
stimme gebildet  w^ird.  —  Quarta  toni  bedeutet  stets  die  reine 
Quart  einer  Tonart,  wie  in  C-dur  den  Ton  f.  Diese  vierte  Stufe 
emer  Tonart  heisst  wegen  ihres  Unterquinten-Verhältnisses  zur 
Tonica  auch  Unterdominante. 

Quarta  toni,  s.  Quart. 

Qnartett,  Quatuor,  Quadro,  Quartette,  heisst  dem 
Sprachgebrauche  nach  jedes  auf  vier  Stimmen,  ebensowohl  für 
den  Gesang  als  für  Instrumente,  gesetzte  Tonstück.  Man  ver- 
steht darunter  auch  speciell  die  vereinigten  Partien  von  vier 
Singstimmen  oder  Streichinstrumenten  —  Gesang-  oder  Streich- 
( Bogen-)Quartett, 

Quartsextaccord,  s.  Acoord. 

Qnerstand,  lat.  relatio  non  harmonica,  franz.  fausse 
relation,  ist  jede  Fortschreitung  zweier  Stimmen,  deren  Töne 
zweierlei  Tonarten  angehören,  oder  wenn  unmittelbar  aufeinander 
in  zwei  verschiedenen  Stimmen  derselbe  Ton  chromatisch  ver- 
ändert erscheint,  z.  B. 

e    eis      g      b 
c     e;     es   ges. 

Ältere  Tonlehrer  rechnen  auch  zu  den  Querständen  noch 
das  Verhältnis  der  übermässigen  Quart  und  der  vermin- 
derten Quint,  z.  B. 

ah      g    a 

f  g;   h  .f. 

Es  fehlt  nämlich  hier  zum  Übergange  in  den  zweiten  Ac- 
(^ord  der  Leitton,  welchen  das  Qhr  bei  Übergängen  in  eine  neue 
Tonart  zu  hören  verlangt.  Daher  das  Verbot:  es  dürfen  nicht 
zwei  grosse  Terzen  oder  kleine  Sexten  nacheinander  folgen» 
Doch  kann  es  Bedingungen  geben,  unter  denen  sie  vorkommen 
dürfen. 

Quinte  (Diapente)  ist  ein  Intervall  von  fünf  Tönen,  daa 
drei  Gattungen   unter  sich  begreift:  die   reine,   verminderte 


Quintenluge  —  Quintus.  257 

und  übermässige  (Quinte.  Die  reine  Quinte  ist  in  mehrfacher 
Beziehung  sehr  wichtig  und  besteht  aus  drei  ganzen  Tönen  und 
einem  grossen  halben  Tone.  Die  mathematiscne  Klangrechnung 
findet  sie  unmittelbar  nach  der  Oktav  als  das  auf  den  emfachsten 
Verhältnissen  beruhende  Intervall  (3  :  2)  und  auch  bei  den  Ali- 
quottönen kommt  sie  nach  der  Oktav  zuerst  zum  Vorscheine. 
In  der  Harmonie  ist  sie  ein  sehr  wesentlicher  Ton  des  harmoni- 
schen Dreiklanges  und  in  der  Tonart  nimmt  sie  die  hervor- 
ragendste Stelle  als  Dominant  ein,  wie  der  auf  sie  gebaute 
Dominant  dreiklang. 

Als  vollkommene  Konkordanz  nach  der  Oktav  ward  sie 
zu  Hucbälds  Zeiten  zum  ersten  Aufbaue  der  Harmonie  im  Or- 
ganiun  verwendet,  bis  man  die  Folge  mehrerer  reiner  Quinten 
als  ohrverletzend  erkannte  und  im  ÄlH.  Jahrh.  die  Regel  auf- 
stellte, dass  zwei  vollkommene  Konsonanzen  nicht  unmittelbar 
sich  folgen  dürfen.  Dies  Verbot  der  sogenannten  Quinten- 
parallelen  behielt  seine  Gültigkeit  immer,  obwohl  man  sich  in 
der  neueren  Musik  einige  Lizenzen  gestattet.  Erlaubt  sind  nun 
auch  Fortschreitungen  in  Quinten,  wenn  auf  eine  reine  Quint 
eine  verminderte  folgt ;  ebenso  eingeschränkte  Anwendung  haben 
auch  die  sogenannten  verdeckten  Quinten  (und  Oktaven),  das 
sind  solche,  welche  bei  dem  Fortscnreiten  zweier  Stimmen  zu 
einer  reinen  Quint  (oder  Oktav)  in  gerader  Bewegung  entstehen, 
oder  erst  zum  Vorscheine  kommen,  wenn  der  Kaum  zwischen 
den  beiden  Intervallen  durch  noch  andere  Töne  ausgefüllt  wird, 
wie  z.  B. 


Den  Namen  Quint  gibt  man  auch  der  E-Saite  auf  den 
Violinen,  welche  die  Franzosen  Chanterelle  nennen;  die  alte 
Viola,  aus  deren  Umwandlung  die  Violine  hervorgegangen  ist, 
hatte  nämlich  fünf  Saiten,  c,  g,  d,  a,  e;  für  diese  kam  später  die 
C-Saite  in  Wegfall;  gleichwohl  benannte  man  noch  die  E-Saite 
als  fünfte  Saite  (quinta  chorda). 

Bei  den  Orgeln  kommt  auch  ein  Quintregister  vor,  wel- 
ches für  jede  Taste  die.  Quint  angibt. 

Qnintenfage,  s.  Fuge. 

Quintenparallelen,  s.  Parallelen. 

Quintenzirkel  ist  der  Rundgang  durch  die  12  Quinten  des 
temperierten  Tonsystems  (c— g — d— a ),   wobei  die  letzte 

Quint  E  jj  —  H  ^  genau  mit  der  ersten  F—G  zusammenfällt. 

Quintsextaccord ,  die  erste  Umkehrung  des  Septimen- 
accordes,  s.  Accord. 

Quintns  oder  quinta  vox,  die  fünfte  Stimme  in  den  fünf- 
stimmigen Tonsätzen  des  XVI.  und  XVII.  Jahrb.,  welche  bald 
eine  Sopran-,  bald  eine  Alt-  oder  Tenor-  oder  Bassstimme  war. 
Das  Stimmbuch,  worin  dieser  Quintus  geschrieben  war,  musste 

Kornmüller,  Lexikon.  *  17 


258  R  —  Reduktion. 

deshalb  bei  Aufführung  mehrerer  Tonsätze,  deren  Quintus  ver- 
schiedenen Stimmen  zugeteilt  war,  von  einer  Stimme  zur  anderen 
wandern,  weshalb  der  Quintus  auch  Vagans  (der  Schweifende) 
genannt  wurde. 


R. 

Jjfe.,  Abkürzung  für  Responsorium;  R.  G.  =  Responsorium 
Graduale. 

Rallentando  (rallent.  oder  rall.),  langsamer  werdend. 

Rastral,  auch  Rast rum  (vom  lat.  rastrum,  Harke,  Rechen), 
das  bekannte  aus  Messingblech  zu  fünf  kleinen  Federn  oder 
Spitzen  zusammengebogene  Instrument,  mit  dem  man  die  Linien- 
systeme zur  Notenschi'ift  aufs  Papier  zieht.  Man  hat  auch  acht 
und  mehr  solche  Rastrale  zusammengereiht,  um  mit  einem  Zuge 
einen  ganzen  Bogen  mit  Linien  zu  üoerziehen;  solche  Maschinen 
heissen  Liniiermaschinen. 

Rätselkanon,  s.  Kanon. 

Ratsche,  eine  Art  Instrument,  um  Lärm  zu  machen;  es 
besteht  aus  einem  etwas  engen  und  dicken  Brette,  auf  welchem 
mehrere  hölzerne  Strebefedern  mit  Klötzchen  angebracht  sind, 
unter  welchen  vorne  ein  Kerbrad  rasch  umgedreht  wird,  dass 
die  Federn  gehoben  werden  und  fallend  die  IClötzchen  auf  das 
Brett  aufschlagen  und  ein  klapperndes  Getöse  verursachen.  In 
den  katholischen  Gegenden  werden  die  Ratschen  angewendet 
vom  Gründonnerstage  bis  zum  Gloria  am  Karsamstage,  um  die 
Gläubigen  zum  Gottesdienste  zu  rufen,  da  in  dieser  Zeit  die 
Glocken  schweigen.  Auch  am  Schlüsse  der  Trauermette  für  die 
drei  letzten  Tage  der  Karwoche  ertönt  die  Ratsche,  um  an  das 
Erdbeben  und  an  die  Schrecken  beim  Tode  Jesu  zu  erinnern. 

Re,  Solmisationsname  für  den  zweiten  Ton  eines  Hexa- 
chordes;  bei  den  Franzosen,  Italienern  u.  s.  w.  bezeichnet  er 
den  Ton  d. 

Rebec,  s.  Geige. 

Recitativ,  ital.  Recitativo,  franz.  R6citatif  (vom  lat. 
recitare,  hersagen)  ist  ein  zwischen  der  Rede  und  dem  vollkommen 
entwickelten  (jesange  die  Mitte  haltender  musikalischer  Vortrag, 
ein  Tonsatz,  in  wachem  dieser  Vortrag  vorherrschend  ist.  Da 
das  Recitativ  der  eigentlichen  Kirchenmusik  fremd  ist,  als  dem 
Dramatischen  angehörig  und  nur  in  einer  einzigen  Gattung  reli- 
giöser Musik  seine  gute  Stelle  findet,  nämlich  im  Oratorium,  so 
übergehen  wir  eine  weitere  Darlegung  desselben. 

Recitieren,  —  mit  diesem  Ausdrucke  bezeichnet  man  das 
unisone  Abbeten  der  Psalmen  u.  dgl.  im  ku'chlichen  Officium 
und  bei  anderen  religiösen  Gelegenheiten  im  Gegensatze  zum 
Absingen  dieser  Stücke. 

Redaktion.  —  Dieser  Ausdruck  konimt  in  der  musikalischen 
Kanonik  vor  und  bezeichnet  die  Zurückführung  eines  grösseren 
Zahlenverhältnisses  der  Intervalle  auf  die  einfache  Zahl.  —  Re- 
ductio   modi  war  bei  den  Alten  die  Umsetzung  eines  in  einer 


Regal  —  Register.  259 

versetzten  Tonart  komponierten  Stückes  in  die  ursprüngliche 
Tonart,  um  zu  erkennen,  ob  es  den  Regeln  der  Haupttonart 
gemäss  komponiert  sei. 

Regal,  eine  kleine,  tragbare  Orgel  mit  sehr  wenigen  Re- 
gistern, ehedem  ein  Hausinstrument. 

Regens-chori,  s.  v.  w.  Chordirektor,  Chorregent. 

Regina  coeli,  s.  Marianische  Antiphonen. 

Register  bedeutet  als  musikalischer  Kunstausdruck  1.  in 
der  Orgelbaukunst  die  an  den  Seiten  der  Tastatur  angebrachten 
Schieber,  welche  dazu  dienen,  die  Windlöcher  der  Orgelstim- 
men zu  öffnen  und  zu  schHessen;  2.  auch  die  Orgelstimmen 
selbst,  oder  die  zusammengehörigen  Pfeifen  gleicher  Gattung, 
durch  welche  eine  bestimmte  Klangart  hervorgebracht  wird. 
Die  Orgelregister  scheiden  sich  ab  I.  m  Labialstimmen;  diese 
sind  1)  Grundstimmen,  wobei  die  Pfeife  nur  einen  und  zwar 
den  der  Taste  entsprechenden  Ton  angibt.  Dazu  gehören  a)  die 
Prinzipalregister,  Stimmen,  welche  cylindrisch  oder  prisma- 
tisch geformt  weite  Mensur  und  viel  Luftzufluss  haben:  Prin- 
zipal im  Manual  von  16*,  8S  4',  im  Pedal  32^  16',  8'  und  die  dazu 
fehörige  Oktav  von  8*,  4\  2'.  b)  die  Gamben  stimmen,  welche 
ei  gleicher  Form  enge  Mensur  und  viel  Luftzufluss  haben  und 
einen  scharfen ,  mageren ,  streichenden  Ton  geben :  das  Geigen- 
prinzipal, Viola  di  Gamba  (gewöhnlich  8*;  im  Pedal  von  16*  heisst 
sie  Violonbass,  von  8*  Violoncello),  Schweizerflöte,  Fugara,  Har- 
monika, Flageolet.  c)  Die  Flöten  stimmen,  welche  bei  gleicher 
Form  geringen  Luftzufluss  haben  und  einen  sanften  Fßtenton 
geben:  Flaute  traverso.  Flaute  dolce  (8'  imd  4*),  Hohlflöte  (8* 
und  4*);  d)  Stimmen,  welche  konisch  oder  pyramidal  geformt 
sind:  Spitzflöte,  Viola,  Gemshorn,  Salicional;  e)  gedeckte  Stim- 
men mit  hohem  Aufschnitt  (Gedackt),  welche  einen  festen  Grund- 
tön abgeben  und  dem  Orgelwerke  Fülle  verleihen:  Starkgedackt 
(80,  Lieblichgedackt  (8*)?  Kleingedackt  (4'),  Untersatz,  eine  weit 
mensurierte   Fedalstimme   in   32*,    Subbass   (16*),    Bourdon  (16*); 

ßGedackte  Stimmen,  welche  mit  dem. Grundtone  zugleich  die 
uodezime  hören  lassen,  als:  Quintatön  (16*  und  8*),  Isachthorn 
(4*);  g)  die  Rohrflöten  (16*,  8*  und  4*),  eine  sehr  gute  Füll- 
stimme. 2)  Labialstimmen  sind  auch  die  Nebenstimmen, 
welche  stets  weite  Mensur,  massigen  Windzufluss  und  schwache 
Intonation  haben;  sie  dienen  zur  Erzeugung  von  Stärke  und 
Fülle  und  erhöhen  die  Kraft  des  Grundtones,  geben  aber  einen 
anderen  Ton  an,  als  der  Name  der  Taste  bedeutet,  so:  Quint, 
Nasard,  Quintbass  u.  a.  3)  Die  gemischten  Stimmen 
(Mixturen)  sind  ebenfalls  Labialstimmen  und  haben  sehr  weite 
Mensm**  sie  haben  für  jede  Taste  mehrere  Pfeifen,  deren  Zahl 
durch  den  Beisatz  „fach**  oder  „chörig**  angezeigt  wird.  Als  Ver- 
einigung mehrerer  Nebenstimmen  sollen  sie  zur  Fülle,  Deuthch- 
keit  und  Stärke  des  Orgeltones  beitragen.  Sie  haben  verschie- 
dene Namen:  Cornett,  Sesqui  altera,  Rauschquinte,  Tertian-jCymbell, 
Scharffy  Mixtur  (gewöhnlich  aus  Quinten  und  Oktaven  bestehend). 
Eine  H.  Gattung  der  Orgelstimmen  bilden  die  Zungenstimmen, 
welche  stets  (xrundstimmen  sind  und  nur  in  Bezug  auf  Klang - 
stärke  und  Klangfarbe  unterschieden  wercjen:  Posaune  (32*  und  m)^ 
Trompete,   Oboe,   Fagotte,  Klarinetto,  Aoline,  Vox  humana.  — 

17* 


260 


Regula  —  Requiem. 


Dies  sind  die  gebräuchlichsten  Namen  der  Orgelregister;  ausser 
diesen  existieren  noch  eine  Menge  anderer  Namen,  welche  die 
Orgelbauer  ihren  eigentümHch  gebauten  Registern  geben  oder 
womit  sie  die  bisherigen  Register  benennen;  es  lässt  sich  ja 
durch  verschiedene  Mensur  u.  s.  w.  eine  grosse  Mannigfaltigkeit 
des  Klanges  erreichen.  Solche  Namen  smd  z.  B.  Alba,  Accord, 
Bordunflöte,  Bombardo,  Bombardoni,  Biffara,  Kontraprinzipal, 
Ciuffoli  etc.  —  Sämtliche  tönende  Register  heissen  auch  klin- 
gende Stimmen,  im..Gegensatze  zu  den  blinden  Registern 
(s.  Blind).  —  3.  Durch  Übertragung  des  letzten  Begiuffes  auf  die 
menschliche  Stimme  gebraucht  man  dieses  Wort  auch  in  der 
Gesaneskunst  zur  Bezeichnung  der  verschiedenen  Lage  der  Töne 
oder  aer  Gattungen  der  Stimmen.  Jede  menschliehe  Stimme 
zerföUt  nämlich  m  zwei  Hauptgattungen:  Brust-  und  Kopf- 
stimme, letztere  auch  Halsstimme,  Fistel,  Falset  genannt. 
Diese  beiden  Gattungen  werden  auch  die*  Registratur  der  mensch- 
lichen Stimme,  geheissen,  da  sie  in  mannigfacher  Beziehung  sich 
voneinander  unterscheiden. 

Regula  (lat.),  eine  Schiene,  Lineal;  dann  auch  selbst  die 
Linie  (Elias  Salomon);  Richtschnur,  Regel;  Adam  von  Fulda 
nennt  darum  musica  vocalis  regulata  den  nach  den  Regeln  der 
Kunst  gebildeten  Gesang  (oder  Gesangstück)  gegenüber  dem 
eantus  usualis,  dem  blossen  Naturgesang.    (Gerb.  Script.  III.  333.) 

Relatio  non  harmonica,  s.  ^uerstand. 

Repercussio,  s.  Fuge  u.  Kirchentonarten. 

Repetition  —  Wiederholung;  repetieren  —  wieder- 
holen; —  die  Wiederkehr  eines  Satzes  von  grösserem  oder  klei- 
nerem Umfange  in  einem  Tonstücke,  oder  die  Wiederkehi*  eines 
fanzen  Teiles  desselben,  der  nicht  zweimal  in  Noten  ausgeschrie- 
en zu  werden  pflegt,  sondern  bei  dem  die  Wiederholung  durch 
gewisse  Zeichen:  Wiederholungszeichen,  angedeutet  wird* 
Solche  Zeichen  sind: 

^      ^  SS 


"■  JT  Jl 


Dal  segno 
(beim  Zeichen) 


D.  C.  (Da  capo) 
(vom  Anfange  an 
zu  wiederholen). 


Die  Teile  werden  auch  Reprisen  (franz.  r^prise),  wie 
die  Wiederholungszeichen  selbst  benannt.  Im  Itahemschen  heisst 
es  replica  (franz.  r^plique),  auch  redita.  Daher  senza  re- 
plica  —  ohne  Wiederholung,  si  replica  —  man  wiederhole 
u.  dgl.  —  Repetitio  diversae  vocis  war  von  den  Mensm-al- 
lehrern  des  Xll.  und  XIH.  Jahrh.  unter  die  Zierde  des  Gesanges 

ferechnet  und  ist  nichts  anderes  als  die  Imitation  eines  Themas 
urch    andere    Stimmen,     Kanon    oder    doppelter    Kontrapunkt 
(Joan.  de  Garlandia). 

Reprise,  s.  v.  w.  Repetition. 

Requiem  wird  die  Messe  genannt,  welche  die  katholische 
Kirche   für   die  Seelen   ihrer  verstorbenen  Gläubigen  feiert;    der 


Resolutio  —  Resonanzboden.  261 

Name  ist  genommen  von  dem  Introitus,  welcher  mit  ^Requiem 
aetemam  etc."  beginnt;  in  der  Kirchensprache  heisst  sie  Missa 
pro  defunctis.  In  textlicher  Beziehung  und  im  charakteristi- 
schen Stimmungsausdrucke  weicht  sie  von  dem  übrigen  Mess- 
gesange  ab,  indem  ihr  Introitus  stets  der  nämliche:  „Requiem 
aeternam  etc."  ist,  wodurch  sich  die  Kirchenkomponisten  ver- 
anlasst gefunden  haben,  den  Introitus,  welchen  sie  für  andere 
Messen  unbearbeitet  gelassen ,  auch  zu  berücksichtigen  und  die- 
sem erst  das  Kyrie  nachfolgen  zu  lassen.  Gloria  und  Credo 
fehlt,  nach  der  Epistel  wird  das  Graduale  und  „Recjuiem",  der 
Traktus  „Absolve"  und  die  Sequenz:  „Dies  irae"  mit  ihrem  er- 
schütternden Inh£),lte  musikalisch  angewendet,  bei  deren  Bear- 
beitung nur  zu  häufig  das  dramatische  Wesen  und  eine  unkirch- 
liche Tonmalerei  zum  Vorschein  kommt.  Das  unveränderliche 
Offertorium  ist:  „Domiiie  Jesu  Christe,  rex  gloriae  etc,";  Sanktus 
und  Benediktus  ist  wie  in  den  anderen  Messen ,  nur  an  das 
Agnus  Dei  schliesst  sich  nicht  „Miserere  nobis"  und  „dona  nobis 
paeem",  sondern  „dona  eis  requiem"  und  das  dritte  Mal  „dona 
eis  requiem  sempiternam".  In  gleicher  Weise  wie  der  Introitus 
findet  auch  die  Communio  „Lux  aeterna"  musikalische  Bearbei- 
tung als  Anhängsel  des  Agnus  Dei.  Wie  überhaupt  bei  Seelen- 
messen die  Kirche  den  Gebrauch  der  Instrumente,  selbst  der 
Orgel  ausgeschlossen  wünscht  (s.  Verordnungen),  so  werden  auch 
alle  Responsorien  ohne  Orgel  ausgeführt.  —  Sämtliche  musika- 
lischen Dätze  eines  Requiems  sollen  den  Charakter  ruhiger  christ- 
licher Trauer  tragen,  als  Gebete  um  Gottes  Barmherzijgkeit  für 
die  abgeschiedenen  Seelen;  es  ist  dem  kirchlichen  Geiste  ganz 
entgegen,  wenn  die  Musik  in  den  düstersten  Mollharmonien 
herumwühlt,  gleich  als  sei  durch  den  Tod  alles  verloren,  oder 
wenn  schmetternde  Trompeten  und  Posaunen  die  Schrecken  des 
Weltgerichtes  malen  wollen,  „wir  sind  nicht,  wie  solche,  die 
keine  Hoffnung  haben."  (In  Missis  solemnibus  et  cantatis  de 
Requiem  a  choro  canenda  sunt  omnia,  quae  precationem  suffragii 
respiciunt,  et  non  omittendus,  sed  canendus  est  versus  „Absolve" 
et  Sequentia  „Dies  irae",  in  oua  tamen  aliquas  strophas  cantores 
praetermittere  possunt.  27.  Febr.  1847  Verulan.;  11.  Sept.  1847 
Taurin.;  12.  Aug.  1854  Brioc.  ad  XII.) 

Resolntio  —  Auflösung;  auch  die  Umschreibung  eines  ge- 
schlossenen Kanons  in  einen  offenen. 

Resonanz  —  vom  lat.  resonare,  wiedertönen ,  ist  eigent- 
lich das  Wiedererscheinen  eines  gegebenen  Tones.  Werden  die 
Schallwellen  von  einem  Gegenstande  zurückgeworfen,  so  entsteht 
das  Echo;  diese  Wiedererscheinung  kann  aber  auch  in  einem 
Nachhalle  geschehen  oder  im  venängerten  oder  dadurch  ver- 
stärkten Klanjf^e  eines  Tones,  durch  Mitvibration  anderer  iester 
Körper  mit  oem  eigentlich  tonerregenden  oder  tönendeia,  wie 
z.  B.  Stimmgabeln,  Spieldosen  etc.  an  einen  festen  Körper  ge- 
halten, stärker  tönen.  Ferner  geschieht  die  Resonanz  durch 
endliche  Bildung  und  Ausdehnung  des  Tones  in  einem  mit  dem 
tonerregenden  Körper  in  unmittelbare  Verbindung  gesetzten  an- 
•ieren  harten  Körper,  welcher  bei  den  Saiteninstrumenten  als 
Resonanzboden,  Resonanzdecke  bekannt  ist. 

Resonanzboden,  s.  Geige  und  Klavier. 


262  Responsorium  —  Rhythmus. 

Responsorium ,  die  Antwort  (abgekürzt  mit  Ijfc.  angezeigt). 
In  der  katholischen  Liturgie  kommen  mehrere  Arten  von  Ke- 
sponsorien  in  Anwendung:  1)  Die  einfachen  Responsionen  bei 
der  Messe ,  im  Officium  und  bei  sonstigen  liturgischen  Verrich- 
tungen, z.  B.  ^Et  cum  spiritu  tuo",  „Amen",  „Et  clamor  mens 
ad  te  veniat",  wobei  der  Priester  den  Versikel  anstimmt;  2)  die 
grösseren  Responsorien ,  welche  nach  den  Lektionen  des  Offi- 
ciums  gesunken  werden,  eigentliche  Gesänge  —  Gregorianische 
Melodien  —  sind  und  in  drei  Teile  zerfallen,  von  denen  der  erste 
eigentlich  ^Responsorium*  genannt  wird;  der  zweite  beginnt  mit 
dem  „Versikel"  (v.),  im  dritten  Teile  wird  die  zweite  Hälfte  des 
„Responsoriums"  vom  Asteriscus  (*)  an  wiederholt.  Hat  die 
Matutin  drei  Nokturnen,  so  wird  dem  dritten  Responsorium  des. 
ersten  und  zweiten,  und  dem  zweiten  Responsorium  der  dritten 
Nokturn  (die  Passionszeit  ausgenommen)  nach  derii  Verse  und 
der  Repetition  noch  „Gloria  Patri  etc."  beigesetzt,  und  dann 
nochmal  die  zweite  Hälfte  des  Responsoriums  wiederholt.  Be- 
steht die  Matutin  aus  einer  Nokturn ^  so  trifft  das  Gloria  patri 
bei  dem  zweiten  Responsorium.  Die  Abänderung  dieser  Ord- 
nung zu  gewissen  Zeiten  und  im  Officium  deff.  sind  in  den 
Ghoralbüchem  jedesmal  angezeigt.  3)  Das  sogenannte  Respon- 
sorium breve,  welches  seine  Stelle  in  den  kleinen  Hören 
(Prim,  Terz,  Sext,  Non,  Komplet)  nach  dem  Kapitel  hat  und  aus 
einem  Verse  (zur  Osterzeit  mit  zwei  „Aileluja"),  dessen  Wieder- 
holung vom  Chore,  dann  der  Fortsetzung  des  Verses  durch  einen 
oder  zwei  Sänger  besteht,  worauf  der  (Jnor  den  Vers  vom  Stern- 
chen an  wiederholt;  es  folgt  dann  „Gloria  patri"  bis  zum  „Sicut 
erat",  dem  sich  der  Chor  mit  dem  Verse,  wie  er  im  Anfange 
gesungen  wurde,  anschliesst.  In  der  Passionszeit  föllt  da& 
„Gloria   patri"   aus,  und  wird  gleich  vom  Gesamtchore  der  Vers- 

fesungen.    Die  Modulation  der  einfachen  Responsorien  ist  gleich 
er  der  vorausgehenden  Versikel.   Die  übrigen  Arten  sind  in  den 
(Ghoralbüchem  stets  deutlich  verzeichnet. 

Responsum,  s.  Graduale. 

Restrictio,  lat.  Name  für  Engführung  (s.  Fuge). 

Retardatio,  s.  Vorhalt. 

Retrogradns,  s.  Kanon. 

Rhythmik  (griech.),  die  Lehre  vom  Rhythmus. 

Rhythmus,  griech.  Qv&fi6c  von  Qio),  fliessen  (bedeutet  eigent- 
lich Takt,  Versfuss),  ist  nach  Aristoxenus  die  von  einem  musutali- 
schen  Kunstwerke  ausgefüllte  Zeit,  insofern  dieselbe  durch  die 
Bestandteile  des  Rhytnmizomenos ,  d.  i.  des  Melos  oder  de& 
sprachlichen  Textes,  für  das  Gefühl  des  Zuhörers  bemerkbar,  in 
bestimmte  gesetzmässige  Abschnitte  zerfällt.  Diese  Zeitabschnitte 
nennt  A.  „rhjrthmische  Zeiten  oder  Systeme",  welche  bei  den 
Alten  viererlei  sind:  a)  Versfuss  oder  einfacher  Takt; 
b)  rhythmisches  Glied  oder  Kolon,  membrum,  auch  ein- 
gliedriger Vers  und  zusammengesetzter  Takt  benannt;  c)  Pe- 
riode, auch  zwei-  und  mehrgliederiger  zusammengesetzter  Takt; 
d)  System  im  engeren  Sinne,  auch  Strophe  oder  Antistrophe 
ffenannt.  In  ähnlicher  Weise  versteht  man  auch  jetzt  in  der 
Musik  unter  Rhythmus  eine  gewisse  Ordnung  in  Folge  und  Be- 
wegung,  eine  bestimmte    und    fest  gehaltene  Ordnung  der  Zeit- 


Ricercata  —  Rondellus.  263 

momente,  weshalb  man  dies  Wort  auch  mit  ^Zeitfigur*  über- 
setzen könnte.  Das  Verhältnis  und  die  Beziehung  kleiner  Zeit- 
momente auf  eine  niedere  rhythmische  Ordnung  gibt  den  Takt, 
ebenso  ergibt  sich  ein  höherer  Rhythmus,  insofern  ganze  Takte 
und  melooische  Teile  oder  Sätze  einer  Periode  in  ein  bestimmtes 
Verhältnis,  in  eine  gewisse  Ordnung  gebracht  werden.  Der 
Rhythmus  ist  es  hauptsächlich,  der  Tonsätzen  Ordnung,  Fass- 
lichkeit  und  Deutlichkeit  verleiht;  er  bezweckt  Gleichmässigkeit, 
Mannigfaltigkeit  mit  Mass  verbunden  —  Ebenmass,  —  Eyrhyth- 
mie,  diex  schöne  Ordnung,  das  wohlgeordnete  Verhältnis,  fn  wel- 
chem die  einzelnen  Teile  eines  Tonstückes  zu-  einander  stehen. 
Es  ist  den  Choralmelodien  schon  oft  der  Rhythmus  abgesprochen 
worden ,  weil  er  sich  nicht  in  scharf  abgemessenen  Takten  be- 
wegt, doch  mit  Unrecht;  sie  erfreuen  sich  auch  einer  gewissen 
Ordnung,  indem  sie  sich  in  Teile  scheiden,  die,  wenn  auch  nicht 
so  streng  abgemessen  und  so  scharf  proportioniert,  doch  in 
schöner  Abrundung  zu  einander  stehen  una  auch  durch  Kaden- 
zen in  eine  gewisse  Ordnung  gebracht  sind.  Von  solcher  Rhyth- 
mik spricht  schon  Guido  in  seinem  Mikrologus.  —  Rhythmik 
ist  die  Lehre  von  diesen  Verhältnissen  und  dieser  Ordnung.  — 
Einige  Harmonielehrer  nennen  auch  Perioden  Rhythmen. 

Ricercata,  Ricercare  (ital),  bedeutete  ehemals  ziemlich 
dasselbe,  was  später  Phantasie  und  Toccata,  dann  auch 
Werke,  welche,  im  künstlichen  Motettenstil  bearbeitet,  bloss  für 
InstiTimente  bestimmt  waren,  deren  wir  noch  von  Palestrina 
(über  die  12  Kirchentonarten)  u.  a.  einige  besitzen;  zu  Prätorius' 
Zeiten  scheint  man  die  Fuge  damit  bezeichnet  zu  haben,  da  er 
solches  von  den  Italienera  ausdrücklich  sagt.  Überhaupt  legen 
die  Italiener  das  Adjektiv  „ricercato  (fem.  ricercata)**  allen  Kom- 
positionen bei,  welche  mit  grosser  Künstlichkeit  gearbeitet  sind, 
z.  B.  Fuga  ricercata,  die  Meisterfuge  u.  dgl. 

Ripieno (ital.)  —  voll,  ausgefüllt ;  Ripienstimmen,  welche 
nur  im  Tutti  mitwirken,  im  Gegensatze  zu  denjenigen  Stimmen, 
welche  die  Soli  vortragen. 

Risolnto  (ital.)  =  entschlossen,  mit  kräftigem,  energischem 
Ausdrucke. 

Ritartando  (ital.)  =  zögernd,  allmählich  langsamer  werdend. 

Ritenato  (ital.)  =  zurückhaltend,  langsamer. 

Ritus  (lat.),  heisst  überhaupt  ein  heiliger,  besonders  ein 
feierlicher  Gebrauch;  .dann  eine  stehende,  kirchlich  festgesetzte 
Form,  unter  welcher  eine  liturgische  Handlung  verrichtet  wird, 
also  nicht  eine  einzelne  Ceremonie  für  sich,  sondern  jede  Ge- 
samtheit von  Ceremonien,  die  miteinander  zu  einem  und  dem- 
selben Kultusakte  gehören.  Daher:  Rituale,  Ritualbuch,  worin 
dieselben  aufgezeichnet  sind;  rituell,  was  diesen  kirchlich  fest- 
gesetzten Formen  (Ceremonien  und  Gebeten)  gemäss  ist. 

Römische  Schule,  s.  Schule. 

Rohrwerk  =^  Zungenstimmen  in  der  Orgel. 

Rondellns,  Rundgesang,  wohl  die  älteste  Form  der  stren- 
gen Imitation,  welche  schon  Franco  von  Köln  erwähnt,  wobei 
eine  musikalische  Phrase  nach  der  anderen  von  allen  Stimmen 
gebracht  wurde,  doch  nicht  wie  im  Kanon,  sondern  als  doppelter 
Kontrapunkt. 


264  Rorate  —  Saiten. 

Rorate,  s.  Advent. 

Ros^ien,  auch  Schusterfleck  genannt,  bezeichnet  die  mehr- 
malige Wiederholung  einer  melodischen  oder  harmonischen  Phrase, 
nm*  um  eine  oder  mehrere  Stufen  versetzt;  erscheint  sie  als 
lästige  Monotonie,  so  ist  sie  verwerflich. 

Rota,  alter  Ausdruck  für  Kanon;  etwas  Ähnliches  be- 
deutet auch  der  Name  Rondellus. 

Rotta,  ein  Saiteninstrument  des  frühen  Mittelalters,  dessen 
Saiten  gezupft,  resp.  mit  dem  Piektrum  gespielt  wurden. 

Rückung  nennt  man  jede  Verschiebung  des  taktischen 
Aocentes,  hervorgerufen  durch  Anticipation,  Synkope  u.  dgl.  oder 
durch  Verlegung  eines  Accentes  auf  ursprünglich  unaccentuierte 
—  schlechte  —  Taktteile.  Diese  Rückungen  heissen  auch  rhyth- 
mische Rückungen  im  Gegensatze  zu  den  harmonischen 
Rückungen,  welche  durch  enharmonischen  Wechsel  der  Ton- 
arten entstehen. 


S. 

S.,  oft  Abkürzung  für  Soprano,  Solo,  Segno  (dal  S.  -  vom 
Zeichen  an  zu  wiederholen;  al  S.^    bis  zum  Zeichen). 

Saiten  werden  jene  elastischen  Fäden  genannt,  welche 
auf  musikalischen  Instrumenten  über  oder  auf  den  Resonanz- 
boden derselben  gespannt  sind,  und  durch  deren  Vibration, 
welche  entweder  durcn  Streichen,  durch  Schlagen  oder  Reissen 
erzeugt  werden  kann,  das  Instrument  selbst  zum  Tönen  gebracht 
wird.  Das  Material,  aus  dem  sie  gefertigt  werden,  ist,  je  nach- 
dem sie  für  ein  Instrument  bestimmt  sind,  verschieden.  Die 
Darmsaiten,  mit  denen  die  Harfe,  die  Geigen-  und  Lauten- 
instrumente bezogen  werden,  sind  aus  zusammengedrehten  Schaf- 
oder besser  Lämmerdärmen  gefertigt.  Als  die  besten  Darm- 
saiten werden  noch  die  romaniscnen  gehalten,  zu  welchen 
nur  Därme  von  lauter  nur  höchstens  sieben  bis  acht  Monate 
alten  Lämmern  genommen  werden.  Ein  ziemlich  zuverlässiges 
Kennzeichen  einer  guten  Darmsaite  ist,  dass  sie  sich  beim  Auf- 
ziehen nicht  verlarbt,  sondern  hell,  durchsichtig  und  elastisch 
bleibt,  auch  muss  sie  durohgehends  von  derselben  Stärke  und 
völlig  gleichmässig  zusammengedreht  sein.  —  Der  Gebrauch  der 
Saiten  ist  schon  sehr  alt.  Um  sie  lange  aufzubewahren,  ist 
darauf  zu  sehen,  dass  sie  an  einem  trockenen  imd  reinlichen 
Orte  liegen,  wo  sie  nicht  bestaubt  werden,  und  dann  auch,  dass 
sie  nicht  zu  lange  einer  trockenen  Luft  ausgesetzt  sind;  am 
besten  verschHesst  man  sie  in  .ßiner  Blechbücnse  und  reibt  sie 
mit  einem  feinen  und  leichten  Öle  ein,  wodurch  hauptsächlich 
ilu'e  Elasticität  erhalten  wird.  Man  hat  auch  Saiten  aus 
Seide  statt  der  Darmsaiten  versUcht,  doch  ist  deren  Ton  zu 
dumpf,  als  dass  er  dem  der  Darmsaiten  an  die  Seite  gesetzt 
werden  könnte.  —  Die  Metall-Drahtsaiten,  welche  bei  Klavier- 
und  einigen  Lauteninstrumenten  zur  Anwendung  kommen,  sind 


Saiteninstrument  —  Schlüssel.  265 

entweder  aus  Messing  oder  Stahl  gezogen;  neben  Gussstahl 
benützt  man  auch  Eisen.  Die  besten  Stanlsaiten  kommen  von 
den  Berliner  Fabriken,  die  besten  Messingsaiten  von  Nürabere. 
Die  Güte  der  Drahtsaiten  besteht  hauptsächlich  darin,  dass  sie 
die  rechte  Härte  haben  und  im  vollkommensten  Ebenmasse, 
auch  ohne  Hohlstellen  u.  dgl.  gearbeitet  sind. 

Saiteninstrument,  s.  Instrument. 

Saitenmesser,  s.  Ghordometer. 

Salicional,  ein  Orgelregister  von  acht  (selten  vier)  Fuss- 
ton,  welches  einen  feinen  und  streichenden  Ton  hat,  ähnlich  dem 
Klange  der  Weidenpfeifen,  daher  der  Name  (salix,  die  Weide). 

Salmo  (ital.)  =  Psalm. 

Salve  Regina,  s.  Marianische  Antiphonen. 

Sängerschnle,  s.  Schule  und  Benediktinerorden. 

Sanctus,  s.  Messe. 

Satz.  Dies  Wort  hat  in  der  Musik  mehrere  Bedeutungen: 
1)  versteht  man  darunter  jedes  einzelne  Glied  eines  Tonstückes, 
das  an  und  für  sich  einen  vollständigen  Sinn  ausdrückt;  je  nach 
der  Stellung  und  Bedeutung  unterscheidet  man  Hauptsätze 
(Themata)  und  Neben-,  Vorder-,  Nachsätze,  bezüglich  ihrer 
Entwickelung   einfache   oder   erweiterte   oder  zusammen- 

fesetzte  Sätze;  2)  wendet  man  dies  Wort  auch  auf  die  Ver- 
indung  mehrerer  solcher  ebengenannter  Sätze  zu  einem  grös- 
seren Hauptteile  eines  Ganzen,  ja  selbst  auf  die  selbständigen 
Hauptabteilungen  eines  grösseren  Tonwerkes  an;  3)  nennt  man 
Satz  auch  die  harmonische  Ausarbeitung  eines  Tonstückes  und 
den  Gebrauch  der  mannigfachen  Kunstformen,  so  spricht  man 
von  einem  einfachen  (ungekünstelten)  und  einem  kunstrei- 
chen Satze,  von  einem  reinen,  d.  i.  den  Regeln  der  Tonkunst 
völlig  entsprechenden,  und  von  einem  fehlerhaften  Satze;  nimmt 
man  noch  den  Begriff  von  Stil  oder  Schreibart  hinzu,  so  hat 
man  einen  strengen  und  freien  Satz  (s.  Stil);  darum  die  Aus- 
drücke: setzen  oder  in  Musik  setzen,  Tonsetzer  ( —  kom- 
ponieren, Komponist). 

Schall,  s.  Akustik. 

Schallbecher  oder  Schalltrichter,  Stürze  heisst  die  bei 
Blasinstrumenten  am  unteren  Ende  befindliche  Erweiterung  des 
Rohres  in  Form  eines  Trichters,  durch  w&lche  nicht  bloss  der 
Klang  verstärkt,  sondern  (bei  Blechinstrumenten)  auch  schmet- 
ternd gemacht  wird.  —  Schallbecher  wird  auch  der  auf  dem 
Kopfe  von  Zungenstimmen  der  Orgel  angebrachte  Aufsatz  genannt. 

Schallwelle,  s.  Akustik. 

Schisma,  s.  Komma. 

Schlaginstramente,  s.  Instrumente. 

Schleif  lade,  s.  Windlade. 

Schlusskadenz,  Schlnssklansel,  s.  Clausula. 

Schlüssel  sind  die  an  den  Anfang  des  Liniensystems  ge- 
stellten Zeichen,  welche  darauf  einen  bestimmten  Ton  andeuten, 
von  welchem  aus  alle  übrigen  in  dasselbe  verzeichneten  Noten 
und  Töne  bestimmt  werden  können.  Die  ersten  Spm-en  der 
Notenschlüssel  reichen  ins  X.  Jahrh.  zurück;  Hucbald  setzte  an 
die  Spitze  seiner  Linien  die  Buchstaben  der  auf  ihnen  liegenden 
Töne;   Guido  gebraucht  bloss   mehr  zwei  Buchstaben  für  seine 


266  .  Schnarrwerk. 

vier  Linien,  nämlich  C  und  F,  gerade  die  wichtigsten,  da  diese 
Töne  es  sind,  unterhalb  denen  ein  Halbton  zu  stehen  kommt; 
neben'  diesen  zweien  schrieb  man  oft  auch  noch  g  und  dd  als 
clavis  signatae  voran.  (Mit  dem  Namen  ^Claves"  benahnte  man 
jeden  der  Töne  in  den  Oktavenreihen;  diejenigen  aber,  welche 
auf  dem  Liniensysteme  eieens  bezeichnet  wurden,  hiessen  Cla- 
ves  signatae.)  Durch  aie  Notenschreiber  bildeten  sich  diese 
Buchstaben  nach  und  nach  in  die  jetzt  gebräuchlichen  Schlüs- 
sel um,  wobei  die  Schlüssel  der  Choralnotenschrift  die  ersten 
Übergangsformen  bilden.  Gegenwärtig  sind  drei  Schlüssel  in 
Gebrauch:  1)  Der  C-Schlüssel 

1^      1^1 


welcher  die  Linie  für  das  einfache  c  bedeutet.  Als  Diskant- 
schlüssel wird  er  auf  die  erste,  als  Altschlüssel  auf  die 
dritte,  als  Tenorschlüssel  auf  die  vierte  Linie  gesetzt.  Ehe- 
dem wendete  man  ihn  auch  auf  der  zweiten  Linie  für  Mezzo- 
sopran an ;  2)  der  F-Schlüssel 


t^ 


^=ii=^ 


welcher  den  Sitz  des  kleinen  f  bezeichnet  mid  auf  der  vierten 
Linie  steht;  in  älterer  Musik  findet  man  ihn  für  Bariton  auf  der 
dritten,  für  sehr  tiefen  Bass  selbst  auf  der  fünften  Linie  stehend; 
8)  der  G-Schlüssel 


i 


welcher  den  Sitz  des  eingestrichenen  g  bestimmt,  früher  für 
hohe  Diskantstimmen,  jetzt  regelmässig  für  die  Violinstimmen, 
deshalb  auch  Violinschlüssel  benannt,  gebraucht  wird.  Für 
sehr  hohe  Stimmen  wurde  er  ehemals,  besonders  von  den  Fran- 
zosen, auf  der  ersten  Linie  angewendet  und  danach  ist  er  auch 
unter  dem  Namen  französisclier  Violinschlüssel  bekannt. 
Die  jetzt  gebräuchlioben  Schlüssel,  als  Sopran-,  Alt-,  Tenor-, 
Violin-  und  Bassschlüssel,  sind  für  das  Tonreich  aller  Stimmen 
ausreichend  und  man  bedient  sich  der  übrigen,  z.  B.  für  Mezzo- 
stimmen,  nicht  mehr.  Dagegen  hat.  man  in  neuerer  Zeit  den 
C-Schlüssel  ausser  Gebrauch  zu  setzen  und  für  Sopran ,  Alt  und 
Tenor  den  Violinschlüssel  in  Übung  zu  bringen  gesucht,  was 
aber  durchaus  nicht  gut  zu  heissen  ist;  jeder  unserer  Schlüssel 
ist  unentbehrlich,  und  wenn  auch  für  Diskant  der  Violinschlüssel 
zulässiger  ist,  so  ist  es  doch  keineswegs  beim  Alt  und  Tenor  der 
Fall,  deren  Stimmumfang  weder  der  Violin-  noch  Bassschlüssel 
hinreichend  angemessen  ist.  Verwirrender  ist  eine  solche  Ver- 
einfachung der  Stimmschlüssel  noch  bei  c|^n  Partituren;  bei 
blossen  Vokalsachen  sollten  doch  stets  die  gehörigen  Schlüssel 
angewendet  werden,  die  Schwierigkeit  des  Notenlesens  kann  nie 
als  Grund  einer  Alterierung  angenommen  werden. 

Schnarrwerk   werden  die  Zungenregister  in   einer   Orgel 
genannt. 


Schnecke  —  Schule.  267 

Schnecke,  s.  Geige. 

Schola  (l^t.),  Schule;  schola  oantorum,  SingBchule  (s.  d.); 
früher  hiess  die  päpstliche  Kapelle,  der  päpstliche  Gesangschor 
also;  jetzt  kommt  dieser  Ausdruck  nur  mehr  in  den  liturgischen 
Büchern,  namentlich  im  Pontifikale  vor  und  bedeutet  soviel  als 
die  Cantores,  die  bei  den  kii'chlichen  Funktionen  mitwirkenden 
Sänger. 

Schreibart,  s.  Stil. 

Schale  bezeichnet  1)  auch  in  der  Musik  eine  Pflanzstätte 
zur  Bildung  junger  Talente,  —  eine  Musikbildungsanstalt;  2)  so- 
viel wie  Lehrbuch  oder  theoretische  Anweisung,  wonach  oder 
woraus  sich  jene  Büdung,  in  welcher  Beziehung  und  nach  wel- 
eher  Seite  hin  immer,  erwerben  lässt,  —  die  Franzosen  nennen 
sie  „m^thode".  3)  Bezeichnet  man  mit  diesem  Worte  —  wie  in 
anderen  Künsten  —  auch  wohl  einen  Kreis  von  Männern,  welche 
durch  Ansichten  oder  Methode  eines  originellen  Lehrers  und 
Meisters,  welchem  sie  in  ihren  Werken  gefolgt  sind,  oder  durch 
Nationalität  einen  gemeinschaftlichen  Charakter  angenommen 
haben,  und  redet  z.  B.  von  einer  Römischen,  Venetianischen, 
Wiener  etc.  Schule ;  4)  gebraucht  man  es  auch  in  dem  Sinne  von 
Stil,  Schreibart,  Manier,  und  redet  so  von  einer  klassischen^ 
modernen,  deutschen,  französischen  u.  dgl.  Schule,  je  nachdem 
ihre  äusseren  und  inneren  Merkmale  charakteristich  von  ein- 
ander abweichen ;  auch  kann  in  diesem  Sinne  ein  einzelner  grosser 
Künstler  schon  eine  eigene  Schule  beschreiben,  und  man  spricht 
z.  B.  von  einer  Mendelssohnschen ,  Mozartschen  Schule.  — 
Hieraus  erklären  sich  auch  die  Ausdrücke:  „wohlgeschult 
sein",  „Schule  haben",  d.  h.  die  Tonkunst  oder  einen  Zweig 
derselben,  z.  B.  das  Spiel  eines  Instrumentes  methodisch,  nach 
den  besten  Regeln  der  Kunst  gelernt  und  eingeübt  haben.  Eine 
gute  Schule,  d.  h.  ein  guter  methodischer  Bildungsgang,  die  Ent- 
wickelung  des  Talentes  nach  den  Regeln  und  bewährten,  allge- 
mein gültigen  Gesetzen  der  Kunst  ist  jedem  notwendig,  der  auf 
den  Namen  eines  Künstlers  im  wahren  Sinne  des  Wortes  An- 
spruch machen,  und  der  auch  wirkliche  Kunstwerke  schaffen 
will;  das  Genie  selbst  kann  die  Schule  nicht  entbehren,-  jeder 
Künstler  muss  sich  heranbilden  entweder  an  der  Hand  eines 
Lehrers  oder  als  Autodidakt  an  der  Hand  der  theoretischen  Werke 
oder  der  praktischen  Werke  anerkannter  Meister.  Ohne  durch 
die  Schule  erlangte  technische  und  Formgewandtheit  werden 
auch  die  originellsten  Gedanken  eines  Genies  eben  durch  formale 
Mängel  in  ihrem  Werte  beinträchtiget;  alle  grossen  Meister,  auch 
die  bahnbrechenden,  haben  vorher  eine  tüchtige  „Schule"  durch- 
gemacht. —  Eigentliche  Musikschulen,  öffentliche  Musiklehran- 
stalten reichen  ins  hohe  Altertum  hinauf  (s.  „Sing schulen"). 
Eine  der  ersten  Schulen  (in  der  christlichen  Zeitrechnung)  war 
die  vom  heil.  Gregor  zu  Rom  gegründete  kirchliche  Gesanffschüle,. 
nach  deren  Muster  und  dann  auf  Anordnung  Karls  d.  Gr.  sich 
zahlreiche  Schulen  in  Italien,  Frankreich,  Deutschland  u.  dgl. 
bildeten.  Bei  der  Entwickelung  der  Harmonie  sehen  wir  die 
Tonmeister  Schulen  und  Lehrstühle  der  Musik  eröffnen,  so  in 
den  Niederlanden,  in  Paris,  in  Venedig  Goudimel,  in  Rom  Willaert, 
Nanini,  in  Neapel  Leo,  Durante  und  Gaetano;  dergleichen  finden 


268  Schwebungen  —  Sekunde. 

wir  in  mehrereh  Städten  Italiens  unter  dem  Namen  „Konserva- 
torien", welchen  die  Neuzeit  für  ihre  Musikinstitüte  beibehalten 
hat,  auch  Akademien  nannte  man  sie.  Nach  der  Stileigentüm^ 
hchkeit  kennt  man  im  XV.,  XVI.  und  XVII.  Jahrh.  die  Vene- 
tianische  Schule,  deren  charakteristisches  Wesen  in  der  Viel- 
stimmigkeit  und  Grossartigkeit  des  Satzes,  die  Römische 
Schule,  welche  durch  Strenge  der  Form  und  Wohlklang  der 
Harmonie,  die  Neapolitanische  Schule,  welche  durch  Glanz 
und  melodischen  Wohllaut  gekennzeichnet  ist;  die  ältere  Wie- 
ner Schule,  welche  an  Haydn  und  Mozart  sich  anlehnend  tüch- 
tige Formkenntnisse  und  würdigen  Ideenausdruck  aufweist.  — 
In  neuester  Zeit  sind  Schulen  speciell  für  katholische  Kirchen- 
musik gegründet  worden,  so  die  Kirchenmusikschule  zu  Regens- 
bm*g,  Aachen,  Freiburg  i.  Br,  —  Einer  Schule  angehören 
soll  nicht  dahin  verstanden  werden,  dass  ein  Tonsetzer  dIoss  mit 
den  leeren  äusseren  Formen  und  Manieren  eines  grossen  Mei- 
sters, ohne  tieferes  Eingehen  und  Hineinleben  in  dessen  Geist 
und  innere  Stileigentümlichkeit,  sich  zufrieden  gibt. 

Schwebungen  nennt  man  das  Abweichen  von  der  völligen 
Reinheit  des  Tones. 

Schweller  ist  eine  Vorrichtung  in  manchen  Orgeln,  welche 
Jalousien  gleicht,  um  in  der  Tonstärke,  ohne  Registerveränderung 
vorzunehmen,  eine  gewisse  angenehme  Schattierung  hervorzu- 
bringen; sie  hat  auch  den  Namen  Echo  werk.  Massig  ange- 
wendet ist  es  von  guter  Wirkung,  häufig  benützt  artet  es  in 
blosse  Spielerei  aus. 

Secondo  (ital.),  der  zweite,  seconda  volta  (abgekürzt 
II=).  das  zweite  Mal,  Violine  secondo,  die  zweite  Violin,  im- 
mer im  Gegensatz  zu  primo,  prima. 

Segen,  s.  Tantum  ergo. 

Segne  (ital.),  —  das  Zeichen;  d'al  segno  —  vom  Zei- 
chen an. 

Segue,  oder  siegue  (ital.)  =  es  folgt;  steht  oft  am  Ende 
einer  Notenseite,  um  anzudeuten,  was  auf  der  nächsten  Seite 
folgt,  z.  B.  „segue  Allegro"  —  „es  folgt  das  Allegro." 

Seitenbewegung,  s.  Bewegung. 

Sekundaccord,  s.  Accord. 

Sekunde,  ein  dissonierendes  Intervall  zwischen  zwei  Stufen, 
welches  in  der  praktischen  Musik  di-eifach  vorkommt:  als  klein, 
gross  und  übermässig.  Die  kleine  Sekunde  ist  das  kleinste 
Intervall,  der  sogenannte  grosse  halbe  Ton  (e-f,  h-c),  im  Ver- 
hältnisse von  15  :  16.  Die  grosse  Sekunde,  der  sogenannte 
fanze  Ton,  besteht  aus  einem  kleinen  und  einem  grossen  hal- 
en  Tone  (c-d,  d-e);  nach  den  ursprünglich  reinen  Verhältnissen 
erscheint  sie  in  zweierlei  Grössen:  als  grosser  Ganzton  von 
8:9,  und  als  kleiner  Ganzton  von  9  :  10.  Die  über- 
mässige Sekunde  enthält  einen  ganzen  Ton  und  einen  kleinen 
halben  (f-gis)  und  hat  64  :  75.  —  Wo  die  Sekunde  im  Zusammen- 
hange (Accord)  erscheint,  ist  nicht  sie  selbst,  sondern  der  Grund- 
ton, das  eigentliche  dissonierende  Ende  des  Intervalls,  dieser 
löst  sich  darum  regelmässig  eine  Stufe  abwärts  auf.  Dadurch 
unterscheidet  sie  sicn  auch  von  der  None,   welche  als  eigentlich 


Semi  —  Sequentiae.  26^ 

dissonierendes  oberes  Ende   des  Intervalls  der  Vorbereitung  und 
Auflösung  unterliegt. 

Semi,  —  lat.  semis,  halb  —  kommt  in  der  Musik  bei  Zu- 
sammensetzungen vorj  z.  B.  semibrevis,  jene  Notengattimg^ 
welche  unter  der  Brevis  steht  und  in  dieser  zwei-  oder  dreimal^ 
je  nach  Imperfektion  oder  Perfektion,  enthalten  angenommen 
ward;  semitonium,  Halbton;  semiditonus,  kleine  Terz,  semi- 
diapente,  falsche  Quint;  subsemitonium  modi,  der  Unter- 
halbton einer  Tonart  oder  die  grosse  Sepjbime. 

Semitonns,  der  halbe  Ton,  ist  in  der  temperierten  Skala 
die  Hälfte  des  ganzen  Tones,  nicht  aber  in  der  mathematischen 
Klangberechnung.  Schon  die  Alten  unterschieden  einen  gros- 
sen nalben  Ton  (8  :  9),  semitonus  majus,  auch  Apotome 
genannt,  und  einen  kleinen  halben  Ton  (9  :  10),  semitonus 
minus,  den  sie  Diesis  nannten;  zwei  grosse  halbe  Töne  geben 
nach  reinem  Verhältnisse  mehr  als  emen  ganzen  Ton,  zwei 
kleine  halbe  Töne  aber  weniger;  ein  grosser  und  ein  kleiner 
halber  Ton  geben  miteinander  emen  ganzen  Ton  (neun  Kommata,, 
ein  grosser  halber  Ton  hat  deren  fünf,  ein  kleiner  halber  Ton 
vier).  In  der  praktischen  Musik  werden  die  durch  Erhöhung 
oder  Erniedrigung  derselben  Stufe  gewonnenen,  also  abgeleiteten 
oder  chromatischen  Halb  töne  als  kleine,  die  zwischen  zwei  ver- 
schiedenen Stufen  sich  ergebenden  ungleichnamigen  oder  dia- 
tonischen als  grosse  halbe  Töne  bezeichnet. 

Senza  (ital.)  ohne;  kommt  in  verschiedenen  Zusammen- 
stellungen vor,  z.  B.  senza  Organ o,  —  ohne  Orgel,  d.  h.  an 
der  damit  bezeichneten  Stelle  soll  die  Orgel  schweigen. 

Septime,  der  siebente  Ton  von  einem  angenommenen 
Grundtone,  ist  ein  dissonierendes  Intervall,  das  die  praktische 
Musik  in  drei  Grössen  anwendet,  klein,  gross,  vermindert. 
Die  kleine  Septime,  auch  Haupt-  oder  wesentliche  Septinae 
genannt,  besteht  aus  vier  ganzen  und  zwei  halben  Tönen,  wie 
g— f,  c— b.  Dir  reines  Verhältnis  ist  9  :  16.  —  Die  grosse  Sep- 
time oder  der  Leitton,  besteht  aus  fünf  ganzen  und  einem 
grossen  halben  Tone,  wie  c — h,  g — fis,  und  ihr  reines  Verhältnis 
ist  8  :  15.  Die  verminderte  Septime,  im  Verhältnisse  von 
75  :  128,  besteht  aus  drei  ganzen  und  drei  grossen  halben  Tönen, 
wie  eis — b,  h — as.  —  Die  kleine  Septime  ist  das  wichtigste  Inter- 
vall in  der  musikalischen  Harmonie,  der  Wendepunkt  der  Accorde 
und  wieder  das  einzige  Mittel,  durch  welches  sich  diese  zu  einer 
unzertrennlichen  Kette  von  harmonischen  Zusammenklängen  ver- 
einen lassen.  Das  ist  freilich  nur  vom  neueren  Tonsysteme  zu 
verstehen,  da  die  alten  Tonarten  eine  andere  Modulation  beob- 
achten. Der  strenge  Satz  fordert  für  alle  Septimen  gehörige 
Vorbereitung ;  der  ireie  aber  lässt  sowohl  die  kleine  als  vermin- 
derte Septime  frei  eintreten.  Die  alten  Tonlehrer  nannten  die 
kleine  Septime  Semi dit onus  cum  diapente,  die  grosse  Di- 
tonus  cum  diapente;  Adam  von  Fulda  nannte  die  Septime 
h  e  p  t  a  d  e. 

Septimenaecord,  s.  Accord. 

Sequentiae,  Sequenzen,  sind  eine  Gattung  liturgischer  Ge- 
sänge, welche  an  bestimmten  Festen  in  der  heiligen  Messe  vor 
dem  Evangelium  ihren  Platz  haben,  früher  auch  bei  der  Vespör 


270  Sequentiae. 

und  anderen  Feierlichkeiten  gesungen  wurden.  Sie  führen  auch 
den  Namen  „Prosae",  weil  sie  nicht  nach  metrischen  Gesetzen 
gebaut  waren,  obwohl  man  ihnen  später  diese  Einrichtung  gab. 
Doch  ist  auch  die  Vermutung  nicht  ganz  unbegründet,  dass  die- 
ser Name  seinen  ürspirung  der  Abkürzung  „psa*^  (pro  sequentia) 
verdankt*  Der  Name  „Sequenz*^  gebührt  innen  vermöge  ihres 
Ursprunges.  Schon  in  frühen  Zeiten  reihten  sich  an  das  Alleluja 
des  Graauale  mehrere  Notenfiguren,  melodieartige  Anhängsel, 
welche  über  dem  letzten  a  des  Alleliya  zu  singen  waren;  man 
nannte  sie  Jubüen  ode^  Neumen;  im  I.  Ordo  Romaijus  kommen 
sie  imter  dem  Namen  -Sequentiae*^  (natürlich  ohne  Text)  vor. 
Im  IX.  imd  X.  Jahrh.  erhielten  sie  aber  eine  solche  Ausdehnung, 
dass  es  dem  Sänger  schwer  wurde,  diese  notenreichen  Melocüen 
ohne  Worte  im  Gedächtnisse  zu  behalten.  Dies  führte  aen 
Mönch  und  nachherigen  Abt  Notker  (Balbulus)  von  St.  Gallen 
auf  den  Gedankeii,  diesen  Jubüen  einen  passenden  Text  unter- 
zulegen ;  an  einem  Vorbilde  fehlte  es  ihm  auch  nicht.  Ums  Jahr 
-851  war  ein  normanischer  Priester  aus  einem  fränkischen  Kloster 
nach  St.  Gallen  gekommen  und  hatte  ein  Antiphonar  mitgebracht, 
worin  die  Verse  zu  den  Sequenzen  moduliert  waren.  Ahnliches 
versuchte  nun  Notker ,  aber  in  besserer  Weise ,  als  es  in  diesem 
Antiphonar  der  Fall  war ;  er  teilte  die  Jubilen  nach  melodischem 
Plane  ab,  gestaltete  sie  um.  erweiterte  sie  und  fügte  ihnen  dann' 
passende  Textworte  bei.  Ein  Grundgesetz  dabei  war,  dass  auf 
jede  Tonbewegung  oder  Hauptnote  eine  eigene  Silbe  zu  stehen 
komme.  Durch  Sie  melodiscne  Form  imd  Einteilung  war  auch 
zugleich  die  Form  und  Einteilimg  des  Textes  zu  den  Sequenzen 
bestimmt.  Notkers  Sequenzen  budeten  sich  somit  aus  einer  An- 
zahl musikalischer  Phrasen  oder  Choräle,  die  er  entweder  un- 
mittelbar oder  auch  in  .einer  gewissen  Ordnung  nacheinander 
wiederkehren  Hess,  und  die  mitsammen  erst  ein  musikahsches 
-Ganzes  ausmachten.  Dem  ersten  und  letzten  Satze  des  Textes 
^ab  er  immer  eine  eigene  selbständige  Melodie,  die  sich  in  den 
Mittelsätzen  nie  wiederholte;  von  den  Mittelsätzen  haben  mei- 
stens —  nicht  immer  —  je  zwei  Sätze  gleiche  Melodie.  Die 
meisten  Sequenzmelodien  sind  Notkers  eigene  Tonschöpfimgen, 
bei  einigen,  welche  er  dem  Alleluja  der  (jradualien  nacnbil&te, 
behielt  er  nur  die  Tonart  und  die  Anlangstöne  bei,  die  übrigen 
Sätze  sind  neugedichtete  Melodien.  Da  zwei  Absätze  mit  glei- 
cher Melodie  auch  beim  Texte  gleiche  Silbenzahl  erfordern,  so 
kann  man  hierin  allein  die  metrische  Form  des  Textes  suchen; 
doch  wird  auch  diese  bei  manchen  vermisst,  und  es  finden  sich 
Mittelsätze  von  verschiedener  Länge,  folglich  auch  von  ungerader 
Silbenzahl,  ebenso  kann  man  auch  die  Absätze  des  Textes,  von 
Notker  „Versikel"  genannt,  nicht  als  Strophen,  die  aus  einzelnen 
Versen  bestehen,  betrachten.  In  Rücksicht  ihres  metrischen 
Baues  halten  sie  also  die  Mitte  zwischen  freier  Prosa  und  den 
eigentlich  metrischen  Versen  und  ist  nicht  die  entsprechende 
Länge  und  Kürze,  sondern  die  Zahl  der  Silben  massgebend.  Der 
musikalische  Wohlklang  des  Textes  forderte  oft  eine  freiere  Ver- 
setzung der  Worte,  was  allein  ihnen  schon  in  ihrer  äusseren 
Form  das  Ansehen  eines  poetischen  Ergusses  verleiht,  ganz  ab- 
gesehen von  ihrem  inneren  Gehalte,  der  sie  oft  den  herrlichsten 


Sequentiae.  271 

Erzeuj^ssen  kii'chlioher  Poesie  würdig  an  die  Seite  stellen  lässt ; 
sie  hiessen  auch  anfangs  „Hymnen".  Notker  schuf  vorzügliche 
Seauenzen  —  Schubieer  weist  ihm  50  Sequenzmelodien  zu  — 
una  sie  waren  bald  überall  bekannt  und  mit  Liebe  und  Eifer  an 
den  Festtagen  und  bei  anderen  feierlichen.  Gelegenheiten  gesun- 
gen; dazu  half  ihnen  noch  der  würdig  gehaltene  Sinn  der  Worte, 
welche  der  vollkommenste  Ausdruck  der  Andacht  und  Erbauung, 
kindlicher  Teünahme  am  Jubel  der  Kirche,  d«s  Vertrauens  auf 
Gottes  Hufe  und  den  Schutz  der  Heiligen  waren,  Sie  wurden 
insgemein  von  zwei  Chören,  seltener  von  einem  einzigen  allein 
vorgetragen;  das  verlangte  schon  ihr  Bau  und  ihre  Einrichtung, 
undsi«  waren  so  geehrt,  dass  man  während  des  Absingens  der- 
selben, gleichwie  beim  Te  Deum,  alle  oder  doch  die  zwei  gröss- 
ten  Glocken  läutete.  Papst  Nikolaus  I.  erlaubte  860  ihren  Ge- 
brauch in  der  Kirche,  und  bald  darauf  bediente  man  sich  nicht 
bloss  der  Notkerschen  Sequenzen  allein,  sondern  dichtete  und 
komponierte  neue  Sequenzen  und  versah  die  beliebten  alten 
Melo{lien  mit  neuen  Texten;  nach  und  nach  gestaltete  man  sie 
metrisch  und  strophisch,  anfangs  bloss  mit  durchklingendem, 
später  mit  vollkommenem  Reime.  Das  ganze  Mittelalter  hin- 
dm'ch  bildeten  sie  ein  vorzügliches  Mittel,  die  kirchlichen  Fest- 
lichkeiten zu  verherrlichen,  und  besonders  zeichnete  sich  Frank- 
reich und  Deutschland  darin  aus;  in  der  römischen  Kirche  fanden 
sie  weniger  Aufnahme  und  Pflege,  weshalb  man,  auch  in  den 
genau  nach  dem  römischen  Missale  gearbeiteten  Messbüchern 
aus  dem  XV.  Jahi'h.  wenige,  fast  nur  die  jetzt  noch  gebräuch- 
lichsten findet.  Die  Sequenzen  erreichten  eine  hohe  Zahl,  ein- 
zelne Missalien  enthalten  deren  50 — 100,  auf  die  höchsten  Fest- 
tage oftmals  zwei  und  drei.  Dass  bei  der  allgemeinen  Reform 
des  Messbuches  durch  Pius  V.  nach  dem  Konzil  von  Trient  eine 
Sichtung  geschehen  musste^  ergibt  sich  aus  dem  Umstände,  dass 
sehr  viele  nichtssagend  in  ihrem  Inhalte,  trivial  und  imwürdig 
in  ihrer  Melodie  waren.  Die  fünf  beibehaltenen  Sequenzen  sind 
unstreitig  die  schönsten  und  besten.    Es  sind  folgende: 

1)  Die  Osterseouenz:  „Victimae  paschali*^  Der  Autor 
derselben  ist  Wipo,  Mönch  von  St.  Gallen,  Hofkaplan  Kaiser 
Konrads  IL,  dessen  Blütezeit  in  die  Jahre  10^  bis  1050  fällt;  die 
Melodie  lässt  sich  imter  die  klassischen  Gesänge  rechnen,  sie 
hat  eine  sanfte  Modulation  und  ist  zujgleich  erhaben  und  maje- 
stätisch, was  sich  besser  fühlen  als  beschreiben  lässt.  In.  den 
römischen  Missalien  fehlt  der  Vers:  ^Credendum  est  magis  söli 
Mariae  veraci  etc.^  vor:  „Seimus  Christum  etc." 

2)  Die  Pfingstsequenz:  „Venite  Sanete  Spiritus  et 
^mitte  coelitus**,  war  einer  der  beliebtesten  Gesänge;  doch  ist 
man  über  den  Autor  nicht  einig,  Durandus  und  Tritnemius  nen- 
nen als  solchen  den  König  Robert  von  Frankreich  (f  1031),  an- 
dere schreiben  sie  dem  Papste  Innocenz  III.  (f  1216)  zu. 

3)  Die  Fronleiohnamssequenz:  „Lauda  Sioji".  Ihr 
Verfasser  ist  nach  allgemeiner  Annahme  der  heil.  Thomas  -von 
Aquin  (f  1274),  welcher  auf  Geheiss  des  Papstes  ürban  X.  zu 
der  angeordneten  Fronleichnamsfeier  die  Liturgie  verfasst  hat. 
Die  Melodie  ist  schon  eine  ältere  (sie  findet  sich  oei  der  Sequenz: 
^Landes crucis  attoUamus"  von  Adam  von  St.  Viktor;  Coussemaker 


Wl 


272  Sequenz  —  Sesqui. 

fand  sie  teilweise  in  einem  Manuskripte  aus  dem  XII.  Jahrh.), 
aber  der  Inhalt  dieser  Sequenz,  welche  durch  Erhabenheit  und 
Schönheit  als  ein  wahrhaft  lyrisches  Kirchenlied  sich  auszeich- 
net, ist  in  dogmatischer,  historischer  und  polemischer  Rücksicht, 
wie  Antony  sagt,  für  den  Katholiken  merkwürdig j  die  Melodie 
aber  hat  etwas  so  Ernstes,  Erhabenes  imd  dabei  Zartes,  ihre 
Töne  sind  den  Worten  so  anpassend,  dass  sie  jedes  Herz  ergrei- 
fen muss.     Ihr  Ambitus  ist  aer  VII.  und  VIII.  Ton. 

4)  Die  Sequenz:  „Dies  irae",  welche  in  den  Messen  für 
die  Verstorbenen  gesungen  wird.  Man  schreibt  sie  mehreren 
Verfassern  zu;  die  meisten  Liturgisten  sj)rechen  sich  für  Tho- 
mas von  Celano  aus,  welcher  um  1250  m  den  Orden  der  Fran- 
ziskaner trat.  Sie  hat  einige  Abänderung  in  ihrer  ursprünglichen 
Fassung  erlitten.  Ohne  Zweifel  war  dieses  Gedicht  nur  mr  ein- 
same Erbauung  geschrieben  .  oder ,  wie  andere  sagen,  für  den 
I.  Adventsonntag  bestimmt,  da  es  das  letzte  Gericht  in  so  er- 
greifenden Zügen  darstellt;  in  jetziger  Fassung  fehlen  drei  An- 
tangsstrophen ,  und  auch  die  letzten  zwei  Strophen  sind  erst 
hinzugefügt  worden,  als  man  dies  Gedicht  ins  Totenofficium  auf- 
nahm, was  im  XIV.  Jahrh.  stattfand.  In  Missalien  vom  XV. 
Jahrh.,  die  nach  dem  römischen  edirt  sind,  findet  sich  diese 
Sequenz  im  Appendix,  worauf  in  den  Totenmessformularien  ver- 
wiesen wird;  sie  scheint  also  anfangs  noch  ad  libitum  gewesen 
zu* sein.  Über  die  innere  VortrefFlicnkeit  des  Gedichtes  herrscht 
nur  Eine  Stimme. 

5)  Die  Sequenz:  „Stabat  Mater",  deren  Verfasser  der 
Franziskanermönch  Jacopone  oder  Jacobus  de  Benedictis 
(t  1906)  ist.  Sie  hatte  bald  eine  weite  Verbreitung  gefunden, 
und  die  Flagellanten  und  andere  Busswanderer  bedienten  sich 
ihrer  häufig.  Aufnahme  in  die  Liturgie  fand  sie  durch  die  Ein- 
setzung des  Festes  der  sieben  Schmerzen  Maria  (Festum  Com- 
passioniSj  Festum  septem  Dolorum  B.  V.  M.)  und  es  wurde  dieser 
Gesang  m  drei  Abteüungen  zerlegt  als  Hymnus  für  Vesper, 
Matutm  und  Landes,  voflständig  als  Sequenz  in  der  Messe  des 
Festes  eingereiht.  Der  Inhalt  stellt  eine  herrliche  Dichtung  dar, 
welche  einem  Herzen  voll  Einfalt,  Glauben  und  Liebe,  im  Drange 
des  wahrsten  Gefühles,  in  innigster  Teilnahme,  Wehmut  und 
Bussfertigkeit  entsprungen  ist.  Eb  finden  sich  dafür  (wie  für 
das  Dies  irae)  mehrere  sehr  gute  Melodien.  Einige  Tonsetzer 
haben  über  das  Stabat  Mater  vortreffliche  Kompositionen  gelie- 
fert, welche  bei  Abendandachten  in  der  heiligen  Karwoche  ü.  a. 
gesungen  werden.  —  (Ausführliches  über  diesen  Artikel  findet 
man  m  Schubigers  Werk:  „Die  Sängerschule  von  St.  Gallen**, 
pag.  39  u.  ff.) 

Sequenz  heisst  jede  Fortsetzung  eines  melodischen  oder 
liarmonischen  oder  melodisch-harmonischen  Motives,  einer  festen 
sich  wiederholenden  Form.  Vorzugsweise  bezeichnet  man  jedoch 
damit  jede  gleichmässig  fortgehende  Accordreihe. 

•  Sesqui  (aus  sem-as-que  -anderthalb  as,  dann  anderthalb 
Teil**)  wurde  von  den  Alten  in  aer  Zusammensetzung  gebraucht, 
um  ein  überteiliges  Verhältnis  auszudrücken  (s.  Proportion). 
Solcher  Wörter:  sesqui  altera  (2  :  3),  sesqui  tertia  (3  :  4)  u.  dgL* 
(manchmal  auch   „sexqui**  geschrieben)   bedienten  sie  sich  nicht 


Sext  —  Singschule.  273 

bloss  in  der  Kanonik,  sondern  auch  zur  Bezeichnung  des  Taktes 
odei"  des  Verhältnisses  der  einzelnen  Notengattungen  zu  ein- 
ander, z.  B.  bedeutete  sesqui  altera  maggiore  perfetta  bei 
den  späteren  Mensuralisten  den  Tripeltakt,  in  welchem  die 
Brevis  drei  Semibreves  galt,  ohne  dass  sie  einen  Punkt  bei  sich 
hatte;  diese  Taktart  wurde  auch  am  Anfange  des  Tonstückes 
mit  ^  nach  einem  senkrecht'  durchstrichenen  Zirkel  bezeichnet; 
sesqui  altera  majggiore  imperfetta  war  derjenige  Tripel- 
takt, in  welchem  die  Brevis  ohne  Punkt  z^ei  Semibreves  galt; 
bezeichnet  ward  er  durch  3  nach  einem  senkrecht  durchstnche- 
nen  Halbzirkel  u.  s.  w.  Vergl.  Bellermann,  Mensuralnoten; 
Riemann,  Studien  zur  Notenschrift. 

Sext,  ein  Intei-vall  von  sechs  Tonstufen  —  die  sechste 
Stufe  einer  bestimmten  Tonart  nannten  die  älteren  Tonlehrer 
sexta  toni,  —  kommt  in  vierfacher  Grösse  vor:  vermindert, 
klein,  gross,  übermässig.  Die  verminderte  Sext  besteht  aus 
zwei  ganzen  und  drei  grossen  halben  Tönen  (cis-as).  Die  kleine 
(e-c)  aus  drei  ganzen  und  zwei  grossen  halben  Tönen  und  hat 
das  reine  VerhStnis  von  5:8;  die  grosse  Sext  (d-h)  aus  vier 
ganzen  imd  einem  grossen  halben  Tone,  und  ihr  reines  Verhält- 
nis ist  3:5;  die  übermässige  Sext  besteht  aus  fünf  ganzen 
Tönen  (f-dis)  im  reinen  Verhältnisse  von  128  :  225.  Die  grosse 
und  kleine  Sext  zählen  zu  den  unvollkommenen  Konsonanzen 
und  der  Gebrauch  von  Sextenparallelen  ist  gewissen  Einschrän- 
kungen im  strengen  Stü  unterworfen,  wie  ihre  Umkehrung,  die 
Terzenparallelen,  indem  nie  zwei  oder  mehrere  kleine  Sexten  in 
diatonischer  Fortsetzung  aufeinanderfolgen  dürfen  (wegen  der 
leicht  sich  bildenden  unharmonischen  Querstände) ,  wonl  aber 
grosse  Sexten.  Sextensprünge  werden  in  der  strengen  Schreib- 
art, namentlich  im  Basse  gern  vennieden.  —  Die  Alten  bezeich- 
neten die  Sext  als  Tonus  oder  Semitonium  cum  Diapente 
auch  mit  hexade.  —  (S.  Horae  canonicae.) 

Sextaccord,  s.  Accord. 

Sforzato  (itaL),  s.  v.  w.  verstärkt,  bezieht  sich  nur  auf 
einen  einzelnen  Ton  oder  Accord;  abgekürzt  sfz. 

Si  ist  die  Silbe,  welche  man  der  siebenten  Stufe  bei  der 
neueren  Solmisation  zuwies,  und  deren  sich  die  Franzosen  und 
Italiener  zur  Bezeichnung  des  Tones  h  bedienen. 

Signatur  wird  von  einigen  als  Generalbassschrift  oder 
Bezifferung  gebraucht. 

Sinfonia,  s.  Symphonie. 

Singkunst,  Gesangskunst,  die  Kunst,  vermittelst  der  mensch- 
lichen Stimme  ein  Tonstück  lür  Gesang  regeU'echt  und  schön 
vortragen. 

Singschule,  eine  öffentliche  Anstalt,  in  welcher  der  Gesang 
kunstmässig  gelehrt  wird.  Derlei  Institute  weist  das  hohe  Alter- 
tum bei  allen  gebüdeten  Völkern  auf,  welche  die  Musik  als  Kunst 
betrachteten  und  ihren  hohen  Wert  erkannten.  Speciell  haben 
wir  uns  mit  den  Gesangschulen  zu  beschäftigen,  insofern  durch 
sie  taugliche  Individuen  herangebildet  wurden  zur  Produktion 
der  Kirchen-  oder  gottesdienstlichen  Gesänge.  Wie  der  Gesang 
bei  Heiden  und  Juden  ein  vorzüghches  Mittel  war,  die  gottes- 
dienstliche   Feierlichkeit   zu    erhohen    und    zur   Erreichung   des 

Kommüllei*,  Lexikon.  18 


274  Singschule. 

gottesdienstlich en  Zweckes  beizutragen,  so  zog  auch  die  Kirche 
Jesu  Christi  den  Gesang  in  den  Kreis  ihrer  Liturgie;  vom  gött- 
lichen Heilande  melden  die  Evangelien,  dass  er  beim  Abendmahle 
den  üblichen  Hymnus  angestimmt  haoe,  und  der  heilige  Apostel 
fordert  die  Gläubigen  aui.  Dank-  und  Loblieder  zu  singen.  In 
den  ersten  Jahrhunderten  des  Christentums  konnte  von  ordent- 
lichen Singschulen  nicht  die  Rede  sein,  da  der  Gesang,  an 
welchem  aie  Gemeinde  in  ausgedehnter  Weise  teilnahm,  noch 
sehr  einfach  war,  die  Vorsänger,  welche  die  Gesänge  allerdings 
in  ordentlicher  Weise  erlernten,  die  ganze  Sache  in  Ordnimg 
brachten,  und  ferner  auch  eine  hesser  und  für  die  Dauer  orga- 
nisierte Gesangschule  durch  die  Verfolgungen  fast  unmöglich 
wurde.  Erst  nachdem  der  Kirche  der  Friede  gegeben  ward, 
machen  die  Geschichtschreiber  Meldimg  von  einem  solchen  In- 
stitute, welches  Papst  Sylvester  I.  um  ö30  gegründet  hatte;  die 
höhere   Entfaltung  der  Liturjgie  und   die   damit  Hand  in  Hand 

Sehende  Ent Wickelung  des  Kirchengesanges  forderten  est  Papst 
[ilarius  (461—468)  soll  zwei  solche  Schulen,  die  eine  im  Lateran, 
die  andere  bei  St.  Peter  im  Vatikan  eingerichtet  haben.  Als 
eigentlichen  Begründer  •  des  nunmehrigen  Kirchengesanges  und 
der  kirchlichen  Singschulen  erscheint  gegen  Ende  des  VI.  Jahrh. 
der  heil.  Papst  Gregor  d.  Gr.  (596—604).  Wie  er  die  liturgischen 
Einrichtungen  verbesserte  und  vollendete,  so  war  sein  Augen- 
merk auch  dem  damit  verbundenen  Gesänge  zugewendet,  zu 
dessen  gehörigen  Exekutierung  und  ferneren  Reinerhaltung  er 
das  beste  Mittel  in  der  Gesangschule  fand.  Er  gründete  zwei 
solcher  Anstalten,  die  eine  im  Lateran,  die  andere  bei  St.  Peter, 
welche  im  Grunde  kaum  etwas  anderes  gewesen  sein  werden, 
als  die  gänzlich  reformierten  Singschulen  des  Papstes  Hilarius. 
Die  eine  war  sozusagen  die  Vorbereitungsanstalt  und  wird  von 
den  Geschichtschreibern  „Orphanotrophium",  Waisenhaus,  genannt, 
während  das  andere  Haus  die  den  Chordienst  leistenden  Sänger 
(schola  cantorum)  in  sich  aufnahm.  Hier  finden  wir  vielleicht 
zum  erstenmal,  wie  bei  oder  in  Waisenhäusern,  Hospitälern 
u.  dgl.  Musikanstalten  erstehen;  in  späteren  Jahrhunderten  sehen 
wir  auf  ähnliche  Weise  die  Konservatorien  in  Venedig,  Florenz, 
Neapel  u.  dgl.  an  Hospitälern,  Krankenhäusern,  Waisenhäusern 
erstehen,  (jregor  selbst  leitete  den  Unterricht  und  die  Übungen 
in  seiner  Sängerschule,  und  in  späteren  Jahrhunderten  zeigte 
man  noch  die  Kute,  deren  er  sich  für  die  unfügsamen  Schifler 
bediente,  sowie  das  Ruhebett,  auf  welchem  er  beim  Unterrichte 
zu  liegen  pflegte.  Er  lehrte  seine  Singschüler  nicht  nur  das- 
jenige, was  zum  Gesänge  überhaupt  notwendig  war,  die  Neumen, 
die  Tonarten,  die  Melodien,  Vortrag  u.  dgl.,  sondern  er  drang 
auch  auf  das  Verständnis  des  Textes  una  seine  Bedeutung  und 
auf  ein  frommes  und  sittenreines  Leben,  als  notwendigste  Be- 
dingung eines  guten  Kirchengesanges.  Diese  römische  Gesang- 
schule Gestand  rort  auch  während  des  Verweilens  der  Päpste  m 
Avignon  (1305 — 1378).  Daselbst  aber  bildeten  sie  sich  ein  eigenes 
Sängerkollegium ,  welches  Gregor  XL  bei  seiner  Rückkehr  nach 
Rom  mit  sich  nahm.  Nun  scheint  sich  eine  Verschmelzung  bei- 
der Kapellen  vollzögen  zu  haben,  da  vom  XV.  Jahrh.  an  der 
Name  schola  cantorum   in  den  Urkunden  nicht  mehr  vorkommt. 


Singschule.  275 

Unter  Eugen  IV.  (1431 — 1447)  mag  die  endgültige  Neubegiündung 
der  päpstlichen  Kapelle  geschehen  sein,  welche  durch  Papst 
Paul  in.  1545  eine  neue  Organisation  erhielt*  und  unter  dem 
Namen  „Sixtinisohe  Kapelle**  Dis  in  die  Neuzeit  einen  Weltruf 
genoss.  (S.  Vierteljahrsschrift  für  Musikwissenschaft,  von  Chry- 
sander  u.  A.  1887.  ll.  „Die  römische  sohola  cantorum*  u.  s.  w. 
von  F.  X.  Haberl.)  Neben  dieser  scheint  noch  längere  Zeit  die 
schola  puerorum,  das  Institut  der  Chorknaben,  fortbestanden 
zu  haben,  da  Palestrina  als  magister  derselben  bezeichnet  wird. 

In  dem  Masse,  als  der  Gregorianische  Choral  Ausbreitung 
fand,  entstanden  auch  an  anderen  Orten  solche  Gesangsohulen, 
namentlich  in  Klöstern  und  an  bischöflichen  Kirchen.  Im  IX. 
Jahrh.  kamen  die  Schulen  zu«  Metz,  Paris,  Orleans,  Fulda, 
St.  Gallen,  Reichenau,  York  u.  a.  zu  grosser  Berühmtheit;  Karl 
d.  Gr.  drang  darauf,  dass  in  allen  Schulen  überhaupt  der  Kirohen- 

fesang  gelehrt  werde.  Er  selbst  ging  mit  seiner  die  trefflichsten 
änger  m  sich  schliessenden  Hochschule  und  mit  seinem  Eifer 
in  der  Gesangsübung  voran,  die  Berufung  römischer  Sänger  nach 
Frankreich  trugen  dazu  bei,  die  Leistungsfähigkeit  dieser  Schulen 
zu  steigern.    An  Bedeutung  musste  das  Institut  der  Singschulen 

fewinnen,  als  nicht  bloss  der  Choral  auf  eine  sehr  hohe  Stufe 
er  Kimstfertigkeit  gebracht,  sondern  auch  die  Anfänge  der 
Harmonie  im  Organum  und  in  den  Fauxbourdons  sich  entwi- 
ckelten. Im  XII.  Jahrh.  hatte  iede  grössere  Kirche  ihre  wohl- 
eingerichtete Singschule,  sowohl  in  Frankreich  als  Deutschland, 
England,  Spanien,  Italien;  an  der  Spitze  derselben  stand  der 
Musik-  oder  Singmeister  (magister  puerorum,  franz. 
mattre),  die  Schulen  selbst  hiessen  scholae  cantorum,  franz. 
maltrises,  psalletes,  auch  kommen  sie  später  unter  dem 
Namen  „Präoenden,  Seminarien,  Kurrenden"  vor.  Die 
Gesangschüler  wurden  in  diesen  speoiellen  Singschulen  —  bei 
dem  mit  den  Pfarrschulen  verbundenen  kirchlichen  Gesangsunter- 
richt beschränkte  man  sich  auf  wenigeres  —  vor  allem  mit  den 
Intervallen,  Tonarten,  Tropen,  Noten  und  anderen  musikalischen 
Zeichen  bekannt  gemacht,  und  der  gute  Vortrag  ihnen  ein- 
geschärft; dabei  ward  auf  die  gute  Bildung  und  fortwährend 
methodiJüphe  Übung  der  Stimme  sorgfältig  geachtet;  von  diäte- 
tischen Vorschriften  für  die  Sänger  redete  schon  der  heil.  Isidor 
von  Sevüla  (im  VII.  Jahrh.),  und  Gerson  gibt  1423  einige  dahin 
bezügliche  Anweisungen  den  Singknaben  bei  der  Kathedralschule 
zu  Paris. 

Dass  im  XVI.  und  XVII.  Jahrh.  die  Pflege  des  Gesanges 
in  diesen  Schulen  hoch  gestanden  sei,  können  wir  abnehmen 
aus  den  Meisterkompositionen  dieser  Zeit,  welche  immer  für  die 
Gesangskräfte  des  (jnores,  denen  ihre  Komponisten  angehörten, 
bereolmet  waren.  Einige  Mindeioing  erlitten  sie  aber  durch 
die  häufigere  Anwendung  der  Fistulanten  und  Einfühi*ung  der 
Kastraten. 

Die  Singschulen  machten  in  der  Regel  auch  die  Verände- 
rungen durch,  welche  die  neue  Musik  —  dramatische  Melodik 
und  Instrumentation  —  verlangten,  bis  in  vielen  Ländern  die 
politischen  Umwälzungen  und  die  sogenannte  Säkularisation  den 
Kirchlichen  Singinstituten,Präbenden  und  Mattrisen,mit  sporadischen 

18* 


276  Singstimme  —  Sixtinische  Kapelle. 

Ausnahmen,  ein  um  so  mehr  zu  beklagendes  Ende  machten^ 
weil  dadurch  die  Wogen  der  weltliehen  und  dramatischen  Musik 
die  katholischen  Kirchenchöre  unaufhaltsam  zu  überfluten  be- 
gannen. Wiedererrichtung  solcher  Pflanzstätten  kirchlichen  Ge- 
sanges und  Einrichtung  derselben  im  kirchlichen  Geiste  kann 
als  ein  vorzügliches  AGttel,  den  verweltlichten  Geist  aus  der 
Kirchenn^usik  zu  bannen,  betrachtet  werden.  Die  wenigen  den 
kirchenfeindlichen  Stürmen  im  vorigen  und  Anfang  dieses  Jalif* 
himderts  entgangenen  kirchlichen  Singanstalten,  Präbenden  und 
Seminarien  haben  bereits  begonnen,  sich  zu  regenerieren,  und 
einige  derselben  sind  bereits  an  einer  Stufe  angelangt,  dass  sie 
als  Muster  weithin  dienen;  den  Zweck  von  Singinstituten  zur 
Restauration  kirchlicher  Musik  verfolgen  auch  mehrere  Bischöfe 
in  ihi*en  DiÖzesan-Knabenseminarien.  (Vgl.  ^Kapelle".)  Aus- 
führlicher habe  ich  die  Geschichte  der  kirchlichen  Singschulen 
in  der  musikalischen  Zeitschrift  „Cäcüia^,  Jahrg.  1864,  Nr.  4  u.  ff. 
abgehandelt. 

Singstimme,  s.  Stimme. 

Sixtinische  Kapelle  wird  die  Gesamtheit  der  päpstlichen 
Sänger  (Capellani  Cantori,  Cantori  apostolici  oaer  pon- 
tefici)  genannt,  welche  bei  den  gottesdienstlichen  Handlungen, 
die  der  rapst  in  Person  verrichtet  oder  denen  er  beiwohnt,  die 
Gesänge  zu  vollführen  hat.  Ihr  Ursprung  ist  auf  die  schola 
cantorum  des  heü.  Gregor  d.  Gr.  zurückzuführen,  welche  imter 
dem  ausgedehnten  Namen  „schola  romana**  Autorität  und  vol- 
lendetes Muster  durch  so  viele  Jahrhunderte  beim  päpstlichen 
Stuhle  bheb;  sie  hielt  die  Reinheit  des  Kii-chengesanges  stets 
aufrecht,  und  wo  und  wann  dieser  eine  Verschlimmerung  er- 
litten, rekurrierte  man  immer  an  diese  Schule,  wie  es  Pipin,  Karl 
d.  Gr.  u.  a.  gethan,  welche  römische  Sänger  als  Lehrer  und 
Restauratoren  von  den  Päpsten  sich  erbaten;  in  der  päpstlichen 
Kapelle  wurden  gemeiniglich  die  Neuerimgen  in  der  Tonkunst 
zuletzt  eingeführt  und  auch  nur,  insoweit  sie  .nach  reiflicher  Er- 
wägung und  langer  Erfahrung  dem  kirchlichen  Geiste  entspre- 
chend gefunden  wurden.  Seit  dem  Konzil  von  Trient  wurde 
keine  Neuerung  mehr  zugelassen :  der  Gregorianische  Choral  und 
die  polyphonen  Meisterwerke  im  Palestrinastile  sind  die  einzigen 
Gattungen  Musik,  welche  gebraucht  werden;  die  Instrumente, 
selbst  die  Orgel,  sind  ausgeschlossen.  Die  Mitglieder  der  schola 
romana  waren  anfängUch  nur  Kleriker  ohne  höhere  Weihen, 
später  standen  sie  im  Ordo  des  Diakonats  oder  Subdiakonats; 
der  Primioerius  —  der  Vorsteher  derselben  —  war  nachmals  ein 
hochgestellter  Priester;  Erzpriester,  Bischöfe,  ja  selbst  Kardinäle 
verwalteten  dieses  Amt,  es  wurde  als  eine  sehr  hohe  Würde 
behandelt,  da  bezüglich  des  Gesanges,  der  Lesung  und  der  htur- 
gischen  Funktionen  der  ganze  dienende  Klerus  dem  Primicerius 
untergeordnet  war.  Übrigens  bestand  das  Sängerchor  nicht  bloss 
aus  Erwachsenen,  sondern  es  waren  ihm  auch  für  manche  Ver- 
richtungen Singknaben  —  pueri  symphoniaci  —  beigegeben. 
Eine  neue  Organisation  erhielt  die  päpstUche  Kapelle  um  die 
Mitte  des  XVL  Jahrb.  und  mit  dieser  grosse  Vorrechte.  1545 
wurde  sie  auf  Befehl  des  Papstes  Paul  fll.  neu  hergestellt  und 
verbessert,  da  die  alten  Urkunden  durch  einen.  Brand  vernichtet 


Skala  ~  Solfeggio.  277 

worden  waren.  Magister  Capellae  war  ein  Bischof;  einen 
Dekan  oder  Kapellmeister,  Abbas  oder  Administrator  und  einen 
Punktator  (oder  Zahlmeister  und  Monitor)  wählte  das  Kollegium 
der  Sänger  aus  seiner  Mitte;  der  Chordienst  war  ziemlich  genau 
geregelt  und  bestimmt.  Während  vor  Paul  III.  für  die  Sänger 
noch  der  Klerikalstand  gefordert  wurde ,  sieht  die  neue  Kon- 
stitution vom  Stande  ganz  ab  und  bestimmt  nicht  mehr,  ob  der 
Aufzimehmende  Priester  oder,  wenn  Laie,  unverheiratet  sein 
müsse.  Bei  den  kirchlichen  Funktionen  haben  sie  sich  der  kirch- 
lichen Kleidung  zu  bedienen.  Die  Aufnahme  hing  von  dem  guten 
Bestehen  einer  strengen  Prüfung  ab,  von  welcher  nur  bei  rale- 
strina  abgesehen  ward;  bis  ITOO  wurden  nur  gelehrte  Kontra- 
punktisten  zugelassen.  Die  Verfassung  des  päpstlichen  Sänger- 
Kollegiums  ist  gegenwärtig  noch  in  der  Hauptsache  die  nämüohe. 
Ihre  volle  Zahl  besteht  aus  24  Mann,  6  für  jede  Stimme,  Sopran 
und  Alt  werden  von  Falsetisten  und  hohen  Teueren  gesungen. 

Das  Archiv  der  Kapelle  befindet  sich  gegenwärtig  im  Va- 
tikan und  enthält  269  grosse  FoUobände  der  seltensten  und  wich- 
tigsten Produkte  der  älteren  und  neueren  Kirchenmusik  und  eine 
reiche  Sammlung  litterarischer  Urkunden:  nämlich  die  Vorschrift- 
massig  geführten  Tagebücher  der  Kapelle.  Die  Werke  aus  der' 
Zeit  Leo  X.  und  Paul  III.  (erste  Hälfte  des  XVI.  Jahrh.)  smd 
häufig  mit  eleganten  Miniaturen  verziert.  In  neuester  Zeit  wur- 
den cüe  Archive  auf  Befehl  des  Papstes  Pius.IX.  (1862)  geordnet, 
katalogisiert  und  in  geeigneteren  Räumen  aufgestellt.  —  Den 
Namen  „Sixtinische  Kapelle"  erhielt  das  päpstliche  Sängßr- 
koUegium  von  der  Kirche,  welche  Papst  Sixtus  IV.  (1471—1480) 
an  den  Vatikan  anbauen  liess,  und  m  welcher  der  Papst  ge- 
wöhnüch  seine  Funktionen  hält. 

Skala,  der  lat.  und  ital.  Name  für  Tonleiter. 

Sol  ist  die  fünfte  der  Guidonischen  Silben  und  bedeutet 
bei  den  Franzosen  und  Italienern  den  Ton  g. 

Solfeggio  bedeutet  ursprünglich  das  Singen  der  Tonleiter, 
gewöhnlich  aber  versteht  man  darunter  textlose  bungsstücke 
für  den  Gesang,  welche  das  Notenlesen  und  TrefiFen,  dann  auch 
und  vorzügUch  die  Ton-  und  Fertigkeitsbildung  bezwecken.  Das 
Singen  der  Solfeggi  geschieht  teüs  auf  blosse  Vokale ,  teils  auf 
Süben  (Solmisation).  In  Italien  und  Frankreich  behielt  man  die 
aretinischen  Süben  ut  re  mi  fa  sol  la  bei,  nur  mit  der  Abände- 
rtmg,  dass  der  siebente  Ton  der  Oktavenreihe  si  und  von  den 
Itahenern  der  erste  do  benannt  wurde.  Auch  in  Deutschland 
waren  (imd  sind  noch  hie  und  da)  diese  Silben  in  Gebrauch, 
doch  bedient  man  sich  jetzt  fast  nur  der  Buchstaben  des  Alpha- 
bets, welche  fürs  Notenlesen,  weniger  aber  zur  Büdung  der 
Stimme  und  Aussprache  geeignet  erscheinen.  Dan.  Hitzler 
(t  1635)  schlug  zum  Solfeggieren  die  Süben:  la  be  ce  de  me  fe 
ge  (Bebisation),  Graun  (f  1759)  die  wohlklingenden:   da  me  ni 

go  tu  la  be  (Damenisation)  vor.  In  Belgien  waren  die  Silben: 
o  ce  di  ga  lo  ma  ni  (voces  belgicae)  gebräuchlich.  Alle 
diese  drei  letztgenannten  Sübenreihen  sind  ohne  Beziehung  auf 
Höhe  oder  Tiefe  des  Tones  und  vertreten  nur  eine  Textunterlage. 
Solfeggieren  —  in  solcher  Weise  singen,  solche  Übungen 
vornehmen. 


278         i  Solmisation. 

Solmisation  —  ist  der  Gebrauch  der  sechs  sogenannten 
Aretinischen  oder  Guidonischen  Silben:  ut  re  mi  fa  sol  la,  zur 
Benennung  der  Töne,  nach  Tinctoris:  „Die  Benennung  der  Töne 
beim  Singen  nach  ihren  verschiedenen  Namen  („Solfisatio  est 
canendo  vocum  per  Qua  nomina  expressio").  Guidos  Schüler  oder 
Nachfolger  (die  Zeit-  und  Altersgenossen  Guidos,  Berno  Aug. 
und  Hermannus  Contractus,  und  auch  Wilhelm  Hirsaug,  Theo-» 
gerus  von  Metz  und  Aribo  Scholast.  thun  von  den  Suben  und 
der  Solmisation  keine  Erwähnimg,  erst  Johannes  Cottonius,  im 
Anfange  des  XII.  Jahrb.,  meldet  etwas  von  den  Silben.  Da» 
Schema  der  Solmisation  scheint  erst  um  die  Mitte  des  XII.  Jahrb. 
in  den  Singschulen  ausgedacht  worden  zu  sein)  teilten  die 
20  Töne  (von  r  bis  ee)  m  sieben  Gruppen  von  je  sechs  Tönen> 
welche  Hexachorde  hiessen  und  von  den  Tönen  r  g  gg,  C  o 
und  F  f  ausgehen;  im  Grunde  sind  es  bloss  drei  verschiedene 
Hexachorde.  da  die  Wiederholung  in  der  Oktave  keine  Verschie- 
denheit daroietet.  Das  erste  Hexachord  auf  G  nannte  man  das 
Hexach ordum  durum,  das  harte  Hexachord,  weil  unter  den 
sechs  Tönen  das  harte  oder  viereckige  b  (B  quadratum  ;),  d.  i.  h, 
vorkommt;  das  zweite,  von  C  ausgehend,  bildete  das  natür- 
liche Hexachord,  Hexachordum  naturale;  das  dritte,  von 
F  beginnend,  hiess  Hexachordum  molLe,  das  weiche  Hexa- 
chord, weü  aarin  das  weiche  runde  b  (B  rotundum)  zur  Vermei- 
dung des  Tritonus  in  Anwendung  kam.  In  jedem  dieser  Hexa- 
chorde trifft  von  der  dritten  auf  $e  vierte  Stufe  ein  halber  Ton^ 
und  da  man  iedes  derselben  mit  ut,  re  u.  s.  w.  begann,  auf  diese 
zwei  Stufen  die  Silben  mi  —  fa. 

TABC    D    E    F    G    abtcde    f    gaabl^ijfcccddee 

ut  re  mi  fa   sol  la 

ut    re  mi  fa  sol  la  .    * 

Hexach.  molle  ut  re  mi  fa    .  sol  la 

Hexach.  durum  ut  re   .  mifasolla 

Hexach.  naturale  utremifa  sol  la 

ut  re   .   mi  fa   sol  la. 

Nach  dieser  Anordnung  wird  jeder  Ton  bei  der  Benennung- 
nicht  allein  mit  den  Gregorianischen  Buchstaben,  sondern  auch 
mit  den  auf  ihn  fallenaen  Silben  bezeichnet,  z.  B.  Gamma  ut^ 
C  fa  ut,  G  sol  re  ut,  A  la  mi  re,  c  sol  fa  ut.  Dies  Tableau  von 
Tönen  versinnlichte  man  sich  in  den  Singschulen  durch  die  so- 
genannte harmonische  oder  Guidonische  Hand  (obwohl  sie 
nicht, von  Guido  herrührt),  wobei  man  die  einzelnen  Töne  auf 
die  Glieder  der  Finger  verteüte.  Da  sie  für  uns  von  keinem 
Werte  mehr  ist,  so  verweist  man  nur  auf  die  Werke  von  Forkel, 
Kiesewetter,  Stehlin,  Ambros,  Rousseau  u.  .a.,  worin  diese  Guido- 
nische Hand  abgebildet  ist. 

Solange  cBe  Melodie  ein  Hexachord  nicht  überschritt,  be- 
hielt jeder  Ton  seine  nach  dem  Hexachord  ihm  gebührende 
Silbe;  sobald  aber- ein  Hexachord  überschritten  wurde,  mussten 
die  Süben  nach  dem  neuen  Hexachord,  in  dem  nun  die  Melodie 
sich  bewegte,  benannt,  d.  h.  mutiert  werden,  damit  die  Silben 
mi  —  fa  wieder  unter  die  beiden  Töne  kamen,  welche  den  hal- 
ben Ton  konstituierten  (Synemmenon-  und  Diezeugmenonsystem 


Solmisation.  279 

der  Griechen).  Es  musste  darum  schon  der  Überleitungston  im 
Sinne  des  neu  zu  betretenden  Hexachordes  benannt  werden; 
Nach  obigem  Schema  kommt  dem  Tone  a  im  natürlichen  Hexa- 
chorde  die  Silbe  la,  im  harten  die  Silbe  re  und  im  weichen  die 
Silbe  mi  z^;  wurde  von  dem  natürlichen  Hexachorde  in  das 
harte  ausgewichen,  z.  B. 


(la) 
ut    re    mi    fa  so]   re    mi    fa 

so  musste  das  a  nicht  mehr  la,  sondern  re  benannt  werden,  um 
auf  h  —  c  die  Silbe  mi  —  fa  ordnungsmässig  zu  bringen;  oder 
wenn  ins  Hexachord  moUe  gegangen  wurde,  z.  B. 


(sol) 
ut    re    mi    fa    re    mi  fa    sol 

so  bekam  der  Uberleitungston  oder  derjenige,  welcher  vor  dem 
halben  Tone  stand,  statt  der  Silbe  sol  die  Benennung  re.  Analog 
wurde  beim  Absteigen  verfahren:  fa  mi  la  sol  .  .  .  und  sol  fa 
mi  s  0 1  la  .  .  .  Solcher  Mutationen  zählte  man  auf  der  Hand  52. 
Doch  durfte  man  nicht  eher  mutieren,  als  bis  die  Notwendigkeit 
es  erforderte.  Die  Mutation  war  natürlich  das  Wichtigste  bei 
der  Solmisation  und  durch  Regeln  festgestellt,  z.  B.:  „Omnis 
clavis  imam  vocem  habens  nuUam  habet  mutationem,  ut  G,  A,  B. 
Sed  clavis,  quae  duas  habet  voces,  duas  habet  mutationes;  prima 
mutatur  in  sequentem  ascendendo.  Claves  vero,  quae  tribus 
vocibus  figurantur,  sex  mutationibus  variantur,  seil,  g  mutatur 
sol  in  ut  per  naturam,  sol  in  re  per  i?  molle,  re  in  ut  per  ^ 
durum;  descendendo  mutatur  econverso.  Mutatur  ascenaendo 
la  in  re  per  naturam,  la  in  mi  per  1?  molle,  mi  in  re  per  tj 
durum;  descendendo  mutatur  econverso  etc.  etc."  (»Ars  musica 
cujusdam  Ratisbonensis",  XIII.  saecul.) 

Durch  die  rechte  Anwendung  der  Mutation  und  die  da- 
durch bewirkte  Erscheinung  des  mi  —  fa  an  der  rechten  Stelle, 
zumal  im  mehrstimmigen  Gesänge,  wurde  das  verrufene  mi  contra 
fa,  der  Triton,  vermieden,  von  dem  es  hiess:  „Mi  contra  fa  dia- 
bolus  in  musica;  mi  fa  coelestis  harmonia."  Um  dem  Triton 
auszuweichen,  hatte  man  auch  noch  die  Regel :  -Una  nota  ascen- 
dente  super  la  semper  est  canendum  fa,"^  „Wenn  der  Gesang 
den  Ton  a  bloss  um  eine  Stufe  übersteigt,  ist  immer  b  statt  h 
zu  singen;"  doch  galt  dies  nicht  als  eigentliche  Mutation,  und 
wenn  man  mehrere  Töne  über  la  emporstieg,  so  blieb  es  bei  dem 
Gewöhnlichen.  Spätere  Tonlehrer  wie  Onitoparchus ,  Heyden, 
Lossius,  Hermann  Finck  haben  die  erst  so  schwierige,  aber 
schön  systematisch  aufgebaute  Mutationslehre   sehr  vereinfacht. 


280  Solo  —*  Sperrventil.  ^ 


So   sagt  letzterer:    „Im   harten  IsGesange   mutieren  wir  auf  drei 
Tönen:     a,    e   und    d;    beim    Aufsteigen   nehmen    wir   Re    in 

)A  a  aa  ^^^  absteigend  La  in  e  e  ee'  ^"^  weichen  ^Gesänge 
ebenso  auf  drei  Claves:  d,  a,  g,  und  nehmen  aufsteigend  Re  in 
!  D  d  (fd'  absteigend  La  in   jj  d  dd  . 

Als  sich  unser  neues  System  mit  seinen  chromatischen 
Tönen  entwickelte,  steigerte  sich  die  Schwierigkeit,  mit  der  Sol- 
misation  und  Mutation  zurecht  zu  kommen;  man  machte  viele 
Versuche  zur  Abhilfe,  aber  alle  missfflückten,  bis  man  die  Mu- 
tation ganz  beiseite  setzte,  imd  jecfem  Tone  seinen  ursprüng- 
lichen Namen  unter  allen  Verhältnissen  beliess  und  ihn  nur  nacn 
seiner  chromatischen  Gestaltung  mit  einer  kennzeichnenden  An- 
hängsilbe versah.  Die  Deutschen  benannten  die  Töne  mit  den 
Gregorianischen  oder  Alphabetbuchstaben,  wobei  das  B  quadra- 
tum  h,  das  B  rotundum  b  benannt,  die  Erhöhung  des  Tones 
durch  die  Anhängsilbe  is  (z.  B.  c,  eis),  die  Erniedrigung  durch 
die  Silbe  es  oder  s  (z.  B.  d,  des,  a,  as)  ausgedrückt  wurden.  Die 
Franzosen  und  Italiener  behielten  die  Aretinischen  Silben  bei, 
nur  nannte  man  c  —  do  und  h  —  si;  die  chromatischen  Ver- 
änderungen drücken  die  Franzosen  durch  Beisätze  aus,  z.  B.  eis 
=  ut  dieze,  as  =  la  b^mol;  ebenso  die  Italiener,  z.  B.  gis  =  g 
sol  re  ut  diesis;  ges  =  g  sol  re  ut  be  moUe. 

Solo  (ital.)  —  allem*  mit  diesem  Worte  bezeichnet  man 
ein  Tonstück  oder  einen  Satz  desselben,  in  welchem  eine  ein- 
zelne Stimme  oder  ein  Instrument  sich  ganz  allein,  d.  h.  ohne 
alle  Begleitung  oder  vor  den  anderen  Stimmen  doch  wesentlich 
hervortretend  (als  Hauptstimme)  hören  lässt.  Der  Gegensatz 
davon  ist  Tutti  (alle),  wo  dann  alle  Stimmen  wieder  eintreten 
und  zusammensmelen  oder  singen. 

Sonns,  s.  Ton. 

Sopra  (ital.)  —  oben,  kommt  in  der  Musik  nur  in  Verbin- 
dung mit  „comme"  vor,  nämlich  „comme  sopra**  —  wie  oben, 
d.  h.  es 'ist  ein  Satz,  eine  Stimme,  ein  Tempo  wie  in  einer  vorher- 
gehenden Partie  zu  nehmen. 

Soprano,  s.  Stimme. 

Sordino,  Dämpfer  für  ein  Instrument;  con  Sordino  — 
mit  dem  Dämpfer. 

Sospirien,  s.  Choral. 

Sostennto  (ital.)  —  gehalten,  mit  ausgehaltenem  Tone, 
bedeutet,  dass  eine  mit  diesem  Worte  bezeichnete  Stelle  oder  ein 
ganzes  Tonstück  durchaus  massvoll  mit  dem  vollen,  unverkürz- 
ten Zeitwerte  der  Noten  vorgetragen  werden  soll.  Es  findet 
sich  dieses  Wort  oft  als  Nebenbestimmung  bei  langsamen  Tempo- 
bezeichnungen, z.  B.  Andante  sostenuto. 

Sotto  voce  (ital.)  —  mit  gedämpfter  Stimme,  geringer 
Tonstärke. 

Spanisches  Kreuz,  s.  v.  w.  Doppelkreuz. 

Sparte,  Spartito  =  Partitur;  spartire,  in  Partitur  setzen. 

Spatinm,  der  Zwischenraum  der  fünf  Linien  des  Noten- 
liniensystems. 

Sperrventil  ist  eine  Klappe  im  Hauptwindkanal  einer  Orgel, 


Spinett  -^  Stü.  281 

welche  durch  einen  besonderen  Registergriff  regiert  wird,  und 
wodurch  es  möglich  ist,  den  Windzufluss  zu  einem  Werke  ab- 
zuspeiTcn. 

Spinett  nannte  man  die  im  XVI.  bis  XVIII.  Jahrh.  ge- 
bräuchhche  kleine  Sorte  von  IQavieringtrumenten,  welche  meist 
in  länglicht  viereckiger  Form  gebaut  waren. 

Spiritoso,  con  spirito,  —  geistvoll,  mit  Geist;  Bezeich- 
nung für  einen  lebendigen,  angeregten  und  feuerigen  Vortrag, 

Springlade,  s.  v.  w.  Kegellade  (s.  Orgel). 

Stabat  mater,  s.  Sequentiae. 

Staccato,  Ausdruck  für  den  abgestossenen  Vortrag  der 
Töne  im  Gegensatze  zu  Legate,  dem  gebimdenen  Vortrage. 

Stammaccord,  s.  Accord. 

Steg,  8.  Geige. 

Stil  (griech.  fitvloq,  die  Säule,  dann  der  metallene  Griffel, 
womit  die  Alten  schrieben).  Zuerst  wurde  dieses  Wort  auf  die 
Schreibart  in  der  Rhetorik  tibertragen,  als  die  durch  die  Ver- 
schiedenheit des  Zweckes  oder  des  Redenden  oder  Schreibenden 
verschieden  bestimmte  Anwendung  der  Sprache,  oder  die  eigen- 
tümliche Art  und  Weise,  seine  Gedanken  durch  die  Sprache 
auszudiücken.  Auch  in  die  Musik  wurde  dieses  Wort  herüber- 
^enommen  und  in  subjektiver  und  objektiver  Richtung  an- 

fewendet.  Denn  der  Kunststil  hängt  nicht  bloss  mit  der  Den- 
ungsart  und  der  Bildung  des  Künstlers,  sondern  auch  mit  der 
Wahrheit  des  darzustellenden  Stoffes  und  dem  Zwecke  des 
Kunstproduktes  aufs  innigste  zusammen.  In  subjektiver  Be- 
ziehung sprechen  wir  von  einem  Stile  nach  der  Individualität 
des  Tonkünstlers  oder  einer  besonderen  Klasse  von  Künstlern, 
inwiefern  ihnen  besondere  Ausdrucksweisen  und  Formen  oder 
die  ganze  Auffassung  einer  Idee  eigentümlich  sind;  daraus  ent- 
stehen die  verschiedenen  Schulen  und  Manieren,  z.  B.  der 
Palestrinastil,  die  römische  Schule,  der  Stil  a  capella  u.  s.  w. 
Auch  die  Nationalität  be/jmndet  eine  Verschiedenheit  des  Stiles, 
der  Nationalcharakter  wird  sich  in  den  Kunstwerken  nie  ver- 
leugnen; der  kräftige,  ernste,  erhabene,  viel  tiefer  im  Geistesleben 
f rundende  deutsche  Stil  unterscheidet  sich  sehr  kenntlich  von 
em  mehr  auf  äusseren  Glanz  und  auf  Eleganz*  Wert  legenden 
französischen,  und  von  dem  spielenden,  nur  fast  der  Unterhal- 
tung dienenden,  heiteren  italienischen  Stile  nicht  minder  in  der 
Darstellungsweise  als  in  den  Darstellungsmitteln.  Nach  der  Zeit 
und  nach  den  Epochen  der  Entwickelung  der  Tonkunst  redet 
man  von  einem  alten  und  einem  neuen,  modernen  Stile. 
Objektiv  betrachtet  zerfällt  der  Stil  in  Hinsicht  auf  den  darzu- 
stellenden Stoff  in  einen  strengen  oder  gebundenen  und 
einen  freien  oder  ungebundenen:  bei  ersterem  wiegt  mehr 
die  Form  über,  indem  die  Regeln  der  Tonsetzkunst  aufs  strikteste 
beobachtet  und  die  künstlichen  Formen  besonders  berücksichtiget 
werden;  bei  letzterem  wiegt  der  unmittelbare  Gefühlsaus- 
druck vor,  und  wenn  er  auch  nicht  gegen  die  Hauptregeln  ver- 
stösst,   so  erlaubt   er   sich  doch  mehrere  Ausnahmen  und  giiltig 

fewordene  Lizenzen,  auch  lässt  er  sich  nicht  leicht  in  künstliche 
ormen   einengen.      Diese    Unterscheidung   fallt   mit   der    vom 
kirchlichen  und  weltlichen  Stile  fast  zusammen,    und  es 


282  Stimme. 

wurde  auch  bis  ge^en  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  der  strenge 
Stil  als  der  allem  Kirchliche  anerkannt.  Gewöhnlich  nennt  man 
dies  Satz,  Schreibart.  Jedes  Tonstück  hat  einen  besonderen 
Zweck,  und  es  hat  hierbei  der  Tonsetzer  nicht  bloss  die  ver- 
schiedenen Arten  des  Ausdruckes  der  Empfindungen,  sondern 
auch  andere  Umstände,  z.  B.  Ort,  Zeit  und  Gelegenheit  zu  be-^ 
rüöksiohtigen,  wonach  besondere  Eigentümlichkeiten  und  gewisse 
charakteristische  Merkmale  in  der  ganzen  Anlage  und  Behand* 
lung  des  Tonstückes  sich  ergeben.  Hiernach  unterscheidet  man 
Kirchen-,  Kammer-,  Theater-  imd  Opernstil. 

Stimme.  Dies  Wort  hat  eine  mehrfache  Bedeutung:  1)  Be- 
deutet es  die  menschliche  Stimme  an  sich,  2)  jede  gescnriebene 
Partie  eines  Tonstücks,  die  den  Gesang  oder  die  Reihenfolge  der 
Töne  in  Noten  enthält,  welche  gesungen  oder  gespielt  werden 
soll;  3)  diese  Tonreihen  selbst,  wie  sie  mr  die  einzelnen  zu  einem 
Ganzen  vereinigten  Singstimmen  oder  Instrumente  bestimmt  sind» 
Sonach  redet  man  von  ein-,  zwei-  oder  mehrstimmigen 
Tonstücken,  je  nachdem  eine  oder  mehrere  Stimmen  oder  Ton- 
reihen sich  nebeneinander  hören  lassen.  —  Unterschieden  werden 
die  Stimmen  nach  ihrer  Tonlage:  in  hohe  und  tiefe  Stimmen^ 
je  nachdem  eine  Stimme  in  den  höheren  oder  tieferen  Tönen 
sich  nach  ihrer  Eigentümlichkeit  vorzugsweise  bewegt;  nach 
ihrem  Verhältnisse  zu  einander:  in  Ober-,  Mittel-  und 
Unter  stimmen,  insofern  nämlich  die  Oberstimme  sich  in  den 
relativ  höchsten,  die  Unterstimme  in  den  relativ  tiefsten  Tönen 
bewegt,  während  die  Mittelstimme  die  zwischen  beiden  liegenden 
Tonreihen  auszuführen  haben;  hierbei  kommt  es  auf  die  absolute 
Tonhöhe  nicht  an,  so  dass  bei  einem  Quartett  von  weiblichen 
Stimmen  der  tiefe  Alt  gerade  so  gut  die  tiefste,  Grund-,.  Unter- 
stimme, als  bei  einem  Terzett  für  Alt,  Tenor  und  Bass  der  Alt 
die  höchste  oder  Oberstimme  bildet.  Die  Ober-  und  Unterstimme 
werden   auch  äussere   Stimmen  genannt.    Je  nach  dem   Or- 

fane    unterscheidet   man    Vokal-    oder    Singstimmen    und 
nstrumentalstimmen.    Bei   der  Oin^el   bedeutet  Stimme   so 
viel  als  Register  und  man  hat  dann   Flöten-  (Labial-),   Zun- 

fen-  und  gemischte  Stimmen;  bei  ersteren  wird  der  Ton  in 
en  Pfeifen  durch  einen  Aufschnitt  oder  Kern,  bei  letzteren 
mittels  eines  dünnen  messingenen  Blättchens  hervorgebracht; 
zu  den  gemischten  Stimmen  gehören  die  Mixturen.  Nach  dem 
Anteil  an  der  Komposition  teilt  man  die  Stimmen  in  Real- 
(wesentliche)  und  Füllstimmen,  Haupt-  und  Nebenstim-' 
men,  Solo-  und  Ripien-  oder  Tuttistimmen.  Die  mensch- 
liche Stimme  hat  vor  allen  Instrumenten  in  Ansehung  ihres 
Tones,  der  so  mannigfaltig  ist,  als  es  Gemütsbewegungen,  Leiden- 
schaften im  Menschen  giot,  und  wegen  der  Fäh^keit,  mit  dem 
Gesänge  zugleich  Worte  zu  verbinden,  welche  den  Gegenstand 
dieser  Gemütsbewegung  schildern,  einen  so  grossen  Vorzug,  dass 
die  Singstimme  in  allen  Tonstücken,  wo  sie  vorkommt,  mit  Recht 
die  Hauptstimme  ist,  welcher  die  Instrumente  nur  zur  Begleitung 
und  Ausschmückung  dienen.  Darum  verdient  sie  hier  eine  nähere 
Besprechung. 

Unter  menschlicher  Stimme  versteht  man  überhaupt  alle 
diejenigen  Töne,   welche   der  Atem  bei  seinem  Durch- 


stimme.  285 

gange  durch  den  Kehlkopf  hervorbringt.  Gott  hat  den 
Menschen  hierzu  mit  einem  wunderbar  künsthchen  Organismus 
ausgestattet.  Zur  Erzeugung  des  Tones  tragen  mehrere  Organe 
des  menschlichen  Körpers  bei.  Die  Lunge  liefert  den  Luft- 
strom (Atem);  je  kräftiger  sie  ist,  desto  stärker  kann  der  Ton 
werden,  je  ausdehnbarer,  desto  länger  können  wir  den  Ton  an-^ 
halten;  je  weniger  siegepresst  ist,  desto  gleichraässiger  wird 
der  Ton  sich  büden  lassen,  und  desto  weniger  ermüden  wir  beim 
Singen.  Die  Luftröhre,  Kehle,  leitet  den  aus  der  Limge  kom- 
menden Luftstrahl  weiter.  Am  oberen  Ende  der  Lufti'öhre  be- 
findet sich  der  Kehlkopf,  das  wichtigste  Stimm  Werkzeug.  Vier 
Knorpel  bilden  ein  beckenartiges  Gefüge,  in  dessen  Mitte  eine 
Höhlung  ist,  welche  nach  oben  und  unten  offen  steht;  in  dieser 
Höhlung  befinden  sich  zwei  Paare  sehniger  Bänder,  von  denen 
die  eihen  die  Stimmbänder  heissen,  die  anderen,  etwas  ober- 
halb gespannt,  Taschenb ander*  zwischen  jedem  Paare  bildet- 
sich  eine  längliche  Öffnung,  welcne  beim  unteren  Paare  enger 
als  beim  oberen  ist  und  Stimmritze  genannt  wird.  Nach  den 
Urteilen  der  Physiologen  hat  an  der  Tonbildung  nur  das  untere 
Paar  Anteil,  inaem  von  dem  durchgehenden  Luftstrahl  die  Rän- 
der derselben  in  Vibrierende  Bewegung  gesetzt  werden  und  so 
der  Luftstrahl  zum  Tone  wird.  Je  nachdem  sich  die  Stimmritze 
vjBrengt  oder  erweitert,  wird  der  Ton  höher  oder  tiefer.  Die 
Stimmritze  ist  das  eigentliche  Tonerzeugungsorgan,  alle  übrigen 
Teile  und  Organe:  das  Zäpfchen,  der  Gaumen,  die  Gaumsegel, 
die  Wangen,  die  Zunge,  die  Zähne  und  Lippen  dienen  teils  zur 
Veredlung  des  Tones,  teils  zur  Aussprache.  —  Der  Umfang  der 
Stimme  ist  nicht  bei  allen  Menschen  gleich;  während  der  eine 
zwei,  drei  Oktaven  hervorbringen  kann,  reicht  der  andere  kaum 
eine  Oktave  aus;  der  Grund  hiervon  ist  in  der  verschiedenen 
Nachgiebigkeit  des  Kehlkopfes  zu  suchen,  je  nachgiebiger  und 
biegsamer  er  ist,  desto  mehr  Töne  lassen  sich  hervorhringen. 
Die  Stärke  der  Stimme  hängt  nicht  bloss  vom  Kehlkopfe  ab,, 
sondern  viel  mehr  noch  von  oer  Fähigkeit  der  Atemwerkzeuge, 
eine  möglichst  oder  verhältnismässig  grosse  Masse  von  Atem 
zugleich  auszustossen ;  überdies  trägt  auch  noch  die  Mund-  und 
Nasenhöhle,  die  Resonanz  der  menschlichen  Stimme  vieles  zu 
ihrer  Stärke  bei.  An  und  für  sich  schallen  hohe  Stimmen  immer 
weiter  als  tiefe.  Die  verschiedene  Lage,  Höhe  und  Tiefe  der 
Stimme  gründet  sich  auf  die  verschiedene  Weite  des  Kehlkopfes, 
der  Wohlklang   auf  die  verschiedene  Ebenmässigkeit   oder 

fleichmässig  gewölbte  Bildung  der  Organe,   die   Gewandtheit 
er  Stimme   auf  die  leichte  Beweglichkeit   des  Kehlkopfes   und 
seiner  Muskeln. 

Von  dem  Alter  und  Geschlecht  der  Menschen  werden  die 
zwei  Stimmklassen  —  männliche  und  weibliche  —  bedingt; 
zu  letzterer  werden  auch  Knaben-  und  Kastratenstimmen 
gerechnet.  Beide  Klassen  oder  Gattungen  scheiden  sich  in  hohe 
und  tiefe:  die  weibliche  in  Diskant  und  Alt,  die  männliche 
in  Tenor  und  Bass,  welche  wieder  eine  Mittelgattung  ein- 
schliessen:  zwischen  Diskant  und  Alt  den  Mezzosopran,  zwi- 
schen Tenor  und  Bass  den  Bariton. 

Der  Biskant  —  Canto,  Cantus,  der  Gesang,  die  Melodie 


284  Stimme. 

genamit,  weil  er  meistens  die  Hauptstimme  führt,  auch  Soprano 
—  die  Oberstimme,  franz.  Dessus,  —  hat  seinen  Namen  aus 
dem  Mittelalter,  wo  man  anfing,  eine  Stimme  von  der  anderen 
abweichen,  von  ihr  abweichend  sinken  zu  lassen  (disoantare). 
Da  die  untere  Stimme  den  ^ Tenor*,  den  Cantus  firmus  hatte,  so 
war  es  die  obere,  welche  diskantierte,  daher  der  höchsten  Sing- 
stimme, der  Oberstimme  überhaupt  der  Name  „Diskant"  beige- 
legt wurde.  Der  Umfang  des  Soprans  reicht  vom  eingestrichenen 
<5  Dis  zum  zweigestrichenen  a;    der  Mezzosopran  reicht  nicht  so 

hoch,  aber  einige  Töne  noch  unter  das  c. 

Der  Alt,  Alto,  Altus  und  Contralto,  franz.  Haute- 
oontre,  —  alta  vox,  cantus  altus,  eigentlich  die  hohe 
Stimme,  nämlich  gegen  den  Tenor,  welcher  früher  die  Haupt- 
stimme war,  —  ist  die  tiefere  weibliche  oder  Knabenstimme,  hat 
ebenfalls  zwei  Abstufungen:   hohen  und  tiefen  Alt,  und  einen 

Umfang  vom  f  bis  T  oder  g;  der  hohe  Alt  fällt  fast  mit  dem 
Mezzosopran  zusammen.  Die  Ausdrucksfähigkeit  dieser  Stimme 
ist  so  eigentümlich,  dass  sie  durch  keine  andere  ersetzt  werden 
kann.  Ihr  Klang  ist  ernst,  duldsam,  herzlich;  bei  seiner  weichen 
Tonfülle  und  Stärke  drückt  der  Alt  am  schönsten  die  religiöse 
Erhebung  und  Hingebung  aus. 

Der  Tenor  —  Tenore,  franz.  Taille  —  ist  .die  zartere 
unter  den  Stimmen,  welche  dem  reiferen  Alter  angehören,  die 
hohe  männliche  Stimme;  sie  reicht  vom  kleinen  d  ois  zum  ein- 
gestrichenen f  oder  g.  Sie  ist  eine  der  wohlthuendsten  Stimmen, 
alle  weichere  Schönheit  des  männlichen  Charakters  spricht  sich 
in  ihr  aus.  Gute  Tenorstimmen  sind  selten  und  nicht  von  gar 
langer  Dauer,  darum  fordern  sie  besondere  Pflege  und  schonende 
Sorgfalt.  Der  Name  Tenor  (vom  lat.  teneo,  halten,  aushalten) 
stammt  aus  dem  Mittelalter;  -tenor,"  sagt  Guido,  „est  mora 
ultimae  vocis,"  ist  das  Aushalten  des  letzten  Tones  in  einem 
Melodieabschnitte;  Joh.  Cottonius  bezeichnet  damit  die  Note, 
vsrelche  wir  in  den  Psalmtönen  die  Dominante  nennen;  später 
nannte  man  so  die  feststehende  Kirchenmelodie,  um  welche  sich 
die  begleitenden  Stimmen  herumschlangen  (im  Organum  imd 
Kontrapunkt)  —  cantus  firmus;  da  sie  von  Männerstimmen  vor- 
getragen und  meistens  in  die  Mitte  gelegt  wurde,  so  übertrug 
man  den  Namen  /Tenor"  auch  auf  die  hohe  Männerstimme. 

Der  Bass,  Basso,  Bassus,  die  tiefe  männliche  Stimme, 
büdet  mit  seinem  ernsten,  würdigen,  gebieterischen  und  feier- 
lichen Charakter  beim  vierstimmigen  Satze  stets  die  Grund-  oder 
Unterstimme.  Sein  Umfang  reicnt  vom  F  der  grossen  Oktav 
bis  d  oder  e  der  eingestrichenen  Oktav.  Er  hat  auch  zwei  Ab- 
stufungen: hoher  und  tiefer  Bass;  erster  er  wu*d  Bariton 
fenannt.  -—  Während  die  Frauenstimmen  ihren  Klangcharakter 
eibehalten,  sind  die  Knabenstimmen  mit  dem  16.  oder  17.  Le- 
bensjahre einer  Veränderung  unterworfen  (Mutation)  und 
schlagen  in  eine  Oktav  tiefer,  in  Tenor  oder  Bass  um,  d.  h.  sie 
mutieren.  Die  klangvollste  Stimme  wird  heiser,  die  hohen 
Töne  verlieren  sich  ganz  und  die  tiefen  kommen  allmähhch,  sind 
aber  nicht  kräftig  und  sicher;  nach  höchstens  zwei  Jahren  klin- 
gen die  neuen,  durch  die  Mutation  gewonnenen  Töne,  sind  wie- 


W  TTT"*^  '" 


Stimme.  285 

der  bestimmt  und  fest  und  in  Bezug  auf  Höhe  und  Tiefe  meist 
ihrer  vorigen  Lage  entsprechend.  Einige  Gesanglehrer  wollen^ 
dass  auch  während  der  Mutationszeit  einige,  wenn  auch  nur 
sparsame  Singtibungen  vorgenommen  werden;  andere  sagen^ 
man  darf  gar  nicht  singen;  gewiss  ist,  dass,  wenn  gesungen 
wird,  die  äusserste  Vorsicht  angewendet  werden  muss. 

Der  gewöhnhche  Stimmumfang  ist  15  Töne  oder  zwei 
Oktaven;  diese  Töne  sind  sich  aber  nicht  gleich  an  Klang  und 
Hervorrufunff;  es  gibt  mittlere  (ungefähr  acht  Töne),  welche 
mit  Leichtigkeit  kommen,  d.  h.  gesungen  werden  können  und 
rund  und  hell  klingen;  oberhalb  schliessen  sich  die  hohen  Töne 
an,  welche  schon  mehr  Aufwand  und  Luftstärke  bedürfen  und 
spitzig  und  gellend  sind,  nach  unten  sind  die  tiefen  Töne^ 
welche  breit  und  klanglos  sind.  Bei  Männern  findet  manch- 
mal die  bemerkenswerte  Erscheinung  statt,  dass  sie  über  die 
genannten  hohen  Töne  noch  etliche  Stufen  hinaus  erreichen,  die 
man  Falsett-  oder  Fisteltöne  heisst.  Während  bei  den  übri- 
gen Tönen,  der  sogenannten  Bruststimme  —  die  Bänder  der 
Stimmritze  in  vollständige  Schwingung  versetzt  sind,  hat  bei 
den  Falsettönen  nur  eine  teilweise  Schwingung  statt.  Diese 
Falsettöne  sind  den  Brusttönen  an  Kraft  und  Klangfarbe  sehr 
unähnlich;  ohne  Bildung  klingen  sie  weinerlich  und  unmännlich,, 
und  nur  durch  fleissige  Kultur  können  sie  den  übrigen  ähnlich 
gebildet  werden.  Die  genannten  Abstufungen  der  Töne  mit  ihrer 
oft  merklich  verschiedenen  Klangfarbe  bei  einem  und  demselben 
Individuum  hat  man  auch  „Register"  (ein  der  Orgel  entnomme- 
ner unpassender  Ausdruck)  genannt,  und  redet  von  einem  Brust-^ 
Mittel-,  Falsetregister  u.  s.  w. 

Was  die  Bildung,  Vervollkommnung  und  Pflege 
der  Stimme  anbelangt,  genügen  folgende  Bemerkungen: 

I.  Die  Bildxmg  der  Stimme  hat  ins  Auge  zu  fassen:  1)  die 
richtige  Stellung  und  den  gehörigen  Gebrauch  der 
Stimmwerkzeuge  zum  guten  Tonansatz;  der  Sänger  suche 
seine  Zunge  und  den  Kehlkopf  in  der  Lage  zu  erhalten,  die  sie 
im  ruhenden  Zustande  haben,  er  beherrsche  auch  den  Luftstrom 
und  gebrauche  ihn  nicht  in  gleicher  Kraft  bei  allen  Tönen,  mit 
Heftigkeit  aber  niemals.  Fehler  gegen  die  ordentliche  Stellung^ 
der  Zunge,  des  Kehlkopfes  u.  dgl.  erzeugen  den  sogenannten 
Hals-,  Magen-,  Nasenton,  welche  nichts  taugen.  —  2)  Die 
gehörige  Stellung  des  Körpers;  erfordert  sie  schon  der 
Anstand  vom  Sänger,  so  noch  mehr  das  Wohl  seiner  Stimme 
und  das  Wirken  seines  Gesanges.  Der  Körper  muss  eine  freie,, 
aufrechte  Haltung  annehmen,  weder  vorne  über,  noch  mit  Zwang^ 
und  Steifheit  zurückgebeugt  werden;  ein  grosser  Fehler  ist  das 
Auseinanderspreitzen  der  Füsse,  man  stehe  auf  beiden  Füssen 
fest.  Die  Schultern  müssen  so  weit  zurücktreten,  dass  sie  die 
Brust  ohne  Spannung  hervortreten  lassen,  die  Arme  seien  auch 
frei.  —  3)  Die  Veredlung  des  Klanges  der  Stimme,  das 
möglichste  Verschmelzen  der  Register  an  ihren  Grenzen,  reine 
und  sichere  Intonation,  Biegsamkeit  der  Stimme  und  Ökonomie 
im  Atemholen.  Solches  kann  nur  durch  häufige,  sorgföltig  gelei- 
tete und  vorgenommene  Übungen,  durch  Vokalisen,  Solfeggien  u.  a. 


286  Stimmfühi'ung. 

geschehen ;  eine  besondere  Beachtung  verdient  das  An-  und  Ab- 
schwellen des  Tones  und  das  Portamento. 

IL  Rücksichtlich  der  Pflege  der  Stimme  hat  der  Sän- 
ger zu  beachten:  1)  beim  Singen.  Jedes  Stimmwerkzeug  ge- 
winnt durch  massige  und  ordentliche  Thätigkeit,  wird  aber 
geschwächt  durch  Unordnung  und  zu  grosse  Anstrengung.  Man 
singe  daher  nie  bis  zur  völligen  Ermüdung;  Töne,  die  man  nur 
mit  Mühe  singen  kann,  singe  man  höchst  selten,  und  die  übrijgen 
nie  mit  unnatürlicher  Anstrengung;  das  Schreien  verdirbt  jede 
Stimme.  Man  singe  ferner  nie  im  Zustande  der  Erhitzung^  der 
Ermüdung,  nie  unmittelbar  nach  dem  Essen,  nicht  in  heissen, 
aber  auch  nicht  zu  kalten  Lokalen.  Sind  die  Stimmorgane  an- 
gegrifTen  oder  krank  (Katarrh,  Heiserkeit,  Hustenreiz  u.  dglj.  so 
singe  man  gar  nicht,  ebenso  zur  Zeit  der  Mutation;  die  an  Eng- 
brüstigkeit leiden,  haben  sich  besonders  zu  schonen.  —  2)  Ausser 
der  Z^eit  des  Singen s.  Man  halte  Mass  im  Essen  und  Trin- 
ken; letzteres  ist  besonders  schädlich  unmittelbar  nach  einem, 
auch  nur  etwas  anstrengenden  Gesänge  oder  unter  demselben, 
wie  überhaupt  im  erhitzten  Zustande;  fette  Speisen,  ölige  Dinge, 
alle  scharfen  geistigen  Getränke  und  heftig  reizenden  Gewürze 
meide  man.  Tabakrauchen  kann  manchmal  der  Stimme  zuträg- 
lich sein,  vieles  Tabakschnupfen  macht  die  Stimme  klang-  und 
resonanzlos.  Der  Sänger  kleide  sich  gleichmässig  warm,  doch 
nicht  verzärtelt,  und  vermeide  starke  Erhitzungen ,  sowie  auch 
Verkältung,  namentlich  der  Stimmorgane;  scharfe  Zugluft,  tro- 
•ckene  Ost-  und  rauhe  Nordwinde  haben  immer  einen  schädlichen 
Einfluss  auf  die  Stimme;  die  Kleider  sollen  aber  bequem  sein, 
nicht  drücken,  vorzüglich  den  Hals  nicht  beengen.  Blasinstru- 
mente unterlasse  der  Sänger  ganz,  da  sie  die  Brust  unnötig  an- 
strengen und  der  Stimme  einen  guten  Teil  ihrer  Kraft  rauben. 
Habe  dann  grosse  Sorgfalt  für  Erhaltung  der  Zähne  I  —  Feuchte, 
dumpfe,  neblichte,  staubige,  sehr  heisse  und  sehr  kalte  Luft  greift 
Brust  und  Kehlkopf  an. 

Hiermit  ist  aas  Nötigste  über  die  menschliche  Stimme  und 
ihre  Pflege  gesagt..  Ausführlicheres  findet  man  in  grösseren 
Gesangschulen,  z.  B.  von  A.  B.  Marx,  „Die  Kunst  des  Gesan- 
ges"; Schmid,  „Grosse  Gesangschule  für  das  singende  Deutsch- 
land"; Baumann,  „Ausbildung  der  Kehle  zum  Instrument" 
u.  V.  a. 

Stimmführung  bedeutet  die  melodische  Gestaltung  und 
Fortführung  einer  Stimme  im  Zusammenhalt  mit  den  anderen 
sie  begleitenden  Stimmen.  Eine  gute  Stimmführung  verlangt 
Sangbarkeit,  welche  grossenteils  auch  auf  Meidung  von  schwer 
zutreffenden  Intervallen  und  Gängen  beruht,  ferners  natürlichen 
Fortschritt  der  Töne,  besonders  Abwärtsführen  der  Septime  und 
Aufwärtsführen  des  Leittones,  dann  Vermeidung  der  Ouinten- 
und  Oktavenparallelen  und  überhaupt  Beobachtung  der  allgemein 
gültigen  Satzregeln.  Die  meiste  Sorgfalt  in  dieser  Beziehung 
fordert  der  Vokalstil,  namentlich  die  Behandlung  von  realen 
Stimmen.  Weniger  ist  diese  Sorgfalt  nötig  bei  den  Instrumental- 
stimmen, namentlich  bei  den  Tasteninstrumenten  und  den  blossen 
Füllstimmen.  Doch  macht  der  Orgelstil  mehr  Anspruch  auf 
gute  Stimmführung. 


Stimmgabel  —  Subbass.  287 

Stimmgabel,  ein  aus  Stahl  gabelartig  zweizinkig  gearbei- 
tetes, unten  mit  einem  Stiele  von  gleichem  Metall  versehenes 
Instrument,  welches,  wenn  seine  Zinken  durch  Anschlagen  an 
einen  harten  Gegenstand  in  tremulierende  Bewegung  gesetzt 
werden,  einen  Ton  hell  und  klar  angibt.  Sein  Erfinder  isx  John 
Shore,  welcher  als  Lautenist  der  königl.  englischen  Kapelle  1753 
starb.  Die  Stimmgabeln  sind  entweder  in  emgestrichen  a  oder  c 
eingestimmt.  In  neuerer  Zeit  bedient  man  sich  statt  der  Stimm- 
gabel eigens  konstruierter  Stimmpfeifchen. 

Stimmhammer,  ein  hammeriörmiges  Instrument,  um  beim 
Stimmen  mancher  Saiteninstrumente  (z.  B.  Klaviere)  die  Wirbel 
zu  drehen  und  allenfalls  locker  gewordene  Wirbel  durch  leichte 
Schläge  wieder  zu  befestigen. 

Stimmstock,  1)  bei  Streichinstrumenten  das  kleine  Stäb- 
chen, das  im  Innern  des  Instrumentes  zwischen  Ober-  und  Unter- 
deckel unter  dem  rechten  Stegfuss  angebracht  ist;  es  wird  auch 
Seele  und  Stimme  genannt.  2)  Bei  rianoforte  der  starke  höl- 
zerne Querbalken,  dicht  über  oder  hinter  der  Klaviatur,  in  wel- 
chen die  Stimmnägel  (oder  Wirbel)  eingefügt  sind. 

Stimmung  bedeutet  in  der  Musik  a)  die  nach  dem  fest- 
gesetzten Stimmtone  (Normalton,  gewöhnlich  das  eingestrichene 

a)  angenommene  und  aus  dem  Höhen-  und  Tiefenverhältnisse 
dieses  Tones  sich  mathematisch  entwickelnde  Übereinstimmung 
der  Oktaven  und   übrigen   Intervalle  eines  Instrumentes;    oder 

b)  die  gleichförmige  Üoereinstimmung  aller  Instrumente  eines 
Orchesters  hinsichtlich  ihrer  mathematischen  Tonverhältnisse. 
Früher  hatte  man  verschiedene  Stimmungen:  den  Chorton  und 
•den  Kammerton,  wovon  der  erstere  um  einen  ganzen  Ton 
tiefer  war  als  der  letztere.  Jetzt  bedient  man  sich  so  ziemlich 
überall  des  Kammertones,  nach  welchem  eine  offene  hölzerne 
Pfeife  von  acht  Fuss  Länge  das  tiefe  C  gibt;  doch  finden  auch 
hier  noch  einige  kleine  Abweichungen  statt;  nur  für  ganz  Frank- 
reich ist  ein  fixer  Ton  dekretiert,  welcher  auch  bereits  in  anderen 
Xiändern  angenommen  ist :  das  eingestrichene  a  ist  zu  870  Schwin- 

fungen  in  der  Sekunde  angenommen  (Pariser  Stimmung).  —  Die 
armenischen  Instrumente,  Klavier,  Orgel  u.  dgl.  weraen  nach 
f leichschwebender  Temperatur  gestimmt  (s.  Temperatur),  so 
ass  jeder  halbe  Ton  zum  nächstfolgenden  in  gleichem  geome- 
trischen Verhältnisse  wie  zu  dem  vorhergehenden  steht  und  die 
ganze  Oktave  in  13  ganz  gleiche  Halbtonmtervalle  geteilt  wird. 

Streichinstrumente  sind  diejenigen,  welche  mit  einem  Bo- 
gen gestrichen,  gespielt  werden;  Streichquartett  begreift 
zwei  Violinen ,  Bratsche  oder  Altviola  und  Violoncell  oder  Bass 
in  sich.    (S.  Instrumente.) 

Stretto  (ital.),  eilend,  gedrängt;  Bezeichnung  für  die  Eng- 
führungen in  der  Fuge  (s.  d.). 

Stringendo  (itä.),  zusammendrängend,  deutet  einen  eilen- 
deren  Vortrag  an,  ein  rascheres  Vorwärtsdrängen. 

Subbass,  ein  grosses,  in  den  meisten  Orgeln  sich  findendes 
Flötenregister  im  Pedal,  zu  (8)  16  und  32  Fusston,  offen  und  ge- 
deckt, weit  mensuriert,  mit  tiefem,  dunklem  Tone,  welches  meist 
von  Oktav  8*  unterstützt  werden  muss,  und  als  Fundament  von 
^grossem  Werte  ist;  deshalb  wird  es  auch  Untersatz  genannt. 


288  Subdominante  —  Symbolum. 

Subdominante  =  Unter  dominante. 

Subito  (ital.)  plötzlich;  z.  B.  -volte  subito",  kehre  schnell 
um,  gewöhnhch  abgekürzt:  v.  s.  oder  V,  S. 

Subjekt,  s.  Fuge. 

Subsemitonium  modi,  s.  v.  w.  der  sogenannte  Leitton,  die 
siebente  Stufe  einer  Tonart. 

Suoeentor,  s.  Kantor. 

Superabundans  oder  abundans  tonus,  s.  Kirchenton* 
arten. 

Supplieren,  ergänzen,  —  bedeutet  den  Ersatz  des  Choral- 

fesanges  durch  blosses  Orpelsgiel;  n^an  gebraucht  dafür  auch 
as  Wort:  abspielen.  Die  kirchlichen  Vorschriften  gestatten 
nämlich,  einige  Partien  eines  Choralgesangstückes  nicht  mit 
Gesang  auszuführen,  wenn  nämlich  die  Sänger  zu  grosse  Bd- 
schwerde  zu  erleiden  hätten  bei  vollständiger  Ausführung,  — 
sondern  dafür  Orgelspiel  eintreten  zu  lassen  unter  der  Bedin- 
gung, dass  unterdessen  der  nicht  gesungene  Text  yon  einem 
oder  zwei  Sängern  vernehmlich  gesprochen  oder  eintönig  reci- 
tiert   werde.     Fast   durchgängig  ist  es  der  Fall,    dass  solcher- 

f estalt  in  den  Vespern  die  Antiphonen  nach  den  Psalmen  durch 
ie  Orgel  suppliert  werden*  ebenso  bei  schwachen  Conventchören 
die  je  zweite  Strophe  der  Hymnen.  So  können  bei  allen  Choral-- 
stücken  einige  Teile  suppliert  werden.  Eine  Ausnahme  machen: 
das  Credo,  welches  stets  ganz  zu  singen  ist,  ferner  die  erste  imd 
letzte  Strophe  der  Hymnen  und  alle  jene  Strophen  und  Sätze, 
bei  welchen  zu  knieen  ist. 

Suspirinm,  s.  Choral. 

Syllabae,  Süben,  1)  die  Guidonischen  Silben,  s.  Solmi- 
sation:  2)  Tonfiguren;  dass  in  der  Sprache  1,  2,  3  Buchstaben 
eine  Silbe  büden,  gab  den  alten  Theoretikern  Anlass,  auch  be- 
züghch  der  Töne  das  Wort  „Silben"  zu  gebrauchen,  indem  sie 
1  oder  2,  3  oder  4  verbundene,  über  einer  Textsübe  zu  singende 
Töne  oder  doch  im  Räume  einer  Konsonanz  sich  findende  Ver- 
bindung von  2—4  Tönen  eine  musikahsche  Sübe  nannten.  (Odo, 
Guido,  Aribo.) 

Syllabischer  Gesang  =  im  Gegensatze  zum  melismatischen 
Gesänge  derjenige,  wobei  auf  jede  Sube  nur  ein  Ton  trifft. 

Symbolum,  das  Glaubensbekenntnis  (Credo).  In  der 
Liturgie  kommen'  drei  Symbola  zur  Anwendung:  1)  das  apo- 
stolische Glaubensbekenntnis,  Symbolum  apostolicum  „Credo 
in  Deum"  in  dem  Officium;  2)  das  nicäno-Konstantinopoli- 
tanische,  und  dies  ist  das  Credo  der  Messe;  3)  das  sogenannte 
Symbolum  S.  Athanasii  „Quicimque  vult  salvus  esse^  in  der 
Prim,  aus  den  Schriften  dieses  Heiligen  zusammengestellt,  wie 
einige  Liturgiker  angeben.  Durch  eigenen  Gesang  ist  bloss  das. 
-Credo  in  unum  Deum"  in  der  heiligen  Messe  ausgezeichnet. 
Wann  es  daselbst  in  allgemeinen  Gebrauch  kam,  tässt  sich  nicht 
bestimmen.  Zuerst  wurde  es  in  der  orientalischen  Kirche  ge- 
sungen; von  da  soll  der  Gebrauch  in  die  lateinische  Kirche 
übergegangen  sein;  doch  findet  sich  schon  im  11.  Ordo  Romanus,, 
den  rapst  Gregor  d.  Gr.  verbessert  hat,  die  Rubrik:  „Post  lectum 
Evangelium  ....  ab  Episcopo  ,Credo^  cantatur.**  Es  scheint  bis 
zum   äI.    Jahrh.    (mit   Ausnahme    der    Pontifikalmessen)   nicht 


Symphoneta  —  Synkope.  289 

ffesungen,  sondeni  bloss  reöitiert  worden  zu  sein,  was  auch 
Martene  und  Gerbert  festhalten.  In  einzelnen  abendländischen 
Kirchen  war  dessen  Gesang  aber  schon  im  IX.  Jahrh.  in  Übung. 
Die  typische  Ausp^abe  des  Graduale  romanum  gibt  vier  verschie- 
dene Gesangsweisen  des  Credo.  —  Diese  Melodien  haben  eine 
Einrichtung  wie  die  Gesänge  des  Accentus,  so  dass  gemäss  der- 
selben das  Credo  bloss  recitierend  vorgetragen  werden  muss. 
Das  ist  die  einzig  richtige,  dem  Inhalte  una  nicht  poetischen 
Texte  konvenierende  Vortragsweise^  wovon  die  Komposition  der 
neueren  Musik  so  sehr  abweicht,  die  das  Ganze  in  eine  Kantate 
umgewandelt  hat  mit  Zuhilfenahme  ungehöriger  Wortmalerei.  — 
Das  Credo  soll  ohne  jegliche  Kürzung  und  Auslassung 
gesungen  werden;  selbst  mit  der  Orgel  den  je  zweiten  Vers  oder 
Artikel  „abzuspielen",  ist  nicht  erlaubt.  Viele  kirchliche  Ver- 
ordnungen schärfen  den  vollständigen  Gesang  des  Credo  ein. 

Symphoneta,  ein  Meister  des  mehrstimmigen  Satzes,  wäh- 
rend Phonascus  den  Komponisten  einer  schönen  Melodie 
bedeutete.  . 

Symphonie  (griech.  arfttputvia^  das  Zusammenstimmen)  war 
bei  den  Griechen  der  Ausdruck  für  Konsonanz;  so  hiessen  auch 
die  durch  viele  Stimmen  im  Unisono  ausgeführten  Gesänge. 
Hucbald  (X.  Jahrh.)  wie  alle  früheren  Schriftsteller  über  grie- 
chische Musik,  gebrauchte  dies  Wort  noch  gleichbiB deutend  mit 
Konsonanz;  Guido  von  Arezzo  (XI.  Jahrh.)  oenennt  damit  die 
Melodie,  auch  Albertus  M.  (XIII.  Jahrh.)  versteht  darunter  ausser 
Konsonanz  noch  das  Zusammensingen  vieler  im  Einklang,  ja 
Hermann  Finck  (XV.  Jahrh.)  versteht  noch  unter  dem  Ausdrucke 
symphonizare  nichts  anderes,  als  das  Mitsingen  einer  Ton- 
weise in  der  Oktav.  Daher  hiessen  in  alter  Zeit  die  Chorknaben 
pueri  symphoniaci.  Bei  dem  Emporkommen  der  Instrumente 
nannte  man  Musikstücke  für  Vokal-  und  Instrumentalmusik 
Symphonien;  im  XIV.  und  XV.,  selbst  noch  im  XVI.  Jahrh.  be- 
nannte man  den  Tonsetzer  Symphoneta,  die  Tonsetzkunst 
Symphonurgia.  Erst  im  XVII.  Jahrh.  wurde  der  Name  bloss 
für  Instrumentalstücke  gebraucht,  und  eine  Symphonie  (jetzige 
Schreibart:  Sinfonie)  war  bis  ins  XVII.  und  aVIII.  Jahrh.  die 
Einleitungsmusik  bei  Opern,  seit  dieser  Zeit  Ouvertüre  be- 
nannt. Joseph  Haydn  gestaltete  sie  zur  eigentümlichen  Musik- 
gattung aus. 

Synaphe  (griech.)  im  Tonsystem  der  Griechen  die  Ver- 
bindung zweier  Tetrachorde,  so  dasB  der  vierte  Ton  des  einen 
zugleich  der  erste  Ton  deö  anderen  war.  Im  mittelalterlichen 
Tonsysteme  fiel  die  Synaphe  auf  D  und  d;  stand  die  Synaphe 
auf  a,  so  trat  an  die  Stelle  des  b  quadratum  (ft)  das  b  molle  {?). 

Synemmenon  (tetrachordon) ,  das  dritte,  eingeschobene 
Tetra chord,  welches  die  Töne  a  b  c  d  umfasste  (s.  Griechische 
Musik). 

Synkope,  eine  taktische  Figur  in  der  Musik,  wobei  die 
zweite  Hälfte  eines  Taktteiles  oder  einer  Taktgrösse  mit  der 
ersten  Hälfte  des  folgenden  Taktteiles  verbimden  wird,  z.  B.: 


KommüUer,  Lexikon.  19 


290 


System  —  Tabulatur. 


Durch  das  Anbinden  der  Note  auf  dem  guten  Taktteile  an  die 
vorhergehende  auf  dem  schlechten  Taktteile  wird  der  Accent 
der  TaKtteile  aufgehoben  oder  verrückt,  weshalb  man  diese  Fi- 
guren auch  Rückungen  nennt.  In  früheren  Zeiten  zog  man 
sogar  die  Noten  von  einem  Takt  an  den  anderen  zusammen 
und  schrieb: 


$m 


m 


Doch  kommt  ebenso  häufig  vor,  dass  man  bei  solchen  Synkopen 
den  Taktstrich  wegliess  und  auf  diese  Weise  bald  Takte  schrieb, 
welche  zwei  halbe  Noten,  bald  solche,  welche  vier  halbe  Noten 
enthalten. 

System  bedeutet  im  allgemeinen  die  Zusammenstellung 
von  Dingen  in  einer  bestimmten  Ordnung,  ein  nach  einem  Zweck 
oder  einer  Regel  geordnetes  Ganze,  in  welchem  die  Teile  oder 
Glieder  einander  gegenseitig  voraussetzen  oder  stützen;  so  spricht 
man  in  der  Musik  von  einem  Ton-Harmonie-Noten-System. 

Systema  bedeutete  bei  den  Alten  eine  Reihe  vieler  Töne, 
z.  B.  die  Oktavreihe,  daher  auch  die  gebräuchliche  Doppel-,  auch 
die  einfache  Oktavreihe  systema  absolutum  et  perfectum,  das 
absolute  und  vollkommene  System  genannt  wurde  (s.  Griechi- 
sche Musik;  vgl.  Gerbert,  Sc.  I.  74),  während  Tonreihen  oder 
Intervalle  von  kleinerem  Umfange  (innerhalb  engerer  Konsonanzen 
eingeschlossen)  diastema  hiessen. 


T. 


T.,  Abkürzung  für  Tenore,  Tutti;  t.  s.  =  tasto  solo.  Im 
Mittelalter  wurde  T  zur  Bezeichnung  von  tonus,  Ganzton,  ge- 
braucht. 

Tabulatur  (vom  lat.  tabula,  die  Tafel),  ital.  Intjftvola- 
tura,  bezeichnet  eine  Übersichtstafel  vereinigter  Stimmen,  ei»e 
Art  Partitur,  dann  auch  die  Tabulatuischrift  und  jede  Gattung 
Notenschrift.  Diese  Art  der  Aufzeichnung  scheint  erst  mit  dem 
Erblühen  des  Kontrapunktes  und  besonders  mit  dem  Anfange 
des  XVI.  Jahrh.  in  Übung  gekommen  zu  sein,  und  man  bediente 
sich  ihrer  hauptsächlich  für  die  harmonischen  Instrumente,  als 
Orgel,  Laute,  Theorbe.  Es  gab  eine  deutsche,  eine  italieni- 
sche imd  eine  Lautentabulatur.  In  Deutschland  war  bei 
den   Organisten,    sogar  auch  hin  und  wieder   bei   den  Kontra- 


Tabulatur.  291 

punktisten,  eine  Tonschrift  mit  Buchstaben  in  Übung,  in  welcher 
viele  Orgelkompositionen  und  selbst  Partituren  grösserer  Vokal- 
kompositionen, namentlich  aus  dem  XVI.  Jahrh.  aufbewahrt  sind. 
Die  Töne  wurden  in  deutscher  Kurrentschrift  bezeichnet: 


1 — I — I — I  ^'  0-F  I — }— » — I 1 — \—±-^-0-f 


(5:3)(£g®3l$)cbefga^     cbefgaöcbe 

Ein  dem  Buchstabea  angehängtes  Häckchen  zeigte  die  Erhöhung 
dm'ch  |3  an,  z.  B.  f  =  fis^  g  =  gis.  Statt  es  setzte  man  dis, 
statt  des  —  eis  u.  s.  w.,  eme  Tonoenennung,  welche  bis  Anfang 
dieses  Jahrhundei-ts  hin  und  wieder  im  Gebrauche  war.  Die 
Dauer  der  Töne  wurde  durch  folgende  Zeichen,  welche  über  den 

Buchstaben  standen,  angedeutet:  ■  =  psj;  1  =  ♦;  |  ^  t; 
P==   |>R  =  TjN  =  Tj    Anstatt  der  Zeichen  ^  ^  findet  man  auch 

Kamen  mehrere  Viertel,   Achtel  u.  dgl.   hintereinander, 

so  verband  man  sie  auf  ähnliche  Weise,  wie  es  heutzutage  mit 
den  Schwänzen  der  kleinen  Notengattungen  geschieht 


zutage 
,  z.  B.: 


g  a  h  a 


'§^m 


Bisweilen   findet  man  die  oberste  Stimme  eines  mehrstimmigen 
Gesanges   mit  schwarzen  Noten  geschrieben.    Die  deutschen  Or- 

fanisten  hielten   sich   an   diese  Tabulatur  noch  lange,  nachdem 
ie  Niederländer,  Franzosen  u.  a.  sie  zurückgelegt  und  der  Noten 
sich  zu  bedienen  angefangen  hatten. 

Die  italienische  Tabulatur  ist  nichts  anderes,  als  die 
von  Viadana  mehr  verbreitete  Bezifferung  dös  Grundbasses,  der 
sogenannte  „ Gener albass**.  —  Die  Lautentabulatur  war  an- 
fönglich  ebenso  eingerichtet  wie  die  benannte  deutsche,  nur  dass 
sie  mit  den  Buchstaben  und  Ziffern  nicht  Töne,  sondern  die 
Lage  derselben  auf  der  Laute,  d.  h.  die  Bünde  bezeichnete.  Doch 
waren  die  deutsche  Lautentabulatur  (als  deren  Erfinder  der 
blinde  Musiker  Konrad  Paulmann  von  Nürnberg  genannt 
wird),  die  italienische  und  französische  unter  sich  ver- 
schieden in  der  Anwendung  von  Ziffern  oder  Buchstaben,  in 
Italien  bediente  man  sich  hierbei  auch  noch  eines  Systems  von 
sechs  Linien.  —  Bei  den  alten  Kontrapunktisten  findet  sich  auch 
eine  Notentabulatur,  die  wahren  Anfänge  unserer  Partituren 
(s.  diesen  Artikel);  sie  benützten  ein  System  von  10  Linieij,  wel- 
ches  gerade   den  Umfang  der  gewöhnlichen  vier  Singstimmen 

19* 


i 


292  Tacet  ^  Takt. 

beffreift,  und  trugen  auf  dieses  die  Noten  ein,  welchen  sie  für 
jede  Singstimme  eine  andere  Form  oder  Farbe  gaben;  Takt- 
striche wui'den  dabei  angewendet.  Um  die  Mitte  des  XVI.  Jahrh. 
nahm  diese  Tabulatur  em  Ende  und  es  begannen  die  Partituren 
mit  vier-,  fünf-  und  mehrzelligen  Systemen.  Als  ein  bemerkens- 
wertes Werk,  in  deutscher  Tabulatur  gedruckt,  sei  angeführt: 
„Neue  künstliche  Tabulatur  auf  Orgel  und  Instnmiente  .  .  . 
durch  Bernhard  Schmid,  Bürger  und  Organisten  zu  Strassburg, 
1577,  Fol.",  welches  zugleich  eme  reiche  Sammlung  der  schönsten 
Kompositionen  guter  Meister  dieser  Zeit  ist. 

Tacet  (vom  lat.  tacere,  schweigen)^  „er  (der  Spieler  oder 
Sänger)  schweigt",  wird  gesetzt,  wenn  bei  einem  bedeutenderen 
Absätze  eines  Tonstückes  irgend  eine  Stimme  nicht  mitzuwirken 
hat.    Im  Italienischen  heisst  es:  si  tace. 

Takt,  vom  lat.  t actus,  Berührung,  Schlag,  ist  eigentlich 
eine  Zeiteinheit  in  Noten  dargestellt;  einer  längeren  Tonreihe 
würde  bei  all  ihren  sonstigen  Schönheiten  doch  das  Moment  der 
Einheit  fehlen,  sie  würde  schwer  zu  fassen  oder  gar  unverständ- 
lich sein,  würde  sie  nicht  in  gleichartige  Abschnitte  zerlegt  und 
so  übersichtlich  gemacht.  Der  Takt  oder- die  Taktabteüüng  be- 
wirkt diese  Einneit  in  der  Mannigfaltigkeit  der  Zeitmomente. 
Allerdings  gibt  es  auch  taktfreie  Tonreihen,  wie  die  Choral- 
melodien, rhantasien  u.  dgl..  Jedoch  entbehren  dieselbeji  nicht 
eines  ordnenden  Elementes,  indem  sie  in  Gruppen  gebracht  sind, 
welche  auf  mehr  oder  minder  wichtige  Ruhepunkte  abfallen  und 
hierdurch  ein  Verständnis  des  musikalischen  Gedankens  bewir- 
ken. Die  Notwendigkeit  einer  Taktabteilung  hat  sich  mit  der 
emporkommenden  Mensuralmusik  und  Harmonie  aufgedrängt, 
indem  das  Nebeneinander  schreiten  mehrerer  Stimmen  m  Noten 
von  verschiedener  Geltung  eine  gewisse  Abteilung  derselben  nach 
einerlei  Verhältnis  erforderte.  Als  solche  Takt-  oder  Zeiteinheit 
nahm  man  vorerst  die  Brevis  (daher  auch  „Tempus"  ihr  Ver- 
hältnis zur  Longa  genannt  wurde),  später  die  Semibrevis  an, 
die  entweder  zwei-  oder  dreiteilig,  als  imperfect  oder  perfect 
angenommen  wurde;  denn  der  Schlag  (Niederschlag),  t actus, 
bedingt  zugleich,  soll  ein  zweiter  folgen,  eine  Hebung,  einen 
Aufschlag,  als  Vorbereitung  für  diesen,  welche  entweder  dem 
natürlichen  Gefühle  gemäss  gleich  lang  oder  kürzer  als  der 
Schlag  sein  kann.  Wenn  auch  eine  Reihe  von  Tönen  in  gleiche 
Abscfiaitte  gebracht  wird,  so  kann  sie  doch  als  monoton,  für  die 
Musik  gar  keinen  Wert  haben,  wenn  nicht  die  Accente  in  diesen 
Abschnitten  berücksichtiget  werden  und  so  ein  und  das  andere 
Glied  dieser  Abschnitte,  ein  Taktteil  vor  den  anderen  hervortritt; 
und  das  ist  eben  dies,  was  wir  oben  als  Niederschlag  und  Auf- 
schlag, Senkung  (Thesis)  imd  Hebung  (Arsis)  Dezeichnet 
haben  und  was  auch  Taktgewicht  heisst.  Hiemach  bilden 
sich  die  verschiedenen  Taktarten,  welche  im  allgemeinen  in 
zwei  Hauptklassen  —  die  geraden,  welche  auf  der  Zwei- 
teilung—  die  ungeraden  Taktarten,  welche  auf  der  Drei- 
(oder   Fünf-)Teilung  beruhen,   sich  scheiden.    Zu   den  geraden 

Taktarten   gehören    also:    der    7«    oder    Allabreve  {0)j  alla 

Cape  IIa  oder   Tempo    maggiore   (ältere   Tonstücke   werden 


-fWV-.^      .>'\ 


Taktschlagen.  293 

gewöhnlich  in  Takten,  welche  vier  halbe  Noten  umfassen,  notiert, 
grosser  und  doppelter  Allabrevetakt),  der  74 >  ^U  CG)?  ^®^  %>  ^/s? 
Vsf    ^Vs  Takt.    Zu  den  ungeraden,   auch   Trippeltakte  ge- 

heissen,  gehören  der  7,  (  oder  c?  o  s),  «/,,  7«,  V«,  7i« 

Takt  u.  dgl.  Alle  diese  Taktarten  können  wieder  einfache 
(%j  V4J  7i  und  '/s)  oder  zusammengesetzte  (^/^,  74?  7«,  ''/g) 
sem.  —  Die  Hauptabschnitte  eines  Taktes,  Arsis  und  Thesis, 
schlechte  und  gute  Taktteile  zerfallen  auch  in  Unterabteilungen, 
welche  noch  geringeren  Accent  als  die  schlechten  Taktzeiten 
haben  und  Taktglieder  und  Gliederteile  heissen.  Der  72Takt 
ist  also  accentuiert: 

I  I-   [  I  I     [■    (^QY    */    ;     _J        I      J        I     J . 

1    '4       1    V,  1  V^  '/,  '/. 

der  V.T.in  Achteln:    Jj^J^-J^;  der  /.T.aber:    JTTi  ,jT< 


///     ///////  444  i       i        ii     i      i 


Es  ist,  darum  nicht  gleichgültig,  welche  Taktart  für  ein  Ton- 
stück genommen  wird,  wenn  sie  auch  in  manchen  Beziehungen 
gleich  erscheinen;  und  wenn  sich  eine  Melodie  u.  dgl.  sowohl 
in  74  als  Vd  schreiben  Hesse,  so  ändert  dies  doch  wegen  des  Ac- 
centes  an  dem  Charakter  der  Melodie  u.  dgl.  sehr  viel. 

Die  einzelnen  Takte  werden  durch  senkrechte,  das  ganze 
Liniensystem  durchneidende  Striche,  Taktstriche,  voneinander 

feschieden.  Manchmal  beginnt  ein  Stück  nicht  mit  einem  vollen 
akte,  und  man  sagt  von  diesem,  dass  es  den  Auftakt  habe; 
in  solchem  Falle  geben  der  erste  und  letzte  unvollständige  Takt 
zusammengenommen  einen  vollen  Takt. 

Taktschlagen  ist  die  Bezeichnung  der  Taktteile  (oder  Takt- 
glieder bei  langsamer,  oder  Takthälften  bei  schneller  Bewegung) 
von  Seiten  des  Dirigenten  durch  Hebung ,  Senkung  oder  Seiten- 
bewegung (auch  hörbares  Aufschlaffen)  mit  der  Hand,  einer 
Notenrolle  oder  dem  Taktierstab.  Beim  Allabreve-,  74,  7«>  in 
sehr  schnellem  Tempo  auch  beim  74  und  Vs  Takt  findet 
bloss  ein  Nieder-  una  ein  Aufstreich  statt;  beim  74  Takte  ein 
Niederschlag,    ein  Seitenschlag  nach  rechts   oder  links  und  ein 

4  6 

Aufstreich;  beim  74  Takt  2—  3;  beim  7$  Takt  3_  ^':z%    u.  dgl. 

I  1 ' 

1  ^2 

In  den  Musiken  aus  der  älteren  Zeit  sind  bei  der  geraden  Takt- 
art vier  halbe  Noten  in  einen  Taktraum  zusammengefasst;  wird 
hierzu  der  Takt  geschlagen,  so  soll  er  nicht  nach  Art  des 
*/4  Taktes  geschlagen  weroen,  sondern  man  hat  ihn  als  doppelten 
Allabrevetakt  aufzufassen  und  demnach  auch  eine  halbe  Note 
äIs  Niederschlag,  die  andere  als  Aufstreich  zu  behandeln,  gleich 
als  wären  le  zwei  halbe  Noten  oder  ihr  entsprechender  \Vert 
in  einen  Takt  gefasst.    Dies  ist  die  naturgemässe  Art  des  Takt- 


294  Tantum  ergo  —  Te  Deum  laudamus. 

gebens  für  diese  Musik,  da  die  Semibrevis  (=  er)  das  Grundtakt- 
mass  war  und  diese  durch  Auf-  und  Niederstreich  bezeichnet 
wurde.  Auch  hat  iede  erste  und  dritte  Note  eines  solchen 
grossen  Taktes  gleiches  Gewicht,  es  bilden  nur  zwei  halbe  Noten 
eine  Takteinheit,  nicht  vier;  es  würde  aber  dies  natürliche  Takt- 
eewicht durch  Taktschlagen  nach  Art  des  V4  Taktes  gestört,  in- 
•  aem  dabei  der  dritten  Note  ein  bei  weitem  schwächeres  Gewicht 
zukäme  und  erst  die  vier  Streiche  ein  volles  Ganze  bildeten. 
Doch  schlägt  man  jetzt  aus  praktischen  Rücksichten  den  Takt 
gewöhnlich  nach  Art  des  * .,  Taktes.  —  Wichtig  ist  es,  dass  die 
Bewegungen  des  Taktschiagens  auf  das  präziseste,  in  einem 
Ruck  eine  jede,  ausgeführt  werden,  damit  sie  dem  Musikper- 
sonale die  Taktteile  aufs  schärfste  bezeichnen;  ohne  dieses  wird 
unsicheres,  schwankendes  Zusammenspielen  oder  Singen  der  guten 
Ausführung  bedeutenden  Eintrag  thün. 

Den  Takt  hörbar  zu  schlagen,  ist  nur  bei  der  Einübung 
und  im  Notfalle  zu  gestatten;  in  der  Kirche  ist  es  überaus  stö- 
rend und  unjgeziemend ;  darum  hat  auch  1856  der  Kardinalvikar 
in  Rom  in  emem  Erlasse  den  Kapellmeistern  und  Chordirigenten 
eingeschärft,  den  Takt  nicht  niit  einem  Stocke,  sondern  mit  einer 
Papierrolle  zu  schlagen,  was  Rom  und  Italien  wohl  am  meisten 
angeht,  wo  man  gewohnt  ist,  den  Takt  hörbar  zu  schlagen. 

Tantum  ergo.  Mit  diesen  Worten  beginnen  die  letzten 
zwei  Strophen  des  Hymnus  Fange  lingua,  welche  bei  dem 
feierlichen  Segen  mit  dem  Allerheiligsten  nach  der  Vorschrift 
der  Kirche  zu  singen  sind,  während  der  Priester  an  den  Stufen 
des  Altares  anbetend  kniet.  Diese  Strophen  werden  vom  Chore 
(mit  oder  ohne  Intonation  von  Seiten  des  Priesters)  vor  dem 
Segen  selbst  abgesungen,  nach  deren  Beendigung  der  Versikel 
„Panem  de  coeio  etc."  mit  dem  Responsorium  „Omne  delecta- 
mentum  in  se  habentem  (AUeluja)**  mit  der  Oration  de  SS.  folgt. 
Während  des  danach  gegebenen  Segens  schweigt  der  Chor,  und 
die  Orgel  ertönt,  wenn  sie  gespielt  wird,  nur  mit  sanften  und 
leisen  Stimmen. 

Taste  heisst  jeder  der  hebelartigen  Teile  an  Klavierinstru- 
menten und  Orgeln,  durch  dessen  Niederdruck  der  betreffende 
Ton  hervorgeruien  wird. 

Tasto  solo  bedeutet  in  der  Generalbassschrift,  dass  der 
Spieler  zu  dem  Grundtone  nicht  einen  Accord  greifen,  sondern 
diesen  Grundton  allein  anschlagen  soll. 

Tauf  wasserweihe,  s.  Karwoche. 

Technik  ist  das  Mechanische,  sozusagen  Handwerks- 
mässige  in  der  Kunst,  das  gelernt  werden  kann  und  muss;  ohne 
technische  Fertigkeit  ist  es  nicht  möglich,  ein  Kunstwerk  zu 
schaffen  oder  korrekt  auszufühi-en;  der  Gesang  und  die  Kompo- 
sition haben  wie  die  Instrumente  ihre  eigene  Technik. 

Te  Deum  laudamus.  Dieser  kircnhche  Lobgesang,  wel- 
chen man  auch  den  Ambrosianischen  Lobgesang  nennt, 
wird  als  ein  Werk  des  grossen  Hymnendichters  und  Kirchen- 
lehrers Ambrosius  betrachtet,  doch  nat  man  hierfür  keine  unum- 
stösslichen  Zeugnisse.  Einige  nennen  auch  den  heil.  Hilarius  von 
Poitiers  und  Nicetius  von  Trier  als  dessen  Verfasser.  Der  Text 
hat   offenbar   ein   sehr   hohes   Alter,   seine   musikalische  Durch- 


J 


Teiltöne  —  Temperatur.  295 

führung  ist  wohl  in  die  Zeit  Gregors  d.  Gr.  zu  setzen ;  die  wahr- 
haft grossartige,  erhabene  und  ergreifende  Melodie  bewegt  sich 
im  Umfange  einer  Oktav  und  gehört  dem  IIL  und  I V.  Tone 
(mixt.)  an.  —  Der  heil.  Benedikt  schreibt  diesen  Hymnus  in 
seiner  Regel  als  Schluss  der  dritten  Nokturn  für  alle  Sonntage 
und  Feste,  welche  drei  Nokturaen  haben,  vor.  Im  römischen 
Brevier  hat  er  seine  Stelle  am  Schlüsse  der  9.  Lektion  als  ein . 
Dankgebet  an  allen  Tagen,  deren  Feier  eine  zur  Freude  stim- 
mende ist,  somit  regelmässig  an  allen  Sonntagen  (mit  Ausnahme 
der  Sonntage  von  Septuagesima  bis  Ostersonntag),  an  allen 
Festen  bis  herab  zum  semiauplex,  sowie  auch  während  der  Fest- 
oktaven und  in  der  ganzen  österlichen  Zeit.  Ausnahmsweise 
wird  das  Te  Deum  noch  feierhch  gesungen,  um  Gott  für  em- 
pfangene grosse  Wohlthaten  zu  danken.  In  diesem  Falle  bildet 
es  entweder  eine  eigentliche  gottesdienstliche  Feier,  oder  schliesst 
sich  als  ein  eigener  Ritus  an  die  Feier  der  heihgen  Messe  u.  dgl. 
an.  Diese  letztere  Anwendung  ist  auch  schon  alt;  laut  einem 
Kapitulare  Ludwig  des  Frommen  schloss  der  Konvent  von  Bi- 
schöfen in  Tribur  im  Jahre  822  seine  Verhandlungen  auf  diese 
Weise.  —  Im  Chor  stimmt  der  Hebdomadar  in  festis  solemn.  et 
Dominicis  das  Te  Deum  an,  nachdem  der  Kantor  ihm  die  Into- 
nation desselben  gegeben.  Ist  kein  fest,  solemn.  oder  Sonntag, 
so  treten  die  Kantoren  in  die  Mitte  des  Chores  j  und  intonieren 
selbst  diesen  Lobgesang.  Bildet  es  eine  eigentliche  Dank- 
sagungsfeier, so  intoniert  es  der  Celebrant;  beim  Vers  „Te  ergo 
quaesumus"  kniet  er  sich  nieder  und  auch  die  Melodie  und 
musikalische  Bearbeitung  dieses  Verses  nimmt  einen  ruhigeren, 
feierlichen  Gebetscharakter  an.  An  den  Schluss  des  Lobgesanges 
knüpfen  sich  Versikel  und  Responsorien :  If^,  Benedicamus  Pa- 
trem  et  Filium  cum  sancto  Spiritu.  Ijfc.  Laudemus  et  superexal- 
temus  eum  in  saecula.  J^.  Benedictus  es  Domine  in  firmamento 
coeli.  If.  Et  laudabihs  et  gloriosus  et  superexaltatus  in  saecula. 
Hf,  Domine  exaudi  orationem  etc.  etc.  und  eine  entsprechende 
Oration. 

Teiltöne,  Partial-  auch  Obertöne  genannt,  s.  Aliquottöne. 

Teilung  der  Intervallenvernältnisse  ist  die  Lehre, 
wie  irgend  ein  beliebiges  grösseres  Intervall  in  zwei  oder  meh- 
rere kleinere  Intervalle  oder -Klanggrössen  geteilt  werden  kann. 
Die  Teilung  kann  arithmetisch,  harmonisch  und  geometrisch 
sein.  Bei  der  arithmetischen  Teilung  finden  ungleiche  Ver- 
hältnisse bei  gleichen  Differenzen  statt,  es  müssen  die  Verhältnis- 
zahlen gleich  weit  voneinander  abstehen,  z.  B.  die  Oktav  2  :  1, 
in  drei  Intervalle  geteüt,  ergibt  [(2  :  1)  x  31  6  :  5  :  4,  es  entsteht 
erst  eine  kleine  Terz,  dann  eine  grosse  Terz  und  zuletzt  eine 
reine  Quart,  was  zusammen  eine  Oktav  ist  (c,  es,  g,  c).  —  Die 
harmonische  Teilung  bringt  ungleiche  Verhältnisse  und  un- 
gleiche Differenzen  hervor,  die  geometrische  aber  ungleiche 
Differenzen  bei  gleichen  Verhältnissen. 

Temperatur  in  der  Musik  heisst  die  von  der  Natur  ab- 
weichende Stimmung  der  Instrumente  und  überhaupt  die  ganze 
Einrichtung  unsers  Tonsystems,  wonach  die  Oktave  m  12  gleiche 
halbe  Töne  eingeteilt  wird  und  die  Unterschiede  des  Komma 
u.  s.  w.  nicht   in  Betracht   kommen.    Die   mathematische 


296  Tempo. 

Temperatur,  wobei  jedes  Intervall  nach  seiner  eigentlichen 
mathematischen  Grösse  ertönt,  lässt  sich  namentlich  auf  den 
harmonischen  Instrumenten  nicht  durchführen,  indem  eine  solche 
Stimmung  nur  für  eine  einzige  Tonart  Geltung  haben  könnte, 
für  eine  andere  Tonart  die  meisten  derselben  Töne  zu  hoch  oder 
zu  tief  erscheinen  würden,  z.  B.  das  mathematisch  rein  gestimmte 
d  für  C  dur  wäre  zu  tief  für  D  dur  u.  s.  w.  In«  praxi  ist  man 
aber  schon  der  Theorie  vorausgegangen,  indem  das  menschliche 
Ohr  nicht  so  vollkommen  ist,  aass  man  diese  feinen  Unterschiede 
des  Komma  u.  dgl.  hätte  ausdrücken  oder  genau  hören  können; 
die  Biegsamkeit  der  menschlichen  Stimme  accommodierte  sich 
dem  Erfordernisse  des  Ohres.  Erst  nachdem  im  XVI.  und  XVII. 
Jahrh.  die  Transpositionen  und  der  Wechsel  der  Tonarten  nach 
dem  neu  auftauchenden  Systeme  häufiger  wurden,  sah  man  sich 

fenötiget,  auf  eine  Veremfachung  der  chromatischen  Töne  zu 
enken.  Lange  noch  hatte  die  Orgel  besondere  Tasten  und 
Pfeifen  für  es  und  dis,  as  und  gis,  bis  endlich  um  die  Mitte  des 
XVII.  Jahrh.  die  Ausgleichung  der  Töne,  die  gleich- 
schwebende Temperatur,  Eingang  fand.  Dass  hierbei  für 
viele  Töne  die  mathematische  Reinheit  nicht  beibehalten 
werden  konnte,  geht  aus  den  Lehren  der  Akustik  hervor. 

Tempo,  vom  ital.  Tempo,  lat.  Tempus,  franz.  mesure, 
eigentlich  Zeit,  dann  Zeitmas s,  bezeichnet  die  absolute  Gel- 
tung der  Töne,  wie  lang  eine  bestimmte  Note  in  diesem  oder 
jenem  Tonstücke  sein  oder  gehalten  werden  soll,  dessen  längerer 
oder  kürzerer  Dauer  auch  die  Teile  dieser  Note,  oder  die  Takt- 
teüe  und  Taktglieder  bezüglich  der  Dauer  entsprechen.  Dadurch 
entsteht  dann  die  schnellere  oder  langsamere  Bewegung  eines 
Tonstückes.  Um  die  absolute  Geltung  einer  Note  zu  bestimmen, 
hat  Mälzel  ein  Metronom,  Chronometer  (s.  d.  A.),  Zeit^  oder 
Taktmesser  erfunden,  und  nach  diesem  wird  in  Graden  die  Ge- 
schwindigkeit einer  bestimmten  Note  am  Anfange  eines  Ton- 
stückes angegeben.  Ausserdem  bedient  man  sich  gewisser  Kunst- 
ausdrücke, um  das  Tempo  oder  die  schnellere  oder  langsamere 
Bewegung  des  Tonstückes  zu  bezeichnen.  Man  kann  diese  Aus- 
drücke, die  meist  in  italienischer  Sprache  gebräuchlich  sind,  in 
drei  Klassen  einteilen: 

I.  Die  langsame  Bewegung:  Largo,  sehr  langsam  und 
gedehnt;  Larghetto,  etwas  langsam  und  gedehnt;  Adagio, 
langsam ;  L  e  n  t  o ,  etwas  weniger  langsam  als  Adagio ;  G  r  a  v  e , 
schwer,  gewichtig;  II.  die  mittlere  Bewegung:  Andante, 
gehend;  Andantino,  ein  wenig  gehend;  Moder ato;  III.  die 
schnelle  Bewegung:  Allegretto^  etwas  munter  und  leicht; 
Allegro,  munter  und  lebhaft;  Vivace,  lebhaft  und  feurig; 
Presto,  geschwind;  Prestissimo,  sehr  geschwind.  Zur  fei- 
neren Abstufung  werden  auch  noch  Beiwöi-ter  hinzugefügt,  als: 
assai,  sehr  (z.  B.  Allegro  assai,  sehr  schnell);  un  poco,  ein 
wenig;  un  poco  piu,  em  wenig  mehr ;  meno,  weniger;  tropo, 
sehr;  non  ,tropo,  nicht  zu  sehr;  molto,  viel. 

Der  Übergang  von  einem  schnelleren  zu  einem  lang- 
sameren Tempo  wird  angedeutet  mit  den  Worten:  ritenuto 
(abgekürzt:  rit.),  zurückhaltelid;  ritar d and o  (ritard.),  zögernd; 
rallentando    (rallent.);    calando     (cal),    beruhigend;    der 


Tempo.  '        '297 

Übergang  von  einem  langsameren  zu  einem  rascheren 
durch:  accelerando  (acceL),  schneller  werdend;,  st  ringende 
(st ring.),  dringender. 

Die  Tempobezeichnungen  sind  erst  seit  dem  XVII.  Jahrh. 
in  die  musikalische  Praxis  eingeführt.  Vor  dem  Aulblühen  der 
eigenthchen  kontrapunktischen  Kunst  ward  man  bloss  von  dem 
Charakter  des  Tonstückes  oder  von  augenblickhcher  Erregung 
angetrieben,  die  Bewegung  zu  beschleunigen  oder  zu  verlang- 
samen. Vom  XV.  bis  XVÖ.  Jahrh.  diente  die  sogenannte  Pro- 
portionslehre, das  Tempo  anzuzeigen  und  kenntlich  zu  ma- 
chen. Indem  die  Semibrevis  als  Grundmass  angenommen  war 
(s.  „Takt"),  stellte  man  zwei  Zahlen  nach  Art  eines  Bruches 
übereinander,  setzte  sie  an  den  Anfang  eines  Tonstückes  oder 
einer  Abteilung  desselben  und  regelte  dadurch  den  mehr  oder 
minder  raschen  Fortschritt.  So  z.  B.  bezeichnete  f,  dass  die  von 
einem  Schlage  ausgefüllte  Zeit  nun  von  drei  semibreves  zu  er- 
füllen seij  deren  sonst  eine  jede  die  Dauer  eines  Schlages  (tactus) 
hatte;  die  Bewegung  war  also  hiernach  um  das  Dreifache  zu 
beschleimigen ;  ^  liingegen  bedeutete,  dass  ein  von  drei  Schlägen 

fewöhnücn  erfüllter  Zeitraum  durch  das  sonst  nur  den  dritten 
eil  dieser  Dauer  einnehmende  Tonzeichen  zu  erfüllen  sei  u.  s.  w. 
Mit  dem  Beginne  des  XVII.  Jahrh.  fand  man  die  bisherige  Art, 
mehr  oder  minder  beschleunigte  Bewegung  anzuzeigen,  immer 
mehr  ungenügend  und  fing  an,  durch  Worte  die  Bewegung  im 
allgemeinen  anzudeuten.  In  den  Werken  des  Mazzaferrata ,  Ka- 
pellmeisters der  Akademie  zu  Florenz  (zweite  Hälfte  des  XVII. 
Jahrh.),  finden  wir  zuerst  die  allgemeine  Anwendung  der  Kunst- 
auödrüoke;  Adagio,  Affettuso,  AUegro,  Presto,  Vivace,  Largo,  se 
place;  wie  auch  Liehrbücher  aus  dieser  Zeit,  z.  B.  J.  A.  Herbstens 
„Musica  moderna  practica"  (2.  Aufl.,  Frankfurt  a.  M.  1653)  die- 
selben schon  aufgenommen  haben.  Diese  technischen  Ausdrücke 
behaupteten  ihre  Stelle  bis  auf  den  heutigen  Tag^und  wurden 
noch  durch  manche  Zwischenstufen  vermehrt.  Eine  absolute 
Bestimmtheit  der  Bewegung  kann  übrigens  nur  durch  chrono- 
metrische Angaben  erlangt  werden;  doch  haben  diese  allgemei- 
nen Ausdrücke,  deren  Anwendung  in  verschiedenen  Zeiten  und 
Ländern,  selbst  bei  den  einzelnen  Komponisten  oft  einen  Wechsel 
erfährt  (z.  B.  das  Allegro  in  den  Massen  von  Haydn,  Mozart  ist 
häu^  ein  ganz  anderes,  als  unser  Allegro,  und  es  scheint  mehr 
auf  den  behenden  Vortrag  als  auf  eine  mit  der  Komposition  s&r 
nicht  übereinstimmende  Schnelligkeit  der  Bewegung  sich  zu  oe- 
ziehen),  vor  den  chronometrischen  Angaben  den  Vorzug,  dass 
sie  viel  mehr  noch  als  die  Zeitbestimmung  den  Charakter  deuten. 
Ohnehin  kommt  es  in  künstlerischer  Beziehung  keineswegs  auf 
genaueste  mathematische  Tempobestimmung  an,  da  sie  sich,  na- 
menthch  in  einem  läi^eren  Tonstücke,  nicht  einmal  absolut 
festhalten  lässt,  und  die  Stimmung  des  Momentes  hin  und  wie- 
der eine  etwas  raschere  oder  langsamere  Bewegung  fordert. 

Von  dem  Ergreifen  des  rechten  Tempo  nängt  sehr  viel 
ab,  und  es  kann  durch  dessen  Verfehlen  nicht  allein  die  charak- 
teristische, sondern  selbst  auch  die  formale  Schönheit  eines  Ton- 
stückes sehr  verdunkelt  und  der  beabsichtigte  Eindruck  zerstört 
werden.     Eine    zu   rasche    Totalbewegung    bewirkt   notwendig 


298  Tempo. 

Undeutlichkeit,  die  zu  langsame  dagegen  zerreisst  stets  den  wohl- 
thuenden  Fluss  der  rhythmisch-melodischen  Perioden.  Ein  streb- 
samer Dirigent  eines  fcirchenchores  wird  darum  sich  nioht  mit 
den  allenfallsigen  Tempobezeichnungen  begnügen,  sondern  er 
wird  die  Tempobewegung  auch  aus  dem  Charakter  und  demt 
formalen  Wesen  einer  Komposition  entnehmen.  Zu  rasche  Tempi 
finden  im  allgemeinen  in  der  Kirchenmusik  keinen  Platz,  da  sie 
zu  sehr  dem  Ernste  und  der  Würde  des  Gottesdienstes  entgegen 
sind;  aber  auch  zu  langsame,  soferne  sie  nicht  durch  die  Art 
der  Komposition  und  ihren  Zweck  gefordert  werden,  sind  zu 
vermeiden,  da  sie  schleppend  und  die  Erbauung  nicht  fördernd 
sind  und  nur  zu  häufig  die  Stimmmittel  über  Gebühr  anstrengen. 
Dies  ist  besonders  zu  beachten  bei  den  Stücken  a  capella,  welche 
in  halben ,  und  ganzen  Noten  geschrieben  sind  und  von  vielen 
Dirigenten  zu  langsam  und  gedehnt  ausgeführt  werden.  Man 
lasse  sich  nicht  durch  die  grössere  Notengattung  zu  gar  lang- 
samem Vortrage  verleiten;  oenn  die  alten  Meister  suchten  auch 
durch  die  Notengattung  auf  den  Vortrag  hinzuwirken;  für  die 
Motetten  und  geistliche  Musik  bedienten  sie  sich  gern  der  grös- 
seren Noten  und  stellten  das  Zeichen  beschleuni^er  Bewegung 
voran,  während  sie  bei  der  Madrigalen-  und  weltlichen  Kom- 
position vielmehr  die  kleinere  Notengattung  wählten  und  dann 
das  Proportionszeichen  langsamer  Bewegung  anfügten.  Dadurch 
sollte  bei  gleicher  Bewegung  dort  ein  nachdrucksamer,  ernster, 
hier  ein  leichter  Vortrag  eintreten.  —  Hier  möge  die  Bemerkung 
einen  Platz  finden,  dass  es  nicht  wohlgethan  ist,  die  in  halben 
und  ganzen  Noten  geschriebenen  Werke  der  Kirchenmusik  in 
Viertel-  und  halbe  Noten  umzuschreiben,  wie  in  neuerer  Zeit 
einige  Versuche  gemacht  wurden.  Mag  auch  die  Bewegtmgs- 
geschwindigkeit  in  beiden  Fällen  gleich  genommen  werden,  so 
wird  man  doch  im  Vortrage  einigen  Unterschied  merken;  er 
wird  getragener  und  gewichtiger  sein  bei  .der  Schrift  mit  grossen 
Noten.  Allerdings  ist  dies  etwas  rein  Ausserliches ;  aber  wie 
viele  kleine  Ausserlichkeiten  wirken  auf  den  unvollkommenen 
Menschen  oft  mit  mächtigem  Einflüsse!  B.  Marx  sagt  ganz 
richtig :  -Man  pflegt  den  grossartigen  und  höheren  oder  niederen 
und  leicnteren  Sinn  eines  Tonstückes  auch  durch  die  verschieden 
benannten,  aber  gleichbedeutenden  Taktarten  anzudeuten.  Dem 
Wesen  nach  ist  jede  zwei-,  drei-  u.  s.  w.  teilige  Taktart  gleich 
einer  anderen  zwei-,  drei-  .  .  teiligen;  Haupt-  und  Nebenteüe, 
grössere  und  kleinere  Accente  bleiben  dieselben;  auch  die  Takt- 

fliederung  ist  überall  gleich;  auch  aufs  Tempo  hat  die  Grösse 
er  Taktteile  keinen  Einfluss;  es  kann  der  V2  >  %?  ^  g  Takt  die- 
selbe Schnelligkeit  der  Bewegung  haben.  Demungeachtet  hat 
man  an  alle  diese  Bezeichnungen  häufig  einen  Unterschied  ge- 
knüpft. Man  ist  stülschweigend  übereingekommen,  die  grössere 
Notengattung  als  Zeichen  mr  den  grösseren  oder  grossartigeren 
Inhalt,  die  kleinere  Notengattung  als  Zeichen  des  kleineren  oder 
leichteren  Inhaltes  und  Charakters  gelten  zu  lassen.  Hochernste, 
würdige  Sätze  wird  man  also  eher  im  *,,,  ^,^  oder  ^.j  Takt  setzen, 
flüchtige  und  leichtfertige  im  */« ,  ^U  >  ^U  Takt,  und  nun  erst  das 
Tempo  nach  der  Notengattung  bestimmen.  ...  So  seltsam  es 
Nichtkomponisten  dünken  mag,   so  möchte  sich  doch  schon  das 


Tempus  —  Terzett.  299 

bloss  technische  Geschäft  des  Schreibens  (wie  wohl  jeder  Kom- 
ponist erfahren  hat),  einen  gewissen  Einfluss  auf  die  Ausführung- 
anmassen.  Grössere  Notengattungen  (halbe  und  ganze)  schrei- 
ben sich  breiter  und  langsamer  und  verbinden  sich  weniger, 
laden  also  schon  damit  zu  breiterer  und  weniger  leichter,  flüch- 
tiger oder  flüssiger  Abfassung  und  Ausführung  der  Gedanken 
ein;  Fugen,  selbst  Choräle  im  Va  und  ^Z,  Takt  nehmen  leicht 
einen  anderen,  breiteren  und  ernsteren  Gang,  als  im  ^l^  oder 
''4  Takt.  Natürlich  wird  und  darf  sich  der  Geist  nicht  durch 
die  federführende  Hand  unterjochen  lassen;  aber  ebeij.  darum 
wählt  man  lieber  gleich  die  zusagendere  Schreibart.**  Ahnliche 
Erfahrungen  wird  jeder  Dirigent  bei  der  Ausführimg  der  in  der 
einen  oder  anderen  Weise  notierten  Stücke  machen. 

Tempus,  s.  Mensuralmusik. 

Tenor  (vom  lat.  teneo,  halten,  inne  haben)  kommt  in  meh- 
reren Bedeutungen  in  der  Musik  vor:  1)  Guido  bezeichnet  damit 
die  Dauer  eines  Tones,  insbesondere  des  letzten  Tones;  2)  Tenor 
nannte  man  auch  die  Dominante  eines  Kirchentones,  den  das 
E VO VAE  beginnenden  Ton ;  3)  dann  auch  den  ununterbrochenen 
Lauf  der  Oktavenreihe,  sowie  den  ambitus.  Umfang  und  Inhalt 
einer  Tonart  (Gerb.  II.  366);  4)  eine  Hauptmelodie,  zu  welcher 
ein  Discantus  oder  auch  mehrere  Stimmen  gesetzt  wurden,  vox 
principalis,  oantus  firmus  (s.  KontrapunKt).  5)  Die  höhere 
männfiche  Stimme  (s.  Stimme).  Anfänglich  war  die  Tenor  be- 
nannte und  die  Hauptmelodie,  den  cantus  firmus  führende 
Stimme  die  tiefere  gegenüber  dem  höheren  Discantus;  später 
gesellten  sich  eine  tiefere  Stimme,  Bassus,  und  eine  mittlere, 
Kontratenor,  hinzu,  welch  letztere  man  zuletzt  Alto  benannte; 
die  oberste  und  höchste  Stimme  hiess  dann  Soprane. 

Tenuto  (ital.),  abgekürzt  ten.,  ausgehalten,  getragen,  be- 
deutet, dass  die  betrenenden  Noten  ihrem  vollen  Werte  nach 
ausgehalten  werden  sollen. 

Terminatio  (lat.),  Ausgang  oder  Schlussfall  eines  Psalm- 
tones. / 

Terz ,  der  dritte  Ton  /Von  einem  angenommenen  Grundton 
aus,  oder  ein  Intervall  von  drei  Stufen,  welches  auf  dreierlei 
Weise  vorkommen  kann,  a)  als  grosse  Terz,  bestehend  aus  zwei 
ganzen  Tönen,  von  den  Alten  deshalb  Ditonus  genannt;  ihr 
mathematisches  Verhältnis  ist  4:5.  b)  Als  kleine  Terz,  be- 
stehend aus  einem  ganzen  und  oinem  grossen  halben  Ton,  — 
semiditonus,  —  5:6;  c)  als  verminderte  Terz,  bestehend 
aus  zwei  grossen  halben  Tönen  j  Verhältniss  225  :  256.  —  Die 
Terz,  sowohl  die  grosse  als  kleine,  ist  für  die  Harmonie  sehr 
wichtig,  indem  sie  das  charakteristische  Intervall  für  die  Ton- 
arten, die  grosse  für  die  Dur-,  die  kleine  für  die  Moll-Tonarten  — 
ist;  im  Dominantaccord  ist  sie  der  Leitton,  semitonium 
modi,  und  es  wird,  um  diesen  für  die  Molltonarten  zu  gewinnen, 
die  leitereigene  kleine  Septime  beim  Dominantaccord  in  Moll  um 
einen  halben  Ton  erhöht,  um  die  grosse  Terz  und  somit  einen 
Leitton  zu  gewinnen.  Die  älteren  Tonlehrer  benannten  die  Terz, 
weil  sie  das  mittlere  Intervall  des  Dreiklanges  ausmachte,  auch 
Mediante. —  (S.  Horae  canonicae.) 

Terzett,  Terzette,  nennt  man  ein  Tonstück  für  drei  kon- 


300  Terzquartaccord  —  Text. 

•zertierende  (Sing-)Stimmen ,  unbeschadet  der  Instrumentalbeglei- 
tung; dreistimmige  Instrumentalsätze  heissen  Trios. 

Terzquartaccord,  s.  Accord. 
■  Tetrachord,  eine  Reihe  von  vier  Tönen,  war  die  Grund- 
lage des  griechischen  und  fmheren  mittelalterlichen  Tonsystems. 
Man  fand  und  benützte  drei  verschiedene  Tetrachorde  der  dia- 
tonischen'Tonreihe:  a)  mit  der  Tonfolge  von  ^,  1,  1  Ton,  wie 
B  (H)  C  D  E,  3  c  d  e,  E  F  G  a,  e  f  g  a;  b)  mit  der  Tonfolge 
von  1,  ^,  1  Ton,  wie  A  B  (H)  C  D,  a  |j  c  d,  D  E  F  G,  d  e  f  g; 
o)  mit  der  Tonfolge  von  1,  1,  ^  Ton,  wie  i'  A  B  C,  G  a  fl  c, 
CJ  D  E  F,  c  d  e  f.  Je  nach  ihrer  Stellung  erhielten  sie  die  Na- 
men.  Tetrachord  hypaton  (das  tiefste),  meson  (das  mittlere),  die- 
zeugmenon  (das  getrennte) ,  synemmenon  (das  verbundene), 
hjperbolaeon  (das  oberste).  Vom  XL  Jahrb.  an  bediente  man 
sich  dieser  Namen  nur  mehr  selten,  sondern  hielt  sich  einfach 
an  die  obengenannten  drei  Unterschiede.  Dagegen  fügte  man 
weiter  jedem  dieser  Tetrachorde  noch  einen  Ton  an,  una  erhielt 
dadurch  vier  Fentachorde  oder  Fünftonreihen,  aus  deren  Ver- 
bindung mit  den  Tetrachorden  man  die  acht  Oktavreihen,  Kir- 
ohentöne  oder  Tonarten  konstruierte.  Obwohl  zwei  gleichartige 
von  obigen  Tetrachorden  (F  G  a  2  blieb  wegen  des  Tritonus  von 
der  Reihe  der  legitimen  Tetrachorde  ausjgeschlossen)  in  diazeuk- 
tischer  Weise  miteinander  verbunden  eine  richtige  Oktavreihe 
ff  eben,  so  behielt  man  doch  (Alkuin  lehrt  es  und  die  heutige 
Chorallehre  hält  sich  noch  daran)  die  Zusammensetzung  oer 
Oktav  aus  Ouint  und  Quart  (Diapente  und  Diatessaron)  fest, 
weil  nur  auf  dieser  Grundlage  ein  schönes,  festgeschlossenes 
System  der  Tonarten  sich  ergab.  Den  Ausgang  nahm  die  mittel- 
alterliche Theorie  vom  Tetrachord  D  E  F  G,  diese  vier  Töne 
waren  die  Basis  der  Oktavreihen,  in  diese  Töne  endeten  alle 
Gesänge,  weswegen  sie  Finales,  Schlusstöne  und  so  auch  dies 
Tetrachord  tetrachordum  finalium  benannt  wurden.  Auf  jedem 
dieser  Töne  errichtete  man  eine  Quint  oder  vielmehr  ein  renta- 
chord  und  auf  dieses  ein  Tetrachord  in  verbundener  Weise 
(synemmenon);  diese  Art  der  Zusammensetzung  ergab  den 
authentischen  oder  Hauptton  (Tonart);  ferner  mgte  man  das 
betreffende  Tetrachord  unten  statt  oben  an,  und  man  hatte  die 
plagalische  oder  Nebentonart;  für  beide  blieb  aber  der  unterste 
Ton  des  Pentachords  Grund-  und  Schlusston.  So  bildete  sich 
durch  Benützung  des  ersten. Pentachords  (Diapente  (D  E  F  G  a 
und  des  ersten  Tetrachords  a  :|  c  d  (A  B  C  D)  die  erste  und 
zweite  Oktavreihe,  die  I.  und  IL  Kirchentonart  mit  dem  Schluss- 
tone D;  und  so  bei  den  übrigen.  (S.  Kirchentonarten,  vgL 
Kirchenmusikalisches  Jahrbuch  von  X.  Haberl  1885,  1886,  1887. 
^Die  alten  Musiktheoretiker".) 

Text,  in  der  Musik  die  Worte,  welche  zur  musikalischen 
Komposition  bestimmt  sind  und  gesungen  werden,  die  sprach- 
liche Unterlage  eines  Tonstückes.  In  der  Kirchenmusik  sind  die 
Texte  nicht  der  ganz  freien  Auswahl  des  Tonsetzers  überlassen, 
sondern  sie  sincT  für  jede  gottesdienstliche  Handlung  und  jeden 
Teü  derselben  festgesetzt,  und  er  kann  daher  nach  den  aus- 
drücklichen Bestimmungen  der  Kirche  nicht  andere  als  die 
rituellen    nehmen,    und    dem   Dirigenten    obliegt    ebenso    die 


Text.  301 

Pflicht,  nur  Tonstücke  mit  den  rituellen  und  für  das  jeweilige 
Fest  oder  die  gottesdienstliche  Feier  vorgeschriebenen  Texten, 
in  Anwendung  zu  bringen;  im  Notfalle  ist  wohl  ein  von  dem 
für  die  Feier  vorgeschriebenen  Texte  des  Offertoriums,  Graduales, 
ülierhaupt  der  wechselnden  Texte,  abweichender  Text  verstattet,, 
jefloch  nur  ein  ritueller,  kirchlicher  und  mit  der  Feier  in  Be- 
ziehung stehender.  Die  Kirche  hat  sich  oft  und  oft  über  den 
Missbrauch  und  den  Unfug,  der  mit  den  Texten  gemacht  wurde 
und  wird,  nachdi'ücklichst  ausgesprochen.  Ihr  Wille  in  diesem 
Punkte  lässt  sich  in  folgende  Sätze  zusammenziehen:  Es  sollen 
die  Textworte  deutlich  vernehmbar  sein;,  sie  sollen  nicht 
unnötig  wiederholt  werden,  Abkürzung,  sinnstörende 
Zerstückelung  hat  fern  zu  bleiben*  es  sollen  die  bedeut- 
samen Worte  auch  durch  die  Musik  entsprechend  hervor- 
gehoben werden.    (Vgl.  Credo,  Orgel,  Psalm  u.  a.) 

Die  älteren  guten  Tonmeister  seit  Palestrina,  der  gegen- 
über den  Ausartungen  der  vorhergehenden  Zeit  eine  den  Anfor- 
derungen  der  von  Papst  Pius  IV.  eingesetzten  Kommission  ent- 
sprechende Kirchenmusik  lieferte,  haben  diese  Normen  immer 
emgehalten,  und  sie  glitten  über  Stellen,  wie  „Adoramus  te, 
Suscipe  deprecationem^  im  Gloria,  „Et  in  Jesum  Christum,  Et 
inoarnatus,  Cruciflxus"  u.  dgl.  im  Credo  nicht  rücksichtslos  hin- 
weg, sondern  einigten  sich  mit  dem  bei  diesen  Stellen  anbeten-^ 
den  Priester  durch  Einfügung  gedehnter,  ruhig  gehaltener  Me- 
lodie. Für  den  Kirchenkomponisten  macht  Stein  die  Bemerkung: 
-Er  muss  den  Text  zu  erfassen  suchen,  aber  nicht  so  fast  den 
Text  allein,  sondern  die  ganze  heilige  Handlung  hat  er  gleichsam 
in  Musik  zu  setzen.  Er  muss  nicht  den  Ein<&uck  wiedergeben^ 
den  ein  Text  auf  ihn  gemacht  hat,  sondern  die  Stimmung  aus- 
zudrücken suchen,  welche  in  der  ganzen  liturgischen  Feier  weht, 
wovon  der  Text  nur  ein  untergeordneter  Teil  ist;  —  die  Stim- 
mung, welche  nach  der  Absicht  der  Kirche  bei  dieser  Gelegenheit 
alle  Gemüter  beherrschen  soll.  Diese  Stimmung  kann  er  nicht 
lediglich  aus  sich  allein  entnehmen,  er  muss  sie  vorerst  von 
aussen,  durch  richtiges  Erfassen  der  liturgischen  Handlung  und 
ihrer  besonderen  Bedeutung  bei  der  besonderen  Gelegenheit,  für 
welche  er  arbeiten  will,  —  durch  Vertiefen  seines  Gemütes  in 
diese  Handlung  —  durch  ein  reges  Mitleben  des  ganzen  kirch- 
lichen Lebens  —  in  sich  aufnehmen."  So  wird  dann  auch  die 
leidige  Wortmalerei  von  selbst  wegfallen. 

Von  grosser  Wichtigkeit  ist  es,  die  Textworte  auf  ange- 
messene Weise  unter  die  Noten  zu  setzen.  Bis  Mitte  des  XVI^ 
Jahrh.  findet  man  in  den  Drucken  die  Worte  ganz  ohne  Rück- 
sicht auf  den  Platz  unter  das  Linien  System  gesetzt,  und  die 
Sänger  mussten  sie  nach  ihrem  Urteile  unter  aie  Noten  vertei- 
len; man  hatte  hierfür  gewiss  bestimmte  Regeln,  welche  aber 
nicht  schrifthoh  auf  uns  gekommen  sind.  Wir  Können  sie  jedoch 
aus  Notendi'ucken  des  XVI.  Jahrh.,  aus  den  Werken  Lassos  be- 
sonders, in  welchen  die  Silben  aufs  gewissenhafteste  untergelegt 
sind,  ableiten.  Bellermann  führt  nachfolgende  als  die  hauptsächlich- 
sten an:  1)  Ligaturen  dürfen  nicht  durch  Silben  zerrissen  werden: 
2)  wenn  mehrere  Noten  auf  einer  Silbe  standen,  so  liess  man 
nur    nach    den   grösseren   Notengattungen,    nicht    nach    einer 


302  Text. 

Viertelnote  eine  neue  Silbe  aussprechen,  da  das  Aussprechen 
der  Konsonanten  und  das  Verändern  der  Mundstellung  nicht 
ohne,  wenn  auch  noch  so  kleinen  Zeitverlust  geschehen  kann; 
3)  einem  einzeln  stehenden  Viertel  gab  man  dagegen  ohne  Be- 
denken eine  Silbe,  z.  B.  Dominum.  4)  Um  dem  Sänger  bequeme 
Zeit  zum  Atemholen  zu  gönnen,  besonders  an  Stellen,  wo  eine 
Verbindung  der  Töne  notwendig  erschien,  imd  die  Melodie  nicht 
zerrissen  werden  sollte,  setzte  der  Komponist  nicht  selten  vor 
einer  längeren,  bisweilen  auch  vor  einer  Kürzeren  Note  ein  Vier- 
tel von  derselben  Tonhöhe,  z.  B.: 


mi    -    nus. 


Ton  solchen  gleichen  Noten  ist  die  zweite  stets  eigens  zu  into- 
nieren, und  es  darf  auf  ein  solches  Viertel  weder  eme  Silbe  ge- 
setzt werden,  noch  eine  Silbe  unmittelbar  nachfolgen.  5)  Die 
Wendung  der  Wechselnote 


■f^^^^i 


^^i^ä 


verträgt  keine  eigene  Silbe.  6)  Bei  fugierten  Sätzen  benützten 
die  Alten  die  letzte  oder  vorletzte  SÜDe  des  Textes  im  Thema 
zu  Melismen,  um  den  Eintritt  der  nachahmenden  Stimme  deut- 
licher hören  zu  lassen.  7)  Das  Thema  einer  Fuge  oder  Imitation 
oder  eines  Kanons  muss  bei  der  Nachahmung  jedesmal  dieselben 
Worte  und  dieselbe  Wortunterlage  haben,  vor  allem  aber  auf 
den  ersten  Noten,  weü  sich  diese  dem  Gehöre  am  meisten  ein- 
prägen. 8)  Zum  Text  eignet  sich  vernünftigerweise  nur  ein 
kurzer  Satz,  ein  vollkommen  abgeschlossener  Gedanke.  Die 
Alten  nahmen  also  sorgföltige  Rücksicht  auf  Verständlichkeit 
der  Textworte,  um  nicht  verschiedene  Textworte  zu  gleicher 
Zeit  hören  zu  lassen,  welche  Ausartung  im  XIII.  bis  XV7  Jahrh. 
besonders  im  Schwünge  war,  oder  durch  zu  viele  und  schnell 
aufeinander  folgende  Süben  das  Verständnis  zu  erschweren. 
Allerdings  haben  sie  oft  auch  gegen  die  Quantität  der  Silben 
gefehlt,  und  in  dieser  Hinsicht  liessen  es  die  Komponisten  oft 
genug  und  lassen  es  nicht  selten  heutzutage  noch  fehlen,  -;- 
aber  gegen  den  Sinn  haben  sie  nie  Verstössen,  z.  B.  persequßris 
statt  persequeris  gesetzt.  Bei  synkopierten  Noten  nahmen  sie  es 
nie  genau  und  es  beleidiget  diese  Art  auch  das  Gehör  nicht  son- 
derlich; auch  kann  eine  kurze  Schlusssübe  durch  ein  Melisma 
gedehnt  werden,  wie  es  in  den  Choralmelodien  häufig  durch  die 
Neumen  oder  Jubilen  geschieht. 

In  dem  Gregorianischen  Chorale  herrschte  bei  der  Text- 
unterlage oder  vielmehr  bei  der  Besetzung  einer  Silbe  durch  mehr 
oder  weniger  Noten  beziiglich  ihrer  Länge  und  Kürze  oft  grosse 
Willkür;  besonders  vom  A.  Jahrh.  angemngen,  wo  die  Melodien, 


Thema.  303 

vornehmlich  bei  den  Franzosen,  sehr  notenreich  werden,  über- 
liessen  sich  die  Verfasser  solcher  Melodien  mehr  dem  dm-eh  die 
augenblickliche  Stimmung  und  das  gehobene  Gefühl  diktierten 
melodischen  Flusse,  dem  sich  die  Quantität  der  Silben  teilweise 
unterordnen  musste.  Doch  war  das  keineswegs  für  das  Ohr  und 
den  Sprachaccent  so  beleidigend,  weü  kurze,  mit  vielen  Noten 
belegte  Süben  immer  durch  die  nachfolgende ,  auch  tonreiche 
Silbe  eine  Gewichtsausgleichung  fanden  und  der  gute  Vortrag 
die  über  eine  kurze  Silbe  gesetzten  mehreren  Noten  als  ein  leicht 
hinfliessendes  Melisma  mit  geringem  Acoent  darstellte.  So  z.  B. 
wenn  beim  Worte  „Dominus"  die  kurze  Silbe  „mi"  mehrere  No- 
ten über  sich  hat,  so  ist  immer  die  erste  Sübe  mit  einer  schwe- 
ren langen  nota  essentialis,  die  letzte  Silbe  „nus*^  wenigstens 
mit  zwei  länger  zu  haltenden,  durch  absteigenden  Gang  gewich- 
tigere Noten  belegt.  Doch  ist  auch  die  erste  als  mehr  oetonte 
Sube  in  der  Regel  häufiger  mit  mehreren  Noten  besetzt.  Voll- 
kommen gültige  Regeln  lassen  sich  nicht  abstrahieren.  Die 
Herausgeber  neuer  Cnoralbücher  gingen  in  ihren  diesbezüglichen 
Ansichten  weit  auseinander,  und  die  unzähligen  Versionen  der 
Choralmelodien  waren  nicht  geeignet,  eine  einheitliche  Behandlung 
des  Gegenstandes  'zu  ermöglichen.  Diesem  Übelstande  ist  durch 
die  typische  Ausgabe  der  liturgischen  Choralbücher  abgeholfen. 

Häufigere  und  beachtenswertere  —  weil  im  steten  Be- 
dürfnisse liegende  ^-  Nachfrage  erregte  die  Textunterlage  beim 
Psalm  engesang  e.  Dass  es  je  hierfür  bestimmte  Regeln  ge- 
geben habe,  ist  taum  anzunehmen,  da  nirgends  hierüber,  auch 
nicht  im  Directorium  chori,  eine  Andeutung  zu  finden  ist.  Die 
päpstlichen  Kapellsänger  legen  in  den  Psalmkadenzen  eine  gleiche 
Anzahl  Silben  ohne  Rücksicht  auf  Länge  oder  Kürze  unter  die 
selbständigen  Noten.  Das  Zusammentreffen  verschieden  betonter 
Silben  ohne  metrische  Regelmässigkeit  macht  den  Psalmengesang 
etwas  schwer,  und  diese  Schwierigkeit  kann  n-ur  durch  L  her- 
einkommen der  Psalmen  singenden  Communität  oder  des 
Chores  gehoben  werden,  wobei  es  hauptsächlich  darauf  ankommt, 
dass  man  alle  Ungelenkigkeit  in  Unterordnung  der  Silben  unter 
die  Klauseln  vermeide.  In  neuerer  Zeit  sind  Versuche  gemacht 
worden,  hierin  eine  Einheit  anzubahnen:  „Anleitung  zur  kirch- 
lichen Psalmodie"  von  Jos.  Mohr,  Regensburg,  Fr.  rüstet  1879;. 
Tresch,  J.  B.,  „Die  Viergliederung  in  den  Kadenzen  der  Psalm- 
töne^,  Eichstädt,  Hornik  1881;  „Psalterium  vespertinum"  (Volks- 
ausgabe) von  Fr.  X.  Haberl,  Kegensburg,  Pustet  1885. 

Thema,  eigentlich  das,  was  als  Gegenstand  der  Behand- 
lung vorgesetzt  wird,  dann  der  Hauptsatz,  über  den  abgehandelt 
wii'u  oder  werden  soll,  so  auch  in  der  Musik  der  Satz,  welcher 
einem  ganzen  Tonstücke  oder  einem  Teüe  desselben  zu  Grunde 
liegt.  Nachdem  das  Thema  hingestellt  ist,  wird  es  weiter  aus- 
genihrt  und  verarbeitet  nach  den  Regeln  der  Tonsetzkunst  — 
thematische  Arbeit,  —  so  dass  es  in  verschiedenen  Wen- 
dungen und  Tonarten  und  unter  mancherlei  Veränderungen 
wieder  kommt.  In  der  thematischen  Arbeit  kann  das  Genie 
seine  Kraft  mit  höchster  Freiheit  entfalten  und  gewinnt  auch 
ein  Tonstück  dadurch  an  eigentlich  künstlerischer  Bedeutung. 
In  der  Fuge  heisst  das  Thema  Subjekt,  Führer.    Die   ersten 


304  Thema. 

Keime  der  thematischen  Arbeit  zeigen  sich  in  den  Anfingen  des 
Kontrapimktes ;  im  XII.  Jahrh.  redet  Joh.  v.  Garlanoia  von 
„Repetitionen  eines  Satzes"  in  verschiedenen  Stimmen  —  was 
nichts  anderes  ist,  als  Imitation,  Nachahmung.  Die  erste  nieder- 
ländische Schule  (XIV.  Jahrh.)  umkleidet  noch  den  cantus  firmus 
mit  Harmonien  und  kontrapunktischen  Formen,  und  bringt  nur 
gelegentlich,  nicht  zu  häufig  Kanons  an;  aber  Busnois  Kennt 
schon  die  künstlerische  Bedeutung  streng  im  Kanon  einander 
nachahmender  Stimmen  und  wendet  sie  häufig  an.  In  den  Wer- 
ken des  XVI.  Jahrh.  endlich  macht  sich  neben  dem  Zusammen- 
fügen verschiedener  Melodien  auch  das  lebendige  Entwickeln 
der  einen  aus  der  anderen  geltend.  Man  benützte  für  die  Kir- 
chenwerke häufig  Themata  aus  Kirchenweisen,  die  sich  aber 
Dehnung,  Verküi'zung  u.  dgl.  gefallen  lassen  mussten,  wie  es 
eben  die  sie  umspinnenden  Nacnahmungen  u.  a.  forderten,  wo- 
durch der  cantus  firmus  in  Melodie  und  Text  oft  ganz  unver- 
ständlich wurde ;  da  man  hierzu  die  ganze  Kirchenweise  nicht 
mehr  brauchen  konnte,  so  begnügte  man  sich  gewöhnlich  mit" 
einem  Teüe  derselben.  Die  Niederlander  gingen .  noch  weiter  und 
benützten  für  ihre  Kirchenwerke  selbst  weltliche  Weisen  als 
Themen,  was  bald  allgemeine  Nachahmung  fand.  Die  Stimmen 
der  Kirchenoberen  und  besonders  das  Konzil  von  Trient  machten 
diesem  Missbrauohe  ein  Ende.  Die  römische  Schule  zog  es  nach 
dem  Vorgange  Palestrinas  vor,  ihre  Themen  aus  dem  Grego- 
rianischen Kirchengesange  oder  aus  selbsterfimdenen  geistlichen 
Gesängen  berühmter  Meister  zu  entlehnen;  die  venedische  Schule 
scheint  bald  beides  hintangesetzt  zu  haben,  wie  sie  überhaupt 
freiere  Erfindung  allem  anderen  vorzog.  In  dieser  Zeit  hatten 
sich  die  Formen  der  thematischen  Entwickelung:  Imitation,  Ka- 
non, fugierter  Satz,  Ricercari  zu  hoher  VoUenoung  herausgebil- 
det, und  werden  in  dieser  Beziehung  die  Meisterwerke  des  XVL 
Jahrh.  stets  vollendete  Muster  bleiben.  Dies  hat  wohl  nur  für 
die  Vokalmusik  Geltung  —  nur  die  Ricercari  waren  für  Instru- 
mente geschrieben,  —  dm*ch  den  Aufschwung  der  Instrumente 
erfuhr  (Be  thematische  Entwickelung  einen  namhaften  Vorschub ; 
vorzüghch  war  es  die  Orgel,  welche  hierzu  am  meisten  beitrug, 
und  wie  hoch  man  gestiegen,  das  bezeugen  die  staunenswerten 
Orgelwerke»  Seb.  Bacns.  Zugleich  erwuchs  aus  den  fugierten  For- 
men die  Fuge  (s.  d.),  jene  höchste  Form  der  neueren  Kunstmusik, 
ein  aus  strenger  und  freierer  Nachahmung  in  bestimmter  Folge, 
nach  einem  gewissen  Gesetze  gearbeitetes  mehrstimmiges  Ton- 
stück. Die  thematische  Arbeit  m  ihrem  allseitigen  Wesen,  die 
Entwickelung  und  Herausbüdung  eines  Tonstückes  aus  einem 
längeren  oder  kürzeren  Thema  durch  Auflösung  desselben  in 
seine  Bestandteile  und  deren  Fortbildung  zu  neuen  Perioden  ist 
erst  seit  Haydn,  Mozart  und  Beethoven  mit  der  modernen  In- 
strumentation ins  Leben  getreten,  gehört  auch  nur  der  reinen 
Instrumentalmusik  an,  weswegen  hier  darüber  nichts  weiter  zu 
sagen  ist.  Die  Vokalmusik  macht  von  der  Zergliederung  des 
Themas  und  der  ebenmässigen  Periodenbildung  entweder  keinen 
oder  doch  nur  eingeschränkten  Gebrauch,  was  auch  schon  der 
Text  gebieten  würde;  sie  beschränkt  sich  hauptsächhch  nur  auf 
die  streng  thematischen  Formen. 


r  * 


Theorbe  —  Tonart.  305 

Theorbe,  ital.  Tiorba,  ein  veraltetes  Saiteninstrument, 
um  1650  erfunden,  war  eigentlich  eine  grosse  Laute  und  wurde 
auch  wohl  Basslaute  genannt.  Man  bediente  sich  derselben 
bei  der  Kirchenmusik  und  auch  in  der  Oper,  um  den  Gesang  in 
Accorden  zu  begleiten  und  den  sagenannten  Generalbass  darauf 
zu  spielen.    Docn  dauerte  ihr  Gebrauch  nicht  über  100  Jahre. 

Thesis  (griech.),  die  Senkung,  der  Niederschlag,  der  gute 
Taktteil. 

Tintinabulum  (lat.),  die  Schelle,  das  Glöcklein.  Man  be- 
nützte solche  zu  Glockenspielen  (s.  d.)  in  Orgeln;  Gerbert  führt 
in  den  Script,  mehrere  Anweisungen  an,  tmtinabula  organica 
oder  nolae  zu  giessen. 

Toccate,  ital:  Toccata,  ein  Tonsatz  für  Klavier  oder  Or- 
gel, welcher  fast  dasselbe  wie  Phantasie,  Caprice,  auch  Etüde  war. 

Ton  bedeutet  einen  Klang  von  bestimmten  Schwingungs- 
verhältnissen, von  bestimmter  Höhe  oder  Tiefe.  Man  bezeichnet 
mit  diesem  Worte  aber  auch  ein  Intervall  —  Tonus  — ,  dessen 
beide  Enden  nur  um  eine  diatonische  Stufe  voneinander  ent- 
fernt sind.  Da  dieses  Intervall  verschiedene  Grösse  haben  kann, 
so  hat  man  ganze  und  halbe  Töne,  und  scheidef  diese  wieder 
in  grosse  und  kleine  ganze  und  grosse  und  kleine  halbe 
Töne.  Der  ganze  Ton  ist  dasselbe  Intervall,  welches  wir  ge- 
wöhnlich die  grosse  Sekunde  nennen,  der  halbe  Ton  ist  die 
kleine  Sekunde.  Der  grosse  ganze  Ton  ist  in  seinem  mathe- 
matischen Verhältnisse  (9  r  8)  um  ein  Komma  (81  :  80)  grösser 
als  der  kleine   ganze  Ton  (10  :  9);   die  temperierte  Stimmung 

gleicht  beide  jedoch  aus.  Ebenso  imterscheiden  sich  der  grosse 
albe  Ton  (16  :  15),  welcher  sich  in  der  diatonischen  Skala  nur 
zwischen  der  3.  und  4.  und  zwischen  der  7.  und  8.  Stufe  findet, 
und  der  kleine  halbe  Ton  (25  :  24),  welcher  bei  den  chroma- 
tischen Verhältnissen  der  übrigen  Stufen  stattfindet,  z.  B.  c-cis, 
d-dis  etc.  —  Das  Wort  Ton,  Tonus  gebraucht  man  dann  noch 
für  Tonart  und  Tongeschlecht|  so  besonders  bei  den  Kir- 
chentonarten. 

Tonalität  ist  ein  moderner  Begriff,  aus  Frankreich  stam- 
mend,  und  bedeutet  die  Bezogenheit  eines  Harmoniegefüges  auf 
den  Hauptaccord  der  Tonart  eines  Stückes,  der  gleichsam  als 
Centrum  dasteht. 

Tonart  ist  die  Darstellung  eines  Tongeschlechtes  auf  einem 
bestimmten  Tone.  Da  sowohl  das  Dur-  als  auch  das  Moll-Geschlecht 
auf  jedem  beUebigen  Tone  erbaut  werden  kann,  so  gibt  es  zum 
mindesten  24  Tonarten,  insofern  die  12  Töne  c,  eis,  d,  dis,  e,  f, 
fis,  g,  gis,  a,  ais,  h  als  Grundlage  genommen  werden;  da  aber  jeder 
Ton  enharmonisch  umgenannt  (z.  B.  dis-es,  gis-as,  ais-b)  werden 
kann,  so  ergeben  sich  noch  mehrere  Tonarten.  Indessen  sind 
alle  diese  Tonarten  der  neueren  Musik  nur  Transpositionen,  Ver- 
setzungen der  beiden  Normaltonarten  oder  Grundskalen  C-dur 
imd  A-moU  auf  einen  anderen  Grundton  und  bleiben  in  ihren 
inneren  Verhältnissen  diesen  ganz  gleich.  Solche  Versetzungen 
kannten  schon  die  Griechen  und  wendeten  sie  in  ihren  15  Trans- 
position sskalen  an.  Verschieden  aber  sind  die  zwölf  sogenann- 
ten Kirchentonarten  (s.  d.).  Die  neuere  Musik  benützte 
davon  die  jonische  Tonart  als  C-dur  und  die  äolische  als  A-moU.  — 

Kornmüller,  Lexikon.  *      20 


•  -^ 


306 


Tongesohlecht  —  Tonika. 


Paralleltonarten  nennt  man  die  Dur-  und  Moll-Tonarten, 
welche  gleiche  Vorzeichnung  haben  und  in  ihrem  Grundtone  um 
eine  kleme  Terz  voneinander  abstehen. 

Die  Aufzählung  und  Vorzeichnung  der  Dur-  und  Moll- 
Tonarten  des  neuen  Tonsystems,  wo  1e  eine  Dur-  und  Moll-Tonart 
gleiche  Vorzeichnung  haben,  geschieht  in  folgender  Weise: 


Dur:  C.      G. 


D. 


1=5^'^ 


't 


A.  E.  H.  Fis. 


Moll:A.      E.        H. 


Fis. 


Cis. 


Gis. 


Dis. 


Dur:  F. 


B. 


Es. 


As. 


Des. 


Ges. 


Moll:  D.        G. 


l^g^J^g^^^l^^l 


C. 


F. 


B. 


Es. 


•    • 


Tongeschlecht  bezeichnet  wesentlichj  charakteristisch  ver- 
schiedene Anordnungen  des  Tonsvstems,  die  den  gesamten  Ton- 
festaltungen  oder  der  Musik  zur  Grundlage  dienen.  Die  Griechen 
atten  drei  Tongeschlechte :  das  diatonische,  chromatische  imd 
enharmonische;  das  neuere  Tonsystem  hat  nur  das  diatonische 
Geschlecht  beibehalten  mit  semen  zwei  Hauptgestalten:  Dur 
und  Moll,  wogegen  die  ältere  christliche  Musik  das  diatonische 
Geschlecht  in  den  cantus  durus,  cantus  mollisund  cantus 
naturalis  schied.  Man  nennt  jetzt  die  zwei  Hauptgestalten 
auch  Geschlechte,  und  hat  demnach  das  Dur-  und  Mo  11- Ge- 
schlecht. Beide  haben  als  melodisches  und  harmonisches  Kenn- 
zeichen die  Terz,  indem  das  Dur-Geschlecht  die  grosse  Terz 
und  den  grossen  Dreiklang,  das  Moll-Geschlecht  die  kleine 
Terz  und  den  kleinen  Dreiklang  über  der  Tonika  haben. 
Hierdurch  erwächst  den  Tongeschlechtern  auch  ein  unterschei- 
dender Charakter.  Das  Dur  ist  viöl  bestimmter,  ist  stets  der 
Ausdruck  einer  sich  klar  bewussten  Kraft  —  männlich,  dem  MoU 
haftet  das  Weiche,  Sanfte  und  zärtlich  Schmelzende  als  natür- 
licher Charakter  an  —  weibliche  Natur;  ersteres  eignet  sich  für 
den  Ausdruck  von  Festigkeit,  Frohsinn  und  Heiterkeit,  letzteres 
für  Schwermut,  Klagen  und  Trauer.  Was  einige  Ästhetiker  von 
dem  Charakter  der  einzelnen  Tonarten  sagen,  beruht  nur  auf 
äusseren  Gründen  und  hängt  entweder  von  der  höheren  oder 
tieferen  Tonlage,  oder  von  der  verschiedenen  Klangfarbe  der 
verschiedenen  Töne  auf  einem  und  demselben  Instrumente  u.  dgl. 
ab,  hat  aber  keine  tiefere  innere  Begründung. 

Tonika  ist  immer  der  Grundton  derjenigen  Tonart,  in 
weloher  sich  die  Modulation  befindet,  oder  der  erste  Ton  der 
Leiter  derjenigen  Tonart,  in  welcher  die  eben  vorhandene  Me- 
lodie oder  Harmonie  sich  bewegt.  Mit  ihr  stehen  alle  übrigen 
Töne  der  Leiter  oder  Tonart  in  innigster  Beziehung  und  smd 
mit  ihr  in  |)estimmten  Verhältnissen  verbunden.  Wohl  davon 
ist   zu   unterscheiden    der  Grund-   oder    Hauptton    eines    Ton- 


Tonisch  —  Tonkunst,  kirchliche.  307 

Stückes,  welcher  immer  derselbe  bleibt,  während  die  Tonika 
wechseln  kann,   ie  nachdem  die  Modulation  durcji  verschiedene 
Tonarten  läuft.    Man  könnte  diesen  Haupt-  und  Grundton  auch 
„Haupttonika^  nennen. 

Tonisch  —  alles,  was  tönt  und  aus  Tönen  gebildet  ist; 
dann,  was  in  Beziehung  zu  einem  gewissen  Grundtone  oder  einer 
gewissen  Tonart  steht.  Tonischer  Dreiklang  —  der  auf  dem 
Grund-. oder  Haupttone  eines  Stückes  erbaute  Dreiklang;  toni- 
sche Dominante  —  die  zu  diesem  gehörige  Dominante. 

Tonkunst,  kirchliche.  Jede  Kunst  wurzelt  in  der  Re- 
ligion, darum  wir  sie  allezeit  mit  dieser  Hand  in  Hand  gehen 
sehen.  Ihren  Ursprung  hat  sie  eigentUch  im  Bewusstsein  des 
Menschen  von  dem  Verluste  des  ersten  Zustandes  der  Gottes- 
kindschaft  und  in  der  Sehnsucht  nach  Wiedei-herstellung  des- 
selben. Dies  Bewusstsein  tritt  aber  am  klarsten  in  der  Rehgions- 
übung  hervor,  und  somit  stellt  sich  der  innige  Zusammenhang 
der  Kunst  mit  der  Religionsübung,  dem  Kultus,  heraus.  Die 
Aufgabe  der  Kunst  ist  dann  keine  andere,  als  über  das  Niedere 
,auf  etwas  Höheres,  vom  äusseren  auf  etwas  Inneres,  vom  Na- 
türlichen auf  das  Übernatürliche,  von  dem  jetzigen  Zustande  der 
Sünde  auf  den  Stand  der  Entsündigung  und  Verklärung  in  der 
Gnade  hinzuweisen.  Diese  Kraft  wohnt  den  wahren  Kunst- 
gebüden  inne  und  sie  wurden  von  der  Kirche  auch  von  jeher 
dazu  benützt.  Insbesondere  ist  die  Musik,,  die  Tonkunst  fehiff, 
heilige  Stimmungen  nicht  bloss  auszudrücken,  sondern 'auch 
zu  erwecken,  und  vorzüglich  vermag  der  Gesang  seiner  Natur, 
nach  gleichen  Empfindungen  einen  gemeinsamen  Ausdruck 
zu  verleihen. 

Ein  so  vorzügliches  Mittel  Hess  die  Kirche  nicht  unbeach- 
tet, sondern  wies  der  Tonkunst  eine  höchst  ehrenvolle  Stelle  in 
ihrem  Hause  an,  indem  sie  dieselbe  zu  einem  wesentlichen  Teile 
ihres  Kultus  erhob.  Hierdurch  entrückte  sie  die  zum  Kultus 
gehörige  Musik  subjektiver  Schaffenswillkür  und  konnte 
es  nicht  mehr  dem  emzelnen  überlassen,  wie  und  was  er  wollte, 
füx"  den  katholischen  Gottesdienst  zu  komponieren  oder  vorzu- 
tragen. Hat  der  religiöse  Tonsetzer  überhaupt  die  Freiheit,  seine 
eigensten  individuellsten  r*eligiösen  Empfindungen,  Gefühle  und 
Anschauungen  in  Tönen  darzulegen,  wie  er  es  nach  seinem  Er- 
niessen  für  gut  erachtet,  so  ist  dem  kirchlichen  Tonsetzer 
eine  Schranke  gesetzt;  er  arbeitet  nicht  mehr  für  sich,  sondern 
für  die  Kirche,  und,  wie  jeder,  der  in  eines  anderen  Dienst 
sich  begibt,  dessen  Willen  zu  berücksichtigen  hat,  so  geziemt  es 
auch  dem  kirchlichen  Tonsetzer,  den  Willen  der  Kirche  bei  sei- 
nem Schaffen  in  Betracht  zu  ziehen.  Dass  der  Wille  der  Kirche 
aber  auf  der  höchsten  Weisheit  beruht,  kann  nur  ein  der  Kirche 
Entfremdeter  und  ein  der  Geschichte  Unkundiger  in  Zweifel 
.  ziehen  und  in  Abrede  stellen.  „Norm  und  Form  muss  die  kirch- 
liche Kunst  einzig  auch  von  der  Kirche  empfangen.  Diese  allein 
weiss,  wessen  sie  bedarf  und  wie  sie  aessen  bedarf.  Nicht 
aber  hat  ..hier  eine  auf  dem  Boden  der  natürlibhen  Vernunft 
stehende  Ästhetik  des  Schönen  oder  der  blosse  Geschmack  des 
einzelnen  Gesetze  zu  diktieren.  .  .  Die  Kirche  kann  nur  jener 
Kunst  das  Heüigtum   öffnen,    die  bereit  ist,    dem  Heiligen  zu 

20* 


308  Tonkunst,  kirchliche. 

dienen,  und  zwar  nach  jenen  Regeln  und  Bestimmungen,  welche 
der  Geist  der  Kirche  gegeben;  diese  Regeln  und  Bestimmungen, 
begi'ündet  in  den  Anschauungen  des  Christentums  von  dem 
wahrhaft  Schönen  und  von  der  Aufgabe  der  Xunst  für  den  hei- 
ligen Dienst,  wurden  von  der  Kii'che  durch  alle  Jahrhunderte 
festgehalten  und  auf  Synoden  und  durch  Verordnungen  der  Bi- 
schöfe fort  und  fort  ausgesprochen;  es  bildete  sich  eine  Tradition 
der  heiligen  Kunst,  wodurcn  sie  frei  wurde  von  der  Willkür  des 
einzelnen  und  der  herrschenden  Mode  der  Welt,  eine  unterschei- 
dend christliche,  kirchliche  Kirnst.  Diese  Regeln,  Bestimmungen 
und  Traditionen  der  Kirche  sind  aber  nichts  weniger  als  will- 
kürlich, nicht  äusserUch  Angenommenes,  sondern  sie  sind  von 
Innen  heraus,  aus  dem  die  Kirche  leitenden  Geiste,  aus  ihren 
Anschauungen,  aus  den  Bedürfnissen  ihres  Kultus  organisch 
gleichsam  hervorgewachsen."  (Die  Kunst  im  Dienste  der  Kirche 
von  G.  Jakob.) 

Somit  haben  wir  die  kirchhche  Musik  von  schlechthin  re- 
ligiöser Tonkunst  zu  unterscheiden,  indem  letztere  die  religiöse^ 
Grefühle  und  Stimmungen  in  subjektivster  Weise  durch  Töne 
ausdrückt,  erstere  dagegen  nicht  rein  individuelle,  sondern  die 
Empfindungen  und  Gefühle  der  Kirche  bei  den  einzelnen  re- 
ligiösen Handlungen,  also  zumeist  objektivisch  sich  verhal- 
tend, zum  tonlichen  Ausdrucke  bringt.  Die  kirchliche  Tonkunst 
schafft  ihre  Werke  nach  den  Bestimmungen  und  Anschauungen 
im  Geiste  der  Kirche.  „Jedes  Kunstwerk  ist  sich  Selbstzweck", 
kann  am  allerwenigsten  in  der  Kirche  eine  Wahrheit  sein.  Warum 
will  man  nur  in  der  Kirche  dem  Tonkünstler  unumschränkte 
Gewalt  einräumen  und  ihm  „volle  freie  Hand"  vindizieren?  Hat 
er  sie  vielleicht  auf  der  Bühne,  für  den  Tanzplatz  u.  dgl.? 
Überall  fordert  man,  dass  er  sich  den  für  diese  Gelegenheiten 
konventionell  gewordenen,  naturgemäss  erwachsenen  Gesetzen 
und  Formen  füge,  anderen  Falles  wird  man  seine  Werke  für 
unzweckmässiff  und  unzulässig  erklären  und  zurücklegen.  Warum 
soll  gerade  auf  dem  Gebiete  der  kirchhchen  Musik  solches  nicht 
Platz  greifen  dürfen?  Kein  Vernünftiger  hat  die  Kirche  noch 
darum  getadelt,  dass  sie  dem  Baumeister  vorschreibt,  er  habe 
den  Altar  nach  Osten  zu  setzen,  das  Fresbyterium  zu  erhöhen 
u.  dgl.j  oder  dass  sie  allgemeine  Bestimmungen  über  den  Stoff 
und  die  Gestalt  der  heiligen  Gefässe  und  Paramente  gibt;  über 
die  Musik,  welche  mit  der  Liturgjie  so  eng  verbunden  ist,  sich 
auszusprechen,  das  Recht  habe  sie  nicht? 

Die  Verordnungen  der  Kü'che  sind  nicht  so  geeigenschaf- 
tet,  dass  sie  der  Kunst  einen  „Schaden"  bringen,  da  die  Kirche 
nicht  die  Obliegenheit  hat,  für  die  Entwickelung  und  Vollendung 
der  Kunst,  im  allgemeinen  gesprochen,  zu  sorgen;  sonst  müsste 
man  auch  jeden,  der  sich  ein  Haus  bauen  lässt  und  zwar  nach 
romanischem  Stüe,  anklagen,  dass  er,  weil  er  nicht  gotisch 
oder  modern  baue,  die  Kunst  beeinträchtige.  Die  Bestimmungen 
der  Kirche  sind  ein  Regulator  für  diejenigen  Tonkünstler, 
welche  sich  zu  ihrem  Dienste  antragen,  ein  Normativ,  wie  im 
allgemeinen  die  Musikwerke  für  ihren  Gebrauch  beschaffen  sein 
müssen;  innerhalb  dieser  so  allgemein  gehaltenen  Verordnungen 
verbleibt  dem  Tonkünstler  noch  ein  Übermass  von  Freiheit ,  sein 


Tonkunst,  kirchliche.  309 

Genius  kann   sich  innerhalb  dieser  weiten  Schi-anken  noch  glän- 
zend genuff  bewähren. 

Die  Aufgabe  oder  der  Zweck  der  Kii'chenmusik  ist,  den 
Gefiihlsinhalt  aes  Textes  nach  seiner  liturgischen  Stellung  und 
Bedeutung  zu  entfalten,  dadurch  den  Sinn  desselben  fassbarer 
zu  machen  und  auf  Herz  und  Verstand  zu  wü-ken,  somit  den 
Hörenden  zur  innigsten  Teilnahme  am  Gottesdienste 
anzuregen. 

Hieraus  ergeben  sich  die  Eigenschaften,  welche  den  kirch- 
lichen Musikwerken  inhaften  müssen.    Sie  müssen  sein: 

1)  Erhaben  und  edel,  dem  hohen  Zwecke  entsprechend, 
was  schon  auf  einer  ganz  natürlichen  Kunstforderung  beruht; 
fern  sei  alles  Niedrige,  Gemeine,  Triviale,  Stümperhafte. 

..2)  Einfach  in  jenem  edlen  Sinne,  dass  jede  Überladung 
mit  Überflüssigem,  jedes  Einschieben  von  Ungehörigem,  jede 
^geniale"  Ungebundenheit  und  Zerrissenheit  fern  ist,  und  dass 
ebenso  von  jeder  nur  den  Verstand  reizenden  und  ergötzenden 
Künstlichkeit  abgesehen  wird;  „eine  Musik,  welche  für  den  Nicht- 
kenner  fasslich,  verständlich  und  erbaulich  ist  und  nebenbei  doch 
den  Kenner  befriedigen  kann.  Das  ist  die  Simplicität  des  Stiles, 
welche  jeder,  also  auch  der  Kirchenmusik  die  allgemeinste  Wir- 
kung verschafft.  Diese  Simplicität  ist  nur  die  Frucht  der  höch- 
sten Kultur  in  der  musikalischen  Kunst;  diese  kann  allein  lehren, 
alles  Zwecklose,  allen  leeren  Prunk  zu  entfernen,  und  sie  ge- 
danken-  und  ausdrucksvoll  zu  machen,  ohne  ihrer  Deutlichkeit 
und  Fasslichkeit  für  jedermann  zu  schaden."    Sie  seien: 

3)  Keusch  und  der  wahrste  Ausdruck  einer  kerni- 
gen Andacht,  —  nichts  Sentimentales,  kein  Anklingen  an 
sinnliches  Schwärmen,  keine  Leidenschaftlichkeit  weder  in  Freude 
noch  in  Trauer,  keine  Effekthascherei  mit  instrumentalen  Klang- 
mitteln u.  dgl.  soll  die  heüige  Stimmung  beeinträchtigen;  Demut, 
heilige  Ruhe  und  Selbstbeherrschung  trete  charakteristisch  her- 
vor.   Sie  müssen 

4)  sich  eng  an  die  Liturgie  anschliessen.  Als  Teü 
des  Kultus  kann  die  Kirchenmusik  sich  nicht  von  den  allgemei- 
nen Regeln  desselben  emancipieren,  sie  muss  sich  an  die  Liturgie 
anlehnen  in  Beziehung  auf  Form^  Dauer,  Bewegung  etc.,  muss 
nur  ein  treuer  Ausdruck  desienigen   sein,    was   die  Kirche  aus 

föttlicher  Autorität  hier  den  Menschen  nahelegen  will,  sie  muss 
ie  Sprache  der  Kirche  reden.  Eine  der  ersten  Forderungen  in 
dieser  Rücksicht  ist,  dass  sie  an  den  liturgischen  Text  ge- 
bunden sei;  eine  liturgische  Musik  ohne  Text  oder  mit  willkür- 
lich gewähltem  Texte  Kann  die  Kirche  nicht  anerkennen.  Durch 
den  Text  aber,  der  da  unveränderlich  gegeben  ist,  und  die  allein 
der  Kirche  mögliche  richtige  Auffassung  desselben,  ist  auch 
dessen  musikalischer  Ausdruck  nicht  der  willkürlichen  Auf- 
fassung der  einzelnen  anheim  gegeben.  Dabei  will  die  Kirche 
noch^  dass  der  Text  verstanden  und  nicht  durch  die  Kom- 
position zu  sehr  gedehnt,  zerrissen,  überhaupt  unhÖrbar  oder 
unverständlich  gemacht  werde. 

Dies  alles  kommt  in  Erwägung,  sowohl  bei  der  Melodie, 
als  dem  einfachen  musikalischen  Ausdrucke  der  Gemütsstim- 
mung des  Menschen,  als  auch  bei  der  Harmonie,  welche  durch 


310  Tonkunst,  kirchliche.  ' 

Vereinigung  mehrerer  Stimmen  diesen  Ausdruck  verstärkt  und 
nach  der  Breite  und  Tiefe  entfaltet,  und  bei  dem  Rhythmus^ 
welcher  einem  kirchlichen  Tonwerke  am  leichtesten  ein  welt- 
liches leichtfertiges  Gepräge  durch  scharfe  Gliederung  und  mi- 
nutiöse Zerteüung  der  Taktglieder  aufdrücken  kann.  Dass  vor- 
züglich die  Instrumentierung,  wenn  sie  angewendet  werden 
wiU,  sich  diesen  Beschränkungen  zu  unterwerfen  hat,  ist  ausser 
allem  Zweifel. 

Die  eben  bezeichneten  Eigenschaften  einer  auf  den  Namen 
^kirchlich**  Anspruch  machenden  Musik  betonte  die  Kirche  von 
jeher  durch  Wort  und  That;  durch  die  That,  indem  sie  den 
Gregorianischen  Choral  schuf  und  gesetzmässig  ihren  Ku^chen- 
bücnern  einverleibte,  und  für  die  Missa  Papae  Marcelli  sich  bil- 
ligend aussprach;  durchs  Wort  in  unzähligen  Aussprüchen  und 
Verordnungen  der  kirchlichen  Oberhäupter  und  Synoden  durch 
alle  Jahi'hunderte.  Gerbei*t  in  seinem  Werke  „De  cantu  et  mu- 
sica  Sacra"  bietet  davon  bis  auf  seine  Zeit  eine  reiche  Auswahl; 
hier  seien  einige  wenige  und  darunter  auch  ein  paar  aus  der 
neuesten  Zeit  angeführt.  Das  Concil.  Mediol.  I.  1565  sagt:  „Die 
Gesänge  und  Töne  seien  ernst,  fromm,  deutlich  und  angemessen 
dem  Hause  Gottes  und  dem  göttlichen  Lobe,  so  dass  zugleich 
die  Worte  verstanden  und  die  Zuhörer  zur  Frömmigkeit  geweckt 
werden."  Das  Konzil  von  Trient  befiehlt  (sess.  22.):  „Es  muss 
sowohl  beim  Gesänge  als  beim  Orgelspiel  alles  Leichtfertige  und 
Ausgelassene  oder  Unreine  fern  gehalten  werden."  Die  Instruk- 
tion des  päpstlichen  Kardinalvikars  an  die  Kapellmeister,  d.  d. 
20.  Nov.  1856  bestimmt:  ^Die  kirchliche  Musik  muss  sich  von 
der  profanen  und  theatralischen  ganz  entfernt  halten  nicht  allein 
durcn  die  Melodien,  sondern  auch  durch  die  Begleitung,  folglich 
sind  jene  Melodien  verboten,  die  ans  Theater  erinnern,  ebenso 
die  zu  schnellen  und  aufregenden  Bewegungen,  .  .  .  dann  Arien^ 
Duos  und  Trios  als  Nachahmungen  der  Bühnenmusik;  ganz  una 
gar  das  Recitativ  und  alles  ihm  Ahnliche." 

Die  Form  an  und  für  sich,  oder  besser  zu  sagen  der  Stil 
(alter,  strenger,  neuer,  freier)  ist  es  nicht  und  war  es  nicht,  wo- 
gegen die  Kirche  eiferte  und  eifert,  sondern  der  Missbrauch,  den 
man  damit  trieb;  die  Kompositionen  Palestrinas  z.  B.  weichen 
in  der  Ausdrucksform  schlechthin  genommen  nicht  von  seinen 
weltlichen  Kompositionen  ab;  er  bediente  sich  gerade  so  gut 
wie  seine  Vorgänger  der  kontrapunktischen  Kunstj  aber  er  hielt 
Mass  in  der  Künstlichkeit  und  durchdrang  die  kunstreichen  For- 
men mit  dem  kirchlichen  Geiste  und  drückte  ihnen  dadurch  ein 
charakteristisches  Unterscheidungszeichen  auf.  Ebenso  ist  das 
neuere  Ton-  und  Harmoniesystem  an  sich  nicht  unkirchlich;  dies 
wird  es  nur  durch  Missbrauch  und  Unverstand  des  Tonsetzers. 
Gleichwohl  aber  zieht  die  Kirche  den  uralten  Gregorianischen 
Choral  jeder  anderen  Musik  vor,  weil  dieser  Gesang  so  recht 
aus  ihrem  Geiste  hervorgewachsen  ist,  ihn  ganz  und  gar  aus- 
spricht und  Melodien  enthält,  welche  noch  jetzt  Imübertroffen 
aastehen.  Daneben  gibt  sie  sich  noch  mit  den  polyphonen 
Musikschöpf ungfen  k  la  Palestrina  zufrieden,  da  sie  zumeist  auf 
den  Choral  basierend  und  in  den  alten  Tonarten  streng  kompo- 
niert noch  dem  weltlichen,  sinnlichen  Reize  fern  stehen  und  oft 


Tonkunst,  kirchliehe.  311 

in  naystischen  Duft  gehüllt,  uns  wie  eipe  Musik  aus  einer  über 
der  Sinnlichkeit  erhabenen  Welt  erklingen.  Überhaupt  liebt  die 
Kirche  die  Vokalmusik  ohne  Instrumentalbegleitung  (mit  Aus- 
nahme der  Orgel,  welche  mit  ihrem  erhabenen  und  mehr  objek- 
tiven Charakter  zur  Kirchenmusik  wie  kein  anderes  Instrument 
geeigenschaftet  ist),  und  hat  darum  auch  keinen  Einwand  gegen 
V  okalwerke  des  neuen  Tonsystems,  wenn  ihnen  nur  im  übrigen 
das  Kirchliehe  gewahrt  ist.  Ebenso  gestattet  sie  das  deutsche 
Kirchenlied  in  unsem  deutschen  Landen  mit  seinen  choral- 
mässigen  Melodien  als  Volksgesang;  für  gottesdienstliche 
Ghoraufführungen ,  wobei  der  Chor  an  der  Liturgie  beteüigt  ist, 
sind  deutsche  Texte  und  Lieder  überhaupt  verboten. 

Dass  die  Kirche  die  Instrumentalmusik  nie  gebilligt 
hat  und  noch  nicht  büligt,  dafür  hat  sie  ihren  guten  Gründe; 
sie  duldet  dieselbe  bloss  und  gestattet  ihre  Anwendung  aus 
besonderen  Rücksichten   und   unter   bestimmten    Bedingungeh: 

1)  dass  alle  Instrumente  entfernt  bleiben,  welche  durch  ihren 
Klangcharakter  die  andächtige  Ruhe  beeinträchtigen  und  die 
Sinnlichkeit  aufregen  (die  Zubereitung  und  Vornahme  der  In- 
strumente allein  zerstört  erfahrungsmässig  in  der  Regel  die 
fromme,    andächtige   Stimmung   des  gesamten   Chorpersonals!); 

2)  dass  die  Instrumente  bei  der  Kirchenmusik  die  Smgstimmen 
bloss  imterstützen  und  begleiten,  nicht  aber  mit  ihnen  konzer- 
tieren; 3)  dass  sie  nicht  durch  ihr  Kolorit  die  Singstimmen,  über- 
strahlen und  sie  zur  Nebensache  machen.  Die  Instrumental- 
begleitung soll  nur  dazu  dienen,  den  Gesang  zu  unterstützen,  zu 
beleben  und  zu  schmücken,  soll  eigentlich  nur  der  farbige  Hinter- 
grimd  sein,  von  dem  sich  der  Gesang  gleich  markigen  Figuren 
auf  einem  Gemälde  abhebt. 

Da  aber  die  Tonkunst  nicht  bloss  mit  der  Komposition  der 
Werke  zu  thun  hat,  sondern  auch  mit  deren  Aufführung,  wovon 
der  grösste  Teil  der  Wirkung  abhängt,  so  muss  hier  auch  von 
den  exekutierenden  Kirchenmusikern  etwas  angedeutet 
werden.  Von  ihnen  wird  technische  Durchbildung,  Verständnis 
der  Musik  und  vorzüglich  ein  echt  i-eligiöser  Sinn  gefordert,  der 
mit  der  katholischen  Kirche  mitlebt  und  nicht  bloss  äusseiiich, 
sondern  viel  mehr  noch  innerlich  mit  ihrem  Kultus  und  Geiste 
vertraut  ist.  Bloss  handwerksmässiger  Betrieb  der  Kirchenmusik 
ist  eine  Entwürdigung  der  heiligen  Tonkunst  und  ausser  stände, 
fromme  Empfindungen  in  den  Herzen  der  Gläubigen  zu  erwecken; 
mit  ihm  ist  all  der  Unfug  gepaart  und  jedes  unkirchliche  Be- 
nehmen,, das  wir  auf  vielen  (jnören  zu  beklagen  haben. 

Schliesslich  seien  ein  paar  Worte  des  geschätzten  Musik- 
sohi-iftstellers  Dr.  W.  Aug.  Ambros  („Kulturhistorische  Bilder  aus 
dem  Musikleben  der  Gegenwart",  Seite  124)  angeführt.  Er  sagt: 
-Möge  jene  von  der  Kirche  angeordnete  Singweise  (Cantus 
Gregorianus) ,  zu  uBsprünglicher  Reinheit  hergestellt,  überall 
sorgsam  gepflegt  werden;  möge  daneben  aber  auch  die  von 
der  Kirche  gestattete  Musik  überall  nur  solche  Vertreter  und 
Pfleger  finden,  welche  von  der  Grösse  ihrer  Aufgabe  und  von 
dem  Gedanken  durchdrungen  sind,  dass  ihre  Musik  dem  Gottes- 
dienste dienen,  nicht  aber  der  Gottesdienst  Gelegenheit  sein 
soll,  dass  sie  musizieren  können.  Das  Gemeine  und  Unwürdige 


312  *  Tonleiter  —  Tonsetzer. 

aber  möge  zurückgewiesen  werden,  wo  es  sich  zeigt."  —  Was 
einer  wirklich  guten  Kirchenmusik  not  thut,  hat  schon  St.  Bern- 
hard kurz  una  gut  ausgesprochen:  „Cantus  (das  betrifft  nicht 
bloss  die  Komposition,  sondern  auch  die  Ausführenden!)  ipse  si 
fuerit,  plenus  sit  gravitate,  nee  lasciviam  resonet  nee 
rusticitatem.  Sic  suavis  ut  non  sit  levis,  sie  mulceat 
aures,  sicnapveat  corda,  tristitiam  levet,  iram  mitiget, 
s'ensum  literae  non  evacuet,  sed  fecundet,"  d.  i.  der 
Gesang  (die  Musik)  sei  voll  Würde  und  zeige  weder  Ausgelas- 
senheit noch  Roheit;  er  sei  anmutig,  aber  nicht  leichtfertig,  er 
befriedige  das  Ohr,  bewege  das  Herz,  hebe  die  Traurigkeit, 
dämpfe  die  Erregtheit,  hindere  nicht  das  Verständnis  der  Worte, 
sondern  unterstütze  es. 

Tonleiter,  lat.  und  ital.  Scala,  franz.  Gamme,  ist  die 
Reihe  der  sieben  Tonstufen  mit  der  Wiederholung  der  ersten  in 
der  Oktav,  wie*  dieselben  einem  der  Tongeschlecnte  zugehören. 
Sonach  gibt  es  nur  zwei  Tonleitern:  die  Dur-  inid  Mo  11 -Ton- 
leiter. Erstere  besteht  aus  fünf  ganzen  Tönen  und  zwei  halben, 
welche  letztere  ihre  unveränderliche  Stelle  zwischen  der  3.  und  4. 
und  zwischen  der  7.  und  8.  Stufe  der  Tonleiter  haben.  Die  Moll- 
Tonleiter  besteht  aus  denselben  Intervallen,  aber  die  Lage  der 
halben  Töne  ist  zwischen  der  2.  und  3.  und  zwischen  der  6.  und  7. 
Stufe,  insofern  die  Leiter  nach  der  Vorzeichnung  konstruiert 
wird.  Da  sie  aber  in  solcher  Gestalt  weder  für  Melodie  noch 
Harmonie  eine  geeignete  Grundlage  abgibt,  so  bildet  man  sie 
aufwärts  mit  grosser  Sext  und  grosser  Septime,  und 
nimmt  abwärts  diese  Intervalle  wieder  klein  (melodische 
Moll-Tonleiter).  Einige  konstruieren  sie  auch  mit  kleiner  Sext 
und  grosser  Septime  aufwärts,  und  kleiner  Septime  abwärts, 
z.  B.  c,  d,  es,  f,  g,  as,  h,  cc,  b,  as,  g,  f,  es,  d,  c  (harmonische 
Moll-Tonleiter).  Diese  beiden  Tonleitern  bleiben  immer  dieselben, 
behalten  stets  die  nämlichen  Intervalle  und  Verhältnisse,  mögen 
sie  über  welchen  Ton  immer  errichtet  sein.  —  Die  alten  Ton- 
leitern oder  Tonj'eihen  s.  bei  Kirchentonarten. 

Tonmalerei,  musikalische,  ist  die  Darstellung  sichtbarer 
oder  greifbarer  Objekte,  Naturerscheinungen,  äusserer  Ereignisse 
vermittelst  der  Töne.  Thut  die  Musik  solches,  so  greift  sie  auf 
ein  ihr  fremdes  Gebiet  über  und  begibt  sich  ihrer  eigentlichen 
Bedeutung.  Ihre  Aufgabe  ist,  Stimmungen  und  Regungen  der 
Seele  zu  symbolisieren,  nicht  Sachen,  Zustände  der  Aussen  weit 
zu  malen,  obwohl  diese  die  Veranlassung  zu  Regungen  und  Ge- 
fühlen sein  mögen.  Inwiefern  eine  gewisse  Art  Tonmalerei  in 
der  weltlichen  Musik  vorkommen  darir,  ist  hier  nicht  zu  bespre- 
chen. In  der  Kirchenmusik  hat  sie  keinen  Platz,  und  wenn  auch 
fresse  Meister  sie  manchmal  angewendet  haben,  so  erwächst 
araus  noch  lange  keine  Berechtigung  für  sie;  nanientlich  ist  es 
die  Wortmalerei,  welche  zu  Zeiten  m  kleinhchster  und  lächer- 
lichster Weise  betrieben  wurde.  Es  sei  beispielsweise  nur  an 
die  Kompositionen  über  die  Worte  im  Credo:  „descendit  de 
coelis",  iiber  einige  Stellen  im  „Dies  irae",  in  den  Psalmen  u.  a. 
erinnert. 

Tonsetzer  oder  Komponist,  einer,  der  Tonstücke  nach  den 
grammatischen  und  ästhetischen  Regeln  der  Kunst  verfertigt. 


r  ■' 


^  Tonstück  —  Transponieren.  313 

Tonstück  heisst  jedes  in  eine  bestimmte  Form  der  Dar- 
stellung gebrachte  Produkt  musikalischen  Denkens  -und  Em- 
pfindens. 

Tons^stem  ist  der  Inbegriff  aller  Töne,  welche  entweder 
nach  den  m  ihrer  eigenen  Natur  begründeten  und  daraus  her- 

g&leiteten  oder  noch  von  früher  her  überlieferten  und  durch  die 
rfahrung  als   richtig  bestätigten  Gesetzen  in  der  Musik  ange-^ 
wendet  werden. 

Tonus  (lat.),  der  Ton.  Bei  den  Alten  ward  unter  tonus 
a)  das  Intervall  des  Ganztones  mit  dem  Verhältnisse  8  :  9  ver- 
standen; b)  benannte  man  mit  diesem  Worte  auch  die  Tonart, 
richtiger  „modus"  geheissen. 

Tonus  irregnlaris,  peregrinus,  s.  Kirchentonarten. 

Tonwissenschaft  ist  der  Inbegriff  aller  musikalisch-theore- 
tischen Regeln  und  Vorschriften. 

Tonzeichen,  s.  Noten. 

Traktur  nennt  man  das  innere  Regierwerk  der  Orgel,  na- 
mentlich die  Abstrakten  (s.  Orgel).  In  neuester  Zeit  wendet 
man  die  Röhrentraktur  oder  Könrenpneumatik  an,  wobei 
alle  mechanische  Traktur,  als  Abstrakten,  Hebel  u.  s.  w.  in  Weg- 
fall kommen;  sie  wird  als  die  vollkommenste,  alle  bisherige  Ein- 
richtung überbietende  Orgelmechanik  gerühmt. 

Traktns  ist  jener  Gesang  in  der  katholischen  Liturgie, 
welcher  in  der  Fastenzeit,  an  den  Quatembertagen  und  in  der 
Totenmesse  (tempore  poenitentiae  et  in  officio  pro  defunctis 
dictus)  an  das  Graduale  statt  des  Alleluja  gefügt  wird;  auch 
nach  den  Prophetien  am  Karsamstage  werden  einige  Traktus 
gesungen.  Diese  Gesangstücke  bestehen  gewöhnlich  aus  meh- 
reren Versen  eines  Psalmes,  ja  zuweilen  ist  ein  ganzer  Psalm 
dazu  verwendet,  wie  am  ersten  Fastensonntage.  Der  Traktus 
trägt  mehr  den  Charakter  der  Zerknirschung  und  der  Sehnsucht 
nach  Verzeihung  und  Erlösung,  schreitet  auch  langsamer  fort. 
Kardinal  Bona  leitet  daher  den  Namen  dieses  Gesanges  davon 
ab^  weü  er  gedehnt,  schwerfällig  und  langsam  gesungen  wird 
(trahitur).  Gewöhnlich  wurde  er  nur  von  emem  oder  zwei  Sän- 
gern vorgetragen,  an  einigen  Orten  beteiligte  sich  der  Chor  daran. 

Transponieren  heisst  in  der  Musik  einen  Tonsatz  oder 
ein  Tonstück,  oder  auch  eine  blosse  Stimme  in  eine  andere  Ton- 
art versetzen,  als  die  ursprünglich  vom  Komponisten  gewählte. 
Ausserdem,  dass  die  Versetzung,  Transposition  in  der  thema- 
tischen Arbeit  selbst  angewendet  wird.  Kann  der  ausführende 
Musiker'  dazu  durch  mancherlei  Gründe  veranlasst  werden:  der 
Sänger  findet  einen  Gesang  für  seinen  Stimmumfang  nicht  gut 
ausmhrbar,  oder  es  differieren  die  Orgel  imd  die  Blasinstrumente 
in  ihrer  Stimmung  u.  dgl.  Transposition  kommt  häufig  beim 
Choralgesange  vor,  wo  der  oder  die  Sänger  eine  Melodie  bald 
zu  hoch,  bald  zu  tief  nach  der  Choralnotenscnrift  für  ihren  Stimm- 
umfang finden.  Füi*  den  Gesang  allein  hat  es  nicht  viel  Schwie- 
rigkeit, und  es  ist  vorzüglich  vom  Vorsänger  oder  demjenigen, 
welcher  die  Intonation  gibt,  gehörige  Obsorge  zu  tragen,  eine 
dem  Stimmumfänge  der  Sänger  entsprechende  Tonlage  zu  wäh- 
len. Ungleich  schwieriger  aber  ist  es  für  den  Organisten,  wenn 
er  augenblicklich   einen  solchen  transponierten  Choral  begleiten 


314  Tremolo  —  Triolen.  ^ 

soll ,  und  es  gehört  viel  Fleiss  und  Studium  dazu,  solches  richtig- 
zu  finde  zu  führen.  —  Durch  die  einfache  Transposition  wü'd  in 
den  Intervallverhältnissen  nichts  als  die  Tonlage  geändei-t,  die 
Tonlage  ändert  nur  die  Klangfai'be;  wie  auch  in  der  neueren 
Musik  alle  Tonarten  oder  Tomeitern  mit  Versetzungszeichen  nur 
Transpositionen  der  Urtonleitern  und  Tonarten  G-dur  und  A-moU 
sind.  In  der  Choralschrift  kommt  nur  eine  Versetzung  vor,  die 
Versetzung  in  die  Qberquart  oder  Unterquint,  wobei  ein  t^  ro- 
tundum  nach  dem  Schlüssel  vorgezeichnet  ist,  z.  B.: 

Transponiert. 


So  baute  man  z.  B.  die  äolische  Tonleiter  auf  D  mittels  Anwen- 
dung des  t^,  ebenso  die  jonische  auf  F  mit  ^  (äolisch  D, 
jonisch  F).  —  Über  die  Transpositionen  bezüglich  der  kontra- 
punktischen Werke  des  XVI.  und  XVII.  Jahrh.  vgl.  Dr.  Proskes 
j,Musica  divina",  Haberls  „Theoretisch-praktische  Anweisung 
zum  harmonischen  Kirchengesang"  (Passau  1864). 

Tremolo  oder  Beben  der  Töne  ist-  eine  beim  Spiele  einiger 
Instrumente  und  auch  beim  Gesänge  vorkommende  Manier,   ein 
Kunstmittel  zum  Ausdrucke   des  inneren  Gefühlslebens;    in  der, 
Kirchenmusik  hat  es  wohl  keinen  Platz. 

Tremnlant  ist  eine  durch  einen  Registerzug  zu  handha^- 
bende  Vorrichtung  im  Windkanale  der  Orgel,  wodurch  der  Ton 
der  Pfeifen  nicht  gleichmässig  fortklingt,  sondern  in  kurzen 
Schwebtmgen  wie  Debend  erscheint,  so  dass  die  Stimmen  da- 
durch etwas  Schluchzendes,  Weinerliches  erhalten.  Der  Tremu- 
lant  ist  mehr  eine  Spielerei  und  für  die  Kirche  gänzlich  unpassend. 

Trias  oder  Trias  harmonica,  der  lateinische  Name  des 
Dreiklanges. 

Tricta  (lat.)  Messen  die  in  manchen  Choralbüchern  vor- 
kommenden kleinen  Strichlein  zwischen  den  Noten,  welche  ab- 
schieden, was  zu  einem  Worte  gehört.  Solche  Strichlein  tadelt 
schon  Elias  Salomon  (1304)  als  überflüssig  und  störend. 

Trihemitonium  =  kleine  Terz,  welche  drei  Halbtöne  in 
sich  schhesst. 

Triller,  eine  Verzierung,  bestehend  in  der  mehi-maügen^ 
schnellen  und  gleichmässigen  Wiederholung  eines  Vorschlages 
von  oben  mit  dem  Haupttone.  Sein  Zeichen  ist  tr.  oder  tr"^ 
über  oder  unter  der  Note.  Hieronymus  de  Moravia  führt  schon 
eine  dem  Triller  ähnliche  Gesangsverzierung  unter  dem  Namen 
„Flores  subiti.et  procellares"  auf. 

Trio,  1)  eme  Komposition  für  drei  Instrumente;  2)  bei 
Tanzstücken  ein  ruhiger  gehaltener  Mittelsatz;  3)  ein  dreistim- 
stimmiges'  Orgelstück  (Orgeltrio),  das  durchaus  polyphon  gear- 
beitet ist  und  mit  gleichzeitiger  Benützung  von  zwei  verschieden 
registrierten  Manuäen  und  dem  Pedal  ausgeführt  wird. 

Triolen  nennt  man  eine  Gruppe  von  drei  Noten  gleicher 
Gestalt,  welche  in  der  Geltung  zw^i  anderen  von  derselben  Ge- 
stalt gleichkommen;  über  sie  wird  die  Zahl  3  gesetzt,  z.  B.: 


r 


Tripelfuge  —  Trompete. 


315 


I 


:ß=^ 


t=t 


f 


=:a 


^ 


Sextolen  heisst  eine  Gruppe  von  sechs  Noten  gleicher  Gestalt^ 
über  welche  die  Zahl  6  gesetzt  ist;    diese   sechs  jNoten  kommen, 
viei^  anderen  von  gleicher  Gestalt  in  der  Dauer  gleich;  z.  B.: 


6 


Sextolen,  welche  als  zwei  zusammengezogene  Triolen  aufgefasst 
werden  sollen,  sind  falsch;  die  wahre  Sextole  entsteht  nur 
aus  einer  Triole. 

Tripelfnge,  eine  dreifache  Fuge,  d.  h.  eine  Fuge  mit  drei 
Subjekten  oder  Themen. 

Tripeltakt,  Name  der  aus  der  dreiteiligen  Taktordnung 
entspringenden  Taktarten. 

Tripla,  1)  proportio,  das  Verhältnis  von  1  :  3,  welches  der 
Duodezime,  Diapason  et  Diapente,  eigen  ist.  2)  Tripla  proportio 
war  den  Mensuralisten  vorhanden,  wenn  drei  Breves  über  einer 
longa  nota  zu  singen  waren;  kamen  auf  die  brevis  noch  drei 
semibreves,  so  hiess  die  Proportion  sijbtripla. 

Triplum  hiess  bei  den  ersten  Mensuralisten  die  dritte 
Stimme;  sie  stand  über  dem  Tenor  und  Diskantus  als  höchste 
Stimme^  welche  jetzt  der  Sopran  vertritt.  Ausserdem  bezeich- 
neten sie  mit  diesem  Worte  auch  eine  dreistimmige  Komposition. 

Tritonus  nannten  die  alten  Tonlehrer  die  übermässige 
Quarte,  weil  dieselbe  aus  drei  ganzen  Tönen  besteht,  z.  B.  f, 
(g,  a,)  h.  Diess  Intervall  musste  m  den  Choralgesängen  nament- 
lich vermieden  werden  und  wenn  ein  Gesang  von  F  ausging 
und  nach  h  schritt,  oder  nach  F  zurückkehrte,  wurde  h  immer 
in  b  erniedriget,  wenn  auch  kein  t^  vorgezeichnet  war  (mi  contra 
fa  diabolus  in  musica).  „Diese  Solmisationsregel ,  bemei'kt  Am- 
bros,  lief  wesentlich  auf  die  Beseitigung  der  Querstände  hinaus 
und  es  lag  somit  die  Anerkennung  des  wichtigen  Gesetzes  darin, 
dass  sich  zwei  verschiedene  Tonarten  nicht  ziigleich  geltend 
machen  können,"  Wurde  aber  in  eine  andere  Tonart  überge- 
gangen, so  behielt  das  h  sein  Recht  (vgl.  Choral). 

Trompete,  lat.  Tuba,  ital.  Tromba  oder  Clarino,  franz. 

Trompette,  das  bekannte  hell  und  stark  klingende  Blechinstru- 

\  ment.    Sie  reicht  ins  hohe  Altertum  hinauf,  doch  war  im  Anfange 


316  Tropus. 

Üire  Form  noch  gerade  aus,  nicht  gewunden  wie  jetzt;  bei  den 
Ägyptern  und  Hebräern  war  sie  gebogen  wie  ein  Ochsenhorn. 
Erst  unter  Ludwig  XIL  von  Frankreich  soll  sie  die  jetzige  Ge- 
stalt erhalten  haben.  Die  Rohre  hat  die  Länge,  dass  der  Ton 
einer  achtfüssigen  Prinzipalpfeife,  also  der  menschlichen  Stimme 

fleichkommt,  und  ist  zur  grösseren  Bequemlichkeit  zweimal  ge- 
ogen.    Das  Mundstück  ist  grösser  als  beim  Hörn  und  hat  eme 
kesseiförmige  Höhlung.    Ihre  natürlichen  Töne  sind:   C,  G,  c,  e, 

g,  b,  c,  d,  e,  g,  b,  h,  b;    die   von  c  bis  g  können  durch  Stopfen 

fewonnen  werden.  Wie  für  das  Hörn ,  so  gibt  es  auch  für  die 
rompqte  verschiedene  Arten  (Stimmungen) :  die  tiefe  C-Trompete, 
C-,  D-,  Es-,  B-  etc.  Trompeten.  Notiert  wird  immer  in  C.  In 
neuerer  Zeit  erfand  man  Inventions-,  Klappen-  und  Ventil- 
trompeten, von  welchen  die  letzteren,  was  den  Tonumfang 
betrifft,,  das  Höchste  leisten. 

Tropus  (griech.  Tpo/ro?,  Wendung),  ist  1)  eine  melodische 
Formel,  welche  auf  einen  bestimmten  Ton  (Tonart)  hinweist, 
ihm  angehört  oder  wodurch  ein  Gesang  seiner  richtigen  Finale 
entgegengeführt  wird.  Hierzu  kann  man  alle  Intonationen, 
Mittel-  und  Schlussklauseln  der  Psalmtöne,  die  Schlussformeln 
der  Antiphonen  und  Responsorien  rechnen;  vorzüglich  aber  wer- 
den so  gewisse  längere  Melodien  genannt,  welche  je  einem  be- 
stimmten Kirchentone  zugewiesen  und  den  Eigentümlichkeiten, 
Wendungen,  Tonschritten  und  dem  Charakter  derselben  entspre- 
chend gebildet  waren.  Sie  mussten  von  den  Sängern  gut  gelernt 
werden,  um  das  Charakteristische  jeden  Tones  leichter  zu  er- 
fassen, und  waren  mit  bezeichnenden  Texten  versehen,  um  sie 
besser  behalten  zu  können.  Sie  finden  sich  regelmässig  in  den 
Tonarien  verzeichnet  und  lautet  der  Text  zum  Tropus  des 
I.  Tones  gewöhnlich:  Primum  quaerite  regnum  coelorum;  für 
den  Tropus  des  II.  Tones:  Secundum  autem  simile  huic  etc.  (cf.. 
Coussemaker,  Script.  U.  320).  Solche  und  ähnliche  Formeln 
wurden  oft  auch  den  Antiphonen  u.  s.  w.  angehängt  und  Messen 
dann  neumae  oder  jubili  oder  caudae  (s.  d.).  —  2)  Unter  Tropen 
werden  auch  gewisse  Einschaltungen  verstanden,  welche  vor 
oder  zwischen  den  fixen  liturgischen  Text  gemacht  wurden 
(Paraphrasen,  Interpolationen).  Im  IX.  Jahrh.  hatte  sich  näm- 
lich die  Sitte  verbreitet,  die  Messgesänge,  insbesondere  die  In- 
troitus  der  höchsten  Festtage  mit  zierlichen,  sowohl  aus  Text 
als  Melodie  bestehenden  Zusätzen  zu  vergrössern,  und  sie  da- 
durch ge wisser massen  mit  einem  Festkleide  auszuschmücken, 
z.  B' Kyrie  eleison,  Pater  infantium;  Kyrie  eleison,  Refectio 
lactentium,  oder:  Kyrie  magna  Dens  potentiae  liberator  hominis 
transgressoris  mandati  eleison.  Diese  Zusätze  nannte  man 
Tropen,  und  sie  wurden  namentlich  bei  den  kürzeren  Messtexten, 
als:  Kyrie,  Sanctus,  Agnus,  Ite  etc.,  aber  auch  beim  Gloria,  was 
iedoch  in  einigen  Kirchen  verboten  wurde,  eingefügt.  Sie  er- 
nielten  sich  bis  ins  XVI.  Jahrh.  Die  Tropen  waren  aber  nicht 
bloss  Einschiebsel,  sondern  oft  mehr  oder  weniger  ausgedehnte 
Hymnen,  welche  vor  oder  nach  den  gewöhnlicnen  litm'gischen 
Gesängen  eingeschaltet  wurden;  als  ältestes  Beispiel  eines  sol- 
chen Tropus  wird  jener  Lobgesang  auf  den  heil  Gregor  d.  Gr., 


Troppo  —  Unisono.  317 

mit  den  Worten  „Gregorius  Praesul"  beginnend,  angeführt,  wel- 
cher vor  dem  Introitus  des  I.  Adventsonntags  abgesungen  wurde. 
Ihr  Ursprung  reiöht  ins  VIII.  Jahrh.  hinauf.  Die  Römer  nannten 
diese  Tropen  Festivae  laudes,  auch  der  Name  Prosae  kommt 
ihnen  zu.  Als  Verfasser  vieler  solcher  Tropen  wird  Tutilo  von 
St.  Gallen  (f  915)  besonders  gerühmt. 

Troppo  (ital.)  —  zu  viel,  allzusehr,  steht  oft  zu  näherer 
Bestimmung  einer  Tempobezeichnung,  z.  B.  Allegro  non  troppo  = 
nicht  zu  schnell;  Adagio  non  troppo  =  nicht  gar  zu  langsam. 

Trugfortschreitung,  s.  Auflösung. 

Tmgschlass,  s.  Kadenz. 

Tutti  (ital.)  —  alle,  ein  technischer  Ausdruck,  welcher 
im  Gegensatze  zu  Solo  andeutet,  dass  alle  Stimmen  in  einem 
Tonstücke  mitzuwirken  haben» 

Tympani,  s.  Pauken. 


U. 


Übergang,  s.  Modulation. 

Umfang,  s.  Ambitus. 

Umkehrung  kommt  in  der  Musik  in  mehrfacher  Anwen- 
dung vor:  1)  Umkehrung  der  Intervalle  beruht  auf  der 
Verlegung  eines  Tones  in  Beziehung  auf  den  anderen  nach  oben 
oder  nach  unten  nach  dem  Schema: 

1.  2.  3.  4.  5.  6.  7.  8. 
8.  7.  6.  5.  4.  3.  2.  1. 
d.  h.  durch  solche  Verlegung  wird  die  Prim  zur  Oktav,  die  Se- 
kunde zur  Septime,  die  Sext  zur  Terz,  die  Quart  zur  Ouint  u.  s.  w. 
Sie  findet  ihre  vorzügliche  Anwendimg  im  künstlicnen  Kontra- 
punkte, dem  doppelten,  drei-  und  vierfachen  Kontrapunkte  (s.  d.). 
2)  Umkehrung  der  Accorde.  Diese  findet  statt,  wenn  von 
einem  terzweise  aufgebauten  Accorde  (Stammaccord)  ein  anderer 
als  der  ursprüngliche  Grundton  ziun  Basstone  genommen  wird. 
Die  Töne  bleiben  die  nämlichen,  aber  die  Lage  und  das  Inter- 
vallenverhältnis ändert  sich.  So  erleidet  der  Dreiklang  zwei,  der 
Septimenaccord  drei  Umkehrungen  (s.  Accord).  3)  Umkeh- 
rung von  Motiven  und  Sätzen,  ist  die  Darstellung  derselben 
in  der  Gegenbewegung  oder  auch  der  rückläufigen  Bewegung, 
wie  sie  manchmal  beim  Kanon  oder  häufiger  bei  Imitationen 
und  der  sogenannten  thematischen  Arbeit  zur  Anwendung  kommt 
(s.  Kanon). 

Unea  (lat.  „der  Hacken")  ^  eigentlich  das  Fähnchen  der 
Achtelnote,  dann  diese  selbst;  dis  unca  =  die  Sechzehntelnpte. 

Unisono  (ital.),  der  Einklang  —  wird  in  der  Musik  ge- 
braucht, wenn  mehrere  Stimmen  die  nämlichen  Töne  auszuführen 
haben  (al  unisono);  hat  dies  ein  oder  mehrere  Oktaven  höher 
oder  tiefer  zu  geschehen,  so  wird  gesetzt:  unisono  alT  ottava 
oder  unisono  in  8va. 


318  Un  poco  —  Veni  sancte  Spiritus. 

Un  poco,  s.  Tempo. 

UnteFdominante,  s.  Dominante  und  Quart. 

Untersatz  in  der  Orgel,  ein  sehr  weit  mönsuriertes  Labial- 
register für  das  Pedal,  gewöhnlich  32';  es  kommt  nur  in  den 
grössten  Orgeln  vor  una  ähnelt  dem  Subbass. 

Unterstimme  (s.  Stimme),  die  tiefste  Stimme  eines  mehr- 
stimmigen Gesang-  oder  Instrumentalstückes,  welche  je  nach 
der  Zusammensetzung  der  Stimmen  nicht  immer  der  Bass 
sein  muss. 

Usus,  —  cantns  nsualis,  bedeutete  jene  Choralgesänge, 
welche  fast  täglich  beim  kirchlichen  Gottesdienste,  namentlich 
im  Chore  der  Mönche  und  Kanoniker,  vorkommend  mehr  durch 
diesen  oftmaligen  Gebrauch,  durch  Übung  und  nach  dem  Gehöre 
erlernt  und  gesungen  wurden ;  man  bediente  sich  dazu  entweder 
gar  keiner  Notenzeichen  oder  sehr  einfacher  Neumen.  Dem 
„Usus"  gegenüber  stand  der  „cantus  artificiosus",  der  künsthche, 
welcher  von  geschulten  Sängern  nach  genauen  Tonzeichen, 
Neumen  oder  Noten  ausgeführt  wurde.  Vom  „Usus"  redet  schon 
Ekkehard,  und  Hugo  von  Reutlingen  suchte  durch  genaue  No- 
tierung der  dadurch  nervorgerufenen  Verschiedenheit  der  Gesänge 
zu  steuern.  Noch  im  XVL  Jahrh.  ist  in  einer  Schulordnung  von 
Nördlingen  von  „musica  usualis,  cantus  artificiaUs  und  cantus  in 
mensuries"  nach  obiger  BegriflFsbestimmung  die  Rede. 

Ut,  die  erste  Silbe  der  Guidonischen  Solmisation.  Bei  den 
Franzosen  und  Italienern  bedeutet  es  den  Ton  c,  wofür  letztere 
auch  „do"  sagen. 


V. 


V,  Abkürzung  für  Violino:  V!l  =  Viola;  Y=  oder  Vc.  = 
Violoncello;  v.  s.  =  volti  subito  (kehre  schnell  um);  m.  v.  == 
mezza  voce  (mit  halber  Stimme);  H/'  =  Versus,  Versikel  im 
kirchlichen  Officium. 

Vacat,  s.  V.  w.  tacet. 

Vagans,  s.  Quintus. 

Valor  (notarum),  die  Geltung  der  Noten;  integer  valor 
in  der  Mensuraltheorie  bedeutete  das  Grundmass  der  Bewegung, 
einen  feststehenden  Zeitwert  der  Noten.  Nach  Gafor  solle  die 
Semibrevis  (♦)  so  Schnell  sein,  als  der  Atem  eines  ruhig  Atmen- 
den geht,  oder  als  man  bei  massiger  Schnelle  die  Hand  heben 
und  senken  mag.  Nach  dem  Zeitwerte  der  Semibrevis  wurden 
dann  die  mehr-  und  minderwertigen  Noten:  Brevis,  longa,  semi- 
brevis, minima  abgemessen.  Sollte  das  Tempo  (um  die  Hälfte) 
schneller  oder  langsamer  genommen  werden,  so  zeigte  man  dies 
durch  die  Diminutio  oder  Augmentatio  an  (s.  Mensuralmusik). 

Venetianische  Schule,  s.  Kirchenmusik. 

Veni  Creator  Spiritus,  s.  Hymnus  und  Pfingsten. 

Veni  sancte  Spiritus,  s.  Sequenz  und  Pfingsten. 


Ventil  —  Verordnungen,  kirchliche.  319 

Ventil,  im  allgemeinen  jede  Vorrichtung,  welche  dazu 
dient,  den  Rückgang  des  Luftzuges  abzuhalten.  Als  Bestandteile 
musikalischer  Instrumente  kommen  sie  in  der  Orgel  und  bei 
verschiedenen  Blechinstrumenten,  bei  denen  sie  ausserdem  noch 
Mittel  zur  Erzeugung  bestimmter  Töne  sind,  vor. 

Verdeckte  Quinten  und  Oktaven,  s.  Quint. 

Verdoppelung  der  Intervalle  ist  der  gleichzeitige  Gebrauch 
eines  Tones  in  zwei  verschiedenen  Stimmen.  Sie  wird  im  vier- 
imd  mehrstimmigen  Satze  oft  notwendig,  weil  alle  konsonieren- 
den  Accorde  bloss  aus  drei  unter  sich  verschiedenen  Tönen 
bestehen,  und  häufig  ohne  sie  falsche  Fortschreitungen  und  Ver- 
hältnisse entstünden.  Im  allgemeinen  dürfen  die  Leittöne  und 
alle  jene  Töne,  welche  eine  oestimmte  und  notwendige  Fort- 
schreitung haben,  als  die  vorgehaltenen  Dissonanzen,  die  Quart 
u.  dgl.  nicht  verdoppelt  werden.  Näheres  gehört  in  die  Har- 
momelehre, 

Verengerung  des  Motives  oder  Themas  (in  Imitationen 
und  Fugen)  findet  statt,  wenn  bei  der  Nachahmung  anstatt 
eines  grösseren  Intervalles  ein  kleineres  genommen,  z.  B.  bei 
einer  Fuge  eine  Quint  im  Führer  dm'ch  die  Quart  vom  Gefähr- 
ten beantwortet  wird. 

Vergrösserung ,  Augmentatio,  nennt  man  die  im  Ver- 
laufe eines  TonstücKCS  angewendete  Darstellung  eines  Haupt- 
gedankens (Themas)  in  Noten  von  noch  einmal  so  grossem  Zeit- 
werte, als  in  welchem  er  ursprünglich  auftrat.  Dies  findet  in 
Fugen  hauptsächlich  statt,  kann  aber  auch  bei  anderen  thema- 
tisonen  Arbeiten  angewendet  werden. 

Verkehrung  ist  diejenige  Umstellung  eines  Satzes,  durch 
welche  jeder  aufwärts  gehende  Schritt  in  einen  abwäi*ts  gehen- 
den, und  umgekehrt  jeder  abwärts  gehende  in  einen  aufwärts 
gehenden  verwandelt  wird.  Insofern  die  Verkehrung  die  Inter- 
vallenschritte genau  beibehält,  heisst  sie  eine  strenge;  eine 
freie  aber,  wenn  sie  sich  nicht  so  genau  daran  bindet  und  ein 
kleines  Intervall  mit  einem  grossen  oder  gar  mit  einem  anderen, 
z.  B.  eine  Quint  mit  einer  Quart,  beantwortet. 

Verkleinerung,  Diminutio,  wenn  ein  Thema  oder  Satz 
im  Verlaufe  der  Durchführung  in  Noten  von  halb  so  grossem 
Werte  eingeführt  wird. 

Verminderte  Intervalle,  s.  Intervall. 

Verordnungen,  kirchliehe.  Die  Kirche  als  Wächterin  des 
Glaubens  und  der  Sitten  und  alles  dessen,  was  damit  zusammen- 
hängt, regelte  nicht  bloss  die  Gesänge,  welche  bei  den  gottes- 
dienstlichen Feierhchkeiten  stattzufinden  haben,  sondern  bezeich- 
nete auch  mit  klaren  Worten  die  Beschaffenheit  der  kirchlichen 
Musik.  Aus  den  ältesten  Zeiten  her  sind  uns  in  dieser  Beziehung 
Aussprüche  und  Verordnungen  bekannt,  welche  teils  die  Päpste, 
teils  Bischöfe  oder  allgemeine  und  besondere  Konzüien  und 
Synoden  erlassen  haben.  Wir  finden  diese  sonach  in  den  Akten 
der  Konzilien  und  Synoden,  in  den  Sammlungen  der  päpstlichen 
und  bischöflichen  Erlasse  und  der  Entscheidungen  der  Congre- 
gatio  Rituum,  in  dem  Caeremoniale  Episcoporum,  den  Ritualien  und 
anderen  Uturgischen  Büchern.  Sehen  wü-  von  den  älteren  Erlassen 
und  Bestimmungen  ab,  so  haben  wir  unser  Augenmerk  vorzüglich 


320  Verordnungen,  kirchliche. 

auf  das  Concilium  Tridentinum  und  auf  die  neueren  und  neuesten 
päpstlichen  und  bischöflichen  Dekrete  zu  richten,  welche  übrigens 
auf  den  nämlichen  Principien  beruhen,  wie  die  vortridentinisonen. 

Das  Concilium  Tridentinimi  bestimmte  (Sess.  XXII.  Decret. 
de  observandis  et  evitandis  in  celebr.  Missae):  „(Episcopi)  ab 
ecclesiis  vero  musicas  eas,  ubi  sive  organo  sive  cantu  lasoivum 
aut  impurum  aliquid  miscetur,  item  saeculares  omnes  actiones, 
vana  atque  adeo  profana  colloquia,  deambulationes ,  strepitus, 
clambres  arceant,  ut  domus  Dei  vere  domus  orationis  esse  vi- 
deatur  ac  dici  possit,"  und  „Caetera,  quae  ad  debitum  in  divinis 
officiis  regimen  spectant,  deque  cöngi'ua  in  his  canendi  seu  mo- 
dulandi  ratione  ....  synodus  provincialis  pro  cujusque  provinciae 
utilitate  et  moribus  certam  cuique  formulam  praescribet.  Interea 
vero  episcopus  non  minus  quam  cum  duobus  canonicis  in  iis, 
quae  expedure  videbuntur,  poterit  providere."  (Sess.  XXIV.  de 
reform.  c.  12.)  Hiermit  hat  der  heilige  Kirchenrat.  allgemeine 
Bestimmungen  gegeben  und  den  Bischöfen  die  specielle  Obsorge 
'  für  würdige  Kirchenmusik  übertragen. 

Der  heil.  Karl  Borromäus  berief  alsbald  nach  seiner  Rück- 
kehr nach  Mailand  ein  Provinzialkonzil  1569,  worin,  wie  in  folgen- 
den Provinzialsynoden,  auch  die  kirchliche  Musik  mit  mehrfacnen 
weisen  Beschlüssen  bedacht  wurde.  In  Reicher  Weise  Hessen 
andere  Bischöfe  sich  angelegen  sein,  den  Zustand  der  Kirchen- 
musik in  ihren  Kathedralen  und  Sprengein  dem  Willen  des 
Trienter  Konzils  entsprechend  zu  überwachen.  Das  Überhand- 
nehmen der  ijstrumentalmusik  in  den  Kii'chen  im  vorigen  Jahr- 
hundert veranlasste  das  Oberhaupt  der  Kirche,  hierüber  sich 
auszusprechen,  und  nach  Anhören  eines  sachverständigen  Rates, 
Orliess  (19.  Febr.  1749)  Papst  Benedikt  XIV.  eine  Encykllka,  worin 
er  Normen  für  die  Instrumentalmusik  in  den  Kirchen  gab,  und 
welche  von  grosser  Wichtigkeit  ist,  weil  sie  die  einzige  zulässige 
-Weise  der  Instrumente  -auf  den  Kirchenchören  bezeichnet.  Er 
sagt:  »Wir  haben  es  uns  angelegen  sein  lassen,  über  diese  Sache 
den  Rat  weiser  Männer  und  ausgezeichneter  Meister  der  Ton- 
kunst einzuholen.  Übereinstimmend  mit  ihren  Ansichten  wirst 
Du  handeln,  ehrwürdiger  Bruder,  wenn  Du,  falls  in  den  Kirchen 
Deines  Sprengeis  der  Gebrauch  der  musikalischen  Instrumente 
eingeführt  ist,  ausser  der  Orgel  keine  anderen  Instrumente  ge- 
stattest, als  den  Kontrabass,  das  Violoncell,  das  Fagott,  die 
ViQla  und  die  Violine.  Diese  Instrumente  können  dienüch.sein, 
die  Stimmen  der  Sänger  zu  halten  und  zu  verstärken.  Verbieten 
aber  musst  Du  die  Patiken,  Waldhörner,  Trompeten,  Oboen, 
grössere  und  kleinere  Flöten,  Klavierinstrumente,  Mandolinen 
und  andere  derartige  Instrumente,  welche  der  Musik  einen 
theatralischen  Charakter  verleihen.  .  .  .  Wenn  aber  die  Instru- 
mente immerfort  erklingen,  .  .  .  und  demnach  die  Stimmen  der 
Sänger  und  das  Verständnis  der  Worte  niederdrücken  und  ver- 
dunkeln, so  ist  das  ein  verkehrter  imd  unzweckmässiger  Gebrauch 
der  Instrumente  und  ist  verwerflich  und  verboten." 

1842  erliess  Kardinal  Patrizi,  Vikar  Sr.  Heüigkeit  Papst 
Gregors  XVI.,  eine  zunächst  für  Rom  bestimmte  Verordnung, 
worm  die  Ausartungen  der  Kirchenmusik  streng  gerügt  und  die 
Instrumentalbegleitung  für  die  Zukunft  unter  Wahrung  gewisser 


Verordnungen,  kirchliche.  321 

Schranken  nur  als  Ausnahme  gestattet  wird.  Unter  dem  Pon- 
tifikate  Pius  IX.  ist  die  nämliche  Verordnung,  d.  d.  20.  Nov. 
1856,  in  verschärfter  Form  erneuert  worden.  Da  sie  ein  Anhalts- 
pimkt  für  alle  folgenden  Erlasse  der  Bischöfe  über  Kirchenmusik 
ist,  so  sollen  die  hauptsächlichsten  Punkte  herausgehoben  wer- 
den. Im  Eingange  werden  die  Übelstände  bezeichnet  und  teils 
im  theatraliscnen  Stile^  teils  in  der  profanen  Gesangs- 
und Vortragsweise,  teils  in  der  Gattung  der  Instru- 
mente, teils  in  der  unerträglichen  Länge  der  Produk- 
tionen gefunden.  Auf  ausdrücklichen  Befehl  Sr.  Heiligkeit 
wird  nun  verordnet :  1)  Obwohl  Wir  nur  reine  Vokalmusik  ä 
la  Palestrina  wünschen,  so  erlauben  Wir,  neben  dem  Gebrauche 
der  Orgel,  auch  instrumentierte  Musik,  doch  nur  nach  eingehol- 
ter Erlaubnis.  2)  Ausgeschlossen  sind  Trommeln,  Gymoalen, 
alle  Schlaginstrumente  überhaupt,  alle  bisher  auf  den  Kir- 
chenchöreii  ungebräuchlichen  und  die  zu  rauschenden. 
3)  Auch  bei  der  Musik  ä  la  capella  werde  Ernst  und  Würde 
eingehalten  ohne  Beimischung  theatralischen  Wesens  in  Anlage 
und  Melodie,  und  die  oftmalige  Wiederholung  der  Worte,  Ver- 
wechselung und  Verstellung  derselben  nach  Belieben  sei  ver- 
mieden. 4)  Bei  der  heiligen  Messe ,  bei  Aussetzung  des  AUer- 
heiligsten  und  dem  Segen  mit  demselben  hüten  sicli  besonders 
die  Oi;ganisten,  profanes  und  leichtfertiges  Spiel  zu  treiben.  5)  Um 
dem  Ünfuge  bei  instrumentierten  Messen,  besonders  Vespern, 
wo  öian  einen  oder  zwei  Psalmen  mit  grossem  Orchester  auf- 
führt, das  folgende  aber  hastig  mit  blosser  Prgelbegleitung 
ableiei*t,  zu  steuern,  soll  die  Instrumentation  bei  allen  Teilen 
gleich  sein,  und  kein  Musiker  die  Tribüne  (den  Chor)  vor  Voll- 
endung des  Gottesdienstes  verlassen.  6)  Die  einzelnen 
Teüe,  z.  B.  Kyrie,  Gloria  u.  dgl.  sollen  ein  einheitliches  Musik- 
stück bilden,  nicht  aus  abgerissenen  Stücken  bestehen. 
7)  Die  Introitus  und  Vesperantiphonen  sollen  choraliter  oder  in 
anderer  passender  Weise  und  so  gesungen  werden,  dass  man  die 
Worte  verstehe.  8)  Die  Kapellmeister  sollen  den  Takt  nicht  mit 
einem  Stocke  (d.  h.  weithin  hörbar  und  geräuschvoll),  sondern 
mit  einer  Papierrolle  schlagen;  auch  sollen  sie  nicht  den 
Rücken  gegen  den  Altar  kehren.  Grosse  Stille  herrsche 
unter  den  Musikern;  den  Sängern  wird  höchste  Anständig- 
keit, Geistessammlung,  deutliche  und  andächtige  Aus- 
sprache des  Textes  anempfohlen.  10)  Die  Kapellmeister  haben 
dies  bei  ihren  Untergebenen  sorgfältig  wahrzunehmen. 

Für  die  Komponisten  speciell  ist  verordnet:  1)  Die 
Kirchenmusik  muss  sich  von  der  profanen  und  theatralischen 
Musik  nicht  bloss  durch  die  Melodien,  sondern  auch  durch  die 
Figuration  und  Harmonieführung  unterscheiden;  die  zu  schnel- 
len, aufregenden  Bewegungen  und  Tempi  sind  verboten.  Wenn 
die  Worte  Heiterkeit  und  Freude  verlangen,  so  geschehe  es  mit 
der  Anmut  heiliger  und>  religiöser  Freude  und  nicht  mit  aus- 
gelassener Tanzbeweglichkeit;  die  Worte  dürfen  nie  schneller 
fesprochen  werden,  als  es  bei  einem  gewöhnlichen  Gespräche 
er  Fall  ist.  2)  Die  Worte  sollen  in  der  Ordnung  gebraucht 
werden,  in  welcher  die  liturgischen  Bücher  den  Text  geben; 
nach  Abschluss  eines  vollen  Gedankens  kann  die  Wiederholung 

Kornmüller,  Lexikon.  21 


322  Verordnungen,  kirchliche. 

eines  Wortes  oder  Abschnittes  stattfinden,  doch  nur  nach 
Bedürfnis,  ohne  Verkehrung  des  Sinnes  und  mit  gehö- 
rig er  Mässigung.  3)  Wenn  menrere  Stimmen  zugleich  singen, 
dürfen  sie  nicht  verschiedenen  Text  aussprechen,  bei  Wieder- 
holungen (Imitationen,  Kanons)  mag  es  ansehen.  4)  Man  singe 
dann  alle  Worte  ohne  Zusatz  oder  Abkih'zung,  nicht  eine  Sübe 
werde  geändert.  5)  Verboten  sind  dann  alle  Arietten,  Duos 
und  Trios  nach  Art  der  Bühnenmugjk.  Durchaus  verboten  sind 
die  Recitative  und  alles  ihnen  Ähnliche.  6)  Bezüglich  der 
Instrumente  enthalte  man  sich  langer  Introduktionen 
und  Präludien,  letztere  seien  stets  km*z  und  einleitend.  Ohne 
die  Annehmlichkeit  und  das  Kolorit  der  Instrumente  zu  beein- 
trächtigen, wie  es  Kunst  und  guter  Geschmack  erfordert,  hat 
man  Weichlichkeit  und  auch  grosses  Geräusch  zu  vermeiden. 
Der  Kompositeur  \^erges8e  nicht,  dass  die  Instrumente  tn  der 
Kirche  bloss  geduldet  sind;  sie  haben  bloss  den  Gesang  zu 
unterstützen  und  zu  verschönern,  fera  davon,  ihn  zu  beherr- 
schen, und  noch  weniger,  ihn  beschwerlich  zu  machen  oder  ganz 
zu  unterdrücken. 

Im  nämlichen  Jahre  (1842)  erliess  auch  der  Kardinal-Erz- 
bischof Sterkx  von  Mecheln  eine  Instruktion  über  die  Kirchen- 
musik, welcher  sich  bald  alle  übrigen  Bischöfe  Belgiens  anschlös- 
sen. Sie  stellt  den  Gregorianischen  Choral  in  allen  Kirchen  als 
Regel,  die  Figuralmusik  als  Ausnahme  auf.  Man  findet  sie  in 
-Janssens,  Grundregeln  des  Gregorianischen  Chorals  etc.*  abge- 
druckt. Seitdem  haben  mehrere  Bischöfe  Deutschlands  umias- 
sende  Verordnungen  zur  Besserung  der  Kirchenmusik  in  ihren 
Diöcesen  erlassen,  von  denen  folgende  uns  bekannt  geworden 
sind:  Oberhirtliches  Ausschreiben  des  Bischofs  Valentin  von 
Regensburg  vom  24.  April  1857;  Monita  ad  paroch.  Guilielmi 
Eßiscopi  Trevir.  7.  Mart.  1856;  Bischöfliche  Kurrende  für  die 
Leitmeritzer  Diöcese,  Nr.  3.  1858;  Nr.  13.  1859;  —  hierzu  zählen 
noch  die  Beschlüsse  des  Prövinzialkonzils  von  Wien  1858, 
von  Prag  1860  und  von  Köln  1861.  Es  ist  nicht  nötig,  von 
ihnen  etwas  auszüglich  anzuführen,  da  sämtliche  in  ihren  Be- 
stimmungen auf  den  nämlichen  Principien  beruhen  und  nur  in 
wenigen  provinziellen  Beziehungen  abweichen. 

188ö  erging  von  Seiten  der  C.  Si  R.  an  alle  Bischöfe  Italiens 
ein  „Regolamerito  per  la  Musica  sacra  in  Italia",  wodurch  eine 
Besserung  der  Kircnenmusik  angestrebt  wird. 

Von  besonderer  Wichtigkeit  ist  noch  das  27.  Kapitel  des 
I.  Buches  des  Caeremoniale  Episcoporum,  welches  i.  J.  1886  neu 
redigiert  und  vom  heiligen  Vater  sanktioniert,  folgende  Bestim- 
mungen enthält: 

1)  An  allen  Sonntagen  und  an  allen  FesttEigea  des  Kirchen- 
jahres, an  denen  das  Volk  sich  der  knechtlichen  Arbeit  zu  ent- 
nalten  pflegt,  kann  in  der  Kirche  Orgelspiel  und  der  Gesang 
der  Musiker  stattfinden. 

2)  Zu  diesen  Tagen  zählen  jedoch  nicht  die  Sonntage 
der  Advent-  und  Fastenzeit  mit  Ausnahme  des  dritten  im  Ad- 
vent (Gaudete)  und  des  vierten  in  der  Fastenzeit  (Laetare),  an 
welch  letzteren  Tagen  Orgelspiel  erlaubt  ist,  jedoch  bloss  bei 
der  Messe;    ebenso  sind  ausgenommen  jene  Feste  utid  Ferien 


Verordnungen,  kirchliche.  323 

innerhalb  der  Advent-  und  Pastenzeit,  welche  mit  Feierlichkeit 
von  der  Kü'ohe  begangen  werden,  wie  z.  B.  das  Fest  des  heil. 
Mathias,  des  heil.  Thomas  von  Aquin,  des  heil.  Gregor  d.  Gr.,  des 
heil.  Joseph,  der  Verkündigung  Mariens  und  ähnlichen,  welche 
in  die  Advent-  und  Fastenzeit  fallen.  Ebenso  kann  die  Orgel 
gespielt  werden  am  Gründonnerstag  und  Karsamstag  beim  Gloria, 
und  wenn  ein  feierlicher  Gottesdienst  mehr  freudigen  Charakters 
irgend  einer  wichtigen  Ursache  halber  gehalten  werden  soll. 

3)  Das  Spiel  der'  Orgel  ist  geziemend ,  wenn  der  Bischof 
entweder,  um  selbst  feierlich  zu  celebrieren,  oder  dem  durch  einen 
anderen  celebrierten  feierlichen  Hochatnte  zu  assistieren,  in  die 
Kirche  einzieht,  sowie  auch,  wenn  er  nach  verrijchteter  heüiger 
Handlung  die  Kirche  verlasst. 

4)  Ebendasselbe  soll  beim  Einzüge  eines  apostolischen  Le- 
gaten, eines  Kardinals,  eines  Erzbischoies  oder  Bischofep,  den  der 
Diöcesanbischof  .ehren  will,  geschehen,  und  zwar  so  lang,  bis  die 
vorgenannten  gebetet  und  die  heilige  Handlung  beginnen  soll, 
sowie  auch  bei  deren  Auszug. 

5)  Bei  der  feierlichen  Matutin  an  höheren  Festtagen  kann 
die  Orgel  gespielt  werden,  auch  bei  der  Vesper  und  zwar  von 
Allfang  an. 

o)  Es  ist  Regel,  dass  bei  Vesper,  Matutin  und  Messe*  der 
erste  Vers  der  Kantiken  und  Hymnen,  sowie  auch  jene  Hymnen- 
strophen, bei  T?7elchen  zu  genunektieren  ist  (z.  B.  Te  ergo  quaesu- 
mus  etc.  und  die  Strophe  Tantum  ergo,  wenn  das  heiligste  Sa- 
krament ausgesetzt  ist,  imd  ähnliche)  vom  Chore  laut  gesungen 
und  nicht  von  der  Orgel  suppliert  werden;  so  wird  es  auch 
mit  dem  Versikel  Gloria  Patri  etc.  gehalten,  wenn  auch  der  die- 
sem unmittelbar  vorhergehende  Versikel  ebenfalls  gesungen 
wurde;  dasselbe  gilt  von  den  Schlussstrophen  der  Hymnen.  — 
Es  ist  jedoch  wohl  zu  bemerken^  dass,  so  oft  die  Orgel  den  Ge- 
sang suppliert  oder '  wechselweise  mit  dem  Gesänge  bei  den 
Hymnen  und  Kantiken  eintritt,  jemand  im  Chore  das  mit  ver- 
nehmlicher Stimme  recitiere,  was  wegen  des  Spieles  der  Orgel 
nicht  gesungen  wird.  Und  es  wäre  ganz  löblich,  wenn  irgend  ein 
Sänger  ebendasselbe,  begleitet  von  der  Orgel,  deutlich  singen  würde. 

7)  Bei  anderen  kanonischen  Hören,  welche  im  Chore  re- 
oitiert  werden,  ist  es  nicht  gebräuchlich,  die  Orgel  anzuwenden. 
Wenn  es  jedoch  irgendwo  Gewohnheit  wäre,  auch  bei  den  Hören, 
oder  einigen  derseloen  (z.  B.  bei  der  Terz,  zumal  wenn  dieselbe 
unmittelbar  vor  einem  Pontifikalamte ,  während  der  Bischof  die 
heüigen  Paramente  nimmt,  feierlich  gesungen  wird)  die  Orgel  zu 
spielen,  so  kann  eine  solche  Gewohnheit  beibehalten  werden. 

8)  Bei  der  feierlichen  Vesper  kann  die  Orgel  am  Ende 
eines  jeden  Psalmes  gespielt  weräen ;  femer  auch  wechselweise 
beim  Hymnus  und  beim  Magnifikat,  jedoch  unter  Beobachtung 
obenbesagter  Regeln. 

9)  Beim  Hochamte  wird  die  Orgel  wechselweise  gespielt 
2um  Kylie  eleison,  Gloria  in  excelsis  etc.  am  Anfange  der  Messe ; 
ebenso  nach  gelesener  Epistel,  zum  OflFertorium  und  zum  San- 
€tus,  \md  fort  bis  zum  rater  noster.  Bei  der  Wandlung  jedoch 
wird  die  Orgel  in  ernsterem  und  sanfterem  Tone  gespielt.  Nach 
der  Wandlung  kann  sogleich  eine  passende   Motette   gesungen 

•      21* 


324  Versett  —  Versetzungszeichen. 

werden.  Ebenso  ertönt  die  Orgel  wechselweise  beim  Agnus  Bei 
bis  zur  Postcommunio  und  am  Ende  der  Messe. 

10)  Beim  Gesänge  des  Symbolums  (Credo)  jedoch  darf  die 
Orgel  nicht  wechselweise  eintreten,  sondern  es  ist  dasselbe  vom 
Chore  ganz  und  mit  vernehmlicher  Stimme  zu  singen. 

11)  Man  habe  aber  ein  wachsames  Auge  dariiner,  dass  das 
Spiel  der  Orgel  nicht  lasciv  oder  unlauter  sei,  und  dass  nicht 
unter  Begleitung  derselben  Gesänge  aufgeführt  werden,  welche 
mit  dem  Officium,  das  eben  gefeiert  wird,*  nichts  zu  thun  haben, 
um  von  Gesängen  profaner  und  tändelnder  Natur  zu  schweigen; 
auch  sollen  ausser  der  Orgel  keine«  anderen  Instrumente  ange- 
wendet werden,  es  sei  denn  mit  Erlaubnis  des  Bischofs. 

12)  Die  Sänger  und  Musiker  sollen  es  sich  sehr  angelegen 
sein  lassen,  dass  der  Zusammenklang  der  Stimmen,  welcner  zur 
Förderung  der  Andacht  in  der  Kirche  bestimmt  ist,  nichts  Leicht- 
fertiges und  Ausgelassenes  an  sich  habe  und  so  die  Gemüter  der 
Hörer  von  der  Betrachtung  der  heiligen  Geheimnisse  abwendig 
mache,  sondern  derselbe  sei  andächtig,  klar  und  verständlich. 

13)  In  Officien  für  die  Verstorbenen  wird  die  Orgel  nicht 
gespielt;  wenn  aber  bei  den  Totenmessen  Musik  stattmidet,  so 
schweigt  die  Orgel,  wenn  der  Gesang  beendet  ist;  die  gleiche 
Vorschrift  geziemt  sich  auch  für  die  Ferien  der  Advent-  und 
Fastenzeit. 

Versett,  s.  Zwischenspiel. 

Versetzungszeichen  heissen  in  der- Musik  diejenigen  Zei- 
chen, durch  welche  die  Erhöhung  oder  Erniedrigung  eines  Tones 
in   der  Notenschrift   angedeutet  wird.    Solcher  Zeichen   gibt   es 

eigen thch  nur  drei:   das  Kreuz  (T),    das   B  (7)   und  das  Auflö- 

sungs-  oder  Wiederherstellungszeichen  (B  quadratum  j;). 

Zur  Bezeichnung  der  doppelten  Erhöhung  bedient  man  sich  des 
(von  einigen  auch  „spanisches  Kreuz"  genannten)  Zeichens  x,  die 

doppelte  Erniedrigung  zeij^  man  durch  Doppel-Be  {\^)  a.n.  We- 
sentliche Versetzungszeichen  werden  diejenigen  genannt,  welche 
die  in  einer  Tonart  oder  Tonleiter  notwendig  erhöhten  oder  er- 
niedrigten Töne  bezeichnen,  in  welchem  Fafle  sie  jedesmal  zu 
Anfang  eines  Tonstückes  oder  Satzes  zwischen  dem  Schlüssel 
und  Taktzeichen,  auch  gewöhnhch  zu  Anfang  jeder  Notenzeüe 
auf  die  betreffenden  Linien  gesetzt  werden;  zufällig  oder 
accidentell  heissen  sie,  wenn  sie  der  Tonart  nicht  wesentlich 
zugehören,  sondern  die  erhöhten  oder  erniedrigten  Töne  zuföllig 
oder,  durch  den  Gang  der  Modulation  veranlasst  sind;  in  diesem 
Falle  werden  sie  unmittelbar  vor  die  zu  alterierende  Note  gesetzt 
und  haben  nur  füi*  einen  Takt  Geltung.  —  Das  erste  Versetzungs- 
zeichen, welches  in  der  Geschichte  der  musikalischen  Theorie 
zutage  tritt,  ist  das  B-rotundum  oder  molle,  welches  in  dem 
Tonsysteme  Guidos  von  Arezzo  unter  den  hohen  und  höchsten 
Tönen  die  Erniedrigung  des  B  (eigentlich  unser  Ton  H)  um  einen 
halben  Ton  (zu  unserm  B)  anzeigt,  während  das  natürliche  H 
durch  das  quadratische  Zeichen  t  angedeutet  wurde.  In  der 
unteren  Oktav,  deren  Töne  graves  Messen,  gab  es  nur  das  B 
quadratum  (unser  H),  da  dies  nicht  mit  einem  darunterliegenden 
F,  weü  es   keines   gab,   durch  den  Triton  in  Kollision  kommen 


r~ 


Versikel  —  Verwandtschaft.  325 

konnte.  Bei  diesem  blieb'»es  lang,  obwohl  in  der  Praxis  aller- 
dings, je  nachdem  man  von  einem  Tone  ausging,  eine  Alteration 
der  Töne  vorgenommen  werden  musste,  um  die  betreffende  Ton- 
art darzustellen,  d.  h.  wenn  man  eine  ordentlich  notierte  Melodie 
höher  oder  tiefer  als  die  Noten-  oder  Zeichenschrift  angab,  sang. 
Das  war  eine  Art  der  „Musica  iicta",  die  transponierte  Mu- 
sik. Dann  aber  erhöhte  man  (nach  Guido)  öfter  den  Ton  unter 
der  Finale,  wenn  ein  ganzer  Ton  dort  zutraf  (subsemitonium 
modi),  da  dieses  dem  Genör  besserlautend  erschien,  —  aber  man 
zeigte  es  noch  nicht  durch  ein  Zeichen  an;  diese  willkürlich  er- 
höhten Töne  nannte  man  auch  musica  ficta  und  daraus  ent- 
wickelte sich  später  der  Gebrauch  eigener  Zeichen  für  solche 
Erhöhungen.  Bei  den  ältesten  französischen  Kontrapunktisten 
im  Xin.  Jahrh.  schon  kommt  das  Erhöhungszeichen  (Diesis) 
vor.  Erst  am  Ende  des  XVI.  und  Anfange  des  XVII.  Jahrb., 
da  das  neuere  Tonsvstem  mit  seinen  fixen  Dur-  und  Mollskalen 
auftauchte  und  die  Tonsetzer  von  der  Chromatik  mehr  und  mehr 
Gebrauch  machten,  wurden  unsere  drei  Versetzungszeichen  all- 
gemeiner angewendet. 

Versikel,  lat.  versiculus,  ein  kurzer  Spruch,  gewöhnlich 
aus  den  Psalmen  genommen  und  bei  allen  liturgischen  Funktionen 
und  beim  Officium  vorkommend,  mit  t,  bezeichnet,  welchem 
stets  ein  Antwortspruch,  Responsorium  (1^.);  als  Ergänzung  folgt, 
z.  B.  y.  Adjutorium  nostrum  in  nomine  Domini.  ip.  Qui  fecit 
€oelum  et  terram.  Ihre  Gesangsweise  ist,  je  nach  dem}  Officium, 
wobei  sie  vorkommen,  sehr  verschieden  worüber  jedes  Choral- 
lehrbuch Aufschluss  gibt. 

Versns  (lat.),  der  Vers,  Psalmvers.T 

Vert^  (lat.)  =  wende  um. 

Verwandtschaft.  Verwandt  nennt  man  Harmonien  (Ac- 
corde)  und  Tonarten,  insofern  sie  in  einem  gewissen  Verhältnisse 
zueinander  stehen  oder  eine  gewisse  Beziehung  aufeinander  haben. 

I.  Harmonien  sind  mehr  oder  weniger  verwandt  a)  bezüg- 
lich der  sie  konstituierenden  Töne,  je  nachdem  sie  einen 
oder  mehrere  Töne  gemein  haben ;  b)  bezüglich  der  Bedeutun-g, 
wenn  sie  enharmomsch  glefch  sind,  z.  B.  die  Dreiklänge  fis-ais-cis 
und  ges-b-des;  o)  bezüglich  ihrer  Abstammung,  z.  B.  die  Ac- 
corde  g  h  d;  g  h  d  f;  g  h  d  f  a-  g  h  d  f  as;  h  d  f  a; 
h  d  f  u.  dgl.;  hierzu  sind  noch  die  willkürlich  umgebildeten  Ac- 
corde  zu  rechnen,  z.  B.  die  kleinen,  übermässigen,  verminderten 
Dreiklänge,  Septimenaccorde  u.  a.;  d)  bezüglich  der  Tonarten, 
zu  denen  sie  gehören. 

IL  Die  Verwandtschaft  der  Tonarten  (Tonleitern  und 
Tonreiche)  gründet  sich  auf  Gemeinsamkeit  mehrerer  oder  wich- 
tiger Töne  und  Harmonien.  Zunächst  verwandt  sind  einer  be- 
stimmten Tönart  diejenigen  Tonarten,  welche  deren  Tonikaaccord 
als  vollkommenen  Dreiklang  in  sich  enthalten,  z.  B.  zu  C-dur: 

G-dur,  e-moU,  C-dur,  a-moU,  F-dur,  d-moU ; 

also  sind  im  ersten  Grade  verwandt  zu  einer  bestimmten  Ton- 
art die  Parallel-MoUtonart,  die  Tonarten  ihrer  Ober-  und  Unter- 
dominante (deren  Tonleitern  nur  in  einem  Tone  abweichen,  z.  B. 
von  der  C-dur-Skala   die   F-dur-Skala  durch  b,    die  G-dur-Skala 


326  Verzierungen  —  yesper. 

durch  fis)  und  deren  Parallel-MoUtonarteh.  Im  zweiten  Grade 
verwandt  nennt  man  diejenigen  Tonarten,  welche  von  einer  be- 
stimmten Tonart  in  zwei  Tönen  differieren,  z.  B.  D-dur  oder 
B-dur  zu  G-dur  u.  s.  f.  • 

Verwandt  sind  ferner  diejenigen  Tonarten,  welche  gleiche 
Tonika,  Ober-  und  Unterdominante  besitzen,  als  C-dur  und 
OmoU  u.  s.  w.,  ebenso  diejenigen,  welche  in. einem  Dominanten* 
Verhältnisse  zueinander  stehen,  z.  B.  C-dur  zu  F-moU  (und  dessen 
Paralleltonart  As-dur) 

(Verwandtschaft  der  Kirchentonarten  s.  bei  „Kir- 
chentonarten".) 

Verzierungen,  ital.  Fioriture,  nennt  man  alle  diejenigen, 
ausschmückenden  Figurenzusätze  —  auch  Manieren  genannt  — , 
welche  einer  melodischen  Hauptnote  in  der  Form  von  Vor-  und 
Nachschlägen,  Trillern  u.  dgl.  oeigegeben  werden.  Sie  sind  ent- 
weder vom  Komponisten  bestimmt  oder  werden  vom  Vortragen- 
den nach  eigenem  Gutdünken  beigesetzt.  Solche  Verzierungen^ 
reverberatio  und  flores  genannt,  gebrauchten  schon  die  Sänger 
des  XII.  Jahrb.,  und  Hieronymus  de  Moravia  gibt  hierüber  eme 
längere  Anweisung  (tractat.  de  mus.  cap.  25). 

Vesper,  lat.  Vesperae.  Die  Vesper  ist  ein  Bestandteil 
des  täglichen  Officiiuns  oder  Breviergebetes,  einst  bestimmt  für 
die  Zeit  vom  Untergange  der  Sonne  bis  zur  Nacht,  die  Zeit  der 
Abenddämmerung;  in  alten  Zeiten  betete  oder  sang  maj}  sie 
auch  abends  sechs  Uhr,  als  der  Stunde,  in  welcher  beim  Äqui- 
noktium die  Sonne  untergeht;  jetzt  kann  sie  während  der  Zeit 
von  zwölf  Uhr  mittags  ois  zwölf  Uhr  nachts  gebetet  werden. 
Zu  bemerken  ist,  dass  sie  in  der  Fastenzeit  vor  Mittag  abgehal- 
ten wird.  Die  Vesper  ist  bei  uns  die  einzige  kanonische  Bet- 
stunde, welche  noch  an  manchen  Tagen,  besonders  Festtagen, 
öffentlich  unter  Teilnahme  der  Gläubigen  (als  feierlicher  Nach- 
mittagsgottesdienst) abgehalten  wird,  ihre  Bedeutung  ist:  „Aus- 
druck des  beruhigenden  Bewusstseins  eines  treulich  durchlebten 
und  mit  Gnaden  und  Verdiensten  bereicherten  Tages,  aber  auch 
des  Dankes,  der  Bewunderung  und  des  Preises  für  volle  Offen- 
barung der  göttlichen  Liebeswerke,  sowie  endlich  der  freudigen 
und  sehnsücntigen  Erwartung  ewiger  Freude  und  Glorie."  Inre 
Form  ist  ganz  die  der  Landes :  Fünf  Psalmen  mit  fünf  Antipho- . 
nen,  Kapitel,  Hymnus,  Versikel  mit  Responsorium,  der  Lobgesang 
„Magninkat"  mit  Antiphon,  woran  sich  die  Festoration,  manch- 
mal von  einer  oder  mehreren  Kommemorationen  von  Heüigen 
gefolgt,  anreihen.  Dem  Chore  fällt  in  der  Feier  der  Vesper  eine 
wichtige  Aufgabe  zu,  indem  ihm  der  Psalmengesang,  teilweise 
aucb  der  Antiphonen,  dann  des  Hymnus  und  des  Magnifikat  ob- 
liegt, und  er  durch  den  Gesang  der  gehörigen  Stimmung  Aus- 
druck leihen  soll.  Der  einfache  Psalmengesang  verinag  schon 
eine  grosse  Wirkung  zu  üben;  aber  zu  festlicherer  Stimmung 
können  die  Kompositionen  der  alten  Meister  angewendet  werden, 
seien  es  nun  durchkomponierte  Psalmen  oder  sogenannte  Falso- 
bordoni.  Weit  davon  stehen  ab  die  Kompositionen  der. Neuzeit 
mit  ihrer  Figuration  und  Instrumentation,  welche  die  Psalmtöne 
verlassen  und  zu  geistlichen  Kantaten  sich  gestaltet  haben;  bei 
diesen  drängt  sich  am  klarsten  und  überzeugendsten  im  Zusammen- 


Victimae  paschali  —  Viola.  327 

halte  mit  den  nach  kirchlicher  Intonation  geßchaffenen  Kompo- 
sitionen die  Einsicht  auf,  in  welchem  Widerspruche  die  moderne 
Musik  mit  der  Liturgie  sich  befindet.  —  Jedes  gi'össere  Fest 
nimmt  seinen  Anfang  am  Vorabende  mit  der  I.  Vesper,  welche 
gemeinig:lich  feierlicher  abgehalten  wird,  und  schliesst  am  Tage 
selbst  mit  der  II.  Vesper.  Die  Antiphonen  sind  in  beiden  Vespern 
(mit  wenigen  Ausnahmen)   gleich  und  werden  aus  den  Landes 

genommen,  die  Psalmen  iedoch  sind  meistens  verschieden,  wes- 
alb  der  Chordirektor  sicn  wohl  umzusehen  hat.  Ein  Missstand 
ist  aus  den  instrumentierten  Vespern  erwachsen,  welcher  die 
kanonische  Form  der  Vesper  beeinträchtiget  und  entfernt  wer- 
den muss,  —  das  ist  das  rast  gänzliche  Verschweigen  der  Anti- 
phonen! —  An  das  Magnifikat  und  an  die  Hauptoration  schliessen 
sich  öfter  eine  oder  mehrere  Kommemorationen  der  Heiligen  an, 
worüber  inuner  vorerst  das  Direktorium  nachzusehen  ist.  Das 
„Benedicamus"  singt  gewöhnlich  der  Chor,  resp.  einer  oder  zwei 
Sänger,  denen  der  ganze  Chor  mit  „Deo  gratias"  antwortet. 

Victimae  paschali,  s.  Sequenzen. 

Vierstimmig  heisst  der  Satz,  wenn  die  Harmonie  wirklich 
aus  vier  neben-  und  übereinander  fortlaufenden  Stimmen  besteht, 
die  sich  zu  einem  Ganzen  vereinigen.  Dieser  Satz  ist  der  voll- 
kommenste und  reinste,  weil  er  der  natürlichste  ist,  denn  in  der 
Anordnung  und  Bildung  der  verschiedenen  Menschenstimmen  hat 
die  Natur  selbst  gleichsam  eine  vierstimmige  Harmonie  gegeben. 
Das  Quartett  macht  auch  bei  jeder  grösseren  Musik  —  ausge- 
nommen die  konträpunktischen  Werke  —  die  Grundlage  aus. 
Bei  Vokalsaohen  sina  die  vier  gemischten  Stimmen,  Sopran, 
Alt,  Tenor  und  Bass  in  Anwendung  gebracht,  oder  das  Quartett 
aus  zwei  Sopran  und  zwei  Alt,  oder  zwei  Tenoren  und  zwei 
Bässen  (ad  voces  aequales)  oder  in  anderer  Mischung  zu- 
sammengesetzt. 

Viola,  Altviola,  Bratsche,  ist  das  älteste  Saiteninstru- 
ment, eigentlich  die  Mutter  unserer  Geigeninstrumente.  Man 
nimmt  ihr  Alter  auf  ö(X)  Jahre  an.  1330  erscheint  sie  schon  auf 
einem  Erzbilde  von  Pisano  an  der  Kirchenthüre  der  Taufkapelle 
zu  Florenz  —  fünfsaitig.  Bogen,  Ansatz,  Bogenführung,  Form  so, 
wie  wir  sie  später  zu  sehen  gewohnt  sind.  Zu  Raphaels  Zeiten 
(1507)  ist  sie  das  Hauptinstrument  unter  den  Geigen.  Im  XVI. 
Jahrh.  hatte  man  Violen  mit  fünf,  sieben  und  neun  Saiten;  sie 
waren  an  Grösse  etwas  verschieden  und  wurden  teüs  mit  dem 
Arme  wie  bei  uns  (Viola  da  braccio,  Armgeige),  teils  zwischen 
den  Knieen  (Viola  da  gamba,  Kniegeige)  gehalten.  Gegen- 
wärtig ist  nur  mehr  die  Viola  da  braccio  (daher  der  Name 
„Bratsche")  in  Gebrauch,  aber  als  ein  unentbehrliches  Instru- 
ment zum  Quartett  und  aller  mehrstimmigen  Musik.  Die  Viola 
ist  charakteristisch  durch  einen  sanften  Ernst,  welcher  in  Ver- 
bindung mit  dem  etwas  näselnden  Tone  ihr  einen  eigenen  Reiz 
verleiht.  Berlioz  zeichnet  ihr  Wesen  so:  „Die  Viola  ist  ebenso 
beweglich  und  gewandt  als  die  Violine;  der  Ton  ihrer  tiefen 
Saiten  hat  eine  eigentümliche  Schärfe,  die  höheren  Noten  brillieren 
durch  ihren  schwermütigen  leidenschaftlichen  Accent ,  und  ihr 
Klang  im  allgemeinen,  eine  tiefe  Wehmut  atmend,  unterscheidet 
sich  wesentlich  von  dem  Klange  der  übrigen  Bogeninstrumente." 


828  Violine  —  Vokalmusik. 

Violine,  s.  Geige. 

Violoncell,  Violoncello,  auch  kleine  Bassgeige  und 
(friilier)  Bassetchen  genannt,  ist  eine  Umgestaltung  oer früheren 
Viola  da  Gamba.  Tardieu,  ein  Geistlicher ,  welcher  um  1700  zu 
Tarascon  in  der  Provönoe  lebte,  ist  sein  Erfinder;  er  bezog  es 
zuerst  mit  fünf  Saiten;  1725  Hess  er  die  fünfte  (oberste)  Saite 
weg.  In  Deutschland  kam  es  erst  um  die  Mitte  des  vorigen 
Jahrhunderts  in  Aufnahme.  Bei  diesem  Instrumente  ist  der 
Fingersatz  wegen  der  längeren  Mensur  etwas  anders  und  auch 
imgJeioh  schwieriger,  als  auf  der  Violine  und  Viola ;  die  Notation 

feschieht  im  Bassschlüssel,  nur  bei  höheren  Stellen  wendet  man 
en  Tenorschlüssel  und  bei  den  höchsten  Tönen  den  Violin- 
schlüssel an.  Manchmal  findet  man  auch  schon  bei  den  höheren 
Stellen  den  Violinschlüssel  statt  des  Tenorschlüssels  gesetzt,  in 
welchem  Falle  die  Töne  um  eine  Oktave  tiefer  zu  spielen  sind, 
als  die  Noten  angeben.  Das  Violoncell  ist  in  den  mittleren  und 
höheren  Tönen  durch  einen  eindringenden,  klaren  und  weichen 
Klang  ausgezeichnet,  und,  in  der  sonoren  Tenorregion  am  näch- 
sten der  Menschenstimme  verwandt,  spricht  es  in  melodischen 
Gängen  zum  Herzen  und  macht  in  solcher  Anwendung  seine 
fechönste  Wirkung.  Es  ist  nicht  nur  in  jedem  Orchester  zur  Ver- 
stärkung der  Grundbässe  höchst  wirksam,  noch  mehr  aber,  um 
bewegtere  Bassfiguren  klar  und  vernehmlich  herauszuheben,  ganz 
unentbehrlich,  sondern  es  muss  auch  eines  der  vorzüglichsten 
Solo-  und  Konzertinstrumente  genannt  werden. 

Violone,  1)  französische  Benennung  der  Violine;  2)  ita- 
lienischer Name  des  Kontrabasses  (s.  d.  Art.).  Die  erste  Ein- 
führung des  Kontrabasses  ist  unbekannt;  er  ist  jedenfalls  jünger 
als  die  übrigen  Geigeninstrumente.  Die  Musikkultur  selbst  rief 
die  BassgQige,  auch  deutscher  Bass  genannt,  hervor,  wel- 
cher in  der  Dimension  grösser  als  das  Violoncell,  jedoch  kleiner 
als  der  jetzige  Kontrabass  war.  Anfangs  des  XVII.  Jahrh.  finden 
wir  ihn  schon  im  Gebrauche.    Es  gibt  drei-  und  viersaitige  Bässe. 

Virtuos  wird  ein  ausführender  Tonkünstler  genannt,  wenn 
er  als  Sänger  oder  auf  einem  Instrumente  —  eme  besondere, 
ungewöhnliche  Fertigkeit  besitzt;  im  besten  Sinne  ist  derjenige 
Virtuos,  welcher  mit  der  Fertigkeit  erstens  Geschmack  und  Geist 
des  Vortrags  vereinigt,  zweitens  aber  auch  die  Fertigkeit  noch 
auf  echt  künstlerische  Weise,  d.  h.  zu  Gunsten  der  fiiterpretie- 
ung  gediegener  und  würdiger  Kunstwerke  benützt  und  sie  nicht 
zum  2i  wecke,  sondern  zum  Mittel  seines  Kunstwirkens  macht. 

Vista,  a  prima  vista  =  vom  ersten  Anschauen,  vom  Blatte 
(spielen,  singen). 

Vivace,  s.  Tempo. 

Voces  aequales,  s.  Gleiche  Stimmen. 

Vokalmusik,  im  Gegensatze  zur  Instrumentalmusik  die- 
jenige Musik,  bei  welcher  von  der  menschlichen  Stimme  ent- 
weder allein  oder  auch  in  Begleitung  von  Instrumenten  Gebrauch 
gemacht  wird.  Die  Vokalmusik  steht  höher  als  die  Instrumental- 
musik, welcher  sie  auch  bezügUch  der  Entwickelung  weit  vor- 
ausgegangen ist:  denn  sie  ist  de-r  unmittelbare  Erguss  des 
menscnlicfien  Fühlens,  und  der  Drang  und  das  Bedürfnis,  dieses 
in  einer  über  die  praktische  Begriffssprache  hinausliegenden  Weise 


Volkslied  —  Vorausnahme.  329 

auszudrücken,  ist  dem  Menschen  eingeboren.  I)a  der  Mensch 
selber  das  Organ  dieser  Offenbarung  seines  Inneren  ist,  so  kann 
«s  nicht  auffallen,  dass.  erst  später  die  Instrumente,  welche  zu- 
dem lang  in  höchst  unvollkommenem  Zustande  blieben,  neben 
der  menschlichen  Stimme  Organe  solcher  Gefühls-  und  Empfin- 
dungsäusserungen werden  konnten.  Darum  blieb  auch  die  Ge- 
sangsmusik bis  ins  XVIII.  Jahrh.  herein  die  vorzüglichste  Musik- 
weise, in  welcher  die  Tonkunst  ihre  besten  Werke  schuf. 

Sie  behauptet  den  Vorrang  über  die  Instrumentalmusik, 
wenn  auch  diese  in  mancher  Beziehung,  z.  B.  Beweglichkeit, 
Tonumfang,  Schallkraft..sie  überbietet,  schon  dadurch,  dass  sie 
die  unmittelbarste  Äusserung  des  Menschen  ist,  dass  der 
Lebensodem  im  Gesänge  weht,  der  Nerv  mit  ihm  mitlebt  und 
dies  jeder  Mensch  sympathetisch  mitfühlt.  „Die  Resonanz  der 
Instrumente  ist  nur  ein  schwacher  Nachhall  der  seelischen  Re- 
sonanz des  Gefühles,  die  im  Gesänge  nachklingt."  Vorzüglich 
aber  überragt  der  Gesang  jede  Instrumentalmusöc:  dadurch,  dass 
er  sich  mit  der  Sprache  verbindet;  dass  er,  während  er  durch 
den  Ton  auf  das  Gefühl  wirkt,  zugleich  durch  das  Wort  den 
Geist  über  das,  was  der  Ton  sagen  will,  aufklärt  und  die  höch- 
sten und  bedeutendsten  Dinge,  welche  die  Vokalmusik  in  ihren 
Kreis  zieht,  dem  Gefühle  und  Geiste  zugleich  zum  deutlichen 
Verständnisse  bringt.  Was  viele  Worte  nach  selten  des  Gefühles . 
nicht  auszudrücken  vermögen,  das  spricht  die  Musik  in  wenigen 
Zügen  aus;  der  Text  hingegen  gibt  unserem  musikalischen  Em- 
pfinden und  Ahnen  eine  Bestimmtheit  und  Gewissheit  und  sagt 
uns  deutlich,  was  die  Musik  an  sich  nicht  zu  gewähren  vermag. 
So  ergänzen  sich  Wort  und  Ton  in  der  Vokalmusik  zu  einer 
Gefühl  und  Phantasie  tief  erregenden  und  zugleich  den  Geist 
durch  Deutlichkeit  befriedigenden  Einheit. 

„Es  ist  demnach  auch  ganz  natürlich,"  sagt  Dommer,  -dass 
der  reine  Gesang  das  Organ  der  tiefsten  Gefühle  und  Ideen 
wurde ,  in  welchen  nicht  nur  die  anfängliche ,  sondern  auch  die 
Kunst  in  ihrer  Vollendung  die  Gottheit  feierte.  Jederzeit  ist  das 
instrumentale  Element  in  der  Kirchenmusik  weit  hinter  das  vo- 
kale zurückgetreten."  Die  Kirche  hat  somit  auch  nicht  unrecht, 
wenn  sie  die  Gesangsmusik  in  ihren  Kultus  zieht,  die  Instrumental- 
musik als  ein  ihr  nicht  zusagendes  Element  nicht  liebt  und  sie 
nur  duldet,  insofern  sie  nicht  mit  ihrer  Eigentümlichkeit  domi- 
niei-t,  sondern  bloss  den  Gesang  unterstützt,  seine  geistige  Tiefe 
fühlbarer  macht,  gleichsam  dem  Gemälde  durch  ihre  Figuren  und 
Klänge  den  LokaTton  gibt. 

Volkslied,  s.  Kirchenlied. 

Volti  (ital.)  —  wende  um,  gewöhnlich  mit  subito  (abge- 
kürzt V.  S.)  wende  schnell  (d.  h.  das  Blatt)  um. 

Vorausnahme,  Anticipation,  findet  statt,  wenn  ein  we- 
sentliches Intervall  eines  Accordes  in  einer  und  derselben  Stimme 
schon  beim  nächstvorhergehenden  Accorde  angeschlagen  wird, 
zu  dem  es  eigenthch  gar  nicht  gehört,  z.  B.: 


330 


1 


Vorbereitung  —  Vorschlag. 


r 


I 


I 


f 


r TT  I 


Vorbereitung  der  Dissonanzen  besteht  darin,  dass  der  dis- 
sonierende Ton  eines  Accordes  schon  im  unmittelbar  vorherffehen- 
den  Accorde  als  Konsonanz  desselben  vorhanden  ist  (s.  D  i  s  - 
s  o  n  a  n  z). . 

Vordersatz,  s.  Periode. 

Vorhalt  ist  das  Hinüberziehen  (Forthalten)  eines  oder  meh~ 
rerer  Töne  eines  Accordes  in  einen  folgenden  Accord,  welchem 
diese  Töne  fremd  sind,  z.  B.: 


Der  Ton  c  des  zweiten  Taktes  ist  die  vorgehaltene  Note.  A1& 
Dissonanz  muss  der  Vorhalt  vorbereitet  werden  —  das  c  de& 
ersten  Taktes  —  und  hat  dann  seine  regelrechte  Auflösung^ 
•durch  h.  Je  nachdem  die  Auflösung  aufwärts  oder  abwärts  ge- 
schieht, nennt  man  die  Vorhalte  entweder  Vorhalte  von 
unten  oder  Vorhalte  von  oben;  die  ersteren  haben  jederzeit- 
etwas  Herbes  und  kommen  seltener  vor.  Der  moderne  Stil  führt 
Vorhalte  ohne  alle  Vorbereitung  ein.  Bezüglich  der  Vorhalte  ist. 
aber  zu  beachten:  a)  dass  nur  solche  una  nur  so  viele  Vor- 
halte gesetzt  werden,  als  mit  der  Deutlichkeit  des  Harmonie- 
ganges  oestehen  können;  b)  dass  übei-haupt  nur  bei  stufen- 
weise fortschreitenden  Stimmen  Vorhalte  angebracht 
werden  können;  c)  dass  das  vorgehaltene  Intervall,  d.  i.  der  Ton,, 
in  welchen  sich  der  Vorhalt  auflöst,  sich  nicht  in  einer  anderen 
Stimme  schon  befindet,  es  sei  denn  in  weitester  Lage  und  unter 
dem  Vorhalt. 

Vorschlag,  ital.  Appoggiatura,  ist  ein  gleichsam  zu- 
fällig einem  MeTodietone  vorangeschickter,  sich  sanft  anschmie- 
gender Ton.  Man  gebraucht  lange  und  kurze  Vorschläge. 
Erstere  entnehmen  der  Hauptnote  einen  Taktteü,  wenn  sie 
deren  zwei  enthält;  zwei,  wenn  sie  drei  enthält,  z.  B.: 


P 


gleich: 


Der  kurze  Vorschlag  wird  kürzer  geschrieben,   als  der  lange, 
d.  h.  vor   einem  Viertel  wie   ein   Sechzehntel  u.  dgl.  oder  ohne 


Vorspiel  —  Vortrag.  331 

Rücksicht  auf  die  Geltung  als  ein  Achtel  und  zwar  durchstrichen; 
er  wird  immer  schnell  imd  leicht  gesungen  und  gespielt  (a). 

(a).  .  (b)  -  (c) 


Auch  Doppelv.or schlage  (b)  kommen  vor  imd  erweiterte 
Vorschläge  (c),  welche  aus  mehr  als  zwei  Noten  bestehen.  Diese 
alle  sind  schnell  und  leicht  vorzutragen.  Letztere  (c)  nannte 
man  früher  auch  Schleifer.  Vor  schlagartige  Manieren  kannte 
schon  das  XIII.  Jahrh.  unter  dexn  Namen  „R.everberatio**. 

Vorspiel,  s.  (Präludium)  Präambulum. 

Vortrag  ist  in  der  Musik  die  Art  und  Weise,  ein  Tonstück 
mittels  der  Singstimme  oder  eines  Instrumentes  auszuführen. 
Von  dem  Vortrage  hängt  grösstenteils  die  gute  oder  schlechte 
Wirkung  ab,  die  ein  Tonstück  auf  den  Zuhörer  macht.  Da  die 
Musik  überhaupt  nur  durch  die  Aufführung  oder  den  Vortrag 
dem  menschlicnen  Ohre  mitgeteilt  wird,  die  Musik  aber  die 
Sprache  der  Seele,  Ausdruck  der  Gefühle  ist,  so  ist  die  Lehre 
vom  Vortrage  das  AUerwichtigste  in  der  praktischen  Musik. 
Einige  kurze  Bemerkungen  hierüber  genügen.  Der  Vortrag  sei 
1)  richtig  —  d.  h.  ohne  Fehler  in  Rücksicht  auf  das  Mechanische. 
Dazu  gehört  reine  und  sichere  Intonation,  genaue  Beobachtung' 
des  Notenwei-tes,  der  Vortragszeichen  und  des  Tempo,  Festigkeit 
in  Beobachtung  des  Taktes;  2)  deutlich;  dies  findet  statt,  wenn 
auch  bei  schnellem  Tempo  und  kurzen  Noten  jeder  Ton  bestimmt 
und  klar  gehört,  die  Acoentuation  und  richtige  Interpunktion 
(Hervorhebung  und  Absonderung  der  musikaliscnen  Phrasen)  be- 
obachtet wira;  3)  schön  und  geistreich;  das  geschieht ,  wenn 
der  ausführende  Musiker  den  Geist  der  Komposition  studiert  hat 
und  diesen  innewohnenden  Geist  in  seinem  Vortrage  zum  Aus- 
druck bringt.  Jede  Gattung  von  Tonstücken  verlangt  darum 
auch  eine  mr  eigene  Art  des  Vortrages.  Konzert-  und  Bühnen- 
gesang (um  vom  Gesänge  noch  speciell  zu  reden)  ist  weit  ver- 
schieden vom  Vortrage  eines  Chorals  oder  eines  Kirchengesanges. 
Der  wahre  Kirchen^esang  fordert  nicht  dramatische  Effekte, 
nicht  einen  Aufschrei  oder  Seufzer  des  Schmerzes,  nicht  sinn- 
liches Hauchen  und  Hinsterben  des  Tones,  nicht  schmachtende 
Sehnsucht,  nicht  ungestüme,  irdisch  gemeine  Gefühlserregimgen 
des  Jubels  oder  der  Trauer,  —  sondern  andächtigen,  glünendem 
warmen,  frommen  Seelenausdruck,  fern  von  Leidenscnaftlichkeii 
und  entsprungen  aus  innigem  Gebete^  stiller  Sammlung  des  Gei- 
stes und  Herzens,  betrachtender  Hingabe  an  Zeit,  Ort  imd 
Gegenstand  der  Feier  oder  gottesdienstlichen  Handlung.  Der 
rechte  kirchliche  Gesangsvortrag  hat  seinen  tiefsten  Grund  und 
seine  Lebensquelle  im  lebendigen  Glauben  und  der  innigen  Gottes- 
liebe, und  kann  daher  nie  erkünstelt  werden;  das  wahre  Gefühl 
äussert  auch  auf  die  Organe  der  Stimme  und  Sprache  seinen 
Einfluss.  Dies  wird  jedoch  nicht  auf.  einmal  erreicht,  sondern 
nur  durch  lange  und  zweckmässige  Übung  unter  dem  Dienste 
des  gläubigen  Gemütes. 


332  VortragBzeichen  —  Vox. 

Voptragszeichen  sind  teils  Wörter,  teils  Zeichen,  welche 
den  Noten  beigefügt  sind,  um  den  Grad  der  Stärke  und  Schwäche, 
das  Aneinanderzienen  und  Abstossen  der  Töne  u.  s.  w.  zu  be- 
zeichnen. Die  Wöi*ter  erscheinen  meistens  abgekürzt,  a)  Zur 
Bezeichnung  der  Schwäche  oder  Stärke  des  Tones  dienen: 
p.  =  piano,  schwach ;  pp.  =  pianissimo,  sehr  schwach ;  f.  =  forte, 
stark;  fif.  =  fortissimo,  sehr  stark;  mf.  =^  mezzoforte,  halbstark; 
m.  V.  =  mezza  voce,  mit  halber  Stimme,  gedämpfter  Klangfarbe ; 
b)  zur  Bezeichnung  des  Anschwellens  und  Abnehmens  der 
Klanestärke:  — =:rC  crescendo,  zunehmend;  ...:;=— de  er  e- 
scenao,  oder  dimin.  =  diminuendo,  abnehmend;  -^  Schwell- 
ton,  bezieht  sich  nur  auf  eine  längere  Note;  ebenso  -^  sfz.  = 
sforzato,  verstärkt;  perd.  oder  perdendosi,  sich  verlierend; 
s  m  0  r  z.  =  smorzando,  verlöschend ;  m  o  r  e  n  d  o ,  absterbend.  Allen 
diesen  werden  noch  oft  zur  näheren  Bestimmung  der  Stärke- 
^rade  die  Beiwörter:  poco,  unpoco,  ein  wenig,  meno,  we- 
niger, piu,  sehr  u.  dgl.  beigefügt;  c)  zur  Bezeichnung  des 
Aneinanderziehens  oder  Aostossens  der  Töne:  -— -^,  der 
Bindebogen,   statt   dessen  oder  neben  ihm  wird  auch  leg.  =  le- 

fato,  gebunden,  vorgeschrieben;  Zeichen  des  Abstossens  der 
öne  smd  Striche  und  Punkte:  '  *  *  *,  .  .  .  .;  wobei  oft  noch 
stacc.  (staccato)  angefügt  ist;  d)  soll  das  Zeitmass  beschleu- 
niget werden,  so  dienen  die  Ausdrücke :  accellerando  (accel.), 
schneller  werdend ;  stringendo  (string.) ,  dringender;  piu 
stretto,  gedrängter;  soll  es  langsamer  werden,  so  setzt  man: 
ritenuto  (rit.),  zurückhaltend,  ritardando  (ritard.),  zögernd, 
rallentando  (rallent.),  langsamer  werdend,  calando  (oaL),  be- 
ruhigend; soll  die  Taktmässigkeit  ganz  aufgehoben  werden,  so 
steht:  tempo  rubato,  freie  Taktbehandlung,  ad  libitum,  a 
piacere,  nach  Beheben;  e)  die  besondere  Accentuirung  eines 
Tones  geschieht  durch  die  schon  genannten  Zeichen  ^  sfz., 
<>►  Schwellung,  durch  einen  Strich  über  der  Note  und  dann 
auch  durch  ein  Häubchen  *  über  der  Note  oder  durch  die  Be- 
zeichnimg tenuto  (ten.),  angehalten,  d.  h.  der  Ton  soll  in  glei- 
cher Stärke  nach  der  vollen  Geltimg  der  Note  gehalten  werden, 
f)  Hierzu  können  noch  die  Ausdrücke  gerechnet  werden,  welche 
die  Art  und  Weise  charakterisieren,  in  der  einzelne  Stellen  vor- 

f:etragen  werden  sollen,   z.  B.  dolce,    sanft,  amabile,  lieblich, 
eggieramente,  leicht. 

Vorzeichnung  heissen  die  an  die  Spitze  eines  Tonstückes 
gesetzten  Versetzungszeichen,  und  auch  die  Schlüssel  und  das 
Taktzeichen  kann  man  dazu  nehmen.  Die  Vorzeichnung  deutet 
durch  die  Zahl  der  Kreuze  oder  Be  oder  durch  den  Mangel  der- 
selben die  Tonart  an,  in  welcher  das  Stück  geschrieben  ist.  Diese 
Versetzungszeichen  sollen  auf  jeder  Linie  wiederholt  werden. 

Vox  (lat.),  die  Stimme;  im  Mittelalter  oft  statt  tonus, 
Chorda,  Ton  gebraucht.  Vox  humana  wird  auch  ein  achtfüssi- 
ges  Zimgenregister  benannt. 


Wasserorgel  —  Windlade.  333 


W. 


Wasserorgel,  griech.  Hydraulion,  s.  Orgel. 

W^echselnote ,  nota  cambiata,  heisst  eine  dissonierende 
Note,  welche  auf  eine  gute  Zeit  eintritt  und  erst  im  Nachschlage 
oder  auf  dem  sehwachen  Taktteile  in  die  Konsonanz  geht,  alsa 
mit  dieser  den  Platz  gewechselt  hat  (ital.  cambiare  =  wech- 
seln, vertauschen)  oder  ihre  Stelle  vertritt.  Ihre  Fortschreitung 
ist  nicht  sprung-,  sondern  stufenweise.  Wenn  sie  unmittelbar 
vorher  als  Konsonanz  erscheint,  ähnelt  sie  dem  Vorhalte,  doch 
unterscheidet  sie  sich  von  ihm  besonders  dadurch,  dass  sie  der 
Bindung  ermangelt.  Die  Vorhalte  nähern  sich  der  Wechselnote 
um  so  mehr,  je  kürzer  die  Vorbereitungsnote  gegen  den  Vor- 
haltston ist. 

Weisse  Note,  s.  Noten. 

Weite  Harmonie,  s.  Ha'rmonie. 

Wiederherstellnngszeichen ,  das  Zeichen  iS,  welches  die 
chromatische  Veränderung  eines  Tones  wieder  auftiebt. 

Wiederholungszeichen,  s.  Repetition. 

Windkasten  ist  der  unter  der  Windlade  liegende  Teil  der 
Orgel,  in  welchen  durch  den  Druck  der  Bälge  der  Wind  gepresst 
wird  lind  von  wo  aus  er  bei  Eröffnung  der  Cancellenventile  in 
die  Pfeifen  eintritt. 

Windlade  ist  der  äusserst  kunstreiche  Teil  der  Orgel,  auf 
welchem  das  ganze  Pfeifenwerk  steht  und  diejenigen  Einrich- 
tungen enthält,  welche  den  ganzen  Stimmen  oder  einzelnen 
Pfeifen  den  Wind  zur  Ansprache  mitteilen  oder  verschliessen. 
Sie  liegt  unmittelbar  über  dem  Windkasten.  Es  sind  zwei  Arten 
Windladen  in  Gebrauch:  die  Schleiflade  und  die  Kegellade 
oder  Springlade.  Die  Schleiflade  ist  in  so  viele  Cancellen  ge- 
teilt, als  das  Manual  Tasten  hat;  gegen  den  Windkasten  zu,, 
welcher  sich  gleich  darunter  befindet,  sind  sie  durch  Ventile 
abgeschlossen,  welche  beim  Niederdrücken  einer  Taste  mittels 
der  Traktur  geÖflPnet  werden  und  beim  Nachlassen  des  Druckes 
durch  eine  Messingfeder  sich  selbst  schliessen.  Nach  oben  sind 
sie  durch  den  daraufliegenden  Pfeifenstock  luftdicht  geschlossen; 
über  jeder  Cancelle  befinden  sich  die  Pfeifen  aller  Register^ 
welche  denselben  Ton  geben.  Zwischen  den  Cancellen,  d.  n.  der 
Windlade  und  dem  Pfeifenstocke  befinden  sich  querüberliegend 
die  Schleifen,  auch  Parallelen  genannt,  lange  dünne  Brett- 
chen, welche  mittels  der  Registerzüge  hin  und  her  geschoben 
werden  können  und  durch  (Be  in  sie  gebohrten  Löcher  beim 
Anziehen  eines  Registerzuges  den  Wind  in  die  Pfeifen  strömen 
lassen.  Bei  der  Kegellade  sind  die  Cancellen  zugleich  Wind« 
kästen  und  gehören  nicht  für  einen  Chor  derselben  Stimme, 
sondern  für  jedes  einzelne  Register  und  die  Vermittelung  des 
Windes  geschieht  durch  kegelförmige  Ventile,  welche  nach  dem 
Gebrauche    durch   ihre    eigene    Schwere    niederfallen    und    den 


334  *       Windwage  —  Zeitschriften. 

Windzufluss  wieder  hemmen.  Während  die  Schleiflade  nur  so 
viele  Ventile  hat,  als  das  Manual  Tasten,  hat  die  Kegellade  für 
für  jeden  Ton,  also  für  iede  Pfeife  ein  eigenes  Ventü. 

Windwa^e,  ein  oarometerähriliches  Instrument  zur  Ab- 
messung der  Stärke  des-  Orgelwindes ,  des  Dichtigkeitsgrades 
desselben.  Erfunden  wurde  sie  um  1675  von  Christian  Ferner, 
Orgelbauer  in  Wettin,  verbessert  durch  Töpfer. 


z. 

Zarge,  s.  Geige. 

Zeitmass,  s.  Tempo.  [ 

Zeitschriften,  kirchenmnsikalische.  Als  in  der  Mitte  un- 
seres Jahrhunderts  die  Künste  neu  aufzublühen  begannen ,  ward 
auch  die  Presse  neben  den  sich  bildenden  Vereinen  zur  Beför- 
derung der  Kunsterkenntnis  und  der  Kunstpflege  auch  auf  kirch- 
lichem Gebiete  in  Dienst  genommen.  Una  nicht  ohne  Erfolg. 
Während  in  den  fünfziger  Jahren  Aoch  in  allgemeinen  der  Kunst 
dienenden  Zeitschriften  und  Vereinsorganen  kirchenmusikaliscbe 
Aufsätze  und  Publikationen  ihren  Platz  fanden,  trat  der  Pfarrer 
Ed.  Ortlieb  von  Draohenfels  in  Würtemberg  1857  zuerst  mit  einer 
kirchenmusikahschen  Zeitschrift  „Orean  der  kirchlichen  Tonkunst" 
hervor,  welche  er  bis  zu  seinem  Toae  1861  redigierte.  Nach  dem 
Aufhören  derselben  gründete  Heim*.  Oberhoffer  in  Luxemburg 
die  „Cäciha,  Organ  für  katholische  Kirchenmusik",  deren  Redak- 
teur er  von  1862 — ^70  war,  von  da  an  bis  1878  übernahm  Mich. 
Hermesdorff  von  Trier  die  Redaktion.  1866  begann  Dr.  Fr.  Witt 
die  Herausgabe  seiner  „Fliegenden  Blätter",  welche  nach  der 
Konstituierung  des  „allgemeinen  deutschen  Cäcüienvereins"  1869 
zum  Vereinsorgane  erwählt  wurde,  und  1868  auch  die  „Musica 
Sacra". 

Mit  der  Ausbreitung  des  Cäcilienvereines  mehrten  sich  auch 
die  kirchenmusikalischen  Zeitschriften,  von  welchen  namhaft  zu 
machen  sind: 

1)  „Zeitschrift  für  katholische  Kirchenmusik"  von 
J.  Ev.  Haber t  in  Gmunden  am  Traunsee,  1868—72;  dann  spä- 
ter noch  einige  Jahrgänge. 

2)  „Der  Kirchenchor"  von  Battlog  in  Gasohurn  (Vor- 
arlberg), begonnen  1870. 

3)  „Der  Chor  wacht  er"  von  Ed.  Stehle,  Domkapell- 
meister in  St.  Gallen,  begonnen  um  1875. 

4)  „Cäcilia"j  Organ  für  den  amerikanischen  Cäcilien- 
verein,  von  J.  B.  Singe nb erger  in  St.  Francis,  begonnen  1874. 

5)  „Echo"  von  demselben  herausgegeben. 

6)  „Gregoriusblad"  für  Holland,  redigiert  von  Professor 
Lans. 

7)  „C^cilia",  redigiert  von  Alois  Kunc  m  Toulouse, 
(Frankreich). 

8)  »Lyra  ecclesiastica"  für  Irland,  redigiert  von  Don- 
nelly  m  Dublin. 


Zerstreute  Haraionie  —  Zungenwerk.  335 

9)  „Gregor iusblatt"  mit  „Gregoriusbote"^  redigiert 
von.  Hein«.  Bdckeler,  Direktor  des  Gregoriushauses  m  Aaonen, 
seit  1876. 

10)  -Kirchenmusikalische  Vierteliahrschrift*^  von 
Dr.  Joh.  Katschthaler  in  Salzburg,  seit  1886. 

11)  „Der  katholische  Kirchensänger",  begründet 
1888  durch  den  CäciÜenverein  der  Erzdiöcese  Fremurg  (Redakteur : 
Jos.  Schulz,  Pfarrer  in  Oberweiler  bei  Lahr  in  Baden). 

12)  -Musica  sacra",  gegründet  1877  vonGuerr..  Amelli 
in  MaUancL 

Hierzu  ist  auch  zurechnender  -Cäcilienkalender"  von 
F.  X.  Haberl  in  Regensbürg,  von  1876  an,  seit  vier  Jahren  (1886) 
unter  dem  Titel:  „Kirchenmusikalisches  Jahrbuch"  erscheinend. 

Zerstreute,  weite  Harmonie,  s.  Harmonien. 

Ziffertonscl^rift.  Vor  etwa  60  Jahren  ward  schon  der 
Versuch  gemacht,  in  den  Volksschulen  den  Gesang  nach  Ziffern 
statt  der  J^oten  einzuführen,  ohne  damit  einen  Erfolg  zu  erzielen. 
In  neuester  Zeit  kam  man  wieder  auf  diese  Idee,  und  es  fand 
die  Ziffermethode  nach  der  Galin-Paris-Chev4'schen  Elementar- 
Gesanglehre  mehrfache  Verbreitung.  Für  einfachere  Melodien 
ist  sie  anwendbar  und  tauglich  als  Vorbereitung  zum  Singen  nach 
Noten;  aber  für  kompliziertere  und  modiüierte  Melodien  und 
Tonstücke  kann  sie,  was  die  klare,  übersichtliche  und  leichtfass- 
liche  Darstellung  der  Ton-  und  rhythmischen  Verhältnisse  angeht, 
mit  der  Notenschrift  sich  nicht  im  geringsten  messen. 

Zirkelkanon,  s.  Kanon. 

Zungenwerk-  oder  Schnarrwerkstimmen  heissen  in  der 
Orgel  diejenigen  Stimmen  oder  Register,  bei  denen  der  Ton  nicht 
beim  Durchgange  des  Windes  durch  eine  Spalte  —  Aufschnitt  — 
der  Pfeife  erzeugt  wird,  sondern  bei  denen  der  ^ind  eine  me- 
tallene Zunge  in  Bewegung  setzt  und  zum  Tönen  bringt.  Diese 
Zunge  ist  aus  Messing  oder  Neusüber  gefertigt  und  m  einem 
Mundstücke  befestigt,  welches  in  den  unteren  Teil  der  Pfeife 
eingesetzt  ist.  Es  werden  auf  zweierlei  Arten  die  Zungen  ange- 
wendet, entweder  als  aufschlagende,  wenn  die  Einrichtimg 
so  beschaffen  ist,  dass  die  Zunge  beim  Einströmen  der  Luft  in 
den  Pfeifenfuss  auf  das  Mundstück  aufschlägt,  oder  als  frei- 
schwingende,  durchschlagende,  wenn  sie  in  das  Mund- 
stück gedrückt  wird.  Erstere  kennt  schon  Prätorius,  letztere 
kamen  erst  zu  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  in  Gebrauch.  Sie 
sollen  nach  Professor  Schalnäutls  Angabe  eine  alte  Erfindung 
der  Chinesen  sein.  Um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  kam 
durch  Zufall  ein  chinesisches  Instrument,  Tscheng  genannt,  wel- 
ches mit  dem  Munde  angeblasen  wird  und  13 — 24  kleine  Zungen- 
und  Schnarrpfeifen  enthält^  nach  Kopenhagen  und  wurde  aort 
vom  Professor  Kratzenstem  untersucht,  welcher  danach  eine 
Sprechmaschine  sich  anfertigen  liess.  Der  Verfertiger  derselben, 
der  Orgelbauer  Kirsnick,  etablierte  sich  später  m  Petersburg, 
bildete  solche  Orgelpfeifen  und  machte  daraus  ein  Spielwerk, 
welches  er  Orchestrion  nannte.  1788  kam  Vogler  nach  Peters- 
burg imd  da  ihm  Kratzensteins  Schrift:  „Tentamen  resolvendi 
problemata  ab  Acad.  Scient.  Imp.  Petrop.  ad  annum  1780  publ. 
propositum  etc.  et  praemio  coronatum*'  bereits  bekannt  war,  in- 


336 


Zwischenharmonien  —  Zwischenspiel. 


teressierte  er  sich  um  so  mehr  für  die  Sache,  und  nachdem  er 
die  Pfeifen  Kirsnicks  gesehen,  liess  er  sich  zu  Rotterdam  vom 
Orgelbauer  Stacknitz,  welcher  früher  bei  Kirsnick  gearbeitet 
hatte,  Vox  humana,  Klarinett,  Oboe  und  Fg^ott  für  sein  erstes 
Orchestrion  unter  sorgfältifjer  Leitung  und  Überwachung  anfer- 
tigen. Mälzel,  der  die  Pfeifen  auch  sah,  benützte  sie  sogleich 
für  sein  Panharmonikon  und  1807  waren  die  neuen  Pfeifen  in 
Paris  bekannt.  Vogler  setzte  sie  zuerst  in  die  Orgel  des  Kar- 
meliterklosters zu  Frankfurt  1790,  von  wo  aus  sich  diese  Ent- 
deckung weiter  verbreitete.  Die  Zungenstimmen  mit  aufschla- 
genden Zimgen  haben  immer  einen  harten  und  schmetternden 
oder  schnarrenden  Ton,  woher  auch  ihr  Name  «Schnarrwerk*; 
weicher  dagegen  sind .  die  Stimmen  mit  durchsoblagenden  Zun- 
gen. Zungenregister  sind:  Posaunen,  Trompetenbass,  Fagott, 
Oboe  u.  dgL,  welche  sich  nur  in  grösseren  Orgeln  finden. 

Zwischenharmonien,  s.  Fuge. 

Zwischenraum,  Spatium,  der  Raum  zwischen  zwei  Li- 
nien des  Notenliniensvstems. 

Zwischenspiel,  lat.  Interludium,  bedeutet  bei  den  beglei- 
teten Kirchenhedern  diejenigen  kurzen  Sätze  und  Accordfolgen, 
durch  welche  von  einer  Verszeile  des  Chorals,  auf  welche  ein 
Ruhepunkt  oder  eine  Fermate  fällt,  zu  dem  Tone  und  Acoorde;  mit 
welchem  die  folgende  Verszeile  anfängt,  übergeleitet  wird.  Etwas 
Ahnliches  sind  auch  die  sogenannten  Versette,  welche  beim 
Psalmengesange  u.  dgl.  an  der  Stelle  des  je  zweiten  Verses, 
welchen  man  dann  nicht  sang,  mit  der  Orgel  ausgeführt  werden ; 
sie  sind  fugenartig  gehalten  und  dehnen  sich  nicht  leicht  über 
8  oder  12  Takte  aus;  sie  enthalten  gewöhnlich  nur  die  Exposition 
des  Themas  ohne  alle  weitere  Durchführung.  Die  Zwischen- 
spiele sind  zu  rechtfertigen  und  ganz  an  ihrer  Stelle ,  wenn  sie 
Strophen  eines  Kirohenhedes  oder  eines  Hymnus,  nicht  aber, 
wenn  sie  bloss  Verszeilen  verbinden  sollen. 


na 


"<, 


ii 


LEXIKON 


DER 


KIRCHLICHEN  TONKUNST. 


BEAEBEITET 

VON 

P.  ÜTTO  KORNMÜLLER 


O.  8.  B. 


ZWEITE, 
VBEBESSEETE  UND  VERMBHBTE  AUFLAGE. 


IL  TEIL. 

BIOGRAPHISCHES. 


REGENSBURG  1895. 
ALFRED  COPPENRATHS  VERLA». 

(H.  PAWELEK) 


Vorwort. 


Wie  der  L,  der  sachliche  Teil  dieses  Lexikons,  in 
der  2.  Auflage  viele  Verbesserungen,  Ergänzungen  und 
Berichtigungen  und  eine  Vermehrung  der  Ai'tikel  erfahren 
hat,  so  ist  es  auch  bei  diesem  IL  Teile,  der  Biographien 
Von  Kirchenkomponisten  und  bedeutenderen  Theoretikern 
(enthält,  der  Fall.  Mehrere  Namen  der  ersten  Auflage 
wurden  fortgelassen  und  durch  andere  ersetzt.  Dafs  ich 
hierbei  vorzüglich  neuere  Kirchenkomponisten  berücksichtigte 
und  dabei  etwas  ausführlicher  zu  Werke  ging,  wii'd  nicht 
auffallen,  da  wir  ja  deren  Kompositionen  häufiger  benützen; 
zugleich  aber  sollte  dadurch  dai-auf  hingewiesen  werden, 
dafs  unsere  besten  Kirchenkomponisten  nur  nach  ginind- 
lichen  Studien  und  einer  guten  Schule  Werke  zu  schafi*en 
im  Stande  .waren,  welche  wahre  Zierden  des  Gottesdienstes 
sind. 

Ich  spreche  an  dieser  Stelle  auch  den  gebühi-enden 
Dank  denjenigen  Männern  aus,  welche  auch  für  diesen  Teil 
mich  mit  Beiträgen  freundlichst  unterstützt  haben. 

P.  ü.  K. 


r  ' ■ — 

Ln  Verlage  von  Alfred  Coppenrath  (H.  Pawelek) 
in  fiegensbnrg  erschienen  femer: 

Zehm 


für 

vierstimmigen  gemischten  Chor 

von 

*P.  Utto  EommaUer,  0.  S.  B. 

Op.  B.    Partitur  Mk.  1.—,  Stimmen  ä  30  Pfg. 


RGquiGm  in  Is 

für 

Sopran  und  Alt  mit  Orgel 

von 

P.  Utto  Eornmailer,  0.  S.  B. 

»^  Op.  6.  -^^Ä 
Partitur  Mk.  1.—,  Stimmen  ä  20  Pfg. 


Missa 

ii  honorem  Si  Beieiieti 

ad  duas  voces  aequales 

organo  comitante 

von  P.  Utto  Eornmailer,  0.  S.  B. 

Op.  7. 

Partitur  Mk.  1.20.  Stimmen   ä  2B  Pfg. 


j 


r 


V  t 


A. 

Aaron,  Abt  des  Klosters  Gross-St  Martin  ^u  Köln  von  1042-^52, 
war  hervorragender  Musiker  des  11.  Jhdts.  und  eifrigfer  Förderer  des 
Kirchengesanges.  Sein  Werk  fahrt  den  Titel;  „VI  tractatns  de  utili- 
täte  cantus  vocalis,  de  modo  psallendi  etc,  cujus  auctor  dicitur  Aaron 
abb.  S.  Martini  ad  a,  1052.**    Das  Msk.  ist  verloren  gegangen, 

Aaron,  Pietri,  geb.  zu  Florenz  zu  Ende  dfl»15.  Jahrhunderts  von. 
geringen  Eltern,  beschäftigte  sich  als  Mönch  des  Ordens  von  Jerusalem 
oder  des  sogenannten  Kreuzträgerordens  mit  der  damals  erst  in  Italien 
eigentlich  auflebenden  kontrapunktischen  Tonkunst  so  glücklich,  dass 
ihm  seine  musikalische  Thätigkeit  die  Zuneigung  des  kunstliebenden 
Papstes  Leo  X.  erwarb,  welcher  ihn  in  die  römische  Kapelle  aufnahm 
und  bis  an  sein  Ende  begünstigte.  A.  hatte  gegen  1516  eine  Musikschule 
errichtet,  die  bald  in  Aufiiahme  kam  und  nicht  wenige  Schüler  zählte. 
Endlich  wurde  er  Kanonikus  zu  Bimini.  Seine  ausgedehnte  musika- 
lische Thätigkeit  zeigte  er  auch  durch  seine  musikalisch-theoretischen 
Schriften.  In  Mailand  (ohne  Angabe  einer  Jahreszahl)  erchien  „Com- 
pendiolo  di  molti  dubbj  Segreti  et  Sentenze  intomo  al  Canto  fermo  et 
fignrato  etc.**  Bekannter  ist  es  in  der  durch  seinen  Freund  Flaminius 
angefertigten  lateinischen  Übersetzung  mit  dem  Titel:  „Libri  tres  de 
institutione  harmonica  editi  a  Petro  Aaron  Florentino,  —  interprete 
Jo.  Ant  Flaminio,  ^  Bononiae  1516*^  Femer  gab  er  heraus  „Trattato 
della  natura  et  cognizione  di  tutti  gli  Tnoni  di  canto  fig^ato  non  da 
altrui  piü  scritti,  composü  per  P.  A.  Vinegia  1525,  in  Vol.**  „Tosca-* 
nello  in  Musica**  erschienen  in  5  Auf  agen;  die  erste  1523,  die  fänfte  zu 
Venedig  1562«  Das  Werk  zerfällt  in  zwei  T«ile,  deren  erster  eine 
Lobrede  auf  die  Musik,  ein  Verzeichnis  ihrer  Erfinder  und  Erklärungen 
musikalischer  Kunstwörter  und  Zeichen  enthält;  der  andere  Teil 
beschreibt  die  griechischen  Klanggeschleehte  und  erweitert  die  Begeln 
des  Kontrapunktes.  Die  Italiener  schätzten  um  überaus  hoch  und 
stellten  ihn  unter  die  vorzüglichsten  Theoretiker  der  Zeit. 

Abbfttlai,  Antonio  Maria,  mn  1605  zu  Tifemo  geboren,  hatte 
ao  Born  sidi  durch  seine  Motettea  und  andere  Kirchemnusikstfleke 
einen  ausgezeichneten  Bnf  erworben«   Er  war  1638  Musikdirektor  bei 

KonuniUer,  Lexlkoa.   IL  Bd.  1 


2  Accas  —  Adam  de  St  Victor. 

S.  Giovanni,  später  zu  S.  Lorenzo  bei  den  Jesniten,  und  endlich  zu 
Sta.  Maria  Maggiore.    Er  starb  um  1680. 

Accag,  Bischof  von  Hexham  in  der  Grafschaft  Northumberland, 
gestorben  740,  erkannte  die  Wichtigkeit  und  den  Einfluss  der  Musik 
auf  die  Civilisierung  des  Volkes  und  die  Ausbreitung  des  Christentums 
und  beförderte  den  Kirchengesang  in  England  auf  alle  Weise.  Er  war 
selbst  ein  trefflicher  Sänger  und  schrieb  (oder  sammelte)  ein  Buch 
Eirchengesänge. 

Adamas  Dorensis,  Abt  des  Oisterzienserklosters  bei  Hereford  in 
England,  geboren  zu  Dowr  im  Anfange  des  12.  Jahrhunderts,  soll  ein 
eifriger  Anhänger  und  Beförderer  der  Tonkunst  gewesen  sein.  Er 
starb  ums  Jahr  1200  und  hinterliess  ein  Werk:  Budimenta  musices. 

Adam  de  Fulda,  blühte  etwa  um  1460  und  gehört  unter  die 
ersten  musikalischen  Gelehrten  seiner  Zeit.  Er  schrieb  nebst  einigen 
Kompositionen,  von  welchen  un^  ein  Kirchenlied:  „Ach  hülp  my  Leidt 
und  sehnlich  Klag'*  in  dem  zu  Magdeburg  1763  erschienenen  „En- 
chiridion  geistliker  Leeder  unde  Psalmen**  erhalten  ist,  eine  sehr 
wertvolle  Abhandlung  „De  Musica",  welche  sich  in  Gerbert's  Scriptores 
eccl  de  Musica  sacr.  tom.  III  findet.  Sie  ist  1490  geschrieben  und 
zerfällt  in  4  Teile  und  45  Kapitel,  welche  handeln  1)  von  der  Erfin« 
düng  und  dem  Lobe  der  Musik;  2)  von  der  Stimme,  dem  Schall,  dem 
Tone,  den  Schlüsseln;  3)  von  der  Mensural-  und  Figuralmusik;  4)  von 
den  Verhältnissen,  Intervallen,  Konsonanzen  u.  dgl.  Dabei  unterschreibt 
sich  A.  als  „Musicus  ducalis". 

Adam  de  la  Haie,  genannt  auch  „le  boiteux  d^Arras",  der  Hin* 
kende  von  Arras,  weil  er  in  seiner  Jugend  das  Unglück  hatte,  schief 
zu  wachsen,  wurde  um  1240  zu  Arras  geboren  und  widmete  sich  dem 
geistlichen  Stande,  den  er  aber  bald  wieder  verliess  und  als  Troubadour 
selbst  den  Grafen  Kobert  von  Artois  auf  seinem  Zuge  nach  ünteritalien 
begleitete.  Er  starb  1287  zu  Neapel.  Wichtig  für  die  Musikgeschichte 
ist  Adam  deswegen,  weil  die  von  ihm  aufgefundenen  Lieder  und 
Gesänge  ihn  als  den  ersten  oder  als  einen  der  ersten  zeigen,  der  auf 
freiere  Weise  mehrstimmig  zu  schreiben  versuchte  (in  seinen  Lieder- 
spielen will  man  die  ersten  Anfänge  der  Oper  erkennen),  den  bisher 
gebräuchlichen  Quinten-  und  Octavenfolgen  schon  Terzen  und  Sexten 
und  entgegengesetzte  Bewegung  beimischte  und  Zusammenstellungen 
gebrauchte,  denen  eine  gewisse  Zierlichkeit  im  Vergleich  mit  den  bis 
dahin  gewöhnlichen  Kompositionen  nicht  abgesprochen  werden  kann. 
Hau  schreibt  ihm  16  dreistimmige  Lieder  und  6  Motetten  zu. 

Adam  de  St.  Victor,  Kanonikus  der  regulirten  Augustinerabtei 
St.  Victor  zu  Paris,  f  daselbst  den  8.  Juli  1177,  ist  als  Komponist 
von  Sequenzen  und  anderen  Eirchengesängen  seiner  Z^t  bekannt  und 
verdient.  (Sequenz:  „Landes  crucis**  für  das  Fest  der  Auffindung  des 
h.  Kreuzes.) 


Adelboldus  —  Agazssari.  3 

AdelbolduB  aus  Friesland,  Kanonikus  zu  Lobies  in  der  Diöoese 
Lüttich  und  Kanzler  Kaiser  HeinricL's  II.  zu  Anfang  des  II.  Jahrhun- 
derts, starb  am  1.  Dez.  1027  als  Bischof  von  Utrecht  Seine  Schrift, 
betitelt  „Adelboldi  Musica",  führt  Gerbert  Script.  I.  an;  sie  handelt 
jfon  der  Bestimmung  der  Konsonanzen  und  der  Theilung  des  Monochords. 

AdelgaBser,  Ant.  Oajetan,  geb.  3.  April  1728  zu  Jnsl  bei 
Traunstein  in  Bayern,  bildete  sich  unter  Eberlin  zu  Salzburg  zu  einem 
tüchtigen  Organisten  und  Klavierspieler,  ward  um  1750  Organist  zu 
Salzburg  und  war  besonders  durch  seine  Kirchenkompositionen  beliebt. 
Er  starb  zu  Salzburg  den  23.  Dezember  1777. 

AdelmaB,  im  Anfange  des  achten  Jahrhunderts  Bischof  in  Eng- 
land, war  durch  die  Kompositionen  vieler  kirchlicher  GesäAg&  berühmt. 
Gerb^  führt  im  ersten  Bande  seines  Werkes  „De  Cantu"  den  Anfang 
eines  mit  Neumen  versehenen  Gedichtes  „de  virginitate"  von  ihm  an, 
welches  er  einem  Codex  aus  dem  9.  oder  10.  Jahrhdt.  entnommen, 
worin  mehrere  neumirte  Carmina  dieses  Bischofs  enthalten  sind. 

Adriano«  Francesco,  geb.  1520  zu  Venedig,  erwarb  sich  durch 
viele  Motetten  und  andere  Kirchengesangstückß  einen  ausgezeichneten 
Bof  als  Kontrapunktist;  als  sein  Meisterwerk  galten  die  „Psalmi 
vespertim  omnium  dierum  fest,  per  annum*\  4  vocum.    (Venedig  1567). 

Aelredus,  Sanctus,  schottischer  Edelmann,  widmete  sich  dem 
geistlichen  Stande  und  ward  um  1150  Abt  des  Oisterzienserklosters 
Bieval,  als  welcher  er  am  12.  Januar  1166  starb.  Als  Schüler  des  hl. 
Bernhard  trachtete  er,  den  kirchlichen  Gesang  in  der  Einfachheit,  wie 
seih  Lehrer  und  Meister  ihn  in  seinem  Orden  eingerichtet  hatte,  zu 
eihalten.  Er  widmete  deshalb  in  seinem  Werke  „Speculum  charitatis*^ 
diesem  Bestreben  ein  eigenes  Kapitel  „de  abusu  musices*',  worin  er  die 
«  sich  imxpermehr  geltend  machenden  Fortschritte,  unter  denen  fireiUch 
auch  manche  Missgrife  und  Missbrl^uche  waren,  zurückzudrängen  und 
den  vom  hl.  Bernhard  vorgezeichneten  Regeln  Geltung  zu  bewahren 
suchte.  Er  war  übrigens  ein  gründlicher  Kenner,  auch  inniger  nnd 
aufirichtiger  Verehrer  der  Musik. 

AgasjBari,  Agostino,  einem  adeligen  Geschlechte  Italiens  ent- 
£(pros8en,  war  1578  zu  Siena  geborein.  Die  Nachrichten  über  seine 
Lebensumstände  sind  wenige;  man  weiss  zwar  nicht,  wo  nnd  unter 
wessen  Leitung  er  seine  erste  Bildung  in  der  Musik  genossen,  aber 
die  volle  Ausbildung  seines  vortrefiPlichen  Talentes  scheint  er  unter 
der  Hand  des  berühmten  Ludovico  Viadana  erhalten  zu  haben,  mit 
dem  er  auch  das  Verdienst  theilt,  den  Generalbass  weiter  ausgebildet 
und  die  rechte  Art  der  Bassbezifferung  gelehrt  zu  haben.  Nicht  alle, 
$het  die  meisten  seiner  Werke  sind  daher  mit  einer  Orgelstimme  ver- 
sehen, welche  entweder  als  sogenanntes  Continuo  (s  basso  cont.)  das 
unbezifferte  Fundament,  oder  zugleich  die  begleitende  Bezifferung  der 
Bässe  enthält.    Die  Ausführung  dieser  Begleitung  lehrt  er  in  einer 

1* 


4  Agobardas  —  Agostini. 

besondeni  Abhandhmg,  welche  einer  Motettensammlung  vorgedrackt 
ist  („del  sonare  sopra  il  Basso  con  tatti  li  stromenti  ä  dell'  usd  lon> 
nel  ooBcerto*^).  Er  fährte  den  Beinamen  „Accademico  annonioo  intro-* 
nato^  Anfänglich  stand  A.,  wie  Proske  sagt,  im  Dienste  des  Erz- 
berzags  Mathias  (vor  dessen  Erhebung  zum  König  Ton  Ungarn  nnd 
EQBi  römischen  Kaiser)  und  ftmgirte  dann  zu  Born  als  Kapellmeister 
an  der  Kirche  St.  Apollinar  nnd  des  dentsch-nngarischen  Collegioms. 
Wahrscheinlich  hat  er  in  Siena  seine  Laufbahn  beschlossen,  nachdem 
er  l&ngere  Zeit  an  der  Kathedrale  daselbst  gewirkt.  Die  Zeit  seines 
Ablebens  schwankt  zwischen  1640  und  1645.  —  In  ktlnstlerischer  Be-^ 
Ziehung  zählt  A.  zu  den  fruchtbarsten  Komponisten  der  römischen 
Schule;  er  gab  eine  reiche  Sammlung  werthyoUer  Motetten,  Psalmen, 
Litaneien  etc.  heraus,  deren  Proske  in  seiner  Musica  diy*  L  c.  i^hm« 
liehst  gedenkt.  Auch  den  Neuerungen  seiner  Zeit  blieb  er  nicht  fernem 
indem  er  die  damals  emporkommenden  sogenannten  Kirchen-Concerte 
gründlich  zu  kennen  sich  bestrebte  und  zu  ihrer  Verbreitung  beitrug* 
Er  schrieb  nebst  2  Büchern  fünf-  und  sechsstimmiger  Madrigale  auch 
eine  dramatische  Komposition  zu  einer  Vermählungsfeiw  1614  unte 
dem  Titel:  „Eumelio,  drama  pastorale  etc.*S  in  Bonciglione  gedruckt. 
—  Ein  theoretisches  Werk  von  A. .  „La  Musica  ecclesiastica**  erschien 
nach  Ferkels  und  Gerbers  Angabe  zu  Siena  1638. 

Agobardas,  geboren  779  in  Spanien,  ward  808  Coa^utor  des  Erz- 
bischofs  von  Lyon  und  später  selbst  Erzbischof,  schrieb  zwei  Traotate: 
,,De  divina  Psalmodia**  und  „De  correctione  Antiphonarii**  gegen 
Amalarius;  er  starb  am  6.  Juni  840  zu  Saintogne. 

Agostini,  Ludovico,  (auch  wohl  Luigi),  geboren  zu  Ferrara  1534, 
widmete  sich  dem  geistlichen  Stande,  ward  später*  Protonotarius  apo- 
stolicus  und  erwarb  sich  auch  einen  Buf  durch  seine  Kompositionen, 
von  denen  eine  Sammlung,  bestehend  aus  Messen,  Vespern,  Motetten» 
Madrigalen  u«  dgL  kurz  vor  seinem  Tode  im  Druck  erschien.  Er  starb 
als  Kapellmeister  des  Herzogs  Alphons  II,  von  Este  am  20.  Sept.  1590. 

AgoBtini,  Paolo,  geboren  zu  Yallerano  1593,  war  eüier  der 
bedeutendsten,  gelehrtesten  und  genialsten  Tonkünstler  seiner  Zeit, 
Lieblingsschüler  des  berühmten  Bemardo  Nanino,  dessen  Schwiegersohn 
er  später  wurde.  Er  pflegte  besonders  den  mehrdiörigen  Satz,  für 
welchen  er  sich  an  seinen  Vorgängern  der  römischen  und  venetianischen 
Schule  heranbildete.  Seine  Zeitgenossen  ehrten  ihn  darum  hoch,  und 
als  einmal  ürban  VIII.  einer  48-stimmigen  Messe  A.'s  beiwohnte,  drückte 
dieser  Papst  ihm  seine  vollste  Bewunderung  und  seinen  gaasenBeiMl 
aus.  Von  seinen  Werken  befinden  sich  Manuscripte  in  der  Bibliothek' 
des  Hanses  Corsini  della  Lungara  und  im  Archiv  des  Vatican;  gedrudct' 
erschienen  zu  Bom  2  Bücher  Magnificate  und  Antiphonen,  und  5  Büchor 
acht-  und  zwöl&timmiger  Messen  in  den  Jahren  1619--l€^  Leider 
war  ihm  eine  kurze  Lebensbahn  zugemessen;  nachdem  er 


Agricola  —  Aiblinger.  5 

OrganistensteUen  in  Eom  versehen,  ward  er  16^  Nachfolger  seines 
Mitschülers  Ugolini,  Kapellmeisters  im  Yatican,  als  welcher  er  1629  im 
36.  Jahre  seines  Alters  starb. 

Agricola,  Alexander,  ein  Niederländer  von  Gebnrt,  Schüler 
Ockenheim's,  ein  sehr  bedentender  Konträpiinktist  zu  Ende  des  15.  nnd 
Anfang  des  16.  Jahrhunderts,  Kapellmeister  König  Philipp's  IL  von 
Spanien,  starb  60  Jahre  alt  zu  Valladolid  um  1506.  Eine  Anzahl  seiner 
Werke  wird  im  Archiv  der-päpstlichen  Kapelle  aufbewahrt,  5  Hessen 
und  150  weltliche  Gfesänge  erschienen  1504  im  Druck;  die  meisten 
«einer  Werke  gingen  verloren,  doch  auch  die  vorhandenen  geben  Zeug- 
nis von  der  grossen  Bedeutung  des  Meisters  fär  seine  Zeit. 

Agricola,  Martin,  1486  zu  Sorau  in  Schlesien  geboren,  erwafb 
aich  meist  aus  Bttchern  und  Tonwerken  eine  gründliche  wissenschaft- 
liche und  musikalische  Bildung  und  wurde  1524  Kantor  in  Magdeburg, 
/WO  er  auch  am  10.  Jan.  1556  starb.  Er  führte  den  deutsehen  Choral 
in  den  dortigen  (der  Keformation  überantworteten)  Kirchen  ein,  schaffte 
die  hiB  dahin  übliche  deutsche  Tabulatur  (s.  d.)  ab  und  setzte 
die  Gesänge  in  Notenschrift  um.  Er  nimmt  unter  den  zeitgenössische 
Musikern  eine  ehrenwerthe  Stellung  ein.  Unter  seinen  theoretischen 
und  praktischen  Weirken  sind  von  besonderem  Werthe:„Musica  instm- 
mentalis*'  bei  Khan  1529;  „Enehiridion  musicae  Mensuralis^*  1532; 
„Eine  kurtz  deudsche  Musika  mit  LXIIl.  schönen  lieblichen  Exempeln 
2U  vier  stimmen  verfasset.  Sampt  den  kleynen  Psalmen  und  Magnificat 
auf  alle  Thon  artig  gerichtet.  Von  Mart.  Agricola.  1528.  Bei  Ehau 
in  Wittemberg^'.  „Sangbüchlein  aller  Sonntagsevangelien.  Eine  kurtze 
deutsche  Leyenmusika  etc.**  1541.  Einige  dieser  Werke  erlebten 
mehrere  Auflagen. 

Agntlera  de  Heredia,  Sebastian,  Ordenspriester  und  KapeH.-M. 
zu  Saragossa  zu  Anfang  des  17.  Jahrhdts.,  gab  1618  eine  Sammlung 
Magnificate  heraus,  welche  noch  jetzt  zu  Saragossa  gesungen  werden. 

Aiblinger,  Johann  Kaspar,  geb.  23.  Februar  1779  zu  Wasser- 
burg am  Inn,  geat.  6.  Mai  1867  zu  München,  gewann  die  Grundlagen 
seiner  wissensehafblichen  und  musikalischen  Ausbildung  im  Kloster 
T^gemsee  imd  am  Gymnasium  zu  München;  1800  bezog  er  die  Uni- 
versität Landshut.  Seinen  Plan,  sich  dem  Ordensleben  zu  weihen, 
machte  die  Säkularisation  der  Klöster  (1803)  zu  uichte«  Nunmehr 
widmete  er  sich  ganz  der  Musik,  ging  nach  Italien,  von  wo  er  erst 
1819  wieder  in  seine  Heimath  zurückkehrte.  Kurz  darauf  ward  er 
voA  König  Max  I.  als  Maestro  der  italienischen  Oper  nach  München 
berufen.  1825  ernannte  ihn  Ludwig  I.  zum  Vice-Hofkapeümeister, 
1826  schon  zum  wirklichen  Hofkapellmeister.  Von  da  an  blieb  der 
Hittelpunkt  seines  Wirkens  die  Allerheiligen  •  Hofkapelle.  In  den 
zwanziger  Jahren  versuchte  er  sieh  in  der  Opemkomposition,  doch  mit 
fiehr  geringem  Erfolge;  Grösseres  leistete  er  auf  dem  Gebiete  der 


»-•r»"" 


6  Aichinger. 

religiösen  nnd  Eirchen-Mnsik,  wozu  ihn  neben  gründlichem  Stadium 
der  alten  Meister  auch  sein  tief  religiöser  Sinn  befähigte.  Jedoch 
finden  sich  in  sehr  vielen  seiner  Kirchenwerke  Stellen  nnd  Wendungen 
von  süsslich  weichem  Charakter  ein,  so  dass  nnr  wenige  derselben  jetzt 
noch  gebraucht  werden. 

Seiner  Kirchenkompositionen  nnd  geistlichen  Lieder  sind  eine  sehr 
grosse  Menge.  Jm  Druck  sind  ausgegeben:  eine  deutsche  Messe;  eine 
lateinische  Messe  in  P;  Cyklus  von  6  Messen  und  11  Yesperpisalmen; 
2  Messen  in  0  für  4  Stimmen  und  Orgel;  2  Offertorien  für  4  und 
8  Stimmen;  Offertorium  und  Graduale  „Sperent*^  ,,Psallam*^;  6  Gradualien 
nnd  Offertorien  für  die  Fastenzeit;  2  Bequiem  und  2  Litaneien  mit 
Orchester;  6  zwei-  und  dreistimmige  Messen  fär  Sopran  und  Alt  mit 
Orgel,  Violon  und  Violoncell  adlib.;  5  Offertorien  und  Gradualien,  Te 
Deum,  Veni  sancte  Spiritus,  Bequiem  und  2  Litaneien  mit  gleicher 
Besetzung;  6  zwei-,  drei-  und  vierstimmige  Messen  für  Sopran  und  Alt, 
mit  Orgel-,  Violon-  und  Violoncellbegleitung;  „Gelobt  sei  Jesus  Christus" 
und  „Marienlieder  von  Görres'*  für  1,  2,  3  und  4  Stimmen  mit  Orgel; 
6  Gradualien  und  Offertorien  für  4  und  5  voc.  ohne  Begleitung,  op. 
13  u.  14;  14  Veöperpsalmen,  4  voc.  u.  Orchester,  2  Litaneien  v.  Aib- 
linger  u.  Grassi  f.  4  voc.  u.  Orgel.  Ausser  diesen  komponierte  Aiblinger 
noch  einige  grössere  instrumentale  Messen,  dann  Missa  a  capeUa, 
4  voc;  Missa  canonica  a  4  voc.  c.  org.,  mehrere  Litaneien,  Stabat 
mater,  marianische  Antiphonen  etc*  für  Klosterchöre  und  eine  Unzahl 
geistlicher  Lieder,  von  denen  noch  das  Meiste  unbekannt  ist;  seine 
vorzüglichsten  Werke  (Messen,  Vespern,  Motetten  u.  dgl.),  133  an  der 
Zahl,  verwahrt  das  Archiv  der  k.  Hofcapelle  in  München. 

Aichinger,  Gregor,  geboren  zu  Begensburg  um  1565,  Priester 
war  schon  um  1590  berühmt  als  Organist  am  Hofe  der  Patrizier  Fugger, 
in  Augsburg.  Einen  grossen  Einfluss  auf  die  musikalische  Bildung^ 
dieses  Künstlers  hat  ohne  Zweifel  der  grosse  Venetianer  Giovanni 
Gabrieli  gehabt.  A.  scheint  also  schon  vor  1590  in  Italien  verweilt 
zu  haben;  später  besuchte  er  Italien  noch  einmal  und  lebte  zwischen 
1599  und  1601  einige  Zeit  in  Bom;  dann  kehrte  er  wieder  nach  Augsburg 
zurück,  wo  er  in  Fugger'schen  Diensten  als  Dom-Chorvikar  und  Kanonikus 
bei  St.  Gertrud  am  21.  Jan.  1628  sein  Leben  beschloss.  Wir  können 
seine  Charakteristik  nicht  besser  zeichnen,  als  Proske  es  gethan. 
„Aichinger  und  J.  L.  Hassler,  mit  dem  er  gleichzeitig  in  der  Fugger- 
sehen  Kapelle  glänzte,  bildeten  die  schönste  Zierde  dieses  kunstsinnigen 
Hofes.  Ueberragte  ihn  Hassler  gleich  an  Geist  und  Originalität,  so 
hatten  heide  Meister  doch  dieses  gemein,  die  Gediegenheit  deutscher 
Kunstelemente  mit  den  veredelten  Formen  italienischen  Geistes  und 
<iGeschmackes,  dessen  herrlichste  Blüthe  sich  damals  in  Bom  und  Venedig 
entfaltet  hatte,  in  sich  vereinigt  und  namentlich  eine  freiere  Melodik 
und  fliessendere  Harmonik  in  ihren  Werken  ausgeprägt  zu  haben. 


Alardus  —  Albreohtsberger.  7 

Insbesondere  zeichnete  sich  A.  in  vielen  seiner  Werke  durch  eine  an 
Weichheit  grenzende  Wärme  und  Zartheit  des  Gesanges  aus,  der 
-überall  von  inniger  Andacht  beseelt  ist,  während  ihm  der  Aufschwung 
zum  Erhabensten  und  Feierlichsten  nicht  versagt,  ja  selbst  in  einigen 
seiner  umfangreichsten  Tongebilde  die  ganze  Strenge  der  Kunst  ent* 
faltet  ist.  Letzteres  bewundert  man  vorzugsweise  an  jenen  Officien, 
welche  nach  dem  Gregor.  Choral  gearbeitet  sind.**  Er  repräsentirt 
mit  Hasslert  Gallus  und  einigen  andern  minder  bedeutenden  Tonsetzem 
die  Epoche  Palestrina's  in  Deutschland  und  verdient  deshalb  grosse 
Beachtung.  Von  seinen  zahlreichen  Werken  sind  besonders  hervor- 
zuheben: „Liturgica  sive  Sacra  Officia  ad  omnes  dies  fest.  Magnae 
i)ei  Matris.**  Aug.  Vind.  1603.  „Sacrae  Cantiones  4,  5,  6,  8  et  10  voc." 
Venet.  1590.  „Tricinia  Mariana.**  Oeniponti  1598.  „Fasciculus  Sacr. 
Harmoniarum  4  voc.'*  Dilingae  1606.  „Solennia  Augustissimi  Corp. 
Christi.**    Aug.  Vind.  1606. 

Alardns,  Lampertus,  geb.  1602  zu  Crempe  im  Holsteinischen, 
studirte  zu  Leipzig  Theologie,  nebenbei  auch  Musik  und  schöne  Wissen- 
schaften und  ward  1624  zum  kais.  gekrönten  Poeten  ernannt.  Im 
darauffolgenden  Jahre  ward  er  Diakon  in  seinem  Geburtsorte,  wo  ihm 
durch  das  dort  bestehende  „Convivlum  musicum'*  Gelegenheit  geboten 
war,  sich  dem  musikalischen  Studium  mehr  hinzugeben.  1636  edirte 
er  sein  Werk  „De  veterum  Musica,  lib.  I.**,  welches  wegen  der  gelehrten 
'Forschung  über  die  griechische  Musik  für  den  musikalischen  Forscher 
von  grossem  Werthe  ist.  Er  starb,  als  Konsistorialassessor  zu  Mel- 
dorf 1672. 

Albericas,  um  die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  nach  Einigen  zu 
Trier,  nach  Andern  zu  Settefrate  geboren,  Benedictinermönch  zu  Monte 
Cassino  und  Kardinal,  schrieb  einen  „Dialogus  de  Musica**,  der  sich 
als  Mannscript  in  der  Bibliothek  der  Fratrum  minor.  S.  Crucis  in 
Florenz  befindet.    Er  starb  zu  Kom  1106. 

Albrechtsber^er,  Job.  G.,  geb.  3.  Febr.  1736  zu  Klostemeuburg, 
begann  seipe  musikalische  Laufbahn  im  Stifte  der  regulirten  Chor- 
herren daselbst,  wo  er  als  Diskantist,  kaum  7  Jahre  alt,  vielversprechende 
musikalische  Talente  zeigte.  Der  Pfarrer  zu  St.  Martin,  Leop.  Pittner, 
der  des  Knaben  Eifer  grösserer  Aufinerksamkeit  werth  hielt,  ertheilte, 
selbst  ein  tüchtiger  Musiker,  demselben  den  ersten  Unterricht  im  General- 
bass  und  Hess  ihm  sogar  eine  kleine  Orgel  zur  Übung  bauen.  Später 
kam  A.  zur  Vollendung  seiner  wissenschaftlichen  und  musikalischem 
Studien  in  die  Benedictinerabtei  Molk.  Dort  erregte  er  durch  seine 
schöne  Diskantstimme  allgemeine  Aufmerksamkeit,  und  selbst  der  nach- 
malige Kaiser  Leopold  sprach  einst  bei  Gelegenheit  seiner  Anwesenheit 
in  Molk  dem  jungen  Künstler  seinen  vollsten  Beifall  aus,  den  er  noch 
mit  einem  Geschenke  von  einem  Dukaten  begleitete.  Durch  den  dortigen 
Chorverweser  Bob.  Kimmerling  konnte  er  sich  mit  den  Werken  von 


8  Alfieri  Pietro  —  Alkuin. 

Caldara,  Fux,  Pergolese,  Händel,  Graun  und  Anderen  bekannt  machen, 
welche  er  mit  einlässigem  Stndiam  durchging,  und  woraus  er  jene  tiefe 
musikalische  Kenntnis  schöpfte,  die  ihm  eine  ehrenwerthe  Stelle  unter 
den  Theoretikern  einräumt.  Nach  Vollendung  seines  Studiencurses 
,ward  er  Stiftsorganist,  welche  Stelle  er  durch  12  Jahre  bekleidete.  In 
diese  Zeit  fällt  auch  seine  erste  grössere  Komposition,  ein  Sinngedicht, 
bei  der  Durchreise  der  Prinzessin  Josepha  von  Bayern,  Braut  Kaiser 
Joseph's,  am  21.  Jan.  1765  aufgeführt.  Nachdem  er  noch  an  andern 
Orten  als  Organist  gedient  hatte,  ward  er  Chorrögent  bei  den  P.  P, 
Kairmeliten  in  Wien.  Jetzt  glückte  es  ihm,  den  langgehegten  Wunsch, 
den  Unterricht  des  damals  sehr  geschätzten  Hoforganisten  Mann  ge- 
messen zu  können,  zu  realisiren.  Sein  Fleiss,  sein  Eifer  und  seine 
Talente  erwarben  ihm  nicht  blos  die  Achtung  dieses  Meisters,  sondern 
auch  der  Brüder  Joseph  und  Michael  Haydn,  der  Kapellmeister  Oass- 
mann und  Beuter  und  anderer  trefflicher  Musiker.  1772  ward  ihm  die 
Wiener  Hoforganistenstelle  zu  Theil,  die  ihm  Kaiser  Joseph  bei  ihrer 
etwaigen  Erledigung  schon  früher  in  Aussicht  gestellt  hatte,  1792  die 
Kapellmeisterstelle  zu  St.  Stephan.  Hier  entwickelte  sich  seine  Thätig- 
keit  für  weitere  Kreise,  es  sammelte  sich  um  ihn  ein  Schülerkreis,  der 
die  trefflichsten  Talente  in  sich  schloss  und  der  Welt  Musiker  gab, 
deren  Euhm  fortdauernd  sein  wird.  Die  bedeutendsten  sind.L.  van  Beet- 
-hoven,  Jos.  Eybler,  Joh.  Gänsbacher,  Nep.  Hummel,  Jos.  Preindl,  Jos. 
Weigl,  Ign.  Kitter  v.  Seyfried.  Die  k.  schwedische  Akademie  der 
Musik  zu  Stockholm  ernannte  ihn  1798  zu  ihrem  Ehrenmitgliede. 
Seinem  rastlosen  Streben  für  die  Kunst  setzte  der  Tod  am  7.  März  1809 
ein  Ziel  A.'s  Name  wird  immer  einen  hohen  Bang  unter  den  Musik- 
gelehrten einnehmen,  wie  seine  Kompositionslehre  durch  Fas^lichkeit, 
Klarheit  und  eingehendere  Behandlung  immer  ein  bedeutendes  Werk 
bleiben  wird.  Seine  sämmtlichen  Schriften  über  Generalbass,  Harmonie- 
lehre und  Tonsetzkunst  sind  von  J.  Bitter  v.  Seyfried  in  3  Bänden 
herausgegeben  worden.  Seine  Kirchenkompositionen  sind  technisch 
kunstreich  gearbeitet,  aber  trocken,  und  es  sieht  zu  sehr  der  Theoretiker 
heraus. 

Alfieri  Pietro,  ehemaliger  Camaldulensermönch,  Gesangsprofessor 
am  englischen  Colleg  zu  Bom,  geb.  29.  Juni  1801  zu  Bom,  daselbst 
gestorben  12.  Juni  1863,  hat  ein  „Lehrbuch  des  gregorianischen  Gesanges'* 
^(1835),  eine  Anweisung  zur  Orgelbegleitung  der  Ohoralgesänge  (1840), 
Bathschläge  für  Wiederherstellung  des  gregor.  Gesanges  (1843),  bio- 
graphische Abhandlungen  über  Bemo,  Pitoni,  Jomelli  u.  a.,  auch 
mehrere  Sammelwerke  alter  Meister,  unter  welchen  besonders  7  Bände 
von  Palestrina's  Kompositionen,  herausgegeben. 

Alkain,  Alewin  oder  Albinaa,  geb.  732  im  Gebiete  von  York, 
war  einer  der  gelehrtesten  Männer  seiner  Zeit.  Er  wurde  758  Vor- 
steher der  Schule  in  York,  begab  sich  aber,  als   er  auf  einer  Beise 


'-r- 1 •- 


Allegri  —  Alypius.  9 

nach  Born  in  der  Lombardei  mit  Karl  dem  Grossen  bekannt  wurde,  auf 
dessen  Einladung  an  seinen  Hof.  Hier  führte  er  als  Vorsteher  des 
Gelehrtenvereins  den  Namen  Flaccus  Albinus  und  war  der  thätigste 
Lehrer  nnd  Gehilfe  Karls  zur  Ausbreitung  der  Kultur  im  fränkischen 
Eeiche.  796  wurde  er  Abt  bei  St.  Martin  in  Tours,  wo  er  die  Kloster- 
schnle.zu  ausgezeichnetem  Hufe  erhob  und  berühmte  Gelehrte  heran- 
bildete, deren  vorzüglichste  Khabanus  Maurus  undHaymo,  Bischof  von 
Halberstadt,  waren.  Er  starb  804  und  hinterliess  viele  Schriften. 
Gewiss  war  er  auch  für  die  Musik  thätig,  die  ohnehin  einen  Haupt- 
gegenstand der  gelehrten  Schulen  damaliger  Zeit  bildete,  und  Gerbert 
führt  unter  seinem  Namen  einen  kurzen  Tractat  über  Musik  an,  wie 
er  ihn  in  einer  alten  Wiener  Handschrift  gefunden  hat;  jedoch  wird 
die  Autorschaft  desselben  angestritten,  da  er  sich  mit  Abänderung  sehr 
weniger  Worte  als  8.  Capitel  in  der  Abhandlung  des  Aurelianus  Beom* 
t,I)e  musica  disciplina*^  findet. 

Allegri,  Gregorio,  von  Geburt  ein  Eömer,  studirte  unter  Nanini's 
Leitung  die  Musik.  Er  widmete  sich  dem  geistlichen  Stande  und  fand 
seine  erste  Anstellung  als  Benefiziat  an  der  Kathedralkirche  zu  Eermo. 
Am  6.  September  1629  ward  er  als  Sänger  in  die  Sixtina  aufgenommen, 
nachdem  er  durch  Veröffentlichung  einiger  Werke  dem  Papste  Urban  Vin. 
l)ekannt  geworden.  Sein  Euhm  vermehrte  sich  mit  jeder  neuen  Kom- 
position. Den  Höhepunkt  erreichte  er  mit  dem  Qstimmigen  Miserere 
zu  zwei  Chören,  welches  in  der  Charwoche  noch  jetzt  gesungen  wird. 
Wenige  Werke  sind  von  ihm  erhalten  worden,  lieber  sein  Leben  sagt 
Proske:  „Wenige  Künstler  aller  Zeiten  brachten  die  Aufgabe  eines 
^ottgeweihten  Genius  und  Lebens  zu  reinerer  Harmonie  als  unser 
Meister.  So  edel  und  erhaben  in  seinem  Schaffen,  und  darum  von  allen 
Kunsterenossen  mit  Ehrfurcht  gepriesen,  ebenso  edel  und  ehrwürdig  war 
Allegri  auch  als  Mensch  und  Christ,  ein  Muster  ächt-priesterlicher 
Frömmigkeit  und  Demuth,  ein  Vater  der  Armen,  Tröster  der  Gefangenen 
und  Verlassenen,  ein  ganz  in  Nächstenliebe  sich  hinopfemder  Helfer 
und  Eetter  der  leidenden  Menschheit.'^    E^  starb  am  18.  Febr  1652. 

Almeida,  Fernando  d',  zu  Anfang  des  17.  Jalirhunderts  zu 
liissabon  geboren,  trat  1638  in  das  Kloster  zu  Thomar,  ward  1656 
Visitator  seines  Ordens  und  starb  den  21.  März  1661.  Er  hatte  sich 
imter  Leitung  des  Duarte  Lobo  (Ed.  Lopez),  Domkapell-M.  zu  Lissabon 
zum  Komponisten  herangebildet  und  genoss  ausgezeichneten  Huf,  be- 
sonders durch  seine  Lamentationen,  Besponsorien  und  Miserere  für  die 
letzten  Tage  der  Charwoche.  Diese,  sowie  eine  12-stlmmige  Messe  und 
mehrere  andere  Kompositionen  A.'s  werden  noch  im  Mscpt.  in  der 
k.  Bibliothek  zu  Lissabon  aufbewahrt. 

Alypius,  griech.  Philosoph,  etwa  300  Jahre  vor  Chr.,  schrieb  ein 
musikal.  Werk,  ,,Eiaaycoyti  Movaixri  (Introductio  musica)**,  worin  er 
die  gesammte  Tonlehre  in  sieben  Teilen  darstellen  will;  jedoch  hat 


.10  Amadori  —  Ambleville. 

er  nur  den  ersten  Teil  „von  den  Tönen"  behandelt.  Es  ist  dies  Werk 
deswegen  von  grösster  Wichtigkeit,  weil  darin  sämmtliche  musikal. 
Zeichen  od.  Noten  der  alten  Griechen  sich  aufgezeichnet  finden  wie  m 
keinem  andern.  Sein  Werk  ist  abgedruckt  in  Meibom's  „Antiquae 
musicae  autores  Septem  graece  et  latine.   2  tom/^ 

AmAdori,  Guiseppe,  einer  der  bedeutendsten  Komponisten  der 
röm.  Schule  zu  Ende  des  17.  u.  zu  Anfang  des  18.  Jhdts.,  war  berühmt 
als  meisterhafter  Sänger  und  trefHicher  Lehrer  des  Gesanges  und  der 
Komposition  und  nach  dem  Zeugnisse  seiner  Zeitgenossen  einer  der 
edelsten,  liebenswürdigsten  Menschen  und  ein  wahrhaft  bescheidener 
Künstler. 

Amalariua,  Symphorius,  wurde,  nachdem  er  längere  Zeit  Diakon 
in  Metz  gewesen,  Vorstand  der  Hofschule  Ludwig  des  Frommen,  später 
erhielt  er  die  Priesterweihe  und  wurde  Chorbischof  von  Metz.  Er  war 
ein  Mann  von  tiefer  Gelehrsamkeit  und  umfassenden  Kenntnissen  und 
sicherte  sich  das  Andenken  der  Nachwelt  durch  sein  820  vollendetes 
Werk:  „Symphosii  Amalarii  Metensis  Presbyteri  et  Chorepiscopi  de 
Ecclesiasticis  Officiis  libri  quatuor  ad  Ludovicum  Pium  Imperatorem*^ 
Im  2.  und  3.  Buch  bespricht  er  auch  die  Sänger  und  ihre  Kleidung, 
den  Gesang  selbst  und  die  einzelnen  Theile  der  hl.  Messe  und  des 
Officiums,  Alles  und  Jedes  mit  mystischen  Erklärungen  begleitend. 
Nebst  diesem  Werke  verfasste  er  noch  ein  Buch  über  die  Chorherren 
und  Chorfrauen,  sowie  ein  Buch  „de  Ordine  Antiphonarii^S  welches  ihm 
bittere  Anfeindung,  besonders  von  Agobardus,  Erzbischof  von  Lyon, 
zuzog.  Er  suchte  nämlich  eine  verbesserte  Anordnung  des  Antipho- 
nariums  zu  treffen,  da  er  es  in  den  verschiedenen  Kirchen  so  abweichend 
fand,  zu  welchem  Zwecke  er  von  Kaiser  Ludwig  selbst  nach  Itom 
gesendet  wurde.  Obwohl  nichts  Näheres  von  seinem  Leben  bekannt 
ist,  so  scheint  man  doch  mit  Gewissheit  annehmen  zu  dürfen,  dass  er 
dem  Orden  der  Benedictiner  angehört  habe,  da  die  ganze  Einrichtung 
des  Officiums,  wie  er  sie  beschreibt,  diejenige  ist,  welche  der  hl.  Benedict 
in  seiner  Begel  giebt,  und  Agobardus  ihn  auch  „Abf'  nennt.  Er  starb 
837  zu  Metz. 

Amatas,  Vincentius,  geb.  am  6.  Jan.  1629,  erlangte  nach 
seinem  Austritt  aus  dem  geistl.  Seminar  zu  Palermo  die  Würde  eines 
Dr.  theol.  und  wegen  seiner  tiefen  und  umfassenden  Kenntnisse  in  der 
Musik  1665  die  Stelle  des  Dom-K.-Ms.  zu  Palermo.  Kr  starb  daselbst 
am  29.  Juli  1670. 

Ambleville,  Charles  d',  Jesuit,  namhafter  franz.  Kirchen- 
komponist, lebte  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jhdts.  zu  Paris.  Es  er- 
schienen von  ihm  gedruckt:  „Octonarium  sacrum  seu  Canticum  B.  V. 
H.  per  diverses  ecclesiae  tonos  decantatum",  und  1636  „Harmonia 
«acra'S  Vespern,  eine  Messe  und  Litaneien  enthaltend. 


Ambros  —  Ambrosius.  11 

Ambros,  Aug.  Wilh.,  geb.  den  17.  Nov.  1816  zu  Mauth  in 
Bölunen,  zeigte  in  Mhester  Jagend  schon  grosse  musikal.  Anlagen? 
deren  Ausbildung  zu  fördern  ihm  erst  während  seiner  Universitäts- 
Btudien  gegGnnt  wurde.  1839  erlangte  er  den  Grad  eines  Doctors  der 
Bechte  und  trat  dann  in  den  Staatsdienst.  1850  ward  er  als  Staats- 
anwalt in  Prag  angestellt  und  bald  auch  in's  Direktorium  des  dortigen 
Konservatoriums  berufen.  Nebenbei  beschäftigte  er  sich  mit  musi- 
kalischer Kritik  und  Komposition.  Um  diese  Zeit  machte  er  auch 
Bekanntschaft  mit  mehreren  trefflichen  Tonkünstlem,  namentlich  mit 
Schumann,  widmete  sich  nun  um  s  o  eifriger  dem  musikal.  Studium  und 
der  Komposition  und  wirkte  auf  die  musikal.  Zustände  Prag's  ganz 
vortheilhaft  ein.  Ausser  einigen  Ouvertüren  schrieb  er  ein  grosses 
„Stabat  Mater^^  und  veröffentlichte  mehrere  musikal.  Schriften:  ,;Die 
Grenzen  der  Musik  und  Poesie**.  Leipzig  1855 ;  „Zur  Lehre  vom 
Quintenverbot.  Eine  Studie.**  Leipzig  1859;\,Oulturhistorische  Bilder 
aus  dem  Musikleben  der  Gegenwart.**  Leipzig  1860.  1860  nahm  er 
sein  grossartiges  Werk  ,,Geschichte  der  Musik**  in  Aogriffi  von  welchem  * 
der  I.  Band  18152,  H.  Bd.  1864,  Ul.  Bd.  1868,  IV.  Bd.  1878  (von 
G.  Nottebohm  aus  den  hinterlassencn  Fragmenten  gesammelt)  erschien. 
Einen  Y.  Biind,  Beispielsammlung  zum  dritten  Band,  besorgte  0.  Kade 
mit  Benutzung  der  von  Ambros  hinterlassencn  Materialien  (I884),  ein 
Namen-  und  Sachregister  W.  Bäumker  (188 ')»  eine  Fortsetzung  des 
Werkes  bis  auf  die  neueste  Zeit  W.  Langhans.  Von  hohem  Werthe 
sind  der  II.  und  III.  Band,  ersterer  die  Musik  des  Mittelalters,  letzterer 
die  Epoche  der  Niederländer  behandelnd;  der  IV.  Band  beschäftigt 
sich  hauptsächlich  mit  Palestrina  und  der  römischen  Schule.  Zu  den 
nothwendigen  Studienreisen  wurden  ihm  nicht  nur  -Urlaub  in  seiner 
Stellung,  sondern  von  der  Wiener  Akademie  auch  Geldmittel  gewährt. 
1869  ward  er  zum  ausserordentlichen  Professor  der  Musik  an  der 
Universität  Prag  ernannt,  gleichzeitig  docierte  er  auch  Musikgeschichte 
am  Konservatorium.  1872  nach  Wien  berufen  als  Lehrer  des  Kron- 
prinzen Kudolf  und  am  Wiener  Konservatorium  starb  er  am 
28.  Juni  1876  daselbst.  Obwohl  er  auch  als  Komponist  Anerkennens- 
werthes 'leistete,  so  liegt  der  Schwerpunkt  seiner  Bedeutung  doch  in 
seiner  schriftstellerischen  Thätigkeit.  Manches  über  Musik  findet  «ich 
auch  in  seinen  „Bauten  Bildern'*  (1860)  und  Treffliches  in  den  „Kultur- 
historischen Bildern  aus  dem  Musikleben  der  Gegenwart**  (1860). 

AmbroBias,  Bischof  von  Mailand  und  einer  der  4  grossen  latei- 
nischen Kirchenväter,  stammt  aus  einer  angesehenen  röm.  Familie  und 
war  wahrscheinlich  um  340  zu  Trier  geboren,  wo  sein  Vater  als  Ober- 
statthalter von  Gallien  sich  aufhielt.  Nach  dessen  Tode  zog  er  mit 
seiner  Mutter  nach  Bom,  wo  er  sich  dem  Bechtsstudium  widmete  und 
durch  grosse  Beredsamkeit  ausgezeichnet  bald  einen  bedeutenden  Huf 
als  Rechtsanwalt  erlangte.    Kaiser  Valentinian  I.  ernannte  ihn  um 


12  Amon  —  Ancina. 

370  zum  Präfekten  in  Oberitalien,  in  welcher  Stellung  er  sich  die  Liebö 
aller  Untergebenen  erwarb.  Als  der  Bischof  Anxentins  in  Mailand 
i.  J.  374  starb,  entstanden  Streitigkeiten  zwischen  den  Katholiken  und 
Arianern  wegen  der  Wahl  eines  Bischofs.  Ambrosius  eilte  herbei,  um 
die  Enhe  herzustellen;  da  rief  plötzljich  ein  Kind  aus  der  Menge: 
,,Ambrosiu8  ist  Bischof!'*  und  die  ganze  Versammlung  wiederholte  den 
Buf  des  Kindes.  A.  weigerte  sich  lange,  da  er  noch  nicht  getauft  und 
auch  des  hl.  Amtes  unkundig  sei  und  floh  selbst  aus  der  Stadt,  bis  der 
Kaiser  die  Wahl  bestätigte  und  ihn  zur  Uebernahme  derselben  nöthigte. 
Nun  gab  A.  nach,  Hess  sich  von  einem  orthodoxen  Bischof  taufen,  und 
S  Tage  darauf  wurde  er  konsekrirt.  Bis  zu  seinem  Lebensende  397 
waltete  er  seines  Amtes  treulichst.  Er  kämpfte  für  den  hl  Glauben 
unermüdlich  in  Wort  und  Schrift  gegen  die  Arianer,  welche  'durch  ihn 
all  ihr  Ansehen  und  ihren  Einfluss  verloren,  und  mit  ausserordentlicher. 
Beredsamkeit  hob  er  die  kathol.  Kirche.  In  seinem  Leben  übte  er 
strengste  apostol.  Armuth  und  Abtötung,  mit  seinem  milden  herab- 
lassenden Sinne  verband,  er  aber  auch  eine  Charakterstärke,  welche 
sich  durch  kein  Ansehen  der  Person,  durch  keine  Drohung  oder  Gefahr 
von  dem  Wege  des  Bechtes  abschrecken  Hess. 

Viel  verdankt  ihm  die  Kirche  für  den  Gottesdienst  und 
kirchl.  Gesang,  Die  der  Mailänder  Kirche  von  Alters  her  eigea- 
thümliche  Liturgie  ordnete  und  verbesserte  er,  weshalb  sie  auch  von 
ihm  den  Namen  Ambrosianische  Liturgie  trägt;  dem  Wesen 
nach  wenigstens  besteht  sie  noch  heute  in  Mailand.  Des  kirchliche 
Gesanges  nahm  er  sich  ebenfaHs  eiMg  an.  Er  organisirte  ihn,  nahm 
die  schon  ausgebildetere  Psalmodie  der  Orientalen  herüber  und  be- 
reicherte sie  selbst  mit  eigenen  Hymnen  und  andern  geistl.  Dichtungen. 
Namentlich  wird  ihm  die  Einführung  des  Antiphonengesanges, 
d.  h  des  zwischen  zwei  Chören  abwechselnden  Vortrags  im  Abendlande 
zugeschrieben. 

Dem  hl.  A.  wird  noch  das  „T e  D eu m*S  a m br o s i a n  1  s ch er 
Lobgesang  genannt,  zugeschrieben. 

Amon,  Blas  ins,  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts.,  aus  Tyrol  ge- 
bürtig, vorerst  Diskautist  an  der  HofkapeUe  des  Erzherzogs  Ferdinand 
von  Österreich,  ward  auf  dessen  Kosten  nach  Venedig  gesandt,  trat 
dann  in  ein  Franziskanerkloster  zu  Wien  und  starb  1590.  Sein  erstes 
Werk,  welches  Introitus  enthielt,  erschien  1582  in  Wien,  ein  Band 
4stimm.  Messen  daselbst  1588,  ein  Band  4— 6stimm.. Motetten  1590  in 
München.  Nach  seinem  Tode  edirte  sein  Bruder  Stephan  noch  einen 
Band  Motetten  (München  1591)  und  einen  weiteren  Band  Introitus 
<1601)  von  ihm.  Eine  Anzahl  Motetten  in  Msk.  bewahrt  noch  die 
Münchener  BibHothek. 

Ancina,  Job.  J u v. ,  geb.  den  19.  Oct.  1545  zu  Fossano,  studirte 
isuerst  Medicin  und  wurde  zu  Turin  Doctor  und  Professor  derselben. 


Andreae  —  Anerio.  13 

1574  kam  er  nach  Eom,  wo  die  Bekanntschaft  mir.  dem  hl.  Philipp 
y.  Neri  ihn  veranlasstet  Theologie  zu  studiren  nnd  in  die^Congregation 
der  Oratorianer  einzutreten.  Dies  gab  ihm  Gelegenheit,  der  Musik  sich 
mit  grösserer  Liebe  als  vorher  zu  widmen  und  sie  mit  allem  Fleisse  zu 
Studiren.  1599  erschien  zu  Bom  von  ihm:  „Tempio  armonico  della 
B.  Vergine**,  welches  Werk  lauter  geisü.,  von  ihm  seihst  komponierte 
Lieder  zu  Ehren  der  sei.  Jungfrau  enthält  und  der  günstigsten  Auf- 
sahme  sich  erfreute.  Nachgehends  wurde  er  von  Clemens  VII.  zum 
Bisehof  von  Mondovie  ernannt,  1602  Bischof  von  Saluzzo,  wo  er  1604 
starb. 

Andreae,  Carolus  (Endres),  wurde  1612  Abt  des  Benedictiner- 
stiftes  Irsee  in  Schwaben  und  starb  als  solcher  1627.  Von  seinen 
Kompositionen  finden  sich  viele  Falsobordöne  in  zwei  1607  und  1611 
geschriebenen,  nun  der  Proske'schen  Bibliothek  in  Regensburg  ange- 
hörigen  Codices,  desgleichen  solche  in  einem  Msk.-Codex  der  Kreis-  und 
Stadtbibliothek  zu  Augsburg;  auch  die  Münchener  Hof-  und  Staats^ 
Bibliothek  besitzt  einige  Kompositionen  von  ihm. 

Andreyi ,  Francesco,  einer  der  bedeutendsten  spanischen 
Komponisten,  geb.  16.  Nov.  1786  zu  Sanabuya  bei  Lerida  von  italienischen 
Mtem,  gest.  23.  Nov.  1853  zu  Barcelona,  war  Priester  und  bekleidete 
Kapellmeiäterstellen  an  verschiedenen  Kathedralen,  schliesslich  am 
kOnigl.  Hofe.  Während  des  Karlistenkrieges  flüchtete  er  nach  Bordeaux, 
lebte  von  1845—49  in  Paris  und  dann  bis  zu  seinem  Tode  als  K.-Meister 
aa  der  Notre  Dame  Kirche  in  Barcelona.  Ausser  Kompositionen  schrieb 
er  auch  ein  theoret.  Werk  über  Harmonie  und  Komposition  (1848  in 
firanz.  Übersetzung  erschienen.) 

Aneria,  Feiice,  geb.  zu  Bom  1560,  gest.  daselbst  1630, 
Schüler  Nanino's,  zählt  unter  die  geistreichsten  Komponisten  zu  Ende 
des  16.  und  Anfang  des  17.  Jhdts.  Die  erste  Anstellung  soll  er  als 
Musikdirektor  am  englischen  CoUegium  in  Bom  gefanden,  hierauf  ein 
ähnliches  Amt  bei  dem  Cardinal  Aldobrandini  bekleidet  haben.  Nach 
dem  Tode  Palestrina's  ward  er  zum  Tonsetzer  der  päpstl.  Kapelle 
ernannt,  welche  ausgezeichnete  Stelle  für  Palestrina  geschaffen  wurde 
und  mit  Anerio  wieder  erlosch.  In  dieser  Stellung  war  er  ungemein 
tbätig  vom  3.  April  1594,  zu  welcher  Zeit  ihm  dieses  Amt  zu  Teil 
wurde,  bis  zu  seinem  Lebensende.  Er  hinterliess  zahlreiche  Werke, 
welche  Originalität  und  feines  Kunstgefühl  charakterisiren.  Mehrere 
davon  sind  im  Druck  erschienen  ,*  so  „II  I  libro  degl'  Inni,  cantici  e 
motetti  a  8  voc.  Venet.  1596**  dem  Papst  Clemens  VIII.  gewidmet; 
„3  übri  di  Madrigali  spirituali  a  5  voc";  „2  libri  dl  Concerti  spirit.  a 
4  voc.*^;  später  noch  das  11.  Buch  der  „Inni,  canticr  etc.**;  ,3espons. 
per  la  Settimana  santa  a  4  voc.**;  8-8timmige  Motetten  und  Psalmen 
(Neapel  1615).  Eine  grosse  Menge  seiner  Tonschöpftmgen  sind  Manu- 
vsa^t  geblieb^  und  liegen  in  der  päpstl  Kapelle,  bei  S.  Maria  in 


14  Anerio  —  Animuocia, 

Yallicella,  im  Yatican  und  vor  allem  in  der  Bibliothek  des  Collegiqm 
Bomanum  aufbewahrt. 

Anerio,  Giovani  Francesco,  geborner  Bömer  um  1567  (ob  er 
ein  jüngerer  Bruder  des  Feiice  Anerio  ist,  lässt  sich  nicht  beweisen, 
sondern  blos  vermuthen).  Sein  erstes  bis  jetzt  bekanntes  Werk  erschien 
.  1599:  „Jl  I  libro  de  Madrigali  a  5  voci."  1616  wurde  er  Priester.  Er  war 
zuerst  am  Hofe  Sigismund  lU.  Königs  von  Polen  angestellt,  kam  1610 
vorübergehend  nach  Verona  und  im  selben  Jahre  finden  wir  ihn  auch 
noch  in  Bom,  wo  er  die  Vorstandschaft  über  die  Musik  im  römischen 
CoUeg  S.  Jgnazio  übernahm;  von  1613—21  war  er  K.-Meister  an  der 
Kirche  S.  Marie  ai  Monti.  Seine  Kompositionen,  welche,  soweit  sie 
bekannt  sind,  im  „Kirchenmusikalischen  Jahrbuche"  von  F.  X.  Haberl 
1886  und  in  den  „Monatsheften  f.  Mus.-Qeschichte  von  Bob.  Eitner*^ 
Jhrgg.  1887  Nro.  2  verzeichnet  sind,  bestehen  in  Madrigalen,  Messen, 
Motetten,  Litaneien,  Psalmen  u.  s.  w.  Seine  Kirchenkompositionen 
weisen  zweierlei  Styl  auf,  den  Palestrinastyl  und  die  damals  am  An- 
fange stehende  und  in  der  Entwicklung  zum  Drama,  zur  Oper  und  zur 
theatralischen  K-Musik  sicli  befindenden  monodischen  und  concertierenden 
Kunstgattung,  doch  erzeigt  sich  A.  auch  in  letzterer  ganz  edel.  Die 
nach  1620  unter  seinem  Namen  erschienenen  Werke  entbehren  deir 
persönlichen  Widmung  des  Autors  oder  sind  Neuauflagen  oder  von 
andern  Persönlichkeiten  publiciert,  so  dass  man  annehmen  könnte,  A, 
sei  nicht  lange  nach  1620  gestorben. 

AngeÜ,  P.  Francesco  Maria,  ein  Franziskaner  aus  Bivotoirto, 
zu  Assisi  geb.,  war  nach  dem  Zeugnisse  seines  Landsmannes  und  Zeit* 
genossen  Tevo  einer  der  trefflichsten  Musiker  und  Kontrapunktisten 
seines  Jhdts.  A.  wird  als  ein  Mann  von  den  seltensten  Tugenden  und 
ansserordentL  Müsikkenntnissen  geschildert.  Er  war  zuletzt  Provinzial 
seines  Ordens  und  Superior  des  Klosters  zu  Assisi.  Wann  er  gestorben, 
kann  nicht  angegeben  werden;  1693  lebte  er  noch. 

Angelo,  da  Picitone,  von  seiner  Vaterstadt  Pizzighetone  bei 
Gremona  so  genannt,  war  ein  als  trefflicher  Organist  allgemein  be- 
kannter und  berühmter  Franziskanermönch  in  der  ersten  Hälfte  des 
16.  Jhdts.  und  1541  Generalprokurator  seines  Ordens.  1547  gab  er  zu 
Venedig  eine  musikal.  Schrift  ^eraus,  „Fior  angelica  di  musica*',  welche 
unter  die  bibliographischen  Seltenheiten  gehört. 

Animaccia,  Giovanni,  um  1500  zu  Florenz  geboren,  ist  einer  der 
ältesten  und  hervorragendsten  Meister  der  ital.  Schule,  welche  es  sich 
zur  Aufgabe  setzten,  den  Kontrapunkt  der  alten  Niederländer  durch 
klare  und  ansprechende  harmonische  Fülle,  durch  leichtere  und  melo* 
dlschere  Führung  der  Stimmen  und  durch  einen  den  Textworten  ent- 
sprechenderen Ausdruck  der  Melodie  zu  vervoUkonunnen.  Schon  in 
seiner  Jugend  mit  dem  hl.  Philipp  von  Neri  freundschaftlich  verbanden^ 
ward  er  von  diesem  zum  Musikmeister  seiner  Societät  berufen  und 


Anjo3 —  Anseimus.  15 

lioinpottierte  als  solcher  die  ersten  „Laudi^*  füc  diese  Versammlung. 
Diese  „Landi**  waren  mehrstimmige  Gesänge,  welche  immer  nach  der 
Predigt  aufgeführt  wurden.  Um  der  grösseren  Mannigfaltigkeit  und 
Abwechslung  willen  komponierte  A.  bald  einzelne  Strophen,  bald  blos 
«inige  Zeilen  als  Soli  und  liess  dann  den  Chor  wieder  desto  kräftiger 
und  wirkungsvoller  eintreten.  Durch  diese  „Laüdi*'  legte  er  den  Keim 
zu  dem  später  so  ausgebildeten  Oratorium.  Von  diesen  „Laudi'* 
erschien  das  erste  Buch  1565,  das  zweite  1570.  Ausserdem  komponierte 
er  hoch  viele  Messen,  Motetten,  Psalmen,  Madrigale,  welche  teils  in 
Venedig  1548,  teils  in  Rom  1567  und  1568  ediert  wurden,  teils  im 
Manuskript  im  Yaticanisohen  Kapellarchive  verblieben.  1555  ward  A. 
päpstlicher  Kapell-M.  und  blieb  es  bis  zu  seinem  Tode,  der  im  März 
1571  erfolgte. 

Anjos,  Dionisiodps,  einer  der  bedeutendsten  portugiesischen 
Tonkünstler  seines  Jhdts.,  war  zu  Lissabon  in  der  ersten  Hälfte  des 
17.  Jhdts.  geboren,  trat  1656  zu  Belem  in  den  Orden  der  Hieronymitaner 
und  starb  daselbst  am  19.  Jan.  1709.  Virtuos  auf  der  Harfe  und 
Oambe  zeichnete  er  sich  auch  als  Kirchenkomponist  aus,  und  seine 
.  Werke,  welche  die  Klosterbibliothek  von  Belem  sorgfältig  bewahrte, 
rechtfertigen  nach  dem  Urteile  der  Sachverständigen  vollkommen 
seinen  Buhm.  Sie  bestehen  aus  Messen,  Motetten,  Psalmen,  Eespon- 
Serien  u.  dgL 

Anfcerts,  Ghiselin  d',  geb.  zu  Tholen  in  der  Provinz  Zeeland, 
ein  vorzüiclicher  niederländischer  Kontrapunktist,  1555  Camerlengo  und 
Mitglied  des  päpstlichen  Sängerkollegiums,  was  er  auch  unter  der 
Regierung  von  4  Päpsten  blieb.  Die  päpstl  Kapelle  verwahrt  viele 
Hessen  und  Motetten  dieses  von  Baini  sehr  geachteten  Meisters ;  einige 
seiner  Kompositionen  wurden  auch  durch  den  Druck  veröffentlicht. 
Am  berühmtesten  ward  er  durch  einen  um  1556  verfassten  Tractat 
gegen  D.  Nikol.  Vincentino,  worin  er  dessen  Versuch,  das  Chromat,  und 
enharmonische  Geschlecht  auf  den  Kontrapunkt  anzuwenden,  entschieden 
zurückwies  und  die  diatonische  Musik  mit  Erfolg  verteidigte. 

Annibalo,  Patavinus,  so  von  seiner  Vaterstadt  Padua  bei« 
genannt,  war  einer  der  gebildetsten  und  fertigsten  Organisten  des 
16.  Jhdts.  und  auch  tüchtiger  Kirchenkomponist.  Schon  im  25.  Jahre 
«eines  Alters  ward  er  mit  der  wichtigen  und  höchst  ehrenvollen 
OrganistensteUe  an  der  St.  Markuskirche  zu  Venedig  betraut.  Er  starb 
um  1595. 

Anselmiis,  Parmensis,  ein  musikal.  Schriftsteller  des  15.  Jhdts. 

Von  ihm  \  existiert  ein  Manusc.   „De  Harmonia  dialogi"»  welches   sehr 

,   gerühmt  wird.    Er   war   zu  Parma  geboren   und   starb   etwa   1443, 

und  steht  im  Bufe  eines  ebenso  trefflichen  Musikers  als  gewandten 

Mathematikers. 


16  Anselm  von  Flandern  —  Arcadelt. 

* 

Anselm  von  Flaadeiu,  ein  namhafter  Musiker,  der  um  die  Mitte 
des  16.  Jhdts.  in  Diensten  des  churfürstl.  bayer.  Hofes  stand.  Ihm 
-vtixä  die  Erweiterung  der  Solmisation  um  die  Sylbe  si  für  die  siebente 
Stufe,  unser  b,  zugeschrieben. 

Antegnati,  Co  stanze,  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts.  zu  Brescia 
geb.,  ein  äusserst  gewandter  Orgelbaumeister  und  nach  dem  Zeugnisse 
Bossi's  ein  trefiOicher  Orgelspieler  und  Komponist,  verwaltete  die  Stelle 
eines  Organisten  in  der  Domkirche  zu  Brescia,  fttr  welche  sein  Vater 
GratiadioA.  eine  in  jeder  Beziehung  ausgezeichnete  Orgel  gebaut 
hatte,  bis  zum  J.  1619,  wo  er  vom  Schlagflusse  gelähmt  wurde.  All- 
gemein hochgeschätzt  wegen  seiner  Kenntnisse  und  Tugenden  starb  er 
nach  wenigen  Jahren.  In  Druck  erschienen  von  ihm:  4.  Bücher  vieir 
stimmiger  Gesänge;  zwei-  und  dreichörige  Messen  und  Motetten,  u.  a.  m. 
Als  sein  berühmtestes  und  werthvoUstes  Werk  bezeichnet  man  ,Ji*arte 
organica",  Brescia  1608. 

Antonelll,  Abundio,  ein  Kirchenkompoiiist  des  17.  Jhdts.,  war 
Kapell-M.  zu  St.  Johann  im  Lateran.  Er  soll  viele  Arbeiten  geliefert 
haben,  aber  wenig  ist  auf  uns  gekommen. 

Antony,  Franz  Joseph,  Priester  und  seit  1819  Qesanglehrer 
am  Gymnasium  und  Chordirektor  am  Dom  zu  Münster,  übernahm  nach 
seines  Vaters  Tode  dessen  Stelle  als  Domorganist.  Er  starb  am 
7.  Jan.  1837.  Neben  mehreren  Liedern  und  Gesängen  veröffentlichte 
et  4  Choralmessen,  dann  sein  mit  Einsicht  und  Gelehrsamkeit  verfasste» 
„Archäologisch-liturg.  Lehrbuch  des  Gregor.  Eirchengesanges"  etc» 
(Münster,  1829)  und  „Geschichtliche  Darstellung  der  Entstehung  und 
Vervollkommnung  der  Orgel"  (Münster,  1832). 

Aranda  Mattliens  de,  Professor  der  Musik  an  der  üuiversität 
Coimbra  und  Kap.-M.  in  Lissabon,  gab  1533  einen  „Tradado  de 
cantollano  y  contrapuncto**  heraus. 

Aranxo  od.  Araojo,  Francisco  de  Correa  d*,  ein  Domini- 
kanermOnch,  geb.  um  1581,  Organist  seines  Klosters  zu  Sevilla,  gehörte 
zu  den  besten,  gründlichsten  und  auch  fruchtbarsten  musikal.  Schrift- 
stellern seiner  Zeit.  Er  schrieb  u.  a.  eine  „Muslca  practica  y  theorica 
de  Organe,"  welche  mit  seinen  andern  Werken  in  der  k.  Bibliothek  zu 
Lissabon  aufbewahrt  wird.  Er  starb  hochbetagt  den  13.  Jan.  166^ 
üü.  Sevilla. 

Arcadelt,  Jacob,  ein  Niederländer,  um  1514  geb.,  war  kurze 
Zeit  Singmeister  in  der  Gesangschule  zu  St.  Peter  in  Rom,  30.  Dec. 
IMO  ward  er  päpstlicher  Sänger  und  ging  später  als  Kap.-M.  des 
Cardinals  Carl  v.  Lothringen  nach  Paris,  wo  er  1557  3  Bände  4-  und 
5stimmiger  Messen  herausgab.  Er  gehört  unter  die  vortrefflBchsten 
ffirchen-  und  Kammer-Komponisten  des  16.  Jhdts.  und  erlangte  be- 
sondere Berühmtheit  durch  seine  Madrigale.    Er  starb  um  1559. 


Arohangelus  de  Leonato  —  Arthur  aux  Couteaux*    17 

Archangelns  de  Leonato,  von  Brixen,  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts. 
Benediktiuennönch  aus  der  Cassinensischen  Congregation,  betrieb  mit 
allem  Eifer  den  geistiüchen  Gesang  u.  war  thätig  als  Komponist  n.  als 
Lebrer  des  Gesanges.  Von  ihm  haben  wir  noch:  „Cantiones  sacrae 
tum,  in  Nativitate  Domini,  tum  in  Hebdomade  sancta.   Venetiis  1585." 

Aretinns,  Paulus,  auch  Aretino,  nach  seiner  Vaterstadt  Areaszo 
genannt,  war  ein  ausgezeichneter  Eirchenkomponist  des  16.  Jhdts.,  von 
dessen  Arbeiten  auf  der  Mttnchener  Hofbibliothek  zu  finden  sind: 
„Responsoria  hebd.  sanctae,  ac  natalis  Dominiks  nebst  ),Benedictus 
Dominus"  u.  dem  „Te  Deum,*'  a  4  voc.  Venet  1567;  „Sacra  responsoria," 
Venet.  1574. 

Argentini,  Stefano,  um  1600  geb.  zu  Bimini,  Mönch  u.  Kp.-M. 
an  der  St.  Stephanskirche  zu  Venedig,  ein  Meister,  tüchtig  im  Kontra- 
punkt u.  reich  an  Ideen.  Von  seinen  zahlreichen  Werken  sind  nur 
bekannt:  Missa  ä,  3  voc.  n.  Psalmi  concert.,  1638  gedruckt. 

Aribo,  Scholasticus  beigenannt,  lebte  in  der  zweiten  Hälfte 
des  11.  Jhdts.  und  schrieb  einen  musikalischen  Traktat,  welcher,  eigent- 
lich ein  Kommentar  Guido's  v.  Arezzo,  vieles  von  diesem  Geschriebene 
weitläufiger  erklärt  und  deutlich  macht.  Diesen  Traktat  widmete  er 
dem  Bischof  Ellenhart  in  Freising  (f  1078),  an  dessen  Domkirche  er 
in  Diensten  gestanden  zu  sein  scheint.  Gerbert  hat  die  Schrift  in  seine 
Script,  mus.  tom.  11.  aufgenommen. 

Aristidee  Qaintilianiie,  ein  griech.  musikal.  Schriftsteller,  welcher 
zu  Hadrian's  Zeiten  lebte  n.  ein  Werk:  t^negi  f^ovinxi}g*^  hinterliess, 
welches  teilweise  wertvolle  Auszüge  aus  früheren  Musikschriftstellem 
enthält;  im  Allgemeinen  bezeichnet  ihn  B.  Westphal  in  seinem  Buche 
über  die  antike  Rhythmik  als  einen  unzuverlässigen  Kompilator. 

ArietoxeniiB,  ein  Schüler  des  grossen  Philosophen  Aristoteles,  geb. 
zu  Tarent  um  320  vor  Chr.,  ist  einer  der  berühmtesten  u.  wichtigsten 
musikal.  Schriftsteller  der  Alten,  da  er  gerade  am  Ende  der  klassischen 
Periode  der  griech.  Musik  lebte.  Von  seinen  Werken  sind  auf  uns  ge- 
kommen: „Harmonicorum  Elementorum  libri  III"  (beste  Ausgabe  von 
Meibom,  Amsterd.  1652),  dann  „Fragmenta  de  Bhythmica,"  heraus- 
gegeben 1785  von  Morelli  in  Venedig,  u.  einige  Bruchstücke  in  den 
BcMften  von  Aristides  u.  Plutarch. 

Arnold,  Georg,  geh*  zu  Weidsberg  in  Tyrol,  zuerst  Organist 
in  Innsbruck,  später  Hoforganist  des  Bischofs  von  Bamberg,  gab 
1652—76  Motetten,  Psalmen  u.  zwei  Bücher  neunstimmiger  Messen 
heraus. 

Arthur  aux  Uovteaux  od.  Auxcousteaux,  war  Kp.-M.  am 
Kollegiatstift  zu  St  Quentin  u.  an  der  hl  KapeUe  zu  Paris  u.  lebte 
um  1630.  Er  war  einer  der  gerühmtesten  Kirchenkompositeure  seiner 
Zeit.    Sein  Todesjahr  ist  1656. 

KonunQHer,  Lexikon.    IL  Bd.  2 


18  Artusi  —  Aufsohnaiter. 

Artafii,  Joh.  Maria,  Kanonikus  von  St.  Salvatote  zu  Bologna, 
blühte  um  1590.  Er  war  ein  in  der  musikal.  Litteratur  rühmlichst  be- 
kannter Schriftsteller  des  16.  Jhdts.'  Von  1586  bis  1607  erschienen 
fünf  grössere  Werke  von  ihm,  die  ^e  noch  Wert  haben.  In  einem 
derselben,  „L'arte  del  Contrapunto,"  legte  er  die  Lehre  vom  Gtenercd- 
bass  u.  Kontrapunkt  so  ausführlich  u«  gründlich  nieder,  wie  es  vor  ihm 
noch  .kein  Autor  that. 

Aflola,  Giov.  Matteo,  ein  Priester  in  Verona,  zeichnete  sich  als 
fleissiger  u.  tüchtiger  Komponist  der  palestrinischen ,  Zeit  aus.  Von 
seinen  Lebensumständen  ist  sehr  wenig  bekannt.  Gerber  setzt  seine 
Blütezeit  von  1565—1596.  Seine  zum  Teil  in  wiederholten  Auflagen 
erschienenen  Werke,  deren  einige  in  den  berühmtesten  älteren  und 
späteren  Sammlungen  Aufnahme  fanden,  bekunden  am  hesten  die 
Meisterschaft  dieses  Autors.  „Seinen  Namen,"  sagt  Proske,  „findet 
man  neben  den  berühmtesten  der  älteren  Zeit.  Einfach,  klar,  andachts- 
voll entfalten  sich  seine  Harmonien  und  verfehlen  niemals  den  Eindruck 
frommer  Erhebung,  wie  es  der  im  reinsten  Geiste  gebildeten  heiligen 
Gesänge  würdig  ist.'*  Seine  Werke  bestehen  in  mehreren  Büchern, 
Messen  zu  3,  4  u.  8  Stimmen,  2  Büchern  Lamentationen,  2  Büchern 
„Sacrae  cantiones  4  voc",  „Psalmi,  Falsibordoni,  Introitus  et  Alleluja, 
4  voc."  (Venedig  1565);  „Vespertina  maj.  solemnitatum  Psalmodia  senis 
vocibus  canticaque  duo  B.  V.  M.  Venetiis  1576."  (Proske'sche  Biblio- 
thek Nro.  594.  Fetis  scheint  letzteres  Werk  nicht  zu  kennen,  da  er 
unter  den  26  von  ihm  citierten  Werken  dasselbe  nicht  anführt,  wohl 
aber  ein  Werk  unter  ähnlichem  Titel  für  vier  Stimmen  mit  der  Jahr- 
zahl 1578.) 

Assmayer,  Ignaz,  geb.  11.  Febr.  1790  zu  Salzburg,  f  31.  Aug. 
1862  in  Wien,  1808  Organist  m  St.  Peter  in  Salzburg;  1815  ging  er 
nach  Wien,  wo  er  sich  unter  Eybler  noch  weiter  fortbildete,  1825 
Hoforganist,  1838  Vizehofkp.-M.,  1846  zweiter  Hofkp-M.  Unter 
anderem  schrieb  er  15  Messen,  von  welchen  eine  im  Druck  erschien, 
dann  Gradualien,  Offertorien  u.  a, 

Astorga,  Emanuele  d\  geb.  11.  Dez.  1681  zu  Neapel,  f  21.  Aug. 
1736  auf  dem  Schlosse  Baudnitz  a.  d.  Elbe,  Schüler  des  Alessandro 
Scarlatti,  hatte  sich  besonders  durch  seine  Lieder  beliebt  gemacht; 
seine  auf  uns  gekommenen  Kantaten,  Duetten,  eine  Oper  und  das  be* 
kannte  „Stabat  Mater'*  zeigen  seine  Meisterschaft  in  der  Komposition. 
Übrigens  soll  er  ein  unstätes  u.  abenteuerliches  Leben  geführt  haben; 
er  hielt  sich  teils  in  Rom,  teils  in  Spanien,  England  und  Deutsch- 
land auf. 

Aufschnaiter,  BenedictAnton,  war  geb.  1663  und  f  1742, 
\m  das  Sterbebuch  der  Dompfarrei  in  Passau  auBweist:  „24  Jan.  1742 
necess.  sacram.  provisus  sepultus  est  praenobilis,  strenuus  ac  artifi- 
ciosus  Dominus  Benedictus  Anton.  Aufschnaiter,  eccl.  cathedr.  Passav. 


Augustinus  —  Auer,  19 

OapeUae-Magister  octoginta  ann.  jacet  in  ambitu  statim  ad  portam 
eccles.  apud  altare  oliveti/*  Von  seinen  vielen  im  Domarchiv  zu  Passau 
befindlichen  Werken  sind  nur  wenige  im  Druck  ediert.  Fetis  führt  an: 
„Concors  discordia"  (6  Ouvertüren),  Nürnberg  1695;  „Dulcis  fldium 
liarmonia*'  8stim.  Eirchensonaten,  1699;  Vesp.  solemnissimaei  4  voo. 
«oncert,  2  Viol.,  2  Violis  necess.,  4  ripien.  pro  pleno  choro,  violone 
cum  dupl.  Basso  cont.,  2  clarinis  concert.  Op.  V.,  Augsburg,  1709; 
„Alauda**  5  solenne  Messen,  op.  VI.  Augsburg  1711 ;  „XII  Offert,  de 
venerab.  Sacramento"  4  voc,  2  VioHnis,  2  Violis  cum  dupl.  Basso 
contin,  et  2  Trombonis.  Op.  VIT.  Passav.  1719;  „Cymbalum  Davidis 
vespertinum  seu  Vesperae  pro  fest,  etc."  4  voc,  4  Violin.,  2  Violis 
cum  dupl.  Basso,  2  hautb.  in  tono  gallicö  et  2  Clarinis.  Op.  VIII. 
Pässav.  1729.  Ausserdem  ist  ein  theoretisches  Werk  in  Manuscript 
anzumerken,  betitelt:  „Begulae  hae  fundamentales  Musurgiae  partim 
sunt  a  praestantiss.  aut  antiquis  nempe  Jac.  Carissimi,  Casp.  Xerl, 
Orl.  de  Lasso,  Adamo  Gumpelzhaimer,  Joa.  Ebner  et  partim  a  Bened. 
Ant.  Aufschnaiter,  Cap.  Mag.  Passav.  inventae,  et  non  vulgari  studio 
ßlaboratae  et  compositae"  und  ein  4stinmi.  Offertorium  „Ostende,** 
ebenfalls  Mskr, 

Augustinus,  A  u  r  e  1  i  u  s ,  der  hl.  Kirchenlehrer,  geb.  am  13.  Nov. 
354  zu  Tagaste  in  Numidien,  widmete  sich  zu  Karthago  den  Wissen- 
schaften, geriet  aber  zur  Sekte  der  Manichäer ;  383  kam  er  nach  Bom, 
wo  er  Bhetorik  mit  so  ausserordentlichem  Beifall  lehrte,  dass  er  schon 
384  den  ehrenvollen  Buf  als  öffentlicher  Lehrer  der  Beredtsamkeit 
nach  Mailand  erhielt.  Hier  kam  er  in  nächste  Berührung  mit  dem  hL 
Ambrosius,  dessen  wohlwollende  Güte  ihm  Hochachtung  und  Vertrauen 
gegen  diesen  so  einflussreichen  Kirchenfürsten  einflösste.  Die  Predigten 
des  hl.  Ambrosius  und  die  Unterredungen  mit  ihm,  sowie  das  Gebet 
seiner  Mutter  Monika  bewirkten,  dass  er  zur  kathol.  Lehre  sich  bekehrte 
und  387  getauft  wurde.  Er  wurde  dann  Bischof  von  Hippo  in  Afrika, 
u.  nachdem  er  35  Jahre  lang  sein  bischdfl.  Amt  verwaltet  hatte,  starb 
er  am  28.  Aug.  430.  Unter  seinen  Werken  findet  sich  auch  eines, 
„de  musica,"  welches  aber  blos  von  metrischen  u.  rhythmischen  Ver- 
hältnissen handelt.  Das  zweite  Buch  dieses  Werkes,  welches  wahr- 
scheinlich mit  der  praktischen  Musik  sich  beschäftigt  hätte,  konnte  er 
nicht  mehr  ausarbeiten,  da  ihm  sein  bischöfliches  Amt  keine  Müsse 
dazu  gewährte. 

Anrelianns,  Beomensis,  Mönch  zu  Reome  im  Bistum  Langres, 
darum  auch  „Beomensis**  beigenannt,  lebte  im  9.  Jhdt.  u.  schrieb  ein 
Werk,  das  Gerbert  in  seinen  Script,  eccl.  music  aufgenommen  hat  u. 
den  Titel  führt:  „Musica  disciplina.** 

Auer,  JosephAlbert,  geb.  4.  Febr.  1856  zu  Staudach,  machte 
seine  Gymnasialstudien  in  Metten  und  ward  nach  absolvierten  philoso- 
phischen u.  theologischen  Kursen  d.  6.  Juli  1879  zu  Begensburg  zum 

2* 


20  Avella  —  Bach. 

Priester  geweiht  Daselbst  bildete  er  sich  als  Präfekt  in  der  Dom* 
präbende  unter  der  Leitung  des  Dr.  F.  X.  Haberl  in  der  Kirchenmusik 
vollends  aus  u.  ist  gegenwärtig  Präfekt  im  k.  Studienseminare  zu. 
Amberg.  Werke:  mehrere  Litaneien,  Miserere,  Te  Deum,  eine  Messe 
u.  andere  Eirchengesänge,  wovon  einiges  im  Druck  erschienen  ist; 
,,Lit.  Handweiser  für  Kirc)ienmusik/' 

Avella,  Giovanni  d',  aus  dem  Orden  der  Franziskaner,  bedeu- 
tender Theoretiker  des  17.  Jhdts.  Von  ihm  besitzt  die  Proske'sche 
Bibliothek  in  Begensburg  die  sehr  wichtige  Schrift:  „Regole  di  Musica 
divise  in  cinque  Trattati,  con  le  quali  s'insegna  il  Canto  fermo  et 

Figurato composte  dal  Padre  Fra  Giovanni  D' Avella,  predi- 

catore  de*  Minori  osservanü  delle  Provincie  di  Terra  di  Lavoro. 
Borna  1657/*    Fol. 

B. 

BaeciiBi,  Ippolito,  um  1590  Kp.-M.  in  Verona,  hat  zahl- 
reiche Eirchenkompositionen  hinterlassen,  welche  meist  in  Venedig 
gedruckt  erschienen. 

Bach,  Johann  Sebastian,  der  grösste  Orgelspieler  Deutsch« 
lands,  ward  geb.  zu  Eisenach  am  21.  März  1685,  wo  sein  Vater  Hof- 
organist war;  in  seinem  10.  Jahre  schon  Doppelwaise,  kam  er  in 
die  Pflege  seines  älteren  Bruders  Johann  Christoph  B., 
Organisten  zu  Ohrdruff,  welcher  den  Enaben  im  Gesang  und  Orgelspiel 
tmterrichtete,  aber  im  Allgemeinen  sehr  hart  mit  ihm  verfahr.  Als 
14jähriger  Jüngling  ging  Seh.  Bach  nach  Lüneburg  u.  wurde  Chor- 
knabe am  Michaelsgymnasium  daselbst,  von  wo  aus  er  oft  nach 
Hamburg  zu  Fuss  wanderte,  um  den  berühmten  Organisten  Beinken 
zu  hören.  18  Jahre  alt,  fand  er  seine  erste  Anstellung  als  Organist 
in  Arnstadt,  u.  von  da  aus  datieren  seine  ersten  Werke  u.  die  erste 
Bearbeitung  seiner  Choräle.  Hier  begann  er  den  Choralgesang  der 
Gemeinde  auf  der  Orgel  in  der  wunderbaren  Weise  zu  begleiten,  welche 
er  später  in  seinen  Oratorien  anwendete,  die  ihm  aber  jetzt  vom 
Konsistorium  als  „wunderliche  Variationen*'  verboten  wurden.  Vier 
Jahre  darauf  ward  er  nach  Mühlhausen  berufen,  wo  er  sene  ersten 
Kantaten  komponierte,  im  folgenden  Jahre  ging  er  nach  Weimar  als 
Kammer-  u.  Hof  Organist  Hier  blieb  er  9  Jahre,  bis  der  Buf  als  fürstl. 
Kapellmeister  nach  Köthen  an  ihn  erging.  Daselbst  schrieb  er  di& 
ersten  Werke,  welche  seinen  Buhm  fär  alle  Zeiten  sicherten.  Um  diese 
Zeit  (1717)  war  es  auch,  dass  er  über  den  französischen  Orgelkünstler 
Marchand,  der  am  Hofe  zu  Dresden  sich  Lorbeeren  holen  wollte,  siegte; 
der  Franzose  reiste,  nachdem  er  Bach  spielen  gehört  hatte,  heimlich  ab,, 
ohne  sich  auf  den  vorerst  angenommenen  musikalischen  Zweikampf 


Baoh.  21 

«inzidassen.  1720  starb  seine  Frau  u.  1  Va  Jahre  später  yermählte  er 
«ich  mit  Anna  Magdalena  Wülkens,  welche  er  in  der  Musik  nnter« 
richtete  tu  die  an  seinem  tonkilnstlerischen  Schaffen  thätigen  Anteil 
nahmu  1722  reiste  B.  wieder  nach  Hamburg,  um  Reinken  noch  einmal 
zu  hören;  diesmal  besuchte  er  ihn  auch.  Nachdem  er  eines  Tages  in 
der  Katharinenkirche  vor  einem  gewählten  Publikum  gespielt  hatte, 
trat  der  greise  Orgelmeister,  der  bisher  als  der  Erste,  Unerreichte 
gegolten,  zu  ihm,  umarmte  ihn  u.  sprach:  ,Jch  habe  gedacht,  diese 
Kunst  wäre  gestorben,  nun  ich  sehe,  dass  sie  noch  lebt,  will  ich  mit 
Freuden  hingehen!"  —  Am  1.  Juni  1723  wurde  B.  nach  Leipzig  be- 
rufen als  Kantor  an  der  Thomaskirche.  Von  da  an  entwickelte  er  jene 
Fruchtbarkeit  u.  rastlose  Thätigkeit,  die  unmittelbar  nach  dem  hohen 
Kunstwerte  seiner  Schöpfungen  das  Staunenswerteste  aus  seinen^  Leben 
u.  in  der  Kunstgeschichte  bietet.  Er  hatte  den  Gottesdienst  in  zwei 
Kirchen  (Thomas-  u.  Nikolaikirche)  zu  leiten,  die  Thomasschüler  „in 
Vocal-  u.  Instrumentalmusik  fleissig  zu  unterrichten,*^  seine  zahlreichen 
Kinder  zu  erziehen  u.  viele  Privatschüler  zu  unterweisen  —  u.  bei  all 
diesen  grossen  Mühen  hatte  er  Werke  geschaffen,  die  nie  untergehen 
werden,  u.  überdies  noch  dem  Wirken  und  Schaffen  seiner  Zeitgenossen 
solche  Au^erksamkeit  gewidmet,  dass  er  eine  Menge  fremder  Kom- 
positionen in  Partitigr  copierte.  B.  hat  nicht  nur  für  alle  hohe  Feier- 
und Festtage  der  evangel.  Kirche  eigene  grosse  Werke,  sondern  nach 
u.  nach  für  jeden  Sonntag  des  Kirchenjahres  eine  der  Bedeutung  des- 
selben entsprechende  geistliche  Musik  geschaffen;  auf  diese  Weise 
entstanden  die  Kantaten  u.  Vorbereitungen  zur  Predigt,  5  yollstän- 
dige  Jahrgänge,  etwa  380  Nummern,  von  denen  ein  grosser  Teil 
leider  verloren  gegangen  ist.  Seine  Werke  überhaupt  bestehen  aus 
Oratorien,  Passionsmusiken,  Kantaten  (geistlichen  u.  weltlichen),  Mo- 
tetten u  Messen,  Klavierstücken  u.  Instrumentalwerken  von  seltenster 
Art  u.  Ausdehnung,  Orgelkompositionen,  Konzerten  und  Phantasien; 
vor  allem  ragt  hervor  ein  reicher  Schatz  der  herrlichsten  Präludien 
u  Fugen. 

Seine  Zeit  brachte  ihm  wenig  Verständnis  entgegen,  obwohl  es  ihm 
an  Auszeichnungen  u.  Anerkennung  nicht  fehlte;  erst  die  neuere  Zeit 
würdigt  seine  Verdienste  angemessener.  Vor  etwa  16  Jahren  hat  sich 
zu  Leipzig  eine  „Bachgesellschaft**  gebildet,  die  es  sich  zur  Aufgabe 
stellte,  seine  Werke  in  möglichster  Vollständigkeit  u  Korrektheit 
herauszugeben;  bis  jetzt  sind  12  Bände  in  prachtvoller  Ausstattung 
erschienen,  —  Wie  B.  als  Lehrer  u.  Virtuos  auf  dem  Klavier  sich  zum 
eigentlichen  Schöpfer  der  neueren  Kunst  des  Klavierspieles  gemacht 
u.  eine  Klavier-  u.  Organistenschule  gegründet,  wie  er  in  seinen 
Instramentalkompositionen  eine  neue  u.  glänzende  Laufbahn  beschritten 
hatte,  so  künden  auch  die  für  die  Kirche  geschriebenen  Werke  seinen 
eigentümlichen  Charakter,  den  gläubigen  Protestiuiten  an,  sie  sind  der 


23  Bai  —  Baini. 

klare  Ausdruck  seines  tiefumerlicli  religiösen  Lebens.  Marx  bemerkt 
noch,  dass  die  tüchtigen  Leistungen  der  bisherigen  Theorie,  Harmonik 
u.  Kontrapunkt  sich  auf  seine  Lehre  u,  sein  Beispiel  gründen  u.  er 
steht  nicht  an,  ihn  den  Begründer  u.  Vater  der  deutschen  Tonkunst 
zu  nennen« 

Von  seinen  Schülern  haben  fast  alle  zu  ihrer  Zeit  eine  grosse 
Berühmtheit  erlangt,  aber  nur  wenige  auch  für  unsere  Zeit  Bedeutung 
behalten;  von  diesen  sind  vorzugsweise  zu  nennen:  sein  Sohn  Ph.  E  m  a- 
n  u  e  1  B  a  c  h  (geb.  d.  14.  März  1714,  f  d.  14,  Sept.  1788  als  Musik- 
direktor in  Hamburg),  einer  der  Hauptbegrttnder  der  „galanten  Schreib- 
art," u.  L  PL  Kirnberger,  dessen  „Kunst  des  reinen  Schatzes*' 
noch  jetzt  Geltung  hat.  —  27  Jahre  lang  wirkte  B.  als  Kantor  an  der 
Thomasschule  zu  Leipzig,  f  am  28.  Juli  1750,  nachdem  er  die  sechs 
vorhergehenden  Monate  schwere  Leiden,  zuletzt  noch  Blindheit  er- 
duldet hatte. 

Weitläufigen  Aufschfuss  über  das  Leben  und  Wirken  dieses  grossen 
Meisters  giebt  dessen  Biographie  von  Forkel,  insbesondere  C.  L. 
Hilgenfeldt*s  „  Joh,  Seb.  Bach's  Leben,  Wirken  u.  Werke  "  (Leip- 
zig, 1850),  u.  C.  H,  Bitteres  „Job.  Seb.  Bach**  (2  Bde.,  Berlin,  1865). 

Bai,  T  0  m  a  s  0 ,  geb.  zu  Crevalcore  bei  Bologna  um  1650,  kam 
als  Tenorist  an  die  vatikanische  Hauptkirche,  zeichnete  sich  jedoch 
durch  vollendete  Bildung  in  der  Komposition  u.  Direktion  vor  allen 
Mitgliedern  dieser  Kapelle  derart  aus,  dass  er  am  19.  Nov.  1713  zum 
Kapellmeister  an  der  Peterskirche  erhoben  wurde.  Berühmt  wurde  er 
durch  sein  ,J^erere,**  das  abwechsehid  mit  dem  von  Allegri  am  Char- 
freitag  in  der  sixtinischen  Kapelle  aufgefQhrt  wird.  Dieses  Miserere 
ist  zweichörig;  Einfachheit  und  Erhabenheit  der  Melodie,  Beachtung 
der  Prosodie  u.  richtige  Accentuierung  der  Worte  zeichnen  diese 
Komposition  aus,  so  dass  durch  diese  Schöpfang  allein  der  Buhm  des 
Meisters  für  immer  gesichert  ist,  obgleich  aus  verschiedenen  andern 
—  nur  in  Handschrift  erhaltenen  —  Kompositionen  die  hohe  Gediegen- 
heit seiner  in  alle  Geheimnisse  der  alten  Schule  eingeweihten  Kunst 
hervorleuchtet.    +  d.  22.  Dez.  1714. 

Baini,  Abbate,  Guiseppe,  geb.  21.  Okt.  1775  zu  Bom,  f  da- 
selbst 21.  Mai  1844,  trat  1795  als  Sänger  in  die  päpstliche  Kapelle» 
1818  ward  er  Kp  -M.  derselben,  welches  Amt  er  bis  zu  seinem  Tode 
inne  hatte.  Er  war  der  vorzüglichste  Palestrinakenner  und  hatte  sich 
die  reichhaltigste  Bibliothek  von  den  Werken  dieses  Grossmeisters 
kirchlicher  Tonkunst  gesammelt.  Seinen  Styl  hatte  er  vorzüglich 
studiert  u.  sich  zu  eigen  gemacht,  weshalb  er  besonders  die  neuere. 
Kompositionsweise  gering  schätzte.  Seine  eigenen  Kompositionen,  deren 
nicht  viele  sind,  bewegen  sieh  im  Style  Palestrina's,  doch  ohne  An* 
Wendung  der  Kunstmittel,  welche  dieser  Meister  so  trefflich  zu  ver- 
werten wmi9t^f    Sin  8stun«  Miaerere  von  itan  ward  für  die  Sixtinische 


Balbo  —  Baptista.  23 

Kapelle  aufgenommen.  Sein  Hauptwerk  sind  die  „Memorie  storico- 
criticlie  della  vitä  e  delle  opere  di  Giovanni  Pierluigi  da  Palestrina'^ 
(Born  1828,  deutsch  bearbeitet  von  Kandier,  Wien  1834),  bis  jetzt  die 
aUseitigste  u.  möglichst  vollständige  Darstellung  von  P.'s  Leben  u. 
Wirken  u.  Charakteristik  seiner  Werke.  So  verdienstlich  u.  ruhmvoll 
diese  Arbeit  für  den  Autor  im  allgemeinen  ist,  so  leidet  sie  doch  in 
gar  manchen  nicht  unwichtigen  Punkten  an  Unzuverlässigkeit  u.  irrigen 
Angaben.  Baini  bearbeitete  femer  eine  „Geschichte  der  päpstlichen 
Kapelle/*  welche  unvollendet  blieb.  Die  Proske'sche  Bibliothek  in 
Begensburg  besitzt  eine  aus  dem  Original  gefertigte  Abschrift  seines 
för  das  Studium  höchst  wichtige  Werk:  „Tentamen  renovationis  Musicae 
harmonicae  syllabico-rhythmicae  super  cantu  Gregoriano  saec.  YII. 
in  Ecclesia  pervulgatae.  Friedr.  Guilelmo  III.  potentiss.  et  sapientiss, 
Boruss.  Begi  Job.  Baini,**  mit  dem  Appendix.  Noch  wird  eine  scharfe 
Kritik  über  eine  preisgekrönte  vierchörige  Motette  von  Santucci  genannt. 

Balbo,  Ludovico,  aus  Venedig,  Franziskanermönch,  Schüler  u. 
Nachahmer  des  Cost.  Porta,  blühte  als  Kirchenkomponist  u.  Kontra- 
punktist in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.,  +  zu  Venedig  um  1606. 
"^  ballabeiie,  Gregorio,  geb.  zu  Bom  1720,  f  daselbst  um  1803, 
war  einer  der  grössten  K«-Komponisten  u.  Kontrapunktisten  des  vorigen 
Jhdts.  Er  war  schon  50  Jahre  alt  u.  hatte  die  vortrefflichsten  Kirchen- 
sachen (meistens  a  capella)  komponiert,  ohne  dass  jemand  ausser  seiner 
nächsten  Umgebung  von  seinem  künstlerischen  Wirken  etwas  wusste, 
bis  er  sich  fligte,  dass  Job,  Fr.  Beichardt,  hingewiesen  durch  B.'s 
48stimmige  Messe,  der  Welt  nähere  Kunde  über  diesen  bescheidenen 
u.  grossen  Künstler  gab.  Er  war  fast  der  einzige  Komponist  in  Italien, 
der  zu  jener  Zeit,  neben  Sala  in  Neapel,  noch  im  alten  ächten  KStyl 
a  capella  zu  arbeiten  vermochte, 

Banchieri,  P.  Adriane,  geb.  zu  Bologna  1567,  t  1634,  Camal- 
dulensermönch,  zuletzt  Abt,  war  gerühmter  Organist,  gelehrter  Ton- 
künstler u.  fruchtbarer  Komponist.  Ein  unvoDständiges  Verzeichnis 
seiner  Werke  findet  sich  in  „F6tis,  Biographie  generale  de  la  musique.** 

BanniiB,  Joh.  Albert,  kathoL  Priester  zu  Harlem,  musikalischer 
Schriftsteller  des  17.  Jhdts.,  dessen  grösseres  Werk:  „Deliciae  Musicae 
veteris**  för  den  musikaK  Geschichtsforscher  von  Wichtigkeit  ist; 
ausserdem  erschien  von  ihm  noch:  „Dissertatio  epistolica  de  musicae 
natura,  origine,  progressu  et  denique  studio  bene  instituendo  etc.** 
Harlem  1636  (zweite  Auflage  1637.) 

Banwart,  Jacob,  geb.  in  Schweden,  lebte  in  der  zweiten  Hälfte 
des  17.  Jhdts.,  schrieb  gediegene  KKompositionen  u,  starb  als  Dom-K.-M. 
zu  Konstanz  kurz  vor  1657. 

Baptista,  Francesco,  Augustinermönch  u.  Musikmeister  in 
seinem  Kloster  zu  Cordova,  geb.  um  1625,  wird  als  einer  der  vortreff- 
lichsten u.  gründlichsten  Komponisten  seiner  Zeit  gerühmt 


24  Barbireau  —  Baumgartner. 

Barbireaa,  J  a  q  u  e  s ,  ein  sehr  bedeutender  u.  hochgeachteter 
niederländischer  Kontrapunktist,  von  1448  an  bis  zu  seinem  Tode, 
8«  Aug.  1491,  Musikmeister  u.  Lehrer  der  Chorknaben  an  der  Kirche 
Notredame  zu  Antwerpen.  Die  kais.  Bibliothek  in  Wien  besitzt  mehrere 
seinei  Werke  in  Mskr, 

Barrö,  Leonhard,  Schüler  Willaerts  u.  Kontrapunktist  des  16. 
Jhdts.,  geb.  zu  Limoges,  begab  sich  nach  Born  u.  wurde  1537  in  die 
päpstl.  Kapelle  aufgenommen.  Er  war  mit  auf  dem  Konzil  in  Trient, 
wo  er  in  Sachen  der  KMusik  zu  Bäte  gezogen  wurde.  Motetten, 
Messen  u.  Madrigalen  von  ihm,  teils  in  Sammlungen  des  16.  Jhdts. 
eingereiht,  teils  in  den  Archiven  der  päpstl.  Kapelle  aufbewahrt,  zeigen 
von  seiner  Thätigkeit. 

Bartholuzius,  Bufinus,  ein  Franziskanermönch,  gehört  unter 
die  ältesten  Kontrapunktisten.  Er  stand  in  Bologna,  Padua  u.  Venedig 
als  Komponist  in  hohem  Ansehen  u.  soll  der  Erste  gewesen  sein,  der 
far  zwei  abgesonderte  Chöre  zugleich  setzte.  Seine  Blütezeit  wird  in*8 
16.  Jhdt.  zu  setzen  sein. 

Bartolini,  Simon,  genannt  B.  Perugino,  Sänger  in  der  päpstl. 
Kapelle  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts.,  galt  für  einen  der  grössten  Ton- 
künstler seiner  Zeit  in  Bom.  1545  war  er  auch  zum  Konzil  nach  Trient 
geschickt  worden. 

Baailius,  der  Grosse,  Bischof  von  Cäsarea,  erwarb  sich  grosse 
Verdienste  um  die  KMusik  durch  die  Beförderung  des  Kirchengesanges 
im  Oriente.    Er  war  geb.  329  u.  f  d.  1.  Jan.  379. 

Battistini,  Giacomo,  ital.  K-Komponist  zu  Ende  des  17.  u. 
Anfang  des  18.  Jhdts.,  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Novara.  (Motetti 
sacri  1698;  Armonie  sagre  1700.) 

Battlog,  Franz  Joseph,  geb.  1836  zu  Bartholomäberg  iu 
Vorarlberg,  Priester  1866,  War  zuerst  Frühmessbenefiziat  in  Gkwchum, 
wo  er  15  Jahre  verblieb,  richtete  daselbst  eine  vortreffliche  Gesang- 
schule ein  u.  förderte  den  Kirchenchor  dieses  Dorfes  bald  so  weit,  dass 
er  Werke  der  alten  Meister  zu  einer  guten  Aufführung  bringen  konnte. 
Ausserdem  wirkte  er  durch  seine  Zeitschrift  „Der  Kirchenchor"  (seit  1870), 
sowie  durch  seine  Schriften  „Die'  liturg.  Gebete  beim  Hochamte*^ 
(1875,  Begenburg,  Fr.  Pustet),  „Liturgischer  Katechismus"  (Graz  1879) 
u.  viele  Artikel,  Biographien  u.  s.  w.  in  verschiedenen  Zeitschriften  für 
die  Beform  der  Kirchenmusik,  welche  Thätigkeit  er  auch  als  Expositus 
in  Gurtis  (Vorarlberg)  fortsetzt. 

Baiieri  C  h  r  y  s  o  s  t.,  ein  geschickter  Orgelbauer  aus  Württemberg 
zu  Anfang  des  vor.  Jhdts,  war  der  Erste,  der'  bei  grösseren  Orgel- 
werken die  nötige  Quantität  Wind  nicht  durch  die  Zahl  der  Bälge, 
sondern  durch  die  vermehrte  Grösse  derselben  zu  erreichen  suchte. 

Baumgartner,  August,  geb.  d.  9. Nov.  1814  zu  München,  f  d. 
29«  Sept.  1861,  war  ein  Schüler  Ett^s  u.  längere  Zeit  Musiklehrer  a. 


iw-^    ^ 


Baeumker  —  Becher«.  -     25 

Organist,  zuletzt  (seit  1853)  Ohordirigent  an  der  St.  Annakirche  daselbst. 
Er  schrieb  Mehreres  für  die  Kirche,  Yesperpsalmen,  Messen,  Bequiem's, 
^nch  weltliche  Kompositionen,  u.  ist  noch  bemerkenswert  als  Erfinder 
der  musikalischen  Stenographie.  Eine  Anleitung  hierzu 
veröffentlichte  er  unter  dem  Titel:  „Kurzgefasste  Anleitung  zur  musikal. 
Stenographie.  München  1853.**  Ein  zweiter  Teil,  welcher  die  An- 
^vrendung  der  Stenographie  auf  den  mehrstimmigen  Musiksatz  lehren 
rsollte,  kam  nicht  mehr  zur  Herausgabe.  1856  edierte  er  „Geschichte 
•der  musikalischen  Notation." 

Baeumker,  Dr.  Wilhelm,  geb.  25.  Okt.  1842  zu  Elberfeld 
frequentierte  nach  Vollendung  sfeiner  Gymnasialstudien  die  Akademie 
in  Münster  u.  die  Universität  Bonn,  ward  1.  Sept.  1867  in  Köln  zum 
Priester  geweiht;  1869  erhielt  er  die  Kaplaneistelle  in  Niederkrüchten 
(Kr.  Erkelenz)  u.  ist  jetzt  Pfarrer  in  E-urich.  In  Niederkrüchten  traf 
«er  als  Pastor  den  als  Litterarhistoriker  bekannten  Dr.  Lindemann 
(f  20.  Dez.  1879),  dessen  leuchtendes  Beispiel  ihn  anspornte,  in  seinen 
Mussestunden  litterarisch  thätig  zu  sein,  namentlich  auf  dem  Gebiete 
-der  mittelalterlichen  Musik  u.  Hymnologie.  Bisher  veröffentlichte  er 
an  musiklitterar.  Werken:  „Palestrina"  (Freibg.  i.  Br.  1877);  „Orlandus 
4e  Lassus"  (ebenda  1878);  „Zur  Geschichte  der  Tonkunst  in  Deutsch- 
land" (das.  1881);  Namen-  u.  Sachregister  zur  fUnfbändigen  Musik- 
^gesohichte  v.  A.  W.  Ambros  (Leipzig,  1882) ;  „Das  kathol.  Kirchenlied** 
3  Bde.  (Fieibg.  i.  Br.  1883,  1886,  1891);  „Niederländische  geistl.  Lieder 
mit  ihren  Singweisen**  (Leipzig  1888).  Ausserdem  ist  er  Mitarbeiter 
^an  der  „Allgem.  deutschen  Biographie,**  am  „Kirchenlexikon  von  Wetzer 
Tl.  Weite**  u.  vielen  Zeitschriften.  1884  verlieh  ihm  S.  M.  König  Albert 
V.  Sachsen  das  Eitterkreuz  des  Albrechtsordens;  im  Januar  1890  die 
Universität  Breslau  den  Titel  „Doctor  theolog.*' 

Becher,  Joseph,  geb.  den  1.  Aug.  1821  zu  Neukirchen  bei  hl. 
Blut  in  Niederbayem,  fand  durch  sein  hervorragendes  Talent  zur  Musik, 
das  sein  Vater  nach  Kräften  auszubilden  bemüht  war,  Aufnahme  in 
das  k.  Musik-  u.  Studienseminar  St.  Emmeran  in  Regensburg.  Hier 
leistete  er  als  Sänger,  Organist,  Violinspieler  u.  s.  w.  vortreffliche 
Dienste.  Als  Gymnasiast  machte  er  schon  anerkennenswerte  Versuche 
in  der  Komposition.  1846  erhielt  er  die  Priesterweihe,  wirkte  dann  als 
Seelsorger  u.  bald  als  Seminarspräfekt  in  Amberg,  bis  er  1852  durch 
die  Beförderung  zum  Chon*egenten  daselbst  den  seinen  Kenntnissen  in 
der  theoretischen  u.  praktischen  Musik  angemessenen  Platz  erhielt;  als 
solcher  wirkte  er  seitdem  sehr  vorteilhaft  auf  die  musikal.  Zustände 
Ambergs  ein.  Er  starb  als  Pfarrer  u.  Dekan  zu  Mintraching  bei 
Regensburg  am  23.  Sept.  1888.  Ausser  mehreren  weltlichen  Kompo- 
sitionen schrieb  er  12  grössere  u.  50  kleinere  Messen,  24  grössere  u. 
13  kleinere  Litaneien,  21  Requiem,  5  Vokal-  u,  3  figurierte  Vespern» 
80  Gradualien  u.  Offertorien  für  Gesang  all^iai  20  solche  mit  Instr«- 
Begleitung,  Hymnen,  Te  D^^m  laudamus  u.  a  m. 


>  1 


26  Beck  —  Beethoven. 

Beck,  P.  L  u  1 1  u  s ,  ein  Benediktiner  tu  Chordirektor  am  Dom  zu 
Fulda«  yorzttglicher  Organist  u.  gründlicher  EKomponist,  geb.  5.  Juni 
1715  zn  Oxfart,  bildete  sich  selbst  grösstenteils  nach  guten  Mustern  u. 
unterstützt  von  den  besten  Lehrbüchern,  zu  dem  umsichtigsten^  tiefsten 
Kenner  der  Harmonie.  Kompositionen  von  ihm  sieht  man  selten;  aber 
in  den  Chpralbüchem  zu  Fulda  hat  er  als  der  Erst^  eine  Gbneralbasa- 
begleitung  beigesetzt.    +  1793. 

Becker,  C.  Ferd.,  geb.  17.  Juli  1804  in  Leipzig,  war  Organist 
an  der  Peterskirche  daselbst,  berühmt  als  gelehrter  Schriftsteller,  durch 
Herausgabe  älterer  Kirchenmusik  u.  als  Orgelkomponist,  privatisierte  von 
1856  bis  zu  seinem  Tode,  26.  Okt.  1877,  in  Plagwitz»  Von  seinen  Schriften 
seien  genannt:  „Systematisch - chronolog. .  Darstellung  der  musikaL 
Litteratur,"  Leipzig,  1836,  1839.  „Die  Tonwerke  des  16.  u.  17.  Jhdts., 
od.  systemat.-chronologische  Zusammenstellung  der  in  diesem  Jhdt* 
gedruckten  Musikalien.  Leipzig,  1847,"  —  „Die  Tonkünstler  des 
1*9.  Jhdts.  Leipzig,  1849"  u.  a.  Er  war  einer  der  bedeutendsten  Orgel- 
spieler Deutschlands. 

Bedos  de-  Celles,  Jean  Frangois,  geb.  1714 zu  Chaux,  Bene- 
diktinermönch zu  Toulouse,  einer  der  gelehrtesten  u.  kunstfertigsten 
Orgelbaumeister,  die  es  vielleicht  gegeben.  Auch  als  Schriftsteller  ist 
er  aufgetreten,  u.  sein  Hauptwerk  „L'art  du  facteur  d'Orgues''  ist  das 
Schätzbarste  u.  Ausführlichste,  was  über  die  Orgelbaukunst  geschrieben 
worden  ist.    f  25.  Nov.  1779. 

Beethoven,  Louis  van,  geb.  d.  17.  Dez.  1770  zu  Bonn,. wo  sein 
Vater  churfürstl.  Hofsänger  war,  erhielt  seit  seinem  5.  Jahre  an  von 
diesem  einen  strengen  Musikunterricht;  seine  Erziehung  war  aber  der 
Art,  dass  durch  sie  der  später  so  sehr  hervortretende  Keim  der  Un- 
geselligkeit  u.  MisaQthropie  gelegt  wurde,  welche  an  so  vielen  Stellen 
seiner  Werke  einen  düsteren  Charakter  eingetragen  u.  den  Meister  in 
dunkielf^rbigen  Lichtem  u.  in  der  Zeichnung  unheimlich  leidenschaft- 
licher Stimmungen  sich  abquälen  Hessen.  Im  Alter  von  12  Jahren  setzte 
er  alles  durch  sein  Klavierspiel  u.  sein  freies  Fantasieren  in  Erstaunen. 
1792  schickte  ihn  der  Kurfürst  von  Köln  nach  Wien,  um  unter  der 
Leitung  Jos.  Haydn's  seine  Studien  zu  vollenden.  Ein  Huf  als  Kapell- 
meister des  Königs  von  Westphalen  erging  an  ihn  1809,  er  lehnte  ihn 
jedoch  ab  u.  verblieb  in  Wien,  vielmehr  in  der  Nähe  Wiens,  im  Dorfe 
Mödling  in  trüber  Einsamkeit  und  Zurttckgezogenheit.  Hier  schuf  er 
seine  grossen,  unerreichten  Instrumentalwerke.  Die  letzten  15  Jahre 
seines  Lebens,  dem  am  26.  März  1827  der  Tod  ein  Ziel  setzte,  musste. 
er  eines  der  grössten  Leiden,  die  einen  Musiker  treffen  können,  die 
Taubheit,  ertragen. 

Seine  Instrumentalwerke  kommen  hier  nicht  in  Betracht;  hier  ist 
nur  von  seinen  Kirchenkompositionen  die  Bede.  Nehmen  seine  Gtesangs- 
kompogitioiieQ  im  Allgemeinen  schon  eiuQ  zweite  SteUe  im  Vergleich  zu 


Beethoven.  27 

seinen  Instnuuentalwerken  ein,  indem  die  orchestralen  Mittel  zu  oft 
den  Qesang  überwuchern  u.  die  Singstinunen  auch  eine  instrumentale 
Behandlung  nicht  yerkennen  lassen,  so  muss  ein  geradezu  ungünstiges 
Urteil  über  seine  Kirchenwerke  gesprochen  werden. 

Zwei  Messen  entsprangen  seinem  schöpferischen  Genius  —  die  erste 
in  C,  op.  86,  1810  für  den  Fürsten  Esterhazy,  die  zweite  in  D,*  op.  123, 
für  den  Kardinal  Budolph  1819  komponiert.  Im  Allgemeinen  hatte  B^ 
Neigung  zur  Kirchenmusik,^  aber  wohl  nur  zur  KMusik,  wie  er  sie  auf» 
fasste  u.  sich  vorstellte.  Er  komponierte  sie  ganz  subjektiv  u.  so  von 
allen  äusseren  Rücksichten  unabhängig,  wie  kaum  ein  neuerer  Ton- 
setzer auf  diesem  Felde  vorgegangen;  nur  seine  Stimmung  gab  er,  die 
Stimme  der  Kirche  war  für  ihn  nicht  im  Geringsten  massgebend,  u. 
auch  die  durch  die  Messliturgie  vorgeschriebenen  Grenzen  (man  seh& 
die  ungebührliche  Länge  z.  B.  des  Gloria,  Credo,  Agnus  in  seiner 
D-Messe)  bestanden  fär  ihn  nicht;  er  liess  sich  nur  von  dem  Strome 
seiner  eigenen  Empfindungen  forttragen,  so  dass  seine  Messen  nicht  als^^ 
Werke  für  die  Kirche,  sondern  als  meisterhafte  Schöpfungen  für  geist- 
liche Konzerte  sich  darstellen.  Dahin  laufen  auch  die  Urteile  der 
gewichtigsten  Autoritäten  hinaus«  Schindler,  der  gewissenhafte  u.  innig 
befreundete  Biograph  Beethovens,  schreibt:  „Mit  ziemlicher  Gewissfeeit 
kann  gesagt  werden,  dass  seine  religiöse  Anschauung  weniger  auf  einem 
religiösen  Kirchenglauben  beruht,  als  vielmehr  im  Deismus  seine  Quelle 
hat.**  Bei  solcher  religiöser  Eichtung  war  B.  an  u.  für  sich  unfähig, 
kirchliche  Musik  für  den  kathol.  Gottesdienst  zu  schreiben.  Die 
einzelnen  Teile  seiner  Messen  sind  religiöse  Kantaten,  die  mit  jedem 
andern  etwas  religiösen  Texte  für  sich  allein  gerade  so  gut  gesungen 
werden  können.  Der  pantheistische  Musikgelehrte  Ludw.  Nohl  sagt: 
„Dieses  Werk  (II.  Messe)  hat  in  seinem  eigentlichen  Geiste  mit  der 
Kirche  nur  das  gemein,  was  wir  den  Inhalt  und  Ursprung  aller  Beligion 
nannten,  die  tiefe  u.  volle  Hingebung  der  Seele  an  die  Gottheit,  das 
Heimweh  der  Seele  nach  ihrem  UrqueD.  —  Es  ist  von  den  unter- 
liegenden Worten  so  unabhängig,  dass  der  Komponist  selbst  der  Musik 
ebenso  einen  andern  deutschen  Text  unterlegen  lassen  wollte,  wie  der 
ersten  Messe,  Er  hat  ganz  gewiss  die  Worte  nur  beibehalten,  weil  ohne 
Worte  nicht  gesungen  werden  kann.  Sein  Werk  ist  Instrumentalmusik; 
es  hat  keinen  bestimmten  Wortsinn;  keinerlei  bestimmte  Vorstellung 
liegt  zu  Grunde."  Marx  in  seiner  Biographie  bemerkt:  „B.  fehlte  für 
die  erste  Messe  nicht  blos  der  konfessionelle  Anschluss  an  ihren  Inhalt 
u.  Zweck,  sondern  auch  das  Einheimisch-Sein  in  der  Chorkomposition  . . . « 
Kicht  eigene  Gläubigkeit  u.  nicht  Hingebung  an  den  Kirchendienst^ 
sondern  ganz  freie  schöpferische  Fantasie  konnte  einzig  Beethovens 
zweite  Messe  hervorbringen.  Damit  war  aber  entschieden,  dass  nicht 
der  Glaube  u.  Sinn  der  Kirche  u.  des  Kirchenwortes,  noch  weniger  ihre 
äusserlichen  Bedingnisse  für  die  Komposition  bestimmend  wurden," 


"28  Beldemandis  —  Beliozay, 

B.'s  Werke  ftlr  die  Kirche  sind  keine  kirchliche  Musik,  es  ist  in 
ihnen  zu  viel  wogende  Leidenschaft,  sie  stehen  mit  seinen  weltlichen 
Kompositionen  in  mehr  als  einer  Beziehung  auf  einer  Stufe.  Kirchen- 
musik zu  schreihen,  war  aher  auch  nicht  sein  Beruf.  Traurig  ist  es^ 
nur,  dass  der  unerreichte  Tonmeister  auf  weltlichem  öehiete  von  einer 
folgenden  Epoche  zum  Schöpfer  u.  Ausgangspunkt  einer  neuen,  aber 
desto  unkirchlicheren  Kirchenmusik  gemacht  wurde.  Zumal  seit  B.  ward 
der  Kirchenstyl  aus  seinen  alten  Formen  gänzlich  herausgerissen,  man 
verlor  die  Einsicht  in  die  zu  lösende  Aufgabe  vollends;  der  weltliche 
Styl  ward  der  Kirche  aufgedränert,  u.  berufen  od,  unberufen,  religiös 
od.  irrereligiös  glaubte  jeder  mit  dem  weltlichen  Styl  Vertraute  auch 
Kirchenmusik  schreiben  zu  können.  —  Biographien  dieses  Meisters  sind 
vorhanden  von  Schindler,  Marx,  Nohl,  Oulibischef;  die  gründlichste 
lieferte  A.  W.  Thayer  (deutsch  von  H.  Deiters). 

Beldemandis,  auch  Beldomandls  Prosdocimus  de,  um  1422  Prof. 
der  Philosophie  zu  Padua,  war  ein  berühmter  musikaL  Schriftsteller. 
Von  seinen  musikal.  Schriften  veröffentlichte  Conssemaker  fünf  im 
m.  Bande  seiner  „Scriptores." 

Belem,  Antonio  de,  geb.  um  16Q0  zu  Evora  in  Portugal,  gest 
tun  1700  im  Hieronymitanerkloster  zu  Belem,  wird  von  den  Portugiesen 
zu  ihren  berühmtesten  Komponisten  aus  dem  17.  Jhdt.  gezählt;  er  war 
erst  Chorvikar,  dann  Kapellmeister  u.  zuletzt  Prior  seines  Klosters. 

Beliczay,  Julius  v.,  geb.  10.  Aug.  1835  zu  Komom  in  Ungarn, 
widmete  sich  nach  absolvierten  Gymnasialstudien  dem  Ingenieurfache, 
nach  einigen  Jahren  aber  verliess  er  dasselbe,  um  ganz  der  Musik  zu 
leben.  Frühzeitig  im  Klavierspiel  wohl  unterrichtet,  zeigte  er  auch 
Talent  zur  Komposition;  weitere  Ausbildung  in  Theorie  u.  Praxis  ge- 
wann er  in  Wien,  besonders  durch  Hoffinann,  Krenn,  Notebohm  u. 

A.  Halm,  wo  er  dann  auch  als  Pianist,  Komponist,  musikaL  Schrift- 
steller u.  Lehrer  für  Harmonie,  Kontrapunkt  u.  Komposition  20  Jahre 
(1851—71)  thätig  war.    1871  siedelte  er  nach  Budapest  über,   wo  sein 

-  Talent  durch  Fr.  Liszt  thatkräftige  Förderung  fand.  Seit  1888  fangiert 
er  als  Professor  der  Kompositionslehre  an  der  k.  ung.  Landesmusik- 
Akademie.  Neben  zahlreichen  weltlichen  Kompositionen  (Sinfonien, 
Streichquartetten,  Klavierstücken,  Sonaten,  Serenaden,  Liedern)  pflegt 

B.  jetzt  mit  Vorliebe  die  kirchliche  Musik  (Ave  Maria,  mehrere  Offer- 
torien,  eine  Messe  in  F,  welche  besondere  Anerkennung  fand,  marian. 
Antiphonen,  aUes  mit  Orchesterbegleitung  u.  s.  w.).  Auch  ist  B.  vom 
Kaiser  von  Österreich  u.  dem  Könige  Georg  von  Hannover  durch  goldene 
Medaillen  geehrt  worden.  Gegenwärtig  bearbeitet  er  ein  theoret.- 
praktisches  Lehrbuch  der  Musik  u,  Komposition,  dessen  I.  Band 
(Elemente  der  Musik)  in  ungarischer  Sj^rache  bereits  im  Verlag  der 
Eggenberger'schen  Buchhandlung  in  Budapest  erschienen  ist 


Bellermann  —  Beltjens.  29^ 

Bellermann,  J61u  Friedrich,  Dr.  theol.  et  phiL,  geb.  zu 
Erfurt  am  8.  Mftrz  1795,  gest  d.  5.  Febr.  1874  als  pens.  Direktor  des 
Gymnasiums  zum  grauen  Kloster  in  Berlin,  beschäftigte  sich  viel  mit. 
der  Musik  der  alten  Griechen  u.  edierte  mehrere  Schriften  hierüber;  so 
„die  H3rmnen  des  Dionysius  u.  Mesomedes.  Text  u*  Melodien  nach 
Handschriften  u.  den  alten  Ausgaben  bearbeitet**  (Berlin  1840);  „die: 
Tonleitern  u.  die  Musiknoten  der  alten  Griechen"  (Berlin  1847.) 
„Anonymi  Scriptio  de  Musica.**  Berlin  1841  (letzteres  von  vorzügl. 
Bedeutung.)  Sein  Sohn  Heinrichs.,  geb.  zu  Berlin  am  10.  März  1832,  ^ 
trat  in  die  Fusstapfen  des  Vaters  u.  richtete  seine  Forschungen  auf  die 
mittelalterliche  Musik.  Die  Besultate  seiner  Studien  veröffentlichte  er 
in  dem  verdienstlichen  Werke:  „Die  Mensuralnoten  u.  Taktzeichen  des 
15.  u.  16.  Jhdts.**  (Berlin  1858)  u.  in  der  in  Chrysanders  „Jahrbüchern** 
erschienenen  „Erklärung  des  Diffinitorinm  Tinctöris.**  Dann  gab  er 
eine  Überarbeitung  u.  Erweiterung  des  Gradus  ad  Pamassum  von  Fux 
unter  dem  Titel:  „Der  Kontrapunkt  od.  Anleitung  zur  Stimmführung  in 
der  musikal.  Komposition.  Berlin  1862.**  heraus.  Vorerst  als  k.  Gesang- 
lehrer in  Berlin  angestellt,  führt  er  seit  1861  den  Titel  eines  k.  Musik- 
direktors u.  trat  1866  als  Professor  der  Musik  an  B.  Marx'  Stelle. 
Seine  Kompositionen  bestehen  in  Oratorien,  Psalmen,  Motetten  u.  a.  m. 

Beltjens,  Mathias  Joseph  Hubert,  geb.  14.  Nov.  1820  zu 
Boermond  (holländ.  Provinz  Limburg^  pflegte  schon  frühzeitig  Musik 
u.  leistete  besonders  vieles  als  Klarinettspieler.  1836  kam  er  in's 
Konservatorium  für  Musik  in  Lüttich  u.  studierte  dort  Harmonie). 
Kontrapunkt  u.  Fuge  unter  Leitung  des  Direktors  Daussoigne-Hehul. 
1839  trat  er  in's  Konservatorium  zu  Brüssel  über  u.  machte  den  näm- 
Hchen  Studienkursus  unter  F.  J.  Fetis  durch  u.  errang  sich  einen  Preis 
aus  der  Komposition.  1840  nach  Boermonde  zurückgekehrt,  ward  er 
1845  zum  Professor  für  Piano  u.  Gesang  am  Gymnasium  zu  Katwyk 
am  Bhein  ernannt,  wo  er  auch  als  Organist  fdngierte  u.  mit  allen 
Orchesterinstrumenten  sich  bekannt  machte.  Im  Jahre  1853  in  seiner 
Vaterstadt  zum  Direktor  der  kgl.  Harmonie  ernannt,  übernahm  er  zu- 
gleich die  Leitung  des  Orchesters,  der  Liedertafel  u.  einer  Musikschule. 
Bis  zu  dieser  Zeit  edierte  er  viele  weltliche  Kompositionen,  doch  auch 
einige  kirchliche,  welche  zWar  noch  die  moderne  Bichtung  einhaltend, 
doch  im  allgemeinen  höher  standen,  da  B.  schon  ahnte,  däss  dies  der 
richtige  Kirchenstyl  nicht  sein  könne  Seit  1857  befindet  sich  B.  in 
Botterdam  als  Musikdirektor  u.  Chorregent  an  der  St.  Antoniuskirche. 
Seitdem  verschaffte  er  sich  eine  tiefere  Einsicht  der  wahren  Kirchen- 
mnsik  durch  Lesen  der  kirchenmusikalischen  Zeitschriften  von  Oberhoffer 
XL  Witt  u.  durch  Stadium  des  Chorals  u.  der  alten  Tonmeister.  Mit 
^seinem  Op.  117  beginnen  seine  besseren  Kirchenkompositionen,  welche^ 
bereits  bis  zu  op.  142  angelangt,  seinem  Namen  einen  sehr  guten  Klang 
in  der  kirchenmusikalischen  Welt  gewonnen  haben.    Er  bemühte  sich 


30  Bendenelli  —  Benz. 

^uch  viel  um  den  holländ.  St.  Gregorinsyereiu  u«  gründete  einen  solchen 
für  die  Diözese  Rotterdam  nebst  einer  Eirchenmusikschula  für  Chor- 
Jmaben.  Seine  veröffentlichten  Eirchenkomppsitionen  bestehen  in  Offer« 
torien,  Messen  (Missa  toni  phrygii,  Missa  in  h.  S.  Josephi  für  Alt, 
Tenor  u.  2  Bässe,  Missa  III.  p.  defimct.  für  Tenor,  Bass  u.  Orgel» 
Missa  IV.  f.  Biskant,  Alt  u.  Orgel,  Missa  V.  in  h.  S.  Lndovici  f.  ge- 
.mischte  Stimmen),  Motetten  (Exultate  Domino,  XVlll  Cant.  sacrae  ad 
4  voc.  inaeg.;  Oantemns  Domino,  XXV  Cant,  f.  Sopran,  Alt n.  Orgeln. a.); 
Modulationen  in  den  alten  Eirchentonarten  op.  126;  24  Orgelstücke  in 
den  alten  Eirchentonarten;  42  Vor-,  Zwischen-  und  Nachspiele  in  den 
.alten  Eirchentonarten,  op.  133  u.  s.  w. 

Bendenelli,  Agostino,.  Eanonikus  regul.  Lateran.,  Eontra- 
punktist,  geb.  um  1550  zu  Lucca,  gest.  zu  Rom  um  1610.  Seine  Eompo- 
sitionen,  z.  B.  4-  u.  5stim.  Cantiones  sacrae,  werden  sehr  gerühmt. 

BeneVoli,  Orazio,  geb.  1602  zu  Rom,  einer  der  berühmtesten 
Eontrapunktisten  des  17.  Jhdts,  genoss  den  Unterricht  vortrefflicher 
Meister  (von  Victor  Ugolino  oder  Bern.  Nanino),  u.  ward  zuerst 
Ep.-M.  an  der  Eirche  S.  Luigi  de  Francesi  in  Rom.  Später  trat  er 
in  die  Dienste  des  Erzherzogs  von  Österreich  in  Wien,  1646  wurde  er 
nach  seiner  Rückkehr  nach  Rom  Ep.-M.  an  S.  Maria  Maggiore  u. 
noch  in  demselben  Jahre  an  S.  Peter,  welche  Stelle  er  bis  zu  seinem 
Tode,  17.  Juni  1672,  verwaltete.  Seine  Stärke  bestand  hauptsächlich 
darin,  sich  mit  Freiheit  in  der  grössten  Vielstimmigkeit  zu  bewegen; 
>er  hat  Kirchenstücke  für  12,  16  u.  24  reale  Stimmen  gesetzt,  und  wir 
haben  von  ihm  eine  Messe  zu  48  Stimmen  (12chörig);  auch  erwähnt  man 
von  ihm  das  Eunststück  einer  Messe  für  12  obligate  Soprane.  Er  und 
Oarissimi  waren  die  Eoryphäen  der  zweiten  Hälfte  des  17  Jhdts. 

Benincasa,  G  i  a  c  o  m  o ,  Sänger  an  der  päpstl.  Eapelle  u.  1607 
Direktor  derselben,  starb  1613  u.  hinterliess  5-,  6-,  8-  u.  12stimmige 
Motetten. 

Benno,  der  heil.,  geb.  1010  zu  Hildesheim,  aus  dem  gräfl.  von 
Woldenbergischen  Geschlechte,  war  erst  Benediktinermönch,  dann  Ea- 
nonikus zu  Goslar,  1066  Bischof  zu  Meissen,  1523  kanonisiert  von  Papst 
Hadrian  IV.,  soll  für  den  deutschen  Eiichengesang  viel  gethan  haben; 
einige  schrieben  ihm  sogar  das  Lied  „Ein  Eindelein,  so  löbelich.^' 
fälschlich  zu. 

Bens,  J  0  h.  B  a  p  t. ,  geb.  17.  Juni  1807  zu  Lauchheim  in  Württem- 
herg,  erhielt  seinen  ersten  musikal.  Unterricht  von  dem  Chorregenten 
Dreyer  in  Ellwangen,  wo  er  das  Gymnasium  besuchte.  Nachdem  er 
4V2  Jahre  an  der  Universität  Tübingen  Philosophie  u.  Theologie  gehört 
hatte,  wendete  er  sich  mehr  der  Musik  zu  u.  fand  als  Hofmeist&r  bei 
einer  musikal.  Familie  Gelegenheit,  firemde  Länder  zu  besuchen.  1831 
aber  nahm  er  die  Stelle  eines  Lehrers  der  deutschen  Sprache  am  Eol- 
legium  zu  Chälons  sur  Marne  an.    1836  zog  er  nach  Rom,  wo  er 


^^—  ▼-         1^  • '♦  »    " 


Berardi  —  Bernabei.  31 

beinahe  zwei  Jahre  verblieb  n.  im  persönlichen  Verkehre  mit  Baini  die 
alte  Kirchenmusik  studierte.  1838  war  er  durch  Vermittlung  des 
Kardinals  Wisemann  als  Lehrer  der  neueren  Sprachen  u.  der  Musik  im 
kathoL  Kollegium  Oscott  in  England  thätig,  bis  er  1841  die  Stelle 
eines  Chordirektors  u«  Organisten  an  der  neuerrichteten  Kathedrale  zu 
Birmingham  übernahm.  1843  kehrte  er  nach  Deutschland  zurück,  ver- 
weilte einige  Zeit  in  München  u.  Wien  u«  wirkte  seit  1846  als  Musik- 
lehrer des  kathol.  SchuUehrerseminars  u.  Domorganist  zu  Speier.  Als 
gediegenen  u.  strengen  Kompositeur  bewies  er  sich  besonders  durch 
seine  Messe:  „0  clemens,  o  pia,  o  dulcis  Virgo  Maria/*  welche  zur 
Domfeier  in  Speier  1853  komponiert  u.  bei  dieser  Gelegenheit  unter 
grossem  Beifalle  kompetenter  Eichter  aufgeftihrt  wurde.  Ausserdem 
edierte  er  noch  vier  Messen  für  3  u.  4  Singstimmen  mit  Orgel,  Offer- 
torien  u.  Gradualien,  u.  seine  „Harmonia  sacra"  bietet  die  gewöhnlichsten 
Choräle  beim  katholischen  Gottesdienste  mit  Orgelbegleitung.  1869 
wurde  er  von  der  Universität  mit  dem  Doktor-Titel  beehrt;  1871  erhielt 
er  den  Titel  „Domkapellmeister,"  ging  1878  in  Quieszenz  u.  starb  d. 
24.  JuH  1880. 

Berardi,  Angelo,  geb.  zu  S.Agatha  im  Bolognesischen  um  die 
Mitte  des  17.  Jhdts.,  war  zuerst  Kp.-M.  am  Dom  zu  Spoletto,  dann 
zu  Viterbo,  zuletzt  an  der  Kirche  S.  Maria  di  Trastevere.  Er  schrieb 
Psalmen,  Motetten,  Offertorien  u.  ftinf  fleissig  gearbeitete  theoretische 
Werke. 

Berchem,' Jacques,  auch  Jachet  von  Mantua  geheissen,  ein  im 
16.  Jhdt.  berühmter  niederländ.  Meister  des  Kontrapunkts,  zu  Berchem 
bei  Antwerpen  geb.,  woher  er  auch  seinen  Namen  hat,  blühte  besonders 
zwischen  1539  u.  1561;  er  lebte  lange  in  Mantua  u.  soll  noch  1580  am 
Leben  gewesen  sein. 

Berent,  Simon,  ein  gelehrter  Musiker  u.  Kontrapunktist,  geb. 
1585  in  Preussen,  trat  1608  in  die  Gesellschaft  Jesu,  lehrte  an  ver- 
schiedenen Orten  alte  Sprachen,  Philosophie,  Theologie  u.  Musik,  machte 
als  Beichtvater  des  polnischen  Prinzen  Alexander  grosse  Beisen  durch 
Italien  u.  Deutschland  u.  starb  16.  Mai  1649  als  Bektor  des  Kollegiums 
zu  Braunsberg.    (Litaneienwerke,  1638  u.  1639). 

Beretta,  Francesco,  Kontrapunktist  des  17.  Jhdts.  aus  der 
töm.  Schule,  Kanonikus  u.  Kp.-M.  zu  S.  Peter  im  Vatikan,  gest.  1694. 
Baini  berichtet  von  sehr  vielen  Kompositionen  desselben,  die  von  der 
tiefsten  Kenntnis  der  Harmonie  zeugen  sollen. 

Berkzaimer,  Wolfgang,  ein  deutscher  Kontrapunktist  und 
Kirchenkompositeur  um  die  Mitte  dps  16.  Jhdts. 

Bernabei,  Giuseppe  Ercole,  geb.  um  1620  zu  Caprarola  im 
Xirchenstaate,  einer  der  grössten  Harmonisten  des  17.  Jhdts.  u.  Schtiler 
des  Oraz.  Benevoli,  war  1662—67  Kp.-M.  am  Lateran,  dann  bis  1672 
an  der  Kirche  S.  Luigi  de  Francesi  u.  von  da  ab  bis   1674  an  der 


32  Bernardi  —  Bemards. 

Peterskirche  Nachfolger  seines  Lehrers  Benevoli  1674  wurde  er  in 
die  Dienste  des  Kurfürsten  von  Bayern  als  Hofkp.-M.  nach  München 
berufen,  wo  er  1687  starb.  Werke:  1.  Band  Madrigale  3 — 4  voc.  Born 
1669;  eine  Sammlung  Motetten,  München  1691;  die  Vatikan.  Bibliothek 
verwahrt  von  ihm  Messen,  Psalmen,  Offertorien  zu  4,  8, 12  u»  16  Stimmen. 
Von  seinen  zwei  Söhnen,  Giuseppe  Antonio  und  Yicenzo, 
zeichnete  sich  ersterer  besonders  aus.  Zu  Kom  1659  geb.,  folgte  er 
1674  seinem  Vater  nach  München  u.  unter  dessen  Leitung  bildete  er 
sich  zu  einem  hervorragenden  Meister  aus.  Obschon  er  sich  Vorzugs- 
.  weise  im  höheren  Opemfach  hervorthat  u.  im  Eirchenstyl  den  Yat-er 
kaum  erreichte,  so  verläugnet  sich  doch  in  keiner  seiner  geisl;lichen 
Kompositionen  die  reine  Überlieferung  der  grossen  röm.  Schule,  die 
sich  vom  Vater  auf  ihn  vererbt  hatte.  An  melodischem  Fluss  u.  Freiheit 
war  er  eine  Stufe  höher  gestiegen.  Li  Anerkennung  seiner  Meister- 
schaft wurde  ihm  nach  seines  Vaters  Tode  die  kurfürstL  Hofkapell* 
meisterstelle  nebst  dem  Hofratstitei  zu  Teil;  f  in  München  d.  9.  März 
1732.  (Missae  Septem  cum  4  voc.  Aug.  Vind.  1710;  Motetten,  9  Lamen- 
tationen u.  a.  m. ;  meistens  als  Autographa  auf  der  Münchener  Bibliothek.) 
—  Vin  cenz  B.,  geb.  1666  zu  Rom,  gest.  1690  in  München,  schrieb 
einige  Opern* 

Bernardi,  Stefano  (Bemardio)  wirkte  vorerst  als  angesehener 
Komponist  in  Verona,  dann  seit  etwa  1624,  nach  Salzburg  berufen^ 
daselbst  als  Domkapmstr.,  wohl  bis  1648,  da  in  diesem  «fahre  ein  anderer^ 
A.  Hofer,  als  solcher  erscheint.  Einige  seiner  Werke  erschienen  im 
Drucke,  z.  B,  eine  östimmige  Messe  mit  Basso  continno  in  einer  Samm- 
lung, Antwerpen  1619,  Salmi  concertati  zu  5  Stimmen  (Venedig  1637), 
Motetten;  andere  befinden  sich  als  Mskr.  im  Domarchiv  zu  Salzburg: 
sehr  viele  Litroitns,  meist  Östimmig,  Antiphonen  u.  Hymnen  für  die 
höchsten  Festtage  5stimm,  verschiedene  Cantiones  de  Ss.  Sacramento, 
manche  daVon  2chörig;  Livitatorium  et  Eesponsoria  in  festo  Nativ.  et 
Besur.  D.  N.  J.  Ch ,  andere  Livitatorien,  Bittgesänge,  Magnificat 
secundum  8  tonos  4-  u.  5stim.,  zuletzt  sein  grösstes  Werk:  Das  voll- 
ständige Officium  Defnnctorum  nebst  zwei  Kequiem  für  4'-8  Stimmen. 
Auch  ein  theoretisches  Werk  „Porta  musicale**  (Verona  1615)  schrieb  er. 
Schon  1624  zeichnete  sich  B.  auf  dem  Titel  gedruckter  Motetten  als 
„Ganonicus  S.  Mariae  ad  Nives  et  Metropolitanae  Ecclesiae  Praefectus,'^ 
welches  geistl.  Beneficium  ihm  als  B«muneration  eines  vorzüglich 
schönen  kirchl.  Musikstückes  zugewendet  wurde. 

Bemards,  Joseph,  geb.  16.  Okt.  1844  zu  Demau  (Kr.  Ahrweiler), 
genoss  seine  weitere  musikalische  Ausbildung  bei  dem  Musikdirektor 
M.  Töpler  in  Brühl,  übernahm  dann  die  Organistenstelle  an  der  kathol. 
Pfiarrkürche  in  Neuwied.  Hierauf  wendete  er  sich  nach  Beriin,  um  in 
dem  k.  Listitute  für  Kirchenmusik  unter  Leitung  des  Prof.  A.  Haupt 
seine  musikalischen  Studien  fortzusetzen.    Von  da  wurde  er  als  Mus&- 


Bernhard.  —  Berno  von  Reiohenau.  33 

lehrer  an  das  kathol.  Lehrerseminar  in  Oomelymünster  n.  1882  als 
solcher  nach  Kempen  am  Bhein  berufen.  Er  veröffentlichte  eine  Anzahl 
meist  leicht  bis  mittelschwerer  Orgelkompositionen,  eine  Harmoninm- 
schnle  (op.  26),  mehrere  Messen  für  4stim.  Männerchöre,  eine  Sing- 
methode; bei  Heesen  &  Kaiser  in  Kempen  gab  er  eine  Klayierschnle 
n.  eine  Sammlung  Männerchöre  heraus. 

Bernhard,  derbeil.,  Abt  von  Clairreaux,  geb.  1091  zu  Fontaine 
in  Burgund,  trat  1113  in  ^as  Kloster  Citeaux  u.  wurde  1115  zum  Abte 
des  kurz  vorher  gegründeten  Klosters  Glairveaux  erwählt,  f  1153.  Er 
war  nicht  blos  der  glänzendste  Stern  des  Gisterzienserordens,  sondern 
entfaltete  sozusagen  europäische  Wirksamkeit.  Neben  der  vortreff- 
lichsten klösterlichen  Disziplin  richtete  er  sein  Augenmerk  auch  auf  den 
Gottesdienst  u.  die  Feier  der  kirchl.  Tagzeiten,  wobei  er  auf  würdigen 
u.  rein  kirchl.  Gesang  drang.  In  mehreren  seiner  Briefe  spricht  er  sich 
ganz  klar  aus,  wie  der  Kirchengesang  ausgeführt  werden  soll.  Solche 
Bestimmungen  traf  er  auch  fElr  seinen  Orden,  welcher  sich  treu  daran 
hielt;  daher  kommt  es,  dass  dem  Cisterzienserorden  nachgertlhmt  wird, 
er  habe  den^röm.  Gesang  am  reinsten  bewahrt.  Dem  hl.  Bernhard 
wird  eine  kleine  Anleitung  zum  Choralgesange  zugeschrieben :  „Tonale 
S.  Bemardr*  (im  2.  Band  der  Script,  eccl.  de  musica  von  Gerbert  ab- 
gedruckt), welche  doch  wohl  nur  unter  seiner  Leitung  für  seinen  Orden 
gefertigt  wurde. 

Bemier,  Nicolas,  geb.  zu  Nantes  28.  Juni  1664,  gest.  zu  Paris 
5.  Sept.  1734,  Kap.-M.  an  der  Kapelle  des  franz.  Königs,  war  einer 
der  geschicktesten  franz.  Komponisten  seiner  Zeit  im  strengen  Satze. 
Sein  Vorbild  war  Caldara,  der  ihn  auch  in  die  Geheimnisse  seiner  Kunst 
einweihte,  u.  den  er  auch  bis  in's  Kleinste  nachahmte.  In  Versailles 
errichtete  er  eine  Musikschule,  aus  welcher  die  tüchtigsten  Tonkünstler 
hervorgingen,  besonders  Kontrapunktisten.  Durch  diese  Schule,  der 
man  in  Paris  bald  eine  andere  nachbildete,  verpflanzte  er  die  ächte 
Fuge  nach  Frankreich,  welche  bis  auf  ihn  fast  alleiniges  Eigentum 
der  ital.  Komponisten  geblieben  war. 

Bemo  TOB  Beichenaa  war  ein  Deutscher  von  Geburt  u.  Bene- 
diktinermönch zu  Prüm  bei  Trier.  1008  bestellte  ihn  Kaiser  Heinrich  II. 
zum  Abte  von  Beichenau  im  Bodensee,  wo  die  Klosterzucht  ganz  ver- 
fallen war.  Bemo  stellte  durch  sein  40jähriges  weises  Wirken  den 
alten  Glanz  Beichenaus  u.  seiner  Schule  wieder  her.  Er  war  einer  der 
vorzüglichsten  Gelehrten  seiner  Zeit,  Dichter,  Bedner,  Philosoph  u.  in 
der  Musik  theoretisch  u.  praktisch  gebildet.  Ein  Hauptverdienst  B.'s 
besteht  auch  in  den  Verbesserungen,  welche  durch  ihn  in  der  Kirchen- 
musik in  Deutschland  eingeführt  wurden.  1014  hatte  er  den  Kaiser 
nach  Bom  begleitet  u.  suchte  dann  das  Bessere,  was  er  dort  in  Betreff 
der  KMusik  kennen  gelernt,  in  seinem  Vaterlande  zu  verwerten.  Er 
starb  7.  Juni   1048.    Von  seinen  musikal.  Werken  sind  zu  nennen: 

EommüUer,  Lexikon.    II.  Bd.  3 


34  Bertali  —  Beuf. 

„De  varia  psalmornm  atqne  cantnum  modnlatione^*;  „Prologns  in  Tona- 
riom**;  „Tonarius";  „De  consona  tononim  diversitate."  Tritenheim 
erwähnt  anch  eines  „Liber  de  instrnmentis  mnsicis  et  de  mensttra 
Monochordi/^  Etstere  Schriften  hat  Gerbert  in  seinen  Script.  Mus* 
aufgenommen. 

Bertali,  Antonio,  kais.  Eap.-M.  in  Wien,  geb.  1605  zu  Verona, 
war  seiner  Zeit  ein  sein  angesehener  Komponist.  Ausser  einigen 
Opern  schrieb  er  auch  eine  grosse  Anzahl  Hessen,  Kyrie,  Magnificat 
u.  einen  „Thesaurus  musicus  trium  instrumentorum."  f  1.  April  1669 
in  Wien. 

Bertani,  L  e  1  i  o ,  geb.  zu  Brescia  um  1520,  anfangs  Kap.-M.  am 
Dome  daselbst,  dann  des  Herzogs  Alphons  von  Ferrara,  zuletzt  am 
Dome  zu  Padua,  wo  er  1600  starb,  wird  er  als  grosser  Kontrapunktist 
u.  fruchtbarer  Komponist  gerühmt. 

Bertini,  Salvadore,  geb.  zu  Palermo  1721,  studierte  auf  d^n 
Konservatorium  zu  Neapel  unter  Leo,  schrieb  anfangs  fär's  Theater, 
wodurch  er  so  viel  Ansehen  gewann,  dass  ihm  die  Stelle  eines  königl. 
Kap.-M.  zu  teil  wurde.  Später  schrieb  er  ausschliesslich  kirchl.  Sachen, 
unter  denen  sich  besonders  ein  Requiem  für  die  Exequien  QbxIb  TU, 
dann  ein  zweichöriges  u.  ein  vierstimmiges  Miserere  auszeichnen, 
t  16.  Dez.  1794.  Sein  Sohn  B.,  Abbate  Giuseppe,  geb.  zu  Palermo 
1756,  ward  sein  Nachfolger  u.  komponierte  vieles  für  die  Kirche.  Er 
schrieb  auch  ein  Buch:  „Dizionario  storico-critiche  degli  scrittori  di 
musica."    Palermo  1814. 

Bertolasi,  Yinc,  geb.  zuMantua,  blühte  zu  Ende  des  16.  Jhdts.; 
von  ihm  sind  „Sacrae  cantiones  6,  7,  8  et  10  vocum**  vorhanden. 

Bertoni,  Ferdinando,  geb.  den  15.  Aug.  1725  auf  der  kleinen 
Insel  Salo  bei  Venedig,  gest.  den  1.  Dez.  1813,  Schüler  des  P.  Martini, 
wurde  zuerst  Organist  an  der  Markuskirche  zu  Venedig,  dann  nach  u. 
nach  Lehrer  u.  Kap.-M.  an  den  dortigen  Musikschulen.  1784  folgte  er 
Galuppi  als  erster  Kap.-M.  der  Markuskirche,  u.  zog  sich  1810  in*s 
Privatleben  zurück.  Von  ihm  kennt  man  Psalmen,  Improperien, 
Oratorien,  Opern  u.  a.  Wenn  seine  Werke  auch  weniger  Originalität 
aufweisen,  so  sind  sie  doch  sämtlich  geschmackvoll  n.  von  muster- 
hafter Faktur. 

Benf,  Jean  le,  auch  Lebeuf  geschrieben,  ein  sehr  gelehrter  und 
fruchtbarer  Schriftsteller,  Professor  u.  Kanonikus  zu  Auxerre,  geb.  da- 
selbst 4.  März  1687,  gest.  1760,  ward  1740  ordentl.  Mitsrlied  der  franz. 
Akademie  u.  hat  viele  geistreiche  Artikel  über  Gegenstände  der  schönen 
Künste  geschrieben,  darunter  „Trait6  historique  et  pratique  snr  le  Chant 
eccl/'  (Paris  1739  et  41),  eine  „Dissertation  über  die  Verdienste  des 
Remigius  u.  Hukbald";  femer  „Sur  Thistorie  eccl.  et  civile  de  Paris," 
worin  interessante  Aufschlüsse  über  den  Zustand  der  französ.  Musik 
in  der  Zeit  von  1031—1304  enthalten  sind. 


Bevin  —  Biber.  35 

BeTin»,  E 1  wa y,  engl.  Tonkünstler  u.  KontrapuntitiBt  zu  Ende  der^ 
Begieornng  Elisabeths.  Er  war  ans  Walis  gebürtig  und  genoss  den 
Unterricht  des  berühmten  Tallis,  auf  dessen  Empfehlung  er  auch 
Organist  an  der  Kathedrale  zu  Bristol  wurde;  diese  Stelle  verlor  er 
wieder  1637  wegen  seiner  Anhänglichkeit  an  die  kathol.  Kirche.  Er 
hat  mehrere  Kurchenkomposittonen  u.  auch  ein  theoretisches  Werk  über 
die  Kanons  geliefert. 

Bianchli  Andrea,  geb.  zu  Sarzana  im  Genuesischen  1580,  war 

erst  ün  Dienste  eines  genuesischen  Edlen«  Carlo  Zibo,  u.  wurde  dann 

Organist  in   Chiavara.    In  Venedig  u.   Amsterdam  sind  von  seinen 

«  Kompositionen  in  den  Jahren  1611  u  1626  Motetten  u.  Messen  zu  2^8 

Stimmen  erschienen. 

Bianchinl,  Giov.  Battista,  von  1684  bis  zu  seinem  Tode  1708 
Kap.-M.  an  S.  Giovanni  im  Lateran,  komponierte  viele  Messen  und 
Motetten  u.  dgl. 

Bianeiardi,  Francesco,  in  Oasola,  einem  Schlosse  bei  Siena, 
gebürtig,  war  Domkap.-M.  in  Siena  um  1600  u.  schrieb  während  seines 
kurzen  Lebens  von  nur  35  Jahren  viele  vortreffliche  Werke,  von  denen 
Motetten  zu  4,  5,  6,  7  u.  8  Stimmen,  mit  u.  ohne  Orgelbegleitung, 
4-  u.  Sstim.  Messen  u.  4stim.  Psalmen  zu  Venedig  gedruckt  sind. 
Baini  schätzt  ihn  sehr  hoch  u.  fügt  noch  das  Urteil  Pitoni's  bei,'  wo- 
nach B.  auch  ein  bedeutender  Orgelspieler  gewesen  sei. 

Bibel,  Andreas,  ein  vorzügl.  Organist  in  Wien,  geb.  daselbst 
8.  April  1807,  kam  im  Alter  von  11  Jahren  zu  Albrechtsberger  ins 
Kapellhaus  u.  erhielt  von  A/s  Nachfolger  Preindl  Generalbassunterricht. 
Bald  war  er  so  weit  vorgeschritten,  dass  er  den  Organistendienst  in 
der  Pfarrkirche  S.  Leopold  versehen  konnte;  einige  Jahre  später  wurde 
er  Organist  in  der  Metropolitankirche  S.  Stephan.  Er  sehrieb  mehrere 
kiitehliche  Musikstücke,    f  1878. 

Biber,  Franz  Heinrich  voai,  geb.  1644  zu  Warthenberg  an 
der  böhmischen  Grenze,  erwarb  sich  als  Violinvktuos  grossen  Ruhm  in 
Deutschland,  Frankreich,  Italien  u.  dadurch  den  Beichsadel,  ward  1684 
zum  fürstbisch.  Kap.-M.  in  Salzburg  bestellt  u.  wirkte  al»  solcher  bis 
zu  seinem  Tode,  3.  Mai  1704.  Er  war  tüchtiger  Komponist  u.  es  finden 
sich  im  Domarchive  noch  einige  seiner  Kirchenwerke,  so  ein  „Stabat 
mater*^  4  voc,  im  Kloster  Lambach  zwei  grössere  Messen  mit  Instr.- 
Begleitung;  im  Salzburger  Katalog  finden  sich  Themen  von  mehreren 
Messen  u.  8  Eegina  coeli  angegeben,  die  Kompositionen  selbst  fehlen.  — 
2)  Carl  Heinrich  deBiber,  der  Sohn  des  vorigen,  welcher  auch 
„hochfÜrstL  Salzb.  Kap.-M.  u.  Kammerdiener'*  war  u.  auch  manche 
kirchl.  Musikwerke  lieferte  z.  B.  Missa  S.  Magdalenae  4  voc.,  Tympani, 
2  Olarini  obl.',  2  Violini  c«  Organo ;  Missa  in  Gontrapuncto  a  4  voc.  c. 
Otg.;  Offertorium  de  venerab.  Sacramento;  „Tenebrae";  „Eecessit 
Pastor,"  welche  noch  im  Msk.  in  Salzburg  vorhanden  sind. 

3* 


V'< 


36  Biechteler  —  Birkler. 

Biechteler,  MatthiasSigismnnd  de  Greiffenthal,  war  Yon 
1700-42  Organist  in  Salzburg  u.  wird  auch  angeführt  als  „Hochfftrstl. 
Salzburg.  Truchsess  u.  Hoff-Eapellmeister  auch  Dero  Hoff-Kapellhau» 
Inspektor.'*  Von  seinen  Kompositionen  bewahrt  das  Salzburger  Dom- 
archiv noch  mehrere. 

Biffl,  Antonio,  Kap.-M.  zu  S.  Marco  (seit  1701)  u.  am  Konser- 
vatorium der  Mendicanti  in  Venedig,  um  die  Mitte  des  17.  Jhdts. 
daselbst  geb.,  u.  gest.  im  März  1736,  war  seiner  Zeit  ein  geschätzter 
u.  mustergiltiger  Komponist;  besonders  berühmt  war  sein  Oratorium 
„il  figliuol  prodigo." 

Bi^aiplia,  Diogeno,  geb.  zu  Venedig  gegen  Ende  des  17.  Jhdts. 
u.  Benedictinermönch  im  Kloster  S.  Giorgio  Maggiore  daselbst,  war 
einer  der  angesehensten  Tongelehrten  seiner  Zeit  u.  als  Orgelspieler 
sehr  berühmt  Eine  grosse  Anzahl  seiner  Werke  verblieb  in  seinem 
Kloster  als  Msk. 

BindioiiS;  Gilles  od.  Egide,  franz.  Kontrapunktist,  geb.  zu 
Binche,  einem  Städtchen  bei  Mons  im  Hennegau,  der  berühmteste  Meister 
seiner  Zeit  neben  Dufay,  war  Lehrer  mehrerer  berühmter  Meister  des 
15.  Jhdts.,  wie  des  Oghenheim,  Begis,  Busnois,  Caron  u.  Faugnes.  Von 
seinen  geistl.  u.  weltl.  Kompositionen  ist  bis  jetzt  wenig  aufgeftmden 
worden,    f  1460  zu  Lille. 

Biordi,  Giovanni,  war  seit  1717  Sänger  in  der  päpstl.  Kapelle, 
von  1722  an  Kap.-M.  an  der  Kirche  S.  Giacomo  degli  Spagnuoli. 
Letztere  Stelle  erhielt  er  im  Wege  seiner  Prüfung,  in  welcher  er  Über 
die  Mitbewerber  Nie.  Porpora,  Kolli,  Ghiti,  Monza  u.  Califü  den  Sieg 
davontrug.    Sein  Vorbild  in  der  Komposition  war  Palestrina. 

Bird,  William,  einer  der  gerühmtesten  engl.  Komponisten  u. 
Kontrapunktisten,  geb.  zwischen  1543  u.  1546,  war  der  Sohn  des  Thomas 
B.,  Mitglieds  der  Kapelle  Eduard  VI.  In  diese  Kapelle  als  Chorknabe 
aufgenommen,  erhielt  er  Unterricht  in  der  Musik  von  Talus;  1Ö63 
wurde  er  Organist  an  der  Kathedrale  in  Lincoln  u.  1575  mit  TalHs 
gemeinschaftlich  Organist  der  Königin  Elisabeth,    f  4.  Juli  1623. 

Birkler,  Georg  Wilhelm,  geb.  23.  Mai  1820  zu  Buchau  am 
Fedemsee  in  Oberschwaben,  genoss  durch  seinen  Vater,  welcher  Schul- 
lehrer daselbst  war,  von  seiner  frühen  Jugend  an  gründlichen  Gesang-, 
Klavier-  u.  Orgelunterricht,  so  *dass  er  später  in*s  Konvikt  zu  Ehingen 
aufgenommen,  regelmässig  die  Orgel  bei  den  Gymnasial-Gottesdiensten 
spielen  konnte.  Als  er  1838  in's  Wilhelmsstift  nach  Tübingen  ]kam, 
fand  er  sich  besonders  durch  den  Professor  Dr.  Aberle  daselbst 
angeregt,  tiefere  musikal.  Studien  zu  machen  u.  das  Augenmerk 
besonders  der  älteren  kirchl.  Musik  zuzuwenden,  wozu  vorzüglich  das 
Auffinden  eines  prachtvollen  Folianten  von  Orlando  di  Lasso  im  Bücher- 
staub  der  Konviktsbibliothek  Veranlassung  gab.  Hiermit  war  der  Gnmd 
der  nunmehrigen  kirchlich-musikal.  Kichtung  gegeben,  auf  welchem 


Bischoff.  37 

fortBianend  er  dnrph  praktische  Versuche  auf  dem-Xonviktskirchenchore 
u.  durch  Studium  einschlägiger  Werke  sich  reiche  Kenntnisse  sammelte. 
Am  30*  Aug.  1843  zum  Priester  geweiht,  musste  er  ob  der  Pastoral- 
geschäfte die  Musik  einige  Zeit  ruhen  lassen;  aber  mit  neuer  Liebe 
griff  er  zu  ihr  zurück,  als  er  1844  als  Bepetent  an  genanntes  Konyikt 
berufen  wurde.  Die  Universitätsbibliothek  in  Tübingen  lieferte  ihm 
ausgiebigen  Stoff  zum  musikal.  Studium,  sowohl  was  theoretische  Werke 
ids  Kompositionen  des  15.  bis  18.  Jhdts.  anbelangt.  Auch  versuchte 
sich  B.  nunmehr  in  kleineren  kontrapunkt.  Kompositionen,  anfänglich 
nur  für  Männerstimmen,  da  ihm  kein  gemischter  Chor  zu  Gebote 
stand.  Im  Sept.  1846  erstand  er  das  Professoratsexamen  u.  erhielt  für 
eine  wissenschaftliche  Beise  Staatsunterstützung.  Nachdem  er  1847 
Professoratsverweser  in  Ellwangen  geworden,  1850  definitiver  Professor 
am  Obergymnasium  in  Bottweil,  kam  er  durch  Stellentausch  als  solcher 
nach  Ehingen,  -vfo  er  10.  Juni  1877  starb. 

Seine  ersten  Veröffentlichungen  über  Geist  und  Wesen  des  Chorals 
u.  Kontrapunkts  geschahen  im  „Magazin  für  Pädagogik"  (1845—48); 
später  schrieb  er  Aufsätze  auch  in  das  „Organ  für  kirchl.  Tonkunst,' ' 
gleichfalls  in  die  „Cäcilia"  (Luxemburg).  In  letzterer  Zeitschrift 
ist  namentlich  seine  Abhandlung  über  den  „PalästnnastyP*  von  hoher 
Bedeutung.  Im  Druck  erschienen  Kompositionen  von  ihm :  Messe  (in  D) 
für  4  Männerstimmen,  Messe  (in  F)  für  gemischten  Chor  (Tübingen, 
1857);  ebendaselbst  eine  Messe  (in  Es)  für  Männerchor  u.  eine  (in  G) 
für  gemischten  Chor,  1859;  Vesperpsalmen  für  Männerchor  u.  dieselben 
für  gemischten  Chor  (1863,  Bavensburg).  Ausser  diesen  befbaden  sich 
viele  kleinere  Kompositionen  u.  Messen  in  Msk.  in  den  Chorarchiven 
zu  Tübingen,  Bottweil  u.  Ehingen. 

Bischoff,  Joh.  Christian,  geb.  2.  März  1832  zu  Grub,  Kanton 
.St.  Gallen,  besuchte  das  Gymnasium  u.  Lyceum  zu  St.  Gallen,  wo  er 
auch  Musikunterricht  bei  Prof.  Jos.  Greith  erhielt.  Nach  Vollendung 
der  theologischen  Studien  zu  Tübingen  u*  München  empfing  er  1857  die 
Priesterweihe.  Bis  1862  Kaplan  in  Schanis,  erhielt  er  die  Pfarrei 
Berschis,  wo  er  sich  veranlasst  fand,  selbst  die  Komposition  zu  studieren 
n.  Kompositionsversuche  zu  machen.  Als  Pfarrer  von  Kaltenbrun 
(1869—74)  bildete  er  sich  einen  guten  Sängerchor,  welcher  den  Choral- 
u.  polyphonen  Gesang  pflegte;  zugleich  gründete  er  einen  Bez.-Cäcil.- 
Verein  vom  Garster  u.  Seebezirke.  1874  Pfarrer  u.  Kanonikus  von 
Wyl  geworden,  arbeitete  er  auch  da  mit  Energie  an  der  Beform  der 
Kirchenmusik,  gründete  den  Bez.-C.-Verein  von  Wyl-Gossau  u.  übernahm 
bald  das  Präsidium  des  Di5zes.-Cäcil.-Vereins  St.  Gallen,  welches  er 
noch  erfolgreich  führt.  An  KKompositionen  edierte  er:  Missa  in  hon. 
S.  Notkeri,  4Bt]m.;  Missa  quadra^^s.  für  Männerchor;  Missa  S.  Spiritus, 
4stim. ;  Missa  in  h.  Ss.  Inocentiu^,  4stim. ;  Bequiem  für  5stim.  Chor  u. 
Orgel;  Cantarium,  Sammlm^  liturg,  Gesänge  (Choral  u.  4stim.)  nebst 


38  Biumi  —  Blin. 

Orgelbach;  Litania  lauret.  f.  5stim.  Chor;  Beiträge  zum  Motetten-  n. 
Gradualienbuch  von  Stehle,  sowie*  zum  Hymnenbnch  von  Nikel. 

Binmi,  Giacomo  Filippo,  geb.  in  Mailand,  war  zuerst  Organist 
an  der  Kirche  della  Passione,  dann  an  der  S.  Ambrosiuskirche  u.  end- 
lich am  Dom,  in  welch  letzterer  Stelle  er  auch  starb  1652.  Gedruckt 
sind  von  ihm  mehrere  Xirchenkompositionen. 

Blahac,  Joseph,  geb.  1779  zu  Naggendorf  an  der  ungarischen 
Grenze,  gost.  15.  Dez.  1846  als  Kap.-M.  an  der  landesflirstlichen  Pfarr- 
kirche S.  Peter  in  Wien,  1798  war  er  in  Wien  an  der  NorÄalschule 
£^ls  Lehrer  angestellt,  verliess  jedoch  diesen  Stand  bald  wegen  seiner 
schönen  Tenorstimme  u.  widmete  sich  der  Bühne«  Zugleich  versah  er  auch 
die  Tenoristenstelle  in  St.  Peter  unter  der  Direktion  Preindl's,  dessen 
Nachfolger  er  1824  wurde.    Er  lieferte  vieles  für  die  Kirche. 

Blanchinl,  Francesco,  geb.  zu  Verona  13.  Dez.  1662,  aus  einer 
adeligen  Familie,  anfangs  Bibliothekar  des  Kardinals  Ottoboni  in  Born 
u.  Kanonikus  an  S.  Lorenzo  in  Damasco,  dann  päpstl.  Hausprälat, 
zeichnete  sich  durch  Gelehrtheit  aus.  Alle  Beachtung  verdient  sein 
Werk:  „De  tribus  generibus  instrumentorum  Müsicae  veterum  organicae, 
dissertatio,"  Bomae  1742,  welches  viele  Abbildungen  von  Instrumenten 
der  alten  Ägypter,  Hebräer,  Griechen  u.  Bömer  enthält.  Es  erfolgte 
die  Herausgabe  desselben  erst  nach  B.'s  Tode  —  2.  März  1729. 

BlankmüUer  od.  Blankenmüller,  Georg,  Komponist  u.  Kontra- 
punktist des  16.  Jhdts.,  von  dessen  Kompositionen  sich  in  Salbingers 
„Concentus"  (Augsburg,  1545)  u.  auf  der  Münchener  Bibliothek  einige 
befinden. 

Blied,  Jakob,  geb.  16.  März  1844  in  Brühl,  gest.  14.  Jan.  1884 
daselbst,  büdete  sich  für  den  Lehrerstand  aus,  war  von  1864—68  Lehrer 
an  der  Taubstummenanstalt,  von  da  an  Hauptlehrer  an  der  städtischen 
Knabenschule  seiner  Vaterstadt,  bis  er  1874  zum  ordentlichen  Seminar- 
lehrer ebenda  berufen  wurde.  Dem  ihm  obliegenden  Musikunterrichte 
kam  er  niit  höchstem  Eifer  u.  segensreichstem  Erfolge  nach,  selbst  als 
seine  Gesundheit  schon  sehr  angegriffen  war.  Als  Kirchenkomponist 
hat  er  sich  erst  mit  seiner  Missa  S.  G^rtrudis  für  4stim.  Männerchor 
u.  Orgel  einen  Namen  erworben,  nachdem  er  sich  strengeren  Grund- 
sätzen zugewendet  hatte.  Von  seinen  Werken  mögen  noch  genannt 
sein:  die  Messen  in  hon.  B.  V.  Mariae,  S.  Josephi,  S.  Elisabeth,  eine 
Sammlung  Präludien. 

Blin,  M.  S.,  geb.  zu  Beaune  19.  Juni  1757,  eigentlich  den  Familien- 
namen Lacodre  tragend,  wurde,  im  4.  Lebensjahre  schon  Waise,  emem 
Verwandten,  dem  Organisten  Blin  in  Dijon  zur  Erziehung  anvertraut, 
dessen  Namen  er  auch  annahm.  1771  begab  er  sich  nach  Paris  u.  bildete 
sich  beim  Abb6  Böse  u.  dem  Organisten  S6jan  noch  weiter  im  Orgelspiel 
u.  in  der  Komposition  aus.  Er  starb  zu  Paris  9.  Febr.  1834  als  Organiist 
an  Notre  Dame  u.  hinterliess  viele'  Kompositionen  für  die  Orgel. 


Boeckeler  —  Boethius.  39 

Boeckeler,  Heinrich,  geb«  d.  11.  Jnli  1836  in  Köln,  studierte 
an  der  Universität  Bonn  Theologie  n.  ward  3.  Sept.  1860  zum  Priester 
geweiht.  Schon  als  Theologiekandidat  ward  er  von  H.  Konen  für 
kirchenmusikal.  Studien  gewonnen  u.  leitete  den  akademischen  Kirchen* 
chor.  Weitere  Ausbildung  erhielt  er  durch  Pfarrer  Gereon  Stein,  u. 
auf  dem  Kölner  Konservatorium  studierte  er  den  Kontrapunkt  unter 
Dr.  F.  Hiller's  Leitung.  1862  ward  er  Stift»vikar  in  Aachen,  1864 
Inspektor  des  dortigen  Choralenhauses,  1869  Yicepräses  des  Kölner 
Diözesan-Cäcilienvereins,  1870  Präses  des  Aachener  Bezirksvereins  u. 
1871  Cbordirigent  der  Stiftskirche  in  Aachen.  Diese  Stellungen  er- 
möglichten es  ihm,  auf  die  kirchenmusikalischen  Verhältnisse  in  Aachen, 
sowie  auch  in  weiteren  Kreisen  erfolgreich  einzuwirken.  Von  ihm 
wurden  veröffentlicht:  Mangon,  Missa  in  summis  festis;  Processionale, 
1—3  Fase;  Lieder  für  die  verschiedenen  Zeiten  des  Kirchenjahres  ifür 
Männerstimmen;  Gesangbuch  für  höhere  Schulen;  Sammlung  2stim. 
G^änge  zum  Schulgottesdienste;  Gesangbuch  für  marianische  Kongre« 
gationen;  Latein.  Gesänge  f.  Männerchor  u.  gemischten  Chor;  Volks« 
lieder  f.  Schule  u.  Haus.  Von  1875  hielt  B.  alljährlich  mehrere  Lehr- 
kurse für  Ausbildung  von  Organisten  u.  Chordirigenten  ab  u.  gründete 
im  Anschluss  daran  1.  Nov.  1881  in  Aachen  eine  Kirchenmusiksehule, 
genannt  „Gregoriushaus'^  zu  gleichem  Zwecke.  Am  1.  Juli  1877 
gründete  er  das  „Gregoriusblatf*  (1884  erweitert  durch  ein  zweites 
Blatt  „Gregoriusbote  für  kathol.  Kirchensänger '),  worin  er  mit  Energie 
für  feste  Grundsätze  im  Betriebe  der  Kirchenmusik  u.  für  Förderung 
des  Studiums  der  altklassischen,  speziell  der  palestrinischen  Kirchen- 
niusik  eintrat. 

Boedeeker,  Phil.  Friedr,  Komponist  u.  Stiftsorganist  in  Stutt- 
gart, um  die  Mitte  des  17.  Jhdts.  blühend,  hat  ei^e  Sammlung  Motetten 
.unter  dem  Titel  „Partitura  sacra"  (Strassburg,  1681)  drucken  lassen; 
ausserdem  komponierte  er  noch  Sonaten  u.  vieles  Andere« 

Boeiun,  Joseph,  geb.  1841  zu  Küsnitz  in  Mähren,  erhielt  früh- 
zeitig Musikunterricht  von  seinem  Vater,  einem  Schullehrer,  ward  1864 
Organist  an  der  Hofpfarrkirche  zu  St.  Michael  in  Wien,  1867  Chor- 
regent bei  Mariahilf,  1873  Dirigent  des  unter  dem  Präsidium  des 
Dr.  W.  A.  Ambros  gegrtlndeten  Cäcilienvereins  für  kathol.  Kirchen- 
musik {„Ambrosiusverein"),  1877  Kap.-M.  zu  den  neun  Chören  der 
Engel.  Er  wirkte  sehr  viel  sowohl  als  Dirigent  als  auch  durch  Bro- 
sdiüren  (nÜber  Reform  des  Gesangunterrichtes  in  öffentlichen  Schulen,*^ 
„Der  Zustand  der  kathol.  Kirchenmusik  u.  des  kirchlichen  Volksgesanges 
in  Wien  u.  Umgebung^')  u.  verschiedene  Zeitungsartikel  musikalischen 
Inhalts  u.  a.    f  6.  Nov.  1893. 

BoSthiiUB,  Anicius  Manlius  Torquatas  Severinus, 
röm.  Staa^mimn,  Philosoph  u.  vorzüglichster  Gelehrter  seiner  Zeit,  ist 
geb.  zwischen  470—475  n.  Chr.    Er  gelangte  frühzeitig  zu  wichtigen 


"^ 


40  Bolsena.  —  Bonhomins. 

« 

Staatsämtern  u.  wurde  506  oder  510  zum  Konsul  gewählt.  Wegen 
seiner  Weisheit  ward  er  der  Liebling  a.  Batgeber  des  Gotbenkönigs 
Theodorich,  fand  jedoch  bald  Neider  u.  Feinde,  welche  es  dahin  brachten, 
dass  er  seiner  Würden  n.  Güter  beraubt,  nach  Payia  verbannt  u.  um 
525  enthauptet  wurde.  In  seiner  Gefangenschaft  schrieb  er  das  vor- 
züglichste seiner  Bücher:  „De  consolatione  philosophiae*'  (über  den 
Trost  der  Philosophie);  für  den  Musikhistoriker  aber  ist  sein  Werk 
„De  Musica"  besonders  wichtig,  worin  er  in  fünf  Büchern  über  die 
griechische  Musik  handelt.  Vgl.  Gregorovius  „Geschichte  der  Stadt 
Born  im  Mittelalter"  I.  S.  309  ff.  Gesamtausgabe  seiner  Werke  von 
Migne,  2  volL  Paris  1847;  deutsche  Übersetzung  der  Y.  lib.  de  Musica 
von  Dr.  Oscar  Paul  1872. 

Bolsena,  Andrea  Ad a^m  da,  ein  päpstlicher  Kap.-M.,  lebte  zu 
Ende  des  17.  u.  Anfang  des  18.  Jhdts.  u.  schrieb  eine  Geschichte  der 
päpstlichen  Kapelle  (Born,  1711)  unter  dem  Titel:  „Osservazioni  per 
ben  regolare  Ü  coro  dei  cantori  della  capeUa  pontificia,  tanto  nelle 
funzioni  ordinarie  che  straordinarie*"  Darin  finden  sich  auch  die  Bio- 
graphien von  zwölf  der  vorzüglichsten  Kapellsängem. 

Bona,  Johannes,  Eardinalpriester  zu  Bom,  geb.  12.  Okt  1609 
zu  Mondovi  in  Piemont,  trat  im  15.  Lebensjahre  in  die  Kongregation 
der  reformierten  Gisterzienser,  wurde  nach  u.  nach  zum  Prior,  Abt  u. 
1651  General  des  Ordens  erhoben.  Er  zeichnete  sich  sowohl  durch 
Gelehrsamkeit,  als  auch  durch  Frömmigkeit  und  streng  sittlichen 
Charakter  aus.  Für  den  Kirchenmusiker  hat  er  Bedeutung  durch  sein 
Werk:  „Tractatus  bist.,  symbolicus  et  asceticus  de  divina  psalmodia*' 
(Bomae  1653),  worin  er  vom  Kirchengesange,  den  Kirchentönen,  der 
Einführung  der  Orgeln  beim  Gottesdienste  u.  dgl.  handelt.  1669  wurde 
er  zum  Kardinal  creiert  u.  starb  1674. 

Bona,  Valerie,  Mönch,  geb.  zu  Brescia  in  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  Jhdts.,  war  einige  Zeit  Kap.-M.  zu  Vercelli,  Mondovi  u.  Mailand, 
u.  bewies  sich  als  fleissigen  Komponisten  u.  theoret.  Schriftsteller.  Von 
ihm  sind  bekannt:  Messen,  Motetten,  Madrigale;  dann  „Begole  del 
Gontrapuncto  e  Composizione^*  (Casale  1595);  „Esempj  delli  passaggi, 
delle  consonanze  et  dissonanze  e  d'altre  cose  pertinente  al  Gompositore" 
(Mailand,  15%). 

Bonaventura,  de  Brescia  beigenannt,  wo  er  in  der  zweiten 
Hälfte  des  15.  Jhdts.  geboren  ward,  ein  Minorit  u.  theoret.  Schrift- 
steller, hinterliess  „Breviloquium  musicale"  (Venet.  J497);  „Begula 
musicae  planae^^  (Venet.  1500);  „Brevis  coUectio  artis  musicae,  que 
dicitur  Ventura"  (1489.  Mscrpt.) 

Bonhomins,  Peter,  Kanonikus  an  der  Kirche  zum  hL  Kreuz  in 
Lüttich,  zu  Anfang  des  17.  Jhdts.,  komponierte  unter  anderem:  „Melodiae 
sacrae,  quas  vulgo  mutettas  appeUant"  (Francofurü  1608),  u.  Misaae 
12  voc.  (Antwerp.  1617). 


Bonomi  —  Brandl«  41 

Bonomi,  Pietro,  Eomponist  ans  der  röm.  Schule  n.  Sänger  an 
der  päpstl.  Kapelle.  1607  veröffentlichte  er  eine  Sammlung  Sstimmiger 
Motetten  u.  später  ein  Buch  Psalmen,  ebenfalls  Ssümmig. 

Bontempi,  Giov.  Andrea,  mit  dem  Beinamen  Angelini,  geb.  um 
1630  zu  Perugia  u.  Schüler  des  Virgilio  Mazochl,  päpstL  Kap.-M. 
wurde  von  seinen  Zeitgenossen  zu  den  kunstreichsten  u.  gelehrtesten 
Musikern  gezählt.  Nachdem  er  einigen  Kirchenchören  in  Born  u.  Venedig 
vorgestanden  wari  begab  er  sich  in  die  Dienste  des  Markgrafen  Ernst 
von  Brandenburg  n.  1660  in  die  des  Kurft&rsten  Georg  II.  von  Sachsen. 
Seine  Kenntnisse  in  andern  Fächern  bewies  er  auch  durch  einige 
politisch-historische  Schriften.  Ausser  *  einigen  Kompositionen  (Opern, 
Oratorien),  schrieb  er  mehrere  theoret  Werke:  „Nova  quatuor  vocibus 
componendi  methodus**  (Dresd.  1660);  „Traotatus,  in  quo  demonstrantur 
occultae  convenientiae  sonorum  systematis  principati*^  (Bologna  1690); 
„Historia  musica,  nella  quäle  si  ha  piena  cognizione  della  Teorica  e 
della  Pratica  Antica  deUa  Musica  harmonica, ...  e  la  Pratica  modema." 
(Perugia  1695).  In  der  Vorrede  nennt  er  sich  „Musicus,  Poeta  et 
Orator."  Sein  Todesjahr  ist  unbekannt;  sächsischer  Kap.-M.  war  er 
über  30  Jahre.  i 

Borghi,  Giov.  Battista,  geb.  zu  Orvieto  um  17^  u.  gest.  zu 
Anfang  des  jetzigen  Jhdts.,  ein  guter  Kirchen-  u.  OpemS6mponist  u. 
1770  Kap.-M.  a^  der  Santa  Casa  in  Loretto. 

Boroni,  Antonio,  geb.  1738zuBom,  ein  gutecKirchenkomponist 
und  von  1770—1780  zu  Stuttgart  in  Diensten  des  Herzogs  v.  Württem- 
berg; starb  als  Kap.-M.  an  St.  Peter  in  Bom  1797. 

Bonmonyille,  Jean  Valentin,  geb.  1585zuNoyon,  erst  Kap.-M. 
in  Bouen,  Evreux,  S.  Quentin,  Abbeville,  dann  zuletzt  seit  1620  an  der 
Kathedrale  zu  Amiens,  war  einer  der  besten  Komponisten  u.  Organisten 
unter  Ludwig  Xm.  Er  hatte  auch  eine  Musikschule  gegründet,  aus 
welcher  verschiedene  ausgezeichnete  Tonkünstler  hervorgegangen  sind. 
—  Jacques  B.,  ein  Enkel  desselben,  geb.  1676  zu  Amiens  u.  gest. 
1758,  war  ein  Schüler  Bemiers  u.  wurde  besonders  wegen  seiner 
Kirchenkompositionen  von  Eameau  sehr  geschätzt. 

Braccini,  Luigi,  geb.  zu  Florenz  1754  u.  gest.  1791;  ein  Schüler 
des  P.  Martini,  hat  vorzügliche  Kirchenkompositionen  geliefert. 

Bramini,  G  i  a  c  o  m  o ,  geb.  zu  Bom  um  1640,  Schüler  des  Oraz. 
Benevoli,  wurde  Kap.-M.  an  der  Kirche  S.  Maria  delle  Gonsolazione  vu 
starb  1674  (8-,  12-  u.  16stimmige  Kirchenwerke). 

Brandl,  Johann,  grossherzogl.  badisch.  Musikdirektor,  geb.  14.  Nov. 
1760  zu  Bohr  in  Niederbayem,  gest.  26.  Mai  1837  in  Karlsruhe,  kam  als 
Knabe  von  6  Jahren  ins  Kloster  seines  Geburtsortes  als  Singknabe  u. 
nach  einiger  Zeit  nach  München  als  Kapellknabe  am  Hofe.  Die  Kom- 
position studierte  er  unter  dem  Domkapellmeister  Schlecht  zu  Eichstätt. 
Nachdem  er  einige  Zeit  Novize  im  Kloster  zu  Donauwörth  gewesen. 


f 


42  Brendel  —  Brosig, 

verliess  er  dasselbe  wieder  u.  begab  sich  anf  Reisen.  Nach  mehreren 
Anstellnngen  als  Kapellmusiker  trat  er  1806  die  Stelle  als  Musikdirektor 
in  Karlsruhe  an.  Er  schrieb  sehr  yiele  Werke  der  verschiedenste» 
Gattung,  Oratorien,  Sinfonien,  Quartetten,  Lieder  u.  dgl.,  auch  Messen, 
welche  im  Style  seiner  Zeit  gut  gearbeitet  sind,  aber  an  ungebührlicher 
Textkürzung  leiden. 

Brendel,  GarlFranz,  geb.  zu  Stollberg  im  Harz  26.  Nov.  181), 
studierte  in  Berlin  Philos.  u.  starb  25.  Nov.  1868  als  Prof,  der  Aesthetik 
u.  Musikgeschichte  am  Konservatorium  in  Leipzig.  Seine  Geschichts- 
vorlesungen gab  er  in  2  Bänden  unter  dem  Titel  „Geschichte  der  Musik 
in  Italien,  Deutschland  u.  Frankreich,  von  den  ersten  christl.  Zeiten 
bis  auf  die  Gegenwart"  heraus,  6.  Aufl.  (von  Fr.  Stade  1879).  Sat 
1844  war  er  Eedakteur  u.  Eigentümer  der  „Neuen  Zeitschrift  für  Musik'*; 
1848  edierte  er  „Grundzüge  der  Geschichte  der  Musik"  (Leipzig)  u. 
ebendaselbst  1854  „die  Musik  der  Gegenwart  u.  Gesamtkunst  der 
Zukunft";  ersteres  erschien  1861  in  5.  Auflage. 

Brixi,  Fr.  Xaver,  geb.  in  ^rag  1732,  studierte  fleissig  Musik, 
so  dass  er  bald  für  einen  der  fertigsten  Organiisten  u.  gewandtesten 
Komponisten  galt.  Nachdem  er  an  mehreren  Kirchen  Prags  als  Organist 
u.  Chorregent  fungiert  hatte,  erhielt  er  die  Stelle  eines  Kap.-M.  an  der 
Metropolitankirche  dortselbst.  Sein  Styl  war  lebhaft,  originell,  munter 
u.  überaus  reich  figuriert,  so  dass  die  älteren  Meister  sich  nicht  mehr 
mit  ihm  zufrieden  erklären  konnten ;  er  wusste  sich  in  den  Formen  der 
Imitation,  Fuge  u.  s.  w.  mit  einer  Freiheit,  einem  Schwünge  u.  einem 
Feuer  zu  bewegen,  welche  Bewunderung  verdienen.  Bei  dem  abnehmenden 
kirchlichen  Sinne  jener  Zeit  fanden  seine  Kirchenwerke  auch  weit  und 
breit  das  grösste  Interesse  u.  viele  Nachahmer,  u.  haben  unzweifelhaft 
nicht  wenig  dazu  beigetragen,  das  weltliche  Element  auf  den  Kirchen- 
chören  heimisch  zu  machen.  Er  schrieb  ungeheuer  viel,  so  z.  B.  52 
grosse  u.  24  kleinere  Messen,  sehr  viele  Litaneien,  Vespern,  Offertorien 
n.  dgl. ;  alle  sind  im  polyphonen  Styl  geschrieben.  Brixi  starb  1771  im 
39.  Lebensjahre  -^  welche  Fruchtbarkeit  des  Sche^ffens! 

Broer,  Ernst,  geb.  11.  April  1809  in  Ohlau  (Schlesien),  gest. 
25./26.  März  1886  in  Tamopol,  war  40  Jahre  lang  Organist  an  der 
DorotheenMrche  u.  Regenschori  im  ürsulinerinenkloster  zu  Breslau, 
auch  von  1843—84  G^sanglehrer  am  Mathias-Gymnasium  daselbst.  Er 
schrieb  zaUreiche  Kirchenmusiken,  Messen,  Vespern,  Offertorien  n.  s.  w., 
wovon  einiges  im  Druck  erschien.    Auch  2  Oratorien  komponierte  er. 

Brosi^,  Moritz,  geb.  15.  Okt.  1815  in  Fuchswinkel  bei  Johannis- 
borg  in  Schlesien,  studierte  am  Gymnasium  in  Breslau,  bis  er  sich  ganz 
der  Musik  zu  widmen  entschloss  u.  eifrig  das  Klavierspiel  u.  die  Musik- 
theorie nebst  einigen  Instrumenten  betrieb.  Seine  Vorliebe  für  die 
Kirchenmusik  weckte  bald  den  Drang  zum  Orgelspiel.  Unter  Leitung 
des  Musikdirektors  u.  Domorganisten  Wolf,  dessen  Vorlesungen  über 


Brosawrd  —  Bryennius.  43 

Harmonie  n.  Unterrichtsstunden  im  Orgelspiel  an  der  Universität  er 
drei  Jahre  lang  besuchte  u.  von  dem  er  auch  nachher  noch  Unterricht 
erhielt,  vervollkommnete  er  sich  zu  einem  gediegenen  Musiker.  Im 
Dez.  1842  folgte  B.  .seinem  Lehrer  als  Domorganist  u.  schrieb  während 
dieser  Zeit  eine  Eeihe  gediegener  Orgelsachen.  Nach  dem  im  Jahre 
1852  erfolgten  Tode  des  Eap.-M.  B.  Hahn  trat  er  in  dessen  Stelle  u. 
suohtfr  die  ernste  u.  würdige  Bichtung  der  Kirchenmusik  noch  mehr 
zur  Oeltung  zu  bringen.  Er  erlangte  auch  den  philosophischen  Doktor- 
grad Ui  wurde  nach  dem  Tode  Baumgarts  zweiter  Universitäts-Musik- 
direktor u.  Lehrer  am  königlichen  Institut  für  Kirchenmusik,  sowie 
Dozent  sm  der  Universität  in  Breslau;  er  starb  am  24.  Januar  1887. 
Von  seinen  Werken  sind  im  Druck  erschienen:  9  Messen  mit  Instru- 
mental- u.  eine  filnfstimmige  mit  Orgelbegleitung,  7  Hefte  Gradualien 
u.  OffertorieUj  2  Vespern,  ein  Requiem,  einige  Hymnen,  20  Hefte' 
Orgelkompositionen,  ein  Orgelbuch  in  8  Heften,  die  Melodien  zum 
kathol.  Gesangbuche  der  Diöcese  Breslau,  eine  Modulationstheorie  u. 
eine  kleine  Harmonielehre. 

Brossard,  Sebastian  de,  ein  gelehrter  franz.  Schriftsteller  u. 
Komponist,  geb.  1660  u.  gest.  zu  Meaux  10.  Aug.  1730  als  Grosskaplan 
n.  Kap.-M,  nachdem  er  vorher  dieses  Amt  am  Münster  zu  Strassburg 
begleitet  hatte.  Er  war  der  Erste,  der  sich  ernstlich  in  Frankreich 
mit  der  musikal.  Litterator  beschäftigte.  1703  erschien  zu  Paris  vou 
ihm  ein  „Dictionnaire  de  Musique*^  u.  1792  ebenda  eine  Broschüre  „Sur 
ia  nouvelle  m^thode  d*6crire  le  plain-chant  et  la  Musique/'  Für  die 
Kirche  komponierte  er  vieles,  als  Messen,  Motetten,  Miserere  u.  a. 

Bramel,  A  n  t  o  i  n  e ,  od.  Bromel,  ein  berühmter  niederländischer 
Kontrapnnktist,  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhdts.  blühend,  ein  Zeit- 
genosse des  Josquin  u.  wie  dieser  ein  Schüler  Okenheims,  wird  unter 
die  bedeutendsten  Meister  seiner  Zeit  gezählt.  1505  kam  er  nach 
Ferrara,  wo  er  auch  wahrscheinlich  gestorben  ist.  Kompositionen  vöu 
ihm  sind  teils  gedruckt  in  älteren,  seltenen  Sammelwerken  (z.  B.  „lib. 
quindecim  Missarum^Oi  teils  in  Mscrpt.  noch  vorhanden.  Die  Proske'sche 
Bibliothek  in  Kegensburg  enthält  vieles  von  ihm,  darunter  4  Messen. 

BranelU,  Antonio,  ein  ausgezeichneter  Komponist  zu  Anfang 
des  17.  Jhdts.,  war  zuerst  Kap.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Prato,  danu 
an  der  Kirche  San  Miniato  in  Florenz  u.  endlich  des  Grossherzogs  von 
Toscana.  Ausser  mehreren  Kirchenkompositionen  schrieb  er  ein  Werk 
über  verschiedene  Arten  des  doppelten  Kontrapunktes,  sowie  über  den 
improvisierten  Kontrapunkt  (contrapunto  al  mente). 

Bryennias,  Manuel,  der  letzte  griechische  Musikschriftsteller 
(um  1320).  Seine  „Harmonik,*'  bestehend  aus  3  Büchern,  findet  sich 
mit-  lateinischer  Übersetzung  in  den  von  "Wallis  (Oxford  1699)  heraus- 
gegebenen Opera  mathem.  III.  tom.,  sie  ist  eine  Bearbeitung  und 
Zusammenfassung  früherer  Schriften  über  Musik. 


44  Buohweiser  —  Buns. 

Bnohweiser,  Mathias,  geb.  14.  Sept. >cl 772  zu  Sendimg  bei 
München,  kam  als  Chorknabe  in  seinem  8.  Lebensjahre  in's  Kloster 
Bemried  bei  Stamberg  n.  dann  auf s  Gymnasium  in  München.  Yalesi 
unterrichtete  ihn  im  Gesang  u.  Orgelspiel.  1793  wurde  er  Hoforganist, 
als  welcher  er  viele  Kirchensachen  schrieb. 

Büel  oder  Bnel,  Christoph,  lebte  in  der  ersten  Hälfte  des  17. 
Jhdts.  u.  starb  1631  in  Nürnberg,  wo  er  Kap.-M.  u.  Kanzleiregistrator 
war.  Seine  Kompositionen  sind  vortrefflich  gearbeitet;  auch  schrieb  er 
zwei  Tractate:  „Melos  Harmonicum"  u.  „Doctrina  duodecim  modorum 
musicaUum.*' 

Bühler,  Franz,  geb.  12.  April  1760  in  Schneidheim  bei  Nord- 
lingen,  trat  in's  Benediktinerkloster  in  Donauwörth  u.  ward  1784 
Priester.  Bald  aber  verliess  er  den  Orden  wieder  u.  bildete  sich  unter 
Bosetti  zum  gründlichen  Tonsetzer.  1801  wurde  er  Domkapellmeister 
in  Augsburg,  wo  er  4.  Febr.  1824  starb.  Er  komponierte  sehr  vieles 
für  die  Kirche  u.  schrieb  auch  ein  paar  kleine  theoret.  Werke.  Seine 
Kompositionen  haben  sich  gegenwärtig  überlebt. 

Bnononcini  od.  Bononcinl,  Giov.  Maria,  geb.  zu  Modena  um 
1640,  bildete  sich  zu  Bologna  zum  gründlichen  Musiker  u.  wurde  dann 
Kap.-M.  an  der  Kirche  S.  Giovanni  in  Monte  in  seiner  Vaterstadt.  Er 
schrieb  ausser  vielen  weltl.  Kompositionen  vier  Sstimmige  Messen, 
Kirchensonaten  u.  dgl.  u.  ein  theoret.  Werk:  „Musico  prattico  che 
brevemente  dimostra  il  modo  digiungere  alla  perfetta  cognizione  dl. 
tutte  quelle  cose,  che  concorrono  alla  compositione  dei  Canti,  e  di  cid 
ch*  all'  arte  del  Contrapuhto  si  ricerca.  Di  G.  M.  Bononcini  Modanese 
del  Concerto  degli  Stromenti  dell'  Altezza  Serenissima  di  Modena. 
Bologna  par  Giac.  Monti.  1688."    * 

Darin  behandelt  er  in  zwei  Teilen  zuerst  die  musikaL  Elemente, 
dann  die  Komposition,  besonders  des  Kontrapunkts  mit  den  Kirchentönen 
u.  Intonationen.  Seine  Theorie  ist  auf  die  älteren  Musiker  basiert,  von 
denen  er  seine  Beispiele  nimmt;  er  dringt  darauf,  in  der  kirchlichen 
Kompositionsweise  nach  den  herkömmlichen  guten  Begeln  zu  verfahren, 
t  19.  Nov.  1678. 

Bnmey,  Charles,  englischer  Tonkünstler  n.  musikal.  Schrift- 
steller, auch  Dr.  der  Musik,  geb.  zu  Shrewsbury  im  April  1726,*  gest. 
1814  als  Organist  des  Chelsea-Hospitals.  Er  schrieb  u.  komponierte  viel; 
sein  bedeutendstes  Werk  ist  seine  „Geschichte  der  Musik'^  in  4  Bänden. 

Basnois,  Antoine«  bedeutender  niederländischer  Kontrapunktist[ 
1467  als  Kapellsänger  Karls  des  Kühnen  von  Burgund  angestellt; 
gest.  1481.    Von  seinen  Werken  ist  wenig  erhalten. 

Bniis,  Jacob  von,  ein  Niederländer,  geb.  zu  Anfang  des  16. 
Jhdts.,  ging  nach  Venedig,  wurde  daselbst  Organist  an  der  Markns- 
kirche  u.  errichtete  eine  Notendruckerei.  Er  nennt  sich  selbst  also  auf 
seinen  zwei  wertvollen  Büchern  „Bicercari*^  vom  Jahre  1547  u.  1549 


Buxtehude  —  Cäcilia. '  45 

„Organista  in  S.  Marco  di  Venetia**;  1580  erschienen  von  ihm  zu  Venedig 
,,lIotetti  e  Madrigali  a  4  e  5  voei/' 

Buxtehude,  Dietrich,  einer  der  bedeutendsten  Or^elmeister 
des  17.  Jhdts.,  geb.  1637  zu  Helsinghör,  war  seit  1668  Organist  an  der 
Marienkirche  zu  Lübeck  u.  erwarb  als  solcher  einen  weit  verbreiteten 
Buf.  Er  starb  9.  Mai  1707.  Seine  Orgelwerke  sind  in  neuester  Zeit 
durch  Ph.  Spitta  veröffentlicht  worden. 

C. 

Cavo,  Francisco  Javier,  geb.  1768  zu Naguera bei  Valencia, 
gest  1832;  ward  1810  Kapellsänger,  1816  Organist  u.  1830  Ep.-M.  der 
dortigen  Kathedrale,  einer  der  bedeutenderen  neueren  spanischen  Kirchen- 
komponisten (Messen,  Vespern  u.  s.  w.) 

Caccinf,  Giulio,  auch  Giullo  Romano  genannt,  weil  ein  gebomer 
Aömer,  war  ein  berühmter  Sänger  u.  Komponist  zu  Ende  des  16.  Jhdts«, 
erwarb  sich  viele  Verdienste  um  die  Ausbildung  des  monodischen 
Gesanges  u.  der  Arie,  er  war  Mitbegründer  des  neueren  Musikstyles, 
dessen  Wesen  begleitete  Melodie  ist.    Sein  Todesjahr  ist  etwa  1615. 

Cäcilia,  die  heilige,  welche  in  der  kathol  Kirche  als  Patronin  der 
Tonkunst  verehrt  wird,  lebte  in  der  ersten  Hälfte  des  3.  Jhdts.  n.  Chr. 
zu  Bom  u.  starb  im  Jahre  230  daselbst  den  Martyrertod.  Ihre  Eltern, 
aus  einem  vornehmen  u.  reichen  Geschlechte,  blieben  Heiden,  während 
die  Tochter  den  Glauben  an  Christus  bekannte  u.  sich  dem  göttUchen 
Meister  als  reine  Braut  weihte.  Diesem  hing  sie  mit  ganzem  Herzen 
an  u.  flehte,  als  sie  dem  Drängen  der  Eltern,  sich  mit  einem  vor- 
nehmen Jünglinge,  Valerian,  der  auch  ein  Heide  war,  zu  vermählen, 
sich  nicht  entziehen  konnte,  mit  höchster  Inbrunst  Tag  und  Nacht  zu 
Gott,  sie  vor  jeder  Makel  zu  bewahren.  Ein  Engel  war  ihr  Beschützer, 
dessen  Anblick  den  Valerian  zur  Taufe  bewog,  worauf  auch  dessen 
Bruder  Tiburtius  ein  Christ  wurde.  Beide  empfingen  die  Krone  des 
Martertums;  Cäcilia  suchten  die  Heiden  in  einem  heissen  Bade  zu  töten, 
und  als  sie  wunderbar  beim  Leben  erhalten  worden,  ward  sie  mit  dem 
Schwerte  enthauptet  Später  wurde  ihr  eine  Kirche  geweiht  —  jetzt 
St.  Cäcilia  in  Trastevere  genannt,  erbaut  von  Papst  Urban  I.;  —  Papst 
Paschalis  üess  ihren  hl.  Leichnam  in  dieser  Kirche  beisetzen«  Seit 
dem  16.  Jhdt.  wird  die  hl.  Cäcilia  als  Patronin  der  heiligen  Musik 
verehrt;  der  gelehrte  Abt  Prosper  Gueranger  von  Solesmes  sagt  in 
seinem  Buche  „Die  Geschichte  der  hl.  Cäcilia"  (deutsch  übersetzt, 
Begensburg,  1851)  pag.  50:  „Das  Christentum  hat  die  hl.  Cäcilia  .  .  . 
zu  jeder  Zeit  die  Königin  der  Harmonie  genannt"  und  pag.  191:  „Die 
Kunst  der  Musik,  welche  sich  im  16.  Jhdt«  so  mächtig  aufschwang, 
machte   von  da   an   Cäcilia   zur  Begleiterin  aller  ihrer  Triumphe." 


46  Cäsar  —  Caldara. 

Dichter,  Maler  u.  andere  Künstler  wetteiferten,  die  Heilige  durch  die 
Kunst  zu  verherrlichen.  Die  Bildhauerkunst  des  Mittelalters  entrichtete 
ihren  Trihut,  indem  sie  die  edle  u.  sanfte  Gestalt  Oäcilia's  unter  die 
Säulenhallen  unserer  Kathedralen  stellte,  wo  sie  wie  eine  Königin  unter 
den  Bräuten  Christi  ruht.  Die  Malerkunst  hat  sich  sozusagen  selbst 
übertroffen,  so  sehr  bemühte  sie  sich,  alles  Schöne  u.  Erhabene,  woran 
Cäcüia's  Name  erinnert,  auszudrücken.  Eine  der  besten  Darstellungen 
ist  die  von  Bapjiael.  In  voller  Übereinstimmung  mit  der  Auffassung 
der  Kirche  erscheint  sie  da  als  Verächterin  der  weltlichen  Musik  u. 
Schirmheilige  der  höheren  u.  himmlischen  Kunst.  Zu  ihren  Füssen  liegen 
die  Embleme  der  weltlichen  Musik  zerstreut,  gleichsam  mit  Füssen 
getreten;  das  Instrument,  .das  sie  in  ihren  Händen  hält,  sinket  nieder, 
und  Cäcilia  hört  mit  auf  den  Himmel  gerichtetem  Blick  in  heiligem 
Entzücken  auf  die  Musik,  welche  die  Engel  über  ihrem  Haupte  mit 
Begeisterung  ausführen. 

Dass  die  hl.  Cäcilia  als  Patronin  der  heil.  Musik  erwählt  wurde, 
hat  seinen  Grund  nicht  in  etwaigen  Verdiensten  um  Musik  in  der 
Heiligen  irdischem  Leben,*  nicht  in  etwaigem  eifrigen  Musikbetrieb, 
sondern  darin,  dass  sie,  wie  es  die  Kirche  in  der  ersten  Antiphon  ad 
Landes :  „Cantantibus  organis  .  .  .'*  ausspricht,  ihren  Geist  u.  ihr  Herz 
von  den  weltlichen  Klängen,  die  so  reizend  beim  Einzüge  in  das  Haus 
ihres  Bräutigams  in  ihre  Ohren  drangen,  abzog  li.  himmlische  Gesänge 
u.  Harmonien  sang,  wie  sie  auch  nach  heiliger  Harmonie  ihres  Herzens 
mit  dem  Herzen  ihres  göttlichen  Bräutigams  strebte.  Von  ihr  hat  auch 
der  Cäcilienverein  (s.  d.)  seinen  Namen  entlehnt  u.  sie  zur 
Patronin  erwählt. 

Cäsar,  Job.  Melchior,  geb.  zu  Zabem  im  Elsass  um  die  Mitte 
des  17.  Jhdts.,  war  1683  Kp.-M.  zu  Würzburg  u.  1687  Dom-Kp.-M.  in 
Augsburg;  er  komponierte  Messen,  Offertorien,  Psalmen,  Hymnen  u. 
weltliche  Musiken. 

Cadeac,  Pierre,  franz.  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts.,  Chor 
knabenmeister  in  Auch.  Messen  u.  Motetten  von  ihm  sind  1555 — 58 
zu  Paris  im  Druck  erschienen,  einige  Werke  finden  sich  auch  In 
Sammlungen. 

Cafaro  od.  Caffaro,  Pas  quäle,  geb.  8.  Febt.  1708  zu  S.  Pietro 
in  der  neapolitanischen  Provinz  Lecce,  studierte  unter  Leo  zu  Neapel 
die  Komposition.  Später  wurde  er  Kp.-M.,  1750  Professor  am  Konser- 
vatorium u.  starb  am  23.  Okt  1787.  Ausser  mehreren  Opern,  Kantaten 
u.  Oratorien  schrieb  er  auch  Kirchenmusik,  so  ein  „Stabat  mater,**  das 
dem  Pergolesischen  gleichgestellt  wird;  u.  einen  Psalm  (Ps.  106  Con- 
fitemini)  für  Solo  u.  Chor  mit  Orchesterbegleitung.  Seinen  Werken  ist 
viel  natürliche  Anmut  u»  Beinheit  des  Styles  eigen. 

Caldara,  Antonio,  geb.  zu  Venedig  1670,  Schüler  seines  Lands- 
mannes Legrenzi,  Hess  in  seinem  19.  Jahre  seine  erste  Oper  aufführen 


r-- 


Galdarera  —  Campioni.  47 

u.  wurde  1714  Kp.*M.  in  Mantna;  1716  ging  er  nach  Wien,  wo  er  den 
Titel  Vice-Hofkp.-M.  erhielt  n.  dem  knnstliebenden  Karl  VI.  Unterricht 
Hl  der  Komposition  erteilte,  wo  er  am  28.  Dez.  1736  starb.  Von  seiner 
ausserordentlichen  Fruchtbarkeit  zeugen  über  50  Opern,  viele  Oratorien, 
dann,  eine  Unzahl  von  Messen,  Psalmen  u.  andern  Eirchenstücken  u.  dgl. 

Galdarera,  Michele,  geb.  zu  Borgo-Sesia  den  28.  Sept.  1702, 
studierte  in  Mailand  Komposition  u.  starb  als  Kp.-M.  an  8.  Evasio  in 
Casale  im  Jahre  1742.  Er  hinterliess  eine  grosse  Anzahl  von  Ejrchen- 
kompositionen  in  Manuscript 

Calegari,  Francesco  Antonio,  ein  Franziskanermönch,  geb. 
zu^Padua  zu  Ende  des  17.  Jhdts.,  1702  Kp.-M*  an  einem  Minoritenkloster 
zu  Venedig,  1724  zu  Padua,  genoss  eines  grossen  Eufes  als  Kirchen- 
komponist.  Gedruckt  sind:  Neun  Psalmen  u.  „Cantate  de  Camera";  eine 
theoretische  Abhandlung:  „Ampia  dimostrazione  degli  armoniali  musi- 
cali  Tuoni,^'  ist  1829  von  Melchior  Balbi  zu  Venedig  unter  dem  Titel: 
„Trattato  del  sistema  armonica  di  Fr.  Ant.  Calegari  etc."  herausgegeben 
worden. 

Calmet,  Augustin,  geb.  1672  zu  Mesnil  la  Horgue  in  Loth- 
ringen, trat,  durch  grosse  Geistesgaben,  unermüdlichen  Fleiss  u.  reinste 
Sitten  ausgezeichnet,  1688  in  den  Benediktinerorden  im  Kloster  Breuil, 
wo  er  studiert  hatte.  Seine  geistige  Thätigkeit  wendete  sich  vorzüglich 
der  hl.  Schrift  zu  u.  schuf  sein  berühmtes  Werk:  „La  s.  Bible  en  latiu 
et  frangais  avec  un  commentaire  litt^ral  et  critique,"  welches  von 
1707—1716  zu  Paris  in  23  Quartbänden  «in  erster  Auflage  erschien. 
Bald  gab  er  es  in  zweiter  u.  dritter  vermehrter  Auflage  heraus,  und 
seitdem  fand  es  viele  neue  Ausgaben  u.  Übersetzungen  in  fremde 
Sprachen.  In  diesem  Werke  giebt  er  mehrere  gelehrte  Abhandlungen 
über  die  Musik  u.  die  Instrumente  der  alten  Hebräer.  Nach  einer 
langjährigen,  sowohl  für  die  Wissenschaft  als  die  Angelegenheiten 
seines  Ordens  gesegneten  Wirksamkeit  endete  Calmet  als  Abt  von 
Senones  am  25.  Okt.  1757  sein  Leben  in  einem  Alter  von  86  Jahren. 

Calvi,  Lorenzo,  Musiker  an  der  Kathedrale  zu  Pavia  in  der 
ersten  Hälfte  des  17.  Jhdts.,  hat  4  Sammlungen  Motetten  zu  2,  3  u. 
4  Stimmen,  u.  1626  in  Venedig  „Kosarium  litaniarum  B.  V.  M."  ver- 
öffentlicht. 

Gamerioher  od.  Gamerlocher,  Placidus  von,  geb.  in  Bayern 
1720,  gest.  als  geistl.  Rat  u.  Kp.-M.  des  Fürstbischofs  von  Freising  1776 
wird  als  vortrefflicher  Orgel-,  Lauten-  u.  Violinspieler  gerühmt.  Er 
schrieb  ausser  vielen  weltlichen  Musikstücken  eine  ziemliche  Anzahl 
Messen,  Litaneien,  Vespern,  Motetten  u.  dgl. 

Campioni,  Carlo  Antonio,  geb.  zu  Livorno  um  1720,  wurde 
1764  Kp.-M.  des  Grossherzogs  von  Toscana.  Er  komponierte  vieles  für 
die  Kirche;  Kenner  wollen  aber  seinem  Style  in  Kirchenmusik  nicht 
genug  Einfachheit  u.  Würde  zugestehen.    Er  starb  1793  zu  Florenz  u. 


48  Campisi  *-  Caramuel  de  Lobkowitz. 

hinterliess  eine  der  grössten  Sammlimgexi  von  Singkompositionen  ans 
dem  16.  n.  17.  Jhdt. 

Campisi  od.  Campesiiis,  Domenico,  geb.  zu  Baialbnto  in  Sici- 
lien  zn  Ende  des  16.  Jhdts.,  trat  zn  Palermo  in  den  Dominikanerorden 
tt.  wurde  1629  in  Eom  Professor  der  Theologie.  Als  Komponist  genoss 
er  grosses  Ansehen.  (2  Bücher  Motetten  zn  2,  3  n.  4  Stimmen;  „Con- 
centns  floridns,  2,  3,  4  et  5  voc.  modnlandua^  Bomae  1622;  2  Bücher 
„Lilia  campi,'*  mehrstimmige  Gesänge  zn  Ehren  der  sei.  Jnngfiran 
Uaria,  Eom  1623  u  1627). 

Campra,  Andr6,  der  bewimdertste  Opemkomponist  in  Frankreich 
nach  Lnlly  u.  Bamean,  geb.  zn  Aix  in  der  Provence  den  4.  Dez,  1660, 
war  von  1679  an  Kp.-M.  zn  Tonion,  Arles,  Toulouse,  1694  war  er  Musik- 
meister an  der  Ejrche  der  Jesuiten  u.  dann  an  der  Notre-Dame-Eirche 
zu  Paris,  komponierte  manches  für  die  Kirche,  wendete  sich  aber  später 
der  Bühnenkomposition  zu,  welche  ihm  die  schönsten  Lorbeeren  u.  die 
Ernennung  zum  königl.  Kp.-M.  (1722)  einbrachte.  Er  starb  zu  Versailles, 
den  29.  JuH  1744. 

Canniccari,  Pompejo,  ein  Kirchenkomponist  aus  der  römischen 
Schule,  wurde  1709  Kp.-M.  an  S.  Maggiore  in  Bom  u.  starb  29.  Sept. 
1744.  (4chörige  Messen  u.  Motetten,  auch  4-,  5-  u.  8stim.  Messen  u. 
verschiedene  Kirchensachen  zu  3 — 8  Stimmen). 

Cantone,  Girolamo,  ein  Minorit  zu  Turin^  um  die  Mitte  des 
17.  Jhdts ,  gab  „Armonia  Gregoriana*'  (1678),  einen  Traktat  über  den 
Kirchengesang  heraus. 

Cantone,  Serafino,  geb.  im  Mailändischen,  Mönch  im  Kloster 
8.  Simpliciani  in  Mailand  u.  Organist  im  Dome  daselbst,  war  seiner  Zeit 
(am  Anfange  des  17.  Jhdts.)  ein  sehr  geschätzter  Komponist. 

Capalti,  Francesco,  geb.  zu  Fossombrone  im  Kirchenstaate, 
Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Nami,  ist  der  Verfasser  eines  Werkes 
über  Kontrapunkt:  „II  contrapuntisto  practico."    Trient,  1788. 

Capello,  Giov.  Maria,  ein  ital.  Komponist  zn  Ende  des  16. 
Jhdts.  in  Venedig  geb.  u.  Organist  an  der  Kirche  delle  Gratie  in  Brescia. 
(16  Bücher  Messen  u.  Psalmen ) 

Capilnpi,  Geminiano,  ital.  Komponist  des  16.  Jhdts.,  Schüler 
des  Orazio  Vecchi,  ward  1604  Kp.-M.  zu  Modena,  als  welcher  er  den 
31.  Aug.  1616  starb. 

Capponi,  Giuo  Angelo,  Komponist  aus  der  röm.  Schule  um  die 
Mitte  des  17.  Jhdts ,  hinterliess  viele  Kirchensachen. 

Caramnel  de  Lobkowits,  Johann,  geb.  zu  Madrid  d.  23.  Mai 
1606,  trat  in  den  Benediktinerorden  u.  starb  den  8.  Sept.  1682  als 
Bischof  von  Vigevano  im  Mailändischen.  Er  hatte  den  Buhm  eines 
ausgezeichneten  Theologen  u.  Mathematikers  u.  gab  unter  seinen 
zahlreichen  Werken  auch  folgendes  heraus:  „Arta  nueva  de  Musica 
inventada  anno  600  por  S.  Gregorio,  deconcertada  anno  1026  por  Guido 


Caravacoio.  —  Carl  der  Grosse.  49 

Aretino,  restituida  a  sua  primera  perfeccion  anno  1620  por  Fr.  Pedro 
de  ürena,  y  redncida  a  este  breve  compendio  anno  1644  por  J.  0.** 
(Roma  1669).  Auf  die  Musik  Bezügliches  findet  sich  auch  in  seinen 
Werken:  „Cursus  Mathematici"  u.  „Mathesis  audax/' 

CaravacciOy  Giovanni,  ein  Komponist  zu  Anfang  des  17.  Jhdts., 
war  £p.-M.  an  der  Kirche  S.  Maria  maggiore  zu  Bergamo. 

Oardane,  ein  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts.,  von  dem  noch  unent- 
schieden ist,  ob  er  ein  Franzose  od.  Niederländer  sei.  Von  ihm  sind 
12  Missae  cum  4  voc,  you  den  berühmtesten  Meistern  komponiert, 
1554  zu  Paris  herausgegeben  worden.  Sonst  hat  sich  yon  ihm  nichts 
erhalten. 

Cardoso,  Manuel,  zu  Fronteira  1569  geb.,  trat  1588  zu  Lissabon 
in  den  Karmeliter-Orden,  wurde  Subprior  u.  Kp.-M.  in  demselben,  zeich- 
nete sich  als  einer  der  grössten  Komponisten  seines  Vaterlandes  aus 
u.  kam  dadurch  bei  Johann  IV.  in  hohes  Ansehen.  Er  schrieb  aus- 
schliesslich für  die  Kirche,  wovon  mehreres  in  Druck  erschien,  unter 
anderm  auch  eine  Sammlung  von  Gesängen  für  die  hl.  Woche,  welche  von 
den  Historikern  als  höchst  beachtenswert  gepriesen  wird.  Er  erreichte 
ein  Alter  von  81  Jahren.  Viele  seiner  Werke  werden  auf  der  königl. 
Bibliothek  zu  Lissabon  in  Manuscript  aufbewahrt.  —  Ein  anderer 
Cardoso  Manuel,  Kirchenkomponist  u.  Kapellan  Johann's  III.  von 
Portugal,  geb.  zu  Lissabon  um  die  Mitte  des  17,  Jhdts,  hat  ein 
„Passionarium'*  für  die  königl.  Kapelle  herausgegeben. 

Cärissimi,  Giacomo,  um  1604  zu  Marino  im  Kirchenstaate  geb., 
bildete  sich  in  Rom  in  der  Komposition  aus,  ward  dann  Kp  -M.  zu  Assissi 
u.  1628  nach  Eom  zurückgekehrt,  Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Apollinaris 
daselbst,  wo  er  1674  starb.  Als  Komponist  war  er  gerühmt  u.  bewundert; 
er  zeigte  sich  als  Verbesserer  in  musikalischen  Dingen,  z.  B.  wurde 
durch  ihn  das  Recitativ  u.  die  Kammerkantate  vervollkommnet;  über- 
haupt hat  er  alle  Formen  seiner  Zeit  runder  u.  fasslicher  gemacht, 
sowie  die  Steifheit  u.  ünbeholfenheit  der  Melodie  um  vieles  gemildert. 
Unter  seinen  Schülern  werden  Cesti,  Buononcini  u.  Alessandro  Scarlatti 
besonders  namhaft  gemacht.  —  Er  hat  überaus  viel  komponiert,  wovon 
nur  2  Sammlungen  2-,  3-  u.  4stim.  Motetten  (Rom  1664  u.  67),  5-  u.  9stim. 
Messen  mit  einigen  andern  Gesängen  (Köln  1663  u.  66),  22  Kantaten 
zu  Anfang  des  18.  Jhdts.  in  London;  „Concerti  sacri  a  2,  3,  4  e  5  voci" 
(Rom,  1675);  „Arie  di  camera  col  basso  continuo"  (Rom,  1667)  in  Druck 
erschienen.  Alles  Übrige  findet  sich  in  Mscrpt.  in  öffentlichen  u.  Privat- 
BibHotheken  zerstreut.  Eine  kleine  Abhandlung  „Ars  cantandi^*  findet 
sich  nur  mehr  in  deutscher  Übersetzung.  (Augsburg  1692,  1700  .-. .). 

Carl  der  Grosse,  geb.  am  2.  April  742,  gest.  28.  Jan.  814,  ist 
nicht  blos  in  der  politischen  Geschichte  der  gewaltigste  u.  bedeutendste 
unter  allen  fränkischen  Herrschern,  alB  Eroberer,  Gesetzgeber  und 
Volksbildner,  sondern  auch  in  anderen  Beziehungen  gross  gewesen. 

Kornmüller,  Lexikon.    II.  Bd.  4 


^wr-^ 


50  Carl  der  Grosse. 

Während  seiner  Eegierung  (seit -768  fränkischer  König,  von  800—814 
Tom.  Kaiser),  dachte  er  nicht  blos  daran,  sein  Beich  zu  erweitem, 
«ondem  vielmehr  noch,  den  unterworfenen  heidnischen  Völkerschaften 
die  Segnungen  des  Christentums  zu  vermitteln;  er  hat  vorzüglich  das 
Verdienst,  die  romanisch-christliche  Bildung  nach  Deutschland  verpflanzt 
u.  somit  zur  Sittigung  dieses  Landes  u.  Volkes  den  ersten  Schritt 
gethan  zu  haben.  Für  Kunst  u.  Wissenschaft  that  er  alles  u.  so  sehen 
wir  in  ihm  auch  einen  besonderen  Förderer  der  Musik.  Er  selbst  ver- 
stand sich  auf  den  Gesang,  nahm  am  Gesänge  der  Mönche  Teil  und 
forderte  von  den  Geistlichen  hinreichende  Kenntnis  desselben.  Ein 
Priester,  welcher  des  Gesanges  unkundig  war,  durfte  weder  vor  ihm 
erscheinen  noch  auf  eine  Gunst  rechnen.  Da  er  774  zu  Born  war,  fand 
er,  wie  sehr  seine  Sänger  hinter  den  römischen  zurückständen,  u.  wie 
sehr  der  fränkische  Kirchengesang  von  dem  römischen  abweiche. 
Deshalb  bat  er  den  Papst  Hadrian  um  Sänger;  er  erhielt  deren  zwei, 
Theodor  u.  Benedict,  von  welchen  Carl  den  einen  nach  Metz,  den  andern 
nach  Soissons  schickte,  um  in  den  dortigen  Singschulen  die  richtige 
römische  Gesangsweise  zu  lehren.  Zugleich  befahl  er  allen  Singmeistem 
der  fränkischen  Städte,  ihre  Antiphonarien  von  diesen  Lehrern  ver- 
bessern zu  lassen  u.  durch  ihren  Unterricht  den  ordentlichen  Gesang 
wieder  zu  erlernen.  Er  hatte  eine  eigene  Hofkapelle  u.  Hofsingschule, 
die  er  oft  in  eigener  Person  besuchte  u.  wobei  er  dann  auch  selbst  die 
Schüler  unterrichtete.  Um  dem  Gesänge  in  seinem  ganzen  Beiche  auf- 
zuhelfen, sorgte  er  nicht  blos  für  Hebung  der  schon  bestehenden  Sing- 
schulen, z.  B.  neben  Metz,  Paris  u.  Soissons  noch  in  Orleans,  Sens, 
Tours,  Lyon,  Cambrai,  Dijon  im  Frankenreiche,  Fulda,  St.  Gallen, 
Beichenau  u.  a.  mehr  in  Deutschland,  sondern  er  schritt  auch  mit  Ver- 
ordnungen zur  Errichtung  neuer  Schulen  ein.  In  mehreren  Kapitularien 
bestimmte  er,  dass  in  allen  Klöstern  u.  an  allen  bischöflichen  Sitzen 
Schulen  seien,  in  denen  die  Söhne  der  Adeligen  u.  Hörigen  Unterricht 
in  der  Grammatik,  Musik  u.  Arithmetik  erhielten.  In  Generalien,  die 
er  an  die  Metropoliten,  Bischöfe  u.  Äbte  entsendete,  schärfte  er  ihnen 
dasselbe  ein.  Im  Konzil  zu  Aachen  803  wird  verordnet,  dass,  nachdem 
der  gregorianische  Gesang  als  der  normale  —  „sicut  psallit  ecclesia 
romana^*  —  bestimmt  sei,  die  Kirchenvorstände  ihre  Singschulen  an 
geeigneten  Orten  einrichten  sollen  u.  „die  Knaben  in  den  öffentlichen 
Schulen  sollen  Psalmen,  Noten,  Singen  u.  dgl.  lernen."  Um  796  Hess 
er  nochmals  2  Sänger  von  Bom  kommen,  Petrus  u.  Bomanus,  von  denen 
Petrus  nach  Metz  ging,  Bomanus  aber  mit  seinem  authentischen  Anti- 
phonar  in  St.  Gallen  bÜeb.  Ausserdem  beauftragte  Carl  den  Eginhard 
mit  der  Sammlung  alter  deutscher  Volksgesänge,  sowie  den  Paul 
Wamefried  (Paulus  Diaconus),  lateinische  Hymnen  anzufertigen.  Aber 
nicht  blos  für  die  praktische  Musik  war  Carl  ein  eifriger  Beförderer, 
sondern  auch  die  Betreibung  der  Theorie  fand  durch  ihn  einen  kräftigen 


Carl  Borromäus.  51 

Anstoss.  Au  den  dnrch  ihn  angeregten  u.  eingerichteten  Schulen  u. 
wissenschaftlichen  Anstalten  war  die  Musik  unter  die  sieben  freien 
Künste  gerechnet  u.  ihr  durch  Alcuin  die  «zweite  Stelle  in  den  physi- 
kalischen Fächern  eingeräumt.  Dadurch  kam  das  Musikstudium  so  zu 
Ehren,  dass  es  als  Mangel  an  Wissenschaftlichkeit  angesehen  wurde, 
wenn  ein  öffentlicher  Lehrer  hierin  sich  unwissend  zeigte,  u.  dass  es 
zum  vollständigen  Buhme  eines  gefeierten  Mannes  gehörte,  wenn  von 
ihm  auch  gesagt  werden  konnte,  dass  er  Musik  verstehe.  Deutschland 
u.  Frankreich  haben  sonach  alle  Ursache,  den  grossen  Kaiser  auch  in 
musikal.  Beziehung  hoch  zu  ehren  u.  seine  grossen  Verdienste  um  die 
Tonkunst  in  unauslöschlichem  Andenken  zu  erhalten. 

Carl  Borromäus,  der  heil.  Erzbischof  von  Mailand,  verdient  hier 
einer  besonderen  Erwähnung,  weil  er  mit  der  Eealisierung  der  Be- 
schlüsse des  Kirchenrates  von  Trient  bezüglich  der  Kirchenmusik  be- 
sonders voranging.  Geb.  d.  2.  Okt.  1538  zu  Arona  aus  einem  altadeligen 
itaL  Geschlechte,  errang  er  am  Ende  seiner  akademischen  Laufbahn 
das  Doktorat  beider  Eechte.  Als  Abt  der  Benediktinerabtei  zu  Arona 
bewährte  er  sich  hierauf  als  einen  zwar  unwillkommenen,  aber  heil- 
samen Beformator*  Nachdem  sein  Oheim  als  Pius  IV.  den  päpstlichen 
Stuhl  bestiegen  hatte,  ward  Carl  nach  Rom  berufen,  wo  er  sechs  Jahre 
(1560 — 1566)  in  verschiedenen  Ämtern  die  wichtigsten  Dienste  leistete. 
Unterdessen  war  er  auch  zum  Kardinal  u.  Erzbischof  von  Mailand  er- 
hoben, u.  so  gerne  er  in  seiner  Diözese  verweilt  hätte,  liess  es  doch 
der  Papst  nicht  zu,  da  er  seiner  Weisheit  u.  Klugheit  noch  sehr 
bedurfte.  Ein  vorzügliches  Verdienst  gewann  er  dadurch,  dass  er  als 
Kardinal-Staatssekretär  die  Angelegenheiten  der  allgemeinen  Kirchen- 
versammlung zu  Trient,  welche  in  dieser  Zeit  zum  letzten  Male  berufen 
wurde,  mit  der  ganzen  Energie  seines  Geistes  u.  dem  mächtigen  Ein- 
flüsse seines  Ansehens  beförderte  u.  zur  Durchführung  der  Beschlüsse 
rastlos  beitrug.  Ausser  seiner  Teilnahme  an  der  Herausgabe  des 
röm.  Katechismus,  des  neuen  Messbuches  u.  Breviers  u.  dgl.  ward  er 
auch  als  besonderer  Kenner  der  Musik  in  die  Kommission  gewählt, 
welche  über  die  Zulassung  u.  Behandlung  der  Figuralmusik  in  der 
Kirche  ihr  Gutachten  abzugeben  hatte,  u.  er  war  es,  welcher  den  Pa- 
lestrina  beauftragte,  eine  Messe  zu  komponieren,  die  den  Forderungen 
der  Kirchenversammlung  entspräche.  Als  er  1566  endlich  seine  Ent« 
lassnng  von  Born  erwirkt  hatte  u.  nach  Mailand  zurückgekehrt  war, 
wendete  er  neben  der  Beformierung  seiner  Diözese  nach  den  Beschlüssen 
des  Konzils  seine  Sorge  der  Kirchenmusik  zu.  Im  ersten  zu  diesem 
reformatorischen  Werke  abgehaltenen  Provinzialkonzil  (1576)  weisen  die 
Akten  schon  ein  eigenes  Kapitel  auf:  „De  officio  magistri  chori  et  cere- 
moniarum,^*  worin  unter  anderm  die  Forderung  gestellt  wird,  dass  die 
Sänger,  wo  es  immer  möglich  ist,  Kleriker  sein,  jedenfalls  u.  alle  Zeit 
aber  im  Chor  in  klerikaler  Kleidung  u.  mit  Chorrock  erscheinen  sollen, 

4* 


52  Cameiro  —  Casali. 

Femers  trilft  ein  anderes  Kapitel  „de  Mnsica  et  Gantoribus'*  Bestim* 
mungen  über  die  Beschaffenheit  des  kirchl.  Gesanges,  dass  er  ernst, 
würdig  u.  frei  von  allem  leichtfertigen  Wesen  sei;  die  Orgel  wird  in 
der  Kirche  zulässig  erklärt,  nicht  aber  Flöten,  Hömer  u.  andere 
Instrumente.  Im  4.  Mailänder  Konzil  wird  auch  der  Gebrauch  von 
Instrumenten  bei  Prozessionen  untersagt.  Nachdem  der  hl.  Erzbischof 
mit  rastlosem  Eifer  für  seine  Kirche,  seinen  Klerus  u.  sein  Volk  die 
herrlichsten  Einrichtungen  getroffen  u.  die  weisesten  Verbesserungen 
vollzogen  hatte,  starb  er  zu  Mailand  den  3.  Nov.  1584,  den  Euhm  eines 
der  weisesten,  kräftigsten  u.  frömmsten  Bischöfe,  die  je  die  Kirche 
zierten,  hinterlassend. 

Carneiro,  Manuel,  ein  KarmeUtermönch,  guter  Orgelspieler  u. 
Kirchenkomponist,  geb.  zu  Lissabon  um  die  Mitte  des  17.  Jhdts.,  und 
gest.  im  Jahre  1695. 

.  Caron,  Firmin,  ein  berühmter  Kontrapunktist  des  15.  Jhdts.  Er 
soll  um  1420  in  Frankreich  geboren  u.  ein  Zeitgenosse  des  Binchois, 
Kegis,  Okenheim  u.  a.  gewesen  sein,  u.  Binchois  od.  Dufay  zum 
Lehrer  gehabt  haben. 

Carpani,  Gaetano,  Kp.-M.  an  der  Jesuitenkirche  zu  Eom  in  de^ 
Mitte  des  vor.  Jhdts.,  genoss  sowohl  als  Kompositionslehrer  als  auch 
als  Kirchenkomponist  ein  grosses  Ansehen,  Er  hinterUess  in  Mscrpt. 
viele  Messen,  Psalmen,  Motetten,  Litaneien  u.  a.  m. 

Garpentras,  eigentlich  Genet,  Eliazar,  ein  französischer  Kontra- 
punktist aus  der  2.  Hälfte  des  15.  Jhdts.,  geb.  zu  Oarpentras,  woher 
sein  Beiname  rührt.  Unter  Leo  X.  trat  er  in  die  päpßtL  Kapelle  als 
Sänger  u.  gewann  durch  die  Komposition  einiger  Magnificate  u.  beson- 
ders der  Lamentationen  des  Propheten  Jeremias  so  sehr  die  Zuneigung 
des  Papstes,  dass  dieser  ihn  1518  zum  Bischof  in  partibus  ernannte, 
nachdem  er  schon  1515  zur  Stelle  des  ersten  Sängers  u.  bald  auch  zum 
Amte  des  Kp.-M.  vorgerückt  war.  1521  ward  er  in  Angelegenheiten 
des  päpstl.  Stuhles  nach  Avignon  entsendet,  von  wo  er  erst  nach  dem 
Tode  Hadrian  YL  nach  Bom  zurückkehrte.  Sein  Todesjahr  ist  unbe- 
kannt. —  Die  genannten  Lamentationen  wurden  in  der  päpstlichen 
Kapelle  alljährlich  bis  zum  Jahre  1587  gesungen ;  von  da  an  traten  die 
Lamentationen  Palestrina's  anf  Befehl  Sixtus  V.  an  ihre  Stelle. 

'  Caireira,  Antonio,  Kp.-M.  der  Könige  Sebastian  u.  Heinrich  von 
Portugal,  war  ein  fruchtbarer  Kirchenkomponist;  viele  seiner  Werke 
(Lamentationen  u.  Motetten)  bewahrt  die  königl.  Bibliothek  in  Lissabon. 

Cartari,  Giuliano,  Franziskanermönch  u.  Kp.-M.  des  Klosters 
S.  Francesco  in  Bologna,  blühte  um  1588.  Durch  Druck  sind  zu  Venedig 
mehrere  seiner  Werke  veröffentlicht  worden. 

Casali,  Giov.  Battista,  1759  Kp.-M.  an  S*  Joan.  im  Lateran 
zu  Eom,  gest.  im  Juli  des  Jahres  1792,  komponierte  eine  grosse  Menge 
von  Kirchenstücken,  von  denen  die  Bibliothek  des  Abbate  Santini  in 


Casati  —  Casparini.  53 

£om  eine  grosse  Auswahl  enthält.    Unter  seinen  Schülern  befand  sich 
auch  Qretry. 

Casati,  Girolamo,  Ep.-M.  zu  Mantua  zu  Ende  des  16.  Jhdts., 
komponierte  vieles  für  die  Kirche:  „HaJ*nionicae  Cantiones  a  1,  2,  3, 
d  et  5  Toc'*;  Messen^  Magnificate,  Motetten,  Psalmen  u.  dgl.  —  C, 
Francesco,  geb.  zu  Mailand  zu  Ende  des  16.  Jhdts.,  war  Organist 
an  mehreren  Kirchen  dieser  Stadt;  von  seinen  Motetten  finden  sich 
einzelne  in  verschiedene  Sammlungen  aufgenommen.  —  C,  Gasparo, 
aus  Venedig,  um  die  Mitte  des  17.  Jhdts.  bltthend,  war  als  Yokal- 
komponist  sehr  geschätzt.  —  C,  Teodoro,  geb.  zu  Mailand  um  1630, 
zuerst  Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Fidele,  dann  an  der  S.  Sepolcro,  zuletzt 
Organist  im  Dom  (um  1667),  machte  sich  durch  mehrstimmige  Messen 
a.  Motetten  bekannt. 

Caseiolini,  Claudio,  wahrscheinlich  der  rOmischen  Schule  an- 
gehörig, war  nach  seinen  noch  vorhandenen  Werken  eine  der  grössten 
Zierden  dieser  Schule;  die  Zeit  seiner  Wirksamkeit  scheint  in  den  Anfang 
des  18.  Jhdts.  zu  fallen.  Einen  reichen  Schatz  von  den  Kompositionen 
C.'s  verwahrt  das  Musikarchiv  des  Abbate  Santini  in  Rom.  Der  unter 
dem  Namen  Cascianti  od.  Casciatini  vorkommende  Komponist  scheint 
mit  obigem  eine  u.  dieselbe  Person  zu  sein. 

Casini,  Oi  o  v.  Maria,  ein  florentinischer  Priester,  geb.  um  1675, 
bildete  sich  in  Eom  unter  Matteo  Simonelli  in  der  Komposition  grtlnd- 
lieh  aus;  zugleich  suchte  er  sich  unter  Anleitung  Bemardo  Pasquini's, 
welcher  damals  das  Wunder  der  Organisten  war,  im  Orgelspiel  die 
möglichste  Vollendung  zu  verschaffen.  Unter  dieser  doppelten  Leitung 
reifte  er  zur  vollendeten  Tüchtigkeit  eines  Kirchenmusikers  u.  wurde 
als  Organist  an  der  Metropolitankirche  in  Florenz  angestellt.  1706  gab 
er  zu  Rom  einen  Band  vierstimmiger  Motetten  heraus,  deren  Styl  voll- 
kommen der  röm.  Schule  entspricht ;  1714  zu  Florenz  eine  Sammlung 
Orgelsttlcke  unter  dem  Titel:  „Fantasie  e  Toccate  d*intavolatura"  u. 
„Pensieri  per  FOrgano  in  partitura."  Auch  als  scharfsinniger  Theore- 
tiker wird  er  gerühmt,  indem  er  manches  aus  der  griechischen  Musik- 
theorie für  die  neuere  Tonkunst  nutzbar  zu  machen  suchte. 

Casparinf,  E  u  g  e  n  i  o ,  eigentlich  Caspar,  geb.  1624  zu  Sorau  in 
der  Niederlausitz,  war  der  grösste  Orgelbauer  seiner  Zeit.  Nachdem  er 
schon  in  seines  Vaters  Werkstatt  die  Orgelbaukunst  erlernt  hatte, 
vervollkommnete  er  sich  darin  bei  seinem  dreijährigen  Aufenthalte  in 
Bayern,  worauf  er  sich  nach  Italien  wandte  u.  in  Padua  sich  niederliess. 
Daselbst  lebte  u.  wirkte  er  50  Jahre,  u.  viele  grosse  Kirchen  nah  u. 
fem  erhielten  durch  ihn  .vorzügliche  Orgeln,  f  d.  12.  Sept.  1706  zu 
Neuenwiese  bei  Görlitz.  Sein  Sohn  Adamo  Orazio,  gest.  1745, 
arbeitete  anfangs  mit  dem  Vater  in  Gemeinschaft  u.  erwarb  sich  später 
ebenfalls  den  Ruf  eines  vorzüglichen  Orgelbaumeisters, 


54  Cassiodorus  —  Cavaooio. 

Cassiodoras,  Magnus  Anrelins,  ein  berühmter  röm.  Staats- 
mann während  der  Qothenherrschaft  in  Italien,  später  Abt  des  Klosters 
Vivarium,  war  zwischen  465 — 479  zu  SciUacium  (SquiUace  in  Calabrien) 
geboren.  Nachdem  er  50  Jahre  lang  als  Staatsmann  unermüdet  ge- 
arbeitet hatte,  zog  er  sich  nach  Unteritalien  zurück,  erbauten,  stiftete 
das  Kloster  Vivarium.  70  Jahre  alt,  übernahm  er  die  Leitung  des- 
selben u.  bra6hte  es  zu  hoher  Blüte,  indem  er  die  Wissenschaft  mit 
dem  Mönchsleben  yerband.  Er  starb  im  Eufe  der  Heiligkeit  um  570. 
Er  schrieb  sehr  vieles.  In  seinem  Werke:  „De  artibus  ac  disciplinis 
liberalium  litterarum**  befindet  sich  auch  ein  Traktat  über  Musik,  der 
für  den  Historiker  noch  immer  Wert  hat.  (Ausgabe  von  Migne, 
Paris  1848.  2  voll.) 

Catalano,  0 1 1  a  v  i  o «  geb.  zu  Enna  in  Sicilien  zu  Ende  des  16« 
Jhdts.,  zuerst  Abt  u.  Kanonikus  zu  Catania,  dann  in  der  röm.  Kapelle, 
zuletzt  als  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Messina  angestellt,  war  einer 
der  Ersten,  welcher  den  bezifferten  Bass  für  die  Orgel  zu  seinen 
Werken  setzte. 

Catalisano,  Gennaro,  ein  Minorit,  geb.  1728  zu  Palermo,  stu- 
dierte in  Eom  die  Musik  u.  wurde  Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Andrea  delle 
Frutti  daselbst.  Aus  Gesundheitsrücksichten  kehrte  er  nach  Palermo 
zurück,  wo  er  1793  starb.  Mehr  als  durch  seine  Kompositionen  ist  er 
bekannt  geworden  durch  ein  theoretisches  Werk:  „Grammatica  armo- 
nica  fisico-matematica*'  (Bom,  1781). 

Catenacci,  Qian  Domenico,  ein  ital. Mönch,  geb.  zu  Mailand 
in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jhdts.,  gest.  um  1800,  war  ein  geschickter 
Komponist  u.  grosser  Orgelspieler. 

Cathala,  Jean,  um  die  Mitte  des  17.  Jhdts.  Musikmeister  an  der 
Kathedrale  zu  Auxerre,  gab  in  den  Jahren  1666—1683  mehrere  Messen 
heraus  (Paris). 

Caurroy,  FrauQois  Eustache  du,  geb.  1549  zu  Cherberoy 
bei  Beauvais,  gest.  1609  zu  Paris,  zeichnete  sich  durch  ausserordentliche 
musikal.  Kunstkenntnisse  u.  Fertigkeiten  aus,  wesshalb  er  von  den 
Franzosen  gewöhnlich  „Prince  de  professeurs  de  musique"  genannt 
wurde.  Er  war  Kanonikus  an  der  hl.  Kapelle  zu  Paris,  Prior  in  S. 
Aioul  de  Provins  u.  Kp.-M.  Carls  IX.,  Heinrichs  m.  u.  Heinrichs  IV. 
(„Preces  ecclesiasticae,"  2  Bücher  [Paris,  1609];  „Mi&lange  de  Musique, 
contenant  des  chansons,  des  psaumes,  des  noels*^  [Paris,  1610];  „Missa 
pro  defonctis  ä  5  voc.  u.  a.  m.) 

Cayaccio,  Giov.,  geb.  zu  Bergamo  1556,  diente  als  vorzüglicher. 
Sänger  in  München,  Eom  u.  Venedig.    1581  wurde  er  Dom-Kp.-M.  zu  - 
Bergamo,  1604  an  der  Kirche  Maria  maggiore;  er  starb  den  11.  August 
1626.    In  Mailand  u.  Venedig  kamen  eine  grosse  Menge  seiner  Kirchen- 
kompositionen heraus. 


f*^ 


Cavi  —  Charpentier.  55 

Cavi,  Giovanni,  Ep.-M.  an  der  Kirche  S.  Giacomo  de*  Spagnuoli 
in  Eom,  blühte  in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jhdts.  als  fleissiger  Kirchen- 
komponist. 

Gecchelli,  Carlo,  Kp.-M.  an  S.  Maria  maggiore  in  Eom,  Nach- 
folger Benevoü's,  von  1646 — 49,  hat  1651  eine  Sammlung  vierstimmiger 
Messen  ohne  Begleitung  herausgegeben. 

Cento,  Giov.  Antonio,  ein  Franziskanermönch,  war  zuerst 
Kp.-M.  in  Padua,  1660  an  der  Kirche  S.  Francesco  in  Bologna.  Von 
ihm  existieren  viele  Kirchenkompositionen  in  Mscrpt. 

Ceracchini,  Francesco,  geb.  1748  zu  Asina lunga,  wurde  1796 
Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Siena,  leistete  sowohl  als  Kirchenkomponist 
als  auch  als  Lehrer  des  Kontrapunktes  viel. 

Cerone,  Domenico  Pietro,  geb.  1566  zu  Bergamo,  empfing 
nach  vollendeten  Studien  die  Priesterweihe.  Er  widmete  sich  atich 
der  Musik,  leistete  an  mehreren  Kirchen  u.  Kapellen  Spaniens  als 
Sänger  Dienste,  bis  er  1608  zum  Kp.-M.  in  Neapel  ernannt  wurde.  Sein 
Todesjahr  ist  nicht  bekannt.  1613  gab  er  ein  theoret.  Werk  heraus, 
welches  unter  die  berühmtesten,  reichhaltigsten  u.  seltensten  Werke 
dieser  Gattung  gehört.  Es  führt  den  Titel:  „El  Melopeo  y  Maestro, 
tractado  de  Musica  theorica  y  pratica,  enque  se  pone  por  extenso, 
loque  uno  para  hazerse  perfecto  Musico  ha  menester  faber:  y  por 
mayor  facilidad,  comodidad  y  claridad  del  Lector,  esta  repartido  eu 
XXn  Libros,  compuesto  per  cL  E.  D.  Pedro  Cerone  de  Bergamo, 
Musico  en  le  Eoal  Capilla  de  Napoles."  In  Napoles.  Anno  1613.  Fol. 
(Die  Proske'sche  Bibliothek  besitzt  ein  Exemplar.)  Von  ihm  hat  man 
auch:  „Eegole  per  il  Canto  fermo"  (Neapel,  1609.) 

Cerretto,  Scipione,  Theoretiker,  Komponist  u.  Lautenspieler, 
geb.  1551  zu  Neapel,  schrieb  drei  bedeutende  theoret.  Werke,  von 
welchen  zwei  1601  u.  1608  auph  im  Druck  erschienen. 

Certon,  Pierre,  Musikmeister  an  der  Sainte-Chapelle  in  Paris, 
ist  einer  der  besten  &anzös.  Komponisten  aus  der  ersten  Hälfte  des 
16.  Jhdts. 

Cesena,  Giov*  Battista,  ein  Barfüssermönch  in  einem  Kloster 
im  Kirchenstaate,  war  ein  sehr  fruchtbarer  Kirchenkomponist;  sehr 
viele  seiner  Werke  erschienen  von  1605—1621  meist  zu  Venedig  im 
Druck. 

Champion,  A  n  t  o  i  n  e,  war  unter  der  Eegierung  Heinrich  IV.  als 
.Orgelspieler  bertihmt.  In  der  Münchener  Bibliothek  liegt  eine  5stimmige 
Messe  von  ihm.  Sein  Sohn  Jacques  C.  u.  sein  Enkel  Andr6  C. 
waren  ebenfalls  berühmte  Organisten  unter  Ludwig  XIII.  Letzterer 
starb  zu  Paris  1670. 

Charpentier,  Marc  Antoine,  von  Laborde  als  „le plus  savant 
musicien  de  son  temps"  bezeichnet,  wurde  1634  zu  Paris  geboren. 
Seine  musikal.  Studien  machte  er  zu  Eom  unter  Garissimi's  Leitung. 


56  Charpentier  —  Cherubini. 

Nach  Paris  zurückgekehrt,  bekam  er  bei  Hof  mehrere  Anstellungen, 
bis  er  Kp.-M .  an  der  U*  Kapelle  u.  zuletzt  an  der  Jesuitenkirche  wurde. 
Er  starb  im  März  1702.  Von  seinen  Kompositionen  werden  neben 
seinen  Opern  von  Kennern  besonders  seine  Motetten  wegen  ihres 
klassischen  Styles  u.  der  yortrefflich  gearbeiteten  Fugensätze  geschätzt. 
In  der  letzten  Zeit  seines  Lebens  zog  er  sich  ganz  von  der  Bühne 
zurück  u.  arbeitete  nur  für  die  Kirche. 

CharpeBtier,  Jean  Jaques  Beauvarlet,  geb.  1730  zu 
AbbeviUe,  ausgezeichneter  Organist,  zuletzt  in  Paris  angestellt,  starb 
aus  Kummer  über  den  Verlust  seiner  Stelle  durch  die  Revolution,  im 
Mai  1794«    (Orgelstücke,  Messen,  Hymnen  u.  a.) 

Checchi,  geb.  zu  Pisa  1749,  vollendete  seine  musikalischen  Studien 
unter  Oraz.  Mai,  Kp.-M.  zu  Livomo,  wo  er  auch  femer  verblieb.  Er 
hat  viele  Kirchen-Kompositionen  geliefert. 

Chenii,  Marie  Pierre,  geb.  den  8.  Juli  1773  zu  Paris,  hatte 
schon  in  seinem  16.  Jahre  eine  Messe  komponiert.  Er  versah  zu  Paris 
teils  im  Theater,  teils  in  der  Kapelle  des  Königs  die  Stelle  eines 
Kontrabassisten,  einige  Zeit  war  er  auch  Organist.  Er  komponierte 
ausser  Instrumentalsachen,  mehrere  Messen,  Motetten  und  andere 
Kirchenstücke. 

Chericl,  Sebastiane,  geb.  1647  bei  Bologna,  um  1684  Kp.-M. 
zu  Pistoja,  dann  an  der  Akademie  dello  Spiritu  santo  in  Ferrara,  ver- 
öffentlichte zu  Bologna  mehrere  kirchliche  Musiken  im  Druck. 

Chembini,  Maria  Luigi  Carlo  Zenobio  Salvatore, 
geb.  8.  Septbr.  1760  zu  Florenz,  genoss  Mhzeitig  guten  Musikunterricht, 
so  dass  er  in  seinem  13.  Jahre  schon  eine  Messe  mit  grossem  Beifall 
zur  Aufführung  brachte.  Der  Orossherzog  Leopold  von  Toscana,  auf  ihn 
aufmerksam  geworden,  setzte  ihm  eine  Pension  aus,  damit  er  seine 
Studien  unter  Sarti  zu  Bologna  vollenden  könnte.  Vier  Jahre  (1778—82) 
blieb  er  bei  diesem  und  erwarb  sich  tiefe  Kenntnisse  seiner  Kunst, 
welche  allen  seinen  spätem  Werken  den  Stempel  der  Gediegenheit  auf- 
drückten. Er  begann  hierauf  eine  rege  Thätigkeit  für  die  Bühne  und 
schrieb  viele  Opem,  ging  1784  nach  London,  1786  nach  Paris,  wo  er 
vom  Jahre  1788  an  immer,  einigen  Aufenthalt  in  Wien  abgerechnet, 
blieb.  Sehr  vorteilhaft  wirkte  auf  ihn  die  nähere  Bekanntschaft  mit 
den  Werken  Haydn^s  und  Mozart's,  —  seine  Gedanken  wurden  tiefer, 
seine  Harmonie  kühner,  seine  Instmmentation  reichhaltiger.  —  Nach 
der  Eestauration  der  Bourbonen  wurde  er  zum  kgl.  Kp.-M.  ernannt  u. 
hatte  als  solcher  die  Musik  in  der  Hofkapelle  zu  leiten,  was  seiner 
bisherigen  Thätigkeit  eine  veränderte  Eichtung  gab  und  ihn  auf  die 
Kirchenkomposition  hinleitete.  Der  ordinäre  Dienst  der  kgl.  Kapelle 
bestand  in  einer  stillen  Messe,  während  welcher  die  KapeUmusiker  Musik 
zu  machen  hatten.  Obwohl  G.  sich  bei  der  Komposition  derartiger  Musik- 
werke der  Kürze  befleissigte,  so  geschah  es  doch  auch  manchmal,  dass 


Ghiaula  —  Choron.  57 

die  Aufführung  eines  oder  zweier  solcher  Tonstücke  die  Zeitdauer  der 
ganzen  hl.  Messe  ausfüllte.  Darin  ist  auch  der  Grund  zu  suchen,  warum 
unter  C.'s  Werken  so  wenig  vollständige  Messen  sich  finden.  (Doch 
schrieb  er  11  grosse  Messen,  und  die  vereinzeinten  Kyrie,  Gloria  etc. 
machen  auch  5  Messen  aus.)  Aus  dieser  Epoche  seines  Lebens  stammen 
seine  4  grossen  Messen,  ein  Credo  für  8  Stimmen,  eine  Litanei,  ein 
Eequiem  für  gemischten  Chor  und  eines  für  dreistimm.  Männerchor 
(für  seine  Exequien),  und  viele  andere  kleine  Stücke.  1821  ward  er 
Direktor  des  Konservatoriums  in  Paris,  nachdem  er  schon  vorher  seit 
1816  als  Professor  der  Komposition  daselbst  fungiert  hatte.  Sein 
Lehrbuch  der  Komposition  u.  der  Fuge  gab  er  1835  heraus.  Er  starb 
den  15.  März  1842  zu  Paris.  Ein  Kritiker  sagt  von  seinen  Werken: 
„Li  allem,  was  Cherubini  geschrieben,  stossen  wir  auf  nichts  Unedles, 
geschweige  denn  Gemeines.  Der  höchste  Adel  herrscht  in  seiner  Sclireib- 
art.  Seine  Melodien  verschmähen  den  blos  sinnlichen  Beiz;  oft  fliessen 
sie  in  wunderbarer  Einfachheit  dahin,  meistens  werden  sie  aber  von 
den  kunstvollen  Harmonien  getragen,  in  deren  Kombination  er  den 
grössten  Tonsetzem  ebenbürtig  ist.  —  Seine  Kirchenwerke  zeichnen 
sich  aus  durch  Erhabenheit  der  Gedanken,  Tiefe  der  Auffassung,  Adel 
des  Ausdrucks,  Reichtum  der  Harmonie  und  leuchtende  Klarheit  in  allem 
Polyphonen  und  Harmonischen."  Sie  sind  Meisterwerke  religiöser  — 
aber  nicht  kirchlicher  Tonkunst,  gleich  denen  Beethovens. 

Ghiaula,  M  a  u  r  u  s ,  geb.  zu  Palermo  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts., 
trat  1544  in  das  Benediktinerkloster  S.  Martin  daselbst  u.  zeichnete 
sich  durch  seine  musikalischen  Kenntnisse  sehr  aus.  Von  seinen  vielen 
Kompositionen  sind  nur :  „Sacrae  cantiones,  quae  octo  tum  vocibus,  tum 
variis  instrumentis  chorisque  conjunctis  ac  separatis  concini  possunt,^^ 
1590  zu  Venedig  im  Druck  erschienen.  Überhaupt  war  er  durch  den 
Satz  für  mehrere  Chöre  in  ganz  Italien  berühmt.    Er  starb  1600. 

Cbild,  William,  geb.  zu  Bristol  1605,  wurde  1631  Baccalaureus 
der  Musik  zu  Oxford,  später  Organist  an  der  S.  Georgskapelle  in  Windsor ; 
nach  der  Bestauration  war  er  Singmeister  an  der  königl.  Kapelle  u. 
starb  zu  London  1696.    Er  komponierte  vieles  für  die  Kirche. 

Chiti,  Girolamo,  trefilicher  Tonsetzer  der  römischen  Schule, 
1726  zweiter,  1727  erster  Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Giovanni  im  Lateran 
zu  Bom,  gest.  1759,  hat  zahlreiche  Kirchenwerke  hinterlassen. 

Choron,  Alexander  Etienne,  geb.  den  2L  Oktbr.  1772  zu 
Ca6n,  fing,  da  er  vorher  durch  seinen  Vater  abgehalten  worden  war, 
erst  in  seinen  zwanziger  Jahren  an,  sich  mit  Musik  zu  beschäftigen. 
Er  studierte  fleissig  die  musikalischen  Schriftsteller  und  erhielt  in  der 
Harmonie  von  Abb6  Boze  u.  von  Bonesi  Unterricht.  Er  lernte  selbst 
die  deutsche  Sprache,  um  die  deutschen  Theoretiker  Kirnberger,  Mar- 
purg  und  Albrechtsberger  verstehen  und  würdigen  zu  können.  1805 
wendete  er  sein  Vermögen  daran,   klassische  Werke   eines  Palestrina, 


58  Christo  —  Chrysander. 

Josquin,  Jomelli,  Leo  imd  Anderer  herauszugeben  und  zu  verbreiten. 
Leider  ward  sein  Eifer  schlecht  belohnt;  diess  Werk,  sowie  seine 
„Principes  de  composition"  fanden  wenig  Anklang.  1810  und  11  gab 
er  einen  ,,Dictionnaire  des  Musiciens"  heraus.  Von  1812—16  beschäftigte 
er  sich  vorzüglich  teils  als  Leiter  der  Musik  bei  grossen  politischen 
u.  kirchlichen  Feierlichkeiten,  teils  mit  der  Reorganisation  der  kirch- 
lichen Musikinstitute  (Maitrises)  an  den  verschiedenen  Hauptkirchen 
Frankreichs.  Als  er  nach  einjähriger  Direktion  der  grossen  Oper  zu 
Paris  wieder  von  diesem  Posten  abtreten  musste,  gründete  er  eine 
Chorgesangschule,  aus  der  später  das  „Conservatoire  de  musique 
cTassique  et  religieuse"  hervorging  u.  wo  die  besten  Kirchenkompositionen 
der  italienischen  u.  deutschen  Meister  aufgeführt  wurden.  Er  hatte 
auch  eine  neue  Methode  erdacht,  grosse  Chormassen  leicht  u.  schnell 
einzuüben.  Ch.  wird  allgemein  als  einer  der  kenntnisreichsten  Theo- 
retiker, die  Frankreich  je  gehabt,  betrachtet.  Er  verfässte  viele 
Schriften:  ausser  den  oben  genannten  Werken  u.  Sammlungen  sind 
noch  zu  nennen:  „Methode  616mentaire  de  Musique  et  de  Plain-chant,'' 
Paris,  1811;  „Solföges  616mentaires,"  Paris,  1820;  Bearbeitungen  u. 
Übersetzungen  deutscher  u.  anderer  musikalischen  Schriften;  Choral- 
bücher, Vieles  hat  er  blos  angefangen,  ohne  es  zu  vollenden,  indem 
er  oft  einer  neuen  Idee,  die  ihm  in  den  Sinn  kam,  mit  Feuer  sich  hin- 
gab u.  mit  fieberhaftem  Eifer  sie  zu  realisieren  suchte,  ohne  erst  das 
Alte  zur  Vollendung  gebracht  zu  haben.  Mit  Komposition  beschäftigte 
er  sich  weniger;  was  davon  vorhanden  ist,  beschränkt  sich  auf  Qesang- 
übungen,  einige  Kirchenstücke  u.  Romanzen.  Sein  überaus  thätiges, 
der  Kunst  vollständig  u.  treu  gewidmetes  Leben  endete  den  29.  Juni 
1834  in  Paris. 

Christo,  Fr.  Joao  de,  ein  portugiesischer  Mönch;  zu  Anfang 
des  17.  Jhdts.  zu  Lissabon  geb.,  u.  gest.  den  30.  Juli  1654  zu  Alcobaga, 
wird  als  geschickter  Organist  u.  Komponist  genannt. 

Christo,  Fr.  Luiz  de,  geb.  1635  zu  Lissabon  u.  als  KarmeUter- 
mönch  1693  gestorben,  war  ein  zu  seiner  Zeit  sehr  berühmter  Organist 
im  Kloster  Calgado.  Auch  bedeutende  Kompositionen  von  ihm  werden 
namhaft  gemacht. 

Chrysander,  Friedrich,  geb.  8.  Juli  1826  zu  Lübtheen  in 
Meklenburg,  studierte  in  Rostock  Philosophie  u.  promovierte  daselbst. 
Nachdem  er  zuletzt  längere  Zeit  in  England  verweilt  hatte,  nahm  er 
seinen  dauernden  Wohnsitz  in  Bergedorf  bei  Hamburg.  Er  ist  einer 
der  verdienstvollsten  Musikschriftsteller  der  Gegenwart.  Er  schrieb 
eine  Biographie  von  Fr.  Händel  (bis  jetzt  nicht  vollendet),  ist  der 
Mitbegründer  der  Händelgesellschaft  in  Leipzig  u.  besorgt  die  Redaktion 
der  von  dieser  veranstalteten  „Händelausgabe."  1863  u.  1867  erschienen 
von  ihm  zwei  „Jahrbücher  für  musikal.  Wissenschaft,"  in  zwei  Zeit- 
räumen redigierte  er  auch  die  „Allgemeine  Leipziger  Musikzdtung** 


Chrysostomus  —  Cima.  59 

n.  wiedemm  ist  er  Mitredakteur  der  „Vierteljahrsschrift  für  Musik- 
wissenschaft'* (Leipzig).  In  allen  diesen  Schriften  findet  sich  vieles, 
was  auch  f&r  die  Kirchenmusik,  namentlich  für  die  ältere,  von 
Bedeutung  ist. 

CbryHostomng,  Johannes,  der  hl.,  im  J.  344  zu  Antiochia  geb., 
empfing  in  seinem  23.  Jahre,  nachdem  er  seine  Studien  yoUendet  und 
eine  geraume  Zeit  in  der  Einsamkeit  mit  Gebet,  Betrachtung  u.  Stu- 
dium der  hl.  Schrift  zugebracht  hatte,  die  hl.  Taufe*  Als  er  bald  da- 
rauf zum  Bischof  von  Antiochien  verlangt  wurde,  entfloh  er  zu  den 
Mönchen  der  Umgegend  u.  verblieb  daselbst  8  Jahre  in  gänzlicher 
Verborgenheit.  Nach  seiner  Eückkehr  380  wurde  er  zum  Diakon  u. 
386  von  Bischof  Fkvian  zum  Priester  geweiht.  Nun  begann  er  seine 
Thätigkeit  im  Predigtamte  in  so  ausgezeichneter  Weise,  dass  man  ihm 
den  Beinamen  „Chrysostomus"  (Goldmund)  gab.  397  wurde  er  auf  den 
Patriarchenstuhl  von  Konstantinopel  erhoben,  den  er  durch  seine  hohen 
Tugenden,  seine  Heiligkeit  u.  seine  Gelehrsamkeit  in  hohem  Grade  zierte. 
Von  da  an  war  sein  Leben  bis  zu  seinem  Tode  407  den  14.  Septbr., 
eine  ununterbrochene  Kette  der  schwersten  Trübsale  u.  Verfolgungen, 
welche  ihm  seine  Feinde  bereiteten.  Er  starb  in  der  Verbannung.  — 
Der  heilige  Johannes  Chrysostomus  that  viel  fttr  den  Gesang  der  Gläu- 
bigen bei  der  Feier  der  hl.  Geheimnisse;  er  soll  den  Antiphonalgesang 
in  Konstantinopel  eingeführt  haben,  wie  dies  der  hl.  Ambrosius  in 
Mailand  gethan.  In  seinen  Predigten  tadelte  er  oft  die  Missbräuche 
u.  jeden  Unfug,  der  sich  im  hL  Gesang  eingeschlichen  hatte,  u.  wies 
stets  darauf  hin,  wie  die  Gläubigen  ihrem  Gotte  singen  soUten. 

Oiaja,  Azzolino  Bernardino  della,  geb.  den 21.  Mai  1671 
zu  Siena,  wird  als  Komponist,  Organist  u.  Orgelbauer  gerühmt.  1733 
vollendete  er  die  Orgel  von  S.  Stefano  in  Pisa,  welche  als  eine  der 
vorzüglichsten  in  ganz  Italien  gilt. 

Cifra,  Antonio,  geb.  1575  im  Kirchenstaate,  Schüler  des  Pale- 
strina  u.  des  altem  Nanino,  war  zuerst  Kp.-M.  an  der  Jesuitenkirche 
in  Rom,  dann  in  Loretto,  worauf  er  von  1620—22  dieses  Amt  in  der 
Kirche  S.  Johannes  im  Lateran  bekleidete;  7  Jahre  stand  er  hierauf 
in  Diensten  des  Erzherzogs  Karl;  1629  kehrte  er  wieder  nach  Loretto 
zurück  u.  verwaltete  sein  früheres  Amt  bis  zu  seinem  Tode.  Von  seinen 
ausserordentlich  vielen  Werken,  besonders  für  die  Kirche,  ist  eine 
grosse  Anzahl  Messen,  Motetten  (Ant.  Poggiolo  liess  1638  in  Eom 
10  Sammlungen  „Concerti  eccles."  drucken,  worin  sich  über  200  Motetten 
C.*s  befinden)  Litaneien,  Vespern,  Psalmen  u.  dgl.  in  Druck  erschienen. 
Ihr  Styl  wird  von  Kennern  gerühmt. 

Cima,  Giovanni  Paolo,  geh*  um  1570,  war  von  seinen  Zeit- 
genossen als  Orgelspieler  sehr  geschätzt;  er  war  Kp.-M.  an  der  Kirche 
S.  Celso  in  Mailand  u.  besass  eine  vorzügliche  Fertigkeit  in  der  Kom- 
position von  E^anon's.    Mehrere   seiner  Werke  (4stimmige  Motetten, 


^ 


60  Cima  —  Clemens  non  papa. 

Ricercate,  Concerti  eccles.  von  2 — 8  Stimmen)  sind  in  3Iailand  durch 
Druck  veröffentlicht  worden. 

Cima,  T  u  1 1  i  0 ,  geb.  zu  Boncilio  zu  Ende  des  16.  Jhdts.,  hinter- 
liess  einige  Kirchenstttcke :  Sacrae  Cantiones,  Magnificat  etc.  2»  3,  et 
4  vocum,  welche  in  Venedig  in  Druck  erschienen. 

Cinqa<^,  Ermeng ildo,  ein  itaL  Komponist  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  lö.  Jhdts.,  hat  sich  bekannt  gemacht  durch  EantateUi  Kirchenwerke 
(Stabat  mater,  Dies  irae  etc.)  u.  weltliche  Kompositionen  für  Instrumente. 

Clairembaat,  Louis  Nicolas,  geb.  d.  19.  Dez.  1676,  Organist 
an  der  Kirche  S.  Jakob  daselbst,  später  zu  S.  Cyr  u.  Konzertmeister 
der  Frau  v.  Maintenon.  Er  starb  1749,  nachdem  er  eine  grosse  Menge 
Motetten,  Kantaten  u.  EJaviersachen  herausgegeben  hatte. 

Clari,  Qiov.  CarloMaria,  geb.  1669  zu  Pisa,  war  ein  Schüler 
des  Giov.  Paolo  Colonna  zu  Bologna  u.  wurde  dann  Kp.-M.  an  der 
Hauptkirche  zu  Pistoja.  Sein  Todesjahr  ist  unbekannt.  Er  hat  viele 
gute  Kompositionen  im  geistlichen  u.  weltlichen  Fache  herausgegeben; 
davon  besitzt  die  Proske'sche  Bibliothek:  „Stabat  Mater,**  4  voc.  con 
Violini  e  Viola  mit  der  Jahrzahl  1744;  „Lamentazione  2-da  de  Giovedi 
Santo,  a  voce  sola  dl  Soprano;"  „Responsorie  Mattutini  delle  Tenebre 
al  Triduo  della  Settimana  maggiore,  a  4  voc.**;  mehrere  Motetten, 
7  Hymni  a  4  voc;  6  ital.  Duetten. 

Ciaudianas,  Ecdicius  Mamertus,  erst  Mönch,  dann  Priester 
und  treuer  Gehilfe  seines  Bruders  Mamertus,  welcher  Bischof  zu 
Vienne  war,  lebte  um  die  Mitte  des  5.  Jhdts.  u.  starb  zwischen  470 
u.  474.  Er  besass  eine  grosse  Gelehrsamkeit  u.  Frömmigkeit,  war 
Dichter,  Philosoph  u.  Theolog  u.  erwarb  sich  grosse  Verdienste  durch 
Unterweisung  des  Klerus  in  der  hl.  Schrift,  im  kirchlichen  Gesang  und 
in  der  Liturgik.  Er  wirkte  auch  als  Hymnendichter;  namentlich  rührt 
der  schöne  Hymnus :  „Pange  lingua  gloriosi  Lauream  certaminis,**  im 
Officium  des  Passionssonntags  nach  äussern  u.  innem  Kriterien  von  ihm, 
nicht  von  Venantius  Fortunatus  her. 

Clemens  non  papa,  Jakob  (sein  eigentlicher  Name  ist  J  a  q  u  e  s 
Clement)  war  einer  der  gepriesensten  Komponisten  des  16.  Jhdts. 
Er  war  in  Flandern  geboren  u.  wurde  erster  Kapellmeister  Carrs  V. 
Bestimmtere  Angaben  über  Zeit  u.  Art  seiner  Geburt,  seiner  Anstellung, 
seiner  übrigen  Lebensumstände  und  seines  Todes  hat  man  nicht. 
Dr.  Proske  hält  als  gewiss,  dass  C.  das  Jahr  1558  nicht  überlebt  habe. 
—  Er  war  einer  der  fruchtbarsten  u.  beliebtesten  Komponisten  der 
vorpalestrinischen  Zeit.  Überall  erschienen  seine  Werke  in  der  präch- 
tigsten typographischen  Ausstattung,  Sammlungen  brachten  am  meisten 
Werke  von  ihm  u.  nannten  ihn  mit  dem  Ehrenprädikate  „Nobilis 
Clemens  non  Papa.**  Dieser  Meister  hatte  sich  in  allen  damals 
gebräuchlichen  Gattungen  geistlicher  u.  weltlicher  Qesangmusik  versucht 
u.  bewährt.    Sein  Styl  ist  stets  fliessend,  einfach  u.  fasslich;  getadelt 


Cler'eau  —  Colin.  61 

wird  bloss,  dass  er  manchmal  die  Imitation  in  die  Breite  zog  n.  es, 
wie  so  viele  seiner  Zeitgenossen,  häufig  an  korrekter  Behandlung  der 
Texte  fehlen  liess.  Seine  vorzüglichsten  Werke  sind:  Missae  cum 
4  voc,  lib,  I. — IX,  Löwen  1558;  Cantionum  sacramm  quatuor  vocum 
üb.  I. — ^VII.  Löwen,  1567;  Chansons  franfjaises  ä  4  parties,  Löwen  1569; 
Missa  defunct.,  Löwen  1580,  Motetten  in  verschiedene  Sammlungen 
aufgenommen  u.  a.  m. 

Cler'ean,  Pierre,  ein  franz.  Komponist  des  16.  Jhdts.,  Vorsteher 
der  Singknaben  bei  der  Kirche  zu  Toul,  gab  1554  zu  Paris  4  Messen 
a  4  voc.  heraus,  welche  er  dem  Herzog  Claudius  von  Lothringen 
dedicierte;  in  demselben  Jahre  erschien  von  ihm  auch  eine  Ü^Iissa  pro  de- 
fanctis  mit  2  Motetten.  Ersteres  Werk  bezeichnet  er  selbst  als  seine 
Erstlingsarbeit.  Sein  Styl  ist  einfach  und  klar,  harmonisch  rein  und 
rhythmisch  fast  untadelig. 

Clifford,  Jakob,  geb.  zu  Oxford,  gest.  zu  London  1700  als 
Kapellan  der  Paulskirche  daselbst.  Er  gab  eine  Sammlung  Anthems 
heraus,  worin  sich  interessante  Details  über  die  Kirchenmusik  in  Eng- 
land u.  Instruktionen  für  die  Organisten  finden. 

Coceiola,  Gix)v.  Battista,  geh,  zu  Yercelli  am  Ende  des  16. 
Jhdts.,  war  Kp.-M.  des  Kanzlers  von  Lithauen,  Leo  Sapieha.  (Sstimm. 
Messe,  Venedig  1612;  Motetten  von  ihm  finden  sich  in  Bergameno's 
„Pamassus  musicus.^^) 

Cochläas,  Johannes,  eigentlich  Johann  Dobneck  geheissen 
Doktor  der  Theologie  u.  Kanonikus  zu  Breslau,  geb.  zu  Wendelstein 
bei  Nürnberg  1479  u.  gest.  zu  Breslau  d.  10.  Jan.  1552,  behandelte  in 
seinen  Schriften  auch  musikal.  Gegenstände,  die  fQr  den  GeschichtS' 
forscher  in  der  Musik  von  Wichtigkeit  sind :  „De  musica  activa,"  Cöln, 
1507  (auf  dem  Titel  nennt  er  sich  Wendelstein);  „Tetrachordum 
musices  etc."  Nürnberg,  1512  u.  1520,  worin  er  die  Elemente  des  Can- 
tus  planus,  der  8  Kirchentöne  u.  der  Mensuralmusik  behandelt;  „Spe- 
culum  antiquae  devotionis  circa  Missam  et  omnem  cultum  Dei,"  1549  u.  a. 

Coclicns,  Adrian,  Schüler  des  Josquin  des  Pr§s,  lebte  im  16.  Jhdt. 
zu  Nürnberg  u.  gab  1552  daselbst  ein  ,,Compendium  musices"  heraus 
worin  er  unter  andern  1)  de  modo  ornate  canendi,  2)  de  regula  contra-» 
puncti,  3)  de  Compositione  handelt. 

Colin,  Jean,  Priester  und  Musikmeister  an  der  Kathedrale  zu 
Soissons,  geb.  zu  Beaune  u.  gest.  1722  in  einem  Alter  von  mehr  als 
80  Jahren,  arbeitete  manches  für  die  Kirche.  (Missae  6  voc. ;  „Ego  flos 
campi/*  Paris  1688;  Missa  pro  defünctis,  6  voc.  Paris  1688.) 

Coliiif  Pierre  Gilbert,  Colinus  oder  Colinaeus,  war 
Kapellan  am  Hofe  Franz  I.  von  Frankreich  u.  wirkte  von  1532—36  in  der 
kgl.  Kapelle;  er  that  sich  auch  als  Komponist  hervor.  Messen  von  ihm 
wurden  gedruckt  1541  zu  Lyon,  1544  zu  Venedig;  auch  im  Archiv  der 
päpstl.  Kapelle  finden  sich  Messen  von  ihm  vor. 


62  Colla  —  Contini. 

CoUa,  Vincenzo,  Kp.-M.  an  der  KoUegiatstiftskirche  zu  Voghera, 
geb.  um  1780  zu  Piacenza,  schrieb  neben  mehreren  Kirchenwerken  ein 
theoret.  Werk:  „Saggio,  teorico-pratico-musicale,  ossia  metodo  di 
contrappunto,'*  Turin,  1819  u.  1830. 

Colombani,  Orazio,  geb.  zu  Verona  im  16.  Jhdt.,  wird  als 
Kontrapunktist  gerühmt.  Werke  von  ihm  sind :  ,,Harmonia  super  yesperti- 
nos  omnium  solemnitatum  psCdmos,  6  voc.  Yenedig  1576;  Completorium 
et  cantiones,  Brescia  1585 ;  östimm.  Te  Deum,  Madrigale  u.  Magnificate 
zu  5—14  Stimmen. 

Colonna,  Gioy.  Paolo,  geb.  um  1630  zu  Brescia,  einer  der  be- 
rühmtesten Tonsetzer  des  17.  Jhdts.,  war  in  Bologna  an  der  Kirche  Yon 
S.  Petronio  als  Kp.-M.  angestellt  u.  bekleidete  auch  die  Stelle  eines 
Präsidenten  der  philharmonischen  Akademie.  Er  errichtete  eine  Musik- 
schule, aus  welcher  gute  Tonkünstler,  z.  B.  Buononcini  u.  a.  herror- 
gingen  u.  schrieb  eine  grosse  Anzahl  Kirchenwerke,  Gestorben  den 
4.  Dez.  1695. 

Commer,  Franz,  geb.  d.  23.  Jan.  1813  zu  Cöln,  genoss  daselbst 
den  Musikunterricht  Leibls  u.  Jos.  Klein's  u.  begab  sich  zur  weitem 
Ausbildung  1832  nach  Berlin,  wo  er  das  Orgelspiel  unter  Bach,  die 
Komposition  unter  Eugenhagen  studierte.  1844  erhielt  er  den  Titel 
„kgl.  Musikdirektor,*'  1845  wurde  er  Mitglied  der  Akademie  der  Künste, 
Chordirektor  an  der  kathol.  Hedwigskirche  und  Gesanglehrer  an  der 
Elisabethschule,  1850  Lehrer  und  Eepetitor  an  der  k.  Theatergesang- 
schule und  Gesanglehrer  an  2  Gymnasien.  0.  ist  auch  Bitter  einiger 
Orden,  Ehrenmitglied  mehrerer  musikal.  Vereine  etc.  Von  seinen 
Kompositionen  sind  Messen,  Motetten  und  andere  Kirchensachen,  viele 
Lieder,  Klaviersachen  etc.  in  Druck  erschienen.  Auch  veranstaltete  er 
die  Herausgabe  älterer  Kirchenkompositionen,  welche  unter  den  Titeln 
„Musica  Sacra  Saec,  XVI.— XVII."  (27  Bände),  „Cantica  sacra"  und 
„Collectio  operum  Musicorum  Batavorum"  erschienen  ist.  Er  starb 
17.  Aug.  1887  zu  Berlin. 

Conrad,  Benediktinermönch  von  Hirschau,  um  1131,  der  sich  aus 
Demut  in  seinen  Schriften  „Peregrinus  (der  Fremde,  Unerfahrene)" 
nennt,  Schüler  des  sei.  Wilhelm,  Abtes  dieses  Klosters,  war  in  jeder 
Wissenschaft  sehr  erfahren,  er  war  Philosoph,  Rhetor,  Dichter  und 
Musiker  und  zudem  ein  ausgezeichneter  Eeligiose;  neben  vielem  andern 
schrieb  er  auch  ein  Buch  „de  musica  et  differentia  tonorum." 

Conti,  Angelo,  geb.  zu  Aversa  i.  J.  1603,  hat  in  Venedig  in  den 
Jahren  1634—39  Messen,  Motetten  u.  Madrigalen  herausgegeben. 

Contini,  Giovanni,  war  1550  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  von 
Brescia.  Von  ihm  erschienen  viele  Kirchensachen  zu  Venedig  1550  u. 
1565  in  Druck:  Madrigale,  Introitus,  Messen,  Hymnen,  Cantionen  zu 
vier  u.  mehr  Stimmen. 


Cordana  —  Costa.  63 

Cordana,  Bartolomeo,  geb.  1700  in  Venedig,  gest.  14.  Mai  1757 
in  Undine,  trat  sehr  jung  in  den  Franziskanerorden,  verliess  diesen 
jedoch  mit  päpstlicher  Dispens  wieder,  u.  wendete  sich  der  Opem- 
komposition  zu.  1735  ward  er  Kp.-M.  am  Dome  zu  üdine  u.  entwickelte 
als  solcher  eine  ungemeine  Fruchtbarkeit  in  Kirchen-Kompositionen,  von 
denen  yiele  erhalten  sind. 

Corelli,  Arcangelo,  geb.  im  Febr.  1653  zu  Fusignano  bei  Imola 
im  Bolognesischen,  erhielt  seinen  ersten  Unterricht  in  der  Komposition 
yon  Matteo  Simonelli,  einem  Sänger  in  der  päpstlichen  Kapelle,  das 
VioUnspiel  studierte  er  bei  Bassani  u.  bildete  sich  zum  grössten  Violin- 
virtuosen seiner  Zeit,  —  wenn  nicht  in  der  Technik,  so  stand  er 
gewiss  durch  bewundernswerte  Manier,  durch  Schönheit  seines  Spiels 
und  wundervollen  Tön  Über  allen.  Als  Komponist  versuchte  er  sich 
zuerst  in  Kirchensonaten  für  2  Violinen  u.  Bass  mit  Orgelbegleitung, 
worauf  er  vom  Kardinal  Ottoboni  zum  Dirigenten  seiner  Hauskapelle 
ernannt  wurde.  Ausserdem  erschienen  noch  mehrere  Bände  Sonaten 
für  verschiedene  Instrumente  und  Violinkonzerte.  Er  lebte  immer  sehr 
bescheiden  u.  zurückgezogen,  seine  Kompositionen  haben  aber  der 
Instrumentalkomposition  einen  mächtigen  Anstoss  gegeben;  durch  das 
Fliessende,  Ungesuchte  u.  Verständliche  derselben  wurde  ein  steifes 
kontrapunktisches  Wesen,  welches  bis  dahin  in  den  meisten  musika- 
lischen Produktionen  sich  bemerklich  machte,  gebrochen,  u.  die  Instru- 
mentalmusik wesentlich  veredelt,    f  d.  18.  Jan.  1713  zu  Kom. 

Cornet,  Severin,  geb.  tun  1540  zu  Valenciennes,  studierte  die 
Musik  in  Italien  u.  wurde  1578  Singmeister  der  Chorknaben  an  der 
Kathedrale  zu  Antwerpen.  Von  seinen  Kirchenkompositionen  erschienen 
mehrere  in  Antwerpen  gedruckt. 

Corradini,  Nicolö,  Organist  u.  Kp.-M.  an  der  Hauptkirche  in 
Cremona,  geb.  zu  Bergamo  zu  Ende  des  16.  Jhdts. 

Correa,  Henrique  Carlos,  geb.  den  10.  Febr.  1680  zu  Lissabon, 
war  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Coimbra  u.  schrieb  viele  Messen, 
Motetten,  Responsorien  u.  a.  —  Correa,  Manuel,  ein  spanischer 
Karmelitermönch,  geb.  1625  zu  Lissabon,  wirkte  als  Kp.-M.  an  der 
Kathedralkirche  zu  Saragossa. 

Corsi,  Bernardo,  lebte  zu  Cremona;  1617  sind  von  ihm  zu 
Venedig  5stim.  Psalmen  u.  Sstim.  Litaneien,  Antiphonen  u.  Motetten 
erschienen.  —  Ein  anderer  Corsi,  Giuseppe,  war  1667  Kp.-M.  an 
S.  Maria  maggiore  in  Eom. 

Cossoni,  D  0  n  a  1 0 ,  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jhdts.  geb.,  war 
Organist  an  S.  Petronio  in  Bologna.  Er  hat  eine  bedeutende  Anzahl 
musikalischer  Kirchenwerke  hinterlassen.  Von  1696-1700  war  er 
Kanonikus  zu  Qravedona  am  Commersee.    f  8.  Febr.  1700. 

Costa,  Andrea,  geb.  zu  Lissabon,  trat  1650  in  den  Trinitarier- 
orden  und  fand  eine  Anstellung  in  der  kgl.  portugiesischen  Hofkapelle. 


64  Costantini  —  Coussemaker. 

f  den  6.  Juli  1686  u.  hinterliess  den  Kuf  eines  vortreiflichen  Harfen- 
spielers u.  Kirchenkompositeurs. 

Costantini,  AlessandrOj  (Constantini)  war  in  Born  geb.  und 
daselbst  an  der  Kirche  S.  Giovanni  dei  Fiorenti  als  Ep.-M.  u.  Organist 
angestellt.  Ausser  yerschiedenen  wertvollen  Stücken  in  den  Samm- 
lungen des  Fabio  Costantini  hinterliess  er  ein  Motettenwerk  für  1,  2 
u.  3  Stimmen  mit  Orgelbegleitung,  21  Stücke  enthaltend. 

Costantini,  Fabio,  1560  in  Eom  geb.,  war  zuerst  Ep.-M.  in 
Ancona,  dann  zu  Orvieto,  später  an  der  Kirche  S.  Maria  in  Trastevere 
zu  Rom,  worauf  er  wieder  nach  Orvieto  zurückkehrte.  Er  gehörte  der 
römischen  Schule  an  u.  nach  seinen  wenigen  Originalkompositionen  zu 
schliessen,  war  er  nach  dem  Urteile  Proske's  vollkommen  in  den  Geist 
derselben  eingedrungen.  Er  gab  4  Sanmilungen  von  Eirchenstücken 
der  besten  römischen  Meister  von  1614—1618  heraus,  worunter  nur 
weniges  von  seiner  eigenen  Eomposition  ist«  Biese  Anthologien  sind 
als  wahre  Muster  klassischer  Auswahl  zu  preisen  und  es  hat  C.  da- 
durch einen  wahrhaft  geläuterten  Geschmack  und  die  gründlichste 
Eunsteinsicht  bewährt.  Ausserdem  sind  1596  u.  1618  von  ihm  Motetten, 
Psalmen  u.  Magnificate  zu  8  Stimmen  herausgekommen. 

Costanzi,  Giovanni,  auch  Gioanino  di  Roma  genannt, 
weil  er  zu  Rom  geboren  war,  stand  erst  in  Diensten  des  Eardinals 
Ottoboni,  u.  wurde  1755  Ep.-M.  an  der  St.  Peterskirche,  als  welcher 
er  d.  5.  März  1778  starb.  In  der  Archiven  der  päpstl.  Eapelle  werden 
16stim.  Motetten  von  ihm  aufbewahrt. 

Cottonins,  Joannes,  wahrscheinlich  ein  Benediktinermönch  des 
Elosters  AfFlighem  bei  Brüssel,  am  Anfange  des  12.  Jhdts.  Seinen 
vorzüglichen  Traktat  „De  Musica**  veröffentlichte  Gerbert  im  IT.  Bande 
seiner  Scriptores;  übersetzt  steht  er  im  „Eirchenmusikal.  Jahrbuch" 
von  F.  X.  Haberl  1888. 

Cotnmacci,  Carlo,  geb.  1698  zu  Neapel,  studierte  Musik  unter 
Ales.  Scarlatti  u.  wurde  Nachfolger  des  Durate  als  Ep.-M.  am  Eonser- 
vatorium  S.  Onofrio.  Er  war  guter  Orgelspieler  u.  Eirchenkomponist 
u.  verfasste  zwei  theoretische  Werke:  „Regole  dell*  accompagnamento" 
u.  „Trattato  di  Contrappunto."    f  1775  in  Neapel. 

Courtois,  Jean,  ein  franz.  Eomponist,  lebte  um  die  Mitte  des 
16.  Jhdts.  In  mehreren  Sammlungen  u.  auf  der  Münchener  Bibliothek 
finden  sich  Messen  u.  a.    Seine  Werke  soUen  gut  gearbeitet  sein. 

Coussemaker,  CharlesEdmond  Henride,  geb.  zu  Bailleul 
(Dep.  du  Nord.)  d.  19.  April  1795,  trieb  schon  in  seiner  Jugend  die 
Musik  eifrig,  besonders  aber  während  seiner  juristischen  Studienzeit 
zu  Paris  unter  Reicha  u.  als  Anwalt  zu  Douai  unter  Lefäbvre.  Neben 
seiner  Bemfsthätigkeit  als  Friedensrichter  an  mehreren  Orten  trieb  er 
nun  auch  musikalisch-litterar.  u.  historische  Forschungen.  Durch  seine 
unermüdlichen  Forschungen  u.  Veröffentlichung  derselben  hat  er  der 


Cousu  —  Crivelli.  65 

Musikwissenschaft  die  grössten  Dienste  gelßistet  u.  neben  Gerbert 
steht  er  in  dieser  Beziehung  unerreicht  da.  Seine  Hauptwerke  sind: 
a)  Memoire  sur  Hucbald,  1841;  b)  Notices  sur  les  collections  musicales 
de  la  bibliotheque  de  Cambrai  et  des  autres  villes  du  d^partement  du 
Nord,  1843;  c)  Histoire  de  FHarmonie  ou  moyen-age,  1852;  d)  Scriptorum 
de  musica  medii  aevi,  nova  series  a  Gerbertina  altera,  4  Bände,  1864—75  ^ 
e)  L'art  harmonique  aux  XII«  et  XTTT«  si^cle,  1865 ;  f)  Les  harmonistes 
des  XII.  et  XTTT.  siöcles,  1865;  g)  Drames  liturgiques  du  moyen-äge, 
1860;  h)  Oeuvres  complötes  du  Trouv^re  Adam  de  Haies,  1875.  Ausser- 
dem verfasste  er  noch  eine  Menge  Artikel,  die  in  verschiedenen  gelehrten 
Zeitschriften  niedergelegt  sind.  Er  starb  als  Richter  des  CivU-Gerichtes 
zu  Lille  am  10.  Jan.  1876.   (vgl  Cäcilienkalender  von  F.  X.  Haberl',  1877). 

Consn,  Jean,  zu  Anfang  des  17.  Jhdts.  lebend,  war  erst  Sänger, 
dann  Kp.-M.  zu  Noyon,  u.  wurde  zuletzt  Kanonikus  zu  S.  Quentin. 
Er  hat  den  Euhm  eines  guten  Theoretikers  und  Komponisten.  Er 
schrieb  ein  Werk  „La  musique  universelle,  contenant  toute  la  pratique 
et  toute  la  th^orie,"  von  welchem  bis  jetzt  nur  ein  unvollständiges 
Exemplar  aufgefunden  wurde,  worin  nach  F6tis  Versicherung  die  mu- 
sikalische Kunst  nach  ihrem  Stande  im  17.  Jhdt.  aufs  Klarste  und 
Methodischste  abgehandelt  ist. 

CozzI,  Carlo,  geb.  zu  Parabiago  im  Mailändischen,  war  in  seiner 
Jugend  Barbier,  verliess  aber  diesen  Stand  bald  u.  schwang  sich  durch 
Fleiss  und  Talent  zu  einem  angesehenen  Meister  der  Musik  auf. 
Von  der  Königin  von  Spanien  erhielt  er  den  Titel  eines  Hoforganisten. 
Er  starb  als  Organist  in  Mailand  1658  oder  59. 

Cozzolani,  Ohiara  Margherita,  trat  1620  in  das  Kloster  der 
Benediktinemonen  von  S.  Badegonda  in  Mailand  u.  wird  als  gewandte 
Komponistin  gerühmt.  Von  ihren  Werken  sind  gedruckt^:  „Primavera 
di  Fiori  musicali,  a  1,  2,  3  e  4  voci,"  (Venedig  1642) ;  Scherzi  di  sacra 
melodia,^'  (Venedig,  1648);  „Salmi  a  otto  voci  concertante,  con  motetti 
e  dialoghi,  a  2,  3,  4,  .5  e  6  voci,"  (Venedig,  1650). 

Greqnilloii,  Thomas,  ein  niederländischer  Kontrapunktist,  welcher 
bei  seinen  Lebzeiten  eines  grossen  Bufes  sich  erfreute,  war  geboren 
um  1520,  u.  wurde  nach  Nik.  Gombarts  Tode  Kp.-M.  am  Hofe  Kaiser 
Carls  V.  In  Druck  erschien  sehr  vieles  von  ihm,  u.  a.  eine  6stimmige 
Messe  über  das  Chanson:  „Mille  regrets,"  u.  „Cantiones  sacrae  5  et 
8  voc.**,  Löwen  1576.  Auch  in  mehreren  Sammelwerken  finden  sich 
Kompositionen  von  ihm. 

Crivelli,  Arcangelo,  geb.  zu  Bergamo  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts., 
war  1583  Tenorist  in  der  päpstl.  Kapelle;  von  seinen  Kompositionen 
sind  einige  von  Costantini  in  seine  „Selectae  cantiones'^  aufgenommen. 
—  C.  Dominico,  ein  Sohn  des  ausgezeichneten  italienischen  Tenoristen 
C.  Gaetano,  war  geb.  1791  zu  Brescia,  kam  frühzeitig  nach  Neapel, 
wo  er  im  Konservatorium  di  S.  0  n  o  f  r  i  o  die  Komposition  studierte, 

KornmGllcr,  Lexikon.    II.  Bd.  5 


66  Crooe  —  Czemohorsky» 

1812  aber  nach  Born,  wo  er  sich  unter  ZingareUi  weiter  ansbildete, 
n.  wurde  zuletzt  Professor  am  Regal  collegio  di  Musica  in  NeapeL 
Er  schrieb  neben  profanen  Tonstttcken  auch  Kirchensachen. 

Croce,  Qiovanni,  (Jo.  a  Grucej  geh,  zwischen  1557  u.  1559  zu 
Chioggia  bei  Venedig,  genoss  in  der  blühendsten  Epoche  dervenetianischen 
Schule  den  Unterricht  des  grossen  Zarlino.  Mit  den  edelsten  G^istes- 
u.  Qemütsanlagen  ausgestattet,  verband  er  eine  unermüdliche  Schaffens- 
lust u.  errang  sich  dadurch  die  höchste  Auszeichnung,  welche  ihm 
seine  Vaterstadt  bieten  konnte.  Er  war  Priester  u.  als  solcher  an  der 
Kirche  S.  Maria  Formosa  in  Venedig  angestellt,  zugleich  Kontra- 
altist. 1593  wurde  ihm  der  Qesangunterricht  der  Singknaben  zu 
S.  Marco  übertragen;  mit  dieser  Funktion  scheint  ihm  zugleich  der 
Titel  eines  Vicekp.-M.  zu  teil  geworden  zu  sein.  13.  Juli  1603  tr^t 
er  nach  dem  Tode  des  Kp.-M.  von  S.  Marco,  Balth.  Donato,  an  dessen 
Stelle,  welche  Stelle  er  bis  zu  seinem  Tode,  15.  Mai  1609,  verwaltete. 
Seine  Werke  (5-,  6-  u.  Sstim.  Messen,  Motetten,  Psalmen,  Cantiones 
sacrae  u.  s.  w.)  s.  bei  Fetis  u.  im  KMus.  Jahrbuch  von  Haberl  1888. 
Dr.  Proske  sagt  von  ihm:  „Unter  den  grossen  Tondichtem  der  Schule 
Venedigs  kenne  ich  keinen,  welcher  mit  solcher  Innigkeit,.  Zartheit  u. 
Wärme  zu  singen,  den  Ernst  kirchlicher  Kunstanforderung  so  zu 
mildem  u.  gleichsam  mit  heiliger  Schönheit  zu  verklären  gewusst,  wie 
dieser  Meister,  dessen  persönlicher  Charakter  nach  dem  Zeugnisse 
Mitlebender  überaus  edel  u.  liebenswürdig  gewesen,  u.  dessen  Werke 
noch  lange  nach  seinem  Tode,  bei  bereits  erfolgter  Umgestaltung  der 
Kirchenmusik,  mit  grösstem  Beifall  gehört  wurden.*' 

Cmciati,  Mauricio,  Kp.-M.  an  S.  Petronio  in  Bologna  um  1660, 
war  ein  seiner  Zeit  sehr  geschätzter  Komponist. 

Cybnlowsky,  Lucas,  Chordirektor  an  der  Dekanatskirche  zu 
Prag  1617,  hat  sich  durch  eine  grosse  Menge  von  Kirchenstüeken 
bekannt  gemacht,  die  als  Manuskripte  in  den  böhmischen  Earchen 
zerstreut  sind. 

Czernohorsky,  Bohuslaw,  aus  Niemburg  in  Böhmen  gebürtig, 
war  zuerst  an  einer  Kirche  zu  Padua  alB  Eegenschori  angestellt,  und 
erhielt  auf  dortiger  Hochschule  den  „Gradum  musicae  magistri." 
Zwischen  1720  u.  1740,  in  welch*  letzterem  Jahre  er  auf  einer  Reise 
nach  Italien  gestorben  sein  soll,  findet  man  ihn  als  Minoritenmönch  u. 
Chordirektor  an  der  St.  Jakobskirche  zu  Prag.  Seiner  Zeit  galt  er  als 
der  bedeutendste  böhmische  Tonkünstler  u.  sein  Orgelspiel,  sowie  seine 
vielen  Kirchenkompositionen,  von  denen  beim  grossen  Brande  in  Prag 
1754  fast  alle  verloren  gegangen  sind,  wurden  ungemein  hoch  gehalten. 
Die  noch  übrige,  in  mancher  Prager  öffentlichen  u.  Privatbibliothek 
vorhandene  Motette  „Laudetur  Jesus  Christus,**  rühmt  Laurencin  als 
ein  Unikum  aller  altem  Gesangsfagen,  als  ein  Gebilde,  welches  nach 
und  nach  zu  einer  der  seltensten  Fughe  a  tre  sogetti  emporwächst,  die 


Czerny  —  Daser.  67 

in  der  yor-Bach'Bchen  Zeit  zu  finden  ist.    Unter  seine  Schüler  zahlen 
Seegert,  Zach  und  Tuma. 

Csemy,  Dominik,  geb.  zn  Niembnrg  in  Böhmen  d.  30.  Okt.  1736, 
ein  Minorit,  wurde  1760  Ghordirektor  an  der  St.  Jakobskirche  in  Prag, 
starb  aber  schon  d.  2.  März  1766.  Seine  Kompositionen  wurden  zu 
ihrer  Zeit  sehr  geschätzt,  blieben  aber  Manuskript.  —  C.  Sanctus, 
geb.  1734  in  Böhmen,  trat  in  den  Orden  der  Barmherzigen  Brüder  u. 
war  schon  damals  sehr  geschickt  im  Orgelspiel.  Er  wurde  seiner  Zeit 
hochgeschätzt  u.  starb  d.  26.  November  1775,  ohne  von.  seinen  zahl- 
reichen Kirchenkompositionen  etwas  durch  den  Druck  veröffentlicht 
zu  haben. 


D. 


Dankertft,  Ghiselin,  niederländ.  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts., 
geboren  zu  Tholen  (Zeeland)  ward  (als  Kleriker  von  Leyden)  22.  März 
1538  als  Sänger  in  die  päpstl.  Kapelle  aufgenommen  u.  verblieb  da 
bis  1565,  in  welchem  Jahre  er  pensioniert  wurde.  Von  seinen  Kompo- 
sitionen sind  zwei  Bücher  4 — 6stim.  Motetten  (1559)  erhalten,  einige 
finden  sich  in  Sammelwerken,  die  vallieell.  Bibliothek  bewahrt  einen 
Traktat  über  die  antiken  Klanggeschlechter  (Mskr.)  u.  einen  Schied- 
richterspruch. 

Danzi,  Franz,  geb.  d«  15.  Mai  1763  zu  Mannheim  (nach  andern 
zu  Schwetzingen),  erhielt  von  seinem  Vater,  welcher  als  Violoncellist 
in  der  kurpfölzischen  Kapelle  angestellt  war,  den  ersten  musikalischen 
Unterricht.  Später  machte  er  erst  unter  Vogler's  Leitung  ernstere 
theoretische  Studien.  1778  ging  er,  als  die  Mannheimer  Oper  und 
Kapelle  nach  München  versetzt  wurde,  auch  dahin  u.  komponierte 
vieles  für  die  Bühne.  Nach  mehrjährigen  Kunstreisen  kehrte  er  nach 
München  zurück  u.  erhielt  daselbst  im  J.  1796  die  Stelle  eines  Vice- 
Hofkp.-M.  1807  ward  er  Kp.-M.  in  Stuttgart,  dann  in  Karlsruhe,  wo 
er  am  13.  April  1826  starb.  Neben  seinen  weltlichen  Kompositionen 
existieren  noch  geistliche  Werke:  Messen,  Vespern,  Te  Deum  u.  dgl., 
welche  teilweise  in  München  durch  Lithographie  veröffentlicht  wurden. 

Obwohl  kein  Künstler  erster  Grösse,  besitzt  er  doch  den  Euhm 
eines  soliden  u.  geschickten  Musikers,  dem  schöne  u.  wahre  Empfindung 
u.  gefühlter  Ausdruck  nicht  abzusprechen  ist.  Seine  Kirchenwerke 
tragen  den  Stempel  der  Zeit. 

Daser,  Ludwig,  war  bayerischer  Hofkp.-M.  von  1557—1562, 
Vorgänger  von  Orlando  Lasso.  Von  seinen  Kompositionen  erschien 
■eine  vierstimmige  Passion  1578  in  Druck,  im  Manuskript  befinden  sich 

5* 


68  David  —  Dei. 

in ,  der  Münchener  Bibliothek  Messen,  Motetten  n.  a.  zu  4,  5  und 
6  Stimmen^  Er  wurdö  1562  pensioniert  u.  starb  1589.  —  Ein  anderer 
Ludwig  D.  soll  um  dieselbe  Zeit  Ep.-M.  des  Herzogs  von  Wfirttem* 
berg  gewesen  sein. 

David,  der  Sohn  Isais,  Königs  in  Israel,  vermochte  in  seiner 
Jugend  schon  an  den  Hof  Königs  Saul  gerufen  durch  seinen  Gesangs 
u.  sein  Saitenspiel  dessen  Schwermut  u.  Trübsinn  zu  bannen.  Als  er 
König  geworden  war,  hob  er  die  hebräische  Musik,  zum  höchsten  Grad 
ihrer  Ausbildung,  sowohl  durch  Verbesserung  der  Instrumente  als  durch 
Yermehrung  des  Sängerchors.  Seine  Psalmen  yerewigen  ihm  den  Buhm 
eines  gottbegeisterten,  vorzüglichen  Dichters. 

Dedler,  Bochus,  geb.  1779  zu  Oberammergau  (in  Oberbayem) 
besfann  seine  wissenschaftlichen  u.  musikalischen  Studien  im  Kloster 
Baitenbuch  u.  setzte  sie  am  Lyceum  in  München  fort.  1802  wurde 
er  Lehrer,  Chorregent  u.  Organist  in  seinem  Geburtsorte.  Mit  P. 
Weiss  arbeitete  er  das  berühmte, Passiönsspiel,  das  alle  10  Jahre  zur 
Aufführung  kommt,  um;  jener  bearbeitete  den  Text,  D.  aber  versah 
ihn  mit  neuer,  würdig  gehaltener  Musik.  Ein  Lungenleiden  setzte  1822 
seinem  Leben  ein  baldiges  Ziel. 

Dehelia,  Yincenzo,  Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Pietro  in  Palermo 
im  17.  Jhdt. 

Dehn,  Siegfried  Wilhelm,  Musikgelehrter  u.  Theoretiker, 
geb.  den  25;  Febr.  1799  zu  Altena,  studierte  von  1819—23  an  der  Uni- 
versität Leipzig  die  Bechtswissenschaft,  betrieb  aber  dabei  eifrig  die 
Musik.  Dann  wendete  er  sich  vorzüglich  auf  den  Bat  Bernhard  Klein's 
ganz  der  Tonkunst  zu.  1842  wurde  er  als  Gustos  der  musikalischen 
Abteilung  der  kgl.  Bibliothek  in  Berlin  angestellt.  Einige  Zeit  war 
er  als  Gesanglehrer  am  Domchor  thätig,  trat  aber  bald  wieder 
zurück.  1849  erhielt  er  den  Titel  „Kgl.  Professor**  und  1853  den 
belgischen  Leopoldorden;  auch  zum  Mitglied  mehrerer  Akademien  wurde 
er  ernannt.  Am  12.  April  1853  verschied  er  plötzlich  durch  einen 
Schlaganfall.  —  Von  Kompositionen  veröffentlichte  er  nichts;  von  seinen 
musikal.  Schriften  erschienen:  „Theoret.-prakt.  Harmonielehre  etc.'* 
Berlin  1840  (1859);  „Lehre  vom  Kontrapunkt,  dem  Kanon  und  der 
Fuge,**  Berlin  1858  (von  seinem  Schüler  Scholz  herausgegeben); 
„Analysen  dreier  Fugen  Bach's  und  einer  Yokaldoppelfuge  von  M.  A. 
Buononcini,**  Leipzig  1858.  Femer  besorgte  er  eine  neue  Ausgabe  von 
Marpurg's  „Abhandlung  von  der  Fuge,**  Leipzig  1858;  eine  Über- 
setzung von  Delamotte's  „Notice  biographique  sur  Boland  de  Lattre,*^ 
Berlin  1837,  sowie  die  Herausgabe  einer  „Sammlung  älterer  geistlicher 
und  weltlicher  Musik  aus  dem  16.  und  17.  Jhdt.**  (12  Hefl^ie^Berlin 
1837)  u.  a.  m. 

Dei,  Silvio,  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  von  Siena,  geb.  daselbst 
1748,  widmete  sich  ausschliesslich  der  Kirchenkomposition. 


D.emantius  —  Diebold.  69 

Demantias,  Christoph,  1567  zu Eeichenberg^  geb.,  wirkte  von 
1696  an  als  Kantor  in  Zittau,  von  1607  an  als  solcher  in  Freiberg, 
wo  er  20.  April  1643  sein  Leben  beschloss.  Die  gründlichste  Bildung 
im  Kontrapunkt  u.  ausharrender  Fleiss  in  allen  Zweigen  musikalischen 
Schaffens  lassen  in  ihm  eraen  der  gediegensten  Künstler  seiner  Zeit 
«kennen,  wovon  seine  theoretischen  u.  zahlreichen  praktischen  Arbeiten 
den  voUgiltigsten  Beweis  ablegen.  Er  komponierte  in  allen  damals 
üblichen  Musikgattungen;  eine  namhafte  Anzahl  von  Kompositionen 
fertigte  er  Über  lateinische  Kirchentexte.  („Triades  Sioniae  Introituum, 
Missarum  et  Prosarum,**  5,  6,  7  et  8  Vocibus,  Freibergae  1619. 
„Trias  Precum  Vespertinarum,**  Norimbergae  1602  etc.) 

Dentice,  Fabricio,*  in  Keapel  geboren,  genoss  daselbst  seine 
erste  musikalisehe  Bildung ;  er  gehört  unter  die  besten  Meister  der 
neapolitanischen  Schule;  jedoch  scheint  sein  Aufenthalt  in  Rom,  wo  er 
in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  blühte,  nicht  ohne  Einfluss  auf 
seine  weitere  Bildung  gewesen  zu  sein.  Er  war  auch  berühmt  als 
Lautenspieler  u.  Komponist  für  sein  Instrument.  15dQ  erschienen  von 
ihm  in  Venedig  fünfstimmig&  Motetten,  welche  besonders  seine  Meister- 
schaft kund  thun;  ausserdem  bewahrt  das  Archiv  der  sixtinischen 
Kapelle  noch  mehrere  Kompositionen  von  ihm. 

Deregt8>  Gaudenzio,  geb.  1747  zu  Agnona  bei  Vercelli,  und 
Kp.-M*  zu  Ivrea,  wo  er  1816  starb,  hinterliess  Kirchenkompositionen 
im  Mskpt.  —  Sein  Vetter  L  u  c  c  a  D.,  geb.  1748  zu  Agnona,  studierte 
Musik  zu  Bologna  u.  starb  1805  als  Kanonikus  u..  Kp.-M,  zu  Borgo- 
Sesia.    Er  komponierte  Kirchensachen. 

Diabelli,  Anton,  geb.  6.  Sept.  1781  zu  Mattsee  im  Salzburgischen, 
hatte  von  seinem  Vater  schon  musikal.  Unterricht  erhalten.  Nachdem 
er  in  München  nebeii  den  Wissenschaften  audi  fleissig  Musik  betrieben 
hatte,  trat  er  in  seinem  19.  Jahre  in's  Gisterzienserkloster  RaitenhaS" 
lach,  von  wo  er  seine  Kompositionen  an  Michael  Haydn  in  Salzburg 
sandte.  Bei  der  1803  erfolgten  Säkularisation  der  Klöster  in  Bayern 
musste  er  Raitenhaslach  verlassen;  er  gab  seinen  Entschluss,  Priester 
zu  werden,  auf,  u.  begab  sich  nach  Wien,  wo  er  durch  Empfehlungen 
an  Joseph  Haydn  bald  ein  genügendes  Auskommen  fand.  1818  associerte 
«r  sich  mit  dem- Musikverleger  Gappi,  fährte  aber  seit  1824  die  Musik- 
handlung allein,  welche  er  später  an  C.  A.  Spina  verkaufte.  Er  hat 
in  den  verschiedensten  Gattungen  komponiert  und  eine  grosse  Anzahl 
Arrangements  fremder  Erzeugnisse  angefertigt.  Auch  für  die  Kirche 
schrieb  er  viel;  doch  ist  sein  Styl  viel  zu  leicht,  zu  lustig  u.  heiter, 
um  auch  von  ferne  kirchlich  heissen  zu  können.  Sein  Tod  erfolgte  zu 
Wien  am  7.  April  1858. 

Diebold,  Johann,  geb.  26.  Febr.  1842  in  Schlatt  bei  Hechingen 
am  Fuss  des  HohenzoUer,  erhielt  Mhzeitig  von  seinem  Bruder,  welcher 
wie  sein  Vater  Lehrer  war,  gründlichen  Unterricht  in  Gesang  und 


'1?' 


70  Dietgerus  —  Dietz. 

Klavierspiel,  welcher  noch  durch  fürstl.  hohenz.  Hofinnsiker  yervoU- 
koxnmnet  wurde.  17  Jahre  alt  kam  er  in*s  Schallehrerseminar  zq 
Brflhl  a.  Eh., -wo  er  sich  der  besondem  Aufmerksamkeit  M.  Töplers 
zn  erfreuen  hatte.  Nach  wenigen  Jahren  Schuldienst  ward  er,  al» 
Musiker  hochgeachtet,  von  dem  seL  Johann  Schweitzer  an  die  kirchL 
Musikschule  in  Freihurg  i*  Br.  berufen  u.  übernahm  alsbald  auch  die 
Leitung  des  Kirchenchores  an  St.  Martin  daselbst,  in  welcher  Stellung^ 
er  bis  heute  verblieb,  obwohl  schon  ein  Buf  ans  Lehrerseminar  in  Metz 
u.  and  Konservatorium  in  Strassburg  ergangen  war.  Von  B/s,  oft 
umfangreichen  Kirchenwerken  sollen  nur  genannt  sein:  Missa  „Te 
Detim^*  (4  Auflagen),  400  Orgelstücke,  Miserere,  Cantus  sacri  ad  I. 
Noct.  Tridus  sacri  (1882),  70  Cantus  sacri  fär  ausserlit.  Gottesdienst, 
10—12  Messen  für  gemischten  u.  Männerchor,  bes.  Missa  „Adoro  te^^ 
u.  „0  sanctissima*';  die  Missa  Jubilaei  Papal.  hat  ihm  eine  hohe  x>apstl. 
Anerkennung  seiner  Verdienste  eingetragen;  der  „Festorganist."  Von 
weltlichen  od.  religiösen  Kompositionen  seien  hervorgehoben:  „Glöck- 
leins  letzter  Abendklang"  u.  „Deutscher  Psalm  37/*  beide  gross- 
angelegte,  überall  aufs  günstigste  beurteilte  Werke;  ob  ersterem  ward 
dem  Kompositenr  eine  besondere  Auszeichnung  vom  Fürsten  von 
Hohenzollem  zu  teil.  Viele  Arbeiten  D.*s  finden  sich  in  Sanimelwerken, 
nicht  wenige  seiner  Werke  für  Männer-  oder  gemischten  Chor  sind 
noch  ungedruckt.  Gottschalg  schreibt  über  „Psalm  37* :  „Diese  Psalmen- 
dichtung ist  unstreitig  eine  der  hervorragendsten,  welche  die  Neuzeit 
hervorgebracht  hat.**  Auch  Dr.  Liszt  rechnet  D.'s  Werke  zu  den  vor- 
züglichsten Kirchenmusikwerken.  „Sie  halten  sich,  sagt  er,  getreu  an  di» 
Tradition  Palestrina^s  u.  Lasso*s  ohne  deren  lei^e  Knechtschaft." 

Dietgerus  oder  Theogerns,  Mönch  zu  Hirschau,  dann  Abt  zu. 
S.  Georg  im  Schwarz wald,  zuletzt  Bischof  von  Metz,  um  1118,  schrieb 
einen  Traktat  über  Mudik,  der  in  den  Script.  Gerberti  11.  Bd.  ent- 
halten ist. 

Dietrich,  S  i  x  t  u  s ,  deutscher  Kontrapunktist,  zwischen  1490  u.  95 
zu  Augsburg  geboren,  verlebte  seine  Jugendzeit  zu  Freiburg  i.  Br.» 
kam  1517  nach  Strassburg  u.  1518  als  Schulmeister  nach  Koni|tanz. 
1540  besuchte  er  noch  die  Universität  Wittenberg,  ohne  seine  Stellung 
in  Konstanz  aufzugeben.  1558  zog  er  sich  nach  St.  Gallen  zurück, 
wo  er  d.  21.  Nov.  desselben  Jahres  starb.  Von  seinen  Werken  sind 
bekannt:  ein  Buch  Magnifikat's  (1535),  zwei  Sammlungen  4stimm. 
Antiphonen  (1541«  1545),  einzelne  Stücke  finden  sich  in  andern 
Sammlungen  z.  B.  in  Glarean's  Dedachordon« 

DietZt  Sebastian,  geb.  1711  zn  Neuhaus  im  Bambergisohen» 
ward  nach  vollendeten  Studien  Informator  in  einem  gräfl.  Hause,  nach 
dem  Tode  des  Chorregenten  Obermüller  zu  Wasserburg  a.  Inn  ehelichte 
er  1737  dessen  Witwe  u.  ward  dessen  Nachfolger  als  Chorregent  tu 
Schullehrer.    Er  widmete  sich  mit  allem  Eifer  seiner  Kunst  und  der 


Dillen  —  Donfridus.  71 

Jugendbildnng  a.  verhalf  vielen  Jünglingen  durch  seinen  üntemcht 
in  Musik  u.  Sprachkenntnissen  zn  Glück  u.  Ansehen  z.  B.  Prof.  Schlett 
in  München  (s.  d.).  Er  komponierte  auch  vieles:  Messen,  Vespern, 
Litaneien,  Schauspiele,  wovon  sich  aber  weniges  erhalten  zu  haben 
scheint.  Lipowsky  führt  als  gedrucktes  Op.  I.  an :  „Alphabetarius  Musicns 
exhibens  YII  Missas  solemn.  in  claves  ordinarias  distributas  et  secundum 
stylum  modemum  attamen  ecclesiasticum  elaboratas/*  (Augsburg  1753); 
in  ,Mskr.  besitze  ich  eine  Litanei  nebst  Salve  fiegina.  Ec  starb 
19.  Nov.  1793. 

Dillen,  Wilhelm,  ein  belgischer  Komponist»  war  zu  Anfang  des 
17.  Jhdts.  Kp.-M.  an  dem  Dome  zu  Padua.  1622  veröffentlichte  er  zu 
Venedig  eine  Sammlung  von  5-,  6-  und  12-8timmigen  Messen. 

Dimta,  Agostino,  ein  Augustinermönch,  geb.  zu  Ende  des  16. 
Jhdts.,  war  zuerst  Xp.-M.  zu  Asola  in  der  Lombardie,  1622  zu  Born 
in  einem  Kloster  seines  Ordens,  zuletzt  in  Perugia.  Er  komponierte 
u.  edierte  viele  Kirchensachen.  (Messen  zu  5  Stimmen,  Venedig  1622; 
—  Litaneien  zu  4,  5  u.  6  Stimmen,  Born  1631).  —  Dessen  jüngerer 
Bruder  D.  Girolamo,  geb.  zu  Perugia  um  1560,  war  Organist  an 
der  Kathedrale  zu  Chioggia  u.  gab  ein  theoretisches  Werk  mit  dem 
Titel:  „H  Transilvano,"  heraus.    (Venedig  1615,  1622,  1639>) 

Divitis»  Antonius,  Kapellsänger  Ludwig  des  XII.  um  die  Zeit 
von  dessen  Tod  (1515)  einer  der  bedeutendsten  französ.  Kontrapunk- 
tisten  dieser  Zeit.  Von  seinen  Werken  sind  nur  wenige  in  Sammlungen 
u.  auch  handschriftlich  erhalten. 

Domart  oder  Domarto,  ein  berühmter  französ.  Kontrapunktist 
aus  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jhdts.,  wahrscheinlich  in  der  Pieardie 
geboren. 

Donati,  Baldassaro,  Kp.-M.  am  S.  Marco  in  Venedig,  lebte 
in.  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  u.  war  der  Nachfolger  Zarlino's 
in  diesem  Amte.    Er  starb  im  Juni  1603. 

Donati,  I  g  n  a  z  i  o ,  geb.  zu  Casale  Maggiore  bei  Cremona  gegen 
Ende  des  16.  Jhdts.,  war  zuerst  Kp.-M.  der  Akademie  S,  Spirito  zu 
Ferrara  (1619),  dann  in  seiner  Vaterstadt  u.  zuletzt  am  Dom  zu  Mai- 
land seit  1633.  Sein  Todesjahr  ist  unbekannt.  Er  gab  heraus:  ein 
Buch  1— 5stim.  Motetten  (1612),  zwei  Bücher  2—5  Concerti  ecclesiast. 
(1617,  1619),  zwei  Bücher  4— 6stimmiger  Messen  (1618),  zwei  Bücher 
5— 6stim.  Motetti  concertati  (1626,  1627),  ein  Buch  Motetti  a  voce  sola 
mit  Basso  continuo  (1626),  Psalmen  u.  a. 

Donfridns,  Johannes,  Schulrektor  zu Bothenburg am Nekar  u. 
zugleich  Musikdirektor  an  der  dortigen  Martinskirche  in  der  ersten 
Hälfte  des  17.  Jhdts.,  erwarb  sich  namentlich  durch  Herausgal^e 
mehrerer  Sammlungen  von  Kirchenkompositionen  guter  Meister  viele 
Verdienste.  „Proptuarium  mi^sicum,"  Strassburg,  1622—27;  „Viridarium 
Musico-Marianum,'*  mehr  als  2(X)  Concentus  eecles.  für  3  u.  4  Stimmen 


72  Doni  —  Drechsler. 

enthaltend,  Strassburg,  16'^7;  „CoroUa  musica,"  37  Messen  fttr  1,  2,  3, 
4  n.  5  Stimmen  enthaltend,  Strassbnrg,  1628;  auch  hat  man  von  ihm 
eine  Sammlung  von  Orgelstücken  unter  dem  Titel  „Der  Tabulator  für 
Orgel,"  3  Teile,  Hamburg,  1623. 

Doni,  Antonio  Francesco,  geb.  zu  Florenz  um  1519,  trat 
sehr  jung  in  den  Servitenorden,  den  er  1539  wieder  verliess.  Nach 
vielfachem  Wechsel  seines  Aufenthaltsortes  kam  er  1548  nach  Venedig, 
wo. er  bis  zu  seinem  Tode,  im  September  1574,  verblieb.  Von  seinen 
Kompositionen  ist  nichts  mehr  vorhanden,  von  seinen  zahlreichen 
Schriften  nur  weniges.  („Dialoghi  della  Musica,"  Venedig  1544  und 
„Libraria,"  ebendas.  1550,  1551  u.  1560.) 

Doni,  Giovanni  Battista,  ein  edler  Florentiner,  geb.  1593, 
erlangte  1618  in  Pisa  die  Doktorwürde  in  der  Kechtswissenschaft,  auch 
in  den  Naturwissenschaften,  den  oriental.  Sprachen  u.  in  der  Philologie 
war  er  wohlerfahren.  1627  erhielt  er  in  Born  die  Stelle  eines  Sekretärs 
des  heü.  Kollegiums.  Bald  nachher  folgte  er  dem  Kardinal  Barberini 
nach  Frankreich,  wo  er  einige  Zeit  verblieb.  1641  riefen  ihn  Familien- 
verhältnisse wieder  nach  Florenz  zurück,  wo  er  sich  verheiratete 
u.  die  Stelle  eines'  Professors  der  Rhetorik  annahm.  Er  starb  1647, 
nachdem  er  auch  Mitglied  der  florentinischen  Akademie  u.  der  della 
Crusca  geworden  war.  Seine  vielen  Schriften,  worin  er  grösstenteils 
die  Musik  der  Alten  behandelt,  haben  für  den  Musikhistoriker  grossen 
Wert.  Von  seinen  Schriften  wurde  in  Florenz  1773  eine  Ausgabe  in 
2  Foliobänden  veranstaltet. 

Dragoni,  Giovanni  Andrea,  geb.  zu  Meldola  im  Kirchenstaate 
um  1540,  ein  Schüler  Palestrina's,  wurde  1576  Kp.-M.  an  S.  Johann 
im  Lateran,  welche  Stelle  er  bis  zu  seinem  Tode  1598  inne  hatte. 
Er  zählt  zu  den  vortrefflichsten  Kontrapunktisten  der  röm.  Schule. 

Draad  oder  Draudias,  Georg,  geb.  zu  Davemheim  in  Hesseut 
den  9.  Jan.  1573,  ward  1599  Prediger  zu  Gross-Carben,  1625  zu 
Davemheim,  von  wo  er  aber  wegen  der  Kriegsunruhen  nach  Butzbach 
flüchtete;  daselbst  starb  er  1635.  Seine  „Bibliotheca  classica,**  die  1611 
erschien  (16^5  in  zweiter  Auflage),  seine  „Bibliotheca  exotica  (1625), 
wie  auch  „Bibliotheca  librorum  germanicorum  classica"  (1625)  sind  eine 
Hauptquelle  für  die  musikal.  Litteratur  des  15.,  16.  u.  17.  Jhdts. 

Drechsler,  Joseph,  geb.  den  26.  Mai  1782  zu  WällischBirken 
in  Böhmen,  war  als  Knabe  Sänger  bei  den  Franziskanern  in  Passau, 
studierte  dann  im  Kloster  Formbach  die  Humaniora  wie  auch  den 
öeneralbass  u.  den  Kontrapunkt.  1814  wurde  er  zum  Kapellmeister- 
adjunkten am  Hofopemtheater  in  Wien  ernannt,  zugleich  ward  er  auch 
Kp.-M.  an  der  Universitätskirche  u.  an  der  Hof-Pfarrkirche.  Um  diese 
Zeit  begründete  er  die  Professur  der  Harmonielehre  an  der  St.  Anna- 
schule  zur  Ausbildung  der  Schulkandidaten  in  der  Musiktheorie,  wie 
im  Orgelspiel.  1822  trat  er  das  Kapellmeisteramt  bei  der  Leopoldstätter 


1  * 


Dreyer  —  Duguet.  73 

Bühne  an.  1844  ward  er  Ep.-M.  am  Stephansdom.  Er  starb  zu  Wien 
27.  Febr.  1852  u.  hinterliess  neben  vielen  weltlichen  Musikwerken  auch 
vieles  für  die  Kirche. 

Dreyer,  Johann  Melchior,  geb.  1765  zu  Ellwangen  u.  zu  Anfang 
des  laufenden  Jhdts.  als  Organist  daselbst  gest.,  war  ein  fruchtbarer 
Kirchenkomponist.  Viele  seiner  Kirchensachen  sind  im  Druck  erschienen 
u.  waren  lange  Zeit  in  Süddeutschland  auf  allen  Chören  einheimisch. 

Drobisch,  CarlLudwig,  geh«  d.  24.  Dez.  1803  zu  Leipzig, 
gest.  als  freiresignierter  Kp.-M.  der  evangel.  Kirche  S.  Anna  zu  Augs- 
burg d.  20.  Aug.  1854.  Die  Liebe  zur  Musik  erwachte  in  ihm  erst  im 
Jünglingsalter  u.  zwar  so  heftig,  dass  er  ihrer  Pflege  alle  freie  Zeit 
widmete.  Ohne  Unterricht  eines  Lehrers,  blos  durch  Selbststudien 
brachte  er  es  dahin,  dass  er  kleinere  Werke  komponierte.  Gründlichen 
u.  geregelten  Unterricht  in  der  Harmonielehre  u.  im  Kontrapunkt 
erhielt  er  erst  in  Leipzig,  als  er  1821  die  Universität  bezog.  1826  kam 
«r  nach  München,  wo  es  ihm  so  sehr  gefiel,  dass  er  bis  1837  fast 
immer  daselbst  verblieb.  An  Ett  sich  anschliessend,  studierte  er  auf 
der  Bibliothek  die  Werke  der  alten  Meister  u.  erwarb  sich  die  tüchtigsten 
Kenntnisse  in  seiner  Kunst.  1837  erhielt  er  die  Stelle  als  Musikdirektor 
bei  St.  Anna  in  Augsburg,  welche  Stelle  er  bald  verliess.  Er  kompo- 
nierte viele  Musikwerke  für  die  katholischen  Kirchen  von  1826—37; 
ihr  ernster,  religiöser,  oft  aber  trockener  Styl  (w.  Ambros  bezeichnet 
sie  mit  Recht  als  „Mittelgut")  verschaffte  ihnen  allseitig  Anerkennung 
u.  Aufnahme.  Auch  als  Lehrer  der  Tonkunst  wirkte  er  u.  hatte  immer 
«inenr  Kreis  Schüler  um  sich.  Von  seinen  katholischen  Kirchensachen 
erschienen  6  sogenannte  Landmessen,  12  grosse  Messen,  6  Gradualien 
u.  6  Offertorien,  3  Litaneien,  3  Bequiem  u.  dgl.  in  Druck. 

Daois,  Benedictus,  auch  öfter  blos  Benedictus  genannt, 
über  dessen  Vaterland,  Deutschland  oder  die  Niederlande,  die  Ge- 
schichtsforscher noch  nicht  einig  sind,  lebte  in  der  ersten  Hälfte  des 
16«  Jhdts.  u.  nimmt  eine  der  ersten  Stellen  unter  den  Komponisten 
seiner  Zeit  ein.  Einige  halten  ihn  für  einen  Schüler  Josquin's,  da  er 
auf  dessen  Tod  einen  Trauergesang  gefertigt  hatte.  Auf  der  Bibliothek 
zu  Cambrai  befinden  sich  mehrere  seiner  Arbeiten  in  Mskr. 

Dnfay,  Guillaume,  war  zu  Chimay  im  Hennegau  (nicht  vor  1400) 
geboren,  trat  1428  in  die  päpstliche  Kapelle,  wo  er  bis  1437  verblieb. 
Später  ward  er  Priester,  1450  Kanonikus  in.Cambray  u.  starb  daselbst 
:27.  November  1474.  Sein  Lehrer  war  Dunstable.  Bis  jetzt  kennt  man 
•c.  150  Kompositionen  von  ihm.  (Sieh  die  höchst  verdienstliche  Arbeit 
J'.  X.  Haberl's  über  Dufay.  Vierteljahrschrift  f.  Musik-Wiss.  1885. 
4.  Heft;  auch  gesondert  unter  dem  Titel  „Bausteine"  erschienen). 

Dagaet,  A  b  b  6 ,  als  Musikmeister  an  der  Kirche  Saint-Germain 
r  Auxerrois  u.  1780  in  gleicher  Eigenschaft  an  Notre-Dame  angestellt, 
war  ein  fleissiger  Kirchenkomponist. 


74  Dulcino  —  Daval. 

DalcinOi  Giov.  Batt.,  ein  italienischer  Komponist  zu  Anfang- 
des  16.  Jhdts.,  yeröffentlichte  1609  in  Venedig:  „Cantione»  sacrae  8  yoc» 
nna  cnm  Litaniis  et  Magnificat  com  Basso  continno.** 

Ihmstable,  John,  ein  bedeutender  englischer  Kontrapnnktist  de» 
15.  Jhdts.,  nach  dem  Zengniss  des  Tinktoris  einer  der  Väter  des 
eigentlichen  Kontrapunkts  u.  Zeitgenosse  yon  Dnfay  (dessen  Lehrer 
er  war)  o.  Binchois.  Er  starb  1458  u.  wurde  in  der  Stephanskirche  zu 
Walbrook.  beigesetzt.    Von  seinen  Werken  ist  sehr  wenig  erhalten. 

Dumont,  Henri,  geb.  bei  Lfittich  1610,  wnrde  1639  Organist  zu 
S.  Paul  in  Paris  u,  bald  darauf  zur  Stelle  eines  kgl.  Ep.-M.  erhoben» 
1674  legte  er  letzteres  Amt  nieder.  Er  starb  1684  u.  hinterliess  viele 
Kirchenkompositionen. 

Darante,  Francesco,  geb.  den  15.  März  1684  zu  Frattamag- 
giore  im  Neapolitanischen,  genoss  den  ersten  Musikunterricht  bei 
Gaetano  Greco,  kam  dann  unter  die  Leitung  von  Aless.  Scarlatti  xu 
bildete  sich  zu  Bom  unter  Leitung  Pitoni's  zum  Kontrapunktisten  aus. 
Um  1718  kehrte  er  wieder  nach  Neapel  zurück  und  übernahm  did 
Kapellmeisterstelle  am  Konserratorium  S.  OnoMo;  1752  ward  er 
Porporas  Nachfolger  am  Konservatorium  S.  Maria  di  Loretto  daselbst 
XL.  führte  die  Leitung  dieser  Musikschule  rühmlichst  bis  an  sein  Lebens- 
ende d.  13.  August  1755.  Er  ist  einer  der  grössten  Kirchenkomponistea 
aller  Zeiten  u.  nebst  Leonardo  Leo  der  Stifter  der  berühmten 
sogenannten  neapolitanischen  Schule,  sowie  einer  der  bedeu- 
tendsten Tonlehrer,  die  je  gelebt  haben;  unter  seine  Schüler  zählten 
Pergolese,  Traetta,  Vinci,  Jomelli,  Piccini,  Sacchini,  Paisiello  und 
Gutrlielmi  der  Ältere  u.  a.  Die  vollständigste  Sammlung  der  Werke 
D.'s  besitzt  wohl  die  Bibliothek  des  Pariser  Konservatoriums;  er 
schrieb  nur  Kirchenwerke  u.  Kammermusikstücke. 

Daval,  Edmund,  geb.  d.  22.  Aug.  1809  zu  Enghien  im  Hennegan, 
studierte  von  1828—32  am  Pariser  Konservatorium  Musik.  Dann 
begann  er,  durch  Abb6  Janssen  auf  den  Choral  hingelenkt,  dessen 
Studium  u.  wurde  selbst  vom  Erzbischof  von  Mecheln  beauftragt»  die 
Diözesan-Ghoralbücher  umzuarbeiten,  weshalb  er  auch  einige  Zeit  in 
Bom  verweilte.  IQ4S  erschienen  als  Frucht  seiner  Arbeit:  „Graduale 
romanum  juxta  ritum  S.  rom.  Ecclesiae"  u*  „Vesperale  romanum  cum 
Psalterio  etc.**  —  1850:  „Manuale  chori,"  1851  „Processionale";  1854 
^»Bituale  rom.'*  etc.  Ausser  andern  litter.  Arbeiten  gab  er  einen  „Traitö 
d'  accompagnement  du  plain-chant  par  orgue,  d*  aprös  les  regles  des 
th6oriciens  du  XIII.  et  du  XIV.  sidcle**  heraus. 


Eberlin  —  Eberwein,  75 


E. 


Eberlin,  Joh.  Ernst,  geb.  27.  März  1702  zu  Jettenbach  m 
Schwaben,  war  nach  seinem  1747  in  Augsburg  gedruckten  Werke 
„IX  Toccate  e  fiighe  per  Y  organo"  (in  Quer-Fol.)  um  diese  Zeit 
Organist  beim  Erzherzoge  Sigismund  zu  Salzburg;  später  wurde  er 
daselbst  Truchsess  ü  Kp.-M.  Man  schätzte  ihn  nach  Verdienst  hock 
u.^  benannte  ihn  wegen  seiner  Fruchtbarkeit  im  Komponieren  auch. 
„Telemann  den  Zweiten";  auch  Marpurg  sagt  von  ihm,  dass  er  einem 
Scarlatti  u.  Telemann  an  die  Seite  zu  setzen  sei  Von  seinen  Werken 
bringt  Fetis  in  seiner  „Biographie  universelle"  (1862)  ein  reiches  Ver- 
zeichnis; sie  bestehen  in  Messen,  Eequiems,  Motetten,  Toccaten  und^ 
Fugen  (40  Nummern)  u.  20  musikalischen  Dramen;  die  Proske'scha 
Bibliothek  besitzt  davon  13  Oratorien  in  Eberlin's  eigener  Handschrift. 
Auf  der  kgl.  Bibliothek  in  Berlin  finden  sich  ein  „Miserere"  u.  ein 
Offertorium  „Misericordias"  ftir  Chor  nebst  Solostimmen,  2  Violinen, 
Violon  (Viola?),  Bass  U.  Orgel;  in  der  Bibliothek  des  kgl.  Kirchen- 
institutes daselbst  ein  Band  Orgelstücke,  von  welchen  Fz.  Commer 
20  Nummern  Toccaten  u.  Fugen  in  der  „Musica  sacra"  veröffentlicht 
hat  Ausser  den  angeführten  Druckwerken  ist  alles  Mskr.  gebliebeu 
u.  in  verschiedenen  Bibliotheken  zerstreut.  Er  starb  21.  Juni  1762. 
Ausser  den  von  Fetis  angegebenen  u.  in  der  musikalischen  Zeitschrift 
„Cäcilia"  (Bd.  XXIII.  pag.  209)  aufgeführten  Werken  sind  noch  zu 
nennen:  Manuskript  auf  dem  Stiftschore  zu  St  Peter  in  Salzburg: 
6  Offert.,  1  Introitus  „Borate,"  1  Missa  de  Eequiem  (mit  Orchester)^ 
2  Sequenzen,  6  Besponsorien,  1  Miserere,  1  Complet,  2  Tantum  ergo^ 
4  Litaneien,  2  Ave  Maria;  im  Archiv  des  Domchores  daselbst:  22  Missae 
breves,  15  Missae  in  contrapuncto  sine  instrum.,  75  Offertorien,  für  fer« 
V*  in  Goena  Domini  et  Dominica  Palmarum,  Introitus,  Gradual., 
Offert  et  Communio;  27  Dixit  et  Magnlücat,  47  Psalmen  zur  Vesper^ 
30  Litaneien,  9  Requiem,  5  Eegina  coeli,  3  Te  Denm  mit  Instrum., 
1  detto  in  Choral,  10  Miserere,  mehrere  Besponsorien,  Hymnen  und 
Introitus  (21  Nummern).  Alles  in  Allem  genommen  steigt  die  Anzahl 
seiner  bis  jetzt  bekannten  Werke  etwas  über  300. 

Ebet-weln,  Traugott  Maximilian,  geb.  27.  Okt  1775  zxt 
Weimar,  fing  von  seinem  Vater  in  beinahe  allen  Instrumenten  unterrichtet 
frühzeitig  zu  komponieren  an.  Von  1792  an  studierte  er  bei  Kunze  iu 
Frankfurt  a.  M,  die  Tonsetzkunst,  wurde  1797  fürstl.  rudolstädtischer 
Hofmusikus  u.  nahm  später  noch  in  Neapel  bei  Fenaroli  Unterricht 
im  Kontrapunkte.  1804  kehrte  er  wieder  nach  Budolstadt  zurück,  wo 
er  1817  endlich  wirklicher  Hofkp.-M.  wurde.    Er  starb  2.  Dez.  1831. 


76  Eccard  —  Eisenhuet. 

Unter  seinen  zahlreichen,  meist  tüchtigen  Werken  finden  sich  auch 
einige  Kirchenstücke,  Hymnen,  Te  Denm,  Psalmen  n.  eine  grosse  Mes^e 
in  As,  welche  er  seihst  als  seine  heste  Arheit  erklärte. 

Eccard,  Johann,  geh.  1553  zu  Mühlhansen  an  der  ünstrut,  war 
ein  Schüler  des  Orlandns  Lassns  zu  München,  welches  er  nm  1574 
wieder  verliess.  Nachdem  er  einige  Zeit  auch  in  Fuggerschen  Diensten 
in  Augsburg  gestanden,  wurde  er  1583  Vicekapellmeister,  1599  endlich 
wirklicher  Kp.-M.  in  Königsberg.  Er  starb  zu  Berlin  1611,  wohin  er 
1609  als  kurfürstl.  Kp.-M.  gezogen  war.  Er  ist  einer  der  bedeutendsten 
Meister  der  preussischen  Tonschüle  u.  hat  in  der  kirchl.  Liedform  das 
Trefflichste  geleistet.  Ausser  deutschen  Chorälen  kennt  man  von  ihm 
noch  XX  Cantiones  sacrae  5  et  plur.  voc.'*    Mühlhausen  1574. 

Edeiiliofer,  Aloys,  geb.  30.  Januar  1820  zu  Deggendorf,  schon 
durch  seinen  Vater  in  Musik  unterrichtet,  bildete  er  sich  noch  weiter 
während  seiner  Studienzeit  im  k.  Seminare  zu  St.  Paul  in  Eegensburg 
n.  im  Schullehrerseminare  in  Straubing,  so  dass  er  1838  yor  12  Mit- 
bewerbern die  Organistenstelle  an  der  Stadtpfarrkirche  St.  Jakob  in 
Straubing  erhielt,  welche  er  noch  inne  hat.  Durch  unausgesetzte 
Studien  in  allen  Zweigen  der  Musik,  gefördert  namentlich  durch 
freundschaftliche  Beziehungen  zu  J.  G.  Mettenleiter  *  in  Eegensburg, 
gewann  er  den  Euf  eines  vorzüglichen  Organisten  u.  kenntnisreichen 
Musikers.  1865  ward  er  als  Lehrer  am  k.  Schullehrerseminare  daselbst 
angestellt  u.  ihm  der  Unterricht  im  Choral-  u.  Figuralgesange,  im 
Orgelspiel  u.  in  der  Harmonielehre  anvertraut;  bedeutende  Krankheiten 
veranlassten  ihn  1685  die  Versetzung, iu  den  Ruhestand  nachzusuchen. 
Von  dessen  Kompositionen  sind  im  Druck  erschienen:  mehrere  Lieder, 
-auch  für  Männerstimmen;  die  Bearbeitung  von  Wittes  Luzienmesse  für 
4stimmigen  Männerchor;  f&r  die  Landchdre,  einstimmig  mit  Orgel; 
3  Messen,  1  Bequiem,  Ölberggesänge,  100  Offertorien  (diese  auch 
4stim.)  besonders  geschätzt,  2  Hefte  Marienlieder  etc.  (Eegensburg, 
A.  Coppenrath'. 

Elsenhofer,  Franz  Xaver,  geb.  29.  Nov.  1783  zu  Hmmünster 
in  Oberbayem,  erhielt  den  ersten  Unterricht  im  Generalbass  im  Kloster 
Scheyem;  später  machte  er  eine  gründliche  Harmonielehre  u.  kontra- 
punktische Schule  bei  dem  berühmten  Theoretiker  Jos.  Gratz  in 
München  durch.  Seit  1825  war  er  Studienrektor  und  Professor  in 
Würzburg.  Er  schrieb  einiges  für  die  Kirche  von  geringer  Bedeutung, 
seinen  Hauptruhm  erwarb  er  sich  durch  seine  4stimm.  Liederkomposi- 
tionen.   Gestorben  ist  er  d.  15.  Aug.  1855. 

Eisenhaet,  Thomas,  war  um  1676  Musikdirektor  beim  Fürstabt 
zu  Kempten^  später  regulierter  Chorherr  des  Klosters  zum  hl.  Gteorg 
in  Augsburg.  Er  schrieb  Messen,  Offertorien,  „Harmonia  sacra" 
(Augsburg  1675)  geistl.  Konzerte  enthaltend,  dann  ein  theoretisches  Werk 
„Musikalisches  Fundament**  betitelt,  das  mehrere  Auflagen  erlebte. 


Eloy  —  Ertel.  77 

Eloy,  ein  Kohtrapunktist  des  15.  Jhdts.»  wahrseheinlich  ans  Frank* 
reich  gebürtig,  wird  neben  Dufay,  Binchois,  Faugues  als  ein  vorzüglicher 
Meister  der  ersten  niederländischen  Schale '  genannt.  Tinktoris  sagt 
von  ihm,  dass  er  „hochgeehrt  in  Anwendung  des  modus**  gewesen  sei. 
Das  Archiv  der  päpstlichen  Kapelle  bewahrt  von  ihm  die  Messe 
„Dixemnt  discipuli." 

Elsner,  Joseph,  geb.  zu  Grottkau  in  Schlesien  den  1.  Juni  1769,  • 
studierte  zuerst  Medizin,  wendete  sich  aber  bald  der  Musik  gänzlich 
zu.  Er  war  in  allen  Kompositionsgattungen  thätig  und  starb  den 
18.  April  1854  als  Direktor  des  Konservatoriums  in  Warschau.  Unter 
seinen  zahlreichen  Kompositionen  finden  sich  auch  sehr  viele  Kirchen- 
Stücke  aller  Art,  im  modernen  Kammerstyl  gehalten. 

Eist,  Johann'van  der,  ein  Augustinermönch  in  Gent,  aus  einer 
adeligen  Familie  in  Brabant,  zu  Anfang  des  17.  Jhdts.,  beschäftigte  sich 
eifrig  mit  der  Musiktheorie,  erfand  eine  neue  Notierungsart,  welcher 
er  die  schwarzen  Noten  des  14.  Jhdts.  zu  Grunde  legte,  u.  schlug  für 
die  Solmisation  eine  neue  Notenbenennung  vor,  nach  welcher  den  natür- 
lichen Tönen  die  Namen  ut,  re,  mi,  fa  etc.  verbleiben,  die  erhöhten  (i)> 
Noten  it,  ri  etc.,  die  erniedrigten  aber  at,  ra,  ma  etc.  benannt  werden 
sollten.  Er  entwickelte  seine  Methode  in  einem  eigenen  Schriftchen: 
„Notae  Augustinianae,**  Gent,  1657. 

Engelbert,  Mönch  zu  St.  Mathias  bei  Trier,  um  987,  schrieb  ein 
Buch  „de  Musica  et  proportionibus** ;  auch  „De  compositione  Mon- 
chordi  lib.  I."  Von  einem  Engelbert  Abte  zu  Admont  in  Steiermark; 
führt  Gerbert  einen  ziemlich  umfangreichen  Traktat  „De  Musica"  an. 
Engelbert  schrieb  ihn,  da  er  noch  vor  seiner  Abtwahl  der  studierenden^ 
Jugend  vorgesetzt  war,  zu  deren  gründlichem  Musikunterrichte.  Er*  * 
starb  1331. 

Erbach  od.  Erbacher,  Christian,  geb.  zu  Algesheim  in  der 
Pfalz,  war  um  1600  Organist  in  der  Fugger'schen  Kapelle  zu  Augsburg, 
dann  1602  an  der  Domkirche;  um  1628  war  er  auch  Eatsherr.  Im 
Archiv  der  Domkirche  n.  in  der  Stadtbibliothek  finden  sich  noch  viele- 
seiher  Kompositionen,  ebenso  in  manchen  Sammlungen;  4—- Sstimm. 
Motetten  erschienen  1600—1611  im  Druck. 

Ercoleo,  M  a  r  z  i  o ;  geb.  1623  zu  Otricoli  im  Kirchenstaate,  ein- 
Musiker  in  der  Kapelle  des  Herzogs  Franz  v.  Modena,  veröffentlichte 
1686  daselbst  eine  Abhandlung  über  den  Kirchengesang  „II  musico» 
ecclesiastico*'  n.  ein  Buch  „Primi  elementi  di  musica'^  1683;  ein  Ora^ 
torium  „II  Battesimo  di  S.  Yaleriano'^  1682,  und  ein  Buch  über  das 
Officium  der  heil.  Woch6  1688. 

Ertel,  Sebastian,  Mönch  zu  Weihenstephan  bei  Freising,, 
später  im  Kloster  Garsten  in  Oberösterreich,  gab  1611  zu  München^ 
„Symphoniae  sacrae,  6—16  vocum,"  ebenda  auch  ein  „Magnificat, 
8  voc."  heraus.    1613  erschienen  von  ihm  „6  Missae,  7,  8  et  10  voc.  ad. 


V8  Esoovar  —  Ett. 

Organum  accomodatis*'  (Mtlnchen);  zwei  Jahre  später  „Ganticnm  Magni- 
^cat,  8  Yoc,  qua  instmiDentis,  qua  yivis  yocibus  cum  duplici  Basso  ad 
Organum  accomodato.  Monachii  1615"  (26  Magnificat  und  mehrere 
<31oria). 

Escoyar,  Joao  de,  portugiesischer  Tonkünstler  und  Dichter, 
lebte  zu  Anfang  des  17.  Jhdts.,  u.  gab  1620  zu  Lissabon  eine  Samm- 
lung Motetten  heraus;  auch  ein  theoret.  Werk  bewahrt  die  kgl. 
Bibliothek  yon  ihm. 

iBslaya,  Miguel  Hilario,  geb.  d.  21.  Okt.  1807  zu  Burlada, 
•einem  Dorfe  bei  Pampeluna  in  Spanien,  wurde  1828  Ep.-M.  am  Dome 
zu  Ossuna,  erhielt  dann  die  Priesterweihe  u.  1832  die  Dom-Kapell- 
meisterstelle  zu  Sevilla;  seit  1844  Kp.-M.  der  Königin  in  Madrid,  starb 
er  daselbst  23.  Juli  1878.  Er  ist  einer  der  vorzüglichsten  Musiker 
Spaniens  u.  hat  neben  einigen  Opern  auch  zahlreiche  Kirchenwerke 
komponiert;  er  veröffentlichte  femer  einige  Sammlungen  Kirchen- 
kompositionen  verschiedener  älterer  und  neuerer  spanischer  Meister 
(„jLira  sacrohispana  etc.";  ,,Museo  organico  espanol")  u.  gab  zwei 
Jahrgänge  (l^55  u.  1856)  der  „Gaceta  musical  de  Madrid*'  heraus. 
Die  „Revue  de  musique  sacr6e**  \Paris,  186^)  enthält  einen  interessanten 
-Abriss  der  kirchl.  Musikgeschichte  Spaniens  aus  seiner  Feder.  Auch 
schrieb  er  eine  sehr  verbreitete  Elementar-Musikschule  (1846)  n.  eine 
Kompositionslehre  (1861). 

Ett,  Caspar,  geb.  den  5.  Januar  1788  zu  Aresing  in  bayr. 
Schwaben,  ist  einer  der  bedeutendsten  Musiker  dieses  Jhdts.;  als  der 
trefflichste  Lehrer,  gewandteste  Kompositeur  u.  origineller  Forscher 
im  Gebiete  alter  u.  mittelalterlicher  Musik  wü-kte  er  mit  ungeschwächtem 
Eifer  bis  an  sein  Ende,  u.  um  Wiedererweckung  der  alten  Meisterwerke 
heiliger  Musik  in  Bayern  hat  er  sich  neben  Proske  u.  Mettenleiter  die 
grössten  Verdienste  erworben.  In  frühester  Jugend  zeigte  er  einen 
überall  hervortretenden  Sinn  jpär  alles,  was  in*s  Bereich  der  Töne  fiel. 
Diese  glückliche  Anlage  verschaffte  ihm  einen  Platz  als  Chorknaben 
im  nahe  gelegenen  Benediktinerstifte  Andechs.  Hier  erlernte  er  in 
drei  Jahren  soviel,  dass  er  fürs  Gymnasium  reif  war  u.  nebenbei 
«Singen,  Generalbass  u.  Orgelspiel  wohl  verstand.  Im  kurfürstlichen 
Seminar  zu  München  setzte  er  seine  Studien  fort  u.  fand  an  Schlett 
XL  Gratz  zwei  tüchtige  Lehrer  für  Orgelspiel  u.  Kontrapunkt.  Der 
herrschende  Kirchenmusikstyl,  d.  i.  der  dramatische,  konnte  ihn  aber 
nicht  befriedigen;  er  war  zu  edel  u,  zu  tief  religiös,  umin  der  gangbaren 
Kirchenmusik  nicht  eine  Entheiligung  des  Gottesdienstes  zu  sehen. 
Darum  begann  er  in  den  alten  Notenwerken  des  Seminars  zu  stöbern, 
bald  fand  er  sich  heimisch  in  den  unbillig  vergessenen  Werken  Oken- 
Jieims  u.  Lasso's,  u.  ward  ganz  eingenommen  von  der  nie  geahnten 
Kraft,  Weihe  u.  Erhabenheit  solcher  Schöpfungen.  Nach  Vollendung 
der  Lycealstudien  widmete  er  sich  ganz  der  Musik,  ohne  deshalb  der 


Ett  79 

klassischen  Litteratur  n.  dem  Sprachstndiiim  (in  seinen  höhern  Jahren 
erlernte  er  noch  Sanskrit)  zn  entsagen.  1816  erhielt  er  die  Organisten- 
stelle an  der  St.  Michaelshofkirche  in  München,  die  er  nicht  mehr 
,  Yerliess  bis  zn  seinem  Tode.  Nnn  begann  sein  grosses  Wirken  für  die 
alten  Meisterwerke,  n.  München  hörte  seit  langer  Zeit  wieder  einmal 
heilige  Eirchenmusik;  alle  Meister  des  16.,  17.  u.  18.  Jhdts.  waren  in 
seinem  Ohorrepertoir  vertreten,  u.  er  selbst  suchte  in  seinen  Kompo- 
sitionen ihrem  Geiste  näher  zn  kommen.  Er  hatte  sich  bald  so  ganz 
in  den  Styl  n.  Geist  derselben  hineingearbeitet,  dass  er  als  yorzüglicher 
Meister  der  kontrapnnktischen  Knnst  dastand.  Von  den  Alten  lernte 
er  den  vielstimmigen  Satz  mit  Leichtigkeit  handhaben,  von  ihnen  seine 
schöne,  naturgemässe  Stimmführung.'  Begabt  mit  den  geläntertsten 
n.  gebildetsten  Geschmacke  n.  dem  tiefsten  Gefühle  wusste  er  über 
seine  Arbeiten  eine  bewunderungswürdige  Eleganz  n.  Anmut  zu  ver- 
breiten. Ett  arbeitete  nur  für  die  Kirche,  er  suchte  eüiigenteüs  die 
kirchl.  Vorschriften  wieder  in  Vollzug  zu  setzen,  indem  er  z.  B.  der 
Sstimm.  Messe  für  den  Sonntag  Laetare  den  durchkomponierten  Introitus 
beifügte,  oder  den  vollen  Text  des  Credo  stets  beachtete,  dabei  aber 
unzulässiger  Weise  denselben  so  ineinander  schachtelte,  dass  manchmal 
jede  Stimme  einen  anderen  Text  spricht.  Steht  er  auch  im  kirchl. 
Vokalsatze  untadelig  da,  so  war  dies  weniger  der  Fall  bei  den 
instrumentierten  Kirchen  werken,  wo  sich  manches  für  die  Kirche 
weniger  Würdiges  einfindet.  Immerhin  bleibt  ihm  der  Ruhm,  alle 
Kirchenkomponisten  seiner  Zeit,  insbesondere  was  die  Auffassung  an- 
belangt, weit  überragt  zu  haben.  Ett  starb  16.  Mai  1847.  —  Die 
St.  Michaelshofkirche  in  München  bewahrt  seine  Kompositionen  in 
Manuskript,  sie  belaufen  sich  auf  eine  ansehnliche  Zahl.  (Im  Druck 
erschienen  nur  3-4  Werke  untergeordneter  Art.)  Davon  seien  benannt: 
4  Messen  mit  Orchester  (Missa  ferialis;  in  D,  in  G,  in  B,  letztere  vom 
Jahre  1846  u.  mit  6  Singstimmen};  3  Eequiem  mit  Orchester  (in  C-moU 
1825,  in  D-dur  1835,  in  Es-dur  1842);  1  Eequiem  (Es-dur)  für  4  Sing- 
stimmen; vier  Sstimm.  Messen,  von  denen  Dr.  Witt  drei  teilweise 
umgearbeitet  herausgab;  einige  4stimm.  Messen;  zwei  4stimm.  u.  ein 
Sstimm.  Miserere;  zwei  Sstimm.  Stabat  mater,  ein  solches  für  2  Stimmen 
u.  Orgel;  zwei  instrum.  Litaneien  u.  einige  solche  für  4—6  Stimmen; 
die  grossartige  Komposition:  „Die  neun  Chöre  der  Engel"  für  9  Sing- 
stimmen; 40  Gradualien  (verkürzt  neuerdings  herausgegeben  von  Schuh); 
viele  Gradualien  u.  Ofiertorien  zu  4,  5,  8  Stimmen;  Cantica  sacra, 
vereinfachte  Choräle  mit  Orgelbegleitung  (München,  1840;  neu  harmo- 
nisiert u.  herausgegeben  von  Dr.  Witt);  Ölberg- Andachten,  4stimm. 
mit  Orgel,  Cello  u.  Kontrabass  u.  a.  Auch  Messen  von  älteren  Meistern 
machte  er  für  mindere  Chöre  brauchbar  d.  h.  er  vereinfachte  sie,  so  die 
Messe  „Aeterna  Christi  munera**  von  Palestrina,  eine  Sstimmige  von 
Lasso,  zwei  von  Lotti.  Eine  Generalbasslehre  u.  ein  Abriss  der  Musik- 
gecshichte  existieren  ebenfalls  nur  im  Mskr. 


80  Eybler  —  Pabricius. 

Eybler,  Joseph,  geboren  den  8.  Februar  1765  in  Schwechat 
unweit  Wien,  zuerst  von  seinem  Vater  in  der  Musik  unterrichtet, 
kam  durch  einen  Gönner  in  das  Musik-Seminar  zu  Wien  u.  genoss  von 
1777 — 79  bei  Albrechtsberger  Unterricht  im  Kontrapunkt,  An  der, 
Fortsetzung  der  juridischen  Studien  durch  Unglück,  welches  seine 
Sltern  betraf,  gehindert,  musste  er  durch  sein  musikalisches  Talent 
sich  sein  Fortkommen  zu  sichern  suchen,  wozu  ihm  der  freundschaft- 
liche Verkehr  mit  Joseph  Haydn  u.  Mozart  sehr  behilflich  war.  1792 
erhielt  er  die  Chordirektor-Stelle  an  der  Karmeliter-Pfarrkirche,  1792 
die  bei  den  Schotten.  Durch  seine  Messen  u.  sonstigen  Kirchensachen 
verschaffte  er  sich  bald  so  viel  Ansehen,  dass  er  1801  an  deii  Hof,  erst 
als  kais.  Musiklehrer  berufen,  1804  zum  Vicehofkp-M.  u.  1824  nach 
Salieri's  Rücktritt  zum  ersten  k.  k.  Hofkp.-M.  befördert  wurde.  Am 
24.  Juli  1846  schied  er  aus  diesem  Leben,  nachdem  ein  Jahr  vorher 
schon  ein  Schlaganfall  ihn  zur  Niederlegung  seines  Amtes  genötigt 
hatte.  Kaiser  Franz  hatte  seine  Verdienste  durch  seine  Erhebung  in 
den  Adelstand  geehrt.  Der  grösste  Teil  seiner  zahlreichen  Kompositionen 
besteht  aus  Werken  für  die  Kirche  (32  Messen,  wovon  7  gedruckt  sind, 
1  Eequiem,  7  Te  Deum,  30  Offertorien  u.  s.  w.);  ihr  Charakteristicum 
ist:  Ernst  in  der  Harmonie,  grosse  Beweglichkeit  in  der  Melodie,  doch 
ohne  unedel  zu  sein,  zahllose  Figuren  in  Nien  Instrumenten,  welche 
meist  das  Vorherrschend«  sind  u.  den  Gesang  x)ft  zurücktreten  lassen. 


F. 

Faber,  Gregor,  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts.  Musik-Professor  in 
Tübingen,  schrieb:  „Institutio  musices,  lib.  11*'*  Basel  1552  u.  1553, 
welches  Werk  wegen  der  darin  enthaltenen  Stücke  von  Josquin,  Brumel 
u.  Okenheim  Beachtung  verdient. 

Fabri,  Stefano,  der  Ältere  war  von  1599—1601  Kp.-M.  am 
Vatican,  1603—1607  an  St.  Giovanni  im  Lateran;  von  seinen  Kompo- 
sitionen erschienen  „Duodecim  modi  musicales"  (1602)  u.  „Tricinia 
Sacra'*  (1607)  zu  Nürnberg  in  Druck. 

Fabri,  Stefano,  der  Jüngere,  geb.  1606  zuEom,  war  ein  Schüler 
des  Bemardo  Nanino,  u.  1657  Kp.-M.  an  St.  Maria  Magg. ;  er  Starb 
27.  Aug.  1658. 

Fabriano,  Sebastiano,  ein  Camaldulenser-Mönch,  geb.  in  Italien 
um  die  Mitte  ,des  16.  Jhdts.,  hat  in  Venedig  1593  eine  Sammlung  von 
5-  u.  6stimmigen  Messen  herausgegeben. 

Fabricias,  Alb  in,  im  16.  Jhdt.  in  Steiermark  geb.,  gab  1595  zu. 
Graz  „Cantiones  sacrae  sex  vocum"  heraus. 


r 

Fabricius  —  Fazzini.  81 

Fabricins,  Bernhard,  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts. 
Organist  zu  Strassburg,  gab  1577  eine  jetzt  selten  gewordene  Samm- 
lung Kompositionen  heraus  unter  dem  Titel  „Tabulaturae  organis  et 
instrumentis  inservientes." 

Fabricius,  Johann  Albert,  geb.  11.  Nov.  1668  zu  Leipzig, 
gest.  30.  April  1736  als  Professor  zu  Hamburg,  ein  Polyhistor,  gab 
unter  anderm  heraus :  Bibliographia  antiquaria  X1713),  Bibliotheca  latina 
(1697);  Bibliotheca  graeca  (1705);  Bibliotheca  mediae  actatis  (1734), 
welche  Bücher  wichtige  Notizen  für  die  Musikgeschichte  enthalten. 

Facio  od.  Fasio  (Fatius),  Augustinermönch,  geb.  zu  Enna  in 
Sizilien,  komponierte  mehreres  für  die  Kirche.  Von  ihm  sind  bekannt: 
5stimmige  Motetten  u.  Madrigalen  (Messina  1589). 

Fago,  N  i  c  0 1 0 ,  geb.  1674  zu  Tarent,  daher  auch  „il  Tarentino" 
genannt,  genoss  in  der  Komposition  den  Unterricht  des  Provenzale  im 
Konservatorium  della  Pietä  zu  Neapel,  welchem  er  auch  als  Lehrer 
daselbst  um  17(X)  nachfolgte.    Er  lieferte  viele  Kirchenkompositionen. 

Faignient,  N  o  e ,  lebte  um  1570  als  Lehrer  der  Musik  zu  Ant- 
werpen u.  hatte  sich  durch  seine  geschickte  Nachahmung  des  Styles 
von  Orlando  di  Lasso  den  Beinamen  „Simia  Orlandi"  (Affe  Orlando's) 
erworben.    (4 — 8stimm.  Motetten,  Madrigale  u.  a.) 

Falconins,  Placidus,  geb.  zu  Asola,  trat  1549  in  ein  Benedik- 
tinerkloster zu  Brescia,  u.  Hess  1575—88  in  Venedig  Messen,  Eespon- 
sorien  u.  andere  Kirchensachen  in  Druck  erscheinen. 

Fantazzi,  Giovanni,  Graf  von,  geb.  zu  Bologna  um  1740,  nahm 
in  sein  Werk:  „Notizie  degli  Scrittori  Bolognesi"  Bologna  1781—94, 
9  Bände,  die  Biographien  der  vorzüglichsten  Komponisten  u.  Ton- 
künstler seiner  Vaterstadt  und  historische  Nachrichten  über  die  phil- 
harmonische Akademie  daselbst  auf. 

Farinelii,  Giusepp.e,  geb.  d.  7.  Mai  1769  zu  Este  im  Padua- 
nischen,  studierte  zu  Neapel  den  Gesang,  Qeneralbass  u.  die  Tonsetzkunst; 
ausserdem  erhielt  er  noch  Unterricht  von  Fenaroli,  Piccini  u.  Guglielmi. 
Er  starb  als  Dom-  u.  Theater-Kp.-M.  zu  Triest  den  12.  Dez  1836. 
Von  1816  an  arbeitete  er  nur  mehr  für  Kirche  u.  Kammer;  er  war 
einer  der  letzten  Zöglinge  der  neapolitanischen  Schule;  sein  Styl  ist 
rein  u.  fliessend,  aber  ohne  Originalität. 

Fangaes,  Fanquea,  oder  Fagua  u.  La-Fage,  Vincent,  ein 
unmittelbarer  Nachfolger  von  Dufay,  Binchois  u.  Dunstable;  seine 
Kompositionen  erschienen  in  dem  zur  Zeit  des  Papstes  Nicolaus  V. 
(zwischen  1447  u.  55)  geschriebenen  Musikbüchern  der  päpstlichen 
Kapelle;  er  zeigte  einen  verwandten  Zug  mit  Dufay  in  schöner  melo- 
discher Führung  der  Stimmen  u.  ausdrucksvollem  Gesänge. 

Fazzini,  Giov.  Battista,  geb.  zu  Eom,  kam  1774  als  Sänger 
in  die  päpstliche  Kapelle  u.  war  nachmals  an  mehreren  Kirchen  Boms 

Kornmüller,  Lexiken.    IL  Bd.  6 


82  Fede  —  Ferrabosoo. 

Kp.-M.  Messen  zu  4  u.  5  Stimmen,  ein  8stim.  Requiem,  ein  Sstimm. 
„Christus  factus"  werden  besonders  gertthnit.  ^ 

Fede,  Giuseppe,  geb.  zu  Pistoja,  war  1662  als  Sänger  in  der 
päpstlichen  Kapelle  u.  als  Kp.-M.  an  der  Serviten-Kirche  San  Mar- 
cello  angestellt.  Er  wird  nicht  minder  als  Komponist,  als  auch  als 
ausgezeichneter  Sänger  gerühmt.  —  Sein  jüngerer  Bruder  Francesco 
Maria  F.,  ebenfalls  zu  Pistoja  geb.  u.  päpstlicher  Kapellsänger, 
wurde  später  Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Margherita  in  Trastevere. 
Seine  Kompositionen  sollen  melodiereicher  als  die  seiner  Zeitgenossen 
gewesen  sein. 

Fedeli,  Gniseppe,  geb.  1720  in  Gremona,  war  Kanonikus  an  der 
Kirche  von  St.  Agatha  daselbst.  Sein  Buch:  „Regole  dl  canto  fermo  etc.'* 
Gremona  1757,  ist  eines  der  besten  Werke  über  den  gregorianischen 
Kirchengesang. 

Feldmayer,  Johann,  um  1600  Organist  in  Berchtesgaden,  geb. 
1759  zu  Geisenfeld  in  Bayern,  gab  1607  u.  1611  zu  Augsburg  und 
Dillingen  mehrere  Sammlungen  48timm.  Motetten  heraus. 

Felis,  S  te  f  an  0 ,  geb.  zu  Bari  um  1550,  war  1583  Kanonikus  u.  Kp.-M. 
au  der  Kathedrale  daselbst.   (5stimm.  Messen  u.  Madrigale  1583, 1588.) 

Fenaroli,  F  e  d  e  1  e ,  geb.  1732  zu  Lanciano  in  den  Abruzzen,  ein 
Schüler  Durante's  in  Neapel,  kam  als  Lehrer  des  Generalbasses  an  das 
Konservatorium  St.  Maria  di  Loreto  u.  von  da  an  das  della  Pietä, 
wo  er  bis  zu  seinem  Tode,  d.  1.  Jan.  1818,  blieb.  Seine  einfache  und 
klare  Methode  wird  sehr  gerühmt,  welche  er  in  einem  Buche;  „Regole 
per  i  principianti  di  Gembalo^*  niedergelegt  hat.  Ausserdem  kennt  man 
von  ihm  noch  mehrere  Kirchensachen. 

Feo,  Francesco,  Mitbegründer  der  neapolitan.  Schule,  geb.  1699 
zu  Neapel,  war  ein  Schüler  Gizzi's  u.  Pitoni's.  1740  wurde  er  Gizzi's 
Nachfolger  an  der  von  diesem  gestifteten  berühmten  Gesangschule: 
Mehreres.  über  seine  Lebensumstände  ist  nicht  bekannt.  Man  hat  von 
ihm  mehrere  Messen  u.  Psalmen,  eine  lOstimm.  Litanei  u.  a. ;  sein  Styl 
ist  erhaben  u.  alle  seine  Arbeiten  bekunden  den  Meister. 

Ferabosco,  Alfonso,  geb.  zu  Anfang  des  16.  Jhdts.  in  Italien, 
kam  frühzeitig  nach  England  u.  lebte  zuletzt  wahrscheinlich  bis  zu 
seinem  Tode  in  London.  Er  wird  zu  den  angesehensten  Komponisten 
des  16.  Jhdts.  in  England  gerechnet. 

Femandes,  Antonio,  geb.  zu  Soüzel  in  Portugal  zu  Ende  des 
16.  Jhdts.,  war  Priester  u.  Chormeister  an  der  Kirche  S.  Catarina  zu 
Lissabon.    („Arte  de  Musica,  de  Canto,  de  Organe"  etc.) 

Ferrabosco,  Domenico,  von  1547—48  Singmeister  der  Knaben 
an  der  Vatikanischen  Kirche,  wurde  27.  Nov.  1550  Sänger  an  der 
päpstlichen  Kapelle,  aus  welcher  er  wegen  seiner  Verheiratung  1555 
wieder  austreten  musste.  Die  päpstliche  Kapelle  besitzt  mehrere 
schätzbare  Werke  von  ihm  in  Mskr. 


Ferradini  —  F6tis  83 

Ferradini,  Antonio,  geb.  1718  zu  Neapel,  ging  nach  Prag,  wo 
er  an  30  Jahre  lebte  u.  1779  in  grösster  Armut  starb.  Ein  noch  vor- 
handenes „Stabat  mater"  wird  als  sein  Meisterwerk  bezeichnet» 

FerrarO}  Antonio,  Mönch  u.  Organist  im  Karmeliterkloster  zu 
Oatania,  war  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  zu  Polizzi  in  Sizilien 
geboren.  Er  gab  1617  zu  Eom  mehrere  1— 4stimm.  Gesänge  u.  eine 
gleiche  Sammlung  zu  Palermo  1623  heraus. 

Festa,  Costanzo,  zu  Florenz  geboren,  trat  1517  als  Sänger 
in  die  päpstl.  Kapelle.  Nach  dem  Urteile  der  Gelehrten  ist  er  der 
grösste  Kontrapunktist  der  Vor-Palestrina'schen  Zeit.  Er  starb  den 
10.  April  1545.  Von  seinen  Werken  sind  die  wenigsten  gedruckt,  die 
meisten  finden  sich  in  den  Archiven  der  päpstlichen  Kapelle  und  in 
einigen  Sammlungen  seiner  Zeit  zerstreut.  Ein  Te  Deum  (1596  zu  Rom 
gedruckt)  wird  noch  jetzt  bei  der  Papstwahl  u.  der  Ül^ergabe  des  Hutes 
an  neu  creierte  Kardinäle,  sowie  am  Frohnleichnamstage  gesungen. 

Fetis,  Pran<jois  Joseph,  einer  der  bedeutendsten  Musik- 
gelehrten neuerer  Zeit,  ausgezeichneter  Theoretiker  und  gründlicher 
Komponist,  geb.  zu  Mons  in  Belgien  den  25.  März  1784.  Frühzeitig 
schon  machte  er  bedeutende  Fortschritte  in  der  Musik,  die  noch  mehr 
gefördert  wurden,  als  er  1800  nach  Paris  kam  u.  im  Konservatorium 
die  Harmonie  unter  Rey,  das  Klavierspielen  unter  Boieldieu  u.  Pradher 
studieren  konnte.  Durch  den  abermals  ausbrechenden  Streit  zwischen 
Catel  u.  der  alten  Eameau'schen  Schule  fand  er  sich  veranlasst,  das 
Theoretische  der  Musik  in^s  Auge  zu  fassen,  überhaupt  seine  Auf- 
merksamkeit mehr  dem  Wissenschaftlichen  u.  der  Kritik  in  der  Kunst 
zuzuwenden.  1803  trat  er  eine  Kunstreise  an  u.  brachte  von  derselben 
eine  gründliche  Kenntnis  der  Meisterwerke  italienischer  u.  deutscher 
kirchlicher  u.  weltlicher  Musik,  sowie  der  theoretischen  Schriften  beider 
Nationen  mit  nach  Hause.  Von  da  an  widmete  er  seine  grösste  Kraft 
den  Untersuchungen  u.  Forschungen  über  den  römischen  Kirchen- 
gesang u.  über  den  Zustand  der  Musik  im  Mittelalter;  doch  unterliess 
er  dabei  nicht,  auch  mit  Kompositionen  verschiedener  Werke  sich  zu 
beschäftigen.  Im  Jahre  1811  verlor  er  durch  unglückliche  Zufälle 
ohne  seine  Schuld  sein  ganzes  ansehnliches  Vermögen,  wodurch  er  sich 
genötigt  sah,  Paris  zu  verlassen.  Drei  Jahre  brachte  er  im  Departement 
.der  Ardennen  auf  dem  Lande  zu,  ganz  seinem  musikalischen  Studium 
hingegeben,  dann  nahm  er  in  Douai  die  Stelle  eines  Organisten  und 
Lehrers  an  der  Musikschule  daselbst  an.  Erst  1818  zog  er  wieder  nach 
Paris  u.  übernahm  1821  die  Stelle  eines  Professors  der  Komposition 
am  Konservatorium.  Bald  nachher  begründete  er  auch  die  Zeitschrift 
„Eevue  musicale,"  wodurch  er  auf  die  musikalischen  Zustände  Frank- 
reichs günstig  wirkte.  Im  Jahre  1833  wurde  er  zum  kgl,  belgischen 
Kp.-M.  u.  Direktor  des  Konservatoriums  in  JBrüssel  ernannt,  welchem 

6* 


84  FÄtis  —  Pinck. 

Amte  er  bis  zu  seinem  Tode,  ?6.  März  1871,  vorstand.  Die  Blttte 
dieses  Institute»  ist  ganz  das  Werk  F§tis. 

Seine  Kompositionen  sind  ganz  reg  /brecht  gefertigt,  enthalten  aber 
dabei  viel  Trockenes  u.  Steifes.  Ausser  Opern  u.  weltlichen  Kompo- 
sitionen hat  er  mehrere  Messen,  Motetten,  Litaneien,  6stimmige 
Lamentationen,  ein  Miserere  für  3  Männerstiminen  alla  Oapella  u.  dgl. 
geschrieben.  Unglaubliches  hat  er  in  schriftstellerischer  Beziehung 
geleistet,  unter  anderm  gab  er  heraus:  „Methode  §16mentaire  et  abregee 
d'  accompagnement."  (Paris  1824);  „Trait6  de  la  fuge  et  du  contrepoint" 
(Paris  1825);  8  Jahrgänge  der  schon  genannten  „Revue  musicale** 
1827—34;  „Abhandlung  über  die  Verdienste  der  Niederländer  für  die 
Musik**  (Amsterdam  1829);  „Biographie  gön^rale  de  la  musique  etc.** 
8  Bände  (Brüssel  u.  Paris  1834—44).  Dies  ist  sein  Hauptwerk,  an  dem 
er  seit  1806  gearbeitet  hatte  u.  welches  wegen  seiner  Vollständigkeit 
unentbehrlich  ist  (erschien  in  zweiter,  verbesserter  Auflage,  obwohl  es 
auch  noch  viele  Unrichtigkeiten  enthält);  „Methode  des  Methodes  de 
Chant,'*  (Paris  1838).  „Trait6  complet  de  la  thöorie  et  de  la  pratique 
de  V  harmonie'*  (Paris,  1844;  5.  Aufl.  1857). 

F6tifi>,  Edouatd  Louis  Prangois,  ältester  Sohn  des  Vorher- 
gehenden, geb.  d.  16.  Mai  1812  zu  Bouvignes  an  der  Maas,  studierte 
die  Musik  zu  Paris  und  befindet  sich  seit  1835  zu  Brüssel,  wo  er 
nachgehends  Konservator  an  der  kgl.  Bibliothek  wurde.  1848  gab  er 
daselbst  „Les  Musiciens  beiges**  (2  Bände)  heraus,  ein  Werk,  welches 
die  Geschichte  der  Musik  in  Belgien  von  der  ältesten  bis  auf  die 
neueste  Zeit  behandelt. 

FeTin,  Antoine  de,  geb.  zu  Ende  des  15.  Jhdts.  zu  Orleans,  ein 
Kontrapunktist,  der  ein  glücklicher  Nebenbuhler  Josquin^s  war.  Bekannt 
sind  von  ihm  mehrere  Messen  u.  Motetten. 

Feyoo  y  Montenegro,  Benito  Geronimo,  geb.  d.  16.  Febr. 
1701,  trat  1717  in  das  Benediktinerkloster  zu  Oviedo,  als  dessen  Abt 
er  den  16.  Mai  1764  starb.  Er  hat  mehrere  musikalische  Schriften  u. 
Abhandlungen  veröffentlicht. 

Fienus,  flammländ.  Fyens,  Jean,  bekannter  unter  dem  Namen 
Jean  de  Turnhout,  war  bis  1584  Arzt  in  Antwerpen  u.  zog  sich 
dann  nach  Dortrecht  ziirück,  wo  er  d.  2*  Aug.  1585  starb,  u.  Madrigalen 
u.  Cantiones  sacrae  (Douai  1559,  1580,  1589,  1600)  hinterliess. 

FlHppini,  Stefano,  mit  dem  Beinamen  „PArgentino**  ein  fleissiger 
Kirchenkomponist  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jhdts.,  war  Augustiner- 
mönch u.  Kp.-M.  an  St.  Giov.  EvangeUsta  in  Bimini. 

FUipucci,  Agostino,'  geb.  1635  in  Bologna,  war  nm  die  Mitte 
des  17.  Jhdts.  Kp.-M.  u.  Organist  daselbst.  Kirchenkompositionen  von 
ihm  erschienen  1665,  1667  u.  1671  im  Druck. 

Finck,  Heinrich,  war  Kp.-M.  der  Könige  von  Polen,  Johann 
Albrecht  (1492),  Alexander  (1501)  u.  Sigismund  (1506).    In  Salbing^^s 


Finetti  —  Fioroni.  85 

Concenttts  sind  einige  seiner  Kompositionen  aufgenommen.  Sein  Neffe 
Hermann  Finck,  war  ebenfalls  Kp.-M.  des  Königs  von  Polen 
(Sigismund  I.),  lebte  aber  um  1557  wieder  in  Wittenberg.  1556  gab 
er  daselbst  heraus:  „Practica  Musica,  exempla  variorum  signorum, 
proportionum  et  canonum,"  welches  Werk  jetzt  sehr  selten  ist,  f  d. 
Sa  Dez.  1558, 

Finetti,  Giacomo,  geb.  zu  Ancoua  gegen  Ende  des  16.  Jhdts., 
trat  in  den  Franziskanerorden  u.  blühte  um  das  Jahr  1611  in  seiner 
Vaterstadt  als  berühmter  Komponist.  In  seinem  Klöster  stand  er  der 
Gesangschule  u.  dem  Chore  vor,  bald  aber  finden  wir  ihn  als  Kp.-M. 
an  der  Gran  Chiesa  in  Venedig.  Sein  Todesjahr  ist  unbekannt.  Im 
Druck  erschienen  viele  seiner  Werke  u.  erlebten  wiederholte  Auflagen. 

Fiocco,  Pietro  Antonio,  geb.  zu  Venedig  um  die  Mitte  des 
17.  Jhdts.,  war  Kp.-M.  an  Notre-Dame  zu  Brüssel  u.  seine  Motetten 
waren  seiner  Zeit  sehr  geschätzt.  Sein  Sohn  Joseph  Hector  F., 
war  ebenfalls  ein  bedeutender  Komponist  u.  um  1730  Kp.-M.  an  der 
Liebfrauenkirche  in  Antwerpen. 

Fiorayanti,  Valentin,  geb.  zu  Eom  1770,  studierte  Musik  zu 
Neapel  u-  betrat  1797  zu  Turin  die  Laufbahn  als  dramatischer  Kom- 
ponist. Er  liess  sich  nicht  durch  den  schnellerlangten  Ruhm  verleiten, 
den  vielen  Aufträgen,  die  von  allen  Seiten  an  ihn  ergingen,  mit 
flüchtigen  Arbeiten  zu  entsprechen,  sondern  arbeitete  weniges,  aber 
stets  mit  Sorgfältigkeit  u.  Gewissenhaftigkeit.  1816  ward  er  nach 
Rom  als  Kp.-M.  an  St.  Peter  berufen,  welche  Stellung  er  auch  bis  zu 
seinem  Tode  inne  hatte.  Er  starb  zu  Gapua  auf  einer  Eeise  nach 
Neapel,  welche  er  zur  Stärkung  seiner  geschwächten  Gesundheit  unter- 
nehmen wollte,  am  16.  Juni  1837,  hochbejahrt.  Seit  18lj6  hatte  er  sich 
fast  ausschliesslich  nur  mit  Komposition  von  Kirchenmusik  beschäftigt; 
er  lieferte  eine  grosse  Anzahl  von  Messen,  Offertorien,  Litaneien  u. 
dgl ,  die  vielen  Beifall  fanden,  fleissig  gearbeitet  waren,  aber  der  Tiefe 
u.  Originalität  entbehrten. 

Fiorillo,  Ignazio,  geb.  zu  Neapel  d.  11.  Mai  1715,  Schüler  von 
Leo  u.  Durante,  wurde  1754  als  Kp.-M.  nach-  Braunschweig  berufen, 
1762  als  solcher  nach  Kassel,  wo  er  bis  1780  blieb.  Wegen  Alters- 
43chwäche  pensioniert,  lebte  er  noch  zu  Fritzlar  bei  Kassel  einige  Jahre. 
Er  starb  daselbst  im  Juni  1787.  Neben  seinen  Opern  war  er  auch 
für  die  Kirche  thätig. 

Fiorino,  Ippolito,  Kp.-M.  des  Herzogä  Alfonso  II.  von  Ferrara, 
wo  er  auch  1540  geboren  war,  genoss  einen  grossen  Buf  als  Kirchen- 
komponist u.  Kontrapunktist. 

Fioroni,  Giov.  Andrea,  geb.  zu  Pavia  um  1704  u.  gest.  zu 
Mailand  1779  als  Domkp.-M,  daselbst,  war  einer  der  ausgezeichnetsten 
Kirchenkomponisten  des  vorigen  Jhdts.    15  Jahre  lang  studierte  er 


86  Fisxnann  —  Foggia. 

seine  Eimst  unter  L.  Leo  in  NeapeL  Seine  Messen  u.  Vespern  für 
8  reale  Stimmen  besonders  sind  ein  Zengniss  seiner  Tüchtigkeit. 

Fismann,  Franz,  geb.  zn  Altsedlitz  in  Böhmen  1722,  studierte 
Wissenschaften  u.  Musik  zu  Prag,  worauf  er  1742  daselbst  in^s  Kloster 
der  barmherzigen  BiHder  trat.  Er  verfolgte  auch  da  noch  das  Studium 
der  Komposition  unter  den  Kp.-M.  Seuthe  u.  Tuma  u.  bildete  sich  zum 
vortrefflichen  Violinspieler.  Als  Kp.-M.  seines  Klosters  hat  er  viele 
Kirchensachen  komponiert.  Später  wurde  er  zum  Superior  seines  Ordens 
in  Wien  erhoben,  wo  er  auch  starb  d.  15.  Juni  1774. 

Flaccomio,  Giov.  Fietro,  ein  Priester,  geb.  zu  Milazzo  in 
Sizilien,  war  zuerst  Kp.-M.  des  Königs  Philipp  m.  von  Spanien  u.  wurde 
später  Almosenier  des  Herzogs  von  Savoyen.  Er  starb  zu  Turin  1617. 
Gedruckt  ist  sein  Werk:  „Concentus  in  duos  distincti  choros,  in  quibus 
vesperae,  missae,  cantiones  decantandae  continentur/* 

Flecha,  Matthäus,  ein  spanischer  Karmelitermönch  u.  Komponist, 
geb.  zu  Prades  in  Catalonien,  war  Kp.-M.  Kaiser  Carl  V.  Er  lebte 
als  solcher  lange  Zeit  in  Ungarn;  1599  kehrte  er  wieder  in  sein 
Vaterland  zurück  u.  starb  d.  20.  Febr.  1604  in  der  Benediktiner-Abtei 
zu  Solsona  in  Catalonien.  Von  seinen  vielen  Kompositionen  kennt  man 
noch  Motetten  u.  eine  Psalmensammlung  für's  Completorium. 

Floriani,  Chr  istoforo,  geb.  zu  Ancona  im  Anfang  des  16.  Jhdts., 
hat  mehrere  Kirchen-Kompositionen  in  Druck  gegeben:  u.  a.:  „Psalmi 
vespertini  a  5  e  6  voci." 

Florido,  Francesco,  Kp.-M.  an  St.  Giovanni  im  Lateran  zu 
Rom,  lebte  um  die  Mitte  des  17.  Jhdts.  u.  gab  zu  Venedig  von 
1647—64  verschiedene  Sammlungen  Motetten,  Offertorien,  Litaneien 
u.  dgl.  heraus. 

Florio,  Giovanni,  ein  ital.  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts.,  von 
welchem  die  Münchener  Bibliothek  5-'  u.  68timm.  Messen  in  Mskr. 
besitzt. 

Foerster,  Joseph,  geb.  1833  zu  Osenitz  in  Böhmen,  war,  nachdem 
er  den  Kurs  für  Hauptschulen  u.  die  Organistenschule  in  Prag  absolviert 
hatte,  5  Jahre  Organist  im  Cisterzienserkloster  Hohenfnrth,  ward  dann 
als  Lehrer  an  die  Organistenschule  u.  das  Konservatorium  in  Prag 
berufen,  wo  er  später  die  Professur  der  Harmonielehre  u.  des  Kontra- 
punkts  übernahm.  Zugleich  thätig  als  Chorregent  zu  St.  Adalbert 
leitete  er  die  Eeform  der  KMusik  mit  glücklichsten  Erfolge  ein  u. 
setzt  sie  nun  als  Domkp.-M.  bei  St.  Veit  (seit  1887)  unermüdet  fort. 
Von  seinen  Kompositionen  erschienen  im  Druck:  5  Messen,  2  Requiem, 
mehrere  Gradualien  u.  kleinere  Kirchenstücke,  sowie  viele  Lieder  u. 
weltliche  Werke;  ausserdem  edierte  er  eine  Harmonielehre,  einen 
„Praktischen  Lehrgang  im  Orgelspiele'*  u.  Präludien. 

Foggia,  Francesco,  geb.  zu  Rom  1604,  Schüler  Cifra^s,  Bern. 
Naninis  u.  Parlo  Apostini's  stand  schon  sehr  jung^  aber  als  gereifter 


Foggia  —  Fontenay.  87 

Musiker,  zuerst  in  Diensten  des  Kurfürsten  Ferdinand  Maximilian  zu  Köln. 
Von  da  kam  er  an  den  bayrischen  Hof,  später  zum  Erzherzog  Leopold 
von  Österreich.  Darauf  nach  Italien  zurückgekehrt  ward  er,  nachdem 
er  Kp.-M.-Stellen  in  verschiedenen  Kirchen  hekleiäet  hatte,  zuletzt 
Maestro  an  S.  Johann  im  Lateran.  1611  verliess  er  auch  diesen 
Posten  u.  kam  zur  Hauptkirche  S.  Maria  Maggiore.  Hier  starb  er  den 
8.  Jan.  1688  u.  erhielt  seinen  Sohn  Antonio  F.  zum  Nachfolger. 
Baini  führt  viele  seiner  Kirchenkompositionen  —  mehrere  Bücher 
2 — 9stimm.  Motetten,  Messen,  Litaneien  u.  dgl.  speziell  an,  welche  in 
Rom  von  1640 — 81  gedruckt  wurden.  Liberati  rühmt  seine  Thätigkeit 
u.  die  Güte,  Erhabenheit,  wie  auch  die  Anmut  seiner  Setzart. 

Foggia,  Bodesca  di,  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Turin  zu 
Anfang  des  17.  Jhdts.,  hat  in  Venedig  1620  Sstimm.  Messen  u.  Motetten 
im  Drucke  veröffentlicht. 

Fogliani,  Lodovico,  genannt  Mutinensis  von  seinem 
Geburtsort  Modena,  war  ein  Tonlehrer  des  16.  Jhdts.,  von  dem  noch 
ein  wichtiges  Werk:  „Musica  theorica  sectiones  tres"  etc.,  gedruckt 
in  Venedig  1529,  in  Fol.  vorhanden  ist. 

Fonseca,  l)Christofan  da,  ein  portugies.  Jesuit  u.  berühmter 
Komponist  seines  Landes,  geb.  1632  zu  Evora  u.  gest.  d.  19.  Mai  1728 
im  Jesuiten-Kollegium  zu  Santarem,  hat  viele  Kirchensachen  hinter- 
lassen, von  denen  ein  4chöriges  Te  Deum  besonders  hervorgehoben 
wird.  2)  Nicola  da,  Kp.-M.  u.  Kanonikus  an  der  Kathedrale  von 
Lissabon  zu  Anfang  des  17.  Jhdts.,  war  Schüler  des  berühmten  Duarte 
Lobo  u.  komponierte  unter  anderm  eine  16stimm.  Messe,  die  ungemein 
hoch  geschätzt  wurde. 

Fontana,  1)  Benigno,  ein  Italiener,  der  um  die  Mitte  des  17. 
Jhdts.  wahrscheinlich  in  Deutschland  gelebt  hat;  von  ihm  ist  zu 
Goslar  1638  eine  Sammlung  Motetten  erschienen.  2)  Fabricio, 
Organist  an  S.  Pietro  in  Vaticano  in  Rom,  geb.  1650  zu  Turin,  gab 
in  Rom  1677  Orgelstücke  unter  dem  Titel  „Ricercari**  heraus. 
8)  Giovanni  Stefano,  lebte  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts. 
u.  hat  Messen,  Motetten,  ein  Miserere  u.  Litaneien  für  8  Stimmen  im 
Druck  erscheinen  lassen. 

Fontemaggi,  Antonio,  geb.  zu  Rom,  war  1795  Adjunkt  des 
Kp.-M.  Lorenzani  an  der  Maria  Maggiore,  seit  1806  wirklicher  Kp.-M. 
u.  starb  als  solcher  im  Mai  1810.  Er  komponierte  mehreres  für  die 
Kirche,  wie  auch  sein  Sohn  Dominico  F.,  welcher  vorerst  Organist 
an  St.  Johann  in  Lateran  war,  1828  aber  auch  Kp.-M.  an  St.  Maria 
Maggiore  wurde. 

Fontenay,  Hugues  de,  geb.  zu  Paris  zu  Ende  des  16.  Jhdts., 
war  Kanonikus  zu  St.  Emilien  in  der  Diözese  Bordeaux;  von  ihm  er- 
schienen 16-^2  u.  1625  mehrere  Messen  in  Druck. 


88  Forkel  —  Fossa. 

Forkel,  Johann  Nikolaus,  Dr.  Philos«  u.  seit  1778  Musik- 
Direktor  an  der  Universität  in  Göttingen,  geb.  zu  Meeder  bei  Koburg 
d.  22.  Febr.  1749,  wurde  zuerst  als  Organist  an  der  Universitätskirche 
in  Oöttingen  angestellt.  Ein  grosser  Verehrer  Bach*scher  Musik, 
begann  er  Werke  dieses  Tonmeisters  u.  seiner  Söhne  zu  sammeln, 
wobei  es  indess  nicht  blieb.  Auch  seltene  musik.  Werke  aller  Völker 
aus  allen  Jahrhunderten  suchte  er  seiner  Bibliothek  einzuverleiben, 
nicht  minder  theoretische  u.  geschichtliche  Schriften  über  Tonkunst 
an  sich  zu  bringen.  Er  besass  mehr  als  500  grössere  musik.  Werke 
u.  eine  reiche  Sammlung  von  Abhandlungen  u.  Programmen,  in  welchen 
er  die  vorzüglichste  Quelle  für  seine  musikalischen  Schriften  fand. 
Für  Gteschichte  u.  Theorie  der  Tonkunst  bot  er  alles  auf  u.  niemand 
wird  dieser  seiner  Thätigkeit  die  Anerkennung  versagen;  in  der  Kom- 
position u.  Ästhetik  war  er  weniger  glücklich.  Seine  erste  grössere 
Arbeit  war:  „Musikalisch-kritische  Bibliothek,"  1778  in  2  Bänden  in 
Gotha  erschienen.  1782,  83,  84  u.  89  gab  er  einen  „Musikalischen 
Almanach'*  heraus,  worin  eine  reiche  Fülle  der  verschiedenartigsten 
Nachrichten,  Notizen,  Abhandlungen,  Biographien,  Anekdoten  u.  dgL 
enthalten  sind.  Sein  bedeutendstes  Werk  ist:  „Allgemeine  Geschichte 
der  Musik,"  dessen  erster  Teil  1788  bei  Schweikert  in  Leipzig  er- 
schien. Erst  1801  erschien  der  zweite  Teil,  welcher  die  Geschichte 
bis  zum  16.  Jhdt.  fortführt.  Um  den  dritten  zu  bearbeiten,  machte  er 
eine  gelehrte  Eeise  in  die  vorzüglichsten  Städte  Deutschlands  u.  kehrte 
mit  reichem  Gewinne  zurück.  Da  er  ausserdem  noch  das  Sammeln 
fortsetzte,  so  wuchsen  die  gewonnenen  Materialien  zu  einer  solchen 
Menge  an,  dass  er  bei  der  Abnahme  seiner  Kräfte  zuletzt  die  Hofßoiung 
aufgab,  sie  zu  bewältigen  u.  zu  ordnen.  Er  kam  auch  wirklich  nicht 
mehr  zur  Vollendung  des  3.  Bandes;  er  starb  d.  17.  März  1818  im 
€9.  Jahre  seines  Alters,  hochverdient  um  die  Tonkunst.  Von  seinen 
Schriften  sind  noch  hervorzuheben :  „Allgemeine  Litteratur  der  Musik  etc.'* 
1793  u.  „Über  Johann  Sebastian  Bach*s  Leben,  Kunst  u.  Kunstwerke'* 
Leipzig  bei  Kühnel  1802. 

Fornaoei,  G  i  a  c  o  m  o ,  ein  Gölestiner-Mönch,  geb.  zu  Ghieti  um 
1590,  gab  zu  Venedig  im  J.  1622  eine  Sammlung  Motetten,  betitelt: 
„Melodiae  ecclesiasticae"  heraus. 

Forstern g  od.  Forstins,  Nikolaus,  einer  der  grössten  Kontra- 
punktisten  des  16.  Jhdts.,  lebte  am  brandenburgischen  Hofe.  Von 
seinen  Kompositionen,  unter  denen  eine  16stimmige  Messe  besonders 
gerühmt  wurde,  ist  leider  nichts  mehr  vorhanden. 

Fossa,  Joannes  de,  auch  Defossa  genannt,  ein  geborner 
Niederländer,  erhielt  1569  eine  Anstellung  als  Unterkp.-M.  in  München 
n.  versah  diese  Stelle  an  der  Seite  des  grossen  Orlando  bis  zu  dessen 
Tode.  Als  Lasso's  Nachfolger  wirkte  er  von  1594—1602  an  der 
berzoglich-bayer.   Hofkapelle   u.   war   von   Herzog   Maximilian   nicht 


Fosöoni  —  Franz.  89 

weniger  geschätzt,  als  seine  Vorgänger.  Seine  Kompositionen  bewahrt 
die  Münchener  Bililiothek.  Neben  der  Leitung  der  Hofkapelle  war  Fossa 
auch  der  Unterricht  u.  die  Aufsicht  über  die  zur  Hofkapelle  gehörigen 
Singknaben  tibertragen.  Er  gehört  der  *  niederländischen  Schule  an; 
«eine  Kompositionen  tragen  originelle  Auffassung  u.  Zartheit  an  sich. 
Er  starb  zu  München  um  Pfingsten  des  Jahres  1603. 

FoBSoni,  T  0  m  a  s  0 ,  ein  Karmelitermönch  zu  Kavenna  im  Anfang 
des  17.  Jhdts.  u.  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  daselbst,  Hess  1642  zu 
Tenedig  Motetten  zu  2— 5  Stimmen  drucken. 

Francesco  da  Milano,  Organist  u.  Lautenspieler  des  16.  Jhdts. 
aus  Mailand  gebürtig,  war  daselbst  am  Dome  angestellt.  Er  wird  als 
Autor  mehrerer  Sammlungen  von  Orgel-  u.  Lautenstücken  genannt, 
welche  von  ihm  in  Venedig  u.  Mailand  in  den  Jahren  1537 — 40  in  Druck 
erchienen. 

Francesco  de  Pesaro,  so  genannt  von  seinem  Geburtsorte,  war 
^in  im  14.  Jhdt.  berühmter  Orgelspieler;  er  bekleidete  die  Organisten- 
steile  an  S.  Markus  in  Venedig  von  1337 — 1368. 

FranchinuB  s.  Gafori. 

Franco,  ein  Name,  der  in  der  Geschichte  der  Mensuralmusik  einen 
ausgezeichneten  Klang  hat,  da  unter  demselben  mehrere  der  berühm- 
testen Traktate  über  den  Diskantus  auf  uns  gekommen  sind;  grosse 
TJnsicherheit  aber  herrschte  über  Lebenszeit,  Geburtsort  u.  Stellung 
f  ranco's.  Erst  durch  die  Publikation  des  I.  Bandes  der  Script,  von 
Ed.  Coussemaker  hellte  sich  das  Dunkel  mehr  u.  mehr  auf,  so  dass  es 
jetzt  sicher  ist,  dass  es  zwei  Franco  gegeben  hat,  welche  fast  zu 
gleicher  Zeit  gelebt  haben,  nämlich  ein  älterer  Franco  von  Paris  u. 
«in  etwas  wenig  jüngerer  Franco  von  Köln ;  beide  scheinen  Chormeister 
«n  der  Kirche  Notre  Dame  zu  Paris  gewesen  zu  sein.  Immerhin  aber 
ist  es  möglich,  dass  letzterer  nicht  in  Paris  gelebt,  aber  doch  dort 
berühmt  war  —  er  könnte  dann  der  aus  Dortmund  gebürtige  Franco 
sein,  welcher  um  1190  Prior  in  der  Benediktiner- Abtei  zu  Köln  war. 
Die  Lebenszeit  beider  fällt  unstreitig  in  das  Ende  des  12.  u.  Anfang 
'  des  13.  Jhdts.  (s.  P.  Bohn,  Magistri  Franconis  ars  cantus  mensurabilis. 
Trier,  1880). 

Franz,  Ignaz,  geb.  den  12.  Okt.  1729  zu  Protzau  bei  Franken- 
stein, 1742  zu  Olmütz  zum  Priester  geweiht,  sammelte  sich  durch 
fleissiges  Studium  der  Musik  u.  auf  einer  Eeise  nach  Bom  vorzügliche 
musikalische  Kenntnisse,  welche  ihn  befähigten,  den  katholischen 
Kirchengesang  zu  verbessern.  Zu  diesem  Behufe  verfasste  u.  ver- 
•öfFentlichte  er:  „Schlesisches  Gesangbuch  zum  Gebrauch  der  Römisch- 
Katholischen,  nebst  den  dazu  gehörenden  Melodien  u.  Noten.*'  (Breslau, 
1768)  u.  „Choralbuch  oder  Melodien  zum  Gesangbuch"  (Breslau,  1778). 
Er  starb  als  Bektor  des  Alumnates  in  Breslau  im  Jahre  1791. 


90  Freddi  —  Fröhlich. 

Freddi,  Amadei,  geb.  zu  Ende  des  16.  Jhdts.  im  Venetianischen, 
Priester,  war  erst  Ep«-M.  zu  Treviso  n.  dann  an  der  Kathedrale 
zu  Padiia.  (,,Sacrae  modulationes  (Motetten)"  zn  2,  3  n.  4  Stimmen, 
Venedig  1601  u.  1602;  „Divinae  laudes  a  2,  3,  4  voc.  cum  basso,"  4  lib.,- 
„Hinni  concertatl  a  2 — 6  voci;"  u.  a.  m.) 

Freachi,  Giov.  Domenico,  ein  Priester,  geb.  in  der  ersten 
Hälfte  des  17.  Jbdts.,  hat  sich  durch  Kirchen-  u,  Bühnen-Kompositionen 
bekannt  gemacht. 

Frescobaldi,  Girolamo,  der  berühmteste  u«  grösste  Orgelspieler 
zu  Anfang  des  17.  Jhdts.  u.  zugleich  angesehener  Komponist,  war 
geboren  zu  Ferarra,  sein  Tauftag  war  der  9.  Sept.  1583.  Er  soll  schon 
in  seiner  Jugend  eine  bedeutende  Geschicklichkeit  im  Orgelspiel  be- 
sessen, auch  einige  Jahre  in  den  Niederlanden  verweilt  haben.  Unterm 
21.  Juli  1608  wurde  er  zum  Organisten  in  St.  Peter  zu  Rom,  als 
Nachfolger  Erc»  Pasquini's  gewählt.  Diese  Stelle  verwaltete  er  his 
ein  Jahr  vor  seinem  Tode,  welcher  2.  März  1644  erfolgte;  nur  von 
1628—33  war  er  beurlaubt.  Na6h  dem  Zeugnisse  seiner  Zeitgenossen 
schuf  er  eine  neue  Spielmanier,  welche  allgemein  angenommen  wurde; 
auch  die  Ausbildung  der  Fuge  verdankt  ihm  vieles.  Sein  vorzüglichster 
Schüler  war  Jak.  Froberger,  welcher  als  Hoforganist  von  Wien  von 
1637—41  Urlaub  erhielt,  um  unter  seiner  Leitung  zu  studieren.  F.'s  Werke 
bestehen  in  Madrigalen  (sein  erstes  Werk,  5stimm.  Madrigalen,  erschien 
1608  zu  Antwerpen),  Biccercari,  Tokkaten,  Canzonen,  Magnifikaten, 
Hymnen  u.  s.  w.  (s.  Kirchenmusik.  Jahrbuch  von  F.  X.  Haberl  1887). 

Fresza,  Guiseppe,  von  seinem  Geburtsorte  Grotte  in  Sizilien 
„dalle  Grotte"  geheissen,  war  Franziskanermönch  u.  Professor  der 
Theologie  seines  Ordens  in  Padua  im  17.  Jhdt.;  er  gab  daselbst  ein 
Werk  heraus  mit  dem  Titel:  „H  Cantore  eccles.  per  istruzione  de' 
religiös!  minori  conventuali"  (1698;  2.  Aufl.  1713;  3.  Aufl.  1733),  welches 
in  vier  Teilen  die  Noten,  die  Kirchentöne,  die  Ausführung  des  Gesanges 
u.  seine  Verbindung  mit  der  Orgel,  zuletzt  die  Komposition  des  Gantus 
firmus  sehr  praktisch  u.  eingehend  behandelt. 

Friderici  od.  Friedrich,  Daniel,  Magister  u.  erster  Kantor  zu. 
Bostock,  geb  zu  Eisleben,  gehört  unter  die  besseren  und  fleissigeren 
musikalischen  Schriftsteller  u.  Komponisten  des  17.  Jhdts.  Von  seinen 
theoretischen  Werken  erlebte  „Musica  figuralis"  (eine  Gesangschule) 
bis  1677  sechs  Auflagen. 

Fritscb,  Thomas,  geb.  25.  Aug,  1563  zu  Görlitz,  war  erst 
Magister  daselbst,  später  kam  er  nach  Breslau  u.  starb  hier  als 
Kreuzherr  mit  dem  roten  Stern  im  Mathiaskloster.  Er  war  einer  der 
ausgezeichnetsten  Tonkünstler  des  16.  Jhdts. ;  doch  findet  sich  von  seinen 
Werken  nur  mehr:  „Opus  musicum  a  5,  7,  8,  9  et  plur.  vocum." 

Fröhlich,  Joseph,  Komponist  u.  vortrefflicher  didaktisch-  und 
theoretisch-musikalischer  Schriftsteller,  geb.  zu  Würzburg  am  28.  Mai 


Froberger  —  Froschius.  91 

1780.  Nachdem  er  seinen  Vater,  Eektor  an  einer  Anstalt  daselbst 
schon  in  seinem  vierten  Lebensjahre  verloren  hatte,  wurde  er  als 
12jähriger  Knabe  in  das  Erziehungsinstitnt  für  arme  Studierende  im 
Juliushospitale  in  Würzburg  aufgenommen,  wo  er  neben  seinen  Studien 
auch  in  der  Musik  von  einem  tüchtigen  Lehrer  Unterricht  erhielt.  In 
der  fürstbischöfl.  Hofkapelle,  in  welche  er  1801  als  wirkliches  Mitglied 
aufgenommen  wurde,  fand  er  eine  treffliche  Schule  für  seine  fernere 
musikal.  Ausbildung,  doch  betrieb  er  daneben  noch  seine  wissenachaft- 
liehen  Studien.  1804  ward  er  zum  Vorstand  des  musikalischen  Instituts 
der  Universität  erhoben  u.  trat  auch  als  Privatdozent  in  die  Sektion 
der  allgemeinen  Wissenschaften  ein.  Dies  Musikinstitut  verdankt  ihm 
seine  Blüte,  indem  er  es  nach  mehreren  Jahren  zu  einer  allgemeinen 
Landesschnle  der  Musik  umgestaltete,  welche  seitdem  viele  tüchtige 
Musiker  heranbildete  u.  auf  die  musikalischen  Zustände  in  Bayern,  die 
durch  die  Aufhebung  der  Klöster  in  eine  ziemlich  traurige  Lage  ge- 
kommen waren,  segensreich  wirkte.  Um  dies  noch  mehr  zu  ermöglichen,, 
schrieb  er  eine  umfassende  Musikschule,  welche  sich  auf  Harmonie^ 
Gesang,  den  Unterricht  auf  allen  Orchesterinstrumenten  u.  die  Direktion 
jeden  Sing-  u.  Instrumentalchores  ausdehnt.  Er  starb  als  Rektor  n. 
Professor  bei  der  philosophischen  Fakultät  am  5.  Jan.  1862. 

Froberger,  Jakob,  dessen  Geburtsdatum  unbekannt  und  von 
dessen  Lebensumständen  man  sehr  wenig  weiss,  gehörte  nach  Dr.  W. 
A,  Ambros  Angabe  („Geschichte  der  Musik"  IV.  463)  der  Wiener  Hof- 
musikkapelle als  Organist  an:  vom  1.  Jan.  1637  bis  30.  Sept.  1637, 
dann  vom  1.  April  1641  bis  Okt.  1645,  endlich  vom  1.  April  1653  bis 
30.  Juni  1657;  auch  1649  scheint  er  in  Wien  sich  aufgehalten  zu  haben. 
Wahrscheinlich  verlebte  er  auch  eine  Zeit  in  Paris,  da  er  mit  den 
Manieren  der  französischen  Organisten  u.  Klavierspieler  sich  so  vertraut 
zeigt.  Von  1637 — 41  studierte  er  in  Kom  unter  Frescobaldi,  zu  welcher 
Studienreise  er  vom  Hofe  zu  Wien  mit  200  Gulden  unterstützt  wurde. 
F.  starb  7.  Mai  1667  zu  Hericourt  bei  Montbellard  auf  einem  Schlosse 
der  Herzogin  Sibylla  von  Württemberg,  wohin  er  wahrscheinlich  schon 
1657  gezogen  war  u.  welche  ihn  in  hohen  Ehren  hielt.  Er  selbst 
edierte  nichts,  erst  nach  seinem  Tode  1693  u.  96  erschien  zu  Mainz 
eine  Sammlung  unter  dem  Titel:  „Diverse  ingegnosissime  e  rarissime 
partite  di  toccate,  canzoni,  ricercari,  capricci  etc^';  dann  auch  „Suites 
de  elavecin,'*  Manuskripte  seiner  Werke  befinden  sich  auf  den  Bibüo« 
theken  zu  Berlin  u.  Wien. 

Froschina,  Joannes,  ein  Musiker  des  16.  Jhdts,  von  dessen 
Leben  nichts  bekannt  ist.  Es  existiert  von  ihm  nur  ein  Werk:  „Rerura 
musicamm  opusculum  ramm  ac  insigne,  totius  ejus  negotii  rationem 
mira  industria  et  brevitate  complectens,  jam  recens  publicatum  Joann. 
Froschio  autore.  1535.  Argentorati  apud  P.  Schaeffer  et  Math.  Api- 
arium/^    In  der  Vorrede  sagt  er,  dass  er  das  Buch  „in  limine  senectae'* 


92  Frovo  —  Fux. 

verfasst  habe;  gewidmet  ist  es  den  H.  Grafen  von  Wirtenberg  und 
Montebelgard;  unterzeichnet:  „Strassburg,  1532."  Es  war  bestimmt  für 
den  Unterricht  der  Jugend,  u.  ümfasst  in  19  Kapiteln  alles,"  was  zum 
Gesänge  gehört;  viel  zitiert  er  darin  aus  Aristoxenus,  Aristoteles, 
Plinius,  Ptolemäus,  Boethius  etc.  Wichtig  sind  die  am  Ende  angefügten 
4-  u.  68timmigen  Beispiele.    Der  Notendruck  ist  prachtvoll; 

Frovo,  JoaoAlvarez,  Kaplan  u.  Bibliothekar  König  JohaUn  IV. 
von  Portugal,  geb.  zu  Lissabon  1608  u.  gest.  1671,  hat  sich  sowohl 
durch  Kirchenkompositionen  als  auch  durch  mehrcöre  theoret.  Werke 
bekannt  gemacht. 

Faentes,  Don  Pasqual e,  geb.  zu  Albaida  (Valencia)  zu  Anfang 
des  vorigen  Jhdts.,  1757  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Valencia,  gest. 
26.  April  1768,  war  einer  der  renomiertesten  spanischen  Kirchenkompo- 
nisten (Messen,  Motetten  zu  6—12  Stimmen,  mehrere  Te  Deum  u.  s.  w.) 

Führer,  Robert,  geb.  den  2.  Juni  1807  zu  Prag,  genoss  den 
Musikunterricht  Wittasek's  u.  wurde  nach  dessen  am  7.  Dez.  1839  er- 
folgtem Tode  Domkp.-M ,  nachdem  er  seit  1830  als  Lehrer  an  der  Prager 
Organistenschule  fungiert  hatte.  1843  verlor  er  diese  Stelle  wieder. 
Von  da  an  föhrtö  er  ein  unstätes  Leben  u.  hielt  sich  an  verschiedenen 
Orten  in  Österreich  u.  Bayern  auf;  eine  Zeitlang  verbrachte  er  in 
Braunau  am  Inn,  bis  er  1857  die  Organistenstelle  in  Gmunden  u.  Jschl 
erhielt,  welche  er  nicht  lange  innehatte.  Am  28.  Nov.  1861  endete  er 
sein  Leben  in  einem  Hospitale  in  Wien.  Seine  Kirchenkompositionen 
belaufen*  sich  fkst  auf  200  u.  sind  ausser  einigen  grossem  Messen, 
einem  grossen  Oratorium  „Der  Tod  Jesu"  för  kleinere  u.  mittlere 
Kirchenchöre  bestimmt,  tragen  aber  fast  durchweg  den  Stempel  wahrer 
Fabrikarbeit  an  sich.  Es  ist  dabei  nicht  zu  verkennen,  dass  Führer 
eine  grosse  Kompositionsfertigkeit  u.  technische  Gewandtheit  im  musi- 
kalischen Satze  hat;  damit  vereiniget  eine  bedeutende  Leichtigkeit  der 
Erfindung  u.  einen  natürlichen  Fluss  der  Melodie,  Eigenschaften,  die 
immer  für  einen  Komponisten  einnehmen.  Doch  all  das  hebt  den 
Mangel  höherer  Weihe  nicht  auf  u.  verdeckt  nicht  die  Leichtfertigkeit 
im  Schaffen  —  ohne  eigentlich  religiöses  Motiv;  den  strengsten  Tadel 
aber  verdient  die  Rücksichtslosigkeit,  mit  welcher,  er  bei  Abkürzung 
des  kirchlichen  Textes  zu  Werke  ging.  Auch  einige  didaktische  Werke 
edierte  er,  z.  B.  Anweisung  zum  Präludieren  (Augsburg,  Böhm>. 

Fax,  Johann  Joseph,  geb.  1660  zu  Hirtenfeld  bei  St.  Matrein 
in  Steiermark,  erscheint  zuerst  1696  als  Organist  an  der  Schottenkirche 
zu  Wien,  1698  ernannte  ihn  Kaiser  Leopold  I.  zu  seinem  Hofkompositeur. 
1704  ward  er  Kp.-M.  am  St.  Stephansdom,  1713  Vizehofkp.-M.,  1715 
nach  Ziani's  Tode  erster  Hofkp.-M.  Trotz  langjähriger  schwerer 
körperlicher  Leiden  stand  er  seinem  Amte  doch  mit  aller  Gewissen- 
haftigkeit u.  Energie  bis  zu  seinem  Tode,  14.  Febr.  1741,  vor.  Seinfe 
zahlreichen  Weike  gliedern  sich  in  die  bedeutendsten  Fächer  der  Kunst: 


öabrieli.  93 

besanders  viele  Kirchenkompositionen,  häufig  durch  Originalität  und 
Feinheit  ansgezeichnet;  Opern,  darunter  die  grosse  hei  der  Krönungs- 
feierlichkeit  in  Prag  1723  unter  freiem  Himmel  aufgeführte  Oper 
„Costanza  e  Fortezza^';  reine  Instrumentalmusik,  worunter  der  „Concentus 
musico-instrumentalis  in  7  partitas  divisus.  Norimbergae  1701'^  am 
bekanntesten  ist.  Seinen  eigentlichen  Buhm  auch  für  die  Nachwelt 
bildet  sein  didaktisches  Werk  „Gradus  ad  Famassum,  siye  Manuductio 
ad  compositionem  musicae  regulärem,"  welches  in  leicht  verstand-, 
lichem  Latein  abgefasst  1725  im  Druck  erschien,  bis  Ende  des  Jhdts. 
tiberall  Eingang  gefunden  hat  u.  ins  Deutsche,  Französische,  Italienische 
und .  Englische  übersetzt  wurde.  (Bellermann's  „Kontrapunkt*'  und 
M.  Haller's  „Kompositionslehre"  (Rgsbg.,  1891)  liegt  auch  der  Gradus 
ad  Pamassum  zu  Grunde.)  Der  Inbegriff  seiner  Lehre  gründete  sich  auf 
4ie  grossen  Werke  der  Vorzeit,  besonders  die  vollendeten  Schöpfungen 
Palestrina's,  welchen  er  als  Ideal  seiner  Arbeiten  im  Bereiche  der 
Kirchenkomposition  nie  aus  dem  Auge  liess.  Er  hielt  fest  an  den 
bewährten  Grundlagen  u,  es  ruhen  alle  Werke  des  grossen  Tonmeisters 
auf  einem  kemhaften  Fundamente  der  Vorzeit,  einem  konservativen 
Organismus,  der  die  Neugestaltung  der  Kunst  dem  Geiste  klassischer 
Vollendung  zu  assimilieren  strebte.  Wenn  auch  das  Festhalten  an  den 
Kirchantonarten  als  unzeitmässig  erklärt  wird,  so  ist  sicherlich  seine 
Methode  die  erspriesslichste  für  gründlich^  Erlernung  des  Kontrapunktes. 
L.  V.  Köchel  gab  1872  eine  ausführliche  Biographie  F,'s  nebst  dem 
thematischen  Verzeichnisse  seiner  Werke  heraus. 


G. 

Gabrieli,  Andrea,  geb.  um  1510  in  Venedig,  stammte  aus  der 
adeligen  Familie  der  Gabrieli  (früher  Cavobelli  genannt)  u.  studierte 
unter  H^d.  Willaert  (andere  nennen  Cyprian  de  Köre)  die  Musik. 
1536  Kapellsäuger  an  der  Markuskirche,  erhielt  er  1556  die  zweite 
Organistenstelle  daselbst  u.  verwaltete  sein  Amt  rühmlichst  bis  zu 
seinem  Tode  1586.  Er  war  von  seinen  Landsleuten  hochgeehrt  u.  sein 
Name  blieb  bei  dem  lebhaften  Verkehre  Venedigs  mit  den  grossen 
deutschen  Handelsstädten,  namentlich  Augsburg  u.  Nürnberg,  auch  im 
Auslande  nicht  unbekannt.  Einen  besonderen  Gönner  u.  Verehrer  fand 
er  an  den  Grafen  Fugger  zu  Augsburg,  u.  auch  manche  deutsche  Ton- 
künstler wanderten  nach  Venedig,  um  sich  daselbst  in  der  Musik 
auszubilden,  wie  besonders  Hans  Leo  Hasler,  ein  Nürnberger,  der  1584 
dahin  kam,  den  Unterricht  des  Tonmeisters  Andr.  Gabrieli  genoss  u. 
zugleich  ein  zartes  Freundschafts-Bündniss  mit  dessen  Neffen,  Johannes 
G.,  schloss.    Verschiedene  Staats-  u.  Siegesfestlichkeiten  der  Bepublik 


94  Gabrieli. 

boten  unserm  Meister  Gelegenheit,  durch  kirchliehe  u.  profane  Kompo- 
sitionen die  Grösse  seines  Genies  hervortreten  zn  lassen,  u.  dieser  erhob 
sich  Yor  allen  Mitbewerbern  stets  auf  den  Glanzpunkt  der  Ehre.  — 
Was  die  Würdigung  unsers  Meisters  nach  seinen  Werken  betrifft,  so 
ist  zunächst  der  Standpunkt  u.  die  Epoche,  in  welcher  G.  wirkte,  in's 
Auge  zu  fassen.  Venedig  besass  damals  eine  Musikschule,  welche  vor 
der  römischen  den  Vorzug  des  Alters  hatte  u.  Männer  in  ihrer  Mitte 
zählte,  welche  zu  den  hervorragendsten  Tonbildnem  ihrer  Zeit  gehörten. 
Gab.  war  einer  der  jungem  aus  ihnen;  nach  einem  Adr.  Willaert,  neben 
Oyprian  de  Rore,  Zarlino,  Costanzo  Porta  der  Bewunderung  Venedigs 
würdig  zu  werden,  war  die  schwierigste  Aufigabe  unsers  Meisters  u.  er 
löste  sie  mit  dem  glänzendsten  Erfolge.  Mehr  als  seine  Vorgänge^ 
besass  er  die  Kunst,  in  herrlichen  Tonmassen  zu  bilden;  vielstimimige 
manigfach  gegliederte  Chöre  wusste  er  mit  einander  zu  verbinden  u. 
zu  immer  neuen,  hohem  Effekten  auszuprägen.  Doch  war  alles  dies 
nicht  auf  eitlen  Sinnenprnnk  berechnet,  sondern  mit  dem  hohen  Emste 
religiöser  Würde  u.  Begeisterung,  die  Venedigs  Verfassung  u.  Volks- 
^esinnung  eigen  war,  geschmückt.  Und  hierin  ragte  G.  über  seine 
venetianischen  Zeitgenossen  weit  hervor;  majestätisch  feierlich,  oft 
tiefbeschaulich  setzte  er  sich  niemals  über  die  hohen  Anforderungen  der 
Kirche  hinaus  u.  verdient  vor  allen  Venetianem  mit  dem  damals  in 
JR^om  aufgegangenen  mächtigen  Gestime  verglichen^  der  „Palestrina" 
Venedigs  genannt  zu  werden.  Das  würdigste  Zeugniss  seiner  kirch- 
lichen KünsÜergrösse  bieten  die  sechsstimmigen  Busspsalmen,  welche 
in  abweichender  Auffassung  von  der  Behandlung  früherer  Komponisten 
dieser  Psalmen  den  Gipfel  heiliger  Ausdrucks  weise  erreichen  u.  vom 
Verfasser  selbst  seinen  übrigen  Werken  vorgezogen  werden.  Von 
seinen  Werken  nennen  wir  noch:  Motetti  a  5  voci,  Venedig  1565, 
1584;  ein  Buch  sechsstimmiger  Messen;  lib.  I.  Cantionum  eccl.  4  voc. 
Venedig  1576;  Cantionum  sacr.  pars  I.  6—16  voc,  1578.  Orgelstücke 
von  ihm  finden  sich  in  Sammlungen  gemischt  mit  solchen  von  seinem 
Neffen:  „Intonazioni  d*organo  lib.  I."  Venedig  1593;  „Riceicari  per 
Torgano  lib.  2  e  3"  1587,  u.  a.  m. 

Gabriel!,  Johannes,  Neffe  u.  Schüler  des  Vorhergehenden, 
geb.  1557  zu  Venedig,  genoss  schon  in  jungen  Jahren  eines  nicht  un- 
bedeutenden Ansehens,  da  in  eine  Sammlung  (Nürnberg  1575),  welche 
Madrigale  der  besten  Tonkünstler  enthält,  auch  Stücke  von  ihm  auf- 
genommen sind.  1585  wurde  er  nach  Memlo's  Abgang  neben  seinem 
Oheim  als  Organist  an  der  Markuskirche  angestellt.  Wie  dieser,  stand 
auch  er  mit  den  deutschen  Kapellen,  in  lebhaftem  Verkehre;  namentlich 
bewahrte  sein  Mitschüler  L.  Hasler  ihm  treue  Freundschaft.  Unter 
«einen  Gönnern  zählte  er  in  Deutschland  besonders  den  Herzog  Albrecht  V. 
von  Bayem  u.  dessen  Söhne,  sowie  das  gräfl.  Fugger'sche  Haus  in 
Augsburg;  fünf  Jahre,  1574—79  brachte  er  in  München  bei  Lasso  zu. 


Gabrieli.  95 

Im  Ausgange  des  16.  Jhdts.  war  er  einer  der  von  den  Deutschen  am 
meisten  geschätzten  u.  geehrten  Tonmeister,   was   sich  aus  7  Samm- 
lungen meist  geistlicher  E^ompositionen  ergiebt,  von  denen  bis  1609 
sechs  in  Nürnberg  gedruckt  wurden,  worin  seine  Kompositionen  der 
Zahl  u.  dem  Werte  nach  die  vorzüglichste  Stelle  einnehmen.    Auch  als 
Lehrer  der  Tonkunst  war  er  gesucht.    1609  sendete  Kurfürst  Moritz 
von  Sachsen  den  Juristen  u.  trefflichen  Sänger  Heinrich  Schütz,  der 
sich  ganz  der  Musik  widmen  wollte,  nach  Venedig  zu  G.,  um  dort  seine 
gewonnene  Musikbildung  zu  erweitem.    Schütz  blieb  4  Jahre  in  seinem 
Unterrichte.  Unter  Q's  Schülern  sind  noch  zu  nennen  der  minder  bekannte 
Alois  Grani  u.  Michael  Prätorius,   der  in   seinem  Syntagma  musicum 
seines  Lehrmeisters  mit  den  ehrenvollsten  Ausdrücken  gedenkt.   G.  starb 
12.  Aug.  1612  als  ein  Meister,  der  am  Markstein  der  Zeit  der  älteren 
Musik  blüht  u.  in  den  Anfang  einer  neuen  Periode  hineinreicht^   ohne 
seine  Selbständigkeit  u.  Wirksamkeit  för  das  Besjiehende  u.  Werdende 
zugleich  zu  schwächen.    Er  repräsentiert  den  Übergang  von  der  altem 
zur  neuem  Musik  vollständig,  indem  er  sich  weder  an  das  Alte  zäh 
hängt,  noch  dem  Neuen  inüberstürzender  Hast  sich  hingiebt;  ersuchte 
aus  Allem  heraus,  was  ihm  das  Beste  schien,  folgte  der  natürlichen 
Entwicklung  der  Musik  u.  hatte  keineswegs  an  dieser  Entwicklung  den 
unbedeutendsten  Anteil;    in   ihm   zeigt   sich   die   reichste  u,   vollste 
Entfaltung   der  Musik  der  früheren  venedischen  Schule,  ihre  ganze 
Eigentümlichkeit;  die  Pracht  u.  Grossartigkeit  des  venedischen  Staats- 
u.   Volkslebens   spiegelt   sich  in   seinen  Werken   ab.     „Hatte,   sagt 
Winterfeld,  Willaert  in  seinen  geteilten  Chören  die  Tonart  zuerst  als 
harmonischen  Grundgedanken  ahnen  lassen  —  da  die  gegeneinalider  u. 
mit  einander  arbeitenden  Tonmassen  sich  wenig  geeignet  zeigten  zu 
künstlicher  Entwicklung  der  Melodien,  wie  sie  der  niederländischen  u. 
römischen  Schule  eigen  waren,  —  war  Cyprian  de  Rore  weit  hinaus- 
geschweift über  die  damals  bestehenden  Grenzen  des  Tonsystems  nach 
neuen  Ausdrucksmitteln  lür  seine  Gedanken,   so  sehen  wir  die  tiefste 
Eigentümlichkeit  der  Tonarten,  die  zartesten  Beziehungen  der  einen 
zur  andern  hervortreten  in  G's  Werken.    Das   Herkömmliche,   die  un- 
mittelbare Beziehung  auf  die  überlieferte  Kirehenweise ,    da   ausge- 
nommen, wo  er  seine  Gesänge  dem  Kirchengebrauche  gemäss  durch  sie 
anstimmen  lassen  musste,  hat  er  ganz  verlassen,   um  so  inniger  aber 
in  dem  zuvorgedachten   Sinne   sich  ^der  Grandform  angeschlossen,  in 
welcher  jene  alten  Kirchen  weisen  durch  innere  Notwendigkeit  bedingt 
erschienen  waren.    Ebenso  tritt  die  strenge  kanonische  Form  nirgends 
mehr  absichtlich  u.  als  solche  bei  ihm  hervor,  belebend  überall,  nicht 
bedingend,  soll  der  bewegende  Grundgedanke  sein;   jene  sinnreiche 
Verflechtung  der  alten  kirchlichen  Kunst  aber,   sofern   sie  das  Ohr 
nicht  mehr  zu  vernehmen  vermag,  ist  ganz  bei  ihm  ausgeschlossen.** 
Die  von  Cyprian  zu  Gunsten  eines  ^  lebendigen  u.  leidenschaftlichen 


96  Gänsbaoher  —  Gafori. 

Ausdrucks  im  Madrigal  in  Anspruch  genommene  u.  auf  seinen  Vor- 
gang bald  in  Nähe  u.  Feme  aufgefasste  Chromatik  fand  in  G.  einen 
besonderen  Vertreter.  —  Von  seinen  bedeutendsten  Werken  (ausser 
den  schon  angeführten)  sind  noch  zu  nennen:  „Symphoniae,  7,  8}  10, 
12,  14,  15  u.  16  tarn  voc.  quam  instrumentis/*  Venet  1597;  „Reliquiae 
sacrorum  concentuum  G.  Gabrielis  u.  Leonis  Hassleri  etc.",  Norimb.  1615. 
Seine  sämtlichen  Kompositionen  finden  sich  in  dem  trefflichen  Werke 
V.  Winterfeld's :  „Johannes  Gabrieli  u.  sein  Zeitalter.  2  Teile  nebst 
einem  Notenheft.    Berlin  1834,'*  verzeichnet. 

Gänsbacher,  Johann  Bapt.,  geb.  7.  Mai  1778  zu  Sterzing  in 
Tyrol,  kam  im  Alter  von  8  Jahren,  in  der  Musik  wohl  unterrichtet,  als 
Chorknabe  nach  Hall.  Während  seiner  philosophischen  Studienjahre 
zu  Innsbruck  begann  er  auch  einiges  zu  komponieren.  1796  diente  er 
beim  Landsturm  u.  befehligte  selbst  eine  Truppe  von  300  Mann.  1802 
ging  er  zu  Abb6  Vogler  in  Wien,  der  ihn  in  sein  Harmoniesystem  ein- 
weihte und  auf  seine  theoret-musikalische  Fortbildung  wohlthätig 
einwirkte,  u.  später  erhielt  er  durch  Albrechtsberger  Unterricht  im 
Kontrapunkt.  Nachdem  er  in  den  Freiheitskriegen  wiederholt  eine 
militärische  Stelle  bekleidet  hatte,  erhielt  er  1823  nach  PreindFs  Ab- 
leben die  'Kapellmeisterstelle  am  St.  Stefansdome  in  Wien,  welche  er 
bis  zu  seinem  Tode  d.  13.  Juli  1844  innehatte.  Er  schrieb  vieles; 
unter  andern  Kompositionen  finden  sich  für  die  Kirche:  17  Messen, 
2  Gradualien,  Offertorien,  4  Requiem,  5  Litaneien  u.  dgl  Wenn  auch 
einzelne  Teile  seiner  kirchlichen  Werke  edler  u,  würdiger  gehalten 
sind,  so  widerspricht  doch  ein  überwiegender  Teil  derselben  dem  kirch- 
lichen Geiste  vollends  durch  das  gemütliche  u.  heitere  Wesen,  das  den 
Wiener  Volkscharakter  zeichnet  u.  mit  kirchlicher  Würde  sich  nicht 
vereinbaren  lässt. 

Gafori  (Gafurins),  Franchino,  geboren  zu  Lodi  den  14.  Jan. 
1451,  studierte  unter  Bonadies  (Godendag)  Musik  u.  widmete  sich  dem 
geistlichen  Stande.  Auch  als  Priester  setzte  er  das  Studium  der 
Musiktheorie  fort.  Nachdem  er  sich  in  Mantua,  Verona,  Genua  einige 
Zeit  aufgehalten  hatte,  kam  er  nach  Neapel,  wo  er  mit  Tinctoris, 
Gamerius  u.  Bernhard  Hycaert  zusammentraf  u.  mit  Philipp  v.  Caserta 
öffentliche  Disputationen  über  musikalische  Gegenstände  hielt.  Bald 
gab  er  daselbst  seinen  ersten  Traktat  über  Musik  heraus,  der  ihn  vor- 
teilhaft bekannt  machte.  Krieg  u.  Pest  nötigten  ihn,  auch  Neapel  zu 
verlassen,  worauf  er  sich  nach  Monticello  im  Cremonensischen  begab. 
Hier  blieb  er  3  Jahre  als  Chordirektor,  ging  dann  als  Kirchensänger 
nach  Bergamo  u.  zuletzt  nach  Mailand,  wo  er  1484  als  Domsänger, 
Lehrer  der  Choralknaben  u.  Kapellsänger  Ludov.  Sforza's  eine  Anstellung 
erhielt,  in  welcher  er  auch  verdienstvoll  wirkte  bis  zu  seinem  Tode, 
d.  24.  Juni  1529.  —  G.'s  Wirksamkeit  war  nicht  ohne  bedeutenden 
Einflnss  auf  die  musikalischen  Studien  seiner  Zeit  u.  die  meisten  der 


Gagliano.  97 

saoh  ihm  uumittelbar  lebenden  musikalischen  Schriftsteller  zitieren  ihn 
oft  als  Autorität.  Obwohl  er  sich  mit  der  griechischen  Tonwissenschaft 
yi€l  beschäftigte  u.  ihre  Systeme  als  Fauptgrondlagß  aller  Musik- 
wissenschaft ansah,  verlor  er  sich  doch  nicht  in  unMchtbare  Speku- 
lationen, sondern  suchte  die  praktische  Entwicklung  der  Musik  seiner 
Zeit  zu  fordern.  Seine  Schriften,  die  nun  ziemlieh  selten  geworden, 
sind  folgende:  1)  „Clarissimi  Eranchini  ,Gafori  Laudensis  theoricum 
opus  musicae  discipHnae/'  Neapol.  1480.  Eine  zweite  Auflage,  Mailand 
1492,  führt  den  Titel:  „Theoria  music^  Pranch.  Gafori  Land.*'  etc.  u. 
ist  eine  gänzliche  Umarbeitung  der  ersten  Auflage.  Es  ist  in  5  Bücher 
abgeteilt,  wovon  die  ersten  vier  eine  Art  Auszug  des  Boethius'schen 
Traktats,  das  letzte  eine  Auseinandersetzung  der  griechischen  TonaHtät 
u.  der  Guidonischen  Solmisation  enthalten.  2)  „Practica  musicae  sive 
musicae  actiones  in  IV.  libris,"  Mailand  1496  (bis  1512  noch  dreimal 
neu  aufgelegt)  behandelt  den  Cantus  planus,  Notierung,  Kontrapunkt, 
Proportionen,  Tempus  u.  s.  w.  und  diesem  Werke  verdankt  G.  zumeist 
seinen  Buhm.  Die  Proske'sche  Bibliothek  besitzt  von  diesen  beiden 
Werken  auch  eine  äusseret  schöne  Ausgabe  mit  dem  Titel:  „Musica^ 
utriusque  cantus  practica"  Brixen,  1497.  kl.  Fol.  3)  „Angelicum  ac 
divinum  opus  musice  Fr.  Gafurü:  De  harmonia  musicorum  instrumen- 
torum  opus'*  etc.  Mailand  1518.  Hieraus  ersieht  man,  dass  er  viele 
Traktate  für  seine  Schüler  schrieb,  aber  nur  diejenigen  drucken  Hess, 
welche  er  für  die  wichtigsten  hielt.  5)  „Apologia  Fr.  Gafurü  adversus 
Joan.  Spatarium  et  complices  musicos  Bononienses"  1520. 

Gagliano,  G  i  o  v  a  n  n.  B  a  1 1. ,  um  1580  zu  Florenz  geboren,  stand 
in  Diensten  des  Hauses  der  Medicis. 

Gagliano,  Marco  da,  geb.  um  1575  zu  Gagliano  bei  Florenz, 
gest.  24.  Febr.  1642  zu  Florenz,  Bruder  des  Johannes  Bapt.  G.,  welcher 
ihn  um  7  Jahre  überlebte,  besass  grosse  musikalische  Begabung  u. 
bildete  sich  unter  Luca  Batiks  Leitung  zum  tüchtigen  Kontrapunktisten 
aus.  Er  widmete  sich  dem  geistlichen  Stande  u.  ward  nach  der 
Priesterweihe  (wahrscheinlich  schon  gleich)  Kapellan  bei  S.  Lorenzo  in 
Florenz,  wo  er  (1602)  auch  die  Geistlichen  im  Kirchengesange  zu 
unterrichten  hatte.  In  dieser  Stellung  bildete  er  sich  in  der  theoretischen 
u.  praktischen  Musik,  sowie  in  der  Komposition  mehr  aus;  bis  1608, 
in  welchem  Jahre  er  Kp.-M.  u.  bald  darauf  Kanonikus  bei  S.  Lorenzo 
wurde,  veröffentlichte  er  fünf  Bücher  Madrigale,  einen  Band  geistlicher 
Kompositionen  u.  eine  Oper.  Er  war  ein  fruchtbarer  Komponist  u. 
sehr  angesehen.  Die  wenigsten  seiner  Werke  erschienen  im  Druck, 
an  Kirchenmusiken:  Officium  deff.  4  paribus  voc.  1607;  Missae  et  sacr. 
Cantiones  sex  voc.  1614;  Sacr.  Cantionum  ad  6  voc.  lib.  II.  1622  u.  1623; 
Besponsoria  maj.  hebd.  4  voc.  1630;'  Lauda  Sion  8  voc.  in  secondo 
libro  de  Motetti  a  6  et  &  voci,  1643  (letztere  sind  Kompositionen 
seines  Bruders). 

KornmuIIer,  Lexikon.    II.  Bd.  • 


98  Galilei  —  Gallus. 

Galilei,  Vinceuzo,  geb.  um  1533,  ein  flarestinischer  Edelmann, 
soll  Mer  eine  Stelle  finden,  da  er  der  eigentliche  Urheber  der  neuem 
Melodik  genannt  zu  werden  verdient.    In  der  zweiten  Hälfte  des  16. 
Jhdts.  war  die  Kontrapunktik  in  höchster  Blüte,  u.  selbst  die  Werke 
der  Dichter  wurden  nie  anders  als  für  3  od.  4  Stimmen  in  Musik 
gesetzt.     Einzeln-  ed.   Sologesang  war  in  der  höheren  Musik  nicht 
gebraucht.    Die  gelehrte  Gesellschaft  im  Hause  des  Grafen  Bordi  zu 
Florenz  suchte  nun,  indem  sie  sich  in  die  altgriechischen  Wissen- 
schaften vertiefte  u.  in  den  altgriechiscl^en  Zuständen  Ideale  sah,  dieser 
Stimmenverschränkung  entgegenzuarbeiten   u.   glaubte  nun  wieder  in 
der  griechischen  Musik  das  Ideal  hiervon  finden  zu  können.   Mit  Eifer 
wurden  nun  Untersuchungen  u.  Dispute  gepflogen,  wobei  sich  G.  durch 
besondem  Eifer  auszeichnete.    Aber  alle  diese  Bemühungen  hatten 
keinen  genügenden  Erfolg,  bis  man  sich  entschloss,  die  gefassten  Ideen 
in  der  Praxi^i  zu  versuchen.    G.  war  es,  welcher  ein  Stück  aus  Dante 
ganz  einfach  in  Musik  setzte,  die  Worte  des  Gedichtes  in  das  richtige 
Verhältnis  mit  der  Musik  zu  bringen  sich  bemühte  u.  seine  Arbeit 
dann  mit  Begleitung  der  Laute  der  Gesellschaft  vortrug.    Als  dieser 
Versuch  über  alle  Erwartung  befriedigte,  komponierte  er  noch  einige 
Stücke  aus  den  Klageliedern  des  Propheten  Jeremias,  welche  gleichen 
Beifall  erhielten.    Von  da  an  brach  der  melodische  Sologesang  sich 
immer  mehr  Bahn.    G.  hatte  sich  durch  ein  Werk,  welches  den  Titel 
führt:  „Jl  Eronlmo,  dialogo  sopra  l'arte  del  bene  intavolare  e  rettamente 
sonare  la  musica,  negli  strumenti  artificiali  si  di  corde  comme  di 
fiato,  ed  in  particolare  nel  Liuto.  In  Veneggia.    L'herede  di  Girolamo 
Scotto.  1584,"  welches  Lautentabulatur  u.  124  Notenbeispiele  von  grossen 
Meistern  enthält,  einen  Namen  gemacht.    1581  trat  er  gegen  seinen 
Lehrer  Zarlino,  wie  überhaupt  die  kontrapunktische  Musik  in  seinen 
„Discorso  intomo  all'opere  di  Zarlino,"  u.  1602  mit  „Dialogo  deila 
Musica"  auf.  —  Galileo   Galilei,  Sohn  des  Vorigen,  war  jener 
grosse,  um  die  Naturlehre  unsterblich  verdiente  Mann,  geb.  zu  Pisa 
18.  Febr.  1564,  gest.  zu  Florenz  8.  Jan.  1642,  welcher  auch  der  Musik 
sehr  kundig  war  u.  gründliche  Darstellungen  über  akustische  Gegen- 
stände lieferte. 

Galli,  Vincenzo,  lat.  Gallus,  ein  Franziskanerm(kich  in 
Sizilien  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts.  geb.,  war  Kp.-M.  an  der  Kathedrale 
zu  Palermo.  Mit  dem  Erwerb  aus  seinen  Kompositionen  Hess  er  sein 
Kloster  erweitem  u.  an  eine  Säule  die  Worte  setzen:   „Musica  Galli." 

Gallionlas,  Johannes,  Kontrapunktist  u.  Theoretiker  zu  Leipzig 
um  1520—50,  gab  ein  kleines  Kompendium  heraus:  „Jsagoge  de  compo- 
sitione  cantus";  es  ist  in  mehreren  Auflagen  erschienen.  Kompositionen 
von  ihm  finden  sich  in  verschiedenen  Sammlungen. 

Gallna,  Jakob,  eigentlich  Hänl  oder  Hau  dl,  war  um  1550 
in  Krain  geb.,   wurde  Kp.-M,  des  Bischofs  zu   OlmÜtz,    Stanislaus, 


Galuppi  —  Garnerius.  99 

Pawlowski,  darauf  kaiserl.  Kp.-M.  u.  starb  am  4.  Juli  1591  zu  Prag. 
Sein  Ansehen  als  Tonsetzer  war  gross  u»  der  Verewigte  wurde  durch 
eine  Menge  Gedichte  gefeiert.  Er  verdiente  auch  das  Lob  vollständig 
u.  steht  würdig  den  besten  italienischen  Tonmeistern  seiner  Zeit  zur 
Seite.  Vom  Kaiser  erhielt  er  1588  zur  Herausgabe  seiner  Werke  ein 
Privilegium  auf  10  Jahre.  Diese  sind:  f,Musicum  opus  5,  6  u.  8  voc/' 
2  Teile.  (Prag,  1586,  1587  u.  1590);  „Moralia  5,  6  u.  8  vocibus  con- 
cinata/'  (Nürnberg,  1586);  „Harmoniae  variae  4  voc.,*'  (Prag,  1591); 
„Lib.  m.  Harmoniarum  moral.  4  voc.  (Prag,  1591);  „Sacrae  cantiones 
de  praecipuis  featis,  4,  5, 6, 8  u.  plur,  voc."  (Nürnberg,  1597);  „Motettae, 
quae  praestant  omnes.^^  (Frankfurt,  1610).  In  Bodenschatz's  „Florilegium 
portense'*  befinden  sich  auch  33  Stücke  von  ihm,  unter  andern  das 
berühmte  ,,Ecce,  quomodo  moritur  justus/^ 

Galnppi,  Baldassare,  genannt  Buranello ,  geb.  den  18.  Okt. 
1706  auf  der  Insel  Burano  unweit  Venedig,  ein  Schüler  Lotti's,  war 
besonders  als  dramatischer  Komponist  berühmt.  1762  wurde  er  in  die 
Stelle  des  Giuseppe  Saratelli  als  Kp.-M.  der  Markuskirche  in  Venedig 
gewählt,  1764  od»  65  folgte  er  einem  Eufe  als  erster  Kp-M.  nach 
Petersburg,  wo  er  das  kaiserliche  Orchester  trefflich  hob.  Nach  drei 
Jahren  ging' er  wieder  nach  Venedig  zurück  u.  trat  wieder  in  sein 
Amt  an  St.  Marco  ein,  das  er  mit  ungeschwächter  Kraft,  auch  als 
Komponist  thätig,  bis  an  sein  Ende,  3.  Januar  1785,  verwaltete.  Neben 
74  Opern  arbeitete  er  auch  vieles  für  die  Kirche,  was  meist  Manuskript 
geblieben  ist. 

Gamberini,  Michel  Angelo,  geb.  zu  Cagli,  lebte  um  die  Mitte 
des  17.  Jhdts.  u.  war  Kp-M.  an  der  Kirche  des  hl.  Venantius  zu 
Fabriano.  1655  wurde  in  Venedig  eine  Sammlung  Motetten  von  seiner 
Komposition  gedruckt. 

Garcia,  Francesco,  ein  berühmter  portugiesischer  Tonkünstler 
u.  Tongelehrter  aus  dem  Ende  des  16.  u.  Anfang  d.  17.  Jhdts. 

Gargano,  Teofilo,  zu  Gallese  in  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jhdts.  geb.,  wurde  als  Kontraaltist  1601  in  die  päpstliche  Kapelle 
aufgenommen,  u.  Baini  berichtet  rühmend  über  ein  von  ihm  komponiertes 
Miserere.    Er  starb  1648. 

Garlandia,  1)  Johannes,  nach  Coussemaker  (Script.  I.  S.  X) 
Professor  u.  Musiker  in  Paris  gegen  Ende  des  12.  Jhdts.,  von  welchem 
Coussemaker  (1.  c.  S,  97,  175)  einen  Traktat  über  Mensuralmusik  in 
zwei  Versionen  veröffentlicht  hat.  Auch  ein  Wörterbuch,  das  wert- 
volle Aufschlüsse  über  ältere  Instrumente  enthält,  wird  ihm  zugeeignet. 
2)  Ein  Schriftsteller  des  13.— 14.  Jhdts.  (Galandia),  von  welchem  ein 
Traktat  über  Cantus  planus  ebenda  abgedruckt  ist. 

Garnerins  od.  Gaarnerias,  Guilielmus,  ein  Tonkünstler,  der 
in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhdts.  einer  grossen  Berühmtheit  sich 
erfreute.   Er  ist  wahrscheinlich  ein  gebomer  Belgier.    Gewiss  ist,  dass 

7* 


100  Gasoogne  —  Gatti. 

er  ein  berühmter  Lehrer  der  Musik  war,  welcher  zuerst  in  Mailand 
unterrichtete  u.  dann  nach  Neapel  berufen  wurde,  um  an  der  vom 
König  Ferdinand  eingerichteten  Musikschule  eine  Lehrerstelle  zu  über- 
nehmeu.    Hier  lebte  er  noch  um  1480. 

Ga9C0g]ie,  Mathieu,  ein  französ.  Tonkttnstler  zu  Anfang  des 
16.  Jhdts.  lebend,  von  welchem  man  in  einigen  Sammlungen  Stücke 
findet.  Nach  Baini  liegen  auch  yon  G.  Messen  über  franzSs.  Chansons 
im  Archiv  der  päpstL  Kapelle.  Auch  in  der  Münchener  Bibliothek  be- 
finden sich  einige  48timm.  Messen,  welche  als  Automamen  „Gascong*^ 
an  der  Spitze  tragen;  vielleicht  ist  dies  eine  u.  dieselbe  Person. 

Gaspar  od.  Gaspard,  ein  gelehrter  Tonkünstler,  entweder  in 
Frankreich  od.  Belgien  gebürtig,  war  ein  Schüler  Okenheims.  Von 
seinen  Lebensumständen  weiss  man  nichts,  aber  eine  ziemliche  Anzahl 
Kompositionen  von  ihm  sind  bekannt. 

Gasparini,  Francesco,  geb.  5.  März  1668  zu  Oamajora  bei 
Lucca,  gest.  im  April  1737  in  Bom,  Schüler  von  Corelli  ü.  Pasquini 
zu  Born,  wurde  1735  Kp.-M.  an  St.  Johann  im  Lateran;  er  war  einer 
der  geschätztesten  Italien.  Tonsetzer  seiner  Zeit  u.  bildete  viele  Schüler, 
unter  denen  Benedetto  Marcello  der  berühmteste  ist.  Er  komponierte 
'  neben  Bühnenmusik  auch  viele  Messen,  Psalmen,  Motetten,  Kantaten 
u.  schrieb  eine  lange  Zeit  in  Gebranch  stehende  Generalbassschule 
„L'armonico  pratico  al  cembalo**  (Venedig  1683,  7.  Aufl.  1802). 

Gastoldi,  Giovanni  Giacomo,  ein  fruchtbarer  und  sehr 
geschätzter  Kontrapunktist  des  16  Jhdts.,  geb.  zu  Caravaggio,  war 
zuerst  Kp.-M«  an  der  Kirche  St.  Barbara  zu  Mantüa,  später  am  Dom  zu 
Mailand  (1592).  Er  schrieb  neben  mehreren  Büchern  4-  u.  5stimmiger 
Kanzonenv5'— Ostimm.  Madrigalen,  Balieti,  Concerti  u.  b.  w.  noch  viele 
Kirchenstücke,  so:  ö—Sstimm.  Messen  (1600),  Sstimm.  Messen  (1607), 
4  stimm.  Messen  (1611),  Completorium  (1589),  4,  5  u.  6stimm.  Vesper- 
psalmen u.  a. 

Gastriz,  (Castritius)  Mathias,  ein  deutscher  Kontrapnnktist 
des  16.  Jhdts.,  Organist  zu  Amberg,  von  dessen  Werken  sich  mehrere 
noch  auf  der  Münchener  Bibliothek  befinden,  eine  ungleich  grössere 
Anzahl  aber,  meist  zu  Würzburg  gedruckt,  verloren  gegangen  ist. 

Gatti,  Ludwig,  geb.  den  11.  Juni  1740  zu  Castro  Cacizzi  bei 
Mantua«  widmete  sich  dem  geistlichen  Stande,  zugleich  aber  auch  der 
dramatischen  !Komposition.  Im  Jahre  1783  wurde  er  als  fttrsterzbisch. 
Hof-  u.  Dom-Kp.-M.  nach  Salzburg  berufen  u.  starb  daselbst  am  1.  März 
1817.  Der  Domchor  zu  Salzburg  besitzt  von  ihm:  9  Litaneien, 
18  Vesperpsalmen,  48  Offertorien,  20  Messen,  1  Eequiem,  2  Miserere, 
2  Te  Deum,  2  Begina  coeli. 

Gatti,  Simone,  um  die  Mitte  d.  16.  Jhdts.  zu  Venedig  geboren, 
war  erst  Musikdirektor  des  Erzherzogs  Cajrl  von  Österreich  u.  dann 
bei  der  Kapelle  des  Herzogs  Albrecht  V.  von  Bayern  angestellt. 


Gauoquier  -^  ßerardini.  101 

GaaeqaieF}  Alard  (latinisiert  Nucens),  geb.  zu  Lille,  Kp.-M.  der 
Kaijäer  Ferdinand  I.  u.  Maximilian  II.,  dann  des  Erzherzogs,  nach- 
maligen Kaisers  Mathias,  vortrefflicher  Kontrapnnktist.  Von  ihm 
kennt  man:  „Magnificat  4^6  voc."  (1547)  u.  „Qnatuor  Missae  5,  6  et 
8  Yoc.»*   (1581). 

.  Gaiizargiies,  Charles,  Abb6,  geb.  nm  17^  zuTarascon  in  der 
Proveno^,  schon  frühzeitig  in  der  Musik  unterrichtet,  begab  sich  1756 
nach  Paris,  wo  er  seine  musikaliisiche  Ausbildung  unter  Eameau  fleissig 
bel^ieb.  Einige  Motetten  seiner  Komposition  gefielen  dem  Dauphin 
so  sehr,  dass  G.  auf  dessen  Empfehlung  die  Stelle  als  kgl.  Kp.-M. 
(1758)  erhielt.  Während  dieser  Zeit  schrieb  er  bei  40  Kirchenstücke 
mit  Orchesterbegleitung.  Er  starb  zu  Paris  1799,  nachdem  die  Revo- 
lution ihn  von  seinem  Posten  veijagt  hatte,  als  Privatmann ;  1789  gab 
er  auch  einen-  „Trait6  de  l'harmonl^"  heraus,  ganz  nach  den  Grund- 
sätzen Bameau's. 

Guszanig^,  Giuseppe,  geb.  zu  Verona  1743,  f  1819 in  Crema, 
tridmete  vom:  17.  Jahre  an  sich  ganz  der  Musik.  Seine  weitere  Aus- 
bildung eriiielt  er  durch  Porpora  in  Neapel,  Piccini  u.  endlich  durch 
Sacchini  in  Venedig.  1791  ward  er  Dom-Kp.-M.  zu  Cremona,  seit  welcher 
Zeit  er  fast  ausschliesslich  für  die  Kirche  komponierte. 

Gebaner,  Fr.  X a v. ,  geb.  1784  zu  Eckersdorf  in  der  Grafschaft 
Glatz,  kam  1810  nach  Wien,  erhielt  daselbst  den  Chorr^entendienst 
an  der  Aijgustiner-Pfarrkirche  u.  wirkte  als  eines  der  thätigsten  Mit- 
glieder der  Gesellschaft  der  Musikfreunde  des  österreichischen  Kaiser- 
staatea  wohUhätig  auf  die  Hebung  der  Musikzustände  Wien's  ein.  ■ 
Zu  diesem  Ende  begründete  er  1819  die  noch  jetzt  bestehenden  Concerts 
spirituels  u.  brachte  in  ihneii  nur  die  gewähltesten  Meisterstücke  zur 
Aufführung,  wodurch  der  Sinn  für  klassische  Kompositionen  geweckt 
u.  dem  entarteten  Zeitgeschmack  ein  wirksamer  Damm  entgegengesetzt 
wurde.  Mehrere  Kirchenkompositionen  von  ihm  sind  handschriftlich 
verbreitet. 

Gebhart,  Anton,  geb.  1817  zu  Sonthofen  im  AUgäu,  wendete 
sich  anfangs  dem  Lehrfache  zu,  später,  1842  trat  er  die  Stelle  eines 
Organisten  u.  Musiklehrers  an  der  kgl.  Studienanstalt  zu  Dillingen  an 
a.  wurde  1858  Chorregent  an  der  Stadtpfarrkirche  daselbst.  Er  lieferte 
mehrere  Kirchenkompositionen  (Pange  Ungua»  1  Requiem,  1  lat.  Messe, 
Miserere,  Stabat  Mater  etc.  für  4  Stimmen),  sehrieb  musikalische 
Artikel  in  Heindl's  pädagog.  Repertorium  -u.  in  die  „Neue  Münchner- 
zeitung'* (1850),  u.  gab  das  „Repertorium  der  musikalischen  Journalistik 
und  Litteratur"  (1850  u.  1851)  in  4  Heften  heraus. 

Gerardini,  Arcangelo,  ein  Servitenmönch,  geb.  zu  Siena  um 
die  Mitte  des  16.  Jhdts ,  lebte  zu  Mailand  u.  hat  daselbst  im  Jahre 
1687  eine  Sammlung  von- 17  achtstimmigen  Motetten  veröffentlicht 


r 

« 


102  Gerber  —  Gerbert  von  Homau. 

Gerber,  Ernst  Ludwig,  geb.  den  20.  Sept.  1746  zn  Sonders- 
hausen, gestorben  daselbst  als  Hofsekretär  am  30.  Juni  1819,  war  vom 
7.  Jahre  an  von  seinem  Vater  in  der  Musik  unterrichtet  worden^  1765 
bezog  er  die  UniTersität  Leipzig,  um  Jus  zu  studieren,  welches  er  bald 
aufgab,  um  sieh  ganz  der  Musik  zu  widmen.  Nach  seines  Vaters  Tode 
1775  erhielt  er  die  Musiklehrerstelle  bei  den  fürstlichen  Kindern  zu 
Sondershausen.  Nun  verlegte  er  sich  auch  auf  die  «musikalische  Litte- 
ratur  u.  sammelte  10  Jahre  lang,  um  seinen  Plan^  ein  Tonkünstler* 
lexikon  herzustellen,  in  Vollzug  zu  setzen.  1790  erschien  dieses  (alte) 
Tonkünstlerlexikon  in  2  Teilen,  zu  Leipzig  bei  Breitkopf  u.  Härtel. 
Fortgesetzte  Sammlungen  u.  Eecherchen  lieferten  ihm  wieder  neues 
Material,  so  dass  er  1796  ein  neues  Lexikon  der  Tonkünstler  in  An- 
griff nahm,  welches  1812  bei  Kühnel  in  Leipzig  in  4  Teilen  im  Druck 
erschien.  In  diesem  brachte  er  vielmehr  nur  Ergänzungen  seines  alten 
Lexikons,  Berichtigungen,  völlig  neue  u.  vermehrte  Artikel,  so  dass  beide 
Werke  im  Grunde  nur  ein  Werk  bilden.  Seine  Arbeit,  die  ein  grosses 
Bedürfnis  ausfüllte  und  wegen  des  grossen  Fleisses,  der  Treue  und 
Eedlichkeit,  womit  sie  vollfährt  ist,  alle  Beachtung  u.  Anerkennung 
verdient,  zeigte  ihren  Nutzen;  es  wurde  das  alte  Lexikon  bald  von 
Choron  ins  Französische  übersetzt  u.  auch  ein  italienischer  Bearbeiter 
fand  sich.  —  Seine  ganze  Bücher-  u.  Manuskripten-Sammlung  wurde 
nach  seinem  Tode  vom  Wiener  Konservatorium  angekauft, 

Gerbert  Ton  Homaa,  Martin,  geb.  zu  Horb  am  Neckar  in 
Württemberg,  den  12.  Aug.  1720,  erfreute  sich  von  Jugend  auf  einer 
sorgfältigen  wissenschaftlichen  Erziehung,  der  er  mit  redlichstem  Eifbr 
entsprach.  Nicht  nur  die  eifrigste  Liebe  zu  gelehrten  Kenritnissen,, 
sondern  auch  Neigung  zur  Kunst,  namentlich  zur  Tonkunst  zeichneten 
ihn  vorteilhaft  aus,  welcher  er  sein  ganzes  Leben  lang  mit  besonderer 
Liebe  zugethan  blieb  u.  deren  Förderung  er  allseitig  anstrebte.  Zum 
geistlichen  Stande  berufen,  trat  er  1736  in  das  Benediktinerstift  St. 
Blasien  im  Schwarzwald,  wo  er  1744  die  Priesterweihe  empfing,  bald 
darauf  zum  Professor  der  Philosophie  u.  Theologie  ernannt  u.  1764 
zum  gefürsteten  Abte  dieses  Klosters  erwählt  wurde.  Er  starb  den 
13.  (140  Mai  1793  in  einem  Alter  von  73  Jahren.  Aus  Liebe  zu  Kunst 
u.  Wissenschaft  hatte  er  1759—1765  eine  grosse  Reise  durch  Frankreich^ 
Italien  u*  Deutschland  unternommen,  auf  welcher  er  sein  besonderes 
Augenmerk  auf  die  öffentlichen  u.  Klosterbibliothekeii  richtete;  denn 
sein  Plan  war,  eine  Geschichte  des  Kirchengesanges  auszuarbeiten. 
Sehr  förderlich  für  sein  Unternehmen  war  ihm  die  Bekanntschaft  mit 
P.  Martini  in  Bologna,  die  sich  bald  in  Freundschaft  verwandelte,  u. 
dessen  reiche  Bibliothek  u.  umfassende  musikalische  Kenntnisse  ihm 
zur  vollsten  Verfügung  standen,  wie  im  Gegenteil  P.  Martini's  Bib* 
liothek  durch  Gerbert's  Mitteilungen  kostbare  Bereicherung,  erhielt. 
Beide  für  die  Tonkunst  wichtige  Männer  waren  auch  übereingekommen, 


Gerland  —  Gerson.  103 

Martini  solle  die  allgemeine  Geschichte  der  Tonkunst  bearbeiten» 
Gerbert  aber  die  Geschichte  der  Kirchenmusik.  1762  machte  G.  seinen 
Plan  bekannt  u.  bat  um  Beiträge.  1768  jedoch  zerstörte  ein  Brand 
des  Klosters  St.  Blasien  die  Bibliothek  u.  alle  von  G.  zu  einer  Ge- 
schichte gesammelten  Materialien.  Dies  Unglück  verzögerte  übrigens 
nur  die  Herausgabe  des  Werkes;  der  erste  Band  war  bereits  gedruckt, 
u.  von  den  wichtigsten  Sachen  befanden  sich  Abschriften  bei  ihm 
Jbeiäreundeten  Männern^  besonders  bei  P.  Martini.  So  ^schien  denn 
1774  das  Werk  in  zwei  starken  Quartbänden  unter  dem  Titel:  „De 
cantu  et  musica  sacra  a  prima  ecclesiae  aetate  UBque  ad  praesens 
tempns"  (mit  40  Kupfern).  Dies  Werk  ist' für  jeden  Musikgelehrteji 
unentbehrlich  u.  bildet  fort  u.  fort  eine  fast  tmerschöpf liehe  Quelle 
der  kostbarsten  Nachrichten  über  die  kirchliche  Tonkunst  aller  Zeiten, 
wenn  auch,  wie  nicht  anders  möglich,  in  diesem,  wie  im  folgenden 
Werke  mancherlei  Unrichtigkeiten  mitunterlaufen.  Sein  zweites  Haupt- 
werk ist:  „Scriptores  ecclesiastici  de  musica  sacra  potissimum**  1784, 
3  tomi,  worin  die  Tractate  von  den  bedeutendsten  musikalischen 
Schriftstellern  enthalten  sind.  (Fortgesetzt  wird  dieses  Werk  von 
Coussemaker.  Vgl.  d.  Art.)  Ebenso  enthalten  die  andern  Schriften 
G.'s  „Iter  Alemanicum,  ItaL  et  Gallic.  1765  u.  1773**  (auch  in's  Deutsche 
übersetzt);  „Vetus  liturgia  Alemanica,**  T.  II.  c.  fig.  1776,  u.  „Monumenta 
veteris  liturgiae,"  T.  n.  1779  viele  für  den  Musikgelehrten  wichtige 
Aufschlüsse  ru  Winke.  In  Augsburg  erschienen  einige  Gffertorien 
von  ihm  in  Druck;  im  11.  Band  „D«  Cantu^*  ist  auch  eine  zweichörige 
Messe  ftir  den  Gründonnerstag  mit  Introitus,  Graduale,  Offertprium  u. 
ein^oa  2stimm.  Kommuniongesange  aufgenommen.  (Vgl.  Cäcilienkalender 
1882.    S.  72). 

Gerland,  s.  Garlandia. 

Gero,  Giovanni  de,  ein  Italien.  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts., 
den  Baini  als  einen  der  besseren  Tonsetzer  der  Zeit  unmittelbar  vor 
Palestrina  anführt. 

GerBon,  Johannes  (eigentl.  Job.  Charlier)  erhielt  seinen 
Beinamen  „Gerson^*  von  einem  Dorfe  in  der  Diözese  Eheims,  wo  er 
im  J.  1363  geboren  wurde.  Er  war  nicht  blos  später  als  Kanzler  der 
Universität  Paris,  sondern  auch  durch  sein  kirchliches  Wirken  nament- 
lich auf  der  Synode  von  Konstanz  berühmt  geworden,  u,  sein  unge- 
wöhnlicher Huf  von  Gelehrsamkeit  u.  Frömmigkeit  erwarb  ihm  den 
ehrenvollen  Namen  „Doctor  christianissimus.**  Nach  dem  Konzil  von 
Konstanz  aber  betraf  ihn  eine  lebenslängliche  Landesverweisung,  ver- 
hängt vom  Herzog  v.  Burgund,  welchen  Jean  Petit  wegen  des  am 
Herzoge  von  Orleans  verübten  Mordes  zu  Konstanz  öffentlich  vertheidigte,. 
Gerson  aber  geziemend  rügte.  Einige  Zeit  brachte  er  zu  Battenberg 
in  Tirol  zu  u.  schrieb  da  das  erbauliche  Buch  „De  consolatione 
theologiae";  später  verlebte  er  noch  10  Jahre  im  Cölestinerkloster 


104  Gervasoni  —  Gevaert. 

zu  Lyon,  wo  sein  Bruder  Prior  war*  Daselbst  brachte  er  seine  Zeit 
mit  dem  Unterrichte  der  Kleinen,  mit  Betrachtung  u.  Studium  hin,  u. 
starb  im  66.  Lebensjahre  in  grösster  Abgeschiedenheit  u.  Armut, 
am  12^  Juli  1426.  —  In  seinen  gesammelten  Werken,  wdche  zu 
Amsterdam  1706  in  5  Foliobänden  herausgegeben  wurden,  befindet  sich 
ein  lateinisches  Gedicht  „De  laude  Musicae";  femer  findet  man  darin 
eine  kleine  Abhandlung  „De  canticorum  originali  ratione,"  die  Be- 
schreibung einiger  in  der  hl.  Schrift  genannter  Instrumente,  sowie 
zerstreut  manche  Andeutungen  u.  Belehrungen  über  würdigen  Gesang. 
Nicht  unwichtig  ist  auch  ein  kleiner  Traktat  „De  disciplina  puerorum,'^ 
welcher  die  Statuten  enthält,  welche  G.  für  die  Singknaben  an  der 
Hauptkirche  in  Paris  verfasst  hatte,  u.  nicht  blos  vorschreibt,  was 
gesungen  werden  darf,  sondern  auch  Vorschriften  über  guten  Gesang 
u.  die  Erhaltung  der  Stimme  giebt.  (Haager  Ausgabe  1728,  Tom.  IV. 
pag.  717  unter  den  Werken,  welche  dem  Gerson  als  von  ihm  verfasst 
zugeschrieben  werden.) 

Geryaaoni,  Carlo,  musikalisch-theoret  Schriftsteller,  geb.  zu 
Mailand  den  4.  Nov.  1762.  Ein  unwiderstehli-cher  Trieb  zur  Musik 
Hess  ihn  die  Tonkunst  als  seinen  Beruf  erkennen,  wesshalb  er  nach' 
dem  Tode  seines  Vaters  behufs  gründlicher  musikalischer  Ausbildung 
sich  nach  Neapel  begab.  Nachdem  er  mehrere  Jahre  mit  theoret.  u. 
musikalisch-historischen  Studien  u.  mit  Unterrichtgeben  für  Klavier  u. 
Gesang  zugebracht  hatte,  erhielt  er  1788  die  Kp.-Meisterstelle  an  der 
Hauptkirche  zu  Borgo  Taro.  Er  starb  den  4.  Juli  1819  in  Mailand, 
nachdem  er  1807  zum  Mitglied  der  italienischen  Gesellschaft  für 
Wissenschaften  u.  Künste  ernannt  worden  war.  Seine  Schriften: 
1)  „La  Scuola  della  musica  in  tre  parti  divisa,'*  Piazenza,  1800. 
2  Teile.  2)  „Corteggio  musicale  di  Carlo  Gervasoni  con  diversi  suoi  amici 
professori,  maestri  di  capella  etc.**  Parma,  1804.  3)  „Nuova  Teoria 
di  Musica  ricercata  dair  odiema  pratica**  Parma,  1812.  Dies  ist  sein 
interessantestes  u.  bestes  Buch. 

GesiaSi  Bartholomaeus,  geb.  um  1555  zu  Müncheberg  bei 
Frankfurt  a.  d.  Oder,  gest.  1613  fds  Kantor  in  letzterer  Stadt,  war 
ein  angesehener  Komponist  u.  Theoretiker.  Er  schrieb  ein  theoret. 
Werk:  „Synopsis  musicae  practicae"  (1609,  1615,  1618)  u.  sehr  viele 
deutsche  u.  lateinische  Kirchengesänge. 

GeyaSrt,  FrauQois  Auguste,  hochbedeutender  Musikgelehrter 
u.  Komponist,  geb.  3L  Juli  1828  zu  HuyBse  bei  Oudenarde,  studierte 
die  Musik  am  Konservatorium  zu  Gent,  machte  Studienreisen  nach 
Paris,  durch  Spanien,  Italien  u.  Deutschland  u.  Hess  sich  um  1853  in 
Paris  nieder.  Durch  Opemkompositionen  erntete  er  grossen  Bufam. 
Doch  wendete  er  sich  bald  mehr  dem  Studium  der  Musikgeschichte  u. 
Theorie  zu.  1856  erschien  von  ihm  ein  „Lehrbuch  des  gregorianischen 
Gesangea*»  u.  1863  ein  „Traite  d'  Instrumentation**  (2.  Aufl.  1885). 


) 

Gherardesohi  —  Giamberti.  105 

1870  verliess  er  Paris  u.  wurde  nach  Fötis*  Tode  1871  zum  Direktor 
des  Konservatoriums  in  Brüssel  ernannt.  Hier  seien  von  seinen  Schriften 
noch  genannt:  ,,Histoire  et  th^orie  de  la  rnnsigue  de  Tantiquit^" 
<2  ©de.  1875—81),  dann  eine  Studie  „Le  chant  liturgique  de  T^glise 
latine"  (1889),  welche  ihn  in  eine  Fehde  mit  einigen  Gelehrten  brachte. 
Auch  ein  „Vade  mecum*^  für  kathol.  Organisten  edierte  er. 

Gherardeschi,  Giuseppe,  geb.  d.  4.  November  1759  zu  Pistoja, 
erhielt  seinen  ersten  musikalischen  Unterricht  von  seinem  Vater,  der 
daselbst  Domkp.-M.  war;  zur  weitem  Ausbildung  in  der  Komposition 
b^ab  er  sich  nach  Neapel  unter  Sala's  Leitung.  Nach  seiner  Mckkehr 
trat  er  in  seines  Vaters  Stelle.  Er  schrieb  viele  Kirchenstücke,  die 
aber  Mskr.  geblieben  sind.  Sein  Todesjahr  ist  unbekannt.  1812  lebte 
er  noch  in  Pistoja. 

Gherardi,  Blasio,  war  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts.  Kp.-M. 
an  der  Kathedrale  zu  Verona.  (Fünf-  und  achtstimmige  Motetten. 
Venedig  1650.) 

Ghersem,  Gaugeric  de,  um  1590. Sänger  an  der  Kathedrale 
seiner  Vaterstadt  Toumay,  ging  später  mit  seinem  Lehrmeister  Georges 
de  la  H^le,  Kp.*M.  von  Toumay,  nach  Spanien,  wo  er  eine  Kapeli- 
meisterstelle  erhielt.  Doch  kehrte  er  bald  wieder  in  seine  Vaterstadt 
zurück,  trat  in  die  Dienste  des  Erzherzogs  Albert  u.  der  Infantin 
Isabella  als  Kp.-M.  u.  erhielt  auch  eine  Präbende  zu  Tournay. 

Ghiselin  od.  Gbiselain,  Jean,  ein  belgischer  Kontrapunktist  zu 
Ende  des  15.  u.  Anfang  des  16.  Jhdts.  Von  seinen  Lebensumständen 
weiss  man  gar  nichts.  In  der  von  Petmcci  da  Fossombrone  1503  in 
Venedig  herausgegebenen  Sammlung:  „Missae  diversomm  auctorum  4 
voc."  finden  sich  5  Messen  von  G. ;  andere  Dmcke  Petruccfs  bewahren 
noch  eine  beträchtliche  Anzahl  Motetten  u.  Canti,  desgleichen  der 
Codex  Basevi  u.  a.    G.  zeigt  sich  überall  als  Meister. 

Giaecobi,  Girolamo,  geb.  zu  Bologna  um  1575,  wurde  1604 
zweiter,  u.  später  erster  Kp.-M.  an  der  Kirche  St.  Petronio  daselbst. 
Als  solcher  starb  er  den  30.  November  1630.  Er  kann  als  eines  der 
Häupter  der  Bolognesischen  Schule  angesehen  werden,  welche  der  Welt 
490  viele  ausgezeichnete  n.  gelehrte  Musiker  gab.  Ausser  weltlichen 
Sachen  schrieb  G.  auch  viele  Kirchensachen,  deren  Manuskripte  im 
Besitz  des  P.  Martini  waren  n.  die  später  an  die  Bibliothek  des  Klosters 
S.  Francesco  übergingen. 

Giamberti,  Giuseppe,  geb.  zu  Eom  in  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jhdts.,  studierte  die  Musik  unter  Bern.  Nanino  u.  Paolo  Agostini, 
wurde  dann  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  von  Orvieto  u.  zuletzt  neben 
Tarditi  u.  Greg.  Allegri  zweiter  Kp.-M.  an  St.  Maria  Maggiore  in 
Bom;  16^  rückte  er  an  die  Stelle  des  ersten  Kp.-M.  vor,  starb  aber 
schon  1630.  Er  tmg  sehr  viel  zur  Verbesserung  des  Antiphonars  bei, 
welches  1650  zu  Rom  herauskam. 


TP    >S»1 


106  Gianelli  —  Giovanelli. 

Gianelli,  Abbate  Pietro^  geb.  in  Frianl  um  1770,  machte  seine 
Studien  in  Padua  u.  lebte  grösstenteils  in  Venedig.  Er  gab  1801 
(fernere  Auflagen  1810  n.  1820)  ein  „Dizionario  della  mnsica  sacra  e 
pröfana"  heraas,  das  erste  musikal,  Lexikon,  welches  in  Italien  er« 
schienen  ist;  1801  in  Venedig  eine  „Grammatica  ragionata  della  mnsica*'; 
1820  ebendaselbst  „Biografia  degrnomini  illnstri  della  mnsica,"  wovon 
nur  die  erste  Lieferung  erschien. 

Gianselti  od.  Gianzetti,  Giov.  Battista,  ein  Komponist  ans 
der  röm.  Schule,  wurde  1^67  zum  Kp.-M.  an  S.  Johann  im  Lateran  in 
Rom  ernannt,  in  welcher  Stelle  er  bis  zum  Sept.  1675  verblieb.  Er  gab 
zu  Rom  1670  56  Motetten  zu  2—4  Stimmen,  1671  solche  fttr  3  Soprane 
u.  8-  u.  lOstimm.  Messen  heraus.  Besonders  berühmt  wurde  er  durch 
eine  48stimm.  (12cliörige)  Messe,  welche  1675  am  4.  August  in  der 
Xitche  S.  Maria  sopra  Minerva  aufgeführt  wurde. 

Gibellini,  E 1  i  s  e  o ,  ein  Komponist  aus  der  röm.  Scimte,  nm  die 
Mitte  des  16.  Jhdts.,  gab  1548,  1552  u.  1565  5stimnL  Hi»tetten,  3stimm. 
Madrigalen  u.  5stimm.  Messen  zu  Venedig  m,  Rom.  heraus. 

Gil,  ein  portugies.  Mönch,  geb.  zu  Lissabon  gegen  Ende  des  16. 
Jhdts.,  war  ein  Schüler  des  Puarte  Lobo  u.  Kp.-M.  im  Franziskaner- 
kloster zu  Guarda,  wo  er  1640  starb.  Von  ihm  werden  Messen,  Psalmen 
u.  Motetten  für  mefamre  Stimmen  angeführt. 

GiUeSy  Jean,  geb.  1669  zu  Tarascon,  machte  seine  musikalischen 
Studien  tinter  Poitevin,  Kp.-M.  zu  Aix  in  der  Provence.  Nach  seines 
Lehrers  Tode  trat  er  in  dessen  Amt  ein,  vertauschte  es  aber  bald  mit 
einem  gleichen  zu  Agde.  Später  kam  er  als  Kp.-M.  nach  Toulouse, 
starb  aber  schon  1705.  Seine  Kompositionen  sind  setit  gerühmt, 
namentlich  eine  Totenmesse,  welche  sich  in  Mskr.  neben  andern  seiner 
Werke  auf  der  Pariser  Bibliothek  befindet. 

Giorgi,  Giovanni,  ein  Komponist  der  röm.  Schule,  geb.  gegen 
Ende  des  17.  Jhdts.,  wurde  1719  Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Giovanni  im 
Lateran  u.  starb  im  Jan.  1725.  Die  genannte  Kirche  u.  die  von  S.  Maria 
Magg.  bewahren  Messen,  Psalmen  u.  Offertorien  von  ihm  auf. 

GioTanelli,  Ruggiero,  ein  berühmter  Komponist  der  röm. 
Schule,  geb.  zu  Veltri  um  1560,  daher  auch  wohl  „G.  da  Velletri" 
genannt.  Nanino  soll  sein  Lehrer  gewesen  sein,  u.  solche  Fortschritte 
machte  er  in  der  Tonkunst,  dass  er  1587  zum  Kp.-M.  an  der  Kirche 
San  Luigi  de  Francesi,  dann  an  der  des  CoUegium  germanicujn  ernannt 
u.  nach  dem  Tode  Palestrina's  würdig  befanden  wurde,  dessen  Nach- 
folger zu  S.  Peter  im  Vatikan  zu  werden  1594 ;  5  Jahre  später  genoss 
er  auch  die  Ehre,  in  das  Sängerkollegium  der  päpstlichen  Kapelle 
aufgenommen  zu  werden.  G.  verdient  zu  den  grössten  Zierden  der  von 
Palestrina  u.  G.  M.  Nanino  gegründeten  röm.  Schule  gezählt  zu  werden. 
Seine  Werke,  sagt  Proske,  zeichnen  sich  durch  Anmut,  Reinheit  des 


Giubilei  —  Gizzi.     .  107 

Styles  n.  harmonischen  Wohlklang  in  einem  Grade  ans,  dass  nnr  die 
edelsten  Tonbildner  sich  mit  ihm  vergleichen  lassen. 

Daher  befreundete  sich  der  geläuterte  Geschmack  jener  Zeit  vor- 
zugsweise mit  den  Kompositionen  G.'s,  wie  die  zahlreichen  Original- 
ausgaben u.  Anthologien  der  italienischen,  deutschen  u.  niederländ. 
Presse  zur  Genüge  beweisen.  Demungeachtet  ist  ein  Teil  dieser  herr- 
lichen Werke  unediert  geblieben.  Von  ihnen  teilt  Baini  in  seinem 
Buche  über  Palestrina  ausführliche  Nachricht  mit;  sie  bestehen  haupt- 
sächlich in  mehreren  Büchern  5stimmiger  Madrigale,  5— 8stimmiger 
Motetten,  3stimm.  Kanzonetten  u,  dgl.,  die  in  der  Zeit  von  1586—94 
•zu  Venedig  u.  Kom  in  Druck  erschienen  sind.  Mehrere  Motetten  u. 
Psalmen  ftlr  8  Stimmen  von  ihm  sind  in  der  von  F.  Oostantini  1615, 
16  u.  17  herausgegebenen  Sammlung  enthalten.  Unter  den  in  ver- 
schiedenen Musikarchiven  Eoms  befindlichen  Kunstresten  dieses  Meisters, 
wovon  die  päpstliche  Kapelle  einen  reichen  Schatz  von  handschriftlichen 
Messen,  Motetten  u.  Psalmen  besitzt,  hebt  Baini  ein  4stimm.  Miserere 
mit  8stimm.  Schlussversett  u.  eine  Sstimm.  Messe  über  Palestrina's 
Madrigal  „Vestiva  i  colli^*  mit  besonderer  Auszeichnung  hervor. 
Proske  kennt  noch  eine  Anzahl  der  auserlesensten,  voxi  Baini  ungenannt 
gebliebenen  Kompositionen  in  2— 12stimm.  Satze,  die  durchgehends 
wertvoll  sind,  u.  wovon  eine  ISstimm.  Messe  von  höchster  Schönheit 
u.  geistreichstem  Gepräge  ist.  Noch  verdient  bemerkt  zu  werden,  dass 
Baini^s  Vermutung,  die  von  Papst  Paul  V.  angeordnete  Korrektur 
des  Graduale  Eomanum,  welches  hierauf  in  einer  Prachtausgabe  der 
Medicaeischen  Druckerei  in  den  Jahren  1614  u.  1515  erschien,  sei  die 
Frucht  vieljährigen  Fleisses  des  Eugg.  Giovanelli  gewesen,  unrichtig  ist. 
Sein  Todesjahr  ist  nirgends  verzeichnet. 

Giubilei,  P.  Andrea,  geb.  zu  Pistoja,  war  um  die  Mitte  dai 
vorigen  Jhdts.  Kp.-M.  an  der  Kirche  des  Klosters  del  Seil  Bmpbino  Gesü 
in  Rom  u.  wird  von  Baini  als  ein  guter  Tmuetzer  aus  der  römischen 
Schule  u.  besonders  als  vortrefUeher  Kontrapunktist  aufgeführt.  Seine 
Werke  bewahrt  ate  Mairoskript  das  Archiv  der  päpstl.  Kapelle. 

Qnfiiri,  Andreas,  bis  1771  Kp.-M.  am  Dom  zu  Augsburg,  war 
der  Sohn  eines  dortigen  Sprachlehrers.  Bei  seinen  gründlichen  theoret. 
Kenntnissen  u.  seiner  vortrefflichen  Methode  beim  Gesangunterricht 
erzog  er  viele  gute  Sänger  für  seinen  Chor.  Überdies  gehörte  er  zu 
den  beliebtesten  Komponisten  seiner  Zeit,  namentlich  im  Kirchenstyle. 
Seine  Kompositionen  sind  Mskr.  geblieben. 

Gizsi,  D  0  m  e  n  i  c  0 ,  geb.  1684  zu  Arpino  im  Neapolitanischen, 
bildete  sich  zu  einem  sehr  geschickten  Sänger,  studierte  dann  neben 
Porpora  u.  Burante  unter  Aless.  Scarlatti  die  Komposition  u.  schrieb 
mehreies  für  die  Kirche  u.  Kammer.  Auf  den  Rat  ScarliEttti's  gründete 
er  eine  eigene  Singschule,  aus  welcher  bedeutende  Sänger  z.  B.  Feo  u. 
Conti  hervorgingen.    Er  starb  1745. 


108  '    Glarean  •=—  G-leissner. 

Glarean,  Heinrich,  geb.  1488  im  Kanton  Glarus  in  der  Schweiz, 
woher  anch  sein  Name  Glareanns,  (eigentl.  hiess  er  Heinrich 
L  0  r  i  t  u  s)  war  als  Philosoph,  Mathematiker,  Historiker,  Mnsikgelehrter 
n.  Dichter  einer  derjenigen  Männer,  welche  am  thätigsten  n.  erfolg- 
reichsten zur  Hebnng  der  Künste  u.  Wissenschaften  im  16.  Jhdt. 
mitwirkten.  Musikunterricht  erhielt  er  von  Johann  Oochläns,  im 
Theoretischen  sowohl  als  im  Praktischen.  Von  Kaiser  Maximilian  ward 
er  zum  Poeten  gekrönt.  Nachdem  er  zu  Basel  u.  Paris  als  öffentlicher 
Lehrer  der  Mathematik  u.  der  iächönen  Wissenschaften  fungiert  hatte, 
zog  er  sich  1529  nach  Freiburg  im  Breisgau  zurück,  wo  er  Vorlesungen 
über  Geschichte  u.  Litteratur  hielt  u.'  viele  Schüler  aus  ganz  Deutscll- 
land  an  sich  zog.  Daselbst  starb  er  auch  ganz  zurückgezogen  den 
28.  Nov.  1563.  —  Seine  musikal.-theoretischen  Werke  waren  für  seine 
Zeit  von  hoher  Bedeutung  u.  gehören  zu  dem  Klarsten  u.  Methodischsten, 
was  im  16.  Jhdt.  über  Musik  geschrieben  wurde.  Es  sind:  l>„lBagoge 
in  musicen,"  (Basel  1516),  worin  er  Über  Solmisation,  Mutation,  Inter- 
valle, Tonarten  u.  dgl. -handelt  2)  „Dodecachordon"- (Basel  1547,  neu 
ediert  1887  durch  Bohn  in  R.  Eitüfer's  Publikationen),  worin  er  in  drei 
Büchern  die  Übereinstimmung  der  12  Kirchentonarten  mit  den  Modis 
der  griechischen  Musik  darzuthun  sich  bestrebt  Im  ersten  Buche  setzt 
er  die  Lehre  der  8  Kirchentöne,  wie  sie  damals  gewöhnlich  waren, 
auseinander  u.  begleitet  sie  mit  interessanten  Bemerkungen;  im  zweiten 
stellte  er  seine  12  Töne  auf  und  beweist,  dass  nicht  8,  sondern  12  Töne 
sind;  im  dritten  Teil  macht  er  die  Anwendung  derselben  auf  die 
harmonische  u.  mensurierte  Musik;  Dieser  Teil  ist  von  besonderer 
Wichtigkeit  wegen  der  vielen  Beispiele  aus  Kompositionen  des  15.  u. 
16.  Jhdts.,  z.  B.  aus  Werken  von  Okenheim,  Hobrecht,  Josquin  u.  dgl. 
1557  gab  zu  Freiburg  ein  gewisser  Job.  Ludw.  Wonegger  einen  Auszug 
aus  diesem  Werke  heraus  unter  dem  Titel:  „Musicae  epitome  ex 
Glareani  Dodecachordon**  (zweite  Auflage  1559,  Freiburg).  Glarean 
veranstaltete  auch  eine  sehr  gute  Ausgabe  der  Werke  des  ^Boethiust 
welche  7  Jahre  nach  seinem  Tode  1570  zu  Basel  erschien. 

Gleisaner,  Franz,  geb.  zu  Neustadt  an  derWaldnaab  1760,  kam 
sehr  jung  in  das  Seminar  zu  Amberg  u.  zeigte  schon  damals  die 
glücklichsten  Anlagen  für  Musik  u.  Poesie.  18  Jahre  alt  komponierte 
er  ein  Itequiem  auf  den  Tod  des  Kurfürsten  Maximilian  Joseph  von 
Bayern.  In  München  vollendete  er  seine  philosophischen  Studien  u. 
bildete  sich  in  der  Musik  weiter  aus.  1800  erhielt  er  eine  Anstellung 
in  der  kurfürstlichen  Kapelle.  Sein  Todesjahr  ist  uns  nicht  bekannt 
geworden.  Für  die  Kirche  hat  er  Messen  u.  Offertorien  komponiert. 
Er  war  der  Erste,  welcher  durch  Senefelder's  Erfindung  der  Lithographie 
auf  den  Gedanken  gebracht  Wurde,  diese  Art  der  Vervielfältigung  auch 
für  Musikalien  in  Anwendung  zu  bringen.  *  Mit  dem  Musikalienhändler 
Falter  in  Verbindung  getreten,  gab  er  bei  diesem  als  erstes  Erzeugnis 


Glettle  —  GoUer.  109 

der  Notenlithographie  im  Jahre  1798  ein  Heft  Lieder  mit  Klavier- 
hegleitong  heraus. 

Glettle,  Johann  Melchior,  geh,  zu  Bremgarten  in  der  Schweiz, 
war  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jhdts.  Kp.-M.  zu  Augsburg  u.  einer 
der  fleissigsten  deutschen  Komponisten  seiner  Zeit.  Gerher  teilt  in 
seinem  alten  Tonkünstler  -  Lexikon  ein  Verzeichnis  seiner  Werke, 
bestehend  in  Messen,  Motetten,  Psalmen  u,  auch  weltlichen  Gesängen, 
mit  u.  ohne  Instrumentalbegleitung,  mit. 

Glack,  Christoph  Willibald,  Ritter  von»  geb.  den 
2.  Juli  1714  zn  Weidenwang  bei  Neumarkt  in  der  Oberpflalz,  wo  sein 
Vater  Förster  war,  gest.  den  25.  Nov.  1787  zu  Wien,  wird  hier  nicht 
blos  erwähnt,  weil  er  zwei  Psalmen  „De  profundis*'  und  „Dominus 
noster"  im  Kirchenstyl  komponierte,  sondern  auch  als  Mittelfaktor, 
obwohl  hauptsächlich  nur  för  das  musikalisch- dramatische  Gebiet  thätig, 
doch  auf  die  neuere  Musik-Entwicklung  Einfiuss  übte. 

Gobert,  Thomas,  wahrscheinlich  in  der  Picardie  geboren,  kgl. 
Kp.-M..  unter  Ludwig  XIll  u.  XIV.  von  Frankreich.  1659  erschien  zu 
Paris  von  ihm  die  vierstimmige  Komposition  der  vom  Bisdiof  Antoine 
Godeau  tibersetzten  Psalmen. 

Godecharle,  Lambert  Frangois,  geb.  zu  Brüssel  d.  12.  Febr. 
1751>  wurde  1771  als  Bassist  in  der  Kapelle  des  Prinzen  Carl  von 
Lothringen  angestellt,  1782  folgte  er  seinem  Vater  als  Musikmeister 
an  der  Kirche  St.  Nikolas,  wo  er  bis  zu  seinem  Tod,  d.  20.  Okt.  1819, 
verblieb.    Er  hinterliess  Kirchensachen  im  Mskt. 

Godendach  od.  Godendag,  genannt  P.  Giovanni  Bonadies, 
ein  um  1450  lebender  Karmelitermönch.  Er  war  der  Lehrer  des 
Gafurius,  u.  ein  vop  seinen  Kompositionen  noQh  übriges  Kyrie  (zwei- 
stimmig u.  vom  Jahre  1473)  hat  Forkel  in  seiner  Geschichte  der  Musik 
(II.  Bd.  p.  670)  aufgenommen. 

Goea,  Dami'an  de,  ein  portugiesischer  Gelehrter,  Geschicht- 
schreiber u.  Staatsmann,  geb.  im  Flecken  Allenguer  (andere  schreiben 
Alenques)  in  Portugal  im  J.  1501,  war  auch  ein  tüchtiger  Musiker  u. 
Komponist.  Seine  diplomatischen  Eeisen  benützte  er  zugleich  zu  künst-^ 
lerischen  Zwecken.  In  Holland  wurde  er  mit  Erasmus  von  Botterdam, 
in  Deutschland  mit  Glarean  bekannt.  Er  starb  1560  in  Lissabon  als 
Historiograph  des  Königreichs.  Glarean  hat  in  sein  Dodecachordon 
eine  dreistimmige  Motette  von  ihm:  „Ne  laeteris  inimica  mea"  (im 
Style  Josquin's)  aufgenommen;  die  Lissaboner  Bibliothek  bewahrt 
3-— 6stimm.  Motetten  von  ihm.  Er  schrieb  auch  einen  „Tratado  theprico 
da  musica.*' 

Goller,  Martin,  geboren  zu  Layen,  einem  Dorfe  in  Tyrol,  den 
20.  Febr.  1764,  erhielt  von  seinem  Vater  eine  gründliche  Musikbildung 
u.  trat,  16  Jahre  alt,  in  das  Benediktinerstift  St  Georgenberg  bei 
Fiecht,  wo  er  gleich  mit  einer  grossen  Messe  auftrat.    1811  wurde  er 


110  Gombert  —  Goudimel. 

beim  Musikverein  in  Innsbruck  als  Musiklehrer  aufgestellt,  wobei  er 
auch  den  Musikchor  der  üniversitätskirche  zu  besorgen  hatte.  Er 
starb  den  13.  Jan.  1836.  Michael  Haydn  sprach  sich  sehr  günstig  über 
seine  Kirchensachen  aus,  welche  aber  Mskr.  geblieben  ~u.  in  weiteren 
Kreisen  nicht  bekannt  geworden  sind. 

Gombert,  Nicolas,  ein  Schüler  Jo^quin's,  ein  Niederländer  u« 
Nachfolger  des  Clemens  non  papa,  Kapellmeisters  Kaiser  OarFs  Y«, 
blühte  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts.  u.  war  seiner  Zeit  sehr  hoch- 
geschätzt. Von  seinen  vielen  Messen  n.  Motetten  sind  Sammlungen 
von  1550—1564  in  Venedig  bei  Gardane  gedruckt  worden;  auch  in 
andern  Sammlungen  finden  sich  Kompositionen  von  ihm,  sowie  in 
mehreren  Bibliotheken.  Baini  schreibt  von  ihm:  er  gehöre  nicht  unter 
dieje^igen,  welche  Josquin  blos  mechanisch  u.  sklavisch  nachahmten, 
sondern  unter  die,  welche,  obgleich  Josquin's  Schüler,  den  Weg  Oken- 
heims  verfolgten  u.  der  Musik  einen  weit  bessern,  wenn  auch  nicht 
fehlerfreien  Dienst  erwiesen»  Seine  Werke  zeichnen  sich  gegenüber 
denen  seiner  Vorgänger  durch  grössere  Fülle  des  Tonsatzes  aus. 

GtonsalyeiB,  Joao,  ein  portugies.  Komponist  aus  der  ersten  Hälfte 
des  17.  Jhdts.,  war  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Sevilla.  Kirchen- 
kompositionen von  ihm  bewahrt  die  Lissaboner  Bibliothek. 

Goswin,  Anton,  ein  Komponist  des  16.  Jhdts.,  war  erst  eine 
Zeit  lang  in  der  Hofkapelle  zu  München  angestellt.  Er  nennt  sich 
selbst  einen  Schüler  Lasso^s,  welcher  ihm  auch  den  Singunterricht  der 
Knaben  anvertraute.  1581  nennt  er  sich  auf  dem  Titelblatte  eines 
Liederbuches  „Kapellmeister  des  Herrn  Ernst  Bischofs  zu  Lüttich, 
Hildesheim  u.  Freising."   (Werke  von  ihm  in  der  Münchner  Bibliothek.) 

Gotschovins,  Nikolaus,  Organist  an  der  Marienkirche  zu 
Bestock,  geb.  daselbst  um  1575.  Man  hat  von  ihm:  „Sacrarum  cantionum 
et  motectarum  4—9  vocum  ceuturiae,"  Rostock  u.  Hamburg  160S,  u. 
„Decas  mus.  prima  sacrarum  odarum"  Rostock  1603. 

Gottwald,  Joseph,  geb.  den  6.  Aug.  1754  zu  Wilhelmsthal  in 
der  Grafschaft  Glatz,  erhielt  von  seinem  Vater,  der  ein  Müller  war, 
aber  auch  Musik  verstand,  den  ersten  Unterricht  im  Klavierspielen. 
Später  kam  er  als  Chorknabe  an  die  Dominikanerkirche  in  Breslau  u. 
wurde  nach  drei  Jahren  schon  Organist  daselbst.  Der  Umgang  mit 
einem  jungen  Arzte,  der  viele  theoretisch-musikalische  Kenntnisse 
besass,  wirkte  vorteilhaft  auf  seine  fernere  Bildung.  1783  wurde  er 
Oberorganist  an  der  Kreuzkirche  u.  1819  am  Dom.  Er  starb  den 
25.  Juni  1833.  In  den  Jahren  seiner  Kraft  genoss  G.  den  Ruhm  des 
ersten  Organisten  Schlesiens;  auch  seine  Kirchenkompositionen  waren 
beliebt  und  bestehen  u«  a.  in  10  Hymnen,  2  Vespern,  3  Messen  und 
6  Offer torien. 

Goudimel,  Claude,  ein  berühmter  Tonmeister  des  16.  Jhdts., 
um  1505  zu  Besannen  geboren.  Von  seiner  Jugend-  u.  Bildungsgeschichte 


Gounaztod  —  Gr.  111 

weiss  man  nichts;  doch  zufolge  seiner  elegant  lateinisch  geschriebenen 
Briefe  an  «einen  Freund  Paul  Melissus  scheint  er  eine  solide  Erziehung 
genossen  zu  haben*  Um  1540  war  er  in  Eom,  wo  er  wenige  Jahre 
vorher  eine  'Musikschule  gegründet  hatte,  aus  welcher  u.  a.  Palestrina, 
G.  Animiccia,  Stefano  Bettini,  Aless.  Merlo  u.  G.  Mar.  Nanino  hervor- 
gegangen sein  sollen.  1555  betrieb  er  in  Paris,  doch  jixa  ein  Jahr 
lang,  mit  Nicol.  Duchemin  eine  Notendruckerei.  Später  trat  er  zur 
reformierten  Kirche  Über  u.  ward  nebst  vielen  andern  Calvinisten  am 
24.  August  1572  zu  Lyon  ermordet.  Ausser  Messen  u.  Motetten,  die 
G.  während  seines  Aufenthaltes  zu  Born  komponierte  u.  die  sich  dort 
noch  in  Kirchenarchiven  finden,  ausser  Motetten  u.  Chansons,  die  in 
verschiedenen  Sammlungen,  —  so  in  „Liber  quartus  eccl.  cantionum'* 
(Antwerpen,  1554),  der  „Fleur  des  chansons  de  deux  plus  excellents 
musiciens  de  notre  teodps,  d.  savoir  de  Orlande  de  Lassus  et  de  D. 
Claude  Goudimer*  n.  dgl  enthalten  sind,  kennt  man  von  ihm  noch 
y,Horazische  Oden"  in  Musik  gesetzt  (Paris  1555);  „Chansons  Spirii- 
tuelles  de  Marc-Ant.  de  Muret  mises  en  musique  ä  4  parties'*  (Paris, 
1555);  „Magnificat  ex  8  mod.  5  voc."  (Paris,  1557);  „Missae  tres  a 
Claudio  Goudimel  etc.*'  (Paris,  1558),  in  welcher  Sammlung  neben  Messen 
von  Claudin  Sermisy  u.  Jean  Maillard  noch  eine  vierte  Messe  G.'s 
steht;  „les  Psaumes  de  David  d.  4  parties"  (Paris,  1568);  dann  wurden 
die  in  Verse  gebrachten  Psalmen  für  die  Reformierten  von  ihm  auch 
4stimmig  komponiert  (Paris,  1562)  herausgegeben. 

Gonnod,  Felix  Charles,  geb.  zu  Paris  den  17.  Juni  1818, 
studierte  die  Harmonie  unter  Reicha,  Lesueur  n.  Halevy,  erhielt  1837 
einen  zweiten  Eompositionspreis  u.  verweiltjB  bis  1843  in  Italien.  Seine 
Vorliebe  für  die  Kirchenmusik  veranlasste  ihn,  in  ein  Seminar  zu  Rom 
einzutreten  mit  der  Absicht,  dem  geistlichen  Stande  sich  zu  weihen. 
Doch  verliess  er  es  wieder  u.  nach  seiner  Rückkehr  nach  Paris  war 
er  6  Jahre  als  Kp.-M.  an  der  Kirche  der  auswärtigen  Missionen 
beschäftigt.  Einen  bemerkenswerten  Erfolg  hatte  eine  Hochmesse, 
welche  1849  zum  erstenmale  in  der  Kirche  St.  Eustache  aufgeführt 
wurde.  Im  folgenden  Jahre  trat  er  mit  seinen  Bühnenkompositionen 
hervor  u.  wurde  1852  zum  Vorstand  der  Gesanglehrerschule  in  Paris 
ernannt.  Nun  wendete  er  seine  Thätigkeit  fast  ausschliesslich  der 
Oper  zu  u.  errang  in  neuester  Zeit  ziemliche  Erfolge,  so  wie  er  über' 
haupt  unter  die  bessern  französischen  Musiker  der  Gegenwart  gezählt 
werden  muss.  In  neuerer  Zeit  komponierte.er  wieder  einige  Kirchensachen, 
namentlich  erschienen  zwei  Messen  im  Druck,  welche  v.  d.  Franzosen  sehr 
gerühmt  werden,  für  uns  Deutsche  fast  ungeniessbar  sind,  f  17.  Okt.  1893. 

Gratz,  Joseph,  geb.  d.  2.  Dez.  1760  zu  Vohburg  an  der  Donau 
in  Bayern,  erhielt  seine  erste  musikalische  Pflege  im  Kloster  Rohr  bei 
Abensberg.  Nachdem  er  während  der  Zeit  seiner  philosophischen  u. 
juridischen  Studien  zu  Neuburg  u,  Ingolstadt  Organistendienste  an  den 


112  Grancini  — Graun. 

betreffenden  Seminars-  .u.  Studienkirchen  geleistet,  ging  er  nach  einen» 
Jahre  juridischen  Praktikums  beim  Landgerichte  Yohburg  nach  Salz«^ 
bürg,  um  dort  durch  den  Unterricht  Michael  Haydn's  seinen  Entschluss, 
sieh  ganz  für  die  Musik  zu  bilden,  zu  realisieren^  Ein  reicher  Gönner 
ermöglichte  es  ihm,  später  auch  den  Unterricht  des  Bertoni  in  Venedig^ 
zu  gemessen.  In  Italien  besuchte  er  mehrere  Städte,  u.  kehrte  1788  in 
sein  Vaterland  zurück.  Er  lies's  sich  in  München  nieder,  das  er  nimmer 
verliess  bis  zu  seinem  Tode,  den  ihm  ein  Schlagfluss  auf  einem 
Spaziergange  den  17.  Juli  1826  brachte.  Er  bekleidete  nie  ein  Amt, 
sondern  hatte  nur  den  Titel  eines  Hofklaviermeisters,  wobei  er  ab^r 
gar  keine  Obliegenheiten  hatte.  Als  Komponist  war  er  trocken  u» 
empfindungsarm,  doch  finden  sich  unter  seinen  Chorälen,  Präludien^. 
Versetten  auch  anerkeimenswerte  Leistungen.  Konnte  er  sich  dadurch 
keinen  Ruhm  verschaffen,  so  genoss  er  desto  mehr  Hochsehätzung  xu 
Anerkennung  als  Theoretiker  u.  Kompositionslehrer,  u.  Männer  wie 
K.  Gannabich,  Hoffmahn,  Ladurner,  Ett,  Lindpaintner  u.  viele  Andere, 
schon  zu  Künstlern  gereift,  schlössen  sich  an  ihn  an  u.  nahmen  noch 
bei  ihm  Unterricht. 

.  GraAcini,  Michel  Angelo,  ein  Komponist  des  16.  Jhdts.,  war 
schon  in  seinem  17.  Jahre  als  Organist  an  der  Kirche  del  Paradiso  zu 
Mailand  angestellt  u.  veröffentlichte  zu  dieser  Zeit  seine  ersten  Korn- 
•Positionen,  vorzüglich  Madrigale.  Später  ward  er  Organist  u.  endlich 
Domkp.'M.  daselbst.  Sein  Geburts-  u.  Todesjahr  ist  unbekannt.  Nach 
Picinelli  hat  G.  28  Werke  seiner  Komposition  —  Messen,  Motettem 
Psalmen,  Madrigale,  Kanzonetten  -r  veröffentlicht. 

Grandi,  Alessandro  de,  bedeutender  ital.  Kirchenkomponist 
der  venetian.  Schule,  Schüler  von  Joh.  Gabrieli,  war  1617  Sänger  an 
S.  Marco  zu  Venedig,  1620  Vicekapellmeister  daselbst,  1627  KMeister 
an  S.  Maria  Maggiore  zu  Bergamo,  wo  er  1630  an  der  Pest  starb* 
Von  ihm  erschienen  im  Druck:  Madrigale,  Vesperpsalmen,  Litaneien, 
Te  Deum  u.  Tantum  ergo  (L607);  6  Bücher  Motetten  zu  2—8  Stimmen 
(1619—40);  Messen,  Motetten  u.  Psalmen  im  konzertierenden  Styl 
(1623,  1625,  1630,  1632). —  Ein  anderer  Gran di,  mit  dem  Vornamen 
Vincenzo,  war  zu  Monte  Albotto  den  28.  Okt.  1605  geb.  u.  wurde 
unter  Paul  V.  als  Sänger  in  die  päpstl.  Kapelle  aufgenommen.  Er  hat 
5-  u.  Sstimm.  Antiphonen  u.  8stimm.  Psalmen  herausgegeben. 

Grassi,  Francesco,  war  zu  Ende  des  17.  Jhdts.  Kp.-M.  an 
der  Kirche  San  Giacomo  degli  Spagnuoli  u.  dann  an  der  des  hl.  Kindes 
Jesu  zu  Bom,  u.  hinterliess  mehrere  Earchenstücke  zu  4  u.  8  Stimmen 
im  Mskr. 

Graun,  C  ar  1  H  e  in  rieh ,  geb.  7.  Mai  1701  zu  Wahrenbrück  (Sachsen), 
zeichnete  sich  als  Knabe  durch  eine  besonders  schöne  Sopranstimme  u. 
durch  hervorragende  Talente  für  Musik  aus,  welche  letztere  er  durch  den 
Kompositionstinterricht  des  Kp.-M.  Schmidt  in  Dresden  weiter  ausbildete. 


Graziani  —  Gregor  I.  113 

1720,  versuchte  er  sich  in  kirchlichen  Kompositionen;  später  aber 
wendete  er  alle  seine  Kraft  der  Kanuner-  u.  dramatischen  Musik  zu, 
besonders  als  er  königlicher  Sänger  u.  Kp.-M.  in  Berlin  wurde.  Er 
starb  den  8.  Aug.  1759  daselbst.  Sein  Name,  obwohl  nicht  eines 
katholischen  Kirchenkomponisten,'  möge  hier  einen  Platz  finden,  da  sein 
Hauptwerk,  die  Passionsmusik  „der  Tod  Jesu,"  Text  von  Rammler, 
so  häufig  auf  katholischen  Kirchenchören  als  Charfreitagskantate  auf* 
geführt  worden  ist.  Gr.  wendete  auf  seine  Komposition  den  grössten 
Flelss,  u.  wenn  auch  die  Arien  schon  etwas  zopfig  geworden  sind,  so 
haben  doch  noch  immer  die  Chöre  ihre  unbestrittene  Würde  u.  die 
Recitative  sind  wundervoll,  ganz  nach  der  Innigkeit  ihres  Meisters 
djeklamiert. 

Graziani,  1)  P.  T  o  m  m  a  s  o ,  geb.  zu  Bagnacavallo  (Kirchenstaat), 
Kp.-M.  an  der  Franziskanerkirche  zu  Mailand,  gab  heraus:  5stimm.  . 
Messen  (1569),  4stimm.  Vesperpsalmen  (1587),  östimm.  Madrigale  (1588), 
Sstimm.  Kompletorium  (1601),  Litaneien  zu  4,  5,  6  u.  8  Stimmen  (1617), 
Responsorien  u.  a.  2)  Bonifacio,  geb.  1605  zu  Marino,  Kp.-M.  an 
der  Jesuitenkirche  zu  Rom,  gest.  15.  Juni  1664,  ftuchtbarer  u.  geschätzter 
Kirchenkomponist  (7  Bücher  2— 6stimm.  Motetten,  6  Bücher  Motetten 
für  eine  Solostimme,  ein  Buch  5stimm.  Psalmen  mit  Orgel,  2  Bücher 
4— 6stimm.  Messen,  3 — 8stimm.  Litaneien,  2,  3— 6stimm.  Responsorien, 
Antiphonen  u.  s.  w.) 

Greca,  Antonio  la,  mit  dem  Beinamen  Fardiola,  welchen 
er  von  seinem  Lehrer,  einem  Musiker  an  einer  Kirche  in  Palermo, 
hatte,  wurde  daselbst  1631  geboren,  u.  starb  auch  daselbst  den  8.  Mai 
1668.    („Armonia  sacra  a  2,  3,  4  voci."    Palermo  1647.) 

Greco,  GaStano,  ein  vorzüglicher  Tonmeister  u.  mit  Leo  u. 
Durante  Stifter  der  „neapolitanischen  Schule.'*  Geb.  zu  Neapel  1690 
erhielt  er  im  Konservatorium  dei  Pöveri  di  Gesü, Christo  Unterricht  in 
der  Komposition  von  Aless.  Scarlatti,  dem  er  auch  später  als  Lehrer 
der  Komposition  nachfolgte.  Sein  Todesjahr  ist  nicht  bekannt.  Pergolese 
u.  Vinci  zählen  unter  seine  Schüler.  Litaneien  mit  Instrumentalbegleitung 
u.  Orgelstücke  von  ihm  sind  noch  im  Mskr.  in  Rom  vorhanden. 

Gregor  L,  der  Grosse,  der  heilige,  einer  der  bedeutendsten 
u.  berühmtesten  Päpste,  wegen  seiner  grossen  Verdienste  um  Kirche 
u.  kirchliches  Leben  in  die  Reihe  der  Kirchenväter  u.  Kirchenlehrer 
gestellt,  entstammte  einer  reichen  u.  sehr  angesehenen  Familie  Rom's; 
sein  Vater  Gordianus  war  röm,  Senator.  Obwohl  er  sich  der  Rechts- 
kunde widmete,  blieben  ihm  doch  die  Schriften  der  grossen  Kirchen- 
väter, Augustinus,  Ambrosius  u.  Hieronymus  nicht  fremd,^  570  ward  er 
Prätor  zu  Rom.  Seinem  kontemplativen  Sinne  konnte  er  nach  dem 
Tode  seines  Vaters  erst  Genüge  thun,  er  verkaufte  alle  seme  Güter 
u.  verwendete  das  Geld  zu  Werken  der  Frömmigkeit  u.  Barmherzigkeit. 
Vornehmlich  gründete  er  damit  7  Klöster,  6  in  Sizilien,  das  siebente 

Eornmüller,  Lexikon.    II.  Bd.  8 


114  Gregor  L 

errichtete  er  zu  Born  in  seinem  eigenen  Hause  zu  Ehren  des  hl.  Apostels 
Andreas,  in  welch  letzteres  er  als  Mönch  seihst  eintrat.  Doch  musste 
er  die  Einsamkeit  hald  wieder  verlassen,  da  ihn  Papst  Benedict  I.  577 
zu  einem  Diakon  der  sieben  Hauptkirchen  Roms  machte,  u.  P.  Pelagius  ü. 
ihn  als  Gesandten  nach  Konstantinopel  abschickte.  Bei  seiner  Bück- 
kehr zog  er  sich  wieder  in  sein  Kloster  zurück,  wo  ihn  die  Manche 
bald  zu  ihrem  Abte  erhoben.  Nach  dem  Tode  Pelagius  11.  aber  (590) 
wurde  er  durch  einstimmige  Wahl  der  Geistlichkeit,  des  Senates  u. 
Volkes  auf  den  Stuhl  Petri  erhoben,  den  er  13  Va  Jahr  bis  zu  seinem 
im  J.  604  erfolgten  Tode  ruhmreich  zierte.  Bei  seiner  thätigen  Sorge 
für  die  Kirche  u.  die  Würde  des  Gottesdienstes  watrd  er  auch  auf  das 
musikalische  Feld  gelenkt,  welchem  er  denn  auch  die  vollste  Aufmerk- 
samkeit schenkte,  u.  so  lange  in  der  katholischen  Kirche  ein  Gesang 
ertönen  wird,  wird  auch  Gregorys  Name  mit  Ehren  genannt  werden. 
Wie  er  die  Liturgie  neu  geordnet  u.  festgestellt  hatte,  so  ordnete  er 
auch  das  Gesangwesen  in  der  Kirche;  manche  Gesänge  mögen  nicht 
dem  kirchlichen  Ei-nste  entsprochen,  manch  Missbräuchliches  sich  ein- 
geschlichen haben,  da  die  damalige  Musikkunst  noch  wenig  geeignete 
Mittel  besass,  ihre  Tonweisen  rein  auf  die  Nachkommen  zu  vererben; 
manche  seiner  Vorgänger  waren  schon  reformierend  aufgetreten.  Das- 
selbe zu  thun,  war  auch  ihm  aufbehalten.  Darum  legte  er  vor  Allem 
eine  Sammlung  der  liturgischen  Gesänge  an,  welche  er  fortan  bei- 
behalten wünschte,  —  den  sog.  „Antiphonarius  cento,"  einen  Codex, 
welcher,  wie  berichtet  wird,  mit  einer  Kette  an  den  Altar  befestigt 
wurde  u.  das  Hauptdokument  sein  sollte,  nach  dem  künftige  Fehler  im 
Gesänge  zu  berichtigen  seien.  Im  9.  Jahrh.  soll  dieser  Codex  sich  noch 
vorgefunden  haben;  Abschriften  davon  gelangten  frühzeitig  nach 
Frankreich,  Deutschland  u.  England  (?).  Die  Melodien  (gregorianischer 
Choral)  waren  darin  mit  den  Neumen,  der  sogenannten  nota 
romana,  welche  fortan,  u.  an  manchen  Orten  bis  zum  14.  Jhdt 
Tonzeichen  blieben,  über  den  Textworten  aufgezeichnet;  diese  Neumen 
waren  kaum  seine  Erfindung,  wohl  aber  als  schon  gebräuchlich  auch 
femer  von  ihm  verwendet.  Dass  sich  Gr.  zur  Bezeichnung  der  Töne 
der  Buchstaben  A,  B,  C,  D  etc.  bedient  habe,  ist  eine  unbegründete 
Meinung.  Weit  höher  steht  sein  musikalischer  Ruf  dadurch,  dass  er 
das  damalige  Tonsystem  erweitert  hat;  der  hl.  Ambrosius  hatte,  wie 
man  annimmt,  4  Tonarten,  sogen.  Kirchentöne  aufgestellt,  welchen 
Gr.  noch  4  weitere  zufügte  dadurch,  dass  er  den  bestehenden  Tonreihen 
(authentische  Tonarten)  noch  ein  Tetrachord  nach  unten  zusetzte 
u.  von  dessen  unterstem  Tone  bis  zu  seiner  Oktav  eine,  resp.  4  neue 
Tonreihen  (plagalische  genannt)  bildete.  Hierdurch  ergaben  sich 
8  Kirchentöne  od.  Tonreihen,  welche  bis  auf  den  heutigen  Tag  ihre 
Geltung  haben.  Das  Nähere  ist  im  Artikel  „Kirchen  ton  arten" 
nachzulesen. 


J 


Grregorio  —  Greith.  115 

Um  seiner  Musikreform  Eingang  zu  verschaffen  u.  Bestand  zu 
sichern,  fand  er  sich  genötigt,  eine  eigene  Musikschule  zu  gründen, 
worin  er  taugliche  Knahen  u.  Jünglinge  für  den  kirchl.  Gesang  heran- 
bildete. Zu  dem  Zwecke  bestimmte  er  zwei  Häuser,  eines  zu  St.  Peter 
am  Vatikan,  das  andere  bei  der  Lateranischen  Kirche  (die  Geschieht- 
Schreiber  geben  nicht  genügende  Auskunft,  ob  er  diese  2  Schulen  neu 
gründete,  oder  ob  er  die  von  P.  Hilarius  an  beiden  Kirchen  begrün- 
deten alten  Schulen  hierzu  benützte  u.  gänzlich  umgestaltete),  dotierte 
sie  mit  hinlänglichen  Einkünften  zum  Unterhalte  der  Zöglinge  u.  gab 
dann  selbst  Unterricht.  Im  9.  Jahrhundert  zeigte  man  noch  die  Bute 
oder  den  Stab,  dessen  er  sich  beim  Unterrichte  bediente,  u.  das  Buhe- 
bett,  auf  dem  .er  hierbei  oft  lag.  Nehmen  wir  dieses  alles  zusammen, 
so  ergiebt  sich,  dass  die  Tonkunst  dem  hl.  Papst  überaus  viel  zu  danken 
hat,  u.  dass  er  es  verdiente,  wenn  an  den  Anfang  der  Antiphonarien 
ein  Hymnus  auf  diesen  grossen  Mann,  —  beginnend  mit  den  Worten: 
„Gregorius  Praesul"  —  gesetzt  u.  viele  Jahrhunderte  am  1.  Advent- 
sonntage —  dem  ersten  Tage  des  Kirchenjahres  —  vor  dem  Introitus 
in  den  Kirchen  zum  dankbaren  Andenken  gesungen  wurde  u.  die  kirch- 
liche Sang  weise  nach  ihm  den  Namen  „gregorianischer  Chorar*  trägt. 

Grefforio,  Annibale,  geb.  zu  Siena  gegen  Ende  des  16.  Jhdts., 
war  daselbst  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  u.  Mitglied  der  Akademie  der 
Intronati.    (Sacrae  Cantiones  et  Lamentationes  2,  3  et  4  voc.) 

Greith,  Carl,  Sohn  des  Komponisten  mehrerer  Volkslieder  von' 
bleibendem  Werte  u.  nachmaligen  Professors  der  Musik  in  St.  Gallen, 
Jos.  Greith,  Ward  geb.  den  21.  Febr.  1828  in  Aarau.  —  Während 
seiner  Gymnasialstudien  in  St.  Gallen  beinahe  ausschliesslich  klassischer 
Philologie  u.  der  Musik  zugethan,  kam  er  nach  Vollendung  derselben 
mit  dem  Vorsatze  der  Tonkunst  anzugehören  nach  München,  studierte 
unter  C.  Ett  Harmonie  u.  Kontrapunkt,  unter  J.  G.  Herzog,  jetzt 
Universitätsmusikdirektor  in  Erlangen,  das  Orgelspiel.  Nach  Ett's  Tode 
1847  vollendete  G.  seine  Kompositionsstudien  bei  C.  L.  Drobisch  in 
Augsburg.  -—  Nach  St.  Gallen  zurückgekehrt,  übernahm  er  bald  die 
Leitung  eines  Gesangvereins,  dann  eines  Orchesters  u.  vom  Okt.  1849 
bis  Ende  1851  auch  den  Gesangunterricht  an  der  städtischen  Real- 
schule u.  den  hohem  Lehranstalten.  In  diese  Zeit  fällt  die  Kompo- 
sition seines  Oratoriums  „Der  hl.  Gallus,"  einiger  Streichquartette  u. 
eines  Melodrama's.  Dipsen  Wirkungskreis  vertauschte  er  1852  mit 
einem  längeren  Aufenthalte  in  Frankfurt  am  l^lain,  dessen  bedeutende 
Oesangvereine  u.  Kunstinstitute  durch  mustergültige  Vorführung  der 
Klassiker  auf  seine  höhere  Bildung  von  grossem  Einfluss  waren;  hier 
schrieb  er  blos  eine  Sinfonie  neben  andern  weniger  bedeutenden  Musik" 
stücken.  —  Ein  Jahr  verweilte  er  als  Musikdirektor  an  der  „Stella 
matutina"  in  Feldkirch,  u.  von  1857  bis  1861  wirkte  er  als  Professor 
u.  Chordirigent  am  Kollegium  in  Schwyz,  wo   er  seine   zwei   Choral- 

8* 


116  Grell  —  Grosser. 

messen  schrieb.  In  letzterem  Jahre  wurde  G.  als  Kp.-M.  u.  Organist 
an  die  Kathedrale  St.  Gallens  u.  bald  darauf  als  Lehrer  des  Grgelspiels 
an  das  Cantonal-Lehrerseminar  berufen  Nach  dem  Tode  seines  Vaters 
um  1871  siedelte  er  nach  München  über,  um  ganz  der  Musik  zu  leben. 
1877  übernahm  er  daselbst  die  Dom-Kapellmeisterstelle,  die  er  bis  za 
seinem  Tode,  17.  November  1887,  innehatte.  Seine  Werke  sind  nicht 
sehr  zahlreich,  aber  überall  waltet  eine  ungemein  grosse  Meisterschaft, 
Originalität  u.  der  feinste  Sinn.  Ediert  sihdt  ein  Requiem,  10  Vökal- 
mess^,  5  Instrumentalmessen,  eine  grosse  Anzahl  Marienlieder,  teils 
für  2  od.  3  Frauenstimmen,  teils  für  gemischten  Chor,  ein  Heft  lat; 
Kirchengesänge  für  gemischten  Chor,  2  Litaneien,  Motetten,  3  Sing« 
spiele  u.  mehrere  Lieder  u.  Gesänge  für  Frauenstimmen.  Unediert 
sind  1  Litanei,  8  Vespern  mit  26  Hymnen,  40  Gradualien,  11  Offer- 
torien,  1  Miserere  u.  a.,  auch  vollendete  er  das  von  Robert  Lucas 
Pearsall  (f  1856)  begonnene  Orgelbuch  zum  St.  Gallener  Diözesan- 
GesangbucL  Im  Cöcilienvereins-Katalog  begegnet  uns  Gr.  auch  vielfach 
als  sachkundiger,  gediegener  u.  dabei  wohlwollender  Musikkritiker. 
I)r.  Witt  sagt  von  ihm:  ,.Greith  war  Aristokrat  im  Leben  wie  in  seinen 
Kompositionen;  Bach  u.  Händel  waren  seine  Meister.  Seine  Marien- 
lieder sind  bis  jetzt  unerreicht  u.  Muster;  seine  (kirchL)  Instrumental- 
kompositionen sind  von  hohem  künstlerischen  u.  liturgischen  Werte." 

Grell,  Eduard  August,  geb.  6.  Nov.  1800  zu  Berlin,  1816 
Organist  an  der  Nikolaikirche  in  Berlin,  1839  Hof-Domorganist,  1851—76 
erster  Dirigent  der  Singakademie,  k.  Professor,  1864  mit  dem  Orden 
pour  le  m6rite  ausgezeichnet  u.  1883  mit  dem  Doktortitel,  starb 
10.  Aug.  1886  zu  Steglitz  bei  Berlin.  Er  war  ein  gediegener  Kontra- 
punktiker u.  ein  gelehrter  Kenner  alter  Musik,  seine  Verdienste  als 
Lehrer  wie  als  Dirigent  sind  gross  u.  als  Komponist  hat  er  sich  einen 
geachteten  Namen  gemacht.  Ausser  einer  Ouvertüre  u.  Ofgelstttcken 
hat  er  nar  Vokalmusik  geschrieben,  darunter  eine  16stimm.  grosse 
Messe,  8  u.  llstimm.  Psalmen,  ein  Tedeum  u.  s.  w.  Seine  musikal. 
Grundansichten  sind  ausgesprochen  in  den  von  H.  Bellermann  1887 
herausgegebenen  „Aufsätze  u.  Gutachten  über  Musik  von  Ed  Grell** 
(Berlin,  J.  Springer). 

Grolle  Ev  er  modus,  geb.  zu  Nittenau  in  der  Oberpfalz  1756, 
trat  in  das  Prämonstratenserkloster  Schaeftlam  u.  ward  Musikdirektor 
daselbst.  Von  seinen  Kompositionen  sind  nur  noch  6  kleine  vierstimm. 
Messen  bekannt,  die  1790  erschienen  sind.  Nach  Aufhebung  des 
Klosters  1803  lebte  er  eine  Zeitlang  ohne  Amt,  1807  erhielt  er  die 
Pfarrei  Allershausen,  wo  er  1809  starb. 

Grosser,  Joh.  Emanuel,  geb.  zu  Warmbrun  am  30.  Jan.  1799, 
von  der.  Natur  mit  vorzüglichen  Musikanlagen  ausgestattet,  bildete 
sich  zu  Breslau  zum  Organisten.  1823  erhielt  er  die  Organistenstelle 
an  der  katholischen  Stadtpfarrkirche   zu  Hirschberg  u«  wurde  1829 


Grrua  —  Guerson.  117 

Eektor  (Chorregent)  zu  Polkwitz.  Neben  ändern  Werken  schrieb  er 
aueh  vieles  für  die  Kirche,  u.  gab  ein  musikal.  Wochenblatt,  sowie 
Biographien  von  Haydn,  Mozart  u.  Seb.  Bach  heraus,  welche  nicht  ohne 
Interesse  sind. 

Gma,  Paul,  wurde  zu  Mannheim  den  2.  Febr.  1754  geboren,  wo 
sein  Vater,  einer  der  unterrichtetsten  Musiker  Deutschlands,  kurfürstl. 
Kp.-M.  war.  Unter  dessen  Leitung  erlernte  er  das  Klavierspiel  u.  die 
Harmonie  u.  setzte  seine  Studien  beim  Kp.-M.  •  Holzbauer  fort.  Der 
Kurprinz  Carl  Theodor  schickte  ihn  zur  weitem  Ausbildung  nach 
Italien,  wo  er  Unterricht  bei  P.  Martini  u.  bei  Traötta  in  Venedig 
nahm,  1779  kehrte,  er  zurück  u.  erhielt  in  München,  wohin  der  pfälzische 
Hof  übergesiedelt  war,  den  Titel  eines  Bates  u.  Kapellmeisters. 
Man  hat  von  ihm  viele  Kirchensachen,  u.  a;  31  Messen,  3  Requiem, 
S9  Offertorien  u.  dgl.    f  &.  Juli  1833. 

Graber,  Joseph,  geb.  1855  zu  Wösendorf  bei  Krems  (Nieder- 
österreich), gegenwärtig  Stiftsorganist  in  St.  Florian,  erhielt  Musik- 
unterricht von  seinem  Vorgänger  im  Amte,  Jos.  Seiberl,  welcher  1878 
starb,  dann  von  Professor  A.  Brückner  am  Konservatorium  zu  Wien. 
In  die  cäcilianische  Richtung  führte  ihn  sein  Chorregent  P.  Traumihler 
<t  1884)  ein,  Er  schrieb  bis  jetzt  10  Requiem,  mehrere  Messen,  1  grosses 
Te  Deum,  1  Litanei,  viele  Motetten,  Männerchöre  u.  a.,  wovon  manches 
«chon  im  Druck  erschien.  * 

Gnami,  Giuseppe,  Organist  an  der  Kathedrale  zu Lucea,  besass 
grossen  Ruf  als  Komponist,  Organist  u.  Violinspieler.  Er  gab  von 
1565—1613  in  Venedig  u.  A^twerpen  5stimm.  Madrigalen,  5— lOstimm, 
Sacrae  cantiones  u.  4-,  5-  u.  8stimm.  Kanzonetten  heraus.  Auch  in 
der  Sammlung  „Ghirlanda  de  madrigali  etc."  (Antwerpen,  1601)  finden 
sich  Stücke  von  ihm. 

GuarnerinSv  s.  Garnerius. 

Guerrero,  Francisco,  geb.  1528  zu  Sevilla,  Schüler  des  berühmten 
Morales,  1546  Kp.-M.  der  Kathedrale  in  Jaen,  1550  Kapellsänger  an  der 
Kathedrale  zu  Sevilla,  wo  er  gegen  1600  starb,  gab  heraus:  Psalmorum 
4  voc.  über  L,  accedit  Missa  defunctorum  4  voo.  (1559, 1^4);  Canticuffi 
Magnificat  per.VIII  musicae  modus  (1563);  Liber  I.  Mis^arum  (1566), 
Libro  di  Motetti  a  4,  5,.  6  et  8  voc;  2  5stimm.  Passionen  (letztere  von 
Eslava  veröffentlicht). 

Gaerson,  Guillaume,  einer  der  ältesten  französischen  Kontra- 
punktisten  u.:  musikalisdier  Schriftsteller,  geb.  zu  Longueville  in  der 
Normandie:in  der  zweiten  Hälfte -des  15.  Jhdts.  Es  existiert  von  ihm 
noch  ein  Traktat  über  die  Elemente  der  Musik,  die  Kirchentonarten, 
den  Cantus  päanuff^^  über  Kontrapunkt  u.  Notation,  welcher  in  der 
ältesten  Ausgabe,  den  Titel  führt:  „ütilissime  musicales  regule  cinnctis 
summopere necessarie plani  cantus  simplicia contrapunotirerum factarum 


118  Gugl  —  Guido. 

tonorum  et  artis  acoentuandi  tarn  exemplariter  quam  practice  etc." 
Paris,  bei  Michael  Tholuze  gedruckt,  ohne  Datum.  Spätere  Ausgaben 
erschienen  mit  verändertem  Titel  1509,  1513  u.  1550. 

Gagl,  Matthäus,  Domorganist  zu  Salzburg  in  der  ersten  Hälfte 
des  vorigen  Jhdts^  gab  1719  daselbst  seine  bekannten  u.  einst  sehr 
geschätzten  „Fundamenta  partiturae  in  compendlo  data,"  eine  kurze 
Generalbasslehre  in  Druck  (zweite  u.  dritte  Auflage  zu  Augsburg  1747 
u.  1777).  Auch  als  Komponist  war  er  zu  seiner  Zeit  sehr  beliebt;  doch 
ist  von  seinen  Werken  keines  mehr  vorhanden. 

Gttglielmi,  Pietro,  geb.  im  Mai  1727  zu  Massa  Carrara,  erhielt 
seinen  ersten  Unterricht  von  seinem  Vater,  Giacomo  G.,  Kp.-M.  des 
Herzogs  von  Modena.  18  Jahre  alt  kam  er  in's  Konservatorium  di 
Loretto  in  Neapel,  wo  er  unter  Durante  die  Komposition  studierte. 
Nach  seinem  Austritte  aus  dieser  Musikanstalt  1755  führte  er  in  Turin 
seine  ersten  Opern  mit  glänzendem  Erfolge  auf.  Dann  hielt  er  sich 
teils  in  Deutschland,  teils  in  England  auf  u.  kehrte  erst  1777  wieder 
nach  Neapel  zurück,  wo  er  mit  Cimaroso  u.  Paisiello  in  die  Schranken 
trat  u.  ihnen  die  Gunst  des  Publikums  entzog.  1793  ernannte  ihn  der 
Papst  zum  Kp.-M.  zu  St.  Peter  in  Rom,  wo  er  19.  Nov.  1804  im 
Alter  von  77  Jahren  starb.  Es  war  ihm  eine  bewunderungswürdige 
Fruchtbarkeit  eigen,  so  dass  seine  Opern  die  Zahl  200  erreichen  sollen. 
Auch  die  Kirchenmusiken,  die  er  als  Kp.-M.  schrieb,  erwarben  sich  von 
Kennern  u.  Liebhabern  grossen  Beifall. 

Gaidetti,  Giovanni,  1532  zu  Bologna  geb.,  widmete  sich  dem 
geistlichen  Stande  u.  studierte  nach  Baini's  Zeugnis  unter  Palestrina 
die  Komposition.  Von  Papst  Gregor  XIII.  wurde  er  zum  Hofkaplan 
ernannt  u.  erhielt  von  diesem  Papste  1575  ein  Benefizium  an  der 
vatikanischen  Hauptkirche,  zugleich  aber  auch  den  Auftrag,  den  Ghor- 
dienst  an  der  Peterskirche  zu  verbessern.  Nach  welcher  Richtung  hin  sich 
seine  Aufgabe  erstreckte,  zeigen  seine  noch  jetzt  für  den  liturgischen 
Gottesdienst  gültigen  Werke.  Diese  sind:  „Directorium  chori,  (Romae» 
1551,  zweite  Auflage  1688;  später  erschienen  noch  mehrere  Ausgaben). 
),Gantus  eccl.  passionis.*'  Romae  1586;  „Cantus  eccl.  Officii  maj.  hebd.'* 
Romae  1587  u.  „Praefationes  in  cantu  fermo"  1588  (neue  Ausgabe  von 
F.  Suriano  1619).    C.  starb  am  30.  Nov.  1592,  60  Jahre  alt. 

Gnidl,  Giovanni,  geb.  zu  Florenz  um  die  Mitte  des  vorigen 
Jhdts.,  war  Kp.-M.  an  der  Kirche  Sta.  Maria  in  Trastevere  zu  Rom; 
wann  er  starb,  ist  nicht  bekannt,  doch  lebte  er  1827,  hochbetagt,  noch. 
In  der  Sammlung  des  Abb.  Santini  in  Rom  findet  man  mehrere  4-  u. 
Sstimm.  Psalmen  u.  das  Oratorium  „Le  tre  ore  di  agonia  di  Giesü 
Christo**  (3stimmig  mit  Orchester). 

Guido  von  Arezzo,  (Guido  aretinus),  so  genannt  von  seinem 
Geburtsorte  Arezzo  (nach  neueren  Forschungen  soll  er  aus  Frankreich 
stammen),  lebte  zuerst  als  Mönch  in  dem  Benediktinerkloster  Pomposa 


Guidi  — Guido.  119 

bei  Eavenna.  Hier  beschäftigte  er  sich  unter  anderm  eifrig  mit  Musik. 
Von  vorwiegend  praktischem  Sinne  u.  angeborenem  entschiedenen 
Lehrtalente,  richtete  er  seine  besonderen  Bemühungen  darauf,  eine 
sichere  u.  schnelle  Erlernung  der  Kirchengesänge  zu  begründen,  da 
ihm  die  bisher  gangbare  Methode  nicht  genügte.  Seine  Bemühungen 
hatten  den  besten  Erfolg  —  für  die  Kunst,  aber  nicht  für  ihn,  da  der 
Neid  mehrerer  seiner  Genossen  ihn  aus  dem  Kloster  vertrieb.  Von  da 
an  lebte  er  in  seinem  Geburtsorte  längere  Zeit,  begünstigt  von  seinem 
Bischof  Theobald,  unterrichtete  im  Gesänge  u.  verfasste  auf  Betrieiben 
seines  Gönners  sein  Hauptwerk:  „Micrologus  de  disciplina  artis  mu  sicae.' 
Das  Gerücht  von  seiner  Erfindung  einer  leichten  Gesanglehrmethode 
drang  auch  nach  Eom.  Guido  ging  dorthin  auf  Verlangen  des  Papstes 
Johann  XIX.,  welcher  sich  lange  mit  ihm  unterhielt  u.  an  sich  selbst 
die  Probe  der  neuen  Methode  machte.  Der  Einladung  des  Papstes,  in 
Rom  zu  bleiben,  konnte  aber  G.  nicht  Folge  leisten,-  da  das  römische 
Klima  seiner  Gesundheit  nachteilig  war.  Unterdessen  war  man  auch 
zu  Pomposa  wieder  anderer  Gesinnung  geworden,  u.  G.  kehrte,  der 
dringenden  Aufforderung  von  dort  folgend,  in  sein  Kloster  zurück. 
Das  ist  alles,  was  wir  von  seinen  Lebensumständen  wissen,  —  er  sagt 
es  selbst  in  einem  Briefe,  den  er  von  Arezzo  aus  an  seinen  Freund 
Michael  in  Pomposa  richtete.  Sein  Geburtsjahr  ist  unbekannt;  seine 
Blütezeit  war  um  die  erste  Hälfte  des  11.  Jhdts.,  seinen  „Micrologus*^ 
mag  er  um  1028  geschrieben  haben;  was  aus  ihm  nach  seiner 
Rückkehr  in's  Kloster  geworden,  wie  lange  er  noch  gelebt,  wann  er 
gestorben,  darüber  fehlen  alle  Nachrichten.  Wie  er  aber  der  grosse 
Beförderer  der  Tonkunst  geworden,  das  lernen  wir  aus  seinen  noch 
erhaltenen  Werken  kennen.  Sie  finden  sich  in  Gerbert's  „Scriptores 
ecclsti  de  musica  sacra*'  1748.  II.  Bd.  u.  sind  folgende:  1)  „Micrologus 
Guidonis  de  disciplina  artis  musicae,**  sein  Hauptwerk,  dem  Bischof 
Theobald  v.  Arezzo  gewidmet,  worin  er  seine  ünterrichtsweise  vorträgt; 
2)  „Musicae  Guidonis  regulae  rhythmicae,**  rhythmische  Regeln  in  Beim- 
versen,  welche  den  Inhalt  des  Micrologus  kurz  wiederholen;  3)  ,,Aliae 
Guidonis  regulae  de  ignoto  cantu,"  wodurch  er  Gleichheit  u.  Ordnung 
in  den  Gesang  bringen  will,  —  Linien,  Buchstaben,  Farben.  Der 
Epilog  gehört  unzweifelhaft  einem  spätem  Verfasser  an.  4)  „Epistola 
Guidonis  Michaeli  Monacho  de  ignoto  cantu  directa."  Dieser  Brief 
enthält  die  Lebensgeschichte  G.*s.  5)  „Tractatus  Guidonis  correctorius 
multorum  errorum,  qui  fiunt  in  cantu  gregoriano  in  multis  locis."  6)  Der 
unbedeutende  Traktat  „Quomodo  de  arithmetica  procedit  musica"  wird 
wie  der  vorhergehende  für  unächt  gehalten;  7)  In  neuerer  Zeit  1837 
wurde  zu  Saint-Evrault  in  Frankreich  unter  dem  Titel  der  Werke 
des  Guido  ein  Antiphonar,  Gradual  u.  Psalter  aufgefunden,  welche 
mit  Neumen  auf  4  Linien,  deren  zwei  rot  u.  zwei  grün  gefärbt  sind, 
notiert,  wahrscheinlich  im  12.  Jhdt.  geschrieben  sind;   dies  Manuskript 


120  Guido. 

<)efindet  sich  jetzt  auf  der  Pariser  Bibliothek.  Aus  diesen  seinen 
Werken  lässt  sich  nun  entnehmen,  was  G.  für  die  Musik  gethan  u. 
gearbeitet  hat.  Seine  Bemühungen  waren  auf  die  gute  Ausübung  des 
gregorianischen  Kirchengesanges  gerichtet.  Die  von  Gregor  d.  Gr.  in 
dieser  Beziehung  getroffenen  Einrichtungen  mussten  durch  die  beste- 
chende Unzulänglichkeit  der  Aufzeichnungsweise  immer  mehr  an  Kraft 
verlieren.  Die  Gesänge  konnten  nur  durch  Tradition  vom  Lehrer  auf 
die  Schüler  übergehen,  die  Neumen  (nota  romana)  waren  nur  eine 
ungenügende  Gedächtnishilfe  u.  ohne  das  Vorsingen  des  Lehrers  ein 
verschlossenes  Buch;  daher  tauchten  bald  viele  Verunstaltungen  u. 
Veränderungen  dieser  Gesänge  auf  nach  der  Ansicht  oder  Einsicht  der 
verschiedenen  Lehrer.  So  kam  es,  dass  eine  Menge  verschiedener 
Gesangsweisen  sich  einbürgerte  u.  die  ursprüngliche  Eeinheit  der 
Melodien  immer  mehr  abnahm.  Nimmt  man  noch  die  Schwierigkeit 
des  UnteiTichtes  von  Seite  des  Lehrers  u.  des  Schülers  dazu,  so  kann 
man  nicht  des  Lobes  genug  finden,  um  den  zu  preisen,  welcher  gegen 
beide  Übel  ausgiebige  Mittel  erfunden  hat.  G.'s  Bestrebungen  gingen 
vor  allem  auf  eine  Verbesserung  der  bisherigen  Aufzeichnungsweise, 
wodurch  zugleich  ein  wirklicher  Unterricht  im  Gesänge  bedingt  war* 
Er  hob  die  schwankende  Stellung  der  Neumen  auf  u.  wies  einem 
^eden  Tone  eine  völlig  bestimmte,  sich  immer  gleichbleibende  u.  un- 
verkennbare Stelle  an  u.  machte  damit  aller  Ungewissheit  ein  Ende. 
Man  bediente  sich  zu  seiner  Zeit  schon  einer,  auch  zweier  Linien, 
welche  gewöhnlich  durch  Farben,  rot  für  die  F  Linie,  gelb  für  die 
C  Linie  ausgezeichnet,  zum  Überfluss  auch  noch  durch  Voransetzung 
der  Buchstaben  F  u.  C  (claves  signatae,  Stellvertreter  unserer  Schlüssel 
u.  deren  Keime)  besser  kenntlich  gemacht  wurden;  Über,  unter  u. 
zwischen  dieselben  setzte  man  die  Neumen;  aber  doch  war  diese 
Bezeichnung  sehr  mangelhaft  u.  konnte  durch  kleine  Ungenauigkeiten 
der  Abschreiber  noch  grosse  Verwirrung  anrichten.  Guido  fügte  der 
roten  u.  gelben  Linie  noch  zwei  andere  einfache  bei  u.  gewann  so 
ein  geschlossenes  System  von  4  Linien,  welches  9  Tonstufen  repräsen- 
tierte, da  G.  auch  die  Zwisehenränme  benutzte.  An  den  linken 
Rand  gesetzte  Buchstaben  zeigten  die  Bedeutung  der  Linien  und 
Zwischenräume.  Auf  dieses  Liniensystem  trug  er  nun  die  Neumen  ein 
(denn  der  Buchstaben  als  Tonschrift  bediente  er  sich  wohl  1)eim  ersten 
Unterricht,  in  der  Praxis,  d.  h.  in  den  Kirchengesängen  behielt  er, 
weil  da  eine  kürzere  u.  schnellere  Schreibart  nötig  war,  die  Neumen 
bei,  zumal  ihre  verschiedene  Gestaltung  nicht  blos  Töne,  sondern  auch 
Vortragsmanieren  bezeichnete),  so  zwar,  dass  jedes  Neuma  seine  fixierte 
Stelle  erhielt.  Hierdurch  war  auch  eine  später  eintretende  Vereinfachung 
der  Neumen  u.  Herausbildung  weniger  Notenzeichen  als  genügende 
Tonschrift  angebahnt.  Jetzt  war  ein  eigentümlicher  Unterricht  im 
Singen  möglich  geworden.    Hierin  ging  er  davon  aus,  den  Schülern  am 


Guido.  121 

Monochord  die  Folge  der  Töne  und  das  System  der  Oktaven  aufzu- 
weisen.   Guido's  Scala  umfasste  21  Töne: 

TABCDEFGabtlcdefg^H*^^ 

^  a  b  t}  c  d 

Das  r  war  der  Scala,  wie  er  ausdrücklich  sagt,  schon  vor  ihm 
angefügt  worden,  u.  man  bediente  sich  desselben  zur  Bezeichnung 
dieses  Tones  wohl  aus  keinem  andern  Grunde,  als  weil  man  die  latei- 
nischen G  u.  g  im  übrigen  Teile  der  Scala  schon  venyendet  hatte. 
G.  Hess  dann  seine  Jünger  die  verschiedenen  Intervalle  des  rein  dia- 
tonischen Systems  (semitonium,  Halbton,  Tonus,  ganzer  Ton,  semiditonus, 
kleine  Terz,  ditonus,  grosse  Terz,  diatessaron,  Quart,  diapente,  Qnint, 
—  die  übrigen  Tonverhältnisse  kamen  in  den  !^rchengesängen  in  der 
Eegel  nicht  vor)  üben  u.  liess  dann  die  Lehre  von  den  8  Tonarten  u. 
der  Aufeinanderfolge  der  ganzen  u.  halben  Töne  nach  oben  u.  unten 
folgen  mit  mannigfachen  zu  ihrer  Einprägung  dienlichen  praktischen 
Übungen.  Hiezu  rät  er  dem  Schüler,  um  nicht  immer  vom  Monochord 
od-  vom  Munde  des  Lehrers  abhängig  zu  sein,  sich  frühzeitig  einige 
mit  den  verschiedenen  Tönen  beginnende  Gesänge  fest  einzuprägen, 
um  durch  dieselben  nun  für  jeden  Ton  die  Folge  der  Töne  nach  oben 
u.  unten  deutlich  im  Gedächtnis  zu  haben  u.  so  für  alle  Fälle  in  seine 
Gewalt  zu  bringen.  Er  bediente  sich  hierzu  für  seine  Person  des 
Hymnus  auf  das  Fest  des  heü.  Johannes  des  Täufers  „Ut  queant  laxis 
resonare  fibris  mira  gestorum  famuli  tuorum,  solve  polluti  labii  reatum, 
sancte  Joannes"  von  dem  jeder  Abschnitt  mit  dem  nächst  höher 
liegenden  Tone  beginnt  u.  so  in  seinen  Anfangstönen  alle  gebräuch- 
lichen Tonstufen  in  einer  Reihfe  (c,  d,  e,  f,  g,  a)  darsteHt.  Hiervon 
nahm  man  später  die  Sylben  ut,  re,  mi,  fä,  sol,  la,  um  die  Töne  zu  ^ 
benennen,  u.  das  mi  fa  der  Solmisation  u.  Muta,tion,  welche  keineswegs 
eine  Erfindung  Guido*s,  sondern  erst  seiner  Nachfolger  ist,  ebensowenig 
als  die  nach  ihm  genannte  „G  u  i  d  o  n  i  s  c  h  e  H  a  n  d.*' 

Da  die  Musik  zu  den  Zeiten  Guido's  mehr  ein  Produkt  des  rech- 
nenden, kombinierenden  Verstandes  war  als  der  Phantasie,  so  darf  uns 
seine  Anleitung,  Melodien  zu  bilden  (doch  wahrscheinlich  nur  als  eine 
Eselsbrücke  oder  ein  Faulenzer  für  Anfänger)  nicht  Wunder  nehmen, 
wobei  er  rät,  der  Reihe  der  21  Töne  die  5  Vokale  nacheinander  unter- 
zulegen, u.  auf  die  Vokale  eines  Textes  den  so  treffenden  Ton  zu 
setzen.  Dass  es  ihm  mit  diesem  rein  mechanischen,  geistlosesten  Ver- 
fahren nicht  voller  Ernst  gewesen  sein  kann,  geht  aus  den  Vorschriften 
hervor,  die  er  für  die  Beschaffenheit  der  Melodien  giebt  u.  die  einer 
höhern  Kunstanschauung  entstammen,  nämlich  dass  die  Wirkung  des 
Gesanges  dem  Wechsel  der  Dinge,  von  denen  er  handelt,  angepasst 
werde,  für  traurige  Sachen  traurige  Tonverbindungen  u.  s.  w.  Man 
hat  G.  auch  den  Erfinder  der  Diaphonie  (u.  gar  des  Kontrapunktes) 
genannt,  doch  ganz  mit  Unrecht.    Die  von  ihm  gelehrte  Diaphonie  ist 


122  Guido  —  Guillaome  de  Machaut. 

nichts  anderes  als  das  alte  Hucbald'sche  Organiun  in  seinen  beiden 
Arten;  er  nahm  n.  übte  eben,  was  zu  seiner  Zeit  gebräuchlich  war, 
doch  nennt  er  die  gebräuchliche  Diaphonie  im  geraden  Fortschritt 
vieler  Quinten  hart,  die  seinige  aber  weich.  G.  giebt  den  Quärten- 
progessionen  den  Vorzug  u.  mischt  Seknnden,  Terzen  u.  Quinten  mit 
ein,  erlaubt  aber,  dass  die  Stimmen  zum  Schlüsse  sich  einander  nähern 
u.  im  Einklänge  austönen. 

Guido's  praktische  Lehrmethode  ü.  sichere  Tonbezeichnung  breitete 
sich  bald  in  andre  Länder  aus;  dabei  entwickelte  sich  manches  weiter, 
manches  neue  trat  hinzu,  u.  es  ist  leicht  begreiflich,  wie  die  Über- 
lieferung vieles  der  Art,  was  erst  seine  Nachfolger  a.  Schüler  hinzu- 
fügten, auf  seine  Bechnung  schrieb,  so  die  Guidonische  Hand,  die 
Solmisation,  die  Erfindung  der  wirklichen  Noten,  des  Klavieres,  des 
eigentlichen  Kontrapunktes  u.  dgl  „Die  ganze  Mühe,  sagt  Ambros, 
welche  das  Mittelalter  an  die  Bearbeitung  des  Tonstoffes  wendete, 
wird  insgemein  auf  seinen  Namen  zurückgeführt:  Gnido  von  Arezzo 
ist  gleichsam  ein  Abstractum,  ein  mythisches  Wesen  geworden."  In 
Wahrheit  bedarf  G.  all  dieser  Andichtungen  nicht.  Sein  Kuhm  bleibt 
gross  u.  begreiflich,  weil  er  in  einer  Zeit,  wo  die  mangelhafte  Auf- 
zeichnung der  Gesänge  fast  nur  eine  mechanische  Überlieferung  der- 
selben von  Mund  zu  Mund  zuliess,  daher  die  Ausübung  auf  das  Höchste 
erschwerte  u.  in  einem  beschränkten  Kreise  gebannt  hielt,  eine  Ton- 
schrift u.  eine  Lehrmethode  erfand,  welche  die  Kunst  des  Gesanges 
von  den  einengenden  Fesseln  befreite,  derselben  dadurch  den  Eingang 
in  alle  Kreise  des  Lebens  öffnete  u.  den  Anstoss  zu  rascher  u.  hoher 
Ausbildung  der  Tonkunst  gab. 

Gnido,  Abt  von  Caroli-Locus ,  richtig  Carus-Locus,  Cherlieu  in 
Burgund,  trat  im  Anfang  des  12.  Jhdts.  in  das  Kloster  Clairvaux  u. 
wurde  1132  dem  neugegründeten  Gisterzienserkloster  Carilocus,  Oherlieut 
vom  H.  Bernhard  als  Abt  vorgesetzt,  wo  er  115S  starb.  Er  war  der 
thätigste  Mitarbeiter  bei  der  Verbesserung  der  Chorbücher  seines 
Ordens  u*  schrieb  einen  Traktat,  welchen  Coussemaker  in  seinen  Script, 
med.  aevi,  Band  n  p.  150—191,  unter  dem  Titel:  Domni  Guidonis  in 
Caroli-loco  Abbatis  Regulae  de  arte  musica. 

Gnillanme  de  Machaat  od.  Machan,  französ.  Dichter  u.  Musiker 
des  14.  Jhdts.  Geb.  um  1284  im  Dorfe  Machau  bei  Bethel  in  der 
Champagne,  war  er  Geheimschreiber  des  Herzogs  von  der  Normandie 
u.  behielt  auch  dieses  Amt,  nachdem  dieser  Herzog  (Johann)  König  von 
Frankreich  geworden  war,  sowie  auch  unter  dessen  Nachfolger  Carl  V. 
1370  war  G.  noch  am  Leben;  sein  Todesjahr  ist  aber  unbekannt.  Auf 
der  Pariser  Bibliothek  befinden  sich  viele  seiner  Kompositionen  in 
Mskr.  —  französische  u.  lateinische  Motetten  (2-  u.  Sstimmig),  Balladen, 
Chansons  u.  eine  4stimm.  Messe,  die  bei  der  Krönung  Carls  V.  gesungen 
worden  sein  soll. 


Guilliand  —  Haas.  123 

Gnilliand,  Maximilian,  französischer  Tonsetzer  aus  Ohalons  sur 
Saöne,  war  als  Musiker  in  der  Saint-Chapelle  zu  Paris  angestellt 
und  veröffentlichte  einen  Traktat  „Trait6  de  musique"  (Paris  1554). 
Einige  seiner  Messen  finden  sich  in  einer  Sammlung  von  4stimm.  Messen 
(Paris  1554). 

Gumpelzhaimer,  Adam,  geb.  1560  zu  Trostber^  in  Oberbayem, 
erhielt  seinen  hauptsächlichsten  Unterricht  in  der  Musik  durch  den  P. 
Jodok  Enzmüller  im  Kloster  St.  Ulrich  in  Augsburg.  1575  trat  er  als 
Musikus  in  herzoglich  württembergische  Dienste;  1581  kam  er  als 
Präzeptor  u.  Kantor  nach  St.  Anna  in  Augsburg,  als  welcher  er  1621 
noch  fungierte.  Seine  yorztigllchsten  Kompositionen  sind  geistl.  Lieder; 
viele  derselben  sind  mehrstimmig  (bis  zu  8  Stimmen)  u.  werden  würdig 
gepriesen,  den  Werken  Lasso's,  Hassler's  u.  dgl.  an  die  Seite  gesetzt  zu 
werden.  1595  schrieb  er  ein  „Compendium  musicae  latinum-germanicum,** 
das  viele  Auflagen  erlebte. 

Giiyot,  Jean,  geb.  zu  Chätelet  bei  Chaleroi,  war  ein  aus- 
gezeichneter niederländischer  Tonsetzer  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts. 
Um  1505  Sänger  an  der  Notredame-Kirche  in  Antwerpen,  erwarb  er 
sich  1516  ein  Benefizium  an  der  Katharinenkirche,  trat  1521  in  die 
Dienste  des  Kaisers  Ferdinand  L  u.  erhielt  1536  wieder  eine  Präbende 
an  der  Notredame-Kirche  zu  Antwerpen;  daselbst  starb  er  1551.  In 
verschiedenen  Sammlungen  des  16.  Jhdts.  finden  sich  geistliche  u« 
weltliche  Gesänge  von  ihm. 

Gyrowetz.  Adalbert,  geb.  zu  Böhmisch  Budweis  den  16.  Febr. 
1793,  studierte  anfangs  die  Rechtswissenschaft,  welche  er  wegen  Kränk- 
lichkeit, wieder  aufgab,  4i.  wurde  dann  Sekretär  des  Grafen  Franz 
von  Fünfkirchen,  in  welcher  Stellung  er  seine  ersten  Kompositionen 
fertigte.  Dann  studierte  er  2  Jahre  in  Neapel  unter  Sala  den  Kontra- 
punkt, besuchte  Paris,  London  u.  erhielt  nach  seiner  Bückkehr  nach 
Wien  1804  die  Kapellmeisterstelle  am  k.  k.  Hofoperntheater.  Er  starb 
den  15.  August  1849,  eine  Unzahl  Kompositionen  (Opern,  Symphonien 
u.  dgl.)  hinterlassend;  auch  einige  Messen  u.  Kirchenstücke  schrieb  er, 
welche  aber,  den  Stempel  der  Zeit  tragend,  wie  so  viele  seiner  Übrigen 
Werke,  verschollen  sind. 

H. 

• 

Haas,  P.  Ildephons,  geb.  zu  Offenburg  am  23.  April  1735,  war 
ein  tüchtiger  Theoretiker  u.  talentvoller  Komponist,  auch  ausgezeichnet 
im  Gesang  u.  Violinspiel.  1751  trat  er  in  das  Benediktinerkloster 
£ttenheimmünster,  wo  er  sich  nach  vollendeten  wissenschaftlichen 
Studien  u.  erhaltener  Priesterweihe  besonders  dem  Studium  der  Kompo- 
sition u.  der  weiteren  Ausbildung  im  Violinspiel  ergab;  in  letzterem 


124  -  Haberl. 

konnte  er  den  Unterricht  von  Wenzel  Stamitz  geniessen,  welcher  um 
diese  Zeit  (1755)  sich  längere  Zeit  in  Ettenheimmünster  aufhielt.  Seinen 
theoretischen  Studien  legte  er  neben  dem  besonderen  brieflichen 
Verkehre  mit  P.  Kaiser^  Abb6  Vogler  u.  Portmann  die  Werke  von 
Mattheson  u.  Marpurg  zu  Grunde,  hauptsächlich  aber  den  „Gradus 
ad  Parnassum'*  von  Fux,  von  dem  er  behauptete,  dass  jeder  Tonsetzer 
wenigstens  drei  Jahre  lang  „die  strenge  Fux'sche  Eontrapunktsfolter 
aushalten  sollte."  Von  1760  an  ungefähr  galt  er  in  seiner  Gegend 
allgemein  ^r  den  besten  Kirchenkomponisten  u.  Violinspieler.  Zuletzt 
war  er  Bibliothekar  in  seinem  Kloster;  die  fortwährenden  Anstrengungen 
in  den  Studien  u.  verschiedenen  klösterlichen  Ämtern  schwächten  bald 
seine  Gesundheit  u.  er  starb  schon  am  30.  Mai  1791. 

Haberl,  Franz  Xaver,  geb.  den  IQ*  April  1840  zu  Westen 
in  Niederbayem,  erhielt  den  ersten  Unterricht  von  seinem  Vater,  einem 
Schullehrer,  studierte  zu  Passau  als  Zögling  des  bischöflichen  Knaben- 
seminars u.  empfing  am  12.  Aug.  1862  die  Priestei^weihe.  Darauf  als 
Musikpräfekt  der  bischöflichen  Seminarien  nach  Passau  berufen,  als 
welcher  er  auch  den  Domchor  zu  dirigieren  hat,  widmete  er  sich  ein- 
gehenderen Studien  der  Musik,  namentlich  des  Chorals  u.  der  älteren 
Kirchenmusik.  1864  edierte  er  „Anweisung  zum  harmonischen  Kirchen- 
gesang" (in  Kommission  bei  Pustet  in  Begensburg),  1865  den  „Magister 
^  horalis,**  welcher  vielfach  verbessert  1888  in  achter  Auflage  erschien 
u.  auch  in  französischer,  englischer  u.  italienischer  Übersetzung  die 
weiteste  Verbreitxmg  gefunden  hat.  1866  gab  H.  den  „Liederrosenkranz" 
(2  Hefte,  Eegensbg.,  Pustet)  heraus.  1867—70  machte  er  in  Italien 
ausgedehnte  bibliographische  u.  bibliothekarische  Musikstudien,  wirkte 
längere  Zeit  als  Maestro  an  der  Anima  in  Eom,  von  1872  an  alsDom- 
kapellmeister  in  Regensburg.  Schon  zu  dieser  Zeit  erwarb  sich  H» 
grosse  Verdienste  durch  seine  Arbeiten  bei  fidierung  des  Graduale 
romanum  u.  der  übrigen  liturg.  Bücher,  deren  Ausgabe  erst  in  den 
letzten  Jahren  zum  Schluss  gedieh.  In  Anerkennung  *  seiner  Dienst- 
leistungen u.  Mühen  auf  diesem  Gebiete  übersandte  ihm  schon  1873 
der  heü.  Vater  Pius  IX.  ein  Schreiben  höchster  Anerkennung  u.  eine 
goldene  Medaille.  1874  eröffnete  H.  in  Regensburg  die  Kirchen- 
musikschule, deren  Gründung  Hr.  Dr.  Witt  bereits  im  Cäcilien- 
vereine  vorgearbeitet  hatte,  u.  übernahm  von  nun  an  deren  geschäftliche 
Leitung,  welche  er  bis  jetzt  mit'  segensreichem  Erfolge  fortführt. 
Um  das  Unternehmen  zu  unterstützen,  publizierte  er  1876  den  „Cäcilien- 
kalender,''  welcher  sowohl  wegen  seines  hochinteressanten' Inhaltes  als 
seines  edlen  Zweckes  bald  die  weiteste  Verbreitung  fand;  seit  1886 
erschdnt  er  unter  dem  Titel  „Kirchenmusikalisches  Jahrbuch."  Durch 
seine  Studien  vollkommen  befähigt,  fasste  er  den  Plan  zu  einer 
-Gesamtausgabe  der  Werke  Palestrina's.  Zu  diesem  Zwecke  reiste 
er,  nachdem  ein  Übereinkommen  mit  der  Firma  Breitkopf  &  Härtel  in 


Habermann  -—  Händel.  125 

Leipzig  getroffen  war,  bei  welcher  Firma  schon  6  Bände  der  Werke  P.'s 
in  prächtiger  Ausstattung  erschienen  waren,  nach  Rom,  um  die  Billigung 
tt.  den  Segen  des  hl.  Vaters  für  das  neue  unternehmen  zu  erflehen, 
nachdem  er  schon  früher  durch  Pius  IX.  die  Erlaubnis  erhalten,  sämt- 
liche Werke  Pierluigi's  aus  dem  Archive  der  Sixtinischen  Kapelle  zum 
Zwecke  der  Edierung  zu  kopieren.  Papst  Leo  XIH.  ermutigte  Hm. 
Haberl  gleichfalls  zu  dem  Werke,  das  im  Jahre  1893  seinen  voll- 
ständigen Abschlüss  fand.  Ausserdem  hat  H.  verschiedene  Messen  u* 
Motetten  der  Alten  bei  Pustet  publiziert,  auch  die  Ausgabe  mehrerer 
liturgischer  Bücher  mit  weissen  Noten  u.  als  Volksausgaben  u.  s.  w. 
besorgt.  1882  legte  er  das  Amt  eines  Domkapellmeisters  nieder,  um 
einen  längeren  Aufenthalt  in  Italien  behufs  Forschungen  in  den  Archiven 
u.  Bibliotheken  zu  nehmen.  Aus  den  daselbst  Gewonn^en  veröffent- 
lichte er  bis  jetzt  die  hochwichtigen  Arbeiten:  „Wilhelm  du  Fay'*; 
^,Die  römische  „schola  cantorum"  u.  die  päpstl.  Kapellsänger  bis  zur 
Mitte  des  16.  Jhdts.'*  in  der  „Vierteljahrsschrift  für  Musikwissenschaft** 
1885  u.  1887;  erstere  Arbeit  erschien  auch  selbständig  unter  dem  Titel 
„Bausteine  zur  Musikgeschichte,^*  (Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel  1885), 
wie  auch  „Bibliographischer  u.  thematischer  Musikkatalog  des  päpstl. 
Kapellarchives  im  Vatikan  zu  Rom"  (1888). 

-  Habermann,  FranzJohann,  geb.  1706  zu  Königswerthin 
Böhmen,  widmete  sich  bald  ausschliesslich  der  Musik.  Er  besuchte  die 
vorzüglichsten  Städte  Italiens,  begab  sich  dann  nach  Spanien  u.  Frank- 
reich, u.  wurde  später  Kp.-M.  des  Grossherzogs  von  Toscana.  Nach  dessen 
Tode  lebte  er  zu  Prag  als  Lehrer  der  Musik,  und  u.  a.  waren  Dussek, 
Misliweczek  u.  Cajetan  Vogel  seine  Schüler  in  der  Komposition.  Später 
wurde  er  Musikdirektor  an  der  Theatinerldrche  u.  an  der  Malteser- 
kirche, 1773  solcher  zu  Eger,  wo  er  auch  den  7.  April  1783  starb. 

Habert,  Johann  Ev.,  geb.  am  18.  Okt.  1833  zu  Oberplan  in 
Böhmen,  bildete  sich  1848—1852  in  Linz  zum  Lehrfache  aus.  Nachdem 
er  9  Jahre  im  Schuldienste  gestanden,  erhielt  er  1861  die  Organisten- 
stelle in  Gmunden.  Frühzeitig  in  der  Musik  unterrichtet,  bildete  er 
sein  Talent  noch  mehr  durch  Leitung  u.  Eatschläge  tüchtiger  Musiker, 
wie  des  Schullehrers  Jos.  Lanz  in  Waizenkirchen  u.  seines  Vetters 
Jordan  Habert.  Er  komponierte  bisher  vieles  für  die  Kirche:  Messen 
mit  u.  ohne  Instrumente,  Litaneien,  Offertorien,  Marienlieder;  er  schrieb 
auch  Klavierstücke,  weltliche  Lieder,  eine  Orgelschule  u.  gab  mehrere 
Jahrgänge  „Zeitschrift  für  kathol.  Kirchenmusik*'  heraus. 

Händel,  Georg  Friedrich,  geb.  den  23.  Febr.  1685  zu  Halle 
an  der  Saale,  eine  der  riesigsten  Erscheinungen  im  Gebiete  der  Ton- 
kunst, erhielt  in  Spiel  u.  Setzkunst  von  dem  Domorganisten  Zachau 
In  Halle  L^nterricht,  trat  1703  als  Violinist  in  die  Oper  zu  Hamburg 
ein   u.   nahm  mit   Mattheson    auch   an   deren  Direktion  teil.     1705 


126  '  Händler  —  Hahn. 

komponierte  er  seine  erste  Oper,  ging  dann  einige  Zeit  nach  £om  u. 
kehrte  1708  wieder  nach  Deutschland  zurück.  Später  ging  er  nach 
London,  wo  er  im  Conventgardentheater  von  1712—1740  eine  Menge  von 
Opern  aufgeführt;  aber  von  der  Adelspartei  angefeindet,  zuletzt  auch 
der  Gunst  des  Publikums  verlustig,  wendete  er  sich  von  der  Bühne 
zu  der  religiösen  Komposition,  die  er  bisher  nur  wenig  gepflegt  hatte 
(ein  paar  Oratorien  u.  das  berühmte  Te  Deum),  u.  auf  diesem  Felde 
wurde  er  ein  wahrer  Heros  der  Tonkunst,  hieher  konnten  ihm  alle 
seine  Nebenbuhler  nicht  folgen.  1741  schrieb  er  sein  bekanntestes 
Oratorium  „Der  Messias"  in  der  unglaublich  kurzen  Zeit  von  24  Tagen! 
Sein  „Samson,"  nach  einigen  Monaten  fertig,  erwarb  ihm  schnell  die 
Gunst  des  Volkes,  u.  es  folgten  nun  „Semele,"  „Joseph  in  Aegypten," 
„Der  Tod  des  Herkules,"  „Belsazar,'*  „Judas  Macchabäus,**  „Josua** 
u.  a.  1751  „Jephta,"  u.  in  diese  Zeit  gehört  auch  das  berühmte 
Dettinger  De  Teum.  H.  starb  am  Charfreitag  den  14.  April  1759; 
seine  irdische  Hülle  ward  in  der  Westmünsterabtei  bestattet,  u.  ihm 
später  ein  Denkmal  daselbst  gesetzt.  H.  ist  eine  ganz  eigentümliche 
Erscheinung;  alles  an  ihm  ist  männlich  u.  kühn,  namentlich  seine 
Chöre  zeigen  die  ganze  Kraft  u.  Macht  seines  Genius,  seine  religiöse 
Energie  u.  Begeisterung  treten  glänzend  hervor,  u.  die  Glaubens- 
freudigkeit u.  das  Hochgefühl  eines  sittlich  starken  Bewusstseins  ver- 
mochte nicht  leicht  einer  gleich  ihm  in  den  Tönen  auszusprechen.  Er 
war  zudem  einer  der  fruchtbarsten,  grössten  u.  gedankenreichsten 
Tonsetzer.  Man  zählt  von  ihm  21  Oratorien,  5  Te  Deum,  12  grosse 
Psalmen  u.  viele  kleinere,  Opern  u.  Kammermusiken,  20  Orgelkonzerte, 
viele  Suiten,  Phantasien  u.  Fugen  für  die  *Orgel. 

Händler,  Joh.  Wolf  gang,  geb.  zu  Nürnberg  zu  Ende  des  17. 
Jhdts.,  studierte  die  Komposition  u.  den  Kontrapunkt  bei  Pachelbel, 
worauf  er  in  die  bischöfliche  Kapelle  nach  Würzbnrg  kam,  daselbst 
bald  Hoforganist  wurde  u.  zuletzt  zum  Hofkp.-M.  ernannt  ward.  Er 
starb  schon  1742. 

Hahn.  Bernhard,  geb.  den  17.  Dez.  1780  zu  Leubus  in  Schlesien, 
erhielt  von  seinem  Vater  guten  Musikunterricht,  welcher  ihm  bei  einer 
guten  Altstimme  eine  Stelle  im  Domchor  zu  Breslau  verschaffte ;  später 
(1799)  kam  er  als  Violinist  in  das  Hausquartett  des  Grafen  Matuschka 
zu  Pitschen  am  Berge,  wo  ihn  der  Musikdirektor  Förster  aus  Breslau 
kennen  lernte.  Unter  dessen  Leitung  begann  seine  höhere  Musikaus- 
bildung, wozu  auch  sein  längerer  Umgang  mit  Türk  in  Halle  sehr 
viel  beitrug.  1805  kam  er  nach  Breslau  zurück,  wurde  zuerst 
Tenorist,  dann  Signator,  1815  Gesanglehrer  am  katholischen  Gymnasium 
daselbst,  zuletzt  nach  Schnabels  Tod  Domkp.-M.  Von  seinen  Werken 
sind  zu  nennen:  „Das  Handbuch  beim  Gesangunterricht  für  Schüler 
auf  Gymnasien";  „Gesänge  für  den  Gottesdienst  auf  katholischen 
Gymnasien";  mehrere  (6)  Messen,   Offertorien  u.   Gradualien  u.  a.  m.  ^ 


Hahn  —  Hammel«  127 

Sein  Styl  schliesst  sich  grossenteils  dem  von  Jos.  Schnabel  an.  Leichte 
Sangbarkeit  der  Stimmen  n.  diskreter  Gebrauch  der  Instrumente 
zeichnen  seine  Werke  im  Allgemeinen  aus,  doch  sind  einige  nicht  von 
zu  grosser  Weichheit  freizusprechen.  Er  starb  im  Jahre  1852  zu 
Breslau. 

Hahn,  Georg  Joachim  Joseph,  ein  fleissi£:er  theoretischer 
Schriftsteller  u.  Komponist  um  die  Mitte  des  vorigen  Jhdts.,  war 
Senator  u.  Musikdirektor  zu  Münerstadt.  Er  gab  im  Druck  heraus: 
„Harmonischer  Beitrag  zum  Klavier,"  „Der  wohlunterrichtete  Generalbass- 
ßchüler"  (1751  u.  1768),  Messen,  Psalmen,  Klavierstücke  u.  a.  m. 

Haller,  Michael,  geb.  13.  Jan.  1840  zu  Neusaat  bei  Nabburg 
in  der  Oberpfalz,  erhielt  seine  humanistische  Bildung  im  bischöfl. 
Knabenseminar  u.  an  der  Stn^ienanstalt  im  Benediktinerkloster  Metten. 
Hier  lernte  er  schnell  Gesang  u.  Instrumentalmusik,  besonders  unter 
der  Leitung  des  damaligen  Seminardirektors  P.  Utto  Lang,  nachmaligen 
Abtes  (f  1884);  auch  mit  der  Harmonielehre  befasste  er  sich  schon 
damals.  Als  Lyceist  u.  Alumnus  des  Klerikalseminars  in  Regensburg 
gewann  er  eine  grosse  Begeisterung  für  die  im  Dome  so  oft  gehörten, 
trefflich  ausgeführten  Werke  der  „Alten."  Den  26.  Juni  1864  erhielt 
er  daselbst  die  Priesterweihe  u.  dann  eine  Anstellung  als  Präfekt  der 
Dompräbende,  wo  er  unter  Leitung  des  Domkp  -M.  J.  Schrems  seine 
kontrapunktischen  Studien  fortsetzte  u.  sich  ganz  der  Kirchenmusik 
widmen  konnte.  1867  wurde  H.  als  Nachfolger  des  12.  Dez.  1866  ver* 
storbenen  J.  G.  Wesselack,  Inspektor  des  Knabeninstituts  zur  alten 
Kapelle  u.  zugleich  Kp.-M.  an  dieser  Stiftskirche,  als  welcher  er  bis 
jetzt  einen  vortrefflichen  Chor  leitet.  Als  Lehrer  an  der  kirchlichen 
Musikschule  in  Regensburg  erteilt  H.  Unterricht  im  Kontrapunkt  u. 
in  der  Komposition,  Sein  erstes  Werk,  12  Motetten,  erschien  bei  Manz 
(jetzt  Pawelek)  in  Regensburg.  Bis  jetzt  veröffentlichte  er  ferner: 
Vade  mecum,  eine  prakt.  Anleitung  zum  Gesänge  nebst  Übungsbuch 
(Pustet);  16  Messen  von  2—6  Stimmen,  2  Requiem,  Te  Deum,  mehrere 
Serien  von  Motetten  für  2—8  Stimmen  (Männer-  u.  gemischter  Chor), 
mehrere  Litaneien,  4  Hefte  Lieder  u.  Gesänge  zur  Ehre  der  sei.  Jung- 
frau Maria,  „die  harmonische  Modulation  der  Kirchentonarten*'  (Op.  36. 
Regsbg.,  H.  Pawelek),  „Kompositionslehre  für  polyphonen  Kirchen- 
gesang" (ebenda  1891);  femer  eine  Weihnachtskantate,  Op.  26,  die 
Musik  zu  einem  Schauspiel  „Mozart,*'  melodramat.  Begleitung  zu 
mehreren  Dichtungen,  „Jugendliederkranz"  u.  „Liederhort'*  u.  a. 

Hamme],  Stephan,  geb.  den  21.  Dez.  1756  zu  Gissigheim,  bildete 
sich  in  der  Benediktiner-Abtei  St.  Stephan  zu  Würzburg,  in  welche 
er  später  eintrat,  zum  tüchtigen  Orgelspieler  u.  Komponisten.  Nach 
der  Klosteraufhebung  wurde  er  Pfarrer  zu  Veitshöchheim,  wo  er  am 
1.  Febr.  1830  starb.  Er  komponierte  viele  Kirchen-  u.  Instrumental- 
wachen,  von  denen  weniges  im  Druck  erschien. 


128  Hammer  —  Hanser. 

Hammer,  Georg,  geb.  den  L  Mai  1811  zu  Herlheim  in  Unter- 
franken, zeigte  frühzeitig  grosse  Anlagen  für  Musik,  deren  Ausbildung 
ihm  durch  Fröhlich,  der  ihn  im  Technischen  unterrichtete,  u.  durch 
fleissigen  Besuch  des  musikalischen  Institutes  zu  WClrzburg  ermöglicht 
wurde.  Dem  Schulfache,  welchem  er  sich  zuerst  zugewendet  hatte, 
entsagte  er  bald  und  widmete  sich  ganz  der  Musik.  1830  wurde  er 
Assistent  am  musikalischen  Institute  zu  Würzburg,  1837  an  der  Semi- 
nariumskirche  zum  hl.  Michael.  Er  komponierte  vieles  für  die  Kirche, 
u.  gab  ein  Orgelbuch  zum  Würzburger  Diözesengesangbuch  heraus-, 
ausserdem  noch  viele  weltliche  Musikstücke. 

Hammer,  K  i  1  i  a  n ,  war  in  der  Mitte  des  17.  Jhdts.  Schulmeister 
u.  Organist  zu  Vohenstrauss  u.  soll  zuerst  zu  den  gebräuchlichen 
6  Solmisationssylben  ut,  re,  mi,  fti,  sol,  la,  die  siebente  si  hinzugesetzt 
haben,  weshalb  diese  7  Sylben  auch  „voces  hammerianae" 
heissen. 

Handl,  s.  Gallus. 

Hanisch,  Joseph,  geb.  zu  Begensburg  den  24.  März  ]812, 
f  9.  Okt.  1892,  erhielt  Musikunterricht  von  seinem  Vater  Anton 
Hanisch,  welcher  Organist  an  der  alten  Kapelle  daselbst  war,  u. 
wurde  nach  dessen  Tode  sein  Nachfolger  im  Dienste.  Vorzüglich 
gewann  seine  höhere  Musikbildung  durch  Proske,  der  ihn  auch  auf 
seiner  ersten  Heise  nach  Italien  als  Gehülfen  u.  Mitarbeiter  berief. 
Im  Jahre  1829,  1.  Juni,  trat  er  zur  Domkirche  über,  wo  er  bis  zu 
seinem  Tode  wirkte,  gerühmt  als  vortrefflicher  Orgelspieler.  Für  die 
Kirche  komponierte  H.  sehr  vieles  u.  tüchtiges,  doch  erschien  verhältnis- 
mässig weniges  im  Druck,  ungefähr  30  Opusnummem  zählt  man:  Missa 
„Auxilium  Christianorum,"  2  lateinische  Messen  für  3  Männerstimmen; 
Missa  S.  Josephi  et  S.  Dorotheae,  erstere  für  2,  letztere  für  3  Frauen- 
stimmen; 2  Requiem;  2  Hefte  Gesänge  für  das  Frohnleichnamsfest; 
CoUectio  cantionum  sacr.;  viele  Fange  lingua;  mehrere  kirchl.  Gesänge 
für  Frauenchöre;  eines  der  hervorragendsten  Werke  ist:  „Organum 
concomitans  ad  Graduale  et  Vesperale  romanum,'*  welches  er  mit  F.  X. 
Haberl  bearbeitete,  die  Orgelbegleitung  für  diese  liturg.  Bücher  (Pustet). 

Häuser,  Wilhelm,  geb.  zu  Unterzeil  in  Schwaben  den  12.  Sept. 
1738,  trat  sehr  früh  in  den  Prämonstratenser-Orden  und  bildete  sich 
in  der  Abtei  Schussenried  zum  guten  Organisten  u.  Kontrapunktisten, 
wie  auch  zum  Violin-  u,  Violoncellspieler.  1775  kam  er  in  die  Abtei 
Lavaldieu  in  den  Ardennen,  u.  gründete  daselbst  eine  Musikschule, 
aus  welcher  auch  Mehul  hervorgegangen  ist,  der  4  Jahre  sein  Schüler 
war.  Gerade  war  Hanser  mit  Verbesserung  des  Antiphonars  u.  der 
Gesänge  für  die  Prämonstratenser  beschäftigt,  als  die  französische 
Kevolution  ausbrach,  vor  welcher  fliehend  er  sich  wieder  nach  Deutsch- 
land zurückzog.  Seitdem  hat  man  nichts  mehr  von  ihm  gehört. 
Erschienen  sind  von  ihm  Vesperpsalmen  u.  andere  Kirchenstücke,  sowie 


\   • 


Harasser  —  Hasler.  129 

einige  weltliche  Sachen.    In  Mskr.  hat  er  Motetten,  Messen  u.  Orgel- 
fugen  hinterlassen. 

Harasser,  ü  r  h  a  n ,  geh.  den  23.  Mai  1816  zu  Vahrn  hei  Brixen, 
erhielt  die  Priesterweihe  am  2.  Aug.  1840  u.  ist  seit  1842  Benefiziat 
und-  Domchorregent ,  seit  1847  Chorm^ister.  Er  erwarh  sich  viele 
Verdienste  um  Säuberung  des  Domchores  vom  herrschenden  Zopfe, 
besonders  zeigte  er  seine  gründliche  Kenntnis  des  gregor.  Chorals  in 
dem  Kampfe  gegen  Stehlin  (s.  d.),  dessen  unhistorische  Choralmethode 
er  in  seinen  triftigen,  auf  mühsamen  Studien  beruhenden  „Gedanken- 
strichen*' widerlegte.    Er  schrieb  auch  eine  Oper  „Saul." 

Hardonia,  Abb6  Henri,  geh*  1724  zu  Grandpr6,  erhielt  seine 
erste  musikalische  Bildung  als  Chorknabe  an  der  Kathedrale  zu  Eheims, 
wo  er  auch  nach  seiner  Priesterweihe  Kp.-M.  u,  Kanonikus  wurde. 
Er  starb  am  13.  Aug.  1808  zu  Grandpre  u.  hinterliess  mehr  als 
40  Messen  u.  sehr  viele  andere  Kirchenmusiken  in  Manuskript;  1762 
gab  er  ein  Lehrbuch  des  liturgischen  Gesanges  für  die  Diözese  Rheims 
heraus,  welches  später  noch  in  ^mehreren  Auflagen  erschien. 

,  Hasler  oder  Hassler,  Johann  Leo  (Leonhard),  geb.  1564  zu 
Nürnberg,  erhielt  nebst  seinen  Brüdern  Jakob  u.  Caspar  den 
ersten  Unterricht  in  der  Musik  von  seinem  Vater  I  s  a  a  k  H. ,  der  aus 
Böhmen  stammte  u.  Musikus  war,  u.  ging  1584,  als  er  dem  Unter- 
richte des  Vaters  entwachsen  war,  nach  Venedig,  um  seine  weitere 
Fortbildung  in  der  Komposition  bei  Andreas  Gabrieli,  dem  berühmten 
Meister,  zu  erhalten,  u.  hier  schloss  er  mit  dessen  Neffen,  Johannes. 
Gabrieli,  den  innigsten  Freundschaftsbund,  der  diese  von  gleicher 
Gesinnung  u.  Begeisterung  für  die  Kunst  erfüllten  Herzen  bis  zum  Tode 
einte.  Nach  seiner  Eückkehr  aus  Italien  1585  nahm  ihn  Graf  Octavian 
Fugger  zu  Augsburg,  welcher  eine  der  vorzüglichsten  Musikkapellen 
Deutschlands  unterhielt,  als  Organisten  in  seine  Dienste.  Gegen  Ende 
des  Jahrhunderts  galt  H.  als  der  grösste  Organist  Deutschlands.  Hier 
in  Augsburg  war  es,  wo  die  schöpferische  Thätigkeit  des  Meisters 
einen  sichtbaren  Aufschwung  gewann  u.  sich  am  fruchtreichsten  ent- 
faltete. Aus  dieser  Periode  datieren  die  bedeutendsten  seiner  Tonwerke, 
welche  gegen  Ende  des  16.  u.  zu  Anfang  des  17.  Jhdts.  in  Augsburg 
U.  Nürnberg  gedruckt  wurden,  so  seine  berühmten  4stimmigen  Kan- 
zonetten  u.  4 — östimmigen  Motetten,  Madrigalen,  Messen  u.  s.  w. 
Im  Jahre  1601  kam  er  an  den  Hof  Kaiser  Budolph  n.  nach  Prag, 
woselbst  er  zur  Auszeichnung  seiner  Verdienste  um  die  Kunst  in  den 
Adelsstand  erhoben  wurde.  Über  die  spätem  Schicksale  unseres  Meisters 
liegt  einiges  Dunkel  gebreitet,  indem  einerseits  angenommen  wird,  dass 
er  bis  zum  Tode  des  Kaisers  (1612)  in  Prag  geblieben  sei,  nach  ander- 
seitigen  Angaben  aber  wäre  er  1608  in  kurfürstlich  sächsische  Dienste 
getreten.  Er  starb  in  Frankfurt  a.  M.  am  5.  Juni  1612,  welches 
auch  das  Todesjahr  seines  treuesten  Freundes  Joh,   Gabrieli  war.  — 

Kornmüller,  Lexikon.    II.  Bd.  9 


130  Hauptmann. 

„Die  Schreibart  dieses  Meisters  (sagt  Proske)  im  Figuralsatze  vereinigt 
in  sich  das  Höchste  u.  Schönste,  wa£|  deutsche  n.  italienische  Kunst 
jener  Zeit  zu  leisten  vermochte.  Bei  reichster  Qedankenftille  sehen 
wir  ihn  immer  klar,  bestimmt  u.  fest,  innerlich  gehaltvoll,  schwunghaft 
u.  wirksam  nach  aussen,  besonders  im  mehrchörigen  Satze.  Neuere 
Bahnen  betrat  er  vorsichtiger  als  der  jüngere  Gabrieli,  er  hielt  ziAschen 
diesem  u.  dem  gemeinsamen  grossen  Lehrer  Andr.  Gabrieli  die  Mitte. 
Ein  edler  Wetteifer  dieser  jungen  Künstler  unter  sich  ist  jedoch  nicht 
zu  verkennen;  den  sichersten  Beweis  davon  liefert  eine  Sammlung  der 
grossartigsten  Musiksätze,  welche  nach  dem  Tode  dieser  Meister  erschien, 
(nämlich  die  schon  im  Artikel  „Gabrieli'*  berührten  „Reliquiae  .  .  .  /*)  . 
deren  Kunstgehalt  zu  solcher  Höhe  gesteigert  ist,  dass  man  vor  Staunen 
u.  Bewunderung  nicht  zu  entscheiden  vermag,  welchem  von  Beiden  der 
Preis  gebührt."  —  Jakob  Hassler,  der  zweite  Bruder,  geb.  1565, 
starb  zu  Hechingen  als  Organist  des  damaligen  Grafen  von  Hohen- 
zollem.  Auch  er  wird  zu  den  besten  Organisten  seiner  Zeit  gezählt,  u« 
viele  seiner  Werke,  Messen,  Psalmen*  (besonders  ist  zu  nennen  Ps.  51) 
erschienen  von  1601  bis  1608  in  Nürnberg.  —  Caspar  Hassler,  geb. 
1570,  der  dritte  Bruder,  stand  als  Künstler  Leo  am  nächsten.  Von  1587 
bis  1618,  in  welchem  Jahre  er  starb,  war  er  Organist  zu  Nürnberg. 
Arbeiten  von  ihm  finden  sich  in  der  von  ihm  1598  zu  Nürnberg  heraus- 
gegebenen Sammlung:  „Symphoniae  sacrae,  5 — 16  vocum*';  1600 
erschien  noch  ein  zweiter  Teil  dazu,  darin  sind  auch  Werke  anderer 
Komponisten  enthalten. 

Hauptmann,  Lorenz,  geb.  den  15.  Jan.  1802  zu  Grafensulz  in 
Niederösterreich,  leistete  schon  in  seinem  12.  Jahre  Bedeutendes  im 
Orgelspiel..  Bis  zum  24.  Jahre  war  er  Lehrer,  ging  dann  nach  Wien, 
wo  er  die  Organistenstelle  am  Theresianum  u.  an  der  Paulanerkirche 
erhielt,  studierte  unter  Seyfried  die  Komposition  u.  wurde  später  Chor- 
direktor an  der  Augustiner  Pfarrkirche  der  Vorstadt*  Landstrasse. 
Komponiert  hat  er  Messen,  Gradualien  u.  andere  Kirchensachen,  Orgel- 
stttcke  u.  gute  instruktive  Solfeggien. 

Hauptmann,  Moritz,  geb.  den  13.  Okt.  1792  zu  Dresden,  konnte 
erst  im  18.  Jahre  seiner  überwiegenden  Neigung  zur  Tonkunst  folgen 
u.  studierte  unter  Spohr  zu  Gotha  Violinspiel  u.  Komposition.  Längere 
Zeit  hielt  er  sich  in  Eussland  auf,  lebte  dann  wieder  als  Violinlehrer 
in  Deutschland,  bis  er  1842  an  Weinlings  Stelle  die  Kantor-  u.  Musik- 
lehrerstelle an  der  Thomasschule  zu  Leipzig  erhielt.  1843  wurde  er 
bei  der  Gründung  des  Musikkonservatoriums  zum  Lehrer  des  Kontra- 
punktes u.  der  Fuge  bestellt.  Durch  seine  wissenschaftliche  u.  künst- 
lerische Thätigkeit  hat  er  sich  zu  dem  grössten  Theoretiker 
des  19.  Jhdts.  emporgeschwungen.  Die  Eesultate  seiner  tiefen  Studien 
legte  er  in  seinem  inhaltschweren  Buche  „Die  Natur  der  Harmonik 
u.  Metrik**  (Leipzig,  1853,  2.  Aufl.  1873)  nieder,  welches  die  Universität 


( 

■» 


Haydn.  131 

Göttingen  veranlasste»  den  verdienten  Mann  mit  der  philosophischen 
Doktorwürde  auszuzeichnen.  Doch  ist  das  Werk  sehr  schwer  ver« 
ständlich  a.  erheischt  grosse  allseitige  Mnsikkenntnisse.  Durch  das 
Studium  der  alten  u.  neueren  Tonmeister  hefähigte  er  sich  auch  zum 
gediegenen  Tonsetzer  u.  vermochte  die  tiefen  Gefühle  seines 'Lineni 
im  vollendetsten  technischen  Ausdrucke  zu  ^eben,  in  klarster  Gestalt 
äusserlich  zu  fassen  u.  zu  'fixieren  bei  höchster  Beinheit  des  Satzes. 
Ton  seinen  Kompositionen  seien  genannt  2  Messen  (eine  a  capella,  die 
andere  instrumentiert),  einige  Kantaten,  zahlreiche  Motetten,  geistliche 
Oesänge  u.  Lieder  zu  4  Stimmen,  dann  einige  Instrumentalkompositionen 
für  Violin  u.  Klavier.  Überall  strebte  er  aber  darnach,  nicht  für  den 
Künstler  u.  Kunstkenner  allein,  sondern  fär  die  Menschen  zu  schreiben 
nach  seinem  Ausspruche:  „Das  Höchste  der  Kunst  ist  überall  nicht  für 
den  Künstler  u.  Kunstkenner  ausschliesslich  da,  sondern  für 
Mensche  n."    Er  starb,  den  3.  Jan.  1868. 

Haydii,  Joseph,  der  Schöpfer  der  neuem  Symphonie  u.  des 
Quartetts,  von  welchem  der  Aufsohwimg  der  deutschen  Instrumental- 
musik seinen  Ausgang  genommen,  ward  geboren  den  1.  April  1732  zu 
Eohrau,  einem  Dorfe  in  Niederösterreich,  nahe  der  ungarischen  Grenze. 
Da  die  Biographie  dieses  grossen  musikalischen  Genius  bekannt  u» 
überall  zu  treffen  ist,  beschränken  wir  uns  nur  auf  die  Hervorhebung 
der  bedeutendsten  Momente  seines  Lebens.  Die  erste  Bildung  seiner 
vortrefflichen  musikalischen  Anlagen  erhielt  Haydn  durch  den  SchiÜ- 
direktor  in  Haimburg,  wo  er  Gesang  u.  fast  alle  Saiten-  u.  Blas- 
instrumente erlernte,  insoweit  es  einem  Qjährigen  Knaben  möglieh  ist. 
Dann  kam  er  als  Singknabe  auf  den  St.  Stephansdomchor  in  Wien,  wo 
der  Kp.-M.  Beutter  vorteilhaft  auf  ihn  einwirkte;  aber  seine  haupt- 
sächlichste Belehrung  in  theoretischer  Hinsicht  schöpfte  er  aus 
Mattheson's  „Vollkommenen  Kapellmeister*'  u.  aus  Fux^s  „Gradus  ad 
Pamassum"  u.  übte  sich  fortwährend  im  Komponieren.  In  seinem  16. 
Lebensjahre  musste  er,  da  seine  Stimme  brach,  das  Kapellhaus  verlassen 
n.  war  nun  in  vollster  Ärmlichkeit  auf  TJnterrichtgeben  angewiesen. 
Nebenbei  betrieb  er  aber  in  rastlosem  Eifer  die  theoretische  u.  prak- 
tische Pflege  seiner  Kunst.  Grossen  Gewinn  für  die  Komposition 
schöpfte  er  aus  dem  nicht  eben  angenehmen  Bedientenverhältnis  zu 
Porpora,  in  welches  ihn  sein  armes  Leben  genötigt  hatte.  Um  1755 
komponierte  er  sein  erstes  Quartett,  welches  Beifall  gewann,  u.  dadurch 
«rmuntert  schritt  er  nun  auf  der  Künstlerlaufbahn  unaufhaltsam  fort. 
1759  erhielt  er  endlich  als  Musikmeister  des  Grafen  Morzin  in  Wien 
•eine  sorgenfreie  Existenz;  1761  ^rat  er  in  gleicher  Stellung  mit  400  fL 
Oehalt  in  die  Dienste  des  Fürsten  Esterhazzi,  wo  er  bis  zur  Auflösung^ 
der  fürstlichen  Kapelle  1790  verblieb.  Innerhalb  dieser  30  Jahre  schuf 
er  die  meisten  seiner  Sinfonien,  das  Oratorium  „Die  Eückkehr  des 
^Tobias,**  viele  Messen  u.  andere  Kirchenwerke  u.  mehrere  Opern;  auck 

9* 


132  Haydn. 

fällt  in  diese  Zeit  (1785)  die  Komposition  der  „Sieben  Worte  des 
Erlösers,"  von  einem  Domherrn  aus  Cadix  bestellt  u.  ursprünglich  für 
Instrumentalmusik  komponiert,  wozu  erst  später  ein  Kanonikus  aus 
Passau  den  Text  dichtete.  Nach  dem  Tode  des  Fürsten  Esterhazzi 
begann  die  Periode  seiner  grössten  Schöpfungen.  Bei  einem  zwei- 
maligen längeren  Aufenthalte  in  London  komponierte  er  unter  andern 
die  12  sogenannten  englischen  Sinfonien  u.  erfuhr  überall  die  grössten 
Ehrenbezeugungen;  die  Universität  Oxford  ernannte  ihn  zum  „Doktor 
der  Musik."  Von  London  brachte  er  auch  den  Text  zu  seinem  Oratorium 
„Die  Schöpfung"  mit,  welches  am  19.  März  1798  zum  ersten  Male  in 
Wien  aufgeführt  wurde,  von  wo  es  bald  in  alle  Welt  ausging.  Darauf 
nahm  er  sein  letztes  Oratorium  „Die  Jahreszeiten"  in  Angriff,  vollendete 
es  in  11  Monaten  u.  brachte  es  am  24.  April  1801  zur  Aufführung. 
Das  war  seine  reichste  u.  letzte  grössere  Arbeit;  die  Kräfte  begannen 
•  nun  allmählich  zu  schwinden.    Am  31.  Mai  1809  entschlummerte  der 

greise  Tonkünstler  in  gänzlicher  Entkräftung.  —  Unter  seinen 
Kompositionen  werden  15  Messen  u.  10  kleinere  Kirchenstücke  auf- 
.  gezählt,  welche  lange  Zeit  als  Meisterstücke  der  Kirchenmusik  gepriesen 
wurden.  Diese  irrtümliche  Meinung  konnte  sich  festsetzen,  da  die 
Neuheit  u.  der  Glanz  der  durch  Haydn  (Mozart  u.  Beethoven)  zu  so 
hohem  Aufschwung  gebrachten  Instrumentalmusik  alles  bezauberte  u. 
verblendete,  so  dass  die  Vokalmusik  in  den  Schatten  gedrängt  wurde; 
ferner  trug  dazu  die  Verflachung  des  religiösen  u.  kirchlichen  Sinnes, 
den  die  unchristliche  Philosophie  überall  mit  Erfolg  betrieb,  dazu  bei, 
dasB  man  den  kirchlichen  Geist  bei  Seite  setzte  u.  mit  subjektiv  für 
andächtig  gehaltenen  Gefühlen  u.  Produkten  den  lieben  Gott  acht  zu 
ehren  wähnte.  Die  Elirchenmusiken  Haydn's  sind  eben  auch  nichts 
anderes  als  Kinder  seiner  Zeit,  u.  es  geschieht  seinem  Tonkünstler- 
ruhme kein  Abhruch,  wenn  ein  wiedererwachtes  religiös -kirchliches 
Bewusstsein  seine  Messen  blos  für  rein  musikalische,  keineswegs  aber 
für  k  i  r  c  h  1  i  c  h  -  musikalische  Kunstprodukte  erklärt.  Haydn  teüt 
damit  das  Schicksal  aller  Kirchenkompositeure  seiner  u.  der  nach- 
folgenden bis  auf  die  neueste  Zeit  —  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen, 
Ein  treffendes  Urteil  fällt  Ambros  („Kulturhistorische  Bilder")»  wenn 
er  sagt:  „Dass  es  unter  Mozart's  Messen  einige  Knabenarbeiten  u. 
apokryphe  giebt,  ist  gewiss;  die  gleichzeitige  Kirchenmusik  sein^ 
Freundes  J.  Haydn  ist  bekanntlich  noch  viel  weltlicher;  sie  mahnt  an 
süddeutsche  u.  italienische  Kirchenfeste,  die  zugleich  Volksfeste  sind^ 
wo  das  Leben  seine  bunteste  Fülle  in  Freude  u.  Jubel  ausbreitet.  Es 
hat  schon  zu  Haydn's  Zeiten  (Fürstbischof  Graf  zu  Hohenwart  verbot 
deren  Aufführung  zu  Wien)  Anstoss  erregt.  Die  Antwort  des  frommen 
Greises  an  Carpani:  „Wenn  er  an  seinen  Gott  denke,  so  hüpfe  ihm  das 
Herz  vor  Freude  u.  da  hüpfe  denn  seine  Musik  mit"  —  ist  fireiÜch 
geeignet,  den  Strengsten,  wenn  nicht  mit  dem  Werke,  so  doch  mit  dem 


Haydn  —  Herbst.  133 

Komponisten  zu  versöhnen.  Die  Subjektivität  des  Komponisten  n.  die 
Zurtickschiebung  des  Textes  ist  nirgends  stärker  hervorgetreten,  als 
bei  Haydn.  Wie  objektiv  -  gottesdienstlich  ist  dagegen  die  Musik 
Palestrina'sl"  Die  erste  umfassende  Biographie  von  J.  H.  lieferte 
K.  F.  Pohl  „Joseph  Haydn/'  I.  Bd.  1.  Hälfte  1875,  2.  Hälfte  1882. 

Haydn,  Michael,  jüngerer  Bruder  des  Vorigen,  geb.  zu  Eohran 
den  14  Sept.  1737,  wurde  1757  Kp.-M.  des  Bischofs  von  Grosswardein 
u.  5  Jahre  nachher  Konzertmeister  u.  Musikdirektor  zu  Salzburg,  wo 
er  neben  Mozart  wirkte  u.  auch  in  dieser  Stellung  bis  an  sein  Lebens- 
ende, den  10.  Aug.  1810  verblieb.  Er  war  nicht  nur-  heimisch  in  allen 
Fächern  der  Musik,  u.  hatte  alles  in  sich  aufgenommen,  was  damals 
in  Deutschland  u.  Italien  in  der  Tonkunst  zu  Becht  bestand,  sondern 
er  verarbeitete  alles  nach  seiner  Eigentümlichkeit.  Er  hatte  zwar 
nicht  die  Genialität  wie  sein  Bruder,  aber  er  leistete  immerhin  An- 
erkennenswertes, besonders  im  Fache  der  kirchlichen  Tonkunst,  in 
welcher  ihm  selbst  sein  Bruder  Joseph  u.  Mozart  die  Superiorität  über 
ihnen  zuerkennen.  Wie  er  als  Mensch  ruhig,  aber  kräftig,  bescheiden, 
aber  fest,  äusserst  sorgfaltig,  aber  keineswegs  kleinlich  war,  so  zeigte 
er  sich  auch  in  seinen  Kompositionen.  Seine  Eigentümlichkeit  war 
vermittelnder,  ausgleichender  Art,  u.  ging  besonders  darauf  hinaus,  die 
so  verschiedenartigen  Behandlungs-  u.  Schreibarten  damaliger,  vorzüg- 
licher Meister  Deutschlands  u.  Italiens  im  Geiste  möglichst  zu  verbinden, 
wesshalb  es  nicht  auffallen  kann,  dass  auch  seine  Kirchenkompositionen 
viel  weltlichen  Beigeschmack  zeigen.  Seine  Kompositionen  sind  zahl- 
reich; ausser  vielen  weltlichen  Stücken  schrieb  er  viele  Messen,  eine 
Unzahl  von  Gradualien  u.  Offertorien,  mehrere  Litaneien,  Vespern 
u.  s.  w.,  welche  jetzt  grossenteils  ausser  Gebrauch  gesetzt  sind,  da  die 
Instrumentierung  sehr  zopfig  ist.  Zu  seinen  Schülern  zählen  0.  M. 
V.  Weber  u.  A.  Reicha. 

Herbst,  Johann  Andreas,  geb.  1588  zu  Kümberg,  kam  1628 
als  Kp,-M,  nach  Frankfurt  u.  kehrte  1640  als  solcher  wieder  in  seine 
Vaterstadt  zurück.  1650  ging  er  nochmals  nach  Frankfurt  u.  starb 
dort  24.  Jan.  1666.  Bekannt  ist  er  vornehmlich  durch  einige  theoret. 
Schriften :  a)  „Musica  practica  sive  instructio  pro  symphoniacis  .  .  ." 
Nürnberg  1642,  eine  Anleitung  zum  Singen  (3  Auflagen);  b)  „Musica 
poetica  sive  Compendium  melopoeticum  . .  .**  Nürnberg  1643,  eine  kurze 
Anleitung  zur  Komposition  in  12  Kapiteln ;  c)  „Arte  prattica  et  poetica . . ." 
Frankfurt  1653,  worin  er  Anweisung  giebt,  einen  Kontrapunkt  zu  fer- 
tigen, dann  einen  Contrapuncto  a  mente  zu  setzen;  schliesslich  fügt  er 
«ine  Instruktion  über  den  Generalbass  an.  Kompositionen  von  ihm  sind : 
a)  Melethema  sacra  Davidis  et  suspiria  S.  Gregorii  ad  Christum,  3  et 
4  voc.  Norimb.  1619.  b)  Theatrum  amoris  zu  5  u.  6  Stimmen,  Nüm- 
l>erg  1613,  eine  Sammlung  von  Liedern  nach  Art  der  Madrigale. 


134  Heredia  —  Hermesdorff. 


v.>«_ 


Heredia,  Petras,  lebte  im  17.  Jhdt.  in  Bom,  u.  wird  yon 
J.  B.  Domns  in  seinein  Werke  „De  praestantia  masicae  vet/*  als  ein 
ifohlerfahrener,  feinst  gebildeter  Tonkünstler,  Komponist  n.  Organist 
gepriesen;  dieser  rechnet  es  ihm  zur  besonderen  Ehre,  dass  er,  aus- 
gezeichnet in  jeder  Musikgattung,  auf  seinen  Bat  u.  nach  seiner  Angabe 
zuerst  ein  Werk  komponiert  habe,  worin  die  Weise  der  Alten  wieder 
beobachtet  sei  (yeterom  ac  genuinonim  tonorum  mistura).  Eine  in  der 
Hünchener  Bibliothek  befindliche  Messe  trägt  den  Titeh  „Missa  super 
Cantu  Bomano,  autore  Petro  Heredia  Bomano,  IV  yoc.  cum  Org.  Mense 
Octobri  1635."  Ein  Bequiem  erschien  1646  in  einer  Sammlung  von 
Hessen,  gedruckt  bei  Giov.  Fr.  Gri^nani. 

Heritier,  Jean  T,  ein  französischer  Komponist,  welcher  in  der 
ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  lebte.  Von  seinen  Kompositionen  sind  zwei 
Motetten  in  die  Sammlung  von  P.  Attaignant  (Paris,  1534)  aufgenommen. 
Auch  P.  Aaron  zitiert  eine  Motette  von  ihm. 

Hamann,  mit  dem  Beinamen  Contractus,  der  Lahme,  weil  er 
von  der  Gicht  so  gelähmt  war,  dass  er  ohne  Beihülfe  seine  Lage  nicht 
yerändem  konnte,  war  einer  der  berühmtesten  Gelehrten  u.  Vorzüge 
Hchsten  Geschichtschreiber,  sowie  der  tüchtigste  Tonkünstler  des  11. 
Jhdts.  Geboren  den  18.  Juli  1013,  aus  dem  Geschlechte  der  Grafen 
Yon  Vehringen  in  Schwaben,  kam  er  in  seinem  7.  Jahre  in  die  Kloster- 
schule  zu  St.  Gallen,  wo  er  sich  besonders  in  den  mathematischen 
Wissenschaften,  in  der  Astronomie,  Geometrie  u.  Musik  auszeichnete» 
Im  30.  Jahre  trat  er  in  den  geistlichen  Stand  u.  lebte  fortan  im  Kloster 
Beichenau,  wo  er  trotz  seiner  Gebrechlichkeit  das  Amt  eines  Lehrers 
verwaltete  u.  der  Kunst  u.  Wissenschaft  oblag.  Von  seinen  körper- 
Hohen  Leiden  niedergedrückt  starb  er  schon  im  41.  Jahre  am  24.  Sept. 
1054,  auf  dem  väterlichen  Gute  Aleshausen  (Alschhausen  bei  Biberach)» 
Neben  seiner  vorzüglichen  Chronik  u.  ein  paar  astronomischen  Schriften 
schrieb  er  auch  ein  Werk  „De  Monochorde"  (Gerbert,  Script,  n.  pag. 
125).  Er  dichtete  u.  komponierte  viele  Kirchengesänge,  namentlich 
einige  Sequenzen  oder  Prosen  von  vorzüglicher  Schönheit ,  welche 
Schubiger  in  sein  Werk  „Die  Sängefschule  St.  Gallen"  aufgenommen 
hat.  Er  wird  auch  von  einigen  für  den  Verfasser  der  Antiphonen 
„Salve  Begina"  u.  „Alma  redemtoris"  gehalten.  Er  bildete  sich  auch 
eine  eigentümliche  Tonzeichenschrift,  um  sowohl  das  Steigen  u.  Fallea 
der  Stimme,  als  auch  die  Intervalle  anzudeuten;  so  e  =  Einklang, 
s  =  Halbton,  t  =  Ganzton,  d  =  Quart,  d  =  Quint,  ein  Punkt  über 
dem  Zeichen  wies  auf  das  Fallen,  das  Fehlen  desselben  auf  das 
Steigen  hin. 

Hermesdorff,  Michael,  geb.  4.  März  1833  zu  Trier,  wurde 
28.  Aug.  1859  zum  Priester  geweiht.  Mit  guten  Musikkenntnissen 
ausgerüstet,  hatte  er  damals  schon  vieles  für  die  Kirche  komponiert 
u.  sich  auch  mit  der  Geschichte  kirchlicher  Kunst  vertraut  gemacht* 


Hesse  —  Hobrecht.  135 

Ztun  Kaplan  in  Cnes  ernannt,  bot  ihm  die  dortige  Bibliothek  des 
Kardinals  Nikolans  von  Cusa  wertvolles  Material  für  die  bereits  vor- 
bereitete Herausgabe  der  bisher  ungedruckten  trierischen  Chorbttcher 
nach  den  Pergament-Handschriften  der  Dombibliothek  zu  Trier.  Das 
Graduale  erschien  1863,  das  Antiphonale  1864.  Im  Herbst  1862  wurde 
er  Domorganist  u.  Gesanglehrer  am  bischöfl.  Priesterseminar  zu  Trier, 
zugleich  übernahm  er  den  Gesangunterricht  u.  später  die  Direktion  an 
der  Musikschule,  u.  von  jetzt  an  namentlich  entwickelte  er  eine  reiche 
musikalische  Thätigkeit.  Er  gründete  1869  den  Diözesan-Cäcilienverein 
Trier,  dessen  Präses  er  bis  zu  seinem  Tode,  welcher  17.  Januar  18S5 
erfolgte,  blieb.  Er  veröffentlichte  mehrere  Kompositionen,  Messen^ 
Motetten,  Orgelfugen,  eine  Chorgesangschule  u.  s.  w.  Mit  dem  Jahre 
1872  übernahm  er  die  Eedaktion  der  seit  1862  von  H.  Oberhoffer  redi- 
gierten kirchenmusikal.  Zeitschrift  „Caecilia"  (bis  1878)  u.  gründete 
zugleich  den  „Choralverein  zur  Erforschung  alter  Handschriften  behufs 
Wiederherstellung  des  Cantus  S.  Gregorii.**  In  Verbindimg  damit  gab 
er  Guidö's  „Micrologus"  heraus  u.  ein  „Graduale  ad  normam  cantus 
S.  Gregorii.*' 

Hesse,  Adolph  Friedrich,  geb.  den  30.  Aug.  1809  zu  Breslau, 
bildete  sich  im  Orgelspiel  u.  der  Komposition  unter  Bemer  u.  Köhler, 
u.  wurde  1831  erster  Organist  bei  St.  Bemhardin  in  Breslau  u.  königl. 
Musikdirektor,  als  welcher  er  am  5.  Aug.  1863  starb.  Er  ist  anerkannt 
einer  der  bedeutendsten  Organisten  der  Neuzeit;  seine  Orgelkompo- 
sitionen zeichnen  sich  durch  treffliche  Arbeit,  Fluss  u  Wohlklang  aus. 
Ausser  36  Heften  Orgelkompositionen  verschiedenen  Inhalts  hinterliess 
er  4  grosse  Sinfonien,  4  Ouvertüren,  einige  Quartette,  I  Oratorium 
„Tobias"  u.  a. 

Heilicka,  Aloys,  geb.  zu  Wildenschwert  in  Böhmen,  den  21.  März 
1826,  erhielt  seine  erste  musikalische  Bildung  im  Augustinerkloster  zu 
Alt-Brünn,  wohin  der  10jährige  Knabe  als  Diskantist  kam,  bildete  sich 
dann  in  der  Prager  Organistenschule  zum  Organisten  u.  wurde  als 
solcher  1849  in  seiner  Vaterstadt  angestellt.  Er  komponierte  ein 
Oratorium  „Das  verlorne  Paradies,**  10  Messen,  3  Requiem,  viele 
Psalmen  u.  Litaneien. 

Hobrecht,  Jakob,  ein  Komponist  aus  der  zweiten  niederländischen 
Schule,  geb.  1430  zu  Utrecht,  gest.  1506,  war  zuerst  Kp.-M.  zu  Utrecht, 
dann  von  1492— 1504  zu  Antwerpen  u  ei'warb  sich' durch  seine  Kompo- 
sitionen, welche  fast  durchweg  einen  Zug  strenger  Erhabenheit  zeigen 
die  höchste  Achtung  bei  seinen  Zeitgenossen.  „Unter  den  Meistern  vor 
Josquin,  sagt  W.  Ambros,  ist  er  die  mächtigste  Erscheinung,  u.  der 
Tonsatz  bei  ihm  schon  beträchtlich  entwickelter,  die  Harmonie  voll- 
töniger  als  bei  Okeghem,  mit  dem  er  übrigens  alle  Eigenheiten  der 
Schule,  alle  Feinheiten,  Spitzfindigkeiten  u.  Satzkünste  gemein  hat.** 
Von  seinen  Werken  hat  Petrucci  unter  dem  Titel  „Misse  Obrecht**" 


136  Hofer  —  Hoflfmann. 

1503  zu  Venedig  5  Messen  reröffentlicht,  und  andere  Messen  diesem 
Meisters  finden  sieb  in  Sammlungen  dieser  Zeit.  Eine  Anzahl  bedeu- 
tender Motetten  bat  Petrucci  in  seine  grosse  Motettensammlung  auf- 
genommen, einzelne  treffen  wir  aucb  bei  Glareau,  Ebau  u.  a.;  ausserdem 
kennt  man  noch  Lieier  (kleine  Motetten)  von  ihm,  u.  eine  „Passio  D. 
N.  J.  Ch.  secundum  Matth."  4  voc. 

Hofer,  Andreas,  dessen  Geburtsjahr  u.  Abstammung  noch  un- 
bekannt ist,  war  Benefiziat  der  St.  Annakapelle  in  der  Domkirche  zu 
Salzburg  u.  von  c.  1650—84  ftirstbischöfl.  Kp.-M.  daselbst;  er  bildet 
den  Übergang  von  der  grossen  zur  schönen  Periode  der  Dommusik. 
Er  war  ein  Schüler  des  Stefano  Bemardio  (s.  d.)  u.  befand  sich  nicht 
blos  noch  in  vollem  Besitze  u.  Leichtigkeit  der  alten  Kunst  des 
Kontrapunktes,  sondern  bediente  sich  auch  schon  freierer  Melodien 
u.  Modulationen,  die  er  überdies  mit  schöner  Instrumentation  noch 
mehr  zu  beleben  wusste.  Gedruckt  findet  sich  nur  „Ver  sacrum,  sive 
fliores  musici  5  vocibus  et  totidem  instrumentis  producendi,  pro  Offer- 
toriis  servituri.  Salisburgi  1677";  handschriftlich  bewahrt  der  Domchor 
an  Vokalmusik:  I.  Adventus,  eine  Sammlung  östimmiger  Introitus, 
Gradualien,  Offert orien  und  Postkommunionen  für  die  Adventzeit; 
II.  Quadragesimale,  eine  Sammlung  solcher  für  die  Fastenzeit.  Noch 
andere,  auch  zweichörige  Kirchenstücke  scheinen  ihm  anzugehören. 
An  Instrumentalmessen  sind  nur  noch  zwei  bekannt.  H.  starb  25.  Febr. 
1684  u.  liegt  in  der  Kirche  zu  St.  Peter  begraben. 

Hoffmann,  Karl  Julius  Adolph  Hugo,  geb.  den  16.  Febr. 
1801  zu  Eatibor,  erhielt  von  seinem  Vater,  welcher  Regenschori  war, 
frühzeitig  Unterricht  in  der  Musik,  so  dass  er  schon  in  seinem  elften 
Jahre  im  Komponieren  von  Kirchensachen  sich  versuchte.  1821  bezog 
er  die  Universität  u.  betrieb  neben  Philosophie  u.  Philologie  fleissig 
Musik.  Unterricht  erteilte  ihm  Bemer  u.  mit  Schnabel  pflegte  er 
vertrauten  Umgang.  Nach  einigen  Reisen  erhielt  er  die  Direktion  der 
Kapelle  des  Grafen  von  Reichenbach  zu  Goschütz,  1830  ward  er  Chor- 
direktor der  katholischen  Hauptkirche  zu  Oppeln.  Was  ihm  am  meisten 
Namen  gemacht  hat,  ist  das  Werk:  „Die  Tonkünstler  Schlesiens, 
ein  Beitrag  zur  Kunstgeschichte  Schlesiens  von  960—1830,"  welches 
1830  bei  Aderholz  in  Breslau  erschien.  Ausser  vielen  Aufsätzen  in 
musikalischen  Zeitschriften  verfasste  er  aijch  eine  „Litteratur  der  Musik 
des  18.  u.  19.  Jahrhunderts,"  eine  „Geschichte  der  Musik  bei  den 
Troubadours,  Proven<jalen  und  Minnesängern,"  eine  „Geschichte  des 
Meistergesanges,"  „Die  Musik  der  Griechen  und  Römer"  u.  dgl.  Von 
Kompositionen  sind  ausser  mehreren  weltlichen  Kompositionen  zu 
nennen  seine  Melodien  zu  dem  oppeln'schen  christlichen  Gesangbuch 
(83  Choräle  seiner  eigenen  Komposition),  vierstimmige  geistliche 
Gesänge  u.  a. 


Hofhaimer  —  Holzbauer.  137 

Hofbaimer,  Paul,  Kaiser  Maximilians  I.  berühmter  Hofmusikus 
n.  Organist,  geb.  25.  Jan.  1459  zu  Kadstadt  an  der  Grenze  von  Steyer- 
mark,  u.  gest.  1537  zu  Salzburg  in  seinem  eigenen,  nach  ihm  benannten 
Hause,  wird  als  der  gelehrteste  Komponist  u.  kunstreichste  Orgel- 
spieler seiner  Zeit  gerühmt,  welcher  in  einem  Zeiträume  von  30  Jahren 
durch  keinen  Nebenbuhler  verdunkelt  werden  konnte.  Seine  Arbeiten 
halten,  nach  dem  Zeugnisse  des  Luscinius,  immer  die  wahre  Mittel- 
strasse, korrekt  u.  bei  aller  tiefen  Gründlichkeit  dennoch  stets  gefällig 
blühend  u.  grossartig  stylisiert.  Er  setzte  viele  Kirchenstücke,  Choräle, 
die  Oden  des  Horaz,  Lautenstücke,  3-,  4-  u.  5stimmige  kanonische  u. 
kontrapunktische  Gesänge  u.  s.  w ,  von  welchen  die  Wiener  Hofbibliothek 
fünf  handschriftliche  Quartbände  besitzt;  die  k%  Bibliothek  in  Berlin 
besitzt  mehrere  Orgelstücke  von  ihm.  An  seinem  Orgelspiel  wird 
die  grosse  Gewandtheit  auf  dem  Manual  wie  auf  dem  Pedal  u.  seine 
Fertigkeit  in  der  Durchführung  auch  der  schwersten  Themate  gerühmt. 
Und  alles  das  hatte  er,  da  ihm  tie  ein  ordentlicher  Musikunterricht 
zu  Teil  wurde,  durch  sich  selbst  erworben.  Er  entwarf  auch  nach 
eigenen  Grundsätzen  feste  Regeln  für  die  Setzkunst.  Sein  kunst- 
liebender Monarch  erhob  ihn  zum  Lohn  für  seine  Verdienste  in  den 
Adelstand  u.  1515  erhielt  er  den  Ritterschlag.  Sein  Ruhm  drang  auch 
in's  Ausland,  u.  von  allen  Ländern  kamen  viele,  um  den  ausserordent- 
lichen Meister  zu  hören  u.  seinen  Unterricht  zu  gemessen. 

Holländer,  Christian,  ein  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts.,  aus 
Holland  gebürtig,  stand  in  Diensten  der  Kaiser  Ferdinand  I.  und 
Maximilian  11.  Man  hat  von  ihm  4-  bis  Sstimm.  geistliche  u.  weltliche 
Gesänge  mit  Instrumentalbegleitung,  die  1570  zu  München  erschienen, 
u.  dreistimmige  Motetten,  welche  erst  1573  durch  Johann  Pichler  von 
Scbwandorf  gesammelt  u.  herausgegeben  wurden.  40  Motetten  finden 
sich  in  mehreren  Sammelwerken.  —  Ein  anderer  H.  Sebastian, 
geb.  zu  Dortrecht  am  Ende  des  15.  Jhdts.,  war  Kp.-M.  des  Herzogs 
Wilhelm  I.  von  Bayern,  u.  Vorgänger  Orlando  Lasso*s  in  diesem  Amte. 

Holzbauer,  Ignaz,  Sohn  eines  Lederhändlers  zu  Wien,  geb. 
1711,  suchte  als  Knabe  seine  Neigung  zur  Musik,  die  von  seinem  Vater 
nicht  beachtet  wurde,  dadurch  zu  befriedigen,  dass  er  sich  an  die 
Singschüler  des  St.  Stephanschors  anschloss  n.  ihnen  allerlei  kleine 
Komödien  verfertigte,  wofür  sie  ihm  im  Gesang  u.  in  den  Instrumenten 
einige  Unterweisung  gaben.  Begierig  fasste  er  es  auf  u.  ward  auf 
diese  Weise  mit  fast  allen  Instrumenten  bekannt.  Die  Theorie  der 
Musik  studierte  er  heimlich  nach  dem  „Gradus  ad  Pamassum"  von 
Fux.  Bald  begann  er  sich  in  Kompositionen  zu  üben  und  um  nach 
Italien  zu  kommen,  trat  er  als  Sekretär  in  die  Dienste  eines  Grafen. 
Dann  reiste  er  mit  einem  Wiener  Arzte  bis  nach  Venedig.  Durch 
Fieber  zur  Rückkehr  gezwungen,  ging  er  wieder  nach  Wien,  wo  unter- 
dessen sein  Vater  ihm  bewilligte,   sich  der  Tonkunst  zu  widmen» 


138  Homilius  —  Hothby. 

1745  ward  er  als  Musikdirektor  am  Hoftheater  in  Wien  angestellt. 
Nach  einer  zweiten  Eeise  dnrch  Italien  folgte  er  einem  Enfe  nach 
Stuttgart  1750,  wo  er  ausschliesslich  nur  für  die  Kirche  u.  Kammer 
arbeitete,  n  a.  2  Oratorien,  21  Messen,  37  Motetten,  Miserere  u.  s.  w. 
1753  zum  Kp.-M.  in  Mannheim  ernannt,  komponierte  er  nun  viele 
Jahre  nur  für  die  Bühne.  1756  unternahm  er  eine  dritte  Eeise  nach 
Italien,  deren  vorzüglicher  Zielpunkt  Eom  war;  später  besuchte  er  Paris. 
Nach  1772  komponierte  er  wieder  viele  Kirchensachen,  Messen,  Psalmen, 
Motetten  u.  a.    Er  starb  am  7.  April  1783  an  einer  Brustentzündung. 

Homilias,  Gottfried  August,  geb.  zu  Eosenthai  an  der 
böhmischen  Grenze  am  2.  Febr.  1714,  seit  1742  Organist  an  der  Frauen- 
kirche zu  Dresden,  leistete  im  Orgelspiel  Vortreffliches.  1755  wurde 
er  Musikdirektor  an  den  drei  Hauptkirchen  daselbst  und  Kantor  an 
der  Kreuzschule,  die  er  zu  besonderer  Blüte  brachte.  Er  verwendete 
seine  übnge  Zeit  ganz  auf  Kirchenkompositionen  u.  war  so  anspruchs- 
los, dass  er  das  Wenigste  davon  durch  Druck  bekannt  machte.  In 
Chören  ist  er  gross,  in  Arien  aber  kalt  u.  steif.  Seine  Motetten  (mit 
deutschem  Text)  sind  Muster  dieser  Gattung.  Er  starb  den  1.  Juli 
1785  in  Dresden. 

Horak,  Em.  Wenzel,  geb.  den  1.  Jan.  1800  zu  Mscheno  in 
Böhmen,  begann  seine  musikalische  Laufbahn  als  Chorknabe  in  Prag, 
woselbst  er  auch  die  lateinische  Schule  besuchte.  Da  ihm  die  Mittel 
fehlten,  bei  Tomaschek  Unterricht  zu  nehmen,  so  war  er  bei  seinen 
Studien  zumeist  auf  sich  selbst  angewiesen.  Er  wirkte  später  als 
Organist  u.  Chorregent  an  der  Adalbertskirehe  in  Prag,  1834  erhielt 
er  für  sein  „Te  Deum"  u.  „Veni  sancte  Spiritus"  den  Preis  u  wurde 
später  Mitglied  des  Mozarteums  in  Salzburg.  Seine  Messen  (acht)  waren 
früher  sehr  gesucht;  doch  gebricht  manchmal  den  Melodien  der- 
selben der  klassische  Ernst  u.  die  ruhige  Kraft.  Die  Instrumente 
behandelt  er,  besonders  in  den  neueren  Werken,  mit  ziemlicher  Ein- 
schränkung, —  den  Gesang  lässt  er  gebührend  hervortreten.  Im  Druck 
erschienen  noch  einige  Gradualien  u.  einige  wenige  andere  Kirchen- 
stücke; ausserdem  eine  Gesangschule  u.  eine  Abhandlung  über  die 
„Mehrdeutigkeit  der  Accorde."  f  5.  Septbr.  1871  als  Eegenschori  an 
der  Hauptpfarrkirche  im  Teyn  zu  Prag.  -• 

Hothby  od.  Octobi,  Ottobi,  P.  Joannes,  ein  englischer 
Karmelitennönch,  kam,  nachdem  er  etwa  seit  1444  in  Florenz  u.  Ferrara 
verweilt  hatte,  1467  nach  Lucca,  wo  er  achtzehn  Jahre  lang  als  Dom- 
kapellmeister, Gesanglehrer  u.  Vorsteher  einer  Schule  wirkte.  1486 
wurde  er  vom  Könige  von  England  heimberufen  u.  starb  schon  im 
folgenden  Jahre.  Coussemaker  edierte  von  ihm  im  III.  Bd.  der  Script.: 
1)  „Proportiones"  v.  J.  1471;  2)  „Contrapunctus";  3)  „de  Canta 
figurato."  Ausser  diesen  kleinen  Traktaten,  welche  nur  Aufeeichnungen 
eines  Schülers  H.'s  zu  sein  scheinen,  macht  er  noch  Meldung  von 


r 

L 


Hucbald  —  Hübner.  139 

4)  „Tractatns  de  proportionibus/'  5)  „Dialogos  de  arte  musica/^ 
6)  „Epistola."  Acht  aber  sind:  7)  „J.  Octobi  reg^e  contrapuncti"  n, 
,36gnle  cantns  mensuralis,"  welche  (Conssemaker  nnbekannt)  aaf  der 
Lyzemnsbibliothek  zu  Bologna  vorhanden  sind;  ebenso  8)  ,,£xcitatio 
qnaedam  per  refiitationem/'  gegen  Barth.  Eaniis  gerichtet.  Ebenfalls 
acht  erscheint  9)  die  von  Conssemaker  in  seiner  L'harmonie  du  moyen 
äge  yeröfientlichte  „Oalliopea."    (Vgl.  Kirchenmusik.  Jahrbuch  1893.) 

Hnobald,  auch  übaldus,  Hübaldus  genannt,  ein  in  der  mittel« 
alterlichen  Musikgeschichte  hochgerühmter  Name,  geb.  um  840,  war 
ein  Verwandter  u.  Schüler  des  durch  Alcuin  gebildeten  Milo,  welcher 
unter  Ludwig  dem  Frommen  der  berühmten  Klosterschule  zu  St.  Amand 
sur  TElnon  in  Flandern  vorstand.  Daher  mag  auch  der  Name  „Monachus 
Elnonensis**  für  Hucbald  sich  herschreiben.  872  folgte  er  seinem 
Lehrer  in  der  Vorstandsehaft  des  Klosters,  883  ging  er  nach  dem 
Kloster  St.  Bertin,  um  dort  die  Klosterschule  zu  leiten,  zehn  Jahre 
später  berief  ihn  der  Erzbischof  Fulco  von  Eheims  zu  sich,  um  die 
dortige  Domschule  zu  verbessern.  Im  Jahre  900  kehrte  er  nach  St. 
Amand  zurück,  das  er  nun  nimmer  verliess  u.  wo  er  930  in  hohem 
Alter  starb.  Die  sein  Grabdenkmal  zierende  Aufschrift  rühmt  an  ihm 
besonders  die  Milde  seines  Wesens  („simplex  sine  feile  columba,*'  eine 
Taube  ohne  Galle).  Gerbert  hat  im  I.  Bande  seiner  Script,  folgende 
Traktate  unter  dem  Namen  „Hucbald"  ediert:  a)  „De  harmonica 
institutione'^;  „AUa  musica^*;  „De  mensura  organ.  fistularum";  „de 
cymbalorum  ponderibus**;  „de  modis^';  „de  quinque  Symphoniis";  b) 
„Musica  enchüiadis*^;  c)  „Commemoratio  brevis  de  tonis  et  psalmis 
modulandis."  Conssemaker  veröffentlichte  (II.  Bd.  74)  einen  kurzen 
Traktat,  den  er  betitelt:  „Hucbaldi  Monachi  Elnonensis  quaedam  e 
musica  enchiriade  inedita,"  welcher  aber  einen  ziemlichen  Fortschritt  über 
die  Mus.  enchiriad.  hinaus  lehrt  Während  man  schon  früher  Zweifel 
aussprach,  ob  alle  diede  Traktate  einem  Verfasser  angehörten,  u« 
Eaym.  Schlecht  (Monatsblätter  f.  Musik-Gesch.  1874  S.  166)  alle  dem 
Hucbald  vindicierte,  sucht  Dr.  Hans  Müller  („Hucbald's  echte  u.  un- 
echte Schriften  über  Musik"  Leipzig  1884)  nach  ausgedehnten  Unter- 
suchungen zu  beweisen,  dass  die  „Mus.  enchiriadis"  einem  jüngeren 
Hucbald  angehöre,  als  die  ,Jnstitutio  harmonica*'^  Doch  sei  dem  wie 
ihm  wolle,  beide  Traktate  (u.  auch  die  Commemoratio)  sind  von  hoher 
Wichtigkeit,  namentlich  die  „Musica  enchiriadis,"  in  welcher  sowohl 
von  Linien,  als  auch  von  eigenen  Tonzeichen  (Dasian-Notierung)  aus^ 
gedehnter  Gebrauch  gemacht  u.  die  Gesänge  der  mehrstimmigen  Musik, 
das  Organum  oder  die  Diaphonie  gelehrt  werden. 

Hfibner,  J  o  s  e  t»  h ,  geb.  zu  Kleppelsdorf  bei  Lähe  den  13.  Aug. 
1755,  war  besonders  thätig  in  mehreren  katholischen  Gemeinden 
Schlesiens)  auch  in  Breslau,  wo  er  Pfarrer  u.  Universitätsprediger  war, 
den  allgemeinen  deutschen  Kirchengesang    einzuführen.     Als   Ober- 


140  Hugo  von  Reutlingen  —  Jacopone. 

koDBistorialrath,  Assessoiv  bei  der  k.  Schuldirektion  u.  Domprediger, 
welche  Ämter  er  nacheinander  bekleidete,  konnte  er  das  begonnene 
Werk  mit  mehr  durchgreifender  Kraft  fortsetzen,  so  dass  Schlesien  ihn 
als  vorzüglichen  Yerbesserer  des  katholischen  Kirchengesanges  u.  der 
Kirchenmusik  in  ehrendem  Andenken  hält.  Er  starb  zu  Breslau  im 
Jahre  1810. 

Hugo  von  Reutlingen,  geb.  1285  od.  86,  gest.  1359  od.  60,  ist 
bekannt  durch  seinen  (1488  in  mehreren  Ausgaben)  zu  Strasaburg  er- 
schienenen Traktat:  „Flores  musice  omnis  cantus  Gregoriani.'*  (Siehe 
Monatshefte  f.  MGeschichte  II.  57). 

Hummel,  Johann  Nepomuk,  geb.  zu  Pressburg  den  14.  Nov. 
1778.  Von  seinem  Vater,  welcher  Musikmeister  im  Militärstifte  zu 
Wartburg  war,  wurde  er  schon  in  seinem  vierten  Jahre  auf  der  Violine 
unterrichtet,  zeigte  aber  mehr  Talent  zum  Singen  u.  Klavierspielen. 
Nachdem  sein  Vater  1785  nach  Wien  gekommen  war,  geüoss  der  Knabe 
zwei  Jahre  den  Unterricht  Mozart's ;  später  studierte  er  den  Kontrapunkt 
u.  die  Komposition  unter  Albrechtsberger  u.  Salieri,  u.  vorteilhaft 
wirkten  auf  seine  Bildung  auch  die  Werke  Haydn's  ein.  Bald  trat  er 
mit  seinen  Kompositionen  hervor  u.  kam  dann  in  die  Kapelle  des 
Fürsten  Esterhazy,  in  dessen  Diensten  er  eine  Messe  in  B  schrieb. 
1816  Kp.-M.  in  Stuttgart  geworden,  wendete  er  sich  mit  allem  Eifer 
dem  Pianofortespiel  u.  der  Komposition  für  dies  Instrument  zu  u. 
begründete  von  da  an  seinen  europäischen  Euf  als  Klaviervirtnose ; 
18*<J0  wurde  er  nach  Weimar  als  Kp.-M.  berufen.  Von  da  aus  machte 
er  mehrere  Kunstreisen  nach  Bussland,  Frankreich  u.  England,  überall 
die  höchsten  Auszeichnungen  geniessend.  Er  starb  den  17.  Okt.  1837. 
Von  ihm  existieren  auch  mehrere  Messen,  welche  wohl  massvoll  im 
Satze  gehalten,  aber  grösstenteils  zu  lang  sind;  dann  ein  Graduale  u. 
ein  Offertorium,  welchen  beiden  es  jedoch  an  kirchlichem  Charakter 
gebricht.  Sein  verdienstlichstes  Werk  ist  die  grosse  Klavierschule,  die 
bei  Haslinger  in  Wien  verlegt  ist. 


J. 


Jacopo  von  Bologna,  ein  italienischer  Komponist  des  14.  Jhdts. 
u.  Zeitgenosse  des  Franc.  Landino.  In  einem  Codex  der  k.  Bibliothek 
zu  Paris,  welcher  199  Lieder  zu  2  u.  3  Stimmen  von  Florentiner  Ton- 
künstlern  dieser  Zeit  enthält,  befinden  sich  auch  einige  Gesänge  von 
ihm,  in  der  schwarzen  Notierung  aufgezeichnet. 

Jacopone,  auch  Jacobns  de  Benedi ctis  genannt,  stammte  aus 
der  adeligen  Familie  Benedetti  in  Todi  im  Spoletanischen.  Er  widmete 
sich  anfangs  der  Eechtskunde,  ward  aber  durch  den  Tod  seiner  Fran^ 


Jacotin  —  Jannequin.  141 

welche  beim  Einsturz  eines  Saales  erschlagen  wurde,  so  erschüttert, 
dass  er  dem  weltlichen  Leben  entsagte  u.  Franziskanermönch  warde. 
Als  solcher  trat  er  als  Bussprediger  auf  u.  hielt  scharfe  Strafpredigten, 
selbst  gegen  Papst  Bonifaz  VllL,  welcher  ihn  dafür  in  den  Kerker 
setzte.  1303  ward  er  wieder  frei,  starb  aber  schon  1306.  Seine  „Hymni 
et  prosae  sacrae"  sind  öfter  aufgelegt  worden.  Sein  Name  bleibt  un- 
vergänglich durch  die  Sequenz  „Stabat  mater,"  welche^  er  im  Kerker 
gedichtet  (nach  Einigen  auch  mit  der  Melodie  versehen)  haben  soll. 

Jacoün,  ein  niederländischer  Kontrapunktist  aus  dem  Anfange  des 
16.  Jhdts.,  gest.  24.  März  1529,  war  um  1479  Kapellan  an  Notre  Dame 
zu  Antwerpen.  Im  Verzeichnisse  der  Sänger  in  der  päpstl.  Kapelle 
(Bausteine  von  F.  X.  Haberl  II)  kommt  der  Name  Jacotin  zweimal, 
in  den  Jahren  1468  u.  1519  vor.  1510  erschienen  6stimm.  Messen  unter 
seinem  Namen;  in  mehreren  Sammlungen  finden  sich  Motetten  und 
Chansons  von  ihm.    Messen  von  ihm  finden  sich  in  Msk.  in  Rom. 

Jannaconi,  Guiseppe,  ein  vortrefHlcher  Komponist  der  römischen 
Schule,  war  geb.  um  1741  zu  Eom.  Anfangs  von  S.  Rinaldini,  einem 
päpstlichen  Kapellsänger  in  Gesang  u.  Komposition  unterrichtet,  kam 
er  später  unter  die  Leitung  des  Gaetano  Carpini,  Kapellmeisters  an 
der  Jesuitenkirche.  Mit  Pasch.  Pisari  vereinigt  arbeitete  er  an  der 
Umschrift  der  Werke  Palestrina's  in  Partitur,  wobei  er  soviel  Ver- 
ständnis u.  Talent  an  den  Tag  legte,  dass  Pisari  ihn  vor  allen  seinen 
Kollegen  würdig  hielt,  ihm  die  Tradition  der  römischen  Schule  u.  mit 
dieser  jene  Memoiren,  welche  ihm  von  seinen  Vorgängern  hinterlassen 
worden  waren,  anzuvertrauen.  So  ward  Jannaconi  ein  vollkommener 
Meister  in  jeder  Gattung  des  Styles,  besonders  entwickelte  er  im  8- 
u.  16-stimm.  Satze  eine  geniale  Kraft.  Unter  seinen  vielen  Schülern 
ist  besonders  J.  Baini  hervorzuheben,  welcher  von  ihm  auch  viele. 
Notizen,  Manuskripte  u.  dgl.  für  sein  Werk  über  Palestrina  erhielt. 
1811  wurde  Jnnaconi  als  Zingarelli's  Nachfolger  Kp.-M.  in  St.  Peter 
im  Vatikan.  Am  16.  März  1816  starb  er  infolge  eines  Schlaganfalls. 
Die  Santini'sche  Sammlung  in  Rom  besitzt  viele  Kirchenstücke  von 
ihm,  auch  Fetis  in  Brüssel,  darunter  16-stimm.  Messen  u.  16— 24-stimm. 
Kanons.  In  der  Proske'schen  Bibliothek  zu  Kegensburg  finden  sich  von 
ihm  mehrere  Motetten,  zu  4  Stimmen,  „Tenuisti  manum"  'a  3  voc.  in 
serner  Originalhandschrift  mit  der  Jahrzahl  1794,  ein  „Te  deum"  zu 
4  voc.  u.  ein  ebenfalls  von  seiner  Hand  höchst  zierlich  geschriebener 
Kanon. 

Japneqain,  Clement,  ein  berühmter  französischer  Kontra-^ 
punktist,  unter  der  Kegierung  Franz  L  lebend,  hinterliess  viele  Kom- 
positionen; von  seinen  Lebensumständen  ist  jedoch  nichts  bekannt. 
In  den  Archiven  der  päpstlichen  Kapelle*  befinden  sich  Messen  im 
Manuskript  von  ihm,  1533  erschienen  in  Paris  4stimm.  Motetten,  zu 
Venedig  u*  Paris  zwei  Sammlungen   französ.   Chansons.     Besonder». 


142  Janowka  —  Jeronimo. 

berüfamt  waren  seine  „Inventiones  mnsicales/*  Lyon  1544,  eigentlich 
Tongemälde  zu  4  u.  5  Singstimmeni  welche  unter  andern  folgende  Titel 
führen:  „Le^caqnet  des  femmes;  le  chant  du  rossignol;  la  chasse  au 
cerf,  n.  s.  w/*  Anch  in  mehreren  Sammlungen  des  16.  Jhdts.  findea 
sich  Arbeiten  von  ihm. 

Janowka,  Thomas  Balthasar,  geb.  zu  Battenberg  in  Böhmen 
nm  1660,  war  Licentiat  der  Philosophie  u.  Organist  za  Prag,  wo  er 
1701  das  erste  musikalische  Wörterbuch  der  neuem  Zeit  herausgab  mit 
dem  Titel:  „Clavis  et  Thesaurus  magnae  artis  musicae  etc.^' 

Janssen,  N.  A.  ein  holländischer  Priester,  war  lange  Zeit  Orga- 
nist in  Löwen  u.  Gesanglehrer  am  erzbischöfl.  Seminar  in  Mecheln. 
Ausser  mehreren  K.-Kompositionen  erschien  von  ihm  „Les  yrais  prin- 
cipe» du  chant  gr%orien"  (Mecheln,  1845),  deutsch  bearbeitet  von 
J.  E.  B.  Smeddink  (Mainz  1846). 

Jaspers,  Carl,  geb.  26.  Juli  1835  zu  Eees  am  Bhein,  wo  sein 
Vater  Organist  u.  Chordirektor  war,  zeigte  in  frühester  Jugend  schon 
herrliche  Geistesanlagen  u.  grosse  Hinneigung  zur  Musik.  1858  zu 
Münster  zum  Priester  geweiht,,  fungierte  er  als  Kaplan  zu  Sonsbeck, 
Münster  u.  Kevelaer.  1864  befiel  ihn  ein  Kehlkopfleiden  u.  er  wurde 
als  Kaplan  nach  Straelen  ernannt,  wo  er  sich  um  den  Kirchengesang 
mit  grossem  Eifer  annahm.  In  diese  Zeit  fällt  die  Komposition  seiner 
ersten  Messe  für  4  gemischte  Stimmen  in  G-dur;  seine  zweite  Mess^ 
in  F-dur  wurde  als  Hauptvereinsgabe  des  Cäcilienvereins  ausgegeben, 
durch  sie  wurde  er  auch  als  Komponist  in  weiteren  Kreisen  bekannt 
Ende  1881  stellte  er  noch  eine  lU*  Messe  fertig.  Ausserdem  schrieb 
er  noch  viele  kleinere  Stücke,  die  meist  nicht  an  die  Öffentlichkeit 
kamen.  Von  seinem  langwierigen,  harten  Leiden  erlöste  ihn  der  Tod 
d.  28.  Juni  1882. 

Jelensperger,  Daniel,  1797  in  der  Nähe  von  Mtihlhausen  geb., 
schon  frühzeitig  in  der  Musik  unterrichtet,  ward  anfänglich  in  Mainz 
und  Ofifenbach  in  Noten -Steindruckereien  angestellt.  Zu  ähnlicher 
Beschäftigung  kam  er  bald  nach  Paris.  Dort  begann  er  einige  Zeit 
nachher  seine  höheren  musikalischen  Studien  mit  solchem  Erfolge,  dass 
er  als  Bepetitor  u.  dann  als  Professor-Adjunct  am  Konservatorium 
angestellt  wurde.  1830  erschien  sein  Werk  „L'harmonie  au  commen- 
cement  du  19.  siöcle  et  methode  pour  Tfetudier"  zu  Paris  in  Druck, 
welches  Häser  in  Leipzig  in  deutscher  Übersetzung  herausgab.  Jelens- 
perger  übersetzte  in*s  Französische  die  Häser'sche  Chorgesangschule 
und  Hummels  Klavierschule.  Gestorben  ist  er  am  31.  Mai  J1831  zu 
Mühlhausen. 

Jeronimo,  P.  Francisco  de,  ein  portugiesischer  Hieronymitaner- 
Mönch,  geb.  zu  Evora  1692,  Kp.-M.  in  seinem  Kloster  zu  Belem, 
schrieb  viele  8 — 16'Stimmige  Besponsorien,  8-stimm.  Messen,  Hymnen, 
Psalmen,  Motetten  u.  a.  m. 


Jesus  —  Johann  Georg  IT,  143 

Jesus,  Antonio  de,  aus  Lissabon  gebürtig,  war  Mönch  u.  von 
1636  an  bis  zu  seinem  Tode,  den  15.  April  1682,  Professor  der  Musik 
an  der  Universität  zu  Ooimbra.  Die  Bibliothek  zu  Lissabon  bewahrt 
Kompositionen  von  ibm*  —  Bernardino  de  Jesus,  aucb  S e n a 
genannt,  geb.  1599  zu  Lissabon,  trat  1615  zu  Vianna  in  den  Franzis- 
kanerorden, u.  war  als  vorzüglicher  Sänger  u.  Komponist  auch  von 
König  Johann  lY.  sebr  geschätzt.  Er  starb  den  10.  April  1669;  die 
dortige  Bibliothek  bewahrt  mehrere  seiner  Kirchenkompositionen.  — 
Gabriel  de  Jesus,  ebenfalls  ein  Ordensgeistlicher,  aus  Leiria - 
gebürtig  um  die  Mitte  des  17.  Jhdts.,  wird  gerühmt  als  Orgel-  und 
Harfenspieler  wie  als  Komponist.  Besonders  werden  5  seiner  Motetten 
„Para  as  quinze  Estaijones  da  via  sagra  etc."  hervorgehoben. 

Jngegnierl,  Marco  Antonio,  geb.  um  1545  zu  Venedig,  war 
bereits  1576  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Cremona,  in  welcher  Stellung 
er  wahrscheinlich  bis  zu  seinem  Tode,  sicher  bis  1591  verblieb.  Er 
war  Lehrer  des  Gl.  Monte  verde  u.  gab  in  Druck:  ein  Buch  5-  u.  Sstimm. 
Messen' (1573);  ein  Buch  5stimm.  Messen  (1587);  4  Bücher  Madrigale 
zu  4  u.  5  Stimmen  (1578—1584);  Sacrae  cantiones  5stimmig  (1576); 
Sacrae  cantiones,  7— 16stimm.  (1589)  u.  Eesponsoria  hebdomadae  sanctae 
(1581).    Auch  in  Sammlungen  finden  sich  einige  Madrigale  von  ihm. 

Joanelli,  Pietro,  ein  ital.  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts.,  geb.  zu 
Gandino  bei  Bergamo.  1568  erschien  von  ihm  zu  Venedig  eine  Samm- 
lung Motetten  unter  dem  Titel  „Novi  atque  Catholici  Thesauri  Musici 
libri  quinque,  quo  selectissimae  planeque  novae,  nee  unquam  in  lucem 
editae  cantiones  sacrae,  quas  vulgo  Moteta  vocant,  continentur  8,  7, 
6,  5  ac  4  vocum,  a  praestantissimis  ae  hujus  aetatis  praecipuis  Sym- 
phoniacis  compositae  ...  ad  omnis  generis  instrumenta  Musica  acco- 
modata.**  (Venedig  1568.)  Die  Proske'sche  Bibliothek  besitzt  von 
diesem  seltenen  Werke,  welches  wegen  der  überaus  grossen  Reich- 
haltigkeit u.  der  darin  vertretenen  alten  Autoren  besonders  kostbar 
ist,  ein  vollständiges  u.  prachtvolles  illuminiertes  Exemplar. 

Joao,  (Johann)  IV.  König  von  Portugal,  geb.  als  Herzog  von 
Braganza  1604,  lebte  bis  in  sein  26.  Jahr  aus  Neigung  als  Privatmann 
ausschliesslich  den  Künsten  u.  Wissenschaften.  Auch  nach  seiner 
Thronbesteigung,  am  1.  Sept.^  1640,  ward  er  dieser  seiner  Neigung 
nicht  untreu.  Ausser  einigen  musikalischen  Abhandlungen  komponierte 
er  unter  anderm  viele  Motetten,  von  denen  1674  zwei  in  Druck  er- 
schienen; auch  besass  er  die  ausgezeichnetste  u.  vollständigste  musi- 
kalische Bibliothek  in  Portugal.    Er  starb  am  6.  Nov.  1656. 

Johann  Georg  II.,  Kurfürst  von  Sachsen,  geb.  den  31.  Mai  1613, 
regierend  von  1656—1680,  beschäftigte  sich  viel  mit  Musik,  namentlich 
hat  er  viele  Kirchenmusiken  komponiert.  Er  starb  zu  Freiberg  am 
16.  Aug.  1680. 


r 


144  Johannes  Damascenus  —  Jomelli. 

Johannes  Damascenus,  der  hl.,  über  dessen  Geburts-  n.  Todes- 
jahr nichts  bekannt  ist,  wird  als  der  letzte  der  griechischen  Kirchen- 
väter bezeichnet;  in  ihm  erstand  der  alten  Kirche  noch  einmal  ein 
gewaltiger  Wortführer,  da  allenthalben  im  griech.  Reiche  ein  Verfall 
um  sich  griff.  Darum  erhielt  er  auch  den  ehrenden  Beinamen 
„Chrysorrhoas.'*  Seine  Thätigkeit  fällt  in  die  Zeit  der  Bilderstürmerei, 
um  726  trat  er  als  theologischer  Schriftsteller  u.  Vertheidiger  der 
Bilder  auf.  In  dem  Kloster  bei  Jerusalem  scheint  er  gestorben  zu  sein. 
Er  wird  auch  unter  die  hervorragendsten  Hymnendichter  der  griech* 
Kirche  gezählt;  zugleich  wird  von  ihm  gerühmt,  dass  er  den  litur- 
gischen Gesang  der  griech.  Kirche  geordnet  u.  die  byzantinische 
Notenschrift  reformiert  habe. 

Johann  von  Fulda,  Mönch,  lebte  gegen  Ende  des  9.  Jhdts.  u. 
war  als  Dichter  u.  Tonkünstler  ein  Schüler  des  Rhabanus  Maums. 
Er  soll  der  erste  gewesen  sein,  welcher  in  Deutschland  Kirchengesänge 
in  Musik  setzte. 

Johann  Langus,  Mönch  zu  St.  Gallen  u.  vortrefflicher  Musiker 
aus  dem  10.  Jhdt.,  versah  mehrere  von  seinen  Brüdern  verfasste  Prosen 
u.  Sequenzen  mit  ausgezeichneten  Melodien.  —  Ein  Mönch  Johannes 
zu  St.  Mathias  bei  Trier  wird  aus  dem  11.  Jhdt.  auch  gerühmt  als 
gelehrt  in  allen  Fächern,  besonders  aber  ausgezeichnet  in  der  Musik; 
er  dichtete  u.  komponierte  viele  Gesänge  u.  Prosen. 

Johann  von  Mantua,  ein  merkwürdiger  musikalischer  Schriftsteller 
des  14.  Jhdts.,  geh,  zu  Namur,  wo  er  sich  hauptsächlich  im  Gesänge 
ausbildete.  In  Italien,  wohin  er  frühzeitig  kam,  studierte  er  neben  den 
theologischen  Wissenschaften  auch  die  Musik  unter  Victorino  von 
Eeltri.  Darauf  trat  er  in  ein  Karthäuserkloster  zu  Mantua,  woher 
auch  sein  Beiname  „Mantuanus  Garthusius.'*  Hier  erschien  um  1380 
seine  berühmte  musikalische  Abhandlung  „Libellus  musicalis  de  ritu 
canendi  etc.",  worin  er  vom  Choralge  sänge,  vom  Monochord,  von  den 
Konsonanzen,  den  Kirchentönen,  den  Tonzeichen,  der  Solmisation  u. 
vom  Kontrapunkte  handelt.  Manuskripte  davon  finden  sich  im  brittischen 
Museum  u.  in  der  Vatikan.  Bibliothek. 

Jomelli,  Nicolo,  geb.  den  10.  Sept.  1714  zu  Aversa  im  Neapo- 
litanischen, wo  er  schon  frühzeitig  Musikunterricht  erhielt,  studierte 
um  1730  am  Konservatorium  della  Pietä  in  Neapel.  1740  wurde  er 
nach  Eom  berufen,  wo  er  durch  seine  Opern  die  Römer  ganz  für  sich 
gewann.  Doch  ging  er  in  selben  Jahre  noch  nach  Bologna,  wo  er 
neben  seiner  Wirksamkeit  für  die  Bühne  die  Ratschläge  u.  Belehrungen, 
des  P.  Martini  nicht  unbenutzt  liess.  1747  wurde  er  zum  Direktor  des 
Konservatoriums  degli  Incurabili  in  Venedig  ernannt,  wo  er  auch, 
mehrere  doppelchörige  Kirchenwerke  schrieb.  1749  ward  er  Substitut 
des  Kp.-M.  Bencini  an  der  St.  Peterskirche  in  Rom  u.  blieb  hier  bis^ 
zu  seiner  Berufong  als  Hofkapellmeister  in  Stuttgart  1754  durch  den 


Joseph  —  Jouve.  145 

kunstsinnigen  Herzog  Carl  von  Württemberg,  welche  Stelle  er  mhm- 
Yoll  bis  zur  Auflösung  der  Hofkapelle  1766  bekleidete*  Dann  zog  er 
sich  wieder  nach  Neapel  u.  Aversa  zurück,  wo  er  25.  Aug.  1774  starb. 
Neben  44  Opern  schrieb  er  an  Eirchenwerken :  mehrere  Messen, 
Psalmen,  GraduaHen  u.  s.  w.,  darunter  ein  doppelchöriges  Dixit,  Laudate, 
Miserere,  Magnificat,  sein  berühmtes  Miserere  für  2  Soprane  u.  Orchester, 
ein  Eequiem. 

Joseph,  (Joseph i)  Georg,  war  um  die  Mitte  des  17.  Jhdts. 
Eapellmüsiker  des  Fürstbischofs  von  Breslau.  Er  gab  eine  sehr  ge- 
rtUunte  Sammlung  geistlicher  Lieder  unter  dem  Titel  „Heilige  Seelen- 
lust,'* (Breslau,  1668  und  1697)  heraus. 

Josqnln  des  Pros,  auch  Depröz,  Jodocus  de  Prato  oder 
Pratensis,  zuweilen  auch  Jossien  genannt,  gehört  unter  die 
merkwürdigsten  Männer  seiner  Zeit,  u.  doch  haben  wir  trotz  seiner 
Berühmtheit  nur  sehr  unzuverlässige  Nachrichten  über  sein  Geburts- 
u.  Todesjahr,  sowie  über  seine  Herkunft.  Niederländer,  Deutsche, 
Franzosen  u.  Italiener  stritten  sich  um  die  Ehre,  ihn  den  Ihrigen  zu 
nennen.  Vielerlei  Untersuchungen  ergaben:  Josquin,  geb.  zuVermand 
bei  St.  Quentin  in  der  eigentiichen  Picardie  (also  ein  Niederländer) 
um  1440,  kam  in  seiner  Jugend  als  Sängerknabe  an  das  Collegiatstift 
in  St.  Quentin;  nach  seinem  Stimmenwechsel  ging  er  in  die  Musikschule 
Okenheim's  (um  1544),  um  den  Eontrapunkt  zu  studieren,  worauf  er 
wieder  nach  St.  Quentin  zurückkehrte  u.  so  lange  dort  blieb,  bis  er 
unter  Sixtus  IV.  (1471—1484)  einen  Kuf  an  die  päpstliche  Eapelle  er- 
hielt Daselbst  entfaltete  er  solche  Talente,  dass  Bahii  von  ihm  sagt: 
,Er  war  in  kurzer  Zeit  das  Ideal  von  ganz  Europa  geworden . . .  Seine 
Eompositionen  verdrängten  in  den  Eapellen  bald  alles,  was  vor  ihm 
da  war."  Von  Eom  ging  er  nach  Cambrai  u.  wurde  von  Ludwig  Xn. 
Eönig  von  Frankreich  (nicht  vor  1498)  zum  ersten  Sänger  an  seiner 
Eapelle  berufen.  Er  starb  zu  Cond6  am  27.  Aug.  1521.  Seine  kontra^ 
punktischen  Arbeiten  waren  meisterhaft  u.  wurden  stets  als  Muster 
anerkannt.  Die  päpstliche  Eapelle  bewahrt  auch  noch  viele  seiner 
Manuskripte,  z.  B.  mehr  als  20  Messen,  u.  eine  grosse  Sammlung 
Motetten.  Die  Proske'sche  Bibliothek  besitzt  9  Messen  u.  eine  Menge 
Motetten,  Psalmen,  (darunter  den  24stimm.  „Qui  habitat  in  adjutorio") 
u.  di^  Codices,  aus  denen  Proske  eigenhändig  diese  Eompositionen  in 
Partitur  brachte. 

Joaye,  EspritGustave,  Archäologe,  Eomponist  u.  musika- 
lischer Schriftsteller,  geb.  am  1.  Juni  1805  zu  Buis  (Dep.  Drdme)  seit 
1839  Eanonikus  an  der  Eathedrale  zu  Valence,  gab  folgende  musika- 
lische Werke  heraus:  „Etüde  bist  et  philos.  sur  les  principales  §coles 
de  composition  musicale  en  Europe  de  1350  ä  la  premi^re  moiti^  du 
XVn.  si^le"  (Rennes,  1855);  „Phüosophie  du  chant"  (Rennes,  1855); 
„Dictionnaire  d'^sthetique  chr^tienne  ou  th^orie  du  beau  dans  Tart  ehret, 

Kornmfiller,  Lexikon.    IL  Bd.  10 


146  Isaak  —  Judice. 

rarchitecturei  la  mnsique  etc/^  (Paris,  1856);  „Lettres  sur  le  moave- 
ment  litorg^que  romain  en  France  durant  le  XIK.  siöcle**  (Paris,  1858). 
Überdies  veröffentlichte  er  mehrere  Artikel  Aber  gregporianischen 
Choral  u.  dgl.  in  französischen  Mosikzeitschriften,  abgesehen  von 
Werken  nnd  Abhandinngen  über  andere  Knnstgegenstände.  Von  seinen 
Kompositionen  sind  einige  dreistimmige  Messen  mit  Orchester  und 
Orgel  anzuführen. 

Isaaky  Heinrich,  einer  der  ältesten  u.  tüchtigsten  Kontra- 
ponktisten  Deutschlands,  war  aus  Flandern  gebürtig,  Schüler  Josqnin's. 
Hochgeschätzt  waren  seine  Kirchenkompositionen,  von  welchen  GUreaa 
rühmt,  dass  sie  sich  durch  eine  besondere  Kraft  u.  Erhabenheit  aus- 
zeichnen, u.  von  einer  so  yortrefflichen  Harmonie  verschönert  werden, 
dass  sie  alles  derzeitige  überträfen.  Bei  den  Italienern  hiess  er 
gewöhnlich  „Arrigo  Tedesco/*  Sein  Euhm  verbreitete  sich  auch  in 
Deutschland,  so  dass  Kaiser  Maximilian  I.  ihn  zn  seinem  Kp.-M.  er- 
nannte. Von  seinen  Schülern  ist  der  namhafteste  Ludw.  Senfl,  der 
auch  sein  Nachfolger  wurde.  Isaaks  Todesjahr  mag  etwa  1517  sein, 
da  sein  Testament  v.  4.  Dez.  1516  datiert  ist.  Seine  Kompositionen 
sind  zahlreich,  sie  finden  sich  in  mehreren  Sammlungen,  die  Münchener 
Bibliothek  besitzt  deren  viele  im  Manuskript,  die  Proske'sche  Bibliothek 
in  Begensburg  neben  anderen  auch  sein  Werk  „Ghoralis  Constantini'* 
a  4  voc.  in  drei  Teilen  (Nürnberg  1555). 

Isidor  von  Sevilla,  (Hispalis)  war  zu  Carthagena  gegen  Ende 
des  6.  Jhdts.  geboren.  Im  Jahre  600  folgte  er  seinem  altern  Bruder 
Leander  auf  dem  bischöflichen  Sitze  von  Sevilla  nach,  den  er  bis  zu 
seinem  Tode,  den  4.  April  636,  einnahm.  Schon  von  seinen  Zeitgenossen 
war  er  als  der  gelehrteste  seines  Jahrhunderts  gepriesen;  er  umfasste 
alle  W^issenschaften,  die  man  in  seiner  Zeit  betrieb.  Unter  seinen 
Werken  zeichnet  sich  besonders  der  grosse  compilatorische  „Codex 
Originum  sive  Etymologiarum,  XX.  libr.'^  aus,  welcher  auf  die  philo- 
sophische u.  theologische  Bildung  der  folgenden  Zeit  einen  grossen 
Einfluss  übte.  Darin  handehi  die  ersten  9  Kapitel  des  dritten  Buches 
von  der  Musik,  u.  zwar  werden  noch  die  griechischen  Theoremen  vor- 
getragen. Gerbert  führt  diesen  Traktat  in  seinen  Script,  ecd.  I.  p. 
19  ff.  auf. 

Isnardi,  Paolo,  geb.  zu  Ferrara  in  der  ersten  Hälfte  des  16. 
Jhdts.,  war  Mönch  im  Kloster  Montecassino,  dann  Superior  dieses 
Klosters  u.  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Ferrara.  Er  starb  in  einem 
Alter  von  60  Jahren.  Man  kennt  von  ihm  mehrere  Sammlungen  Messen, 
Motetten,  Psalmen,  Falsibordoni  u.  s.  w.,  die  von  1561—1594  zu  Venedig 
im  Druck  erschienen. 

Jadice,  Cesarede,  geb.  den  28.  Jan.  1607  zu  Palermo,  studierte 
in  seiner  Jugend  neben  den  Wissenschaften  auch  die  Musik  mit  grossem 
Fleisse.    1632  ward  er  Doktor  u.  1650  Generalvisitator  in  Val  di  Note 


Jnmentier  —  Justinus  k  Despons.  147 

zu.  Palermo,  wo  er  auch  am  13.  September  1680  starb.  Er  komponierte 
mehrere  zwei-  bis  vierstimmige  konzertierende  Madrigalen,  auch 
Motetten  n.  1666  ein  Eeqniem  zur  Leichenfeier  König  Philipp  IV. 
Von  seinen  Madrigalen  n.  Motetten  erschienen  1628  eine  Sammlung 
zu  Messina,  eine  andre  1635  zu  Palermo. 

Jamentier,  Bernard,  geb.  zu  L^vas  bei  Chartres  am  24.  März 
1749,  war  von  seinen  Eltern  zum  geistlichen  Stande  bestimmt,  doch 
widmete  er  sich  der  Musik,  welche  er  unter  Delalande,  Kp.-M.  zu 
Chartres,  studierte.  In  seinem  24.  Jahre  schon  wurde  er  als  Vorsteher 
der  Maitrise  in  St.  Malo  angestellt;  1776  kam  er  als  Kp.-M.  an  das 
k.  Capitel  von  St.  Quentin,  woselbst  er  am  17.  Dez.  1829  starb.  Er 
schrieb  viele  Eirchensachen,  welche  gertUimt  werden,  von  denen  aber 
nichts  im  Druck  erschien. 

Jnmilhao,  Pierre  Benoit  de,  ein  Benediktüiermönch  aus  der 
Mauriner-Eöngregation,  war  im  Jahre  1611  im  Schlosse  St.  Jean  de 
Ligoure,  Diözese  Limoges,  geboren.    Nachdem  er  seine  philosophischen 
Studien  vollendet  hatte,  trat  er  1629  in  das  Benediktinerstift  St.  Bemi 
in  Bheims  ein*    Einen  spätem  kurzen  Aufenthalt  in  Bom,  wohin  er 
von  seinen  Obern  geschickt  worden,  benutzte  er  besonders  auch  dazu, 
unter  dem  Beistande  der  gelehrtesten  Männer  sich  gründlich  mit  der 
Liturgie  bekannt  zu  machen,  wodurch  er  sich  beföhigte,  nach  seiner 
Btlckkehr  das  Ceremoniale  monasticum  verbessert  herauszugeben.    Sein 
Hauptverdienst  aber    ist    die   Abfassung    eines   Choralgesangbuches, 
welches  er  eigentlich  nur  für  die  Kongregation  bearbeitete,  das  aber 
doch  eine  weitere  Verbreitung  fand,  in  Frankreich  auch  später  eines 
grossen  Ansehens  sich  erfreute  u.  in  neuester  Zeit  zu  Paris  wieder  in 
neuer  Auflage  erschien.    In  diesem  Werke,  welches  den  Titel  trägt: 
,Jia  Science  et  la  pratique  du  piain- chimt   etc.   par  un  Beligieux 
Benedictin  de  la  Congregation  de  S.  Maur**  (Paris,  1673),  fasst  er 
alles  zusammen,  was  auf  die  Theorie  u.  Praxis  des  Choralgesanges 
Bezug  hat,  u.  lehrt  es  in  8  Hauptstücken,  von  denen  jedes  wieder  in 
mehrere  Unterabteilungen  zerfällt    Da  er  dem  Werke  seinen  Namen 
nicht  beidrucken  liess,  versuchten  es  einige,  die  Autorschaft  dem  P. 
Jacob  de  Clerc  zuzuschreiben,  was  aber  Martenne  gründlich  widerlegt 
hat.    Er  bekleidete  mehrere  höhere  Ämter  seines  Ordens,  1654  wurde 
er  zum   Generalvisitator  der   Provinz  Toulouse,    bald  darauf  zum 
Assistenten  des  P.  Oenerals  der  Kongregation  ernannt.    1660  begann 
er  zu  kränkeln,  erholte  sich  jedoch  wieder,  bis  ihn  1682  eine  neue 
Krankheit  befiel,  welcher  er  nach  kurzer  Zeit  im  Kloster  S.  Germain 
de  Pros  am  21.  April  desselben  Jahres  erlag. 

Jnstiiias  k  I>espoiis,  Karmelitermönch  u.  Organist  zu  Würzburg 
von  1711—1723,  gab  heraus:  „Chirologia  Organico-Musica,"  ein  Lehr- 
buch des  Orgelspiels,  u.  ,J£usikali8che  Arbeit  und. Kurzweil,  d.  i.  kurze 
und  gute  Begel  der  Componir-  und  Schlagkunst  u.  s.  w.**    In  beiden 

10* 


" 


148  Kaim  —  Elaiser. 

Werken  sind  auch  längere  Kompositionen  von  ihm  enthalten;  die 
Mehrzahl  seiner  Werke,  die  er  seit  18  Jahren  gearbeitet  hatte,  wurden 
ihm  aber,  wie  er  in  der  Vorrede  zu  ersterem  Bnche  klagt,  auf  einer 
Beise  an  der  italienischen  Grenze  geranbt. 


K. 

Kalm,  Adolph,  geb.  15.  Juni  1825  zu  Schelklingen  bei  Ulm» 
t  4.  Ang.  1887  zn  Biberach,  genoss  in  seiner  Jngend  Mnsikonterricht 
von  Pfarrer  Beihing  in  Schmiechen,  welcher  ihn  später  auch  in  die 
Musiktheorie  einführte.  K.  widmete  sich  dem  Lehrfache  u.  erhielt  1848 
die  Unterlehrstelle  in  Biberach,  woselbst  er  1852  vom  Stiftungsrate 
zum  Ohorregenten  gewählt  wurde.  Dem  Schulstande  entsagend,  be- 
trachtete er  es  als  seine  wichtigste  Aufgabe,  seinen  Chor,  welcher  bis 
dahin  auch  ein  Kind  seiner  Zeit  war,  auf  ernstere  kirchliche  Bahnen 
zu  lenken.  Die  Idee  des  Gäcilienvereins  ergriff  er  mit  lebhaften 
Interesse  u.  ward  der  eifrigste  Beförderer  desselben  in  Württemberg. 
Von  seinen  Kompositionen  erschienen  ün  Druck:  Missa  „Jesu  Bedemptor,*' 
Missa  S.  Anna,  Missa  S.  Caecilia,  Missa  S.  Paulina,  Missa  S.  Henrici, 
1  Te  Deum,  Vesperpsalmen  xl  Hymnen,  1  Domine  salvum  fac,  und 
mehrere  weltliche  Kompositionen. 

Kammerlander,  Carl,  geb.  den  30.  April  1828  zu  Weissenhom 
in  Schwaben,  erlernte  schon  im  elterlichen  Hause  tüchtig  Musik,  so 
dass  er  während  seiner  Studien  in  Augsburg  die  Organistenstelle  zu 
St.  Stephan  6  Jahre  lang  versehen  konnte.  Nach  vollendeter  dritter 
(Jymnasialklasse  wendete  er  sich  ganz  der  Musik  zu  u.  erhielt  zuerst 
gründlichen  Unterricht  vom  Domorganisten  C.  Kempter.  Dann  studierte 
er  die  besten  Partituren,  vorerst  kirchlicher  Musik,  u.  nahm  an  allen 
musikalischen  Produktionen  den  lebhaftesten  Anteil.  Die  Anerkennung 
seiner  Kompositionen  von  Seite  des  KapeUmeisters  C.  L.  Drobisch 
(f  20.  August  1854)  ermutigte  ihn,  für  den  Studienchor  St.  Stephan 
mehrere  Psalmen  u.  Gradualien  u.  einige  Vokalmessen  mit  Orgel- 
begleitnng  zu  komponieren.  1853  wurde  er  zum  Chordirigenten  an  der 
Pfarrkirche  St  Max  in  Augsburg,  am  14.  Febr.  1867  als  solcher  zu 
St.  Moritz  ernannt,  seit  1871  Domkapellmeister.  Von  seinen  Werken 
seien  ausser  den  genannten  noch  bemerkt:  viele  Lieder  u.  Balladen 
mit  Klavierbegleitung;  Gesänge  für  Männerohöre;  der  XTTT.  Psalm  für 
Gesang  u.  vollständiges  Orchester;  kleinere  Kirchenmusiken  u.  a. 
t  24.  Aug.  1892. 

Kaiser,  ^.  Isfrid,  war  um  die  Mitte  des  vorigen  Jhdts.  Mönch 
in  einem  schwäbischen  Kloster  u.  ward  damals  zu  den  bessern  Kirchen- 
komponisten gezählt.  Mehrere  Messen  von  ihm  sind  in  Augsburg  in 
Druck  erschienen. 


Kauer  —  Keller.  149 

Kaner,  Ferdinand^  geb.  den  8.  Jan.  1751  in  Elein-Thaya  in 
Mähren,  versah  schon  im  Knabenalter  den  Organistendienst  bei  den 
Jesniten  in  Znaym.  Später  kam  er  nach  Wien,  studierte  bei  Heiden- 
reich den  Kontrapunkt  u.  war  abwechselnd  an  mehreren  Theatern  als 
Kp.-M.  n.  Kompositenr  angestellt.  Er  starb  den  13.  April  1831  in 
ärmlichen  Umständen.  Ausser  vielen  Bfihnen-  u.  Kammermusiken, 
Schulen  u.  Übungen  schrieb  er  noch  über  20  Messen,  mehrere  Bequiems 
u.  kleinere  Kirchensachen. 

Keeky  Johann,  Mönch  im  Benediktinerkloster  Tegemsee,  um  die 
Mitte  des  15.  Jhdts.,  war  geboren  zu  Gingen  in  der  Diözese  Augsburg 
u.  lehrte  daselbst  auch  längere  Zeit  als  Professor  der  Theologie. 
Eüien  musikalischen  Traktat  von  ihm  hat  Gerbert  in  seinen  Script, 
eccl  m.  pag.  319—329  abgedruckt:  es  werden  darin  besonders  die 
geometrischen  Proportionen  der  Musik  abgehandelt. 

Keinspeck,  Michael,  ein  Tonkünstler  des  15.  Jhdts.  aus  Nürn- 
berg, schrieb  „Lilium  musice  plane,^*  welches  theoret.  Werklein  1500 
zu  Augsburg  durch  Joh.  Froschauer  gedruckt  erschien,  u.  1506  zum 
zweiten  Male  aufgelegt  wurde.  Die  Noten  sind  in  Holzschnitt  aus- 
geführt, n.  es  gehört  das  Werk  zu  den  ältesten  gedruckten  musikalischen 
Büchern. 

Keller,  Max,  geb.  1770  zu  Trostberg  in  Oberbayem,  Sohn  eines 
Försters,  erhielt  schon  frühzeitig  Musikunterricht  u.  kam  in  seinem 
10.  Jahre  als  Singknabe  in  das  benachbarte  Benediktinerkloster  Seeon, 
wo  er  neben  den  gewöhnlichen  Studiengegenständen  auch  Unterricht 
im  Orgelspiel  u.  Generalbass  von  seinem  altem  Bruder  Joseph,  der 
daselbst  Organist  war,  erhielt.  Nach  dessen  Abgange  versah  der 
18jährige  Max  den  Organistendienst  10  Jahre  lang,  während  welcher 
Zeit  er  Mich.  Haydn  in  Salzburg  kennen  lernte.  Diesen  besuchte  er 
öfter,  um  als  Schüler  seinen  Unterricht  in  der  Komposition  zu  gemessen. 
Von  Seeon  kam  er  nach  Burghausen  u.  von  dort  1801  nach  Altötting 
als  Kapellorganist,  als  welcher  er  bis  1851  wirkte.  Hierauf  pensioniert 
lebte  er  noch  4  Jahre  daselbst,  u.  starb,  geziert  mit  dem  ba3nischen 
Ludwigsverdienstorden,  am  16.  Sept.  1855,  85  Jahre  alt.  Er  schrieb 
sehr  vieles  für  die  Kirche,  einige  grössere  Messen,  Requiem  u. 
Litaneien,  dann  deutsche  Messen  u.  noch  viele  andere  Kirchenmusiken 
im  leichten  Style  für  kleinere  u.  Land-Chöre. 

Keller,  Michael,  geb.  den  29.  Dez.  1800  in  Oberelchingen  bei 
Ulm,  hatte  schon  in  seiner  Heimat  Musikunterricht  genossen,  welchen 
er  während  seiner  Studien  in  Augsburg  unter  Leitung  des  Domkapell- 
meisters Bühler  fortsetzte.  Seine  grossen  Fortschritte  Hessen  ihn  die 
Musik  als  seinen  Lebensberof  ^v^hlen.  Alsbald  wurde  e|  Organist  bei 
St  Georg,  dann  zu  St.  Ulrich,  1835  Gesanglehrer  bei  St.  Stephan, 
1837  Ghorregent  daselbst,  wo  er  die  Auffühnmg  älterer  Kirchenwerke 
z.  B.  von  Palestrina  u.  a«  betrieb.   Hier  machte  er,  ganz  dem  Kirchlich- 


150  Kelz  —  Eempter. 

Ernsten  zugewendet,  eine  tüchtige  Vorschnle  dnrch  fi&r  die  am 
1.  Okt  1839  ihm  übertragene  DomkapeUmeisterstelle,  welcher  er  bis 
an  sein  Lebensende,  den  3.  April  1865,  vorstand.  Sein  Talent  n.  sein 
beharrlicher  Fleiss  im  Forschen,  Denken,  Versnchen,  Prüfen  der  Werke 
der  besten  Meister,  gepaart  mit  tüchtigen  kontrapnnktischen  Stadien, 
erwarben  ihm  anch  als  Komponist  einen  ansehnlichen  Namen.  Das 
vorzüglichste  seiner  Werke  ist  das  „Canticnm  Zachariae,"  das  allj&hrlich 
im  Dome  zn  Angsbnrg  in  der  Oharwoche  aufgeführt  wurde;  ausserdem 
komponierte  er  noch  viele  Gradualien  und  Offertorien,  Hymnen  und 
Antiphonen,  Salve  Begina  (1840),  Te  Deum  (1846),  den  Psalm  „In  exitu 
Israel*'  mit  Instrumentalbegleitung  u.  a. 

Kelz,  Matthäus,  ein  Tonkünstler  des  17.  Jhdts.,  aus  Bautzen 
gebürtig,  studierte  Musik  in  Italien,  ward  dann  Kantor  in  Stargard 
(1626)  u.  einige  Jahre  später  in  Sorau.  Wann  er  daselbst  starb,  ist 
unbekannt.  Man  kennt  von  ihm  zwei  theoretische  Werke:  „Isagoge 
musicae**  u.  „Tractatus  de  arte  componendi,"  welche  aber  äusserst 
selten  anzutreffen  sind;  ausserdem  erschienen  von  ihm  noch  mehrere 
Gesang-  u.  Instrumental-Kompositionen. 

Kempter,  Carl,  geb.  den  17.  Jan.  1819  zu  Limbach,  k.  Ldgr. 
Burgau  in  Schwaben,  zeichnete  sich  schon  in  seinem  12.  Lebensjahre 
als  gewandter  Klavier-  u.  Orgelspieler  aus.  1831  kam  er  nach  Augs- 
burg u.  betrieb  dort  unter  M.  Kellers  Leitung  besonders  Gesang, 
Klavier-  u.  Orgelspiel  nebst  Harmoniestudien,  unter  Dominik  Violin- 
spiel.  Durch  gründliches  Studium  gediegener  Werke  der  alten  u. 
neuen  Zeit  bildete  er  sich  zu  einem  achtungswerten  Komponisten 
heran.  1837  wurde  er  Organist  zu  St.  Ulrich,  1.  Nov.  1839  im  Dom, 
1865  nach  Kellers  Tod  übernahm  er  dessen  Stelle  als  Domkp.-M. 
Seine  Schaffensthätigkeit  war  gross  u.  die  Zahl  seiner  bisherigen 
Kompositionen  steigt  hoch;  er  schrieb  besonders  reügiöse  u.  kirchliche 
Werke,  von  denen  die  Oratorien  „Johannes,"  „Maria,**  „Die  Hirten  von 
Bethlehem,**  „Die  Offenbarung  des  Herrn  (3  Teile),**  dann  ungefähr 
20  Messen,  4  Vespern,  Litaneien,  eine  Sammlung  verschiedener  Kirchen- 
Stücke  unter  dem  Titel  „Der  Landchorregent**  etc.  erwähnt  seien,  dann 
harmonisierte  er  auch  die  deutschen  Kirchengesänge  für  die  Diözese 
Augsburg  unter  Beteiligung  des  Domvikars  M.  Griot  (1859).  Er  starb 
11.  März  1871. 

Kempter,  Friedrich,  Bruder  des  Vorhergehenden,  geb.  zu 
Limbach  den  17.  Oktober  1810,  ist  seit  1841  Musiklehrer  am  Schul- 
lehrerseminar in  Lauingen  u.  veröffentlichte  einen  „Unterricht  und 
Übungen  im  ßeneralbass"  eine  „Auswahl  systematisch  geordneter 
lüngierübungen  u.  Klavierstücke**  u.  „Materialien  zur  Erlernung  eines 
gediegenen  Orgelspiels**  (bei  Böhm  in  Augsburg).  Überdies  kompo- 
nierte er  noch  viele  Kirchenstücke,  Kantaten,  Lieder  u.  s.  w. 


Kerl  —  Kerle.  151 

Kerl,  Johann  Caspar  von,  geb.  1625  in  Sachsen,  erhielt 
frühzeitig  in  Wien  musikalischen  Unterricht  von  dem  Hofkapellmeister 
Valentini;  später  bildete  er  sich  anf  Kosten  Kaiser  Ferdinands  m.  in 
fiom  unter  Garissimi  zu  einem  der  berühmtesten  Tonsetzer  u,  Orga- 
nisten seiner  Zeit  aus.  Bei  der  Krönung  des  Kaisers  Leopold  I.  1658 
zu  Frankfurt  am  Main  riss  der  erzherzogliche  Organist  durch  sein 
wundervolles  Orgelspiel  u.  eine  von  ihm  komponierte  feierliche  Messe 
alles  zur  Bewunderung  hin,  so  dass  der  Kaiser  ihn  in  den  Adelsstand 
erhob  u.  die  Kurfürsten  von  Bayern  u.  der  Pfalz  ihn  als  Kp.-M.  zu 
gewinnen  suchten.  Kerl  zog  es  vor,  in  bayrische  Dienste  zu  treten 
u.  übernahm  sogleich  die  Direktion  der  kurfürstlich  bayrischen  Hof- 
kapelle, als  Nachfolger  des  Budolph  de  Lassus.  In  München  arbeitete 
er  mit  grossem  Erfolge  sowohl  für  die  Kirche,  als  für  die  Bühne;  er 
schrieb  neben  vielem  Anderen  kunstvoll  gearbeitete  Messen,  Bequiem, 
Motetten  u.  dgl.  u.  3  Opern,  in  welchen  er  vorzüglich  als  eigentlicher 
Ausbildner  u.  gleichsam  Schöpfer  des  Becitativ's  erscheint.  Ausser 
den  von  F^tis  angegebenen  Werken  existiert  noch  in  Manuskript  ein 
,,Bequiem  a  5  voc,  auctore  J.  C.  Kerl,  Ser.  Ferd.  Mariae,  Elect. 
Bavariae  capellae  Magistro.  1668."  Allein  die  grosse  Gunst,  welche  K. 
bei  seinexh  Fürsten  genoss,  der  ungeheure  Beifall,  mit  welchem  seine 
Opern  gegeben  wurden,  erregten  die  Eifersucht  der  hochmütigen  ita- 
lienischen Sänger,  die  es  vom  Anfange  her  nur  mit  geheimen  Unwillen 
geduldet  hatten,  dass  ein  Deutscher  ihr  Direktor  war.  Durch  die  des- 
halb angefachten  Zwistigkeiten  sah  sich  der  Kurfürst  genötigt,  um 
sein  Ansehen  den  Italienern  gegenüber  zu  erhöhen,  ihm  den  Titel  eines 
kurfürstlichen  Bates  zu  erteilen.  Aber  auch  dann  liessen  die  Italiener 
von  ihren  Jntrignen  nicht  ab,  so  dass  endlich  Kerl,  der  Plackereien 
müde,  nachdem  er  zuvor  den  Hochmut  der  auf  ihre  Geschicklichkeit 
nur  allzuviel  vertrauenden  Italiener  tief  gedemütigt  hatte,  im  Jahre 
1673  wieder  nach  Wien  zurückging,  u.  dort  als  Domorganist  bei  St. 
Stephan  funktionierte.  Er  muss  später  wieder  nach  München  gezogen 
sein,  da  er  daselbst,  am  13.  Febr.  1693  gestorben,  unter  dem  Titel  eines 
kurfürstlichen  HofkapeUmeisters  begraben  liegt.  Man  schreibt  ihm 
auch  ein  theoretisches  Werk  „Compendiose  relazione  sopra  il  Contra- 
punto"  (Manuskript)  zu. 

Kerle,  Jakob  von,  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  zu  Ypem 
in  Flandern  geboren,  war  Kanonikus  zu  Cambrai.  Er  scheint  in  seiner 
Jugend  Italien  besucht  u.  ungefähr  10  Jahre  daselbst  verlebt  zuhaben; 
auch  wurden  seine  frühesten  von  1562—1571  erschienenen  Werke  in 
Venedig  gedruckt.  Dr.  C.  Proske  stellt  dagegen  auf  Grund  des  Titels 
seiner  Komposition  „Preces  speciales  pro  salubri  generalis  Concilii 
successu  etc.  etc.**  fest,  dass  Kerle  in  Diensten  des  Kardinal-Fürst- 
bischofs von  Augsburg,  Otto  von  Trugsess  gestanden  u.  wärend  eines 
mehrjährigen  Aufenthaltes  in  Born  ebendaselbst  geblieben  sei.  Spätestens 


152  Kette  —  Kiesewetter. 

mnss  er  1562  in  des  Kardmars  Dienste  getreten  sein,  da  eben  diese 
Kompositionen  ,,Preces^*  1562  in  erster  Auflage  erschienen;  sein  Ver- 
bleiben in  dessen  Diensten  muss  von  längerer  Zeit  gevesen  sein,  da 
die  Dedicationen  späterer  Werke,  so  von  1575,  noch  von  Aogsbnrg 
ans  datiert  sind.  Später  ward  er  Kp.-M.  des  Kaisers  Rudolph  IL, 
wann  aber,  l&sst  sich  nicht  bestimmen.  Seine  Scala-Messe  u.  einigte 
4ndere  Messen  widmete  er  einem  Papst  Gregor,  wahrscheinUeh  dem 
Papst  Gregor  ^nr,  Sein  Todesjahr  muss  um  1583  fallen.  Viele  Werke 
dieses  Meisters  smd  in  den  vorztlglichsten  Offizinen  Italiens,  Deutsch- 
lands u.  Belgiens  gedruckt  u.  unter  die  besten  Leistungen  seiner  Zeit 
gezählt  worden. 

Kette,  Albrecht,  geb.  1726  unweit  Schwarzenberg,  erhielt  voit 
dem  Hof-  u.  Domorganisten  Bayer  in  Würzburg  während  seiner 
Studienlaufbahn  musikalischen  Unterricht  u.  trat  nach  dessen  Tode  1749 
an  dessen  Stelle,  welche  er  bis  zu  seinem  Lebensende  1767  mit  Ehren 
bekleidete.    Er  komponierte  yiele  Kirchensachen,  Orgelstücke  u.  dgL 

Kienle,  P.  Ambrosius,  geb.  zu  Laiz  bei  Sigmaringen  (Hohen- 
zollem)  8.  Mai  1852,  besuchte  das  Gymnasium  letzterer  Stadt  u.  trat 
nach  kurzer  Zeit  des  akademischen  Studiums  1873  in  das  Beaediktmer> 
kloster  Beuron.  Durch  den  Kulturkampf  1875  mit  seinen  Ordensbrüdern 
ausgetrieben,  lebte  er  in  Tyrol,  1880  kam  er  nach  Prag  (Emaus),  dann 
nach  Steiermark  (Sekkau)  u.  ist  nun  wieder  in  Beuron.  Er  hat  sich 
vornehmlich  dem  Studium  des  Chorals  u.  der  kathol.  Liturgie  gewidmet, 
beschäftigte  sich  längere  Zeit  mit  den  älteren  Quellen  der  Ghoral- 
geschichte,  besonders  Choral-Handschriften,  die  er  auf  verschiedenen 
Beisen  in  Österreich,  Deutschland  u.  Frankreich  studierte.  Als  Lehrer 
des  Chorals  beteiligte  er  sich  bei  kirchenmusikalischen  Lehrknrsen, 
besonders  in  Wien  u.  Salzburg.  Veröffentlicht  ist  von  ihm  die  deutsche 
Übersetzung  des  klassischen  Werkes  „M61odies  gr6goriennes  von  Dom. 
Jos.  Pothier  (Toumay  1881)  u.  „Choralschule"  (Preiburg,  Herder  1884), 
„Kleines  kirchenmus.  Handbuch"  (ebenda  1893),  ausserdem  in  Zeit- 
schriften verschiedene  Studien  über  Choral  u.  Liturgie. 

Kieaewetter,  Baphael  Georg,  weiland  k.  k.  Österr.  Hofirat, 
Referendar  im  Hofkriegsrat  u.  Kanzleidirektor,  ein  ausgezeichneter 
Musikschriftsteller  u.  vornehmlich  Forscher  im  Gebiet  der  mittel- 
alterlichen Tonkunst,  war  geb.  den  29.  August  1773  zu  Holleschau 
in  Mähren,  wo  sein  Vater  praktischer  Arzt  war.  Vorerst  als  Flöten- 
spieler u.  ausgezeichneter  Sänger  hoch  angesehen,  widmete  er  sich  bald 
dem  wissenschafüichen  Teile  seiner  Kunst  u.  studierte  bei  Albrechts- 
berger  den  Generalbass  u.  einige  Jahre  nachher  bei  Hartmann  den 
Kontrapunkt.  Seit  1816  hatte  er  eine  Partiturensammlung  alter  Musik 
angelegt,  welche  als  ein  Archiv  für  die  harmonische  Kunst,  nicht 
sowohl  durch  die  Masse,  als  durch  die  Seltenheit  der  aufgebrachten 
Proben  in  all^  Stylen  u.  allen  Schulen  in  ihrer  Art  höchst  merk- 
würdig war.    Die  Resultate  seiner  Forschungen  über  die  alte  Musik 


Eimmerling  —  Kirms.  153 

legte  er  in  Tortrefflichen  Abhandlungen  zmneist  in  der  Leipziger 
allgemeinen  musikalischen  Zeitung  nieder.  Als  grössere  Werke  von 
ihm  sind  zu  nennen:  „Geschichte  der  europäisch-abendländischen  Musik, 
d.  i.  unserer  heutigen  Musik/*  Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel  1834  und 
1846;  „Die  Verdienste  der  Niederländer  um  die  Tonkunst**  (eine  von 
der  holländischen  Akademie  gekrönte  Preisschrift  u.  1828  in  Amsterdam 
erschienen);  „Über  die  Musik  der  neueren  Griechen  nebst  freien 
Gedanken  Aber  altägyptische  u.  altgriechische  Musik**  1838;  ,,Schick8ale 
u.  Beschaffenheit  des  weltlichen  Gesanges  vom  frühen  Mittelalter  bis 
zur  Erfindung  des  dramatischen  Styls  u.  den  Anfängen  der  Oper**  1841 ; 
„Die  Musik  der  Araber,  nach  Originalquellen  dargestellt**  1842;  „Guido 
Ton  Arezzo,  sein  Leben  und  Wirken**  1840;  „Der  neuen  Aristoxener 
zerstreute  Aufsätze**  1846.  Alle  diese  Werke  sind  bei  Breitkopf  &  Härtel 
in  Leipzig  erschienen.  Auch  die  Herausgabe  der  Eandler'schen  Be- 
arbeitung des  Lebens  Palestrina*s  von  Baini  besorgte  er.  Der  verdienst- 
volle Mann  starb  in  Baden  bei  Wien  am  1.  Januar  1850. 

Kimmerling,  B  o  b  e  r  t ,  geb.  zu  Wien  am  8.  Dez.  1737,  trat  16 
Jahre  alt  in's  Benediktinerstift  M5lk  ein.  Während  seiner  theologischen 
Studien,  die  er  in  Wien  machte,  war  Joseph  Haydn  sein  Lehrer,  bald 
auch  sein  wärmster  Freund.  Nach  seiner  Ordination  wurde  er  Chor- 
direktor in  seinem  Stifte,  welche  Stelle  er  16  Jahre  lang  bekleidete. 
Er  starb  am  5.  Dez.  1799,  u.  hinterlies  s  viele  Eirchensachen,  unter 
denen  eine  doppelchörige  Messe  in  C  allen  seinen  Zeitgenossen  als  ein 
Meisterstück  galt 

Kircher,  Athanasius,  ein  gelehrter  Jesuit,  geb.  zu  Geias  im 
Fuldaischen  am  2.  Mai  1602,  betrieb  mit  Eifer  von  Jugend  auf 
Physik,  Mathematik,  orientalische  Sprachkunde  u.  Musik,  letztere  so- 
wohl spekulativ  als  praktisch.  Nachdem  er  eine  Zeit  lang  zu  Würz- 
burg Physik  u.  Mathematik  dociert  hatte,  ging  er  nach  Avignon  u. 
von  da  nach  Bom,  wo  er  seine  meisten  Schriften  herausgab,  zu  grossem 
Ansehen  gelangte  u.  am  28.  Nov.  16S0  starb.  Unter  seinen  Werken 
handeln  von  der  Musik:  „Musurgia  universalis,**  Rom  1650,  2  Folio- 
bände; „Oedipus  aegyptiacus,**  Rom  1652—54,  3  Bände;  ,JPhonurgia 
nova,**  Kempten  1673.  Seine  Schrift^  sind  aber  nur  mit  Vorsicht 
zu  gebrauchen,  da  er  auch  viel  Wunderliches  u.  Absurdes  aufge- 
nommen hat. 

Kirms«  CarlFerdinand,  geb.  zu  Dresden  den  20.  Dez.  1824, 
wurde  in  seinem  4.  Lebensjahre  infolge  einer  Augenentzündung  blind. 
Von  1832—41  Zögling  des  k.  Blindeninstitutes  zu  Dresden,  in  den 
letzten  Jahren  seines  dortigen  Aufenthaltes  zugleich  Musiklehrer  u. 
Dirigent  eines  Musikchors  seiner  Mitzöglinge,  bildete  er  da  seine 
musikalischen  Anlagen  u.  sein  Kompositionstalent  unter  den  besten 
Lehrern  aus  u.  gewann  eine  hohe  Fertigkeit  im  Spiel  des  ViolonceU, 
der  Violin,  Orgel,  Kkvier  u.  a.    Nach  seinem  Austritte  aus  dem 


154  Eimberger. 

Institate  machte  er  Ennstreisen  dnrch  Franken,  Schwaben  n.  Österreich. 
Von  1848  an  hielt  er  sich  zu  Donauwörth  auf,  wo  er,  bei  seinem  nn- 
regelmässigen  Lebenswandel  in  grosse  Verlegenheit  geraten,  endlich 
das  Mitleid  des  dortigen  Benefiziaten  n.  Ghorregenten  P.  Bampis 
gewann,  der  ihn  in  sein  Haus  aufnahm  u.  auf  seine  sittliche  Um- 
gestaltung: vorteilhaft  einwirkte*  Von  da  an  (1852)  datiert  sich  nament- 
lich die  Entwicklung  seines  Genius  im  Gebiete  der  Komposition,  Ton 
da  an  begann  für  ihn  mit  einem  regelmässigen  Leben  ein  planmässiges 
Arbeiten  u.  auch  das  Verständnis  u.  die  richtige  Aui^assung  des 
kirchlichen  Lebens  u.  der  kirchlichen  Texte,  zugleich  mit  dem  Unter- 
richte im  katholischen  Glauben,  nachdem  er  wiederholt  um  Aufnahme 
in  die  Kirche  gebeten.  Nahe  daran,  das  kathol.  Glaubensbekenntnis 
öffentlich  abzulegen»  ereilte  ihn  plötzlich  der  Tod  am  9.  März  1854. 
—  Als  Komponist  leistete  er  Erstaunliches  u.  arbeitete  mit  ungeheurer 
Leichtigkeit.  Sein  ganzer  musikalischer  Nachlass  ging  dnrch  Kauf  auf 
Bampis  über  u.  besteht  überhaupt  in  25  Manuskripten  Kirchenmusik, 
darunter  1  Te  Deum,  2  Miserere  (das  eine  3stimmig),  Ölbergandacht, 
2  Litaneien,  2  kleine  Sstimmige  Messen,  Bequiem  nebst  Libera,  Vesper 
in  Es^  Gradualien  u.  Offertorien;  dann  Lieder  u.  einige  Instrumental- 
sätze. In  Druck  veröffentlichte  Bampis  3  Messen  (in  C,  F  u.  Es), 
Vesper  in  D;  Studien  für  Viplin  (Berlin,  Damköhler);  femer  mehrere 
Lieder  u.  kleinere  Kirchenstücke,  unter  diesen  „Gradualien  für  die 
Sonn-  u.  Festtage  des  Kircheigalires'*  u.  a.  m.  AUe  Kirchenmusiken 
wurden  unter  Mitwirkung  seines  Freundes  u.  Wohlthäters  entworfen 
u.  komponiert.  Sie  sind  durchweg  im  neuen  Style  gehalten  u.  wollen 
nur  „dazu  beitragen,  um  allmählig  einen  Übergang  zu  bilden  u.  vor- 
zubereiten auf  den  strengen  Ernst  der  alten  Kontrapunktisten  u.  des 
röm.  Chorals." 

Kimberger,  Job.  Philipp,  Theoretiker  u.  Kontrapunktist, 
geb.  den  24.  April  1721  zu  Saalfeld  bei  Budolstadt.  In  Sondershausen 
bildete  er  sich  zum  geschickten  VioUn-  u.  Orgelspieler  aus,  1739  ging 
er  nach  Leipzig  u.  genoss  2  Jahre  lang  den  Unterricht  Seb.  Baches. 
Nach  einem  mehijährigen  Aufenthalte  in  Polen  kam  er  in  die  Berliner 
Hofkapelle  u.  erhielt  dnrch  Graun's  Vermittlung  die  Kapellmeisterstelle 
bei  der  Prinzessin  Amalie.  Er  starb  daselbst  am  27.  Juli  1783.  Als 
Tonsetzer  war  Kimberger  äuisserst  trocken  u.  steif,  mehr  Buhm  erntete 
er  als  theoretischer  Schriftsteller.  1774— -76  veröffentlichte  er  „Die 
Kunst  des  reinen  Satzes,"  2  Teile;  1781  „Grundsätze  des  General- 
basses"; „Anleitung  zur  Singkomposition"  1782  u.  a.  Zu  bedauern  ist, 
dass  es  der  Darstellung  seiner  Ideen  oft  an  der  nötigen  Klarheit 
mangelt  Die  unter  Kimberger's  Namen  conrsierenden  , J)ie  wahren 
Grundsätze  der  Harmonie"  Berlin  1773,  sowie  die  meisten  musikalischen 
Artikel  in  Sulzer's  „Theorie  der  schönen  Künste'*  sind  von  seinem 
Schüler,  dem  Kp.-M.  J.  A.  P.  Schulz. 


Klein  —  Kolb.  155 

Klein,  Bernhard,  einer  der  bedeutenderen  Komponisten  des  19. 
Jhdts.,  namentlich  im  Fache  der  Kirchenmusik,  geb.  den  6.  Httrz  1793 
zn  Köln,  genoss  seit  1812  etliche  Jahre  den  Bat  u.  gelegentlichen 
Unterricht  Cherabini^s  in  Paris  u.  sah  sich  fleissig  in  den  Hosik- 
schtttzen  des  Konserratorinms  um.  In  seine  Vaterstadt  zurückgekehrt 
ttbemahm  er  die  Leitung  des  Domchors  u.  des  damit  verbundenen 
Musikinstitutes,  ward  mit  Thibeaut  zu  Heidelberg  u.  durch  diesen 
mit  den  italienischen  Meisterwerken  der  Tonkunst  bekannt  u.  bildete 
sich  lbl9  in  Berlin  vollends  aus.  Hier  nahm  er  bald  seinen  bleibenden 
Wohnsitz  u.  ward  an  der  damals  begründeten  Organistenschule  als 
Lehrer  des  Generalbasses  u.  Kontrapunktes,  sowie  als  Musikdirektor 
u.  Qesanglehrer  an  der  Universität  angestellt  Er  starb  am  9.  Sept. 
1832.  —  Von  seinen  Kompositionen  seien  genannt:  eine  Messe  in  D, 
ein  68timmiges  Magnificat,  8  Hefte  Psalmen,  Hymnen  u.  Motetten  für 
Ifönnersümmen,  einige  Oratorien  („Dido,"  „Jephta,**  „David'*)  u.  a.  m. 
Id.  seinen  Arbeiten  herrscht  eine  höchst  edle  Gesinnung  u.  poetisch 
gehobene  Auffassung  u.  Anschauung  nebst  freier  Beherrschung  u. 
künstlerischer  Vollendung  auch  der  schwierigsten  musikalischen 
Formen,  aber  seine  Gedanken  haben  nicht  immer  ein^  absoluten 
musikalischen  Wert  u.  hinreichende  Eigentümlichkeit  u.  Frische  der 
Erfindung. 

Klingenstein,  Bernhard,  um  1600  Musikdirektor  zu  Augsburg, 
gehört  unter  die  bessern  Komponisten  seiner  Zeit.  Von  seinen  Werken 
sind  gedruckt:  „Trinodiarum  sacr.  Pars  I."  Dillingen  1605;  „Sympho- 
niarum  Pars  L  1,  2,  3—8  voc.**  München  1607;  „Bosetum  Marianum, 
33  Lobgesänge  für  3  Stimmen",  Mainz  1609. 

SLnefel,  Johann,  geb.  zu  Lauban  in  der  Oberlausitz,  war  in  der 
ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  Kp.-M.  des  Kurfürsten  von  der  Pfalz. 
Gedruckt  sind  von  seinen  Werken:  „XXXII  Cantiones  5,  6  et  7  voc.** 
Nürnberg  1571;  „Cantus  choralis  musids  numeris  5  voc  inclusus'* 
Nürnberg  1575;  „Cantiones  piae  5  et  6  voc."  Nürnberg  1580;  „Teutsche 
Liedlein''  Frankfurt  1610. 

Kolb,  P.  Carlmann,  geb.  zu  Kösüam  in  Niederbayem  1703, 
erhielt  die  Anfangsgründe  in  den  Wissenschaften  u.  in  der  Musik  als 
Chorknabe  im  Benediktinerkloster  Aspach.  Weitere  Ausbildung  erhielt 
er  in  Landshut,  wo  er  so  grosse  Fortschritte  im  Orgelspiel  machte, 
dass  er  damals  schon  als  Meister  galt.  1723  trat  er  ins  Kloster  Aspach 
selbst  ein,  1724  legte  er  Profess  ab,  ward  1729  zum  Priester  geweiht 
u.  dann  zum  beständigen  Organisten  bestellt.  Er  starb  zu  München 
den  15.  Januar  1765.  Von  seinen  Kompositionen  ist  bis  jetzt  durch 
Druck  nur  der  I.  Teil  seiner  Praeambula,  Versetten  u.  Cadenzen  in  den 
8  Kirchentonarten  (mit  dem  Haupttitel:  Certamen  Aonium,  Augsburg 
1733)  bekannt  geworden. 


156  Kolberer  *-  Eoenig. 

Kolberer,  Gajetan,  Mönch  im  Beoediktmerkloster  Andeehs  in 
Oberbayem  seit  1675,  geb.  zu  Salzburg,  gest.  den  23.  Apzil  1732, 
komponierte  vieles  für  die  Kirche  im  kontrapnnktischen  SI7I,  nnter 
anderm  einen  ganzen  Cyklus  Introitns,  Qradoalien  n.  Offertorien  des 
ganzen  Kirchenjahres,  für  4  Singstimmen  mit  beziffertem  Bass. 

Koenen,  Friedrich,  geb.  30.  April  1829  zu  Bheinbach  bei  Bonn« 
t  6.  Juli  1887,  erhielt  seinen  ersten  Musikunterricht  von  seinem  Vater, 
der  Lehrer  war;  den  4.  Sept  1854  zum  Priester  geweiht,  fand  6r  zu 
Köln  im  Sftngerchore  des  kathoL  Gesellenvereins  zuerst  Gelegenheit, 
für  die  Kirchenmusik  thätig  zu  sein.  1862  ward  er  vom  Kardinal 
Yon  Geissei  nach  Begensburg  gesandt,  um  unter  Leitung  des  Dom- 
kapellmeisters J.  Schrems  u.  des  damaligen  Seminar- Gesauglehrers 
Fr.  Witt  sich  speziell  dem  Studium  der  K.-Musik  zu  widmen.  Nach 
seiner  Bückkehr  von  da  wurde  er  Lehrer  des  liturg.  Gesanges  im 
erzbisch.  Priesterseminar  zu  Köln  u.  bald  darauf  als  Ohordirigent  in 
der  Domkirche  angestellt.  Anfänglich  pflegte  er  fast  ausschliesslich 
die  ältere  K.-Musik  Palestrina's  u.  seiner  Zeitgenossen,  später  wandte 
er  sich  neben  dieser  auch  der  neuesten  sich  herausbildenden  K.-Musik 
zu.  Schon  1869  schloss  er  sich  dem  Oäcilieniroreine  an,  wurde  in  dessen 
Beferentenkollegium  aufgenommen  u.  1873  zum  ersten  Vicepräses  des 
Vereins  gewählt  1869  gründete  er  den  Diözesan-Cäcilienyerein  für 
die  Erzdiözese  Köln,  dessen  Präses  er  bis  zu  seinem  Tode  ebenfalls 
blieb,  u.  wirkte  als  solcher  mit  ausserordentlichem  Erfolge.  Am 
2.  Febr.  1879  wurde  er  zum  Ehrenkanonikus  an  der  Kathedrale  zu 
Palestrina  ernannt.  Als  Komponist  war  er  sehr  thätig,  das  zuletzt 
erschienene  Werk  trägt  die  Opus-Zahl  58;  fast  alle  sind  für  kirchlichen 
Gebrauch  bestimmt,  Messen  (Missa  Trium  Begum,  Missa  tertii  toni, 
Missa  S.  CaecUiae,  einige  Messen  für  Männerchöre),  4stlmm.  Cantiones 
eacrae,  Litaneien,  2-  n.  3stimm.  Kirchenlieder  u.  Gesänge  für  Frauen- 
•chöre,  Te  Deum,  Psalm  XLI,  Gradualien,  Sequenzen  u.  Offertorien  der 
höchsten  Festtage  für  Männerchor  u.  s.  w.,  welche  alle  Aufhahme  in 
den  Vereinskatalog  fanden. 

Koenig,  Thaddaeus,  geb.  22.  Sept.  1846  zu  Haiming  bei  Burg- 
hausen als  Sohn  eines  Lehrers,  machte  nach  Absolviemng  des  Gym- 
nasiums zu  Metten  1865  seine  philosophischen  u.  theologischen  Studien 
in  ^ising  u.  wurde  1870  zum  Priester  geweiht.  Nach  kurzer  seel- 
sorglicher Thätigkeit  ward  er  Chorregent  in  Laufen,  seit  1873  wirkte 
er  in  gleicher  Eigenschaft  in  Traunstein  u.  befindet  sich  seit  1893 
als  Beneficiat  in  München.  Den  ersten  musikalischen  Unterricht  erhielt 
«r  von  seinem  Vater  u.  empfing  während  seiner  Studien  vielfMhe 
Anregung,  grösstenteils  bildete  er  sich  aber  durch  Selbststudium  zu 
«inem  achtungswttrdigen  Dirigenten  u.  Tonsetzer.  Von  seinen  Werken 
Bind  in  Druck  erschienen:  5  Instrumentalmessen,  1  Messe  für  zwei 
Singstimmen  u.  Orgel,  2  Litaneien  mit  Orchester,  die  Motetten:  „Tul 
sunt  coeli**  u.  „Veritas  mea"  mit  Orchester,  u.  a.  m* 


Königsperger  —  Krenn.  157 

KSoigsp^ger,  Fr.  Marianus,  geb.  den  4.  Dez.  1708  znEoding 
in  der  Oberpfalz,  genoss  den  ersten  Musikunterricht  als  Singknabe  im 
Benediktinerstifte  Prtlfening  bei  Begensburg,  wo  er  auch  1734  das 
Ordenskleid  naihm  u.  als  Organist  u.  Ohordirektor  des  Stiftes  fungierte. 
Er  genoss  eines  nicht  unbedeutenden  Bufes  als  Orgelspieler  und 
Komponist.  Von  seinen  vielen  Werken  sind  24  in  Augsburg  im  Druck 
erschienen.    Er  starb  am  10.  Oktober  1769. 

Kommliller,  P.  U 1 1  o ,  geb.  5.  Jan.  1824  zu  Straubing,  genoss 
von  Jugend  an  Unterricht  in  der  Musik,  u.  yeryoUkommnete  sich  darin 
während  seiner  Lyzealstudien  zu  Regensburg  unter  Joh.  Schrems  u. 
J.  G.  Mettenleiter.  1847  zum  Priester  geweiht  diente  er  in  der  Seel- 
sorge, 1857  trat  er  in  das  Benediktinerkloster  Metten  ein,  wo  er 
nicht  lange  nach  seiner  Profess  1858  den  Chorregentendienst  übernahm. 
Seine  musikal.  Schriften  sind:  „Der  kathol.  Eirchenchor**  (Landshut 
1868);  „Die  Musik  beim  liturg.  Hochamte**  (Bgsbg.,  Pustet  1871); 
„Lexikon  der  kirchL  Tonkunst**  (2.  Aufl.  Bgsbg.,  Pawelek  1891);  viele 
Beferate  in  den  Katalog  des  Cäcilienvereins  u.  viele  Artikel  u.  Ab- 
handlungen in  Zeitschriften.  Auch  gab  er  einige  kleine  Kirchenmusik- 
stücke in  Druck. 

Kothe,  Bernhard,  geb.  12.  Mai  1821  zu  Gröbnig  in  Schlesien, 
besuchte  das  k.  Institut  für  Kirchenmusik  in  Berlin  u.  genoss  auch 
den  Unterricht  von  Dehn  u.  Marx  daselbst;  1851  wurde  er  Kirchen- 
musikdirektor u.  Schulmusiklehrer  in  Oppeln,  von  wo  er  1869  als 
Seminarmusiklehrer  nach  Breslau  ging.  Von  ihm  erschienen  Messen, 
Motetten,  mehrere  Sammlungen  kirchlicher  Gesänge,  eine  Gesanglehre, 
zwei  sehr  gute  Sammlungen  von  Präludien  in  den  alten  u.  neueren 
Tonarten;  femer  gab  er  heraus:  „Die  Musik  in  der  kathoL  Kirche** 
(Breslau  1862)  u.  einen  trefflichen  „Abriss  der  Musikgeschichte  für 
Lehrerseminarien**  (1874);  „Kleine  Orgelbaulehre**  (Leobschütz);  eine 
neue  Bearbeitung  (4.  Aufl.)  von  „Die  Orgel  u.  ihr  Bau.  Von  Seidel.** 
Für  den  Cäcilienverein  war  er  stets  sehr  thätig  u.  seiner  Bemühung 
verdankt  Breslau  die  Einführung  desselben;  er  ist  auch  Beferent  des  all- 
gemeinen Cäcilienvereins.  Auch  seine  beiden  Brüder  Alois  (geb.  3.  Okt. 
1828,  gest  1868  als  Seminar-Musiklehrer  zu  Breslau)  und  Wilhelm 
(geb.  8.  Januar  18B1,  Sem.-Musiklehrer  in  Habelschwerdt)  haben  sich 
durch  Herausgabe  kirchL  Kompositionen  u.  Schulgesangswerke  bekannt 
gemacht 

Krenn,  Franz,  geb.  den  26.  Febr.  1816  zu  Dross  in  Nieder- 
österreich, wo  sein  Vater  Schullehrer  u.  ein  tüchtiger  Musiker  war. 
Den  ersten  Unterricht  im  Generalbass  tu  Orgelspiele  erhielt  er  von 
dem  dortigen  P&rrer  Ambros  Schindelberger,  einem  ausgezeichneten 
Organisten,  u.  später  von  seinem  Onkel  Ignaz  Heuritsch,  einem  Schüler 
Preindl*s.  Von  1834  an  studierte  er  zu  Wien  bei  Kapellmeister  Ignaz 
Bitter  v.  SeyMed  die  Komposition,  welcher  ihn  so  lieb  gewann,  dass 


158  Kugelmann  —  Lachner. 

er  die  unter  seiner  Leitung  gearbeiteten  Tonstticke  allenthalben  snr 
AüffÜhrong  emp&hl  n.  ihm  sogar  Eompositionsschüler  zuwies.  1844 
wurde  er  Organist  in  der  Leopoldstädter  Hauptpfarrkirche,  drei  Jahre 
darnach  Chorregent  an  der  Mariahilferkirche,  wo  er  sich  hauptsächlich 
die  Pflege  altkirchlicber  klassischer  Vokalmusik  angelegen  sein  liess. 
Gegenwärtig  ist  er  (seit  1862)  Kp.-M.  an  der  k.  k.  Hofkirche  zu 
St  Michael  1869  wurde  er  auch  Professor  der  Harmonie  am  Konser- 
vatorium der  Gesellschaft  der  Musikfreunde;  1872  erhielt  er  vom  hL 
Vater  den  Sylvester  -  Orden.  —  Seine  Kompositionen  bestehen  in: 
2  Oratorien  „die  vier  letzten  Dinge"  u.  ,3enifiE^us,"  1  Kantate, 
15  Messen,  3  Eequiem,  3  Te  Deum,  Veni  sancte  Spiritus,  mehrere 
Gradualien,  Offertorien,  Hymnen,  3  Vespern,  1  Sinfonie,  Quartetten, 
Klavierstflcken,  Liedern  u.  Chören,  einer  kleinen  Orgelschule,  einer 
Gesangslehre  fttr  Volksschulen  u.  a.  Im  Drucke  sind  bereits  54  Werke 
erschienen. 

Kagelmann«  Johann,  ein  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts.,  lebte 
zu  Königsberg  u.  blühte  um  1540,  aus  welchem  Jahre  sich  noch 
mehrere  Kirchensachen  seiner  Komposition  (in  Augsburg  gedruckt)  auf 
der  Münchener  Bibliothek  befinden. 


L. 


Lachner,  Franz,  Generalmusikdirektor  u.  königl.  bayerischer 
Hofkapellmeister  zu  München,  geb.  den  2.  April  1803  zu  Bain,  einem 
Städtchen  an  der  Donau  in  Bayern,  f  20.  Jan.  1890,  erhielt  den  ersten 
Musikunterricht  im  Seminar  zu  Neuburg  von  dem  Rektor  Eisenhofer. 
Dem  Musikstudium  sich  ganz  widmend,  begab  er  sich  1823  nach  Wien, 
wo  er  den  Unterricht  von  Abb6  Stadler  u.  Simon  Sechter  genoss  u. 
1826  zum  Kp.-M.  am  EÜmthnerthor-Theater  ernannt  wurde.  1834  kam 
er  in  gleicher  Stellung  nach  Mannheim,  1836  als  Hofkapellmeister  nach 
München,  u.  ward  zur  Krönung  seiner  ausgezeichneten  Verdienste 
1852  zum  Generalmusikdirektor  befördert  L.  nimmt  unter  den  Kom- 
ponisten unsers  Jahrhunderts  eine  besonders  ehrenwerte  Stellung  ein; 
seine  Werke  sind  ausgezeichnet  durch  Klarheit  u.  Fluss  der  Melodien, 
Schönheit  der  Form,  gewandte  Verarbeitung  der  Ideen,  u.  es  ist  ihm 
eine  vollkommene  Beherrschung  der  musikalischen  Technik  eigen. 
Neben  zahlreichen  weltlichen  Kompositionen  arbeitete  er  auch  manchmal 
für  die  Kirche.  Von  seinen  kirchlichen  Werken  führen  wir  an:  ein 
grosses  4stimm.  Miserere,  ein  grosses  instrumentiertes  Requiem,  mehrere 
Sstimm.  Vokalmessen  u.  viele  4~6stimm.  Messen,  Gradualien  u.  Offer- 
torien, auch  eine  3stimm.  Messe  für  Frauenstimmen. 


Ladurner  —  Lalande.  159 

Ladurner,  Joseph  Alois,  geb.  den  7.  März  1769  zu  Algund 
bei  Heran,  machte  seine  Studien  im  Kloster  Benediktbeuem,  wo  er 
Auch  Unterricht  im  Singen  u.  Elavierspielen  erhielt.  Von  1792  an 
studierte  er  in  München  Philosophie  u.  Theologie  u.  genoss  eine  Zeit 
lang  den  gründlichen  kontrapunktischen  Unterricht  des  Jos.  Gratz. 
1798  kam  er  nach  Brixen,  wurde  im  folgenden  Jahre  znm  Priester 
geweiht  u.  1816  zum  Eonsistorialrat  u.  Hofkaplan  daselbst  ernannt. 
Er.starbrden  20.  Februar  1851.  Trotz  seiner  vielen  Berufsgescbäfte 
pflegte  er  doch  eifrig  die  Tonkunst;  ausser  mehreren  weltlichen  Musiken 
sind  auchTeinige  Eirchenstücke  von  ihm  erschienen. 

Lafage,  Just-Adrian  Lenoir  de,  ein  verdienter  Musikgelehrter 
u.  Schriftsteller,  geb.  28.  März  1801  zu  Paris,  gest.  8.  März  1862  im 
Irrenhause  zu  Charenton,  Schüler  von  Peme  u.  Choren,  widmete  sich 
zuerst  dem  Gesangnnterrichte,  ging  1828,  unterstützt  durch  ein  Stipen- 
dium, nach  Italien  u.  erwarb  sich  bei  Baini  in  Bom  gründliche  Kennt- 
nisse im  Style  der  römischen  Schule  u.  im  Choral.  Nach  seiner 
Rückkehr  1829  wurde  er  Kp.-M.  an  der  Kirche  St.  Etienne  in  Paris. 
1833—36  ging  er  nochmals  nach  Italien  u.  Spanien  u.  durchforschte 
die  Bibliotheken  u.  Musikarchive  dieser  Länder:  ebenso  besuchte  er 
Auch  Deutschland  u.  England.  Dann  w&xi  er  sich  mit  .Feuereifer  auf 
Komposition,  theoretische  u.  didaktische  Schriftstellerei  u.  suchte  den 
Choral  u.  die  kontrapunktische  Musik  in  Frankreich  zu  heben,  doch 
jnit  wenig  Erfolg.  Das  Übermass  der  Arbeiten  veranlasste  zuletzt  bei 
ihm  eine  Geistesstörung.  Von  seinen  Schriften  seien  genannt:  „Manuel 
«omplet  de  musique  vocale  et  instrumental"  (1836 — 38,  6  Bände,  von 
Choren  skizziert  hinterlassen);  „Histoire  generale  de  la  musique  et  de 
la  danse**  (1844,  2  Bde.);  „Miscellan6es  musicales"  (1844,  Biographisches 
über  verschiedene  Musiker);  Biographische  Notizen  über  Mattei, 
ZingareUi,  Baini,  Donizetti  u.  a.;  Essai  de  dipht6rographie  musicale**; 
^,Cours  complet  de  plain-chant  (1855—56,  2  Bde.,  sein  Hauptwerk)  u.  a. 
Für  die  Kirche  komponierte  er  vieles.  1859  begründete  er  die  Zeit- 
schrift „Le  plain-chant.*^ 

Lalande,  Michel  Bichard  de,  geb.  den  15.  Dez.  1657  zu  Paris, 
loun  sehr  Mhe  als  Chorknabe  an  die  Kirche  St.  Germain-rAuxerrois, 
wo  sich  der  Musikdirektor  Chaperon  besonders  um  ihn  annahm  u.  dem 
talentvollen  Knaben  Unterricht  im  Gesänge,  auf  mehreren  Instrumenten 
XL  in  der  Komposition  erteilte.  Später  betrieb  er  mit  grösstem  Eifer 
das  Orgelspiel  u.  ward  1683  einer  der  vier  königl.  Kapellmeister. 
Ludwig  XIV.,  der  ihn  vorzüglich  schätzte,  trug  die  vier  Kapellmeister- 
steilen  auf  seine  Person  allein  über,  gab  ihm  reiche  Pensionen  u. 
machte  ihn  zum  Bitter  des  St.  Michaelordens.  Er  starb  am  18.  Juni 
1726,  u.  hinterliess  den  Buhm,  der  beste  Kirchenkomponist  seiner  Zeit 
.in  Frankreich  gewesen  zu  sein.  Viele  seiner  Motetten  (mit  Orchester) 
waren  nachlseinem  Tode  noch  sehr  geschätzt 


160  Lambillotte  —  Lanfranco. 

Lambillotte,  P.  L  o  n  i  s ,  geb.  den  27.  März  1797  za  Chaleroi  im 
Hennegati,  trat  1825  in  die  Gesellschaft  Jesu,  wendete  viele  Jahre  tiefen 
Studiums  (von  1842  ab)  auf  die  Wiederherstellung  des  reinen  Choral- 
gesanges. Er  machte  viele  Beisen  zu  diesem  Zweck  sowohl  in  Frank- 
reich als  nach  England,  Deutschland,  Italien,  u.  verglich  eine  grosse: 
Anzahl  der  ältesten  handschriftliehen  neumierten  Antiphonarien.  Mit 
einem  Aufwände  grosser  Gelehrsamkeit  suchte  er  die  Neumenschrift  zu 
entziffern,  was  ihm  wohl  teilweise  gelang,  aber  doch  nicht  zur  voll- 
ständigen Enträtselung  der  so  notierten  Melodien  fUhrte.  Er  gab  1851 
zu  Paris  die  Handschrift  von  St.  Gallen  im  Facsimilie  unter  dem  Titel: 
„Antiphonaire  de  S.  Gregoire"  heraus  u.  fügte  mehrere  erläuternde 
Abhandlungen  hinzu.  Er  starb  den  27.  Febr.  1855  zu  Vaugirard.  Die 
Fortsetzung  seiner  Arbeiten  besorgte  der  Jesuit  P.  Dufour.  Ausserdem 
erschienen  von  ihm:  „Mus6e  des  organistes  celebres,"  Paris;  „Esth^ti- 
que,  th^orie  et  pratique  du  chant  gr6gorien  restaur^,**  nach  L/s  Tode 
herausgegeben  von  Dufour,  Paris  1855;  ebenso  „Methode  pour  Wen 
ez^cuter  le  chant  gr^gorien'*  (Paris,  1857);  „Quelques  mots  sur  la 
r6stauration  du  chant  liturgique  etc."  (Paris,  1855);  dann  ein  Vesper- 
aleu.  ein  Graduale  mit,  doppelter  (alter  u.  modemer)  Notation 
(Paris,  1856).  In  letzteren  hatte  er  die  Gesänge  der  im  Laufe  der 
Jahrhunderte  angewachsenen,  unverhältnismässig  ausgedehnten  Jubilen 
ziemlich  entkleidet,  was  ihm  von  manchen  französischen  Kritikern 
bitteren  Tadel  zuzog.  Vor  1843  hatte  er  vieles  für  die  Kirche  kom» 
poniert,  was  aber  ohne  Bedeutung  ist. 

Landi,  Stefano,  geb.  zu  Rom  am  Ende  des  16.  Jhdts.,  ward 
1629  in  das  päpstliche  Sängerkollegium  aufgenommen;  er  starb  um 
1640.    (Messen,  Psalmen,  Madrigalen  u.  a.  m.) 

Landino,  Francesco,  auch  Francesco  degli  Organi 
genannt  wegen  seines  vorzüglichen  Orgelspiels,  geb.  um  1325  zu  Florenz^ 
wo  er  auch  4.  Sept.  1397  starb,  verlor  in  seiner  Kindheit  durch  die 
Blattern  das  Augenlicht,  aber  sein  musikalisches  Talent  entwickelte  sich 
gleichwohl  vortrefflich  u.  machte  ihn  zum  Liebling  u.  zur  musikalischen 
Zierde  seiner  Vaterstadt.  Seine  Kompositionen,  von  denen  F6tis  einige: 
auf  der  Pariser  Bibliothek  entdeckte,  zeichnen  sich  vor  denen  seiner 
Zeitgenossen  durch  harmonischen  u.  melodischen  Beiz  aus. 

Lanfranco,  Giov.  Maria,  geb.  zu  Terentio  im  Permesanischen» 
war  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  Kp.-M.  zu  Brescia,  wo  auch 
sein  sehr  selten  gewordenes  u.  geschätztes  Buch:  „Scintille  deMusica, 
che  monstrano  a  leggere  il  Ganto  fermo  e  figurato,  gli  accidenti  della 
Note  misurate,  le  proportioni,  i  tuoni,  il  Gontrapunto  e  la  divisione 
del  Monochorde,  con  la  accordatura  de  varii  instmmenti,  deUa  quäle 
nasce  un  Modo,  onde  ciasoune  per  le  stesso  imparare  potra  le  voci  di 
ut  re  mi  fa  sol."  1533  erschien.  Er  handelt  darin  in  4  Teilen  den 
Gesang  u.  dessen  Figuren,  den  Mensuralgesang  mit  den  Proportioneni 


Lange  —  Lasso.  161 

n.  dgL,  die  8  regnl&ren  Töne,  den  Kontrapunkt  o.  die  verschiedenen 
Instrumente  ab.    Notenbeispiele  finden  sieh  darin  nicht. 

Lange  (Langius),  Hieronymus  Georg,  aus  Havelberg  in 
der  Mark,  lebte  zu  Ende  des  16.  Jhdts.  in  Breslau,  zeichnete  sich 
durch  gute  musikalische  Kenntnisse  u.  Fertigkeiten  aus  u.  starb  am 
1.  Mai  1587.    (4— 8stimm.  „Cantiones  sacrae,**  Nürnberg  1580  u.  1584). 

Lapini,  Carlo,  geb.  1724  zu  Siena,  ein  ausgezeichneter  Musiker, 
war  von  1757  bis  zu  seinem  Tode,  den  28.  Okt.  1802  Kp.-M.  an  der 
Stiftskirche  seiner  Vaterstadt.    (Viele  Kirchensachen  in  Manuskr.) 

Lappi,  Pietro,  geb.  zu  Florenz  in  der  zweiten  Hälfte  des  16. 
Jhdts.,  u.  Kp.-M.  an  der  Kirche  St.  Maria  delle  Grazie,  gab  von  1600 
bis  1629  Messen,  Motetten  u.  dgl.  zu  Venedig  im  Druck  heraus. 

La  Rae,  Pierre  de,  (Petrus  Platensis),  einer  der  hervor- 
ragendsten niederländ.  Kontrapunktisten  des  15.— 16.  Jhdts.,  Zeit- 
genosse JosquinSf  Schüler  Okeghems,  war  ein  vorzüglicher  Meister  in 
allen  kontrapimkt.  Künsten.  Seine  Werke  tragen  den  Stempel  er- 
habener Grösse,  es  mangelt  ihnen  aber  auch  nicht  Wohlklang  u. 
Anmut.  Gedruckt  sind  von  ihm  erhalten:  ein  Buch  Messen,  gedruckt 
von  Petrucci  1513;  mehrere  Messen  sind  in  Mess-Sammlungen  von 
Petmcci  aufgenommen.  Im  Manuskript  sind  solche  auf  der  Brüsseler, 
Mechliner  Bibliothek,  zu  München  u.  im  Archive  der  päpstl.  Kapelle 
in  Born.  Sein  Geburts-  u.  Todesjahr  sind  unbekannt.  In  den  Eech- 
nungen  des  burgundischen  Hofes  kommt  er  1477  u.  1497  als  Sänger 
in  der  Kapelle  vor.  1501  erhielt  er  eine  Präbende  in  Courtrai,  1510 
leistet  er  Verzicht  auf  eine  solche  bei  der  St.  Albinskirche  in  Namur* 

Lasser,  Joh.  Bapt.,  Sänger  u.  Komponist,  geb.  zu  Steinkirchen 
in  ünte^Österreich  am  12.  Aug.  1751,  gest.  als  kurfürstlicher  Hof- 
u.  Kammersänger  in  München  den  21.  Okt.  1805,  hat  sich  durch  seine 
gediegene  „Vollständige  Anleitung  zur  Singkunst**  (1798),  sowie  durch 
viele  Operetten  einen  Namen  gemacht;  er  schrieb  auch  manches  für 
die  Kirche. 

Lasso,  Orlando  di  (Boland  de  Lattre)  war  1532  zu 
Mens  im  Hennegau  geboren.  Seine  Jugendjahre  umgiebt  ein  sagen- 
haftes, noch  nicht  aufgehelltes  Dunkel.  Er  soll  vorerst  Singknabe  an 
der  St.  Nikolauskirche  zu  Mons  gewesen  sein  u.  durch  seine  herrliche 
Stimme  Aufsehen  erregt  haben.  Sicherer  ist,  dass  er  sich  grosser 
Gönner  erfreute  u.  besonders  die  Gunst  des  kunstsinnigen  Feldherrn 
Carls  V.,  Ferdinand  von  Gonzaga,  genoss,  mit  welchem  er  nach  Italien 
zog.  In  Mailand,  Sizilien,  Neapel  u.  Bom  machte  er  nun  seine  Lehr- 
u.  Wandeijahre  durch.  Dieser  Bildungsgang  machte  ihn  mit  allen 
Stylgattungen  dieser  Epoche  u.  mit  den  besten  Komponisten  bekannt 
n.  befähigte  den  2Qjährigen  Jüngling  1552  mit  seinen  Leistungen  an 
die  Öffentlichkeit  sn  treten.  Auf  seiner  Bückreise  von  Bom  nach 
Antwerpen  scheint  er  ein  Buch  5stimm.  Madrigale  dem  Verleger  Ant. 

KonuBi&ler,  Lexikon,    n.  Bd.  11 


162  Lasso. 

Gardano  (1555)  überlassen  zu  haben;  im  gleichen  Jahre  erschien  zu 
Antwerpen  ein  Bach  4stinmi.  Madrigale  n.  Chansons  von  ihm.  Ende 
des  Jahres  1556  ward  er  vom  bayr.  Herzog  Albrecht  V.  filr  dessen 
Hofkapelle  in  München  gewonnen  n.  von  1562  an  stand  er  dieser  Kapelle 
als  Ep*-M.  bis  zn  seinem  Tode  vor.  Nun  beginnt  die  glücklichste  u. 
frachtreichste  Epoche  seines  Lebens;  sein  edler  Sinn,  sein  freandliches, 
einnehmendes  Wesen,  sowie  seine  Talente  erwarben  ihm  bald  die 
Gunst  des  Hofes  u.  des  Volkes,  u.  die  ausgezeichneten  Erfolge  seiner 
Wirksamkeit  als  Leiter  einer  der  herrlichsten  Kapellen  Europa*s  (sie 
zählte  an  90  Musiker,  teilweise  von  hohem  Bange  u.  bot  die  reichsten 
Hilfsquellen  dar;  ein  Chronist  zählt  12  Bassisten,  15  Tenoristen, 
13  Altisten,  16  Kapellknaben,  5  oder  6  Castraten,  30  Instrumentalisten 
auf)  als  unermüdlicher  weltberühmter  Komponist  in  allen  Gktttnngen 
damaliger  Musik  verschafften  seinem  Namen  nicht  allein  die  einstimmige 
Anerkennung  der  Künstler  u.  Kunstfreunde,  sondern  gewannen  ihm 
zugleich  die  Gunst  der  Grossen  in  solchem  Grade,  wie  sich  deren  kein 
Mitgenosse  unsers  Meisters  rühmen  durfte.  Von  1560—1577  edierte  er 
die  meisten  seiner  Werke,  welche  aUenthalben  bewandert  wurden, 
besonders  erregten  seine  Busspsalmen,  wo  er  sich  zar  vollkommenen 
Höhe  eines  Genie*s  aufschwang,  grosses  u.  wohlverdientes  Au&ehen. 
Man  nannte  ihn  den  Fürsten  der  Tonkanst,  den  Orpheus  unter  den 
Musikern,  den  Dichter  der  Deutschen,  u.  die  Auszeichnungen  wie  die 
Gunst  des  Papstes,  der  Kaiser  u.  Könige  vollendeten  seinen  Trinmph. 
1571  reiste  er  auf  Drängen  des  Musikers  u.  Verlegers  Adr.  le  Boy 
nach  Paris,  wo  er  von  König  Carl  IX.  hoch  geehrt  u.  reichlich  be- 
schenkt wurde.  1574  begab  er  sich  über  Mantua  nach  Bom,  wo  ihn 
Papst  Gregor  XQI.,  welchem  er  den  2.  Band  seines  „Patrocinium 
Musices'*  dediziert  hatte,  zum  Cavaliere  ernannte.  1570  schon  hatte 
Kaiser  Maximilian  IL  ihn  mit  allen  seinen  Nachkommen  in  den  deutschen 
Adelstand  erhoben.  Nach  des  Herzogs  Albrecht  V.  Tode  (1579)  bewahrte 
ihm  dessen  Nachfolger,  Wilhelm  V.,  mit  welchem  er  bisher  schon  in 
regem  Briefwechsel  stand,  das  gleiche  Wohlwollen,  ja  erhöhte  es  noch. 

Noch  im  hohen  Alter  lieferte  er  eine  Menge  Werke  u.  seine 
Thätigkeit  schien  sich  mit  den  Jahren  neu  zu  beleben;  da  traf  den 
Meister  plötzlich  eine  Geistesschwäche  u.  erdrückende  Melancholie, 
welche  14.  Jnni  1594  seinem  ruhmreichen  Leben  u.  Wirken  ein  Ziel 
setzte.  Die  Franziskaner  in  München  begruben  ihn  in  ihrer  Kirche, 
wo  ein  erhabenes  Denkmal,  mit  lateinischen  Versen  seinen  Böhm  ver- 
kündend, errichtet  wnrde.  Seine  Kunst  lebte  in  seinen  Söhnen  u. 
Schülern  noch  lange  fort,  aber  in  seinen  Werken  ist  er  unsterblich 
geworden.  König  Ludwig  I.  von  Bayern  errichtete  der  unvergänglichen 
Grösse  dieses  Meisters  ein  ehrendes  Prachtdenkmal. 

„Orlandus  de  Lassus  ist,  wie  Dr.  Proske  sagt,  ein  universeller 
Geist.    Keiner  seiner  Zeitgenossen  besass  eine  solche  Klarheit  des 


Lasso.  163 

Willens,  übte  eine  solche  Herrschaft  über  alle  IntjBntioneii  der  Kunst, 
dass  er  stets  mit  sicherer  Hand  erfasste,  was  er  für  sein  Tongebilde 
bedurfte.  Von  dem  ContemplatiYen  der. Kirche  bis  zum  heitersten 
Wechsel  profaner  Gesangsweise  fehlte  ihm  nie  Zeit«  Stimmung,  n. 
Erfolg.  Gross  im  Lyrischen  u.  Epischen  würde  er  am,gröS8ten  im 
Dramatischen  geworden  sein,  wenn  seine  Zeit  diese  Musikgattnng 
besessen  hätte.  Gross  ia  der  Kirche  und  Welt  hatte  Lassus  das 
Nationale  aller  damaligen  europäischen  Husik  dergestalt  in  sich  auf- 
genommen, dass  es  als  ein  charakteristisches  Ganze  in  ihm  ausgeprägt 
lag,  XL  man  das  speziell  Italienische,  Niederländische,  Deutsche  oder 
Französische  nicht  mehr  nachzuweisen  yermochte."  Er  adelte  die 
strengere  u.  ältere  Weise  der  Niederländer  durch  die  den  italienischen 
Meistern  eigene  ästhetische  Schönheit  u.  Anmut  u.  half  so  mächtig 
zur  Vollendung  des  figurierten  Kontrapunktes.  Doch  Hess  ihn  sein 
Leben  auf  Beisen  u.  am  Hofe,  immerfort  für  Kirche  u.  Welt  zugleich 
beschäftigt,  hinter  jener  hohen  kirchlichen  Strenge  zurückbleiben,  mit 
welcher  wir  den  grossen  Meister  des  Südens  bei  fortschreitendem 
Leben  in  immer  geschlossenerem  Kreise  der  Kirche  an  ihrem  Mittel- 
punkte dienen  sehen.  Will  man  die  wahre  Grösse  des  Meisters  kennen 
lernen,  so  muss  man  sein  Meisterwerk,  die  Busspsalmen,  einsehen  u. 
diese  mächtigen  Harmonieen,  diesen  grossartigen  ausdrucksvollen  Styl, 
Toll  Salbung  u.  religiöser  Schönheiten  betrachten,  wo  er  Palestrina 
gleich  zu  kommen  scheint. 

Als  Komponist  entwickelte  er  eine  ungeheure  Thätigkeit;  nach 
ungefährer  Schätzung  hat  er  1572  kirchliche  Stücke  aller  Gattung  xu 
765  profane  (italienische,  deutsche  u.  französische  Gesänge,  Madrigale 
u-  dgl.)  geliefert.  Seine  sämtlichen  Werke  erscheinen  jetzt  in  Partitur 
in  prachtvoller  Ausstattung  (redigiert  von  Dr.  F.  X.  Haberl)  bei 
Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig.  Das  „Magnum  opus  musicum," 
welches  erst  nach  Lasso's  Tod  von  seinen  Söhnen  herausgegeben 
wurde,  füllt  allein  schon  10  Partiturbände.  (Es  existiert  auch  ein 
Orgelbass  (Basso  continuo)  zu  diesem  Motettenwerk,  gefertigt  von 
Oasparus  Vincentius,  Organisten  zu  Würzburg,  n.  nach  dessen 
Tode  von  seinen  Kindern  1625  herausgegeben).  1619  gab  sein  Sohn 
Budolph  100  Magnificate  seines  Vaters  heraus;  1597  erchienen  von 
ihm  50  Psalmen  Davids  zu  5  Stimmen;  eine  grosse  Menge  Messen 
wurde  teils  gedruckt,  teils  sind  sie  in  Manuskript  in  der  Münchener 
Bibliothek  aufbewahrt;  dort  befindet  sich  auch  die  mit  aller  Pracht 
der  Kalligraphie,  Miniaturmalerei  tl  dgl,  geschmückt^  Abschrift  seiner 
aieben  Busspsalmen.  Ein  möglichst  vollständiges  Verzeichnis  seiner 
gedruckten  Werke  hat  B.  Eitner  als  Beilage  zum  V.  u.  VX  Jahr- 
gang der  „Monatshefte  fär  Musikgeschichte"  gegeben. 

Sein  ältester  Sohn  Ferdinand  wurde  bald  nach  seiaes  Vaters 
Tode  Kp.-M.  bei  der  herzogL  bayr.  Kapelle  in  München  u.  starb  am 

11* 


164  Lebeuf  —  Leo. 

S7.  Angnst  1609.  Der  zweite  der  Söhne  Orlando's,  Rudolph,  Hof- 
organist,  war  als  Tonsetzer  der  hedeutendste  unter  Orlando's  Nach- 
kommen, o.  Ton  seinen  Werken  sind  Messen,  Motetten  n*  dgl  im 
Drucke  o.  Manuskript  Toriianden.    Er  starb  1625. 

Lebenf,  &  Beof. 

Lechler,  P.  Benedict,  geb.  1594  zu  Füssen  am  Lech  in  Bayern, 
gest.  18.  Januar  1659,  kam  1616  nach  Admont  in  Steiermark,  wo  er 
Vokal-  u.  Instrumentalmusik  erlernte,  wendete  sich  dann  nach  Erems- 
mttnster,  wo  er  vorerst  Kammerdiener  des  Abtes  u.  Lautenist  war; 
1628  trat  er  durch  die  Profess  in  den  Elosterverband.  Im  nämlichen 
Jahre  wurde  er  zum  Chorregenten  ernannt.  Er  schrieb  vier  Bände 
Partituren  teils  von  Werken  italienischer  Meister,  teils  von  seinen 
eigenen  Kompositionen  zusammen,  welche  noch  im  Archiv  von  Krema- 
münster  vorhanden  siad.  Seine  eigenen  Arbeiten  bestehen  in  Messen, 
Hymnen,  Magnificat,  Requiem  von  4—8  Singstimmen  teilweise  mit 
Instrumentalbegleitung. 

Lechner,  Leonhard,  aus  dem  Etschthale  gebtirtig,  f  6.  Sept. 
1604,  war  eine  Zeit  lang  in  der  Kantorei  des  Herzogs  Wilhelm  von 
Bayern  zu  München  angestellt,  um  1570  Schullehrer  in  Nürnberg, 
1584  Kp.-M.  beim  Grafen  von  Hohenzollem  in  Hechingen,  1586—90 
Musikus  u.  Komponist  am  Hofe  des  Herzogs  Ludwig  von  Württemberg. 
Er  schrieb  Motetten  zu  4—6  Stimmen,  5-  u.  6stimm.  Cantiones  sacrae 
u.  Messen,  viele  deutsche  Lieder  zu  3—5  Stimmen. 

Lederer,  Joseph,  regulierter  Chorherr  des  Augustinerstiftes 
St  Michael  zu  Ulm,  geb.  zu  Ziemetshausen  in  Württemberg  1733,  gest. 
im  Oktober  1796,  war  gründlicher  Musikkenner  u.  Künstler.  Er  schrieb 
Mancherlei  über  Musik  u.  komponierte  viele  Kirchensachen. 

hegvenzit  Giovanni,  geb.  um  1625  zu  Clusone  in  der  Nähe  von 
Bergamo,  war  vorerst  Kp.-M.  zu  Ferrara,  ging  um  1664  nach  Venedig^ 
wo  er  1672  Direktor  des  Konservatoriums  der  Mendicanti  u.  1685 
Kp.-M.  an  der  St.  Marcuskirche  wurde.  Er  starb  im  Juli  1690  u. 
wird  unter  die  besten  Meister  seiner  Zeit  gerechnet. 

Lenzi,  Carlo,  einer  der  ausgezeichnetsten  Kirchenkomponisten» 
Orgelspieler  u.  Gtesanglehrer  des  vorigen  Jhdts.,  geb.  den  11.  Juli 
1735  zu  Azzone  in  der  Provinz  Bergamo,  war  Kp.-M.  an  der  Kirche 
St.  Maria  Magg.  in  Bergamo;  1800^ verlor  er  das  Augenlicht  n.  starb 
den  23.  März  1803.  Sein  Nachfolger  ward  der  berühmte  Simon 
Mayr. 

Leo,  Leonardo,  geb.  zu  Neapel  1694,  studierte  vorerst  unter 
A.  Scarlatti  u.  Fago  zu  Neapel,  dann  unter  Pitoni  zu  Rom  die  Ton- 
kunst u.  schon  1717  erhielt  er  die  Kapellmeisterstelle  an  der  Kirdie 
St.  Maria  della  Solitaria  zu  Neapel;  später  wurde  er  Direktor  des 
Konservatoriums  della  Pietä,  dann  von  dem  von  St  Onofrio.  Er  ist 
eines  der  Häupter  der  neapoütanischen  Schule  u.  wirkte  mit  Durante 


Leoni  -—  Lindpaintner.  165 

TU  6.  Greeo  ztu  Yeredlimg  der  Tonkunst.  Unter  seinen  Schfllem 
8ind  besonders  Jomelli  n*  P icdini  zu  nennen.  Er  starb mn  1744. 
Allen  seinen  Kompositionen  wohnt  Wahrheit  n.  OrOsse  der  Empfindongr 
XL  edle  Erhabenheit  inne;  sein  Styl  ist  klar  u.  angemessen  n.  überall 
zeigt  sich  die  Meisterschaft  in  Beherrs^ung  der  Knnstmittel  n.  gd- 
THssenhafte  Ansarbeitnng.  Neben  yielen  Opern  schrieb  er  für  die 
Kirche  Messen,  Motetten,  mehrere  Dizit  u«  Magnificat,  ein  Miserere  für 
8  reale  Stimmen  n.  a.  m. 

Leoni,  Leone,  ein  italienischer  Tonsetzer  am  Ende  des  16.  lu 
Anfiang  des  17.  Jhdts.»  war  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Yicenza. 
(Motetten,  Psalmen,  Madrigalen  n.  a.) 

Liberati,  Antonio»  um  1630  zU'Foligno  geboren,  gest.  um  1685 
als  Kp.-M.  an  der  Kirche  St.  Maria  dell'Anima  in  Bom,  hinterliess 
meist  im  Mannskript  (weniges  erschien  im  Drack)  viele  Madrigalen, 
Psalmen,  Oratorien;  er  arbeitete  nach  Palestrina'schen  Grandsätzen 
TL  Traditionen.  Auch  als  musikalischer  Schriftsteller  ist  er  bekannt; 
in  Manuskript  existieren:  ,^pitome  istorieo  della  Musica"  u.  ,3ft^gnftglio 
dello  State  del  coro  della  eapeUa  ponteficia/*  u.  im  Druck  erschienen: 
^Lettera  scritta  dal  Sign«  A.  Liberati  in  risposta  ad  una  del.  Sig* 
Oyid.  Persapegi*^  (1684)  u.  ,J[iettera  sopfa  un  segnito  di  Quinte." 

Lieliteiithal,  Pr.  Peter,  Arzt,  musikalischer  Schriftsteller  u» 
Komponist,  geb.  1780  zu  Pressburg,  liess  sieh  1820  in  Mailand  nieder, 
wo  er  18.  Aug.  1853  starb.  Sein  Hauptwerk  ist  „Dizionario  e  Biblio- 
grafia  della  Musica/'  4  Bde.,  Mailand  1826. 

LiBdner,  Priedrich,  geb.  zuLignitz,  kam  als  Sängerknabe  in 
•die  Kapelle  des  Kurfürsten  August  in  Dresden,  welcher  ihm  die  Mittel 
Terschaffte,  sich  auf  der  Universität  Leipzig  in  den  Wissenschaften  u. 
in  der  Musik  auszubilden^  1574  kam  er  als  Kantor  an  die  Aegydien- 
kirehe  in  Nürnberg.  Von  ihm  dnd  im  Druck  erschienen:  „Cantiones 
iwcrae,**  2  Teile,  Nürnberg  1585  und  1588;  fQnfsdmmige  Messen, 
1591;  „Gemma  musicalis,"  eine  Sammlung  yon  64  italienischen  Madrid 
galen,  1588—1590;  „CoroUarium  canüonum  sacr/*  5,  6^  7,  8  et  plur. 
Tooum,  1590. 

Lindpaintner,  Peter  Joseph,  geb.  den  8.  Dez.  1791  zu  Koblenz, 
kam  in  seiner  frühesten  Jugend  nach  Augsburg,  wo  er  seine  Studien- 
laufbahn betrat  u.  vom  Domkp.-M.  Witzka  Unterricht  im  KkTierspiel 
u.  Qeneralbass  erhielt.  Bei  Winter  in  München  machte  er  höhere 
Kompositionsstudien  u.  übenahm  1812  die  Stelle  eines  Musikdirektora 
bei  dem  eben  neu  errichteten  Hoftheater  am  Isarthor.  Unterdessen 
studierte  er  noch  bei  Grats  den  Kontrapunkt  1818  erhielt  er  den 
Buf  als  Kp.-M.  nach  Stuttgart,  als  welcher  er  am  2L  Aug.  1856  zu 
Nonnenhem  am  Bodensee  starb.  1840  Terlieh  ihm  der  KOnig  von 
Württemberg  bei  Gelegenheit  sdnes  25jährigen  Dienstjubiläums  zur 
Aandieiiirong  s eiair  VeidieBste  die  Würde  als  Bitter  des  Ordens  der 


166  Lipowsky  —  Loebmann. 

wfirttembergischen  Krone.  Lindpaintiier  hat  fast  iä  allen  Ennst- 
gfattnngen  gearbeitet,  n.  die  Zahl  seiaer  Kompositionen  ist  betrSchtlich. 
Für  die  Kirche  hat  er  geliefert:  mehrere  Te  Denm,  ein  Stabat  mater, 
viele  Psahnen,  6  Messen;  einige  Marienlieder  fttr  Frauenstimmen;  dann 
Oratorien.  Überall  zeigt  er  sich  als  tflchtig  geschulten,  fleissigen  u. 
sorgfältig  arbeitenden  Meister,  wenn  sich  auch  kein  origineller  nnd 
tiefer  (Benins  in  seinen  Werken  dokumentiert. 

Lipowsky,  Felix  Jos.  von,  geb.  1764  zu  Wiesensteig  in 
Schwaben,  betrat  Torörst  die  juridische  Laufbahn,  ward  dann  Professor 
der  Geschichte,  bekleidete  mehrere  Ämter  im  Staatsdienste,  zog  sieb 
1817  in  die  Buhe  zurück  u.  starb  als  landständischer  Archivar  (seit  1819) 
zu  München  20.  März  1842.  Seine  Werke  betreffen  fast  sämtlich  die 
Geschichte  Bayerns;  1810  veröffentlichte  er  ein  bayr.  Künstlerlexikon» 
1811  (München)  „das  bayerische  Musiklexikon."  Er  war  auch  ein 
gediegener  Musiker,  gleidi  seinem  Vater. 

Lipparino,  Guglielmo,  geb.  zu  Bologna,  Augustinermanch  o* 
Domkp.-M.  zu  Como,  blühte  von  1609  bis  1637  u.  es  erschienen  von  ihm 
Motetten,  Litaneien,  Kirchenkonzerte,  Madrigalen  u.  a.  m.  im  Druck. 

Listenins,  Nicolans,  eia  Tonlehrer  des  16.  Jhdts.,  geb.  za 
Brandenburg,  gab  1533  zu  Wittenberg  bei  Bhau  „Budimenta  musicae 
in  gratiam  studiosae  juventutis  etc.**  heraus,  welches  Werklein  bis 
1600  über  20  Auflagen  erreichte.  Spätere  Auflagen  führen  den  ein- 
fachen Titel:  „Musica  N.  Listenii  etc.**  Er  behandelt  in  diesem  inte- 
ressanten Werklein  die  Elemente  der  Musik,  den  Gantus  gregorianua 
in  ein-  und  mehrstimmigen  Beispielen,  dann  die  Mensuralmusik  in 
gedrängter  Kürze.  1550  schrieb  ein  Christoph.  Neoraens  Biedensis 
„Annotatiunculas  aliquot**  dazu. 

Llflst,  Franz,  geb.  22.  Okt.  1811  zu  Baiding  bei  Oedenburg  in 
Ungarn,  gest.  31.  Juli  1886  in  Bayreuth,  hatte  seiner  Zeit  den  Buf  de» 
grössten  Klavierspielers,  auch  als  Komponist  war  er  gefeiert.  In 
späteren  Jahren  interessierte  er  sich  auch  besonders  für  die  katholische 
K.-Musik  u.  schrieb  mehrere  Werke  für  die  Kirche^  so  die  „Graner 
Festmesse,**  „Ungarische  Krönungsmesse,**  Missa  choralis  für  gemischte 
Stimmen  u.  Orgel,  Bequiem  für  Männerstimmen  u.  Orgel,  mehrere 
Psalmen  u.  viele  kleinere  Kirchengesänge. 

Lobo,  Du  arte,  s.  Lopez. 

Loebmann,  Johann  Joseph,  geb.  10^  Januar  1829  zu  Schirgisfe-' 
walde  bei  Bautzen  (sächs.  Oberlansitz),  erhielt  Mhzeitig  tüchtigen 
Musikunterricht,  so  dass  er  als  l^ähriger  Knabe  schon  die  Orgel 
spielen  konnte.  Von  1841—44  war  er  Zögling  (Altist)  des  k.  Kapellknaben« 
Institutes  zu  Dresden  unter  dem  k.  Gesanglehrer  Angelo  Oiccarelli, 
dem  Hofkp.-M.  Beissiger  u.  dem  k.  Musikdirektor  Bastrelli.  Auch  Mer 
betrieb  er  Yiolin-  u.  Klavierstndien  fldssig  fort.  Von  1815-^  besuchte 
er  das  k.  Lehrerseminar  in  Bautzen,  wo  er  unter  den  DomorganiBtea 


Lodi  —  Lorente.  167 

C.  Ed.  Hering  jenen  musikwissenschaftlichen  Grnnd  legte,  auf  welchem 
er  gedeihlich  forthauen  konnte.  Als  Lehrer  in  Seitendorf  hei  Zittau 
angestellt,  Hess  er  sich  die  Hehung  der  tief  damiederliegenden  K'Musik 
eifrigst  angelegen  sein;  ehenso  in  Ostritz,  wo  er  15  Jahre  Kantor  war. 
1877  tthemahm  er  das  Direktorat  der  kathoL  Bürgerschule  in  Leipzig« 
Ohwohl  hier  nicht  zum  kirchl.  Chordienst  verpflichtet,  nahm  er  sich 
doch  der  E.-Mu8ik  an,  gründete  1878  einen  Cäcilienverein,  mit  welchem 
ihm  zahlreiche  sehr  gute  Aufführungen  gelangen.  Li  letzterer  Zeit 
zog  er  sich  yon  dessen  Leitung  zurück.  Seine  kirchlichen  Kompo- 
sitionen sind:  Op.  1.  Fuge  mit  Choral  (im  Töpferalhum);  op.  2.  Preis- 
messe f&t  3  Männerstimmen  mit  ohiig.  Orgel  (Schott  in  Brüssel  u. 
Mainz);  op.  3.  Sechs  leichte  Fughetten  u.  12  Versetten  für  Orgel 
(ehenda);  op.  4.  Drei  Motetten  f.  4stimm.  Männerchor  (in  „Musica 
Sacra"  v.  Kothe);  op.  5.  Drei  Motetten  f.  4stimm.  Chor  (in  „Caecilia" 
von  Kothe);  op.  6.  Zwei  Gradualien  u.  zwei  Offertorien  für  2— 48timm. 
Männerchor  mit  Orgel  (Schott  in  Brüssel);  op.  7.  Missa  in  hon.  S. 
Caeciliae  f.  4stimm.  gemischten  Chor  mit  ohlig.  Orgel  (ehenda);  op.  8. 
Missa  in  h.  Ss.  App.  Petri  et  Pauli  für  48timm.  gemischten  Chor  mit 
Orgel  (Schott,  Mainz);  op.  9.  Missa  in  hon.  S.  Mathildis,  ehenso 
(Begenshg.,  Pustet).  Fast  sämtliche  Nummern  sind  in  den  Cäcil.- 
Vereinskatalog  aufgenommen. 

Lodi,  Demetrio,  ein  Camaldulensermönch,  geh.  zu  Verona  in 
der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.,  schrieh  viele  Kirchenwerke  im  Style 
Oahrieli*s. 

Löhle,  Fr.  Xaver,  geh.  den  3.  Dez.  1792  zu  Wiesensteig  am 
Fusse  der  rauhen  Alp  in  Württemberg,  war  ein  um  die  Gesangs- 
verhältnisse Münchens  sehr  verdienter  Sänger,  welcher  eine  Central- 
singschule  daselbst  errichtete,  worin  jährlich  über  120  Zöglinge  in  drei 
Kursen  unterrichtet  wurden.  Er  starb  am  29.  Jan.  1837.  unter  seine 
Kompositionen  zählen  auch  lateinische  u.  deutsch»  Messen  u.  a.  m. 
Zu  bemerken  ist  noch  seine  „Allgemeine  Anleitung  zu  einer  Elementar- 
Musikschule,  nach  Pestalozzi'schen  Grundsätzen.'*    4  Bde. 

Lopez  oder  Lobo  (Lupus),  Duarte,  einer  der  bedeutendsten 
portugiesischen  Tonmeister,  war  um  1600  Kapelldirektor  an  der 
HospitaUdrche,  dann  an  der  Kathedrale  zu  Lissabon.  L.  kultivierte  mit 
Vorliebe  den  vielstimmigen  Satz.  (3  Bücher  4stimm.  Magnifikats 
(1605,  1611),  je  ein  Buch  4--8stimm.  u.  4— 6stimm.  Messen  (1621, 1639), 
Liber  processionum  et  stativuum  (1607);  ausserdem  im  Mskr.  zu  Lissa- 
bon 8-  u.  mehrstimmige  Messen,  Antiphonen,  Psalmen  u.  a.;  ein  theoret. 
Werk  „Opuscula  musica"  (1602). 

Lorente,  Andres,  geb.  1631  zu  Anchuelo  in  der  Diözese  Toledo, 
studierte  auf  der  Universität  Alcala,  ward  Priester,  bekleidete  mehrere 
Kirchenämter  u.  war  auch  Organist  an  der  Hauptkirche  St.  Justo  in 
Toledo.    Von  seiner  tiefen  Musikkenntnis  giebt  sein  Werk:  „El  Porque 


168  Lorenzani  —  Luoohesi. 

de  la  Musica  en^qne  se  contieime  los  qnatros  artefl  de  ella,  canto  elano, 
canto  de  organo,  contrapunto,  y  composicion.  Dedicado  a  Maria 
santissima,  naestra  avogada,  y-senora,  concebida  sinmancha  de  pecado 
Original  etc,  En  Alcala  de  Henares,  1672.**  Im  lY.  Teile  desaelben 
bringt  er  anch  (4— 128timnuge  Stücke,  Imitationen  u.  Fngen.  Nach 
sßiner  Angabe  schrieb  er  anch  ein  Werk  „De  Organo/'  welches  sich 
mit  allen  Instrumenten,  hauptsächlich  mit  der  Orgel,  bescl^ftigt. 

Lorencani,  Paolo,  geb.  zu  Born  in  der  ersten  Hälfte  des  17. 
^dts.,  in  der  Musik  gebildet  unter  Orazio  Benevoli,  ward  zuerst 
Kp.-M.  an  der  Jesuitenkirche  in  Bom,  dann  in  Messina.  Nachdem  er 
einige  Zeit  in  Frankreich  sich  aufgehalten  hatte,  ging  er  nach  Neapel 
U.  von  da  1690  nach  Bom  als  Ep.-M.  an  St.  Peter.  Er  starb  am 
29.  Okt.  1713. 

Lossins,  Lucas,  geb.  zu  Vacha  im  Hessischen  am  18.  Okt  1508» 
starb  als  Bektor  zu  Lüneburg  am  8.  Juli  1582»  Er  war  einer  der 
gelehrtesten  Musiker  seiner  Zeit.  Sein  verdienstlichstes  Werk  ist 
„Psalmodia,  hoc  est,  cantica  sacra  veteris  ecclesiae  selecta  etc.'* 
Nürnberg  1533;  femer  verfasste  er  einen  Traktat  über  die  Elemente 
der  Choral-  u.  Mensuralmusik  unter  dem  Titel:  „Erotemata  musicae 
practicae  etc.*'  Nürnberg  1563  (und  in  mehreren  spätem  Auflagen 
erschienen),  in  dessen  I.  Teile  er  vom  Chorale,  im  II.  von  der  Mensoral« 
musik  handelt.  Am  Ende  sind  6  mehrstimmige  Gesänge  von  ver- 
schiedenen Meistern,  z.  B.  Bened.  Ducis,  Pet  Tritonius  u.  a.  angeführt. 
Auch  gab  er  ein  Sammelwerk  „Psalmodia  h.  e.  cantica  sacra  veteris 
ecclesiae  selecta**  (1552)  heraus. 

Lotti,  Antonio,  ein  vorzüglicher  Tonsetzer  der  venetianischen 
Schule,  war  um  1665  zu  Venedig  (?)  geboren,  wo  er  anch  unter  Legrenzi 
Beine  musikalischen  Studien  machte.  Von  1693  an  diente  er  ate 
Organist  an  der  St.  Marcuskirche  zu  Venedig,  1717—19  weilte  er  auf 
besondere  Einladung  des  Kurfürsten  zu  Dresden.  1736  ward  er  Kp.*M. 
XL  starb  5.  Jan.  1740.  Lotti  war  ebenso  gross  durch  tiefe  musikalische 
Gelehrsamkeit,  wie  durch  freie  Schöpftmgskraft;  Grossheit  u.  Adel 
der  Empfindung  gehen  bei  ihm  Hand  in  Hand  mit  der  Innigkeit  der- 
selben, daher  er  auch  in  allen  Stylen  Meisterhaftes  u.  immer  An- 
gemessenes geleistet  hat.  Heutzutage  sind  allerdings  nur  seine  Kirchen* 
Sachen  noch  lebensfähig;  doch  sind  seine  profanen  Werke,  wenn  sie 
sich  auch  überlebt  haben,  noch  von  kunsthistorischem  Werte.  Von 
seinen  Kirchenkompositionen  werden  besonders  zwei  „OmeifixHS**  zu 
6  u.  8  Stimmen  sehr  hoch  geschätzt  Von  1719  an  schrieb  er  nur 
mehr  Kirchenmusik;  doch  blieb  alles  Mskr.,  bis  in  neuerer  Zeit  einige 
Hessen  durch  Drack  veröftentlicht  wurden. 

Jiucchesi,  Andrea,  geb.  den  28.  Mai  1741  zu  Motta  im  Frianl, 
studierte  bei  Paolucci  in  Bologna  u.  Seratelli  in  Venedig  den  Kontra* 
punkt  u.  die  Kirchenkomposition,  bei  Cocchi  in  Neapel  den  Theaterstjl 
1771  kam  er  als  Kp.-M.  in  die  Dienste  des  Kurfürsten  von  Köln. 


LudoTioi  —  Lück.  169 

Ludoyici,  Tommaso,  ein  Deutscher  von  Geburt,  Eontrapunktist 
des  16.  Jhdts.,  gab  1591  in  Born  heraus:  „Hymni  totius  anni  4  vocum, 
una  cum  VI  Psalmis  8  vocum.** 

Lnmpp)  Leopold,  geb.  den  4.  Jan.  1801  zu  Baden,  wurde  1825 
an  die  Stelle  seines  Vaters  als  Professor  u.  Musiklehrer  am  Lyceum 
zu  Bastatt  berufen.  1827  zum  Dompräbendar  in  Freiburg  ernannt, 
hatte  er  zugleich  den  Oesangunterricht  im  Priesterseminar  u.  die 
Leitung  des  Choralgesangs  in  der  Domkirche  zu  besorgen,  bis  er  1838 
die  Domkapellmeisterstelle  erhielt  Von  seinen  Werken  veröffentlichte 
er:  „Der  Choralgesang  nach  dem  Cultus  der  kathol.  Kirche**  (Freiburg 
1837,  2.  Aufl.),  7  deutsche  Tierstimmige  Messen,  Melodien  zum  Frei- 
burger Diözesangesangbuch,  (Karlsruhe  1852,  2.  Aufl.),  Lieder,  Orgel- 
stücke u.  a. 

Lnsciniaci,  Othmar  (Nachtgall),  geb.  zwischen  1478—1480 
zu  Strassburg,  machte  seine  Studien  auf  der  Universität  Heidelberg, 
zuletzt  in  Wien,  wo  der  berühmte  Hofhaimer  sein  Lehrer  in  der  Musik 
war;  zwischen  1511—1514  studierte  er  zu  Paris  Theologie  u.  Griechisch. 
In  der  Folge  bekleidete  er  den  bescheidenen  Posten  eiaes  Organisten 
u.  Vikars  bei  St.  Thomas  in  Strassburg,  welchen  er  kurz  vor  1521 
wieder  verlor.  1525  erhielt  er  ein  Kanonikat  bei  St.  Moriz  in  Augs* 
bürg,  womit  die  Prädikatur  u.  die  Verwaltung  des  Pfarramtes  verbunden 
war;  die  Beformationsbewegung  vertrieb  ihn  1528  aus  Augsbuiig,  n. 
er  zog  nun  nach  Freiburg  u.  nach  kurzem  Aufenthalte  daselbst  nach 
Strassburg,  wo  er  1536  starb.  Ausser  mehreren  literar.  Werken  sind 
von  ihm  bekannt:  a)  „Musicae  inatitutiones  Othmari  Nachtigall 
Argentini.  Argentorati,  1515.**  Gedruckt  bei  Joann.  Knoblauch  (ohne 
Noten);  b)  ,J£usurgia  sen  praxis  Musicae,  illius  primo,  quae  Listmmentis 
agitur  cer^  ratio,  ab  Ottmare  Luscinio  Argentino  duobus  libris 
absoluta.  —  Ejusdem  0.  Luscinii  de  Goncentus  pol^phoni  L  e.  ex 
plurifarüs  vocibus  compositi,  canonibus,  Libri  totidem.  Argentorati, 
apud  Joann.  Schottum.  1536.**  F^tis  bemerkt,  dass  es  grosses  Interesse 
biete  durch  die  Abbildungen  u.  Beschreibung  der  zu  Ende  des  15.  u. 
Anfang  des  16.  Jhdts.  in  Gebrauch  stehenden  Instrumente.  Die  erste 
Abteilung  dieses  Doppelwerkes  ist  in  Form  eines  Dialoges  zwiBchen 
Andr.  Sylvanus  u.  Seb.  Virdung  gefasst;  die  zweite  ist  Oommentar,  nicht 
mehr  Dialog.    Eine  zweite  Auflage  enchien  zu  Strassburg  1542. 

Lück,  Stephan,  geb.  d^n  9.  Jan.  1806  zu  Luis  am  BhelUt  zum 
Priester  geweiht  den  20.  September  1828,  1849  Domkapitolar  in  Tri^, 
firt&er  Professor  der  Moraltheologie  u.  Direktor  der  Dom-Musikschule 
in  Trier,  wirkte  auf  die  Heranbildung  tüchtiger  Kirchenchöre  auch  üi 
weiteren  Kreisen  durch  ein  Schriftehen:  „Theoretisch-praküacln  An- 
leitung zur  Herstelhmg  eines  würdigen  Kirchengesanges'*  (Trier  1856» 
iMdd  darauf  2.  Aufl.);  1860  edierte  er  „Sammlung  aosgezeiehnetex 
Koapesitionea  für  die  Kirche^  (2  Bde.  Triw).    f  4.  Nov.  1883* 


170  Mabillon  —  Maha. 


M. 


Mabillon,  Jean,  geb.  den  23.  Not.  1632  im  Dorfe  St.  Pierremont 
in  der  Diözese  Hheims,  trat  1654  in  der  Abtei  St.  Bemigios  in  den 
Benediktinerorden,  der  ibn  in  die  Beibe  seiner  gelehrtesten  n.  tüch- 
tigsten Glieder  zftblt.  Nachdem  er  mehrere  Ämter  in  den  verschiedenen 
Klöstern  der  Maorinercongregation  verwaltet  hatte,  starb  er  den 
27.  Dez.  1707  in  der  Abtei  St.  Germain-des-PrÄs  zu  Paris.  Seine  Werke 
geben  vielen  Anfschluss  über  die  ältere  E^chenmnsik  n.  enthalten 
reiche  Notizen  sowohl  historischen  als  archäologischen  Inhalts;  be- 
sonders gehören  hierher:  „De  litnrgia  galUcana  libri  tres;"  „Annales 
ordinis  S.  Benedicti;*^  „Acta  Sanctomm  ordinis  S.  Benedicti.** 

Machado,  M  a  n  o  €  1 ,  zu  Anfang  des  17.  Jhdts.  Mnsiker  in  der 
Kapelle  des  Königs  von  Portugal,  war  zu  Lissabon  geboren  u.  gehörte 
zu  den  besten  Kirch^nkomponisten  seiner  Zeit.  (4-  und  Bstimmige 
Kirchenstücke.)    Er  war  ein  Schüler  des  berühmten  Duarte  Lobo. 

Maccheti,  Teofilo,  geb.  um  1660  zu  Bologna,  war  Kp.-M«  am 
Dom  zu  Pisa.  Von  ihm  erschienen  zu  Bologna  1693:  „Sacri  concenti 
di  Sahni.*' 

Macri,  Paolo,  geb.  zu  Bologna  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts., 
gab  zu  Venedig  1581  u.  1597  5stimmige  Motetten  u.  5— lOstimmige 
Lamentationen  heraus. 

Madlseder,  P.  Nonnosus,  geb.  1730  zu  Meran,  Benediktiner- 
mönch zu  Andechs  seit  1750,  f  3.  April  1797,  war  ein  theoretisch  u. 
praktisch  sehr  gebildeter  Musiker,  besonders  vorzüglich  im  Orgelspiel. 
Im  Druck  erschienen  von  ihm:  Oifertoria  XV  a  4  voc.  2  Viol.  (Clar. 
vel  com.  ad  lib.)  cum  dupl.  Basso  juxta  Stylum  noviss.  (Augsbg.  1765); 
Offertoria  XV  Op.  11.  (1767);  Vesperae  solemnes.  Op.  IV.  (St.  Gallen  1771); 
Miserere  V  et  Stabat  Mater  L  Op.  m  (1768). 

Magalhaens,  Filipe  de,  einer  der  vorzüglichsten  u.  fleissigsten 
portugisischen  Tonsetzer,  war  königl.  Kp.-M.  zu  Lissabon  in  der  ersten 
Hälfte  des  17.  Jhdts.  Die  Lissaboner  Bibliothek  bewahrt  eine  ansehn- 
liche Anzahl  von  Messen,  Motetten  u.  dgl.  von  ihm;  1636  u.  1641 
erschien  auch  manches  davon  in  Druck. 

Magni,  1)  Benedetto,  ein  ital.  Kirchenkomponist,  von  welchem 
zu  Venedig  1616  Motetten  u.  8stimm.  Messen  gedruckt  wurden. 

2)  Guiseppe  M.,  geb.  zu  Foligno,  war  um  1700  Kp.-M.  daselbst 
XL  galt  für  einen  der  bessern  Meister  seiner  Zeit. 

Mah«,  Stephan,  ein  deutscher  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts., 
dessen  Werke  ihn  zu  den  besten  Meistern  seiner  Zeit  rechnen  lassen. 
Sr  war  Sänger  in  der  Kapelle  des  nachmaligen  Kaisers  Ferdinand  I. 
Sein  Hauptwerk  sind  die  in  Joanelli's  Thesaurus  gedruckten  grossen 


Haillard  —  Marcello.  171 

Lamentationen  zn  4  Stimmen.  Einzelne  seiner  Kompositionen  finden 
sich  in  der  Forster'schen  Motettensammlnng,  bei  Petrejns,  Forkel;  die 
Münchner  Bibliothek  besitzt  ein  Magnificat  von  ihm  in  Mannskript  n. 
einige  Kirchenstücke  unter  dem  Titel  „Officia,**  anch  in  der  Proske- 
schen  Bibliothek  finden  sich  Werke  von  ihm. 

Maillard,  Jean,  ein  ^anzOsischer  Komponist  des  16.  Jhdts., 
lebte  wahrscheinlich  zn  Paris»  wo  1561  ein  Motettenwerk  von  ihm: 
„XX  Cantiones  sacrae  sen  Motectae  qnataor  vocnm"  erschien.  Er 
scheint  als  Tonsetzer  eines  guten  Rufes  genossen  zu  haben.  Die 
Proske'sche  Bibliothek  besitzt  viele  Kompositionen  von  ihm. 

Majo,  Giusepi^e  di,  geb.  zu  Neapel  1689,  studierte  die  Musik 
unter  Aless.  Scarlatti,  1727  erhielt  er  daselbst  eine  Kapellmeisterstelle 
an  einer  Kirche.  (8stimm.  Dizit,  1  Miserere  für  2  Soprane,  Tenor, 
2  Violinen  u.  Orgel,  4stimm.  etc.  Litaneien). 

Sein  Sohn  Francesco  di  M,  geb.  1745,  war  einer  der  vortreff- 
lichsten Tonsetzer  aus  der  neapolitanischen  Schule.  Er  starb  zu  Born 
schon  1774,  29  Jahre  alt.  Ausser  vielen  Opern  schrieb  er  auch  mehreres 
für  die  KirchCt  meistens  mit  Instrumentalbegleitung. 

Manehicoiirt,  Pierre,  um  1510  zu  Bethune  (in  Artois)  geboren, 
war  Kanonikus  in  Arras,  später  Gesangmeister  der  Chorknaben  an  der 
Kathedrale  von  Toumay.  Um  1560  lebte  er  in  Antwerpen.  Von  ihm 
suid  gedruckt :  „Cantiones  musicae*' Paris  1539;  „Modulorum  musicomm 
etc*^  Paris  1545;  „Missa  4  voc  cui  titulus:  Quo  abiit  dilectus,^* 
ebend.  156a 

Manciniy  C  u  r  z  i  o ,  ein  Tonsetzer  der  rOmischen  Schule,  war  von 
1589  bis  1591  Kp.-M  an  der  Kirche  St.  Maria  Maggiore  zu  Born  u. 
1607  an  St.  Johann  im  Lateran«  Er  hinterliess  32  vier-  bis  achtstimm. 
Motetten  im  Mskr.,  u.  1608  erschienen  8stimm.  Litaneien  von  ihm 
in  Druck. 

Mangon,  Johann,  ein  Kontrapunktist  der  niederlSndisdien  Schule, 
gest.  1587  in  Aachen,  war  1570—1577  Chordirigent  der  dortigen 
Münsterkirche.  Kompositionen  von  ihm  sind  in  dem  Archive  des 
Aachener  Stiftskapitels  aufbewahrt,  unter  anderm  20  Messen  in  einer 
Sammlung,  welche  noch  eine  Messe  von  Pet.  Chenemont  u.  eine  von 
Joh.  Claux  enthält.  H.  Böckeier  hat  eine  „Missa  in  summis  festis'^ 
u.  als  Beilagen  zum  „Gregoriusblatf*  (1879.  1880)  ein  Magnificat  u. 
ein  Salve  Begina  von  Mangon  veröffentlicht. 

Maveello,  Benedetto,  einer  der  berühmtesten  Meister  der 
alten  venetianischen  Schule,  staamite  aus  einer  der  angesehensten 
PatrizierfEunilien  Venedigs  u.  wurde  daselbst  am  1.  Aug.  1686  geboren. 
Neben  seiner  wissenschaftliehen  Ausbildung  studierte  er  die  Musik  bei 
dem  berühmten  Gasparini  u.  hOrte  nie  auf  sie  zu  kultivieren,  selbst 
als  er  durch  StaatsSmter  u.  Gesehilfte  viel  in  Anspruch  genommen 
war.   Zuerst  Advokat,  dann  Batamitglied,  fimgierte  er  soletzt  als 


172  Marehettos  —  Marensio. 

Schstzmeisier  in  Biescia,  wo  er  am  24.  Juli  1739  starb.  Das  Werk, 
welchem  M.  aki  Komponist  seinen  hohen  Bnhm  verdankt,  sind  seine 
50' Psalmen,  deren  Texte  von  Girol.  Ascan.  Ginstiniani  bearbeitet 
sind.  M.  zeigt  sieh  in  ihnen  als  einen  Tonsetzer,  welcher  durch  etft'- 
fache  Erhabenheit  n.  Grösse  musterhaft  genannt  werden  mnss.  Ausser 
diesem  Werke,  das  in  Venedig  in  2  Abteilungen  sm  je  4  FoKdbftaden 
1724,  1726  u.  1727  erschien,  hatte  er  sowohl  für  die  Kirche  als  fttr 
profane  Zwecke  noch  mehreres  komponiert. 

Marehettua,  dePadua,  ein  bertthmter  Tonlehrer  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  13.  u.  dem  Anfange  des  14  Jhdts.,  war  ans  Padua  gebürtig 
u.  hielt  sich  teils  zu  Verona,  teils  zu  Cesena  auf,  soll  auch  in  Neapel 
einige  Zeit  gelebt  u,  musikalische  Vorlesungen  gehalten  haben.  Seine 
Verdienste  sind,  dass  er  die  Mensuralmusik  weiter  ausbilden  half  n- 
die  Lehre  der  Harmonie  bedeutend  forderte.  Fitr  letztere  werden  durch 
ihn  schon  besondere  Begeln  gegeben;  zum  erstenmal  finden  whr  bei 
Marchettus  (wie  bei  seinem  Zeitgenossen  Johann  de  Muris)  die 
sehr  wichtige  Regel,  dass  zwei  yoUkommene  Konsonanzen  nicht  in 
gerader  Bewegung  aufeinander  folgen  sollen.  Auch  das  Wesen  der 
Dissonanzen  war  ihm  schon  bekannte  Seine  Schriften:  „Luoidadum  in 
arte  musicae  planae**  u.  „Pomerium  in  arte  musicae  mensuratae" 
hat  Gterbert  in  sein  Werk  „Seriptores  de  mue.  ecd.'*  U>m.  JH,  auf- 
genommen. 

Marenxio,  L  u  c  a ,  einer  der  bedeutendsten  italienischen  Kompo* 
nisten  des  16.  Jhdts.,  war  um  die  Mitte  desselben  zu  Coccaglia  unter- 
halb Bresda  geboren.  Eine  besondere  Anmut  der  Stimme  u.  aus- 
gezeichnete Musikanlagen  führten  ihn  unter  die  Leitung  äea  Giovanni 
Conti,  Kp.-M.  in  Brescia,  eines  der  kenntnisreichsten  Musiker  seiner 
Zeit,  wo  er  im  Gesang  u*  in  der  Komposition  die  gründlichste  Aus- 
bildung erwarb.  Seia  lebhaftes  Genie  bewegte  sich  mit  vorzüglichem 
Erfolge  im  Madrigalenstyle,  der  edelsten  Form  damaliger  Profanmusik 
Mit  wahrer  Begeisterung  wurde  die  erste  Sammlung  seiner  Madrigale 
aufgenommen  u.  hatte  einen  glänzenden  Buf  an  den  Hof  des  Königs 
von  Polen  zur  Folge.  Das  rauhe  Klima  jenes  Landes  bewii^te  jedoch 
seine  baldige  Bttekkehr  nach  Italien.  In  Born  ward  er  zuerst  (um  1584) 
bei  dem  Kardinal  dfEste,  hierauf  bei  dem  Kardinal  Aldobrandini  als 
Kp.-M.  angestellt  u.  zuletzt  als  Mitglied  des  päpstlichen  Sänger* 
kollegiums  aufgenommen.  Elex  starb  er  den  22.  August  1599.  -^ 
Obwohl  M.  seinen  Hauptmhm  Madrigalen  verdankt,  welche  ihm  auch 
den  Beinamen  „il  dolce  cigno  (der  süsse  Schwan)**  u.  „il  divino  compo- 
sitore  (der  güttliche  Tonmeister)*'  erwarben  u.  zugleich  ein  sehr  einfluss» 
reiches  Verhähois  auf  das  gesamte  Musikwesen  jener  in  einer  wichtigen 
Umgestaltung  begriffenen  Zeit  übten,  so  behauptete  er  dennoch  $k 
Kirdheakomponist  eine  gleich  ehrenvolle  Stdkmg,  n.  die  orlgiaeUe 
YerweniMg  seiner  reichen  Oeamtg-  u.  Sffiaktenmitfcel  hinderten  ih» 


Mariani  —  Martini.  173 

nichti  sich  durchaus  als  ächten  Anhänger  der  römischen  Schule  zu 
erweisen,  zu  deren  würdigsten  Meistern  im  reinen  Kirchenstyle  er  stets 
gerechnet  wurde.  Seine  zahlreichen  Kompositionen  —  Madrigalen, 
Motetten,  Antiphonen  u.  a.  —  erschienen  von  1580  his  1616  zuerst  in 
Venedig  im  Druck. 

Mariani,  Giovanni  Lorenz o,  geb.  zu  Lucca  1737,  Schüler 
des  Padre  Martini  in  Bologna,  war  einer  der  gelehrtesten  Musiker 
seiner  Zeit  u.  starb  als  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Savona  1793. 
(Viele  Kirchensachen,  oft  zu  6t  7,  8  realen  Stimmen.) 

Marpnrg,  Friedrich  Wilhelm,  einer  der  grössten deutschen 
Musiklitteratoren  n.  Theoretiker,  war  geb.  am  1.  Okt.  1718  zu  See- 
hausen in  der  Altmark,  u.  starb  am  22.  Mai  1798  zu  Berlin  als 
Lotterie  -  Direktor  u.  mit  dem  Titel  „Kriegsrat*'  Seine  Schriften 
zerfallen  in  rein  theoretische,  in  kritische  u.  historische,  u.  sind  meist 
ausgezeichnet  durch  Gründlichkeit  u.  Scharfsinn,  sowie  durch  Lebendig- 
keit u.  Prägnanz  der  Darstellung,  wobei  man  freilich  oft  den  damals 
bei  polemischen  u.  kritischen  Schriften  gangbaren  witzelnden  u.  groben 
Ton  übersehen  muss.  Von  seiaen  Schriften  ragen  hervor :  „Handbuch  beim 
Generalbässen,  der  Komposition''  3  Teule,  Berlin,  1757—58;  „Abhandlung 
von  der  Fuge"  Berlin  1753  und  54.  2  Teile;  „Anleitung  zur  Sing- 
komposition*' Berlin  1758;  „Versuch  über  die  musikalische  Temperatur," 
Breslau  1776  u.  v.  a.    Auch  einige  Kompositionen  hinterliess  er. 

Marques,  Antonio  Lesbio,  geb.  zu  Lissabon  um  1660  u. 
gest.  daselbst  am  1.  Nov.  1709  als  königl.  portugiesischer  Kp.-M.,  war 
von  seinen  Landsleuten  als  tüchtiger  Tonsetzer  u.  Literator  gesc^ätzt^ 
Er  hinterliess  auch  viele  Kirchenkompositionen,  welche  aber  Mskr. 
geblieben  sind. 

Martliii,  P.  Giovanni  Battista,  der  grösste  Tongel^irte 
des  achtzehnten  Jahrhunderts,  überhaupt  einer  der  gelehrtesten 
Musiker,  welche  Italien  hervorgebracht  hat,  geboren  den  24.  April 
1706  zu  Bologna,  daselbst  gestorben  den  4.  Oktober  1784,  war  der  Sohn 
eines  Musikers;  seine  reissenden  Fortschritte  erschöpften  bald  den 
Unterricht  des  Vaters,  u.  M.  kam  nun  unter  die  Leitung  P.  Predieri's 
für  Gesang  u.  Klavier,  den  Kontrapunkt  studierte  er  unter  A.  Biccieri. 
Nachdem  er  seine  klassische  u.  religiöse  Bildung  bei  den  PP.  Ora- 
torianem  vollendet  hatte,  trat  er  1721  in  den  Gonvent  des  hl.  Franziscns 
zu  Bologna.  Mit  allem  Eifer  trieb  er  das  Studium  der  Philosophie  u. 
Mathematik,  namentlich  aber  zog  ihn  die  Musik  an.  1725,  obwohl 
erst  19  Jahre  alt,  hatte  er  schon  so  ausgebreitete  Kenntnisse  in  seiner 
Kunst,  dass  er  zum  Kp.-M,  sein^  Ordenskirche  ernannt  wurde.  Von 
nun  an  weäkete  er  sich  ganz  der  Tonkunst  u*  studierte,  wenn  ex  nicht 
komponierte,  die  Traktate  der  ahen  n.  neuen  Musätheoretiker*  Auf 
Andrängen  der  Freunde  der  Musik  u.  mehrerer  Künstler,  entsohloss 
er  sich,   Am  Bologna   eine   Schule    der   Komposition   zu   eröfGaen. 


174  MartinL 

Zugethan  den  Traditionen  der  römischen  Schule,  befliess  M,  sich  vor- 
züglich, die  Lehren  dieser  strengen  n.  herrlichen  Schule  fortzupflanzen. 
Seine  ausgezeichnete  Methode  u.  die  Besultate,  die  er  an  seinen 
Schülern  erzielte,  n.  seine  grosse  Gelehrsamkeit  verschafften  ihm  u. 
seiner  Schule  einen  europäischen  Euf.  Man  sah  die  berühmtesten 
Tonsetzer  sich  bei  ihm  Bats  erholen,  man  wählte  ihn  bei  Eonkursen 
zum  Schiedsrichter,  bei  Streitfragen  wendete  man  sich  an  ihn,  u.  er 
hob  gewöhnlich  alle  Zweifel  Die  Sanftheit  seines  Charakters,  seine 
Bescheidenheit,  sein  so  freundlich  entgegenkommendes  Wesen  u.  seine 
flchnelle  Bereitwilligkeit  in  Beantwortung  aller  Fragen  gewannen  ihm 
die  Zuneigung  Aller.  Seine  Sammlung  von  Büchern,  Manuskripten  u. 
Musikalien  jeder  Gattung  bildete  eine  Bibliothek,  so  zahlreich  u.  voll- 
ständig, wie  sie  kein  Musiker  je  besessen;  50  Jahre  u.  grosse  Summen 
Geldes  hatte  ihre  Erwerbung  gekostet;  Bumey  schätzte  sie  anf 
17  000  Bände,  sie  füllte  4  Zinmier.  Jetzt  ist  sie  der  Lyzeums-Bibliothek 
zu  Bologna  einverleibt. 

Unter  den  eifrigsten,  ernstesten  u.  unausgesetzten  Studien  n. 
Arbeiten  erreichte  er  ein  Alter  von  78  Jahren.  Gegen  Ende  seines 
Lebens  hatte  M.  wegen  fortgesetzter  Ejänklichkeit  den  P.  Stanislans 
Mattei,  geb.  10.  Febr.  1750  zu  Bologna,  gest.  17.  Mai  1825  daselbst, 
Mönch  desselben  Klosters  n.  einen  seiner  besten  Schüler,  zu  seinem 
Stellvertreter  als  Lehrer  u.  Chordirektor  bestimmt.  Obgleich  von 
flchmerzhaften  Anfällen  gequält,  hörte  er  doch  nicht  zu  arbeiten  auf. 
3  Bände  seiner  Musikgeschichte  vollendete  er,  bei  der  Bedaktion  des 
vierten  überraschte  ihn  der  Tod. 

Unter  seinen  Schülern  sind  die  hervorragendsten:  der  ebengenannte 
P.  St.  Mattei,  P.  Paolucci,  Kp.-M.  von  Venedig,  P.  Sabattini, 
Kp.-M.  zu  Padua,  Butini  in  Florenz,  Sarti  u.  Abb6  Ottani 
in  Turin. 

Martini  schrieb  fOr  die  Kirche  Messen  u.  Motetten,  gewöhnlich 
im  alten  Styl;  sie  wie  &st  alle  seine  Kompositionen  sind  steif  und 
trocken,  wenn  auch  sehr  gelehrt;  seinen  eigentlichen  Buf  hat  er  sich 
als  Musikgelehrter  n.  Schriftsteller  erworben.    Seine  Hauptwerke  sind: 

1)  „Storia  della  musica,**  tom.  I.  Bologna  1757,  tom.  IL  1770,  tom.  m. 
1781.  Im  ersten  Band  geht  er  bis  Adam  zurück,  behandelt  die  Musik 
bei  den  Hebräern,  Chaldäem  u.  andern  orientalischen  Völkern  u.  bei 
den  Egyptem;  der  IL  u.  ni.  verbreitet  sich  über  die  Musik  der 
Griechen.  Leider  erschien  der  IV.  Band  dazu  nicht  mehr;  denn  auch 
Mattei,  dem  er  die  Materialien  dazu  hinterliess,  gab  ihn  nicht  heraus. 

2)  „Esemphire  ossia  saggio  fondamentale  pratico  di  eontrappunto  sopta 
il  canto  fermo,'*  Bologna  1774*-75.  2  voL  Der  1.  Band  bezieht  sich 
anf  den  Kontrapunkt  über  den  Choral,  der  2.  behandelt  den  f^erten 
Kontrapunkt.  Darin  befinden  sich  die  besten  Beispiele  aus  den  Werken 
von  Palestrina,  Porta,  Morales,  Animnccia  u*  a.   In  Anmerkongen 


Marx  —  Mastiaux.  175 

fügt  er  wertvolle  Erklärungen  u.  gelehrte  Andeutungen  bei.  3)  ,»£egole 
per  gli  organisti  per  accompagnare  il  canto  fermo,"  (Bologna)  u.  noch 
mehrere  kleinere  Schriften. 

Marx,  Adolph  Bernhard,  geb.  den  27.  Nov.  1799  zu  Halle, 
Sohn  eines  Arztes,  trieb  schon  frühzeitig  Musik,  im  Generalbass  unter- 
wies ihn  der  berühmte  Türk.  Nachdem  er  einige  Zeit  der  Juris- 
prudenz gedient  hatte  u.  als  Beferendar  nach  Berlin  versetzt  worden 
war,  gab  er  dem  iimem  Drange  nach  u.  weihte  sich  ganz  der  Ton- 
kunst. Längere  Zeit  erteilte  er  musikalischen  Unterricht,  1823  über- 
nahm er  die  Redaktion  der  Berliner  Musikzeitung,  1830  wurde  er  als 
Professor  der  Musik  an  der  Berliner  Universität  u.  zwei  Jahre  darauf 
als  Musikdirektor  an  derselben  angestellt.  Die  Universität  Marburg 
verlieh  ihm  das  Doktordiplom.  Als  Lehrer  wie  als  Schriftsteller  ist 
Marx  ausserordentlich  anregend  u.  geistvoll,  doch  liebt  er  alles  in 
die  Breite  zu  ziehen  und  ästhetisierend  manches  über  die  prosaische 
Wahrheit  hinaufzuschrauben.  Er  starb  am  17.  Mai  1866.  —  Von 
seinen  Werken  sind  anzuführen:  ,J)ie  Kunst  des  Gesanges"  Berlin, 
1826;  „Über  Malerei  in  der  Tonkunst,'*  ebenda  1828;  „Die  Lehre  von 
der  musikalischen  Komposition,*^  4  Bde.,  Leipzig  1837—1845 
(L  Teü  7.  Aufl.  1868);  „Allgemeine  Musiklehre,**  Leipzig,  1839 
(8.  Aufl.  1868);  ,JiUdwig  van  Beethoven,  Leben u.  Schaffen,**  1859  u.a. 
Viele  Aufsätze  lieferte  er  in  musikal.  Zeitschriften  u.  in  Schilling's 
„Universallexikon  der  Tonkunst.**  Auch  einige  Oratorien  u.  andere 
Musikstücke  schrieb  er. 

Masi,  1)  Feiice,  geb.  zu  Pisa,  trat  Mhzeitig  in  denMinoriten- 
orden,  1753  ward  er  Sänger  der  päpsü.  Kapelle  u.  zuletzt  Kp.-M.  an 
der  Zwölf-Aposl^lkirche  in  Bom.  Er  starb  am  5.  April  1772  u.  hinter- 
liess  viele  Kirchensachen  in  Mskr. 

2)  Oiovanni  M.,  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jhdts.  Kp.-M.  an 
der  Kirche  S.  Giacomo  de*  Spagnuoli  zu  Bom.    (Messen,  Motetten  etc.) 

Masini,  Antonio,  ein  Tonsetzer  der  römischen  Schule,  geb. 
1639,  starb  am  20.  Sept.  1687  als  Kp.-M.  zu  St.  Peter  im  Vatican. 
(Motetten,  Psalmen.) 

Massaini,  Tiburzio,  geb.  zu  CJremona  in  der  ersten  Hälfte  des 
16.  Jhdts.,  Augustinermönch,  war  um  1592  Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Maria 
del  Popolo  in  Bom,  in  welchem  Jahre  er  nach  Prag  in  die  Dienste  des 
Kaisers  Budolph  11.  berufen  wurde;  bald  jedoch  kehrte  er  wieder  nach 
Bom  zurück.    (Motetten,  Psahnen,  mebrchörige  Kirchenstücke.) 

MassenziOi  Domenico,  geb.  zu  Bonciglione  im  Earchenstaate, 
war  zuletzt  Kp.*M.  am  Professhause  der  Jesuiten  in  Bom.  Von  1612 
bis  1643  erschienen  von  ihm  Motetten,  Psalmen,  Litaneien  n.  a.  m.  in 
Bom  im  Druck. 

Mastianx,  Caspar  Anton  Freiherr  von,  geb.  am  3.  März 
1766  zu  Bonn,  studierte  daselbst  u«  in  Köln,  promovierte  1786  zu 


176  Mattheson  —  Mayerl. 

Heidelberg  als  Dr.  Jur.  u.  erhielt  im  nftmliehen  Jahre  ein  Ejunonikat  zu 
Angsbiirg.  1789  ward  er  zu  Köln  znm  Priester  geweiht,  1790  zu  Born 
zum  Dr.  Theol.  befördert  u.  als  Ehrenmitglied  mehrerer  Akademien 
u.  gelehrten  Gesellschaften  aufgenommen;  seit  1797  fungierte  er  als 
Domprediger  zu  Augsburg,  bis  nach  Auflösung  des  Domkapitels  1803 
die  Bemfang  als  Landesdirektions-Bat  ihn  zuerst  nach  Ulm,  dann 
nach  München  fahrte ;  hier  ernannte  ihn  der  König  später  zu  seinem 
wirkl.  geheimen  Bat.  Bald  musste  er  sich  jedoch  wegen  geschwächter 
Gesundheit  Ton  den  öffentlichen  Geschäften  zurückziehen,  u.  beschäftigte 
sich  dann  mit  gelehrten  Arbeiten  sowohl  im  litterarischen  als  musi- 
kalischen Fache.  Eine  der  ersten  Früchte  dieser  seiner  Thätigkeit 
war  das  „kathol.  Gesangbuch**  (3  Bde.,  München  1810);  1818  setzte 
er  die  „kathol.  Litteraturzeitung"  (ehemals  yon  Felder  redigiert) 
fort  u.  erwarb  sich  mit  noch  anderen  Schriften  einen  geachteten  Namen. 
An  musikalischen  Schriften  seien  erwähnt  ausser  obigem  Qesangbuche : 
„Vollständige  Sammlung  der  besten  alten  u.  neuen  Melodien  hierzu" 
8  Hefte  (Leipzig  u.  München  1812—19);  „Über  Choral  u.  Kirchen- 
gesänge'*  (München  1813):  „G^esangbuch  der  Elementarschulen  in 
München"  (Landshut  1817).  Er  war  ein  gewandter  Komponist  und 
arbeitete  auch  einige  Messen  u.  Motetten  aus.  Hochgeehrt  starb  er 
an  einem  Schlagfluss  am  12.  Dez.  1828. 

Mattheson,  Johann,  Litterator,  berühmter  musikalischer  Schrift- 
steller, auch  Sänger,  Komponist,  Klavier-  u.  Orgelvirtuos,  geb.  zu 
Hamburg  den  28.  Sept.  1681,  gest.  den  17.  April  1764,  war  eine  rüstige 
Arbeitskraft;  neben  seinen  Staatsgeschäften  arbeitete  er  unendlich  viel 
für  die  Tonkunst  durch  Schriften  u.  Kompositionen.  (Von  seinen 
Schriften  sind  88  im  Druck  erschienen,  beinahe  zweimal  soviel  hat  er 
im  Mskr.  hinterlassen.)  Von  den  Schriften  sind  zu  nennen:  „Das  neu- 
eröffiiete  Orchester*'  1713;  „Das  beschützte  Orchester**  1717;  „Grosse 
Generalbassschule'*  1730;  „Der  vollkommene  Kapellmeister**  1739  u.  v.  a. 
Dass  es  darin  mit  der  Gründlichkeit  nicht  immer  so  bestellt  ist, 
wie  es  sein  sollte,  lässt  sich  denken;  seine  polemischen  Schriften  aber 
stossen  durch  den  groben,  klotzigen  Ton,  wo  oft  der  Gegner  nur  mit 
Machtsprüchen  niedergeworfen  wird,  ab,  auch  seine  übrigen  Schriften 
ermangeln  dessen  nicht.  Doch  sind  seine  Schriften  von  höchstem 
Werte  für  die  Erforschung  der  Musikgeschichte  seiner  Zeit. 

Maudnit,  Jaques,  ein  franz.  Tonkünstler,  geb.  den  16.  Sept.  1557 
zu  Paris,  gest.  den  16.  Aug.  1627  daselbst,  bekleidete  eine  Stelle  am 
königl.  Hofe  u.  hinterliess  viele  Kirchensachen. 

Mayerl,  Anton  von,  geb.  zu  Bozen,  starb  1869  als  Privatier  zu 
Innsbruck.  Von  Jugend  auf  mit  der  lebhaftesten  Empfänglichkeit  für 
schöne  Kunst  begabt,  wurde  er  in  Brixen  Schüler  Ladumer's,  welcher 
ihn  mit  Strenge  im  Klavierspiel  an  Studium  u.  vollendete  Genauigkeit 
im  Vortrage  gewöhnte.    Am  meisten  wirkte  jedoch  des  Ästhetikers 


Mayr  -^  Mazzoochi.  177 

Alois  Flir  Kunstbegeisterong  auf  ihn  ein,  Dentsehe,  lateinische  u. 
griechische  Litteratür,  Musik  vom  Palestrinastyl  bis  zu  Beethovens 
Symphonien  u.  Liszt's  Dichtungen  beschäftigten  seinen  Künstlergeist 
unablässig.  Bald  trat  er  auch  selbst  als  Eompositeur  auf  —  seine 
ungewöhnliche  Bescheidenheit  hielt  ihn  aber  stets  in  der  Verborgenheit. 
Was  er  in  Italien  durch  eifrigstes  Selbststudium,  in  München  besonders 
als  Schüler  von  C.  Ett  gewonnen  u.  ersonnen,  das  verarbeitete  er  meist 
in  Bozen  zu  wahren  Kunstwerken.  Ein  Miserere  im  Palestrinastyl,  ein 
solches  als  Oratorium  mit  Orchester,  ein  wunderschönes  „Stabat  mater^* 
für  Frauenstimmen  u.  Streichinstrumente  (mit  Klavierbegleitung  im 
Druck  erschienen),  ein  grosses  Oratorium  „Der  Fremdling  auf  Qolgatha,*' 
u.  der  6.  Psalm  f.  Mezzosopran  mit  Klavier  sind  seine  bedeutendsten 
Werke  —  aber  sämtlich  Manuskript;  klassische  Buhe  u.  Formen- 
sohönheit,  fliessende,  edle  Durchführung  u.  hoher  Gedankenadel  zeichnen 
diesen  grössten,  aber  am  wenigsten  bekannten  tirolisdien  Meister  aus, 
der  zugleich  eine  Menge  von  Schülern  mit  Liebe  fär  Musik,  Litteratur 
und  schöne  Kunst  begeisterte. 

Mayr,  Simon,  geb.  zu  Mendorf  bei  Ingolstadt  in  Bayern  am 
14.  Juni  1763,  eignete  sich  schon  frühzeitig  bei  grossem  Musiktalente 
eine  bedeutende  Fertigkeit  im  Gesänge  u.  auf  einigen  Instrumenten  an. 
Nachdem  er  eiu  paar  Jahre  auf  der  Universität  Ingolstadt  verlebt 
hatte,  beschloss  er,  sich  ganz  der  Musik  zu  widmen.  In  Bergamo  nahm 
er  bei  Lenzi,  später  in  Venedig  bei  Bertoni,  Kp.-M.  an  der  Markus- 
kirche«  Unterricht;  das  eigentliche  Tonwissenschaftliche,  den  Kontra- 
punkt u*  dgl.  eignete  er  sich  mehr  durch  Selbststudium  an.  Anfangs 
sduieb  er  nur  Kirchenstttcke  u.  Oratorien,  später  arbeitete  er  lange 
Zeit  nur  für  die  Bühne.  18Q2  wurde  er  als  Kp.-M.  an  der  Kirche 
St.  Maria  Maggiore  in  Bergamo  angestellt,  welches  Amt  er  bis  an  sein 
Lebensende  bekleidete.  1805  übernahm  er  das  Direktorat  der  öffent- 
lichen Musikschule  in  Bergamo  u.  stiftete  182^  mit  mehreren  Musikern 
die  MUnione  filarmonico"  zur  Vervollkommnung  der  Musik,  nachdem  er 
1809  eine  milde  Anstalt  für  erwerbsunfähige  Musiker  u.  ihre  Familien 
gegründet  hatte.  Von  1816  an  hörte  er  auf  für  die  Bühne  zu  arbeiten. 
Hochbetagt  starb  er  am  2.  Dez.  1845.  Neben  ungefähr  47  Opern, 
9  Oratorien,  14  Kantaten  u.  andern  weltlichen  Stücken  schrieb  er  noch 
sehr  viele  Kirchenstücke  mit  u.  ohne  Instrumentalbegleitung;  auch 
mit  musikalisch  -  theoretischen  Arbeiten  hatte  er  sich  sehr  viel  be- 
schäftigt. 

MaxEOOchi,  Domenico,  ein  Tonsetzer  der  römischen  Schule, 
Bechtsgelehrter,  geb.  zu  X)ivita-Castellana  am  Ende  des  16.  Jhdts., 
brachte  den  grössten  Teil  seines  Lebens  in  Bom  zu.  Gedruckt  sind 
von  seinen  Kompositionen  Motetten,  andere  Kirchensachen  u.  Madrigalen. 
Er  war  der  erste,  der  sich  der  Crescendo-  u.  Decrescendo-Zeichen 
bediente. 

KonmaU«r,  L«iikoB.    II.  Bd.  12 


178  Mazzoni  —  Meister. 

Ein  jüngerer  Brader  von  ihm,  Virgilio  M.^  war  yon  1628—29 
Kp.-M.  an  S.  Johann  im  Lateran  zu  Born,  daranf  solcher  zu  S.  Peter 
im  Vatikan  u.  starb  1646.  Er  etablierte  eine  Musik  u.  Gesangschule 
in  Born,  soll  in  die  Kirchenmusik  einen  etwas  glänzenderen  u.  leben- 
digeren Styl  eingefOhrt  u.  auf  einen  regelmässigeren  musikalischen 
Bhjrthmus  gesehen  haben.    (4-  und  dstimm.  Motetten). 

Maszoni,  Antonio,  geb.  zu  Bologna  um  1725,  ein  Schüler 
Predieri's,  arbeitete  hauptsächlich  für  die  Bühne,  bis  er,  nach  längerem 
Aufenthalte  in  Spanieut  Bussland,  Dänemark  u.  Schweden  1770  als 
Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Petronio  in  Bologna  angestellt  wurde,  als 
welcher  er  auch  für  die  Kirche  mehreres  komponierte.  Er  starb  im 
letzten  Jahrzehnt  des  vorigen  Jahrhunderts. 

MeKerle,  Abraham,  geb.  den  9.  Febr.  1607  zu  Wasserburg, 
zeichnete  sich  durch  tiefe  musikalische  Kenntnisse  u«  tüchtiges  Orgel- 
spiel aus.  Zum  Priester  geweiht  wurde  er  1640  als  Kp.-M.  am  Dome 
zu  Konstanz  angestellt  u.  nachgehends  wirkte  er  zu  Salzburg.  1655 
wurde  er,  vom  Kaiser  Ferdinand  IIL  in  den  Adelsstand  erhoben, 
Kanonikus  zu  Altötting,  wo  er  am  29.  Mai  1680  starb.  Er  hinterliess 
an  1486  Kompositionen  teils  im  Druck,  teils  in  Mskr.  („Anohora 
salutis''  München  1664;  ,^Ara  musica  seu  tres  tomi  Offertoriomm** 
von  1—10  Stimmen  mit  Instrumenten,  Salzburg  1674;  „Psalmodia** 
München  1657  u.  dgl.) 

Meit  Orazio,  geb.  zu  Pisa  1719,  ein  Schüler  des  berühmten 
Clari,  wurde  nach  Beendigung  seiner  Studien  Organist  am  Dome  zu 
Pisa  u.  1763  Kp.-M.  in  Livomo,  wo  er  1787  starb.  Er  schrieb  unter 
anderm  viele  Kirchensachen* 

Meibom,  Markus,  ein  gelehrter  Philolog,  geb.  1626  zu  Tönningen 
in  Schleswig,  beschäftigte  sich  vorzüglich  mit  der  Musik  der  Alten 
u.  gab  1652  zu  Amsterdam  „Antiquae  musicae  autores  Septem  Graece 
et  ktine'*  2  Bände,  heraus.  Er  starb  1711  zu  Utrecht  u.  hinterliess 
noch  einige  andere  Schriften  über  alte  Musik. 

Meister,  Severin,  geb.  23.  Okt.  1818  zu  Königstein  am  Taunus, 
besuchte  das  Lehrerseminar  zu  Jdstein  von  1835—37,  wirkte  von 
1837-42  als  Lehrgehilfe  u.  Organist  in  Montabaur,  bis  1849  als  Lehrer 
in  Wiesbaden  u.  seit  November  1851  als  Musiklehrer  am  Schullehrer- 
seminar zu  Montabaur  bis  zu  seinem  Tode,  30.  Sept.  1881.  Als  Musik- 
u.  Qesanglebrer  wirkte  er  sehr  tüchtig,  seine  Orgelkompositionen  haben 
ihm  einen  wohlverdienten  Buf  erworben.  Weit  bekannt  aber  ist  sein 
Name  geworden  durch  sein  epochemachendes  Werk  „Das  deutsche 
Kirchenlied  in  seinen  Singweisen^*  (1862,  Freiburg  i.  Br.  bei  Herder), 
dessen  zweiten  Band  zu  voUenden  ihm  nicht  mehr  gegönnt  war 
(den  2.  Band  edierte  W.  Baümker  (s.  d.),  welcher  auch  den  1.  Band 
umarbeitete.) 


Melani  —  Mersenne.  179 

MalanU  Alessandro,  geb.  zu  Pistoja,  war  1660  Ep.-M.  an 
St.  Petronio  zu  Bologna,  1667  in  Born  an  der  Kirche  S.  Maria 
Maggiore,  1672  kam  er  als  solcher  an  die  von  S.  Lnigi  de'Francesi. 
(Viele  Eirchensachen,  besonders  anch  für  3  nnd  4  Chöre.) 

Malgaz  oder  Melga^o,  Diego  Dias,  ein  portngis.  Mönch,  geb. 
zu  Cnbao  den  11.  April  1638,  starb  am  9.  Mai  1700  als  Kp.-M.  an 
der  Kathedrale  zn  Eyora.  Er  hat  im  Mskr.  geschätzte  Eirchensachen 
hinterlassen. 

Melle  oder  Mal,  Binaldns  del,  geb.  zn  Schlettstadt  in  Lothringen, 
ein  Eomponist  des  16.  Jhdts.,  war  nm  1588  Mnsikns  in  Diensten  des 
Eurfürsten  Ernst  von  Eöln  n.  Ep.-M.,  um  1595  Dom-Ep.-M.  zu  Sabina 
im  Eirchenstaate.  (Sacrae  cantiones,  mehrere  Bficher  6— dstimmiger 
Motetten  u.  a.) 

Mendelssohn-Bartholdy,  J.  L.  Felix,  geb.  3.  Febr.  1809  in 
Hamburg,  gest.  4.  Nov.  1847  zu  Leipzig,  zählt  zu  den  ausgezeichnetsten 
Eomponisten  der  Neuzeit,  der  mit  schöpferischem  Genius  eine  sehr 
grosse  Anzahl  Werke  jeder  Musikgattung  der  Öffentlichkeit  übergab. 
Nach  mehreren  grossen  Beisen  durch  Deutschland,  England  u.  Italien 
übernahm  er  1833  die  Stelle  eines  städtischen  Musikdirektors  zu 
Düsseldorf,  wo  er  auch  in  der  katholischen  Eirche  dirigierte  u.  dabei 
Anlass  nahm,  sich  mit  der  alten  klassischen  Eirchenmusik  bekannt  zu 
machen.  Schon  1835  zog  er  nach  Leipzig,  übernahm  die  Direktion  der 
Gewandhauskonzerte  u.  verblieb  daselbst  bis  zu  seinem  Tode,  ohne 
den  Bemühungen  Eönigs  Friedrich  Wilhelm  IV.,  ihn  nach  Berlin  zu 
ziehen,  statt  zu  geben.  1842  wurde  er  zum  k«  Generalmusikdirektor 
ernannt.  An  ihm  wird  auch  noch  eine  seltene  Direktionsbegabung  u. 
eine  umfassende  musikalische  Bildung  gerühmt.  Neben  grossen  Orchester* 
werken,  Oratorien,  Opern  u.  a.  sind  besonders  hervorzuheben  seine 
Orgelsonaten,  Sprüche,  Psalmen  u.  Motetten  (deutsche  Texte),  Chöre 
u.  Lieder.  Bemerkenswert  sind  noch  seine  Beisebriefe  von  1830—32, 
2  Bde.  (1861),  worin  er  auch  treffliche  Urteile  über  die  Eirchenmusik 
in  Bom  kund  giebt. 

Mendes,  Manoäl,  ein  portug.  Eomponist  u«  Musikschriftsteller, 
geb.  zu  Evora  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts.,  starb  als  Ep.-M.  daselbst. 
Er  hatte  tüchtige  Schüler  gebildet  u.  verschiedene  Eirchenstücke  nebst 
einem  Traktate  über  Eirchengesang  hinterlassen. 

Mersenne,  Maria,  ein  gelehrter  Minoriten-Mönch,  geb.  zu  Oyse 
(im  Maine)  den  8.  Sept.  1588,  trat  in  diesen  Orden  1611  u.  kam  dann 
behufs  seiner  weitem  Ausbildung  nach  Paris.  Seine  vorzüglichste 
Thätigkeit  widmete  er  umfassenden  wissenschaftlichen  Studien,  haupt- 
sächlich der  Musik  u.  unternahm  zu  diesem  Zwecke  dreimal  eine 
Beise  nach  Italien.  Er  starb  am  1.  Sept  1648.  Unter  seinen  Schriften 
haben  auf  Musik  Bezug:  „La  y6rit6  des  Sciences**  Paris  1625;  „Trait6 
de  rharmonie  universelle  etc."  Paris  1627;  „Questions  harmoniques** 

12* 


180  Morula  —  Mettenleiter. 

1634;  sein  Hauptwerk  ist:  „Hannonie  universelle,  cont6nant  la  th^rie 
et  la  pratiqne  de  la  mnsiqiie  etc/'  Paris  1636,  eine  Fandgmbe  der 
MSgedehntesten  Gelehnamkeit. 

Menda«  Tarqninio,  geb.  zn  Bergamo,  war  am  1625  Ep.-M.  an 
der  Kathedrale  daselbst.    (Motetten,  Messen,  Psalmen,  Kantaten  n.  a.) 

Memio,  Claudio,  ein  berOhmter  Organist  u.  Tonsetzer  des 
16.  Jhdts.,  damals  bekannter  nnter  dem  Namen  Claudio  di  Correggio, 
seiner  Vaterstadt,  wo  er  1533  geboren  war,  hatte  von  Donati  musi- 
kalischen Unterricht  empfangen  u.  wurde  1557  Organist  an  der  St. 
Harkuskirohe  in  Venedig.  1586  trat  er  als  Hoforganist  in  die  Dienste 
des  Herzogs  yon  Parma,  wo  er  am  4.  Mai  1604  starb.  (Messen, 
Motetten,  Madrigalen,  Toccaten  u.  Bicercari  fOr  die  Orgel  etc«)  Seine 
Bedeutung  liegt  in  seinen  Orgelkompositionen. 

Mettenleiter,  Bernhard,  geb.  25.  April  1822  zu  Wallerstein, 
absolvierte  die  Lateinschule  u.  das  k.  Schullehrerseminar  zu  Dillingen 
n.  bildete  sich  in  der  Musik  unter  Anleitung  seines  Vaters  u.  seines 
Onkels  Joh.  Georg  M.  zu  Begensburg  weiter  aus,  namentlich  wurde 
er  durch  dieselben  in  die  ältere  Kirchenmusik  eingeführt.  Nachdem 
er  Ton  1844  an  als  Lehrer  u.  Chorregent  in  Qünzburg  u.  Memmingen 
gewirkt  hatte,  erhielt  er  1856  die  Stelle  eines  Stiftschorregenten  u. 
Musikdirektors  am  k.  Gymnasium  zu  Kempten,  wo  er  gegenwärtig 
noch  thätig  ist.  1868  ward  er  in's  Beferentenkollegium  des  Cäcilien- 
yereins  gewählt  u.  1871  als  Präses  des  DiOzesan-Oäcilienvereins  Augs- 
burg aufgestellt  1882  wurde  ihm  von  Sr.  Maj.  dem  König  von  Bayern 
das  Bitterkreuz  11.  Kl.  des  k.  Verdienst  -  Ordens  vom  hl.  Michael 
verliehen.  Von  seinen  Kompositionen  sind  in  Druck  erschienen 
(u.  sämtlich  in  den  Cädüen-Vereinskatalog  aufgenommen):  8  Messen, 
meistens  mit  Instrumentalbegleitung,  1  Bequiem,  1  Te  Deum,  5  Vespern, 
4  Pange  lingua,  marian.  Antiphonen,  2  Charfreitagsmusiken;  ausser 
diesen  speziell  kirchlichen  Werken  noch  2  Cantaten  u.  Transskriptionen 
vorzüglicher  Tonwerke  für  das  Harmonium.  Auch  schrieb  er  ein 
Bflchlein  ttber  „die  Behandlung  der  OrgeP*  u.  ein  sehr  gutes  Lehrbuch 
des  Harmoniumspieles.  In  Mskr.  existieren  noch  viele  kirchliche  u. 
weltliche  Kompositionen. 

Mettenleiter,  Dominik,  Dr.  Phil,  et  TheoL,  Bruder  des  Joh. 
Georg  M.,  geb.  am  20.  Mai  1822  zu  Thannhausen  in  Württemberg, 
mit  vorzüglichen  musikalischen  Anlagen  ausgestattet,  kam  1835  nach 
Regensburg,  wo  er  seine  Studien  fortsetzte  u.  den  15.  Juli  1846  die 
Priesterweihe  empfing.  Seit  1850  bekleidete  er  eine  Vikariatsstelle  am 
Kollegiatstiffce  zur  alten  Kapelle  daselbst,  welche  Stelle  er  bis  zu  seinem 
Tode  inne  hatte.  Nachdem  er  schon  als  Gymnasiast  durch  sein  Klavier- 
u.  Orgelspiel  eine  hervorragende  Stellung  eingenommen  hatte  u.  an 
der  Hand  seines  Bruders  u.  des  Kanonikus  Dr.  C.  Proske  in  die 
Tiefen  der  Musikwissenschaft  u.  die  Kunst  der  alten  Meister  ein- 


Mettenleiter.  181 

gedrungen  war,  wendete  er  als  Ghorvikar  fast  seine  ganse  Kraft  u. 
Zeit  der  Musik  zu.  Hit  seinem  Bruder  arbeitete  er  das  Orgelbnch 
zum  „Enchiridion  Choräle"  aus,  komponierte  selbst  Motetten  o.  liedeTi 
schrieb  eine  Unzahl  yon  musikalischen  u.  andern  Artikeln  in  eine 
Menge  yon  Zeitschriften  u.  stand  mit  allen  bedeutenderen  Männern 
der  Tonkunst  in  Deutschland  in  brieflichem  Verkehre.  Ungemein  thätig 
{auch  die  theologische  und  ascetische  Litteratur  bereicherte  er  mit 
mehreren  Werken)  versagte  er  sich  oft  die  notwendige  Leibesbewegung 
u.  brachte  dadurch  seinen  ohnehin  schwächlichen  Körper  in  einen 
Schwächezustand,  der  alsbald  sein  Lebensende  herbeiführte,  den  2«  Mai 
1868.  Ln  Jahre  1864  erhielt  er  den  ehrenyollen  Auftrag,  eine 
Geschichte  der  Kirchenmusik  in  Bayern  seit  den  ältesten  Zeiten  bis 
zur  Neuzeit  zu  bearbeiten,  welches  Werk  leider  in  den  Vorarbeiten 
schon  durch  seinen  Tod  unterbrochen  wurde.  Doch  konnte  er  von 
diesen  Vorarbeiten  noch  manches  zum  Druck  befördern,  so  die  „Musik- 
geschichte der  Stadt  Begensburg"  (Begensburg,  Bössenecker  1866); 
„Musikgeschichte  der  Oberpfalz"  (Amberg,  Pohl  1867);  einiges  ver- 
öffentlichte er  in  der  „Musica"  (L  und  IL  Heft.  Brixen  bei  Weger, 
1866,  1867)  u*  im  „Orlando  Lasso"  (ebenda)  Femer  gab  er  heraus: 
,,Fassliche  u.  praktische  Grammatik  der  katholischen  Kirchensprache*' 
(Begensburg,  Bössenecker  1865,  eigentlich  y.  Th.  Mssl,  2.  Aufl.  1868), 
„Vergangenheit,  Gegenwart  u.  Zukunft  der  Musik"  (ebenda),  „Philomele, 
musikalisches  Taschenbuch'*  (1866,  1868,  Begensburg  und  Brixen), 
„  Joh.  G«  Mettenleiter.  Ein  Künstlerbild"  (Brixen  1866)  u.  „Carl  Proske'* 
(Begensburg  1868).  Von  seinen  Kompositionen  erschienen  nur  einige 
Lieder  (aus  Chr.  y.  Schmid's  Werken)  in  Druck;  als  Mskr.  werdoi 
namhaft  gemacht:  „Der  Hymnus  des  hl.  Casimir'*  in  30  Gesängen  zu 
1^8  Stimmen,  die  sämtlichen  Offertorien  des  kath.  Kirchenjahres  zu 
4  Stimmen;  4  Motetten,  ein  kleines  Oratorium:  „Das  Kreuz  auf 
Golgatha'*  für  Gesang  u.  Orchester. 

Mettenleiter,  Johann  Georg,  Sohn  eines  Schullehrers  zu  St. 
Ulrich  im  Leonthal  (Württemberg),  geb.  den  6.  April  1812,  zum  Schul- 
fache bestimmt,  bildete  sich  seit  1824  unter  Leitung  seines  Onkels, 
fürstl.  Wallerstein'schen  Sekretärs  u.  Ghorregenten,  in  den  deutschen 
Lehrgegenständen  u.  praktischer  Mudk,  sowie  in  den  Anfangsgründen 
der  lateinischen  u.  französischen  Sprache,  u.  in  dem  lithographischen 
Institute  seines  Onkels  im  Zeichnen  aus.  Am  27.  Dez.  1832  yon  einer 
sehr  gefährlichen  Unterleibskrankheit  befallen,  aber  doch  wieder  ge- 
nesen, komponierte  er  zum  Danke  teils  für  Erhaltung  seines  Lebens, 
teils  für  Befreiung  von  der  Militärkonskription  im  Frülgahie  1833 
die  ersten  10  Textstrophen  des  „Stabat  mater"  für  Gesang  und 
Instrumente.  Im  Jahre  1836  yon  der  fürstlicben  Standesherrschaft 
Wallerstein  mit  dem  Bürgerrechte  im  Markte  Wallerstein  beehrt,  ward 
er  noch  im  selben  Jahre  als  bayrischer  Staatsbürger  aufgenommen, 


182  Mettenleiter. 

worauf  er  bis  5.  Febr.  1837  im  k.  SchoUehrerseinmar  zu  Bamberg* 
seine  fernere  Ansbildmig:  mit  yorzfiglichem  Fleiüse  verfolgte.  Am 
20.  Febr.  desselben  Jahres  ward  er  definitiv  man  Chorregenten  an  der 
katholischen  Stadtpfarrkirche  St.  Sebastian  an  Oettingen  bestellt;  zwei 
Jahre  spftter,  6.  Okt  1839,  ernannte  ihn  das  EoUegiatstiftskapitel  zn 
U.  L.  Frau  znr  alten  Kapelle  in  Begensbnrg  znm  Ghorregenten  n. 
Organisten  an  genannter  Stiftskirche,  in  welcher  Stellung  es  ihm  ge- 
lang, seiner  Neignng,  ins  Verstftndnis  der  alten  Kirchenmusik  voll- 
kommen einzudringen,  zu  gentigen.  Besonders  an  der  Hand  des 
Dr.  Proske,  des  ausgezeichneten  Musikgelehrten,  entwickelte  sich 
Hettenleiter  zum  grossen  Meister  der  Technik  in  kontrapunktischer 
Kirchenmusik  u.  zum  ganz  besonderen  Kenner  des  gregor.  Chorals  in 
seiner  ganzen  Ausdehnung.  Er  besass  aber  auch  grosse  Kenntnis  der 
weltlichen  Musik  u.  hatte  in  allen  Kompositionsgattungen  sich  ak 
Meister  bewährt.  Dankbar  wird  B^gensburg  noch  lange  der  vortreff- 
lichen durch  ihn  bewerkstelligten  Aufftihmng  der  klassischen  Oratorien, 
welche  er  gründlichst  studiert  hatte,  gedenken,  —  so  führte  er  auf:  ä&s 
Alexanderfest,  Messias,  die  Makkabäer  von  Händel;  David  penitente 
von  Mozart;  Klias  und  Paulus  von  Mendelssohn;  das  Weltgericht  von 
Schneider;  die  Schöpfung  u.  die  vier  Jahreszeiten  von  J.  Haydn,  neben 
andern  klassischen  Pieren. 

Im  Febr.  1851  befiel  ihn  wiederholt  eine  lebensgefährliche  Krank* 
heit;  aus  Dankbarkeit  für  die  Errettung  komponierte  er  den  44.  Psalm 
für  5  Männerstimmen,  welcher  beim  Sängerfest  zu  Passau  seine  erste 
Aufführung  iiuid.  Vier  Jahre  vorher  hatte  er  für  das  Sängerfest  in 
Begensbnrg  den  95.  Ps.  fttr  6  Männerst.  komponiert.  Von  seinen 
fibrigenKompositionen— Motetten,  geistl.  Gesänge,  Psalm  „De  profündis*' 
—  ist  bisher  nur  eine  Lieferung:  „Cmx  fidelis**  2ch5rig  mit  Posaunen 
(Brixen  bei  Weger,  1868)  im  Druck  erschienen.  Sein  bedeutendstes 
Werk  ist  das  unter  den  Auspizien  des  hochseligen  Bischofs  Valentin 
von  Begensbnrg  edierte  „Enchiridion  Choräle,"  wozu  die 
Orgelbegleitung  nur  bis  zum  Commune  Sanctorum  gedieh.  Ein  für 
Stndienanstalten  eingerichteter  Auszug  des  Enchiridion  führt  den  Titel 
„Manuale  breve  eantionum  etc.  Edidit  J.  G.  Mettenleiter.^ 
Satisbonae.    Pustet  1852. 

Im  Mai  1858  befiel  ihn  eine  tödliche  Unterleibskrankheit,  welche 
seinem  Leben  am  6*  Oktbr.  1858  ein  Ziel  setzte.  Seine  Verdienste  um 
die  Hebung  der  klrchl.  Musik  sind  gross,  er  war  der  Erste,  welcher  mit 
Dr.  Proske  ihre  eigentliche  Begeneration  in  Begensbnrg  begann;  seitdem 
behauptete  diese  Stadt,  namentlich  der  Domchor,  der  sich  auch  unter 
seinem  Einihisse  umgestaltete^  einen  der  ersten  Plätze  in  Bezug  auf 
katholische  Kirchenmusik;  viele  Musiker,  die  unter  seiner  Leitung 
standen,  u.  mehrere  seiner  Schüler  trugen  die  Keime  dessen,  was 
ihr  Lehrer  ausstreute,  in  weitere  Kreise,  u.  wo  die  Werke  der  alten 


Ketsch  —  Mitterer.  183 

Tonmeister  anf  den  katb.  Chören,  wenigstens  in  der  Diözese  Begensbnrg, 
geehrt  sind,  kann  man  den  Urspmng  ihrer  Pflege  sehr  hänfig  auf 
Mettenleiter  znrückftlhren.  Freundlich  im  Umgang,  gefällig  n.  bereit, 
jedermann  die  besten  Aufschlüsse  zu  geben,  war  er  in  ganz  Begensburg 
angesehen  u.  beliebt 

Metseh,  P.  Placidus,  geb.  7.  Jan.  1700  zu  Wessobrun,  Benedik- 
tinermönch des  Klosters  Bott  am  Inn  seit  1723,  f  19.  Juli  1778,  war 
ein  vorzüglicher  Organist,  Er  edierte  im  Stich:  „Litigiosa  digitomm 
unio  i.  e.  Praeambula  organica  cum  fugis,  Pars  I  et  11 "  (Nürnberg 
1759);  „Organoedus  ecdesiastico-aulicus,  exhibens  varios  modulos" 
(ebenda  1764). 

MIchl,  Joseph,  geb.  1745  zu  Nenmarkt  in  der  Oberpfalz, 
studierte  im  kurfürstlichen  Seminar  zu  München  die  Wissenschaften,  zu 
Freising  unter  Gammerlocher  zwei  Jahre  die  Komposition,  wurde  dann 
in  München  von  Kurfürst  Maximilian  III.  zum  Eammerkomponisten 
ernannt,  u.  lebte  nach  dessen  Tode  1778  im  Kloster  Weihern,  wo  er 
fleis^ig  komponierte  u.  Kirchenmusiken  dirigierte.  1803  kehrte  er  nach 
Neumarkt  zurück  u.  starb  daselbst  gegen  1810.  Seine  Kirchenwerke 
sind  jetzt  verschollen. 

Mieheli,  B  o  m  a  n  o ,  geb.  zu  Bom  1575,  studierte  die  Tonkunst 
unter  Soriano  u.  Nanino  u.  erhielt  nach  seiner  Priesterweihe  eine 
geistliche  Pfründe  an  der  Metropolitankirche  zu  Aquileja.  1625  kam 
er  als  Kp.-M.  an  die  Kirche  S.  Luigi  de*  Francesi.in  Bom.  Er  wurde 
über  84  Jahre  alt.  Seine  Werke  zeichnen  sich  durch  eine  stnpende 
Kontrapunktik  aus. 

MilleTille,  Alessandro,  ein  bedeutender  Tonsetzer  u.  Organist 
am  Ende  des  16.  und  Anfang  des  17.  Jhdts.,  war  1614  Kp.-M.  zu 
Volterra  und  später  in  Ferrara;  dortselbst  starb  er  68  Jahre  alt. 
(7  Bücher  2-'68timm.  Motetten,  Sstimm.  Messen,  Psalmen,  Litaneien, 
Madrigale  u.  a.) 

Mitterer,  Ignaz,  geb.  2.  Febr.  1850  zu  St  Justina  im  Pnster- 
thal,  erhielt  den  ersten  musikal.  Unterricht  von  seinem  Onkel,  dem 
Chorregenten  Anton  Mitterer  daselbst,  in  Klavier-  u.  Orgelspiel  unter- 
richtete ihn  der  Pfarrer  Bemh.  Huber.  Mit  12  Jahren  kam  er  als 
Singknabe  in  das  Chorhermstift  Neustift,  wo  er  sich  auf  die  Studien 
vorbereitete  u.  schon  im  Komponieren  sich  versuchte.  Wfthrend  seiner 
Studienzeit  in  Brixen  (1363—75)  war  er  in  betreff  musikal.  Ausbildung 
auf  sich  selbst  angewiesen,  studierte  Harmonie  u.  komponierte  sehr  viel. 
1867  lernte  er  den  1879  verstorbenen  Karl  Höllwarth  kennen,  welcher 
ihn  bezüglich  der  Kirchenmusik  auf  den  rechten  Weg  brachte.  Von 
1868—71  leitete  er  den  Gymnasialchor,  von  1871—75  den  Chor  des 
fürstbisoh.  Priesterseminars.  Nach  der  Priesterweihe,  26.  Juli  1874, 
versah  er  einen  Seelsorgsposten,  worauf  ihn  sein  Bischof  zur  kirchen- 
musikal.  Ausbildung  nach  Begensburg  sandte.     Wiederum  dann  in 


184  Mizler  —  Mohr. 

der  SeekKMTge  yerwendet  kam  er  1881  als  Kaplan  in  die  Anima  zu 
Born;  1882  ward  er  als  Dom-Ep*-H.  nach  Begensburg,  1885  als 
Bomchormeister  n.  Chorregent  nach  Brixen  bemfen,  wo  ihm  andi 
die  Probstei  von  Ehrenbarg  übertragen  wnrde.  An  Kompositionen 
erchienen  im  Druck:  Sämtliche  Besponsorien  des  tridnum  saemm  n* 
fttr  die  Weihnachtsmette  (Postet);  17  Messen,  darunter  Missa  de  Nativ. 
6  vocum;  de  Ascensione,  in  Epiphania  5  voc.  (Pawelek),  primi  toni 
4  yoc.  XL  a.;  Litaniae  lauret.  5  toc.  super  cantum  Brixiensem  (Pustet); 
die  leichteren  Stücke  sind  enthalten  in  der  „Musica  ecclesiastica,"  Ton 
welchen  ca.  63  Hefte  bei  Pawelek  erschienen  sind;  eine  Kantate 
„Der  Tod  des  grossen  Pan**  für  Männerchor  u..  Orchester  (Leipzig, 
Licht  it  Meyer);  femer  edierte  er  „Die  wichtigsten  kirchl  Vorschriften 
fär  kathol.  Kirchenmusik'*  (Begsbg.,  Coppenrath,  1885),  eine  Prakt. 
Ghorsingschule,  ein  instr.  Te  Deum,  ein  instr.  Requiem,  ISMagnificat, 
eine  58timm.  Festmesse  etc.,  (alles  bei  Pawelek  in  Begensburg.) 

Mister,  Lorenz  Christoph,  geb.  d.  25.  Juli  1711  eu  Heiden- 
heim im  Anspachischen,  widmete  sich  neben  eifrigem  Betrieb  der  Musik 
suerst  der  Theologie,  dann  der  Jurisprudenz  und  Medizin,  auch  las 
er  von  1736  an  zu  Leipzig  als  Privatdozent  über  Mathematik,  Philo- 
sophie u.  Musik,  in  welch  letzterer  Kunst  er  sich  ausgebreitete  Kennt- 
nisse erworben  hatte.  1738  errichtete  er  mit  dem  (trafen  Lucohesini 
und  dem  Kapellmeister  Bttmler  eine  „Korrespondierende  Societöt  der 
musikalischen  Wissenschaften,'*  deren  Sekretär  er  wurde.  Hierbei  gab 
er  eine  periodische  Zeitschrift:  „Neu  eröfi&iete  musikalische  Bibliothek" 
heraus,  in  der  das  Meiste  von  Mizler's  Hand  ist.  1739  edierte  er: 
„Anfangsgribide  des  (Generalbasses.*^  Später  wurde  er  zu  Erfürt 
Doktor  der  Medizin,  u.  in  Warschau  erlangte  er  das  Adelsdiplom,  Ton 
welcher  Zeit  er  sich  M.  von  Kolof  nannte,  u.  die  Ernennung  zum 
Ho&at,  kgl.  poln.  Leibarzt  u.  Historiographen.  Er  starb  daselbst  im 
März  1778.  Ausser  den  genannten  Schriften  erschienen  von  ihm  noch 
einige  Dissertationen  über  Musik  u.  dgl.  Auch  den  Gradus  ad  Pamassum 
Ton  Fuz  übersetzte  er  in's  deutsche. 

Mohri  Joseph,  geb.  10.  Jan.  1834  zu  Siegburg  bei  Bonn,  trat 
nach  Vollendung  seiner  Gymnasialstudien  in  den  Jesuitenorden  ein, 
dem  er  ungefähr  30  Jahre  angehörte.  Seit  den  sechziger  Jahren  war 
seine  Thätigkeit  darauf  gerichtet,  den  kirchlichen  Volksgesang  zu 
heben  u.  neu  zu  beleben,  u.  in  dieser  Beziehung  hat  er  sich  die  grössteii 
Verdienste  erworben.  Die  Werke,  welche  er  zur  Erreichung  seines 
Zweckes  herausgab,  fanden  eine  weite  Verbreitung,  das  Gesangbüchlein 
«,Gftcilia"  erlebte  23  Auflagen,  das  ^Gantate''  sogar  42»  das  „Manuale 
isantorum*'  9;  ausser  diesen  erschienen  noch:  Laudate  Dominum; 
Katholisches  Gebet-  und  (^sangbuch;  Gesang*  und  Gtobetbüohleiii; 
Anleitung  zur  kirchl.  Psalmodie;  die  Pflege  des  Volksgesangs  in  der 
Kirche.    War  er  zuerst  auf  eigene  Forschung  u.  Sichtung  angewiesen, 


Molitor  —  Monte.  185 

80  ward  ihm  zuletzt  eine  mächtige  Unterstützung  durch  die  Werke 
▼on  Dr.  W.  Baümker  u.  P.  Dreyes.  M.  schloss  sich  ihren  Bestrebungen 
an,  u.  die  Frucht  davon  war  das  „Psälterlein/*  welches  er  mit  einem 
^^Quellennachweis"  begleitete,  u.  welches  sofort  von  den  Diözesen  Basel 
n.  Freiburg  angenommen  wurde.  Hiermit  hat  er  ein  möglichst  voll- 
kommenes kirchliches  Volksgesangbuch  geschaffen,  geeignet,  allmählich 
eine  Einheit  des  kirchl.  Yolksgesanges  in  Deutschland  anzubahnen. 
M.  starb  zu  München  am  7.  Febr.  1892. 

Molitor,  Johann  Baptist,  einer  der  rührigsten  u.  thätigsten 
Männer  auf  dem  Gebiete  der  Bestauration  der  kathol.  Kirchenmusik, 
geb.  14.  Nov.  1834  zu  Stadt  Weil  in  Württemberg,  ward  zu  Schwäbisch- 
Gmünd  zum  Lehrer  ausgebildet  u.  gehörte  6  Jahre  dem  Schulstande  an. 
Von  früher  Jugend  an  mit  dem  Choralgesange  vertraut,  widmete  er 
sich  seit  1862  ganz  der  Kirchenmusik,  ward  Organist  an  der  Abtei- 
kirche zu  Beuron,  1866  Chorregent  u.  Musiklehrer  am  Gymnasium  zu 
Sigmaringen,  wo  er  vom  sei.  Fürsten  Karl  Anton  von  HohenzoUem 
sehr  geehrt  ward,  u.  die  Beform  der  K.-Musik  in  Sigmaringen  u.  in 
ganz  HohenzoUem  mit  vorzüglichem  Erfolge  durchführte.  1882  erhielt 
M.  einen  Euf  nach  Konstanz  als  Organist  u.  Chordirektor  am  dortigen 
Münster  u.  im  folgenden  Jahre  übernahm  er  noch  die  Musiklehrerstelle  am 
dortigen  Gymnasium.  Mit  gewohnter  Energie  nahm  er  auch  dort  (u.  für 
die  ganze  Umgegend)  die  Beform  der  K.-Musik  auf.  Konstanz  verdankt 
M.  auch  die  neue  (elektrische)  Chororgel  von  Weigle  in  Stuttgart. 
M.'s  Kompositionen  sind  grösstenteils  für  Landchöre  berechnet:  8  Messen 
(Pustet),  18  feierliche  Vespern  (Coppenrath),  Commune  Sanctorum 
(Einsiedelu,  Benziger),  Te  Deum  (Pustet),  „Das  Kirchenjahr"  (Eichstädt, 
KröU),  Kirchliche  Gesänge,  3  Hefte  (Düsseldorf,  Schwann),  Sammlung 
weltlicher  Lieder  (Coppenrath)  u.  s.  w.  M.  bearbeitete  das  „Benedicite** 
Gesangbuch  für  die  Erzdiözese  Freiburg  (Pustet). 

Molitor,  P.  Fidelis,  geb.  13.  Juni  1627  zu  Wyl,  seit  1645  im 
Cisterzienser-Kloster  Wettingen  (Schweiz),  f  3.  Okt.  1685  zu  Magdenau, 
war  gerühmt  als  Organist  und  Komponist.  Er  edierte:  Pregustus 
musicus  sen  23  Cantiones  a  voce  sola  cum  duobus  Violinis  . . .  noviter 
in  lucem  datae.  (Konstanz  1659);  Motettae  plurium  vocum  (Innsbruck 
1659),  Cantiones  sacrae  a  sola  voce  cum  duobus  instrumentis  (ibid.  1664). 

Monferato,  N  a  d  a  1 ,  ein  Geistlicher  u.  von  1676—1685,  in  welch 
letzterem  Jahre  er  starb,  Kp.-M.  an  der  Markuskirohe  zu  Venedig. 
(Motetten  u.  konzertierende  Psalmen). 

Monte,  Philipp  de,  geb.  1521  zu  Mens  im  Hennegau,  ein  Schüler 
OrL  Lasso's,  wurde  1568  von  Kaiser  Maximilian  11.  zum  Kp.-M.  u.  von 
Rudolph  II.  zum  Kanonikus  u.  Thesaurarius  an  der  Metropolitankirche 
zu  Oambray  ernannt.  Er  zählt  zu  den  grössten  niederländischen 
Kontrapnnktisten  des  16.  Jhdts.;  Kirchengesänge,  Messen  u.  Motetten 


186  Monteverde  —  Morelot. 

von  ihm  sind  zu  Venedig  n.  Antwerpen  im  Brack  erschienen.  Er 
starb  4  Juli  1603  in  Wien. 

MoHteverdef  Gl  audio,  geb.  1568  zu  Gremona,  war  zuerst 
(nm  1604)  Kp.-M.  zu  Mantna,  von  1613  an  solcher  an  der  St  Markns- 
kirche  in  Venedig  bis  zu  seinem  Tode  1643.  Besonders  berühmt  war 
er  durch  seine  Madrigale,  in  denen  er  den  Grund  zu  einer  weitem 
Entwicklung  der  Tonkunst  legte.  Er  yersuchte  darin  neue  Accord* 
kombinationen,  führte  Dissonanzen  frei  ein,  bahnte  eine  bessere  Ver- 
schmeLznng  des  Wortausdrucks  mit  dem  musikalischen  an  u.  versuchte 
eine  Sonderung  der  Stimmungen  u.  Affekte  auch  in  musikalischer 
Beziehung.  So  leitete  er  eine  neue  Epoche  der  Musik  ein  u.  streute 
fruchtbare  Keime  aus,  welche  sich  in  der  Folge  so  herrlich  entwickelten, 
der  kirchlichen  Kunst  jedoch  keinen  Vorteil  einbrachten.  Er  schrieb 
auch  für  die  Kirche  Vieles  u.  Gutes  (Messen,  Psalmen  etc),  aber 
brachte  bei  manchen  derartigen  Stücken  schon  seine  Neuerungen  in 
Anwendung.  Über  sein  Leben  u.  Schaffen  s.  „Vierte^ahrsschrift  f. 
Musikwiss.**  HI.  1887.  p.  316. 

Morales,  Gristoforo,  ein  der  unmittelbaren  Vorzeit  Palestrina's 
angehöriger  Meister,  war  zu  Sevilla  Anfangs  des  16.  Jhdts.  geboren. 
An  der  dortigen  Kathedrale  reifte  er  zu  einer  Zeit,  wo  die  spanische 
Musikbildung  bereits  einen  hohen  Standpunkt  erreicht  hatte,  zu  solcher 
Meisterschaft  heran,  dass  er  sich  nach  Paris  begab,  daselbst  eine 
Sammlung  kunstvoll  gearbeiteter  Messen  veröffentlichte,  hierauf  sein 
Ziel  in  Born  verfolgte,  wo  er  bereits  1540  in  das  sixtinische  Sänger- 
kollegium angenommen  wurde  und  eines  hohen  Ansehens  genoss. 
Daselbst  vollendete  er  die  Mehrzahl  seiner  Kompositionen,  welche  im 
Styl  edel,  würdevoll,  oft  von  solcher  Innigkeit  n.  Gtemütstiefe  durch- 
drungen, wie  kaum  bei  einem  andern  Meister,  an  vielen  Stellen  die 
später  von  Palestrina  vollendete  Beform  des  reinen  Kirchenstyles 
glücklich  vorbereiteten.  Sein  Todesjahr  ist  nicht  bekannt,  wahrscheiiüich 
starb  er  zu  Born. 

Morandi,  Pietro,  geb.  1761  zu  Bologna,  ein  Schüler  des  P.  Mar- 
tini, war  Kp.-M.  zu  Ancona  (um  1812),  u.  komponierte  viele  Kirchen- 
sachen. 

Morelot,  Stephan,  geb.  den  12.  Jan.  1820  zu  Dijon,  machte 
zuerst  juristische  u.  musikalische  Studien,  ging  dann  nach  Paris,  wo 
er  die  von  Danjou  1845  gegründete  „Bevue  de  la  musique  röligieuse 
etc."  mitredigierte;  1847  machte  er  eine  musikalisch-wissenschaftliche 
Beise  nach  Italien,  deren  Besultate  in  Goussemaker's  „Histoire  de 
l*hai3nonie.  au.moyen-äge"  angenommen  sind.  Von  1848  an  lebte  er 
teils  in  Paris,  teils  in  Di^jon,  ging  1858  nach  Bom^  empfing  dort  die 
Priesterweihe,  wurde  zum  Ehrenmitglied  der  päpstlichen  Akademie 
^,Gäcilia*'  ernannt  u.  kehrte  nach  einer  Beise  in  den  Orient  wieder 
nach  D^'on  zurück.    Ausser  vielen  in  verschiedene  Zeitschriften  ge- 


Monton  —  Mozart.  187 

lieferten  Abhandlungen  sind  von  ihm  zu  nennen:  „Manuel  de  Psal- 
modle  en  fkuz-bourdons  ä  4  voix^*  (Avignon  1855);  ,J)e  la  mnsiqn& 
en  XV.  si^cle.  Notices  snr  nn  manoscrit  de  la  Bibliothöqne  de  Dyon**^ 
(Paris  1856)  n.  das  yortreffliche  Buch  „Elements  d*harmonie  appliqn6s 
4  Taccompagnement  du  plain-chant  d'aprös  les  traditions  des  anciennes 
6coles"  (Paris  1861). 

Monton,  Jean,  einer  der  tüchtigsten  Eontraponktisten  des  16. 
Jhdts.,  ebenfalls  ein  Schüler  Josqnin's,  wird  von  einigen  fOr  einen 
Franzoseii,  von  andern  für  einen  Niederländer  gehalten;  er  soll  Ep.-M^ 
am  Hofe  des  Königs  Franz  I.  von  Frankreich  gewesen  sein.  Von  seinen 
Messen,  Motetten  n.  dgl.  wnrde  vieles  durch  Druck  veröffentlichtt 
manches  befindet  sich  noch  in  Mskr.  im  päpstl.  Kapellarchiv,  auf  der 
Münchener  Bibliothek  u.  in  der  Proske'schen  Bibliothek  zu  Eegensburg. 
Er  starb  30.  Okt.  1522. 

Moiart,  Wolfgang  Amadäus,  war  geb.  den  27.  Jan.  1756 
zu  Salzburg  u.  zeigte  schon  im  zartesten  Alter  hohe  musikalische 
Begabung,  die  sich  durch  den  sorgsamen  Unterricht  seines  Vater»  -> 
Leopold  Mozart,  Hofhiusikus  des  Fürst-Erzbischofs  von  Salzburg, 
zu  den  trefflichsten  Leistungen  entwickelte.  Als  Knabe  von  noch  nicht 
12  Jahren  ward  er  auf  den  Eunstreisen,  die  sein  Vater  mit  ihm  unter* 
nahm,  als  ein  musikalisches  Wunder  angestaunt  u.  hochgeehrt.  176^ 
ward  er  zum  Konzertmeister  in  Salzburg  ernannt,  aber  trotz  alle  dem 
unt^liess  er  nicht,  tüchtige  Kompositionsstudien  u.  Übungen  zu 
machen  u.  fort.zusetzen.  Seine  Kunstreisen  nach  Italien  benutzte  er 
aber  auch  noch  zur  hohem  Ausbildung  in  seiner  Kunst,  besonders  als 
es  ihm  gelang,  das  schon  lang  ersehnte  Bom  zu  sehen.  Nach 
mancherlei  herben  Schicksalen  kündete  er  dem  Fürsterzbischofe  von 
Salzburg  seine  Dienste  (1781),  u.  beschloss  fortan  in  Wien  zu  bleiben; 
1784  wurde  er  zum  kaiserlichen  Kammerkomponisten  ernannt.  Der 
Tod  entriss  ihn  aber  schon  bald  der  Kuust  und  dem  Leben  am 
5.  Dez.  1791.  Es  genügen  diese  wenigen  Andeutungen  aus  des  grossen 
Meisters  Leben,  da  ausführliche  Biographien  desselben  überall  zur 
Hand  oder  doch  leicht  zu  erhalten  sind.  Seine  Werke,  die  nie  altem, 
da  sie  Schöpfungen  eines  unerreichten  Oenie's  sind,  —  Opem,  Sinfo* 
nien,  Quartetten,  Quintetten,  Sonaten,  Konzerte  u.  dgl.  —  brauchen 
keiner  weitem  Er^^nung,  da  sie  in  unzähligen  Exemplaren  verbreitet 
sind;  von  seinen  Kirchenkompositionen  aber  etwas  zu  sagen,  ist  hier 
geboten*  Sowohl  in  Salzburg  als  in  Wien  schrieb  er  für  die  Kirche, 
Messen,  Offertorien,  Litaneien,  Eequiem.  Sind  auch  viele  Partien 
davon  von  ftcht  kirchlichem  Geiste  und  tieflreligiüsem,  Sinne  dureli-, 
weht,  80  kann  ihnen,  im  Allgemeinen  gesprochen,  doch  das  I^rftdikat 
von  kirchlicher  Musik  nicht  zugestanden  werden.  Die  kleinem  Sachen, 
oft  nur  Gelegenheitsstttcke,  tragen  das  Gepräge  der  Zeit  etwas  an 
sich,  gleichwohl  stehen  sie  hoch  über  den  Produkten  fast  aller  seiner 


188  Müller. 

Zeitfi:enossen  in  Bezog  auf  Inhalt  und  Technik.  In  den  gfrösseren 
Werken  aber  macht  sich  auch  die  Bttcksicht  auf  Brayonisänger  und 
Sängerinnen  geltend,  nnd  kOnnen  sie  schon  desswegen  nicht  kirchlich 
genannt  werden;  wer  die  grossen  Soli  z.  B.  in  seinen  Litaneien  kennt, 
wird  daran  keinen  Augenblick  zweifeln.  Seine  gertthmteste  Schöpfimg, 
das  grosse  Bequiem,  Ton  welchem  aber  nur  die  ersten  3  Stücke  seiner 
Meisterhand  angehören,  trägt  wohl  einen  tiefkirchlichen  Ernst  an  sich, 
doch  neben  dem  überwiegt  die  subjektive  Ausprägung  der  Gefühle  m 
sehr,  um  das  auszudrücken,  was  die  Kirche  bei  der  Feier  des  Gottes- 
dienstes für  ihre  abgestorbenen  Kinder  denkt  u.  fählt.  Wenn  auch 
bei  der  Verwirrung  bezüglich  der  Begriffe  von  kirchlicher  u.  welt- 
licher Musik  lange  Zeit  der  Mozart-  u.  Haydnstyl  als  das  Kunstideal 
auch  für  die  Kirchenchöre  angesehen  wurde,  so  kommt  man  denn  doch 
so  ziemlich  zur  Einsicht,  dass  kirchliche  Musik  ihr  Ideal  nicht  darin 
finden  kann.  Es  geschieht  dadurch  dem  Meister  keine  Verkürzung 
an  seinem  Buhme;  denn  es  ist  nicht  zu  fordern,  dass  ein  Mensch 
Vorzügliches  und  Mustergiltiges  in  so  verschiedenen  Gebieten,  wie 
Welt  und  Kirche  sind,  leiste,  zumal  in  einer  Periode,  wo  cße  ganze 
Zeitströmung  dem  Irdischen  zugewendet  war  \C  die  Kirchenmusik  von 
der  Autorität  sich  immer  mehr  loslöste.  Unter  allen  Mozart-Biographien 
ragt  die  von  Otto  Jahn  (1856—59,  4  Bde.,  2.  Aufl.  1867,  2  Bde.) 
glänzend  hervor. 

Müller,  D  0  n  a  t ,  geb.  den  3.  Jan.  1804  zu  Biburg  bei  Augsbursr, 
kam  nach  dem  Tode  seines  Vaters  im  Herbste  1816  als  Domkapellknabe 
nach  Augsburg,  wo  Fz.  Bübler  sich  seiner  annahm  u.  ihm  die  Aufhahme 
in's  Gymnasium  bei  St.  Anna  bewirkte,  das  er  8  Jahre  lang  besuchte. 
Mit  seinem  16.  Jahre  verliess  er  das  Kapellhaus,  war  aber  im  Orgel- 
spiel schon  so  weit  vorgeschritten,  dass  P.  Matth.  Fischer,  einer  der 
tüchtigsten  Organisten  seiner  Zeit,  ihm  die  Orgel  der  Kirche  zu  hl. 
Kreuz  anvertrauen  konnte.  Sich  darin  vervollkommend  fing  er  1822 
an,  unter  Leitung  Bühlers,  seines  Gönners,  u.  später  unter  Valentin 
Eöder  die  Komposition  zu  studieren.  Bald  begann  er  auch  Kompor 
sitionen  isu  veröffentlichen,  lateinische  n.  deutsche  Messen.  1826  erhielt 
er  die  Organistenstelle  an  St.  Max,  1837  die  Chordirektion  bei  St. 
Georg,  endlich  1839  dieselbe  bei  St  Ulrich  u.  Afra  in  Augsburg.  Von 
seinen  zahlreichen  Werken  seien  noch  benannt:  1  Te  Deum,  mehrere 
Vespern,  Singfngen,  lat.  Messen;  Litaneien  de  Nomine  Jesu;  1  Oratorium 
^J)er  Tod  Jesu;**  mehrere  Gradoalien  u.  Offertorien  für  gemischten 
Chor,  mit  u.  olme  Orgel;  6  Messen  für  3  u.  4stimm.  Chor;  Lieder  zu 
Schauspielen;  Opern;  femer  „Der  katholische  Schullehrer,"  4  Bde., 
(Augsburg);  „Büchlein  von  der  Kirchenorgel;"  „Lehre  des  einfachen 
Figuralsatzes."  Viel  Verdienst  erwarb  er  sich  noch  durch  Errichtung 
einer  öffentlichen  Singschule. 


Muffat  —  Muris.  189 

MnfPat,  Georg,  geb.  um  die  Mitte  des  17.  Jhdts.,  studierte  die 
Mnsik  2U  Paris  unter  Lnlli,  war  darauf  Organist  zu  Strassburg  u 
wanderte,  durch  den  Krieg  vertrieben,  nach  Wien.  Er  scheint  dann 
eine  Ansteüung  als  Organist  in  Salzburg  bekommen  zu  haben,  da  er 
sieh  in  der  Dedikation  seines  Werkes  „Armonico  tributo"  „Organist^ 
e  ajutante  di  camera  di  S.  A.  Km«"  (des  Erzbischofs  Max  Gandolph, 
Orafen  von  Kuenburg  f  1687)  nennt  u,  zugleich  erwähnt,  dass  ihm 
durch  dessen  Qunst  die  Beise  nach  Rom  erm()glicht  geworden.  Zwischen 
1687  u.  1690  kam  er  nach  Passau,  da  im  Taufbuch  der  Dompfarrei  der 
25.  April  1690  als  Geburts-  u.  Tauftag  seines  Sohnes  Gottlieb 
(Liebegott)  eingetragen  ist.  1695  ernannte  ihn  der  Bischof  J.  Philipp 
von  Lamberg  zum  Kp.-M.  u.  Vorstand  der  Singknaben  am  Passauer 
Dom,  welche  Stelle  er  bis  zu  seinem  Tode  —  den  23.  Febr.  1704  — 
bekleidete.  —  Unter  seinem  Namen  sind  2  Teile  „Florilegium,"  Stücke 
fUr  4—5  Violinen  mit  Basso  cont.  (Augsburg  1695,  Passau  1698)  ediert 
Im  zweiten  Teile  erzählt  er  die  Hauptumstände  seines'  Lebens,  Femer 
erschien  „Apparatus  mus.  organisticus'*  12  Toccaten  für  die  Orgel 
enthaltend,  (Augsburg  1690),  u.  „Armonico  tributo,"  5  Kammersonaten 
(Salzburg  1682).  Ln  Mskr.  hinterliess  er  ein  Werk,  welches  F6tis 
„Becueil  d*observations  relatives  ä  la  musique'*  betitelt. 

Sein  Sohn  Gottlieb  M.  kam  nach  des  Vaters  Tode  nach  Wien 
u.  wird  von  1711—1717  unter  den  Hofscholaren  genannt;  daselbst 
genoss  er  den  Unterricht  des  bertthmten  E.-Meisters  Fux.  Am  3.  April 
1717  wurde  er  zum  Hoforganisten  ernannt,  welche  Stellung  er  bis  zu 
seiner  Pensionierung  1763  inne  hatte.  Er  starb  10.  Dez.  1770.  Im 
Druck  veröffentlichte  er  „72  Versetl  samt  12  Toccaten,  1726"  und 
„Gomponimenti  Musicali  per  ü  Cembalo"  (Augsburg  1735),  welche 
beide  Werke  seine  grosse  Meisterschaft  bezeugen. 

MfiHStor,  Joseph  Joachim  Bened  ikt,  in  der  ersten  Hälfte 
des  vorigen  Jhdts.  Notar  u.  Musikdirektor  zu  Beichenhall  in  Ober- 
bayem,  gab  2  theoret.  Werke  heraus :  „Musices  instructio  etc."  und 
„Scala  Jacob  ascendendo  et  descendendo  etc."  Auch  komponierte  er 
mehreres  fttr  die  Kirche. 

MnriB,  Johann  de,  einer  der  bertthmtesten  Musiktheoretiker 
des  14.  Jhdts.,  von  dessen  näheren  Lebensumständen  man  keine 
Kenntnis  hat,  schrieb  in  seinem  Greisenalter  einen  w^tläuflgen  Traktat 
Über  die  Musik  „Speculum  musicae"  in  sieben  Büchern,  worin  er  einen 
ungeheueren  Schatz  von  historischen  u.  musikalischen  Kenntnissen 
niedergelegt  hat.  Dr.  Bob.  Hirschfeld  („Johann  de  Muris.  Seine 
Schriften  und  seine  Bedeutung*'  Leipzig,  Breitkopf  &  Härtel  1884) 
nennt  das  Werk  eine  Streitschrift  gegen  die  ars  nova,  deren  begei- 
stertster Verfechter  Philipp  von  Vitry  war,  u.  sucht  Muris'  hohe  Be- 
deutnng  darin,  dass  er  bestrebt  war,  die  Beinheit  der  Tonkunst  u. 
ihrer  Praxis  zu  wahren  u.  der  Übersttirzung  der  Neueren  zu  wehren^ 


190  Murschbauser  —  Naldini. 

OoQssemaker  veröffentlichte  (Script,  ü.  193-433)  das  VI.  n.  V^.  Buch 
dieses  Werkes,  welches  sich  auf  der  Pariser  Nationalbibliothek  in  zwei 
Handschriften  vorfindet;  von  den  übrigen  giebt  er  blos  das  Inhalts- 
verzeichnis. Alle  übrigen  bei  Gerbert  n.  Conssemaker  unter  dem 
Namen  Johann  de  Muris  edierten  Traktate  erweisen  sich  als  nnächt. 
Ob  er  mit  dem  als  Professor  an  der  Sorbonne  verzeichneten  Mathe- 
matiker u.  Astronomen  Johann  (Julianus)  de  Muris  identisch  ist,  steht 
sehr  in  Zweifel,  da  dieser  als  Musiktheoretiker  nicht  benannt  wird; 
so  viel  geht  aus  einer  Notiz  des  Werkes  selbst  hervor,  dass  Job.  de 
Muris  sich  zur  Zeit  oder  gegen  Ende  der  Abfassung  desselben,  welches 
wohl  um  1321  vollendet  worden  sein  mag,  nicht  in  Paris  befand. 

Marachhaaser,  A n  t  o  Ui  geb.  um  1670  zu  Zabem  bei  Strassburg, 
gest.  1724  als  £p.-M.  an  der  Frauenkirche  in  München,  Schüler  Kerl's, 
edierte:  Octitonum  novum  Organum  (1696),  Vesper tinum  latriae  et 
hyperduliae  cultus  (1700),  Prototypen  organicum  (1707);  Opus  org. 
tripartitum  (1712);  ein  theoret  Werk  „Academia  musico  -  poetica'* 
(1721,  nur  I.  Teü). 


N. 


Nägeli,  Hans  Georg,  geb.  1768  zu  Zürich,  betrieb  zu  Bern 
49eine  musik.  Ausbildung.  1792  legte  er  in  seiner  Vaterstadt  eine 
Musikalienhandlung  an  u.  starb  am  26.  Dez.  1836.  Als  Komponist, 
Theoretiker,  Didaktiker  u*  Musikgelehrter  stand  er  in  hohem  Ansehen; 
besonders  war  er  thätig  fOr  Verallgemeinerung  der  Gtesangskunst. 
Seine  vorzüglichsten  theoret«  Werke  sind:  „Gtesangbildungslehre  nach 
Pestalozzi*schen  Grundsätzen**  (Zürich  1810);  „Vorlesungen  über  Musik 
mit  Berücksichtigung  der  Dilettanten'*  (Stuttgart  u.  Tübingen  1826)  u.  a. 

Nagiller,  Matthäus,  geb.  den  24.  Oktbr.  1815  zu  Münster  im 
ünterinnthal,  wendete  sich  von  den  wissenschaftlichen  Studien  ganz 
der  Musik  zu.  Er  bildete  sich  von  1837  an  als  Zögling  des  Konser- 
vatoriums in  Wien  unter  Preyers  Leitung  für  die  Komposition 
aus,  u.  zwar  mit  so  günstigem  Erfolge,  dass  er  1840  den  ersten  Preis 
errang.  Nachdem  er  mehrere  Jahre  in  Paris  u.  Berlin  zugebracht 
hatte,  weilte  er  von  1850—54  in  Partschins  bei  Meran,  wo  er  mehrere 
Icleine  Messen  u.  seine  Missa  solemnis  komponierte.  1866  übernahm  er 
die  Direktion  des  Musikvereins  in  Innsbruck,  wo  er  8.  Juli  1874  starb. 
Ausser  den  genannten  Werken  schrieb  er  noch  Ouvertüren,  Sinfonien, 
Gesangschüre  u.  a. 

Naldini,  Sante,  ein  Tonsetzer  der  römischen  Schule,  geb.  zu 
Eom  am  5.  Febr.  1588,  kam  1617  in  das  Kollegium  der  päpstlichen 
Sänger  u.  starb  am  10.  Oktbr.  1660.    Mehrere  Motetten  von  ihm  er- 


Nanino  —  Naumann.  191 

schienen  1620  zu  Born  in  Drack;  handschriftliche  Arbeiten  von  ihm 
bewahrt  das  sixtinische  Archiv. 

Nanino,  Giovanni  Maria,  war  1540  zu  Tivoli  geboren, 
erhielt  zu  Born  die  gründlichste  Ausbildnng  in  der  Mnsik  u.  trat  dann 
in  seiner  Vaterstadt  eine  Eapellmeisterstelle  an.  1571  kam  er  nach 
Born  als  Ep.-M  der  Hauptkirche  S.  Maria  Magg.  Zu  dieser  Zeit 
eröfi&iete  er  an  der  Seite  Palestrina's,  dessen  intimster  Freund  er  war, 
die  nachmals  so  berühmt  gewordene  Schule  für  hohem  Unterricht  in 
der  Musik,  das  erste  von  einem  Italiener  gegründete  Institut  der  Ton- 
kunst in  Bom.  Nachdem  N.  seit  1575  £p.-M.  an  der  Kirche  S.  Lnigi  dei 
Francesi  gewesen,  fand  er  1577  Annahme  in  das  Kollegium  der  päpst- 
lichen Sänger.  Er  starb  am  II.  März  1607.  —  N.  muss  als  einer  der 
grOssten  Musikgelehrten  der  römischen  Schule  betrachtet  werden.  Als 
schaffender  Künstler  war  er  gleichsam  ein  Stern  erster  Grösse.  Besass 
auch  sein  Genius  die  reichen  Schöpfongskräfte  eines  Palestrina  nicht, 
so  verdienen  doch  seine  Werke  ihrer  klassischen  Ausprägung  und 
vollendet  reinen  Form  willen  unmittelbar  den  Schöpfungen  Palestrina's 
angereiht  zu  werden.  Seine  Kompositionen  gehören  unter  das  Schönste, 
was  noch  heute  in  der  päpstlichen  Kapelle  vorgetragen  wird.  Viele 
seiner  Werke  wurden  teils  in  eigenen  Druckausgaben,  teils  in  ge- 
mischten Sammlungen  italienischer  u.  niederländischer  Herausgeber 
veröffentlicht;  das  Meiste  jedoch  findet  sich  handschriftlich  in  römischen 
Archiven  hinterlegt. 

Nanino,  Bernardino,  Neffe  des  Vorhergehenden,  dessen  Unter- 
richt in  der  Musik  er  auch  genoss,  war  zu  Vallerano  (um  1560?) 
geboren.  Er  war  namentlich  an  den  Kirchen  S.  Luigi  de'Francesi  u. 
S.  Lorenzo  in  Damaso  als  Kp.-M.  thäti^.  Ganz  von  dem  erhabenen  Geiste 
seines  Zeitalters  erfüllt,  vermochte  er  seine  Werke,  die  teils  in  Druck 
veröffentlicht,  teils  in  röndschen  Archiven  handschriftlich  hinterlegt 
sind,  mit  hohem  Wohllaut  in  Melodie  u.  Harmonie,  Fluss  u.  Bundung 
der  Modulation,  rhythmischer  Präcision  u*  vollendeter  Beinheit  des 
Styles  zu  schmücken.  —  Von  seinen  Lebensumständen  ist  nichts  weiter 
bekannt  Die  meisten  seiner  Publikationen  fallen  in  die  Zeit  von 
1612— 1620- 

Katiyidade,  Joao  de,  portug.  Mönch,  geb.  zu  Torres,  trat  1675 
in  den  Franziskanerorden  und  starb  1709  zu  Lissabon.  Er  hinter- 
liess  Kirchenwerke,  welche  von  den  Portugiesen  als  klassisch  gerühmt 
wurden. 

Naumann,  Gottlieb,  geb.  17.  April  1741  zu  Blasewitz  bei 
Dresden,  gest.  23.  Okt.  1801  zu  Dresden,  studierte  Musik  bei  Tartini 
in  Padua  u.  bei  P.  Martini  in  Bologna  u.  wurde  1764  zum  kurfürstl. 
Sachs.  Hofkirchenkomponisten  ernannt;  von  da  stieg  er  zum  Kammer- 
komponisten, dann  zum  Kp.-M.,  endlich  1786  zum  Oberkapellmeister  auf. 
Er  war  ein  sehr  fruchtbarer  Komponist;  neben  Opern  u.  vielen  andern 


192  Nekes  —  Neukomm. 

weltlichen  Hnsikstftcken  schrieb  er  auch  eine  Menge  Messen»  Psalmen 
XL  kleinere  Kirchenstücke. 

Nekes,  Franz,  geb.  zn  Essen  a.  d.  Bnhr  d.  18.  Febr.  1844, 
absolvierte  daselbst  das  Gymnasium  1864|  n.  trat  nach  VoUendnng  der 
philosophischen  n.  theologischen  Studien  zu  Münster  n.  Bonn  in  das 
Priesterseminar  zn  Köhi,  wo  er  24.  Aug.  1868  die  Priesterweihe 
empfing.  Von  1871—1887  war  er  Vikar  od.  Pfarrverweser  in  Gerderath 
bei  Erkelenz  u.  Präses  des  von  ihm  gegründeten  Bez.-Gäcil.-Vereins 
für  das  Dekanat  Erkelenz.  In  letzterm  Jahre  übernahm  er  die  Stelle 
eines  Inspektors  im  Gregoriushause  zu  Aachen.  In  der  Musik  bildete 
er  sich  durch  eigenen  Fleiss  u.  gewann  seine  Tüchtigkeit  hauptsächlich 
aus  dem  Anhören  guter  K-Musik  n.  aus  dem  Studium  von  Partituren. 
N.  veröffentlichte  bis  jetzt  12  Messen,  3  Te  Deum,  2  lauret.  Litaneien, 
1  Regina  coeli,  1  Ascendit  Dens  und  mehrere  Partien  deutscher 
Kirchengesänge. 

Nerf,  Philipp  von,  der  hL,  geb.  21.  Juli  1515  zu  Florenz, 
1551  zu  Born  zum  Priester  geweiht,  trat  alsbald  in  die  Bruderschaft 
des  hl.  Hieronymus  u.  beschäftigte  sich  hauptsächlich  mit  dem  Unter- 
richte der  Jugend.  1548  stiftete  er  die  Bruderschaft  der  hl.  Dreifaltigkeit. 
Nach  seiner  Priesterweihe  versammelte  er  Priester  u.  Kleriker  öfters 
in  einem  Betsaale  (Oratorium)  zu  geistlichen  Übungen  und  Unter- 
redungen, u.  vereinigte  1564  sich  mit  ihnen  zu  einer  Gtemeinschafti 
die  er  vom  Orte  der  Zusammenkunft  Oratorium  nannte.  So  entstand 
die  geistliche  Genossenschaft  der  Priester  vom  Oratorium,  die  sich 
kurzweg  Oratorianer  nannten.  Bei  den  religiösen  Übungen  bediente 
man  sich  auch  der  Musik,  und  Animuccia  war  der  Erste,  welcher 
Kompositionen  für  das  Oratorium  lieferte.  Solcher  Kompositionen 
wurden  1650  u.  1670  zwei  Sammlungen  unter  dem  Namen  „Laudi" 
zu  Bom  veröffentlicht.  Nach  dem  Tode  Animuccia*s  schrieb  Palestrina 
solche  Stücke.  Sie  waren  4stimm.,  wurden  bald  als  Solo,  bald  als  Chor 
vorgetragen,  u.  die  jedesmalige  Aufführung  derselben  bildete  zwei  Teile, 
wovon  der  erste  vor,  der  andere  nach  der  Predigt  stattfand.  Aus 
diesen  religiösen  Musiken  entwickelte  sich  die  nach  ihnen  benannte 
Kunstform,  das  Oratorium;  doch  ist  die  dramatische  Grundlage  des 
nachherigen  Oratoriums  älter  als  Neri;  sie  mag  den  frühem  Mysterien 
oder  geistlichen  Schauspielen  des  Mittelalters  entnommen  sein.  Philipp 
V.  Neri  starb  zu  Bom  26.  Mai  1595. 

Nenkomm,  Sigismund,  geb.  am  10.  Juli  1778  zu  Salzburg,  übte 
schon  frühzeitig  die  Musik  auf  allen  Instrumenten,  erhielt  von  Mich. 
Haydn  Kompositionsunterricht,  und  entschied  sich  erst,  nachdem  er 
für  seine  wissenschaftliche  Ausbildung  eifrig  gesorgt  hatte,  (1797)  für 
die  Tonkunst  als  seinen  Lebensberuf.  Sofort  ging  er  nach  Wien  u. 
machte  hier  7  Jahre  höhere  Kompositionsstudien  unter  Leitung  Jos. 
Haydn's,  worauf  er  nach  Petersburg  reiste  u.  1806  als  Kp.-M.  der 


Kiok  —  Niedemeyer.  193 

dentscheft  Oper  dcrtaelbst  angestellt  Tnurde.  Im  Jahve  dttramf  begab 
«r  sich  nach  Hoskau,  Demtschland,  Paris,  Wien,  BrasilieB,  lissaboii, 
iarolireiste  Belgien,  Holland,  die  Schweis,  England  a.  d^  n.  starb 
am  3.  April  1658  zn  Paris.  Tretz  seiner  Tielen  Reisen  komponierte 
er  Vieles:  einige  Opern,  dann  Kantaten,  grosse  Messen  o.  Te  Denn, 
mehrere  4  n.  dstimm.  Psalmen  a  capelia,  einige  Oratorien  u.  dgL 
Er  war  kein  blendendes  Goiie,  aber  alle  seine  Werke  tragen  den 
Stempel  einer  ecUen  Empfindwig  n.  nngesnchten  Natfirtichkeit,  nie  steigt 
er  nnter  die  Wtlrde  der  Knast  herab,  —  ein  würdiger  Beprftsentant 
der  Wiener  Schale  in  i^en  ihren  gnten  Eigentttmlichkeiten,  in  toUcb- 
deter  Form  n.  fliessender  Melodik,  der  bedentendste  Scbfller  Haydn's. 
Seine  Kompositionen  erreichen  die  Zahl  2000. 

mck,  Wienand,  geK  1831  zu  Fritzlar,  wo  sein  Vater NDrganist 
war,  ging  1846  nach  Fulda  u.  widmete  sich  den  Studien.  Nachdem  er 
dann  als  Klavier-  u.  Orgelspielet,  sowie  als  Komponist  u.  Chorleiter 
mehrere  Jahre  th&tig  gewesen,  erhielt  er  1856  einen  Buf  nach  Hildes- 
heim, wo  er  seitdem  als  Dommusik-Direktor  und  Oesanglehrer  am 
Gymnasinm  segensreich  wirkt.  Für  die  Kirche  schrieb  er  mehreres, 
nnter  anderm  einige  Messen  u.  eine  Sammlung  yon  Motetten. 

Nikel,  Emil,  geb.  12.  Sept.  1851  zn  Sohrau  in  Oberschlesieny 
erhielt  seinen  ersten  musikalischen  Unterricht  von  seinem  Vater,  einem 
Lehrer,  wurde  als  12jähriger  Knabe  Organist  am  Qleiwitzer  Gymnasium, 
studierte  in  Breslau  Philosophie  u.  Theologie,  u.  empfing  am  15.  Juli 
1877  die  Priesterweihe  in  Prag.  Als  Stiftsvikar  an  der  Alten  Kapelle 
in  Begensburg  besuchte  er  die  daselbst  bestehende  Kirchenmusikschule 
TL  widmete  sich  eingehenderen  kirchenmusikal.  Studien,  fungierte  dann 
als  Studien-  und  Musikpräfekt  im  Aufsess^schen  Studienseminar  zu 
Bamberg,  wurde  1882  Domvikar  zu  Breslau,  1884  Oberkaplan  in  Zabrze 
u.  erster  Vizepräses  des  Schlesischen  Cäcilienvereins,  u.  seit  September 
1888  ist  er  thätig  als  k.  Divisionspfarrer  u.  Beligionslehrer  am  Gym- 
nasium sowie  am  Lehrerinnenseminar  in  Thom  a.  d.  Weichsel.  Von 
seinen  Werken  erschienen  bis  jetzt:  4  Messen,  2  Bequiem,  4  Litaneien, 
10  Marienlieder,  6  Vesperpsalmen,  8  Frohnleichnamsstationen;  die 
Samminngen:  „Lauda  Sion'*  mit  150  Graduallen  u.  Offertorien,  120 
Vesperhymnen,  120  Begrftbnisgesänge,  100  religiöse  Gelegenheitslieder; 
Veni  Creator  8stimmig;  Eoce  Sacerdos;  Kantate  „Cäcilia's  Gebet;" 
der  95.  Psalm  für  Mftnnerchor  n.  grosses  Orchest»;  1  Streichquartett, 
eine  Fest-Ouvertüre,  6  M&rsche  für  Klavier  oder  Orchester,  Orgel- 
prälodien. 

Mied«mefMr,  Lonis,  geb.  zn  Nyon,  Kanton  Waadt,  d«  27.  April 
1802,  erhielt  von  seinem  Vater,  einem  Mnsiklehrer,  den  ersten  musi- 
kalischen Unterricht;  15  Jahre  alt  kam  er  nach  Wien  und  bildete 
sich  nnter  Moscheies  im  Klavierspiel,  nnter  Forster  studierte  er  die 

KonuBfiller,  Lexikon,    n.  Bd.  13 


194  Nisard  —  Normand.. 

Xomposition.  Nach  2  Jahren  ging  er  nach  Born,  bildete  sich  femar 
im  Kontrapunkt  unter  dem  päpstlichen  Ep.-M.  Fioravante  u.  voll- 
endete dann  bei  Zingarelli  in  Neapel  seine  musikalische  Ausbildung. 
Von  da  begab  er  sich  nach  Paris,  wo  er  sich  bald  einen  Ruf  als 
Musiklehrer  u.  Komponist  erwarb.  Da  seine  Opern  keinen  rechten 
Anklang  finden  wollten,  suchte  er,  nachdem  er  eine  Zeit  lang  Direktion«- 
geschäfte  bei  der  „Soci6t6  des  concerts  spirituels,"  welche  durch  den 
Eifer  des  Prinzen  von  Moskowa  gegründet  wurde,  verrichtet  hatte, 
1848  eine  Spezialschule  für  religiösen  oder  Kirchengesang,  als  Fort- 
setzung der  von  Choron  gestifteten,  1830  aber  wieder  eingegangenen 
Kirchengesangschule  zu  gründen,  und  setzte  1853  seinen  Plan  in's 
Werk.  Dieser  Schule  war  nun  bis  zu  seinem  Tode  all  seine  Thätig- 
keit  u.  Kraft  gewidmet,  tl  er  erreichte  auch  viel.  Von  da  ab  war 
er  nun  mehr  för  die  katholischen  Kirchenchöre  (obwohl  er  Protestant 
war)  thätig  u.  schrieb  viele  Messen  u.  andere  Kirchenstücke.  Um 
die  in  Paris  in  den  fünfziger  Jahren  begonnene  Regeneration  der 
Kirchenmusik  zu  unterstützen,  gründete  er  1856  die  zwei  Jahre  später 
von  Ortigue  übernommene  Zeitschrift  „La  Maitrise.**  Leider  setzte 
der  Tod  schon  am  13.  März  1861  seiner  Thätigkeit  ein  zu  frühes  Zieh 
Als  Mensch  war  er  voll  Güte  u.  Wohlwollen,  offen,  geraden  Charakters, 
ohne  Hinterhalt,  gesprächig,  u.  trotz  mancher  Eigenheiten  wusste  er 
sich  doch  einen  grossen  Freundeskreis  zu  bewahren. 

NiBsrd,  Th.,  s.  Normand. 

NiverB,  Guillaume  Gabriel,  ein  französ.  Geistlicher,  geb.  in 
einem  Dorfe  bei  Melun  1617,  war  16^  Organist  an  der  Kirche  St. 
Sulpice  zu  Paris  und  trat  zwei  Jahre  darauf  als  Tenorsänger  in  die 
königliche  Kapelle.  1667  wurde  er  Hoforganist  des  Königs  und  dann 
Musikmeister  der  Königin.  Gestorben  ist  er  im  Anfange  des  vorigen 
Jahrhunderts.  Man  hat  von  ihm  einige  theoretische  Werke:  ,Jia 
gamme  du  Si  etc.*'  (Paris  1646);  „Methode  certaine  pour  apprendre  le 
plain-chant"  (1667);  „Dissertation  sur  le  chant  gr6gorien**  (1683). 
Femer  gab  er  mehrere  Gradualien  u.  Antiphonen  heraus,  sowie  einige 
Bücher  Orgelstücke. 

Normand,  Theo  du  1  Eleazar  Kavier,  Abb6,  bekannt  unter 
dem  falschen  Namen  Theodor  Nisard,  geb.  den  27.  Jan.  1812  zu 
Quaregnon  bei  Mons  im  Hennegau,  studierte  zu  Lille  und  besuchte 
auch  die  Musikschule  zu  Douai.  1835  zu  Toumai  zum  Priester  ge- 
weiht, beschäftigte  er  sich  mit  weitem  Musikstudien  u.  gab  1840 
„Manuel  des  organistes  de  la  campagne"  (Brüssel)  u.  eine  Sammlung 
Bomanzen  heraus.  1842  trat  er  unter  seinem  Pseudonamen  als  Organist 
an  der  St.  Gervais-Kirche  in  Paris  auf  u.  arbeitete  seitdem  als  eif- 
riger Musiklitterator.  Von  seinen  Werken  sind  zu  nennen:  „Du  plain- 
chant  parisien;"  „La  sdence  et  la  pratique  du  plain-chant'*  (diess 


Notger.  195 

Werk  Jii]nülac*B  bearbeitete  er  init  Ledere,  Ep.-M.  an  der  St  Gerrills- 
Kirche  gememschaftlich);  „De  la  notation  proportionelle  dn  moyeii'&ge;*^ 
„Etndes  sur  les  anciennes  notations  mnsicales  de  TEurope;**  1854  er^ 
schien,  mit  Jos.  d'Ortigne  bearbeitet:  „Dictionnaire  *  litnrgiqne,  histo- 
rique  et  pratiqne  du  plain-chant  et  de  mnsique  de  T^glise  an  moyen-ftge 
et  dans  les  temps  modernes,*'  1855  „Methode  de  plaint-chant,"  1856 
,,Etnde8  snr  la  restanration  dn  chant  grdgorien  an  XIX.  siöcle,*' 
yji'accompagnement  dn  plain-chant  snr  Forgne'*  nnd  „Les  vrais  prin- 
cipes  de  Taccompagnement  dn  piain -diant  snr  Torgne  d'aprös  les 
maitres  des  XV.  et  XVI.  sifecles"  (Paris  1860),  „Notice  snr  T  A  n  t  i  - 
phonaire  bilingne  de  Montpellier**  (Paris  1865),  welches  er 
anfgeftmden  n.  wovon  er  eine  getrene  Copie  für  die  Pariser  Bibliothek 
gefertigt  hat;  „Bibliographie  dn  plain-chant*'  (Paris)  n.  a.  m. 

Kotker  oder  Notger,  mit  dem  Beinamen  Balbnlns,  der  Stammler, 
nm  830  zn  Schloss  Heiligan  (jetzt  Elg)  im  Xanten  Zürich  von  adeligen 
Eltern  geboren  n.  dem  kaiserlichen  Hanse  verwandt,  ward  nm  842 
dem  Kloster  St.  Gallen  znr  Erziehnng  nnd  Bildnng  übergeben  nnd 
zeichnete  sich  sowohl  in  den  Wissenschaften,  als  an  Innigkeit  des 
Gemütes  n.  gottseligem  Sinne  vor  seinen  Mitschülern  ans.    Als  Mönch 
desselben  Klosters  ward  er  eine  grosse  Zierde  seines  Ordens  n.  ragte 
wie  a]s  vollkommener  Mönch,  so  anch  als  gelehrter  Mann,  Dichter 
nnd  ansgezeichnetster  Mnsiker  seiner  Zeit  hervor.    Im  hohen  Alter 
istarb  er  den  S,  April  912  nnd  wurde  1513  dnrch  Papst  Jnlins  n.  selig 
gesprochen.    Seine  Verdienste  nm  die  Eirchenmnsik  sind  sehr  gross. 
Das  Kirchenlied  n.  der  Ohoralgesang  verdanken  ihm  vor  allem  ihre 
Beinerhaltnng  n.  weitere  Ansbildnng  im  Mittelalter.    Das  rOmische 
Antiphonar,  welches  Bomanns  ans  Born  mitgebracht  hatte,  war  ihm 
der  kostbarste  Schatz;  darnach  leitete  er  in  St.  Gallen  den  Choral- 
gesang, lehrte  ihn  in  den  Schnlen  n.  bildete  geübte  Sftnger  ans.    Eine 
Handschrift  von  ihm  bewahrt  noch  die  wahre  Erklärung  der  den  Nenmen 
beigesetzten  Buchstaben;    sie    findet   sich  abgedruckt  in   Gerbert's 
„Script.**  n.  in  Schnbiger's   „Sängerschule  von  St.  Gallen.**    Als  vor- 
züglicher Beförderer  nnd  wohl  anch  Ghründer  des  Kirchenliedes   in 
Deutschland  bewies  er  sich  durch  die  Dichtung  n.  Komposition  vieler 
Hymnen  n.  Sequenzen,  welche  vor  dem  Evangelium  der  hl.  Messe 
durch  viele  Jahrhunderte  hindurch  in  den  Kirchen  des  Abendlandes 
gesungen  wurden  (s.  Sequenzen).    Sein  Gemüt  war  überaus  zart 
u.  sein  Gefühl  so  innig,  dass  jeder  einzehne  Gegenstand  in  der  Natnr, 
jeder  Vorfall  des  Lebens  ihn  zn  einem  Liede  begeistern  konnte,  zn 
dem  er  Text  n.  Notensatz  zugleich  verfksste.    Als  er  einst  in  der 
Umgegend  von  St.  Gallen  sich  erging   nnd  beim  neuen  Brückenbau 
über  das  tiefe  Martinstobel  die  Werklente  auf  dem  Gerüste  über  dem 
tiefen  Abgrunde  wie  zwischen  Leben  n.  Tod  schwanken  sah,  legte 
er  seine  Gefühle  in  dem  berühmten  „Media  vita  in  morte  sumns*^ 

13* 


I9f  Nadiu  -^  Oberhoffer. 

aiedar,  da»  Mehnali  in  gani  Bsropa  VafUfeitiuig  fmd.  —  Auch  mit 
gelehrten  Arbeit«!  beidiäfligta  sieh  Ketker  n.  hinteriiess  ehuge  mAabt 
Sdiriften. 

Eis  anderer  Notger,  mit  dem  Beinamen  Labeo  (der  Gross- 
lefidge)  lebte  etwas  sp&ter  in  demselben  Kloster  St  OaDen,  starb  10^ 
n.  hinterliess  als  eines  der  bedeutendsten  Denkmale  der  ftltesten  dent 
Prosa  die  Paraphrase  n.  Erklftnmg  der  Psalmen;  aneh  ein  mosika» 
Hsoher  Traktat  in  dentscber  Spraehe,  „Opnsenlnm  theotisenm  de  mnsica," 
welches  Gerbert  in  seine  Sammlnng  anf genommen  hat,  wird  ihnt 
zugeeignet. 

Nnefmi»  Johannes,  geb.  1556  za  G9rlitE,  ward  im  Kloster 
Banden  in  Schlesien  MOnch,  n.  starb  nm  162D  als  Abt  zu  Himmelwitz. 
Er  war  als  mnsikaL  Theoretiker  n.  als  Komponist  seiner  Zeit  sehr 
gesch&tzt.  Mehrere  seiner  Kirchenwei^e  erschienen  im  Dnick,  auch 
ein  theor.  Weiidein:  „Mnsicae  poeticae,  sire  de  compositione  cantus  etc.* 
Neisse  1613. 


0. 


Oberhoffer,  Heinrich,  geb.  den  d.  Dez.  1824  zn  Pfedzel  bei 
Trier,  gest  29.  Mai  1885  zn  Luxemburg,  eiiiielt  den  ersten  Musik* 
Unterricht  von  seioem  Vater  Gerhard  0.,  Lehrer  u»  Organisten  daselbst, 
u.  bildete  sich  im  Klavierspiel  besonders  unter  W.  Hermann  in  Trier 
aus.  Von  1842—44  besuchte  er  das  Schullehr^fsoninar  zu  Brtthl,  wo 
er  durch  den  verdienstTollen  Töpler  in  die  Theorie  der  Musik,  Kompo^ 
sition  n.  in  das  Orgelspiel  eingeführt  wurden  Nach  seinem  Austritt 
aus  dem  Seminar  wurde  er  Lehrer  an  der  Knabenschule  zu  Schweick 
a.  d.  Mosel,  nach  einem  halben  Jahre  solcher  an  der  Pfarrschule  St. 
Gervasius  in  Trier  u.  Organist  daselbst,  wo  er  7  Jahre  lang  wirkte 
u*  seine  Musikstudien  fortsetzte.  1852  legte  er  beide  Stellen  nieder 
n.  lebte  als  Priyatmusiklehrer,  bis  er  nach  4  Jahren  die  Stelle  eines 
Musiklehrers  am  kdnigL  Schullehrerseminar  in  Luxemburg  erinelt; 
1861  wurde  er  zum  wirklichen  Professor  der  Musik  in  genannter 
Anstalt  ernannt  Er  dirigierte  die  5  grossen  Lehrergesangsfeste  von 
1849—55  u.  hatte  sich  ausserdem  mancher  Auszeichnungen  zu  erfreuen: 
seit  1862  ist  Oberhoffer  Vorstandsmitglied  des  Luxemburger  christr 
lichen  Kunstvereins,  im  genannten  Jahre  erhielt  er  bei  einem  Konkurse 
für  kathoL  Kirchenmusik  zn  Paris  den  zweiten  Preis  u.  ward  1864 
zum  Mitglied  der  Akademie  „Cfteilia*<  in  Bom  ernannt  Im  Jahre  1862 
gründete  er  die  Zeitschrift  „C&cilia*'  für  kathol.  Kirchenmusik,  deren 
Eedakteur  er  bis  1872  blieb.  An  litterarischen  Arbeiten  yerOffentlichte 


r 


Obrecht  —  Odo.  197 

«r  dne  „Hannoiiielehfe"  (LnxraibiiTg  bei  Heintsö,  1860,  2.  Aufl.  18^), 
«ine  „theoret-praktische  Ohoralgesaagtschnle*'  (Paderbom,  1862)  mA 
yenchiedene  Anftätse  in  Zeitschriften.  Kompositionen  von  ihm  sind: 
^Zwei  Hefte  yierst.  Kirchengesäage,^  eum  Teil  eigene  Eompoeatiogi 
(Trier),  Singübnngen  (Eri^irt,  Römer),  mehrere  Messen,  Te  Denm  n. 
die  Psalmtöne  fttr  4  Mftnnerst.  (Luxemburg,  HeintK6),  Orgelstttobe 
(Offenbach,  Andr6),  Lieder  u.  Männerchöre  n,  a.  Auch  das  neue 
Proprium  u.  das  JE^ale  der  Luxemburger  Diözese  enthält  mehrere 
Ton  Oberhoffer  komponierte  Choräle.  Sein  bedeutendstes  Werk  ist 
^die  Schule  des  kathol.  Organisten''  (Trier  1869»  1883  4  Aufl.) 

Obreehty  s.  Hobrecht. 

Ockenheim,  auch  Okeghem  und  Oekeghem,  bisher  das  Haupt 
der  sog.  zweiten  niederländischen  Schule  genannt,  aus  dem  östlichen 
Flandern  stammend.  Von  seinen  Lebensumständen  weiss  man  wenig. 
Sein  Geburtsjahr  mag  zwischen  141%  u  1420  fallen;  1443  erscheint  er 
«Is  Sänger  am  Dome  zu  Antwerpen,  1461  als  erster  Eapellsänger  des 
Xönigs  Carl  VII.  von  Prankreich  (Protokapellanus).  Ludwig  XI.  selbst 
scheint  ihm  die  Stelle  des  Tr6sorier  (Thesaurarius)  an  der  Kapitel- 
kirche  des  hl.  Martin  zu  Tours  lüs  Bhrenauszeichnung  u.  einträgliche 
Präbende  verliehen  zu  haben.  Um  1492  scheint  er  seine  Stelle  nieder- 
gelegt u.  die  letzten  Jamre  seines  Lebens  (gest.  zwischen  1512  n.  1525) 
in  Buhe  zugebracht  zu  haben..—  Bruchstücke  aus  seinen  Kompositionen 
sind  in  Glarean's  Dekachord,  Bumey's,  Forkel's  und  Ambros'  Musik- 
geschichten, in  Eiesewetter's  Geschichte  der  europ.-abendl.  Musik  u.  a. 
mitgeteilt  Die  Proske'sche  Bibliothek  bewahrt  von  ihm  die  „Missa 
«ujusvis  toai"  4  Voc.  u,  „Cantiones  sacrae  V.  Voc."  („Gktude  Maria  Virgo,** 
„Gabrielem  Archang.,*'  „Utrum  tuum,"  „Erubescat  Judaeus"),  letzteres 
Werk,  wahrscheinlich  ein  Unikum,  von  Proske  aus  einem  in  der  Biblio- 
thek vorfindlichen  handschriftlichen  CJodex  in  Partitur  geseloieben. 

Odington,  Walther,  ein  englischer  Benediktinermönch  des  13.^ 
Jhdts.,  war  zuerst  im  Kloster  Evesham  in  der  Grafschaft  Worcester, 
dann  zu  Canterbury,  wo  er  1228  zum  Erzbischof  gewählt,  aber  vom 
Papste  nicht  bestätigt  wurde.  Er  ist  einer  der  ältesten  bekannten 
Schriftsteller  über  Mensuralmusik,  n.  sein  Traktat  ,J)e  speculatione 
mnsicae"  (in  6  Büchern)  befindet  sich  im  Mskr.  auf  der  Bibliothek  de» 
Christ-Kollegiums  zu  Cambridge.  Coussemaker  veröffentlicbte  ihn  in 
seinen  „Scriptores  de  musica  medii  aevii"  L 

Odo,  der  hl.,  aus  einer  adligen  französischen  Familie  stammend» 
Kanonikus  u.  erster  Sänger  an  der  Kirche  St.  Martin  m  Tours  899, 
trat  später  in  das  Kloster  von  Beaume  in  der  Franche-Gomtö  wai, 
starb  als  Abt  von  Clugoy  (927  erwählt)  am  18.  Nov.  942.  Er  war 
mner  der  gelehrtesten  und  frömmsten  Männer  seiner  Zeit  und  wurde 
bald  nach  seinem  Tode  in  die  Zahl  der  Heiligen  elngereilit^  Wie  zu 


198  OmithoparoboB  —  Ortlieb. 

Toms,  war  er  anoh  im  Kloster  für  den  Eirchengesang  sehr  thätig,  sachte 
durch  Anwendung  von  Bachstaben  seinen  Mönchen  das  Singen. za  er* 
leichtem  a.  hinterliess  einen  Ton  Gerbert  in  seinen  Scriptor.  eccL 
mns*  Bd.  L  aa^enommenen  ,J)ialogas  de  masica/.*  Vier  andere  von 
Gerbert  anter  dem  Namen  „Odo'^  aofgeführte  Fragmente  masikalischer 
Traktate  werden  von  F^tis  als  Odo  nicht  zagehOrig  erklärt. 

OmithoparchHS,  Andreas,  (zn  deatsch  „Vogelgesang")  geb.  za 
Meiningen  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhdts.,  ein  mosik.  Schrift- 
steller, von  dessen  Lebensamständen  man  nichts  weiss,  als  dass  er 
1516  zn  Tübingen  Magister  der  freien  Künste  war,  grosse  Beisen 
gemacht  n.  aaf  diesen  aach  mosik.  Vorlesangen  gehalten  hat  Aas 
solchen  Vorlesangen  enstand  das  Bach:  „Masicae  activae  Micrologas**^ 
4  libr.  (Leipzig  1517),  worin  Vortreffliches  über  den  Cantas  planas,. 
den  Mensaralgesang,  über  die  Accente  a.  den  Kontrapankt  enthalten  ist; 
es  erlebte  mehrere  Aaflagen. 

Ortiqae,  Joseph  Loais  d',  geb.  den  22.  Mai  1802  za  Cavailloft 
(Dep.  Vaaclase)  erlernte  schon  frühzeitig  Masik;  stadierte  dann  die 
Bechte  und  fangierte  als  Advokat  za  Paris  and  als  Bichter  beim  Tri- 
'banale  za  Aix  in  der  Provence.  Bald  ging  er  jedoch  wieder  nach  Paris ^ 
wo  er  eine  Anstellang  als  mns.  Fetdlletonist  bei  der  Zeitung  „L& 
Correspondent"  erhielt.  1839  kam  er  wieder  nach  Paris,  das  er  mit 
Lammenais  auf  einige  Zeit  verlassen  hatte,  schrieb  in  viele  Journale 
musik«  Artikel  und  erhielt  1839  die  Musiklehrerstelle  am  College 
Henri  IV.,  sowie  1841  die  Organistenstelle  an  der  Kirche  St.  Thomas«. 
Seitdem  war  er  bis  an  sein  Lebensende,  20.  November  1866,  in  Artikeln 
u.  Schriften  thätig  für  Hebung  der  katholischen  Kirchenmusik.  Von 
seinen  Schriften  sind  zu  nennen:  „La  musique  ä  TEglise"  (Paris 
1862);  „Sur  la  notation  proportionelle  du  moyen-äge"  (Paris  1847); 
„Dictionnaire  liturgique,  historique  et  th6oretique  de  plain-chant  et  de 
musique  d'6glise,  publik  par  M.  Tabb^  Migne''  1853;  „Trait6  th^orique 
et  pratique  de  Taccompagnement  du  plain-chant"  (Paris  1856)  mit 
Niedermeyer  gemeinschaftlich  u.  a.  m. 

Ortiz,  Diego,  ein  spanischer  Komponist  u.  Theoretiker,  in  der 
ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  zu  Toledo  geboren,  war  Kp.-M.  des  Vize* 
kOnigs  von  Neapel,  u.  hatte  diese  Stelle  noch  1565  inne.  Weiter  ist 
von  den  Lebensumständen  dieses  tüchtigen  Meisters  nichts  bekannt. 
Zu  Venedig  erschien  von  ihm  1565  eine  Sammlung  von  Hymnen, 
Psalmen,  Antiphonen,  Cantica  etc.  im  Druck,  u.  1553  zu  Born  das  Werk: 
^,Trattado  de  glosas  sobre  clausulos  y  otros  generös  de  puntos  en  la 
musica  de  violones  etc.** 

Ortlieb,  Eduard,  geb.  den  16.  Juli  1807  zu  Obemdorf  am  Neckar 
erhielt  am  28.  April  1834  die  Priesterweihe  u.  war  seit  dem  27.  Mai 
1840  Pfarrer  in  Drackenstein  (Diözese  Bottenburg).    Daselbst  ward 


Ortwein  —  Päcelli.  19» 

es  ihm  bei  einer  Pftmrgemeijide  von  blos  300  Seelen  möglich,  die 
Tonkmist,  zu  der  er  von  je  eine  grosse  Neigung  hatte,  recht  zu 
pflegen.  Anfänglich  waren  es  nur  Versuche  für  Elaiier  u.  Orgel,  die 
er  veröffentlichte;  bald  aber  wandte  er  sich  ganz  dem  kirchlichen 
Gebiete  u.  der  Hebung  der  damiederliegenden  kirchlichen  Musik  zu. 
Mit  Fröhlich  gründete  er  1842  den  Stuttgarter  Eirchen-Musikvereiu^ 
so  wie  bald  darauf  die  musikalische  Verlagshandlung  „Zum  Haydn'^ 
in  Stuttgart,  wo  viele  gute  Eirchenwerke  in  Druck  ausgegeben  wurden« 
Zu  gleichem  Zwecke  rief  er  das  „Organ  fttr  kirchliche  Tonkunst" 
in's  Leben,  welches  er  6  Jahre  lang  redigierte,  u.  wirkte  segensreich 
als  Vorstand  der  musikal.  Sektion  des  christl.  Kunstvereins  der  Diözese 
Bottenburg  bis  zu  seinem  Tode,  welchen  er  in  den  letzten  Tagen  des 
Jan.  1861  in  dem  sog.  obem  See  in  den  kgl.  Anlagen  zu  Stuttgart 
fand.  Von  seinen  Kompositionen  sind  bekannt:  „Festgesänge  für  den 
öffentlichen  Morgengottesdienst**  (op.  10),  eine  Messe  für  Gesang  mit 
Instrumentalbegleitung  <op.  7),  Messe  für  4  Männerstimmen  u.  Orgel 
(op.  2),  „Der  priesterliche  Altargesang,**  „Anweisung  zum  Präludieren,** 
„Vokalmesse  für  gemischte  Stimmen**  (op.  8),  „Über  Altargesang,** 
,,Alte  Kirchenlieder  für's  kathol.  Volk**  (op.  13),  „0  salutaris  hostia,** 
4  Fugen,  op.  14  (sämtlich  „Zum  Haydn**  in  Stuttgart  erschienen  u.  in 
den  Kirchenmusikverein  aufgenommen). 

Ortwein,  P.  Magnus,  geb.  3.  Nov.  1845  zu  Lautsch,  tarat  1869 
in  das  Benediktinerkloster  Marienberg  (Tyrol),  fungierte  seit  1876  als 
Ohordirektor  am  Gymnasium  zu  Meran  u.  ist  seit  mehreren  Jahren 
Bektor  an  demselben.  Von  seiner  hohen  Musikbildung  zeugen  besonders 
3  Lieferungen  östimmiger  Gradualien  (Begensbg.  1879,  1880,  1881)  u. 
das  bedeutende  Werk  „Über  Sprachgesang**  (1883). 


P. 


Face,  Vincenzo,  geb.  zu  Assisi  in  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jhdts.,  war  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Bieti.  Von  ihm  erschien: 
„Sacr.  concentus,  qui  singulis,  duabus,  tribus,  quatuor  vocibu^ 
concinnuntur,**  lib.  Bomae  1617.  (Einige  Stücke  mit  begleitendem 
Generalbasse.) 

Paeelli,  Asprilio,  geb.  1570  zu  Vasciano  (Diözese  Nami),  war 
znent  Kp.*M.  am  Collegium  german.  zu  Born,  1602  an  der  Basilika 
des  Vatikans;  ein  halbes  Jahr  später  ging  er  nach  Warschau  a]s 
Kp  -M.  des  Königs  Sigismund  IIL,  wo  er  am  4.  Mai  1623  starb.  — 
In  Frankfurt  erschienen  von  ihm   von  1604—1608  mehrere  Bücher 


900  Paisiello  —  Paleitrhia. 

„OantionM  flaoffae"'  für  5— SO  Stimineii,  4— 86timii.  Motetten»  Paalmoi 
«.  Madrigalen. 

Pal«fe1k>,  GioTanni,  geb.  den  9.  Mai  1741  sn  Tarent,  studierte 
anter  Dnrante  die  Tonsetskunst  in  Neapel.  1777  war  er  in  Diensten 
der  Kaiserin  Katharina  11.  von  Enssland  n.  8  Jahre  später  wnrde 
et  von  Ferdinand  TV.  von  Neapel  znm  Direktor  der  kgl.  KapeUe  er- 
nannt. 1802  yertangte  ihn  Napoleon  nach  Paris,  mn  ihm  seine  Kapefie 
einanrichten.  Nach  8  Jahren  kehrte  er  in  seine  vorige  Stellung  nach 
Neapel  snrflck  n.  starb  daselbst  am  5.  Jnni  1816.  Die  Zahl  seiner 
Opern  beträgt  nngefEhr  100;  anch  an  Kirchenmusiken,  was  Übrigens 
seine  starke  Seite  nicht  war,  zeigte  er  sich  sehr  fraehtbar,  man  nennt 
Ton  ihm  ungef&hr  30  Messen,  40  Motetten,  Te  Denm,  Beqniem, 
Miserere  u.  a. 

Paix,  Jakob,  einer  der  grössten  Orgelspieler  des  16.  Jhdts.,  geb. 
1556  zu  Augsburg,  war  lange  Zeit  Organist  zu  Lauingen,  wo  er  auch 
zu  Anfang  des  17.  Jhdts.  starb.  Man  hat  von  ihm:  „Ein  schön  nütz- 
u.  gebräuchlich  Orgel-Tabulatur-Buch,"  (Lauingen,  1583;  enthält  70 
ausgewählte  Gesänge  der  besten  Meister,  für  die  Orgel  arrangiert); 
„Selectae  artificiosae  et  elegantes  fngae  2,  3,  4  et  plurium  yoc.  etc.'* 
(Lauingen  1587);  „Missae  artificiosae  et  elegantes  fugae  etc.**  (Lau- 
ingen 1590)  u.  a. 

Paleatrina,  Giovanni  Pierluigi  oder  Giov.  Pietro 
Aloisio  da,  auch  II  Prenestino  oder  Praenestinns  genannt, 
der  berühmteste  Meister  der  röm.  Tonschule  u.  mit  Recht  von  seinen 
Zeitgenossen  durch  den  Beinamen  „Musicae  princeps"  („Fürst  der 
Tonkunst*')  ausgezeichnet,  war  geboren  im  Jahre  1526  im  Städtchen 
Palestrina  (dem  alten  Präneste),  woher  er  auch  seinen  Namen  führt. 
1540  kam  er  nach  Rom.  1551  erhielt  P.  seine  erste  Anstellung  an  der 
Hauptkirche  St.  Peter  als  Lehrer  der  Ohorknaben  mit  dem  Titel 
„Kapellmeister.**  3  Jahre  später  yeröffentlichte  er  sein  erstes  Buch 
Messen,  welches  deren  vier  a  4  yoc.  u.  eine  a  5  yoc.  enthält,  u.  worin 
er  bewies,  wie  sehr  er  die  Kunstmittel  seiner  Zeit  in  seiner  Gewalt 
hatte  u.  mit  welch  tiefem  Studium  er  in  die  Werke  seiner  Vorgänger 
eindrang.  Dies  Werk  scheint  Aufsehen  gemadit  zu  haben,  weil  er  es 
dem  Papste  Julius  III.  widmen  durfte,  welcher  ihm  dadurch  lohnte, 
dass  er  1555  Palestrina  unter  die  päpstl.  Kapellsänger  aufnahm,  and 
zwar  ohne  weitere  Prüfung  gegen  sein  erst  angefertigtes  motu  proprio, 
'  /\  worin  er  die  Aufnahme  eines  Kapellsängers  yon  einem  Konkurs  nad 
\i^  /  '*  Scratinium  abhängig  machte.  Julius  DI.  starb  jedoch  bald;  aber  auch 
.^  «ein  Nachfolger,  yorher  Kardinal  Marcello  Ceryino,  auf  to«en  Yerai^ 
V'  «^  lassung  wahrscheinlich  P«  die  als  „Missa  Papae  Mareelli**  so  berttbmft 
gewordene  Messe  komponiert  hat,  regierte  nnr  wenige  Wochen.  Destea 
strenger  Nachfolger,  Paul  IV.,  entliess  am  30.  Juli  1555  den  Meister» 


.0 


\ 


Palestrina.  201 

weil  er  yeifaeimtet  war,  was  den  Satzungen  nidit  entsi^eh,  nebst 
swei  andern,  ebenfalls  yerheirateten  Sängern  ans  dem  Verbände  der 
päpstlichen  Kapelle,  jedoch  ward  ihm  eine  entsprecbende  Pension.  Im 
Oktober  schon  erhielt  P.  die  Ep.-M.-Stelle  im  Lateran,  welches  Amt 
er  nach  Gjähriger  mhmyoüer  Thätigkeit  (in  diese  Zeit  fftUt  anoh  seine 
wmidervoUste  Eompoadtion,  die  „Improperia'O  mit  der  gleichen  Stelle 
an  der  Kirche  yon  S.  Maria  maggiore  yertanschte.  An  dieser  Kirohe 
yerblieb  er  10  Jahre.  1571  kehrte  er  nach  dem  Tode  Animnccia', 
welcher  seit  1555  sein  Nachfolger  in  St.  Peter  gewesen  war,  anf 
diesen  Posten  wieder  snrttck  n.  wirkte  als  Kp.-H.  an  der  Hanptkirche 
Ton  St.  Peter  bis  sn  seinem  Tode,  der  am  2.  Febr.  I5d4  erfolgte. 

1580  war  seine  Gemahlin  Lnoretia  gestorben,  yon  welcher  er  drm 
Kinder  hatte:  Angelo,  Bidolfo  n.  Jgino,  u.  er  heiratete  hierauf  eine 
reiche  Witwe,  wodnrdi  er  in  den  Stand  gesetzt  wnrde,  seine  Werke 
im  Drack  erscheinen  zu  lassen.  1556  erhielt  er  yon  P.  Gregor  XTTT. 
den  Auftrag,  eine  neue  yereinfachte  Ausgabe  des  Graduale  romanum 
zu  besorgen.  Er  entledigte  sich  dessen  mit  aller  Gewissenhaftigkeit 
n.  1587  lag  das  Werk  fast  dmckfertig  yor.  Es  wurde  yon  der 
S.'IL  O.  approbiert,  um  das  Jahr  1611  yon  Feiice  Anerio  und  Franc 
Snriano  im  Auftrage  des  Kardinalpräfekten  del  Monte  yoUends  fOr 
-den  Druck  fertig  gemacht  u.  auf  Befehl  des  Papstes  Paul  V.  in  der 
medizäischen  Druckerei  ia  den  zwei  bekannteh  Foliobftnden  1614  und 
1615  gedruckt 

Eine  umfassende  Biographie  P.'s  besitzen  wir  yon  J.  Baini: 
„Memorie  storico-critiche  della  yita  e  deir  opere  di  G.  Pierluigi  da 
Palestrina."  I.  U.  yol.  Boma  1824,  jedoch  finden  sich  darin  noch  yiele 
Unrichtigkeiten.  F.  S.  Kandier  übersetzte  dies  Werk  in's  Deutsche 
(Leipzig  1834)  n.  C.  y.  Winterfeld  bearbeitete  darnach  sein  schätz* 
bares  Buch:  „Joannes  Pierluigi  yon  Palestrina.  Seine  Werke  u.  seine 
Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Tonkunst.**  Breslau  1832.  Eine 
möglichst  kritisch  bearbeitete  Lebensgeschichte  wird  Dr.  F.  X.  Habeii 
liefern,  welcher  auch  die  Gesamtausgabe  der  Werke  P.'s  (mit  Ausnahme 
der  6  ersten  Bände)  redigierte.  Dieselbe  ist  im  Jahre  1894  yollendet 
worden,  umfasst  32  Partitnrbände  u.  ward  yom  Verieger  (Fsma 
Breitkopf  &  Härtel  in  Leipzig)  prächtig  ausgestattet. 

Bei  der  immensen  Prodnktionsfthigkeit  Palestrina's  müssen  wir 
besonders  bewundem,  dass  er  der  hohen  Aufgabe  der  kirchl.  Tonkunst 
nie  untreu  gewordm  ist.  In  seinen  ersten  Wexken  tritt  die  niederL 
Kunst,  deren  Zögling  er  ist,  noch  mehr  heryor;  er  hat  sie  zwar  in 
seinen  besten  Werken  nie  y^leugnet,  aber  wohl  deren  Styl  dnrek 
seiBen  Geist  yeredelt,  und  ihnen  das  Siegd  inniger  Frömmigkeit  auf*> 
gedrückt.  Jede  Härte  weiss  er  in  der  Strenge  zu  yermdden,  jede 
Bieibmtg  zwischen  den  manigfaltig  sich  durdihreuzeiiden  Stimmen;  nur 
Wohlklang  sollen  sie  eneugen,  wo  sie  einander  begegnen.    Eben  um 


202  Palestrina. 

jenes  Elangreiehen  seiner  Gesttnge  willen,  ihrer  Eettsehheit  n*  Heilige 
keit  wegen,  welche  jeden  Schmnck  abweiset,  hat  man  ihn  oft  als  den- 
jenigen Meister  bezeichnet,  dessen  Werke  am  reinsten  das  Gepräge 
des  Kirchlichen  tragen.  Überall,  für  die  glänzenden  lanten,  wie  für 
die  traurigen  stillen  Tage  der  Kirche,  in  einfach  populärem,  wie  im 
kunstvoll  reichen  Styl,  stellt  er  eine  mit  dem  Inhalte  der  Worte  tief 
Übereinstimmende  kirchliche  Musik  hin.  Man  vermag  nicht  Worte  zu 
finden,  um  diese  einzige  Verbindung  von  majestätischer  Strenge  und 
leichter  milder  Grazie,  von  ernster  Kraft  u.  zarter  Anmut,  von  Tiefe 
n.  wohlklingender  Klarheit,  von  glänzender  Erhabenheit  u.  stiller 
Einfalt  zu  beschreiben,  —  was  aber  eigentlich  die  Grösse  dieser 
Kompositionen  ausmacht  u.  der  Beschreibung  am  meisten  widersteht, 
das  ist  der  Adel  u.  die  ruhige  Frömmigkeit,  welche  über  diese  Werke 
ausgegossen  ist,  u.  die  man  anderwärts  in  gleichem  Grade  vergebens 
suchen  wird. 

Diese  seine  Vorzüge  als  kirchlicher  Meister  gründen  nicht  so 
fast  in  feinem  Genie  u.  grosser  Kunstfertigkeit,  deren  auch  andere 
sich  erfreuten,  vielmehr  noch  in  seinem  tief  innigen  zarten  Gemüte^ 
das  den  kirchlichen  Geist  ganz  in  sich  aufiiahm  u.  in  seinem  Leben 
durchführte;  an  der  Quelle  des  katholischen  Lebens  u.  in  den  kirch- 
lichsten Kreisen  sich  bewegend,  nicht  von  irdischen  Beizen  u.  welt- 
lichem Getriebe  wie  das  Leben  eines  Gabrieli  u.  Lasso  umspannt^ 
vermochte  sich  sein  Geist  stets  zu  einer  höheren  hl.  Schönheit  auf- 
zuschwingen u.  seine  Kunst  zur  einzigen  zu  machen.  „Wenn  man, 
sagt  Proske,  das  16.  Jhdt.  das  goldene  Zeitalter  der  Kirchenmusik 
genannt  u.  unter  allen  Kunstschulen  die  von  Palestrina  gegründete 
römische  Schule  aufs  Höchste  bewundert  hat,  so  findet  sich  doch 
im  Laufe  des  Jahrhunderts  unter  den  grössten  Erscheinungen  Italien» 
u.  des  übrigen  Europa's  keine,  deren  Genius  so  in  alle  Tiefen  der 
Kunst  u.  der  Mysterien  der  Kirche  eingeweiht  gewesen  wäre,  um  der 
Erhabenheit  unseres  Meisters  völlig  ebenbürtig  zur  Seite  zu  stehen. 
—  Man  hat  Palestrina  einen  Reformator  genannt.  Er  war  es,  jedoch 
im  konservativsten,  ächtkatholischen  Sinne,  d.  h.  ein  Reformator 
nach  Innen  brach  er  nirgends  mit  dem  Organismus  seiner  Kunst,  drang 
in  dessen  Tiefe  wie  keiner  seiner  Zeitgenossen,  veredelte  u.  verklärte 
ihn.  Neue  Bahnen  nach  Aussen  eröf&iete  er  nicht,  wohl  aber  neue 
ungeahnte  Zugänge  in's  innere  unermessliche  Labyrinth  der  Harmonie» 
Während  fast  alle  Mitgenossen,  selbst  die  von  der  römischen  Schule 
ausgegangenen  Künstler,  dem  Fortschritt  huldigten,  begnügte  sich  sein 
Genius  —  der  reichste  u.  fruchtbarste  vor  Allen  —  mit  dem  Hei%- 
tume  des  Herkommens,  und  war  auch  hierin  Vorbild  der  grössten 
Meister  späterer  Perioden,  denen  die  Verherrlichung  des  eigenen  Geistes 
mit  rücksichtsvoller  Hinnahme  überlieferter  Kunstformen  ganz  vereinbar 
blieb.    Dass  Palestrina  sein  lebenlanges,  nach  Weite 


PallaYioino  —  Parabosco.  203 

und  Tiefe  nnermessliches  Kunstschaffen  dem  reinen 
Eirchenstyl  gewidmet,  begründet  die  wahre  Grösse 
seines  Charakters/^  In  solcher  Beurteilung  Palestrina's  und 
seiner  Werke  stimmen  alle  Kunstverständigen  fiberein,  u.  wir  haben 
hier  auch  nur  ein  Besum6  solcher  Urteile  gegeben. 

Pallavlciiio,  Benedetto,  berühmter  Komponist,  geb.  in  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  zu  Oremona,  war  Kp.-M.  des  Herzogs  von 
Mantua.  Von  1591 — 1613  erschienen  von  ihm  zu  Venedig  mehrere 
Sammlungen  Madrigalen  und  Cantiones  sacrae. 

PanoiiBicer,  Leonhard,  geb.  1494  zu  Aschau  in  Oberösterreich, 
gest.  3.  Mai  1567  als  Schulrektor  zu  Passau,  war  einer  der  vorzüg- 
lichsten Kontrapunktisten  seiner  Zeit.  Sein  Werk:  jJBcclesiasticarum 
Cantionum  4,  5  et  plurium  vocum"  Tom.  L  Nürnberg  1572,  t.  II.  1573, 
t.  in.  1576,  et  tom.  IV.  1580,  ist  besonders  bedeutend  wegen  der  darin 
gegebenen  Falsobordoni. 

Pane,  Dominico  del,  ein  Qeistlicher,  geb.  zu  Bom  in  der 
ersten  Hälfte  des  17.  Jhdts.,  studierte  die  Komposition  unter  Abbatini, 
wurde  1654  päpstl.  Kapellsänger  (Sopranist).  In  den  sixtinischen 
Archiven  werden  viele  Kirchenkompositionen  von  ihm  aufbewahrt;  in 
Bom  erschien  1687  eine  Sammlung  von  4— Sstimm.  Messen  über  Themen 
aus  Palestrina's  Motetten. 

Pany,  Joseph,  geb.  den  23.  Oktbr.  1794  zu  Kohlmitzberg  in 
Österreich.  Frühzeitig  von  seinem  Vater  in  der  Musik  unterrichtet, 
versuchte  er  sich  bald  in  verschiedenen  Kompositionen.  Zum  Lehrfach 
bestimmt,  gab  er  diesen  Berof  1815  wieder  auf  u.  widmete  sich  ganz 
der  Tonkunst,  welche  er  in  Wien  unter  Eybler  studierte.  Nach  meh- 
reren Kunstreisen  Hess  er  sich  in  Mainz  nieder,  wo  er  am  7.  Septbr. 
1838  starb.  Unter  seinen  Kompositionen  finden  sich  auch  einige 
Kirchenmusikstücke  (3  Messen,  ein  Bequiem,  Gradualien). 

Paolaoei,  Giuseppe,  geb.  zu  Siena  1727,  trat  zu  Bologna  in 
den  Minoritenorden  und  machte  daselbst  seine  Musikstudien  bei  P. 
Martini.  Darauf  wurde  er  Kp.-M.  seines  Ordens  zu  Venedig,  Sinigaglia 
u.  Assisif  wo  er  1777  starb.  Von  seinen  vielen  Kirchenkompositionen 
sind  nur  „Preces  piae*'  für  8  St.  gedruckt;  vortrefflich  ist  sein  theor. 
Werk:  „Arte  prattica  di  contrapunto  dimostrata  con  esempi  di  vari 
autori,  e  con  osservazioni'*  (Venedig,  1765—1772,  3  Bände),  worin  er 
Stücke  der  Meister  des  17.  u.  18.  Jhdts.  bis  in's  kleinste  Detail  mit 
grosser  Gelehrsamkeit  analysiert 

Paraboseo,  Girolamo,  geb.  zu  Piacenza  um  1510,  hatte  als 
Dichter  und  Musiker,  speziell  als  Orgelspieler,  in  Italien  einen  guten 
Namen.  1551  wurde  er  Organist  an  der  St.  Markuskirche  in  Venedig, 
0.  starb  als  solcher  1557.    (Motetten,  Madrigale.) 


d04  Paradeiser  — -  Paneoh. 

Paradeiser,  Mari  an,  geh.  am  11.  Okt.  1747  za  Biedentihal  bei 
Molk,  in  welches  Kloster  er  auch  eintrat.  Robert  Eimmerling  lebrte 
ihn  die  Komposition.  Er  starb  schon  am  16.  Nov.  1775  n.  hinterliesa 
n.  a.  auch  gut  gearbeitete  Kirchenstacke. 

Paaqiiini,  Bernardo,  berflhmter  Orgelsideler,  geb.  8.  Dez.  1637 
zu  Massa  di  Valnevola  (Toskana),  Schüler  Ton  Cesti,  war  lange  Organist 
der  Basüika  S.  Maria  maggiore  in  Born  n.  später  zugleich  Kammer^ 
musiker  des  Prinzen  Borghese.  Er  starb  22.  Nov.  1710,  ausgezeichnet 
mit  dem  Titel  „Organoedos  Senatus  populique  Bomani.*'  Er  schrieb 
mehrere  Opern  u.  von  ihm  wurden  1704  einige  Stöcke  in  einer  Samm- 
lung von  Toccaten  u.  Suiten  zu  Amsterdam  gedrudct.  OrgelstOcke  u. 
ein  Traktat  über  Kontrapunkt  blieben  Mskr. 

Passarlni  oder  Passerini,  Francesco,  geb.  zu  Bologna, 
Pranziskanermönch,  wurde  1657  an  der  Kirche  seines  Ordens  Kp.-M.; 
1674  kam  er  als  solcher  nach  Yiterbo,  6  Jahre  später  ward  er  wieder 
nach  Bologna  zurückgerufen,  wo  er  1698  starb.  (Kirchenstücke  ver- 
schiedener Art) 

Pasterwits,  Georg  von,  geh  den  7.  Juni  1730  zu  Bierhütten 
bei  Passau,  bekam  seine  Erziehung  im  Kloster  Niederalteich,  setzte 
dann  in  Kremsmünster  seine  wissenschaftlichen  und  musikalischen 
Studien  fort  u.  trat  in  dieses  Kloster  1751  selbst  ein.  In  Salzburg 
studierte  er  Theologie  u.  bildete  sich  unter  dem  Domkp.-M.  Eberlin 
zu  einem  tüchtigen  Kontrapunktisten  aus.  Nachdem  er  einige  Jahre 
Professor  u.  von  1767  bis  82  auch  Chordirektor  gewesen,  wurde  er 
1785  als  Klosteradministrator  nach  Wien  versetzt,  wo  er  zehn  Jahre 
lang  in  freundschaftlichem  Verkehre  mit  Mozart,  Albrechtsberger  n.  a. 
stand.  Er  schrieb  vieles  für  die  Kirche  u.  starb  in  seinem  Kloster 
am  26.  Jan.  1803. 

Paamanii,  Conrad,  aus  edlem  Geschlechte  stammend,  geb.  zu 
Nürnberg  in  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jhdts.,  hatte  sich,  von  Geburt 
aus  blind,  schon  in  seiner  Jugend  eine  grosse  (Geschicklichkeit  im 
Spiele  der  Orgel,  Laute  n.  anderer  Instrumente  erworben.  Er  stand 
in  hohem  Ruhme  durch  sein  Spiel  u.  wird  als  Erfinder  der  deutschea 
Lautentabulatur  genannt  Er  starb  zu  München  den  25.  Jan.  1473  o. 
liegt  in  der  Frauenkirche  daselbst  begraben.  Neuestens  hat  man  von 
ihm  ein  dreistimmiges  Lied  u.  eine  Beihe  von  Orgelstttcken  od.  vielmehr 
Orgelstadien  au^efonden  (Münchner  Staatsbibl.) 

Pavach,  Eugen,  geb.  den  22.  März  1758  (sein  (Grabstein  führt 
unrichtig  den  19.  Mai  an)  zu  Neumarkt  in  der  Oberpfalz,  wo  sein  Vatear 
Magistratsdiener  war,  machte  seine  wissenschaftlichen  Stadien  zu 
Neaburg,  Eichstadt,  Amberg  und  an  der  Universität  Ingolstadt,  und 
widmete  nebenbei  grossen  Fleiss  der  Musik.  1777  trat  er  in  das 
Cisterzienserkloster  Walderbach,  wo  er  seine  musikalischen  Kenatnisaa 


PaTona  —  Pegado.  20& 

XL  Fertigkeiten  noch  mehr  anshilden  konnte.  Bald  wurde  er  CSiordirektor 
seines  Klosters  a<  hetrieh  den  musikalischen  Unterricht  der  Zöglinge^ 
des  Elosterseminars  mit  Eifer  u.  hestem  Erfolge.  Anch  in  der  Kom- 
position entwickelte  er  grosse  Thfttigkeit^  von  seinen  vielen  Kirchen- 
werken, die  seiner  Zeit  sehr  geschätzt  waren ,  erchienen  mehrere  im 
Druck.  Nach  Aufhehong  der  hayr.  Klöster  wurde  er  Direktor  des- 
Studienseminars  in  Amberg,  ging  jedoch  nach  einem  Jahre  in  seine: 
Vaterstadt  zurOck,  wo  er  am  22.  Febr.  1838  an  einer  Lungenlähmnng 
verschied.    Sein  Grabstein  nennt  ihn  Professor  u.  Jubelpriester. 

Pavona,  Petro  Alessandro,  blühte  wahrscheinlich  um  1770 
SU  Bologna  u.  war  ein  trefflicher  Kontrapunktist  u.  Freund  des. 
kanonischen  Satzes,  worin  er  zwischen  der  älteren  Strenge  und  dem 
späteren  flreien  Style  eine  glfickliche  Mitte  hält.  Sein  Satz  ist  klar, 
harmonisch,  verständlich,  fliessend»  Mehr  ist  von  ihm  nicht  bekannt; 
die  genannte  Jahrzahl  ist  seinen  zu  Bologna  1770  gedruckten  vier 
kleineren  4stimm.  Messen  entnommen.  Ein  Exemplar  davon  bewahrt, 
die  Hauber'sche  (nun  Proske^sche)  Bibliothek. 

Peargall,  Eobert  Lucas  of  Willsbridge,  geb. zu  Cliston 
in  der  Grafschaft  Glocester  am  14.  März  17Ö5,  aus  einer  altenglischen 
Familie,  zeigte  schon  frühzeitig  ein  hervorragendes  Talent  für  Ton- 
kunst, welches  er  durch  ernstes  Studium  der  Harmonie  u.  des  Kontra- 
punktes, namentlich  durch  Eingehen  auf  die  Werke  der  alten  Meister, 
ausbildete.  Wie  er,  Anglikaner,  durch  seine  juridischen  Kenntnisse 
immer  das  Becht  der  Katholiken  vertheidigte  und  durch  mehrere 
Schriften  zur  endlichen  Emanzipation  der  Katholiken  in  England  bei- 
getragen, so  lenkte  sich  sein  Kunstsinn  auch  auf  die  katholische 
Kirchenmusik  und  suchte  ihre  Beinherstellung  nach  Kräften  zu  be- 
fördern. Seit  1828  lebte  er  in  Mainz,  seit  1845  aber  auf  dem  alten 
Stammschlosse  der  Blarer  von  Wartensee,  das  er  angekauft  und  um- 
gebaut hatte,  immer  der  Dichtkunst,  der  Wissenschaft  u.  hL  Tonkunst 
dienend.  Seine  Innerlichkeit,  zarte  Frömmigkeit  und  sein  hoch- 
schwebender Sinn  drängten  ihn,  in  den  Schoos  der  katholischen  Kirche* 
zurückzukehren,  welchen  Schritt  er  am  2.  August  1856  unternahm«. 
Doch  schon  3  Tage  später,  am  5.  August  1856,  entriss  ihn  der  Tod 
dem  irdischen  Leben.  —  Nebst  einigen  Kirchenstücken  („Salve  Begina")' 
u.  anderen  kleinen  Tonstücken  gab  er  auch  eine  Abhandlung  über  den 
Kontrapunkt  u.  eine  über  das  Madrigal  heraus.  Er  bearbeitete  auch 
die  Harmonisierung  des  Diözesangesangbuches  von  St.  Gkkllen,  welches- 
za  vollenden  ihn  der  Tod  hinderte  (s.  G.  Greith). 

Pegado,  Beato  Nunez,  um  1600Kp.-M.  suEvora  in  Portugal», 
und  einer  der  besten  Schüler  des  Pinheiro,  wird  von  den  Portugisen 
KU  ihren  klassischen  Komponisten  gezählt.  Mehrst  Motetten  von  ihUL 
bewahrt  die  Lissaboner  Bibliothek. 


206  Fellegrini  —  PeregrinoB. 

Pellegrini,  Vincenzo,  geb;  zu  Pesaro  in  der  2.  E^fte  des  16, 
Jhdts.,  war  um  1620  Domkapellmeister  zu  Hailaud;  er  starb  1636. 
(Messen,  Motetten.) 

Penna,  L  o  r  e  n  z  o ,  geb.  zu  Bologna  1613,  Earmelitermönch  und 
£p.-M,  seiner  Klosterkirche  zu  Parma,  gest.  zu  Jmola  2^).  Okt.  1693, 
hatte  seiner  Zeit  einen  Buf  als  Komponist  u.  musikal.  Schriftsteller. 
Messen  u.  Psalmen  von  ihm  wurden  1640  -1690  gedruckt;  1656  er- 
schien zu  Venedig  eine  Kompositionslehre  „Li  primi  albori  musicali 
per  li  principianti  della  musica  figurata**  u.  zu  Modena  1689  „Direttorio 
del  canto  fermo.** 

Fentenrieder,  Xaver,  geb.  den  6.  Febr.  1813  zu  Kaufbeuem, 
bildete  sich  musikalisch  vorzüglich  unter  Stunz  zu  München  aus;  1833 
wurde  er  als  Hoforganist  u.  1844  als  Chordirektor  an  der  Ludwigs- 
pfarrkirche daselbst  angestellt.  £r  geniesst  auch  den  Kuf  als  tüchtiger 
^esanglehrer.  Neben  einigen  weltlichen  Kompositionen  (6  Konzert- 
Ouvertüren,  2  Opern  u.  dgl.)  schrieb  er  auch  Vieles  für  die  Kirche: 
mehrere  Messen,  >.Cantica  sacra,  ein  8st.  Te  Deum,  ffinf  4st.  Hymnen 
u.  a.  In  allen  seinen  Kompositionen  zeigt  sich,  neben  schöner  musi- 
kalischer Erfindung,  eine  tüchtige  Kenntnis  des  reinen  Satzes  u..der 
menschlichen  Stimme.  Etliche  Jahre  vor  seinem  Tode  wurde  er  von 
einer  Carosse  überfahren,  von  welcher  Zeit  an  seine  Geistes-  und 
Körperkräfte  erlahmten.  Er  starb  im  Irrenhause  bei  München  den 
17.  Juü  1867. 

Perandi,  Marco  Giuseppe,  geb.  zu  Born,  trat  1640  in  die 
Dienste  des  Kurfürsten  von  Sachsen,  neben  Heinr.  Schütz,  Albrici, 
Bontempi  u.  Bernhard  als  Kp.-M.  füngierend.  Gestorben  ist  er  1670 
u.  man  kennt  von  ihm  eine  llst.  Messe  nebst  einer  7st.  Motette. 

Perego,  C  a  m  i  1 1  o ,  geb.  zu  Mailand  in  der  ersten  Hälfte  des 
16.  Jhdts.,  war  Priester  u.  stand  sowohl  als  Dichter  wie  als  Musiker  in 
hoher  Achtung.  35  Jahre  lang  war  er  Lehrer  der  Chorknaben  am  Dom 
zu  Mailand.  Er  starb  um  1574.  Zu  Venedig  erschienen  1555  Madri- 
galen von  ihm  u.  nach  seinem  Tode  kam  sein  berühmtes  Werk: 
,Jia  Begola  del  canto  fermo  ambrosiano'*  (Mailand  1622)  heraus. 

Peregrinns  (Pseudonym  ftir  den  wahren  Namen  Hupfauf) 
Johann,  geb.  1856  zu  Schwaz  in  Tyrol,  gest.  15.  Okt  1889  zu  Salz- 
burg, kam,letwa  20  Jahre  alt,  als  Bassist  an  den  Domchor  in  Salzburg, 
wo  er  unter  der  Leitung  Santner's  sich  zum  Kompositeur  heranbildete. 
Als  der  I.  Domkp.-M.  Otto  Bach  1881  nach  Wien  übersiedelte  u.  der 
n.  Kapellmeister,  Jellinek,  starb,  leitete  Hupfanf  allein  einige  Jahre 
provisorisch  den  Domchor,  bis  er  1886  definitiv  als  Domchordirektor 
Angestellt  1  wurde.  Nach  drei  Jahren  schon  hatte  der 'Chor  selnrai 
Verlust  durch^den  Tod  zu  betrauern.  Er  besass  ein  ausgezeichnetes 
Musiktalent,  wovon  seine  Kompositionen  (Litaneien,  Motetten,  Messen 


Pereira  —  PertL  207 

n.  a.)  ZengmB  geben.*  Er  schrieb  anch  eine  „Geschiebte  des  Salzbnrger 
Xapellhanses.'' 

Pereira,  Marco  Salvador,  geb.  zn  Villa-Vicosa  zu  Ende  des 

16.  Jhdts.,  £p.-M.  des  Königs  von  Portugal,  gest.  zu  Lissabon  1655, 
hat  mannigfaltige  geschätzte  Kirchenkompositionen  hinterlassen. 

Fereyra,  Tomaso,  portugiesischer  Jesuit  u.  Missionär,  geb. 
1645  zu  San  Martinso  do  Valle,  gest.  1692  in  Peking,  kam  1680  nach 
China,  wo  er  am  kaiserlichen  Hofe  grosses  Ansehen  genoss.  Er  war 
auch  ein  guter  Musiker,  komponierte  mancherlei  u.  hinterliess  einen 
Traktat:  „Musica  practica  et  speculativa"  (4  Teile). 

Pergolese,  Giov.  Battista,  geb.  den  4.  Jan.  1710  zu  Neapel, 
studierte  zuerst  unter  Ga^tano  Greco,  dann  unter  Durante  u.  Feo  die 
Musik.  1731  fährte  er  sein  erstes  grösseres  Werk,  das  Oratorium 
„S.  Guglielmo  d'Aquitania**  mit  grossem  Beifall  auf;  dann  folgten 
mehrere  Opern,  eine  lOstimm.  Messe  u.  Vesper  für  zwei  Orchester* 
1735  kam  er  nach  Bom,  wo  er  aber  nicht  viel  Bühnenglück  hatte. 
Verdriesslich  kehrte  er  nach  Neapel  zurück  u.  besserte  seinen  Buf 
durch  sein  „Dixif*  u.  „Laudate*'  wieder  heraus;  wegen  steigender 
Kränklichkeit  begab  er  sich  nach  Puzzuoli  bei  Neapel,  wo  er  die 
Kantate  „Orfeo/*  ein  „Salve  Begina^*  u.  für  das  Minoritenkloster  San 
Luigi  sein  berühmtes  „Stabat  Mater**  komponierte.  Am  17.  April  1736 
starb  er  schon,  aber  nach  seinem  Tode  ward  er  erst  auf  allen  Bühnen 
u.  in  allen  Kirchen  Italiens  gefeiert.  In  seinen  Werken  tritt  mehr  die 
Weichheit  u.  Zartheit,  als  Ernst,  Erhabenheit  u.  Feierlichkeit  hervor, 
was  besonders  von  seinem  „Stabat  Mater"  gilt,  von  dem  Brendel  sagt: 
„Eine  überaus  herrliche,  hinreissende  Weichheit  u.  Zartheit  ist  darüber 
ausgegossen;  ebenso  sehr  aber  mangelt  Tiefe  u.  Energie;  ...  er  ver- 
dient kaum  die  Auszeichnung,  welche  ihm  zu  teil  geworden.** 

Perkhofer,  Christoph,  ein  Tonsetzer  aus  dem  Anfange  des 

17.  Jhdts.,  war  um  161^  Ghordirektor  an  der  Frauenkirche  in  München« 
Von  ihm  existieren  2  Foliobände  (prächtig  von  seiner  Hand  geschrieben 
u.  mit  den  Jahrzahlen  1605  u.  1612  versehen),  in  welche  er  teils 
eigene  Kompositionen,  teils  fremde  Arbeiten,  z.  B.  eine  Messe  „super 
Laudate  Dominum**  von  Bogerius  u.  mehrere  Magnificate  (11.  Band) 
zu  4—6  Stimmen  von  Beinerius,  Jac.  Florius,  G.  Martinus,  Ferd.  und 
Budolph  Lassus  u.  a.  zusammengetragen  hatte« 

Perotlnne,  Magister,  Kp.-M.  an  der  Notre  Dame-Kirche  in  Paris, 
war  einer  der  bedeutendsten  Komponisten  des  12.  Jhdts.;  ein  Anonymus 
IV.  in  Coussemaker's  Scriptores,  Bd.  I.  nennt  ihn  „den  Grossen.** 

PertI,  Giacomo  Antonio,  geb.  den  6.  Juni  1661  zu  Bologna, 
begann  schon  im  18.  Lebensjahre  mit  seinen  Kompositionen  öffentlich 
hervorzutreten  u.  zwar  mit  solchem  Erfolge,  dass  er  1681  als  Mitglied 
der  Akademie  filarmonica  aufgenommen  wurde.  1683  verliess  er  seine 
Vaterstadt  u.  folgte  einem  Bufe  nach  Venedig;  bald  darauf  trat  er  in 


908  Pesoetti  —  Philipp  von  Caserta. 

die  Dienste  des  Orossherzogs  von  Toscaaa  n.  1697  lUMsh  Wien;  Kaiser 
Leopold  ernannte  ihn  zum  Hofrat.  Gegen  sein  70-  Lebeosjalir  kehrte 
lar  nach  Bologna  enrttck,  wnrde  Ep.-M.  an  der  Kirehe  S.  Petronio 
daselbst  o.  starb  am  10.  April  1756,  95  Jahre  alt.  Neben  17  Opem 
u.  Oratorien  merkt  F^tis  von  seinen  Eirchenwerken  an:  I  Dndt  zu 
4  Singsdmmen  mit  Instr^  1  Beatos  Tir,  1  Adoramns,  1  Cfedo,  jedes 
für  4  Singst.,  2  Credo  für  5  Singst.,  1  Dies  ixae  für  3  yoc.,  1  Laudernns 
Deom  nostnsn  für  5  Singst^  dann  sein  erstes  gedracktes  Werk  mit 
tiem  Titel:  nOantate  morali  e  spirituali  a  nna  e  dae  Tod,  con  vu^ini 
e  senza,  Bologna  1688." 

Pescetti,  GioT.  Battista,  geb.  nm  1704  zn  Venedig,  war  ein 
Sdittler  Lotti's;  nachdem  er  einige  Zeit  in  London  zugebracht  n.  auch 
^rt  einige  Opem  u.  ein  Oratorium  komponiert  hatte,  kehrte  er  1762 
wieder  nach  Venedig  znrück,  wo  er  als  zweiter  Organist  an  S.  Markus 
1766  starb*  Seine  Eirchenwerke  sdlea  noch  schätzbarer  als  seine 
Opem  sein. 

Pesenti,  Martine,  mn  1610  zu  Venedig  blind  geboren,  imd 
gestorben  16i60,  gab  zu.  Venedig  Messen,  Motetten  n.  a.  in  Drack. 

Petit,  Adrian,  beigenannt  Co clicns,  um  1500  im  Hennegan 
geboren,  kam  sehr  jung  nach  Frankreich  n.  studierte  die  Musik  unter 
Josqnin  de  Prds.  Er  machte  Eeisen  durch  Italien  und  scheint  in 
seinem  Vaterlande  gestorben  zu  sein.  Li  yerschiedenen  Sammlungen 
finden  sich  Motetten  seiner  Komposition;  auch  existiert  von  ihm  ein 
Traktat:  „Compendium  musices  ...  de  modo  omate  canendi,  de  regula 
contrapuncti,  de  compositione.**    (Nürnberg  1552). 

Petz,  Joh.  Christoph,  geb.  zu  München  in  der  zweiten  Hälfte 
des  17.  Jhdts.,  war  zuerst  daselbst  als  Hofmusikus  angestellt,  ging 
dann  nach  Bonn  als  Kp.-M.  des  Kurfürsten  von  Köln  u.  wurde  endlich 
nach  Stuttgart  berufen,  wo  er  1716  starb.  (Messen,  Motetten,  Psalmen, 
Sonaten.) 

Pevemage,  Andreas,  geb.  zu  Courtray  1543,  erst  Musikdirektor 
an  der  Kollegiatkirche  daselbst,  trat  später  als  Musiker  an  die 
Kathedrale  zu  Antwerpen  über,  wo  er  am  30.  Juli  1591  starb.  Von 
seinen  zahlreichen  u.  ihrer  Zeit  geschätzten  Kompositionen  sind  von 
1574 — 1604  geistliche  und  weltliche  Gesänge,  Messen  und  Vespern 
im  Drack  erschienen. 

Pfleger,  Angustin,  um  die  Mitte  des  17.  Jhdts.  kurfürstlich 
sächsischer  Kp.-M.,  dann  1665  Hofkp.-M.  des  Herzogs  von  Holstein- 
Gottorp,  zuletzt  solcher  in  Schlackenwert  in  Böhmen,  starb  nm  1686. 
Seine  Kirohenkompositionen  waren  ihrer  Zeit  berühmt. 

PhiUpp  Ton  Gaserta,  ein  Mensuralschriftsteller  des  15.  Jhdts , 
von  dem  auf  der  Bibliothek  von  Ferrara  ein  Traktat:  „De  diTersis 
flgiffis  notanun"  sich  befindet«    (Gonssemaker,  Script.  IIL) 


Philippe  de  Mons  —  Fiel.  209 

Philippe  de  Mons,  PhilippuB  de  Monte,  ein  berOhmter 
niederländischer  Tonsetzer  ans  Mechehi  (od.  yon  Mons  im  Hennegan), 
geb.  1521,  war  yon  1572  an  Eanonikns  nnd  Thesanrarins  an  der 
MetropoGtankirche  zn  Cambrai;  1594  finden  wir  ihn  als  Ghordirektor 
der  kaiserl.  Kapelle  zn  Prag,  in  welche  er  schon  znr  Zeit  Maximilians  IL 
eingetreten  war ;  er  entsagte  1603  diesen  Stellen.  Viele  Messen,  Motetten, 
Madrigalen  n.  a.  yon  ihm  erschienen  im  Dmck,  n.  er  nahm  eine  sehr 
liohe  Stelle  als  Tonsetzer  ein.    f  4  Jnli  1603  m  Wien. 

Philippe  de  Vitry,  Philippus  de  Vitriaco,  geb.  in  der 
kleinen  Stadt  Vitry  (im  Depart  Pas  de  Calais)  lebte  zu  Anfang  des 
14.  Jhdts.;  yon  ihm  befindet  sich  anf  der  Pariser  Bibliothek  ein  höchst 
schätzenswerter  Traktat:  „Ars  compositionis  de  motettis,**  welcher 
wahrscheinlich  mit  dem  anf  der  yatikan.  Bibliothek  befindlichen:  „Ars 
contrapnncti  secnndmn  Philippmn  de  Vitriaco**  identisch  ist  (Cousse- 
maker  Script,  ni.) 

Pliinot,  Dominique,  ein  französischer  Eontrapnnktist  des 
16.  Jhdts.  n.  wahrscheinlich  in  Lyop  geboren.  Man  weiss  yon  seinem 
Leben  nichts;  yon  seinen  Werken  sind  Motetten,  Psalmen  u.  Chansons 
zn  Venedig  im  Druck  erschienen. 

PiaziSy  Le andre,  geb.  zu  Segni  in  der  ersten  Hälfte  des 
18-  Jhdts.,  wnrde  1775  unter  die  päpstlichen  KapeUsänger  aufgenommen 
u.  hat  yiele  geschätzte  Kirchensachen  hinterlassen,  yon  denen  aber 
nichts  gedruckt  ist. 

Piccioli,  Giacomo  Antonio,  ein  Geistlicher  u.  bedeutender 
Kontrapunktist  gegen  Ende  des  16.  Jhdts.,  war  geb.  zu  Corbario  im 
Venetianischen  und  ein  Schiller  des  Costanzo  Porta.  Viele  Kirchen- 
stücke yon  ihm  sind  gedruckt,  auch  finden  sich  solche  in  Sammlungen. 
Picerlif  Sayerio,  Dr.  TheoL  u.  Minoritenmönch  in  Neapel, 
geb.  in  den  letzten  Jahren  des  16.  Jhdts.  zu  Bieti,  hinterliess  drei 
musikalische  Traktate  (Neapel  1630  u.  31). 

Piel,  Peter,  geb.  12.  August  1835  zu  Kessenich  (Kreis  Bonn), 
seit  1838  in  KOln,  trat  mit  14  Jahren  in  den  dortigen  Präparandenkurs 
ein,  um  sich  auf  das  Lehrfach  yorzubereiten,  1854  in  das  Schullehrer» 
teminar  zu  Kempen,  wo  er  in  der  Musik  den  Unterricht  des  trefilicben 
Seminarlehrers  A.  Jepkens  genoss,  mit  welchem  er  bis  zu  dessen  Tode 
1878  in  innigster  Freundschaft  lebte.  1856  aus  dem  Seminar  getreten, 
ward  er  sogleich  als  Hil&lehrer  in  demselben  angestellt,  bis  er  1868 
an  das  neu  gegründete  kathoL  Lehrerseminar  zu  Boppard  berufen 
wurde,  woselbst  er  seit  1878  als  erster  Seminarlehrer  u.  seit  1887  als 
kgl.  Musikdirektor  thätig  ist.  Seine  Kirchenkompositionen  sind  samt« 
lieh  in  den  Cäcil.-Verein8katalog  aufgenommen  u.  gehören  zu  den 
besten,  liturgisch,  künstlerisch  u.  praktisch  wertyollsten  der  Gegen- 
wart; sie  bestehen  in  17  Messen  (Missa  „Veni  S.  Spiritus"  für  3  gleiche 
Stimmen  (op.  5),   Missa  „Benedidte"  für  Männerstimmen  (op.  7); 

KofBBflU«r^  LoclkoD.    n.  Bd.  14 


210  Piiton  --  Fitoni. 

„Leiohte  Messe"  £Qr  istiinm.  gemisekten  Chor  (op.  4),  Huisa  „Adoro  te,'< 
„in  hon.  Ss,  App.  Petri  et  Pauli,"  „Regina  aagelornm,"  ,4n  haau  B. 
y.  M.  Consolatricis"  fttr  4-  o.  östimm.  granischten  Chor;  Missa  in  hoiu 
8.  Joann.  Bapt.  u.  in  h.  S.  Olementis  (op.  19  n.  57)  für  IOinnar<^or; 
n.  8.  w.);  in  Litaneien  (op.  13  u.  op.  54);  Te  Denm,  op.  17;  maiiaa. 
Antiphonen  fOr  4^88tinua(i.  Mftnnerchor  (op.  3);  Magnificat  in  den  aoht 
Eirchentonarten  für  4  Männerstimmen  (op.  8);  13  latein.  Kw-Qesänge 
für  4stimm.  gemischte  Chor  (op.  23);  Vier  Gesänge  über  litnrg.  Texte 
für  zwei  kombinierte  Sstimm.  Männer-  od.  Franenchöre  (op.  60);  ein 
Yorspielbnch  für  die  Orgel  (op.  6);  90  K.-Gesänge  mit  Orgelbegldtang 
u.  Vor-  n.  Nachspielen  (op.  40);  viele  Motetten  in  kirchenmiis.  Zeit- 
schriften n.  Samminngen  n.  s.  w.;  ausserdem  mehrere  Qefte  Sonaten 
u.  Märsche  für  Violin  a.  Pianoforte.  1889  gab  er  eine  y<Hrtrefflidi6 
„Harmonielehre*'  heraas  (Düsseldorf,  L.  Schwann,  2.  Anfl.  1890). 

Pi^ton,  Loyset,  firanzös.  Eontrapimktist,  geb.  zn  Ende  des 
15.  Jhdts.  zn  Bemay  in  der  Normandie.  Kompositionen  yon  ihm 
(Motetten,  Psalmen,  Chansons)  finden  sieh  in  mehreren  Samndniigeii, 
auch  im  Archiv  der  päpstl  Kapelle. 

Pietragraa,  G  a  s  p  a  r  o ,  geb.  zu  Mailand  zu  Ende  des  16.  Jhdts., 
war  zuerst  Organist  zu  Monza,  später  wurde  er  Prior  eines  Klosters 
in  Canobbio.    (Messen,  Psalmen,  Kirchenkonzerte  etc.) 

PineUna  de  Gerardis,  Giov.  Battista,  geb.  zu  Genua  um 
1543,  war  von  1581  an  kurze  Zeit  kurfürstlich  sächsischer  Kp.-M.  in 
Dresden,  dann  1584  Mitglied  der  kais.  Hof  kapelle  in  Prag,  wo  er 
15.  Juni  1587  starb.    (Messen,  Madrigalen  etc.) 

Pinbeiro,  J  o  a  o ,  geb.  zu  Thomar  in  der  Provinz  Estremadura, 
portugiesischer  Geistlicher  u.  Komponist,  gest.  in  der  ersten  Hälfte 
des  17.  Jhdts.,  war  sehr  hochgeschätzt  als  Tonsetzer;  mehrere  seiner 
Kirchenkompositionen  bewahrt  die  Lissaboner  Bibliothek. 

Pipelare,  Mathias  (nach  Oinithoparchus«  nicht  Matthaeu8)i 
belgischer  Kontrapunktist  des  15.— 16.  Jhdts.  I^  des  Andreas  de 
Anti^uis  „Missae  XV."  (1516)  steht  eine  Messe  von  ihm,  eine  andere 
„Forseulemenf '  befindet  sich  auf  der  Münchner  Bibliothek;  auch  in 
Sammlungen  kommen  ein  Paar  Stücke  von  ihm  vor.  Das  Archiv  der 
päpstl.  Kapelle  bewahrt  zwei  Messen  „Fors  seulement"  u.  „L*homme 
arm6." 

Pisarl,  Pas  quäle,  zu  Bom  um  1725  geb.,  studierte  unter  Biordi 
päpstlichem  Kapellsänger,  Musik  u.  lebte  sich  so  sehr  in  den  Gheiat 
Palestrina's  hinein,  dass  ihn  P.  Martini  den  Palestrina  des  18.  Jhdta. 
nannte.    Er  starb  in  ärmlichsten  Verhältnissen  im  Jahre  1778. 

Pitoni,  Giuseppe  Ottavio,  geb.  zu  Bietti  am  18.  März  1657, 
kam  als  Sängerknabe  nach  Bom  u.  hatte  später  Francesco  Foggia 
zum  Lehrer  der  Tonsetzkunst.  Schon  in  seinem  16.  Jahre  vermochte 
er  eine  Kapellmeisterstelle  in  Bom,  u.  ein  Jahr  später  dne  sokhd  m 


Plaohy  —  Fokoc&y.  211 

Aflsissi  zn  übemehmen.  Palestrina's  Werke  spartierte  er  fleissig, 
etadierte  sie  lasties,  empfahl  ein  Gleiches  seinen  Sch^m  o.  hielt  tureh 
«ein  ganzes  Leh^  diese  Bichtnng  fest  Bald  nach  Born  znrüekgekdirt 
wirkte  er  an  vielen  der  angesehensten  Kirchen  als  Ep.-M*,  bis  er 
endlich  1719  die  oberste  Leitung  des  Mosikehois  in  der  St.  Petenh 
kirche  übemahm.  Hier  blieb  er  bis  an  sein  Ende,  1.  Febr.  1743.  -^ 
Seine  Werke  sind  zahllos.  Er  besass  eine  bewondernngswllrdige  Fertig- 
kdt  n.  Abstraktion  im  Komponieren,  achrieb  gleich  ohne  Partitur  die 
Stia^me  im  strengsten  Styl  eine  nach  der  andern  nieder.  Seite  dra- 
ehörigen  Messen  n.  Psalmen  mit  n.  ohne  Instromente  belaufen  sich 
auf  mehr  als  40;  mehr  als  20  Messen  etc.  für  4  Chöre  sind  yorhanden, 
«Ed  endlich  hat  er  for  die  vatikanische  Basilika  allein  die  ganze 
Of&ciatnr  der  Messen  u.  Vespern  für  alle  Tage  u.  Feste  des  Jahres 
gearbeitet.  —  Ein  Werk  von  hoher  geschichtlicher  Bedeutung  hinter* 
legte  P.  im  Archiv  der  vatikanischen  Hauptkirche  unter  dem  Titel: 
„Notizia  de'  contrappuntisti  et  compositori  di  musica,  dagli  anni  delF 
era  cristiana  1000,  fino  al  1700/'  welches  Baini  besonders  für  sein  Werk 
über  Palestrina  viel  benützt  hat.  —  P.  hatte  auch  viele  Schüler  ge- 
bildet, unter  welchen  obenan  stehen  die  3  Häupter  der  Neapolitanischen 
Schule:  Durante,  Leo  n.  Feo.  —  Li  der  päpstlichen  Kapelle  werden 
noch  jetzt  seine  Werke  gesungen  u.  bewundert,  so  besonders  sein 
16stimm.  „Dizit,"  sein  6stimm.  „Dies  irae." 

Plaeh7,,-Wenzeslaus,  geb.  am  4.  Sept.  1785  zu  Klopotowitz  in 
Mähren,  bildete  sich  in  Wien  im  freundschaftlichen  Umgänge  mit 
Hummel,  Förster  u,  dgl.  in  der  Musik,  u.  bekam  1811  die  Organisten* 
stelle  aa  der  Piaristenkirche  daselbt.  Ausser  vielen  Klaviersachen  hat 
er  anch  einige  Kirchenstttcke  in  Druck  gegeben.  Er  sarb  am  7.  Juli 
1858  zu  Prag. 

Fiawen,  P.  Leopold  de,  Benediktinermönch  im  Kloster  Zwie- 
falten,  geb.  zu  Innsbruck,  war  mriirere  Jahre  Schulvorstand  u.  starb 
als  Beichtvater  zu  Urspnngen  7.  März  168^.  Von  ihm  erschienen: 
Sacrae  Nymphae  oder  Dei  et  divorum  laudes  a  3,  4,  5  et  6  voc  c. 
instr.  (Innsbruck  1659);  Missae  IV  festivae  et  quatuor  exequiatae. 
Op.  m.  (Kempten  1672);  Cantica  a  a,  4,  5  et  6  voc.  c.  instr.  Op.  IV. 
(Ulm  1679). 

Poegal,  P.  Peregrin,  geb.  1.  März  1711  zu  Sandau  in  Böhmen, 
trat  1735  in  das  Benediktinerkloster  zu  Neustadt  am  Main,  wirkte 
lange  als  Chorregent  u.  starb  als  Prior  15.  Nov.  1788.  Er  war  ein 
Virtuos  auf  der  OrgeL  Von  seinen  Kompositionen  sind  gedruckt: 
Antiphonale  Mariannm  (32  marian.  Antiphonen)  4  voc.  c.  instr.  Op.  Vn. 
(1763);  IV  Missae  solemnes  (gleiche  Besetzung);  IV  Vesperae  domini- 
cales  (ebenso). 

Pokorny,  Gotthard,  geh«  zu  Böhmischbrod  am  16.  Nov.  1733, 
war  besonders  tüchtig  im  Orgel-  u.  Violinspiel  u.  starb  am  4.  Aug. 

14* 


213  Pokroli  —  Porta. 

1802  als  Kp.-M.  an  der  Petenkiiehe  za  Brfinn.  (Messen,  Yespem^ 
litaaeieB,  Yiaün-  xl  Elanerkviiserte  n.  a.  m.)  —  ISn  anderer  P.  mit 
dem  Vomamen  Stephan,  geb.  vm  die  lütte  des  Yorigen  Jhdts.  zn 
Chnidim  in  Bdlimen,  ToHendete  seine  mnsikaHsehe  Ansbildnng  in  Prag 
n.  trat  dann  in  den  Angnstiner-Orden.  um  1780  war  er  Organist  an 
der  Angostinerkirche  in  Wien.  Als  Orgelspieler  n.  Kirehenkomponist 
war  er  seiner  Zeit  selir  angesehen. 

PolaroU,  Antonio,  1680  zu  Venedig  geb.,  ward  1740--I9  der 
Nachfolger  Lotti's  an  der  Markuskirche  in  Venedig.  Er  starb  1750. 
Ausser  mehreren  Opern  schrieb  er  auch  Kirchenkompositionen,  welche 
sich  im  Mannskripte  in  den  Archiyen  der  Markoskirche  befinden. 

Ponsio,  Pietro,  geb.  den  25.  M&rz  1532  zn  Parma,  warnm  1570 
Kp.-M.  an  der  Kathedrale  zu  Bergamo,  znletzt  in  Mailand,  und 
starb  als  solcher  am  27.  Dez.  1596.  Gedmckt  erschienen  Yon  ihm  yon 
1578—1596  zn  Venedig  Samminngen  Yon  Mess^i,  Hymnen,  Psalmen, 
Motetten;  auch  theoretische  Werke:  „Baggionamenti  di  musica'* 
(Parma  1588)  u.  „Dialogo  ove  si  tratta  della  teorica  e  pratiea  di 
musica''  (Parma  1595,  1603). 

Porpora,  Nicold,  geb.  zu  Neapel  am  19.  Aug.  1686,  war  Aless. 
Scarlatti's  Schüler  u.  that  sich  bald  durch  mehrere  Kirchensachoi 
hervor.  Eine  Zeit  lang  war  er  Professor  an  den  Konservatorien  S. 
Onofrio  u.  an  dem  der  Poveri  di  Oesü  Gristo  u.  stiftete  um  diese  Zeit 
auch  eine  berfihmte  Singschule.  Er  machte  yerschiedene  Beisen,  kam 
nach  Wien,  London  u.  blieb  in  diesen  Städten  stets  mehrere  Jahre^ 
um  seine  Opern  zur  Aufführung  zu  bringen.  G^torben  ist  er  in 
dürftigen  Verhältnissen  zu  Neapel  im  Febr.  1766.  Sein  Styl  wird  im 
Allgemeinen  als  hoheitlich  und  ernst,  aber  mager  in  der  Erfindung 
bezeichnet. 

Porta,  Costanzo,  ein  berühmter  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts.» 
wurde  zu  Cremona  geboren,  studierte  Musik  unter  Hadr.  Willaert  zu 
Venedig  u.  trat  dann  in  den  Franziskanerorden;  er  war  Kp.-M.  an  der 
Ordenskirche  zu  Padua,  dann  an  der  Kathedrale  zu  Osimo  u.  Bavenna, 
u.  endlich  an  der  Casa  santa  zu  Loretto,  wo  er  1601  starb«  Er  war 
einer  der  gelehrtesten  Musiker  seiner  Zeit  u.  sein  Styl  ist  von  grosser 
Würde.  Von  1555—1586  erschienen  yon  ihm  zu  Venedig  yerschiedene 
Sammlungen  yon  Messen  u.  Madrigalen  in  Druck,  auch  *in  andefu 
Sammlungen  finden  sich  Stücke  yon  ihm.  P.  Martini  besass  ein  theo* 
retisches  Werk  yon  P. :  «Jstruzione  di  contrapunto.*'  Besondere 
Erwähnung  verdienen  seine  „Musica  in  Ihtroit.  Missarum,  quae  in 
diebus  Dominicis  toto  anno  celebrantnr  juxta  morem  s.  Bom.  Eccl. 
V.  Voc"  u.  ebenso  die  Introitus  für  die  Festtage  der  Heiligen  (Venedig^ 
1588  bei  Ant.  Gardane).  —  Ein  anderer  P.,  Francesco  della, 
geb.  zu  Mailand  im  Anfang  des  17.  Jhdts.,  starb  als  Organist  an  der 
Kirche  S*  Antonio  daselbst  1666.    (Motetten,  Psalmen,  Bicercari). 


Pothier  —  Praetorius.  213 

Pothier,  Dom  Joseph  Maria,  geb.  7^  Dez.  1835  zu  Bonzemont 
(Lothzingen),  wurde  schon  von  seinem  Vater,  der  Lehrer  n.  Kantor 
Var,  in  den  Ghoralgesang  eingeführt;  1847  trat  er  ins  kleine  Seminar 
seiner  Diözese  (St.  Diez)  n.  ward  1858  vom  damaligen  Bischof  von 
St.  Diez,  Cayeroty  nachherigen  berühmten  Eardinalerzbischöf  yon  Lyon 
zum  Priester  geweiht  1859  ging  er  in  das  Benediktinerkloster 
Solesmes  (bei  Le  Mans),  n.  legte  im  Jahre  darauf  die  Profess  ab.  Sein 
Abt,  Dom  Prosper  Gneranger«  selbst  ein  tttchtiger  Kenner  der  kirch- 
lichen Arch&ologie,  erkannte  in  ihm  ein  ausgesprochenes  Talent  für 
Choral  n.  gab  ihm  den  Auftrag,  sich  dessen  Studium  zu  widmen,  um 
mit  ihm  an  der  Wiederherstellung  des  richtigen  Choralgesanges  bezw. 
der  ursprünglichen  gregorianischen  Melodien  zu  arbeiten.  Zu  diesem 
Zwecke  studierte  P.  in  allen  Bibliotheken  Frankreichs  u.  besuchte 
solche  in  Deutsehland,  Belgien  u.  in  der  Schweiz;  den  daselbst  ge- 
sammelten Beichtum  an  Copien  der  bewährtesten  Manuskripte  ver- 
arbeitete er  in  seiner  Klosterzelle.  Nach  fast  20|jährigem  Studium 
konnte  er  dein  Hauptwerk:  „Liber  gradualis^  (1883)  yollendet  in  Druck 
geben,  nachdem^ er  sein  nicht  weniger  bedeutendes  Werk:  ,Jies  m61odie8 
gr6goriennes*'  (Toumey  1880)  als  eine  Choralgesanglehre  vorausgeschickt 
hatte.  Er  ist  wohl  der  einflussreichste  u.  yerdienstvollste  BeftJrderer 
des  Chorals  in  Frankreich.  Ausserdem  erschienen  von  ihm  noch  in 
Druck:  Processionale  monast.  1873  u.  1887;  La  tradition  dans  la 
notation  du  plain-chant  1882;  De  la  „virga"  dans  les  neumes  1882; 
Une  petite  question  de  grammaire  1882;  Cantus  communes  OMcii  et 
Missae  1884^  Hymni  1884;  Offic.  Ultimi  tridui  1886;  Offic.  et  Missa 
pro  defonctis  1886;  Variae  preces  de  mysteriis  1888;  ausserdem  viele 
Artikel,  Kompositionen  fdr  Officia  in  Zeitschriften,  Off.  propria  für 
Diözesen  u.  Klöster«  Er  hat  auch  an  Pasquelie's  Ausgabe  von  St. 
Gertrud  u.  Mechtildis  viel  mitgearbeitet. 

Praetoriaa,  Michael,  einer  der  bedeutendsten  musikalischen 
Schriftsteller  des  16.  u.  17.  Jhdts.  u.  tüchtigste^  Komponisten,  geb. 
den  15.  Febr.  1571  zu  Kreuzberg  in  Thüringen,  war  zuerst  Kp.-M. 
zu  Lüneburg,  dann  Hoforganist  des  Herzogs  von  Braunschweig  und 
endlich  Kp.-M.  desselben  Fürsten  zu  Wolfenbüttel,  wo  er  auch  am 
15.  Febr.  1621,  gerade  50  Jahre  alt,  starb.  Das  Werk,  welches  ihm 
schon  bei  seinen  Lebzeiten  einen  Weltruf  verschaffte,  u.  das  ihn  für 
alle  spätem  Zeiten  der  Kunstgeschichte  merkwürdig  u.  unvergesslich 
macht,  ist  sein  „Syntagma  musicum,**  welches  1614  u,  1618  in  3  Quart- 
bänden zu  Wittenberg  u.  Wolfenbüttel  erschien.  Es  ist  ein  für  den 
Forscher  unerlässliches  Quellenwerk  über  alte  u.  mittelalterliche  Musik, 
sowie  über  Musikzustände  im  16.  u.  17.  Jhdt.  Ausserdem  sind  noch 
25  grössere  Sammlungen  seiner  Kompositionen,  Messen,  Motetten, 
Kirchenlieder  u.  dgl.  gedruckt. 


214  Pkassbei^er  —  Preyer. 

Fntmgwgw,  Balthasar,  geb.  ro  Heraebiirg,  war  ssn  Ende  de» 
15.  Jhdts.  ILantor  sa  BaseL  Von  ihm  keimen  urlr  ein  Werldeinr 
,,Claxi88ima  planae  atqne  ohoraüs  interpretatio  mnsicae,  Dni«  Halt. 
PxBAspergii  Mer^urgensifl"  (Basel  1501). 

PmniHier,  W  e  n  e  e  1 ,  geb.  den  18.  Angnst  1744  zu  Leitmeritz  m 
Böhmen,  war  snletzt  Hnsikdirektor  am  stildtischen  Theater  n.  an  der 
Kreozhermkirehe  eh  Prag.  Gestorben  ist  er  am  2.  April  1B07.  (Opern, 
Ifiessen,  Vespern,  Offertorien  n.  a.  m.) 

Predieri,  An^gelo,  geb.  zn  Bologna  1^5,  FranziskanermOnch, 
ein  tüchtiger  Kompositionslehrer;  sem  berühmtester  Schüler  war 
P.  Martini    Er  starb  zn  Bologna  2SL  Febr.  1731. 

Preindl,  Joseph,  geb.  zn  Marbach  in  UnterOsterreich  am 
30.  Jan.  1756,  vollendete  seine  musikalischen  Stadien  zn  Wien  unter 
Albrechtsbergers  Leitung,  welchem  er  anch  1809  im  Amte  als  Ep.-M. 
am  St  Stephansdome  nachfolgte.  Er  geniesst  eines  Bnfes  als  gründ- 
licher Tonsetzer,  guter  Klavier-  n.  Orgelspieler  n.  starb  am  26.  Okt. 
1B23.  Gedrackt  sind  von  ihm  Messen,  Gradnalien,  Offertorien  n. 
andere  Kirchensachen,  in  deren  Komposition  er  fiist  durchgängig  einen 
edlen  u.  würdigen  Styl  (mit  Ausnahme  des  der  Wienerschule  damaL 
Zeit  eigenen  Figurenreichtums  in  den  StrMchinstramenten)  einzuhalten 
wusste;  einige  weltiiche  Musiken;  dann  ein  nach  seinem  Tode  von 
SeyMed  herausgegebenes  theoretisches  Werk:  „Wiener  Tonschule  oder 
Anweisung  zum  Generalbass,  zur  Harmonie,  zum  Kontarapunkt  und 
Fugensatz''  (Wien  1827,  2.  Aufl.  1832). 

Prents»  Caspar»  zn  Ende  des  16.  Jhdts.  Kp.-M.  in  Eichst&tt, 
edierte  „Alauda  sacra,  sive  Psalnd  per  annum  consueti  &  4  Yoc.  £  Conc. 
2  VioL  di  Conc.  ad  lib.  3  dl  Conc.  ad  IIb.  4  Bipien.  ad.  lib«  Aul&ore 
Casparo  Prentz  Berlachense  Bojo  .  .  .  ."  Op.  I.  (Begensburg,  1693). 

Preyer,  Gottfried,  k.  k.  Vize-Hofkp.-M.  u.  Domkp.-M.  an  der 
Haupt-  u.  Metropolitankirche  von  St  Stephan  in  Wien,  wurde  den 
15.  März  1809  zu  Hausbmn  in  Österreich  geboren.  Vi»!  seinem 
5.  Lebensjahre  an  erhielt  er  von  seinem  Vater,  Schullehrer  u.  Begens- 
chori  daselbst,  Unterricht  auf  dem  Klavier  u.  der  Violin,  später  auch 
im  Gesänge  u.  Orgelspiel,  in  welch  letzterem  er  gar  bald  so  tüchtig 
war,  dass  er  von  seinem  zehnten  Jahre  an  sehr  häufig  für  alle  Kirchen 
der  Umgegend  zur  Aushülfe  an  Festen  verlangt  wurde.  Auch  über- 
nahm es  der  Pfarre  Bohunowsky,  ein  ausgezeichneter  Musiker,  ihm 
Unterricht  auf  allen  Blasinstrumenten  zu  erteilen.  Im  14  Jahre 
sandte  ihn  sein  Vater  nach  Wien,  um  sich  zum  Lehrfache  vorzubereiten 
u«  in  verschiedenen  Sprachen,  in  der  Musik  u.  in  der  Komposition^'' 
lehre  auszubilden.  Zu  diesem  Zwecke  studierte  er  bei  dem  k.  k» 
ersten  Hoforganisten  Simon  Sechter  die  Kompositionslehre  vielseitig 
mit  unermüdlichem  Fleisse,  n.  gab  noch  selbst  Unterricht,  um  seinen 
Unterhalt  zu  gewinnen.    1835  übernahm  er  die  Organistenstelle  an  der 


Printz  —  Proksoh.  815 

öTangelisehen  Eirohe,  1839  die  ProftB&stur  ftlr  Hanaonie  n.  Kompo« 
Position  am  Wiener  Eonservatoriiun  der  Mnsik  n.  zugleich  die  Leitung 
der  Orchesterübnngen  o.  Konzerte  der  Zöglinge.  Am  5.  Milrz  1841 
"mirde  ihm  die  k.  k*  Hoforganistenstelle  n.  infolge  seines  grossen 
heiftllig  anfgenommenen  Oratoriums  „Noah"  die  Stelle  eines  k.  k» 
yize-Hofkapelhneisters,  im  folgenden  Jahre  das  Direktoriat  des  Mnsik* 
konseiratorinms  zn  teil.  Den  28.  Okt.  1853  wurde  er  endlich  znm 
Domkp.*M.  an  der  Metropolitankirche  zn  St.  Stephan  ernannt*  Unter 
seinefi  zahlreichen  Kompositionen  für  die  Kirche  befinden  i»ch:  13  Messen 
(3  dayon  erschienen  im  Druck),  2  Requiem,  3  Te  Deum,  1  Vesper  über 
gregorian.  Choräle,  Tiele  Gradualien,  Offertorien,  Hymnen,  Motetten  eto., 
die  ganze  griechische  Liturgie  Über  Original-Chor&le  in  6  Bänden,  viele 
Fugen,  Präludien  u.  andere  Orgelstttcke,  das  Oratorium  „Noah**  u.  s.  w. 
An  weltlichen  Kompositionen  erschienen  73  Nummern  (Lieder,  Chöre 
n.  a.);  eine  bei  weitem  grössere  Anzahl  ist  noch  Manuskript,  so: 
3  Opern,  3  Streichquartetten,  2  Sinfonien,  Ouvertüren  etc«  etc. 

Printi,  Caspar  Wolf  gang,  geb.  am  10.  Okt  1641  zu  Wald- 
thum  in  der  Oberpfalz,  ftmgierte  nach  Vollendung  seiner  Studien  als 
lutherischer  Prädikant,  trat  dann  in  die  pfiEtlzgräfliche  Kapelle  zu 
Heidelberg,  musste  von  da  jedoch  wegen  Verwicklung  in  religiöse 
Controversen  bald  fifichten,  u.  bereiste  hierauf  in  Diensten  eines  reichen 
Holländers  Deutschland  u.  Italien.  Nach  mancherlei  Schicksalen  er> 
hielt  er  1665  die  Kantorstelle  zu  Sorau,  wo  er  am  13.  Okt.  1717  starb. 
Von  seinen  Kompositionen  ist  nichts  erhalten  worden,  wohl  aber  von 
seinen  vielen  musikalischen  Schriften,  z.  B.  „Historische  Beschreibung 
der  edlen  Sing-  u.  Klingkunst  etc.",  Dresden,  1690;  dann  sein  Haupt- 
werk: „Phrynis  Mitilenaeus,  oder  satyrischer  Komponist,  welcher  ver- 
mittelst einer  satyrischen  Geschieht  die  Fehler  der  ungelehrten,  selbst- 
gewachsenen ....  Komponisten  höflich  darstellt,  und  zugleich  lehret, 
wie  ein  musikalisches  Werk  rein,  ohne  Fehler,  u.  nach  dem  rechten 
Grunde  zu  komponieren  sei,  wobei  mancherlei  musikalische  Discurse, 
als  de  Proportionibus,  Variationibus,  ....  Variis  Contrapunctis,  von 
unterschiedlicher  Prolation  des  Textes  u.  dgl.  .  .  gefanden  werden.*' 
Dresden  u.  Leipzig,  1696  (mit  vielen  Notenbeispielen). 

Proksch,  Joseph,  geb.  zu  Beichenberg  in  Böhmen  den  4.  Aug. 
1794,  hatte  das  ünglttck,  im  17.  Jahre  schon  auf  beiden  Augen  blind 
zu  werden,  im  Prager  Blindeninstitut  aber  erlangte  er  eine  tüchtige 
musikaL  Ausbildung.  Nachdem  er  eine  längere  Kunstreise  als  Harfen- 
spieler durch  die  österreichischen  Staaten  gemacht  hatte,  legte  er  sich 
mit  besonderm  Eifer  auf  das  Studium  der  Pädagogik  und  Musik- 
wissenschaft. 1825  reiste  er  nach  Berlin,  um  Logier*s  ünterrichts- 
system  zu  studieren,  u.  grftndete  nach  seiner  Zurückkauft  zu  Reichen- 
berg eine  Musikbildungsanstalt,  basiert  auf  das  System  gemeinsamen 
Unterrichts.    1881  übergab  er  sie  seinem  Bruder,  siedelte  nach  Prag 


316  Proske. 

Aber,  grflndete  daaelbst  eine  grossere  derurtige  Anstalt,  als  deren 
Direktor  er  am  20.  Dez.  1864  starb.  Von  ihm  erschien  1858  zu  Prag: 
ein  treffliches  Werklein  „Aphorismen  über  kath.  Eirchenmiisik.*' 

Proske,  Carl,  Dr.,  einer  der  grössten  Mnsikgelehrten  der  Nea- 
zeit  nnd  Bestanrator  der  kirchlichen  Mnsik,  war  geb.  zn  Gräbnig  ia 
Prenssisch-Schlesien  am  11.  Febr.  1794,  der  einzige  Sohn  eines  Guts- 
besitzers. Frfihzeitig  war  sein  Sinn  schon  dem  Edleren  tl  Tieferen 
in  der  Mnsik  zngekehrt.  Da  der  Vater  seinem  Wunsche,  Theologie 
zn  studieren,  entgegentrat,  wendete  er  sich  der  Medizin  zn,  promoyierte 
schon  mit  18  Jahren  in  Wien  nnd  diente  dann  1813  nnd  1814  als 
Militärarzt  mit  solchem  Eifer,  dass  er  bald  znm  Begimentsarzt  be- 
fördert nnd  mit  dem  kgL  preussischen  Armeedenkzeichen  von  1813 
geschmückt  wurde.  Nach  seinem  Austritte  aus  dem  Militär  erhielt 
er  das  Amt  eines  Ereisphysikus  zu  Blöst  an  der  polnischen  Grenze, 
das  er  bis  1822  mit  aller  Aufopferung  versah.  Da  drängte  sich  sein 
früherer  Wunsch,  Priester  zu  werden,  stärker  als  je  hervor,  so  dass 
er  alles  verUess,  1822  nach  Begensburg  eilte  u.  unter  der  Leitung  des 
Bischofs  Sailer  sich  zum  Priester  ausbildete»  Am  11.  April  1826 
erhielt  er  die  Priesterweihe,  war  Sailer*s  Freund  u.  Beisegeföhrte,  dann 
Chorrikar  u.  1830  Kanonikus  an  der  alten  Kapelle  daselbst,  in  welcher 
Stellung  er  bis  an  sein  Lebensende  verbliebe  Seine  Liebe  zur  ernsteren 
Musik  hatte  durch  seine  Berufung  zum  Priestertume  die  Bichtung  auf 
die  kirchliche  Musik  erhalten;  den  Ausartungen  derselben  zu  steuern, 
kannte  er  kein  geeigneteres  Mittel  als  die  Bückkehr  zur  älteren 
Kirchenmusik.  Was  er  daher  von  seinen  sonstigen  priesterlichen 
Geschäften  erübrigte,  das  verwendete  er  von  jetzt  an  mehr  als  30  Jahre 
hindurch  unermüdet  auf  Erforschung,  Ansammlung,  Studium  u.  prak- 
tische Einführung  der  grossen  Meister  kirchlicher  Tonkunst,  obwohl 
er  auch  die  Kunstschöpfongen  der  neuem  Tonkunst  nicht  unberück- 
sichtigt Hess.  Mit  den  hervorragendsten  Männern  seiner  Zeit,  welche 
gleich  ihm  den  lange  unbeachteten  Schatz  dieser  hohem  Musik  wieder 
zu  heben  bemüht  waren,  eng  verbunden,  suchte  er  der  Vergessenheit 
u.  dem  weitem  Verderben  alles  zu  entreissen,  was  ihm  nur  immer  zur 
Erreichung  des  Zieles,  der  Wiederbelebung  kirchlicher  Musik,  zweck- 
dienlich erschien.  Hierbei  kamen  ihm  nicht  blos  seine  hQchst  um- 
fassenden Kenntnisse  in  der  Geschichte  der  Musik  u.  seine  ausgezeichnete 
technische  Bildung,  sondem  mehr  noch  die  angebome  Beschaffenheit 
seines  Geistes  u.  die  zunächst  nur  dem  Priester  mögliche  tiefere, 
betrachtende  Auffassung  der  Liturgie  der  Kirche  bestens  zu  statten. 
Viel  hatte  er  seit  einigen  Jahren  schon  in  Deutschland  gesammelt; 
nun  untemahm  er  noch  zwei  Beisen  nach  Italien,  durchforschte  da 
1834  u.  1835  die  Bibliotheken  von  Bom,  Assissi  u.  Neapel,  1837  von 
Florenz,  Pistoja  u.  Bologna,  u.  sammelte  einen  wertvollen  Schatz  von 
kirchlichen  Tonwerken  aus  dem  15.,  16.,  17.  u.  18.  Jhdt.  an;  das  Meiste 


Proske.  217 

schrieb  er  mit  eigener  Haad.  Nach  seiner  Bückkehr  machte  er  sich 
mit  grossem  Eifer  daran,  die  Ausführung  seines  Planes  in*s  Werk  zu 
setzen.  Hierzu  fand  er  den  trefflichsten  Gehttlfen  u.  Mitarbeiter  in 
der  Person  des  vom  Bischof  von  Eichstätt,  Graf  Beisach,  empfohlenen 
J.  G.  Mettenleiter,  i^elcher  1839  zum  Organisten  u.  später  zum 
Chorregenten  an  der  alten  Kapelle  ernannt  wurde.  Dieser  führte  aus, 
was  Proske  an  den  gesammelten  Schätzen  an's  Licht  u.  in's  Leben 
zu  rufen  für  gut  fand,  ohne  Bücksicht  auf  Widerspruch,  mit  aller 
Sorgfalt  u.  Pietät;  unter  Proske^s  Augen  arbeitete  er  sein  „Enchiridion" 
aus  u.  war  hinwieder  diesem  bei  der  Herausgabe  seiner  „Musica  divina*' 
behülflich.  Beide  ermüdeten  nicht,  auch  die  Forschungen  fortzusetzen 
u.  Terborgene  Musikschätze  aufzusuchen  u.  an's  Licht  zu  ziehen; 
Proske  setzte  hohe  Summen  daran,  die  vortrefflichsten  altem  u.  neuem 
Musikwerke  an  sich  zu  bringen,  so  dass  seine  musikaüscbe  Bibliothek 
zu  einer  Beichhaltigkeit  u.  Ausdehnung  gedieh,  die  wohl  nur  wenige 
dieser  Art  aufweisen.  Sie  umfasst  über  500  der  wichtigsten  theore- 
tischen Werke  über  Musik  älterer  u.  neuerer  Zeit,  verschiedener  Sprachen 
u.  Länder,  teils  der  eigentlichen  Doctrin,  teils  der  Geschichte,  teils 
den  Hilfswissenschaften  angehörig.  Die  Werke  der  praktischen  Musik 
sind  in  5  Partien  geschieden:  a)  die  liturgischen  Gesangbücher,  sowohl 
die,  besten  Ausgaben  des  Tregor.  Gesanges  u.  Dracke  u.  Manuskripte 
älterer  Zeit,  als  auch  die  verschiedenen  älteren  u.  neueren  Sammlungen 
des  katholischen  u.  protestantischen  Kirchenliedes;  b)  ein  beträchtlicher 
Teil  der  1842  käuflich  erworbenen  Hauber'schen  Bibliothek  (von 
München),  eine  höchst  reichhaltige  Sammlung  älterer  Kirchenmusik  u. 
geistlicher  Oratorien  berühmter  Meister,  letztere  vielfach  in  den 
Originalmanuskripten  derselben;  c)  die  eigene  Sammlung  in  150  grossen 
u.  starkgefällten  Mappen  meist  von  der  Hand  Proske's  geschriebene 
iPartituren  älterer  Meister,  jedoch  auch  die  besten  Werke  neuerer 
Musik  in  Manuskripten  oder  Drackausgaben,  zusammen  Werke  von 
mehr  als  600  Kompositeuren  enthaltend;  vielen  liegt  eine  kurze 
kritische  Beurteilung  P.'s  bei;  d)  die  vierte  u.  kostbarste  Partie  bildet 
eine  Sammlung,  von  ihm  selbst  genannt:  „Antiquitates  Musicae 
celeberrimae,'*  die  seltensten  Dmckausgaben  u.  Cod.  Mskr.  von  mehr 
als  1200  Werken  der  grössten  Tonsetzer  des  15.,  16.  u.  17.  Jhdts.; 
e)  die  fünfte  Partie  schliesst  eine  andere  Sammlung  von  Drackwerken 
derselben  Gattung  in  sich,  vom  Jahre  1507  beginnend,  mit  Kompo« 
sitionen  von  mehr  als  700  altem  Meistem.  Bis  an  sein  Ende  setzte 
er  die  Ausschreibung  der  Partituren  fort,  um  sie  fär  den  Gebrauch 
vorzubereiten.  Er  erlebte  noch  die  Freude,  viele  Freunde  der  altem 
Musik  u.  die  Anerkennung  derselben  in  weiteren  Kreisen  als  schöne 
Fmcht  seiner  aufopfernden  Bemühungen  zu  sehen,  worunter  die  Auf- 
nahme u.  treffliche  Pflege  dieser  Musik  an  der  Domkirche  zu  Begensburg 
am  meisten  hervorragt.    In  Anerkennung  seiner  Verdienste  wurde  P. 


ai8  Qnadflieg  —  Qaeroa. 

Tom  Bischof  Ignathis  yon  Senestr^y  zum  bisehOfl.  geistL  Bäte  imd 
ausserordentlichen  Hitgliede  des  bischöfl.  Ordinariates  eniaost,  yo» 
Sr.  Maj.  dem  Kanig  Max  ü.  Ton  Bayern  mit  dem  Bitterkrena  des 
St  Miehaelsordens  geschmückt  Der  20.  Desbr.  1861  endete  sein  im 
Dienste  der  Eirche  hingeopfertes  Leben.  Seine  Mnsikbibliothek  ging 
testamentarisch  n.  dnrch  mitaidliehen  Vertrag  mit  dem  Hochw.  Bischof 
in  den  Besitz  des  bischöfl.  StnMes  n.  der  Kathedrale  yon  Begensbnrg 
über.  Seine  erste  Publikation  war  die  Herausgabe  einer  48timm.  Messe 
yon  Alex.  Scarlatti  (Begensbg.,  J.  G.  Manz);  1850  edierte  er  die  nMissa 
papae  Marcelli"  in  dreifacher  Bearbeitung,  der  ursprünglichen  6stimm. 
yon  Palestrina,  der  4stimm.  yon  Anerio  n.  der  doppelchörigen  yon 
Snriano;  1B53  begann  er  sein  grosses  Sammelwerk  ^Mnsica  diyina^*^ 
heranszngeben.  I  Band:  Messen  (1853,  neu  ediert  1882  yon  F.  X.  Haberl), 
n.  Bd.  Motetten  (1865),  m.  Bd.  Psalmodia  (1858),  IV.  Bd.  über 
Vespertinns  (1864,  nach  seinem  Tode  yon  Wesselaok  herausgegeben). 
1855  erschien  „Selectns  noyns  Missamm*'  2  Bde.  16  4— 8etimm.  Messen 
der  alten  Meister  enthaltend. 


Q. 


Qnadflieg,  Jakob,  geb.  zu  Breberen  (Bheinpr.,  Bezirk  Aachen)  am 
27.  Ang.  1854,  erhielt  seine  erste  mnsikal.  Anleitung  durch  seinen  Bruder 
sowie  durch  G.  Radem&chers,  den  Herausgeber  der  Orgelbegleitung  zum 
Kölner  Graduale,  besuchte  1875  die  neugegründete  Eirchenmusikschule 
in  Regensburg,  kam  1876  als  Chordirigent  u.  Musiklehrer  nach  Holland 
(Katwijk),  trat  1878  in  das  Seminar  zu  Elton  ein  u.  ist  seit  1881  in 
Elberfeld  als  Lehrer  angestellt.  Seit  dem  Jahre  1886  ist  er  auch  als 
Ghordirigent  u.  Organist  an  der  dortigen  Marienkirche  tbSkiig.  Er 
yerOffentüchte  2  Messen;  zahlreiche  andere  Kompositionen  finden  sich 
als  Beiträge  zu  Sammelwerken  u.  in  yerschiedenen  kirchenmusikalischen 
Zeitschriften.  Er  besorgte  auch  die  Harmonisierung  der  Choralgesftnge 
der  neuen  Feste  (Supplementum)  sowie  die  mit  mehr  als  500  Choral- 
yorspielen  yersehene  Neuauflage  des  „Organum  comitans^  yon  HaberL 
Hanisch. 

Qaagliati,  Paolo,  ein  Tonsetzer  der  römischen  Schule,  soll  um 
1612  Kp.-M.  an  der  Kirche  St.  Maria  Maggiore  zu  Bom  gewesen  sein. 
(8-  u.  12stimm.  Motetten.) 

Queren,  Simon  de,  oder  a,  war  um  die  Mitte  des  15.  Jhdts.  in 
Brabant  geboren  u.  wurde  nachgehends  Kp.-M.  des  Herzogs  Ludwig 
Sforza  yon  Mailand.  Mit  dessen  Söhnen  zog  er  nach  Wien  u.  liess 
daselbst  1509  einen  kleinen  Traktat:  „Opusculum  musices  perquam 
breyissimum  de  Gregoriana  et  figuratiya  atque  Contrapuncto  simplice 
percommode  tractans"  drucken;  es  ist  eine  der  ältesten  in  Deutschland 
gedruckten  theoret  Schriften.  Eine  zweite  Auflage  erschien  1518  zu 
Landshut  Auch  erschienen  yon  ihm  1513  „Yigiliae  cum  Vesperis  et 
Ezequüs  Mortuorum." 


Baillard  —  Rameaa.  919 

R. 

Baillard,  Fr.,  Abb4,  geb.  1804  in  Mostonneiitier  bei  Laiigites» 
gel^trtet  Theolog  und  Physiker  zu  Paris,  daselbst  gest  Avg.  oder 
Sept.  1687,  gab  heraus:  „Ezplication  des  nenmes**  (1852);  „Le  ehant 
Gt^gorien  restanr^'*  (1861);  „H^oire  snr  la  restatoratiün  du  chant 
gr6gorien"  (1862). 

Baimendl,  Pi  e  t  r  o ,  der  gelehrteste  itaUenisehe  Musiker  xmMats 
Jhdts.  n.  vielleicht  einer  der  grössten  Eotttrapnnktisten  aller  Zeiten, 
war  gebi  sn  Rom  am  20.  Dez.  1786,  gest  30.  Okt.  1853  daselbst  als 
Kp.-M.  an  der  St  Peterskirche,  studierte  anf  dem  Eonserratorinm 
della  Pietä  in  Neapel  die  Musik,  kam  später  nach  Genua,  wo  er  mit 
seinen  Werken  Aufsehen  erregte.  —  Nachdem  er  in  Florenz  u.  Neapel 
Ruhm  auf  der  Btthne  eingeerntet,  wendete  er  sich  zu  seinem  eigent* 
linken  BeruMelde,  dem  Kontrapunkt,  worin  er  Unglaubliches  leistete. 
18  Jahre  (1832^50)  wirkte  er  so  fort  als  Professor  am  Konservatorium 
der  Musik  in  Palermo.  Seine  Kompositionsthätigkeit  war  eine  ausser» 
ordentliche:  55  Opern,  21  Ballette,  7  Oratorium  nebst  einem  3fachen, 
„Joseph**  betitelt,  und  eine  Unmasse  anderer  grösserer  und  kleinerer 
Kirchensachen,  daronter  die  1^  Palmen  4r,  5— 8st  im  Palestrinastyl; 
nach  einem  massigen  Überschlag  hat  er  in  ungefähr  40  Jahren  über 
SXKX)  Musikstttcke  (nach  den  einzelnen  Nummern  gerechnet)  geschrieben 
ti.  davon  ein  gutes  Vierteil  in  den  strengsten  kontrapunktischen  Formel. 

Rameaa,  Jean  Philippe,  bertthmter  firanzös.  Theoretiker  u. 
Komponist,  geb.  zu  Dijon  am  25.  Sept  1683.  1717  kam  er  nach  Paris, 
welches  er  aber  bald  wegen  Zwistigkeiten  mit  seinem  Beschützer,  dem 
Organisten  Marchand,  wieder  verliess.  Eine  Zeit  lang  hielt  er  sich  in 
Lille  u.  Olermont  auf;  in  letzterer  Stadt  fing  er  an,  sich  mit  der 
Theorie  der  Tonkunst  emstlieher  zu  beschäftigen,  u.  als  Frucht  seiner 
Studien  lless  er  1722  zu  Paris,  welches  er  nun  wieder  zu  seinem 
Aufenthalte  gewählt  hatte,  seinen  „Trait6  de  Tharmonie  r6duite  ä  ses 
prindpes  naturels"  drucken;  1726  gab  er  sein  „Nouveau  systöme  de 
musique  thöorique^*  heraus,  seine  zwei  Hauptwerke,  welche  die  Auf- 
meriisamkeit  der  Musiker  auf  ihn  lenkten  u.  seinen  Ruf  als  Theoretiker 
konsolidierten.  Er  schrieb  auch  Kantaten,  Klaviersonaten  u.  etwa 
20  Opern.  Von  dem  Könige  zum  Kammerkomponisten  ernannt,  später 
aneh  geadelt  u.  mit  dem  St  Michaelsorden  geziert,  starb  B.,  bis  zu 
seinem  letzten  Atemzuge  unermüdlich  thätig,  am  12.  Septbr.  1764.  — 
Wenn  auch  von  seinen  theoretischen  Systemen  heutzutage  wenig  mehr 
brauchbar  ist,  so  kann  ihm  doch  das  Verdienst  nicht  abgesprochen 
werden,  die  Harmonielehre  überhaupt  zuerst  in  ein  geordnetes  System 
gebracht  u.  die  Hauptregeln  denelben  auf  eine  gründliche  Art  ent- 
wickelt  zu  haben.  Er  suchte  die  grosse  Zahl  möglicher  Akkorde  auf 
eine  beschränkte  Zahl  von  Gnmdakkorden  zurückzuführen,  zunächst  in 


220  Ramofl  de  Fereja  —  Bastrelli. 

derG«stalt  der  Lehre  von  der  ümkehrnng  der  Akkorde,  womit 
er  die  Lehre  yom  Fnndamentalbasse  verband  u.  die  Beziehung 
der  emzehien  Akkorde  asu  einander  leicht  kenntlich  machte. 

Bamos  de  Pereja,  Bartholomeo,  geb.  mn  1440  znBaeza  in 
Andalusien,  lehrte  znerst  in  Sakmanca  Musik  and  ging  1482  nach 
Bologna,  wo  er  noch  15dl  lebte.  Die  Vorlesungen,  die  er  zu  Bologna 
hielt,  gab  er  in  einem  Buche  ,J)e  Musica  Tractatns"  (Bologna,  1482) 
heraus,  das  er  kurz  darauf  in  zw^ter  Auflage  erscheinen  liess,  nach- 
dem er  die  erste  unterdrückt  hatte. 

BampiB,  Pancratius,  Sohn  eines  Schullehrers,  geb.  zu  Bam-r 
berg  den  16.  April  1813,  absolvierte  1829  das  dortige  Gymnasium, 
studierte  Theologie  u.  ward  1836  zu^  Priester  geweiht.  Während 
seiner  Studienzeit  betrieb  er  besonders  Gesang  u.  Orgelspiel  unter  der 
Leitung  des  dortigen  Musiklehrers,  G.  Wtthr,  eines  Schülers  von  Mich. 
Haydn.  Nachdem  er  10  Jahre  lang  üi  der  Seelsorge  gewirkt  hatte, 
erhielt  er  die  Ohorregentenstelle  in  Donauwörth,  welche  er  11  Jahre 
lang  inne  hatte,  u.  wo  er  den  blinden  Virtuosen  u.  Komponisten  Kirms 
(s.  d.)  in  sein  Haus  aufoahm  u,  bis  zu  dessen  Tode  bei  sich  behielt. 
Im  Juü  1857  ward  er  zum  Domkp.-M.  in  Eichstätt  «mannt  f  29.  April 
1870.  —  Auf  seine  musikalische  Bildung  übte  namentlich  der  Direktor 
der  Würzburger  Musikschule,  Fröhlich,  mit  dem  er  in  steter  Eorre* 
spondenz  stand,  dann  Eirms  grossen  Einfluss.  Die  meisten  kirchlichen 
Werke  komponierte  er  im  Verein  mit  letzteren.  Ausser  diesen  gab  er 
als  eigene  Kompositionen  2  Messen  (Missa  8.  Udalrici  a  4  yoc.  cum 
Org.;  Missa  Cunibert  für  4  Singst,  mit  kleiner  Instrumentalbegleitung), 
„Trichordium  sacrum,"  Messen,  Requiem,  Litaneien,  Gradualien  und 
Offertorien  auf  verschiedene  Feste,  für  3  Männerstimmen  enthaltend^ 
verschiedene  Lieder  heraus;  dann  sind  Musiken  zu  kleinen  Schauspielen^ 
ein  Weihnachtsoratorium  u.  dgl.  in  Mskr.  verbreitet 

Baeelins,  Andreas,  geb.  zu  Hahnbach  bei  Amberg  zwischen 
1562—64,  kam  1584  als  Kantor  und  Lehrer  an  das  Gymnasium  zu 
Begensburg  u.  wurde  endlich  1600  kurfürstl.  Kp.-M.  zu  Heidelberg,  wo 
er  6.  Jan.  1602  starb.  B.  stand  hoch  als  Gelehrter,  Musiker,  Schrift- 
steller u.  Lehrer.  Von  seinen  musikaL-theoretischen  Werken,  von  denen 
Gerber  9  aufzählt,  ist  bis  jetzt  nur  mehr  eins  bekannt  „Hezachordum 
seu  quaestiones  Musicae  practicae"  (Nürnberg,  1589).  An  Kompositionen 
lieferte  er  Vieles:  mehrere  Sammlungen  deutsche  u.  lateinische  LiedeCt 
Sprüche  u.  Eirchengesänge  für  4,  6,  8  Stimmen,  Psalmen  u.  dgL 
(vgl.  „M.  Andr.  Baselius"  von  Jos.  Auer,  Beilage  zu  den , Jlonatsheften 
für  Musikgeschichte"  1892.) 

Rastrelli»  Joseph,  geb.  den  13.  April  1799  zu  Dresden,  zeich- 
nete sich  schon  als  Knabe  im  Violinspiel  aus,  1814  begann  er  kontra- 
punktische Studien  bei  P.  Mattei  zu  Bologna.  Nach  3  Jahren  kehrte 
er  mit  seinem  Vater  nach  Dresden  zurück  u.  diente  als  Violinist  in 
der  Sachs.  Hofkapelle.    Die  Komposition   einiger  Opern  erwarb  ihm 


Rat^geber  —  Regnard.  221 

die  Gunst  des  Königs,  der  ihm  die  Mittel  für  eine  zweite  Reise  zur 
weitem  Ansbildnng  darbot.  Nach  seiner  Bückkehr  widmete  er  sich 
nur  mehr  dem  Oesangnnterricht  u.  der  Komposition,  namentlich  für 
die  Kirche.  1828  erhielt  er  für  2  achtstimm.  Psalmen,  welche  er  für  die 
Bixtinische  Kapelle  komponierte,  vom  Papste  den  Orden  des  goldenen 
Spornes;  1830  ward  er  Hofkp.-M.  in  Dresden.  Er  starb  am  14.  Nov.  1842. 
Seine  Werke  offenbaren  ein  angenehmes  Talent  neben  guten  Stadien, 
seine  instrumentierten  Kirchenwerke  haben  aber  nicht  viel  Kirchlichkeit. 

Batbgeber,  P.  Valentin,  geb.  3.  April  1682  zu  Obereisbach, 
ward  1708  Benediktinermönch  im  Kloster  Banz  in  Oberfranken;  er 
starb  2.  Juni  1750.  B.  war  ein  Äusserst  geübter  Violoncell-  u.  Orgel- 
spieler u.  fruchtbarer  Komponist.  Im  Drucke  erschienen  von  ihm 
22  Werke  (1721—1740  etwa)  und  bestehen  in  Messen,  Offertorien, 
Vespern,  Antiphonen,  Hymnen. 

Ratti,  Lorenzo,  in  der  2.  Hälfte  des  16«  Jhdts.  zu  Perugia  geb., 
war  zuerst  Kp.-M.  zu  Loretto,  wo  er  in  seinen  besten  Jahren  1630 
starb.    (Motetten,  Litaneien,  Madrigale.) 

Bebello,  Joao  LoreuQO,  geb.  1609  zu  Oaminsa  in  Portugal, 
war  im  Dienste  des  Hauses  Braganza  Musiker.  Er  galt  als  einer  der 
ausgezeichnetsten  portugiesischen  Komponisten,  u.  ist  gestorben  zu  San 
Amaro  bei  Lissabon  16.  Not.  1661.  (16stimm.  Psalmen,  Magnifikat  u.  s.  w.) 

RebeUo,  Manoel,  war  aus  Ayiz  in  der  Provinz  Trastagana 
gebürtig  u.  um  1625  Kp.-M.  zu  Evora. 

Von  beideli  befinden  sich  Kirchenwerke  auf  der  Lissaboner  Biblio- 
thek, Ton  ersterm  erschien  auch  eine  Sammlung  Kirchenstücke  zu  Bom 
1657  in  Druck. 

Regino,  wahrscheinlich  um  840  geb.  zu  Altrip  am  Bhein,  wurde 
892  Abt  im  Benediktinerkloster  Prüm  in  der  Diözese  Trier.  Durch 
Intriguen  aus  demselben  vertrieben,  ging  er  nach  Trier,  wo  er  Abt 
des  Klosters  St.  Martin  wurde.  Er  starb  915  u.  wurde  im  Kloster 
St.  Maximin  bei  Trier  begraben.  Er  hatte  einen  Namen  als  Gelehrter, 
u.  nahm  sich  auch  der  Musik  sehr  an,  wovon  ein,  in  den  Script,  eccl. 
von  Gterbert  aufgeführter  Traktat  „Epistola  de  harmonica  Institutionen* 
(Bd.  I.  p.  230)  Zeugnis  giebt.  Coussemaker  edierte  im  11.  Bd.  seiner  Script, 
dessen  Tonarius  als  Facsimile  einer  Copie  auf  der  Brüsseler  Bibliothek. 

Regia  oder  De  Boi,  Jean,  ein  um  die  Mitte  des  15.  Jhdts. 
lebender  berühmter  Kontrapunktist,  wahrscheinlich  ein  Belgier  von 
Geburt,  Zeitgenosse  von  Okeghem,  Busnois  u.  Caron.  Mehrere  Messen- 
fhkgmente  u.  Motetten  finden  sich  in  verschiedenen  Sammlungen,  auch 
sind  einige  Messen  von  ihm  im  p&pstl.  Archiv. 

Regnard,  Jaques,  geb.  zu  Douai  um  1540,  kam  durch  Orlandus 
Lassus  in  den  Dienst  des  Kurfürsten  von  Bayern;  von  München  kam 
er  um  1575  nach  Prag,  wo  er  sp&ter  zweiter  kais.  Kp.-M.  wurde  u. 
wahrscheinlich  1600  starb.  Von  1573  bis  1614  sind  zahlreiche  Kom- 
positionen von  ihm,  Messen,  Motetten  u.  a.  erschienen. 


233  Reioha  —  Raiaer. 

JUUkk,  Anton,  gab.  m  Pnc  aat  37.  Febr.  1770^  stndiBite  n 
Bonn  bei  Boneai  Obcin  Josei^  Sekslia,  dar  d^rtselbit  loiilBzstlieli 
kSlnisdier  Mniikdizektor  war,  die  Musik  mit  so  gntem  Erfolge,  d»M  er 
bald  mit  einer  Sialmue  Dffentlieh  anffcreteii  konnte^  1799  begab  er 
noh  nach  Paris,  bald  jedoeh  naeb  Wien,  wo  er  mit  Haydn,  Albreebta*- 
berger,  daUeri  n.  BeethoYen  in  IrenndsehaftHchitem  ümgaai^  lebte  n. 
der  Komposition  n.  dem  Mnsiknntemchte  oblag.  1806  gmg  er  wieder 
naeb  Paris,  debfttierte  mit  einigen  Opem  o.  erhielt,  geaebtot  als  Ziebier 
der  Mnsik,  als  Nachfdger  Mehnls,  die  Profisssiir  des  Kontrayqnkts 
am  nen  organisierten  Konsenratorinm.  1835  wurde  er  Bitter  der 
Ehrenlegion  u.  später  Mitglied  der  Akademie.  Doch  sehon  am  28.  Mai 
1836  starb  er.  —  Seine  hauptsächlichsten  Werke  sind  neben  bedeutenden 
Instromental-Kompositionen:  »Trait^  de  Mäodie"  (Paris  1814  n.  1832); 
„Conrs  de  composition  mnsicale"  (Paris  1818);  ^'^ihnM  de  haute 
composition^  (2  Bde.,  Paris  182i-*26),  dnrch  Cxeniy  in's  Deutsche 
übersetzt  unter  dem  Titel:  „Vollständiges  Lehrbuch  der  musikalischen 
Komposition  etc."  (Wien  1834)  u.  a.  Als  Lehrer  zeiohpete  ihn  eine 
s^  I»raktische  Methode  aus,  seine  Lehrbucher  sind  aber  nieht  ^Ki  von 
manchen  Schwächen. 

BeiUng,  Franz  Xaver,  geb.  den  17.  Noy.  1804  zu  Bottenburg 
a.  Neckar,  war  bis  1819  (Chorknabe  im  Dome  daselbst.  Nach  seiner 
Priesierweihe  diente  er  in  der  Seelsorge,  wendete  sich  von  1830  an 
dem  Studium  der  theoret.  Musik  zu,  schrieb  als  Pfiurer  zu  Schmiechen 
mehreres  für  die  Kirche  u.  war  besooders  thätig  für  Verfoessenmg 
des  kirchlichen  Männergesanges.  1842  schloss  er  sich,  als  Ortlieb  n» 
Fröhlich  den  Stuttgarter  Kirchenmusikrerein  gründeten,  diesem  an  n. 
beteiligte  sich  an  dem  tou  Ortlieb  gegründeten  u.  redigierten  nO^^^^^ 
für  kirchliche  Tonkuist"  mit  vielen  Artikeln,  r-  Von  seinen  K<mi* 
Positionen  ist  bis  jetzt  noch  nichts  in  Druck  erschienen;  von  Chosalr 
werken  sind  zu  erwähnen«  „Gesänge  für  den  gewöhnlichen  Morgenr 
gottesdienst^*  (mit  Ortlieb  bearbeitet),  „Die  solennen  Präfationen  mit 
den  Besponsorien*'  (Ehingen  1857,  3.  Aufl.);  „Cantionale  diori  oder 
gregor.  Kirchengesänge  zum  Amt  der  hL  Messe  etc."  (Ghuünd  1855) , 
jJProcessionale*'  (Ehingen  1856);  „Vesperale**  Psalmen  u.  Hymnen  48t. 
(Tübingen  1856.) 

Reiner,  Ambro sius,  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jhdts.  Organist, 
später  Kp^-M.  des  Erzherzogs  Ferdinand  Carl  y^n  Österreich  (um  1650), 
schrieb  zahlreiche  Motetten,  Messen  u.  andere  Kirchensachen  mit  u* 
ohne  Instrumentalbegleitung,  von  denen  Manches  im  Druck,  erschien* 

Reiner,  Jakob,  geb.  vor  1560  in  Altdorf  bei  Weingarten, 
(Württemberg),  gest,  12.  Aug.  1606  in  Weingarten,  besuchte  die 
Klosterschule  daselbst,  wurde  Schüler  des  Orlandus  Lassus  in  München, 
dann  Gtesanglehrer  des  Klosters  Weingarten  u.  später  Chordirektor;, 
er  war  nicht  Mönch,  auch  nicht  Priester,  sondern  verheiratet.    Von 


Reissiger  —  E^SiigiiiB  von  Auzerre.  293 

wnien  Dradcwerken  haben  aioh  manolie  erhalten,  so:  „Liber  eantaonuni 
8aer/'  (32  Metetten  zn  5  n.  6  Stimmen,  1579;  1872  von  0.  Diefsler  in 
Partitnr  herMsgegeben);  „Cantiea  sive  Mutetae^  4r  n.  östimm.  (1595); 
,,Liber  Hotettarom"  (32  zn  6  n.  8  Stimmen  1600);  sokhe  zn  6  Stimmen 
(1603);  5-  n.  6stüiinL  Messen  (1604);  12  Magni&cats  zu  8  Stimmen  (1604); 
n.  s.  w.;  ausserdem  noch  vieles  in  Mskr.  (s.  Monatshefte  1  Mosik- 
Gesch.  m,  97.) 

Reissiger»  Carl  Gottlieb,  geb.  am  31.  Jan.  1798,  zeigte  schon 
als  Knabe  ein  yoitreffliches  Mnsiktalent;  in  der  Thomasschoie  zu 
Leipzig  erhielt  er  durch  Schicht  einigen  weitem  Musikunterricht,  so 
dass  er  bald  mit  einigen  kleineren  Kompositionen  sich  bemerkUch 
machte;  darauf  nahm  sich  Schicht  seiner  mehr  an,  u.  dem  Theologie- 
Studium  entsagend,  wendete  Reissiger  sich  dann  nach  Wien,  um  seine 
musikal  Studien  fortzusetzen.  Durch  mehrere  Opern  verschaffte  er 
sich  einen  Buf  u.  begann  dann  durch  Unterstützung  des  Königs  von 
Pzenssen  Frankreich  u.  Italien  zu  seiner  Ausbildung  zu  bereisen,  in 
Bom  hielt  er  sich  längere  2feit  auf.  1825  trat  er  die  Bückreise  an 
n.  erhielt  etwas  nach  1826  die  kgl.  sächsische  Kapellmeisterstelle  zu 
Dresden,  als  amtlicher  Nachfolger  Marschner's.  In  letzterer  Zeit  be< 
schränkte  sich  Beissiger  vorzüglich  auf  die  Direktion  der  klassischen 
Opern  u.  der  kgL  Kapelle  in  der  kathol.  Hofkirche.  Er  starb  am 
7.  Nov.  1859.  In  der  Komposition  kathol.  Kirchenmusik  leistete  er 
manches  Gute;  er  schrieb  12  Messen,  1  Bequiem,  20  Gradualien  und 
dgl,  doch  ohne  den  eigentlichen  Kirchenstyl  auszuprägen;  vieles  ist 
gewöhnlichen  Schlages  oder  artet  in  dramatische  Musik  aus.  In  Opern 
hat  er  viel  Glück  gehabt  Er  besass  eine  ungemeine  Leichtigkeit  im 
Komponieren,  wozu  eine  reiche  Erfindungsgabe  und  eine  vollendete 
Durchbildung  viel  beitrug. 

Refssmann,  August,  geb.  den  14.  Nov.  1825  zu  Frankenstein 
in  Schlesien,  bildete  sich  in  der  Musik  zu  Breslau,  wo  er  sich  zum 
Schulfach  vorbereitete,  u.  betrieb  in  Weimar  u.  Halle  kunsthistorische 
Studien.  Seit  1862  lebt  er  in  Berlin.  Von  ihm  sind  in  Druck  erschienen 
die  Abhandlungen:  „Von  Bach  bis  Wagner*'  (Berlin  1861)  und  „Das 
deutsche  Lied  in  seiner  histor.  Entwicklung**  (Cassei  1861);  dann  eine 
grosse  Chorgesangschule,  eine  allgemeine  Musiklehre  u.  eine  allgemeine 
Geschichte  der  Musik  (3  Bde.).  1876  übernahm  er  die  Bedaktion  des 
MendePschen  „Musikal.  Konversationslexikon**  n.  gab  1882  einen  Auszug 
desselben  „Handlexikon  der  Tonkunst**  heraus.  Auch  mehrere  Kom- 
positionen erschienen  von  ihm. 

Remlgins  von  Anxerre,  tenz.  Bemi  d'  Auxerre,  Ut.  Bemi- 
gius  Antissiodorensis,  geh;  in  der  Burgund«  Stadt  Auxerre,  um 
die  Mitte  des  9.  Jhdts.,  trat  in  das  Benediktinerkloeter  St  Geimain 
daselbst,  kam  später  als  Ldirer  nach  Bheims  u.  wirkte  dort  von  893 
tris  gegen  Ende  des  9.  Jhdts.,  darauf  ging  er  nach  Paris  als  Lehrer 


2U  Bhan  —  Biooio. 

der  Theologie  n.  Rhetorik.  Ausser  mehreren  Oommentarexi  ttber  Teile 
der  hl.  Schrift,  hinterliess  er  anch  einen  Commentar  zu  des  Martianas 
Capella  Tractat  „De  Mnsica/'  welchen  Gerbert  in  seinen  Script.  eccL 
I.  Bd.  pag.  63  abdnicken  Hess. 

Rhaa  oder  Rhaw,  Georg,  geb.  1488  zu  Eisfeld  in  Franken,  war 
vorerst  Kantor  u.  Musikdirektor  in  Leipzig  (1518),  nachgehends  siedelte 
er  nach  Wittenberg  über,  wo  er  ein  Buchdnickerei-Geschäft  übte;  da- 
selbst starb  er  am  6.  Aug.  1548.  Er  geniesst  nicht  blos  als  Kompositenr, 
sondern  anch  als  didakt.  Schriftsteller  n.  Dracker  musikalischer  Werke 
einen  guten  Buf.  1518  edierte  er:  „Enchiridion  musices  ex  variis 
musicomm  libris  depromtum.  Budibus  hujus  ariis  tyronibus  sane 
frugiferum,^*  worin  er  in  zwei  Teilen  die  Elemente  der  Musik  (I.)  u. 
die  Mensuralmusik  (II.)  lehrt.  F6tis  führt  von  ihm  eine  12stimm. 
Messe  u*  ein  Te  Deum  (1519)  an.  Er  machte  sich  als  Buchdrucker 
Terdient  durch  die  Herausgabe  mehrerer  musikaL  Werke,  so  der  des 
Martin  Agricola  und  des  Traktats  „De  Compositione  cantus"  von 
Galliculus;  femer  durch  Veranstaltung  einer  Sammlung  alter  4stimm. 
Gesänge,  und  einer  solchen  „Newe  deutsche  geistliche  Ges&nge" 
(Wittenberg  1544,  123  Nummern). 

Bheinberger,  Joseph  Gabriel,  geb.  17. Mftrz  1839  zu  Vaduz 
in  Lichtenstein,  Sohn  eines  fQrstL  Bentmeisters,  offenbarte  sein  hervor- 
ragendes Talent  schon  sehr  frühzeitig,  indem  er  als  siebeigähriger 
Knabe  Organistendienst  versah  u.  im  Komponieren  sich  versuchte.  In 
Feldkirch  weiter  ausgebildet,  kam  er  1851  nach  München,  wo  er  drei 
Jahre  am  Konservatorium  studierte,  1859  als  Lehrer  an  dieser  Anstalt, 
1865—67  als  Eepetitor  der  Hofoper  angestellt  wurde.  1867  ward  er 
zum  kgl.  Professor  u.  Inspektor  der  k.  Musikschule  (des  ehemaligen 
Konservatoriums)  ernannt,  1877  zum  kgL  Hofkp.-M.,  als  welchem  ihm 
besonders  die  Direktion  des  Hofkapellchors  obliegt.  B.  ist  einer  der 
bedeutendsten  Komponisten  der  Jetztzeit.  Ausser  vielen  Instmmental- 
werken,  einigen  Opern,  Chorwerken  schrieb  er  als  Meister  auf  der  Orgel 
9  Orgelsonaten,  ein  grosses  Orgelkonzert,  eine  Orgelphantasie,  2  Stabat 
Mater,  1  grosses  Bequiem  (op.  60),  3  Hefte  Garmina  saora,  2^  u.  mehr- 
stimmige Gesänge  mit  Orgel,  eine  zweichörige  Messe,  wofür  ihn 
Leo  XTTT.  mit  dem  Bitterkreuz  des  Gregoriusordens  ehrte. 

Bieei,  Pasqnale,  geh;  1733  zu  Como,  ein  Weltpriester,  studierte 
die  Musik  unter  dem  maüändischen  Kp.-M.  Vignati  u.  wurde  nach 
mehreren  grösseren  Beisen  Kp.-M«  in  seiner  Vaterstadt,  als  welcher  er 
im  Anfang  des  laufenden  Jhdts.  starb.  (Mehrere  Kirchensachen, 
Quartetten,  Klavierschule.) 

Biccio,  Antonio  Teodoro,  ein  Kontrapunktist  des  16.  Jhdts., 
geb.  um  1540  zu  Brescia,  war  zuerst  Kp.*M.  zu  Ferrara,  dann  kam  er  in 
die  kais.  Kapelle  nach  Wien,  später  nach  Dresden,  u.  wurde  Protestonti 


Riohafort  —  Biepel.  225 

1579  ging  er  als  Kp.-M.  nach  Königsberg  n.  starb  wahrscheinlich  in 
Ansbach  um  1599.    (Messen,  Motette,  Madrigale  n.  a.) 

Riohafort  oder  Richef ort,  Jean,  ein  niederländ.  Kontrapnnktist, 
geb.  um  die  zweite  Hälfte  des  15.  Jhdts.  u.  Schüler  Josquin*s,  Kp.-M. 
an  der  Ägydienkirche  in  Brügge,  soll  1556  gestorben  sein.  Die  kgl. 
Bibliothek  zu  Brüssel  u.  das  Archiv  der  pftpstl.  Kapelle  bewahren 
Werke  von  ihm,  u.  auch  in  verschiedenen  Sammlungen  des  16.  Jhdts. 
finden  sich  solche. 

Richter,  Franz  Xaver,  geb.  zu  HOllischau  iq  Mähren  am 
1.  Dez.  1709,  war  seit  1747  Domkp.-M.  in  Strassburg,  wo  er  den 
12.  Sept.  1789  starb,  den  Euf  eines  gründlichen  Lehrers  u.  Komponisten 
hinterlassend.  (Viele  Kirchensachen  und  weltliche  Musiken;  Kompo- 
sitionslehre.) 

Ricieri,  auch  Ridieri  u.  Riccieri,  Giovanni  Antonio,  geb. 
23.  Mai  1679  zu  Venedig,  versuchte  sein  Glück  zuerst  als  Sänger, 
dann  wendete  er  sich  der  Komposition  zu.  Nach  6jährigem  Aufenthalte 
in  Polen  ging  er  nach  Bologna  u.  gründete  daselbst  eine  Musikschule» 
aus  welcher  tüchtige  Musiker  hervorgingen.  Er  war  auch  einer  der 
Lehrer  des  berühmten  P.  Martini.  Gestorben  ist  er  15.  Mai  1746. 
Mehrere  Kirchensachen  von  ihm  finden  sich  in  Mskr.  in  italienischen 
Bibliotheken  u.  Musikarchiven  u.  in  der  Proske*schen  Bibliothek  in 
Begensburg, 

Rieder,  Ambrosius,  geb.  den  10.  Okt  1771  zu  Döblin  bei 
Wien,  hatte  schon  als  Knabe  sich  in  der  Musik  hervorgethan,  aber 
seine  volle  Ausbildung  erhielt  er  erst  durch  nähern  Umgang  mit  Haydn, 
Mozart  u.  Albrechtsberger.  1802  ward  er  Schullehrer  u.  Eegenschori 
im  Marktflecken  Perchtoldsdorf  bei  Wien,  in  welcher  Stellung  er  bis 
an  seinen  Tod,  den  19.  Nov.  1855,  thätig  blieb.  Er  war  ein  vortrefflicher 
Organist,  tüchtiger  Theoretiker  u.  fruchtbarer  Komponist.  (Messen, 
Offertorien,  Gradualien  u.  viele  weltliche  Musikwerke). 

Rieder,  Alois,  gebürtig  von  Reineck  in  Tirol,  zur  Zeit  Ohor- 
regent  in  Bruneck,  erweist  sich  als  tüchtigen  Organisten.  Von  seinen 
Kompositionen  sind  4  Tantum  ergo,  Asperges,  4  Offertorien  für  4  Sing- 
stimmen mit  Orgel  oder  Streichquartett  u.  Hom  (Weger  in  Brixen) 
u.  a.  kleine  Sachen  in  Druck  erschienen;  einige  grössere  Werke  blieben 
bis  jetzt  Manuskript. 

Rieder,  Joseph,  Bruder  des  Vorigen,  Priester  u.  z.  Z.  Chor- 
regent in  Klausen,  schrieb  sehr  Vieles;  gedruckt  wurden  6  Ecce  panis 
für  Orgel  u-  Singstimmen,  dann  eine  sehr  reichhaltige  Gesangschule. 

Riepel,  Joseph,  geb.  1708  zu  Hörschlag,  einem  Dorfe  in  Ober- 
österreich, ein  Bierwirtssohn,  besuchte  in  Gratz  die  lateinische  Schule 
u.  beschäftigte  sich  nebenbei  mit  Musik,  ohne  jedoch  einen  eigent- 
lichen Musikunterricht  zu  gemessen.  Er  war  in  mancherlei  Stellungen 
thätig,  erst  war  er  Schulmeister,  dann  diente  er  eine  Zeit  als  Kammer- 

KornmOller,  Lexikon.    IL  Bd.  15 


1 

226  Rinck  —  Robert. 

diener,  in  welcher  Eigenschaft  er  bald  das  halbe  Europa,  Italien, 
Türkei,  Bosnien,  Slavonien,  Ungarn,  Prankreich,  Belgien  u»  s.  w.  durch- 
reiste, wobei  er  stets  der  Musik  die  grösste  Au^erksamkeit  zuwendete. 
Seine  Durchbildung  zum  Musiker  scheint  er  in  Dresden  erhalten  zu, 
haben.  1751  treffen  wir  ihn  in  der  taxischen  Hofkapelle  zu  Regensburg 
angestellt.  Seine  weiteren  Lebensschicksale  sind  unbekannt.  Gestorben 
ist  er  als  Ep.-M.  am  fürstl.  Tum  und  Taxischen  Hofe,  74  Jahre  alt, 
am  23.  Okt  1782.  —  Biepel  ist  einer  der  bedeutendsten  Musikschrift- 
steller des  yergangenen  Jahrhunderts,  äeine  Schriften  bilden  fast  eine 
kleine  Bibliothek  des  musikalischen  Wissens  u.  Könnens;  6  Foliobände 
sind  gedruckt,  teils  in  Wien,  teils  in  Augsburg,  Ulm  u.  Begensburg, 
1752  bis  1786.  Fünf  Teile  der  subtilsten  musikalischen  Untersuchungen 
existieren  im  Mskr.  Nicht  minder  thätig  war  er  in  der  Komposition; 
er  hinterliess  Werke  aus  fast  allen  Fächern  der  Tonkunst:  14  Passionen 
für  die  hl.  Woche;  Gesänge  bei  der  Frohnleichnamsprozession;  Gradu- 
alien  und  Ofiertorien  für  die  Fastensonntage;  3  Messen,  alles  für 

4  Singst.,  Orgel  u.  3  Posaunen;  mehrere  Missae  solem.;  4  Sinfonien, 
2  Requiem,  Vespern,  Litaneien,  Psalmen,  Motetten,  Stücke  für  yer- 
schiedene  Instrumente  u.  a.  Die  kirchlichen  Kompositionen  atmen 
Frömmigkeit  u.  Ernst,  durch  eine  gewisse  Anmut  versüsst,  u.  meister- 
haft in  der  Form.  Die  obengenannten  5  Mskr.  waren  im  Besitze  des 
Dr.  Dominions  Mettenleiter  in  Regensburg,  die  Kompositionen  teils 
in  dessen  Bibliothek,  teils  in  der  taxischen  Musiksammlung  auch  als 
Manuskript. 

Rinck,  Joh.  Christian  Heinrich,  berühmter  Organist,  geb. 
den  18.  Febr.  1770  zu  Elgersburg  im  Gothaischen,  wurde  17ti0  Stadt- 
organist in  Giessen,  1813  Hoforganist  u.  später  Kammermusikus  in 
Darmstadt.  1840  erhielt  er  das  Ritterkreuz  des  hessischen  Löwen- 
ordens u.  von  der  Universität  das  philosophische  Doktordiplom.  Er 
starb  den  7.  Aug.  1846.  Neben  vielen  Werken  für  sein  Instrument, 
worunter  seine  „Praktische  Orgelschule"  u.  „Praktische  Anweisungs- 
schule" hervorzuheben  sind,  komponierte  er  auch  Kirchenkantaten, 
Messen,  Motetten  u.  dgl.  für  die  protestantische  Kirche. 

Ristorl,  Giovanni  Alberto,  geb.  zu  Bologna  1692»  arbeitete 
anfangs  nur  für  die  Bühne,  später  mehr  für  die  Kirche.    Nachdem  er 

5  Jahre  lang  kaiserl.  Kp.-M.  in  Petersburg  gewesen,  kam  er  nach 
Dresden,  wo  er  als  Kirchenkomponist,  1750  auch  als  Kp.-M.  angestellt 
vmrde.    t  7.  Febr.  1753. 

Robert,  der  Weise  oder  Fromme  beigenannt,  Sohn  Hugo 
Oapets,  Königs  von  Frankreich,  um  970  zu  Orleans  geb.,  seit  996 
wirklicher  König  von  Frankreich,  als  welcher  er  am  20,  Juli  1031 
starb,  war  auch  Dichter  und  Musiker.  Es  werden  ihm  die  Sequenz 
„Yeni  sancte  Spiritus*'  und  der  Hymnus  „0  constantia  martyrum'^ 
zugeschrieben. 


Roohlitz  —  Rore.  227 

KocblltE,  Joh.  Friedrich,  geb.  den  12.  Febr.  1769  zu  Leipzig, 
«^chon  von  Jugend  an  der  Musik  zugethan,  studierte  erst  Theologie, 
wendete  sich  aber  bald  der  Belletristik  zu.  Die  Musik  behandelte  ei» 
noch  mit  Vorliebe,  u.  er  gründete  1798  die  Leipziger  allgem.  musik. 
Zeitung,  deren  Redaktion  er  bis  1818  fährte.  1809  wurde  er  zum 
weimarischen  Hofrat  ernannt  u.  starb  zu  Leipzig  am  16.  Dez.  1842, 
Von  seinen  Schriften  ist  besonders  bemerkenswert:  „Für  Freunde  der 
Tonkunst**  (4  Bde.,  Leipzig  1824-25,  1830  u.  32). 

Rodio,  E  0  c  c  0 ,  geb.  um  1550  in  Calabrien,  war  ein  gerühmter 
Xontrapunktist  u.  Lehrer  Italiens.  1589  yeröffentlichte  er  in  zweiter 
Ausgabe  eine  Sammlung  seiner  Kompositionen  u.  auch  anderer  Meister 
dieses  Jhdts.,  z.  B.  Villani,  Bovio  u.  dgl,  auch  einen  Band  Messen  (1580). 
Ein  didakt.  Werk  erschien  von  ihm  1609  zu  Neapel  „Hegole  di  musica,** 
welches  P.  Martini  sehr  helobt  hat,  u.  worin  sich  die  Begeln  für  den 
Oontrapunto-al  mente  genauer  finden. 

Röder,  Fructuosus,  geb.  zu  Simmershausen  den  5.  März  1747, 
trat  1764  in  den  Benediktinerorden  u.  fungierte  von  1770  bis  1773  als 
Organist  u.  Musikdirektor  am  Dome  zu  Fulda.  In  diesem  Jahre  ward 
€r  nach  Neusohl  in  Ungarn  berufen,  um  eine  geordnete  Kirchenmusik 
ciinzurichten.  Bald  jedoch  nötigte  ihn  sein  Gesundheitszustand,  den 
mildem  Himmel  Italiens  aufzusuchen;  er  kam  aber  nicht  mehr  nach 
Fulda  zurück,  denn  schon  1789  starb  er  in  einem  Kloster  bei  Neapel. 
Seine  Kirchensachen  waren  früher  sehr  geschätzt. 

Röder,  GeorgValentin,  geb.  1780  zu  Rammungen  in  Unter- 
franken,  war  während  seiner  Gymnasialstudien  zu  Münnerstadt  Organist 
an  der  Augustinerkirche  daselbst,  zu  Würzburg,  wo  er  die  Universität 
besuchte,  wurde  er  von  Kürzinger  in  der  Komposition  unterwiesen, 
1805  bekam  er  ebenda  eine  Anstellung  als  Musiker  in  der  kgl.  Hof- 
kapelle u.  als  Musikdirektor  beim  Theater.  1814  bei  der  Auflösung 
der  Hofkapelle  wurde  er  pensioniert.  Nun  zog  er  sich  in's  Privatleben 
zurück  u.  komponierte  fleissig,  bis  er  1837  zum  k.  bayr.  Hofmusik- 
direktor ernannt  wurde.  Etliche  Jahre  darauf  ward  er  Kp.-M.  an  der 
hl.  Kapelle  zu  Altötting,  wo  er  am  30.  Dez.  1848  starb.  Er  schrieb 
vieles  für  die  Kirche:  Messen,  Vespern,  Offertorien,  Requiems  u.  a. 

Rog^one,  Francesco,  herzoglicher  Kp.-M.  an  der  Kirche  S. 
Ambrogio  zu  Mailand  um  1620,  gab  5stimm.  Messen,  Psalmen,  Faux- 
bourdons  u.  Motetten  mit  Orgelbass  (1610),  4— 58timm.  Messen  und 
Motetten  (1624),  Madrigalen  u.  a.  heraus. 

Rore,  Cyprian  de,  oder  vanRoor,  ein  berühmter  nieder- 
ländischer Kontrapunktist  des  16.  Jhdts.,  geb.  wahrscheinlich  zu  Mecheln 
1516,  kam  frühzeitig  nach  Italien  u.  bildete  sich  zu  Venedig  in  der 
Schule  seines  Landsmanns  Willaert.  1559  wurde  er,  nachdem  er 
einige  Zeit  herzogl.  Kapellmeister  zu  Ferrara  gewesen  u.  auch  in 
Flandern   sich  aufgehalten,  Vize  -  Kapellmeister  zu    St.   Markus  in 

15* 


328  Roselli  —  Sotter. 

Venedig,  1563  nach  Willaerts  Tode  erster  Kp.-M.  Bald  darnach  trat 
er  in  die  Dienste  des  Herzogs  Ottavio  Famese  in  Parma,  starb  aber 
schon ,  1565.  Mehrere  Samminngen  von  seinen  Madrigalen,  Messen, 
Motetteil  n.  dgl.  sind  im  Dmck  erschienen;  anch  andere  Sammelwerke 
enthalten  Arbeiten  von  ihm. 

Roselli,  Francesco,  anch  Bonssel  Frangois,  in  Frankreich 
geboren  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts.,  kam  1548  als  Gesanglehrer 
an  die  Kapelle  Ginlia  im  Vatikan,  verliess  aber  nach  2  Jahren  Bom 
n.  kehrte  erst  1572  dahin  znrück,  woranf  er  anch  die  Gesanglehrer- 
stelle am  Lateran  bekleidete.  Weiteres  yon  seinen  Lebensumständen 
ist  nicht  bekannt.  Von  seinen  Werken  ist  wenig  erhalten,  einige 
seiner  Arbeiten  wurden  in  mehreren  Sammlungen,  welche  zu  dieser 
Zeit  erschienen,  veröffentlicht.  Er  gehört  der  römischen  Schule  an^ 
deren  Geist  er  vollkommen  begriffen  hat  n.  scheint  zu  seiner  Zeit  in 
grossem  Ansehen  gestanden  zu  sein. 

BoBetti,  Franz  Anton,  eigentlich  Bös  1er  geheissen, geb.  1750 
zn  Leitmeritz  in  Böhmen,  studierte  anfänglich  Theologie,  wendete  sich 
aber  bald  ausschliesslich  der  Musik  zu.  1780  stand  er  in  fürstlich 
Oettingen-Wallerstein*schen  Diensten,  1789  kam  er  als  Hofkp.-M.  nach 
Schwerin,  starb  aber  schon  am  30.  Juni  1792.  Unter  seinen  zahlreichen 
Werken  finden  sich  auch  mehrere  Eirchensachen,  die  jetzt  verschollen 
sind;  am  bekanntesten  war  sein  Oratorium  „Der  sterbende  Jesns*^ 
(Wien  1786). 

BosBario,  Antonio  de,  geb.  den  20.  Juni  1682,  Hieronymitaner- 
Mönch  zu  Belem.  Die  Portugiesen  schätzen  ihn  als  einen  ihrer  gründ- 
lichsten Kontrapunktisten. 

Bossi,  Francesco  de,  Kanonikus  an  der  Metropolitankirche  zn 
Bari  im  Neapolitanischen,  um  1680»  machte  sich  durch  Eirchenstücke, 
welche  1688  zu  Venedig  in  Druck  erschienen,  u.  durch  einige  Opern  bekannt. 

BoBsi,  Lorenzo,  geb.  1760  zu  Florenz,  studierte  in  Neapel  die 
Komposition  u.  schrieb  anfangs  viele  Kirchenwerke  n.  Kantaten,  später 
hauptsächlich  Oper^. 

Botter,  Ludwig,  geb.  den  5.  Sept.  1810  in  Wien,  bildete  sein 
Musiktalent,  welches  schon  sehr  früh  hervortrat,  während  seiner  wissen- 
schaftlichen Studienlaufbahn  durch  eifrigste  Benutzung  der  Müsse- 
stunden  hierfür,  so  dass  er  bald  an  Kompositionsversuche  sich  wagte 
und  nicht  ungünstige  Besultate  erzielte.  Daneben  betrieb  er  unaus- 
gesetzt Harmonie-  und  Kontrapunktstudien  und  eignete  sich  nach  und 
nach  eine  grosse  Fertigkeit  in  den  kontrapunktischen  Künsten  an. 
Nachher  der  Musik  sich  ausschliesslich  widmend,  befasste  er  sich 
längere  Zeit  mit  Unterricht  im  Klavierspiele  u.  Generalbasse,  —  wurde 
Organist  und  später  Kp.-M.  an  der  ehemaligen  Jesuitenkirche  zu 
den  neun  Chören  der  Engel  —  Professor  des  Orgelspiels  und  General- 
basses beim  Wiener  Kirchenmusikvereine   —   dann  Supemumerariua 


Rousseau  —  Buimonte.  329 

und  bald  darauf  wirklicher  k.  k.  Hoforganist  mit  Beibekaltimg  er- 
wähnter Kapellmeisterstelle.  Bei  seiner  Vorliebe  fdr  die  Eirchenmnsik 
XL,  bei  seiner  nnermüdlichen  Thätigkeit  förderte  er  eine  grosse  Anzahl 
von  Kirchen-  u.  anderen  Kompositionen  zu  Tage,  welche  allenthalben 
Anerkennung  fanden.  Im  Stich  erschienen  bisher  ausser  mehreren 
Klayierpiecen  u.  a.  8  Messen,  12  Gradualien  u.  9  Offertorien  nebst 
einigen  kleineren  Stücken  (Wien,  bei  Qlöggl).  Als  Theoretiker  zeigte 
sich  Botter  durch  Herausgabe  seiner  „Harmonologie"  (Wien,  bei  Spina). 
'Seine  Bestrebungen  u.  Kirchenwerke  fanden  ehrende  Anerkennung  sowohl 
von  den  kaiserl.  Majestäten  als  von  den  kirchlichen  Autoritäten,  auch 
von  musikalischen  Iiistituten,  als  Dommusikverein  u.  Mozarteum  zu 
Salzburg;  der  Pragerverein  der  Kunstfreunde  für  Kirchenmusik  in 
Böhmen,  der  Wiener-  (P.  P.  Piaristen-)  u.  der  Innsbrucker  Musikyerein 
ernannten  denselben  zum  Ehrenmitgliede. 

Ronssean,  Jean  Jaques,  geb.  zu  Genf  am  28.  Juni  1712  u. 
gest.  am  3.  Juli  1778  zu  Ermenonville  bei  Paris,  beschäftigte  sich 
neben  der  Philosophie  u.  Litteratur  auch  mit  Musik;  sein  bekanntestes 
Werk  ist  der  „Dictionnaire  de  musique^^  (Genf  1767),  welcher  in  kurzer 
Zeit  mehrere  Auflagen  erlebte  u.  neben  vielem  Schönen  u.  Guten  auch 
vieles  Unzulängliche  u.  Unklare  enthält. 

Rovetta,  Giovanni,  geb.  in  Venedig  zu  Ende  des  16.  Jhdts., 
war  anfangs  Sänger  an  der  S.  Markuskirche  daselbst  und  einer  der 
tüchtigsten  Schüler  Monteverde's.  1643  folgte  er  seinem  Lehrer  als 
Kp.-M.  an  der  S.  Markuskirche  nach  u.  starb  als  solcher  im  August  1668. 
Verschiedene  Sammlungen  von  Messen,  Motetten,  Psahnen,  Madrigalen, 
mit  u.  ohne  Instrumentalbegleitung,  sind  von  ihm  zu  Venedig  in  Druck 
erschienen. 

Roze,  Abb6  Nicolas,  geb.  den  17.  Jan.  1745  zu  Bourg-Neuf 
in  der  Diözese  Chalons,  komponierte  schon  als  Chorknabe  beim  KoUegiat- 
stifte  Beaume.  1775  wurde  er  zum  Kp.-M.  an  der  Kirche  des  Innocents 
zu  Paris  berufen,  1807  ward  er  Bibliothekar  des  Konservatoriums  u. 
starb  am  30.  Sept.  1819.  Verschiedene  Kirchensachen  von  ihm  u*  eine 
„Methode  de  plain-chant"  sind  im  Druck  erschienen. 

Rabino  oder  Robino,  ein  gebomer  Franzose,  war  Lehrer  der 
^äpstl.  Chorknaben  zu  Rom  von  1539—1541  und  kam  in  gleicher 
Eigenschaft  dann  an  die  Kirche  am  Lateran,  später  an  St.  Maria 
Maggiore.  Pitoni  nennt  ihn  einen  vortrefflichen  Sänger  und  guten 
Kirchenkomponisten. 

Ruflo,  Vincenzo,  Domkp.-M.  in  Mailand,  später  in  seiner  Vater- 
stadt Verona,  ein  Zeitgenosse  Palestrina's,  war  als  Tonsetzer  angesehen. 
Von  seinen  vielen  Werken  erschienen  mehrere  Sammlungen  Messen, 
Motetten  xl  Madrigalen. 

Rnimonte,  Pedro  de,  ein  spanischer  Tonsetzer,  geb.  zu  Sara- 
gossa, war  zu  Anfang  des  17.  Jhdts.  Kp.-M.  des  Erzherzogs  Albertt 
Statthalters  der  Niederlande.    (Madrigale  [1614]  u.  Kirchenstttcke.) 


330  ^bbatini  —  S^bingeqr. 


s. 

Sabbatini,  Galeazzo,  geb.  zu  Pesaro  im  Anfange  des  17.  Jhdts.^ 
war  Kp.-M.  des  Herzogs  von  Mirandola  und  hochangesehen  als  Theo- 
retiker und  Komponist.  Ausser  mehreren  Sammlungen  Litaneien  und 
anderen  Kirchenstücken,  Madrigalen  u.  dgl.  (1636—1640)  gah  er  auch 
(Rom  1644)  ein  theor.  Werk:  „Begole  facili  e  brevi  per  suonare  sopra 
ü  basso  continuo  neirorgano  etc."  heraus. 

Sabbatini,  Luigi  Antonio,  geb.  zu  Alhano  bei  Rom  1739,  trat 
in  den  Franziskanerorden,  u.  studierte  dann  zu  Bologna  unter  P» 
Martini,  später  bei  Valotti  in  Padua  den  Kontrapunkt.  Er  starb  als 
Kp-M.  an  der  Kirche  S.  Antonio  in  Padua  am  29.  Jan.  1809.  Er 
komponierte  vieles  für  die  Kirche,  steht  aber  höher  als  musikalischer 
Schriftsteller.  Seine  vorzüglichsten  Werke  sind:  „Gli  elementi  teorici 
della  musica^*  (Rom  1789);  „La  vera  idea  delle  musicali  numeriche 
segnature  etc."  (Venedig  1789);  „Trattato  sopra  le  Fughe  Musicali" 
(Venedig  1802).  Er  besorgte  auch  die  1801  in  Venedig  bewerkstelligte 
Herausgabe  der  Psalmen  des  Benedetto  Marcello. 

Sabino,  Ippolito,  ein  angesehener  venetian.  Komponist  des 
16.  Jhdts.,  veröffentlichte  von  1570—1586  verschiedene  Sammlungen  von 
Madrigalen,  Magnificaten  u.  a*  Kirchenstücken. 

Sacchi,  Salvatore,  in  den  ersten  Jahren  des  17.  Jhdts.  Kp.-M» 
zu  Toscanello,  gab  1607  4-  u.  5stimm.  Messen  in  Druck. 

Sacchini,  Antonio  Maria  Gasparo,  geb.  zu  Puzzuoli  am 
23.  Juli  1734,  studierte  unter  Durante  zu  Neapel  Musik,  1768  bereits 
durch  mehrere  Opern  vorteilhaft  bekannt  geworden,  ward  ihm  1769  die 
Stelle  als  Direktor  des  Konservatoriums  dell'Ospedaletto  zu  Venedig 
angeboten,  welche  er  auch  annahm  u.  bis  1771  behielt;  er  beschäftigte 
sich  da  mit  erfolgreichem  Gesangunterrichte  u.  mit  Arbeiten  für  Kirchj» 
u.  Theater.  Hierauf  reiste  er  durch  Deutschland  u.  England,  hielt  sich 
in  London  10  Jahre  lang  auf  u.  ging  dann  nach  Paris,  wo  er  7.  Okt. 
1786  starb.  Ausser  einer  grossen  Anzahl  von  Opern  komponierte  er 
auch  mehreres  für  die  Kirche. 

Sala,  Nicolö,  ein  in  Italien  berühmter  Kontrapunktist  und 
namentlich  Tonlehrer,  geb.  in  einem  Städtchen  bei  Benevent  1732^ 
war  ein  Schüler  Fago*s,  u.  mehr  als  60  Jahre  Lehrer  u.  Direktor  am 
Konservatorium  della  Pietä  de'  Turchini  zu  Neapel,  wo  er  1800  starb» 
Bekannt  sind  von  ihm  einige  Opern  u.  Kirchenatücke;  besonders  ge- 
rühmt wird  sein  theoret.  Werk:  „Regole  del  contrappunto  pratico'^ 
(Neapel,  1794). 

Salbinger,  Sigismund,  um  die  Mitte  des  16.  Jhdis.  in  Augs- 
burg lebend,  ist  bemerkenswert  wegen  dor  Herausgabe  der  „OoncentuB 


Saldanha  —  Sammartini.  331 

4,  5,  6  et  8  Yoonm/^  (Augsburg  1545),  einer  Sammliuig  yon  Gesängen 
vieler  der  angesehensten  Tonsetzer  damaliger  Zeit  Er  selbst  kompo- 
nierte anch  einiges. 

Saldanha,  Gonzales  Mendes,  ein  Schüler  des  Dnarte  Lobe, 
geb.  zn  Lissabon,  galt  nm  1625  als  einer  der  bedeutendsten  Musiker 
in  Portugal.    (Messen,  Psalmen  u.  a.) 

Säle,  Franziskus,  wahrscheinlich  ein  Belgier,  war  in  der 
iEweiten  Hälfte  des  16.  «Thdts.  Kp.-M.  zu  Hall  in  TyroL  (Messen, 
Motetten  u.  a.) 

Salieri,  Antonio,  geb.  den  19.  Aug.  1750  zu  Legnano  im 
Yenetianischen,  kam  durch  Verwendung  des  Wiener  Hofkapellmeisten 
Gassmann  1766  nach  Wien  u.  wurde  durch  diesen  auch  in  die  höhere 
Tonkunst  eingeführt;  nach  4  Jahren  schon  konnte  der  eifrige  Schüler 
mit  Opern  öffentlich  hervortreten.  1774  ward  er  seines  Lehrers 
Nachfolger  als  kais.  Eammerkompositeur  u.  Direktor  der  ital.  Oper. 
Einige  Male  reiste  er  nach  Paris,  um  von  ihm  gearbeitete  Bühnen- 
stücke zur  Aufführung  zu  bringen;  sonst  blieb  er  zu  Wien  in  seiner 
Stellung  als  kais.  Ksmmerkompositeur.  1790  wurde  er  auf  sein  An- 
suchen wegen  Gesundheitsrücksichten  der  Direktion  der  Oper  enthoben, 
welche  er  an  seinen  Schüler  Jos.  Weigl  abgab.  1816  wurde  er  mit 
der  grossen  Civil-Ehren-Medaille  geschmückt,  und  am  7.  Mai  1825 
starb  er,  eine  grosse  Anzahl  Opern,  Kantaten,  Messen,  Motetten  u.  dgl. 
hinterlassend.  Melodieenreichtum,  Formglätte  u.  yortreffliche  Hand- 
habung aller  Kunstmittel  wird  an  seinen  Werken  gerühmt,  nidit  aber 
Tiefe  der  Gedanken. 

Salinas,  Francesco,  geb.  um  1512  zu  Burgos  in  Spanien,  er- 
warb sich  trotz  fast  gänzlichem  Verluste  des  Augenlichtes  ansehnliche 
Kenntnisse  besonders  in  der  alten  Musik,  welche  er  durch  einen 
23jährigen  Aufenthalt  in  Bom  noch  in  hohem  Grade  vermehrte.  Nach 
seiner  Bückkehr  wurde  er  Professor  an  der  Universität  Salamanca 
u.  lehrte  Musik,  zu  welchem  Zweck  er  auch  1577  seine  „Libri  septem 
de  musica"  in  herrlichem  Latein  geschrieben  herausgab,  welches  Werk 
ein  Zeugnis  von  seiner  tiefen  Musikkenntnis,  seiner  allseitigen  Bildung 
und  seinem  philosophischen  Geiste  ablegt.  Er  starb  zu  Salamanca  im 
Februar  1590. 

Salomon,  Elias,  ein  französ.  ELleriker  des  13.  Jhdts.,  am  Stifte 
St.  Aster  im  Perigord  lebend,  verfasste  1274  einen  Traktat  „De  scientia 
artis  mnsicae,^^  welchen  Gerbert  in  seine  Script,  eccl.  (Bd.  in.  pag.  16) 
aufgenommen  hat. 

Salulini,  Paolo,  geb.  zu  Siena  1709,  Schüler  P.  Martini's  zn 
Bologna,  wurde  1765  Domkp.-M.  zu  Siena,  wo  er  am  29.  Jan.  1780 
starb.    (Zahlreiche  Kirchensaohen.) 

Sammartfni,  Pietro,  Musiker  des  17.  Jhdts.  am  Hofe  zu  Floreni, 
gab  heraus:  Motetti  a  sola  voce  (1635,  1638  2.  Aufl.),  Motetti  a  2,  3, 


333  Sanoes  —  SantinL 

4  e  5  Yoci  con  le  litanie  della  B.  M.  V.  a  6  Yoci  (1642),  Motetti  a 
1 — 5  yoci  (1643),  Salmi  a  8  voci  concertati  (1643),  Salmi  brevi  a  4  voc 
concert  (1644). 

Sances,  Gioyanni  Feiice,  geb.  zn  Rom  am  Anfang  des 
17.  Jlidts.,  ward  1655  zweiter  n.  etwas  später  erster  Kp.-li.  am  kais. 
Hofe  zu  Wien.  (4stimm.  Motetten  (Venedig  1638),  Salmi  brevi  a  4  yoci 
concert.;  Motetti  a  sola  voce  con  basso  continuo). 

Santner,  Carl,  geb.  26.  Januar  1819  zu  Salzburg,  f  19.  April 
1885  daselbst,  genoss  schon  fHlhzeitig  durch  den  Domkp.-M.  J.  Huetsch 
Unterricht  im  Gesang,  Klavier,  Violine  u.  später  im  Generalbass  u.  in 
der  Harmonielehre.  Nach  Beendigung  seiner  wissenschaftlichen  Studien 
betrat  er  die  Beamtenlaufbahn.  Nachdem  er  in  Linz  mehrere  Jahre 
praktiziert  hatte,  ward  er  Vorstand  der  kais,  Strafanstalt  in  Garsten, 
von  1866  an  an  der  von  Suben.  Hier  benützte  er  die  Musik  auch  als 
Bildungs-  u.  Heilmittel  bei  Gefangenen  u.  nicht  ohne  Erfolg.  1870  in 
Pension  getreten,  kehrte  er  nach  Salzburg  zurück  u.  übernahm  die 
Leitung  des  Kirchenchores  zu  St.  Peter;  bald  gründete  er  auch  den 
Salzburger  Cäcilienverein,  als  dessen  Vorstand  er  beiläufig  10  Jahre 
mit  grossem  Eifer  u.  aufs  verdienstvollste  wirkte.  Er  schrieb  in  dieser 
Zeit  hauptsächlich  nur  Kirchenmusik:  mehrere  Messen,  Offertorien 
n.  8.  w.,  nachdem  er  in  früheren  Jahren  fast  nur  weltliche  Musik 
(1  Oratorium,  Kantaten,  Lieder)  komponiert  hatte.  Auch  schrieb  er 
ein  „Handbuch  der  Tonsetzkunst**  u.  „Winke  über  Figuration  der 
Violine.*'    (cf.  Witt,  Fl.  Bl.  1885.  p.  4.) 

Santarelli,  Giuseppe,  geb.  zu  Forli  1710,  wurde  1749  als  Sopran- 
sänger in  die  päpstl.  Kapelle  aufgenommen  u.  galt  für  einen  vorzüg- 
lichen Kontrapunktisten.  Er  starb  1790  u.  hinterliess  auch  ein  theor. 
Werk:  ,J)ella  musica  del  Santuario  etc"  (Bom  1764,  zweiter  Teil  1770) 
u.  „Lettere  su  i  compositori  per  chiesa,  a  sulla  modema  musica  sagra." 

Santiago,  Francisco,  um  1590  zu  Lissabon  geb.,  ging  als 
Karmelitermönch  nach  Spanien  u*  starb  1646  als  Domkp.-M.  zu  Sevilla. 
(Viele  gerühmte  Kirchenstücke.) 

Santini,  Fortunato,  Abbate,  geb.  zu  Bom  den  5.  Juli  1778, 
wurde  1801  Priester  u.  beschäftigte  sich  mit  Vorliebe  mit  Musik;  er 
suchte  alle  älteren  Kompositionen  auf  u.  erwarb  sich  so  eine  äusserst 
reichhaltige  Bibliothek  idter  Musikwerke,  welche  unter  andern  Werke 
von  700  italienischen  Meistern  allein  enthält;  1820  veröffentlichte  er 
einen  Katalog  derselben.  Er  komponierte  auch,  doch  nur  Kirchen- 
werke im  älteren  Styl.    Sein  Todesjahr  ist  nicht  bekannt. 

Santini,  Geminiano,  geb.  zn  Pesaro,  1754  als  Supemumerar 
in's  Kollegium  der  päpstL  Sänger  aufgenommen,  wird  von  Baini  als 
ein  guter  Tonsetzer  genannt.  Neben  einigen  Kirchenmusiken  schrieb 
er  auch  ein  als  Mskr.  im  päpstl.  Kapellarchiv  aufbewahrtes  didaktisches 
Werk  „n  compositore  armonico.*' 


Santuooi  —  Soaletta«  333 

Santacci,  Marco,  Ep.-M.  lu  Kanonikas  an  der  Kathedrale  zu 
Lucca,  geb.  4.  Juli  1762  zu  Camajore  (Toscana),  Schüler  von  Fenaroli 
in  Neapel,  gest.  1843  zu  Lucca,  komponierte  vieles  für  die  Kirche 
tMessen,  Motetten  (auch  eine  IGstimmige),  Psalmen,  Orgelsonaten, 
Yersetten  u.  a.) 

Saratelli,  Giuseppe,  geb.  1714  zu  Padua,  wurde  1749  Ep.-M. 
an  der  Markuskircbe  zu  Venedig  u.  Direktor  des  Konservatoriums  dei 
Mendicanti  daselbst.  Er  starb  1762,  verschiedene  Kirchenkompositionen 
hinterlassend. 

Barti,  Giuseppe,  geb.  zu  Faenza  am  28.  Dez.  1729,  studierte 
die  Komposition  bei  P.  Martini  zu  Bologna  u.  wurde  1756  als  Hofkp.-M. 
u.  Hofgesanglehrer  nach  Kopenhagen  gerufen,  wo  er  einige  Jahre  blieb. 
1770  übernahm  er  die  Direktion  des  Konservatoriums  dell'Ospedaletto 
zu  Venedig;  ein  Konkurs  für  die  Domkapellmeisterstelle  in  Mailand 
gab  ihm  Gelegenheit,  sein  Talent  für  Kirchenmusik  zu  bewähren:  er 
besiegte  alle  seine  Nebenbuhler  u.  erhielt  die  Stelle,  in  welcher  er  von 
1779  bis  1784  für  Kirche  u.  Bühne  zugleich  arbeitete.  In  letzterm 
Jahre  folgte  er  einem  Bufe  nach  Petersburg  als  Kp.-M,  wo  er  von  der 
Kaiserin  Katharina  II.  mit  grosser  Auszeichnung  behandelt  u.  in  den 
Adelstand  erhoben  wurde.  Alter  u.  Gebrechlichkeit  machten  ihm  ein 
milderes  Klima  erwünschlich.  1802  reiste  er  nach  Italien  zurück,  kam 
aber  nur  bis  Berlin,  wo  er  am  28.  Juli  genannten  Jahres  starb.  Er 
gehörte  zu  den  besten  Komponisten  seiner  Zeit,  wovon  besonders  seine 
vielen  Kirchensachen  Zeugnis  ablegen. 

Saaveor,  Joseph,  berühmter  Mathematiker  u.  Physiker,  geb. 
den  24.  März  1653  zu  la  Fläche,  gest.  zu  Paris  am  9.  Juli  1716, 
legte  zur  Akustik  als  Wissenschaft  den  ersten  Gmnd  u.  gab  ihr  auch 
den  Namen. 

Savetta,  Antonio,  geh»  zu  Lodi,  war  Kp.-M.  an  der  Incoronata 
daselbst  u.  gab  von  1610—1640  verschiedene  Sammlungen  von  Madri- 
galen, Messen,  Motetten,  Psalmen  in  Druck. 

Sayioni,  Mario,  geb.  zu  Rom  um  1615,  war  Altist  der  päpstL 
Kapelle  u.  guter  Komponist.    (Motetten,  £om  1650  u.  1660.) 

Scacchi,  Marco,  geb.  zu  Bom  gegen  Ende  des  16.  Jhdts.,  ein 
Schüler  des  Fei.  Anerio,  ging  1618  als  Ep.-M.  Siglsmunds  HI.  nach 
Warschan,  1648  kehrte  er  nach  Italien  zurück  u.  starb  zu  Galese 
im  Eirchenstaate  um  1680  in  hohem  Alter.  (Madrigalen,  Messen, 
Motett  u.  a.  m.) 

Scaletta,  0  r  a  z  i  o ,  geb.  zu  Gremona  in  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jhdts.,  starb  als  Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Antonio  in  Padua  im 
Jahre  1630.  In  Druck  erschienen  von  ihm  Madrigalen  u.  Kirchen- 
stücke,  auch  2  didaktische  Werke:  „Scala  della  musica  per  i  princi- 
panti"  (Mailand  1599)  und  „Primo  scaUno  della  scala  di  contrapunto*' 
(Maüand  1622). 


334  Soandelli  —  Soarlatti. 

SeaadelU,  Antonio,  geb.  zu  Brescia  1517,  kam  1556  als  knrfürstL 
sächsischer  Kp.-M.  nach  Dresden  n.  starlii  daselbst  am  18.  Jan.  1580. 

Sacrlatti,  Alessandro,  Begründer  der  neapolitanischen  Sch^le^ 
geb.  1659  zu  Trapani  in  Sizilien,  scheint  seine  ersten  Studien  in 
Palermo  gemacht  zu  haben,  dann  ging  er  nach  Rom,  wo  er  nnter 
Garissimi  oder  doch  wenigstens  durch  tieferes  Studium  der  Werke 
desselben  seine  Ausbildung  vollendete.  Durch  geniale  Schöpfangen  in 
allen  Musikgattungen  erhob  er  sich  bald  zu  einem  allgemein  bewunderten 
Tonsetzer,  auch  zeichnete  er  sich  durch  Virtuosität  auf  dem  Klavichord 
aus.  Die  Aufführung  seiner  ersten  Oper  fand  zu  Born  im  Palaste  der 
Königin  Christine  von  Schweden  statt,  deren  Kp.-M.  er  zweifelsohne 
geworden  ist.  Nach  dem  Tode  der  Königin  1688  blieb  er  noch  einige 
Zeit  in  Born  ohne  Anstellung  u.  komponierte  rastlos  für  die  Kirche 
u.  Bühne,  bis  er  als  Kp.-M.  an  den  kgl.  Hof  nach  Neapel  berufen 
wurde.  1703  kehrte  er  nach  Bom  zurück,  um  die  Musikleitung  an  der 
Hauptkirche  S.  Maria  Maggiore  zu  übernehmen,  anfangs  als  Beihülfe 
des  alten  Foggia,  nach  dessen  Tode  1707  er  wirklicher  Kp.-M.  wurde. 
Schon  Mher  hatte  auch  Kardinal  Ottoboni  ihn  zum  Direktor  seiner 
Kapelle  bestellt  u.  wahrscheinlich  Scarlatti*s  Erhebung  zum  Bitter  vom 
goldenen  Sporn  bewirkt.  1709  verzichtete  er  auf  seine  Stelle  in  Bom 
u.  kehrte  nach  Neapel  an  die  Hofkapelle  wieder  zurück,  wo  er  zugleich 
die  Oberleitung  der  drei  Konservatorien  übernahm.  Damit  gewann  er 
sowohl  auf  die  Ausbildung  der  vorzüglichsten  Künstler,  als  auch  auf 
die  gesamte  Bichtung  dieser  Institute  u.  den  Geist  der  neapolitanischen 
Schule  den  wichtigsten  Einfluss.  Unter  seinen  Schülern  zeichneten  sich 
aus:  Logroscino,  Durante  u.  Hasse.  Wie  ausserordentlich  thätig  u. 
wie  fruchtbar  sein  Genie  gewesen,  ergiebt  sich  aus  der  Zahl  seiner 
Kompositionen,  deren  bis  zum  Jahre  1715  gezählt  werden:  106  Opem^ 
mehrere  Oratorien  u.  sehr  viele  Kirchenkompositionen  (aller  seiner 
Messen  allein  sollen  200  sein).  Er  starb  den  24.  Oktober  1725.  — 
Scarlatti  besass  ein  mächtiges  Genie,  verband  mit  der  reichsten  und 
kühnsten  Phantasie  ein  weitumfassendes  Wissen,  die  stylistische  Bein- 
heit  der  römischen  Schule  u.  eine  in  unermesslichen  Arbeiten  gereifte 
Erfahrung.  Seine  oft  Überraschende  Modulation  verletzt  nie  das  Gehör 
u.  selbst  die  gewagteste  Fortschreitung  ist  niemals  stimmwidrig,  eine 
vorzugsweise  den  Italienern  eigene  Kunst,  weil  ihre  musikalische 
Erziehung  wesentlich  auf  der  Grundlage  der  Gesangsbildung  beruht. 
Er  war  im  Opern-  und  Instmmentalsatze  dem  Neuen  zugewendet  und 
selbst  Beformator.  Im  Kirchlichen  bekannte  er  sich  unerschütterlich 
zum  Alten  und  wirkte  nächst  den  römischen  Zeitgenossen  mit  Lotti 
in  Venedig  und  Fuz  in  Wien  am  kräftigsten  dahin,  gegen  die  schon 
weit  gediehene  Yerweltlichung  und  Mvole  Neuemngssucht  des  ver- 
flossenen Jahrhunderts  die  ächte  Kirchenmusik  in  Ansehen  und  Praxis 
zu  erhalten. 


Soarlatti  —  Sohaller.  835 

Scarlatti,  Domenico,  Sohn  des  Yorhergehenden,  geb.  zu  Neapel 
1683  (nach  einigen  1685),  war  der  grOsste  italien.  Klayierspieler  seiner 
Zeit  u.  für  den  Kiayiersatz  wahrhaft  ein  Erfinder;  von  seinen  Klavier- 
kompositionen  besass  Abb.  Santini  in  Born  allein  349  Sonaten. 
Gebildet  ward  er  teils  von  seinem  Vater,  teils  von  Gasparini  in  Rom 
n.  Bemardo  Pasquini.  Während  seines  Aufenthaltes  in  Born  um  1709 
machte  er  sich  dnrch  Kantaten  u.  Kirchensachen  bekannt,  woranf  er 
1715  Tommaso  Baj's  Nachfolger  als  Kp.-M.  bei  S.  Peter  im  Vatikan 
wurde,  1719  legte  er  diese  Stelle  wieder  nieder  u.  nach  mehrjährigem 
Aufenthalte  in  London,  Lissabon  u.  Mailand  kehrte  er  1754  wieder 
nach  Neapel  zurück.  Gestorben  soll  er  sein  als  Hofklavierlehrer  in 
Madrid  1757. 

Schacht,  Theodor  Freiherr  von,  geb.  zu  Strassburg  1748, 
studierte  die  Komposition  bei  Jomelli  in  Stuttgart  n.  ward  1775 
Intendant  der  Hofmusik  u.  Beisemarschall  des  Fürsten  von  Tum  und 
Taxis  in  Begensburg.  1806  legte  er  seine  Stelle  nieder  und  lebte 
fortan  in  Wien ;  1825  war  er  noch  am  Leben.  Er  war  ein  unermüdlick 
thätiger  Mann  u.  seine  Kompositionen  sind  fast  Legion,  er  schrieb 
für  Kirche,  Bühne  u.  Kammer;  manches  davon  ist  gedruckt,  ein 
grosser  Teil  befindet  sich  in  der  Taxischen  Musiksammlung  und  in 
Privatbibliotheken. 

Schack,  Benedict,  geb.  1758  zu  Mirowitz  in  Böhmen,  betrieb 
neben  seinen  wissenschaftlichen  Studien  auch  die  Musik  fleissig;  mehrere 
Kompositionsversuche  machten  ihn  vorteilhaft  bekannt.  Längere  Zeit 
diente  er  als  Theatersänger.  Mit  Schikaneder  kam  er  nach  Salzburg, 
dann  nach  Begensburg,  wo  er  die  Komposition  fleissig  übte  u.  nicht 
blos  Operetten  u.  a.,  sondern  auch  einige  Kirchenwerke  lieferte,  1796 
ward  er  als  Hofsänger  nach  München  berufen,  1805  Hess  er  sich 
pensionieren  und  starb  daselbst  den  11.  Dez,  1826. 

Schaller,  Ferdinand,  geb.  den  30.  März  1835  zu  Waldershof 
in  der  Oberpfalz,  erhielt  im  Vaterhause  durch  seinen  Bruder  Joseph 
einigen  musikalischen  Unterricht,  der  jedoch  sehr  ungenügend  war. 
Seine  Musikanlagen  fanden  ihre  systematische  Ausbildung  erst  während 
seiner  Studienjahre  im  bischöfl.  Knabenseminar  zu  Metten,  wo  er  durch 
die  umsichtige  Leitung  des  damaligen  Direktors  dieser  Anstalt,  P.  Utto 
Lang  (nachmals  Abtes  des  Klosters),  Gesaug,  Violin-,  Klavier-  u* 
Orgelspiel  erlernte,  später  in  die  Behandlung  der  Blasinstrumente  u. 
in  die  Harmonielehre  eingeführt  wurde.  In  seinem  16.  Lebensjahre 
versuchte  er  sich  schon  in  der  Komposition  von  vierstimmigen  Liedern 
und  Messen.  Gleichwohl  war  er  auch  im  Studium  stets  unter  den 
£rsten.  In  der  Oberklasse  kam  er  zur  weitem  Ausbildung  in  der 
Musik  nach  Begensburg  in  das  Seminar  St.  Paul  u.  genoss  einige  Zeit 
den  Unterricht  des  hochverdienten  J.  G.  Mettenleiter.  Nach  3  Jahren 
kam  er  als  Convictor  in's  erzbischöfl.  Klerikalseminar  nach  Freising 


^36  Scheidt  —  Sohenk. 

und  übernahm  dort  die  Leitung  des  Seminarchores.  Er  komponierte  da 
ftlr  seine  Mitalumnen  eine  4Btimmige  Messe,  mehrere  Marienlieder  und 
kleinere  Piecen  für  h&usliche  Produktionen,  schrieb  zwei  6stimmige 
Vespern  de  Beata,  eine  48timm.  Messe  für  die  Fastenzeit,  eine  instru- 
mentierte Messe  und  mehrere  Motetten.  Nach  seiner  Ordination  1859 
wirkte  er  fast  4  Jahre  als  Coadjutor  in  Mittenwald;  dieser  musikalische 
und  durch  seine  Geigenfabrikation  berühmte  Ort,  sowie  die  Gross- 
artigkeit der  ganzen  ihn  umgebenden  Natur  regten  Schaller  zu  neuem 
tonkünstlerischen  Wirken  und  Schaffen  an.  Ein  7stimm.  Misereret 
eine  Messe  für  4  Männerstimmen  nebst  Graduale  u.  Offertorium,  zwei 
instrumentierte  Messen,  ein  3stimm.  Requiem  u.  anderes  war  die  Frucht 
seiner  Thätigkeit.  Nach  Freising  u.  sp&ter  in  die  Vorstadt  Au  be- 
rufen, fand  er  neben  seinen  seelsorglichen  Geschäften  noch  inmier  Müsse, 
der  Komposition  zu  obliegen,  bis  er  am  1.  Oktbr.  1867  zum  Präfekten 
des  neuerrichteten  Domchor^Enabeninstitutes  bei  St  Johann  in  München 
ernannt  wurde.  Hier  konnte  er  ganz  seinem  musikalischen  Berufe  sich 
widmen.  Von  seinen  Werken  sind  im  Druck  erschienen:  12 — 15  Messen, 
wovon  die  bedeutendsten  sind:  die  Missa  ,,Sa]ye  regina,**  „Per  signum 
'crucis,^*  „Quinti  toni,"  dann  3  Sonntagsmessen;  mehrere  Requiem, 
1  Te  Deum,  14  Motetten  de  Comm.  Sanct.  3  od.  4stimmig;  sämtliche 
Vesperpsalmen  in  Falsobordone  sowie  sämtliche  Introitus,  Gradualia, 
Offertoria  u.  Gommun.  für  alle  Sonn-  u.  Festtage  u.  s.  w.  Mskr.  blieben 
bis  jetzt  5stimm.  Offertorien  für  die  Festtage  des  Kirchenjahres  u.  a. 
Er  starb  d.  9.  März  1884. 

Scheidt  oder  Scheid,  Samuel,  geb.  1587  zu  Halle,  daselbst  gest. 
14.  März  1654  als  Ep.-M.  des  Administrators  Christian  Wilhelm,  war 
einer  der  berühmtesten  Tonsetzer  seiner  Zeit,  gewöhnlich  einer  der 
drei  berühmten  oder  grossen  S  (Schütz,  Schein,  Scheidt)  genannt* 
Gedruckt  erschienen  von  seinen  Werken:  Geistliche  Gesänge  und 
Konzerte,  Orgelstücke  (darunter  besonders  „Tabulatura  nova"  Hamburg 
1624)  Psalmen  u.  a. 

Schein,  Johann  Hermann,  einer  der  drei  grossen  S ' des 
17.  Jhdts.,  geb.  den  20.  Jan.  1586  zu  Grünhain  Sachsen,  studierte  in 
Leipzig  Theologie  und  Musik,  kam  1615  als  herzogl  Kp.-M.  nach 
Weimar,  1616  aber  nach  Leipzig  an  Seth  Oalvisius  Stelle  als  Kantor 
an  der  Thomasschule;  daselbst  starb  er  am  19.  Nov.  1630.  Gedruckt 
erschienen  von  seinen  Kompositionen  viele  geistliche  und  weltliche 
Gesänge,  geistliche  Konzerte  u.  weltliche  Stücke. 

Schenk,  Alois  David,  geb.  zu  Kaltem  in  Tyrol  4.  Okt.  1839, 
derzeit  Dekan  u.  Stadtpfarrer  in  Klausen,  wurde  zuerst  durch  Anton 
V.  Mayrl  mit  der  besseren  Richtung  der  Kirchenmusik  vertraut  gemacht 
u.  gründete  1863  zu  Gries  bei  Bozen  im  Verein  mit  AI.  Rieder  den 
Südtiroler  Kirchenmusik-Verein  „Oäcilia,**  nachdem  schon  firüher  ein 
solcher  Verein  angestrebt  worden  war.    Er  schrieb:  2  Missae  breves 


Soherzinger  —  Sohildkneoht.  23T 

de  Beqniem,  Litaniae  lanret.,  Te  Denm,  Miserere,  Marienlieder,  Predigt- 
gesänge,  Motetten,  eine  Beihe  von  ein-  u.  mehrstimmigen  weltlichen 
Liedern,  meist  Mskr. ;  femer  „Zwei  wichtige  Fragen  der  Mrchenmasik. 
Reform"  (2.  Anfl.  Regensbg,  Pustet);  ausserdem  mehrere  Aufsätze  u* 
Abhandlungen  über  E.-Mu8ik  in  Zeitschriften. 

Schersinger,  P.  Cornel,  Mönch  des  Cisterzienserklosters  Lilien- 
feld, war  geboren  1814  zu  Penzing  bei  Wien,  f  8.  Jan.  1876^  war  ein. 
fruchtreicher  Komponist.  Im  Mskr.  sind  von  ihm  yorhanden:  17  grössere 
XL  kleinere  Messen,  3  Bequiem,  17  Gradualien,  28  Offertorien  u.  y.  a. 

SchgrafPer,  Jakob,  geb.  zu  Bozen,  starb  daselbst  als  Pfarr- 
orgamst  im  Jahre  1859.  Zu  Mailand  ausgebildet  blieb  er  der  neueren, 
italienischen  Musik  allzusehr  zugethan,  weshalb  seinen  yielen  Kompo- 
sitionen (Litaneien,  Messen,  Miserere,  Tantum  ergo  u.  s.  w.)  ein  sehr 
weltlich  brillantes  Wesen  eigen  ist,  wodurch  sie  allerdings  lange  Zeit, 
grosse  Beliebtheit  errangen. 

Schicht,  Johann  Gottfried,  geb.  den  29.  Sept.  1753  zu 
Beichenau  bei  Zittau,  beschäftigte  sich  schon  frühzeitig  mit  Musik; 
in  Leipzig  begann  er  das  juridische  Studium,  wendete  sich  aber  bald 
ganz  der  Tonkunst  zu.  Längere  Zeit  diente  er  als  Klayierspieler  bei 
den  Gewandhauskonzerten  in  Leipzig  u.  trat  1785  nach  Hiller's  Ab* 
gang  in  dessen  Amt  als  Direktor  dieser  Konzerte  ein.  Nicht  blos  die 
praktische  Musik  war  es,  welcher  er  seine  Liebe  u.  Kraft  zuwendete,, 
auch  das  Studium  der  Theorie  zog  er  in  ausgedehnter  Weise  in  seinen. 
Bereich,  wozu  ihm  Hiller's  Freundschaft  die  lebendige  Anweisung 
darbot.  Anfangs  der  achtziger  Jahre  galt  er  schon  für  einen  gründ- 
lichen Kontrapunktisten  und  gediegenen  Tonsetzer.  1810  ward  er 
Kantor  an  der  Thomasschule  und  Musikdirektor  der  beiden  Leipziger 
Hauptkirchen  und  wirkte  in  diesen  Ämtern  bis  zu  seinem  Tode,  welcher 
am  16.  Febr.  1823  erfolgte.  Er  hinterliess  zahlreiche  Kompositionen,^. 
Oratorien,  Kantaten,  Psalmen  u.  a.,  auch  ein  theoret.  Werk:  „Grund- 
regeln der  Harmonie  nach  dem  Verwechslungsystem*'  (Leipzig). 

Schiedermeier,  Joseph  Bernhard,  gest.  als  Domorganist  zu 
Linz  am  8.  Jan.  1840,  hat  yiele  Kirchensachen  komponiert,  die  in  ihrer 
weltlichen  Heiterkeit  lange  Zeit  auf  den  Kirchenchören  ihr  Unwesen 
trieben.  Der  grösste  Teil  derselben  gehört  unter  das  ünkirchlichste, 
was  je  erzeugt  worden  ist. 

Schildknecht,  Joseph,  geb.  4.  Febr.  1861  zu  St.  Georgen 
(St.  Gallen),  Sohn  eines  Lehrers,  erhielt  schon  frühzeitig  Klayier- 
unterricht,  ward  yom  Dom-Kp.-M.  Stehle  auch  in  die  Harmonielehre 
eingeführt  u.  frequentierte  dann  1878—79  die  kirchl.  Musikschule  in 
Freiburg  i.  Br.  Bis  Ende  des  letzteren  Jahres  yersah  er  daselbst  die 
Stelle  eines  Domchorassistenten  u.  2.  Domorganisten;  1880  besuchte  er 
die  Kirchenmusikschule  in  Begensburg.  1881  Chorregent  u.  Organist 
in  Bischofszeil,  Ende  dieses  Jahres  bis  1885  bekleidete  er  die  Stelle 


1238  Sohinn  —  Sohlett. 

eines  Seminar-Musiklehrers  in  Zug,  worauf  er  in  gleiche  Stelle  am 
Inzemischen  kathol.  Lehrerseminar  zu  Hitzkirch  eintrat,  zugleich  als 
Organist  u.  Chorregent  an  der  Pfarrkirche  daseihst  fungierend.  ^Er 
lieferte  his  jetzt  mehrere  gediegene  musik.  Artikel  in  verschiedene 
Zeitschriften  u.  edierte  4  Messen  für  2,  3, 4  Stimmen  mit  Orgelhegleitg., 
2  Bequiem;  Organum  concomitans  zu  den  Gradualien,  Traktus  und 
Sequenzen  des  Graduale  rom.;  178  Recitationskadenzen  f.  d.  Orgel  n. 
andere  kleinere  Kompositionen. 

Schinn,  Georg,  geh.  zu  Sinzing  hei  Regenshurg  am  14.  Septhr. 
1768,  ergriff  nach  vollendeten  Universitätsstudien  die  Musik  als  Lehens- 
heruf,  trat  in  die  Kapelle  des  Fürstbischofs  von  £ichstädt  als  Flötist 
ein  u.  machte  dann  Kompositionsstudien  heim  dortigen  Domkp.-M. 
Bachschmidt  u.  später  bei  Mich.  Haydn.  1806  trat  er  in  das  Münchner 
Hoforchester  u.  blieh  hier  his  zu  seinem  Tode,  den  18.  Febr.  1833. 
Von  seinen  Kirchenkompositionen  waren  mehrere  weiter  bekannt  u. 
geschätzt. 

Schlecht,  Raimund,  geb.  den  11.  März  1811  zu  Eichstädt,  be- 
suchte daselbst  die  4  niedem  Lateinklassen,  absolvierte  das  Gynmasium 
u.  nachdem  er  4  Jahre  am  Lyceum  zu  Regensburg  studiert  hatte, 
ward  er  in*s  Klerikalseminar  zu  Eichstädt  aufgenommen,  woselbst  er 
am  28.  Aug.  1834  zum  Priester  geweiht  wurde.  Nachdem  er  einige 
Zeit  in  Hollfeld  als  Hilfspriester  gearbeitet  hatte,  trat  er  den  30.  Jan. 
1836  als  Präfekt  n.  erster  Lehrer  in*s  kgl.  Schullehrerseminar  zu  Eich- 
städt ein,  1838  den  13.  Nov.  ward  er  zum  Inspektor  u.  Vorstand  dieses 
Instituts  ernannt,  1870  pensioniert,  f  24.  März  1891.  Von  Jugend  an 
der  Musik  ergeben,  eröf&iete  ihm  seine  Stellung  in  einer  Schullehrer^ 
bildungsanstalt  einen  bedeutenden  Wirkungskreis,  u.  als  gründlicher 
Musiker,  theoretisch  u.  praktisch  gebildet,  suchte  er  seine  Zöglinge  auf 
eine  höhere  Stufe  des  mit  ihrem  künftigen  Berufe  so  eng  verbundenen 
Musikbetriebes  zu  heben.  Zu  diesem  Zwecke  veranstaltete  er  die  Heraus- 
gabe mehrerer  guter  Werke:  „Offic.  inNativ.  D.  N.  J.  Ch.  et  Hebdomadae 
Sctae*^  mit  übersetzten  deutschen  Rubriken  (Nördlingen  1844, 2.  Aufl.  1850) 
u.  „Vesperae  Breviarii  Rom.**  (ebenda  1852);  eine  „Auswahl  deutscher 
Kirchengesänge  alter  u.  neuer  Zeit,**  harmonisiert  u.  mit  Bemerken 
versehen  (Nördlingen  1848,  1849)  3  Hefte;  Gradualia  et  Offertoria  de 
Oomm.  Sanct'*  (ebenda  1853).  Ausserdem  schrieb  er  noch  viele  gediegene 
Artikel  in  musikalische  u.  pädagogische  Zeitschriften. 

Schlett,  Joseph,  geb.  17.  Juli  1764  zu  Wasserburg  am  Inn, 
Btndierte  einige  Zeit  Jurisprudenz,  sah  sich  aber  wegen  unzureichender 
Mittel  genötigt,  in  München  eine  musikal.  Anstellung  zu  suchen* 
1794  ward  er  Organist  u.  Musiklehrer  am  Seminar,  später  Professor 
an  der  Ritterakademie.  Immer  war  er  der  Musik  mit  Liebe  zugethan 
u.  hatte  durch  einige  Kirchenkompositionen  sich  einen  guten  Namen 
gemacht.    Gestorben  ist  er  am  26.  Dez.  1836. 


Schlier  —  Schneider.  239 

Schlier,  Johann,  geb.  den  22.  Okt.  1792  zn  Salzburg,  erhielt  von 
Hieb.  Haydn  den  ersten  Unterricht  im  Generalbass;  1813  betrat  er  die 
militärische  Laufbahn,  nal^  1825  seinen  Abschied  und  lebte  fortan 
in  Salzburg  der  Tonkunst.  Es  sind  von  ihm  mehrere  Eirchenkompo- 
müonen  bekannt  geworden. 

Schmidt,  Friedrich,  geb.  5.  März  1840  zu  Hartefeld  bei  Sevelen 
{Westfalen),  erhielt  12.  März  1864  die  Priesterweihe  u.  wurde  17.  Okt. 
1866  zum  Domchordirektor  zu  Münster  ernannt.  Seitdem  wirkte  er 
eifrigst  für  Hebung  u.  Verbesserung  der  Kirchenmusik;  in  Druck  ver- 
•öffentlichte  er  zwei  Messen  (S  Ludgeri  u.  de  Nativitate  D.  N.  J.  Gh.), 
ein  Heft  Motetten  u.  eine  Litanei,  ausserdem  finden  sich  Kompositionen 
Ton  ihm  in  einigen  Sammlungen.  Seit  langer  Zeit  auch  Lektor  der 
Musikgeschichte  an  der  k.  Akademie  zu  Münster,  ward  er  nach 
Dr.  Wittes  Tod  auf  der  Generalversammlung  des  Gäcilienvereins  zum 
Oeneralpräses  gewählt  (1889).  1890  ernannte  ihn  der  helL  Vater 
Leo  Xm.  zum  päpstlichen  Ehrenkämmerer. 

Schnabel,  Joseph  Ignaz,  geb.  am  24.  Mai  1767  zu  Naumburg 
in  Schlesien,  übernahm  nach  absolviertem  Gymnasium  zu  Breslau  eine 
Schulstelle  im  Dorfe  Paritz  bei  Naumburg  und  begann  hier  die  Kom- 
position zu  üben.  1797  hatte  er  das  Glück,  in  Breslau  als  Organist 
^tn  St.  Clara  und  Violinist  auf  dem  Chore  der  St.  Vincenzkirche  an« 
gestellt  zu  werden.  Einflussreich  für  seine  künstlerische  Fortbildung 
war  sein  freundschaftliches  Verhältniss  mit  dem  Musikdirektor  Förster 
und  schon  1789  trat  er  mit  drei  Messen  hervor,  welche  ihm  die  öfPentr 
liehe  Aufmerksamkeit  erwarben»  1805  wurde  er  zum  Domkapellmeister 
in  Breslau  ernannt  und  1812  erhielt  er  die  Stelle  als  üniversitäts- 
mnsikdirektor  und  Musiklehrer  am  kathol.  Seminar.  Unermüdlich  und 
wohlthätig  wirkte  er  in  diesen  Ämtern  bis  zu  seinem  Tode,  am 
16.  Juni  1831.  Ausser  einigen  Kompositionen  für  Blasrastramente, 
einigen  Kantaten  u.  Liedern  hat  er  eine  sehr  grosse  Zahl  von  Kirchen- 
sachen herausgegeben,  von  welchen  viele  noch  jetzt  geschätzt  werden. 
Wir  finden  vorzüglich  in  seinen  Messen  den  Ausdruck  einer  ernsteren, 
erhabneren,  den  heiligen  Handlungen  angemessneren  Stimmung,  als 
diess  in.  den  meisten  Kirchenmusiken  der  Fall  ist;  er  macht  nicht 
künstliche  Musik  um  ihrer  selbst  willen,  er  komponiert  mehr  im 
katholischen  Bewusstseiu  und  mit  Itücksichtnahme  auf  den  kirchlichen 
Charakter. 

Schneider,  Franz,  geb.  1737  zu  Pulkau  in  ünterösterreich,  kam 
auf  Albrechtsberger's  Empfehlung  als  zweiter  Organist  ins  Kloster 
Molk.  Unter  dieses  Meisters  Leitung  bildete  er  sich  in  der  Kompo- 
sition noch  weiter  aus,  wurde  später  dessen  Nachfolger  als  erster 
Organist  und  nachgehends  auch  zum  Schuldirektor  ernannt.  Bei  der 
Verlegung  des  Gymnasiums  von  Molk  nach  St.  Polten,  zog  er  auch 
dahin,  versah  nebenbei  noch  das  Amt  eines  Chordirigenten  und  starb 


S40  Solmeider  —  Sclmyder  von  Wartensee. 

am  15.  Febr.  1812.  Er  wird  als  ein  grosser  Meister  auf  der  Orgel  iu 
als  höchst  gründlicher  Tonsetzer  gerühmt.  Von  seinen  unzähligen 
Kirchensachen  ist  nichts  durch  Druck  veröffentlicht  worden. 

Schneider,  Friedrich,  der  berühmte  Tonsetzer,  war  geb.  am 
3.  Jan.  1786  zu  Altwaltersdorf  bei  Zittau.  Sein  Vater  unterrichtete 
ihn  gründlich  in  der  Musik  und  mit  8  Jahren  vermochte  er  diesen  im 
Orgelspiel  und  ünterrichtgeben  zu  unterstützen.  Im  9.  Jahre  machte 
er  die  ersten  Eompositionsversuche.  Nachdem  er  die  wissenschaftliche 
Studienlaufbahn  auf  den  Wunsch  seines  Vaters  durchgemacht  hatte> 
wobei  er  auf  der  Universität  Leipzig  durch  die  Bekanntschaft  mit 
Bochlitz,  Schicht  u.  a.  sehr  viel  für  die  Musikbildung  gewann,  widmete 
er  sich  ausschliesslich  der  Tonkunst.  Von  1806  an  bekleidete  er  die 
Stelle  eines  Gesanglehrers,  dann  eines  Organisten  u.  später  die  Stelle 
eines  Musikdirektors  bei  einer  Schauspielergesellschaft,  bis  er  1812 
Organist  an  der  Thomaskirche  in  Leipzig  wurde.  Daselbst  komponierte 
er  mehrere  Vokalmessen  und  begann  auch  in  der  Komposition  für 
Männerquartett  Gutes  zu  leisten.  1819  vollendete  er  sein  berühmtes, 
seinen  grossen  Kuf  begründendes  Oratorium  „Das  Weltgericht,*^  welche» 
unzählige  Aufführungen  erlebte  und  auch  die  allgemeinste  Aner- 
kennung verdiente.  1821  berief  ihn  der  Herzog  von  Dessau  als  Kp.-M. 
und  Organist  an  der  Schlosskirche  nach  Dessau.  Daselbst  gründete  er 
1829  ein  Musikinstitut,  welches  einen  grossen  Buf  erlangte,  ünermüdet 
war  er  im  Schaffen,  Wirken  und  Lehren  und  keinen  tüchtigeren 
Dirigenten  kannte  man  als  ihn.  Ausser  mehreren  didaktischen  Schriften 
erschienen  105  Werke:  Oratorien  („Das  Weltgericht,"  „Die  Sündfluth," 
„Das  verlorene  Paradies,"  „Christus,  das  Kind"  u.  a.),  2  Messen^ 
Psalmen  u.  dgl.  im  Druck,  unzählige  verblieben  in  Mskr.  Überall  ward 
der  würdige  Meister  geehrt  u.  ausgezeichnet  durch  Orden  u.  Doktor- 
diplome.   Sein  Leben  endete  am  23.  Nov.  1853. 

Schneider,  Ludwig,  geb.  den  15.  Aug.  1806  zu  Büdesheim, 
gest.  als  Pfarrer  zu  Eibingen  am  23.  Jan.  1864,  setzte,  nachdem  er  in 
früheren  Jahren  der  modernen  Kirchenmusik  leidenschaftlich  ergeben 
war,  seit  1849  alle  seine  Kraft  daran,  den  gregorianischen  Gesang  in 
möglichster  Beinheit  mit  entsprechender  Orgelbegleitung  zurehabilitieren. 
Welch  tüchtiger  Kontrapunktist  er  war,  beweisen  seine  2— 8stimmigen 
Kompositionen,  die  er  vor  1849  über  bekannte  lateinische  Kirchenlieder 
kontrapunktisch  arbeitete  u.  in  seiner  Kirche  aufführte.  Seine  Grund- 
sätze über  Choral  u.  seine  Harmonisierung  finden  sich  in  dem  1866 
von  Fr.  J.  Mayer  u.  Erwin  Schneider  herausgegebenen  „Gregorianische 
Choralgesänge  etc.,  harmonisiert  von  Ludwig  Schneider"  (Frankfarti 
Hammacher). 

Schnyder  von  Wartensee,  Xaver,  geb.  zuLuzem  am  18.  April 
1786,  aus  einem  der  ersten  Patriziergeschlechte,  übte  sich  in  seiner 
Jugend  viel  in  der  Musik,  machte  auch  Kompositionsversuche  ohne 


Schöpf  —  Schreins.  241 

weitere  Anleitung,  erst  1810,  da  er  sich  der  Mnsik  ganz  sdienken 
konnte,  begann  er  Harmonielehre  n.  Komposition  zu  studieren,  znerst 
in  Zürich,  dann  in  Wien.  1816  wurde  er  als  Lehrer  in  Pestalozzi's 
Erziehungsanstalt  zu  Yverdun  angestellt.  Im  folgenden  Jahre  ging  er 
nach  Frankfurt  a.  M.,  wo  er  bis  zu  seinem  Tode,  den  27.  August  1868, 
mit  Unterricht  in  der  Tonsetzkunst,  mit  Komponieren  u.  Schriftstellerei 
sich  beschäftigte.  Er  zählt  zu  den  bedeutendsten  Kontrapunktisten 
unserer  Zeit. 

Schöpf,  Franz,  geb.  1836  zu  Girlan  in  Tyrol,  gegenwärtig  Stadt- 
pfarrorganist in  Bozen  u.  Vorstand  des  dortigen  Cäcilia-Vereins,  durch 
Anton  y.  Mayrl  zu  eifrigem  Studium  der  Musik  angeleitet,  schrieb  viele 
Kirchen  werke,  die  besonders  auf  Landchören  verbreitet  sind;  eines  der 
besten  Werke  ist  sein  Oratorium:  „Abschied  Jesu  zu  Bethanien"  (ver- 
legt bei  Maülinger  in  Augsburg). 

Schott,  Caspar,  geb.  1608  zu  Königshofen  bei  Wtirzburg,  trat 
frühzeitig  in  den  Jesuitenorden.  Er  wanderte  dann  nach  Sicilien,  wo 
er  seine  Studien  vollendete  und  hierauf  mehrere  Jahre  Theologie  und 
Mathematik  docierte.  Nach  Born  berufen  trat  er  in  innigste  Freund- 
schaft mit  Ath.  Kircher,  dem  er  viele  Belehrung,  namentlich  auch  in 
musikal.  Dingen  verdankte.  Nach  SOjähriger  Abwesenheit  kam  er 
wieder  nach  Würzburg,  wo  er  seine  Schriften  zur  Herausgabe  vor- 
bereitete, u.  am  22.  Mai  1666  starb.  Seinen  „Oursus  mathematicus," 
in  28  Bücher  geteilt,  begann  er  1661  herauszugeben;  das  25.  Buch 
„Organum  mathematicum"  betitelt,  erschien  erst  1668  zu  Würzburg. 
Darin  handelt  er  von  der  Musik,  ihrer  Einteilung,  ihren  Systemen, 
Geschlechtern,  von  der  Melopoie  oder  Melodiebildtmg  u.  der  praktischen 
Behandlung  des  Kontrapunktes.  In  seiner  „Mechanica  hydraulico- 
pneumatica"  (Würzburg  1657)  giebt  er  Anleitung  zur  Verfertigung  von 
musikalischen  Automaten. 

Schreiber,  P.  Johann,  geb.  1716  zu  Arth,  trat  1738  in  das 
Gisterzienserkloster  St.  Ürban  (Schweiz)  u.  war  in  der  Musik  sehr 
thätig.  Gedruckt  erschienen  von  seinen  Kompositionen:  Op.  I.  Fasci- 
culus  Ariarum  24  gloriosae  Virg.  Mariae,  quarum  XII  Duetto,  XII  Solo, 
c.  2  Viol.,  Viola  et  dupl.  Basso  (Freiburg  1747);  Op.  11.  Missale  Cisterc. 
musicum,  complectens  VI  Missas  cum  n  Bequiem  a  4  voc,  2  Viol., 
Viola,  2  Clarin.  vel  Com.  (ibid  1747);  Op.  IH.  adoratio  Del  per  XV 
Offertoria  solemn.  a  4  voc,  2  Viol.  etc.  Pars  I.  (St.  Gallen  1754).  f  1800. 

Schrems,  Joseph,  geb.  den  5.  Okt.  1815  zu  Warmensteinach  in 
der  Oberpfalz,  machte  seine  Studien  im  Seminar  zu  Amberg,  wo  er  sich 
als  Violinspieler  auszeichnete,  ward  am  5.  Okt.  1838  zum  Priester 
geweiht  u.  1840  zum  Domkp.-M.  u.  Inspektor  der  Dompräbende  in 
Kegensburg  ernannt.  Er  hob  als  ausgezeichneter  Dirigent  die  Dom- 
musik zu  einem  hohen  Grade  der  Vollkommenheit,  das  grösste  Ver- 
dienst aber  erwarb  er  sich  als  Bestaurator   der  älteren  Kirchenmusik 

Kornmlillpr,  LeTlkon.    IL  Bd.  16 


242  Schreyer  —  Schübiger. 

auf  dem  Domchore  n.  reiht  sich  würdig  den  zwei  grossen  Bestanra- 
toren  Dr.  Proske  n.  J.  G.  Mettenleiter  an.  Er  war  unstreitig  einer 
der  tüchtigsten  Kapellmeister,  die  je  an  dem  Dome  zn  Begraislrarg 
gewirkt  haben.  Das  Mnsikalien-ArchiT  dieses  Chores  ist  durch  ihn 
ganz  umgestaltet,  sozusagen  neugeschaffen  worden,  u.  zwar  in  einem 
Beichtume,  der  in  Erstaunen  setzt.  Kaum  ist  in  einer  Kathedrale 
von  Frankreich,  Italien  u.  Deutschland  für  das  ganze  kirchliche 
Jahr  eine  solche  Ffllle  des  gediegensten  musikalischen  Materials  zum 
praktischen  Gebrauche  aufgehäuft,  wie  das  hier  durch  die  uner- 
müdliche Thätigkeit  dieses  strebsamen  Mannes  geschehen  ist.  Hierzu 
bot  ihm  freilich  auch  die  Proske'sche  Bibliothek  eine  unerschöpfliche 
Fundgrube.  Sein  Wirken  blieb  aber  nicht  auf  den  engen  Kreis  der 
Stadt  Begensburg  eingeschränkt,  seine  Schüler  machten  die  bei  ihm 
gewonnenen  Kenntnisse  iL  Erfahrongen  auch  in  weiter  Feme  nutzbar. 
Er  starb  den  25.  Okt.  1872. 

Sehreyer,  P.  Gregor,  geb.  zu  Kirchenpingarten  (Oberpfalz)  trat 
1740  in  das  Benediktinerkloster  Andechs,  war  ein  trefflicher  Organist, 
Violinist  u.  Kompositeur.  Im  Druck  erschienen  von  ihm  8  solenne 
Messen  (Augsbg.  1756);  Sacrificium  matutinum  sen  Missae  VI  breves 
a  4  Toc.  2  Viol.  2  Olarinis  yel  Com.  cum  dupl.  Basso  (1763),  Op.  n.; 
Sacrificium  vesp.  seu  Vesperae  VI  cum  Psalmis  residuis  (gleiche 
Besetzung)  Op.  IIL  (1766). 

Schubert,  Franz,  der  berühmte  Liederkomponist,  war  geb.  den 
31.  Jan.  1797  zu  Wien,  u.  schon  im  Knabenalter  trat  sein  Musiktalent 
auffällig  hervor.  Nachdem  er  im  k.  k.  Oonvicte  zu  Wien  einige  Jahre 
studiert  hatte,  leistete  er  seinem  Vater  (in  der  Vorstadt  Himmelpfort- 
grund) 5  Jahre  lang  Schulgehilfendienste,  immer  nebenbei  fieissig  der 
Musik  obliegend.  1814  gab  er  seine  erste  grosse  Messe  heraus,  welche 
einiges  Aufsehen  erregte.  Als  Sing-  u.  Klaviermeister  des  Grafen 
J.  Esterhazy  verblieb  er,  einige  kleine  Ausflüge  abgerechnet,  nun  immer 
in  Wien  bis  zu  seinem  Tode,  welcher  schon  am  19.  November  1828 
erfolgte.  Er  war  eine  der  reichsten  musikalischen  Naturen,  voll 
Originalität  in  seinen  Gedanken,  unerschöpflich  in  der  Erfindung;  ob 
dieser  ünerschöpflichkeit  u.  diesem  Schaffensdrang  vernachlässigte  er 
nur  zu  oft  die  Feile  seiner  Werke  u.  die  i^otwendige  Architektonik. 
Zumeist  tritt  er  in  seinem  musikal.  Wesen  in  die  Fusstapfen  Haydn's, 
aber  es  regen  sich  in  seinen  Werken  auch  schon  Keime  der  sog. 
Zukunftsmusik.  Ausser  seinen  vortrefflichen  Liedern  u.  Kammermusik- 
werken sind  auch  Kirchenmusiken  bekannt,  unter  diesen  5  grössere 
Messen. 

Schabiger,  P.  Anselm,  geb.  den  5.  März  1815  zuüznach,  Kant. 
St.  Gkkllen,  kam  als  fertiger  Klavierspieler  u.  Altsänger  in  die  Kloster- 
schule nach  Einsiedeln,  in  der  Syntax  machte  er  sich  schon  ohne  weitere 
Anleitung  an  die  Komposition  allerlei  kleiner  Stücke;  diese  u.  alle 


Sobnbiger.  343 

Werke  seiner  Mheren  Jahre  hatten  den  Charakter  des   Gefälligen, 
Galanten,  Melodischen,  wozn  hesonders  die  italienischen,  damals  in 
Einsiedeln  belichten  Kirchenmusiken  beitragen.    Vorerst  hatte  er  an 
Werktagen  die  Orgel  zu  spielen,  1835  zum  Priester  geweiht,  wurde  er 
als  Professor  einer  Gymnasialklasse  verwendet,  worauf  er  die  Musik- 
direktion übernahm.    Nun  komponierte  er  viel,  besonders  Messen  mit 
Orgelbegleitung  u.  dgl,  auch  einige  Schultheater  (Singspiele).    Treff- 
liche Musiker,  welche  unter  den  Oonyentaalen  sich  befanden,  halfen 
seine  Musikbüdung  zu  vollenden.    Zu  gleicher  Zeit,  als  die  Marien- 
lieder von  Görres  u.  ihre  Bearbeitung  von  Aiblinger  erschienen,  hatte 
auch  Schubiger  eine  Beihe  solcher  Lieder  geschrieben,  „Marienrosen*' 
betitelt,  bereits  in  10.  Auflage  erschienen  und  in*s  Französische  über- 
tragen u.  nachgedruckt.    Bald  erschienen  zwei  andere  Sammlungen 
frommer  Kirchenlieder:  „Laudate  Dominum"  u.  „Das  Lob  Gottes  im 
Munde  der  Unschuld,"  nachdem  er  früher  schon  ein  Heft  mit  6  Anti- 
phonen vom  hl.  Sakramente  für  4  Singstimmen  veröffentlicht  hatte. 
Inzwischen  wandte  sich  Schubiger  immer  mehr  von  der  Komposition 
und  der  neueren  Musik  ab  und  zu  ernstem  Studium  der  älteren  Musik 
hin,  wozu  ihm  die  handschriftlichen  Schätze  der  Klosterbibliothek  und 
später  auch  andere  Schweizerkloster  wichtigen  und  bis  jetzt  wenig 
benützten  Stoff  lieferten.     Die  Herausgabe   des  berühmten  ältesten 
Antiphonars  von  St.  Gallen  durch  P.  Lambilotte  und  die  Ansichten 
desselben  über  diess  Werk   veranlassten  ihn,   neue  Untersuchungen 
darüber  anzustellen,  deren  Besultat  die  Unächtheit  des  als  eine  wahre 
Abschrift  des  gregor.  Antiphonars  behaupteten  Schriftstückes  ergaben. 
Er  veröffentlichte  solches  in  der  zu  Paris  erschienenen  „Revue"  des 
Th.  Nisard  und  erregte  dadurch  einen  wahren  Sturm  gegen  sich,  zumal 
man  in  einigen  DiOzesen  Frankreichs  schon  angefangen  hatte,  die 
Ghoralbücher   nach   Lambilotte's   Grundsätzen    neu    aufzulegen.     Er 
schrieb  noch  mehrere  Artikel  in  französische  u.  deutsche  Musikblätter, 
von  denen  besonders  ein  Aufsatz  über  einen  Musiker  des   12.  Jhdts«, 
Wipo  mit  Namen,  welchen  er  als  den  Verfasser  der   Ostersequenz 
„Victimae  paschali"  entdeckte,  ihm  bei  französischen  Musikautoritäten 
gerechte  Anerkennung  verschaffte.    Unterdessen  setzte  er  seine  Arbeit 
an  einem  grossen  Werke  über  die  Neumen  fort,  fand  aber  keinen 
Verleger  für  dasselbe.     Endlich  übernahm   Benzinger  in  Einsiedeln 
die  Herausgabe  wenigstens  eines  Teiles  desselben,  weicher  die  von 
Bomanus  gestiftete  „Sängerschule  in  St.  Gallen  und  ihre  Geschichte 
vom  8.  bis  12.  Jhdt"  behandelt.    Das  wertvolle  Buch  erschien  unter 
diesem  Titel  i.  J.  1858.    Es  wurde  später  in  das  Französische  übersetzt 
u.  von  Th.  Nisard  in  der  „Bevue  musicale"  mitgeteilt.    1873  gab  Seh. 
die  Schrift  „Die  Pflege  des  Kirchengesanges  u.  der  Kirchenmusik  in 
der  deutschen  kathol.  Schweiz"  heraus.    Andere  Abhandlungen  von  ihm 
erschienen  in  musikalischen  od.  historischen  Zeitschriften,  namentlich 

16* 


244  Sohtirer  —  Schwarz. 

m  „Geschichtsfreund,  Mitteilangen  des  histor.  Vereins  der  fünf  Orte,** 
welcher  Qesellschaft  er  seit  1875  als  eifriges  Mitglied  angehörte.  Am 
6.  Sept  1885  feierte  er  sein  50jähriges  Jnbiläam  der  Ordensprofess. 
Obschon  an  Körper  n.  G«ist  vielfach  leidend,  war  er  doch  noch  be- 
ständig mit  musikalischen  Kompositionen  u.  historischen  Forschungen 
bis  nahe  vor  seinem  Tode  beschäftigt,  welcher  am  14.  März  1888  eintrat. 

Schürer,  Adam,  einer  der  besseren  Kirchenkompositenre  des 
vorigen  Jhdts.,  war  in  der  kurfürstlichen  Kapelle  zu  Dresden  angestellt 
und  starb  1780  in  hohem  Alter. 

Sehfits,  Heinrich,  (S  a g i 1 1 a r i u  s)  war  geb.  zu  Köstritz  im 
Voigtlande  am  8:  Okt.  1585,  studierte  anfänglich  nach  dem  Willen  seiner 
Sltem  Jurisprudenz,  1609  aber  ging  er,  veranlasst  u.  unterstützt  von 
dem  Landgrafen  Moritz  von  Hessen-Kassel,  in  dessen  Kapelle  er  Sopran- 
sänger gewesen,  nach  Venedig,  um  bei  dem  berühmten  Meister  Joh. 
Gabrieli  in  der  Musik  sich  auszubilden.  Erst  1612  kehrte  er  wieder 
nach  Kassel  zurück  u.  wurde  bald  darauf  vom  Kurfürsten  von  Sachsen 
nach  Dresden  berufen,  in  dessen  Dienste  er  als  KapeUdirektor  1615 
eintrat.  Diese  Kapelle  regenerierte  er  vollständig  u.  hob  sie  zu  einer 
damals  bewunderten  Höhe.  Ausser  einigen  Eeisen  verblieb  er  in  Dresden 
bis  zu  seinem  Tode  den  6.  Nov.  1672.  Von  seinen  Werken  sind  viele 
im  Druck  erschienen,  so:  5st  Madrigale,  Oratorien,  Motetten,  Psalmen 
Davids,  Symphoniae  sacrae,  3  Teile  u.  a.  nu  BochUtz  sagt  von  ihm: 
„Das  Vorzüglichste,  was  seine  und  die  frühere  Zeit  hervorgebracht, 
hatte  er  sich  zu  eigen  gemacht;  aber  er  gab  keinem  Einzelnen  sich 
hin,  und  erhielt  seinen  Geist  und  Geschmack  frei.  ...  Er  gehörte  zu 
den  originellsten  und  selbständigsten  Meistern  Deutschlands  wäGrend 
des  17.  Jhdts.  und  ist  als  einer  der  entschiedensten  Bepräsentanten 
damaliger  deutscher  Musik  anzusehen."  Er  zählte  zu  den  drei  grossen 
S  (Schütz,  Schein,  Scheidt). 

Schuster,  Joseph,  geb.  zu  Dresden  am  11.  Aug.  1748,  machte 
mehrere  Beisen  nach  Italien,  um  in  der  Musik  höhere  Vervollkomm- 
nung zu  erlangen,  und  wurde  1787  zum  Hofkapellmeister  in  Dresden 
ernannt,  wo  er  auch  am  24.  Juli  1824  starb.  Er  komponierte  vieles 
für  Bühne  und  Kirche,  aber  alles  ohne  tiefem  Gehalt  in  leichtem 
gefäUlgen  StyL 

Schwarz,  Basilius,  geb.  den  28.  Dez.  1777  zu  Söflingen  bei 
Ulm,  trat  18  Jahre  alt  in  das  Franziskanerkloster  zu  Augsburg,  wo  er 
sich  besonders  im  Orgelspiel  ausbildete.  Nach  der  Säkularisation  der 
bayr.  Klöster  1803  ging  er  zu  seinem  Bruder  in's  Franziskanerkloster 
nach  Salzburg,  wo  er  mit  diesem  abwechselnd  den  Organisten-  und 
Chorregentendienst  neben  der  Seelsorge  versah.  Von  1802—1815 
Prediger  an  der  Hofkirche  zu  Salzburg,  kehrte  er  1820  wieder  nach 
Bayern  zurück,  war  einige  Zeit  Kaplan  und  wurde  1824  zum  zweiten 
Inspektor  des  neuerrichteten  SchuUehrerseminars  zu  Dillingen  ernannt,. 


Sohwarzkopf  —  Schweitzer.  245 

wo  er  neben   andern   Lehrfö,chem   auch  Unterricht   im   Generalbass 
erteilte.    1830  wurde  er  quiesciert,  sammelte  aber  gleichwohl  noch  für 

'  die  Seminarbibliothek  gediegene  Musikalien.  14  Jahre  stand  er  darauf 
der  Kaplanei  am  Damenstifte  in  München  vor,  bis  er  1844  sich  in 
gänzliche  Ruhe  begab  u.  nur  für  sich  lebte.  Er  starb  am  15.  Okt.  1863. 
An  Werken  von  ihm  sind  bekannt  geworden:  „Unterricht  im  Choral- 
gesang und  Generalbass"  (Augsburg,  Böhm);  „Über  Anwendung  der 
Accorde,  Übergänge,  Materialien  zum  Präludieren;"  2  lat.  Vespern; 
Mess-  u.  andere  Lieder;  56  grosse  vierstimmige  Chöre;  zweist.  Gesangs- 
Übungen;  6  vier*  u.  2  zweist.  Requiem;  8  vierst.  Gradualien  u.  a. 
In  3  zweist.  Messen  führt  er  die  nach  seiner  Meinung  glückliche 
Neuerung  ein,  zwischen  die  Worte  Kyrie  eleison  u.  die  andern  Mess- 
texte Stücke  aus  dem  Stufengebete,  Pater  noster  etc.  einzuflechten. 

Schwarzkopf,  Theodor,  war  seit  1697  Kp.-M.  in  Stuttgart  u. 
starb  in  den  zwanziger  Jahren  des  vorigen  Jhdts.  Im  Druck  erschien 
von  ihm  eine  Sammlung  4st.  Messen,  Psalmen  etc.  mit  Instrumental- 
begleitung und  eine  andere  Sammlung  1 — 6st.  Psalmen. 

Schweitzer,  Johann,  geb.  den  19.  März  1831  zu  Walldürn  am 
Odenwalde,  f  2.  Febr.  1882,  genoss  schon  Mhzeitig  guten  Musik- 
tmterricht,  welcher  während  seiner  Studienjahre  zu  Mannheim  durch 
den  Einfluss  seines  Oheims,  eines  Hofmusikers  am  dortigen  Theater^ 
eehr  gefördert  wurde.  Dem  Studium  der  Theologie  sich  widmend,  Hess 
er  die  Musik  keineswegs  bei  Seite,  sondern  war  sehr  thätig  durch 
Gründung  von  Musikvereinen,  Veranstaltung  musikalischer  Produktionen 
u.  Komposition  verschiedener  Sachen,  als  Alumnus  schrieb  er  für's 
erzbischöfl.  Konvikt  in  Freiburg  Messen,  Motetten  u.  dgl.  In  Ansehung 
seiner  musikal.  Thätigkeit  wurde  er  nach  der  Priesterwdhe  1855  so- 
gleich als  Cooperator  an  die  Metropolitankirche  berufen  mit  der 
Verpflichtung,  dem  Domkp.-M.  Lumpp  hilfreich  zur  Seite  zu  stehen. 
1857  begab  Seh.  sich  nach  München,  um  im  Kontrapunkt  a.  Orgelspiel 
weitere  Studien  zu  machen;  insbesondere  fand  er  dort  an  dem  k. 
Konservator  Jul.  Maier  einen  trefflichen  Lehrer  u.  Katgeber,  welcher 
ihm  die  Schätze  der  k.  Bibliothek  ersohloss  u.  ihn  in  die  Meisterwerke 
der  Alten  einführte.  Za  gleichem  Zwecke  ging  er  1859  nach  Paris, 
wo  er  neben  Kontrapunkt  u.  Fuge  auch  den  Choral  studierte.  1860 
ward  er  nach  seiner  Hückkehr  zum  erzbisch.  Orgelbauinspektor  ernannt. 
Neben  dem   1866    von   ihm   begründeten    grossartigen  Musikvereine 

fcröffiiete  er  1868  eine  kirchliche  M.usikschqle  zur  Heranbildung 
von  Organisten  u.  Chordirigenten.  Obwohl  er  der  höheren  Komposition 
vollständig  Meister  war,  glaubte  er  doch,  mit  leichtausführbaren  Werken 
besonders  die  Landkirchen  berücksichtigen,  au  das  Vorhandene  an- 
knüpfen u.  so  allmählich  zum  Bessern  überleiten  zu  sollen.    Von  seinen 

.Kompositionen  erschienen  im  Druck:  einige  Messen  wie  die  „in  hon. 
S.  Johannis,'*  „in  hon.  S.  Joseph!,'*  „in  hon.  B.  V.  X."  mit  iuitramentaii» 


246  Seohter  —  Seizas. 

die  Schntzengelmesse  n.  Einheit  Jesa-Messe  zu  3  oder  4  Singstunmen, 
ein  Beqniem  u.  s.  w. 

Sechter,  Simon,  geb.  am  11.  Okt.  1788  zu  Friedberg  in  Böhmen, 
widmete  tdch  anfangs  dem  Sehnliche,  von  1804  an,  in  welchem  Jahre 
er  nach  Wien  kam,  ausschliesslich  der  Musik.  Bei  seiner  Vorliebe  für 
den  strengen  Satz  betrieb  er  emsig  das  Studium  der  Werke  Hftndels, 
Bach's,  Mozarts  u.  a.  und  pflegte  fleissig  den  Kontrapunkt.  1811  er- 
hielt er  die  Stelle  eines  Musiklehrers  am  k.  k.  Blindeninstitute  und 
brachte  es  in  der  kontrapunktischen  Schreibart, so  weit,  dass  es  wenige 
ihm  gleich  thun  konnten.  Die  Bekanntschaft  mit  Abb6  Stadler  ver* 
schaffte  ihm  die  Beförderung  zum  zweiten  und  1825  schon  zum  ersten 
Hoforganisten.  Von  1851  an  war  er  auch  Lehrer  für  Harmonie  und 
Komposition  am  Konservatorium  der  Musikfreunde.  Sein  arbeitsames 
Leben  schloss  er  am  10.  Sept.  1867,  den  Buhm  eines  grossen  Kontra- 
punktisten  hinterlassend.  Von  seinen  zahlreichen  Werken  (worunter 
neben  weltlichen  Kompositionen  auch  viele  Kirchenstücke  z.  B.  Messen, 
Requiem,  Gradualien  u.  s.  w.)  erschienen  80  Nummern  in  Druck, 
welche  genugsam,  seine  hohe  Kompositionsfertigkeit  bekunden;  aber 
unvergänglich  macht  seinen  Namen  sein  grosses  theoretisches  Werk: 
„Die  Grundsätze  der  musikalischen  Komposition*'  (3  Bde.  Leipzig  bei 
Breitkopf  &  Härtel  1853.  1854),  Ober  dessen  Vorzfiglichkeit  nur  eine 
Stimme  ist  Sein  System,  das  er  darin  ausfahrt,  üt  von  einer 
Einfachheit,  Klarheit  und  Konsequenz,  die  ihres  Gleichen  sucht  Auch 
Marpurg's  Abhandlung  von  der  Fuge  arbeitete  er  um  und  ver- 
mehrte sie. 

Seeger,  Joseph,  geb.  21.  März  1716  zu  Bepin  "bei  Melnik  in 
Böhmen,  kam  zum  Studium  nach  Prag,  wo  seine  schöne  Stimme  u.  seine 
musikalischen  Anlagen  den  Organisten  Oemohorsky  bestimmten,  ihm 
unentgeltlich  Unterricht  im  Orgelspiel  u.  in  der  Tonsetzkunst  zu  geben. 
Er  wurde  später  an  mehreren  Kirchen  Prag's  als  Organist  angestellt; 
Kaiser  Joseph  11.  wollte  ihm  eine  gleiche  Stelle  in  Wien  geben,  aber 
das  Dekret  traf  Seeger  nicht  mehr  am  Leben,  er  war  am  22.  April 
1782  gestorben.  Nicht  blos  als  Orgelspieler  genoss  er  einen  bedeu- 
tenden Buf,  sondern  auch  als  Kontrapunktist  u.  Lehrer  der  Theorie; 
bedeutende  Künstler  zählen  unter  seine  Schfller.  Von  seinen  vielen 
Werken  —  Kirchensachen  aller  Art  u.  Orgelstücke  —  blieben  mit  ein 
paar  Ausnahmen  alle  im  Mskr* 

Sehling,  Joseph  Anton,  geb.  um  1680  zu  Teising  in  Böhmeni 
studierte  in  Prag  und  starb  daselbst  als  Sänger  und  Komponist  beim 
Grafen  Morzin  und  als  Musikdirektor  an  einigen  Kirchen  am  19.  Sept 
1756.    Seine  Kirchensachen  waren  einst  geschätzt 

Seixas,  Jose  Antonio  Carlos,  geb.  1704 zu Coimbra u. gest 
1742  zu  Lissabon  als  Organist,  hinterliess  im  Mskr.  4-  u.  Sstimm.  Messen» 
ein  4-chöriges  Te  Deum,  mehrstimmige  Motetten  u.  Orgelstftcke. 


j 


Senfl  —  Shore-  247 

Senfl,  Ludwig,  einer  der  grössten  Tonmeister  des  16.  Jhdts, 
geb.  zu  Basel  1492  oder  1493,  erhielt  in  der  kaiserl.  Ejipelle,  in  der  ei^ 
als  Sopranist  diente,  von  Heinrich  Isaac  Unterricht  im  Kontrapunkt 
n.  folgte  seinem  Lehrer  im  Amte  nach  (1515).  Nach  des  Kaisers  Max  I« 
Tode  (1519)  trat  er  in  die  Dienste  des  Herzogs  Wilhelm  yon  Bayern 
als  Ep.-M.,  als  welcher  er  um  1555  starb.  In  Tielen  Sammelwerken 
seiner  Zeit  finden  sich  Arbeiten  yon  ihm;  ausserdem  erschienen  von 
ihm:  „Quinque  salntationes  D.  N.  J.  Ch.*'  (Motetten,  Nürnberg,  1526); 
Magnificat  octo  tonorum  4  yoc.  (1537),  Odae  Horatii,  8  yoc.  (1557); 
„Varia  carminum  genera*'  (Nttmberg,  1534).  In  der  Münchner  Hof- 
bibliothek befindet  sich  ein  Mannskript  mit  dem  Titel:  „Officia  festorum 
dierum  aestivalium.  Henrico  Isaac  et  Ludoy.  Senfl  auctoribus.  1531,** 
welches  yon  H.  Isaac  begonnen  u.  nach  dessen  Tode  yon  seinem 
Schüler  L.  Senfl  zu  Ende  geführt  wurde. 

Seydelmann,  Franz,  geb.  zu  Dresden  am  8.  Oktbr.  1748,  wurde 
1772  zum  kurfürstl.  Kirchen-  u.  Kammerkomponisten  daselbst  ernannt, 
1787  zum  Kp.-M.,  als  welcher  er  am  23.  Oktbr.  1806  starb.  Ausser 
mehreren  Opern  hat  er  auch  bei  36  Messen  u.  andere  Kirchensachen, 
sowie  Klayierstücke  geschrieben. 

Seydler,  Ludwig  Carl,  geb.  den  8.  März  1810  in  der  Vorstadt 
yon  Qraz,  St*  Leonhard,  seit  1837,  bis  zu  welchem  Jahre  er  dem 
Schulfache  sich  gewidmet  hatte,  Domorganist  zu  Graz,  galt  für 
einen  sehr  bedeutenden  Orgelspieler,  er  komponierte  mehrere  Kirchen«* 
Sachen,  dann  Lieder  u.  a.,  woyon  manches  im  Druck  erschienen  ist; 
auch  in  yerschiedene  mnsikal.  Zeitungen  lieferte  er  Artikel.  Er  starb 
10.  Mai  1888. 

Seyfried,  Ignaz  Bitter  yon,  geb.  zu  Wien  am  15.  Aug.  1776, 
zeigte  schon  Mh  grosse  Musikanlagen;  im  Klayierspiel  ward  er  yon 
Mozart  und  Kozebuch  gebildet.  Erst  nachdem  er  einige  juridische 
Studien  gemacht  hatte,  wendete  er  sich  mehr  der  Musik  zu.  In  Wien 
studierte  er  unter  Albrechtsberger  die  Tonsetzkunst;  1797  erlangte  er 
eine  Stellung  als  Kompositeur  u.  Kp.-M.  beim  Theater  an  der  Wien, 
wo  er  bis  1829  yerblieb  u.  eine  ungemeine  produktiye  Thätigkeit 
entwickelte  in  Schaffung  yon  Bühnenwerken  jeder  Gattung.  Voa 
1827  an  lebte  er  als  Priyatmann  für  seine  Kunst,  nur  mehr  für  Kirche, 
Kammer  und  Konzert  thätig,  sowie  als  Kompositionslehrerund  Musik- 
schriftsteller arbeitend.  Er  starb  am  27.  Aug.  1841  zu  Wien.  Im  Druck 
erschienen  yiele  Kirchenwerke,  das  Meiste  dayon  u.  yon  seinen  übrigen 
Kompositionen  ist  Mskr.  geblieben.  Als  Schriftsteller  zeigte  er  sich  in 
Umarbeitung  mehrerer  Musiklehrbücher,  in  Herausgabe  sämtlicher 
Schriften  Albrechtsbergers  u.  dergl.  In  Anerkennung  seiner  Thätigkeit 
wurde  er  yon  yielen  mnsikal  Vereinen  zum  Mitglied  ernannt. 

Shore,  John,  Erfinder  der  Stimmgabel,  starb  1783  als  Lautenist 
in  der  königl.  englischen  Kapelle. 


248  Simonelli  —  Singer. 

Simonelli,  Matte o,  ein  bertthmter  römischer  Tonsetzer  des 
17.  Jhdts.,  Schüler  deJs  Gregor  Allegri  n.  des  Oraz.  Benevoli,  war 
päpstl.  Kapellsänger  u.  Kp.-M.  an  einigen  anderen  Kirchen  (von  1662 
an).  Er  hinterliess  Tiele  Messen,  Motetten,  Psalmen  n.  a.  im  Mskr., 
welche  ihm  wegen  der  Würde  n.  einfachen  Grösse  ihres  Styles  den 
Namen  „Palestrina  des  17.  Jhdts.'^  eintrugen. 

Singenberger,  Johann  Baptist,  geb.  25.  Mai  1848  in  Kirch- 
berg (Kanton  St.  Gallen  in  der  Schweiz)  machte  seine  Gymnasialstadien 
in  St.  Georgen  bei  St.  Gallen  u.  in  Feldkiroh  im  Vorarlberg;  in  letzterer 
Anstalt  betrieb  er  die  Musik  eifrig  u.  machte  auch  Versuche  in  der 
Komposition.  1868  trat  er  in  das  Noviziat  der  Jesuiten  in  Gorheim, 
welches  er  jedoch  1870  wegen  Kränklichkeit  wieder  verlassen  musste. 
Nach  einem  Jahre  Studium  an  der  Universität  Innsbruck  u.  eben- 
solangem Aufenthalte  im  Seminare  zu  Chur,  wo  er  den  Gesangnnterricht 
n.  den  Chor  leitete  u.  einen  Cäcilienverein  gründete,  studierte  er 
1872—73  kirchliche  Musik  in  Regensburg.  Auf  Empfehlung  des 
Dr.  F.  Witt  ward  er  in  letzterem  Jahre  nach  Amerika  berufen,  um 
in  dem  neugegründeten  kathol.  Lehrerseminare  zu  St.  Franzis  bei 
Milwaukee  Kirchenmusik  nach  den  Grundsätzen  des  Cäcilien-Vereins 
eu  lehren  u.  einzurichten.  Seit  13.  April  1873  arbeitete  er  höchst 
segensreich,  wenn  er  auch  stets  mit  ungewöhnlichen  Schwierigkeiten 
zu  kämpfen  hatte.  1873  noch  gründete  er  den  amerikanischen  Cäcilien- 
verein u.  1874  dessen  Organ  „Oäcilia,"  1882  begann  er  auch  die  Zeit- 
schrift „Echo''  (in  englischer  Sprache).  In  Anerkennung  seiner  so 
grossen  Bemühungen  u.  Verdienste  um  die  kathol.  Kirchenmusik  in 
Amerika  ernannte  ihn  Papst  Leo  Xm.  unterm  12.  Sept.  1882  zum 
Ritter  des  Ordens  vom  hl.  Gregor  d.  Gr.  Er  komponierte  viele  Kirchen- 
werke, Messen  (von  welchen  10  im  Verlage  von  F.  Pustet  in  Regensbg. 
erschienen),  Motetten  u.  andere  K.-Gesänge,  Falsobordoni  u.  s.  w.,  sehr 
vieles  davon  ist  in  den  Musikbellagen  zur  „Gäcilia^  enthalten;  er 
schrieb  auch  „Short  instructions  in  the  art  of  singing  plain-chant''  u. 
eine  vortreffliche  „Theoretisch-praktische  Harmoniumschule  für  kirch- 
lichen Gebrauch"  (Rgsbg.,  Pustet);  „Adoro  te,"  Orgelbuch  zu  Dreves 
„0  Christ,  hie  merk/*  u.  ein  solches  zu  Mohr*s  Kantate  u.  s.  w. 

Singer,  P.  Petrus  Ale,  geb.  den  18.  Juli  1810  in  Häselgehr, 
Diözese  Brixen,  f  25.  Jan.  1882,  trat  in  den  dreissiger  Jahren  in 
den  Franziskanerorden  u.  lebte  zuletzt  als  Prov.-Definitor,  Novizen- 
meister u.  Organist  im  Franziskanerkloster  zu  Salzburg.  Von  Jugend 
auf  in  der  Musik  gebildet,  pflegte  er  dieselbe  mit  Liebe  auch  im  Orden 
t.  suchte  in  ihre  Tiefen  einzudringen.  Als  Ergebnis  seines  Studiums 
erschien  von  ihm:  „Metaphysische  Blicke  in  die  Tonwelt  etc.  Heraus- 
gegeben von  Georg  Philipps.  München  1847.  Commiss.  der  lit-artist. 
Anstalt,"  in  welchem  Werke  die  I.  oder  allgemeine  Abhandlung  mit 
metaphysischen  Betrachtungen  über  die  Töne  u.  Accorde  sich  beschäftigt, 


Skuhersky  —  Soriano.  249 

die  II.  oder  besondere  eine  eigentümliche,  mehrfaches  Interesse  bietende 
Harmonielehre  enthält.  Anch  viele  Kompositionen  lieferte  er,  welche 
aber  einem  hinter  nns  liegenden  Geschmacke  angehören.  Zn  einer 
täglich  von  Freunden  besuchten  Persönlichkeit  wurde  er  durch  sein 
Pansymphonikon,  oin  Pianoforte,  verbunden  mit  einem  Aeolodikon 
oder  Harmonium  von  vielen  Begistem,  worauf  er  mehrere  Instrumente 
ziemlich  täuschend  nachahmte.  Dies  Instrument  baute  er  selbst. 
Das  grössere  von  ihm  konstruierte  Pansymphonikon  enthält  Violine, 
Oboe,  Fagott,  Waldhorn,  Klarinett,  Violoncell  u.  s.  w.  bei  einem 
Umfang  von  6^/2  Oktaven,  es  hat  zwei  Klaviaturen  u.  40  Register, 
darunter  22  Soloregister.  Bei  einer  einzigen  Taste  tönen  zehn  singende 
Stimmen  u.  neun  Saitenklänge.  Je  nach  der  Kombination  gleicht  der 
Klang  des  Instruments  dem  Ton  einer  Orgel  oder  eines  Harmoniums 
oder  eines  Blasinstrumentes  u.  s.  w.  S.  war  ein  fertiger  Orgelspieler. 
Seine  Kompositionen  bestehen  in  101  Messen,  600  Offertorien,  ca. 
30  grosse  Litaneien  u.  s.  w.    f  25.  Jan.  1882. 

Skuhersky,  Franz  Zdenko,  geb.  31.  Juli  1830  zu  Opocna  in 
Böhmen,  studierte  vorerst  Medizin,  besuchte  nebenbei  die  Organisten- 
Schule  in  Prag  u.  wendete  sich  schliesslich  ganz  der  Musik  zu.  1854 
ward  er  Musikdirektor  in  Innsbruck,  1866  Direktor  der  Prager 
Organistenschule,  1868  auch  städtischer  Chordirektor  u.  später  Hof- 
kapelldirektor. Neben  einigen  Opern  schrieb  er  Orgelvorspiele  in  den 
Kirchentonarten  (Op.  45),  Studien  för  die  Orgel  (Op.  13.  14),  mehrere 
Messen  (Op.  22.  24.  42.  43)  u.  mehrere  theoret.  Werke  („Musikalische 
Formenlehre"  1879,  „Kompositionslehre"  1881,  „Theoret.-prakt.  Orgel- 
schule'*  1882)  u.  a.    f  19.  Aug.  1892  als  Musikdirektor  zu  Budweis. 

Smeddink,  Joseph  Carl  Bernard,  geb.  1812,  gegenwärtig 
Pfarrer  zu  Uedesheim  bei  Neuss,  machte  sich  bekannt  durch  die  Über- 
setzung von  „N.  A.  Janssens  wahre  Grundregeln  des  Gregorianischen 
oder  Ohoralgesanges"  (Mainz,  1846);  dann  veröffentlichte  er  ein  Schrift- 
chen über  die  Knabenseminarien,  worin  er  auch  vom  Ohoralgesange 
redet,  u.  eine  „Apologie  des  lateinischen  Ohoralgesanges"  (Düsseldorf, 
1853);  ausserdem  lieferte  er  manche  Aufsätze  über  den  Kirchengesang 
in  seiner  liturgischen  Beziehung  für  die  „Oäcilia"  u.  andere  Blätter. 

Soriano  od.  Sariano,  Francesco,  geb.  zu  Bom  um  1547, 
erhielt  die  Grundlagen  seiner  musikal.  Bildung  als  Singknabe  an  der 
lateraUv  Hauptkirche  unter  Annibale  Zoilo  u.  Barth.  Roy,  welche  als 
Tonsetzer  einen  guten  Buf  hatten.  Die  Ausbildung  u.  Vollendung 
konnte  er  erst  unter  Palestrina  u.  G.  M.  Nanino  gewinnen.  1581  war 
«r  schon  Kp.-M.  an  der  französischen  Nationaikirche  S.  Luigi.  Zwischen 
1581—85  ward  er  nach  Mantua  berufen,  kehrte  jedoch  in  letzterem  Jahre 
wieder  nach  Bom  zurück,  wo  er  bis  1589  den  Chor  an  S.  Maria 
Maggiore  leitete.  Von  1599  an  war  er  Kp.-M.  zu  St.  Johann  im 
Lateran,  von  1603  an  solcher  zu  St.  Peter.   Er  starb  1620.  Von  seinen 


250  Soto  —  Spohr. 

Werken  —  Messen,  Psalmen,  Madrigale,  Kanons  n.  a.  erschienen  Tiele 
gedruckt.  Seine  Kompositionen  sind  reich  an  Qeist  n.  voll  hohen 
Schwunges,  geadelt  durch  Beinheit  des  Styles  und  harmonischen 
Wohlklang. 

Soto,  Francesco,  geb.  1534  sn  Langa  in  Spanien,  kam  1562 
in's  Kollegium  der  p&pstl.  Kapellsftnger,  trat  1575  in  die  Oratorianer- 
Kongregation  des  hL  Philipp  v.  Neri  u.  starb  als  deren  Musikdirektor 
am  25.  Sept.  1619.  Er  besorgte  die  Drucklegung  des  HL  Bandes  der 
„Laudi  spirituali"  von  Palestrina  n.  anderer  Meister,  u.  gab  1591 
noch  eroen  IV.  Band  heraus,  worin  sich  auch  Kompositionen  yon  ihm 
befinden« 

Spartaro  oder  Spadaro  (Spadarius),  Giovanni,  geb.  um 
1460  zu  Bologna  und  Schüler  des  Bamis  de  Pereja,  war  von  1512  bis  zu 
seinem  Tode  1541  Kp.-M.  an  der  Kirche  San  Petronio  in  Bologna  u. 
einer  der  grOssten  Musikgelehrten  seiner  Zeit,  wie  aus  seinem  Werke: 
„Tractato  di  musica,"  (Venedig  1531)  hervorgeht. 

Spiess,  P.  Meinrad,  geb.  24  Aug.  1683  zu  Honsolgen  in 
Schwaben,  trat  1702  in  die  schwäbische  Beichsabtei  Jrsee  ein,  empfing 
1708  die  Priesterweihe  u.  wurde  1710  von  seinem  Abte  nach  München 
gesandt,  um  unter  dem  kurfürstl.  Kapellmeister  Jos.  Ant.  Bemabei 
sich  zum  vollkommenen  Tonsetzer  auszubilden.  Nach  seiner  Bückkehr 
1712  war  er  ungefähr  bis  1750  Musikdirektor  des  Stiftes.  Er  bekleidete 
auch  andere  Ämter  in  seinem  Kloster  u.  starb  12.  Juli  1761.  Seit  1743 
war  er  auch  Mitglied  der  musikal.  Akademie  in  Deutschland.  Sein 
vorzüglichstes  Streben  ging  dahin,  die  Auswüchse,  welche  sich  infolge 
der  blendenden  weltlichen  Musik  auch  in  die  Kirche  eindrängten,  zu 
bekämpfen,  davor  zu  warnen  u.  den  guten  Styl  zu  befördern.  Er  ver- 
öffentlichte von  seinen  Kompositionen  u.  a.:  26  marian.  Antiphonen, 
eine  Partie  Vesperpsalmen,  7  Festmessen,  ^2  Offertorien,  12  Sonaten 
u.  s.  w.  Sein  Hauptwerk,  welches  auch  jetzt  noch  Wert  hat,  ist: 
„Tractatus  musicus  compositorio-practicus"  (Augsburg,  bei  Lotter  1745). 

Spohr,  Ludwig,  geb.  zu  Braunschweig  den  5.  April  1784,  wählte 
neben  den  wissenschaftlichen  Studien  die  Musik,  für  welche  er  ein 
vorzügliches  Talent  zeigte,  zu  seinem  Berufe.  Die  hohe  geistige 
Bildung,  die  er  sich  erwarb,  war  nachgehends  von  bedeutendstem 
Einflüsse  auf  sein  musikalisches  Schaffen  u.  hob  ihn  hoch  über  viele 
Meister  der  Zeit  Als  Violinspieler  Tüchtiges  leistend,  trat  er  bald 
als  Kammermusikus  in  die  Dienste  des  Herzogs  von  Braunschweig  u. 
erwarb  auf  seinen  bis  1830  sich  erstreckenden  Kunstreisen  im  Violin- 
spiel einen  solchen  Buhm,  wie  er  vor  ihm  noch  keinem  Violinvirtuosen 
zu  teü  geworden  war.  1805  ward  er  zu  Gotha  zum  herzoglichen 
Konzertmeister  ernannt  Um  diese  Zeit  schrieb  er  mehrere  grössere 
Instrumentalkompositionen  und  fahr  fort,  angesehene  Tonwerke  zu 
schaffen,  so  z.  B.  Konzerte  für  Violine  und  Klarinett,  Quartetten, 


Squaroialnpi  —  Stadler.  251 

Oayertnren,  ein  grosses  Oratorium  „dfts  jüngste  Gericht**  u.  a.  m.; 
1814  erschien  die  erste  grosse  Sinfonie  nnd  das  Oratorium  „Das  be* 
freite  Deutschland."  Nach  wiederholten  länger  dauernden  Eunstreisen 
durch  England,  Deutschland  u.  s.  w.  erging  1821  an  ihn  der  Buf  aLi 
kurfarstlicher  HofkapeUmeister  nach  Kassel.  Nun  liess  er  sich  yiel 
mehr  noch  die  Bildung  von  Schalem  im  VioUnspiel  u.  die  dramatische 
Komposition  angelegen  sein;  in  letzterer  Beziehung  ragen  besonders 
die  Opern  „Zemire  und  Azor"  und  „Jessonda**  hervor.  Auch  für  die 
Kirche  war  er  thätig,  er  schrieb  mehrere  Messen,  worunter  eine  sehr 
schwierige  Vokalmesse.  Sein  Hauptcharakterzug  als  Komponist  ist  ein 
gewisser  Adel  und  eine  begeisternde  Hoheit,  in  seinen  geistlichen 
Musiken  legt  er  besonderes  Gewicht  auf  die  Gesangsmassen  bei  Ge- 
diegenheit, weisem  Masse  und  schöner  Verteilung  im  Übrigen.  Er 
starb  zu  Kassel  am  22.  Oktober  1859. 

Squaroialnpi»  Antonio,  auch  „Antonio  degli  Organi"  genannt 
wegen  seiner  Geschicklichkeit  auf  der  Orgel,  wurde  zu  Florenz  in  der 
zweiten  Hälfte  des  14  Jhdts.  geb.  u.  starb  1430  (?)  als  Organist  an  der 
Kathedrale  zu  Florenz,  den  Buhm  des  geschicktesten  Künstlers  auf 
seinem  Instrumente  hinterlassend. 

Stadelmayer,  Johann,  geb.  zu  Freising  an  der  Isar  um  1560» 
war  Kp.-M.  des  Kaisers  Budolph  u.  1612  zu  Prag  noch  am  Leben. 
Von  1592  an  erschienen  von  ihm  zahlreiche  Sammlungen  von  Messen, 
Motetten,  Psalmen  u.  a.  im  Druck.  F6tiB  führt  11  Sammlungen  Messen, 
Vespern  u.  Motetten  an,  denen  noch  beizufügen  sind:  „5  Missae  8  Tocum 
cum  duplici  Basso  ad  Org.  accomodato.  Aug.  Vind.  1610,'*  u.  „Missae 
12  vocum  cum  triplici  Basso  ad  Org.  accomodato.  Viennae  1618.** 

Stadler,  Maximilian,  Abb6,  geb.  zu  Melk  in  Unterösterreich 
am  7.  Aug.  1748,  trat  nach  Beendigung  seiner  theologischen  Studien 
als  Novize  in's  Kloster  Melk,  erhielt  in  seinem  24.  Lebensjahre  die 
Priesterweihe  u.  stand  dann  verschiedenen  Diensten  in  seinem  Kloster 
vor.  Im  Jahre  1786  wurde  er  von  Kaiser  Joseph,  der  sein  treffliches 
Klavier-  und  Orgelspiel  kennen  und  schätzen  gelernt  hatte,  zum 
Comendatar-Abt  der  Abtei  Lilienfeld  und  drei  Jahre  sp&ter  von 
Kremsmünster  ernannt,  lebte  dann  einige  Zeit  in  Wien  u.  ward  später 
(1810)  PfEurrer  zu  Böhmisch-Kraut.  Jetzt  wurde  sein  musikalisches 
Talent  erst  durch  Herausgabe  einiger  Kompositionen  in  weiteren  Ejreisen 
bekannt.  1815  zwangen  ihn  Gesundheitsrücksichten,  die  Pfarrei  zu 
resignieren,  worauf  er  sich  nach  Wien  in*s  Privatleben  zurückzog  und 
die  Tonkunst,  sowie  deren  Theorie  und  Geschichte  noch  eifirig  pflegte 
bis  zu  seinem  Tode,  den  8.  Nov*  183^  Er  war  besonders  als  Organist 
ausgezeichnet.  -—  Ausser  einem  Oratorium  erschienen  mehrere  Messen, 
ein  Eequiem  u.  viele  andere  geistliche  u.  weltliche  Tonstücke  in  Druck, 
vieles  ist  auch  Mskr.  geblieben. 


353  Steffani  —  Stehle. 

Steflani,  Agostino,  geb.  1655  zu  Castelfranco  im  Venetianischen, 
-kam  durch  die  Protektion  eines  dentscfaen  Grafen  nach  München,  wo 
er  neben  theologfischen  Stndien  im  Priesterseminar  vom  Jahre  1673  an 
nnter  Hercnles  Bemabei  in  der  Komposition  sich  ausbildete  n.  schon 
1674  eine  Sammlnngf  gerühmter  8stimm.  Psalmen  heransgab.  1682  wurde 
er  neben  Jos.  Anton  Bemabei  Direktor  der  kurfürstl.  Kammermusik. 
Ein  Antor  nennt  ihn  den  Rubens  in  der  Musik  u.  sagt  von  ihm,  dass 
«r  als  Sänger  u.  Komponist  beinahe  so  berühmt  gewesen  sei  als  sein 
Lehrer.  Seine  Oper  „Servio  Tullio*  (1685)  trug  seinen  Ruhm  durch 
ganz  Deutschland,  «o  dass  ihm  die  schmeichelhaftesten  Anträge  zu 
teil  wurden.  1690  folgte  er  dem  Rufe  des  Herzogs  Ernst  August  nach 
Hannover,  wo  er  neben  der  Musik  auch  staatsrechtliche  Studien  machte 
und  seinem  Herrn  in  diplomatischen  Missionen  nützlich  ward;  dieser 
verschaffte  ihm  vom  päpstlichen  Stuhle  den  Titel  eines  apostolischen 
Protonotars  und  eines  Bischofs  von  Spiga  in  Westindien.  Von  nun  an 
erschienen  seine  Kompositionen  nicht  mehr  unter  seinem,  sondern 
unter  dem  seines  Kopisten,  Gr e  go ri o  Pi  va'  s  Namen.  1710  legte  er  sein 
Kapellmeisteramt  in  Hannover  nieder,  starb  aber  nicht  daselbst,  son- 
dern auf  einer  Reise  in  Frankfurt  am  Main,  im  Jahre  1730. 

Stehle,  Johann  Gustav  Eduard,  geb.  17.  Febr.  1839  zu 
Steinhausen,  k.  württemb.  Oberamts  Waldsee,  das  eine  sehr  schöne 
Wallfahrtskirche  mit  prächtiger  Orgel  besitzt.  Sein  Vater,  Lehrer 
daselbst,  gab  ihm  frühzeitig  Unterricht  in  Orgel-  u.  Klavierspiel,  so 
dass  er,  12  Jahre  alt,  seinen  Vater  auf  der  Orgel  ersetzte  u.  auch  schon 
in  Liederkompositiön  sich  versuchte.  Zum  Lehrfach  bestimmt,  errang 
er  im  Schullehrerseminare  zu  Gmünd  den  ersten  Musikpreis  u.  fand  in 
J.  G.  Mayer  einen  tüchtigen  Lehrer.  Im  Schulamte  thätig,  betrieb  er 
die  Musik  fieissig,  wendete  sich  aber  später  mehr  der  Orgel  zu. 
Zwischen  1858—62  erschienen  seine  ersten  Kompositionen  (Marienlieder  t 
deutsche  Vesper);  1868  seine  Preismesse  „Salve  Regina,*'  welche  seinen 
Namen  schnell  in  weiteren  Kreisen  bekannt  machte.  Dem  Cäcilienverein 
sich  anschliessend  edierte  er  darauf  die  Missa  „Laetentur  coeli''  und 
„Jesu  admirabilis.^  Im  August  1869  übersiedelte  er  nach  Rorschach 
als  Musikdirektor  u.  ward  5  Jahre  später,  als  Nachfolger  C.  Greith's, 
als  Organist  u.  Kp.-M.  an  der  bischöfl.  Kathedrale  in  St.  Gallen  berufen, 
wo  er  noch  eifrig  wirkt.  Von  seinen  Vokalwerken  seien  folgende 
genannt:  Missa  Jubilaei  solemn.  Op.  42.  (für  das  sächsische  Königshaus); 
Missa  Jubilaei  solemn.  Op.  46.  (zum  Witteisbacher  Jubiläum);  Missa 
de  Spiritu  sancto,  op.  14.;  Missa  „Alma  redemptoris*' u.  „Regina  coeli"; 
Missa  in  hon.  S.  Infantis  Jesu,  vierstimmig  mit  Orgel;  viele  Motetten, 
besonders  „Domine  Dens**  5stimmig  u^  „Angelus  Domini,*^  5  Motetten 
für  2stimm.  gemischten  Chor  mit  Orgel;  Motettenbuoh  fttr's  ganze 
Kirchenjahr;  Gradualienbuöh;  3  Lamentationen  fClr  Männerchor.  Das 
Oratorium  „Legende  der  hl.  Cäcilia''  (Gedicht  von  W.  Edelmann)  fOr 


Stehlin  —  Stein.  253 

Soli,  Chor  n.  Orchester,  Op.  43.  trag  ihm  1884  die  Württemberg,  goldene 
Medaille  für  Ennst  n.  Wissenschaft  ein.  Anch  durch  andere  Dekora- 
tionen u.  Diplome  wurde  er  ausgezeichnet.  Besonders  hervorragend 
sind  seine  Konzert-Orgelkompositionen:  Phantasie  über  ,,0  sanctissima**; 
Phantasie  über  die  Österreich.  Kaiserhymne;  „Saul**  Tongemälde; 
Trauermarsch  aus  der  Götterdämmerung  u.  Bnmhildens  Klage.  In 
mancherlei  Sammlungen  finden  sich  noch  Orgelstücke  von  ihm. 

Stehlin,  Sebastian,  geb.  den  14.  Febr.  1800  zu  Niederhansen 
bei  Kenzingen  in  Baden,  fand  1822  AuJbahme  in  der  seit  1820  in  Wien 
eingeführten  Bedemptoristen-Kongregation,  aber  auch  Gelegenheit,  mit 
tieferem  Musikstudium  sich  zu  beschäftigen.  Als  Organist  u.  Begens«- 
chori  der  Kongregationskirche  wurde  er  mit  den  älteren  und  neueren 
Kirchenmnsikwerken  bekannt  u.  genoss  überdiess  die  Bekanntschaft 
mit  musikalischen  Notabilitäten  Wien's,  besonders  mit  Kiesewetter  u. 
Sechter.  Je  mehr  er  aber  in  die  Tiefen  der  Tonkunst  eindrang,  desto 
unzufriedener  vnirde  er  einerseits  mit  der  oft  durch  n.  durch  profanen 
Kirchenmusik,  —  u.  andrerseits  mit  dem  gegen  alle  Naturgesetze 
gesungenen  u.  gelehrten  Choral  Vor  allem  warf  er  sich  nun  auf  das 
Studium  des  Choralsystems  u.  gab  1842  die  Abhandlung  „Tonarten  des 
Choralgesanges'*  zu  Wien  im  Druck  heraus.  Ein  ausführlicher  Artikel 
über  Choral  in  der  „Sion**  u.  in  der  Zeitschrift  „Kunst  u.  Litteratur'^ 
folgten,  fanden  jedoch  auch  nur  hin  u.  wieder  günstige  Aufnähmet 
weshalb  St.  sich  daran  machte,  die  Naturgesetze  im  Tonreiche  za 
studieren  u.  die  Tonerscheinungen  durch  Experimente  zu  erforschen. 
Er  hatte  unzählige  Experimente  schon  gesammelt,  als  das  Jahr  1848 
die  Kongregation  u.  so  auch  ihn  aus  Wien  vertrieb.  Nach  Auflösung 
der  Kongregation  erhielt  er  von  Erzherzog  Maximilian  Este  die  Ver- 
waltung dessen  Asphaltwerkes  zu  Seefeld  in  Tyrol,  was  ihn  aber  nicht 
hinderte,  seine  musikalischen  Studien  fortzusetzen.  1852  gab  er  in 
Innsbruck  sein  Buch  „die  Naturgesetze  im  Tonreiche"  heraus,  welches 
überall  verdiente  Beachtung  fand,  und  liess  1857  ebendaselbst  die 
Broschüre  „die  neueren  Schicksale  des  alten  Choralgesanges"  u.  1859, 
von  wo  er  wieder  in  Wien  als  Beamter  lebte,  seine  „Chorallehre*' 
folgen.  In  der  Wiener  Musikzeitun^  trat  er  zum  letzten  Male  für  sein 
System  auf  u.  es  scheint,  dass  er  in  Osterreich  mehr  Anhänger  gewonnen 
hat  als  anderwärts,  wo  man  sich  an  die  Lehren  Guido's,  Bemo's  von 
Eeichenau  u.  a.  hält,  mit  denen  St.  in  Widerspruch  steht.  Ausser  den 
genannten  musikalischen  Werken  veröffentlichte  er  noch  eine  Anleitung 
zur  Behandlung  u.  Beurteilung  einer  Orgel. 

Stein,  AlbertGereon,  geb.  den  29.  Sept.  1809  zu  Köln,  fand, 
mit  einer  herrlichen  Sopranstimme  begabt,  bald  Verwendung  auf  dem 
Kirchenchore  des  Jesuitengymnasiums,  und  an  dem  damaligen  Dom- 
kapellmeister Beruh.  Maurer  und  dem  verdienten  Gesanglehrer  Schogt 
treffliche  Lehrer;  daneben  erlernte  er  auch  das  Klavier  und  Orgelspid. 


354  Stein. 

und  muBste  als  12jäluriger  Knabe  schon  die  Stelle  seines  Lehrers  anf 
der  Orgel  vertreten.  Nach  seiner  Priesterweihe  1833  arbeitete  er  in 
der  Seelsorge,  bis  er  1838  als  Gesanglehrer  am  erzbischöfl.  Priester- 
seminar  zu  Köln  angestellt  wnrde;  er  wirkte  als  solcher  in  verdienst- 
lichster Weise  25  Jahre  lang.  Durch  geeignete  Vorträge  n.  sorgföltig 
geleitete  Übimgen  snchte  er  bei  den  Alumnen  eine  richtige  Anschannng 
von  der  Kirchenmusik  zu  fördern  u.  von  da  aus  weiter  hin  in  der 
Erzdiözese  zu  verbreiten,  insbesondere  den  guten  Ghoralgesang  zu 
betreiben,  welcher  in  der  Kölner  Diözese  noch  in  steter  Übung  u.  bei 
dem  Volke  beliebt  war.  Er  selbst  betrieb  fortwährend  fleissiges  Studium 
des  Chorals  u.  der  älteren  wie  neueren  Kirchenmusik  u.  benutzte  jede 
Gelegenheit,  für  Aufbesserung ,  der  kathoL  Kirchenmusik  in  Wort  u. 
That  zu  wirken.  Von  seinen  Schriften  u.  Werken  haben  wir  zu  ver- 
zeichnen: „Antiphonarium  Goloniense  in  brevius  coactum,  continens 
cantum  Gregor,  ad.  Vesperas  et  ad  Gomplet.  ...  et  insuper  cantus  ad 
processiones  .  .  /*  (Köln,  1846);  „Kyriale  sive  Ordinarium  Missae  .  .  . 
juxta  usum  Metropol.  Eccl.  Colon.*'  (1850,  Köln,  bereits  in  4.  Auflage 
erschienen);  „Kölnisches  Gesang«  u.  Andachtsbuch**  (Köln  bei  Bachern, 
1852,  nun  in  26  Auflagen  verbreitet);  „Orgelbegleitung  hierzu**  (Köln, 
1853);  das  vortreffliche  Büchlein  „Die  kathol.  Kirchenmusik  nach  ihrer 
Bestimmung  u.  ihrer  dermaligeu  Beschaffenheit  dargestellt**  (Köln«  1864); 
vier  Vorträge,  welche  St.  über  die  kathol.  Ejrchenmusik  auf  den  General- 
versammlungen der  christlichen  Kunstvereine  zu  Köln  (1856  u.  1858) 
u.  zu  Begensburg  (1857)  gehalten  hat,  siitd  in  den  gedruckten  Ver- 
handlungen dieser  Generalversammlungen  erschienen.  Schliesslich  war 
er  auch  ein  Mitglied  der  zur  Bearbeitung  u*  Herausgabe  der  römischen 
Choralbücher  für  die  Erzdiözese  vom  Kardinal -Erzbischof  Johannes 
V.  G^issel  niedergesetzten  Kommission.  —  Seit  1863  war  er  Pfarrer  zu 
St.  Ursula  in  Köln.    Er  starb  den  10.  Juni  1881. 

Stein,  Joseph,  geb.  den  17.  April  1845  zu  Königshain  in  der 
Grafschaft  Glatz,  erhielt  schon  in  früher  Jugend  Unterricht  im  Gesänge, 
im  Generalbass-,  Orgel-  u.  Klavierspiel  u*  in  mehreren  Streich-  und 
Blasinstrumenten.  Bedeutende  Förderung  fand  er  in  der  Musik 
durch  den  Oberlehrer  W.  Kothe  im  Schullehrerseminare  zu  LiebenthaL 
Nachdem  er  einige  Jahre  als  Lehrer  Dienste  geleistet  hatte,  ward  er 
zur  weiteren  musikal.  Ausbildung  in  das  k.  akademische  Institut  für 
Kirchenmusik  zu  Berlin  aufgenommen,  wo  er  fast  zwei  Jahre  hindurch 
den  Unterricht  von  Haupt,  Jul.  Schneider,  Löschhom  genoss  u.  sich 
besonders  nach  den  Werken  von  Dehn  u.  Bellermann  bildete.  1873 
wurde  er  an  das  neubegründete  k.  Schullehrerseminar  zu  Bosenberg 
(Schlesien)  als  Seminar-  u*  Musiklehrer  berufen,  wo  er  noch  wirkt.  An 
Kompositionen  von  ihm  sind  bis  jetzt  in  Druck  erschienen:  18  Messen, 
teils  für  gemischten,  teils  für  Männer-Chor,  4  Instrumentalmessen, 
6  Bequiem,  7  Litaneien,  4  Hefte  marian.  Antiphonen,  3  Hefte  Offor- 


Stemmclius  —  Stoeoklin.  266 

torieiii  ein  Satz  Vesperpsalmen,  ein  Satz  Frohnleichnamsstationen, 
mehrere  Motetten,  Hymnen  n.  Orgelstücke  in  Sammelwerken.  —  Dessen 
Sohn  B  r  n  n  o ,  geb.  27.  Jnni  1873  zn  Bosenberg,  gegenwärtig  Lehrer  an 
der  Grottowski'schen  Erziehungsanstalt,  edierte  4  Messen  (op.  3. 4.  5.  7.)t 
ein  Taschenbüchlein  für  Orgelspieler  n.  8  Offertorien  für  2  Singstimmen 
mit  Orgel.  Auf  Grand  einer  Messe  für  Männerstimmen  mit  Orgel 
erwarb  er  1890  die  Mitgliedschaft  der  k.  Academia  Filarmonica  zu 
Bologna. 

Stemmelins,  P.  Gregor  (Stemmele),  Mönch  der  Benediktiner- 
abtei Jrsee  (Schwaben)  f  16.  Mai  1619,  war  ein  tüchtiger  Komponist. 
Arbeiten  von  ihm  finden  sich  noch  in  der  Proske'schen  Bibliothek  zn 
Regensburg  in  zwei  Bänden,  welche  Falsobordoni  zu  4  u.  6  Stimmen 
von  ihm  u.  Carl  Andrea  enthalten;  femer  in  der  Kreis-  u.  Stadtbibliothek 
zu  Augsburg  mehrere  Falsobordoni  (1615),  ein  5stimm.  Motett  u.  wieder 
ein  Motett  in  deutscher  Orgeltabulatur. 

Sterkel,  Johann  Franz  Xaver,  geb.  zu  Würzburg  am  3.  Dez. 
1750.  Nach  seiner  Priesterweihe  erhielt  er  in  dem  Stifte  Neumünster 
eine  Anstellung  als  Vikar  u.  Organist  zugleich,  1779  machte  er  eine 
Beise  nach  Italien  u.  kehrte  erst  nach  zwei  Jahren  wieder  nach  Mainz 
zurück,  worauf  ihm  der  Kurfürst  ein  Kanonikat  yerlieh  u.  1793  ihn 
zum  Kp.-M.  ernannte.  Bei  der  Auflösung  der  Hofkapelle  zog  er  sich 
nach  Würzburg  zurück,  bis  er  1805  als  Kp.-M.  des  Fürsten  Primas 
nach  Begensburg  kam.  1814  nötigten  ihn  die  politischen  Ereignisse, 
nach  Mainz  zurückzukehren,  wo  er  am  21.  Okt.  1817  starb.  Von 
seinen  weltlichen  Kompositionen  sind  viele  in  Druck  erschienen,  die 
Kirchenstücke  blieben  sämtlich  Manuskript. 

Stooker,  Stephan,  zuletzt  Chorregent  in  Meran,  veröffent- 
lichte unter  dem  Namen  „L.  B.  Est*'  eine  lange  Beihe  von  Komposi- 
tionen für  Landchöre,  die  zu  einer  Zeit,  wo  eben  der  ärgste  Zopf 
unsere  Chöre  beherrschte,  als  bessere  Erzeugnisse  begrüsst  u.  sehr 
verbreitet  wurden.  Heutzutage  sind  die  meisten  seiner  Werke  mit 
vollstem  Becht  der  Vergessenheit  nahe,   t  15.  Febr.  1882. 

Stoeoklin,  P.  Conrad,  geb.  1.  April  1813  zu  Hochstetten  in 
der  Schweiz,  trat  1832  in  den  Orden  des  hl.  Benedikt  zu  Einsiedeln, 
+  27.  Jan.  1889.  Er  war  ein  guter  Organist  und  sehr  fruchtbarer 
Komponist.  Seine  Werke,  im  Style  seiner  Zeit  gearbeitet,  bestehen  in 
10  kleineren  u.  grösseren  Messen,  34  Motetten,  Hymnen,  Magnifikat 
u.  a.  mit  verschiedener  Besetzung.  Im  Druck  erschienen  blos:  eine 
grosse  Messe  für  4  Stimmen  u.  Orgel  (Einsiedeln),  drei  3stimm.  Messen 
mit  Orgel  (Paris),  eine  2stimm.  Messe,  1  Salve  Begina,  ein  Festhymnus. 
Stoecklin,  P.  Leo,  Bruder  des  Vorigen,  geb.  1803  zu  Hofstetten, 
trat  1822  in  das  Benediktinerkloster  M-ariastein  (Schweiz),  ward  alsbald 
Chorregent  u.  Schulrektor,  1867  zum  Abte  gewählt,  f  ^1*  ^ebr.  1873. 
Er  war  ein  tüchtiger  Organist  und  fruchtbarer  Komponist,  und  sein 


»Ö6  Strozzi  —  Tarditi. 

Streben  ging  dahin,  die  dentschen  Lieder  n.  andere  nngehörige  Gesänge 
ans  der  Kirche  zu  verbannen,  und  mit  seinen  Kompositionen  den 
Organisten  u.  Sängern  etwas-  Würdigeres  an  die  Hand  zu  geben.  E2r 
komponierte  ungefähr  50  Messen  mit  verschiedener  Besetzung,  60  Gra- 
dualien  u.  Offertorien,  mehrere  Vespern  u.  s.  w.  Vieles  davon  ist 
durch  Druck  verbreitet  worden. 

Strozzi,  Bernardo,  Komponist  des  17.  Jhdts.,  aus  dem  Franzis- 
kanerorden; 1618  erschienen  von  ihm  zu  Venedig  MotetteUi  Messen» 
Psalmen  etc. 

Stanz,  Joseph  Hartmann,  geb.  den  25.  JnU  1793  zn  Arles^ 
heim,  Kanton  Basel- Landschaft,  empfing  seine  erste  musikalische 
Büdung  in  Strassburg,  wo  er  in  seinem  14  Jahre  schon  ein  gut  auf- 
genommenes Te  Deum  komponierte.  Bald  darauf  zog  er  mit  seinem 
Vater  nach  München,  wo  er  durch  besondere  Protektion  des  Königs 
Max  I.  den  Kp.-M.  Winter  als  Lehrer  erhielt,  1815  genoss  er  noch  zu 
Wien  den  Unterricht  Salieri's.  1818  wurde  er  Maestro  der  italienischen 
Oper  in  München,  1823  Vizekp.-M.  u.  Vokaldirektor  der  Hofoper  u.  zwei 
Jahre  darauf  nach  Winter's  Tod  erster  Kp.-M.,  1836  trat  er  wegen 
neuer  Einrichtung  der  Direktion  beim  k.  Hoftheater  in  Pension. 
Nachdem  er  bisher  mehr  der  weltlichen  Musik  seine  Kräfte  gewidmet 
hatte,  arbeitete  er  nun  als  Dirigent  der  Musik  in  der  Allerheiligen- 
Kapelle  fast  ausschliesslich  für  die  Kirche  im  strengsten  Styl  (a  capella), 
in  welchem  er  mehrere  beachtenswerte  Werke,  Messen,  Motetten,  ein 
5stimm.  Eequiem  u*  a.  komponierte.  Fast  alle  diese  Werke  sind  Mskr. 
geblieben.    Er  starb  am  18.  Juni  1859. 

Sweelinck,  Jan  Pieters,  geb.  1562  zu  Amsterdam,  gest.  16.  Okt. 
1621,  Schüler  von  Andr.  Qabrieli  in  Venedig,  war  bereits  1590 
Organist  an  der  alten  Kirche  seiner  Vaterstadt.  Er  komponierte  vieles, 
mehrstimmige  Gesangswerke  (Psalmen,  Cantiones  sacrae,  Chansons), 
u.  Orgelstücke,  ^von  denen  Bob.  Eitner  einige  (Berlin,  bei  Simrock) 
herausgegeben  hat.  Seine  Bedeutung  liegt  in  der  Begründung  der 
eigentlichen  Fugenbüdung,  welche  jedoch  von  seinen  Nachfolgern  un- 
beachtet blieb  und  erst  durch  Seb.  Bach  weitere  Entwicklung  und 
Vollendung  erhielt.  Er  verwendete  zuerst  den  doppelten  Kontrapunkt 
systematisch,  nicht  Mos  sporadisch,  wie  es  vor  ihm  geschah. 
Unter  S.'s  Schüler  zählen  die  grössten  Organisten  Norddeutschlands  in 
der  ersten  Hälfte  des  17.  Jhdts. 


T. 

Tarditi,  Paolo,  geb.  zn  Eom,  war  um  1620  Kp.-M.  an  der 
Kirche  S.  Giacomo  de^Spagnuoli  daselbst  u.  lieferte  geschätzte  Sstimm. 
Kirchenkompositionen.    Ein  anderer  T.  0  r  a  z  i  o ,  war  um  die  Mitte 


Tartini  —  Thielen.  257 

des  17.  Jhdts.  Kp«-M.  za  Faenza  n.  hat  viele  Sammltingen  Messen, 
Motetten,  Psalmen  u.  dgl.  durch  den  Dntck  veröffentlicht. 

Tartini,  Ginseppe,  einer  der  grössten  Yiolinspieler  des  vorigen 
Jhdts.,  anch  berühmter  Theoretiker  n.  Komponist.  Geb.  12.  April  1692 
zu  Pirano  in  Istrien,  widmete  er  sich  vorerst  dem  Jus  n.  nebenbei  der 
Musik,  später  wurde  sie  jedoch  sein  Lebensberuf.  Er  begründete  ein 
eigenes  System  der  Harmonie  „auf  den  dritten  Klang,*'  welches  er  in 
dem  „Trattato  di  musica  secondo  la  vera  scienza  dell'armonia" 
(Padua  1754)  u.  in  „De'  principi  delParmonia  musicale**  (Padua  1767) 
niederlegte.    Er  starb  zu  Padua  am  16.  Febr.  1770. 

Tanx,  Alois,  geb.  den  5.  Okt.  1817  zu  Baumgarten  bei  Franken- 
stein in  preuss.  Schlesien  und  von  Jugend  auf  mit  fast  allen  Instru- 
menten bekannt,  versuchte  sich  im  12.  Jahre  schon  mit  der  Anfertigung 
kleiner  Kirchenstücke.  1834  wurde  dem  strebsamen  Jünglinge  die 
Aufnahme  in  das  Prager  Konservatorium  bewirkt.  Nach  seinem  Aus- 
tritt aus  dem  Konservatorium  versah  er  eine  Musikdirektorstelle  zu 
Graz,  dann  zu  Linz  u.  Salzburg.  Li  letzterer  Stadt  gewann  er  bald 
den  Kunstmäcen  Dr.  Hillenprandt,  Hof-  u.  Gerichtsadvokaten,  welcher 
1841  den  Dom-Musikverein  mit  dem  Lehrinstitute  des  Mozarteums  in's 
Leben  rief;  T.  wurde  bei  ersterem  als  Kp.-M.,  bei  letzterem  als 
Direktor  angestellt.  »Diese  Posten  bekleidete  er  vom  1.  Okt  1841  bis 
zu  seinem  am  17.  April  1861  erfolgten  Ableben  in  ehrenvoller,  den 
musikalischen  Euf  Salzburgs  neu  begründender  Weise  (wie  sich  der 
Verfasser  seines  Nekrologs  ausdrückt).  An  Kirchenmusik  schrieb  T.: 
eine  Sstimm.  Yokalmesse,  3  grosse  instrumentierte  Messen  (in  Es,  F,  B), 
eine  kleinere  Figuralmesse  in  G,  eine  Yokalmesse  mit  Harmoniebegleitung, 
eine  Messe  für  4  Männerstimmen,  eine  Yokalmesse  für  Doppelchor,  ein 
Eequiem,  ein  Te  Deum,  eine  grosse  Yesper,  eine  grosse  u.  eine  kleinere 
Litanei  in  0;  an  Profanmusik:  3  grössere  u.  3  kleinere  Ouvertüren, 
mehrere  Streichquartette  u.  eine  Festkantate. 

Tayares,  M  a  n  o  e  1 ,  geb.  zu  Portalegre  in  Portugal,  blühte  um 
1625,  war  Kp.-M.  zu  Murcia  in  Spanien,  später  in  Cuen^a,  wo  er  auch 
starb.    Seine  Kirchenkompositionen  waren  gerühmt. 

Theoger,  s.  Dietger. 

Thielen,  Peter  Heinrich,  geb.  11.  August  1839  zu  Cranenburg 
bei  Gleve  (preuss.  Bheinprovinz)  bildete  sich,  nachdem  er  in  seiner 
Jugend  nur  Elementarunterricht  im  Klavierspiel  u.  in  der  Harmonie- 
lehre erhalten,  im  Orgelspiel,  Theorie  u.  Komposition  ganz  autodidaktisch. 
Vorerst  mehrere  Jahre  Organist  in  seiner  Vaterstadt,  wirkt  er  seit 
1874  als  Organist  u.  Ghordirektor  an  der  kathol.  Pfarrkirche  zu  Goch 
(preuss.  Bheinprovinz).  Von  seinen  zahlreichen  Kompositionen,  be- 
stehend in  ca.  30  Messen  für  2—8  Stimmen,  vielen  Motetten,  Hymnen, 
Litaneien,  Magnificat,  Marienliedem  u.  s.  w.  für  dieselbe  Stimmenzahl, 
einem  Orgelkonzert,  Orgelpräludien,  Fugen  —  sind  bisher  durch  den 

Kornmfiller,  Lexikon.    H.  Bd.  17 


I 


258  Tevo  —  Tigrini, 

Druck  yertfffentlicht;  Magnificat  V.  toni  für  4  Männerstiimnen  n.  Orgel 
in  Oberhoffer's  ,,Caecilia"  n.  in  „Mnsica  sacra,^*  verschiedene  Motetten, 
Leo-Hymne  u.  s.  w.  in  „Fliegende  Blätter/*  „Musica  sacra"  n.  ,,Cantas 
sacri"  y.  Witt;  22  Motetten  im  „Oantnariam  sacrom*'  (Münster  bei 
H.  Schöningh),  Missa  in  hon.  S.  Antonii,  Missa  de  Nativ.  D.  N.  J*  Chr. 
(beide  Messen  vorläufig  in  Dr.  Tratter's  Ziffern-Edition);  „Tu  es  Petrus*' 
für  8stimm.  Doppelchor,  Orgel  u.  Posaunen  (Begensbg.,  Fr.  Pustet); 
Missa  in  hon.  S.  Guilelmi  für  3  Männerstimmen  (Op.  8)  u.  Missa 
solemnis  für  6  gemischte  Stimmen  (Op.  9)  (Freibg.  i.  Br.,  bei  Herder); 
Missa  festiva  8  voc.  Op.  15.  (Bgsbg.,  Pustet).  —  Ausserdem  sind  noch 
unveröffentlicht  viele  weltliche  Lieder,  Duette,  deutsche  Psalmen  u.  a. 

Tevo,  Zaccaria,  geb.  zu  Sacco  bei  Roveredo  1656}  ein  Franzis- 
kaner  zu  Venedig,  Baccalaureus  der  Theologie  u.  Lehrer  der  Musik, 
publizierte  1706  zu  Venedig  ein  vortreffliches  Werk,  betitelt:  ,)n  Musico 
Testore,**  worin  er  das  Hauptsächlichste  dessen,  was  er  lehrte,  zusammen- 
gefasst  hat.  Es  zeigt  von  einer  immensen  Belesenheit  u.  einem  hellen, 
methodischen  Geiste.  In  4  Teilen  behandelt  das  Buch  die  Musik  im 
Allgemeinen,  ihre  Elemente,  die  Harmonie  u.  die  verschiedenen  Arten 
des  Kontrapunktes. 

Thomas  de  Aqnino,  .beigenannt  „Doctor  angelicus**  „der  eng- 
lische Lehrer,**  geb.  1227  zu  Aquino  im  Neapolit^ischen,  trat  in  den 
Dominikanerorden  u.  ward  durch  seine  grosse  Frömmigkeit  'u.  tiefe 
Gelehrsamkeit  ein  glänzendes  Licht  der  Kirche.  Er  starb  7.  März  1274 
in  einem  Gisterzienserkloster  bei  Terracina,  als  er  auf  der  Reise  zum 
Konzil  zu  Lyon  begriffen  war.  1236  trug  ihm  Papst  Urban  IV.  auf, 
das  Officium  für  das  Frohnleichnamsfest  auszuarbeiten.  Die  hierzu 
gefertigten  Hymnen,  besonders  Pange  lingua,  Lauda  Sion,  Adoro  te 
mit  ihren  Melodien  (die  des  Pange  lingua  ist  älter)  haben  seinen 
Namen  auch  für  die  Musikgeschichte  bemerkenswert  gemacht. 

Thomas  de  S.  Maria,  ein  Dominikanermönch,  zu  Madrid  in  der 
zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  lebend,  gab  ein  sehr  seltenes  u.  gutes 
theoretisches  Werk:  „Libro  Llamado  Arte  de  tanner  Fantasia,  assi  para 
Tecla  como  para  Vihuela,  y  todo  instrumento,  en  que  se  pudiere  tanner 
a  tres,  y  a  quatro  vozes,  y  a  mas  .  .  .**  (Valladolid,  1565.  2  T.  in  FoL) 
heraus,  wovon  die  Proske'sche  Bibliothek  in  Eegensburg  ein  Exemplar 
bewahrt. 

Tigrini,  Orazio,  Kanonikus  zu  Arezzo,  edierte  1588  (2.  Aufl.  1602) 
in  Venedig  ein  sehr  eingehendes  u.  weitgreifendes  theoretisches  Werk: 
„Oompendio  della  Musica,  nel  quäle  si  tratta  brevamente  dell'  arte  del 
contrapunto,  diviso  in  4  libri,**  worin  er  sehr  klar  und  verständlich 
über  die  Intervalle,  den  einfachen  Kontrapunkt,  die  Kirchen^töne  und 
die  Kadenzen  und  die  kontrapunktischen  Formen,  Imitation,  Fuge  etc. 
handelt. 


Tinctoris  —  Töpfer.  269 

Tinctoris,  Johannes,  bertlhmter  Theoretiker  n.  Mnsikschrift- 
steller  des  15.  Jhdts.,  auch  Komponist,  war  geb.  zu  Poperinghe  in 
Brabant  1434  oder  1435,  studierte  Theologie,  Jurisprudenz  u.  Musik, 
war  auch  Licentiat  der  Bechte  u.  Priester,  u.  kam  im  Mannesalter 
nach  Neapel,  wo  er  eine  öffentliche  Musikschule  gründete  oder  doch 
wenigstens  als  Lehrer  an  einer  solchen  angestellt  war.  Gegen  1490 
kehrte  er  in  sein  Vaterland  zurück;  er  starb  1511  in  Nivelles.  Von 
seinen  theoretischen  Schriften  hat  Ooussemaker  im  IV.  Bd.  seiner 
Scriptores  veröffentlicht:  a)  Ezpositio  manus;  b)  Liber  de  natura  et 
proport.  tonorum;  c)  Tractatus  de  notis  et  pausis;  d)  Tract.  de  regulär! 
yalore  not.;  e)  Liber  imperfectionum  not.  musical.;  f)  Tract.  altera- 
tionum;  g)  Scriptum  super  punctis  musices;  h)  Liber  de  arte  contra- 
puncti;  i)  Proportionale  Musices;  k)  Diffinitorium  Musicae;  1)  Complexus 
effectuum  Musices.  —  Von  seinen  Kompositionen  finden  sich  einige  im 
päpstL  Kapellarchiy. 

Tinel,  Edgar,  geb.  27.  März  1854  zu  Sinay  in  Ostflandem,  trat 
1863  als  Schüler  in  das  kgl.  Konservatorium  zu  Brüssel  u.  trug  1873 
den  ersten  Preis  im  Klavierspiele  davon.  Um  diese  Zeit  versuchte  er 
sich  auch  in  der  Komposition  u.  machte  darin  bald  solche  Portschritte, 
dass  er  1877  den  Bompreis  durch  seine  Kantate  „Die  Bolandsglocke'' 
errang.  Eifrig  studierte  er  die  Werke  von  Bach,  Beethoven,  Schu- 
mann, Brahms  und  es  erfolgten  bald  neue  grössere  Kompositiooen. 
1881  ward  er  der  Nachfolger  des  Gründers  u.  ersten  Direktors  der 
Kirchenmusikschule  in  Mecheln,  Lemmens.  Als  solcher  wendet  er  sein 
Augenmerk  auch  den  altem  Tonmeistern  zu.  In  Deutschland  wurde 
sein  Name  besonders  bekannt  durch  die  Legende  „Franziskus'*  und 
durch  sein  neuestes  Kirchenwerk  „Missa  in  hon.  B.  V.  Mariae  de 
Lourdes**  für  östimmigen  Chor. 

Töpfer,  Joh.  Gottlob,  geb.  den  4.  Dez.  1791  zu  Niederrossla 
bei  Weimar,  gest  8.  Juni  1870  zu  Weimar,  bildete  sich  vorerst  zum 
Schuldienst,  verliess  aber  auf  den  Bat  seiner  Gönner,  welche  in  ihm 
ein  grosses  Talent  für  Klavier-  u.  Orgelspiel  erkannten,  dieses  Fach 
u.  wendete  sich  ganz  der  Musik  zu.  >amentlich  zog  ihn  der  Orgelbau 
an  u.  sowohl  in  den  Werkstätten  der  Orgelbauer  als  auf  Beisen  durch 
mehrere  Länder  sammelte  er  sich  ausgezeichnete  Kenntnisse  und  die 
reichsten  Erfahrungen,  dass  er  nunmehr  in  allem,  was  Orgelbau  be- 
trifft, allseitig  als  Autorität  anerkannt  wird.  1817  wurde  er  als 
Professor  der  Musik  am  Schullehrerseminar  in  Weimar,  1830  als 
Organist  an  der  Stadtkirche  daselbst  angestellt.  Er  war  ein  vortreff- 
licher Orgelvirtuose,  komponierte  mehreres  für  die  Orgel  n.  besonders 
geschätzt  ist  seine  „Organistenschule,"  ein  treffliches  mu8ik.-theoretisches 
Werk.  Sein  grösstes  Verdienst  besteht  aber  in  dem;  was  er  für  den 
Orgelbau  geleistet  hat:  er  stellte  ein  wissenschaftliches  System,  eine 
neue  Theorie  der  Orgelbaukunst  auf,  indem  er  die  mathematischen  u. 

17* 


260  Tomadini  —  Tuma. 

physikaÜBchen  Gesetze  herbeizog.  Sein  System  yeiSffentlichte  er  in 
dem  Werke:  „Lehrbnch  der  Orgelbauknnst,"  4  Teile  nebst  Atlas 
(Weimar,  Voigt  1856).  Diess  vorzügliche  Werk  wnrde  1888  in  einer 
neuen  Bearbeitung  von  Max  Allihn  unter  dem  Titel  „Die  Theorie  und 
Praxis  des  Orgelbaues**  mit  65  Tafeln  (Weimar,  Voigt)  herausgegeben, 

Toma^Uii,  J  a  c  o  p  o ,  geb.  24.  Aug.  1820  in  Gividale  im  Friaul, 
ward  von  dem  dortigen  Stiftskp.-M,  J.  B.  Oandotti  in  der  Musik  unter- 
richtet, u.  nach  Vollendung  seiner  wissenschaftlichen  Studien  184& 
erhielt  er  die  Priesterweihe.  Sodann  fungierte  er  als  Vikar  am  Stifts- 
kapitel zu  Ciyidale,  später  als  Beichtvater  des  ürsulinerinenklosters, 
dazu  als  Direktor  des  kgL  Museums,  als  Archivar  u.  Bibliothekar,  bis 
er  1877  ein  Kanonikat  daselbst  erhielt  Obwohl  ihm  Anträge  zu 
Eapellmeisterstellen  von  Venedig,  Mailand  u.  Bom  gemacht  wurden» 
zog  er  es  doch  vor,  sich  mit  dem  bescheidenen  Amte  eines  Organisten 
am  Dome  zu  Gividale  zu  begnügen*  Er  starb  21.  Januar  1883.  — 
Er  komponierte  sehr  vieles  (11  Messen,  11  Offertorien,  22  Motetten, 
29  Psalmen,  38  Hymnen  u.  s.  w.),  das  Meiste  ist  aber  ungedruckt. 
Dr.  Witt  sagt  von  ihm:  „Er  konnte  im  Palestrinastyl  ganz  gut 
komponieren,  aber  er  concedierte  dem  Zeitgeiste  zu  viel.**  Dem 
Kongresse  von  Arezzo  1882  sendete  er  noch  eine  Theorie  der  Begleitung 
des  Chorals  ein. 

Tomasctaek,  Johann  Wenzel,  geb.  zu  Skutsch  in  Böhmen  am 
17.  April  1774,  betrieb  in  seinem  Knabenalter  den  Gesang  und  das 
Elavierspiel  schon  mit  Vorliebe,  zu  Prag  studierte  er  Philosophie  und 
Jurisprudenz  und  brachte  durch  musikalisches  Unterrichtgeben  seinen 
Lebensunterhalt  auf.  Nachdem  er  mehrere  Jahre  als  Hofkomponist 
dem  Grafen  Gg.  v.  Bouquoy  gedient  u.  indessen  zu  hoher  Meisterschaft 
in  der  Tonkunst  sich  emporgearbeitet  hatte,  gründete  er  in  Prag  einen 
eigenen  Hausstand  und  lebte  fortan  der  Musik  bis  an  sein  Lebensende, 
den  3.  April  1850.  An  seinen  Kompositionen  wird  eine  schwungvolle« 
edle  und  reichströmende  Erfindung  mit  musterhafter  Arbeit  gerühmt. 
Neben  mannigfaltigen  weltlichen  Kompositionen  schrieb  er  für  die 
Kirche  mehrere  Bequiems,  Messen  u.  a. 

Tomasi,  B 1  a  s  i  o ,  guter  Orgelspieler  und  Komponist,  lebte  za 
Anfang  des  17.  Jhdts.  zu  Comachio  im  Perrarischen  i^  schrieb  besonders 
viele  und  gute  Madrigalen  und  Motetten  ftir  2— 5  Stimmen  und  Kirchen- 
konzerte von  1—8  Stimmen« 

Tomkins,  Thomas,  ein  angesehener  englischer  Kontrapunktist, 
geb.  um  1580,  war  ein  Schüler  des  Will.  Bird  und  zuletzt  Sänger  und 
Organist. an  der  königl.  Kapelle;  1607  wurde  er  von  der  Universität 
Oxford  zum  Baccalaureus  der  Musik  ernannt.  Gestorben  ist  er  als 
Organist  an  der  Kathedrale  zu  Worcester. 

Tnma  oder  Thnma,  Franz,  geb.  zu  Kosteletz  in  Böhmen  am 
2.  Okt.  1704,  genoss  in  Wien  den  musikalischen  Unterricht  des  Kapell- 
meisters Pux  u.  trat  1741  als  Kp.-M.  in  die  Dienste  der  verwitweten 


Türk  —  Ugolini.  261 

Xaiserm  Elisabeth.  1768  zog  er  sich  in  das  Prämonstra^nser-Kloster 
Geras  zurück,  nach  sechs  Jahren  ging  er  wieder  nach  Wien  n.  mietete 
sich  bei  den  barmherzigen  Brüdern  ein,  starb  aber  bald  nach  seiner 
Ankunft  4.  Febr.  1774.  Seine  Kompositionen,  zumeist  für  die  Kirche, 
waren  sehr  geschätzt  u.  ihre  Zahl  erreicht  eine  hohe  Nummer. 

Tfirk,  Daniel  Gottlob,  geb.  zn  Claussnitz  bei  Chemnitz  am 
10.  Aug.  1756,  bekam  schon  frühzeitig  von  seinem  Vater  Unterricht 
in  der  Musik,  später  zu  Dresden  von  Homüius  und  als  er  1772  die 
Uniyersität  Leipzig  bezog,  nahm  sich  seiner  Hiller  väterlich  an.  1779 
ward  er  Universitäts-Musikdirektor  zu  Halle,  1787  Organist  an  der 
Liebfrauenkirche  daselbst.  1808  wurde  er  als  Musikprofessor  an  dieser 
Universität  angestellt,  nachdem  er  die  philosophische  Doktorwürde  er- 
halten hatte.  Er  starb  am  26.  Aug.  1813.  —  Von  seinen  Kompositionen 
sind  ein  Oratorium,  viele  Lieder  und  Ellavierstücke  gedruckt.  Dann 
gab  er  1789  eine  grosse  Klavierschule  heraus;  1791  die  bekannte,  bis  jetzt 
in  vielen  Auflagen  erschienene  „Kurze  Anweisung  zum  Generalbass*- 
spielen";  1787  „Von  den  wichtigsten  Pflichten  eines  Organisten^'  u.  a. 

Tarini,  Gregorio,  geb.  um  1560  zu  Brescia,  genoss  einen  grossen 
Buf  als  Sänger  und  Zinkenist  und  starb  1600  zn  Prag  als  Kammer- 
musikus des  Kaisers  Budolph  11.  Gedruckt  erschienen  von  ihm  einige 
Sammlungen  geistlicher  und  weltlicher  Gesänge:  „Gantiones  admodum 
devotae,  cum  aliquot  Psalmis  Davidis  ...  ad  4  voc.  aequ/*  (Venedig, 
1589);  „II  primo  libro  di  canzonette  a  4  voc."  (Nürnberg,  1597); 
„Teutsche  Lieder  nach  Art  der  welschen  Villanellen  mit  4  Stimmen" 
(Frankfurt,  1610).  —  Sein  Sohn  und  Schüler  Francesco  T.,  1590  zu 
Brescia  geb.,  ward  frühzeitig  von  Kaiser  Budolph  zum  Hoforganisten 
ernannt  und  suchte  durch  Besuch  von  Bom  u.  Venedig  sich  im  Orgel- 
spiel noch  weiter  auszubilden.  Er  starb  1656  als  Organist  an  der 
Kathedrale  seiner  Vaterstadt.  Gedruckt  sind  von  ihm  Messen,  Motetten, 
Madrigalen  mit  und  ohne  Instrumentalbegleitung. 

U. 

Ügolini,  Vincenzo,  ein  trefflicher  Komponist  der  römischen 
Schule,  geb.  zu  Perugia,  kam  Mhzeitig  nach  Bom,  bildete  sich  unter 
Bemard  Nanino's  Leitung,  worauf  er  1603  Kp.-M.  an  S.  Maria  Maggiore 
daselbst,  1609  an  der  Kathedrale  zu  Benevent  wurde.  1615  kehrte  er 
wieder  nach  Bom  zurück,  wo  er  zuerst  an  S.  Luigi  de*Francesi,  u. 
von  1620  ab  an  der  St.  Peterskirche  im  Vatikan  als  Kp.-M.  fungierte 
bis  zu  seinem  Tode  1626.  Zu  seinen  Schülern  gehört  unter  andern  der 
berühmte  Graz.  Benevoli.  In  der  Zeit  von  1614—1624  sind  verschiedene 
Sammlungen  von  Messen,  Motetten,  Psalmen  und  Madrigalen  von  ihm 
im  Druck  erschienen. 


262  Uttendal  —  Valotti. 

Üttendal  (auch  Utenthal)  Alexander,  ein  gediegener  Meister 
des  16.  Jhdts.,  ein  Niederländer,  von  dessen  Lebensumständen  sehr 
wenig  bekannt  ist  Er  beschäftigte  sich  schon  von  Jngend  anf  gerne 
mit  Musik  u.  stand  später  in  Diensten  des  Erzherzogs  Ferdinand  zu 
Innsbruck,  wo  er  8.  Mai  1581  starb.  Er  nimmt  unter  den  deutschen 
Komponisten  des  16.  Jhdts.  eine  ansehnliche  Stelle  ein;  seine  Werke 
atmen  sämtlich  durch  u.  durch  acht  kirchlichen  Geist,  überall  findet 
die  gewählte  Tonart  sich  streng  ausgeprägt,  überall  erscheint  er  bei 
der  reichsten  Gedankenfülle  doch  klar  und  yerständlich.  Seine  uns  be- 
kannten Werke  sind  alle  in  Nürnberg  gedruckt:  „Septem  Psalmi 
poenitent.'^  1570;  „Sacrarum  Cantionum,  libri  duo**  1571,  1573;  „Tres 
Missae  et  Magnificat"  1573.  Ein  besonderer  Vorzug  dieses  Meisters 
ist  es,  dass  er  in  Bezeichnung  der  Semitonien  sehr  genau  gewesen, 
u.  dass  daher  alle  seine  Werke  einen  sichern  Anhaltspunkt  für  die 
Anwendung  der  ErhÖhungs-  u,  Erniedrigungszeichen  jener  Meister  des 
goldenen  Zeitalters  bieten,  welche  in  der  Notation  derselben  weniger 
strikte  gewesen  u.  deren  Gebrauch  dem  geübten  u.  in  die  Tonarten 
eingeweihten  Sänger  überlassen  haben. 


V. 

Yalentini,  Giovanni,  ein  Komponist  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
16.  Jhdts.,  war  zuerst  in  Diensten  des  Königs  Sigismund  DI.  von  Polen 
n.  wurde  1615  kaiserlicher  Hoforganist  in  Wien.  Er  starb  um  1630. 
Verschiedene  Sammlungen  mehrstimmiger  Motetten  u.  a.  erschienen  im 
Druck;  handschriftlich  hinterliess  er  viele  Kirchensachen,  darunter 
einige  für  24  Stimmen  (6  Chöre). 

Yalentini,  Pier  Francesco,  ein  römischer  Edelmann,  geb.  in 
der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhdts.,  genoss  den  Musikunterricht  des 
Giov.  Maria  Nanino  zu  Eom  u.  wurde  einer  der  gelehrtesten  Ton- 
künstler der  römischen  Schule.  Er  starb  zu  Eom  1654.  (Motetten, 
Litaneien,  Madrigalen,  Canons  etc.) 

Valotti,  P.  Francesco  Antonio,  gelehrter  Kontrapunktist n. 
Theoretiker,  auch  fleissiger  Kirchenkomponist  u.  guter  Orgelspieler, 
geb.  zu  Vercelli  in  Piemont  am  11.  Juni  1697,  wo  er  frühzeitig  eine 
musikalische  Bildung  erhielt.  Nachdem  er  in  den  Franziskanerorden 
getreten  u.  die  Theologie  absolviert  hatte,  sendeten  ihn  seine  Obern 
in  Berücksichtigung  seines  unzweifelhaften  musikalischen  Berufes  nach 
Padua  zu  Padre  Cagliari  zur  weiteren  Ausbildung.  Mit  allem  Eifer 
betrieb  nun  der  25jährige  Valotti  das  Musikstudium,  wurde  nachgehendfl 
Organist  an  der  Kirche  S.  Antonio  u.  endlich  Nachfolger  seines  Lehres 
als  Kp.-M.  an  genannter  Kirche.    Diese  Stelle  bekleidete  er  bis  zn 


Vecchi  —  Verdelot  263 

seinem  am  16.  Jan.  1780  erfolg^ten  Tode.  Er  schrieb  eine  ausser* 
ordentliche  Anzahl  Eirchenwerke,  welche  sich  durch  Gelehrsamkeit 
auszeichnen,  von  denen  aber  wenige  im  Druck  erschienen  sind.  Auch 
ein  theoretisches  Werk  begann  er:  „Della  scienza  teorica  e  pratica 
della  modema  musica,"  von  welchem  nur  ein  Band  —  Padua  1779  — 
erschienen  ist.  Abbö  Vogler  nennt  ihn  ,,den  ersten  Theoretiker  in 
Europa**  u.  hat  sein  System  der  Musik  (Umkehrung  def  Akkorde)  auf 
das  Ton  Yalotti  gegründet,  der  es  seit  50  Jahren  bearbeitete,  aber 
nicht  damit  zu  Ende  kam. 

Yecchi,  nach  Einigen  Yecchio,  Orfeo,  geb.  zu  Mailand  1540, 
gest.  1613,  war  daselbst  Geistlicher  u.  Kp.-M.  an  der  Kirche  S.  Maria 
della  Scala.  Im  Druck  erschienen  von  ihm  zahlreiche  Messen,  Motetten 
u.  Psalmen.  —  Ein  anderer  V.,  Lorenzo,  geb.  1566  in  Bologna,  war 
ebenfalls  Priester  u.  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  seiner  Vaterstadt.  Er 
komponierte  mehreres  für  die  Kirche,  wovon  Messen  u.  Motetten  1605 
u.  1607  zu  Venedig  in  Druck  erschienen. 

Vecchi,  Orazio,  war  zu  Modena  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts. 
geboren.  Seine  musikalische  Bildung  erhielt  er  in  Venedig,  kehrte 
jedoch  früh  in  sein  Vaterland  zurück,  blieb  unausgesetzt  daselbst,  wurde 
Kp.-M.  des  Herzogs  von  Modena  u.  starb  daselbst  hochbetagt  am 
19.  Sept.  1605.  Gleich  andern  Meistern  jener  Zeit  schrieb  er  für  Kirche 
u.  profanen  Gebrauch  in  allen  damals  üblichen  Musikgattungen;  die 
allgemeine  Aufmerksamkeit  aber  erregte  er  durch  eine  Art  komischer 
Oper  unter  dem  Titel  „L*Amphipamasso,  commedia  armonica,**  welche 
1594  in  Modena  aufgeführt  und  später  in  Venedig  gedruckt  wurde. 
Irrig  hat  man  dieses  Werk  ein  musikalisches  Drama,  wohl  gar  die 
älteste  Oper  genannt,  obwohl  der  Dialog  nur  im  Text  liegt,  die  Musik 
aber  im  Madrigalenstyl  (5stimmig)  gehalten  ist,  und  nichts  von  dem, 
was  die  eigentliche  Oper  begründete,  als  Monodie  und  Becitativ,  wie 
bei  den  Werken  der  Florentiner  Peri,  Caccini  u.  a.  sich  vorfindet.  Wenn 
gleich  sein  Buhm  hauptsächlich  auf  seinen  weltlichen  Kompositionen 
fusst,  so  verdienen  auch  seine  geistlichen  Tonwerke,  Messen,  worunter 
besonders  eine  Sstimmige  „Missa  in  Besurrectionem  Domini,**  Motetten 
u.  a.  grosse  Beachtuug;  viele  derselben  sind  durch  Gediegenheit  und 
acht  kirchlichen  Ausdruck,  überhaupt  durch  treues  Festhalten  am  reinen 
Kirchenstyle  ausgezeichnet. 

Vento,  J  V  0  de,  spanischer  Abkunft,  war  in  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  Jhdts*  in  Diensten  des  herzoglich  bayr.  Hofes,  von  1568  bis 
etwa  1593  Organist  zu  München;  von  ihm  erschienen  mehrere  Motetten- 
sammlungen (1569,  1574,  1570)  u.  mehrere  Bücher  „Neue  teutsehe 
Lieder**  zu  4--6  Stimmen. 

Verdelot,  Philipp,  ein  alter  berühmter  niederländischer  Kontra- 
punktist, lebte  längere  Zeit  in  Italien  u.  starb  um  1560.  In  mehreren 
Sammlungen  aus  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts.,  die  in  Paris  erschienen, 


264  Yiadana  —  Yicentino. 

finden  sich  Gesäuge;   auch   die   Münchner   Bibliothek  bewahrt  eine 
Sammlung  von  Madrigalen  von  ihm, 

Viadana,  Ludovico,  dessen  eigentlicher  Familienname  LudoTico 
Grossi  ist,  war  zu  Yiadana  bei  Oremona,  wahrscheinlich  1564  geboren^ 
Oostanzo  Porta  soll  sein  Lehrer  gewesen  sein.  30  Jahre  alt,  finden 
wir  ihn  als  £p.-M.  an  der  Domkirche  S.  Pietro  zu  Mantua,  wo  er  bis 
1609  verblieb.»  Mit  Beginn  des  Jahres  1596  trat  er  in  den  Franzis- 
kanerorden u.  erteilte  den  Klerikern  der  Domkirche  Unterricht  inoi 
cantus  firmus.  1597  hielt  er  sich  vorübergehend  in  Bom  auf,  wo  er 
auch  die  Jdee  zu  seinen  Goncerti  ecclesiastici  fasste,  deren  erstes  Heft 
1602  in  Venedig  erschien.  Eine  Sammlung  von  1613  (Frankfurt  bei 
Nie.  Stein)  umfasst  die  drei  Büch€\r  —  100  Concertl  Hierzu  gab  er 
auch  eine  bemerkenswerte  Anweisung  zu  deren  Gebrauch  (s.  Eirchenmuq. 
Jahrbuch  v.  F.  X.  Haberl,  1889).  1609  war  er  Domkp.-M.  in  Concordia, 
1612  in  Fano,  dann  in  Bom;  1615  Definitor  seines  Ordens  zu  Perugia; 
er  starb  2.  Mai  1645  in  Gualtieri  am  Po  im  dortigen  Franziskanern 
kloster.  Nach  1612  erschien  keine  Publikation  von  ihm.  Von  seinen 
Werken  erschienen  im  Druck:  Canzonette  a  4  voc.  (1590),  solche 
ä  3  voci  (1594),  Vespertina  Psalmodia  5  voc  (1595),  Missa  4  voc. 
Lib.  I.  (1596),  Falsibordoni  a  5  voc.  (1596),  Completorium  roman.  8  voc 
(1597),  Motetta  festorum  8  voc.  (1597),  Ofacium  Defonctomm  (1600), 
Oento  Concerti  a  1^4  voc.  con  ü  Basso  continuo  (1602),  Psalmi  ad 
Vesp.  5  voc.  (1604),  Litaniae  a  3—12  voci  (1607),  OMcium  et  Missa 
Defiinct.  5  voc.  (1604),  Completorium  romanum  8  voc.  (1606),  Concerti 
eccl.  Lib.  U.  (1607),  Sinfonie  a  8  voc.  stroment  (1610),  Salmi  e  2  Magni- 
ficat  a  4  voc.  (1608),  Completorium  rom.  4  voc  (1609),  Lamentationes 
et  Besponsoria  pro  maj.  hebd.  4  voc  (1609),  Concerti  libr.  III.  (1609), 
Salmi  a  4  chori  (1612),  Falsibordoni  a  4  e  8  voc  (1612),  24  Credo  a 
canto  fermo  (1619).  Seine  Kompositionen  müssen  beliebt  gewesen  sein, 
weil  einige  derselben  mehrmals  neu  aufgelegt  wurden.  Er  wird  irr- 
tümlich als  der  Erfinder  des  Generalbasses  angesehen;  doch  dieser  war 
schon  vor  ihm  bekannt.  Sein  grosses  Werk  ist,  dass  er  1-,  2-  und 
3stimmige  (besänge  mit  fortwährender  Begleitung  der  Orgel  (Basso 
continuo)  in  die  Kirche  einführte.  F.  X.  Haberl  sagt  von  Viadana: 
„Er  wird  zu  aUen  Zeiten  als  feinfühliger  Eirchenkomponist,  als  eifriger 
Beförderer  guten  u.  besseren  Geschmacks,  aki  fieissiger  u.  begeisterte 
Vorkämpfer  des  kirchl.  Eunstgesanges  gerühmt  werden  müssen,  wenn 
auch  als  sicher  gelten  kann,  dass  seine  Werke  bereits  in  das  Stadium 
der  absteigenden  Bewegung  fallen,  nachdem  der  Culmlnationspunkt  der 
vokalen  Polyphonie  in  Palestrina's  Werken  erreicht  war." 

Vicentino,  Nicolo,  geb.  1511  zu  Vicenza,  ein  Geistlicher,  stu- 
dierte Musik  unter  Willaert  u.  ward  später  Ep.-M.  am  Hofe  zu  Ferrara. 
Um  die  Mitte  des  16.  Jhdts.  zog  er  mit  dem  Kardinal  HippolytTon 
^ste  nach  Boqi,  wo  er  wahrscheinUch  auch  starb.    Er  war  einer 


Victoria.  265 

der  gelehrtesten  Musiker  seiner  Zeit  und  suchte  besonders  die  Ton- 
geschlechter der  alten  Griechen  für  die  Musik  seiner  Zeit  nutzbar  zu 
machen.  Seine  unfruchtbaren  Bemühungen  legte  er  in  einem  theore- 
tischen Werke:  „L'antica  musica  ridotta  alla  modemä  pratica  etc." 
(Born  1555)  und  in  einer  Sammlung  5stimmiger  Madrigalen  (Venedig 
1555)  nieder. 

Victoria  oder  Vittoria,  Tomaso  Ludovico  de,  ein  spanischer 
Priester,  geb.  zu  Avila,  wahrscheinlich  um  1540,  gest.  um  1608  zu 
Born,  scheint  früh  nach  Bom  gekommen   zu  sein,  wo   damals   die 
spanischen  Künstler  in  hohem  Ansehen  standen.   Unter  diesen  scheinen 
zwei,  Escobedo  u.  Morales,  die  sich  eines  hohen   Buhmes  erfreuten, 
einen  bedeutenden  Einfluss  auf  die  gründliche  Ausbildung  des  jungen 
Vittoria  geübt  zu  haben.    Noch  entscheidender  auf  seine  Kunstrichtung 
aber  wirkte  der  Umgang  mit  Palestrina  u.  dem  älteren  Nanino,  welche 
an  der  Spitze  der  neugegründeten  römischen  Schule  standen,  der  sich 
Vittoria  bald  auf  das   Entschiedenste   anschloss.     Seine   gediegenen 
Arbeiten  blieben  in  Bom  nicht  unbeachtet,  so  dass  er  1573  als  Kp.-M. 
am  Gollegium  germanicum,  zwei  Jahre  später  in  gleicher  Eigenschaft 
an  der  S.  Apollinariskirche  angestellt  wurde.  Viele  seiner  Kompositionen 
fanden  sogar  Au&ahme  in  die  päpstliche  Kapelle  u.  gehören  bis  auf 
den  heutigen  Tag  zu  dem  Vorzüglichsten,  was  in  derselben  zur  Auf« 
lührung  gelangt.    Unter  seinen  zahlreichen  Werken  zeichnet  sich  eiQCs 
seiner  spätesten,  wenn  nicht  das  letzte,  rühmlichst  aus,  nämlich  das 
6stimmige  Officium  Mortuorum,  welches  er  als  kaiserlicher 
Kapellan  1605  schrieb  u.  zu  Madrid  für  die  Exequien  der  Kaiserin 
drucken  liess,  u.  das  wohl  zu  dem  Erhabensten  gehört,  was  je  für  die 
Kirche  geschaffen  worden  ist.    Über  diesen  Meister  lässt  sich  0.  Proske 
also  vernehmen:  „In  Vittoria  finden  sich  die  edelsten  Eigenschaften 
spanischer  n.  römischer  Kunst  vereinigt.    Von  allen  Angehörigen  der 
römischen  Schule  hat  nächst  Palestrina  keiner  so  sehr  auf  vollendete 
Beinheit  des  Kirchenstyles  geachtet,  als  Vittoria;  ja  es  lag  in  seinem 
Wesen,  das  Liturgisch- Objective,  Typische  noch  inniger  fest- 
zuhalten, als  selbst  Palestrina  nötig  fand.    Dennoch  fehlte  ihm  nicht 
eine  reiche  Originalität  u.  subjektive  Ausdrucksweise,  so  dass  er  bei 
grösster  Mässigung  im  Gebrauch  seiner  Kunstmittel  stets  eigentümlich, 
von  jedem  Zeitgenossen  unterscheidbar  u.  in  allen  unter  sich  noch  so 
wesentlich  abweichenden  Kompositionen  gleich  erkennbar  bleibt.    Ohne 
der  Klarheit  seiner  Melodien  u.  Harmonien  den  mindesten  Eintrag  zu 
thun,  prägt  sich  in  seinen  Gesängen  eine  ernste,  hocherhabene  Mystik 
aus,  welche  der  reinsten  Frömmigkeit  des  Gemütes,  das  nur  heilige 
Gefühle  der  Andacht  ohne  alle  Beimischung  weltlicher  Eindrücke  zu 
atmen  scheint,  entsprungen  ist  u.  ihn  unfähig  macht,  andere  als  geist- 
liche Kompositionen  zu  schaffen.   Wärme  u.  lebendige  Selbstauffassung, 
Milde  u.  Zartheit,  innigster  Fluss  der  kunstreichsten  und  strengsten 


866  ViotorinuB  —  Vogel. 


O' 


Tonsätze,  endlich  ein  hoher  feierlicher  Aufschwung  n.  die  würdevollste 
Majestät  vereinigen  sich  in  diesem  priesterlichen  Spanier  zu  einem 
Bilde,  das  vom  Sternenhimmel  der  Vorzeit  wunderbar  zu  uns  herüber- 
leuchtet." 

Yictorfnns,  Georg,  geb.  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts.  zu  Huld- 
schön in  Bayern  u.  gest.  1624  zu  München  als  £p.-M.  an  der  MichaelisF- 
hofkirche  daselbst«  war  seiner  Zeit  als  Kirchenkomponist  geschätzt  n. 
hat  auch  mehrere  Sammlungen  von  Litaneien  u.  andern  Kirchenstücken 
in  Druck  gegeben. 

Vilhalya,  Antonio  Eodriguez,  geb.  bei  Fronteira  in  Portugal, 
studierte  um  1625  Musik  bei  Manoel  Bebello,  wurde  nachgehends 
Kp.-M.  an  der  Kathedrale  in  Lissabon  u.  dann  zu  Evora,  wo  er  auch 
starb.    Seine  Kirchensachen  waren  geschätzt. 

Vinci,  P  i  e  t  r  0 ,  geb.  1540  zu  Nicosia  in  Sicilien,  war  Kp.-M.  an 
San  Maria  Maggiore  zu  Bergamo;  gest.  1584  zu  Palermo.  Er  edierte 
mehrere  Bücher  Motetten  zu  4-6  Stimmen,  ein  Buch  5— Sstimm. 
Messen  u.  mehrere  Bücher  Madrigale. 

Viotta,  Johann  Joseph,  geb.  d.  14.  Jan.  1814  zu  Amsterdam, 
studierte  neben  der  Medizin  auch  fleissig  Musik  u.  wurde  später  Vor. 
stand  der  Soci6t6  musicale  des  Pays-Bas  in  Amsterdam  und  Ehren- 
mitglied vieler  musikalischen  Gesellschaften  in  Holland.  Er  starb  am 
6.  Febr.  1859.  Unter  andern  Kompositionen  veröffentlichte  er  viele 
Kirchenmusikwerke,  von  denen  besonders  eine  4stimmige  Messe,  ein 
Salve  Eegina,  6  Motetten  und  ein  Eequiem  zu  3  Stimmen  gerühmt 
werden. 

Vitry,  Philipp  von,  einem  berühmten  Geschlechte  der  Champagne 
entstammend,  ward  zwischen  1285 — ^95  geboren.  Seine  Jugend  brachte 
er  in  der  Auvergne  zu,  kam  dann  in  die  Dienste  Karls  des  Schönen, 
später  in  die  Philipps  aus  dem  Hause  Valois  u.  darauf  in  die  des 
Herzogs  Johann  von  der  Normandie.  Um  1350  verweilte  er  am 
päpstlichen  Hofe  zu  Avignon,  wurde  bald  darauf  Bischof  von  Meaux 
u.  starb  1361.  Er  war  ein  bedeutender  Mensuraltheoretiker  u.  hat  die 
Theorie  u.  Praxis  wesentlich  gefördert.  Insbesondere  verhalf  er  dem 
zweiteiligen  Bhythmus  zur  Geltung,  brachte  noch  kleinere  Notenwerte, 
als  bisher  üblich  war,  zu  ausgedehnterer  Anwendung  u.  Hess  für  die 
Konsonanzen  noch  mehr  das  UrteU  des  Ohres  zu.  Diese  „ars  nova" 
fand  besonders  in  dem  streng  konservativen  Johannes  de  Muris  einen 
unbeugsamen  Gegner.  Coussemaker  veröffentlichte  in  seinen  „Scrip- 
tores"  in.  einige  Traktate  von  ihm.  (Vgl.  „Monatshefte  für  Musik* 
geschichte"  1890.  S.  141  ff.) 

Vog^el,  Cajetan,  geb.  um  1750  zu  Konoged  in  Böhmen,  genoss 
den  ersten  gründlichem  Musikunterricht  als  Singknabe  im  Jesuiten- 
kollegium zu  Breslau,  studierte  zu  Prag  Theologie  und  zugleich  bei 
Habermann  die  Komposition  und  trat  dann  in  den' Orden  der  Serviten. 


Vogler.  267 

12  Jahre  lang  wirkte  er  als  Chordirektor  an  der  St  Michaelshofkirche 
in  Prag,  erhielt  nach  Aufhebung  seines  Ordens  die  Predigerstelle  an 
der  Dreifaltigkeitskirche  u.  starb  dbn  27.  August  1794.  (Messen, 
Vespern  u.  andere  Kirchenstücke  nebst  weltlichen  Tonstücken.) 

Vogler,  Georg  Joseph,  Abb6,  scharfsinniger  Theoretiker,  be- 
deutender Klavier-  und  Orgelspieler  und  verdienstvoller  Komponist,  geb. 
zu  Würzburg  den  15.  Juni  1749,  studierte  bei  den  Jesuiten  zu  Würz- 
burg und  Bamberg,  nebenbei  mit  fleissiger  Musikübung  beschäftigt. 
1771  kam  er  nach  Mannheim,  wo  er  die  Gunst  des  Kurfürsten  Carl 
Theodor  gewann,  der  ihn  behufs  der  musikalischen  Ausbildung  zu 
P.  Martini  nach  Bologna  schickte,  welchen  er  jedoch  bald  verliess  und 
nach  Padua  zu  Valotti  zog.  Nach  einem  halben  Jahre  ging  er  nach 
£om,  wo  er  zum  Priester  geweiht  seine  Musikstudien  bei  Misliweczek 
fortsetzte  u.  es  dahin  brachtet  dass  er  zum  Mitglied  der  Gesellschaft  der 
Arkadier  und  vom  Papste  zum  Bitter  des  goldenen  Spornes,  zum  Proto- 
notar  und  Kämmerer  ernannt  wurde.  1775  kehrte  er  nach  Mannheim 
zurück,  wurde  daselbst  Hofkaplan,  errichtete  eine  Musikschule  fßr  Her- 
stellung eines  gründlichen  Gesang-  und  Musikunterrichtes,  und  erhielt 
1777  neben  Holzbauer  die  zweite  Kapellmeisterstelle.  Mit  dem  pfälzi- 
schen Hofe  ging  er  1779  nach  München,  wo  die  herzoglich  bayrische 
und  die  kurfürstliche  (Mannheimer)  Kapelle  in  eine,  in  ihrer  Art  einzig 
dastehende  vereinigt  wurden;  erstere  hatten  die  ausgezeichnetsten 
Gesangkräfte,  letztere  ein  unübertreffliches  Orchester.  Da  die  Musiker 
bei  dieser  Vereinigung  nach  ihrem  Alter  eingereiht  wurden,  so  erhielt 
Holzbauer  als  der  älteste  die  Oberleitung,  Vogler  als  der  jüngste  ward 
dritter  Kapellmeister.  Doch  fand  er  hier  keine  erfreulichere  Stellung, 
als  er  in  Mannheim  hatte,  auch  hier  musste  er  unter  fortwährenden 
Anfeindungen  leben.  Den  Anstoss  gab  hier  wie  dort  die  Behandlung 
der  Musik  und  Musiklehre,  sowie  in  München  besonders  die  Kirchen- 
musik. Bei  seinem  scharfen  und  klaren  Verstände  und  der  grossen 
Energie  seines  Charakters  hielt  er  an  dem,  was  er  einmal  als  gut  und 
schön  erkannt  hatte,  unerschütterlich  fest  und  unterliess  es  auch  nicht, 
die  Fehler  seiner  Gegner  oft  in  bitterster  Weise  an  den  Pranger  zu 
stellen.  Abgesehen  von  der  Verfechtung  seines  neuen  Harmoniesystems, 
das  er  durch  Valotti  kennen  gelernt  und  ausgebildet  hatte  und  womit 
er  fast  alle  älteren  Musiker  vor  den  Kopf  stiess  (1776  gab  er  sein 
Musiksystem  heraus  und  erlangte  erst  5  Jahre  später  die  Gutheissung 
der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Paris  und  der  königl.  Gesellschaft 
in  London),  eiferte  er  besonders  gegen  die  Herabwürdigung  der  Kirchen- 
musik. Damit  das  berühmte  Orchester  Beschäftigung  erhielt  und  Ge. 
legenheit,  sich  zu  zeigen,  musste  jede  Vokalkomposition,  natürlich  auch 
Kirchensachen,  instrumentiert  werden.  So  hatte  man  es  schon,  wiewohl 
in  besserer  Weise,  seit  mehr  als  einem  Jahrhundert  mit  den  kontra- 
punktischen Werken  des  16.  Jhdts.  gethan,  indem  man  zu  ihnen  erst 


268  Vogler. 

einen  Basso  contmao,  zum  Überflass  später  noch  Yiolon  o*  3  Posi^iineii 
setzte.  Als  die  reichere  Instmmentierang  des  yoiigen  Jhdts.  angewendet 
wurde,  ward  der  Choral  in  den  Hintergrond  gedrängt,  nnd  der  gross- 
artige polyphone  reine  Gesang  verstonunte;  diese  zwei  Style,  von  denen 
jeder  für  sich  die  Herrschaft  zn  führen  geeignet  war,  konnten  sich, 
nicht  vereinigen,  einer  von  ihnen  musste  nnter  solchen  Umständen 
weichen;  Palestrina  kannte  man  kaum  mehr  dem  Namen  nach  nnd 
alle  die  Schätze  nnd  Meisterwerke,  welche  das  herzogliche  MnsikarchiT 
in  sich  barg,  waren  bald  ganz  vergessen.  Die  Ghoralmelodieen  des 
Gradaale  nnd  Offertorium  konnte  man  nicht  mehr  brauchen,  —  man 
ersetzte  sie  durch  pure  Instrumentalstttcke,  Symphonien  genannt, 
welche  weniger  in  Deutschland,  als  in  Italien  bei  dem  lebhaften  Volks« 
Charakter  bald  zu  Konzertstttcken  wurden.  Beisende  Virtuosen  liessen 
sich  dabei,  wie  jetzt  bei  den  Morgen-  nnd  Abendkonzerten,  hören. 
Gegen  solchen  Unfug  trat  der  junge  enthusiastische  Vogler  seit  seiner 
Bttckkehr  von  Bom  rücksichtslos  auf,  nachdem  er  die  Erhabenheit  der 
Werke  eines  Allegri,  ßai,  Palestrina,  Marcello,  Pitoni  u-  a.  gehört  und 
ihren  Wert  so  erkannt  hatte,  dass  er  aussprach:  „Diese  veralten  nicht, 
sie  werden  nach  100  Jahren  noch  sein,  was  sie  vor  200  Jahren  schon 
waren!  Warum  wollen  die  heutigen  Kapellmeister  nicht  mehr  ohne 
Instrumente  Kirchenmusik  setzen,  warum  führen  bei  ihnen  nur  laufende 
Geigen  die  Sprache,  warum  giebt  man  den  Blasinstrumenten  so  sehr 
den  Vorzug,  dass  sie  das  Wort  führen  und  die  Singstimmen  nur 
Zuhörer  sind?"  So  dachte  er,  so  sprach  er,  demgemäss  handelte  er  und 
fand  unter  seinen  Zunftgenossen,  welche  meist  Instrumental-Virtuosen 
waren,  nur  Gegner.  Seine  Stellung  war  so  schwierig,  dass,  wollte  er 
nur  einigermassen  wirken,  er  den  eitlen  Instfumentalisten  zu  Willen 
leben  und  für  ihre  Instrumente  schreiben  musste;  er  that  es,  aber  ging 
auch  hierin  seine  eigenen  Wege.  Endlich,  da  er  nirgends  durchdrang, 
übrigens  auch  schlecht  besoldet  war,  verliess  er  1783  den  bayerischen 
Dienst  und  ging,  nachdem  er  Frankreich,  England,  Spanien,  Griechen- 
land und  Afrika  bereist  und  überall  sich  mit  den  nationalen  Musik- 
zuständen  bekannt  gemacht  hatte,  nach  Schweden,  wo  ihn  König  Gustav 
(1786)  woldwoUendst  aufaahm.  In  demselben  Jahre  wurde  er  zum  königl« 
Kp.-M.  in  Stockholm  ernannt  und  erfand  daselbst  das  Orchestrion, 
mit  welchem  Instrumente  er  von  1789  ab  auf  Beisen  ging  und  sich 
darauf  und  auf  der  Orgel  in  Holland,  England  und  Süddeutschland 
hören  liess.  1799  verliess  er  Stockholm,  wo  er  teils  für  die  Bühne 
mit  wenig  Erfolg  gearbeitet,  teils  mit  Vollendung  seines  Ghoralsystems 
(1800  in  Stockholm  herausgegeben)  u.  der  harmonischen  Bearbeitung  des 
schwedischen  Gesangbuches  sich  beschäftigt  hatte.  Nach  einem  Besuche 
von  Altena  und  Berlin  begab  er  sich  nach  Prag,  hielt  an  der  Universität 
musikalische  Vorlesungen  und  blieb  daselbst  von  1800  bis  1803.  In 
letzterem  Jahre  finden  wir  ihn  in  Wien  eine  Oper  zur  Aufführung 


Vogel.  269 

bringen;  darauf  wendete  er  sich  nach  2jähriger  Eeise  nach  Darmstadt, 
woMq  er  als  Hofkapellmeister  mit  dem  Titel  geheimer  geistlicher  Bat 
berufen  wurde.    Hier  ward  er  auch  mit  dem  Bitterkreuze  des  Verdienst- 
ordens geschmückt  und  bildete  seine  zwei  berühmtesten  Schüler,  Weber 
u.  Meyerbeer.    Am  6.  Mai  1814  schied  er  aus  dem  irdischen  Dasein.  — 
Von  seinen  musikalisch-theoretischen  Schriften   seien  hervorgehoben: 
„Mannheimer  Tonschule";  „Choralsystem*'  (Kopenhagen  1800);  „Hand- 
buch zur  Harmonielehre  und  für  den  Gteneralbass  etc.**  (Prag  1802); 
„System   für   den  Fugenbau'*;    „Über   Choral   und  Kirchengesänge** 
(München  1814)  u.  a.    Auch  an  Kompositionen  war  er  recht  firuchtbar: 
Messen,  Vespern,  andere  Kirchenstücke;  einige  Opern,  Orchesterscu^hen, 
Stücke  für  Klavier,  Orgel  u.  dgl.    Sein  scharfer  Geist  war  auch  auf 
dem  Gebiete  der  Orgelbaukunst  thätig;  er  stellte  am  Ende  des  vorigen 
Jhdts.   sein  sogen.  Simplifikationssystem  (Vereinfachungssystem) 
auf,  welches   hauptsächlich   darin   bestand,    dass   sämtliche   Begister 
auf  einem  sehr  engen  Baume  zusammengedrängt  wurden,  wodurch  die 
Windführung  allerdings  eine  bedeutende  Vereinfachung  erfuhr;  dann 
verwarf  es  die  Mixturen,  Tertien  u.  a.,   sowie  auch  die  spielerischen 
Stimmen  (er  selbst  war  ein  Meister  im  Begistrieren);  die  Pfeifen  wurden 
in  der  Beihenfolge  der  Töne  in  der  chromatischen  Scala  eingesetzt, 
und  aller  äusserer  Zierrat  und  alle  Prachtentfaltung  durch  glänzende 
Prospektpfeifen  verworfen.    Hatte  er  auch  nicht  in  Allem  das  Bechte 
getroffen,  so  wirkte  er  doch  viel  auf  rationelleren  Betrieb  des  Orgel- 
baues ein.  —  Nicht  leicht  hat  ein  Musikgelehrter  und  Musiker  so 
vielen  Widerspruch  von  einer  Seite,   gegenüber  den  Lobpreisungen 
von  der  andern  erfahren,  als  Vogler;  vieles  kommt  freilich  auch  auf 
Bechnung  seines  starren,  energischen  Charakters  u.  seines  ehrgeizigen 
und  hervordrängeuden  Wesens,  womit  er  seine  Gegner  angriff  und  aut 
das,  was  er  mit  seinem  System  unvereinbar  fand,  und  auf  manchen 
Schlendrian  losstürmte.    Otto  Jahn  sagt  von  ihm:   „Vogler  war  ohne 
Zweifel  eine  ungewöhnliche  und  bedeutende  Natur;  er  besass  musika- 
lisches Talent,  Verstand  und  Scharfsinn,  und  verband  mit  vielseitiger 
Beweglichkeit  Energie  des  Willens,  so   dass  er  in  Kunst  u.  Wissen- 
schaft Erhebliches  erreichte,  so  weit  das  Technische  —  im  weitem 
Sinne  gefasst  —  reicht.    Aber  wahre  Schöpferkraft  fehlte  ihm,  und 
dem  Denker  trat  der  Künstler  und  dem  Künstler  der  Denker  in  den 
Weg.    So  kam  es,  dass  er  zu  einer  reflektierten  Technik  seine  Zuflucht 
nimmt  u.  in  seinen  Werken  häufig  teils  eine  Häufung  rein  sinnlicher 
Effekte,   teils  ein  Spiel  mit  raffinierten  Schwierigkeiten  theoretisch- 
musikalischer   Art  hervortritt."     Gleichwohl  blieb   wenigstens   seine 
theoretische  Thätigkeit  nicht  ohne  guten  Einfluss  auf  die  Musiklehre 
u.,  dass  sie  systematischer  u.  vernünftiger  betrieben  wurde,  dazu  hatte 
sie  teilweise  auch  durch  ihn  den  Anstoss  erhalten.    Seine  Bemühungen 
gingen  zunächst  dahin,  alles  Überflüssige  aus  der  musikal.  Theotie  zu 


270  Vogt  —  Waelrent. 

yerbannen,  alles  Wesentüche  darin  aber  zu  erschöpfen  nnd  aof  festen 
Grand  zu  bauen.  Er  deckte  viele  Widersprüche  auf,  stärzte  dadurch 
die  herkömmliche  Generalbasslehre  und  führte  durch  sein  ümwendungs- 
System  zu  einer  vollständigeren  und  richtigeren  Kenntnis  der  Harmonie. 
Li  seinem  Choralsystem  hat  er  die  alten  Eirchentonarten  wieder  za 
Ehren  gebracht  und  eine  ihrem  Wesen  entsprechende  harmonische  Be- 
handlung der  Choräle  gelehrt  gegenüber  den  eigenmächtigen  Verfahren, 
das  selbst  Bach  bei  vielen  Chorälen  sich  erlaubt  hatte, 

Vogt,  P.  Mauritius,  geb.  30.  Juni  1669  zu  Eönigshof  in  Böhmen, 
trat  1692  in  das  Cisterzienserkloster  zu  Prag,  u.  starb  zu  Plass  den 
17.  Aug.  1730.  Erfahren  in  theoret.  u.  praktischer  Musik  schrieb  er 
das  damals  sehr  geschätzte  Werk  „Conclave  thesauri  magnae  artis 
musicae"  (Prag  1719),  worin  er  sich  über  alle  Teile  der  Musikwissen- 
schaft verbreitet.  Im  Mskr.  hinterliess  er  eine  Sammlung  Orgelfugen: 
„Vertumnus  vanitatis  musicae  in  XXXT.  fugis  delusus." 

Yolckmar,  Wilhelm,  Dr.,  geb.  am  26.  Dez.  1812  zu  Hersfeld, 
absolvierte  in  Einteln  das  Gymnasium  und  wurde  1835  als  Musiklehrer 
am  Seminar  in  Homburg  angestellt.  Er  hat  sich  durch  Herausgabe 
vieler  Orgelsachen  bekannt  gemacht,    f  27.  Aug.  1887. 

Yalpias,  Melchior,  geb.  1560  zu  Wasungen  bei  Henneberg, 
ward  1600  Kantor  in  Weimar,  wo  er  auch  im  Jahre  1616  starb.  Er 
gab  mehrere  Sammlungen  Kirchengesänge  heraus  und  hat  auch  eine 
lateinisch-deutsche  Ausgabe  des  „Compendium  musices"  von  Heinrich 
Paber  besorgt  (1610). 


W. 


Waelder,  Johann  Gualbert,  geb.  den  6.  Juli  1809  zu  Beuren 
in  Schwaben,  widmete  sich  dem  Lehrfach  und  wirkte  seit  1844  als 
Lehrer  und  Kantor  in  Langenerringen.  Ausser  verschiedenen  Schulen 
für  Orgel,  Violine,  Viola  und  Violoncello  hat  er  „100  ausgesetzte 
Generalbassbeispiele,**  eine  „Generalbasslehre,'*  eine  „Abhandlung  über 
das  Wesen  und  die  Behandlung  der  Orgel"  (bei  Böhm  in  Augsburg), 
eine  „Gesangschule''  und  mehrere  Kirchenkompositionen  veröffentlicht« 
In  seinen  „Mitteilungen  aus  dem  Tagebuche  eines  Lehrers**  wird  viel 
Musikalisches  besprochen.    Er  starb  am  6.  Juli  1868. 

Waelrent,  Hubert,  geb.  zu  Ath  in  Belgien  1517  (nach  Andern 
zu  Arras),  ein  ausgezeichneter  Tonsetzer  des  16.  Jhdts.,  kam  in  seiner 
Jugend  nach  Venedig,  wo  er  unter  seiaem  Landsmanne  Willaert  die 
Musik  studierte.    1547  gründete  er  eine  Musikschule  zu  Antwerpen  u. 


Waelrant  —  Weber.  271 

^tarb  daselbst  am  19.  Nov.  1595.  Zu  Venedig  u.  Antwerpen  erschienen 
Ton  ihm  mehrere  Sammlungen  von  Motetten  u.  Ganzonen;  auch  soll 
er  als  der  Erste  die  Sylbe  si  den  6  Quidonischen  Sylben  beigefägt 
haben. 

Wagner,  P.  Godhard,  geb.  1679  zu  Erding,  seit  1700  Mönch 
im  Bened.-Kloster  Tegemsee,  f  1738,  edierte  bei  D.  Walther  in  Augs- 
burg: „Musikalischer  Hofgarten  der  ttbergebenedeiten  Himmelskönigin 
u.  s.  w.'*  (100  Arien  für  Sopran  u.  Alt  mit  Generalbass)  1717;  dann 
nMarianischer  Schwan**  etwa  80  Arien;  „Marianischer  Springbrunn,'* 
31  Arien;  „Marian.  Jmmlein**  52  Arien  f.  4  gemischte  Stimmen  und 
Instrumente.  Im  ersteren  Werke  kündigte  er  noch  an:  4  Messen, 
6  Litaneien,  8  marian.  Antiphonen,  1  Miserere,  1  Stabat  Mater, 
1  Te  Deum. 

Wanhall  oder  Vanhall,  Johann,  geb.  zu  Neu-Nechanitz  in  Böhmen 
am  12.  Mai  1739,  war  der  Sprössling  einer  holländischen  Emigranten- 
familie. Frühzeitig  erhielt  er  schon  Musikunterricht  u.  mit  18  Jahren 
eine  Organisten-  u.  Chorregentenstelle  in  einem  böhmischen  Städtchen* 
Nachdem  er  in  Wien  einige  Zeit  verlebt,  bildete  er  sich  auf  einer  Beise 
nach  Italien  vollends  aus,  so  dass  er  in  Eom  mit  zwei  Opern  reüssierte. 
Er  kehrte  dann  wieder  nach  Wien  zurück,  komponierte  aber  bald 
Ausschliesslich  nur  für  die  Kirche.  Er  starb  am  26.  Aug.  1813.  Er 
war  ausnehmend  fruchtbar  sowohl  an  Kirchenstücken  als  an  profanen 
Werken;  viele  erschienen  in  Druck,  eine  grössere  Masse  aber  blieb  in 
Manuskript.  So  sehr  seine  Werke  anfangs  beliebt  waren,  so  sind  sie 
doch  jetzt  der  Vergessenheit  ganz  anheim  gefallen. 

Warren,  Joseph,  geb.  d.  20.  März  1804,  studierte  frühzeitig  die 
Musik,  1820  war  er  bereits  Dirigent  einer  Musikgesellschaft,  für  die 
er  mehrere  Tonwerke  schrieb;  1833  wurde  er  Organist  n.  Chordirektor 
der  Marienkapelle  zu  Chelsea  u.  komponierte  in  dieser  SteUung  viele 
Kirchenwerke,  Messen,  Offertorien  u.  dgl.  Auch  veröffentlichte  er  einige 
Werke  für  die  Orgel  u.  besorgte  1842  eine  neue  Ausgabe  der  „Falas** 
von  Hilton,  u.  Boyce's  „Cathedral  Music'*  3  Bde.  in  Fol. 

Weber,  Friedrich  Dionys,  geb.  1771  zu  Welchau  in  Böhmen, 
in  seiner  Jugend  schon  in  der  Musik  wohl  unterrichtet,  betrieb  auf  der 
Universität  Prag  theologische,  juridische  und  philosophische  Studien, 
widmete  sich  aber  bald  ganz  der  Musik,  welche  er  als  Autodidact  und 
unterstützt  von  den  Batschlägen  des  Abb6  Vogler  mit  solchem  Eifer 
studierte,  dass  er  in  Kürze  der  Zeit  als  ein  ausgezeichneter  Theoretiker 
und  guter  Komponist  angesehen  wurde.  Als  1810  das  Konservatorium 
in  Prag  errichtet  ward,  ernannte  man  ihn,  da  er  den  ganzen  Plan  dazu 
ausgearbeitet  hatte,  zum  Direktor  desselben,  als  welcher  er  am  25.  Dez. 
1842  starb.  Er  hinterUess  Messen,  Kantaten  u.  a.;  auch  theoretische 
Werke. 


272  Weber  —  Weigl. 

Weber,  Gottfried,  geb.  am  1.  März  1779  zu  Freinsheim  in  der 
Bheinpfalz,  widmete  sich  der  Kechtswissenschaffc  imd  starb  als  gross- 
herzoglich  hessischer  Generalprokorator  am  21.  Sept.  1839  zu  Kreuz- 
nach, nachdem  er  noch  Bitter  des  Ludwigsordens,  Ehrendoktor  der 
Universität  Giessen  und  Ehrenmitglied  vieler  musikalischer  Gesell- 
schaften und  Vereine  geworden  war.  —  Theoretisches  Musikstudinni 
betrieb  er  autodidaktisch  erst  während  seines  Aufenthaltes  zu  Mann« 
heim  (1802—1814),  arbeitete  sich  durch  alle  Lehrbücher  und  Systeme 
hindurch  und  erprobte  die  Grundsätze  an  den  klassischen  Werken^ 
Hierzu  fügte  er  selbständige  Forschungen  und  veröffentlichte  seine 
Bemühungen  in  dem  vortrefflichen  Werke  „Versuch  einer  geordneteir 
Theorie  der  Tonsetzkunst"  (3  Bde.  1817—20,  Mainz;  spätere  Auflagen 
wurden  auf  4  Bde.  vermehrt),  wodurch  er  sich  das  Verdienst  erwarb, 
Ordnung  in  das  bisherige  Chaos  der  Harmonielehre  gebracht  zu  haben* 
Viele  andere  kleinere  Werke,  die  er  herausgab,  sind  eigentlich  nur 
Auszüge  aus  dem  grossem  Werke;  ausserdem  schrieb  er  zahlreiche 
Aufsätze  und  Abhandlungen  in  musikalische  Zeitschriften,  u.  besonder» 
in  die  von  ihm  in  den  ersten  80  Heften  redigierte  „Gäcilia.**  Als 
Tonsetzer  hat  er  weniger  Verdienst  (Eirchensachen  und  weltliche 
Tonstücke). 

Weigl,  Johann  Baptist,  geb.  den  26.  März  1783  zu  Hahnbach 
in  der  Oberpfalz,  studierte  im  Benediktinerkloster  Prüfening  bei  Begens 
bürg,  wo  er  hauptsächlich,  durch  den  Abt  Kormann  in  wissenschaft- 
licher Beziehung  viel  gewann  und  auch  in  der  Musik  eine  hohe  Stufe 
der  Ausbildung  erreichte.  Während  seines  Noviziates  ward  das  Kloster 
säkularisiert  und  W.  war  genötigt,  in  Amberg  seine  theologischen 
Studien  zu  vollenden.  Im  Jahre  1806  zum  Priester  geweiht,  war  er  nur 
kurze  Zeit  in  der  Seelsorge  und  wurde  darauf  schnell  nach  einander 
als  Professor  des  Gymnasiums,  dann  des  Lyceums  nach  Amberg  und 
endlich  als  Professor  der  Kirchengeschichte  und  des  Kirchenrechtes  als 
Bektor  an  das  Lyceum  zu  Begensburg  berufen.  Hier  lag  ihm  zugleich 
das  Amt  eines  Inspektors  des  Seminars  zu  St.  Paul  und  die  Leitung 
des  Studienchores  ob.  In  dieser  Zeit  war  er  namentlich  in  der  Musik 
sehr  thätig  und  vielerlei  Kirchenkompositionen  wurden  von  ihm  bekannt; 
doch  sind  sie  jetzt  alle  fast  vergessen.  1837  wurde  er  zum  Mitglied 
des  Domkapitels  in  Begensburg  ernannt  und  starb  nach  allseitig  ver» 
dienstlichem  Wirken  am  5.  Juli  1852. 

Weigl,  Joseph,  geb.  zu  Eisenstadt  in  Ungarn  am  28.  März  1766^ 
bekundete  Mhzeitig  ein  grosses  musikalisches  Talent,  welches  durch 
den  Unterricht  Albrechtsbergers  in  der  Tonsetzkunst  zu  hohem  Grade 
entwickelt  wurde.  Sein  Vater  hatte  ihn  zwar  zum  juridischen  Fache 
bestimmt,  doch  auf  Verwendung  Salieri's,  dessen  Schüler  nun  W.  wurde, 
liess  eir  den  Sohn  seiner  musikalischen  Neigung  folgen.   1700  wurde  W. 


m 
;teit 
gel 
irb,. 


Weichlin  —  Wilhelm.  273 

■^  ^  Salieri^s  Nachfolger  als  wirkliclier  Kapellmeister  der  Oper  bis  1825, 

^  trat  dann  als  zweiter  Kapellmeister  zur  k.  k.  Hofkapelle  über  nnd 

^^  arbeitete  seitdem  nur  mehr  för  die  Kirche.    Er  starb  am  3.  Febr.  1846. 

^  Unter  seinen  zahlreichen  Opern  n.  Operetten  ist  die  „Schweizerfamilie" 

^^  die  bekannteste  und  berühmteste;  ausserdem  hinterliess  er  eine  grosse 

£bb  Anzidil  anderer  weltlicher  Kompositionen  verschiedenster  Gattung,  sowie 

^  mehrere  Messen  und  andere  Kirchenstücke. 

Weichlin,  P.  Boman,  geb.  zu  Linz,  Conventual  des  Bened.- 
Stiftes  Lambach,  war  ein  tüchtiger  Kompositeur.  1687  schrieb  er  eine 
Messe  ,3ectorum  cordium"  zu  15  Stimmen  und  in  der  Folge  noch 
mehrere.  1702  erschien  sein  Opus  11.  zu  Ulm  in  Druck,  betitelt 
„Pamassus  ecclesiastico-musicus  cum  VII  Missis  a  4  et  5  voc*  concert. 
et  5  instmmentis  concert."  Leider  ist  von  seinen  Mskr.  in  Lambach 
^       nichts  mehr  vorhanden. 

.  Werner,  P.  Benedict,  geb.  8.  Dez.  1748  zu  Dietfurt,  hatte 

frühzeitig  sich  tüchtige  Musikkenntnisse  erworben  und  während  seiner 

.  '       höheren   Studien  zu  Ingolstadt   schon   mehrere  kirchliche  Komposi- 

,  tionen  geliefert.    1767  trat  er  in  das  Benediktinerstift  Weltenburg, 

1786  ward  er  zum  Abte  gewählt,  nach  der  Säkularisation  1803  lebte 

er  zu  München,  wo  er  20.  Okt.  1830  starb.     Er  bearbeitete   eine 

^         Geschichte  seines  Klosters  und  eine  umfangreiche  allgemeine  Musik- 

8  ',       geschichte  in  latein.  Sprache;  das  Mskr.  hiervon  bewahrt  die  Münchner 

)'  I       BibHothek  (C.  1.  1494—1513). 

^  Wert,  Giaches  de,  (Jakob  van),  ein  niederländ.  Kontra- 

punktist, welcher  schon  als  Knabe  nach  Italien  kam.  1565  ward  er 
Kp.-M.  des  Herzogs  von  Mantua,  u.  erhielt  in  diesem  Jahre  Urlaub, 
um  in  seine  Heimat  zu  gehen.  Auf  der  Bückreise  befand  er  sich  1566 
zu  Augsburg  u.  scheint  im  Herbst  dieses  Jahres  wieder  in  Mantua 
eingetroffen  zu  sein.  1568  ward  er  vom  Herzog  Alfonso  Gonzaga  nach 
Novellara  zur  Aushilfe  für  einige  Zeit  erbeten.  Am  Hofe  zu  Mantua 
hatte  er  viele  Verdriesslichkeiten  u.  Intriguen  von  Seiten  der  ital. 
Musiker  zu  erleiden.  Er  war  ein  sehr  fruchtbarer  und  geschätzter 
Komponist  u.  es  wurde  1580  ihm  ,4n  Anerkennung  seiner  langen  und 
treuen  Dienste"  das  Bürgerrecht  von  Mantua  „auf  ewige  Zeiten"  und 
zugleich  seinen  Nachkommen  erteUt.  1597  starb  er  daselbst.  Von 
seinen  Werken  wurden  (in  mehreren  Auflagen)  gedruckt:  11  Bücher 
5stimm.  Madrigale;  ein  solches  zu  4  u.  eins  zu  5  Stimmen,  3  Bücher 
Motetten  zu  5  n.  6  Stimmen,  1  Buch  Kanzonetten. 

Wilhelm,  vorher  Mönch  im  Kloster  St.  Emmeram  zu  Begensburg, 
seit  1069  bis  zu  seinem  Tode  am  5.  JuH  1091  Abt  des  Klosters  Hirschau, 
hob  durch  seine  Weisheit  und  Gelehrsamkeit  das  Kloster  zu  grossem 
Buhme.  Unter  ihm  blühte  auch  die  Musik  sehr,  er  selbst  war  in  der 
Tonkunst  wohl  erfahren  und  klärte  vieles,  was  in  ihr  noch  vor  ihm 

KonunfiUer,  Lexikon.    II.  Bd.  18 


r  . 
i 


r 


fcj 


274  Willaert  —  Wütberger. 

dunkel  war,  auf.  Auch  kunstgerechte  Verbesserongen  der  kirchlichen 
Gesangbücher  nahm  er  vor  und  hinterliess  ein  musikalisch-theoretisches 
Werk  „De  Musica/*  abgedruckt  ist  es  in  der  Gerbert'schen  Sammlung. 

Willaert,  Hadrian,  geb.  um  1490  zu  Brügge  in  Flandern,  war 
ein  Schüler  von  Jean  Mouton.  1516  kam  er  nach  Bom,  verliess  es 
jedoch  bald  wieder,  und  nachdem  er  bis  1526  Kp.-M.  des  Königs 
Ludwig  n.  von  Böhmen  und  Ungarn  gewesen,  zog  er  nach  Venedig, 
wo  er  am  12.  Dez.  1527  Ep.-M.  an  der  Markuskirche  ward.  Sein 
Tod  föllt  in  das  Jahr  1562,  den  7.  Dez.  Er  ward  der  Gründer  der 
sogen,  yenetianischen  Schule,  und  von  seinen  Schülern  zeich- 
neten sich  aus:  Cyprian  de  Bore,  welcher  sein  Nachfolger  wurde,  Nicolo 
Vincentino,  Costanzo  Porta,  Zarlino.  Im  Druck  erschienen  von  ihm 
zahlreiche  Sammlungen  von  Motetten,  Psalmen,  Messen,  Canzonen  u.  dgl. 
Er  wird  als  ein  fleissiger,  denkender  und  sorgfältiger  Kompositeur 
gerühmt  und  sein  Hauptverdienst,  wie  C.  y.  Winterfeld  anmerkt,  besteht 
in  der  Art  und  Weise  der  Behandlung  des  kunstreichen  Psalmengesanges; 
er  Hess  die  Stimmen  in  zwei  oder  mehrere  Chöre  auseinandergehen 
und  abwechselnd  singen;  es  standen  nicht  mehr  blosse  Stimmen,  son- 
dern Stimmkörper  gegenüber,  welche  wesentlich  auf  die  Entfaltung 
eigentlicher  Harmonie  Einfluss  hatten;  der  Gesang  hatte  nach  dem 
Psalmenton  sich  zu  richten  und  das  Wort  erhielt  wieder  mehr  Be- 
rechtigung und  AnteU. 

Wütberger,  1)  August,  geb.  1850  zu  Sobemheim  a.  d.  Nahe 
(Bheinproyinz),  yon  seinem  Vater,  welcher  Lehrer  und  Organist  wari 
schon  frühzeitig  zur  Musik  herangezogen,  trat  1868  in  das  Lehrer- 
seminar zu  Boppard,  woselbst  er  unter  Leitung  des  Seminarlehrers 
P.  Piel  grosse  Fortschritte  in  der  Musik  machte.  Nach  zweijähriger 
Wirksamkeit  im  Elementarschuldienste  wurde  er  als  Musiklehrer  an  die 
Prä^randenanstalt  in  Oolmar  i.  Elsass  berufen.  Von  1876—80  als 
Gesanglehrer  am  Gymnasium  und  an  der  höheren  Töchterschule  zu 
Saargemttnd  thätig,  wurde  er  1880  als  Musiklehrer  am  Lehrerseminar 
zu  Münstermaifeld  angestellt  u.  1884  an  das  Seminar  zu  Brühl  yersetzt. 
Seine  yeröffentlichten  Kompositionen  gehören  fast  ausschliesslich  der 
kirchenmusikalischen  Litteratur  an:  Messen,  Motetten,  Te  Deum, 
deutsche  Kirchenlieder,  Sammlungen  yon  K.-Gesängen,  alles  meistens 
für  Männerstimmen;  dann  noch  ein  Orgelbuch  mit  K.-Liedem  nebst 
Vor-  u.  Nachspielen.  Er  war  besonders  bestrebt,  den  kirchl.  Männer- 
chören ziemlich  leichtes  aber  streng  kirchliches  Material  an  die  Hand 
zu  geben.  Seit  1887  ist  er  auch  in's  Beferenten- Kollegium  des 
CäciUenyereius  berufen.  2)  Heinrich,  Bruder  des  Vorigen,  geb.  1841 
zu  Sobemheim,  genoss  seine  weitere  Fortbildung  in  der  Musik  im 
Schullehrerseminar  zu  Brühl  durch  Töpler.  Erst  1865,  als  er  nach 
Goblenz  kam,  konnte  er  sich  in  ausgiebigerem  Masse  der  Musik,  sowohl 
der  weltlichen  als  der  geistlichen,  widmen.    Nachdem  er  yon  1872—86 


Winkler,  275 

in  den  Seminarien  zu  Colmar  n.  Schlettstadt  als  Mneiklehrer  gewirkt 
hatte,  ward  er  in  letzterem  Jahre  als  solcher  wieder  nach  Colmar  be- 
rufen. Von  seinen  Kompositionen  veröffentlichte  W.,  ausser  mehreren 
weltlichen  Liedern  mit  Elayierbegleitung  u.  Gesängen  für  Männerchdre, 
an  kirchlicher  Musik:  ein  ,J)omine,  salvum  fac'*  für  5  Männerstimmen, 
2  Motettensammlungen  u.  1  Messe  für  gemischten  Chor;  2  Messen  für 
4stimm.  u.  3  Messen  für  Sstimm.  Männerchor;  1  Messe  für  2  gemischte 
Stinunen  u.  Orgel;  1  Sammlung  Motetten  für  Sstimm.  u.  1  solche  von 
lat.  u.  deutsch.  K.-Qesängen  für  4stimm.  M.-Chor;  Orgelbegleitung  zu 
den  geistl.  Liedern  des  Normallehrplans  f.  d.  kathol.  Schulen  im  Elsass, 
u.  zu  den  Vespern  des  Strassburger  Vesperale;  ausserdem  kleinere 
Stücke  in  verschiedene  Sammlungen;  in  den  elsässischen  Schul-Zeitungen 
u.  in  der  „Cäcilia"  musikalische  Aufsätze. 

Winkler,  Max  Joseph,  geb.  1810  zu  Waldstetten  in  Schwaben, 
gest.  20.  Juni  1884  zu  Bosenheim,  entwickelte  schon  frühzeitig  ent- 
schiedene Musikanlagen,  welche  alsbald  sein  Vater,  Schullehrer  daselbst, 
zu  kultivieren  begann;  im  Gesang,  Klavier-,  Orgel-  und  Partiturspiel 
machte  der  Knabe  erfreuliche  Fortschritte*    Mit  11  Jahren  kam  er  zum 
Studieren  nach  Augsburg,  wo  er  zugleich  Singknabe  bei  St.  Moritz 
und  hl.  Kreuz  unter  P.  Mathias  Fischer  wurde,  der  ein  bedeutender 
Organist  war.    Allmählich  machte  sich  W.  auch  an's  Komponieren, 
alles  fiel  aber  natürlich  —  ohne  Anleitung  —  schlecht  genug  aus. 
Erst  durch  Lesen  in  der  musikalischen  Zeitschrift  „Oaecilia*^  ging  ihm 
ein  besseres  Licht  über  Musik  auf,  und  gründlichen  Unterricht  erhielt 
er  erst  nach  seinem  Eintritt  in  das  Schullehrerseminar  in  Dillingen 
durch  Basil.  Schwarz.  Einzelne  gelungene  Stücke  machten  den  Inspektor 
auf  sein  Talent  aufmerksam,  der  ihn  dann  zum  Studium  guter  Werke 
aufinunterte.    Nach  einiger  Zeit  kam  er  an  die  Stelle  des  verstorbenen 
Ohorregenten  Jäger  in  Günzburg,  wo  sein  praktisches  Wirken  begann 
—  7  Jahre  lang,  und  wo  er  sich  tiefen  Studien  des  Kontrapunktes 
nach  den  Werken  Albrechtsberger's,  Weber's,  Preindrs  u.  a.  hingab; 
Günzburg  wurde  für  ihn  eine  gute  Schule  für's  Dirigieren,  Arrangieren, 
Einstudieren.    1837  erhielt  er  die  Chorregentenstelle  an  der  Dompfarr- 
kirche zu  Eichstädt  u.  bald  darauf  die  Musiklehrerstelle  am  k.  Schul- 
lehrerseminar, sowie  die  Chordirektion  zu  St.  Walburg.    Hier  konnte 
«r  nun  vielseitig  und  in  ausgedehnterem  Masse  seine  musikalische 
Wirksamkeit   entfalten,   und  er  that  es   auch.     Mit   dem   dortigen 
Seminarpräfekten   Zeheter,    seinem  nachmaligen   Schwiegervater,  be- 
arbeitete er  die  „Generalbass-  und  Harmonielehre"  (Nördlingen,  1840), 
welche  bereits  in  zweiter  Auflage,  von  Winkler  allein  umgearbeitet, 
erschienen  ist.    Seine  Kompositionen  fanden  von  Kennern  die  vollste 
Anerkennung.     Er  verschmäht  namentlich  in   seinen   Kirchenwerken 
Süsslichkeiten  u.  andere  neue  Kunststücke  der  Kirchenmusikfabrikanten, 
und  tritt  immer  einfach,  klar,  aber  doch  kunstvoll  auf,  seine  Stimm- 

18* 


276  Winter  —  Witt. 

ftUming  ist  jederzeit  sehr  ^t  und  ergiebt  sich  bei  aller  Korrektheit 
stets  ungezwungen.  Von  seinen  Kompositionen  seien  genannt:  2  Mesen, 
3  Ölbergsgesänge,  Litaneien,  Gradualien  n.  a»;  ferner  das  Melodram 
„Erdenflach  und  Himmelssegen/'  einige  Streichquartette  u.  a. 

Winter,  Peter  v.,  geb.  1754  zu  Mannheim,  arbeitete  sich  durch 
eigenes  Studium  in  die  Anfänge  der  Tonsetzkunst  hinein  und  erhielt 
erst  1783  durch  Salieri  in  Wien  eine  grOndliche  Anleitung.  1778  ging 
er  mit  den  übrigen  Mitgliedern  der  kurpfälzischen  Hofkapelle,  der  er 
angehorte,  nach  München.  1788  wurde  er  an  Vogler's  Stelle  Kp.-M. 
Er  arbeitete  nun  fast  immer  für  die  Bühne  und  genoss  eines  grossen 
Euhmes.  1814  wurde  er  bei  Gelegenheit  seines  50jährigen  Dienst- 
jubiläums zum  Bitter  des  Givilyerdienstordens  der  bayr.  Krone  ernannt. 
Sein  Todestag  ist  der  17.  Okt.  1825.  Unter  der  grossen  Zahl  seiner 
Kompositionen  —  Opern,  Ouvertüren,  Kantaten,  Lieder  u.  dgl.  finden 
sich  auch  yiele  Kirchensachen;  der  Erwähnung  verdient  noch  seine 
klassisch  zu  nennende  „Gtesangschule''  (3  Teile). 

Winterfeld,  Carl  Georg  August  Vivigens  von,  geb.  am 
28.  Jan.  1784  zu  Berlin,  war  längere  Zeit  Appellationsgerichtspräsident 
in  Breslau,  woselbst  er  das  Institut  für  Kirchenmusik  in's  Leben  rief 
und  leitete,  und  ward  1832  Obertribunalrat  in  Berlin,  1847  trat  er 
wegen  GehOrsschwäche  aus  dem  Staatsdienst  und  starb  am  19.  Febr. 
1852.  Er  war  einer  der  ausgezeichnetsten  Kenner  älterer  Tonkunst 
und  vorzüglicher  musikalischer  Schriftsteller.  Von  seinen  Werken  sind 
hervorzuheben:  „Johannes  Pierluigi  von  Palestrina'^  (Breslau  1832); 
„Johannes  Gabriel!  und  sein  Zeitalter*'  (sein  Hauptwerk)  2  Bände  und 
1  Notenheft  (Berlin,  1834);  „Der  evangelische  Kirchengesang  etc." 
(Leipzig,  3  Teile  1843—47)  u.  a.  m. 

Wipo,  der  Autor  der  herrlichen  Ostersequenz  „Victimae  paschali" 
war  ein  Zeitgenosse  Hermann's  von  Beichenau,  aus  Burgund  gebürtig, 
und  lebte  als  Priester  und  Hofkaplan  unter  den  deutschen  Kaisern 
Konrad  11.  und  Heinrich  UI.  Seine  Blütezeit  fällt  in  die  Jahre  1024 
bis  1050.  Er  war  nicht  blos  ein  für  seine  Zeit  gründlicher  Musiker, 
sondern  auch  ein  in  den  Wissenschaften  sehr  erfahrener  Mann. 

Witt,  Franz  Xaver,  geb.  den  9. Febr.  1834  zu  Walderbach  in 
der  Oberpfalz,  gest.  2.  Dez.  1888  in  Landshut,  machte  seine  wissen- 
schaftlichen und  theologischen  Studien  zu  Begensburg,  wo  er  lüs 
Sänger  in  die  Dompräbende  aufgenommen  wurde  und  unter  dem 
verdienstvollen  Domkapellmeister  Joh.  Schrems  die  ältere  Kirchenmusik 
kennen  lernte.  Den  11.  Juni  1856  zum  Priester  geweiht,  arbeitete  er 
einige  Jahre  in  der  Seelsorge,  ward  dann  als  Chorallehrer  in's 
Klerikerseminar  zu  Begensburg  berufen,  in  welcher  Stellung  er  dem 
tiefem  Studium  der  alten  Meister,  begünstigt  durch  die  Proske*sche 
Bibliothek,  sich  hingab,  Unterricht  im  Kontrapunkt  erteilte  und  mit 


Witt.  277 

mehreren  Kompositionen  im  strengen  Styl  in  die  Öftentlichkeit  trat. 
1865  übernahm  W.  die  Stelle  eines  Präses  der  marianischen  Kongre- 
gation,  seit  Juni  1867  wirkte  er  als  Inspektor  des  Stndienseminars 
za  St.  Emmeran  und  Chordirektor  der  gleichbenannten  Pfarrkirche  in 
Begensbnrg,  welche  Stelle  er  1869  mit  einem  Beneficimn  in  Stadtamhof 
rertauschte.  Vom  1.  Okt.  1870  bis  1.  Okt.  1871  wirkte  er  als  Dom- 
kapellmeister in  Eichstadt;  1873  übernahm  er  die  Pfarrei  Schatzhofen, 
deren  Pastoriemng  er  jedoch  nach  zwei  Jahren  wegen  Gesnndheits* 
TÜcksichten  durch  einen  Vikar  verwalten  liess;  er  selbst  zog  sich  nach 
Landshut  zurück  u.  lebte  daselbst  in  grosser  Zurückgezogenheit  bis  zu 
seinem  Tode.  —  Was  ihm  seine  hohe  Bedeutung  giebt,  das  ist  seine 
grossartige  Wirksamkeit  für  die  Reform  der  tiefgesunkenen  kathol. 
Kirchenmusik.  Schon  1865  kündigte  er  seine  Bestrebungen  nach  dieser 
Bichtnng  hin  an  durch  die  Broschüre  „Der  Zustand  der  kathol.  Kirchen« 
musik  in  Altbayem  u.  s.  w.^^  u.  bereitete  ihnen  noch  mehr  Boden  durch 
die  Gründung  der  Zeitschriften  „Fliegende  Blätter"  (1866)  u.  „Musica 
Sacra"  (1868).  Bei  der  Generalversammlung  der  kathol.  Vereine 
Deutschlands  zu  Innsbruck  (1867)  stellte  er  den  Antrag  auf  Gründung 
«ines  „Cäcilienvereins"  zur  Hebung  der  kathol.  Kirchenmusik,  fand 
aber  keine  Unterstützung.  Da  ging  er  auf  eigene  Faust  daran,  durch 
Erlassung  eines  Aufrufes  Mitglieder  zu  gewinnen,  was  so  gut  gelang, 
dass  der  Oäcilienverein  zu  Stande  kam  u.  1868  in  Bamberg  seine 
erste,  konstituierende  Versammlung  abhalten  konnte.  In  kürzester  Zeit 
zählte  er  mehrere  Tausend  Mitglieder  aus  allen  Teilen  Deutschlands 
u.  breitete  sich  besonders  weiter  aus,  als  der  Verein  die  Anerkennung  der 
kirchlichen  Oberbirten  u.  durch  päpstliches  Breve  vom  16.  Dez.  1870 
auch  die  Begutachtung  des  hl.  Stuhles  fand;  zugleich  ward  dem 
Oäcilienverein  ein  Kardinal  als  Protektor  bestellt  u.  Witt  zum  General- 
präses ernannt.  Mit  reichen  Geistesgaben  ausgestattet  u.  mit  grosser 
Energie,  vermochte  W.  staunenswerte  Erfolge  seiner  Bestrebungen  zu 
erringen,  aber  die  unermüdete  Thätigkeit  u.  die  Kämpfe,  die  er  durch- 
zufechten hatte,  untergruben  bald  seine  Gesundheit  u.  nach  einem 
vieljährigen  Siechtum  machte  ein  Herzschlag  seinem  Leben  u.  seinem 
Wirken  ein  Ende.  Um  sein  verdienstvolles  Wirken  zu  ehren,  verlieh 
ihm  schon  unterm  2.  Sept.  1873  Papst  Pius  den  Titel  „Doktor  der 
Philosophie"  u.  der  Kardinal  de  Lucca,  erster  Protektor  des  Gäcillen- 
Vereins,  ernannte  ihn  2.  Febr.  1880  zum  Ehrenkanonikus  an  der 
Kathedrale  zu  Palestrina.  —  Ausser  der  genannten  Broschüre  schrieb 
W.  noch:  „Gestatten  die  liturgischen  Gesetze  beim  Hochamte  Deutsch 
zu  singen?"  (1873);  „Das  k.  bayr.  Kultusministerium,  die  bayr.  Ab- 
geordneten-Kammer u.  der  Cäciüenverein."  (1886);  „Fliegende  Blätter^^ 
1866—88)  u.  „Musica  sacra"  (1868-88),  worin  die  kathol.  Kirchen- 
musik nach  allen  Richtungen  besprochen  ist,  sehr  wertvolle  Schriften. 
Ausserdem  schrieb  er  noch  viele  Aufsätze  in  verschiedene  Zeitschriften«) 


378  Wittasek  —  Wollersheim. 

Als  Komponist  war  er  ttberans  frachtbar,  in  den  Beilagen  zu  den 
„Fliegenden  Blättern*'  n.  der  „Mnsica  sacra"  allein  lieferte  er  10  Messen, 

2  Beqniem,  an  100  Gradnalien,  163  Offertorien,  3  Litaneien,  2  Sequenzen, 

1  Stabat  Mater,  1  Improperia,  mehrere  Hymnen,  Vespern  n.  Psalmen; 
femer  erschienen  von  ihm  in  Dmck:  3  Messen  n.  14  Motetten  fär 
48timm.  Männer-  n.  gemischten  Chor  (1863);  „Cantns  sacri**  fUr  gleiche^ 
n.  gemischte  Stimmen  (1864, 1865)  3  Hefte  (neue  Ausgabe  u.  Bearbeitung* 
für  2— Sstimmigen  Männerchor  1888)  156  Nummern  enthaltend;  eine 
Preismesse  für  Männerstimmen  u.  Orgel  (Luxemburg  1865);  „Missa> 
„Exnltet**  u.  1  Bequiem  fttr  2  Singstimmen  u.  Orgel  (1865);  dann  noch 
18  Messen  von  2—5  Stimmen,  2  Bequiem,  3  Litaneien  für  4,  5  und 
6   Stimmen;  er  edierte  auch  mehrere  Messen  von  Ett,   namentlich 

3  achtstimmige,  teilweise  umgearbeitet;  Tiele  Kirchenstücke  schrieb  er  für 
mehrere  Sammlungen;  yiele  weltliche  Lieder;  die  Kantate  „Pergolese"; 
das  Orgelbuch  zum  Ordinarium  Missae  (4.  Aufl.  1886). 

WittaBek,  Job.  Nepomuk  August,  geb.  zu  Horzin  in  Böhmen 
am  22.  Febr.  1770,  studierte  zu  Prag  bei  Kotzeluch  die  Komposition, 
wurde  später  Konzert^  und  Musikmeister  und  Kanzleisekretär  beim 
Grafen  Nostiz.  1814,  nachdem  er  als  Klayierrirtuos  und  Komponist  zu 
grossem  Ansehen  gekommen,  ward  er  seines  Lehrers  Nachfolger  am 
St.  Veitsdome  als  Kapellmeister.  Er  starb  am  7.  Dez.  1839.  Von  seinen 
Kompositionen  ist  wenig  gedruckt,  mehr  bekannt  ist  ein  Bequiem. 

• 

Wolf,  Joseph,  Domorganist  und  XJniversitäts-Musikdirektor  in 
Breslau,  geb.  zu  Tschirmkau  bei  Leobschütz  in  Schlesien,  widmete  sich 
zuerst  dem  Lehrfache,  später  der  Musik  und  war  nach  Schnabels  Tode 
unbestritten  die  erste  musikalische  Autorität  in  Breslau.   Er  starb  1842. 

Wolf,  Gyrill  M.,  geb.  zu  Mttglitz  in  Mähren  im  Jahre  1825, 
Sohn  eines  Schullehrers,  genoss  schon  in  frühester  Jugend  Unterricht 
im  Gesang,  Klavier-  und  Orgelspiel.  Nachdem  er  zu  Olmtitz  7  Klassen 
studiert  hatte,  widmete  er  sich  ganz  der  Musik.  In  Wien  von  dem 
Hofkapellmeister  Gottf.  Preyer  in  der  Komposition  gebildet,  erhielt  er 
1847  die  Organistenstelle  bei  St  Leopold  und  1860  die  Kapellmeister- 
stelle an  der  Dominikaner-  und  k.  k.  Universitätskirche,  die  er  noch 
jetzt  bekleidet  Er  schrieb  6  Messen  und  yiele  Einlagen,  wovon  die 
erste  Messe  in  D  (vierstimm,  u.  Orchester),  4  Einlagen  als  Offertorient 

2  Chöre  mit  Orchester  bei  Wessely  in  Wien  im  Druck  erschienen  sind. 

Wollersheim,  Theodor,  geb.  1806,  gest  am  3.  Febr.  1865  als 
Pfarrer  zu  Jüchen  in  der  Erzdiözese  Köln,  ein  Mann  von  klarem  Ver- 
stände und  gründlicher  theologische^  und  philosophischer  Bildung, 
wendete  sich  erst  als  Priester  der  kirchlichen  Musik,  vorzüglich  dem 
Ohoralgesange  mit  aller  Kraft  zu.  In  dieser  Absicht  studierte  er 
namentlich  die  von  Gerbert  edierten  „Scriptores  de  musica  sacra"  in 
einer  Weise  durch,  wie  Wenige,  und  legte  seine  gewonnenen  Resultate 


Wüllner  —  Zaoconi.  279 

in  dem  Bnche:  ,,TheoTetisch-praktisch6  Anweisung  zur  Erlernung  des 
Gregorianischen  oder  Choralgesanges**  (Paderborn,  1865  in  dritter  von 
Pf.  Stein  in  Köln  besorgter  Auflage  erschienen)  nieder.  Ausserdem 
veröffentlichte  er  noch  „Die  Eeform  des  Gregor.  Gesanges**  (Paderborn, 
1860)  und  eine  kleine  „Melodiensammlung**  zu  dem  von  ihm  heraus- 
gegebenen Gebetbucho  „Der  himmlische  Palmgarten.**  W.  war  auch 
bei  der  Herausgabe  der  neuen  Komischen  Choralbücher  f{lr  die  Erz- 
diözese Köln  beteiligt. 

Wüllner,  Franz,  hochverdienter  Musikpädagog  u.  ausgezeichneter 
Dirigent,  ist  geb.  28.  Jan.  1832  zu  Münster  in  Westphalen,  machte 
seine  Musikstudien  zu  Frankfurt  a.  M.,  Berlin  u.  Brüssel.  1854  Hess 
er  sich  in  München  nieder,  1856  ward  er  Klavierlehrer  an  der  k. 
Musikschule,  1858  städtischer  Musikdirektor  in  Aachen,  1865  Kp.-M. 
der  k.  Vokalkapelle  in  München.  1867  übernahm  er  die  Leitung  der 
Chorgesangsklassen  der  k.  Musikschule,  1869  als  Nachfolger  Bülow^s 
die  Direktion  der  Hofoper  u.  der  Akademiekonzerte;  1870  wurde  er 
zum  ersten  Hofkp.-M.  u.  1875  zum  k.  Professor  ernannt.  1877  ging  er 
nach  Dresden  als  k.  Hofkp.-M.  u.  artistischer  Direktor  des  Konser- 
vatoriums, 1882  ernannte  ihn  die  Münchner  Universität  zum  Dr.  phil. 
hon.  c,  1884  ward  er  als  Nachfolger  Ferd.  Hiller's  als  Direktor  des 
Konservatoriums  nach  Köln  berufen.  Er  schrieb  vieles:  Kantaten, 
Kammermusiken,  Lieder,  zwei  Messen,  Motetten,  ein  Miserere  fOr 
Doppelchor,  ein  Stabat  Mater  für  Doppelchor  u.  a.  Vorzüglich  sind  seine 
„Chorübungen  der  Münchner  Musikschule**  (München,  Th.  Ackermann). 


Z. 


Zaccari  oder  Zaccariis,  auch  Zactaariis,  Cäsar  de,  war  um  die 

Mitte  des  16.  Jhdts.  in  Cremona  geb.,  später  in  der  Münchener  Hof- 
kapelle als  Sänger  angestellt  und  zuletzt  in  die  Dienste  des  Grafen  von 
Fürstenberg  getreten.  Weiteres  ist  von  seinen  Lebensumständen  nicht 
bekannt.  Seine  Werke  zeigen,  dass  er  ungewöhnliche  Anlagen  besessen 
und  in  guter  Schule  die  Ausbildung  derselben  gewonnen  habe.  Seine 
Melodie  ist  durchaus  stimmgerecht  und  natürlich,  die  Harmonie  rein 
und  fliessend.  Von  seinen  Werken  erschien  ,  Jntonationes  Vespertinarum 
precum  unacum  singulomm  Tonorum  Psalmodüs,  quae  vulgo  Falso- 
bordoni  dicuntur,  4  vocum.  Praeterea  Hymni  5  voc."  zu  Mönchen  1594 
im  Drucke. 

Zacconi,  Ludovico,  geb.  zu  Pesaro  um  die  Mitte  des  16.  Jhdts., 
Augustinerchorherr,  war  vorerst  Chordirektor  seines  Klosters  zu  Venedig, 
trat  dann  in  Dienste  des   Erzherzogs  Carl  zu  Wien  und  schliesslich 


280  Zach  —  Zarlino. 

in  die  Münchner  Hofkapelle.  1619  kehrte  er  nach  Venedig  zurück. 
Seine  „Pratica  di  musica''  (L  T.  Venedig  1592,  n.  1622),  eine  Art 
Mnsiklehre,  gehört  unter  di^  hesten  musikalisch-theoretischen  Schriften 
Italiens  in  dieser  Zeit. 

Zach,  Johann,  geb.  um  1705  zu  Gzelakowicz  in  Böhmen,  war 
anfangs  an  mehreren  Kirchen  Prag's  als  Organist  thätig,  ging  dann 
nach  Mainz,  wo  er  kurfürstlicher  Kapellmeister  wurde  und  sich  zu 
grossem  Ansehen  als  Theoretiker  und  Komponist  aufschwang.  Im 
Zustande  gestörten  Geistes  starb  er  1773  zu  Bruchsal  in  Baden.  Unter 
seine  vielen  Kompositionen  zählen  auch  viele  Kirchenwerke,  welche  seit 
lange  ganz  in  Vergessenheit  verfallen  sind. 

Zangl,  Joseph  Gregor,  geb.  den  12.  März  1821  zu  Steinach 
in  Tirol,  fand  erst  während  der  Universitätsstudien  in  Innsbruck 
Gelegenheit,  seine  musikalischen  Anlagen  auszubilden.  Im  Jahre  1846 
zum  Priester  geweiht,  erhielt  er  bald  darauf  die  Organistenstelle  am 
Dome  zu  Brixen  und  geniesst  als  gediegener  Orgelspieler  in  Tirol 
grosses  Ansehen.  In  dieser  Stellung  war  es  ihm  gegönnt,  sich  eifrig 
dem  musikalischen  Studium  und  der  Komposition  zu  widmen.  Von  ihm 
sind  mehrere  Kompositionen:  Orgelstücke,  Messen,  Marienlieder  u.dgl. 
(grösstenteils  bei  Böhm  in  Augsburg)  im  Druck  erschienen,  auch  schrieb 
er  ein  „Handbuch  für  den  römischen  Choralgesang  zum  Gebrauch  für 
Organisten*'  (Brixen,  bei  A.  Weger,  1865).  Im  Jahre  1865  wurde  ihm  von 
der  päpstlichen  Musikakademie  di  S.  Cecilia  in  Eom  das  Diplom  als 
„Maestro  compositore  onorario"  zugesendet. 

Zanotti,  Giovanni  Galisto  (Abbate),  geb.  um  1740  zu  Bologna, 
studierte  die  Komposition  unter  P.  Martini  und  wurde  Kapellmeister  an 
S.  Petronio  zu  Bologna,  daselbst  starb  er  1817.  Als  Kirchenkomponist  war 
er  sehr  angesehen,  seine  Werke  sind  aber  Manuskript  geblieben. 

Zarlino,  Giuseppe,  geb.  22.  März  1517  zu  Chioggia  bei  Venedig, 
war  Priester  u.  betrieb  seine  musikalischen  Studien  unter  H.  Willaert. 
Nach  dem  Tode  Gyprians  de  Bore  wurde  er  Kapellmeister  an  der 
Markuskirche  zu  Venedig,  welche  Stelle  er  bis  zu  seinem  Tode,  14.  Febr. 
1590,  inne  hatte.  Weniger  hat  er  sich  durch  Kompositionen  hervor- 
gethan,  welche  zwar  von  seinen  Zeitgenossen  sehr  gerühmt,  aber  von 
Baini,  Winterfeld  u.  a.  als  trocken  u.  steif  bezeichnet  werden;  sein 
höchstes  Ansehen  erwarb  er  als  Theoretiker  durch  seine  „Istituzioni 
harmoniche"  (Venedig  1558,  neue  Auflagen  1562,  1573),  welches  Werk 
fast  200  Jahre  lang  die  Hauptquelle  war,  aus  der  die  nachfolgenden 
Theoretiker  schöpften,  und  welches  besonders  darum  merkwürdig  ist, 
weil  es  zum  ersten  Male  die  Kegeln  des  doppelten  Kontrapunkts  ent- 
hält. Andere  minder  bedeutende  Schriften  Zarlino's  sind:  „Dimostra- 
zioni  harmoniche^'  (Venedig  1571  und  1575)  und  „Supplementi  musicali^* 
(Venedig,  1588). 


Zeiler  —  Zingarelli.  281 

Zeiler,  P.  6  a  1 1  n  s ,  geb.  11.  Mai  1705  zu  Kempten,  trat  1722  in 
das  Benediktinerkloster  St.  Mang  zu  Füssen  u.  zeichnete  sich  durch  seine 
musik.  Tüchtigkeit  so  aus,  dass  er  unter  die  besten  Kirchenkomponisten 
seiner  Zeit  gerechnet  wurde.  1750  zum  Abte  erwählt,  starb  er  schon 
7.  Jan.  1755.  Von  seinen  gedruckten  Werken  kennt  man:  Op.  V. 
„Ganticum  bipartitum  Marianum,  XU  Magnificat/*  (Augsbg.  1737); 
„Latria  musica  Deo  encharistico  sacra"  (20  eucharistische  Gesänge, 
48timm.  mit  Instr.  Augsbg.  1739.)  Op.  VI.;  ausserdem  „Dulia  harmonica*' 
1732  und  „Besponsoria  ad  Lamentationes  hebd.  sacrae";  „Oithara 
Mariana"  (Augsburg,  1734),  „XXX  deutsche  Arien"  (ebenda  1736), 
,XVI  Antiphonae"  (1740). 

Zelenka,  Johann  Dismas,  geb.  1681  zu  Lannowicz  (Böhmen), 
Yfsa  ein  Schüler  von  Fux  und  Lotti.  Von  seinen  Kompositionen  besitzt 
die  katholische  Hofkirche  in  Dresden  15  Messen,  3  Eequiem,  2  Te  Deum, 
2  Miserere,  6  Litaneien,  86  Psalmen  u.  dgl.,  und  er  wird  als  ein  vor- 
züglicher Tonsetzer  seiner  Zeit  gerühmt. 

Ziani,  Pietro  Andrea,  ein  venetianischer  Komponist,  war  von 
1668 — 1677  zweiter  Organist  an  der  St.  Markuskirche  zu  Venedig  und 
ging  dann  als  Kp.-M.  der  Kaiserin  Eleonore  (Gemahlin  Leopolds  I.) 
nach  Wien,  wo  er  1711  starb  (nach  andern  starb  er  in  Neapel).  Er 
schrieb  neben  vieler  weltlicher  Musik  auch  Kirchensachen,  von  denen  eine 
Sammlung  5stimmiger  Psalmen  1659  zu  Venedig  in  Druck  erschien. 

Ziegler,  Johann  Bapt.,  Kp.-M.  in  Wien,  erhielt  seine  erste 
,musikalische  Bildung  als  Chorknabe  in  dem  Konvikte  bei  St.  Stephan 
vom  Domkapellmeister  Preindl.  1829  wurde  er  als  Eegenschori  an  der 
landesfürstlichen  Pfarrkirche  St.  Johann  angestellt,  wo  er  bis  1846 
verblieb,  in  welchem  Jahre  er  als  Kapellmeister  an  die  Schottenkirche 
übertrat.  Im  Musikarchive  des  Schottenstiftes  sind  bis  jetzt  folgende 
Werke  von  ihm  hinterlegt:  14  Messen,  1  Bequiem,  80  Einlagen  als 
Gradualien  und  Offertorien;  Improperia  für  die  hl.  Charwoche,  viele 
Psalmen,  Antiphonen,  Traktus,  Sequenzen.  Als  Gesanglehrer  am  k.  k. 
Gymnasium  des  Theresianums  und  des  Schottenstiftes,  sowie  an  den 
beiden  k.  k.  Bealschulen  in  Wien  schrieb  Z.  1858  eine  „Gtesangschule 
für  die  Mittelschulen  Österreichs**  in  3  Heften,  von  denen  bereits  eine 
zweite  Auflage  erschienen  ist.  Von  seinen  Elirchenkompositionen  ist 
noch  keine  durch  Druck  veröffentlicht  worden. 

Zingarelll,  Nicolo  Antonio,  geb.  zu  Neapel  am  4.  April  1752, 
erhielt  seinen  ersten  Musikunterricht  auf  dem  Konservatorium  di 
Loretto,  wagte  sich  bald  an  die  Komposition  von  Opern,  deren  er  eine 
sehr  grosse  Anzahl  lieferte.  Nachdem  er  in  Mailand  und  Loretto 
Kp.-M.  gewesen,  kam  er  1804  als  solcher  an  Guglielmi's  Stelle  an 
S.  Peter  im  Vatican  zu  Bom  (bis  1811).  Napoleon  führte  ihn  gefangen 
nach  Paris,  und  nach  seiner  Bückkehr  1812  ging  er  nach  Neapel,  wo 
er  auch  als  Kp.-M.  an  der  Kathedrale  am  5.  Mai  1837  starb.   Er  schrieb 


282  Zoilo  —  Zwyssig. 

eine  nngehenre  Anzahl  Kirchenstücke,  deren  grösster  Teil  von  sehr 
geringer  Qualität  ist. 

Zoilo,  A  n  n  i  b  a  1  e ,  war  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhdts.  zu 
Eom  geboren  nnd  erhielt  1561  eine  Anstellung  als  Kapellmeister  an 
der  Lateranensischen  Hanptkirche;  am  5.  Juli  1570  wurde  er  in  das 
Kollegium  der  päpstlichen  Sänger  aufgenommen.  Von  seinen  weiteren 
Lebensschicksalen  und  der  Zeit  seines  Todes  ist  nichts  bekannt.  In  den 
Archiven  der  päpstlichen  Kapelle  befinden  sich  Messen,  Besponsorien 
nnd  andere  Kirchensachen  seiner  Komposition,  sowie  auch  in  ver- 
schiedenen Sammlungen.  Er  wird  unter  die  bedeutendsten  Meister 
seiner  Zeit  gezählt. 

Zncbino,  Gregorio,  geb.  zu Brescia,  blühte  um  1600  als  cassi- 
nensischer  Mönch  im  Kloster  S.  Georg  zu  Venedig  durch  seine  hervor^ 
ragenden  Kenntnisse  in  der  Musik,  auch  als  Organist  war  er  sehr  be- 
rühmt. Seine  damals  sehr  hochgeschätzten  theoretischen  Werke  scheinen 
gänzlich  verloren  gegangen  zu  sein;  dagegen  sind  uns  mehrere  seiner 
Kompositionen  teils  im  Druck,  teils  im  Manuskript  erhalten  worden. 
Im  Druck  erschienen:  „Missa  quatuor  voc.  decantanda  cum  nonnullis 
Psalmis  integris,  divisis,  Falsibordonibus,  Magnificat  et  Litaniis  B.  M.** 
(Venedig,  1615);  „Promtuarium  harmonicum  etc."  (Venedig,  1616); 
„Harmonia  sacra,**  Motetten  von  8 — 16  Stimmen ;  auch  die  Münchner 
Hofbibliothek  und  die  Proske*sche  Bibliothek  besitzen  einige  Stücke 
in  Manuskript. 

Zwyssig,  P.  Gerold,  Benediktiner  des  Stiftes  Muri  (Gries  bei 
Bozen),  geb.  den  9.  Mai  1807  zu  Bauen  in  der  Schweiz,  gelehrter 
Musikforscher,  besonders  im  Choral  bewandert,  auch  Komponist,  besass 
eine  wertvolle  Bibliothek  der  besten  Kompositionen  und  Studienwerke. 
Von  seinen  im  Druck  erschienenen  Werken  ist  nur  eines  bekannt: 
„IV.  Antiphonae  Marianae  a  4  voc.  aequid."  (Brixen,  bei  A.  Weger), 
t  18.  Nov.  1874. 


Nachtrag. 


BedoB  le  Celles  (Zusatz),  der  gelehrte  Mauriner,  war  nm  1706 
zu  Canx  bei  B6ziere  geb.,  trat  1762  zu  Dourade  (Toulouse)  in  den 
Benediktinerorden,  ward  1758  korrespondierendes  Mitglied  der  k. 
Akademie  u.  begann  1760  die  Herausgabe  seines  berühmten  Werkes 
,Ji'art  du  facteür  d'  Orgues**  (Paris),    f  25.  Nov.  1779. 

Bmiiner,  Eduard,  geb.  10.  März  1843  zu  Pischelsdorf  in 
Steiermark,  Sohn  eines  Lehrers,  ward  frühzeitig  im  Gesang  und  im 
Klavierspiel  unterrichtet.  Anfänglich  widmete  er  sich  dem  Lehrer- 
berufe; erst  1867  ward  es  ihm  gegönnt,  seiner  Neigung  zu  folgen, 
nämlich  ganz  der  Musik  zu  leben  —  er  nahm  die  Organistenstelle  in 
Leoben  an.  Nach  zwei  Jahren  ward  er  Chorregent  an  der  Stadtpfarre 
St.  Leonhard  u.  seit  1870  wirkt  er  als  solcher  an  der  Propstei-Haupt- 
und  Pfarrkirche  in  Brück.  Infolge  eines  Besuches  von  Begensburg 
lernte  B.  die  wahre  Kirchenmusik  kennen;  begeistert  davon  vernichtete 
er  alle  bisher  von  ihm  komponierten  Kirchenwerke  und  ging  daran, 
einen  tüchtigen  Sängerchor  heranzubilden.  Später  konnte  er  auch  eine 
kurze  Zeit  lang  die  Kirchenmusikschule  in  Begensburg  besuchen.. 
Ausser  75  weltlichen  Kompositionen  in  früheren  Jahren  edierte  er 
8  Messen,  4  Requiem,  12  Offerte ilen,  2  Litaneien  mit  je  4  Antiphonen, 
8  Weihnachts-  u.  8  Marienlieder  (sämtliche  bei  Pawelek  in  Begensburg); 
vieles  andere  ist  noch  Manuskript. 

Griesbacher,  Peter,  geb.  25.  März  1864  zu  Egglham  (Nieder- 
bayem),  machte  seine  humanistischen  u.  theologischen  Studien  zu  Passau, 
nach  deren  Vollendung  er  1886  die  Priesterweihe  empfing.  Während  seiner 
Studienzeit  hatte  er  immer  Gelegenheit,  Werke  der  alten  Meister  zu 
hören  u.  als  Sänger  auf  dem  Domchore  mitzuwirken;  als  Kandidat  der 
Theologie  suchte  er  durch  Selbststudium  in  theoretischen  Schriften  u. 
in  den  Partituren  der  „Alten"  sein  sehr  gutes  Musiktalent  auszubilden. 
Nach  seiner  Priesterweihe  arbeitete  er  mehrere  Jahre  in  der  Seelsorge, 
bis  ein  schweres  Leiden  ihn  zwang,  einen  Buheposten  zu  suchen. 
Seitdem  wendete  er  sich  ausschliesslich  der  Musik  zu.  Seit  1.  Okt  1894 
versieht  er  den  Posten  eines  Musikpräfekten  am  k.  Studienseminare 
von  St.  Emmeram  u.  St.  Paul  u.  zugleich  eines  Ohordirigenten  an  der 
Stadtpfarrkirche  St.  Bupert  u.  an  der  Kirche  zu  St.  Paul  in  Begens- 
burg. Ediert  sind  von  seinen  Werken:  (bei  Pawelek  in  Bgsbg.) 
Missa  „Jam  sol  recedit"  4  voc;  Missa  VIII.  in  hon.  S.  Antonii  fQr 
4  Männerstimmen,  Op.  11;  Te  Deum  5  voc.  (Op.  12);  Missa  in  hon. 
B.  V.  M.  de  Lburdes,  2  voc.  c.  Org.  (Op.  2);  Missa  in  hon.  Ss.  Bosarii, 
4  voc.  aequ.;  Missa  in  hon.  Ss.  Gordis  Jesu,  3  voc.  aequ.  c.  Org.  — 
(Bei  Hirmer  in  Straubing)  Missa  in  hon.  S.  Gaeciliae, 2  voc.  c.  Org.;  Missa 
in  h.  „Matris  dolorosae,**  5  voc;  ausserdem  noch  manches  in  Sammelwerken. 


284  Guilmant  —  Lemmens. 

Gnilmant,  Alexander,  geb.  12.  Mftrz  1837  zn  Bonlogne  snr 
mer,  Schüler  des  belgischen  Orgelmeisters  Lemmens,  zeichnete  sich 
schon  flühzeitig  als  gewandter  Orgelspieler  ans.  1871  wurde  er  als 
Organist  an  der  Kirche  St.  Trinit^  zn  Paris  angestellt.  Auf  seinen 
Konzertreisen  in  England,  Italien  n.  Bossland  machte  er  grosses  Aufsehen. 
Seine  Kompositionen  für  die  Orgel  werden  als  geistvoU  gerühmt. 

Katschtlialer,  Johan  Bapt.,  geb.  29.  Mai  1832  zu  Hippach 
im  Zillerthale,  Sohn  eines  Schnllehrers,  1856  in  Salzburg  zum  Priescer 
geweiht,  1862  zum  Dr.  theol.  promoviert,  war  bis  1880  Professor  der 
Theologie  zu  Salzburg,  dann  zu  Innsbruck;  alsdann  als  Domherr  nach 
Salzburg  berufen,  übernahm  er  auch  die  Direktion  des  f.-erzbisch. 
Priesterseminars  daselbst,  welchem  er  jetzt  noch  vorsteht.  Im  Dezember 
1890  ward  er  zum  Weihbischofe  erwählt,  zugleich  bekleidet  er  die 
Würde  des  Dompropstes.  Hit  der  Bestauration  der  kathol.  Kirchen- 
musik wurde  er  schon  1851  bekannt,  konnte  aber  erst,  seit  er  Priester- 
hausdirektor ward  (1882),  energischer  für  dieselbe  wirken,  insbesondere, 
als  er  auch  zum  Präses  des  Salzburger  Diözesan-Cäcilienvereins  gewählt 
wurde.  1886  gründete  er  die  „Kirchenmusikalische  Vierteljahrsschrift*' 
(Salzbg.,  M.  Hittermüller),  1893  gab  er  eine  „Kurze  Geschichte  der 
Kirchenmusik'*  (Regensbg.,  A.  Coppenrath)  heraus,  welche  jetzt  in  der 
„Musica  Sacra**  von  Mailand  in  ital.  Übersetzung  erscheint.  Auch  einige 
kleine  Gelegenheitsstücke  komponierte  er,  wovon  das  in  unzähligen 
Exemplaren  verbreitete  „Leolied"  das  bekannteste  ist.  Seiner  Bemühung 
ist  auch  die  Einführung  der  offiziellen  Choralbücher  im  Salzburgischen, 
sowie  des  Diözesan-Gesangbuches  „Alleluja**  zu  verdanken. 

Krans,  P.  Lambert,  geb.  17.  Sept  1728  zu  Pfireimd  in  der 
Oberpfalz,  f  27.  Nov.  1790,  trat  1746  in  das  Benediktinerkloster  Metten, 
1752  zum  Priester  geweiht,  war  er  nacheinander  Chorregent,  Pfarrer 
u.  Prior,  1770  wurde  er  zum  Abte  daselbst  gewählt.  Er  war  ein  sehr 
guter  Musiker  u.  fleissiger  Komponist.  Im  Druck  erschienen  von  ihm: 
Vm  Missae  (Augsburg  1760);  XII  Symphoniae  (ebenda  1762); 
Vin  Litaniae  lauret  unacum  VIII  Tantum  ergo  (ebenda  1764),  sämtlich 
mit  Instrumentalbegleitung.  Auch  ein  Caeremoniale  monasticum  be- 
arbeitete er;  dann  schrieb  er  mehrere  Singspiele  u.  a. 

Lemnoieiis,  Nicolas  Jaques,  geb.  3.  Jan.  1823  zu  Zoerle- 
Parwijs  in  Belgien,  f  30.  Jan.  1881  auf  Schloss  Linterport  bei  Mecheln, 
studierte  Musik  am  Brüsseler  Konservatorium  unter  F6tis  und  ward 
1849  daselbst  Professor  des  Orgelspiels.  1879  eröffoete  er  zu  Mecheln 
eine  Schule  für  Organisten  u.  Chordirektoren.  Er  schrieb  eine  grössere 
Anzahl  von  Orgelkompositionen,  eine  grosse  Orgelschule,  eine  Anleitung, 
den  gregor.  Choral  zu  begleiten,  verschiedene  kirchliche  Gesangs- 
werke u.  a.  Ihm  gebührt  auch  das  Verdienst,  das  Orgelspiel  in 
Belgien  u.  Frankreich  wieder  auf  edlere  Bahnen  geleitet  zu  haben. 
Die  bedeutendsten  Organisten  dortselbst  zählen  zu  seinen  Schülern. 


Modlmayr  —  Schlecht.  285 

Modlmayr,  Joseph,  geb.  28.  Ang.  1858  zu  Giggenhausen 
(Oberbayem)  ward  nach  vollendeten  Stadien  zn  Freising  1882  zmn 
Priester  geweiht  u.  versieht  seit  Dezember  1886  das  Amt  eines  Beicht- 
vaters im  Kloster  der  Benediktinerinnen  anf  FrauenwOrth  im  Chiemsee. 
Schon  während  seiner  Studienjahre  betrieb  er  eifrig  Musik  u.  suchte 
sich  reiche  theoretische  Kenntnisse  u.  praktische  Fertigkeiten  darin  zu 
erwerben.  Diese  konnte  er  als  Kooperator  u.  kann  sie  noch  mehr  u. 
besser  in  seiner  jetzigen  Stellung  verwerten.  Bis  jetzt  veröffentlichte 
er  im  Druck:  5  Hefte  „Kathol.  Kirchengesänge"  teils  für  gemischten 
teils  für  Männerchor;  Hymnus  „Te  Deum"  u.  „Veni"  für  Männerchor; 
Gesänge  z.  Eh.  des  hhl.  Sakramentes  f&r  Männerstimmen;  Benedictus- 
Messe  für  3stimm.  Frauenchor  mit  Orgel;  Litania  lauret  für  4  Frauen- 
stimmen; 25  Gradualia  de  Gomm.  Sanct.  4  voc.  (Begensbg.,  H.  Fawelek); 
„Die  Kirche  Christi,*^  Festgesang  fär  einstimm.  Chor,  Männerquartett 
u.  Pfte;  mehrere  Beiträge  für  musikal.  Zeitschriften  u.  Sammlungen; 
einige  weltliche  Kompositionen. 

Schlecht,  Baimund.  (Zusatz).  Sein  vorzüglichstes  Werk  ist: 
„Geschichte  der  Kirchenmusik"  (Regensbg.,  A.  Coppenrath  1871)  mit 
sehr  vielen  wertvollen  Beispielen  aus  älterer  Zeit. 


■^*i  ■>a!t»>g<  >»■ 


Virlas  von  Alfrid  Coppinratli  (H.  Pawelik),  Rignskirg. 


Sehriflen  über  SirchenmusUs. 

Aihlinnoi*     I  iiHuf     Katechismna  der  Musik*    Eine  knrz- 
Miuiiiiyorv    Luuw.,  gefasste  Darstellung  der  Entwickelung  der 
abendländischen  Musik.    M.  1.50. 

AlInflifAP    iknrfi*     ^ad®  Mecnm.    Taschenbüchlein  u.  Bepe- 
Mliyayory  Mliur.,  titorium  für  Schulseminaristen  und  Chor- 
regenten,    übersichtliche  Zusammenstellung  des  Wissens- 
wertesten zur  raschen  Orientierung  in  pralrtischen  Fragen. 
Geb.  70  Pf. 

Hai I Ar   M ir h     Kompositionslehre  fttr  polyphon.  Kirohen- 
naiior,  miuiiM  gesang  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die 

Meisterwerke   des   16.  Jahrhunderts.    26  Bogen.    M.  6.40, 

eleg.  geb.  in  Halbfrz.  M.  7.60. 

I^flf  Qphf hfllAi*    rip     Inhfi     Knrze  Geschichte  d.  Kirchen- 

ivaisuninaier,  ur.  Jons,,  „^gj^  ^^^  5  _  ^13^  gel, j^  6  20. 

l^nrnmiillAr     P    llftn     I^^^ikon   der    kirchlichen   Ton- 
ivurniliuiior,    r.   UllU,   kunat.  2.,  verbesserte  u.  vermehrte 

Aufl.  L  Teil:  Sachliches.  22 Bogen.  M.  4.50,  eleg.  geb.  M.  5.50. 

lliHAi»Ai*     Infi     ^^^  wichtif]i;sten  kirchlichen  Vorschriften 

minorer,  jgn.,  f^j.  tathoHsche  Kirchenmusik.    Für  die  Hand 

der   Organisten   und   Chorregenten    zusammengestellt   und 

geordnet.     Dritte,   gänzlich  umgearbeitete  Auflage.     Mit 

rürstbischöflicher  Approbation.    M.  1.—. 

MMarar     Inn      Praktische  Chorsin^schule,  insbesondere 
milllirifry  jyil,,  ^ur   Heranbildung    tüchtiger    Kirchenchöre, 

sowie   zum    Gebrauche    an   Instituten   und  Lehranstalten. 

M.  1.50,  geb.  M.  1.90. 

ComhArnAi»     P     M       ^^^  Kirchenjahr.    Kritiken  u.  Sen- 
Oamuergery    U.    m.,     lenzen  aus  dem  Tagebuche  E.  Still- 

bach's  über  Liturgie  und  Kirchenmusik  in  der  katholischen 
Kirche.  Zu  Nutz  und  Frommen  aller  Kirchenmusiker  und 
kirchlich  gesinnten  Christen.  Zweite  Auflage  des  Werkes 
u.  d.  T.  „Gereimtes  u.  Ungereimtes."  M.  2.—,  geb.  M.  2.70, 

^rhlftoht    R      Geschichte    der   Kirchenmnsik.     Zugleich 
OlflllOblll,  n«,    Grundlage  zur  vorurteilslosen  Beantwortung  der 

Frage:    „Was    ist   echte   Kirchenmusik?"   Neue  wohlfeile 

Ausgabe.    M.  5.50. 

Walfhoi*    A      Leichtf assliche   Anleitans    znm    gregor. 

lYaimor,  m.,  Choralgesange.  Für  Geistfiche,  Lehrer,  Orga- 
nisten, Chordirektoren  zum  Selbstunterricht  bearb.  2.  Aufl. 
1  M.    Bei  Bezug  von  12  Exemplaren  auf  einmal  ä.  80  Ff. 


Verlag  m  Alfred  Goppenrath  (H.  Paweiek),  Regensborg. 


T 


Verlag  f  on  Alfred  Coppenrath  (H.  Paweiek),  Regensbarg. 


LiGdGrjsammlungGn 

für  Schule,  Haus  und  Verein. 


Mall  AI*     MinhoAl    ^"sch  gesungen!   Lieder  für  eine   Sing- 
noiiory   miulldOly   stimme   mit  Pianofortebegleitung.     Zum 

Gebrauche  in  Mittelschulen  und  höheren  Töchterinstituten. 

M.  3.50. 

Uollor     lllnhflAi     Jugend-Liederkranz.    Ausgewählte  3- und 
naicor,  miondeiy  48timm.  Lieder  fftr  Sopran  und  Altstimmen. 
Zum    Gebrauche   in   Mittelschulen   una    höheren    Töchter- 
Instituten.     Partitur  M.  2.50,  geb.  M.    3.30;    3   Stimmen 
k  60  Pf.,  geb.  k  95  Pf. 

Mo  Hör     Mlrhaal     Liederhort.    Eine  Anzahl  von  2-,  3-  und 
nauWf   miuildlfl,  4gtiinmigen  Liedern  für  Sopran-  und  Alt- 
stimmen mit  Begleitung  des  Harmoniums.    Partitur  M.  3.50, 
gebunden  M.  4.2ß,  a  Stimmen  k  60  Pf.,  geb.  k  95  Pf. 

I^ntha     Rornh       Repertorium    für   klassischen   Chorgesang. 

ivuiiiOi  Dornil*,  jj^^^  Sammlung  ausgezeichneter  Chöre  und 
Lieder  für  Sopran,  Alt,  Tenor  und  Bass.  Zum  Gebrauche 
für  höhere  Lehranstalten.  11.  Band  Heft  1,  2,  3, 4  Partitur- 
hefte ä,  M.  L50,  Stimmenhefte  ä,  M.  1.—. 

I  iallA     I  iiHiifin     Regensburger  Chorgesang.    Sammlung  aus- 

Liouo,   1.UUWIII9   gewählterLiederundGesänge  für  gemischten 

Chor  zum  Gebrauche  für  Gymnasien,  Latein-  u.  Bealschulen, 

Seminarien   und   Präparandenanstalten.     Partitur   M.  2.—, 

gebunden  M.  2.60. 

RAnnAi»  Inoank  Regensburger  Chöre,  zugleich  Treffschule 
nenner,  JUSepH,  für  Ober- und  Unterstimmen  im  Anschlüsse 
an  die  laut  allerhöchster  EntSchliessung  des  kgl.  bayr. 
Staatsministeriums  vom  29.  Juli  1874  und  des  k.  k.  österr. 
Staatsministerinms  vom  11.  Februar  1873  empfohlenen  und 
zur  Anschaffung  aus  Begie-  und  Stiftungsmitteln  genehmigten 
Gesangswandtafeln.  Für  den  Unterricht  in  Schule  u.  Haus. 
Siebente  Auflage.    M.  1J20,  geb.  in  Ganzleinwand  M.  1.55. 

Vorstehende  Werke  sind  bestimmt,  xnmäohst  pädagogischen  Zwecken  xu 
d4enen.  In  welch  hervorragender  Masse  sie  diesen  Zweck  erfüllen,  beweist  der 
reiche  tmd  aufs  sorgfältigste  gewählte  InhaU.  Nieht  nach  dem  Muster  xahUoser 
anderer  Liedersammiunaen,  die  immer  ufieder  das  alltägliche  bieten,  sind  diese 
Werke  XMsammerMestellt,  sie  unterscheiden  sich  von  anderen  vorteilhaft  dadurch, 
dass  sie  eine  Putte  meist  wertvoller  Originale  bieten,  die  geeignet  sind,  xu 
bilden  und  anxuregen  und  neue  Liebe  und  Freude  xwr  Qesangshmst  xm  weiiken. 
Man  sühf  es  allen  Werken  auf  den  ersten  Blick  an,  doss  sie  aus  sach-  und  fach- 
kundiger Hand  hervorgingen  und  das»  die  Herren  Herausgeber  ehrlieh  bemüM 
waren,  teaetlich  und  nuMikaiisch  vom  besten  das  Beste  ausxuufählen  und 
XU  einem  Ctesangsmaterial  xu  vereinigen,  dcu  Oberall  einer  dankbaren  Aufnahme 
suher  sein  dürfte. 


T 


VMlig  niAlfrod  CoppeirKh  (H.  Pawalik),  RogiMbirg. 


■» 


Verlag  m  Alfrei  Coppemratli  (H.  Pawrielt).  Begensbafg. 


Liedersammlnngen. 

— *l  '?■  V — 

l^ntha     Rftrah        Repertorium   für  klassischen   Chorgesang. 

IVUUie,  DOrnil.y  ^^j^^  Sammlung  ausgezeichneter  Chöre  und 
Lieder  für  Sopran,  Alt,  Tenor  und  Bass,  zum  Gebrauche  für 
höhere  Lehranstalten.    Partitur  M.  6.00,  4  Stimmen  4  M.  1.00. 

Lureh  diese  ausgezeichnete  Sammlung  tnU  der  Verfasser  derselben  die 
Zögling  höherer  UnterriehtsansiaUen  mit  den  besten  Erzeugnissen  der  Oe- 
sangsMleratur  bekannt  motzten,  da  nieht  alle  Chöre  der  Oratorien  ete.  der 
Leistung sfühiakeit,  wer  Auffassungskraft  Widdern  Stimm- 
umfange der  Zöglinge  entsprechen.  Wenn  irgend  ein  Oesanglehrer  berufen 
ist,  eine  glOckHohe,  xweekentsprechende  äusvxim  xu  treffen,  so  ist  es  der 
durt^  seine  langjährige  und  b&wäkrte  Thätigkeit  als  Gymnasial- Oesanglehrer 
'  Musikdirektor  Kothe.  Allen  Oesanglehrem  an  Chymnasien  ete,  möge  das 
Repertorium  auf  das  angelegentlichste  empfohlen  sein,  sie  vferden  dem  Herrn 
Herausgeber  Dank,  wä/rmaten  Dank  wissen,  fwr  das  ihnen  xu  UnterrüMs- 
xwecken  gebotene  iiberaus  reiche  und  wertvolle  Material.  Der  Band  enihöU  50 
der  schönsten  und  mrkungsvoUsten  Chöre  kiasstscher  Mtisik. 

Mnlitnp    I    R     ^P*  ^^'    Sammlung  ausgewählter  Lieder  und 
muiiiury  J.  D.y  Gesänge  für  gemischten  Chor.    (Sopran,  Alt, 

Tenor  und  Bass.)   Zum  Gebrauche  f.  höhere  Bildungsanstalten. 

4  Bde.  2.  Aufl.   M.  4.00,  geb.  in  Gzlnwd.  M.  5.40.    Part. 

M.  2.40,  geb.  in  Hlbfrz.  M.  3.90. 

R  Ann  Ar    Ins     ^^^  Männerquartette  von  der  Donau.     Samm- 
nonnory  JUo-y  j^^g  yierstimmiffer  Männerchöre  verschiedenen 

Inhalts  unter  Mitwirkung  yieler  vorzüglicher  Komponisten. 

Neunte  Aufl.    I/II.  Abteilung^  in  1  Bande.    Brosch.  M.  2.—, 

geb.  in  Ganzlwd.  (Bädekerband)  M.  2.60.     4  Singstimmen 

k  M.  1.40,  geb.  k  M.  185. 

Die  reichhaltigste  schönste  und  billigste  Liedersammlung ; 
für  aUe  Verhältnisse  des  Oesangvereinstebens  mehr  als  ausreichend. 

Sängerhalle,  Neue  Regensburger.  t*^tif  ^ri: 

mehrstimmigen  Männer-  und  gemischten  Chor.  I.  u-  n.  Band. 
Ausjg^abe  A:  für  Männer-Chor.  Partituren  ä  M.  6.00, 
4  Stimmen  zu  jedem  Bande  k  M;  1.00.  —  Ausgabe  B.:  für 
gemischten  Chor.  Partituren  k  M.  6.00,  4  Stimmen  zu 
jedem  Bande  k  M.  1.00. 

Der  Inhalt  beider  Bände  ist  ein  gm»,  verschiedener,  es  handeli  si^  nicht 
etwa  um  Arrangements."  Aües  ist  original.  Die  Herausgeber  haben  durch 
ihre  früheren  VeröffentUchungen  bewiesen,  dass  sie  berufen  sind  Kwr  PfUge 
des  mehrstimm.  Oesanges  edelster  Art.  Die  „Wahl"  der  vorliegenden 
Kompositionen  xeugt  vom  besten  Oeschmaek,  die  Redaktion  geschah  mü  der 
grössten  SorgfaU. 

OgäUy     Popl     Sammlung  ausgewählter  Lieder  und  Gesänge 

OOlUy   Uarly  fjj,   gemischten   Chor   für   Gesangvereine   und 

höhere  Lehranstalten.     Mt  70  Original-Kompositionen   der 

Gegenwart.    4  Bände.    M.  3.20,  geb»  in  Gzlwd.  M.  4.60.  — 

Partitur  M.  2.00,  geb.  in  Hlbfrz.  M.  3.90. 


Ytriag  foi  Alfred  Coppenrath  (H.  Pawelek),  Begen8berg>|[~^==|=' 


Druck  TOn  F.  W.  OADOW  &  SOHN.     HILDBUXaHAUSBH. 


! 


H 


ML  102  .CM  KM  IBM  C.1 


3   6105   042   487   731 


C5{p 

161; 


'W 


^S!P  UNIVERSITy  LlßRARIF«; 
STANFORD,   CALIFCÄW 
94305