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H. BARON
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LEXIKON
DER
KIRCHLICHEN TONKUNST.
BEARBEITET
VON
P. UTTO KORNMULLER
O. S. B.
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ZWEITE,
VERBESSERTE UND VERMEHRTE AUFLAGE.
MIT DRUCKGENEHMIGUNG DES BISCHÖFL. ORDINARIATES REGENSBÜRG.
L TEIL
SACHLICHES.
REGENSBURG 1891.
ALFRED COPPENRATHS VERLAG.
(H. PAWELEK.)
r
Vorwort zur ersten Auflage.
Die Bestrebungen unserer Zeit, die katholische
Kirchenmusik wieder auf bessere Bahnen zu lenken, als
auf welchen sie seit vielen Jahrzehnten gewandelt ist,
scheint wohl nichts mehr zu fördern, als die Verallge-
raeinerung der Kenntnisse, welche die heilige Tonkunst
betreffen. Hierzu glaubt der Verfasser durch die Bear-
beitung einer Encyklopädie der kirchlichen Musik, worin
die verschiedenen Seiten dieser Kunst ins Auge gefasst
werden, beitragen zu können.
Zwar gibt es mehrere musikalische Lexika und unter
denselben vortreffliche Werke; diese befassen sich jedoch
ihrer Aufgabe gemäss nur mit dem Allgemeinen der
Tonkunst, ohne des Wesens der einzelnen Gattungen
weiter als im Vorübergehen zu gedenken, wenn sie nicht
gar, wie es fast immer geschieht, Irrtümer und Un-
richtigkeiten über Katholisches bringen. Solche Lexika
können natürlich einem katholischen Kirchenmusiker
nicht genügen.
Je mehr die Kenntnis in einer Disziplin wächst
d allseitig wird, desto freudiger, eifriger, richtiger und
bigreicher wird die Wirksamkeit in ihr werden. Bei
• kirchlichen Tonkunst handelt es sich nun nicht bloss
1 die Theorie der Tonsetzkunst, allgemeine Musik-
r
IV Vorwort zur ersten Auflage.
geschichte, Biographie, Bibliographie und Ästhetik, son-
dern mehr noch um specielle Kirchenmusik-Geschichte,
um die Prinzipien, aus welchen sie ihr Leben und ihr
Gedeihen schöpft, um die Liturgie, die kirchlichen Be-
stimmungen und die Verwendung der musikalischen
Mittel zum besonderen Zwecke. Passt man dies alles
zusammen, so erreicht die kirchenmusikalische Wissen-
Schaft einen Umfang und eine Vielseitigkeit, welche
eine eigene Encyklopädie rechtfertigt.
Vorliegendes Werk soll ein Versuch sein, in ge-
drängter Darstellung so ziemlich alles, was den Freun-
den und Pflegern der kirchlichen Tonkunst zu wissen
hotwendig und nützlich sein oder für sie überhaupt ein
Interesse haben kann, wenigstens der Hauptsache nach
vorzuführen. Ein vollständiges Lexikon zu bearbeiten,
lag nicht in meinem Plane. Darum finden sich neben
den bedeutendsten und neben bekannteren Kompositeuren
verhältnismässig nur wenig andere Namen angeführt,
und wurde nicht das Register aller Werke eines Mei-
sters aufgenommen. Ich wollte nur ein einfaches, den
gewöhnlichen Bedürfnissen Rechnung tragendes Hand-
und bequemes Nachschlagebuch für minder unterrichtete
Chorregenten, Schullehrer und Musikfreunde schreiben,
welchen nicht gegönnt ist, Kosten für grössere Special-
werke aufzuwenden, selbständigen Studien zu obliegen
und Bibliotheken auszunützen. Ich weiss wohl, dass
ein encyklopädisches Werk noch nicht tiefes und gründ-
liches Wissen zu verschaffen vermag, aber es ist doch
im stände, über vieles die nötigsten Aufschlüsse zu
geben und zum eigenen Nachdenken und Nachforschen
anzuregen.
Da mir neben der hiesigen Klosterbibliothek auch
die Benützung der Proskeschen und Mettenleitnerschen
Vorwort zur ersten Auflage. V
Bibliothek freundlichst gestattet war, so konnte ich eine
namhafte Anzahl einschlägiger Werke einsehen und zu
Rate ziehen. Vieles habe ich selbständig und neu be-
arbeitet, vieles aber auch den benützten Werken wört-
lich oder mit einigen Abänderungen entnommen, so dass
im ganzen mein Buch viel, mehr als ein Sammelwerk
angesehen sein will.
Für das Liturgische befragte ich die verschie-
denen liturgischen Bücher: Missale, Caeremoniale Episc,
die Ritualien und Directorien, dann die Entscheidungen
der Congregatio Ss. Rit., die neueren bischöflichen Er-
lasse u. s. w., besonders war mir massgebend die Ver-
ordnung des seligen Bischofs Valentin von Regensburg
d. d. 16. April 1857; ferner: die Werke von Dr. Am-
berger (Pastoraltheologie), Dr. A. Maier (Kultus des
Allerheiligsten), de Herdt, Durandus (Rationale), Kardinal
Bona, die Liturgiken von Schmid und Luft.
Für Geschichte, Archäologie und Biographie
benützte ich die einschlägigen Werke von Gerbert, Fer-
kel, Kiesewetter, Ambros, Proske (Musica divina), Cous-
semaker, v. Winterfeld, Schubiger, Binterim, Sev. Meister,
Pascal (Origines et raisons de la Hturgie cathoL), die
Kirchenlexika von Aschbach und Weite, die musikali-
schen Encyklopädien von Rousseau, Schilling, Bernsdorf,
Fetis (1. Aufl.).
Über den Choral erholte ich Aufschlüsse aus den
Werken von Antony, Janssen, Morelot, Haberl, Metten-
leiter (Enchiridion nebst Orgelbuch), WoUersheim, P. Be-
idikt Sauter (Choral und Liturgie), aus liturgischen
^sangbüchern u. a.
Für die Theorie der Musik — aus den Werken
1 B. Marx, Dehn, G. Weber, G. Bellermann, R. West-
al u. a.
VI Vorwort zur ersten Auflage.
Für die Orgel — aus den Orgelbüchem von Tö-
pfer Heinrich, B. Mettenleiter.
Für die Ästhetik — aus den Schriften von
Dr. Dursch, Dr. Deutinger (Kunstlehre), Stein (katho-
lische Kirchenmusik). Ausserdem boten verschiedene
musikalische Zeitschriften und praktische Musikwerke
manches verwertbare Material.
Alles lag mir daran, die kirchliche Tonkunst von
dem einzig richtigen, d. h. dem kirchlichen Stand-
punkte aus anzuschauen und zu beurteilen; darum hebe
ich bei jeder Gelegenheit die Anschauungen der Kirche
hervor und füge an den gehörigen Stellen die kirch-
lichen und liturgischen Bestimmungen ein. Darauf kommt
ja alles an, dass der Geist der Kirche wieder in die
gottesdienstliche Musik einkehre, und Liturgie und
Musik wieder ein einheitliches, ein zusammenge-
höriges und zusammenstimmendes Ganze werde.
Durch blosse Musikkunst oder durch Asthetisieren lässt
sich ^das nicht erreichen. Ohne Berücksichtigung des
Geistes, welcher die Liturgie durchweht, mögen wir
wohl die Kirchenmusik auf einen anderen, vielleicht
kunstvolleren Weg leiten, aber nicht auf den rechten.
Zu bemerken habe ich noch, dass es mir zum
leichteren Auffinden der in verschiedenen Artikeln be-
handelten Materien zweckmässig erschien, ein Sach-
register beizugeben.
Möge mein Buch auch nach seiner Vollendung
gleiche freundliche Aufnahme, wie die ersten Lieferun-
gen desselben, finden und sich bei der Beurteilung bil-
liger Nachsicht erfreuen in Anbetracht der Schwierig-
keiten, welche solche Arbeiten stets begleiten. Ich
verhehle mir keineswegs die formellen und materiellen
Mängel, welche demselben ankleben, glaube aber doch
Vorwort zur ersten Auflage. VII
mit diesem unvollkommenen Versuche ein weniges der
katholischen Kirche nützen zu können und dadurch der
Forderung des heiligen Ordensstifters Benedikt: „Ut in
Omnibus glorificetur Dens" nachzukommen.
Zum Schlüsse fühle ich mich noch gedrungen, hier
öffentlich meinen tiefgefühlten Dank insbesondere Sr. bi-
schöf liehen Gnaden, dem Hoch würdigsten Herrn^ Herrn
Ignatius, Bischof von Regensburg, für die huldvollste
Gestattung, die Proskesche Bibliothek zu benützen, so-
wie dem Bibliothekar derselben. Hoch würden Herrn
Ordinariatsassessor G. Jakob, dann meinem Hochwür-
digsten Titl Herrn Abte, Utto Lang, dem gründlichen
und wohlerfahrenen Musikkenner, auszusprechen, ferner
allen jenen geehrten Herren, welche mich durch Rat
imd That bereitwilligst unterstützten, sei es durch Be-
lehrungen, Mitteilungen, Beiträge oder Berichtigungen.
Metten, den 26. Mai 1870.
Der Verfasser.
Vorwort zur zweiten Auflage.
Das „Lexikon für kirchliche Tonkunst" hat in
dieser zweiten Auflage insofern eine Umänderung er-
litten, als der Stoff in zwei Teile geschieden wurde,
von denen der I. Teil das Sachliche, der IL Teil das
Biographische zu bieten hat (jeder Teil ist für sich
käuflich). Manche Verbesserungen haben stattgefunden
und eine reichliche Anzahl Artikel wurden eingefügt,
so z. B. die längeren Artikel „Ästhetik", „Geschichte
des Orgelspieles '^; auch das 27. Kapitel des I. Buches
des Caeremoniale Episcoporum wurde unter „Verord-
nungen" möglichst vollständig gegeben.
Hier spreche ich auch öffentlich meinen Dank
Herrn Professor Valentin Hintner in Wien aus, wel-
cher die Freundlichkeit hatte, mich auf eine Reihe Ver-
besserungen aufmerksam zu machen.
Möge diese zweite Auflage ebenfalls wohlwollende
Aufnahme finden und beitragen zur allseitigen För-
derung und Hebung der katholischen Kirchenmusik und
damit zur grösseren Ehre Gottes, zur Verschönerung des
Gottesdienstes und zur wahren Erbauung der Gläubigen.
Metten, den 1. JuU 1891.
Der Verfasser.
Quellenlitteratur.
lUissale romannm, Gradnale rom., Pontificale rom., Caeremo-
niale Episcoporum (neueste Edition 1888). Verschiedene
bischöfliche Erlasse.
Mühlbauer, W., Decreta authentica C. S. Rit. et Instructio Cle-
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Amberger, Dr. Jos., Pastoraltheologie, 3 Bde. Regensburg 1883.
Bona, Joannes, Kardinal, „De divina psalraodia^ (Opp. omn.).
Antverpiae 1694.
Dnrandus, Wilh., Rationale divin. officiorum. Venetiis 1568.
Herdt, J. B., S. Liturgiae praxis juxta ritum rora. 3. Aufl. 3 Bde.
Löwen 1855.
Maier, Dr., Die liturgische Behandlung des Allerheiligsten. Re-
gensburg 1864
Pascal, J. ß. E., Origines et raisons de la liturgie catholique.
Petit-Montrouge, J7 P. Migne, 1844.
Schmid, Fr. X., Litureik der christkatholischen Religion. 3 Bde.
2. Aufl. Passau 1öö5.
Thalhofer, Dr. V., Handbuch der katholischen Liturgik. I. Frei-
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»mmer, Arrey v., Handbuch der Musikgeschichte. Leipzig 1878.
r
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Kiesewetter, R. G., Geschichte der europäisch-abendländischen
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Guido von Arezzo, sein Leben und Wirken. 1840.
Proske, Dr. Karl, Musica divina. 4 Bde. Regensburg 1853 — 64.
Selectus Missarum. 2 Bde. Ebd. 1855.
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Winterfeld, Karl v., Johannes Gabrieli und sein Zeitalter,
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Baenmker, Wilh., Zur Geschichte der Tonkunst in Deutschland,
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Riemann, Dr. Hngo, Studien zur Geschichte der Notenschrift-
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Fortlage, Dr. Karl, Das musikalische System der Griechen in
seiner Urgestalt. Ebd. 1847.
Westphal, Dr. Rnd., Die Musik des griechischen Altertums,
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Kienle, P. Ambrosius, Choralschule. Freiburg i. Br. 1884.
Pothier, Dom Jos., Les m^lodies gregoriennes. Tournay 1880.
Meister-Baenmker, Das katholische Kirchenlied. 2 Bde. Frei-
burg i. Br. 1862—86.
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Dehn, Wilhelm, Theoretisch-praktische Harmonielehre. Ebd. 1860.
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Dommer, Arrey v., Elemente der Musik. Leipzig 1862.
Marx, Bernh., Die Lehre von der musikalischen Komposition.
4 Bde. Leipzig 1875.
Morelot, Stephan, Elements d'harmonie apphqu^e ä Taccom-
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Schule des katholischen Organisten. (4. Aufl.). Ebd. 1884.
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Dentinger, Dr. M., Kunstlehre. Regensburg.
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Jnngmann, P. Jos., Ästhetik. 2. Aufl. Freiburg i. Br. 1884.
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1857 (1880).
Stein, Gereon, Die katholische Kirchenmusik. Köln 1864
Thibaut, Dr. A. Fr. J., Über Reinheit der Tonkunst (mehrere
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1870-^.
Kiemann, Dr. Hugo, Musik-Lexikon. 3. Aufl. 1887.
Rousseau, J. J., Dictionaire de Musique. 1767.
€äcilienkalender von Fr. X. Haberl 1876—85, und dessen Fort-
setzung als „Kirchenmusikalisehes Jahrbuch** 1886—90.
RegensDurg.
Monatshefte für Musikgeschichte (Eitner Robert). 1869—90.
Leipziger Allgemeine Musikzeitung. 1866—82.
Vierteljahrschrift für Musikwissenschaft. 1886—90.
Witt, Dr. Franz, Fliegende Blätter für katholische Kirchen-
musik. Regensburg, seit 1866.
— ^- Musica Sacra. Regensburg, seit 1868.
Gregoriusblatt (H. Böckeier). Aachen, seit 1877.
Helmholtz, H., Die Lehre von den Tonempfindungen. 4 Aufl.
Braunsohweig 1877.
"^
I
i
Im gleichen Verlage von Alfred Coppenrath (H. Pa)*
welek) in Regensburg erschienen;
Zehn
M[ a r i e n 1 i e d e r
für
vi e r s t i m m igen gemiscliteii Chor
von
P. ütto Kornmttller.
Opus 5.
Partitur M. 1. — , 4 Stimmen ä 30 Pf.
Requiem in ES
für
Sopran und Alt mit Orgel
von
P. Utto KornmUller.
Opus 6.
Partitur M. 1. — , 4 Stimmen ä 20 Pf.
Druck der Verlags -/Dstalt rorm. G. J. Mauz in Reg«niAurg.
F
, » ' ■ —
I.
Sachlicher Teil
j
Kornmüller, Lexikon.
l
r
A.
A. Schon vor Aristoxenus, einem Schüler des Aristoteles
(etwa um 350 v. Chr.), wurden die Töne der Musik mit den Buch-
staben des Alphabets bezeichnet, und zwar wurde der erste und
tiefste Ton A genannt. Dies blieb auch so bis um die Zeit
Guido's von Arezzo, wo man um einen Ton tiefer hinabging und
ihn mit F bezeichnete. Guido schreibt in seinem „Micrologus",
Cap. II: „Imprimis ponatur r, a modernis adjunctum.*^ «I>ä-
ter hörte auch dieses auf, Grundlage des Tonsystems zu sein,
und es trat das C an seine Stelle, von welchem aus die 7 Haupt-
töne nach dem Alphabet, wie noch jetzt gebräuchlich, genannt
wurden. Dadurch ist A der sechste Ton der diatonischen Skala
geworden. Das eingestrichene a ist auch der Ton, nach welchem
im Orchester eingestimmt wird (s. Stipimung).
A, ital. Präposition, bedeutet auf, bei, gegen, in, zu,
mit, über, bis in, bis zu. Mit den Artikeln il V, la und lo
zusammengesetzt, bildet diese Präposition den ital. Dativ: al,
plur. ai oder a': all', plur. agli; alle, plur. ägli; alla, plur.
alle. Diese Präposition kommt in der Kunstsprache in inren
Zusammensetzungen häufig vor, z. B. a tempo, alP unisono etc.
Es folgen nier die in der Ku-chenmusik am häufigsten
vorkommenden Kunstausdrücke dieser Gattung:
l)a capella bezeichnet entweder, dass ein Tonstück nur
für Singstimmen ohne Begleitung bestimmt ist, oder dass die
begleitenden Instrumente mit der Singstimme im Einklang oder
in der Oktav fortschreiten, — oder es soll damit das Tempo be-
zeichnet werden, soviel als „alla breve^, demgemäss eine raschere
Ausführung der sonst längeren Noten erfordert wird; a due =
zu zweien, von zwei Sängern oder Instrumentisten auszuführen; —
a mezza voce, mit halber Stimme; a poco a poco = nach
und nach, allmählich; a prima vista := auf den ersten Blick,
vom Blatte singen oder spielen; a quattro (oder ä quatre),
zu vieren; a suo luogo, soviel wie loco, bedeutet, dass die bis
in um eine Oktav nöher oder tiefer gespielten Noten wieder
der gewöhnlichen Tonhöhe vorgetragen werden sollen; a
^po bedeutet den Wiedereintritt des durch ein anderes Zeit-
8 unterbrochenen ersten Zeitmasses; auch wird dies mit „tempo
tto" (tempo l^^o) bezeichnet; a tre voci oder bloss a tre
brois), für drei Stimmen; a voce sola=s: für eine Sing-
••ne allein.
1*
4 Abbreviatur.
2) al, all*. — al fine bedeutet die Wiederholung eine»
Satzes von Anfang (da oapo) oder von einem Zeichen (dal
segno) bis zu der Stelle, wo das Wort Fine (Ende) steht; alT
ottava, in der Oktave, gewöhnlich eine Oktave höher (air
ottava alta), sonst mit der näheren Bezeichnung „all' ottava
bassa^, um eine Oktav tiefer; sodann bedeutet es in Partituren^
dass ein Instrument mit einem anderen in der Oktav fortschrei-
ten — und beim Generalbassspielen, dass statt der Aocorde nur
beim Zeichen.
3) alla. — alla breve, im gekürzten, d. h. schnelleren
Zeitmass, gewöhnlich im Zwei- oder Dreizweitel- (Zwei- oder
Dreihalbetakt) Takt, in welchem die halben Noten fast die Be-
wegung der Viertel haben; alla capella soviel als „a capella**;^
alla stretta, eng, zusammengezogen^ zunächst in Fugen, wo*
das Thema, ehe die vorhergehenden Stimmen es geendet haben,
in den folgenden eintritt, oder in engeren Nachahmungen er-
scheint, — dann aber auch das schnellere Tempo gegen den
Schluss in anderen Tonstücken.
Abbreviatur, Abkürzung, kommt bei den in der Musik
gebräuchlichen Benennungen und Kunstwörtern, wie bei den oft
wiederkehrenden oder länger fortjjeführten Notenfiguren vor. Die
gebräuchlichsten Abkürzimgen sind:
I. Abbreviatur der Kunstwörter (die Bedeutung der
einzelnen s. in den betreffenden Artikeln): A. = Alto ^ing-
stimme); acceL = accelerando; all« = allegro; alltfco= allegretto;
andte c^ andante; andtoo = andantino; arc. == colarco; a. t. =
a tempo; att. = attaoca; B. = Basso; Basso — Contrabasso;
c. = con (oder in Zusammensetzungen col, con . . .) ; c. 8va -
coir ottava; cal. = calando; Cello = Violoncello; Clar. und C\^^
= Clarinetto; Cor. und Co. = Corno; cresc. = crescendo;
D. C. = Da capo; D, S. = dal segno; decresc. = decrescendo;
dim. = diminuendo; dol. = dolce; espr. und espress. =
espressivo; f und fo = forte; Fag. = Fagotte; ff = fortissimo;
Ft = Flaute j fp = fortepiano; fz = forzando; leg. = legato;
m. = mezzooder meno; marc. = marcato; mezz. = mezzo (mezza);
m. f. = mezzo oder meno foi*te; min. = minore; modto. = mo-
derato; m. v. = mezza voce; Ob. = Oboe; Ped. = Pedale; perd.
und perdend. = perdendosi; p. und jpo = piano; p. f. = piu
forte oder poco forte; pizz. ~ pizzicato; pp. = piamssimo; ralL
= rallentando; rf. und rfz. = rinforzando; rip. == ripieno; ritard. =s^
ritardando; rit. = ritenuto; seg. = segue; sfz. == sforzando;
Sopr. = Soprane; sord. = sordim; sost. imd sosten. = sostenuto;
s. S. — senza Sordini; s. v. = sotto voce; stacc. = staccato;'
string. = stringendo; T. = Taste, auch tutti; t. s. = tasto solo;
Ten. = Teuere; ten. = tenuto; Timp. = Timpanij tr. = trillo;
Tromb. = Trombone; unis. = unisono; V» = Violaj V®iio --
Violoncello; v. s. = volti subito; l^^a = prima (nämlich volta);
2da = secunda (volta).
IL Abbreviatur der Notenfiguren, wie sie oft in
einzelnen Stimmen, sehr häufig aber in Partituren der Figural*
•Abschnitt.
5
musik vorkommt. Man schreibt die erste Figur ganz und deutet
ihre Wiederholung durch Querstriche an, teils mit Noten, teils
ohne Noten, oder indem das Wort „simili (ähnlich)" oder
^segue (es folgt)" beigesetzt wird. Hier mehrere Beispiele:
Schreibart.
'^$^^^M
Ausführung.
?=
bis
Zeichen der Repetition sind:
^^1^^^
Abschnitt bezeichnet einen Ruhepunkt in der Melodie
ie besondere Rücksicht auf den Umfang des abgesonderten
les, also ein Glied ohne besondere wesentlich unterscheidende
"kmale.
6 Absolutio — Accent.
Absolutio, ^ne kirchlich« Ceremonie, welche mit dem Be*
fi^räbnisritus (Exequiae) in Verbindung steht. Die Feier für di^
Verstorbenen in der Kirche sollte eigentlich in Gegenwart de»
Leichnams stat^tfinden, damit die Gläubigen um so mehr szum
Gebete für denselben aufgenmntert würden. Da aber durch
staatliche Anordnimgen es untersagt worden ist, den Leichnam?
in die Kirche zu bringen, so wird aie gottesdienstliche Feier erst
pach dem Begräbnisse gehalten; eine Ausnahme findet nur mit
staatlicher Bewilligung bei Begräbnissen von Bischöfen, Abterv
Fürsten u. a. statt, wenn diese in der Kirche, beziehungsw^eise*
in einer Gruft in derselben begraben werden. Darum wird in
der Kirche ein Trauergerüste (tumba) aufigerichtet, um den Leich-
nam zu vergegenwärtigen, und dann Omcium, Messe und Abso-
lution gefeiert. Die letztere besteht darin, dass der Priester mit
Leviten und Ministranten, während vom Chore das Responsorium
„Libera me" gesungen wird, sich zur Tumba begibt, um dieselbe
herumgehend und das Pater noster still betend dieselbe niit
Weihwasser besprengt, dann beräuchert und. nach Vollendunr-
dieses Aktes die vorgeschriebenen Versikel und die Oration singt
Bei den Exequien emes Papstes, Kardinals, Bischofes, Kaisers^
Königs u, s. w, werden fünf Absblutionen gesprochen. Wo drei
Seelengottesdieiiste für einen Verstorbenen abgehalten werden^
findet die Absolution nach dem dritten , dem sogenannten
Dreissigsten , statt; ist der Gottesacker in unmittelbarer Nähe
der Kirche, so geht man zur Absolution an das Grab des Ver-
^torbenen selbst.
Abstossen der Töne, ist jene Art des Vortrages, bei wel-
cher die Töne kurz und merklich von einander abgesondert an-
gegeben werden. Es erfordert viele Übung und grosse Genauigkeit.
Bei Bogeninstjrumenten geschieht es durch einen kurzen ötoss
der Hand, bei Blasinstrumenten durch -einen kurzen Atemstoss.
und durch eigentümliche Bewegung der Zunge. Das Zeichen,
wodurch der Komponist es andeutet, sind entweder Punkte
(. . . .) oder Striche ( * » * * ) über den Noten, erstere für
schwächeres, letztere für stärkeres Stossen; oder es wird den
Noten „staccato** beigefügt.
Acceleraiido, beschleunigend, an Schnelligkeit (meist auch
an Stärke) zunehmend. "
Aecent -- Betonung und Betonungszeichen. Beide sind
entweder sprachlich oder musikalisch und bezwecken klare Ver-
ständlichkeit, gehörige Verschmelzung des Lichtes und des Schat-
tens und eine lebhafte und innige Ansprache des' Gefühles. Im
allgemeinen versteht man darunter die abgemessene Hervor-
hebung von Wortsilben oder musikalischen Tönen. Es ist für
einen Komponisten l:^nerlässlich , sich mit der Pro so die, d. h.
der Lehre von der Länge und Kürze der Sprachsilben in
derjenigen Sprache wohl Hbekanht zu machen, in welcher sein
Text geschrieben ist; so namentlich für den Kirchenkoniponisten
bezüglich der lateinischen Sprache. Eine hinreichende Kenntnis
davon hat sich auch der kirchliche Ghoralsänger zum richtigen
Vortrage der Psalmen, Antiphonen und dergleichen anzueignen. — '
Der musikalische Accent teilt sich in den taktischen, gemäss
welchem einem oder einzelnen Teilen eines Taktes ein grösseres
Accentus ecclesiasticus — Accord. 7
Gewicht zukommt^ als den anderen; in den* rhythmischen,
Tv^eksher es mit synnnetrischen Reihen kleinerer oder grösserer
Abschnitte miteinander verbimdener Töne zu thun hat: und in
den malenden oder Gefiihlsacoent , der sich beim lebendii^en
Vortrage äussert, durch die Vorträgsbezeichnungen (z. B. forte,
piano, cresc, * ■ — r: ::==*- und dergleichen) einigenteils ange^-
deutet, hauptsächlich aber doch durcn das richtige Verständnis
und ästhetische Gefühl des Vortragenden bedingt wird.
Accentus ecclesiasticus bezeichnet den Einzek^esang des
Priesters, Diakons, Subdiakons, des antwortenden Dieners, im
Gegensatze zum Concentus, unter welchem Worte man alte
Gesänge verstand, welche vom Gesamtchor, oder überhaupt von
mehreren zugleich vorgetragen wurden. Zum Accentus gehören
also: der Kollektenton — tonus orationum seu CoUectarum; der
Epistel- und Evangelienton; die Passion; der Gesang der Pro-
pnetien, des Martyrologiums und ähnlicher. Jeder Redevortrag
schliesst eine Modulation in sich, welche um so bedeutender
hervortritt, je feierlicher der Vortrag ist. Aber auch die sinn-
femässe Abteilung des Textes beim Vortrage verlangt verschie-
ene Modulation der Stimme. Es scheinen sich schon frühzeitig
in der Kirche für die verschiedenen Distinktionen oder Textein-
schnitte feststehende Tonfiguren gebildet zu haben, welche man
auch Accente oder Töne nannte. Ein Vorbild hatte man schon
im feierlichen Lese vortrage der Synagoge. (Vergleiche -Das li-
turgische Recitativ^ von P. Bohn. Monatshefte für Musikge-
schichte 1887, Nr. 3. 4. 5.)
Accidentien, die zufällig im Verlaufe eines Tonstückes
vorkommenden Versetzungszeichen.
Accolade bedeutet die Klammer oder den senkrechten
Strich, wodurch mehrere zusammengehörige Liniensysteme vorn
am Rande miteinander verbunden werden, zum Zeichen, dass
die auf diesen Systemen befindlichen Noten gleichzeitig ausgeführt
werden; so in Partituren und dergleichen.
Accompagnement , Begleitung einer oder mehrerer Solo-
stimmen durch andere Instrumente; besonders auch gebraucht
für die Unterstützung und Begleitung einer oder mehrerer Stim-
men oder Instrumente auf rianoforte oder Orgel nach einem
bezifferten Basse.
Accord. Die neuere Harmonielehre, wie sie besonders von
V. Oettingen undRiemann ausgebildet worden ist. benennt den
Accord einfach Klang. Die Lehre von den Accorden ist neueren
Ursprunges; man hatte anfangs nur Melodie — nichts von Harmonie
oder Zusammenklang mehrerer Töne. Einen Ersatz dafih* mag der
Gang der Melodie selbst geboten haben, indem sie bestimmte mter-
valle durchlief und diejenigen Töne menr heiyorhob, welche später
-'lordae principales* oder „essentiales** hiessen und die Tonart
inzeichneten. Was in den Lehrbüchern der Alten, z. B. Guido,
innes de Muris etc. -harmonia, symphonia*' genannt wird, ist
hts anderes — nach ihren eigenen Definitionen — als die
;elTechte Verwendung der Intervalle zur Melodie, die kunst^
nässe Aufeinanderfolge derselben. Erst gegen Anfang des
eiten christßchen Jahrtausends wagte man, einer Stimme
mcipalis) eine zweite Stimme (organalis) in der Quint oder
8 Aöoord.
Siuart mitgehen ^u lassen, wodurch den eigentlichen Acoorden
er Weg angebahnt wurde. Die im zwölften und den folgenden
Jahrhunderten stattfindende Entwickelimg des drei- und mehr-
stimmigen Satzes führte zwar die Beachtung des wohllautenden
Zusammenklan^es mehrerer Töne von selbS; herbei, die Praxis
arbeitete zwar m Accorden, aber die Theorie' hatte sich noch
nicht daran gemacht, eine systematische 'Accordenlehre zu bil-
den. — Das Verdienst, das erste wirklich geordnete Accorden-
system aufjf^estellt zu haben, gebührt dem Franzosen Rameau;
sein Werk ist betitelt; „Tratte de Tharmonie*^. Paris 1722. Ihm
schloss sich später d'Alembertin seinen «EliSmens de Musique*
an. Noch mehr ward es ausgebildet von Marpurg, Kirnber-
ger, Albrechtsberger, Gottfried Weber, Andr6 und
anderen.
Unter Ac\cord verstehen wir den Zusammenklang von
wenigstens drei in gewissem Verhältnis zu einander stehen-
den Intervallen. Aus der diatonischen Tonreihe — c d e f g a
h c . . . — lassen sich entnehmen: c e g, d f a, e g h, f a c,
§h d, a c e, h d f, oder, was dasselbe ist, wir setzen über je-
en Ton dieser Scala zwei Intervalle aus dieser Reihe terzenweise:
IL III. IV. V. VI. VII. VIII.
Hier ergeben sich sieben Acoorde, von denen die auf der
I., IV., V. Stufe gleiches Verhältnis haben; ebenso die 11., III., IV. ;
fanz verschieden von den vorhergehenden ist der Accord auf
er siebenten Stufe. Diese drei Gattungen der Dreiklänge —
• Accorde von drei Tönen — bilden die erste Reihe der Stamm-
ac Corde, von denen sich wieder andere ableiten lassen. Die
erste Gattung besteht aus einer grossen Terz mit darübergelegter
kleiner Terz, oder aus dem Grundton, grosser Terz und remer
Quint, c e g, f a c, g h d, und einen solchen Accord nennen wir
den grossen oder Dur- Dreiklang; die zweite Gattung besteht
aus einer kleinen und darübergelegten grossen Terz, oder aus
Grundton, kleiner Terz , reiner Qumt — d f a, e g h, a c e — ,
der weiche, kleine oder Mo 11 -Dreiklang; die dritte Gat-
tung — h d f — besteht aus zwei kleinen Terzen, oder Grund-
ton, kleiner Terz und verminderter Quint imd wird vermin-
derter Dreiklang genannt. Eine vierte Gattung wii'd auch als
libermässiger Dreiklang angefühi't, c e gis, bestehend aus
zwei grossen Terzen, oder Grundton, grosser Terz, iibermässiger
•Quint, welcher aber aus der diatonischen Skala nicht gebUaet
werden kann, die übermässige Quint ist vielmehr nur ein zu-
fällig erhöhtes Intervall; maii kann ihn auch aus der Mollskala
.(mit grosser Septime) herleiten.
Der grosse Dreiklang ist schon in der Natur selbst be-
gründet; die Erfahrung und genaue Untersuchungen haben es
fezeigt, dass, wenn eme Saite oder eine Pfeife zum Tönen ge-
rächt wird, auch noch andere Töne als der gewünschte schwach
hörbar werdeii; es sind die Töne, welche mit dem Namen Ali-
Accord.
9
«tuottöne bezeichnet und auch mit den Natur-Hörnern und
Trompeten hervorgebracht werden:
^
1— r~r
t
=fc=t
9
c c
^^^^^m
g
c
Da durch Oktavenversetzung das Verhältnis der Töne zu
einem Grundton nicht in seinem Wesen geändert wird, so können
die über einem Basston stehenden Intervalle in verschiedener
Ordnung, Lage vorkommen, die Terz über der Quint und der-
^eichen. Ist die Oktav des Basstones der oberste Ton, so sagt
man, der Accord ist in der Oktavenlage, — ist es die Terz,
so hat man den Accord in der Terzen läge, — ist es die Quint,
in der Quinten läge (Beispiel a). Anders verhält es sich, wenn
der Basston seine Stelle emem anderen Intervall des Accordes
abtritt, wenn z. B. die Terz zum Basston wird, dann bilden sich
neue Accorde, weil das Intervallenverhältnis auch geändert
wird, — abgeleitete Accorde oder Umkehrungen, deren
es fiii* einen Accord so viele gibt, als er Intervalle über dem
BasBton hat. Für den Dreiklang gibt es demnach zwei Um-
kehrungen; liegt die Terz im bass, so wird die ursprüngliche
Quint zur Terz, die Oktav zur Sext, und es erscheint der Terz-
öext-Accord oder kurz Sext- Accord genannt; liegt die Ouint
im Bass, so bildet sich der Quart-Sext-Accord (Beispiel d, c).
c
:aa-B=ri— _-i3-
Bauen wir über den Dreiklängen der diatonischen Skala
noch eine Terz auf, so erhalten wir Vierklänge, Septimen-^
accorde genannt, weil das oberste Intervall eine Septime zum
Orundton büdet. Nach den Intervallen, aus denen der Septimen-
accord besteht, hat er verschiedene Gestalt:
m
I. IL III. TV. V. VI.VILVIII.
Die gebräuchhchsten Septimenaccorde sind:
1) Der Haupt- oder Dominant-Septimenaccord (g h
), bestehend aus Grundton, grosser Terz, reiner Quint und
mer. Septime, — lässt sich scnon aus den Grundtönen (siehe
m c e g b) darstellen und hat das Eigentümliche, dass er sich
ts aurder V. Stufe der Tonleiter (Dominante) findet und
10
Accord.
nur in der Tonart möglich ist, welcher er leitereigen zugehört
er ist auch der vorzüglichste Leitaccord aus der nächst höherei
oder Dominantentonart und hat jederzeit seine bestimmte Aui
lösung: der Bass geht eine Quint abwärts oder eine Quart auf
wäi-ts in die Tomca, die Septime löst sich in die Terz dei
Tonicadreiklangs auf, die Terz geht in die Oktav, die Quint bleib
liegen, — falls nicht die regelmässige Auflösung durch einei
Trugschluss verhindert wird (Beispiel b oben).
2) Der grosse Septimenaccord (c e g h, f a c e), dei
sich auf der 1. und IV. Stufe der Dur-Skala bildet.
3) Der kleine Septimenaccord (d f a c, e g h d, ac e g),
bestehend aus kleiner Terz, reiner Quint und kiemer Septime!
hat seinen Sitz auf der IL, III. imd VI. Stufe der Dur-Skala.
4) Der kleinverminderte Septimenaccord (h d f •a)j
aus kleiner Terz, verminderter Quint und kleiner Septime bestehend,
ruht auf der VII. Stufe der Dur- (oder IL Stufe der Moll-) Skala.
5) Der schlechthin sogenannte verminderte Septimen-
accord (h d f as) auf der IL Stufe der Molltonleiter, bestehend
aus kleiner Terz, verminderter Quint und verminderter Septime,
ist nebst, dem vorigen mehr den Nonenaccorden beizuzählen.
1,
3.
4.
ö.
^^^^1^^^
Alle Septimenaccorde , mit Ausnahme des Dominant-
Septimenaccordes und des verminderten Septimen-
accordes sind stark dissonierend und bedürfen daher, auch im
freien Stil, einer Vorbereitung. Wie bei den Dreiklängen kann
auch bei den Vier klängen die Lage der über dem Basston
stehenden Intervalle verschieden sein ; wechselt der Basston seine
Stellung mit den anderen Intervallen des Accordes, so ergeben
sich abgeleitete Accorde, Umkehrungen: wir erhalten den
?uintsext-Accord, wenn die Terz den Basstön bildet; den
erzquart-Accord, wenn die Quint; den Secundaccord^
wenn die Septime im Bass liegt (Beispiel a, b, c).
a.
b.
c.
r
5 . 5 ■ 5 3 5 3 ._ . 5 .
Baut man über den Septimenaccord noch eine Terz, so
ergibt sich ein Fünf klang, der Nonenaccord. Je nachdem die
zugefügte Terz gross oder klein ist (über dem Dominant-Septimen-
accord, da wir die übrigen Nonenaccorde ausser Betracht lassen),
Accord.
11
ist der Nonenaccord gross (ghdefa), welchen man der Dur-
tonärt zueimet, oder klein (g h d f as), welcher der Molltonart
angehört. Die None als Dissonanz muss ebensogjut, als die
Septime aufgelöst werden, und zwar abwärts, wie sie auch eine
Vorbereitung fordert. Wie in verschiedenen Lagen, so kommt
dieser Accord auch in seinen verschiedenen Umkehi'ungen häufig-
vor, namentlich, mit Hinweglassung des Grimdtones, als (ver-
minderter) Septimenaccord; wenn die Quint im Bass liegt,
als Quintsext- Accord; wenn die Septime, als Terzquart-
Accord.
Beispiel.
l^mmi
Der verminderte Septimenaccord ist besonders geschickt
zu Ausweichungen in (vier verschiedene) weit entfernte Tonarten;
so gelangt man durch den Accord h d f as nach OmoU, mittelst,
enharmonischer Verwechselung nach A-moU, Fis-moU und Es-^
moll (Beispiel a).
Nun gibt es drei solcher Accorde (ßeispiel b), die mit
ihren vier verschiedenen Deutungen den Übergang nach den
zwölf Tonarten des Quintenzirkels sowohl nach den Dur- als
den Molltonarten vermitteln helfen, da sich der verminderte
Septimenaccord ebensowohl auf einen Durdreiklang, als auf einen
Molldreiklang beziehen kann.
Noch zu bemerken ist der übermässige Sextaccord,
welcher von dem doppelt verminderten Dreiklang (z. B. eis es g>
abgeleitet wird und mit einem Dominant-Septimenaccord bei aus-
assener Quint gleichen Klang hat : er kann bei enharmonischer
rwechselung der Septime dieses Dominantenaccordes mit der
rmässigen Sext zur Modulation in eine ganz ferne Tonart
übermässige Sextaccord findet sich auf der kleinen VI. Stufe
ler .Tonart) verwendet werden.
Altere Theoretiker nehmen auch ündecimen-, Terz-
iimenaccorde an, welche Accorde sich aber besser aus
gehaltenen Intervallen erklären lassen.
12 Adagio — Advent.
Auch teilt man die Accorde ein in konsonierende und
dissonierende; unter ersteren versteht man solche, welche
nur aus Konsonanzen zusammengesetzt sind, also die Dur- und
Molldreiklänge mit ihren Umkehrungen; unter letzteren solche,
in denen sich Dissonanzen vorfinden , also die Septimen- imd
Nonenaccorde mit ihren ümkehrungen, sowie alle übrigen Drei-
klänge, bei denen ein Intervall zufällig erhöht oder erniedrigt
worden, welche von den neueren Theoretikern als alterierte
Accorde bezeichnet werden. — Die Meister des fünfzehnten und
sechzehnten Jahrhunderts wendeten in ihren kirchlichen Werken
nur Dreiklänge und Sextaccorde unmittelbar an; was an disso-
nierenden Accorden sich findet, hat nicht die Natur selbständiger
Accorde, sondern die Dissonanz tritt nur als vorgehaltener Ton
auf, selbst die Quart-Sextaccorde wurden noch vermieden; erst
von dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts an wurden solche
Accorde allmählich häufiger als frei eintretende gebraucht.
Adagio, s. Tempo.
Advent, Adventus (lat.), die Ankunft, bezeioimet in
der Kirchensprache jene Zeit, welche der Vorbereitung auf das
heilige Weihnachtsft^st gewidmet ist. Die ersten Spuren der
Feier des Adventes, wozu unstreitig die Fastenzeit das Modell
und Vorbild abgegeben hat, finden sich im vierten Jahrhunderte
in der Diöcese Tours, von wo aus sie nach und nach Verbreitung
über die ganze Kirche — des Morgen- wie des Abendlandes —
fand. Noch im neunten Jahrhunderte begann man den Advent
am Feste des heiligen Martinus, später am Feste des heiligen
Andreas, bis im vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhunderte die
römische Kirche den Anfang auf den Sonntag zwischen dem
27. November und 3. Dezember festsetzte. Die Adventzeit ver-
setzt in die Jahrtausende vor Christo, ihr Elend, ihre Sünden-
not, aber auch ihre Sehnsucht („Rorate coeli desuper et
nubes pluant justum, „Thauet, Himmel, den Gerechten, ihr Wol-
ken regnet ihn herab I"), womit auch die äussere Natur mit ihrem
Winterfeleide zusammenstimmt. Dieser Charakter des Adventes
zeigt sich in seinen liturgischen Einrichtungen und Eigentüm-
lichkeiten: neben dem Gebrauche der blauen Farbe, im Unter-
bleiben des Gloria in excelsis und Ite missa est (statt dessen
Benedicamus Domino gesungen wird), des Te Deum laudamus
im Officium der Sonn- und Ferialtage, im Schweigen der Orgel
in den Temporalmessen (mit Ausnahme des dritten Sonntags,
s. Verordnungen); doch wird das AUeluja wie gewöhnlich
febraucht, weil, wie Durandus bemerkt, im Advent nicht alle
'reude verbannt ist bei der Hoffnung auf die Menschwerdung
Jesu Christi. Die ganze Liturgie zielt darauf hin, die Flammen
der Sehnsucht nach der Ankunft Jesu Christi in den Herzen zu
entzünden, und auf die Notwendigkeit der Wegbereitung hinzu-
weisen; das spricht sich in dem kleinsten Versikel, in der unbe-
deutendsten Antiphon aus, das verkündet in Tönen jede für
diese Tage bestimmte Choralmelodie. So beginnen z. B. in den
letzten acht Tagen — wie die Sehnsucht sich steigern soll —
die Antiphonen zum Magnificat sämtlich mit „0**, um sie recht
deutlich als Seufzer heiliger Sehnsucht zu bezeichnen (siehe Anti-
phonen). Hierzu gehören auch die sogenannten Novenen,
Aolisoh — Ästhetik. IS
neuntägige Andachten, unmittelbar vor dem Weihnachtsfeste
angestellt, welche meistens mit einer musikalischen Litanei vor
ausgesetztem hoohwürdigsten Gute gefeiert werden. Eine der
Adventzeit eigentümliche, besonders holde und ansprechende
Feier liegt in der Roratemesse (sogenannt von dem Introitus^
welcher mit „Rorate" beginnt), d. i. einer Votivmesse de Beata
Maria Virgine. Der Chordirigent beachte in diesen Messen das
zuständige Gräduale („Tollite portas^) und Offertorium („Ave
Maria"); die Roratemessen haben kein Gloria und Credo, ausge-
nommen an Samstagen, wo Gloria (ohne Credo) gesungen wird,
und während der Oktav Immaculatae Concept. V. M. (Unbefleckte
Empfängnis), wenn das Messformular von diesem Feste genom-
men ist. — Die vier Adventsonntage werden so hoch genalten,
dass an ihnen nie ein anderes Fest (mit Ausnahme eines Festes
I. classis) gefeiert wird. Eine Eigentümlichkeit des dritten
Sonntags, dessen Introitus mit „Gaudete" beginnt, ist, dass an
ihm wieder die erhabenen Harmonien der Orgel ertönen und die
sich in die Herzen tiefer einsenkende Freud^ über die ganz nahe
gerückte Ankunft des Erlösers verdolmetschen.
Äolisch, s. Kirchentonarten.
Äolodikon — ein Tasteninstrument, dessen Ton durch
freistehende Metallfedern, die mittelst eines Blasbalges in Schwin-
gung versetzt werden, erzeugt wird, indem beim Niederdrücken
einer Taste ein Ventil sich öffnet und dem Winde den Zutritt
zur Metallfeder ermöglicht, welche dadurch vibriert und den be-
stimmten Ton angibt. Es hat gewöhnlich sechs Oktaven und
zwei Pedaltasten, welche zur Erzeugung des Windes vom Spieler
selbst getreten werden und wodurch auch crescendo und de-
crescendo hervorgebracht werden kann. Über den Erfinder des-
selben sind die Angaben geteilt, obwohl die Zeit seiner Erfindung
erst in den Anfang dieses Jahrhunderts fällt. Gegenwärtig ist
es durch das Harmonium verdrängt.
Ästhetik, die Wissenschaft von dem Schönen überhaupt
und von den schönen Künsten insbesondere, hat sich auch mit
der Kirchenmusik zu befassen, welche als Spezies der Musikkunst
ebenfalls dem Kreise der schönen Künste angehört. Um aber
darthun zu können, wann die Kirchenmusik den Anforderungen
einer schönen Kunst entspreche, d. h. schöne Werke, Kunst-
werke für den kirchlichen Dienst schaffe, muss sie vor allem
die Aufgabe der Kirchenmusik erforschen und begründen,
dann die Mittel angeben, welche zur Lösung dieser Aufgabe
ihr zu Gebote stehen , und ihre richtige Anwendung
andeuten.
I. Um die Aufgabe der Kirchenmusik zu erforschen^
braucht sie sich nicht viel zu bemühen, da es Sache der Kirche
selbst ist, dieselbe zu bestimmen, und die Kirche sie wirklich
timmt hat: Erhöhung der Feier des Gottesdienstes^
- Gott mehr zu ehren und die Gläubigen mehr zu
bauen. Hier handelt es sich vorzugsweise um den offiziellen
5r liturgischen Gottesdienst, und es muss somit die Aufgabe
' Kirchenmusik dahin eingeschränkt werden, dass sie bestimmt
zur Erhöhung der gottesdienstlichen Feier gemäss
1 Willen der Kirche.
14 Ästhetik.
Eine einseitige Ästhetik hat diesen Punkt ausser Au&ce:
^gelassen, wodiurch seit langer Zeit die Kirchenmusik der Willkii
überantwortet und auf einen höchst beklagenswerten niedere!
Standpunkt gebracht wurde.
Diese Einschränkung ^gemäss dem Willen der Kirche* is
begründet aj im Ursprünge der Kirchenmusik. Wie ist si<
^um Gottesdienste gekommen ? Der Mensch, überwältigt iron. de
Majestät und Liebe Gottes, fand die einfache Sprache nicht ^re
nutend zum Ausdruck dessen, was sein Herz bewegte ; die Spraciic
steigerte sich durch Modulationen, welche seinen AfiFekten ent-
sprachen, zum Gesänge; es ward das Gebet zum Gesänge, unc
d!er Gesang beim Gottesdienste war nichts anderes als G-ebet
Im Laufe der Zeit wurde der Gesang und diiB ganze gottesdienst-
liche Feier in eine bestimmte Ordnung (Liturgie) georacht, und
dieser bestimmte Gesänge autoritativer Weise eingefügt. So war
es bei den Juden und auch bei den Heiden; so gestaltete sich
alles selbstverständlich auch gleich vom Anfange an in der
christlichen Kirche.
b) In der Geschichte der Ausbildung derKirchen-
m u s i k. Da Gott das Beste und Schönste gebührt, imd die Gewalt der
Töne über die Herzen der Menschen durch kunstreichere Ton-
febüde gesteigert wird, so nahm die Kirche auch die weiterge-
ildete Musikkunst auf, d. h. sie gestattete die Anwendung der
höheren Kunstmittel, mit dem einzigen Vorbehalt der Geziemend-
heit; die Gesänge selbst blieben, was sie in ihrer ursprünglichen
Gestalt waren, Teile des Gottesdienstes, wesentliche Teile der
autoritativ festgestellten Liturgie. Dies bezeugen die mehr als
tausend! ähr ige Übung und die verschiedenen V erfügungen der
Kirche ois auf unsere Zeit.
c) In dem Wesen der Liturgie, welche ein Organis-
mus ist, der nichts duldet, als was innerlich mit ihm zusammen-
hängt und Vereinigung zulässt.
Die Kirchenmusik ist demnach durch diese Zulassung nicht
etwas völlig Freies, sondern etwas Gebundenes; gebunden unü einge-
fügt in den Körper der Liturgie, ein Glied desselben und darum von
gleichem Geiste zu Beseelendes; sie ist von der Kirche in Dienst
genommen, nicht selbständige Herrin, sondern untergeordnete,
wenn auch hochgestellte Dienerin. Die Kirche will nur, dass sie
die Liturgie verherrliche, und vor allem den Text, die Worte
der Liturgie, durch ihre Kunstmittel vernehmlicher, verständlicher
und eindringlicher mache, und dazu erhebe und verkläre.
So wird auch die Kunstphüosophie nach allseitiger und
aufrichtiger Untersuchung der Thatsachen und Gründe keine
andere Aufgabe der gottesdienstlichen Musik stellen können,
als welche die Kirche stellt: Erhöhung der Feier des Got-
tesdienstes nach ihrem (der Kirche) Willen zu dem
Zwecke, dass Gott um so mehr geehrt und die Gläu-
bigen um so mehr erbaut werden.
Man thut also unrecht, wenn man die Kirchenmusik als
einen puren, freien Schmuck des Gottesdienstes erklärt und die
Emanzipation derselben proklamiert. Die Musik, d. h. das Mu-
sikalische, ist allerdings auch ein Schmuck, eine Zierde, aber
in erster Linie ein Schmuck des von der Kirche vorgeschriebenea
■^
Ästhetik. 15
und zur Liturgie wesentlich gehörigen Textes, und dui'ch diese
Verbindung erat ein wahi^er Schmuck des Gottesdienstes. So
umkleiden auch die Choralmelodien den liturgischen Text und
schmücken ihn, es wirkt der Text deshalb emdringlicher. Be-
züglich der Umkleidung der litiurgischen Texte mit anderer
Mdodie luid auch noch mit Harmonie hat die Kirche der Kunst
freie Hand gelassen, und es können darum die hierzu gebrauch-
ten Tonformen und A,\isdrucksweisen mannigfacl^.sein; niu' fordert
sie — was auch die Ästhetik fordern muss, — Übereinstimmung
des Charakters der musikalischen Kunstgebilde mit dem Cha-
rakter der liturgischen Texte und des liturgischen Gesanges,
also die Fähigkeit, in die Liturgie sich' einheitlich einzuordnen
und ihren diesbezüglichen Vorschriften zu genügen,
II. Die Mittel, deren sich die Kirchenmusik bedient, sind
keine anderen, als welche der Tonkunst überhaupt zu Gebote
stehen: 1) der Ton sowohl der menschlichen Stimme als auch
der Instrumente, nach Höhe und Tiefe; 2) die Verbindung
der Töne: im Nacheinander — Melodie, im Miteinander — Har-
monie: 3) die Bewegung oder Zeitfolge der Töne: Rhyth-
mus, Takt, Tempo; 4) die Stärke und Schwäche der Töne:
Dynamik, Anschwellen, Abschwellen; 5) die Farbe der Töne:
Kmder-, Frauen-. Männerstimmen, verschiedener Instrumental-
klanff, Register der Orgel; 6) Kombination der Tonsätze und
der Stimmen, Satzformen.
ni. Diese genannten Mittel wendet der Kircl^enkom-
ponist an zur Schaffung seiner KunstgebUde. Der Ästhetiker
hat das Recht, an diese die Frage zu stelßn, ob sie schön seien;
denn Schönheit ist die vorzüghchste Eigenschaft, welche an den
Werken einer -schönen Kunst" hei:vorleuchten muss. Die Schön-
heit ist eine üoersinnliche Eigenschaft, vermöge welcher Geist
und Sinn des Beschauers oder Hörers Befriedigung, Wohlgefallen,
Genuss empfindet. Nicht Geist allein, nicht Sinn allein, sondern
beide zugleich und miteinander sollen befriediget werden. Der
Mensch ist ein sinnlich-geistiges Wesen, und diese seine Doppel-
natur muss und darf nach des Schöpfers Willen an dem Genüsse
schöner Gegenstände teÜnehmen; gerade die Beihilfe der unter
Leitung der Vernunft stehenden Sinne fördern die geistige Er-
fassung der Schönheit.
Eine Quelle und Grundbedingung aller Schönheit ist Har-
monie, Übereinstimmung. Da der Mensch nach dem Eben-
büde Gottes, des Vollkommensten, der absoluten Schönheit und
des Urquells aller Schönheit, geschaffen, und somit die mensch-
liche Vernunft ein Abbild der göttlichen Vernunft ist, so kann
dem vernünftigen Gmste nur Wohlgefallen und Genuss bereiten,
was Wahrheit und Übereinstimmimg, Ordnung und Güte, Leben
imd Bewegung zeigt ; unangenehm und abstossend wirkt Mangel
Übereinstimmung, Unordnung und Widerspruch gegen Religion
l Sittlichkeit, Schwäche und Flatterhaftigkeit, Dunkelheit und
schwommenheit, totes und einförmiges Wesen. Es muss
) bei jedem Kimstgebilde oder Dinge, damit es das Prädikat
hön" wirklich vermene, 1) die Idee, welche ihm zu Grunde
ii und von welcher die Form der sinnliohwahrnehmbare Äus-
ck sein soll, in Harmonie mit den obersten Forderungen der
r"
16 Ästhetik.
Vernunft stehen, d. h. sittlich gut sein; 2) die Form, als die
sinnliche Hülle der Idee, mit dieser vollste Harmonie aufweisen
als der klare, wahre und lichtvolle Ausdruck derselben erkanni
werden („Wahrheit im Ausdrucke"); 3) alle Teile der Form
müssen unter sich und mit dem Ganzen harmonieren („Einheit
in der Mannigfaltigkeit*')^ Die logische Entwickelung oaer Ent-
faltung der emen Idee gibt Leben und Bewegung („Anmut der
Form") und widerstrebt jedem unsymmetrischen undunorganischen
Teile. 4) Da die Kunst nicht sich Selbstzweck ist, und jeder
Künstler einen bestimmten Zweck erreichen will, so muss das
Kunstgebilde auch mit dem Zwecke harmonieren, demselben an-
gemessen sein. Diese Zweckbestimmung thut aer Würde der
Kunst und der Schönheit keinen Eintrag, ist vielmehr fordernd
für die Erfüllung der Bedingungen, unter welchen die Schön-
heit existiert.
Nach diesen Grundsätzen hat die Ästhetik auch die kirchen-
musikalischen Kunstgebilde zu beurteilen. Sie hat demnach ihr
Augenmerk sowohl auf die innere, als auch auf die äussere
Schönheit zu richten.
1) Die innere Schönheit setze ich in die richtige Erfassung
der Idee und deren möglichst adäquaten Ausdruck in der sinn-
lichen Form, im Tongebüde. Da nun die Tonkunst ohne Wort
nur eine symbolische Kunst ist, die nur durch Analogien redet,
d. h. durch die ihr zu Gebote stehenden Mittel von den Gefühlen
und inneren Stimmungen nur Gleichnisse, Ähnlichkeiten zu geben
vermag, so ist sie nicht imstande, an und für sich volle Klarheit
zu schaffen, sie kann ein allge meines Gefühl, wie Lust, Freude,
Wehmut, Erregtheit symbolisieren, aber sie vermag nicht ein
Gefühl unter besonderen Umständen, nicht den Anlass, woraus
es hervorgegangen, nicht Modifikationen durch einen besonderen
Charakter und dergleichen zum Ausdi-ucke zu bringen, selbst die
sogenannte Tonmalerei will nicht viel besagen. Diese Klarheit
und Bestimmtheit schafft erst das mit der Musik verbundene
Wort, der Gesang; auch die Situation, ein Programm, die Kon-
ventionalität oder die Erinnerung und Assoziation von Vorstel-
lungen mögen den Tongebilden onne Worte einige Bestimmtheit
verleihen.
Die Kirchenmusik ist nun in der glücklichen Lage, fast
alle diese Momente benützen zu können, und es kommt nur
darauf an, für das richtige Gefühl oder die richtige Stimmung
auch die entsprechende musikalische Idee oder den entsprechen-
den musikalischen Gedanken zu gewinnen und diesen dann im
lautbaren Tonbilde zu verkörpern und zu entfalten.
So kann nur jene Kirchenmusik schön genannt werden,
welche sowohl dem Inhalte des Textes volle Kechnung trägt,
als auch der Heiligkeit des Gottesdienstes und des Ortes ange-
messen ist, und zu dem allem an den Charakter der liturgischen
Handlung oder Situation, die sie begleiten soll, sich aüfs engste an-
schliesst. Letztere Forderungen haben ijire besondere Bedeutung
für die Musik ohne Text, wie Orgelpräludien auf Grund ihres
Zusammenhanges mit dem Gesänge als Vor- und Nachspiele.
2) Die äussere Schönheit betrifft die Benützung der Ton-
mittel nach den Gesetzen der Kunst und gründet sich auf gute
^VIA — Agapeii. 17
Technik, richtige Faktur: gehöriges Verhältnis der Teile, Ab-
schnitte, Sätze, rerioden zu einander und zum Ganzen, sangbare
Melodie und gesunde Harmonie , fferegejten Rhythmus, ordnungs-
mässige Verwendung und gute Verbindung aer Stimmen, ver-
nünftiges Verhältnis der Instrumente (wenn solche gebraucht
werden) zünden Singstimmen und dergleichen.
Die Ästhetik nat also beides mitsammen; die innere und
äussere Schönheit, bei Beurteilung von kirchlichen Musiken in
Betracht zu ziehen, um ein wahres und gerechtes Urteil abgeben
zu können. Sie kann zwar das allein vor ihr Forum ziehen,
was ich äussere Schönheit genannt habe (und man hat bisher
häufig zum grössten Schaden der Kirchenmusik es so gehalten
oder doch auf die innere Schönheit zu wenig Rücksicht genom-
men) , aber dann wird sie eben nur zu einem einseitigen und
darum falschen Urteile gelangen.
Alle obigen Forderungen und Grundsätze entsprechen voll-
kommen dem Geiste und den Verordnungen der Kirche ; so, wenn
sie z. B. gemeine, lascive, weichliche, leidenschaftliche Melodien
und Harmonien, verworrene Kontrapunkte imd nutzlose Künste-
leien verboten, den Gebrauch der Instrumente eingeschränkt hat ;
wenn sie will, dass durch den Gesang die Gemüter zur Andacht
gestimmt, zu himmlischen Dingen angeregt und erhoben werden
sollen; wenn sie ihre Stimme erhebt gegen ungehörige Wieder-
holung der Textworte und gegen ungebührliche Ausdehnung
der Aliisikstücke , wodurch der Celebrant imnötigerweise aufge-
halten wird u. s, w.
^VIA, s. Psalm. .
Agapen, von dem griechischen dyointi = Liebe, hiessen in
den ersten Zeiten des Christentums jene schon zu den Zeiten
der Apostel eingeführten gemeinschaftlichen Mahlzeiten, die teils
der cnristlichen Bruderliebe, teils dem Vorbilde derselben im
letzten Abendmahle des Herrn ihren Ursprung verdankten und
aus den Opfergaben der Gemeinde bestellt wurden. Es nahmen
daran die Gläubigen ohne Unterschied des Standes oder Ver-
mögens teil und sie fanden teils nach dem heiligen Abendmahle
in einem öffentlichen Versammlungsorte als allgemeine, feier-
liche, teils in den Privatwohnungen der Reichen als besondere
statt; erstere an gewissen bestimmten Tagen, letztere täglich,
jedesmal unter dem Vorstande eines Presbvters oder Diakons,
wie aus den Schriften der Kirchenschriftsteller, namentlich des
heiligen Chrysostomus, des heiligen Clemens Alexandrinus und des
Tertullian hervorgeht. Sie begannen und schlössen mit Gebet
und Gesang, rehgiöse Gespräche und Absingen von Hymnen,
Psalmen etc. machten die Unterhaltung dabei aus. Sie trugen
hierdurch zur Vervollkommnung und Ausbreitung der Musik
"'""entlich bei. Als später weltliche Lieder und Gesänge und
ere grosse Missbräuche sich einschlichen, wurden sie abge-
ifft. Auch vor und nach den anderen Mahlzeiten war es
)fohlen, Psalmen zu singen, damit, wie der heilige Chrysosto-
(Expos. in Ps. XLI) bemerkt, dadurch alle Unmässigkeit,
Gelassenheit und dergleichen einen Gegenhalt finde, so fern
*uten und der Sinn wieder auf Gott unbefleckt gerichtet
ornmüUer, Lexikon. 2
18 Agoge — Akustik.
werde. — Von diesen Liebesmahlen nannte man die vorzüglicF
dabei gebrauchten Gesänge selbst Agapen. ,
Agoge, bei den alten Griechen eine stufenweise Folg^ vor
Tönen; auch eine mehr oder minder schnelle geregelte Bewe-
gung, Tempo.
Akademie* war der Promenadeplatz im alten Athen, w<
der Philosoph Plato seinen Schülern Vorträge zu halten pflegte
Diesen Namen leg^e man im ^chzehnten Jahrhundert in Italieii
Gesellschaften bei, welche einen wissenschaftlichen Zweck ver-
folgten. Akademie der Musik hiessen dan^ später auch Institute
und Gesellschaften, welche die Pflege der Tonkunst sich zum
Zwecke setzten. In Deutschland ist der Name fast ganz abge-
kommen; solche Institute nennen sich jetzt Konservatorien oder
Musikschulen, wo Musik gelehrt wird, Liederkranz oder Lieder-
tafel u. s. w., wo sie nur praktisch und zum Zwecke der Unter-
haltung geübt wird. In Italien versteht man unter Accademia
gewöhnlich auch ein Konzert, eine Privatmusik.
Akustik (griechisch ««oi-rfrixi/, von „a>e«i.'«*ir** hören" stammend)
ist die Wissenschaft, welche sich mit der Natur des Klanges be-
schäftig'et, die Lehre vom Schall. Schon die Griechen der klas-
sischen Periode hatten eine speziellere Kenntnis und machten
eine ausgedehnte Anwendung von den akustischen Gesetzen;
zur exakten Wissenschaft wurde sie aber erst in neuerer Zeit
durch die Untersuchungen Bacos und Galileis erhoben, von
welchem sie auch den Namen erhielt. Seitdem beschäftigten
sich viele Naturforseher mit ausgedehnteren und tieferen Unter-
suchungen über die Natur, Erzeugung, Fortpflanzung etc. des
Schalles. Vorzügliches leistete Chladni, dessen Klangfiguren
die Wirkungen der einzelnen Töne auch sichtbar machen ; ausser
anderen sind noch zu nennen Laplace, Ampere, W. Weber und
vor allen H. Helmholtz.
Was die Akustik als Lehre selbst angeht, so mögen fol-
gende gedrängte Andeutimgen genügen.
Die Luft kann durch die Bewegung elastischer Körper in
Schwingungen versetzt werden, welche man wegen ihrer
Ähnlichkeit mit den durch einen in ruhiges Wasser geworfenen
Stein erzeugten Wasserwellen auch Luft wellen nennt. Die ans
Gehörorgan treffenden Luftschwingungen oder Wellen bringen
in dem Gehörnerv die Empfindung des Schalles hervor; folgen
mehrere solcher Luftwellen in seJir unregelmässiger Bewegung
aufeinander, so entsteht ein Geräusch; folgen sich viele ein-
fache Luftstösse in regelmässigen, gleichen Zeiträumen, so dass'
dieselben gezählt und oerechnet werden können, so haben wii-
einen Klan^; wird der Klang nach der zeitlichen Beschaffenheit
seiner Schwmgungeii, nach Höhe und Tiefe mit anderen Klän-
gen in Beziehung gesetzt, so nennt man ihn einen Ton.
Die Höhe oder Tiefe eines Tones hängt von der Anzahl
der Schwingungen ab, welche ein elastischer Körper in einer
bestimmten Zeit macht. Als Zeiteinheit pflegt man die Sekunde
anzunehmen. Je weniger Luftschwingungen in einer Sekunde,
desto tiefer ist der Ton, je mehr, desto höher. Als tiefster Ton
erscheint das C^ des 32 füssigen Registers in grossen Orgeln
mit 16V, Schwingungen; doch lassen solche tiefen Pfeifen vielmehr
Akustik. 19
nur Luftstösse hörön, und es ist ein eigentlicher Ton erst dann ver-
nehmbar, wenn ihnen ein 16- und Sfüssiges Register beigezogen
wird. Ebenso unvollkommen und dazu sehr scnmerzhaS unan-
fenehm ist der höchste Ton, der auf 40,960 Schwingungen in
er Sekunde berechnet wird. Die musikalisch gut brauchbaren
Töne mit deutlich wahrnehmbarer Tonhöhe liegen zwischen 4Ö
(E, des Kontrabasses) und 4000 (das 5 gestrichene d des Piccolb
mit 4752) Schwingungen, im Bereiche von sieben Oktaven.
Ob ein Körper schnelle oder langsame Schwingungen, d. h.
in einer Sekunde eine grössere oder geringere Anzahl derselben
macht, hängt von seiner Beschaffenheit ab. Die Anzahl der
Schwingungen einer Saite ist um so grösser, je kürzer und
je stärker sie gespannt ist und endlich je geringer die
Dicke derselben ist; also gibt sie auch einen desto höheren Ton; die
tieferen Töne* erfolgen beim umgekehrten Verhältnisse. Darum
hat man z. B. beim Klavier längere und kürzere Saiten, bei der
Orgel längere und kürzere Pfeifen; auf der Violine werden die
Saiten durch den Fingeraufsatz verkürzt u. s. w.
Bei schwingenden elastischen Körpern wird sich ein ähn-
liches Verhältnis darstellen. Wenn man zwei Stimmgabeln oder
Metallzunj^en von gleicher Länge , aber ungleicher Dicke zum
Tö'nen brmgt, so wird die dickere einen höheren Ton geben, als
die dünnere; ebenso, feilt man eine Stimmgabel dünner, so wird
ihr Ton nicht höher, sondern tiefer, weil sie vermöge ihrer er-
höhten Schwingtahigkeit weiter ausschwingt und also nicht so
oft in der bestimmten Zeit schwingen kann, als vorher. — Saiten
werden mit Metalldraht umsponnen, um ihr spezifisches Gewicht
zu vermehren und die Zahl ihrer Schwingungen zu vermindern.
Merken wir nun einen Ton, der eine gewisse Anzahl von
Schwingungen hat, an und nennen ihn z. B. c, so wird ein Ton,
der" in derselben Zeit genau die doppelte Anzahl von Schwin-
füngen macht, die höhere Oktav (1:2), und der halb so viel
chwingungen macht, die tiefere Oktav von c (1 : • ,) sein.
Zwischen jedem Tone und seiner Oktav liegen nochi sechs
andere Töne, deren Schwingungsverhältnisse das Monochord
also angibt:
Ginindton. Secund. Terz. Quart. Quint. Sext. Septime. Oktav,
c defgahc
1 9/ 5/ 4/ 3/ 5 15/ 9
d. h. wenn wir zwei Töne haben, von denen der eine in einer
Sekunde 9 Schwingungen macht, indes der andere nur 8 solche
Schwingungen macht, so bezeichnen wir ein solches Intervall als
eine Sekunde; ingleichen, schwingt ein Ton 4mal in derselben
Zeit, da ein anderer ömal schwingt, so nennen wir den zweiten
die Terz des ersteren u. s. w.
Da die Länge der Saiten in umgekehrtem Verhältnisse zu
Schwingungszahlen steht, so ist die Saitenlänge, wenn eine
be, die den Ton c angibt, gleich 1 gesetzt wird:
nen der Töne:
^sprechende Saitenlänge :
rhältnis der Schwingungszahlen:
8/ 9/ »5-
/ 9 / 1 0 / I fi
2*
c d
e f g a h c
AI 3 2/ 3/ 8/ 1;
/5 , 4 /3 .5 /lä <1
5/ 4/ 3/ 5/ 15/ 9
8/ 9/
/9 /lO
»5- 8/ 9/ 8/ 15/
/ifi /P /lO /9 /l«
20 Akustik.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Tönen sind nicht
gleich; die beiden ersten Verhältnisse 8 : 9 und 9 : 10, nur wenig
(um *''/« j was unter dem Namen eines musikalischen Komma
bekannt ist) verschieden, nennen wir den ganzen Ton, und
zwar ersteres einen grossen ganzen^ das zweite 9 : 10 einen
kleinen ganzen Ton; das dritte Verhältnis, nahe um die Hälfte
kleiner, nennen wir einen halben Ton. Aus diesen drei Inter-
vallen bildet sich die diatonische Tonreihe.
Werden diese Verhältnisse auf andere Tonleitern über-
getragen, so ergeben sich einige Differenzen, indem z. B. in
D-dur das a sich höher berechnet als in C-dur, nämlich um '%,•
Da aber das menschliche Ohr solche kleine Unterschiede kaum
vernimmt, so hat man in der Praxis auf sie keine Rücksicht
fenommen und die Oktave in zwölf gleiche Teile oder halbe
öne eingeteilt, deren zwei einen ganzen Ton geben, die so-
genannte chromatische Skala. Diese auf gleiche Grössen ge-
Drachten Verhältnisse heissen nun die gleichschw^ebende
Temperatur, nach welcher auch unsere Instrumente ein-
gestimmt sind.
Der Ton kann auf mehrfache Weise erzeugt werden; neben
der menschlibhen Stimme bedient sich die Musik hierzu der In-
strumente. Lassen wir die menschliche Kehle als vollkommenstes
Instrument beiseite, so scheiden sich nach der Klangerzeugung
die musikalischen Instrumente a) in solche, bei welchen der Ton
durch Streichen eines durch Spannung elastisch gewordenen Körpers
(Darmsaiten, Draht) — Streichinstrumente ; b) in solche, bei
d enen der Ton durch Blasen (Mund, Blasbalg) — Blasinstrumente;
c) in solche, bei denen der Ton durch Schlagen auf einen elasti-
schen Körper — Schlaginstrumente — hervorgebracht wird.
Hieroei ergibt sich aber auch eine verschiedene Färbung
des Klanges. Die nämliche Note nacheinander auf dem Klaviere^
der Violine, Flöte, Oboe oder auch durch die menschliche Stimme
und dergleichen angegeben, klingt doch bei gleicher Tonhöhe
und Tonstärke etwas anders, was wir die Klangfarbe nennen.
Diese ist sehr mannigfaltig je nach dem Instrumente oder dem
singenden Individuum; aber diese jedem Instrumente und jeder
Singstimme eigentümliche Klangifarbe kann überdies auch
noch durch Ansatz, Intonation, Mundstellung Modifikationen er-
fahren. Quelle der Klangfarbe ist die Schwingungsform eine&
tönenden Körpers, welche das mehr oder minder starke Hervor-,
treten der Partial- oder Obertöne bestimmt; die Schwingungs-
form wird aber durch das Organ, durch den Stoff und die Kon-
struktion der Instrumente bedingt.
Der Schall verbreitet sich nach allen Richtungen weiter^
indem ein schwingendes Luftteilchen den benachbarten seine Be-
wegung mitteilt. Dies geschieht mit grosser Schnelligkeit, denn
man hat beobachtet, dass in der Luft von gewöhnlicher Be-
schaffenheit der Schall in einer Sekunde den Weg von 1050 Fuss
zurücklegt. Die Schallgeschwindigkeit ist durch die Verschie-
denheit der Medien und durch die Temperatur wesentlich bedingt;
bei tieferer Temperatur ist sie geringer, als bei höherer. Merk-
würdigerweise aber verbreitet sich (ßr Schall viel schneller durch
dichte Körper, als durch weniger dichte. Es ist bekannt, dass.
^
Akustik. 21
'man fernen Kanonendonner, Trommelschlag und dergleichen
deutlicher hört, wenn man das Ohr an die Erde legt, als durch
die freie Luft. — Auf bedeutenden Höhen, wo die Luft weniger
dicht ist, wird der Schall der Stimme geringer und der Knall
einer Flinte nicht mehr sehr weit hörbar. Im luftleeren Räume
aber gibt z. B. eine Glocke keinen Klang, weil das Klangmedium
— die Luft fehlt.
Die Stärke oder Intensität des Schalles ist sowohl von
der Grösse des schallenden Körpers und der Breite oder Grösse
seiner Schwingungen, als auch vom Grade der Entfernung ab-
hängig, wie nicht minder von der Gleichförmigkeit und Dichte
des Mediums. Er nimmt an sich im umgekehrten Verhältnisse
der Entfernung ab. Auf die Intensität wirken noch günstiger
Wind, starke Resonanz der Körper und dergleichen. Schlechte
Leiter und daher von schlechter Wirkung auf die Stärke des
Schalles sind z. B. Sägespäne, wollene Teppiche, rauhe Tücher
und dergleichen.
Hieraus lässt sich erklären , dass bei Nacht ein Schall
deutlicher und weiter gehört wird, weil die Luft gleichmässiger
und nicht von schallhemmenden , durch die Sonne erzeugten
Luftßtrömungen durchzogen ist; — dass die Kraft der Töne in
einer Kirche, welche ganz von Personen angefüllt ist, beein-
trächtiget wird, weil durch den aufsteigenden Dunst die Gleich-
förmigkeit der Luft gestört und die Schallwellen zu oft in ihrer
geraden Richtung unterbrochen werden.
Wenn die Schallstrahlen, welche sich durch die Luft in
gerader Richtung fortbewegen, auf dichtere Gegenstände treffen,
so wird ihre Richtung mehr oder minder verändert; sie können
eine Beugung erfahren, wodurch natürlich ihre Intensität eine
Beeinträcntigung erleidet, was man erfahren kann, wenn man,
einer Predigt zuhörend, hinter'einem Pfeiler steht. Ja, die Schall-
strahlen können, wenn sie auf ein festes Hindernis stossen, ge-
radezu zurückgeworfen werden, ähnlich wie die Wellenkreise
sich am Ufer brechen. Diese Erscheinung des zurückgeworfenen
Schalles wird Echo genannt; es wird aber erst erzeugt in einer
Entfernung von mehr als 58 Fuss. Ist die Entfernung nicht so
gross, so entsteht durch die Reflexion in ausgedehnteren hohlen,
namentlich gewölbten Räumen, welch letztere der Resonanz be-
sonders günstig sind, der Nachhall, der oft so störend auf
musikalische Pi'oduktionen einwirkt. Je glatter und elastischer
die reflektierenden Wände sind, desto stärker ist ihr Echo und
Nachhall» Hier sind die schlechten Leiter an ihrer Stelle; Tuch,
feuchter Anwurf der Wände, Vorhänge und dergleichen dämpfen
den Schall bedeutend. In weiten Räumen ist Durchbrechung
der Wände mit Galerien, Anbringung von Verzierungen aller
*"-^ der Zerstreuung des Schalles und Verhinderung oes Nach-
les sehr vorteilhaft.
Eine andere Erscheinung ist noch das Mitklingen.
nche tiefen Töne der Orgel oder eines anderen Instrumen-
etc. erregen Mitdröhnen der Fensterscheiben oder anderer
genstände, wenn diese in Schwingungsgeschwindigkeit mit
n klingenden übereinkommen können. Hierauf beruht auch
Resonanz, welche, wie schon gesagt, den Ton unter
22 Akustik.
fewissen Bedingungen verstärkt und angewendet wird, um das
ehwineen der Saiten als hörbaren Ton erscheinen zu lassen.
Daher aer Resonanzboden bei Klavieren, der Körper der Streich-
instrumente, wobei der Deckel den Resonanzboden bildet.» Wenn
zwei Instrumente nahe bei einander stehen oder verbunden wer-
den, so kann man, wenn bei dem einen ein bestimmter Ton
(nicht bei allen Tönen ist dies der Fall) angespielt wird, den
nämlichen Ton auf dem anderen Instrumente leise mitklingen
hören. Ja, es ist der Fall, dass z. B. zwei Orgelpfeifen, die ge-
hörig gestimmt sind, einen dritten von ihnen verschiedenen Ton
erzeugen (Kombinationston).
Ein anderes Mitklingen findet statt, wenn z. B. eine Saite
angeschlagen wird; es schwingt dabei nicht bloss ihre ganze
Länge und erklingt in ihrem eigenen Ton, sondern nebenbei
schwingen, wenn auch weniger stark, nooh die beiden Hälften
fiir sich, ebenso ihre drei Drittel, ihre vier. Viertel u. s. w. Auf
diese Weise kommt es, dass man neben dem eigentlichen Tone
noch die Oktav, die Quint über der Oktav, die zweite Oktav und
die darüberliegende Terz und dergleichen mittönen hört, welche
Töne mit dem Namen Aliquottöne, Teiltöne oder Ober,-
töne bezeichnet werden.
Zur weiteren Verbreitung und Verstärkung des Schalles^
namentlich der Sprache, dienen auch die Sprachrohre, durch
welche der Schall eine Zeit lang zusammengehalten wird. Auf
einem weiten und hohen Musikchore wira analog die Musik
nicht die Fülle und Kraft haben, als auf einem engeren und
verhältnismässig niedrigeren Chore. — Aus allem diesem ist er-
sichtlich, dass die bauliche Beschaffenheit einer Kirche und die
Stellung der Musiktribune oder des Musikchores einen grossen
Einfluss auf die Wirkung der Musik ausübt, und dass die Chor-
dirigenten und das Sängerpersonal solchen Verhältnissen gebüh-
rende Rücksicht trafen müssen. Bedarf eine grosse Kirche an
und für sich schon eine grössere Anzahl kräftiger Stimmen, als
eine kleine, so wird noch berücksichtiget werden müssen, ob
eine Kirche klangbefördernd ist oder nicht; in manchen singt es
sich äusserst schwer und ermüdet der Gesang bald, namentlich
auf Chören, welche sehr hoch angebracht smd und die Decke
sehr nahe Über sich haben, oder wo wegen Kleinheit des Raumes
der Ton sich nicht entwickeln kann oder wegen Mangel an ge-
höriger Resonanz, z. B. bei Überfüllung einer Kirche, sich wie
erdrückt zeigt. Der Sänger muss bei solchen Umständen mög-
lichste Sorge tragen, seme Stimme zu bewahren und nicht zu
entkräften, dadurch, dass er ganz natürlich singt, ohne darauf
zu merken, ob er sich viel oder wenig höre; bei einem wohl-
disziplinierten und in richtigem Verhältnisse besetzten Chore wird
dann die rechte Wirkung nicht fehlen. Schreien aber wäre das
Allerübelste und Verderblichste. Man nehme in dieser Rücksicht
gern die Ratschläge einsichtiger Zuhörer an. Bei Singen in
freier Luft , z. B. oei Prozessionen, spare und schone man die
Stimme besonders. Die Bauart der Kirche ist in akustischer Be-
ziehung auch bei der Wahl der Tonstücke und der Art des
Vortrage^ in Betracht zu ziehen. Es ist nicht gleichgültig, ob
die Kirche gotisch oder romanisch oder neueren Stiles ist; so
A la mi re — AUeluja. 23
wird ein« gotische Kirche mit vielen Pfeilern und Durchbre-
chungen starke Figuration weniger gut vertragen und einen
langsameren, gedehnteren Vortrag verlangen, während es bei
Kirchen römischen Stiles wegen des Gewölbes, wo die Schall-
wellen nicht viel unterbrochen werden, viel Nachhall und Echo
^eben wird und man die Töne nicht dehnen darf, sondern sie
knapper hervorbringen muss. Dass hierbei vielerlei Modifikationen
stattfinden können, ist natürlich; ich wollte vorstehendes nur
anftihi'en, um die Kirchenmusiker zu veranlassen, ihre Kirchen
in dieser Hinsicht zu studieren.
A la mi re, s. Solmisation.
Albertinische Bässe, s. Ar p egg io.
Aliquottöne, s. Akustik.
Allabreve, s. Takt.
Allegro, AHegretto (AllV), s. Tempo.
Allelnja, ein hebräisches Wort („laudate Deum", „lobet
Ixott"), welches häufig in der Kirche gebraucht wird, um die
g-eistig^e Freude, den Jubel des Herzens über ein heiliges Ge-
heimnis auszudrücken. Rupert v. Deuz sagt: „Dies der lateini-
schen Sprache fremde Wort w€dst hin auf das ewige Gastmahl
der Engel und Heiligen im Himmel, deren Geschäft darin besteht,
den Herrn immer zu loben und ohne Unterlass das Wunder der
Anschauung Gottes zu besingen. Es ward aber dies hebräische
Wort nicht ins Lateinische übersetzt, damit wir an die, diesem
Leben noch nicht zukommende, sondern noch fremde Freude
\ind Thätigkeit erinnert würden." Die Juden bedienten sich dieses
Wortes häufig, namentlich hatten sie bei ihrer jährlichen Passah-
feier ihre Allelujapsalmen (Ps. 1T3— 118), das grosse Hallel
f^enannt. Gregor aer Grosse bezeugt in seinen Briefen, dass der
grottesdienstliche Gebrauch des AlTeluja aus dem Tempel von
Jerusalem, wo es vorzüglich in der österlichen Zeit gebraucht
wurde, herstamme. Diesem Beispiele folgte die abendländische
Kirche, und es erschien schon im fünften Jahrhunderte eine Ver-
ordnung, zu welchen Zeiten man sich des AUeluja zu bedienen
habe, und wann nicht. In der Regel des heiligen Benedikt wer-
den hierüber auch schon bestimmte- Weisungen gegeben. Eine
ausgezeichnetere Verwendung erlangte es, ausser dem Gebrauche
zur österlichen Zeit, im Graduale, wo es nach den einzelnen
Versen gesungen wird. An Festtagen wurde es mit reicheren
melodiscnen Tropen abgesungen, womit man sich aber nicht
begnügte, sondern noch ein längeres Melisma auf dem letzten a
hinzufügte. Diese melodische Phrase hiess P n e u m a oder
Neuma, auch jubilus, und bildete sich hin und wieder zu einer
langgedehnten, notenreiohen Figur aus. Stephan von Autun be-
zeicnnet diese Modulation als den Ausdruck des Dankes und der
Lobpreisung, welche die Gläubigen Gott darbringen. „Das Wort,*'
pricht er, „ist kurz, aber zu emem langen Pneuma wird es aus-
edehnt, da die Sprache nicht hinreicht, die Gefühle auszudrü-
ken.^ Durandus erzählt, dass das AUeluja in manchen Kirchen
ur von Knabenstimmen vorgetragen wurde, während das Graduale
ie Erwachsenen sangen.
In der römisch-kathohschen Kirche wird das AUeluja vor«
;ugBweise beim Graduale und am Schlüsse der Eingangsverse im
24 Allerheüigenfest.
Officium „Deus in adjutorium . . . Gloria Patri*' gesungen, mit
Ausnahme der Zeit von Septuagesima bis Charsamstag, wo dem
-Dens in adjutorium" nach dem Amen der Spruch; „Laus tibi
Domine, rex aeternae gloriae" beigefügt wird. Während der
Osterzeit und der Fronleichnamsoktav tritt es an alle Antipho-
nen, Versikel und kleineren und grösseren Responsorien. Von
erhebender Wirkung ist besonders das dreimal immer in einem
höheren Tone gesungene AUeluja nach der Epistel in der Messe
am Charsamstage. Bei dieser und ähnlichen feelegenheiten wird
der gregorianische Choral seine geheimnisvolle Kraft und Wir-
kung stets in unbestreitbarer Weise jedermann kundthun.
Allerheiligenfest, Festum Omnium Sanctorum (Fest. 00. SS.).
In der orientalischen Kirche wurde schon im vierten Jahrhun-
derte ein gemeinsames Fest aller heiligen Märtyrer und der
übrigen Heuigen gefeiert; in der abendländischen Kirche aber
hat erst Papst Bonifaz IV., nachdem er den von Kaiser Phokas
ihm geschenkten heidnißchen Pantheontempel in eine Kirche der
seligsten Jungfrau und der heiligen Märtyrer verwandelt hatte,
das Allerheiligenfest eingeführt. In allgemeine Aufnahme kam
es um Mitte des neunten Jahrhunderts, und von dieser Zeit an
galt es als ein Fest ersten Ranges mit einer Oktave (dupl. I. cl.
c. Oct.). Gregor III. (731) veroronete dessen Feier auf den 1. No-
vember. „Keinem der Auserwählten soll die Verehrung entzogen
werden," das ist der Grundgedanke dieses Festes, welches zu-
gleich ein Fest der Verherrlichung der Kirche selbst ist, die so
viele Auserwählte erzogen und sie in ihrer Gesamtheit ihren
streitenden Gliedern zur Nacheiferung vorführt. Preis und Lob
Gottes für solchen Reichtum der Gnaden, Inanspruchnahme des
vollen Segens, der in der Gemeinschaft der Heiligen liegt, durch
Anrufung der Fürbitte aller Verklärten, knüpft sich daran. Dieser
hohen Bedeutung des Festes entspricht auch ganz seine litur-
fische Fülle und Schönheit. Eine Vigilie bereitet auf den
'esttag vor und alle Antiphonen, Responsorien, Hymnen und
dergleichen nebst den Choralmelodien sind nur eine weitere schöne
Ausführung der genannten Bedeutung.
An dieses Fest schliesst sich der Allerseelentag , Comme-
moratio omnium fidelium defunctorum (Comm. 00. Fid. Deff.), und
wie an jenem Feste die streitende Kirche ihren Blick zur trium-
phierenaen gerichtet hatte, wendet sie nun ihr Auge zu der lei-
denden Kirche, zu den im Reinigungsorte nogh seufzenden Seelen
ihrer dahingeschiedenen Brüder unaSchwestern, um ihnen durch
ihre Gebete und Opfer Linderung oder Erlösung bei Gott zu er-
flehen. Jederzeit hatte die Kirche sich der Seelen im Fegfeuer
in mütterlicher Liebe angenommen; die Gedächtnisfeier aller
Seelen als allgemeines Fest aber fiinden wir zuerst durch Abt
Odüo von Clugny 998 für die Klöster seines Ordens eingeführt;
bald aber gewann sie auch Aufnahme in der ganzen Kircne. Sie
fällt auf den 2. November, und wenn dieser Tag ein Sonntag
ist, auf den dritten. Eingeleitet wird sie durch die Vesper des
Totenofficiums, die sich unmittelbar an die zweite Vesper des
Allerheiligenfestes anschliesst, so dass nach dem „Benedicamus . . .
Deo gratias" sogleich die erste Antiphon „Placebo Domino* be-
gonnen wird. In gleicher Weise werden die Matutin und Laude»
n^
Alma Redemptoris — Ambo. 25
mit der Matutin und den Landes des Officiums des, Tages ver-
bunden (»nisi alia sit consuetudo Ecciesiarum", fü^ die Rubrik
des Rituals bei). An manchen Orten findet auch eme Proasession
auf den Gottesacker statt, wobei die Psalmen ,,Miserere^ und
„De profundis" gebetet oder gesungen luid die Gräber mit Weih-
wasser besprengt werden. Die Kirche ist in schwarze Farbe
fehüllt una am Tage selbst wird das feierliche Re^fuiem abge-
alten. Zu bemerken ist noch, dass das ganze Officium sub ritu
dupl., mit Invitatorium, 3 Nokturnen (9. Respons. „Libera me
Domine de morte") und vollständigen Antiphonen vor und nach
den Psalmen gesungen oder gebetet wird; die Psalmen „Lauda
anima^ und „De profundis" m Vesp. und Laud. fallen weg. —
Der Choralgesang ist durchweg der reinste Ausdruck der kirch-
lichen Stimmung.
Alma Redemptoris, s. Antiphon.
Alt, s. Stimme.
Alteratio (lat.), Veränderung der Noten durch ein Ver-
setzungszeichen; die älteren Theoretiker benannten damit die
Verdoppelung des ursprünglichen Wertes einer Note.
Alterierte Accorde, s. Accord.
Alternatim, wechselweise, wie z. B. der Psalmengesang,
von zwei Chören ausgeführt.
Ambitus, Umfang. Mit diesem Worte bezeichneten die
Alten die Grenze, innerhalb welcher sich in einer Tonart die
Melodie bewegen durfte. In den ältesten Zeiten war der Am-
bitus sehr germg, eine Quint oder Sext, wie wir es an den dem
heiligen Ambrosius zugeschriebenen Hvmnenmelodien ersehen;
aber auch später durfte die Oktav des Grundtones bei den
authentischen imd die Oktav der Unterquint bei den plaga-
lischen Tonarten nicht überschritten werden. Doch gestattete
man nachderhand bei einigen Tonarten die Überschreitung
dieses Masses um einen oder zwei Töne, bis das neuere Musik-
system auch diese Schranke brach und nur mehr den natürlichen
Umfang der Singstimme oder des Instrumentes kennt, d. h. die
Tonweite nach Höhe und Tiefe, welche eine Singstimme oder
ein Instrument erreichen kann. — Bei den älteren Fugisten be-
zeichnete der Ambitus den Umfang der Tonarten, in welche eine
regelrechte Fuge ausweichen dm-fte. Man hatte davon " drei
Ai-ten: clausula primaria war die Modulation von der Grund-
tonart nach der Tonart der Oberquint, z. B. von C nach G;
clausula secundaria — die Modulation von der Grundtonart
nach der Paralleltonart, z. B. von C-dur nach A-moil oder von
A-moU nach C-dur; clausula tertiaria — die Modulation in
-die Terz bei einer Durtonart, oder in die Sext bei einer Molltonart,
z. B. von C-dm' nach E-dur, oder von A-moU nach F-dur.
Ambo (vom griech. ava/Suirw, hinaufsteigen) war ein er-
ites Pult oder eine kleine Empore, deren in den alten Kirchen
Abschlüsse des Presbyteriums gegen das MittelschifiF zwei
;ebracht waren, und von welchen aus die Epistel und das
mgelium gesungen wurden. Auf diese Ambonen führten zu
len Seiten Stufen (gradus); unter ihnen war ein Raum für
Sänger imd Kleriker reserviert, welche bei höheren Festlich-
*ien die bestimmten Gesänge, besonders die zwischen der
26 Ambrosianischer Gesang — Ansatz.
Epistel und dem Evangelium (Responsorium graduale^ Gesang-
an oder auf den Stufen) singen sollten. In Deutschland hies»
im späteren Mittelalter der Ambo „Lettner*^. Die Renaissance-^
zeit Baute solche Ambonen nicht mehr; aus ihnen erwuchs die
„Kanzel^.
Ambrosianischer Gesang. Darunter versteht man die
Gesangsweise oder vielmehr die Gesänge, welche der heilige Am-
brosius, Bischof von Mailand (gest. 397) in der von ihm geord-
neten Liturgie gebrauchte. Es kann darüber nichts Bestimmtes
gesagt werden, weil alle Dokumente fehlen. Die in neuerer Zeit
ans Licht gebrachten Manuskripte mit ambrosianischen Gesän-
gen, welche, da die Neumen auf Linien stehen, dem elften oder
zwölften Jahrhunderte angehören, scheinen keineswegs die ur-
sprünglichen, sondern später ausgebildete Melodieen zu sein. Auf
diese passt die Charakteristik eher, welche einige mittelalterliche
Theoretiker vom ambrosianischen Gesänge geben. Nach der Tra-
dition soll Ambrosius den Antiphonal- oder Weohselgesang beim
Gottesdienste in der abendländischen Kirche eingeführt, (ße vier
authentischen Tonarten für den kirchlichen Gebrauch festgestellt
und Hymnen zuerst im heiligen Offizium verwendet haben. Ihm
schreibt man auch den Gesang des Te Deum laudamus , „am-
brosianischer Lobgesang" gemeiniglich geheissen, sowie die Me-
lodieen der Präfation und des Pater noster zu.
Amen, ein hebräisches Wort, das beim jüdischen Gottes-
dienste schon in häufiger Anwendung war, wurde von da in die
Kirche au|genommen. Es hat im Ritus eine doppelte Bedeutung,
die einer Bestätigung und die eines Wunsches, „wahrhaftig, so
ist es, so glaube ich^ und „es geschehe". Ganz bezeichnend und
treffend ist die Weise, in welcher das Amen im Choral gesungen
wird. Sei es, dass dem „Amen" nach den Orationen, wie z. B.
bei der Kollekte, nur ein und derselbe Ton, sei es, dass ihm,
wie nach der Sekrete und vor dem Pater noster u. dgl. das Fort-
schreiten um einen ganzen Ton zugewiesen wird, so drückt es
immer von Seiten des Chores den festen, vertrauensstarken Wunsch
der Erhörung dessen, um was der Priester gebetet hat, aus; so-
wie es mit einer melodischen Kadenz am Schlüsse der Hymnen,
des Symbolums und dergleichen versehen, durch die enge Zusam-
menfassung der Tonart auch das zusammenfassen wilf, was im
Hymnus u. s. w. selbst an Lob, Preis, Dank gegen Gott ausge-
sprochen worden ist.
Amt. Mit diesem Ausdrucke bezeichnet man im Deutschen
auch eine mit Gesang (von Seiten des Priesters und Chores) und
Musik gefeierte Messe; „missa cum cantu, missa cantata"; „Hoch-
amt" = missa solemnis, auch „Hochmesse", feierliches Amt;
„Choralamt", wenn dabei bloss der einfache Gregorianische Choral
mit oder ohne Orgelbegleitung zur Anwendung kommt.
Anakrnsis (griech.) soviel wie Auftakt.
Andante, s. Tempo.
Animato, belebt, erregt — als Vjortragsbezeichnung.
Ansatz 1) beim Spiel der Blasinstrumente, s. Elmbou-
chure; 2) beim Gesang die Art und Weise, wie der eine Phrase
beginnende Ton hei"vorgebracht wird, wobei man uixt^i'scheidet:
a) den Ansatz mit Glottisschluss, bei dem die Öffnung der
Aussprache — Antiphon. 27
Glottis (Stimmritze) einen eigentümlichen Gutturallaut (Knack)
dem Tone vorausschickt, wie es auch beim Stacoatosingen einer
Tonfigur der Fall ist; b) den hauchartigen Ansatz, bei dem
die (jlottis leicht geöffnet ist, und dem Tone ein schwacher
Hauch vorangeht. 'Man nennt auch wohl die Stellung der gesam-
ten bei der Tonbildung beteiligen Teile des Stimmorgans Ansatz.
Ansprache, ein musikahscher Kunstaüsdruck, welcher über-
haupt vom Erklingen eines Tones gebraucht wird, vorzüglich
aber bei der Orgel vorkommt. Man sagt, eine Pfeife spreche
präcis und gut oder schlecht an, je nachdem beim Niederdrücken
einer Taste der Ton alsogleich in seiner vollen Klarheit zum
Vorschein kommt oder nicht; letzteres hat seinen Grund ent-
weder im sohlechterr Anschlage oder gewöhnlich in unrichtiger
Konstruktion der Pfeifen, mangelhaftem Mechanismus u. s. w.
Anthem, eine in der englischen Kirche gebräuchliche
Kunstform, ähnlich der Kirchenfeantate ; sie besteht teils aus
breitangelegten polyphonen Chören nach Ai-t der Motette, teils
aus Soiosätzen mit Instrumentalbegleitung. Händel lieferte da-
von Meisterwerke.
Antiphon (griech. dvziiptopij, Gegen- oder Wechselgesang).
Man bezeichnet jetzt mit diesem Namen gewisse , den heihgen
Schriften entnommene Sprüche, welche vor und nach den Psal-
men bald teilweise, bald ganz gesprochen oder gesungen werden,
Je nachdem das Officium mit minderer oder höherer Feier (sub
ritu simplici, semiduplici oder duplici) persolviert wird. Der Ur-
sprung aieses Namens reicht ins nöchste Altertum hinauf. „Can-
tus antiphonus** war der abwechselnde Psalmgesang, wobei ein
Chor den ersten Vers, der andere Chor den zweiten Vers
sang u. s. f. Diese Art des Gesanges war auch den Juden nicht
unbekannt, und es erleidet kaum einen Zweifel, dass die Christen
sie aus dem Judentume herübernahmen. Sokrates übrigens nennt
den heiligen Ignatius von Antiochia für den Urheber der Anti-
phonie in der griechischen Kirche, Ambrosius soll sie in die
mteinische Kirche verpflanzt haben, welches Verdienst abei**
Theodoret dem Diodorus und Flavian zuschreibt. Es wurden
jedoch nicht Psalmen allein gesungen, sondern man hob leinige
Verse aus einem treffenden rsalme oder andere passende Stellen
aus der heiligen Schrift heraus und sang sie zwischen die ein-
zelnen Psälmenverse , welcher Weise schon Synoden im vierten
Jahrhunderte Erwähnung thun; diese Satze messen Antipho-
nen und hatten gegenüber dem Psalmengesange ihre eigene
Modulation; beide stimmten aber im Ton (Tonart) überein. Die
Repetition der Antiphon nach jedem oder nach zwei oder drei
Psalm versen hatte besonders an hohen Festtagen und viele Jahr-
hunderte hindurch namentlich beim „Magnificat" imd „Bene-
'^•ctus*' statt, sowie für diese Ausdehnung und Verlängerung der
malmen auch die. Länge der darunter stattfindenden (Seremonien
eranlassung gab. Beispiele hiervon finden wir im Gesänge des
ivitatoriums, bei der Kerzen weihe am Feste Maria Ijicht-
ess und bei den Ceremonien der Kirchweihe in mehreren
Balmen. In der Ambrosianischen Liturgie war in dieser Be-
ehung alles geregelt worden; wie es in der römischen Liturgie
imit bestellt war, darüber mangeln die Dokumente; erst die
28 Antiphon. '
Regel des heiligen Benedikt bringt uns feste Bestimmungen
hierüber und nach ihm das Antiphonarium des heiligen Gregor.
So scheidet der grosse Ordensstifter den Gesang des Officium s
in ^cantum cum antiphona" und „cantum sine antiphona" oder
^in directum (directanee)*', demgemäss bei den Psalmen eine re-
gulierende Antiphon angewendet oder ein Psalm ohne eine solche
entweder bloss recitiert oder recitierend mit geringer Modulation
in der Mitte und am Ende eines jeden Psalmes (ein Regulative
für Benediktiner aus dem siebzehnten Jahrhundert schreibt
die Modulation fa la mi re fa für mediatio imd finis in cantu
directaneo vor) gesungen wurde. (Vergl. Gerb. I. 104. b.:
«Syllabae continuatim sub una voce junguntur, quasi linea in
directum deducta." Ein mailändisches Manuskript aus dem
elften Jahrhunderte schreibt den cantus directaneus so vor, dass
«in Psalm von beiden Chören zugleich [nicht alternierend] und
stehend gebetet werde.)
Häufig ward das Aäduja als Antiphon gebraucht, das nach
dem ersten Vers einmal, nach dem zweiten zweimal, nach dem
dritten dreimal, nach dem vierten wieder einmal u. s. f. gesun-
fen wurde, wenn nicht eine Abkürzung des Psalmes stattfand;
ies nannte man auch „triumphare", als Ausdruck erhöhter
Freude und gesteigerten Jubels (dreimal singen).
Die Antiphonen fanden ihre Stelle nicht bloss im Officium,
d. h. in den kirchlichen Tagzeiten, sondern auch bei der Feier
des heiligen Messopfers bediente man sich derselben. Papst Cö-
lestin soll zuerst die Psalmen zum Beginne des heiligen Opfers
haben singen lassen; man sang auch überhaupt an Festtagen,
wenn sich die Celebration der heiligen Messe unmittelbar an die
Persolvierung der Terz anschloss, einen Psalm mit einer Anti-
phon, unterdessen der Celebrant sich zum Opfer bereitete und
zum Altare schritt, — das ist der ursprüngliche Introitus, der
später auf die Antiphon mit ihrer Wiederholung und einen einzigen
Fsalmvers mit „Gloria Patri** eingeschränkt wurde. In gleicher
Weise sang der Chor eine Antiphon mit einem Psalme, zwischen
dessen Verse die Antiphon menr oder minder oft, je nach Be-
dürfnis wiederholt wurde, während die Gläubigen die Opfergaben
darbrachten oder zum Tische des Herrn gingen — Offertorium
und Communio; nachdem beides aufhörte, blieb nur mehr ein
Vers des Psalmes in Gebrauch, welcher in dem Missale als
^Offertorium" und „Communio" bezeichnet ist.
In der jetzigen römischen Liturgie hat jeder Psalm seine
Antiphon; eine Ausnahme findet sich in den kleinen Tagzeiten
und während der Österlichen Zeit bei den Nokturnen , wo drei
Psalmen unter Einer Antiphon zu stehen kommen. Diese An-
tiphon wird an der Spitze der Psalmen — ausgenommen in festis
semidupL, simplic. et in feriali officio, sowie bei den kleinen
Hören, in offic. defunct., wenn ,es nicht sub ritu dupl. gebetet
oder gesungen wird und bei anderen liturgischen Verrichtungen,
z. B. Dei Begräbnissen, Weihungen, wo nur die Anfangsworte
der Antiphon vor dem Psalme gebraucht werden, — ganz gebetet
oder gesungen, ebenso stets am Schlüsse nach dem „Gloria
Patri . . . Sicut erat"; jedoch nach den Psalmen oft auch ^d^h-
gespielt", d. h. nicht gesungen, Sondern nur von Einigen
Antiphon. 29
vernehmbar gesprochen, während die Orgel ein kurzes Post-
ludium macht.
Was die Bedeutung der Antiphonen anbelangt, so sprechen
sie gleichsam den Grundton aus, der sich durch den folgenden
Psalm hindui*chzieht, geben den Gesichtspunkt an, von welchem
aus die Kirche die Psalmen nach ihrer typischen und messiani-
sehen Beziehung auffasst, — wie sie auch die Intonatio de&
folgenden Psalmes regeln, indem der darauf folgende Psalm
stets im Tone der Antiphon zu singen ist. Zur leichteren und
schnelleren Kenntnis des Tones oder der Tonart ist in vielen
Choralbüchern die Schlussformel des Psalmtones über dem Evo vae
(saoculorem. Amen) nebst Angabe der Tonart durch eine
Ziffer, der Antiphon beigesetzt.
Ausser diesen Antiphonen (in der Messe, im Officium und
bei anderen liturgischen Verrichtungen), die mit Psalmen vei*-
bunden sind, wird noch einigen anderen für sich bestehenden
Gesängen der Name „Antiphon" beigelegt, welchen dieser Name
nach seiner gewöhnlichen Bedeutung nicht zukommt. Hierher
gehören die Antiphonen : „Haec est praeclarMm**, welche in einigen
Kirchen nach dem sonntäglichen Gottesdienste gesungen wird;
yjStella coeli*^ ; yyMedia vita in morte 8umu8*\ ,.Sub tuum praesidium"
itach der lauretanischen Litanei, u. a. Insbesondere sind noch
zu nennen die vier Marianischen Antiphonen, eigentlich
Hjmnen und Anrufungen der seligsten Jungfrau Maria, die täg-
lich den kirchlichen Tagzeiten angehängt werden. Es sind fol-
gende: 1) Alma RedemptoriSj von Hermanus Contractus (cf. Schu-
oiger, „die Sängerschule von St. Gallen", pag. 85), vom ersten
Adventsonntage an bis 2. Februar zu singen; 2) Ave ReginUy vom
2. Februar bis Gründonnerstag; der Verfasser ist unbekannt;
S) Regina codi, für die Osterzeit; Verfasser unbekannt; 4) Scdve
ReginOf von Hermannus Contractus, vom Sonntage Trinitatis biß
zum Advent. Der Zusatz: „0 Clemens, o pia, o dulcis Virgo
Maria I* ist vom heiligen Bernhard von Clairvaux. Diese vier An-
tiphonen sind sowohl dem Wortinhalte als der Melodie nach
der Erguss der zärtlichsten Frömmigkeit, des kindlichsten Ver-
trauens auf die Fürbitte Mariens, der Ausdruck, der höchsten
Erhabenheit zugleich, zu der ein christliches Gemüt sich empor-
schwingen kann, — wahre Perlen der alten katholischen Kirchen-
musik, welchen von allen, die sie kennen, mit Begeisterung und
tiefster Ergriffenheit des Herzens gesungen und mit heihger Be-
fiierde und grösster Erbauung vernommen werden. Das Salve
Kegina wird in Einsiedeln nach einer reicheren Melodie gesun-
ken, die als „das Einsiedler Salve Regina** sich eines besonderen
Ruhmes erfreut.
Diese Marianischen Antiphonen wurden von Klöstern schon
frühzeitig beim Chordienste zur besonderen Verehrung der hei-
1 Gottesmutter aufgenommen, so z. B. das Salve Regina von
Dominikanern um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts,
sie fanden bald auch Eingang in die gesamte römische Kirche.
Noch ein paar Worte von den grossen Antiphonen 0
biphonae majores), welche in den letzten Tagen des Ad-
s zum Magnifikat gesungen werden. Sie haben ihren Namen
'n, dass sie sämtlicn mit den Ausruf 0 anfangen; ihr Inhalt
30 Antiphonarium — Arie.
wBist auf den verschiedenen Charakter des Welterlösers und die
Bedürfnisse des Menschengeschlechtes hin, und sie sind der Aus-
druck einer nach Erlösung seufs^enden Seele. Bezeichnend ist
die im zweiten Tone gesetzte, dem Inhalt ganz entsprechende
Melodie. Dieser Antiphonen sind sieben nach dem römischen
Antiphonar und Brevier; einige Kirchen haben neun, wie z. B.
die von Paris, welche sie folglich schon am 15. Dezember he-
f innen, d. h. beim Magnifikat m der I. Vesper dieser feria. Sie
aben auch das Eigentümliche, dass sie stets dupliziert,
d. h. niemals verkürzt, sondern vor und nach dem Magnifikat
ganz gesungen werden.
Antiphonarinm wird dasjenige Buch genannt, worin die
Antiphonen und Responsorien für das Officium im Chor ent-
halten sind. Es kommt auch der Name Antiphonale vor. —
Das Antiphonarium des heiligen Gregor, s. Gregor d. Gr.
Antieipation, ä Vorausnanme.
Apotome, s. Semitonium.
Applikatur, Fingersatz, nennt man die Weise, die Fin-
ger beim Spiele musikahscher Instrumente anzuwenden, seien es
nun Tast- oder Blas- oder Streichinstrumente oder Harfen. Es
liegt an einem richtigen und geregelten Fingersatze sehr viel,
indem bei isehr vielen Instrumenten nicht bloss die Reinheit der
Intonation, die Deutlichkeit und Sicherheit der Tongebung ab-
hängt, sonjieni durch sie allein" manche Tonfolgen, Figuren und
Passagen am bequemsten ausgeführt werden können. Der Finger-
satz wird, wo er angezeigt ist,^ mittelst arabischer Ziffer ober-
oder unterhalb der betreffenden Noten ausgedrückt. Beim Violin-
spiel redet man auch von halber und ganzer Applikatur,
was mit zweiter oder dritter Position oder Lage gleichbe-
deutend ist; bei jener rückt die Hand so weit hinauf, dass der
erste Finger auf der Stelle aufgesetzt wird, wo in natürlicher
Lage oder erster Position der zweite Finger seine Stelle hatte;
bei jener ist die Finger läge noch um eine Stufe höher gertickt.
Apeo, coU'arco, mit dem Bogen, bei Streichinstrumenten
im Gegensatze zu pizzicato, wobei die Saiten mit dem Finger
gezupft werden.
Aretiniscbe Silben, s. Solmisation und Guido v. Arezzo.
Arie, ital. aria, franz. mV, ist jene musikalische Kunstform,
welche irgend ein lyrisches Moment zur höchsten Entfaltung
und durch Verwebung eines Hauptgedankens nach den Graden
kunstgemässer Steigerung zu allseitiger Entwickelung bringt.
Erfordert die Ausführung derselben die höchste Kraft und Kunst-
fertigkeit, so wird sie zur Bravourarie; eine kleine, wenig
ausgeführte, meistens nur aus Einem Satze bestehende Arie heisst
Anette oder Cavatine; das Arioso aber ist eine kurze Ge-
sangsform, welche zwischen das Recitativ eingeschoben wird,
oder in welche dieses am Schlüsse übergeht. Den Ursprung der
Arie muss man in den monodischen Gesängen suchen, welche
im Hause des Grafen Bardi zu Florenz durch Galilei zuerst ins
Leben gerufen wurden. Zu eigentlichen selbständigen Melodien
wurden sie durch Viadana (s. d.) ausgebildet. Um Mitte des
siebzehnten Jahrhunderts zeigen diese schon eine angenehme,
ausdrucksvolle Cantilene, und es kommen hin und wieder Kolo-
Arpeggio — Arrangieren.
91
raturen zum Vorschein. Ihre Anwendung fanden sie hauptsäch-
lich in Opern, Oratorien, Kantaten. Erst Aless. Scarlatti erhob
die Arie durch Scheidung vom Recitativ, durch Regelung des
liietorischen Teiles , dui'ch bessere Gestaltung und Verlängerung
derselben zur selbständigen Kunstform. Ihre nunmehrige Form
von zwei Teilen und dem Da Capo behielt sie bis Gluck und
Mozart ohne sonderliche Modifikation; von da ab wurde mehr
der Textinhalt als Norm genommen , die konventionelle Form
<im'ohbroohen und die freie Arie geschaffen. Die Arie ist ent-
weder ein für sich bestehendes Musikstück, oder ein Glied eines
grösseren, zusammengesetzten Tonwerkes, z.B. einer Oper, eines
Oratoriums. In der Kirche findet die Arie keine Verwendung.
Arpeggio, von arpay Harfe, abgeleitet, bedeutet das Vor-
tragen von Accorden nach Harfenweise, das Brechen derselben,
wobei nämlich die Töne nicht zusammen, sondern nacheinandißr
angegeben werden. Diese Spielweise kann nur auf Klavier- und
Geigeninstrumenten geschehen und wird durch das Zeichen i
oder ( , welches dem Accorde voi'gesetzt wird , angedeutet, z. B.
ausgeführt
oder
In manchen Kirchenmusiken kommen sogenannte arpeg-
firte Bässe, Harfenbässe, auch Albertische Bässe (von
em römischen Musiker und Sänger Alberti, f 1740, der sie zuerst
in Anwendung brachte, so geheissen), genannt, vor, welche nichts
anderes sind, als Begleitungen, wo der Grundbassnote einige
oder alle Töne eines Accordes in verschiedenen Figuren nacii-
schlagen, z. B.
u. 8. w.
Arrangieren, davon abgeleitet Arrangement y ist in der
musikahschen Kiinstsprache das Umsetzen oder Einrichten eines
Tonstückes für weniger oder mehrere Instrumente oder Stim-
Es ist eigentlich eine Versündigung am Tonwerk selbst,
men.
indem dieses durchs Arrangement seine Idee und seinen Cha-
rakter einbüsst. Es könnte nur entschuldiget werden, wenn .z. B.
kleinere Chöre sich in die Notwendigkeit versetzt sähen, reich-
etzte Tonstücke aufzuführen, was, ohne die Anzahl der
nmen zu reduzieren, nicht geschehen könnte, und dann mag
luch angehen, um sich Musikwerke zugänglicher zu machen
l sie in ihrem Ideeninhalte zu prüfen und kennen zu lernen,
j man jetzt besonders durch Arrangement fürs Klavier —
ivierauszüge — zu bewerkstelligen sucht. Immerhin ge-
t dazu ein gewiegter, gründlicher Musiker, der das Original
32
Arsis — Atem.
möglichst unverstümmelt lässt und mit Gewissenhaftigkeit, Üb-
legung, Umsicht, Ernst und Fleiss verföhrt.
Arsis — Hebungy daher Aufschlag, leichter Taktteil.
Artikulation in der Sprache ist die Unterscheidung u:
genaue Hervorbringung der Laute, in der Musik die Gliederu]
er einzelnen Töne, die Verbindung des musikalischen Klang
mit einer genauen Deklamation des Textes.
Assai, s. Tempo.
Atem, atmen, ist für den Sänger von grosser Wichtigke
Es hat Einfluss auf die Tonbildung und die Schönheit des Vc
träges, und wie kunstgemässes, regelrechtes Atemholen au(
die Anstrengung des Singens vermindert, so kann durch Nac
lässigkeit hierin dem Stimmorgane selbst grosser Schaden zug
fügt werden. Der Sänger hat also durch sorgfältige Übung <
danin zu bringen . vor allem auf naturgemässe Weise tief, u i
hörbar und schnell Atem schöpfen zu können; nach g»
schehener Einatmung lasse er den Atem ganz ruhig ab flies sei
denn die Kunst des Gesanges ist lediglich durch einen ruhige
Atemabfluss, durch eine berechnete Atem Verteilung beding
Alles UnnatürHche beim Atemholen — z. B. Einziehen cfi
Bauches, Heben der Schultern und dergleichen — muss entferr
bleiben: Dann bemühe er sich um einen langen Atem, nich
etwa den Atem lang an sich zu halten, sondern ihn lang auf
zuspinnen, längere Stellen nach einem einzigen Atemzuge singe
zu können; er lerne mit demselben ökonomisch umzugehen
er verbrauche ihn nicht schnell; auf der anderen Seite aber dar
man nie so lang in einem Atem fortsingen, bis es eben nim
mer geht, dadurch wird die Kraft schnell erschöpft, abgesehei
von anderen Nachteilen für die Stimme und die Org-ane. Mai
warte eine passende Gelegenheit, Pausen, Fermaten jinterpunk
tionen ab, um Atem zu schöpfen. Freilich sollten dies die Ton
setzer auch in ihren Werken berücksichtigen. Regeln fün
Atmen I. nach musikalischen Gesetzen:
1) Atme bei jeder Pause, wenn auch ein Weitersingei
möglich wäre;
2)* atme auf einem leichten, nie auf einem schweren Taktteile
3) nicht bei einem Taktstriche, also nicht beim Schluss einet
Taktes, wenn nicht die Figur eine Ausnahme gestattet, z. B. (a)
4) atme vor jeder langgehaltenen Note (b); sowie vor
jeder Fermate oder Kadenz, während welcher man nie atmen darf;
ö) suche jeden zusammenhängenden musikalischen Gedan-
ken in einem Atem vorzutragen.
Attacca — Ave Regina. 38
IL Nach sprachlichen Gesetzen:
1) Trenne den Zusammenhang der Worte so wenig als
möglich, und fasse wenigstens in einem Atem so viele Worte
zusammen, als mitsammen einen Sinn bilden;
2) nach einer Interpunktion, die mehr trennt als ein Komma,
hole Atem; wenn auf eine lange Phrase ein Komma folgt und
Atem notwendig wird, soll es schnell geschehen;
3) die Adjektiva dürfen nicht von den Substantiven, über-
haupt die zusammengehörigen Worte nicht getrennt werden;
ebenso zerreisse man auch kein Wort, es sei denn«, dass darüber
eine melodische Phi*ase zu singen ist, welche in einem Atem
nicht gesungen werden kann.
Den ^itmoment, welcher zum Atemholen notwendig ist,
darf man nicht dem Tone, vor welchem dies geschieht, sondern
demjenigen, nach welchem es geschieht, entziehen.
Attacca = alsogleich (fortspielen),, steht gewöhnlich am
Schlüsse einer Abteilung eines , grösseren Tpnstücfces und bedeu*
tet, dass die folgende ADteilung unmittelbar folgen solle.
Anferstehnnggfeier, s. Karwoche.
AnflÖsun^ 1) der Dissonanzen ist die stufenweise Fort-
führung eines dissonierenden, Tones in einem Accorde zu einem
konsonierenden Tone. Durch , die Dissonanz wh'd das beruhigende
reine Dreiklangsverhältnis unterbrochen oder gestört; jedoch
bringen die Dissonanzen ein anregendes Element der Bewegung
in die Harmonie und bedingen emen Fortschritt, wodurch die
Ruhe und Befriedigung wieaer hergestellt wird, die Auflösung.
Dieser Fortschritt zur Konsonanz kann abwärts oder aufwärts
stattfinden, je nach der Beschaffenheit des dissonierenden Tones
oder IntervaUes. Die Septime, die Non, die vorgehaltene Quart u. s. w.
lösen sich abwärts auf, wogegen die übermässigen Intervalle,
z. B. die Quint im übermässigen Dreiklang aufwärts fortschreiten.
2) Auflösung eines Kanon, s. Resolutio.
Anflösungszeichen, s. Versetzungszeichen.
Auftakt heisst der Anfang eines Tonstückes oder einer
Phrase, der nicht mit dem ersten schweren Taktteil beginnt,
sondern mit einem späteren, leichten, meistens dem letzten Takt-
teile. So viel nun durch den Auftakt von der vollen Taktgeltimg
zu Anfang vorweggenommen, so viel muss dem letzten Takte
des Tonsttickes fehlen, so dass der erste und letzte Takt, d. h.
die Bruchstücke am Anfange und Ende zusammengenommen,
einen vollen Takt geben*
Augmentation, s. Kanon.
Ausdruck, s, Vortrag.
Aushalt, s. Fermate.
Aussprache, s. Vortrag.
Ausweichen, s. Modulation.
Authentisch, s. Kirchentonarten.
Autor, Autor e, der Urheber, der Verfasser, der Komponist.
Ave Maria, der sogenannte englische Gruss, welcher dem
er noster („Vater unser") angefügt wird; in der Messliturgie
imt es an vielen Marienfesten als Offertorium zur Anwendung.
Ave Regina« s. Marianische Antiphonen.
Lornmüller, Lexikon. 3
34 B — Bas8.
B.
B, das um einen Halbton erniedrigte H. Ursprünglich wai
B der zweite Ton der Skala, welche mit A begann und un:
einen ff-anzen Ton nach B (unserem H) Fortschritt (s. griechische
Musik). In der zweiten Oktave der mittelaltenichen Skak
A — a — ^ musste das b öfters zur Vermeidung des Tritonus zu
F vertieft werden, so dass sich auf der Stufe b zwei Töne er-
faben, das b als b durum oder bquadratum (b mi) 3 = h, und
as b molle oder rotundum (b fa) = t?b. Gegen Ende des elften
Jahrhunderts ward auch das b molle für die untere Oktav (1? Bj
von einigen Theoretikern zugelassen. Jetzt gilt b, als i? gestal-
tet, als Erniedrigungszeichen für alle diatonischen Töne; auch
doppelt (7!^) kommt es vor, z. B. eses, asas. B als Abkürzung
bedeutet auch Basso; c. B. = col Basso, mit dem Bass geheno,
CB = Contrabass; B. C. •= Basso continuo.
Bal^ ist jenes Werkzeug bei Orgelinstrumenten, wodurch
der für dieselben notwendige, künstliche Wind erzeugt wird.
Man hat verschiedene Arten derselben: Spannbälge, wenn die
Falten zwischen den Balgplatten einfach (Froschmäuler) , Fal-
tenbälgo, wenn die Falten mehrfach sind. In neuerer Zeit
wendet man auch das Cylindergebläse an, so genannt von
dem winddichten Cylinder, einem viereckigen Kasten, in welchem
ein mit Leder gepolsterter Stempel die Luft einzieht und aus-
Sresst. Die Zahl und Grösse der Bälge muss zu der Grösse und
em Stimmenreichtum der Orgel in genauem Verhältnisse stehen.
Um die Dichtigkeit und die Menge des Windes zu regulieren,
bedienen sich die Orgelbauer der sogenannten Wind wage.
Bart, s. Pfeife.
Baryton (ital. Baritono. franz. Bcisse-taille) , eine männliche
Stimmgattung, welche zwiscnen Tenor und Bass liegt und einen
Umfang von G — g' hat.
Bass (ital. Basso ^ franz. Basse), die tiefste menschliche
Stimmgattung; dann die tiefste oder unterste Stimme in mehr-
stimmigen Tonsätzen, als solche hat er als Stütze und Grundlage
der Harmonien eine vorzügliche Bedeutung. (Einige leiten das
Wort „Bass" unrichtig von dem griechischen Worte Basis, Grund-
lage, her, weil m einigen Kompositionen des sechzehnten Jahr-
hunderts diese Stimme also betitelt ist; der Ausdruck: bassus,
bassa vox [tiefe Stimme] findet sich schon in Traktaten des
dreizehnten, vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts; er ist
vom griechischen ßa&vc, tief, hergeleitet.) Der Bass verträgt es,
von Sen übrigen Stimmen weiter abzustehen, einen Gegensatz
zu den anderen Stimmen zu bilden und sich durch eigenartigen
Gang (gemessene oder auch grosse Schritte auf die wichtigsten
•Stufen)kenntlich zu machen. Er ist eine in harmonischer wie
melodischer Hinsicht wichtige Stimme; giite Komponisten be-
handeln ihn daher mit grosser Sorgfalt. Sein Gang ist überhaupt
Bassklausel — Benediktinerorden. ' 35
schon d^n akustischen Gesetzen gemäss langsamer, dadurch ge-
wichtiger, mehr inihig, kraftvoll und würdig. In der polyphonen
Schi'eibart kann er jedoch seinen Charakter in etwas verleugnen
imd an der Lebendigkeit der übrigen Stimmen teilnehmen. Bei
grösserer Bewegtheit des Basses ist aber wohl zu beachten, dass
der Deutlichkeit und Wirksamkeit durch zu schnelle Figuren
kein Eintrag geschehe. Eine gute und wohleingi*ei4*ende Führung
.des Basses ist immer eines der sichersten Kennzeichen von
tüchtiger Bildung im Satze (s. Stimme).
Bassklansel, s. Kadenz.
Bassinstrumente — diejenigen Tonwerkzeuge, welchen die
Ausführung der Bassstimme in den Instrumentalwerken über-
tragen ist: Kontrabass, Violoncell, Fagott, Bassposaune, Bom-
bardon u. dgl.
Bassist heisst derjenige, welcher die Bassstimme singt
oder spielt.
ßasso eontinuo, fortlaufender Bass wurde die, besonders
auch von Viadana um 1600 in Übung gebrachte und ein- oder
mehrstirnmigen Tonsätzen beigegebene bezifferte Bassstimme ge-
nannt, welche gewöhnlich durch die Orgel oder das Klavier
ausgeführt, die eine »oder mehrere Singstimmeii begleitete und
denselben eine fortlaufende richtige Unterlage bot.
Bassschlüssel, s. Schlüssel.
Batntta. der Taktschlag, die Taktbewegung; ä batutta,
nach dem Taktschlag.
Bebisation, s. Solfeggio.
Begleitstimme, s. Accompagnement.
Begräbnis, s. Exequiae.
Benediktinerorden. Wenn von Verdiensten um Kirchen-
musik die Rede ist, so kann es wohl nicht geschehen, ohne auch
des Ordens, welcher dem heiligen Benedikt von Nursia 526 seinen
Ursprung verdankt und in der Folge welthißtorische Bedeutung
erlangt, nat, zu gedenken. Der Benediktinerorden, das ganze
Mittelalter hindurcn vorzugsweise ein Salz der Erde sowohl durch
das heilige Stillleben seiner Mönche in Beschaulichkeit einerseits,
andererseits durch seine Missionsthätigkeit nach aussen, verband
damit auch die Pflege der Wissenschaften und Künste. Die
Klöster waren die Asyle für die von der Roheit und Barbarei
dem Untergange geweihten Schätze der Bildung, Kunst und
. Wissenschalt, und m ihnen .wuchsen Künstler und Gelehrte heran,
welche das Ferment der Kultur wieder den Völkern vermittel-
ten. Ebenso müssen wir die vorzüglichsten Musiker und die
eigentliche Musikbildung, nachdem aie alten Kulturstaaten zer-
trümmert lagen, in den Klöstern suchen, — mit wenigen Aus-
nahmen jahrhundertelang.
Die Institution des Benediktinerordens legte den Mönchen
Pflege dieser heiligen Kunst nahe oder machte sie vielmehr
}wenaig. Der heilige Benedikt schrieb in seiner Regel vor,
s seine Mönche bei Tag und bei Nacht Gott das Opfer des
)es und Preises zu bestimmten Stunden darbrächten und die-
heilige Dienst Gottes mit aller Würde gefeiert werd.e. Im
U., l2, la, 15., 17., la, 38. und 47. Kapitel macht er den Ge-
\g namhaft; er redet von „psalmis modulatis", von Hymnen,
3*
^•''6 Benediktinerorden.
wozu übel'all Gesang notwendig ist; er spricht ferner von P
men >oum antiphona^ tind von solchen „sine antiphona seu
directum^ ^ d. h. solchen, bei welchen eine Antiphon die Gesar
weise angibt, und Solchen, welche bloss zu recitieren wai
Ebenso hält er auch das legere und cantare auseinander i
benennt einen „cantor*^. Die Gesangsweise Belbst wird wohl -<
der römischen -im grossen und ganzen nicht verschieden gewe
sein, da er in Beziig auf das Offizium selbst sich im allgemeii
an das römische Cnorgebet anschloss. Constant. Cajetanus
richtet, dass der heilige Benedikt selbst den Papst Hormis«
mit Nachdruck angegangen habe, die beantragten Singschu
am Lateran und Vatikan zu eröffnen, und dass an der rö:
sehen Kirche Mönche als Lehrer des Gesanges wirkten.
Dem heiligen Benedikt lag aber nicht bloss daran, di
iiberhaupt gesungen wurde, sondern dass dies auch in gu
und andächtiger Weise geschehe. „So sollen wir," sagt er, Jbe
Psalmengebete stehen, dass das Merz mit dem Munde übere
stimmt. Nicht jeder soll «(bei den kunstreicheren Gesängen) s
gen, sondern wer es gut versteht und die Zuhörer erbauen kai
es soir gesungen werden mit Demut, würdevoll und in Ehrfurch
Ünzweifelhaffc steht fest, dass in der zweiten Hälfte (
sechsten Jahrhunderts der Gesang in den Klöstern des heilig
Benedikt fleissig betrieben wurde. Denn aus ihnen ging c
grosse Reformator oder vielmehr der eigentliche Begründer c
kirchlichen Gesanges, der heilige Papst Gregor der Gros
591 — 604 hervor; er war Zögling, Mönch und Äbt des von il
selbst gestifteten Klosters S. Andreas in Rom gewesen. Na
seinem Tode bekleidete der Abt Johannes vom Kloster S.Mj
tili die Stelle eines Archikantors an der Basilika des heilig
Petrus. Während um diese Zeit und noch später der Kirche
gesang sich nur auf die bischöflichen Kirchen beschränkte, <
tönte er bei Tag und bei Nacht in den Klöstern und erhielt
diesen durch das fortwährende Chorgebet eine solide Traditioi
basis. Mit ihrer Missionsthätigkeit fiel dann den Mönchen d
heiligen Benedikt auch die Aufgabe zu, den römischen, von d
Kirche approbierten Gesang in die Welt auszubreiten; Schuld
für die Musik, d. h. den Kirchengesang, erstanden zuglei(
überall, wohin sie den katholischen Glauben verpflanzten ui
wo sie Niederlassungen gründeten. Veranlassung dazu gab nicl
bloss das kirchliche Bedürfnis, sondern auch die Anwesenhe
vieler Jünglinge, welche sich unter Leitung der Mönche d(
Studien widmeten und zu den kirchlichen Feierlichkeiten au(
in Bezug auf den Gesang beigezogen wurden.
Zuerst erglänzte ihre Thätigkeit in England, wohi
Gregor selbst noch den Mönch Augustinus mit mehreren Bi
fleitern gesendet hatte. Durch diesen ward der römische Gesan
ort eingeführt und kurze Zeit darauf fester begi'ündet durc
den obengenannten Johannes, den der englische Bischof Benc
dikt, „Biscopus*' beigenamit, auf seiner Rückreise von Roi
mitnahm. In den britannischen Klöstern ragten später als b(
deutende Musiker hervor: Heddius in York, Osbert, Mönc
in Glasgow, Thiuredus, Mönch in Dover; der heilige Cutberth
Schüler Beda's, Simon, welcher zugleich unter den Historiker
Benediktinerorden. 37
einen ehrenvollen Platz einnimmt; Wo Ist an:, an der Kloster-
und Kathedralkirche aum heiligen Winton ; W i 1 h e 1 m* S o m e r *■
set in Malmesbury u.. v. a. Auch Alcu in- hatte seine Bildung'
in der Klosterschule zu York, wo er naohderhand Vorsteher ge-
wesen, erhalten. Dass aber nicht bloss der Gesang, sondern auch
die Instrumentalmusik betrieben wurde, beweist ein Konzil von
Glasgow 747 , welches die Entfernung des Spieles, aller Saiten-
instrumente aus den Klöstern dekretierte. < '
In Gallien, wo eine totale Reformation des Kirchengesan-
fes durch Pipin angestrebt und von Karl dem Grossen energisch
urchgeführt wurde, waren es wieder Mönche, welche in dem
Betrieoe dieser Kunst sich auszeichneten. In den Klosterschulen
ward Musik praktisch und theoretisch gelehrt, und die Zöglinge
nahmen an dem Chorgesange der Mönche bald mehr, bald we-
niger Anteil; ihre speziellen Schulen für künstlichen Gesang
ragten ruhmreich hervor. An der Spitze auch der ausserklöster-
licnen Singanstalten und Singchöre standen faßt nur Mähner,
welche in ßenediktinerfclösterH ihre, musikalische Bildung erhalten
hatten, mit diesen religiösen Genossenschaften noch in irgend
einem Verbände standen, oder ihnen noch angehörten.
Neben Alcuin sind zu nennen: Amalarius, dessen Nach-^
folger, Abt Odo von Clugnv, Papst Leo IX., welcher vorerst
Mönch, dann Bischof in Toul war und Gesänge komponierte, die
denen des heiligen Gregor an die Seite gesetzt zu werden ver-
dienten. — In Deutschland stand einzig in seiner Art das
Erlöster St. Gallen da, wohin die römische Gesangsweise durch
einen römischen Sänger, Romanus, kam, die sich bald zur
Ivöchsten Blüte entfaltete. Dort strahlte Notker Balbulus. der
eine grosse Anzahl Sequenzen und Hymnen dichtete und tom-
Xwnierte, deren Gebrauch sich bis ins siebzehnte Jahrhundert
erhielt, seit 1619 aber ganz aufgehoben wurde; Ratbert,
welchem auch Volkslieder in deutscher Sprache ihren Ursprung
verdanken; Hermanus Contractus, später in Reichenau, der«
eine eigene Tonzeichenschrift ersann, u. a. (vgl. „die Singschule
von St. Gallen", von P. Ans. SchubM^er). Nicht minder blühte die
Musik in Reichenau. wo die Zöglinge der Klosterschule Unter-
richt im Spiel aller gebräuchlichen Instrumente erhielten; unter
Rhabanus Maurus gelangte Fulda zu grossem musikalischen
Ruhme, und Hirschau durch seinen grossen Abt Wilhelm.
Gerühmt waren die Singschulen zu St. Emmeram in Regensburg,
Corvey, Halberstadt u. m. a.
Ein Benediktinermönch war es, der einen Fortschritt in
der Notation zuwege brachte und die Diaphonie ausbildete, H u c -
bald, Mönch zu St. Amand in Flandern; auf dessen System ein
anderer Möiich, Guido v. ArezzO, fortbaute und durch seine
"•--^ntümliche Lehr weise den Musikunterricht wesentlich erleich-
3. Die Orgel, ienes vorzugsweise kirchliche Instrument, ver-
tt ihi-e Vervollkommnung in der Konstruktion hauptsächlich
Mönchen, sowie auch ihre weitere Verbreitung. 757 kam
erste Orgel nach Frankreich, als Geschenk des griechischen
iers an ripin. Kurz darauf konstruirte Wikt er p, Bischof
Augsburg, ein Klosterzögling, eine Orgel. In Freising waren
•neunten Jahrhunderte die besten Orgelspielerund Orgelbauer.
38 Benediktinerorden.
Von musikalischen Schriftstellern des zehnten bis dr
zehnten Jahrhunderts seien noch aus dem Orden des heilig
Benedikt genannt: Regino von Prüm, Bertio y;on Reichen«
Aurdian von Reome, Ansdm von Parma, Uauard von Fulda, Mi
quard von Eptemach, Remigius von Auxerre, Stegebert vom Gei
blacehser Kloster, Udescalcus, Abt von St. Ulrich in Augsbui
Adam von Fulda, der heilige Bernhard von Clairvaux. Es i
nicht möglich, die Namen aller Mönche, die sich um die Pflej
der Kirchenmusik besonders verdient gemacht haben, und der*
die Chronisten rühmlich gedenken, hier anzuführen; das mü
einer speziellen Musikgeschichte des Benediktinerordens übe
lassen oleiben. (Vgl. Studien und Mittheilungen aus dem B
nediktinerorden, Jahrgänge 1880, 81. 85.)
Wie die geistige Bildung vom zwölften und dreizehnte
Jahrhunderte an auch ausser den Klöstern sich verbreitete, fai
auch die Musik um so mehr Gönner und Freunde in der Welt, ui
von da an- haben wir den Fortschritt der Musik zu ihrer höhere
Entwickelung und Ausbildung nicht mehr in den Klöstern j
suchen. Von nun an haben wir nicht mehr bahnbrechende M(
ster zu betrachten, sondern müssen ihr Verdienst auf der en
ffegengesetzten Seite suchen. Bei der raschen Entwickelung d
Musik, die natürlich auch mit vielen Auswüchsen umgeben W8
erhielten die Klöster als konservatives Element die Kirchenmus
auf edler Bahn und bewahrten sie vor weltlicher Künstelei ur
Ausartung; vermöge der Klosterregel, die in ihrem innerste
Wesen dem Konservatismus huldiget, ward auch im Kirchei
gesange das Altehrwürdige beibehalten und meistens nur m
grösster Umsicht den neueren Werken die Aufführung gestatte
er Gregorianische Choral blieb die einzig erlaubte Kirchenmusi
im Chor und bei den Konventgottesdiensten. Erst später far
figurierte und Instrumentalmusik für hochfeierliche Gottesdiensi
auch in den meisten Klöstern Eingang; immer stand aber de
Gregorianische Choral als einschränkendes Element und heilsame
Gegengewicht zur Seite. Hierbei war aber von den Kloste
schulen die Kenntnis der weltlichen Musik nie ausgeschlossei
sie fand ebenfalls ihre treue Pflege.
Vom Jahre 1277 berichtet der Chronist Andreas von Re
gensburg, dass der dortige Bischof Mönche vom Kloster Heil
bronn (m Mittelfranken) berief, um den Figuralgesang in seine
Kirche einzuführen; 132i7 fing man an, ihn im Kloster St. Eren
(Einsiedeln) in der Schweiz, 1413 erst in St. Blasien im Schwan
walde zu betreiben. So findet man den figurierten Kirchengesan
in den Klöstern nur hin und wieder auftreten. Allerdings fan
die Kirchenmusik nicht in allen Klöstern die gleiche lieDevoll
Pflege, und es fehlte nicht an Ausartungen und Missbräuchei
aber es fehlte auch nie an Männern, welche dem Übel immc
wieder zu steuern suchten. Der Allgemeinheit der Klöster kan
das Verdienst nicht abgesprochen werden, dass sie einen feste
Damm gegen die Verwelthchung der Kirchenmusik stets gebildf
haben bis zum vorigen Jahrhunderte, wo auch von ihnen ei
f rosser Teil der mehr weltlichen Instrumentalmusik zu huldige
egann. Von Klostervorständen , welche im vorigen Jahrhur
derte mit Aufbietung aller Kraft eine heilige und würdig
Besetzung. 39
Kirchenmusik wieder herzustellen suchten, sei der Abt Honorat,
von Öttobeuren in Schwaben, genannt, welcher um 1785 keine
Kosten scheute, um selbst aus der vatikanische^ Bibliothek und
von anderen Orten her kontrapunktische Werke der besten
Kirchenkomponisten anzuschaffen; und der Fürstabt Gerbert
zu St. Blasien im Schwarzwald, dessen Verdienste zu bekannt
sind, als dass sie hier näher besprochen werden sollten (s. Ge rb ert).
Vom sechzehnten bis neunzehnten Jahrhunderte mangelte
es dem Benediktinerorden ebenfalls nicht an grossen und bedeu-
tenden Musikern. Nur einige Namen sollen hier stehen.
In Palermo machte sich iia sechzehnten Jahrhunderte Mau-
rus Chiaula, Zögling des Klosters St. Martin daselbst, durch
ausgezeichnete Kompositionen für Gesang und Instrumente be-
rühmt. Um diese Zeit galt Laurentius Gazius, Mönch im
Kloster von St. Justina m Padua, als ein musikalisches Orakel;
Engelbert im Kloster St. Mathias in Trier war gerühmt als
vollendeter Musiker. Im siebzehnten Jahrhunderte gab Johann
Caramuel v. Lobkowitz ein „Novum Musurgiae specimen"»
f Venet. 1645), heraus ; dem Benediktinerorden gehören B a c c h i n i ,
Bedos los Cellos, Jumillac an; aus dem achtzehnten Jahr-
hunderte gedenken wir des P. Meinrad Spiess von Yrsee,
dessen Werke noch jetzt geschätzt sind; des P. Oliv er us Legi-
pontius von Köln; P. Anton Zieggeier in Zwiefalten; Cajetan
Colberer in Andechs; Königsberger in Prüfening u. a. m.
Um die Musikgeschichte erwarben sich Calmet, Mabil-
lion, Petz zu MöIk in Österreich, sowie Phil, Jos. Caffiana
im Kloster St. Germain in Paris durch sein Werk: „Essai d'une
histoire de la musique" (Paris 1777), und die Mau r in er Kon-
frejgation, welche in ihrer „Histoire litteraire de la France"
ie interessantesten Notizen über die Musikgeschichte des Mittel-
alters gab, viele Verdienste.
Aus der neuesten Zeit legte, anderer nicht zu gedenken,
P. Anselm Seh üb ig er in Emsiedeln ein gewichtiges Zeugnis
dafür ab, dass dem Benediktinerorden die Pflege der Musik noch
immer am Herzen liege, sowohl durch mehrere Kompositionen,
als auch besonders durch sein treffliches Werk: „Die Sänger-
schule St. Gallen"; ferner P. Benedikt Saute r, jetzt Abt zu.
Emaus in Prag, durch sein bemerkenswertes Buch: „Choral und
Liturgie* (Schaffhausen bei Hurter 1865); Dom Jos. Pothier,
der eifrigste Restaurator des Choralgesanges in Frankreich, mit
seinem vortrefflichen Werke: „Les melodies gregoriennes** ;
P. Ambrosius Kienle in Emaus, welcher das vorige Werk ins
Deutsche übersetzte und ein treffliches Chorallehrbuch schrieb.
In den Klöstern ist auch jetzt noch meist die beständige Übung
und Anwendung des Gregorianischen Gesanges oder des Chorales
zu suchen.
Besetzung heisst überhaupt die Bestellung von Sängern
l Instrumentisten behufs des Zusammenwirkens bei einer
sikalischen Aufführung. Daher sagt man z. B., ein Kirchen-
)r sei gut besetzt, wenn er tüchtige Musiker in sich begreift, —
sei stark besetzt, wenn die Anzäil der Musiker eine ansehn-
le ist. Im Besonderen bezeichnet man damit die Art und
nse, wie die Masse der Exekutierenden in Gruppen gesondert
40 Bewegung.
wird und wie diese Gruppen in ein richtiges Verhältnis zu ein-
ander gesetzt werden. Eine gute und gutgewählte Besetzung
aller einzelnen, zur Aufführung eines Tonsttiokes notwendigen
Stimmen ist ^ine Sache von der grössten Wichtigkeit, nament-
lich die Besetzung der Stelle des Dirigenten, dem die Verteilung-
der Exekutierenden zu den einzelnen Stimmen obliegt. Die Wir-
kung eines Tonstückes hängt fast ganz von der Besetzung der
Stimmen ab. Hierbei sind mancherlei Umstände in Betracht zu
ziehen: der Ort der Auffühining, der Charakter des Tonsttiokes
und die gi'össere oder geringere Bedeutung der einzelnen Stim-
men. Für ein grosses Lokal oder für einen Platz unter freiem
Himmel sind mehr Sänger und Musiker notwendig, während eine
grosse Anzahl derselben in einem beschränktei'en Kaume schlecht
angebracht sein würde. Ein g^rosses Tonstüek erfordert eine
grössere Anzahl Exekutanten; ein einfaches, von sanfterem Cha-
rakter, würde durch viele Sänger und Musiker erdrückt. Die
Stimmen ferner, welche die Melodie tragen oder auch der Bass.
dessen Wichtigkeit als Fundamentalstimme gross ist, müssen
mehr „hervortreten und dürfen nicht durch starkes Auftreten
oder Übeiiiönen der Mittel- oder Begleitungsstimmen beeinträch-
tiget werden; ebenso müssen die Instrumente, besonders die lär-
menden, bei V ereinigung mit Singstimmen in gehöriger Mässigung
erhalten werden. -^Besetzung nennt man auch die Ausstat-
tung eines Tonstückes bezüglich der Anzahl der Instrumente, —
kleine Besetzung, kleines Orchester, bestehend aus dem Streich-
quartett, Clarinette, Flöte, Hörner, etwa noch Trompeten; —
grosse Besetzung, — grosses Orchester, wo zu den genannten
Instrumenten noch Oboen, Fagott, alles doppelt, noch ein paar
Hörner nebst Pauken u. dgl. kommen.
Bei einem Singchor muss eine fast gleiche Besetzung für
alle Stimmen stattfinden, namentlich darf der Sopran nicht un-
gebührlich besetzt sein, da er als Melodieträger ohnehin schon
hervortritt, eher darf die Zahl der Basssänger erhöht werden,
indem die tiefen Bässe seltener sind und sie durch die grössere
Anzahl in etwas ersetzt werden müssen. — Die Kirchenohöre
leiden meistens an dem Fehler ungehöriger Besetzung, woran
oft Umstände schuld sind, die zu entfernen den Direktoren nicht
möglich ist; oft ist es aber Unverständnis, oft Eitelkeit, grössere
Werke aufzuführen, wozu die Kräfte des Chores eben nicht hin-
reichen. Ein Mann, welcher seine Stellung als kirchlicher
Musikdirektor begreift; wird nicht dahin trachten, Werke auf-
zuführen, welche über die Kräfte seines Chores gehen, sondern
das, was er gut besetzen kann, wählen und es so exekutieren,
dass die Erbauung gefördert werde.
Bewegung ist in der Musik überhaupt das Aufeinander-
folgenlassen der Töne in einem bestimmten Grade der Langsam-
keit oder Geschwindigkeit, welche Bewegimg T e mp o, Zeitmass
genannt wird. (Ihre verschiedenen Arten und Bezeichnungsweisen
s. Tempo.) Im besondern aber bezeichnet man damit das
Fortschreiten eines Tones zum anderen in die Höhe oder Tiefe -
die melodische Bewegung; — sie ist entweder steigend oder
fallend, je nachdem das Fortschreiten der Töne zu höheren
oder tieferen Tönen stattfindet; stufenweise oder sprung-
Bezifferung — Bezug.
41
weise, je nachdem die Melodie von einer Tongtufe zur nächst-
höheren sich bewegt oder mehrere Stufen überspringt, z. B. zur
Terz oder Quint. Die stufenweise Bewegung ist entweder dia-
tonisch, wenn sie durch ganze oder grosse halbe Töne, o, d,
«, f ♦ . ., chromatisch, wenn sie nur durch kleine und'grosse
halbe Töne, c, eis, d, dis . . . eeführt wird:
Bezüglich der Rhythmik Kann das' Fortschreiten durch Töne
von gleicher Greltung — gleichartige B., oder durch Töne von
verschiedener Geltung — ungleichartige B., geschehen.
Wenn mehrere Stimmen gleichzeitig nebeneinander gehen,,
so muss ihre gegenseitige Bewegung auch in Betracht gezogen
werden, abgesehen von der jeder einzelnen Stimme zukommen-
den melodischen Bewegung, — man nennt diese dann die har-
monische Bewegung. Sie ist mehrfach: 1) eine gleiche, wenn
alle Stimmen bezüglich des Notenwertes gleich sind (s. unten
Beispiel a); — 2) ungleich, wenn die beiderseitige Bewegung
in Bezug auf den Noten wert verschieden ist (b), oder rhyth-
mische Rückungen, Synkopen vorkommen (c); — 3) gerade
(motus rectus), Parailelbewegung, wenn zwei (oder drei)
Stimmen zugleich aufwärts oder abwärts steigen (d); 4) unjje-
rade (motus conti'arius), Gegenbewegung, wenn die eine
steigt, während die andere föUt (e); 5) Seitenbewegung (mo-
tus obliquus), wenn die eine liegen bleibt, während die andere
steigend oder fallend foi-tschreitet (f). Beispiele:
I "T T r r
^
j-j.
I
f
y.^
W
BesUfernng, s. Generalbass.
Besag — Besaitung — die Gesamtheit aller Saiten, init
^"'')her ein Instrument bespannt ist, seien es Darm- oder Metalir
m. Man redet von einem starken und schwachen Bezug,
achdem die dazu verwendeten Saiten stärker oder schwächer
. Richtig oder falsch ist der Bezug, insofern die Saiten
msehtmg ihrer Stärke und Art in richtigem Verhältnisse zu
nder und überhaupt zur ganzen Konstruktion — Bau, Grösse
besondere Beschaffenheit des Instrumentes gewählt sind
nicht. An der Richtigkeit des Bezuges liegt sehr viel, sie
42 Bicinium — Bogen.
ist von wesentlichem Einflüsse und bedingt die Starke, Schön-
heit und Gleichheit des Tones eines Instrumentes. Neben diesem
allem muss auch die Qualität der Saiten beachtet werden, da die-
Güte des Tones ebensowohl von der geringeren oder besseren
Beschaffenheit des Materials abhängt, aus welcher die Saiten
fabriziert sind. Man beziehe darum seine Saiten nur von guten
und zuverlässigen Fabrikanten.
Um eine richtige, in gehörigem Verhältnisse zu einander
stehende Besaitung zu ermöglichen, hat man eigene Instrumente
erfunden, Chordometer (Saitenmesser) genannt. Diese bestehen
aus zwei viereckigen Stückchen Eisen oder Messing von 6 — 8 Zoll
Länge, die an einem Ende derart zusammengeschraubt sind, dass
sie am anderen Ende etwa drei bis vier oder mehr Linien von-
einander abstehen und zwischen ihnen ein nach der Schraube
hin spitzig zulaufender leerer Raum entsteht; an beiden Seiten
ist das- Instrument in Grade abgeteilt, damit man beobachten
kann, wie weit sich das in die uffnung gesteckte Ende der Saite^
deren Stärke man messen will, ohne ^wang nach der Schraube
zu schieben lässt. Einen durch Versuche auf seine Richtigkeit-
erprobten Bezug, z. B. einer Violine, misst man mit diesem
Chordometer und zeichnet sich die Stärke oder Dicke jeder Saite
auf, wonach man dann die später aufzuziehenden Saiten be-
messen kann.
Bicininm (bis, canere), ein zweistimmiges Tonstück; jetzt-
gebraucht man den Ausdruck Duo oder Duett dafür.
Bis (lat.)y zweimal, wurde früher häufig angewendet, wenn
eine oder mehrere Takte wiederholt werden sollten (s. Abbre-
viatur).
Biscantns,' soviel wie Discantus (s. d.).
Bisnnca (lat.), zweimal gekrümmt, alter Name für Sech-
zehntelnote.
Blasinstrumente, s. Instrumente.
Blind nennt man in der Orgel Tasten, Pfeifen, Register-
züge u. dgl., die nur fürs Auge dastehen, entweder um Lücken
auszufüllen oder zur Zierde.
Bobisation, s. Solfeggio.
Bogen als Zeichen — ^^ in der Notenschrift bedeutet^
dass die Notenreihe, über oder unter welcher dieses Zeichen an-
gebracht ist, aneinandergebunden, geschleift vorgetragen werden
soll. Ist der Bogen über zwei Noten auf gleicher Tonstufe an-
gebracht, so verlangt er, dass die zweite Note nicht wieder
angegeben werde. — Bogen als Instrument bedeutet dasjenige
Werkzeug, mit dem die Saiten der Geigeninstrumente gestrichen
und zum Tönen gebracht werden. Ein guter Bogen muss sauber
aus sehr hartem und elastischem Holze (Brasilien- oder Sohlangen-
holz) gearbeitet sein , damit . dem Drucke des Haai'bezuges auf
die Saiten genu^ widerstanden werden könne und der Stab
sich nicht zugleich mit den Haaren auf die Saiten lege. Der
Stab darf nicnt von der Richtung einer geraden Linie abwei-
chen, und der Haarbezug soll nicht zu schwach, doch auch nichti
zu stark sein. — Bogen heissen auch die gekrümmten Rohre,,
die bei Blechinstrumenten aufgesetzt (aufgesteckt) werden, um
die Stimmung zu verändern.
Bogenstrich — Buchstabentonschrift. 4^
Bogenstrich, = Ftihrnng ist die Art und Weise^ wie der
Bogen über die Saiten der Geigeninstrumente geführt wird, und
wie die Töne nach Massgabe der Stärke und Schwäche, Länge
und Kürze, der Zeitdauer, Beschaffenheit der auszuführenden
Tonreihen und Tonfonnen (Passagen) u. dgl. den Ihstru-
menten entlockt werden. Die Bogenftihrung, der Bogenstrich
ist der wichtigste Teil bfeim Spiele eines Geigeninstrumentes^
indem davon die Schönheit des Klanges und die Nuancen des.
Vortrages abhängen. Sie zerfällt in drei Arten: in die gestos-
sene, gezogene und geschleifte. Diese, verschieden modi-
fiziert, geben die Strien arten, von denen das Nähere in den
Lehrbüchern des Violinspieles einzusehen ist. Hin auf st rieh
oder Aufstrich sagt man, wenn der Bogen von der Spitze
nach dem Frosche oder dem unteren Teile desselben genihrt
wird. Herabstrich oder Herunterstrich, wenn das Umge-
kehrte stattfindet. Im Französischen heisst der Aufstrich poussö^
der Herabstrich tir6; einige Kompositeure bedienen sich auch
der Zeichen |*"i U , um den besonderen Bogenstrich zu be-
zeichnen.
Bordnn oder Bonrdon, ein sechzehn- und achtfüssiges,.
weites, gedecktes Holzregister für das Manual der Orgel, mit
hohem Aufschnitt, wegen der Tonfülle unentbehrlich.
ßrevis, s. Noten, Mensuralmusik, Choral.
Brio (ital.), Lebhaftigkeit, Feuer; con hno, mit Lebhaftig-.
keit, mit Feuer.
Brustwerk in der Orgel ist das in der Regel zum zweiten
oder dritten Manual gehörige, in der Mitte der Orgel aufgestellte
Pfeifen werk; es ist regelmässig schwächer intoniert als das.
Hauptwerk, welches gewöhnlich auch mehr und kräftigere Re-
gister enthält.
Buchstabentonschrift ist die Anwendung der Buchstaben
zur Bezeichnung der Töne. Sie steigt ins hohe Altertum hinauf:
schon die alten Griechen hatten ihr Alphabet zu Vokal- und
Instrumentalnoten benützt. Im römischen Reiche, das seine
Kunstbildung hauptsächlich aus Griechenland überkommen hatte^
waren wie die. griechische Musiklehre so auch die griechischen
Tonzeichen in Übung. Wann man statt der griechischen Buch-
staben der lateinischen sich bediente, ist unbekannt; Boethius.
(t 525) gebraucht solche neben den griechischen Zeichen, aber
er beginnt das altgriechische System (H C D E . . .) mit ABC...
und setzt das Alphabet bis r fort, so dass A = unserem H,.
B C . . . . ist. vom zehnten Jahrhunderte an bedienen sich
die musikalischen Traktate in gleicher Weise der lateinischen
Buchstaben zur Tonbezeichnung, doch mit der nämlichen Be-
deutung, welche sie bei uns haben, Proslambanomenos A, Hypate
oaton B und zwar fortlaufend bis P. Doch zu Ende
ses Jahrhunderts vereinfachte man die Tonbezeichnung, indem
n die untere Oktav mit gi-ossen (A — G), die obere Oktav mit
nen Buchstaben (a— g)? die damber hinausliegenden Töne
I kleinen griechischen Buchstaben (so Odo) notierte. Ein um
se Zeit unter A hinzugefügter Ton wurde mit griechischem
rnma r bezeichnet, die Töne oberhalb g aber notierte schon
do mit Doppelbuchstaben, so dass die ganze Tonreihe sich
44 C — Cäcilienveiein.
also gestaltete; r A B C D E F G a/"^ o d e f g ^ ^ ^ ^.
Daneben ging eine eigene Notation für die Instrumente,
welche bei unserem C die Reihe beginnend, von A anfing, so
dass. A = unserem C, B = D . . . w war und der Halbton zwi-
schen C— D und G— A fiel (Notker, Hucbald).
Die vorher genannte Tonbedeutung der Buchstaben ver-
blieb ihnen nun bis auf den heutigen Tag, nur mit dem Unter-
schiede, dass das ursprüngliche B, b dem Buchstaben H, h Platz
femacht hat und das b als ^ zum Erniedrigungszeichen gewor-
en ist, femer, dass die Oktaven nicht melir durch grosse und
kleine Buchstaben allein unterschieden werden, sondern dass;
bei dem erweiterten Tonsystem die Oktaven noch dm*ch ZiflFern
und Strichlein gekennzeichnet werden, also ; grosse Kontraoktav
C^ D'^ H-, Kontraoktav: C Di E^ . . . .; grosse Oktav
C D E . . . .; kleine Oktav: c d e . . . ., eingestrichene Oktav
c d e . . . . h; zweigestrichene Oktav: ed.... h^^drei- und vier-
gestrichene Oktav: c....,c.... — Auch zur Accordbezeioh-
nung werden seit Anfang dieses Jahrhunderts die Buchstaben
benützt (seit Gottf. Weber), indem man mit grossen Buchstaben
dur-Dreiklänge (Ö = cdur-Accord), mit kleinen Buchstaben moll-
Accorde (a = a moll-Accord) bezeichnen wUl; eine kleine Null,
oben angefügt, soll den verminderten Dreiklang, die beigesetzte
Zahl 7 emen Septimenaccord bedeuten. Neuere Tonlehrer ver-
wenden die Bucnstaben wieder in anderer Weise.
C.
{Artikel, welche unter C vermisst werden, sind unter K zu suchen.)
C ist der Name des ersten Tones in der natürlichen und
diatonischen Tonreihe des neueren Tonsystems; er wird als
Grundklang betrachtet, von ihm aus werden die mathematischen
, Verhältnisse der Intervalle berechnet. In der alten Solmisation
und noch jetzt bei den Franzosen heisst er ut, bei den ItaUenern
wird er do genannt. — C am Anfange des Linienöystems nach
der Vorzeichnung gesetzt, dient als Zeichen des Viervierteltaktes,
und durchstrichen ^ als Zeichen des Allabrevetaktes.
Cäcilienverein. Dieser Verein zur Hebung der katholi-
schen Kirchenmusik ward veranlasst durch die Bemühungen des
verstorbenen Generalpräses Dr. Franz Witt, damals Inspektor
des k^l. Studienseminars bei St. Emmeram in Regensburg, und
konstituirte sich als solcher am 1. September 18to bei Gelegen-
heit der neunzehnten Generalversammlung der katholischen
Vereine Deutschlands in Bamberg. Er breitete sich schnell aus.
Durch Dekret vom 16. Dezember 1870 von Papst Pius IX. er-
hielt er kirclüiche Sanktion. Darin heisst es: „Allgemeine
Statuten des St. Cäcilienvereines zur Förderung der
()Sß«r — Cantabile. 45
Kirchenmnißik in allen Ländern deutsclier Zunge.
I. Der Verein erfreut sich des Protektorates Sr. Eminehz des
Kardinals, welchen der Heilige Vater gnädigst ernennt, und der
Aufsicht des Ordinarius derjenigen Diöcesen^ in welchen sich
Vereinsmitglieder befinden. Die Vereinsangelegenheiten leitet
ein Generalpräses, dem die Präsides der einzelnen Diöoesen zur
Seite stehen. Der Generalpräses wird gemäss eines speziellen
Wahlstatutes und mit vorhergehender Zustimmung Sr. Eminenz
des Kardinalprotektors bestmit. Ferner wählen die Mitglieder
acht Männer von erprobten Kenntnissen in der Tonkunst, welche
die Kompositionen, die der Aufführung in den Tempeln des Herrn
würdig sind, prüfen; ihre 2^hl kann bis zwanzig vermehrt wer-
den. — IL Damit der Zweck des Vereines , die liturgische und
kirchliche Musik nach dem Geiste der Kirche und den genauest
einzuhaltenden Gesetzen zu fördern, erreicht werde, wird sich
der Verein angelegen sein lassen: d|iss 1) der Gregorianische
Gesang oder Choral überall gepflegt, und der figurierte, polyphone
Gesang, soweit er den kirchlichen Gesetzen entspricht, verbreitert
werde, mögen nun die Kompositionen der älteren oder neueren
Zeit angehören; 2) die heiligen Gesänge, welche das Volk bei
gewissen Andachten zu singen pflegt, werden so weit geduldet,
als es die kanonischen Gesetze gestatten; 3) die kirchlichen Ge-
setze in betreff des Gebrauches der Orgel und der übrigen zu-
lässigen Instrumente werden genau beobachtet werden; 4) wofern
in gewissen Kirchen, besonders in den kleineren und Land-
kircnen, nicht sogleich diese Bestimmungen durchgeführt werden
können, ist wenigstens dahin kräftigst zu wirken, dass die li-
turgische Musik allmählich auf einen besseren Stand zurück-
geführt werde. — III. Der Generalpräses wird Sr. Eminenz
dem Kardinalprotektor jährlich Bericht erstatten über das Wir-
ken und die Fortschritte des Vereines, imd in ähnlicher Weise
die Diöcesanpräsides dem hochwürdigsten Ordinarius." —
Der Cäcilienverein wirkte ungemein wohlthätig auf die
Verbesserung der Kirchenmusik und hat seit seinem Bestehen
Grossartiges geleistet, namentlich durch die Verbreitung der
Grundsätze einer wahren Kirchenmusik. Gegenwärtig hat er
sich nicht bloss in Deutschland, Osterreich und in der Schweiz
allenthalben Bahn gebrochen, sondern hat auch in Amerika grosse
Verbreitung gewonnen. Auch andere Länder besitzen einige
solcher Vereine, und wenn auch nicht überall Bezirks- und
Pfari-vereine gegründet werden können, so haben doch die Grund-
sätze des CäcÜienvereines schon in allen Weltteüen Beachtung
gefunden.
ۊsar (caesura), Einschnitt, ist in der Musik der Punkt,
wo innerhalb einer grösseren Periode eine melodische oder
rhvthmische Phrase von der anderen sich scheidet. Sie geschieht
1 dui'ch kurze Pausen, bald durch eine mittelst eines Punktes
längerte Note, bald durch Gleichartigkeit der Formuherung
je zwei und zwei Takten.
Cambiata nota (ital.) = Wechselnote (s. d).
Campana (lat.), s. Glocke.
Cantabile, sangbar, bezeichnet im allgemeinen eine Stelle,
Iche sich vor anderen figurierten Sätzen durch fassliche,
46 Oantatorium — Cautu3 planus.
leichte und fliessende Melodie auszeichnet; es deutet auch
eine mehr langsame als schnelle Bewegung und fordert eil
fliessenden, zar&ingenden Vortrag.
Cantatoritim , das Gesangbuch, in welchem alle kh*
liehen Gesänge sowohl des Antiphonariums als des Gradu
enthalten sind.
Canticum (lat., franz. Cantique) wird ein Lobgesang,
Hymnus genannt. In dem kirchlichen Offizium sind die d
vorzüglichsten das Canticum Zachariae, der Lobgesang \
Zacharias: „Benedictus Dominus Dens Israel" (Luk. 1, 68), v^
«her in den Landes des Tagesoffiziums und bei dem Begräbnii
Erwachsener gesungen wird; das Canticum Mariae V. „Mi
nificat** (Luk. 1, 46), das in ieder Vesper seine Stelle hat, u
das Canticum Simeonis „Isunc dimittis" (Luk. 2,29) im Co
pletorium und bei der feierlichen Kerzenweihe, resp. Kerz<
Verteilung am Feste Maria Lichtmess. Die ersten zwei L(
ffesänge haben das Eigenttimliche, dass sie im Offizium in feierli
langsamen Tone und jeder Vers mit dem Initium des Psal
tones vorgetragen wird.
Cantilena (lat.), Kantilene. ein liederartiges kleines T(
stück für Gesang; dann auch ein besonders gesangreichi hervi
tretender Teü eines Tonstückes, überhaupt Melodie (Gerbe
Script, I. 35. 107), vgl. Cantabile.
Cantiones (sacrae), geistliche Gesänge, Motetten und s
dere für den Gottesdienst gehörige Gesänge.
Canto (ital.) oder Cantus (lat.), eigentlich: Gesang, bezeic
net als Kunst ausdruck die sonst Diskant oder Sopran benanii
Stimme, welche als die höchste Stimme bei mehrstimmigem G
sänge zumeist die Melodie führt.
Canto fratto (ital. ein gebrochener Gesang), ein Mitteldii
zwischen Cantus planus und Cantus figuratus, einstimmig ^
der Choral, aber in Mensur gebracht; er bedient sich jedocn n
des Tempus imperfectum und benützt keine höherwertigen Not'
als die brevis, wohl aber alle kleineren Noten bis zu Semicroii
{Sechzehntelnote). Er war im siebzehnten Jahrhunderte sch<
bekamst (vergl. Andrea di Modona, Canto harmonico, Modoi
1690) und scheint seinen Ursprung dem unbefriedigenden, ei
förmigen Eindrucke zu verdanken, welchen der Gesang d
Chorals, den man, fast seit dem Emporkommen der Mensun
musik, in gleichlangen Noten vortragen zu müssen glaubt
hervorrief.
Cantus ambro sianns , die Singweise und die Gesäug
welche der heilige Ambrosius, Erzbischof in Mailand, in seiui
Kirche einführte.
Cantus flgnralis oder flgnratus Figuralgesang (s. d.).
Cantns flrrans (ital. canto fermo), ein an eine gewisse Nor]
gebundener, ein unveränderlicher Gesang, wie es der (jregorianiscl
Gesang ist; dann auch eine einfache Melodie überhaupt, zu we
eher nach den Regeln des Kontrapunktes eine oder mehrei
Stimmen gesetzt werden.
Cantns planus (franz. plain^chant) , ist soviel wie Chor a
der Gegensatz zu Cantus figuratus; er erhielt diesen Namen zi
Zeit, als die Mensuralmusik entstand, weil er einfach und fn
Cantus usualis — Charakteristisdr. 47
^ahinschritt, ohne in ein Zeitmass eingeschränkt zu sein. Franko
iron Köln sa^: „In plana 'musiea non attenditur inensura.^ So
fasst auch Garlancto cmtus planus als Gegensatz zu oantus
mensurabilis auf.
Später wendete man für den Choraigesang auch gewisser-
massen eme Art Mensur an, indem man jede Note desselben
fßmch lang vortrug. Schon im dreizehnten Jahrhunderte be^
ofoachteten die französischen Sänger, nach dem Zeugnisse des
Hieronymus von Mähren, bestin^mte Regeln bezüglich der Länge
oder Kürze der Noten bei den Ligaturen, Andrea di Modona
<zu Ende des siebzehnten Jahrhunderts) stellt kurzweg die Vor-
schrift auf: Alle Noten sind gleichwertig; lang nur die erste,
vorletzte und letzte Note; auch «die als longae " vorgeschriebenen
und die gedoppelte Note; kommt eine Semibrevis 4 auf kurzen
Silben vor, so ist die vorhergehende Note um den Wert einer
Semibrevis zu verlängern; kommen mehrere Semibreves in un-
mittelbarer Folge nacheinander, so sind sie als breves anzusehen.
Auch von den notis öbUquis |^ sei Anfang und Ende cön mi-
sura, als gleichwertige breves zu singen.
Cantus usualis, s. Usus.
Cauda (lat.), Schweif, Anhängsel, hiess bei den Mensura-
listen der Strich, mit welchem die Brevis (m) rechts oder links,
mit der Richtung nach oben oder nach unten versehen wurde ;
und wonach der Weiii der Note sich änderte (s. Proprietas und
Mensuralmusik). Auch die Jubilen (s. d.), die melodischen Zu-
sätze und Formeln, Neumen, pneumata, welche bei den Choral-
fesängen oft auf die letzte Sübe oder als Anhängsel an die
Antiphonen gesungen wurden, Messen so (GoussemaKer , Script.
n. m, Gerb. Script. UL 229, Gerb, de Cantu I. 506, IL 184).
C. f., Abkürzung für Cantus firmus.
Cello, abgekürzt für Violoncello (ital.).
Cembalo (ital.), soviel als Klavier.
Cento (lat.), ursprünglich ein Flickwerk, eine Sammlung;
daher heisst das Antipnonarium des heiligen Gregor L auch cento
antiphonarius , weil er in diesem Buche alle Choralgesänge tiir
die neüige Messe gesammelt und zusammengestellt hatte.
Chanterelle nennen die Franzosen die höchste Saite auf
der Violine (die E-Saite oder Quint) und überhaupt auf den mit
Darmsaiten bezogenen Instrumenten.
Charakter (vom griech. xn(*d6(!eiv — schärfen, spitz maclien,
dann einschneiden, einprägen) ist der Inbegriff der eigentümlichen
Merkmale und Eigenschaften eines Dinges oder einer Person,
oder das Gepräjs^., wodurch ein Ding oder eine Person von an-
deren unterschieden ist. Ein Kunstwerk hat Charakter oder ist
charakteristisch, wenn der Künstler ihm durch eine kräftige Dar-
Uung des Grundgedankens ein eigentümliches Gepräge gegeben,
sen Grrundgedanken durch entsprechende Mittel zum Ausdruck
>racht hat. Bei einem musikalischen Kunstwerke geschieht
i durch die passenden Tonformen, durch die Harmonie imd
i Rhythmus, sowie dm'ch die entsprechendsten Tonwerkzeuge.
Charakteristisch ist alles, was durch bestimmte Merkmale
1 von anderen Gegenständen unterscheidet. Man redet darum
48 Ohiavotte — Chor.
in der Musik von charakteristischen Tonen, welche dei
nach die einzigen sind; durch welche eine Tonart von der ander«
'Sich unterscheidet; so z. B. sind in D-dur gegenüber der Tona
C-dur das Fis und Cis die charakteristischen Töne; beztl^li<
der alten Tonaiiien vgl. Kirchentonarten.
Fragt es sich um die Charakteristik der verschieden«
(neueren) Tonarten, so findet sich eine eigentümliche Ve
schiedenheit zwischen Dur und Moll, indem ersteres heiter m
freundlich klingt, letzteres mehr trüb und düster erscheint. W
man einen Unterschied zwischen den einzelnen Tonarten derB<
ben Gattung, z. B. der Tonart C-dur und A-dur, finden, so liej
er nicht in inneren (ästhetischen) Gründen, sondern bloss
äusseren (technischen) oder akustischen, indem etwa bei Geige:
Instrumenten die Tonsätze in den Tonarten, wo viele bedecKi
Töne vorkommen, weniger hell klingen als solche, bei denc
man mehr offene Saiten anwenden kann. Auch mag die höhei
Lage der Töne die Melodie oder Harmonie dünner und einschne
dender klingend gestalten, aber das Wesen, der Charakter wii
dadurch eigentlich nicht berührt, obwohl auch nicht geleugn«
wird, dass all dies als sekundäres Mittel in Anwendung komme
kann. Eine Melodie, welche der wahre Ausdruck der Fröhhc]
keit ist, wird dies bleiben, mag sie in E-dur oder H-dur od<
F-dur spielen. Unsere Tonarten in Dur sowohl als Moll sie
nur Transpositionen der zwei Haup^attun gen C-dur und A-mo]
und bleiben sich in ihrem inneren Wesen, m ihren Verhältnisse
immer gleich. Anders verhält es sich bei den alten oder Kirchei
tonarten (s. diesen Artikel).
Chiavette (ital.), chiavi trasportati, versetzte Schlüssel.
Chor (lat. Chorus^ ital. Coro, franz. Choeur) vom gi'iechische
Worte xo(ioi', welches ursprünglich die Runde, den Rundtanz m
Gesang, später selbst emen Haufen von Sängern und Tänzer
und auch den Tanzplatz bedeutet. Jetzt versteht man daruntc
zunächst eine Veremigung von Personen zum Vortrage eine
Gesangstückes mit oder ohne Instrumentalbegleitung. Je nac
den Bestandteilen, aus denen der Chor zusammengesetzt is
gibt es: einen Männerchor, der aus lauter männliche
Stimmen (Tenor, Bass), Frauen- oder Knabenchor, der nu
aus weiblichen oder Knabenstimmen (Sopran, Alt), ge
mischten Chor, der aus beiden Gattungen, also aus Sopranei
Alten, Tenoren und Bässen besteht. Gewöhnlich versteht ma
unter Chor auch das Musikstück selbst, welches von einer so
chen Vereinigung von Sängern ausgeführt werden und de
Gefühlsausdruck emer Gesamtheit darstellen soll. Teilt sich dies
Gesamtheit in verschiedenen Gefühlsausdruck, so wird dies durc
Doppelchöre, drei-, vierfache Chöre bezweckt. Diese Abte
lung kann aber auch bei Gleichförmigkeit der Stimmen vor
Komponisten zur gi'össeren Entfaltung der musikalischen Kunß
angewendet werden. Je nach der Anzahl der ausführende
Stimmen hat man ein-, zwei-, drei- oder mehrstimmig
Chöre; der Stil kann ein freier oder gebundener sein. Sin
die Chöre mit Instrumentalbegleitung versehen, so kann dies
entweder bloss die Singstimmen verstärke nd oder aue
selbständig sein.
Choral. 49
Da der Chor^esang mehr durch die Massen wirksam ist,
so dürfen die Singstimmen nur mit einfacheren Melodieen bedacht
werden, wogegen die etwa darein verflochtenen Solopartieen in
frösserer Femheit imd kunstreicherer Bildung auftreten können,
ibenso müssen die Textworte, welche einem Chore zu Grimde
liegen, einfach und in gedrängter Kürze einen angemessenen
Gedanken aussprechen, was namentlich bei Fugen von der
^össten Bedeutunf^ ist. — Mit dem Namen Chor bezeichnet
man auclx bei Klavierinstrumenten die- Anzahl gleichgestimmter
Saiten, welche durch eine einzige Taste angeschlagen werden;
weshalb man von einem Pianoforte sagt, es sei z. B. dreichörig,
wenn drei Saiten für einen Ton und einen Hammer bestimmt
sind. Ebenso nennt man bei der Orgel die zu einer Taste ge-
hörigen Pfeifen ein Pfeifenchor, insbesondere bei den Mixturen.
Endlich bezeichnet man mit dem Worte Chor auch den
Raum der Kirche, welcher für die Musik bestimmt ist und wo
sich die Orgel befindet; eigentliche Musikchöre wurden durch
die Einfühiomg der Orgel in* die Kirche notwendig; früher be-
fanden sich die Kirchensänger im Presbyterium, nahe dem Altare,
da sie mit dem Klerus gleichsam Einen Köi'per bildeten. In den
Klöstera ist Chor derjenige Platz, wo das Offizium täglich all-
gemein laut gebetet oder gesungen wird. (Oratorium, Betsaal.)
Choral (lat. Cantus planus, firmus, gregorianus,
franz. Plain-chant, ital. Canto fermo) ist jene Art von Kir-
chenmusik, welche sich einstimmig (unisono) in melodisch ver-
bundenen Haupttönen ohne genau abgemessenes Zeitmass, doch
in jgewissem Rnythmus fortbewegt. („Cantus planus simplex est,
qui simplicibus notis incerti valoris simpliciter est constitu-
tus, cujusmodi est gregorianus.* Tinctoris.) Man nennt ihn
auch gregorianiscnen Gesang, weil der heihge Papst Gre-
for I. der Gr. der eigentliche Begründer desselben ist; um aber
iess zu sein, muss er auch in den Tonarten, die dieser heüige
Papst als die Grundlage der Kirchengesänge aufstellte, geschrie-
ben sein. Gewöhnlich wird er Cantus ecclesiasticus, Kir-
chengesang schlechthin genannt; der Name Cantus grego-
rianus kommt zum erstenmal in dem Traktate Wilhelms von
Hirschau vor. Ein fernerer Name ist römischer Gesang, weü
diese Singweise zu Rom zuerst eingeführt und durch die Be-
mühungen des heiligen Gregor und seiner Nachfolger im ganzen
Abendlande verbreitet ward; besonders wurde m der ersten
Hälfte des Mittelalters dieser Gesang mit diesem Namen als ein von
anderen gebräuchlichen Gesangsweisen, wie dem Ambrosianischen,
dem Gallikanischen Gesänge, sich unterscheidender bezeichnet.
Cantus planus heisst er im Gegensatze zum Cantus figu-
ratus, unter dem Namen Cantus firmus dient er zur Grund-
lage (Tenor) eines kontrapunktisch gearbeiteten mehrstimmigen
istückes. Der Name choralis ward ihm beigelegt, weil er
le Verwendung hauptsächlich bei Abhaltung der Kirchen-
ber, der Offizien, wozu die Geistlichkeit im Chore versammelt
r, fand; dieser Name kam erst in Gebrauch, als die Figural-
sik, welche gewöhnlich solomässig behandelt wurde, sich ein-
bürgert hatte. •
T)er Choral oder gregorianische Gesang ist eine Gesangs-
vornmüller, Lexikon. 4
50 . Choral.
weise rein diatonischen Geschlechtes, welche nämlich durch
zwei und drei ganze Töne mit einem untermischten Halbton,
oder in reinen Quarten und Quinten voranschreitet. Von Inter-
vallen kommen nur die kleme und grosse Sekunde (halber und
ganzer Ton), die kleine und grosse Terz, die reine Quart und
>uint (kleine und grosse Sext) zur Verwendung. Alle grösseren
onschritte kommen so wenig als die verminderten und über-
mässigen Intervalle vor, namentlich ist der sogenannte Tritonus,
die Aufeinanderfolge von drei ganzen Tönen (f-h) (diabolus in
musica) und umgeKehrt die falsche Quin t (h-f) verpönt, und
es müssen diese Intervalle jederzeit aurch Erniedrigung des h
in b zurechtgestellt werden. Als Notenschrift bedient sich
der Choral viereckiger schwarzer Zeichen, Noten (P rankonische
Noten), die sich aus den Neumen herausgebüdet hatten und
manchmal auch sehr voneinander abwichen (s. Noten). Die
jetzt gebräuchlichen Choralnoten sind die longa, lange 1, die
brevis, kurze ■, und die halbkurze, semibrevis #. In Mün-
sterischen und Kölnischen Choralbüchern findet man vorzüglich
nur die longa n^z: und die brevis #; auch noch eine Mittel-
gattung ZT iiz, die weder kurz noch lang ist. Einen absoluten
Wert haben diese Noten (incerti valoris) nicht, sie sind nur im
Verhältnisse zu einander abzumessen. Ob die Noten im allge-
meinen länger oder nicht so lange anzuhalten sind, richtet sich
teils, und zwar vorzüglich nacn dem Silbenmasse des Textes,
teils nach der mehr oder weniger schnellen Bewegung, die man
dem Gesangstücke geben will. Sind zwei Noten übereinander-
stehend durch einen Strich verbunden H^E, so wird die untere
zuerst, dann die obere gesungen ; man nennt sie notae ligatae
und sie finden sich nur in älteren Büchern; häufiger finden sich
die notae obliquae, schiefe Noten ii^ . , wo die obere Note
zuerst, dann die untere, d. h. der Anfang und d^s Ende dieser
gedehnten Notenfigur gesungen wird. Eine Note mit einem
Punkt und Bogen versehen (n. coronata) — — ^ gilt ungefähr
so viel als eine lange und kurze Note mitsammen.
Um die Tonhöhe der Noten erkennbar zu machen, bedient,
sich der CJhoral vier Linien, — anfangs gebrauchte man zwei
farbige Linien, bald nachher vier schwarze, später fünf, was
noch jetzt vielfach in Übung ist; unter, auf oder über diese
Linien werden die Noten gestellt, so dass im ganzen neun Stufen
*7
:_^ : -G-liz±
_4-ii
T^E-^z
sich ergeben.
T
Den Noten kommen besondere Namen zu, man nennt sie
entweder nach der Guidonischen Solmisation ut re mi fa sol la
(denen noch, um der lästigen Mutation überhoben zu sein, die
Silbe si zugefügt wurde), oder mit den Buchstaben des Alpha-
bets c d e f g a h (b).
Choral 51
Um die Noten zu unterscheiden, gleichsam das Geheimnis
der Notation aufznschhdssen , bedient man sich der Schlüssel
<clave8). Es wird dadurch der Name einer Note festgesetzt
und nach dieser alle übrigen bestimmt. Jetzt sind noch zwei
— 5
Schlüsseln in Gebrauch, der c nt Schlüssel ~i und
der F fa Schlüssel i^zü^m sie stehen immer auf, nie zwi-
schen den Linien, und die Noten, welche auf der bleichen Linie
stehen, haben den Namen von ihnen. Zu bemerKen ist, dass
der F Schlüssel nie auf der ersten, sehr selten auf der vierten
Linie steht; ebenso der C Schlüssel nicht auf der ersten Linie.
Manchmal geschieht es, dass die vier Linien flir einen Ge-
sang; von grossem Tonumfange nicht ausreichen, wenn der
Schlüssel auf seiner Stelle verbleiben soll. Für diesen Fall
transponiert man den Schlüssel, d. h. man versetzt ihn um
■eine oder zwei Linien höher oder tiefer, a) oder verwechselt den
C Schlüssel mit dem F Schlüssel; denn Hilfslinien werden nicht
angewendet, ausser es müsste der Gesang den Umfang des Sy-
stems nur um einen Ton überschreiten, d)
a. b.
Zur Erleichterung des Notenlesens ist auch ein eigenes
Zeichen, Kustos, Notenzeiger (s. Beisp. a) ■, | oder '^ im
Gebrauche, wodurch beim Wechsel der Zeilen oder bei Verse-
tzung des Schlüssels die Stelle angezeigt wird, auf welcher in
der folgenden Zeile, oder nach dem versetzten Schlüssel die erste
Note steht.
Ausser diesen kommen noch andere Zeichen in der Choral-
schrift vor: Pausen, Erniedrigungs- und Erhöhungs- oder
Wiederherstellungszeichen. Die Ruhepunkte oder Pau-
sen sind senkrechte Linien oder Striche, welche die vier Linien
des Systems zum Teil oder ganz durchschneiden.
a) b) c) a) Suspirium.
b) Respiratio,
c) Pausa und Finis.
iz th.fzUL I — I I b) Respiratio,
a) dient zur leichteren Übersicht im Lesen und trennt bloss
kurze Abschnitte; früher wurden solche Trennungsstrichlein
(trictae) nach jedem Worte gesetzt; b) der über das ganze System
reichende Strich weist den Sänger zum Atemholen und zum
bsetzen mit der Stimme an. Bei zu langen Sätzen kann man
ich bei kurzem Strichen Atem holen. In neueren Werken steht
jr grosse Strich bloss da, wo ein neuer Satz oder Sinn beginnt.
uoh findet er sich manchmal am Ende jeder Zeile, wenn auch
iine Pause stattfinden soll, c) Der doppelte Strich steht am
nde eines Gesanges oder bei einem Hauptabsatze , in welch
tzterem Falle eine grössere Pause zu halten ist.
4*
52 Choral.
Erniedrigungszeichen ist das B-moll ("7 5), welches
beim Tritonus (f— h) zur Anwendung kommt, da die Übermässige
Quart f— h verboten ist und in die reine Quart (f— h) verwandelt
werden muss (auch absteigend statt h— f wird b— ^- Bisweilen
steht dies Zeichen gleich nach dem Schlüssel am Anfange der
Zeile und gilt für alle darin vorkommenden Noten h (wesent-
liches B-moll); bisweilen steht es im Laufe des Stückes links
vor der Note h oder der Figur, in welcher h verbunden vor-
kommt, und gilt nur für diese Note allein (zufälliges, acci-
dentelles B-moll). Das B-quadrat 2 hebt die vorangegan-
gene Erniedrigung (b) wieder auf, und ist darum Auflösungs-
oder Wiederherstellungszeichen. Ist kein {? vorausgegangen,,
so steht dies B-quadrat nur als Merkzeichen, um den Sänger
aufmerksam zu machen , nicht b zu singen , wozu er etwa ver-
sucht sein könnte. In einigen älteren Choralbüchern wird ^
fälschlich als t^ gesetzt; es ist nur ein verunstaltetes S (!^)- —
Das Erhöhungszeichen <, Doppelkreuz, von einigen auch
B-cancellatum, gegittertes B genannt, das sich in einigen
Choralbüchern findet, ist dem eigentlichen diatonischen Tonsystem
des Chorals fremd; es wurde angewendet, um den Leitton der
grossen Septime herzustellen, im ersten Tone z. B. das untere c
vor dem Finalton d in eis zu verwandeln, des Wohlklanges,
wegen. Es konnte aber nirgends als in Hauptkadenzen (eis d,
fis g, gis a) zugelassen werden, ohne zerstörend auf das ganze
Tonsystem einzuwirken; nur in dieser Weise hat es seine Ver-
teidiger seit Jahrhunderten gefunden, nunmehr hat man e&
wieoer abgeworfen. Diese Erhöhung, Di^sis, wurde aus der
Figuralmusik herübergenommen und dr^gte sich auf, als die
Harmonie sich ausbildete und der Choral mit der Orgel begleitet
zu werden anfing. Bezüglich der Tonarten, in welchen der
Choral sich bewegt, s. d. Art. Kirchentonarten.
Der Chor algesang ist ein einstimmiger Gesang, doch
hat man nach und nach angefangen, wo Orgeln vorhanden
waren, ihn mit der Orgel zu begleiten; so war es in den Klö-
stern und Stiften bei den Konvent- und Stiftsgottesdiensten,
wenigstens in Deutschland. Seit der Säkularisation derselben
1803 hat dies aufgehört und der Choral war seitdem in Deutsch-
land von den Kircnenmusikchören fast ganz verschwunden. Nur
in einigen Städten, wo ehemals geistlicne Stifte waren, wurden
noch Jahrtage, Anniversarien, als sogenannte Choralämter
gehalten, bei denen ein oder zwei Choralisten den Choral ohne
egleitung absangen. In neuerer Zeit greift man wieder zu dem
altehrwürdigen Cmoral zurück; vorzügfich ist dies der Thätigkeit
des Cäcilienvereines zu verdanken, nachdem schon vorher meh-
rere kirchliche Obere sich, leider mit geringem Erfolge, darum
bemüht hatten. Apathie hatte man anfänglich dagegen, weil
die richtige Vortragsweise des Chorals fast ganz verloren ge-
gangen war und man ihn, Note für Note gleichwertig^ vortrug,
statt ihn als einen taktfreien Gesang zu beriandeln gleich einem
Recitative. Um ihn gehörig vorzutragen, gehören nicht bloss
technische Fertigkeit, Kenntnis seiner Regeln und eine einiger-
mässen kultivierte Stimme, sondern vielmehr noch Frömmigkeit
^»■•T
•f
, Choral. 53
und gesunder Sinn; noch mehr unterstützt Verständnis der latei-
nischen Sprache und kirchlichen Liturgie. Hier handelt es sich
nicht um fingierte Affekte und Gefühle, wie bei den Bühnen-
künstlern, sondern um Wahrheit der Gefühle und Affekte.
WoUersheim legt den Kirohensängern überhaupt ans Herzj drei
Stücke nicht zu vergessen: dass sie zur Ehre Gottes smgen,
dass- sie zu ihrer und der anderen Gläubigen Erbauung singen,
dass sie im Hause Gottes singen. Sie müssen ihren Gesang
als ein Gebet betrachten; dann werden .sie auch andere For-
derungen an ihren Gesang erfüllen, als: Übereinstimmimg der
Stimnien und Unterordnung unter den Rector chori, Vermeidung
aller Übereüung und alles Drängens, Modulation der Stimme im
Stärkegrad, Unterlassen des Sonreiens, des Herausstossens und
Brechens der Töne , Fernhaltens aller Schnörkel und künstlichen,
die Eitelkeit zeichnenden Zuthaten, sowie der Sucht, vor anderen
gehört zu werden; sie werden sich bemühen, den Text richtig
zu sprechen, zu betonen und unterzulegen, und. werden auch in
der ganzen Haltung des Körpers, in Gebärde und Miene, im
fanzen Benehmen das vermeiden, was der Andacht und Würde
es Gottesdienstes und der Heiligkeit des Oi-tes nicht entspricht.
Die besten neuesten Chorallehrbücher sind: Magister choralis,
von F. X. Haberl, 7. Aufl. Regensburg F. Pustet; Choralschule
von P. Ambros Kienle, Freiburg bei Herder 1884; besonders
hervorragend: Les m^lodies grögoriennes d'apr^s la tradition,
par Dom. Jos. Pothier, 1880, Tournay. Ins Deutsche übersetzt
von P. Ambros Kienle, 1881, Freiburg, Herder.
Obwohl der Choralgesang, gut vorgetragen, auch ohne
Begleitung seinen Zweck vollkommen erjfullen kann, so liebt
man es doch, ihn öfter mit der Orgel zu begleiten. Aber
«ine solche Begleitung hat auch ihre eigentümliche Seite: die
Hannonisierung des Chorals kann nur auf Grundlage des Ton-
systems richtig geschehen, in welchem der Choral selbst kom-
poniert ist, d. h. nach dem Systeme der (alten Kirchentonarten,
welche durchaus diatonisch sind und von ^der modernen Schluss-
weise meist ganz abweichen. Choräle richtig zu harmonisieren
ist immerhin eine schwierige Aufgabe, da sie ohne Harmonie
fedacht und erfunden sind und durch Überhäufung mit Accorden
er Aufschwung und das raschere Dahinschreiten der Melodie,
namentlich bei notenreicheren Figuren, leicht gehemmt werden
kann. Das ist eine unverbrüchBche Regel, dass wegen der
Harmonie kein einziger Ton der Melodie geändert werden darf.
Es sind gegenwärtig (bei Beobachtung der ebengenannten Regel)
drei Arten der Harmonisierung in Übung: die einen gestalten
die Begleitung rein diatonisch mit Ausschluss jeder Diesis und
«eben jeder Note einen Accord (L. Schneider, Van Damme);
''•" anderen lassen sparsam chromatische Töne, so bei Kadenzen
(Mettenleiter, Oberhoffer); die dritten lassen ebenfalls die
is in der Begleitung zu, geben aber manchen Figuren nur
3 n Accord , um dem Gesänge möglichste Freiheit zu gestat-
in dieser, jedenfalls vollkommensten Weise sind die Choral-
eitungen: Organum concomitans ad Ordinarium Missae, von
C. Witt und Organum concomitans ad Graduale et Vesperale
inum, von Jos. Hanisch und F. X. Haberl (beide Werke bei
■54 Choralbücher — Chordh-ektor.
F. Pustet in Regensburg verlegt) gehalten. Bemerkenswert
auch: „Die Harmonisierung des Gregorianischen Choralgesange
Von P. Schmetz, 1886 (Düsseldorf, L. Schwann).
Choralbücher sind jene Bücher, in welchen die für (
kirchlichen Verrichtungen notwendigen und bestimmten Chor
fesänge gesammelt und enthalten smd. Nach ihrer Bestimmui
aben sie verschiedene Namen: Antiphonarium, Graduale, Vesj
rale, Processionale (s. d.). Sämtliche Choralbücher wurden S(
dem Jahre 1870 einer Recension unterworfen, vom apostolisch
Stuhle autorisiert und als offizielle Choralbücher (typische Ai
gäbe) durch F. Pustet in Regensburg gedruckt.
Choralisten, eigens besoldete Laiensänger, welche an Doi
und Stiftskirchen angestellt sind, um die Geistlichkeit im C\u
gebete oder vielmehr im Chorgesange zu unterstützen.
Choraliter. Dieses Wort wira gebraucht, um anzudeute
dass entweder für einen Gottesdienst der Cantus Gregorian
als Musik angewendet wird, oder dass ein Text einstimmig ui
nach Art des Chorales komponiert ist. Choraliter lege
(choralmässig lesen) bezieht sich auf den Singleseton der E\'a
gehen, Lektionen, Prophetien und anderer kircnlicher Lesestück
Chor-anla (aula chori) hiess der an den Dom- und Stift
kirchen zum Unterrichte der Chorknaben im Gesänge eingeric
tete Saal.
Ohoraulen hiessen die an den Dom- und Kollegiatsstift
kirchen angestellten Chorknaben. Diese lebten in eigenen I
stituten (s. kirchliche Sing schulen) beisammen unter d
Aufsicht und Leitung des Chordirektors, welcher auch d(
Unterricht im Gesänge zu besorgen hatte. Ausserdem wurde
sie noch in den übrigen Gegenständen der an den Stiften ur
Abteien regelmässig organisierten Dom- und Klosterschuh
unterwiesen. Manchmal wurden mit diesen Instituten Knabe
seminarien in Verbindung gebracht, oder doch die geeignete
Scholaren der letzteren als Choraulen unterhalten und verwende
Chorda (lat.), die Saite, auch davon genannt der Ton selbs
Chordirektor, Chordirigent, Chorregent, rege?i8 cho
u. dgl. ist diejenige Person, welche für die Musik des Kirche:
Chores zu sorgen und sie zu leiten hat (s. Kantor). In Fran
reich hiessen sie auch Musikmeister, mattre de musieju
Der Name Kapellmeister, maitre de chapelle, ist jüngere
Ursprunges ; er wurde wohl zuerst im fünfzehnten oder sechzehi
ten Jahrnunderte dem Vorsteher des päpstlichen Sängerchon
fegeben, da 1545, als nach dem Brande eier Archive, wobei d
atzungen dieses Chores mit verbrannt waren ^ die Konstitutif
und die alten Satzungen erneuert und erweitert wurden, d(
Vorsteher der Sänger „Magister capellae" benannt wir
Von da scheint sich dieser Name an den Höfen der Fürste
welche für ihre Privatkapellen und ihr Privatvergnügen sie
Sänger und Musiker anstellten, eingebürgert und nacliderhai
auf alle Vorsteher der Musike;höre an den Dom- und vStiftski
chen übergegangen zu sein.
Die Erfordernisse und Pflichten eines kirchlichen Musil
Vorstehers, mag er nun einen Titel führen, ' welchen en* wi
mögen folgende sein:
Chordometer — Chorkl^idung. 55
1) Er sei Katholik und zwar ein getreues Kind sei-
ner heiligen Kirche, durchdi'ungen von ihrem Geiste, rait-
lebend mit ihrem Sinne, begeistert für ihre Ehre und Verherr-
lichung, unsträflich in seinem Lebenswandel. Überdies besitze
er hinreichende Kenntnis der liturgischen Vorschrif-
ten, die auf die Dienstleistungen und das Verhalten des Chores
Bezug haben; verstehe vollkommen den Geist, der in den ein-
zelnen Ceremonien und gottesdienstlichen Handlungen waltet
und durch die Musik verdolmetscht werden soll. Er ver-
gesse nie diel Unterordnung unter die geistlichen Kir-
chenvorstände.
2) Er besitze hinreichende praktische Musikkennt-
nisse und Fertigkeiten; unerlässlich ist die Kenntnis der
Gesangkunst und der Orgel; dass er auch einigenteils mit
den Instrumenten, die etwa zur Anwendung kommen, vertraut
sei bezüglich ihres Charakters und Wesens, wenn er sie auch
nicht spielen kann, bedarf kaum einer Erwähnung.
3) Ein guter Musikdirigent ohne tiefere theore-
tischeMusikbildung ist undenkbar; diese ist ihm notwendig
Äur Einsicht in die ganze Konstruktion der aufzuführenden Werke,
^vodurch erst eine genaue und sichere Einübung und Produktion
derselben ermöglicht wird; ist notwendig zur Erfassung des
Geistes, der in oer Komposition ruht. Die Geschichte der Kirchen-
musik darf ihm nicht fremd sein. Er bilde seinen Geschmack
und ignoriere deshalb noch nicht die profanen Meisterwerke
eines Mozart, Bethoven etc. Hierzu mu6s eine allgjemeine
Bildung sich gesellen, ohne sie bleibt ihm vieles unaufgeschlos-,
sen; sie hilft ihm, erst wahrhaft die heilige Tonkunst zu wür-
digen und ihre Geheinmisse zu enträtseln.
4) Er sehe sich um gute kirchliche Musikstücke um,
studiere die besten, hole sich Belehrung bei Männern, die ihm
Aufschluss geben können, eigne sich so die Wissenschaft über
heilige Musik an, verbanne alle leichtfertige und seichte
Musik von s(^inem Chore, wenn solche bisher Platz gefunden;
verpöne alle Ärgernisse, die so häufig den Chor entweihen
unu suche seinem Chore die kirchliche Würde zu wahren; er
lasse sich von dem verdorbenen Geschmacke des „Publikums"
nicht am Gängelbande führen.
Kurz, er betrachte sein Amt als ein heiliges, seine
Pflichten als hochwichtige, — sie betreffen den Dienst
Gottes, die Erbauung der Gläubigen, die Verherrlichung
der Kirche.
Chordometer, s. Bezug.
Chorkleidnng. Nach dem Ordo romanus I. und H. trugen
die Subdiakonen der schola cantorum die Planeta — das nach
allen Seiten geschlossene Messgewand, welches sie bei Beginn
'8 Gesanges vorne in die Höhe hoben. Ums zwölfte Jahrhun-
rt war die Kleidung der Sänger die sogenannte cappa, eine
•t Mantel mit Ärmeln und einer Kapuze, welcher vorne offen
ar, bis auf die Füsse reichte, mit Fransen besetzt und von
eissen Linnen war. Den Kopf bedeckten sie mit einem Hute,
A den Händen trugen sie, oder doch wenigstens der Vorsänger,
*inen, manchmal von Süber gefertigten oder sonst geschmückten
'^
56 ^ühorsänger — Chronometer.
Stab (virga regia). Doch war es nicht tiberall gleioh, in manchen
Gegenden waren die Kapuzen, als den Mönchen gehörig, ver-
boten. In den Klöstern war es Vorschrift, dass die Cantores
ihren Kirchendienst in der cappa-cuculla, einem mantelarti-
fen Kleide, welches bei den verschiedenen Orden verschiedene
'arbe, weiss oder schwarz hatte, vom 15. September bis zum
Karsamstag, und in weissen Chorhemden, superpelliceis,
vom Karsamsta^ bis 15. September verrichten, ausgenommen an
Vigilien und bei Totenoffizien, denen sie in ihrer gewöhnlichen
klösterlichen Kleidung beiwohnten. Im allgemeinen ward immer
gefordert, dass die chori ministri, Sänger, Choralisten,
m klerikaler Kleidung und mit einem Chorrocke — auch die
Singknaben — im Chore erscheinen. So bestimmt eine Synode
von Antwerpen 1576 den Gebrauch von Chorröcken in den Land-
kirchen aucn für die Schuljugend, welche zum Chorgesange
herangebildet wurde. Gleiches verlangten Augsburger Synodal-
dekrete (1610) und überdies, dass die Sanger womöglich Kleriker
seien. So ist es- auch jetzt noch Gebrauch — leider nur bei
wenigen Anlässen — , dass die Sänger in Chorröcken ihren Dienst
leisten. ..Die Chorröeke aber seien gebührend lang, mit weiten,
kurzen Ärmeln versehen; schwarze oder blaue Kragen sind nicht
Vorschrift. In Frankreich vollführen die Zöglinge der Knaben-
seminare an einigen Kirchen den Gesang in weissen Alben, mit
roten Cingulen und gleichfarbigen Birreten.
Chorsänger werden diejenigen jgenannt, welche überhaupt
auf dem Kirchenchore mit ihrer Stimme mitzuwirken haben,
dann auch solche, welche sich nicht an den Solopjartieen betei-
ligen, sondern bloss im Chor, d. d. beim Tutti mitsingen.
Chroma (griech. jir(»o>/*a, Farbe), war schon bei den Grie-
chen terminus technicus für Modulation. Chromatisches Ge-
schlecht, s. griechische Musik. — Chromatische Töne
nennt man im neueren Tonsysteme alle, von den ursprünglichen
Tonstufen c d e f g a h hergeleiteten und aus diesen durch
Erhöhung oder Erniedrigung entstandenen Töne, z. B. von c — eis
oder ces, von g — gis oder ges. Die dabei gebrauchten Anhäng-
silben (es, is, eses, Isis) werden daher auch chromatische
Silben jgenannt. Eine melodische Tonfolge mit eingemischten
chromatischen Tönen, aufwärts mit Erhöhungen (c, eis, d, dis,
e, f, fis, g, gis, a, ais, h, o) und abwärts mit Erniedrigungen
(c, h, b, a, as, g, ges, f, e, es, d, des, c) wird auch chromatische
Tonleiter geheissen.
Chronometer, Zeit- oder Taktmesser. Da die verschie-
denen Noten, Pausen u. dgl., sowie die Tempobezeichnungen keine
absolute Dauer der Zeit angeben, sondern erstere nur bedeuten,
dass z. B. die Viertel-, Achtelnoten oder Pausen den vierten oder
achten Teil der Zeitdauer von einer Einheit, von der ganzen
Note oder Pause haben , aber noch keineswegs bestimmt ist,
welche Zeitdauer dieser Einheit zukommt, — letztere, die Tempo-
bezeichnungen nur im allgemeinen auf die schnellere oder lang-
samere Bewegung hinweisen, so suchten sinnige Köpfe ein
absolutes Bewegungsmass herzustellen, welches ganz genau die
Dauer einer solchen Noteneinheit angäbe, wie sie der Komponist
gedacht und angenommen hat. Unter vielen zu diesem Zwecke
Chronometer. 57
ersoniienen Instinimenten erwies sich das Metronom, welches
der Hofmechanikus Mätzel in Wien konstruierte, als das voll-
kommenste. Die Maschine besteht aus einem durch ein Räder-
werk in Bewepunff gesetzten, aufrecht stehenden Pendel, der
vor einer Graatafel schwingt und dessen Bewegung durch ein
verschiebbar ap ihm angebrachtes Bleigewicht in verschiedenen
Graden beschleunigt oder verzögert werden kann. Der Kom-
ponist sucht nun cien Grad auf, auf den gestellt, der Pendel das
Zeitmass einer ganzen, halben, Viertel- u. s. w. Note angibt, wie
•er dasselbe für seine Komposition gedacht hat oder wünscht,
und verzeichnet diesen Grad mit beigesetzter Note am Anfange
des Stückes. So deutet beispielsweise M-M (Mälzls Metronom)
oder Mlzl (Mälzl) oder M (Metronom) ^ = 50 an, dass eine halbe
Note so lange dauern soll, als ein Pendelschlag, wenn das regu-
lierende Gewicht auf 50 (die Gradtafel geht von 50 bis 160) steht.
G. Weber hat ein weniger kostspieliges, eigentlich sehr
wohlfeiles Instrument angefertigt, das jeder sich selbst in kür-
zester Zeit anfertigen kann. Es besteht in einem einfachen, mit
einem kleinen Gewichte (z. B. einer Bleikugel) beschwerten Faden
von bestimmter Länge, der an einem finde gehalten und am
Gewichte durch einen massigen Stoss in Bewegung gesetzt wird.
Je kürzer der Faden ist, desto schneller schwingt der Pendel,
je länger, desto langsamer. Teilt man den Faden nach Zollen
ein und bemerkt sie daran, so kann man wie am Metronom, mit
ihm das Zeitmass sehr genau bemessen. Eine vergleichende
Tafel des Metronom mit Webers Fadenpendel stellt sich
also dar:
Mälzl.
Weber.
Mälzl.
Weber.
Mälzl.
Weber.
Ifetronom. Rheinland.
Metronom.
Rheinland.
Metronom.
Rheinland
Zoll.
Zoll.
Zoll.
50
= 55
76
= 24
116
= 10
52
= 50
: 80
--. 21
120
= 9
54
= 47
! 84
= 19
126
= 8
56
= 44
88
= 18
132
- 7'/,
58
= 41
92
= 16
138
= 7
60
= 38
! 96
-= 15
144
= 6'A
63
_. 34
100
= 14
152
=- 6
66
= 31
104
= 13
160
= 5
69
= 29
108
- 12
72 = 26 ! 112 = 11 I
Bei Anwendung der Metronomen vergesse man nicht, dass
sie nur ein Fingerzeig für die Auffassung vonseiten des Kom-
ponisten ist; jeder tüchtig gebildete Musikdirektor wird durch
Studium und Eindringen in den Geist der Komposition den Grad
Bewegung am sichersten erkennen; überdies kann es Um-
nde geben, welche eine Abweichung von der metronomischen
rzeichnung fordern, insofern nämlich die grössere Tonmasse,
man zur Produktion verwenden kann, oder ein grösseres
tal mindere Schnelligkeit des Tempo gebieten ; auch die jedes-
lige Sthnmung des Musikers wii'd ihren Einfluss auf die Auf-
sung des StücKes äussern, so dass wir bei erregterer Stimmung
58 Cirus — CoUecta.
das Tonstüok lebhafter als bei ruhiger Gemütsstimmung vor-
tragen werden.
Cirus, Cirenlns, Circumflexns, diejenige melodische Figur^
bei welcher die Stimme nach einer kleinen Abweichung wieder
in denselben Ton zurückkehrt, z. B. cdc, che, gagfg.
(Hucbald.)
Clarinette, Clarinetto, ein gewöhnlich aus Buchsbaum
oder Ebenholz gefertigtes Blasinstrument, das der Oboe ähnlich
ist, nur dass sem Mundstück nicht wie bei dieser aus zwei Blät-
tern, sondern aus einem einzigen schnabelförmigen Stücke mit
einem unten angefügten Blättchen von spanischem Rohrholze
besteht. Ausser dem Mundstück (die Birne genannt) besteht
es aus zwei Mittelstücken, an welchen die Tonlöcher und
Klappen angebracht sind, und an diese schliesst sich unten der
Schalltrichter, Becher oder Stürze, an. Die Clarinette hat
einen vollen, kräftigen, aber weniger scharfen Ton als die Oboe;
in den unteren Regionen jedoch klingt er dumpf, dunkel und
dick, in den höheren sehr hell, in den höchsten aber scharf
schneidend, am schönsten voll und weich in den Mitteltönen.
Der Umfang des Instrumentes beträgt überhaupt vier Oktaven,
vom kleinen c bis zum dreigestrichenen a. Um es möglich zu
machen, aus allen Tonarten bequem und rein spielen zu können,
bedient man sich verschieden stimmender Clarinetten; die ge-
bräuchlichsten sind die C-, B- und A-Clarinette , von denen die
erste ihre Töne gibt, wie sie notiert sind; die B-Clarinette klingt
um einen ganzen Ton, die A-Clarinette um eine kleine Terz
tiefer, als die Notierung zeigt. Für das Orchester ist dieses
Instrument von Wichtigkeit ; auch als Soloinstrument ist es eines
der glänzendsten und ausdruckvollsten, da es alle möglichen
Passagen und grosse Modifizierung des Tones gestattet. — Er-
funden ward die Clarinette von dem Flötenmacher J. Christian
Denner in Nürnberg um 1690; zu allgemeinerem Gebrauche
kam sie erst später. Anfangs hatte sie nur die sieben Tonlöcher
und zwei Klappen; im Lauie der Zeit erfuhr sie viele Verbes-
serungen, namentlich wurde die Zahl der Klappen vermehrt,
welche der berühmte Clarinettist Iwan Müller bis auf dreizehn
brachte. Um ihre Verbesserung sammelten sich noch Verdienste
der Hofmusikus Stadler in Wien (1801), Jansen in Paris,
J. Ziegler in Wien, Friedrich Czermak in Prag u. a.
Clariiio, s. Trompete.
Clausula (lat.), s. Kadenz.
Clavis, franz. clef, deutsch Schlüssel, bedeutet 1) Taste
an den Klavieren, Orgeln; 2) den Balken in der Orgel zum Auf-
ziehen der Bälge; 3) in älteren Lehrbüchern das Zeichen, wel-
ches wir jetzt Schlüssel nennen ; auch die Note selbst wird so
genannt, z. B. der Clavis C die Note, der Ton C.
Cliviö, Oinis, s. Neumen.
Collecta (lat.), heisst das Gebet, die Oration, welche der
Priester nach dem (iloria der heiligen Messe, oder wenn dieses
ausfällt, nach dem Kyrie betet oder singt und mit dem Segens-
spruch: „Dominus vobiscum" einleitet. An sie schliessen sich
oft je nach der Gattung des Festes, oder wenn Commemora-
tionen von Heiligen stattfinden, noch eine oder mehrere Orationen
Colon — Completorium. 59
an. Die Gesangsweise dieser Orationen wird CoUectenton
genannt (e. Oration).
Colon, s. Distinctio.
Color flat.), Farbe. 1) Guido benutzte farbige Linien statt
der Schlüsselbuchstaben oder Schlüsselzeichen una zeichnete die
F-Linie mit roter, die C-Linie mit gelber Farbe. Die Mensuralisten
bedienten sich auch roter Noten, um eine gegenteilige Mensur
(perfekt oder imperfekt) anzudeuten, oder anzuzeigen, dass die
betreffenden Noten um eine Oktav höher jaresungen werden, oder
auch um den Cantus firmus zu unterscheiden. Als im fünfzehn-
ten Jahrhunderte die weisse (leere) Note höherwertig als die
schwarze (mit ausgefülltem Kopfe) angenommen wurde, verstand
man unter color die letztere Art Noten ((jlarean). 2) Color
nennt Marchettus von Padua auch die sogenannte musica ficta,
die Einfügung chromatischer Halbtöne (coTores ad pulcritudinem
oonsonantiarum, Gerb. III, 74. 135). 3) s. v. wie Verzierungen,
Passagen u. dgl. Die Sänger, auch der älteren Zeit, Hessen es
sich nicht nehmen, die melodische Führung der Stimmen durch
sogenannte Diminution oder Fraktion, d. i. Auflösung grösserer
Noten quantitäten in kolorierende Figuration verschönern zu
wollen, so dass schon Josquin de Pres sich darüber beklagt.
Hieronvmus von Mähren beschreibt in seinem Tractatus de Musica
(dreizehntes Jahrhundert) die Koloraturen (flores), deren sich die
französischen Sänger beim Choralgesange bedienten. Um der
verkehrten Anwendung zu begegnen, setzten später die Meister die
gewünschten Koloraturen in ihre Kompositionen teilweise selbst
ein; ausserdem aber gab man gute Anweisungen, um durch
Kolorieren einen Gesang zu einem eleganten und zierlichen zu
machen, wie es z. B. A. Petit-Coclicus , Prätorius thaten. Der
Contrapunctus floridus ist nichts anderes, als eine bescheidene
und vernünftige Anwendung des Kolorierens auf die Komposition.
Im Grunde genommen sind auch die Ligaturen und Neumen
(Jubilen) des Gregorianischen Chorals nichts anderes, als Kolo-
raturen, welche aie einfache Melodie geschmeidiger, biegsamer
und .schmuckvoller machen. In der Epoche der grossen Arie
(siebzehntes und achtzehntes Jahrhundert) ward die Koloratur
aufs höchste getrieben, wie sie sich in Arien von Händel, Jo-
melli, selbst noch von Mozart und Haydn findet. Jetzt ist sie
fast ganz zurückgedrängt.
Comes, s. Fuge.
Commissiira , bedeutete ehemals eine Tonverbindung , bei
Tvelcher zwischen zwei konsonierende Töne eine Dissonanz und
zwar eine aus dem nächstliegenden Intervalle eingeschoben
wurde. Geschah dies auf dem guten Taktteil, so hiess sie
commissura directa, auf dem schlechten Taktteü — com-
«lissura cadens.
Coinmnnio, s. Messe.
Coraplementnm intervalli wird die Quantität oder Inter-
aUengrösse genannt, welche einem Intervalle zur Ergänzung
er Oktave fetilt und die Umkehrung bildet.
Completorium (die Vollendung), der Schluss des kirch-
ichen Tagesoffiziums , auch Completa oder Complendae
Tüher genannt, ist gleichsam das priesterliche Abendgebet.
60 Con — Copula.
Ursprünglich galt die Vesper als Abendoffizium; das Comple-
torium ist erst eine Schöpfung des heiligen Benedikt und^ er
bestimmte hiefür den 4, 90. und 133. Psalm, wie es im Bene-
diktinerbrevier noch jetzt sich findet; im neunten Jahrhunderte
kam ein Teil des 30. Psalmes hinzu, sowie der Lobgesang Si-
meons „Nunc dimittis" mit einer eigenen Antiphon, worauf noch
Gebete (jetzt eine einzige Oration) folgte. &u den Zeiten des
heüigen Gregor I. wurde die Komplet nicht in der Kirche , son-
dern in den Dormitorien von den Mönchen gebetet, und zwar
gleich nach dem Nachtessen. Nach den letzten Versen begaben
sich alle zur Ruhe. — Die (drei oder) vier Psalmen, welche im
römischen Brevier eine Antiphon haben, werden im achten Psalm-
tone gesungen; das „Nunc dimittis" aber im dritten Tone. Das
Completorium bleibt sich stets gleich, mit Ausnahme der Gebete
(Preces), welche an den festis semidupl., simplic. und an den
Feriis eingeschoben werden. An die Oration und die folgenden
zwei Versikel und Responsorien nebst Benediktion reiht sich
unmittelbar die der Zeit nach treffende marianische Antiphon.
Con, ital. , mit; z. B. con fuoco oder brio = mit Feuer;
con espressione = mit Ausdruck; con moto = mit Bewegung;
con Sordino = mit dem Dämpfer; con spirito = mit Geist. — In
Zusammensetzung mit dem Artikel erscheint col, coli', colla,
cogli, z. B. ooir arco (auch bloss aroo) == mit dem Bogen; coli'
ottava = mit der Oktave zu begleiten; colla i)arte ^ mit der Haupt-
atimme, d. h. dass die Begleitung sich im Tempo nach der melome-
führenden Hauptstimme richten soll.
Concentus, das Zusammensingen, Zusammenklingen, die
Übereinstimmung mehrerer Stimmen, sei es durch Unisonogesang
vieler Stimmen, oder in Oktaven, oder in Quinten und Quarten,
wie zu Hucbalds Zeiten, oder sei es in ordentlicher Harmonie,
wie heutzutage, wo dieses Woiii so viel sagen will als Accord
(s. Accentus eccles.).
Concordantia , bei den alten Theoretikern soviel als
Konsonanz.
Condnctus, eine der ältesten mehrstimmigen Kompositions-
formen, wobei der Tenor (cantus firmus) nicht aus dem Gre-
forianischen Choral genommen, sondern freie Erfindung des
onsetzers war (FranKO), und sich wohl auch freier bewegte.
C4»ndukten sind enge Röhren, welche den Orgelpfeifen,
welche nicht unmittelbar über der Windlade stehen, den Wind
zuführen.
Conjunetivum hiess in der antiken Musik und bei den
aus Boethius schöpfenden Theoretikern das dritte Tetrachord
des Tonsystems, insofern es mit dem letzten Tone des zweiten
Tetrachordes anfing; der gi*iechisohe Name ist synemmenon.
Conjunctio (Synaphe), bedeutet also den Zusammenhang zweier
verbundener Tetracnorde (s. Griech. Musik). Hierauf gründet
sich auch die alte Benennung conjunctiva (nota) für die ao-
cidentelle Erhöhung oder Erniedrigung eines Tones. — Con-
junctio nannten alte Tonlehrer, wie Marchettus de Padua, auch
die Intervalle, als die Verbindung der einzelnen Töne.
Continuo, s. Basso continuo.
Copula (lat.), Band, Verbindung, bedeutet 1) eine Vorrich-
Corno — Dämpfer. 61
tune an der Orgel, wodurch mehrere Manuale oder diese mit dem
Pedal verbunden werden können (Manual-, Pedalkoppel). 2J Göpel
oder Koppel ist der Name einer achtfüssigen Labialstimme in
der OrgeL 3) Copula war auch eine der ältesten zwei- oder
dreistimmigen Kompositionsform, wobei eine oder zwei Stimmen
in fortgesetzten Ligaturen von z^wei Noten bei schneller Aus-
führung sich bewegten (Franko, W. Odington).
Corno (ital.), s. Hörn.
Corpus (Körper) nennen die Instrumentenmacher den Ka-
sten bei Klavier-, Geigen- und Lauteninstrumenten.
Credo, s. Messe.
Crescendo (s. Vortragszeichen), abgekürzt er esc,
wachsend, zunehmend, bedeutet, dass die Stärke des Tones oder
einer Reihe von Tönen anwachsen, zunehmen soll. Bei längeren
Reihen wird das Wort in Silben auseinander gedehnt gesetzt;
bei kurzen Stellen bedient man sich auch des 2ßichens i=d>
Cylindergebläse, s. OrgeL
Cymbalnm, ein im Mittelalter gebräuchliches Instrument,
welches mit vielen Glöcklein besetzt war. Gerbert führt in den
Script, einige alte Anweisungen an, solche Glöcklein nach den
Tönen der C)ktave herzustellen.
D.
D — die zweite Stufe der modernen diatonischen Tonreihe^
in der Solmisation und bei den Franzosen und Italienern heisst
sie Re.
Da eapo (ital.), vom Anfange an, bedeutet die Wieder-
holung eines Satzes bis zu einer mit „Fine** bezeichneten Stelle,
daher auch „Da capo al Fine**. Die Wiederholung eines Satzes,
welche in den früheren Arien stereotyp war, findet sich zuerst
in den Opern von Alessandro Scarlatti (1693).
Dainenisation. s. So If egg io.
Dämpfer, ital. Sordino, franz. Sourdine, ist eine me-
chanische Vorrichtung, um den Ton musikalischer Instrumente
weicher oder schwäciier zu machen. Bei Geigeninstrumenten
besteht er aus einem kleinen dreizackigen Kamme aus Holz,
Elfenbein oder Metall, dessen gespaltene Zacken auf den oberen
Teil des Steges gesteckt werden, ohne dass sie die Saiten berüh-
ren; der Dämpfer muss ganz genau auf den Steg passen, damit
der Ton nicht schnarrend und ungleich werde. Bei Blasinstru-
menten besteht er aus einem gut abgedrehten Stückchen Holz
(fflr die Trompete), oder aus einer mit Tuch überzogenen hohlen
^el von Pappe, welche Vorrichtungen in den Schalltrichter
3hoben weroen. Bei Klavierinstrumenten bringt ein mit Tuch
r feiner Wolle belegter Körper, welcher auf die Saite fällt, so-
1 der Finger von der Taste gehoben wird, die Dämpfung hervor.
Bei Geigen- und Blasinstrumenten wird der Gebrauch des
npfers durch „con Sordino", die Entfernung desselben durch
nza Sordino" angezeigt.
62 Dasian-Notierung — Deklamation.
Dasian-Notiernng ist die eigentümliche Tonzeichenschrii
deren sich ein von Gerbert unter dein Namen Hucbald vorg
führter Tonlehrer des zehnten Jahrhunderts und seine Schul
wohl nur zu Unterrichtszwecken bediente. Er legte das Zeiche
|- zu Grunde und bildete durch Verbindung desselben mit
und C und durch die verschiedene Stellung dieser Zeichen eir
Tonreihe von vier aneinander geschlossenen gleichen Tetraoho
D E P G
a 2 G d
den, welche der Reihe: r A B^(^) C
e fis g ^ Sc (eis) entsprachen. So gewann er lauter reir
Quinten für das Organum. (Vgl. Kirchenmusikalisohes Jahrbuc
von Dr. F. X. Haberl, 1891, S. 3.)
Deehant (franz.), s. v. w.»Discantus (s. d.).
Decime, ist ein Intervall, dessen Töne zehn diatonisch
Stufen voneinander abstehen, z. B. C— e. Sie ist eigentlich di
um die Oktave höher gerückte Terz und wird aucn stets a
solche behandelt. Der r^ame Decime wird hauptsächlich ni
gebraucht, wenn vom Kontrapunkt die Rede ist, da die Umkel
rung einer Stimme in die Terz verschieden ist von der Decim
In der Generalbassschrift wird sie mit 10 bezeichnet, nicht mit
wenn die Note eine Stufe aufwärts geht.
Decrescendo, abnehmend, der Gegensatz von crescendc
anwachsend, deutet an, dass die Stärke des Tones in einer Noi
oder Notenreihe sich nach und nach vermindern soll. Das Ze
chen dafür ist
Deduetio (lat.), bezeichnet schon bei Hucbald die aufwärl
gehende Führung der Töne. Auch bezeichneten ältere Theor<
tiker mit diesem Worte eine Accordfolge, in der eine Dissonan
sich in eine Konsonanz auflöste; Johann de Garlandia verstau
darunter die vollständige Benennung der Cläves, z, B. C fa u
A la mi *re. Dann benannte man später die sieben Hexachord
(naturale, durale, moUe), welche sich an der guidonischen Han
ergeben, deductiones, als von der Silbe ut fortgeführte Reiher
sonst auch proprietates geheissen.
Deklamation ist der künstlerische, über dem einfache:
Konversationston stehende Redevortrag, welcher nicht blos
durch deutliche und schöne Wortaussprache begrifflich etwa
dem Verstände, sondern auch durch Mitbeteiligung der En
pfindung oder Leidenschaft es unserem Gefühle nahe legt. Aue
m der Musik redet man von Deklamation, 1) insofern der Korr
ponist sich angelegen sein lässt, dass er bei Gesangmelodiee
vor allem das Metrische des Textes ins Auge fasst und di
accentuierten und accentlosen Silben korrekt benandelt, den mu
sikalischen Accent mit dem musikalischen zusammenfallen läss
und die Ein- und Abschnitte beiderseits wohl beachtet; dan
dass er auch dem Gefühlsinhalte durch Hebung, Senkung, Vei
weilen, Vorwärtsdrängen u, s. w. Rechnung trägt. (Vgl. «De
Sprachgesang" von P. Magnus Ortwein, Rgsog. J. Seiling 1884
2) Insofern der Sänger nicht bloss richtig spricht, sondern auc]
seinen Gesang mit dem Texte in allem Genannten übereinstim
men lässt und zum Ausdrucke zu bringen sucht, w^-s der Tex
will und der Komponist beabsichtigt. Für den Kirchensänge
Deponere — Diaphonie. 63
ist eine richtige Deklamation, besonders für den Choralgesang,
unumgänglich notwendig.
Deponere (lat.) cantum, bedeutete früher: einen Gesang
abwärts und seinem Ende, seinem Finaltone zuführen.
Desäus ist der franz. Name für Sopran oder Diso an t.
D^tache, franz. Bezeichnung des Abstossens der Noten —
Stacoato.
Detonieren, Detonation, bedeutet vornehmlich beim Sin-
gen das Zuhoch- und Zutiefangeben des Tones, das Abweichen
vom richtigen Tone, kurz das Falschsingen. Es hat seinen Grund
teils in schlecht gebildetem musikalischen Gehöre, teils in der
Organisation der Stimmwerkzeuge, teils in fehlerhafter Methodik
beim Gesangunterricht; oft wird es auch veranlasst durch zu
grosse Anstrengung, manchixial auch durch Nachlässigkeit des
Sängers. Häuf& findet sich bei jungen Sängern, dass sie in
einem tieferen Tone enden, als in welchem sie angefangen haben,
dass sie mit der Stimme sinken. Ist der „Grund davon nicht
fehlerhafte Organisation, so kann diesem Übelstande meistens
abgeholfen werden, wenn der Sänger sich gewöhnt, ohne Furcht
und mit einer edlen Dreistigkeit vorzutragen, wenn er sich einer
^ten Haltung des Körpers befleissigt, seiner Stimme nicht zu
viel zumutet, namentlich vor allem heftigen Singen sich hütet,
dabei besondere Aufmerksamkeit auf das Atemnolen hat und
stets auf seine Stimme hört, um sich über den richtigen Ton
Rechenschaft geben zu können.
Deuterus, s. Kirchentöne.
Diapason, griechischer Name für Oktav. Die Franzosen
bezeichnen mit diesem Worte teils die Mensur einiger Blas-
instrumente, teils die Normaloktav (D-normal), teils den Stimm -
ton (Pariserton) und daher auch die Stimmgabel selbst.
Diapente, griechische Benennung der reinen Quint.
Diapentisare bezeichnete bei den alten Tonlehrern • das
Fortschreiten in Quinten, welches beim Organum stattfand.
Diaphonie (griech.) nannten die Griechen alle Intervalle
ausser der Oktave (antiphonia), der Quart und Ouint (Symphonia),
z. B. die Sext, die Terz, wobei beide Töne scharf auseinander-
treten, ohne deswegen dissonierend zu sein. — Im elften Jahr-
hunclerte und in den folgenden bedeutet der Name einen Zwie-
gesang, oder auch einen von mehreren Stimmen ausgeführten
Gesang, wobei die verschiedenen Melodieen einen guten Zu-
sammenklang geben. Was Guido „Diaphonie*^ nennt, bezeichnete
Hucbald noch als „Symphonie", da bei ihm die zu einer Haupt-
stimme (vox prinoipalis, Cantus firmus) eine zweite oder auch
dritte und vierte nur in Quart-, Quint- oder Oktavparallelen hinzu-
trat. Bei Guido erscheint die zweite Stimme melodisch schon
nifthr verschieden, indem er über oder unter einem liegenden
itus firmus auch Terzen zulässt und an den Abscdmitten (}ie
len Stimmen gegeneinander gehend in Umsono zusammen-
fen läfist (occursus). Von nun an wird der Name Diaphonie
Geschlechtsname, unter den Joh. de Muris alle Arten des
vierzehnten Jahrhunderte gebräuchlichen zwei- und mehr-
mmigen Kompositionsformen subsummiert: Discantus und
ganum mit seinen Spezies : Kondukten, Motetteq, Fugen, Can-
64 Diaschisma — DicJsis.
tilenen, Rondellen, Ochetus, Copula. Einen bloss zweistimmig
Gesang bezeichnet er auch mit Diaphonia (vom griech. rfv*» zwc
einen dreistimmigen mit Triphonia u. s. w. (Coussem. IL 395, Gei
III. 239.)
Diaschisma, s. Komma.
Diastemma, griechischer Ausdruck für kleineres Int erva
(s. Systema).
Diatessaron hiess bei den Griechen und alten Theoretike:
die reine Quart; „diatessaronare** bezeichnete das Foi
schreiten in Quarten beim Organum.
Diatonisch. Mit diesem Worte, das aus der griechisch*
Musik beibehalten wurde, bezeichnet man die Tonleiter, die vo
Grundtone bis zu seiner Oktave durch sieben Stufen aufstei^
von denen zwei grosse halbe Töne, die übrigen ganze Tone sin
als C D E'^F G A H'^c. Jeder Gesang, der seine Intervalle ai
einer solchen Tonleiter nimmt, wird ein diatonischer Gesang g
nannt; es verschlägt nichts, wenn auch die Tonreihe oder 3
Gesang auf andere Stufen durch Anwendung von Versetzung
zeichen versetzt wird (Transponierter Gesadg), wenn ni
die diatonischen Intervallenverhältnisse beibehalten und nicl
Intervalle beigezogen werden, welche der diatonischen Leiti
fremd sind (cnromatische und enharmonische Töne). 1
der heutigen Musik kommt selten die diatonische Tonleiter rei
zur Anwendung, indem sie durch die harmonischen und melod
sehen Ausweichungen (Modulationen) sehi* häufig unterbreche
wird. Die Choräle oder der Gregorianische Gesang sind in d(
diatonischen Tonweise geschrieben und dulden mit Ausnahme d(
b rotundum keine leiterfremde Erhöhung und Erniedrigun
der Töne.
Diatonisches Tongeschlecht nannten die Griechen di«
jenige Anordnung ihres Tetrachordes, welche einen Halbton un
zwei ganze Töne (h cd e) und zwar in den verschiedenen Toi
arten m abwechselnder Reihenfolge nacheinander erscheinen lies
Diazeuxis, Diazengmenon (disjunctio), die Trennun
zweier Tetrachorde (s. Griechische Musik).
Dies irae, s. Sequenzen.
Diesis war bei den Griechen zunächst ,iede Teüung de
Töne ; insbesonders nannten sie den vierten Teil eines Tone
eine enharmonische Diesis, nach welcher Aiistoxenus auc
die Grösse der übrigen Intarvalle mass. Analog den Grieche:
hiessen die Theoretiker des zwölften und dreizehnten Jahrhur
derts ein Intervall, das nach den mathematischen Berechnunge:
keinen vollen halben Ton ausmachte, eine Diesis. («Cum al
quis tonus bipartitur propter aliquam consonantiam colorandan
prima pars toni, sie divisi, si per ascensum fit, maior est, et vc
catur chroma, pars vero, quae restat, diesis dicitur." Mai
chettus de Päd. — Joann. de Muris sagt: -Semitonium minu
vocatur diesis.") — Später (sechzehntes Jahrhundert) verstam
man unter diesem Worte das Erhöhungszeichen (5 oder j)) beir
Semitonium fictum. — Die Italiener und Franzosen benennei
noch das Kreuz (jt) diesis, di^ze, und fügen diese Wörter dei
Tonnamen bei, z. B. eis — franz. c ut di^ze; ital. c sei fa u
Differentia — Dirigieren. 65
diesis. — Vor dem sechzehnten Jahrhunderte machte man von
der Diesis als der Erhöhung eines Tones in der diatonischen
Leiter im Gregorianischen Choral (Cantus planus) keinen Gebrauch;
für den Discantus sprechen schon die Theoretiker zu Ende des
zwölften Jahrhunderts als „musica ficta" davon.
Differentia, s. Psalm.
Diffinitio, s. Psalm.
Dilettant, vom ital. dilettante, bezeichnet überhaupt
einen Liebhaber der Kunst, und der Tonkunst insbesondere, der
dieselbe nicht ex professo, sondern bloss zu seinem Vergnügen
treibt, sich mit ihr nicht aus Beruf abgibt. Obwohl man gewohnt
ist, unter Dilettanten sich Leute vorzustellen, welche die Musik-
kunst nicht gründlich verstehen, — ein Naclüiall der Zunft-
mässigkeit, — so ist doch gewiss, dass in ihre Reihen eine sehr
grosse Anzahl der gebildetsten Kenner und wahrsten Kunst-
freunde zählen, und auf der anderen Seite, dem berufsfertigen
Musikantentum, eine bisweilen grössere Anzahl von solchen sich
findet, welche von der ästhetischen und historischen Grundlage
ihi'er Kunst nichts verstehen, und lediglich auf das Technische
losarbeiten — handwerksmässig.
Diminuendo (abgekürzt dim.), vermindernd, abnehmend
an Stärke des Tones.
Diminntio, war 1) bei den Mensuralisten die doppelt (und
auch vierfach) beschleunigte Geschwindigkeit, wodurch der Wert
der Noten verringert wurde. Die doppelte Geschwindigkeit hiess
dim. Simplex, die vierfache dim. duplex. 2) Bei den Sän-
gern des siebzehnten Jahrhunderts war diminutio eine Kolora-
tur und bestand in dei* Auflösung einer längeren Note in mehrere
§:eschwinde und kleinere Noten, wie z. B. der Triller u. dgl.
) Verringerung des Noten wertes bei der Nachahmung (s. Ka-
non und Imitation).
Directanee, s. Antiphon.
Direetorium chori bezeichnet 1) das Buch, welches, spe-
ciell zum Gebrauche der Kanoniker und anderer zur Absingung
der kanonischen Hören verpflichteter Kleriker und Sänger be-
stimmt, die Intonation aller dabei vorkommenden Antiphonen,
Hymnen, Invitatorien u. s. w. enthält. Grosse Autorität nat das
von Guidetti 1681 angefertigte Direetorium, welches 1874 von
der G. S. R. als offiziell autorisiert neu gedruckt wurde (Rgsbg.
bei Fr. Pustet). 2) Das Buch, worin die Verrichtungen des
Musikchors und die Art und Weise der Abhaltung derselben
aufgeschrieben sind. 3) Direetorium heisst auch der Diöcesan-
Kirchenkalender, worin die an jedem Tage des Jahres treffenden
Feste u. dgl. für den priesterlichen Dienst verzeichnet sind, von
dem auch ein Chordirektor Kenntnis haben soll.
Dirigieren, das Leiten von Instrumental- oder Gesangs-
ften. Aufgabe eines Dirigenten ist: Erzielung einer ebenso-
hl korrekten imd klaren als richtigen und durchgeistigten
.'Stellung des betreffenden Tonstückes durch entsprechende
-Wirkung auf die Ausführenden. Um seiner Aufgaoe zu ge-
jen, bedarf der Dirigent eines Kirchenchores einer stattlichen
mme von geistigen und technischen Eigenschaften : gründliche
^ntnis der elementaren und speciellen höheren Musiklehre, der
KommüUer, Lexikon. 5
r
66 Diskant.
Harmonielehi-e und des Kontrapunktes, des Chorals; genügende
Fertigkeit im Partiturlesen, Kenntnis der auf seinem Chore ver-
wendeten Instrumente, namentlich der Orgel; Tüchtigkeit im
Gesänge und im Unterrichte desselben; feines Grehör und richtige
Auffassung der Musikstücke, hierzu hinreichende allgemeine Bil-
dung, Kenntnis der liturgischen Vorschriften imd Bildung des
Geschmackes ; unverdrossenen Eifer und Energie, Durchdrungen-
sein von d.er Erhabenheit des katholischen Gottesdienstes. ( v gl.
F. Witt, Über das Dirigieren, Rgsbg. Pustet 1870; Kornmüller,
Der katholische Kirchenchor, Landshut, J, Thomann, 1868.)
Diskant, discantus, war ursprünglich eine zu einem
gegebenen bestimmten Gesänge, Cantus firmus, gesungene Me-
lodie. Franco von Köln definiert das Wort: „Discantus est
aliquorum diversorum cantuum consonantia, in qua illi diversi
cantus per voces longas et breves et semibreves proportionaliter
adequantur et in scripto per debitas figuras proportionati ad
invicem designantur.'* Jon. de Muris erklärt es in ähnlicher
Weise: „Discantant, qui simul cum uno vel pluribus dulciter
cantant, ut ex distinctis sonis unus fiat, non unitate simplicitatis,
sed dulcis concordisque mixtionis unione.** Es büdete der Discan-
tus die Anfänge der Harmonie und des Kontrapunktes und hat
seinen Ursprung wohl schon im elften und zwölften Jahrhunderte.
Frühzeitig blühte er in Frankreich unter dem Namen D^chant,
welcher nicht mensuriert entweder syllabisch, oder nach Über-
einkunft der Sänger nach Art eines melismatischen Gesanges
über den gehaltenen Tönen eines Cantus firmus ausgeführt
wurde; letztere Weise hiess auch fleurettes. Eine ebenfalls
in Frankreich einheimische Art des Discantus waren die soge-
nannten Faux bourdons (8. d. Art.). — Im Anfange des drei-
zehnten Jahrhunderts bezeichnete Discantus jeden zwei- oder
mehrstimmigen mensurierten (triplex, quadruplex cantus) Gesang.
Walter Odington (um 1217) macht eine umfassendere Einteilung
des Discantus, von ihm werden fünl Species angeführt: 1) R en-
de llus, d. i. ein Gesang, in welchem eine Stimme nach der
anderen ein bestimmtes Thema oder einen Abschnitt mit Bei-
behaltung desselben Textes (cum eadem litera) wiederholte —
Imitation, Kanon; 2) Coiiductus, wobei alle Stimmen mit einem
frei gebildeten Tenor in aller Freiheit und Mannigfaltigkeit sich
bewegend zu schönem Zusammenklange gegeneinander geführt
und geeinigt wurden; dieser Art waren besonders die Ligaturen
(gebundene Noten^ruppen) eigen, welche nur vokalisiert wur-
den, nur eine einzige Silbe unter sich hatten (sine litera); auch
waren sie gewöhnlich mit caudis, figurierten Kadenzen oder
Jubilen versehen. 3) Copula, wo die diskantierende Stimme in
bestimmten Ligaturen von zwei oder drei Noten hinschritt (Syn-
kopen). 4) Motettus, wenn über einen träfen Tenor die an-
deren Stimmen in schnelleren Noten mit Fesmaltung eines be-
stimmten Modus, eine derselben besonders, in Semibreven sich
bewegten, jede Note hatte ihre Silbe, jede Stimme also verschie-
denen Text (cum diversis literis). 5) Ho q u e t u s oder 0 c h e t u s ,
wobei eine Stimme schwieg, während die andere sang, und so
abwechselnd; die Pausen waren kurz (s. d. Art.). Diese Satz-
manieren scheinen nur anfänglich selbständig und bei kurzen
Disposition — Dissonanz. 67
Stücken angewendet worden zu sein ; bald traten sie gemischt
auf. In der modernen Musik versteht man unter Diskant die
höchste Gattung der menschlichen Stimme überhaupt, gleich-
bedeutend mit Sopran, auch Canto genannt.
Disposition einer Orgel ist 1) die vor dem Baue einer
Orgel schriftlich festzustellende Anordnung des Baues bezüglich
der Anzahl und Verteilung der Register, der Bälge, der Mecha-
nik u. s. w. 2) Die summarische Beschreibung einer schon be-
stehenden Orj^el, besonders nach Zahl und Art der Register, Kop-
peln, Kollektivzüge u. s. w.
Dissonanz, Disco rdanz, von Marchettus auch Diapho-
nie bezeichnet, ist das Verhältnis zweier oder mehrerer Töne,
deren Zusammenklang ein Gefühl des Unbefriedigtseins, der
Unruhe hervorruft; speciell den Ton des Intervalles oder die
Töne eines Accordes, welche durch ihre Eigenschaft als stre-
bende Töne (Töne, welche eine bestimmte Fortschreitung eine
Stufe auf- oder abwärts verlangen) eben das Unbefriedigende,
Ungesättigte verursachen. In arithmetischer Beziehung sind ihre
Schwingungsverhältnisse komplizierter als die der Konsonanzen.
Fr an CO teilt die Dissonanzen in a) vollkommene: Sekunde,
übermässige Quart (Tritonus), und kleine und grosse Septime;
b) unvollkommene: grosse und kleine Sext. Die neuere Musik
kennt auch a) unvollkonimene Dissonanzen, als: verminderte
Quint und kleine Septime mit ihren Umkehrungen, der über-
mässigen Ouart und grossen Sekunde; ferner (fie verminderte
Terz und übermässige Quint mit ihren Umkehrungen , der über-
mässigen Sext und verminderten Quart, endlich die übermässige
Sekunde; b) vollkommene Dissonanzen: die übermässige
Prime, verminderte Oktave, kleine Sekunde und grosse Septime,
sowie alle mehrfach erhöhten oder erniedrigten Töne im Ver-
hältnisse zur Tonica. Einige Theoretiker teuen sie auch 1) in
wesentliche, welche zum Wesen eines Stamm- oder abgelei-
teten Accordes gehören; 2) in zufällige, welche alle nicht
wesentlichen und harmoniefremden Töne eines Accordes in sich
begi'eifen. (Durchgänge, Vorhalte etc.)
In der älteren Tonlehre und Tonpraxis (sowie in dem
Stile, den man heutzutage den strengen Stil nennt), durfte
kein dissonierendes Intervall, mit Ausnahme der durchgehenden
Noten, frei eintreten, sondern musste vorbereitet werden,
d. h. der Ton, welcher zu den gleichzeitig erklingenden Tönen
in ein «dissonierendes Verhältnis treten sollte, musste unmittelbar
vorher schon als ein konsonierendes Intervall zu den ihn beglei-
tenden Tönen erschienen sein; auch musste es sich gehörig
auflösen, d. h. in eben derselben Stimme, in welcher es vor-
kam, stufenweise um einen ganzen oder einengrossen halben
Ton in die nächst gelegene Konsonanz der Tonart, auf- oder
ibwärts, je nach der Art des dissonierenden Intervalls fortschrei-
en. Die in neuester Zeit aufgestellte Theorie, welche jeden Ton
Is Vertreter eines Dreiklanges betrachtet, erklärt die Dissonanz
ds eine Störung der einheitlichen Auffassung der zu einem
Klange (Accorde) zusammengehörigen Töne durch einen oder
mehrere Töne, welche als Vertreter eines anderen Klanges an-
gesehen werden müssen.
5*
68 Dissonanzaocorde — Dominante.
Die neuere Musik hat sieh von der Vorbereitung der Dis-
sonanzen fast ganz losgesagt, und lässt sie völlig frei eintreten.
Die regelmässige Auflösung wird oft auch übergangen und von
Dissonanz zu Dissonanz fortgeschritten, was Ellipse oder Trug-
fortschreitung genannt wird.
Dissonanzaccorde sind alle Accorde ausser dem Dur- und
Moll-Dreiklang, also 1) alle Septimenaccorde, 2) alle Nonaccorde,
3) der übermässige und verminderte Dreiklang, 4) alle Vorhalts-
und alterierten Accorde.
Distinctio (lat.) bedeutet im Gregorianischen Chorale einen
Einschnitt oder ein kürzeres oder längeres Absetzen, welches
teils durch die Interpunktion des Textes, teils durch die Gestal-
tung der Melodie gefordert ist. Hucbald sagt: „Eodem modo
cantilena distinguitur , quo et sententia : quippe tenor Spiritus
humani per coTa et commata discurrendo quiescit." Wie die
Beobachtung der Interpunktionen beim Lese vortrage zum Ver-
ständnisse notwendig ist, so ist es auch der Fall mit den Di-
stinktionen beim Gesänge. Deshalb ward auch als Regel auf-
gestellt, dass die Melodie in den Abschnitten mit deni Texte
übereinstimmen müsse, und es war selbst nicht gleichgültig, auf
welchen Ton einer Tonart (Oktavenreihe, Kirchenton) man eine
Distinktion setzte. In den neueren Choralbüchern sind diese
Abschnitte mit den sogenannten Suspirien angezeigt. Guido
definiert die Distinktion überhaupt als einen bequemen Ort oder
Punkt zum Atemholen und nennt sie auch partes, Teile der
Melodie; Joh. Cottonius unterscheidet zwischen cola, commata.
periodus nach Art der von Cicero und Quintilian für den Rede-
vortrag gegebenen Vorschriften. — Man bezeichnete dann mit
diesem Worte den so begrenzten Teil (Satz) selbst.
Ditonus, alte Bezeichnung der grossen Terz.
Divisi — geteilt, steht m Stimmen für Streichinstrumente
über denjenigen doppelgriffigen Passagen, welche nicht von
einem, sondern von zwei Spielern, deren einer die höheren, der
andere die tieferen Noten übernimmt, ausgeführt werden sollen.
Divisio, Teilung; divisio monochordi, die Einteilung
und Abmessung des Monochords; divisio modi — punctum
divisionis, s. Punkt.
Dolce, sanft, lieblich, eine Vertragsbestimmung, auch
Name eines Orgelregisters.
Dominante, lat. dominans, der herrschende Ton, der-
jenige Ton, welcher über dem Grundtone (Tonica) sich besonders
Demerklich macht. Im neueren Harmoniesysteme ist es die
Quint der Tonart, von älteren Lehrern „Quinta toni" genannt.
Im Gregorianischen Tonsjsteme nimmt die Dominante eine ver-
schiedene Stufe ein; so ist der herrschende Ton, d. i. derjenige,
welcher über den Finalton am meisten hervortritt und besonders
im Psalmengesang am meisten gehört wird, im ersten Ku'chen-
tone die Quint, im zweiten die Terz über der Finale D; im
dritten die Sext, im vierten die Quart über der Finale E, im
fünften die Quint und im sechsten die Terz über der Finale F,
im siebenten die Quint und im achten die Quart über der
Finale G.
Das neue System kennt nur für jede Tonart eine Domi-
Doppelgi'iflFe — Dupla proportio. 69
iaante, nämlich die Oberquint der Tonart; neben dieser wird die
Quart (Unterquint) noch als Nebendominante bezeichnet mit
dem Namen Unter dominante, während die Haupt- oder to-
nische Dominante die Ob er domin ante heisst. Sie verdanken
ihre Geltung den harmonischen Beziehungen und der Verwandt-
schaft der Tonarten.
Doppelgriife nennt man eine zweistimmige Intonation auf
Saiteninstrumenten, oder das Angeben zweier Töne zu gleicher Zeit.
Doppelte Intervalle werden diejenigen Intervalle genannt,
welche die Oktave überschreiten, und gewissermassen als die
doppelte Stufe der ersten Oktave zu betrachten sind.
Dorisch, s. Kirchen ton arten.
Doxologie bezeichnet einen Lobspruch oder eine Formel
2ur Verherrlichung Gottes. Die vollständigeren Doxologien ent-
halten immer das Lob der heiligsten Dreieinigkeit. Man ver-
wendete sie hauptsächlich zum Beschlüsse der feierlichen Gebete,
Oesänge, Predigten als die Krone des Ganzen. In solcher Weise
sind die Schlussstrophen der meisten Kirchenlieder und Hvmnen
auch Doxologien, werden aber nicht so genannt. Nach dem
alten Sprachgebrauche der Kirche werden unter dem Worte
^Doxologie" hauptsächlich nur zwei Verherrlichungsformeln ver-
standen: das „Gloria in excelsis Deo**, welches die grössere
Doxologie ist und an gewissen Tagen und Festen in der heiligen
Messe gebetet oder gesungen wira; und das „Gloria Patri** etc.,
welches die kleinere Doxologie heisst und am Schlüsse des
Eingangsspruches im Offizium in den Hören, am Schlüsse der
Psahnen, beim Introitus der heiligen Messe u. dgl. (vom Passions-
sonntag bis Karsamstag bleibt es in der heiligen Messe und' im
Tagesorazium, mit Ausnahme nach dem „Domine ad adjuvandum"
und den Psalmen weg ; in den letzten drei Tagen der Karwoche
auch nach den Psalmen) vorgeschrieben ist. Beide Doxologien
reichen ins hohe christliche Altertum hinauf. Bei „Gloria Patri" etc.
ist es Vorschrift, das Haupt zu entblössen, eine tiefe Verbeugung
zu machen und erst bei „Sicut erat" sich wieder aufzurichten.
Dreiklang, s. Accord.
Dreistimmig (triphonisch) nennt man einen Tonsatz, in
welchem sich eine Ober-, Mittel- und Unterstimme vereinigen,
sei es nun , dass diese Vereinigung auf einem Instrumente
(Klavier u. dgl.) oder auf verscniedenen hergestellt wird
(Trio), oder dass drei Singstimraen das dreistimmige Verhältnis
ergeben (Terzett). Die ältesten bekannten Beispiele von tri-
Shonischer Harmonie fallen in das dreizehnte und vierzehnte
ahrhundert, wie z. B. die Lieder des Adam de la Haie oder des
Francesco Landino.
Duett, ital. D netto, frz. Duo, ist ein Tonstück, welches
1 zwe^ obligaten Singstimmen oder Instrumenten ausgeführt
•d, in der Weise, dass beide Stimmen gleiche Rechte als Haupt-
nmen haben.
Duodecime, bei den Alten Diapason cum Diapente, die
ölfte Stufe der Tonleiter, die um eine Oktave liöher ge-
.41te Quint.
Dupla proportio, in der Mensuraltheorie die Beschleuni*
lg des Tempos auf das Doppelte.
70
Dur — Durchgang.
Dur, vom lat. durus. hart, ursprünglich zur Bezeichnung
des harten B, b (unsers H, n) zum Unterschiede von dem weichen
B (b rotundum) gebraucht. Beim Beginne der Solmisation nannte
man das Hexachord g — e wepen. des darin gebrauchten ji| , h
hexachordum dm*um, und als die modernen Tonarten aufkamen,,
hiess man die Tonart mit der grossen Terz > Durtonart und den
grossen Dreiklang einen Duraccord.
Durchkomponiert ist ein in Strophen abgeteiltes Lied
(Hymnus), wenn nicht für alle dieselbe Melodie beibehalten wird>
sondeim einzelne oder mehrere besonders behandelt sind. So
auch bezüglich der Psalmverse.
Durchführung heisst die kunstgemässe Verarbeitung eines
oder mehrerer Themate zu einem Tonstüoke, so besonders
in Fugen.
Durchgang, Transitus, durchgehende Noten, sind
solche, welche nicht in einer zu Grunde liegenden Harmonie
enthalten sind, insgemein einer zur Harmonie gehörenden Note
vorangehen oder folgen; sie dienen, die sich fo&enden harmoni-
schen Töne enger zu verknüpfen und melodison fliessender zu
machen. Man unterscheidet reguläre Durchgangstöne a). —
solche, welche auf dem schlechten TaktteÜe ihr^n Platz haben»
und irreguläre Durchgangstöne b), — solche, welche auf dem
guten oder schweren TaktteUe an der Stelle eines harmonischen
Intervalls stehen, in welches sie übergehen oder sich auflösen^
wesshalb sie aucn Weohselnoten heissen.
Zwischen die harmonischen Hauptnoten können mehrere
Durchgangsnoten eingeschoben werden, sowie auch sprung-
weise eintreten, nur müssen sie stufenweise zur Hauptnote
übergehen. Oft erscheinen sie in mehreren Stimmen zugleich
und oilden dann Durchgangsaccorde. Hierher kann man
auch die meisten Accorde der Orgelpunkt-Harmonien rechnen a).
a
3#lä^^^^
i:
7
5
Doch lassen manchmal die Durchgangsaccorde auch eine
andere Deutung zu, dass sie nämlich als harmonisch selbständig
sich darstellen, wie im obigen Beispiele b.
Durohsteohen — Engführung. 71
Durchstechen des Windes in der Orgel ist ein gedämpftes
Mitklingen fremder Töne, welches dadurch veranlasst wird, dass
die Kanzellenschiede nicht dicht genug sind, oder dass sich
Pfeifenstöcke von den Dämmen abheben oder die Schleifen nicht
festUegen. Auch kann eine ähnliche Erscheinung vorkommen,
wenn zwei mit den Aufschnitten einander zugekehrte Pfeifen
zu nahe beieinander stehen.
Dux, 8. Fuge.
Dynamik (^iech.), d. i. die Lehre von den Kräften und
den durch sie hervorgerufenen Bewegungen, ist ein Teil der
Lehre vom musikalischen Vortrage, und betriflFt die verschie-
denen Abstufungen der Stärke und Schwäche des Tones vom
fo bis zum pp. Die gehörige Anwendung dieser Abstufungen
ist ein vorzügliches Wirkungsmittel der musikalisphen Kunst.
E.
,E, ist die dritte diatonische Stufe unseres heutigen Ton-
systems; die Franzosen und Italiener benennen sie mi (s. Sol-
misation).
Echo, s. Akustik.
Echelle, der französische Name für Tonleiter.
Ecmeles voees nannten die Alten diejenigen Töne oder
Intervalle, welche für die Melodie unbrauchbar waren, wie der
Tritonus und die verminderte Quint.
Einklang (lat. unisonus und aequisonus), die vollkommene
Übereinstimmung zweier Töne von gleicher Dauer und Höhe.
Einspielen bedeutet 1) das Bestreben, durch fleissige Übung
sich an ein Instrument oder an eine Spielart gewöhnen ; 2) die
Bemühung, durch fleissigen und zwecKmässigen Gebrauch den
rauhen, ungleichartigen, mangelhaften Ton eines neuen Instru-
mentes zu verbessern, was man häufiger „ausspielen" nennt;
3) bezeichnet man damit auf Kirchenchören ein in die Tonart eines
vorzutragenden Musikstückes einleitendes Präludium der Orgel.
Eintreten, Einsetzen, Eintritt bezeichnet den Zeitpunkt,
mit welchem in einer mehrstimmigen Musik eine jede Stimme
nach vorhergegangenen Pausen zu singen oder zu spielen an-
föngt, am öftesten kommt dieser Ausdruck bei Fugen, überhaupt
bei einer im kanonischen Stile gesetzten Musik vor, wo gewöhn-
lich eine Stimme nach der anderen beginnt, eintritt.
Embfmchnre — (franz.) bedeutet den Ansatz des Mundes
oder die Art und Weise, ein Blasinstrument an den Mund zu
)ringen und die Stellung der Lippen zur Hervorbringung des
Tones auf demselben zu bilden. Vom Ansätze hängt es ab,
jb der Ton voll oder dünn, angenehm oder hart zum Vor-
schein kommt.
Emmeles voces nannten die Alten die für den Gesang
brauchbaren Töne oder Intei'valle.
Engfährnng, s, Fuge.
'
72 Enharmonisch — Exequiae.
Enharmonisch heissen zwei Töne, die von zwei Tonstufen
abgeleitet, nur als ein Ton, auf derselben Tonhöhe angegeben
werden, obwohl eigentlich ein geringer Unterschied der Tonhöhe
stattfinden sollte, welcher Unterschied durch die gleichschwe-
bende Temperatur des modernen Tonsjstems aufgehoben wird.
(Auf der Violine beobachten gute Spieler noch diesen Unter-
schied.) So ist im Grunde z. B. eis nöher als des, und beide
Töne gehören verschiedenen Tonstulen an, sie werden aber auf
derselben Höhe intoniert.
Enharmonische Verwechslung findet statt, wenn die Ton-
stufen verwechselt werden, ohne die Tonhöhe zu ändern; wenn
z. B. gis anstatt as gesetzt wird; enharmonische Accorde
sind demnach jene, die bei abweichender Benennung einiger oder
aller Töne doch ganz gleich klingen. So klingt z. B. der Sept-
accord c, e, g, b ganz gleich mit dem übermässigen Quintsext-
Accorde c, e, g, ais, wenn auch deren Bedeutung hinsichtlich
der durch sie stattfindenden Modulation eine verschiedene ist.
Enharmonische Tonleiter ist die Darstellung der Tonleiter
mit ihren Zwischentönen, welche mit ihren doppelten Zeichen
geschrieben werden, als : c, eis, des, d, dis, es, e, f, fis, ges u. s. w.
Enharmonisches Geschlecht, s. Grieschische Musik.
Epistel, s. Messe.
Epitritus, das Verhältnis von 3: 4 (Quart).
Epogdons, das überteilige Verhältnis von 8 : 9 (ganzer Ton).
Erhöhung nennt man diejenige Veränderung der sieben
Tonstufen c, d, e, f, g, a, h, durch welche diese Stufen in den
zunächst darüber liegenden kleinen halben Ton umgewandelt
werden; bei doppelter Erhöhung findet dieses um einen ganzen
Ton statt. Diese neuen, erhöhten Töne behalten den Namen
ihres Stammtones, und werden nur durch die Anhängung der
Silbe is für die einfache und isis für die doppelte Erhönung
unterschieden. Das Erhöhungszeichen ist das Kreuz Jf, für
doppelte Erhöhung jj^ H oder ^.
Erniedrigung ist hingegen die Umwandlung der na.tür-
lichen Tonstufen m den zunächst unterhalb liegenden kleinen
halben Ton; sie wird angezeigt durch das Zeichen !?, bei dop-
pelter Erniedrigung b!?, und den ursprünglichen Tonnamen wird
die Silbe es angehängt, als: des, es, fes, ges, statt hes sagt man
b. Bei doppelter Erniedrigung wird noch ein es angefügt, also:
deses, asas, — bb. Soll ein durch j} erhöhter Ton wieder ernie-
driget werden, so setzt man ihm das Zeichen tll vor.
Espressione (ital.), der Ausdruck, con espres. mit Ausdruck.
Euphonie (griech.) bedeutet den Wohllaut, Wohlklang der
Töne oder der Harmonie.
Evovae, eigentlich Euouae, ist eine Zusammenstellung
der sechs Vokale der Wörter Seculorum Amen, mit welchen
die Doxologie oder das Gloria Patri am Schlüsse eines ieden
Psalmes sich endiget. Man bedient sich der Vokale dieser Scnluss*
Worte zur Unterlage unter die Töne, welche den jedesmaligen
Psalm ton- Ausgang anzeigen.
Exequiae, Begräbnisfeier. Alle nur einigermassen ge-
Exequiae. 73
bildeten Völker hielten die Leiber der Verstorbenen in Ehren
und legten sie unter gewissen Ceremonien zur Ruhe entweder
in Gräbern oder Leiehenkammern oder verbrannten sie. Um so
mehr ehren die Christen die Leiber ihrer Verstorbenen als Tempel
des heiligen Geistes, als Hüllen geheiligter Seelen, Gefässe der
Gnade, welche einst am grossen Tage der Auferstehung mit der
Seele wieder vereiniget und verklärt die himmlischen Wohnun-
gen betreten sollen; zugleich widmet die erbarmungsvoUe , mit-
leidige Liebe der katholischen Kirche ihre Gebete und Opfer
den abgeschiedenen Seelen, um die ihnen wegen zeitlicher Sünden-
strafen, w«gen anklebender Mängel und Fehler noch zu erstehen-
den Leiden abzukürzen. Die katholische Kirche lässt nur zwei
Bestattungsweisen zu. Bestattung des Leichnams in der Erde,
und Aufbewahrung des einbalsamierten Leichnams in geweih-
ten Grüften und Totenkapellen. In den ersten Zeiten des Christen-
tums geschah die Begräbnis gewöhnlich mit gi'osser Feierlichkeit
und war unmittelbar mit dem heiligen Messopfer verbunden; bei
dem Leichenbegängnisse sang man Psalmen, Antiphonen und
Responsorien. Im allgemeiiien bestattet die katholische Kirche
die Leiber ihrer Abgestorbenen noch jetzt unter fast gleichem
Geremoniell zur Erde und bringt das heilige Messopfer für die
abgeschiedenen Seelen dar. Die ganze Begräbnis besteht in Fol-
gendem: 1) In der Aussegnung der Leiche oder Empfang-
nahme des Leichnams von Seiten der Kirche zur Begräbnis. Die
Antiphon „Si iniquitates" mit dem Psalme ^De profundis" im
VII. Tone beginnt den Akt, und führt den Gläubigen das strenge
Gericht Gottes zu Gemüte, erinnernd an die Sündhaftigkeit des
Menschen, worauf der Priester nach einigeti Versikeln und Re-
sponsorien die Seele des Verstorbenen der Barmherzigkeit Gottes
empfiehlt. Darnach stimmt er die Antiphon -Exultabunt Domino*
an und der Chor fährt mit dem Psalme „Miserere", einem fortr
gesetzten Flehen um Gnade und Erbarmung, auf dem Wege zur
Grabstätte fort. Die wunderschöne Antiphon: „Subvenite angeli"
beim Eintritte in den Gottesacker ist ein Zuruf an die heiligen
Engel, die Seele des Bruders an der Pforte des Paradieses in
Empfang zu nehmen und in die Wohnungen der Seligen ein-
zuführen. Am Grabe wird das „Requiem aeternam*" gesungen,
und nachdem der Priester die Leiche ins Grab eingesegnet, be-
ginnt er die Antiphon „Ego sum" und singt mit dem Chore
wechselweise das Canticum Zachariae „Benedictus" im IL Kircheh-
tone, welches ein schöner Erguss des kindlichen Vertrauens auf
die Erlösung ist. Am Schlüsse wird die Antiphon „Ego sum
resurrectio et vita" („ich bin die Auferstehung und das LebenJ^)
ganz abgesungen und einige Versikel, Responsorien und die
Oration beschliessen diesen Akt. Zu der Begräbnisfeier gehört 2) das
heilige Messopfer für die Verstorbenen, Requiem genannt
dem ersten Worte des Introitus des dabei gebrauchten Mess-
nulars. Ehedem wurde es in Gegenwart des in der Kirche
lergesetzten Leichnams, also vor der Begräbnis abgehalten,
che heilige Messopfer für die Seelenruhe der Verstorbenen
pden auch am 3., 1 und 30. Tage abgehalten, woher noch die
•räuchlichen Namen der Leichengottesdienste : der Siebente,
Dreissigste (s. Absolutio).
1
74 F — Falßobordone.
F.
F — fa, Solmisationssilbe, welche immer einen halben Ton
(mi> unter sich hat und bald den Ton f, bald den Ton c, bald 7
andeutet, s. Solmisation.
Fagott, ital. Fagotto, franz. Basson, ein Blasinstrument
von Holz mit Tonlöchera und Klappen, welches von einem Ka-
nonikus Afranio zu Ferrara 1539 aus dem sogenannten Pommer
oder Bombard konstruiert wurde, indem er die lange Röhre
desselben bog, zusammenlegte und mit einem Mundstücke
eleich dem der Oboe versah. — Der Fagott besteht aus zwei
Röhren von Ahomholz, die von ungleicher Länge in ein drittes
Stück Holz nebeneinander eingezapft sind. In diese drei Teile
sind acht Tonlöcher und zehn Klappen verteilt. Im kürzeren
Rohre , dem sogenannten Flügelrohre, steckt oben eine
schwache, messmgene Röhre, welche gegen ihre Mündung zu
immer enger zuläuft und in Gestalt eines lateinischen S gebogen
ist, weshalb sie auch das Fagott-Es oder geradezu Es genannt
wird; an dem engeren Ende dieser Röhre (Mündung) steckt das
sogenannte Rohr, vermöge dessen das Instrument wie die Oboe
intoniert wird. Der Tonumfang des Fagottes reicht vom Kontra-B
bis zum eingestrichenen b oder c. — Der Fagott ist eines der
brauchbarsten Orchesterinstrumente; in der Tiefe ist den Tönen
grosse Würde eigen, in den höheren Lagen dagegen haben sie
grosse Weichheit und Sanftheit und in den höchsten Tönen viel
Durchdringendes. Das gute Spiel desselben erfordert neben einer
starken und gesunden Bi*ust grossen Fleiss und sorgfältige Übung.
Falset, s. Stimme.
Falsobordone (ital.), franz. Fanxbourdon, eine der ältesten
Formen mehrstimmigen Gesanges, welche nach neueren For-
schungen ihren Ursprung in England haben soll, übrigens auch
in anderen Ländern geübt wmrde und besonders in Frankreich
beliebt war. Sie bestand ursprünglich darin, dass die organizie-
renden Stimmen den Tenor m Terzen- und Sextenparallelen be-
gleiteten; die drei Stimmen schritten also in Sextaccorden fort,
nur mit der Abweichung, dass sie am Anfange und am Schlüsse
nicht 1., 3., 6., sondern 1., 5., 8. sangen.
Nach den Terzsexten -FalsoDordoni, welche dreistimmig
waren, bildete sich in der Dufay'schen Periode eine zweite
Gattung, welche sich auf vier Stimmen ausdehnte. Eine der vier
Stimmen trug den Cantus firmus vor, die übrigen schritten mit
ihr in einem auf lauter Konsonanzen gebauten gleichen Kontra-
punkt, aber ohne bestimmten Rhythmus, durchwegs mit der
Vortragsweise des Chorals, dahin; in den Fuialklauseln wurden
Ligaturen angewendet, welche sich auch bald in den Mittel-
kadenzen einianden. Falsibordoni dieser Art haben sich bis auf
den heutigen Tag erhalten und bewahren ihre Geltung, insofern
der in ihnen hervortretende Cantus firmus ihnen objektiven,
Fastenzeit. 75
kirchlichen Charakter verleiht, und die harmonische Hülle ihn
zur Geltung kommen lässt.
Eine dritte Art fauxbourdons — ganz imeigentlich so jje-
nannt. war im XVII. Jahrh. in Gebrauch, welche nach Baini
darin bestand, dass die Oi'gel eine aus dem Cantus iirmus eines
Chorals entlehnte Bassmelodie vortrue, zu welcher dann ein
Sänger einen eigenen, d. h. selbst enundenen Gesang — eine
eigentliche Kantilene — aus dem Stegreif ausführte. Auf solche
Weise wechselten die einzelnen Stimmen von Vers zu Vers,
während die Bassmelodie sich immer gleich blieb (basso obstinate).
Der päpstliche Sänger Fr. Severi gab solche Kantilenen 1615 zu
Rom heraus für soßhe Sänger, welche sie nicht extemporisiereri
konnten. Da diese Gattung durch den Gebrauch von künstlichen
Passagen, Trillern und anderen Verzierungen ausartete, kam sie
bald in Miskredit und verschwand allmählich.
Fastenzeit, Quadragesima. Diese Zeit, welche von der
Kirche der Busse und heuigen Trauer gewiamet ist und die
Vorbereitung auf das heilige Osterfest und auf die Erlösungs-
made bildet, nimmt mit dem Aschermittwoche (Dies cinerum)
uiren Anfang. Der Osterfestkreis jedoch beginnt schon mit dem
Sonntage Septuagesimae, von welchem aus Trüber die Fastenzeit
begann, weswegen auch für die Zeit von diesem Sonntage an
fast alle liturgischen Eigentümlichkeiten der Fastenzeit Geltung
haben. Der Aschermittwoch wird in der römischen Kirche seit
dem VIII. Jahrh. als der erste Tag des grossen Fastens gefeiert;
von dem Gebrauche, Asche den Gläubigen auf das Haupt zu
streuen, welches aucn im Alten Bunde als ein Zeichen der Busse
vorkommt, reden die Liturgisten des XII. und XIII. Jahrh. als
einer schon alten Ceremome. Wie die Kirche alles weiht und
segnet, was im Kultus verwendet wird, so hat sie auch einen
eigenen Ritus für die Aschenweihe angeordnet. Bei feierlicher
Vollziehimg derselben verbindet sie damit Gesang. Vor der
Weihe singt der Chor die Antiphon „Exaudi nos Dömine", wel-
cher ein Psalmvers mit „Gloria Patri" und Repetition der Anti-
phon (wie beim Introitus. der Messe) folgt. Nach der Weihe
und bei Aufstreuung der Asche erhebt der Chor wiederholt seine
Stimme und singt die Antiphonen : „Immutemur" und -Inter
vestibulum" mit dem „Emendemus", worauf die heilige Messe
ohne Gloria und Credo folgt.
Was die liturgischen, den Chor betreffenden Vorschriften
für die heilige Fastenzeit angeht, so hat bei den Messen oder
Amtern der Sonntage und der Ferien die Orgel und überhaupt
die Instrumentalmusi zu schweigen, nur die menschliche Stimme,
ergiiffen von den Bewegungen der Seele, soll in Tönen die Ge-
fühle der Trauer und Zerknirschung kundgeben; hierbei gibt es
'^T.usser an Festen) weder Gloria in excelsis , ' noch Ite missa est,
•ich kein AUeluia, an dessen Stelle beim Graduale der Tractus,
a Officium nacn „Dens in adjutorium" der Lobspruch „Laus
bi, Domine, rex aeternae gloriae** tritt. Nur der 4. Sonntag in
3r Fasten, Laetare genannt, macht eine Ausnahme; es ist da
er Gebrauch der Orgel erlaubt, weil die Kirche sowohl im
itroitus als in der Epistel und im Evangehum an die himm-
ichen Freuden erinnert, um die Gläubigen zu einem beharr-
76 Fauxbourdon — Figuralgesang.
liehen Eifer in Busse und Fasten, Kreuz und Leiden aufzu-
muntern.
Noch zu bemerken ist, dass die Vesper an allen Tagen
der heiligen Fastenzeit (an den Sonntagen jedoch nicht) vor
Mittag abgehalten wird; der Grund dieser Anordnung liegt in
dem Gebrauche der ersten christlichen Jahrhunderte, an Fasttagen
die Mahlzeit erst nach Sonnenuntergang einzunehmen. — Am
Freitage in der 4. Fastenwoche oder vor dem Passionssonntage
feiert die Kirche das Fest der sieben Schmerzen Maria,
-Festum Septem dolorum", wobei die herrliche Sequenz: -Stabat
Mater" sowohl in der heiligen Messe, als auch statt des Hymnus
im Officium und zur besonderen Abendandacht ihre Verwen-
dung findet.
Fauxbourdon, s. Falsobordone.
Fermate, Fermata, ist ein Ruhepunkt im Verfolge eines
Tonstückes, wo auf einer Note der Ton länger ausgehalten, oder
bei einer Pause länger verweilt wird, als es nach der regelmäs-
sigen Dauer statt hätte. Das Zeichen hierfür ist ein Halbbogen
mit Punkt ^ über die Note oder Pause gesetzt, bei welcner
diese Unterbrechung der Taktbewegung oder dieses Anhalten
stattfinden soll. Die Dauer der Fermate ist unbestimmt und ist
dem richtigen Gefühle und der Auffassung des Dirigenten anheim-
gegeben. Im Französischen ^ heisst dies Zeichen Uourone, im
Italienischen Corona.
Figur bezeichnet zuerst in der Musik eine um einen Ton
herum, oder von einem Ton zum anderen herausgebildete Gestalt
oder Gruppe von Tönen, wobei entweder eine melodische Haupt-
note in Kleinere Teile zerlegt und diese in einem bestimmten
Metrum angegeben werden (rhythmische Figur), oder mit
einer Hauptnote auf einer und derselben harmonischen Grimd-
lage Neben- und Wechselnoten verbunden werden (melodische
Figur). Es können auch Accorde zu verschiedenen Figuren ge-
brochen (harmonische Fi^r), sowie alle diese Arten gemischt
werden, wodurch die Figurierung im grossen und ganzen statt-
findet. Wie solche Figuren in einer Stimme vorkommen, so
können sie auch in mehreren zugleich vorkommen. Dann aber
werden unter dem Namen Figuren einige vorzugsweise be-
griffen, welche unter der Menge der Figuren im allgemeinen
ganz besonders hervortreten, unter welchen zu benennen sind:
die rhythmischen Figuren der Triolen, Quintolen u. dgl. des
Tremolo, Staccato, der Synkope; die melodischen Figuren
des Trillers, Doppelschlages, des Vorschlages una die
harmonischen Fij^uren des Arpeggio's.
Fignrae hiessen im XH. und XHI. Jahrb. auch die Noten.
Franco nennt zwei Gattungen, einfache und zusammen-
gesetzte (simplices et compositae); die einfachen sind:
longa, brevis und semibrevis; bald kam als vierte Art die mi-
nima hinzu; die zusammengesetzten sind die Ligaturen, die
Vel-bindung mehrerer Noten zu einem Notenbilde, wozu auch
die obliquitates, oder notae obliquae (s. C h o r a 1) gehörten
(s. Noten und Mensuralmusik).
Fignralgesan^, lat. Cantus figuralis seu mensurabi-
lis, ital. Canto figurato, franz. Chant figur6, ist jene
Finalis — Flöte. 77
Gattung Gesangsmusik, welche im XIL Jahrh. aus dem Discan-
tus sich herauszubilden anfing. Der Discantus, eine freigebildete
Nebenmelodie, kam bald dazu, über einer Note des Cantus firmus
zwei oder mehrere Noten vorzutragen, was notwendig darauf
hinführte, die Noten der beiden Melodieen in ein bestimmtes
Wertverhältnis zu setzen. Man mass die Tonzeichen ohne ge-
nauen Takt, welcher erst weit späteren Ursprunges ist, nach
ihrer Figur durch fortgesetztes 2jählen, wobei die Brevis zu
Grunde gelegt wurde. In dieser Weise bildete sich das Men-
suralsystem, musica mensurabilis aus, welches erst im
XV. Jahrb., zur Zeit der ersten niederländischen Schule, den
höchsten Grad der Vollendung erreichte Da die bisherigen
Tonzeichen nicht ausreichten, um eine solche Werteinteilung zu
vollziehen, gestaltete man sie etwas um und vermehrte ihre
Zahl. Dem mit diesen neuen Noten (figurae) aufgezeichneten
mensurierten Gesänge gab man dann den Namen Figural-
gesang. Aber aucn der Gesang selbst wurde in seinen Ton-
bewegungen mannigfaltiger, so aass sich gegenüber dem mehr
gleichmässig fortschreitenden Chorale eigentliche Tonfiguren und
Verzierungen, gleich den alten Fleurettes des Discantus bildeten
und um so mehr den Namen „Figur algesang" rechtfertigten.
Übrigens bezeichnete man später mit diesem Namen bald bloss
den mehr verzierten Gesang, bei welchem nämlich Noten ver-
schiedener Gattung zur Anwendung kamen, bald jeden mehr-
stimmigen Gesang, wenn auch alle Stimmen Noten von gleicher
Geltung hatten. — Manche Musiker der neueren Zeit, wo man
keine andere Kirchenmusik mehr kannte , als die mit obligater
Instrumentalbegleitung und den rituellen Choral, bezeichneten
mit „Figurierter Musik" jede mit Instrumenten begleitete
Kirchenmusik.
Finalis, s. Kirchentonarten.
Fine (ital.): der Schluss, das Ende. Dies Wort wird in
Musikstücken, von welchen ein Teil wiederholt werden soll (da
Capo, dal Segno) an der Stelle angebracht, wo die Repetition
und auch das Stück geschlossen werden soll.
Fingersatz, s. Applikatur.
Fiorituren (abgeleitet vom ital. fiorito, verblümt), nennt
man die Verzierungen im Gesänge.
Fistelstimme, s. Stimme.
Fistula (lat.), Röhre, Pfeife: fist. organica, Orgel-
pfeife.
Flöte, ital. Flauto, franz. Flute. ' Sie ist wohl unter
allen musikalischen Instrumenten das älteste. In der ersten
rohen Gestalt der Natur war sie nichts anderes als ein einfaches
Rohr, das an einem Ende zugeklebt, am anderen angeblasen,
einen hellen Ton von sich gab. Daraus entstand die sogenannte
"' ten- oder Fanpfeife. Nach und nach kam man darauf,
solches Rohr zur Erzielung mehrerer Töne mit Löchern zu
iehen. Diese wurden jedoch nicht quer, wie unsere Flöten,
den Mund gesetzt, sondern gerade heruntergehalten ange-
jen, oben hatten sie ein sogenanntes Mundstück. Auch dop-
ie Flöten, welche im Mundstücke nebeneinander steckten und
\eieh angeblasen werden konnten, hatte man. Mit der Zeit
78 Flügel — Fortschreitung.
erhielten die einfache, wie die doppelte Flöte mancherlei Ver-
änderungen und Vervollkommnungen, bis man dahin kam, sie
quer an den Mund zu setzen, welche Art als die bequemste auch
fortan beibehalten ward. In ihrer jetzigen Gestalt besteht die
Flöte aus vier zusammengezapften Stücken Röhre, dem Kopf-
stück, zwei Mittelstücken, von denen das obere in ver-
schiedenen Grössen gebraucht wird, und dem Fusse; im Kopf-
stücke befindet sich die Propfschraube zur Erlangung einer
reinen Stimmung; sie wurde 1726 von Quänz erfunden; Terners
hat die Flöte sieben Tonlöcher und mehrere (sieben bis fünfzehn)
Klappen, teils um alle Töne der chromatischen Leiter ihres Um-
fanges, teils um mehr Reinheit und eine völlige Gleichheit der-
selben in Hinsicht ihrer Stärke zu erlangen. Verfertigt werden
die Flöten entweder aus Buchsbaum-, Eben- oder Kokosholz.
Die Flöte gehört unter den Rohrinstrümenten zu den aus-
gebildetsten; ihr sanfter, der menschlichen Stimme nahe ver-
wandter Ton macht sie zum Ausdrucke schöner, reiner und
zäi-tlicher Gefühle geschickt. Ihre schöne Klangfarbe macht sie
für das Orchester unentbehrlich, sowie die Stärke ihrer Töne in
den hohen Oktaven, wodurch sie im Vereine mit den Streich-
instrumenten zur Melodieführung sich sehr tauglich erweist. Es
gibt verschiedene Arten von Flöten, von denen einige nur für
Militärmusik angewendet werden.
Flügel, s. Pianofort e.
Fondamento (ital.) bedeutet soviel als Grundstimme, Bass.
Forte (lat.), stark, kräftig.
Fortschreitnng ist entweder die Bewegung einer Stimme
von einem Tone zum anderen, dies ist die melodische Fort-
schreitung; oder die Fol^e der Töne in mehreren Stimmen
zugleich, d. n. von Accorden, m Bezug auf die Reinheit der daraus
entstehenden Harmonie, und dies heisst die harmonische Fort-
schreitung. In Absicht auf die Melodie muss die Fortschrei-
tung leicht und natürlich, d. h. fliessend und dem Ausdrucke
angemessen sein. Darum sollen alle Dissonanzen vorbereitet
werden, ausser sie kommen im Durchgange vor (der freie, moderne
Stil wendet sie auch unvorbereitet an); es sollen, wo immer
möglich, alle zu grossen Sprünge vermieden, statt der über-
mässigen und verminderten Intervalle lieber grosse und kleine,
überhaupt aber solche, deren beide Enden in emer und derselben
Tonart hegen, gewählt werden.
Hinsichtlich der harmonischen Fortschreitung ist zu
beachten: dass jede Stimme ihrer Lage nach immer dieselbe
bleibe, d. h. dass die Stimmen sich nicht überschreiten, kreuzen
(Ausnahmen können allerdings vorkommen); dass in der Fort-
schreitung zweier Stimmen die unmittelbare Folge vollkommener
Konsonanzen — reiner Quinten und Oktaven — vermieden werde,
was durch die Gegenbewegung meistens geschehen kann.
Bei der harmonischen Fortschreitung kommt auch die be-
dingte Fortschreitung der Dissonanzen einer Tonart in Betracht
und eine ganz allgemeine Regel für sie ist: dass jede Disso-
nanz in eben derselben Stimme, in welcher sie vor-
kommt, stufenweise fortschreite, und zwar entweder um
einen grossen halben oder um einen ganzen Ton in die nächst-
Fronleichnamsfest. 79
^gelegene Konsonanz der Tonart (Auflösung). Unter diesen zeich-
nen sich aus: die Quart der Tonart (als Dominantseptime),
Direlche abwärts in die kleine oder grosse Terz, und der Leit-
ton (die grosse Septime), welcher aufwärts in die Oktave
schreitet.
Fronleichnamsfest, Festum Corporis Christi, das
Fest zur besonderen Verehi-ung des, heiligsten Altarssakramentes,
wurde zuerst — veranlasst durch ein Gesicht einer Klosterfrau
Juliana — von dem Bisöhofe Robert von Lüttich 1246 für seine
Diöcese angeordnet; Papst Urban befahl durch eine Bulle vom
Jahre 1264, es in der ga^^^^n Christenheit zu feiern, was aber
wegen seines baldigen Todes nicht zur Ausführung kam. Erst
1311 wurde es durch Clemens V. auf der Synode zu Vienne
neuerdings eingeschärft, und seitdem begeht die katholische Chri-
stenheit dieses Fest mit vorzüglicher Pracht am Donnerstage
nach dem ersten Sonntage nach Pfingsten. Der eigentliche Em-
setzungstag des heiligen Gedächtnisses der Eucharistie ist aller-
dings der Gründonnerstag; da aber dieser Tag als Vorabend
des Todestages des Herrn sich nicht recht zu einer Freudenfeier
^eignet, wie sie dieses hochheilige Geheimnis fordert, so wurde
fanz bUlig der erste Donnerstag nach dem Schlüsse der drei
ochsten Feste des Jahres (Weihnachten, Ostern, Pfingsten) hierzu
gewählt. Die ganze Feier drückt die grosse Wertschätzung,
mystische Erhebung und gläubige Liebe zu diesem höchsten Ge-
heimnisse aus. Nach aUgememer Annahme wurde der heil.
Thomas von Aquin vom Papste Urban beauftragt, das Officiimi
der ganzen Festlichkeit anzufertigen; das vortrefflichste davon
ist die Sequenz „Lau da Sion". Wie der Text aller Ahtiphonen,
Hynanen u. dgL einen heiligen, von glühender Liebe zu Jesus
im heiligsten Sakramente durchdrungenen Dichter bekunden, so
sind aucn die Choralmelodieen des ganzen Officiums Meisterwerke
•eines kirchlichen Sängers. — In der Art und Weise der Feier
zeichnet sich dieses Fest besonders durch eine theophorische
Prozession aus, imd das hochwürdigste Gut wird sowohl am
Festtage selbst als auch während der ganzen Oktave bei der
Hauptmesse am Vormittage, an vielen Orten auch bei einer
Nachmittags- oder Abendandacht (Vesper oder Litanei) feierlich
ausgesetzt; hiervon macht die Synode von Sens 1320 schon Er-
w^ähnung. — Die Fronleichnamsprozession ist die feierlichste im
ganzen Jahre, ist wahrscheinlich so alt als das Fest selbst,
und wird am Festtage nach dem Hochamte, dann am achten
Tage (in die octava), und an vielen Orten auch am Sonntage
innerhalb der Oktave begangen, in der Art, dass, wenn günstige
Witterung ist, sie sich auch ausserhalb des Gotteshauses in den
Strassen der Städte und Märkte oder in den Fluren der Dörfer
bewegt. Die Beteiligung des Chores daran besteht in der Ab-
gang von Hyinnen zu Ehren der hochheiligsten Eucharistie,
Q denen die Kitualien namentlich „Pange lingua**, „Sacris so-
iniis**, „Verbum supemum prodiens", „Salutis humanae sator*^
zeichnen. In Deutschland und anderen Ländern (das römische
jual sagt darüber, nichts) ist es Gebrauch, das Allerheiligste
ährend des Zuges an vier nach Art der Altäre geschmückten
sehen (Stationes) niederzusetzen, die Anfangsverse der vier
80 Fugato — Fuge.
Evangelien zu singen, darauf kurze Gebete zu verrichten, und
ehe man weiter zieht, den Segen zu geben.
Das Rituale Ratisbonense bezeichnet das Amt des Sänger-
chores bei der Fronleiohnamsprozession also: -Chorus musicus,
deinde crux Cleri saecularis", d. h. vor dem Kreuze, das dem
Säkularklerus vorgetragen vp^ird, gehen die Sänger (in Chorklei-
dung) ; „dum Sacerdos diöcedit ab altari, Clerus vel Saoerdos can-
tare incipit Hymnum: Fange lingua", d» h. wenn der Priester
mit dem AUerheiligsten den Altar verläset, beginnt der Klerus —
Sängerchor — oder der Priester selbst (nur im Notfalle, wo kein
Sänger zu haben ist), den Hymnus Fange lingua. „Absolute
Hymno possunt cani Psalmi aliquot, huic Feste congruentes, uti:
Credidi, Laudate Dominum de coelis etc. vel Sequentia: Lauda
Sion etc.", d. h. nach dem Hymnus können einige Fsalmen, die
dem Feste entsprechen, z. B., „Credidi, Laudate u. dgl. oder die
Sequenz „Lauda Sion" gesungen werden. ^Cum ad primum (se-
cundum) altare perventum fuerit, .... canitur aliquod Mottetum
vel Responsorium." Nach der Ankunft beim ersten (zweiten)
Altare wird, nachdem das Allerheiligste niedergestellt ist, ein
Motett oder ein Responsorium gesungen. Hierauf hat der Chor
nur auf die bekannten Versikel zu antworten. Beim Weggange
vom ersten Altare singt der Chor den Hymnus: „Sacris solemniis**,
beim Verlassen des zweiten und dritten Altares die Hymnen:
„Verbum supernum" und „Salutis".
Fugato, ein in Fugenform gearbeiteter, jedoch nicht in der
Strenge und Vollständigkeit dieser Form una namentlich nicht
als selbständiges Ganze, sondern meist nur als Teil eines grösse-
ren Ganzen ausgeführter Satz.
Fuge, lat. und ital. Fuga, franz. Fugue, ist eine musi-
kalische Kimstform, bei welcher ein gegebener Satz oder musi«
kalischer Gedanke durch verschiedene Stimmen hindurchgeführt,
d. h. wechselweise von allen Hauptstimmen ergriffen und von
denselben nach bestimmten Regeln nachgeahmt und verarbeitet
wird. Diese Kunstform findet sowohl im Vokal- als auch im
Instrumentalsatze Anwendung.
Bei der Konstruktion der Fuge kommen hauptsächlich sechs
Stücke in betracht: 1) Der Hauptsatz, dux, thema, auch
Subjekt (franz. sujet, ital. Sogetto), Führer genannt. 2) Der
Gefährte, comes, oder die Antwort, franz. reponse, ital.
Consequenza oder Risposta, eigentlich das Thema in seiner
Wiederholung durch eine andere Stimme auf einer anderen Ton-
stufe. 3) Der dem Comes entgegengestellte Satz, oder die
Fortsetzung des Themas zur Begleitung der Antwort. 4) Der
Zwischensatz, welcher dazu dient, die Verbindung zwischen
dem Hauptsatze und dem Gefiihrten herzustellen oder die Wieder-
schläge aneinander zu knüpfen. Die Zwischensätze, Episoden,
feben den Teilen der Fuge innigeren Zusammenhang und sollen
er Einheit wegen aus Figuren oder Teilen des Hauptsatzes be-
stehen. 5) Der Wiederschlag, Repercussio, d. h. die Ord-
nung, in welcher Führer und Gefährte sich in den verschiedenen
Stimmen abwechselnd hören lassen. Gewöhnlich nennt man
nicht die allererste Durchfühi'ung des Themas durch die Stimmen,
sondern erst diejenige, welche die weitere Ausführung der Fuge
Fuge.
81
anhebt, den Wiedersohlag, — überhaupt den erneuten Eintritt
des Themas als dux. 6) Die Durchführung, d. i. die Fort-
spinnung und weitere Verarbeitung des FugenstoflPes. 7) Der
Schluss. Auf die Erfindung oder Wahl des Hauptsatzes
kommt sehr viel an, dass er melodisch gut, leicht ausführbar
und harmonisch wohl verwendbar sei; gute Komponisten bilden
ihn kurz, nicht leicht länger als acht Takte, damit ihn das Ohr
leicht fasse, aber doch gehaltvoll, so dass er zu Engflihrungen,
Nachahmungen, Gängen hinreichenden Stoff bietet.
Was den Comes, die Antwort betrifft, so wird, wenn
der Hauptsatz (dux) in der Tonic a anfängt und in der Domi-
nante schliesst, der Gefährte (comes) in der Dominante an-
fangen und mit äerTonica schljessen, und umgekehrt; weshalb
aucn oft beim Comes eine kleine Änderung des Themas (Rückung,
Verschiebung, Verengimg, oder Erweiterimg eines Tonschrittes
um einen halben oder ganzen Ton) eintritt, um eben den Rück-
fang in den Hauptton zu erzielen (a). Wenn das Thema oder
er Hauptsatz nicnt mit der Tonica, sondern mit der Terz oder
einem anderen Intervall der Tonleiter anfangt, so fangt die
Antwort mit derselben Stufe der Dominantentonart an (b). J. C.
Lobe legt hierbei alles Gewicht auf die Beachtung der Terz.
a. Thema.
Antwort.
&^^
P5=1:
tt
Antwort.
b. Thema.
Bin^Wi^i^
Wenn der Hauptsatz von allen Stimmen vorgetragen wor-
den ist — erste Durchführung oder Exposition, so ist die
Tonart sicher gestellt und es kann nun in andere Tonarten mo-
duliert, der Führer öfter auf verschiedenen Tonstufen dargestellt,
die Antwort freier vorgebracht und andere Kunstformen, als
Kanon, verschiedenartige Nachahmungen, teilweise Entwickelun-
gen, doppelter Kontrapunkt, Vergrösserung, Verkleinerung des
Lemas u. dgl. in Anwendung gebracht werden. Die teüweisen
twickelungen des Themas und seine Antworten bestehen in
rschiedenen, aus einzelnen Figuren derselben gebildeten Füh-
n, Gängen, kleinen kanonischen oder freien Nachahmungen
• verschiedenen Stufen und in verschiedenen Gestalten.
Zu beachten ist noch die Engführung (Stretto), welche
rin besteht, dass die Antwort dem Thema näher gerückt wird,
Kommüller, Lexikon. 6
82 Fuge.
d. h. früher eintritt, als im Anfange geschehen ist, wobei es
gerade nicht notwendig ist, das ganze Thema zu wiederholen.
Gegen das Ende der Fuge hin wird "vrieder die Rückkehr
zur Haupttonart angebahnt und. durch Modulation nach der
Dominante der Schluss vorbereitet, welcher bei jedet ausgear-
beiteten Fuge feierlich sein soll. Hier haben nun die Hauptstei-
gerungsmittel: die Engführung und der Orgelpunkt ihren
rlatz und vollenden das Ganze mit einer entsprechenden Schluss-
kadenz, in welcher alle fugierenden Stimmen gleichsam wie
erschöpft ausruhen; doch bleibt diese manchmal auch weg, und
es bildet dann der Orgelpunkt auf der Dominante und Toniba
den Schluss.
Man teüt die Fugen in verschiedene Arten ein : ausser den
schon genannten Vokal- und Instrumentalfugen, in einfache
oder reine und begleitete Fugen; in den ersteren nehmen
alle Stimmen an der Fugenarbeit teil, in letzteren erscheinen
neben den fugierenden Stimmen noch eine oder mehrere beglei-
tende Stimmen; in strenge und freie Fugen, je nachdem das
Thema und die ganze Durchführung im strengen Stile abgefasst
ist, oder darin viele und gefällige Verzierimgen stattfinden; —
nach der Zahl der verwendeten Subjekte gibt es einfache,
Doppel-, Tripel fugen u. dgl.; nach der Zahl der fugier.enden
Stimmen zwei-, drei-, vierstimmige Fugen u. s. w. Altere
Tonlehrer teüen die Fuge, je nachdem der.Comes in diesem oder
jenem Intervalle eintritt, in Sekund-, Terz-, Quart-, Quint-
fugen u. s. w. ein. Die Quintfuee, d. h, diejenige, wobei die
Beantwortung des Themas in der Quint stattfindet, ist jetzt die
gebräuchlichste. Fugen des Tones heissen diejenigen, welche
ganz im Sinne der alten Kirchentonarten gebildet sind; sie dür-
fen in Subjekt und Antwort die Grenzen einer Oktave nicht
überschreiten, auch nicht in entferntere Tonarten modulieren,
und müssen sich des Gebrauches von Kreuzen und Been mit
wenigen Ausnahmen enthalten. Sie heissen Fuga ricercata
oder Kicercari, wenn der ganze FugenstoflF aus dem Subjekte
genommen ist und sicli in einer Menge von Kanons, Imitationen
und Strettos ausbildet.
Eine Fuge im Sinne unserer heutigen Tonkunst als ein
aus strengen und freien Nachahmungen in bestimmter Folge
und nach gewissen Regeln zusammengesetztes zwei- oder mehr-
stimmiges Tonstück finden wir in den alten Meisterwerken nicht.
Der Name „Fuga** kommt zuerst bei Johann de Muris vor, und
er definiert sie: „identitas partium cantus, quoad valorem, for-
mam, nomen et interdum quoad locum notarum et pausarum
suarum." Sie bildete sich aus den kontrapunktischen Arbeiten
des XIV. imd XV. Jahrh. heraus, wo man sich öfters der „Repeti-
tiones", Wiederholung dessen, was eine Stimme vorausgesungen
hatte^ durch die anderen Stimmen bediente; im Grunde waren
sie nichts anderes, als mehr oder minder freie Nachahmungen.
Den Namen „Fuga" aber nahm man von dem Auseinandergehen
der Stimmen, welches auch „fugere** hiess, oder vielmehr von
dem gleichsam auf dem Fusse Nachtreten, Verfolgen der einen
Stimme durch die andere. Johann Ogkenheim trat um 1500 mit
einer neuen Art Fuga hervor, welche sich als canon perpetuus
Fuge. 83
darstellt. Im XVI. und ffi-ossenteils noch im XVII. Jahrh. be-
nannte mian die strengen Kanonischen Nachahmungen insgemein
Fugen, wie die Aufschrift „Fuga** über den einzeilig notierten,
oft mit rätselhaften Devisen versehenen Kanons bezeugt; die
freien Nachahmungen im Motetten- und Madrigalenstil messen
-ad fugam". Wie hoch solche kanonische und fugenai'tige Ge-
fuge geschätzt wurden, zeigt Adr. Coclicus, welcher in seinem
-Compendium Musices" (1552) den Komponisten als letzte Regel
hinstellt: „Ut prospiciat componista, si possibile fuerit, quod una
vox aliam sequatur per fugam in inchoatione cantus.*^ Ein un-
seren Quintenfugen ähnlicnes Gebilde finden wir bei Zarlino.
Das XVII. Jahrh. war besonders thätig, die Fuge der im
XVin. Jahrh. erreichten Vollkommenheit entgegen zu führen.
Zwar erscheint sie (wohl für die Vokalmusik) nach Herbst's
^Musica poetica" (1643) noch als strengere oder freiere Nach-
ahmung im Unisono, in der Quart, Quint und Oktav, welche bis
zu einer clausula formalis geführt und dann mit gleicher Ver-
arbeitung einies neuen oder aus den vorangehenden Begleitungs-
stimmen entnommenen Themas fortgesetzt wird; doch kennt
er schon die Bezeichnungen „Dux" und pComes*'. Fugae solutae
nennt er diejenigen, bei welchen sich die Stimmen mcht so ge-
nau folgen und nachahmen, fugae ligatae sind die reinen Kanons
(fugae perpetuae, fugae per motum contrarium etc.), Ath. Kir-
cher nennt erstere fugae partiales, letztere fugae totales. Die
wesentlichsten Beförderer der Entwickelung der Fuge aber waren
die Organisten, unter ihren Händen reifte sie der Schönheit einer
organisch jge^liederte^ und geregelten Kunstform entgegen.
Frescobaldi wird als der erste geriflimt, welcher in Italien den
fugierten Stil auf der Orgel mit Kunst gebrauchte; nach Deutsch-
land verpflanzte das Spiel sein berühmter Schüler Frohberger;
in Frankreich war Lulli wegen seiner Fugen angesehen (?). und
was die meisten in der Praxis übten, erfassten auch die Theore-
tiker bald und stellten Grundsätze und Regeln, welche sie in
den praktischen Werken für allgemein beoDachtet fanden, zu-
sammen, 80 Fux in seinem „Gradus ad Parnassum" u. A. Das
Werk vollendeten auf dem praktischen Felde die grossen Meister
Händel und Bach, auf dem theoretischen steht noch unübertroffen
Marpurg mit seiner Abhandlung über die Fuge da, welche von
S. Sechter umgearbeitet, teilweise ergänzt und berichtigt wurde.
Um dieselbe Zeit (in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrh.) ar-
beitete auch Riepel ein Werk über die Fuge, und Vogler schrieb
sein „System des Fugenbaues". In neuerer Zeit ragen unter
den Theoretikern Cherubini, E. Fr. Richter u. a. hervor, und in
jeder grösseren Kompositionslehre findet sich eine ausgedehntere
Abhandlung über die Fuge.
Die Fuge nimmt unter den musikalischen Kunstformen die
^'ichste Stelle ein sowohl wegen der hohen geistigen Einheit
i der reichsten Mannigfaltigkeit der Gestaltungen, die sich aus
nem Gedanken entwickeln, als auch wegen des selbständigen
ibens, das jede Stimme entfaltet, und wegen der kombinierten
iwendbarkeit fast aller anderen Kunstformen. Sie ist nicht
3hr ein einfaches Bild öder Porti-ät, sondern es sind künstlich
X)rdnete Gruppen, in welchen die Figuren nach Charakter,
6*
84: Fughetta — Fusa.
Ausdruck und Wichtigkeit wetteifern. Dieser hohe Wert kommt
aber nur derjenigen Fuge zu, welche neben kunstreicher Archi-
tektonik auch ein poetisches, ein ideales Moment in sich trägt^
d. h. einen Gedanken, eine Stimmung, nach seinen natürlichen
und notwendigen Beziehungen in dieser Architektonik entwickelt
und darstellt. So ist sie eme Aufgabe, welcher nur die tüchtig-
sten Meister gewachsen sind; eine blosse schulmässige Kombi-
nation von fugenmässigen Gebilden und Künsteleien ohne lei-^
tenden Gedanken mag wohl das Ansehen einer Fuge haben^'
bleibt aber immerhin nur eine Form ohne Geist, ein Komplex
nichtssagender Bildergruppen.
In der Kirchenmusik findet diese Kunstform nur sehr be-
schränkte Anwendung, da eben die Kirchenmusik nicht um ihrer
selbst willen da ist, sondern den Gottesdienst zu berücksichtigen
hat, der selten ein so ausgebreitetes Tonstück als eine eigentliche
Fuge ist, zulässt; fugierter Stil und Fughetten aber finden leich-
ter Verwendung. Es ist auch ein im Zwecke der Kirchenmusik
nicht begründeter und auch vom idealen Standpunkte nicht zu
rechtfertigender Gebrauch, welcher sich besonders am Ende des
verflossenen und in der ersten Hälfte dieses Jahrh. breit machte,,
an die Gloria, Credo, Sanctus, Agnus über die Schlussworte die-
ser Gebete, oft über das Wörtchen „Amen" oder „Alleluja" allein
eine Fuge zu knüpfen. Doch gilt dies nur von den Smgfugen^
für die Orgel ist aber diese Kunstform besonders geeignet, und
der katholische Organist wird Zeit und Gelegenheit finden, sie
in Anwendung zu bringen, f
Fughetta, eine kleine, leichte und nicht weit ausgearbeitete
Fuge, weniger tiefen und ernsten Inhaltes und meist auf eine
einzige Durcnführung beschränkt.
Führer, s. Fuge.
Füllstimme ist eine solche Stimme, welche entweder eine
vielfach besetzte Hauptstimme im Einklänge oder in der Oktave
verstärkt, oder die Harmonie vervollständigt oder durch Ver-
doppelung einzelner Accordtö'ne noch mehr ausfüllt.
Fnndamentalbass ist die Bezeichnung der Accorde durch
ihren Hauptton, d. i. den Grundton ihres Stammaccordes , z. B.
Fund.-B. C C G H.
Rameau war wohl der erste, welcher die allerdings auch früher
schon gebrauchten, aber theoretisch noch nicht als Umkehrungs-
accorde angenommenen Accorde auf Stammaccorde zurückführte,
nämlich auf Dreiklänge, und Sext und Septime nur als einfache
Zuthaten betrachtete. Seine Lehre war von Valotti, Kirnberger,,
Vogler u. a. adoptiert und weiter ausgebildet. Sechter legt in
seiner Kompositionslehre einen grossen W ert auf den Fundamental-
bäss, um die naturgemässe Verbindung der Harmonieen zu be-
gründen. — Fundament wurde früher auch der bezifferte
Orgelbass und überhaupt die Bassstimme, auch Basis, benannt'.
Fnsa, s. Noten und Mensuralmusik.
\
Fusston — Gefährte. 85
Fnsston, ein Ausdruck, welcher zur Tonhöhebestimmung
vom Orgelbau hergenommen ist. Eine offene Labialpfeife, welche
den Ton (gross) CTgibt, ist ungeföhr 8 Fuss lang, eine Pfeife
von 4* gibt den Ton c, eine Pfeife von 16 Fuss den Ton C,.
Danach neisst ein Register (Pfeifenreihe) , deren tiefster Ton
C 16, 8, 4 oder 2 Fuss lang ist, ein 16-, 8-, 4- oder 2füssiges
Register. Bei gedeckten Pßifen und Zungenstimmen aber deckt
sich nicht die Körperlänge mit der Tongrösse, indem z. B. eine
gedeckte Pfeife von 4 Fuss Länge schon den Ton einer offe-
nen Pfeife von 8 Fuss gibt; von einem solchen gedeckten Re-
gister (Gedackt) sagt man dann, es habe 8 Fusston. Und so
auch bei den Zungenstimmen.
Fz. = forzato, eigentlich sforzato, forciert, d. h. stark
hervorgehoben, eine Bezeichnung, welche nur für einen Ton
oder Accord Geltung hat.
G.
G ist der Name des fünften Tones der modernen Tonleiter,
welche von C ausgeht. In der Solmisation und bei den Fran-
zosen und Italienern heisst es sol.
Gamba ist ein in grösseren Orgeln vorkommendes Flöten-
register von enger Mensur und starkem Windzufluss; es gibt
«einen scharfen streichenden Ton, spricht aber für sich schwer
und langsam an, und wird darum gewöhnlich nur in Verbindung
mit anderen Registern gebraucht. Neuere Orgelbauer bauen die
Gamba schon so, dass sie als Soloregister gebraucht^ werden
kann. Ihr Ton ist sanft streichend, etwas schneidend. 'Sie wird
auch als 4 Fuss gebraucht, im Pedal als löfüssiges Register
selten, und wnd von einigen „Gambenbass**, von anderen „Violon-
bass" geheissen.
r = Gamma, der dritte Buchstabe im griech. Alphabet,
entsprechend unserm G. Früher benannte man damit die gui-
donische Skala, weil ihr tiefster Ton um die Zeit Guido's r war.
Der griechische Buchstabe wurde aus keinem anderen Grunde
angenommen als zur Unterscheidung des tiefsten Tones von den
höheren G, g. Auch später noch nannte man den Umfang oder
die Tonreihe irgend einer Stimme oder eines Instrumentes
„Gamma". Die Franzosen bezeichnen mit dem Worte „Gamme"
die Skala oder Tonleiter.
G&ns; als musikalisch-technischer Ausdruck bezeichnet eine
musikalische Form, in welcher ein Motiv oder eine Figur öfter
gleichartiger oder ähnlicher Gestalt wiederholt aneinander
eiht erscheint ohne eigentlichen Schluss. Sie ist entweder
monisch oder bloss melodisch.
Ganzschluss, s. Kadenz.
Gebläse, s. Balg.
Gebundener Stil, s. Stil.
Oedackt, so viel wie gedeckt, s. Pfeifen.
Gefährte, s. Fuge.
86 Gegenbeweguiig — Geige.
Gegenbewe^nng, s. Bewegung. ^
Gehör ist im allgemeinen der Sinn des tierischen Köi*-
pers, durch welchen die Schallwellen (s. Akustik) empfunden
werden. Diese werden durch die Ohrmuschel aufgefangen und
nach dem Trommelfell geleitet, welches dadurch in Schwingun-
gen versetzt wird, die sich durch feste, kleine Knochen (Hammer,
Ambos, -Steigbügel) bis zur Flüssigkeit des Labyrinthes und
dessen Nervenverbreitung fortpflanzen. Das Wesentlichste am
Gehörorgane ist der Gehörnerv. Man hat auf Grimd der aku-
stischen Gesetze die Hypothese aufgestellt, es müsse sich im
Ohre ein Organ befinden, welches wie eine Art Harfe mit meh-
reren tausend saitenartigen, genaugestimmten Körper chen ver-
sehen sei, mit deren jedem nur eine Faser des Gehörnerven
verbunden ist, die weiter keinen Dienst hat, als die Schwingun-
gen dieser einen Saite zum Centralorgan des Bewusstseins zu
telegraphieren. Mikroskopisch-anatomische Untersuchungen der
neueren Zeit sind zur Öestätigung dieser Hypothese ziemlich
. weit vorgedrungen. Im Behälter des Gehörnerven ^ der soge-
nannten Schnecke, welche den Tonempfindungen dient und das
musikalische Ohr ist, während die anderen Teile des Ohres,
mehr für die Wahrnehmung des Schalles und der Geräusche be-
stimmt scheinen, ist das Emde jeder Nervenfaser verbunden mit
kleinen elastischen Körperchen, die vollkommen geeignet schei-
nen, durch KlangweUen in Mitschwingung versetzt zu werden.
Von ihrem ersten Entdecker , dem Marchese Corti, heissen diese
Gebilde die Corti'schen Fasern, das Corti'sche Organ.
Deren sind nach Kölliker etwa 3000 in der Schnecke enth£uten.
Genauere Empfindimg, feinere Wahrnehmung scheinen demnach
durch, zahlreichere Endungen isolierter Nerven beding zu sein;
doch wird auch durch Übung die Feinheit des Gehöres gestei-
gert. — Was man speciell musikalisches Gehör nennt, ist
nichts anderes, als die Fähigkeit, Töne, welche von aussen an
das Ohr gelangen, unterscneiden und dieselben wenigstens
innerlich reproduzieren zu können. Diese Fähigkeit, passender
Tonsinn genannt, ist allen vollsinnigen Menschen angeboren,
zeigt sich aber in so verschiedenen Graden, dass die Annahme,
manche Menschen besässen ^ar kein musikalisches Gehör , we-
nigstens den Schein der Ricntigkeit für sich hat; eine Haupt-
ursache dieser irrigen Annahme liegt aber in dem Mangel rich-
tiger Unterscheidung zwischen Tonsinn und Tonerzeugung,
in dem unrichtigen Schlüsse von der sinnlichen Tonbildung una
Tonunterscheidung auf den seelischen Tonsinn. So sehen wir
viele Menschen, welche die grössten Musikfreunde, höchst em-
pfänglich für Musikeindrücke, aber doch nicht imstande sind, mit
mrem Stimmorg^nismus die gehörten Töne richtig wiederzugeben.
Dass hier die Übung, namentlich vom frühesten Alter an, viel
zu bessern vermag, ist ausser allem Zweifel.
Geige ist der Gattungsname mehrerer Instrumente von
verschiedener Art und Grösse, welche aus Holz gefertigt, mit
Darmsaiten bezogen und mittelst eines aus Holz gearbei-
teten und mit Pierdehaaren bespannten Bogens. dessen Haare
mit Kolophonium wirksam gemacht worden, durch Streichen
der Saite zum Klingen gebracht werden. Der Ursprung dieser
Geige. 87
Instrumente reicht ins hohe Altertum hinauf; man findet der-
gleichen schon bei den Indiern, und zwar ein Saiteninstrument
mit Schallkasten, Rebec genannt; ebenso im nördlichen Em'opa
ein ähnliches, welches bei Venantius Fortunatus Crotta heisst
und den keltischen Volksstämmen eigen war. Der kymrische
Name lautete „Orwth", die Angelsachsen nannten das Instrument
„Crudh", gahdelisch hiess es „cruit", englisch „crowd". Die mittel-
alterlichen Schriftsteller führen oft ein Saiteninstrument mit
Namen Kota oder Rotte an, welches im wesentlichen dasselbe
Instrument ist; der Name Rotta ist offenbar aus dem keltischen
Crowd entstanden. Anfänglich war es ein zitherartiges Instru-
ment und wurde mit den Fingern oder dem Piektrum gespielt,
woraus sich in der Folge der ßeigenbogen entwickelte. Es war
mit sechs, später mit drei Saiten bespannt, welche über ein an
einem Halse angebrachtes Griffbrett und Über den Corpus des
Instrumentes hmliefen und an einem Saitenhalter befestiget
waren. Bei saitenreichen Instrumenten lagen die zwei tiefsten
Saiten auch ausserhalb des Griffbrettes. Vor dem XII. Jahrh.
hatte es eine mandolinenförmige Gestalt; von da an büdete man
den Schallkasten in ein reines Oval um, wie es zahlreiche Ab-
bildung^Bn auf romanischen Monumenten beweisen. Da die
Seiteneinbuchtungen fehlten, musste der Bogen über alle Saiten
zugleich geführt werden, und so diente das fiistrument wohl zur
Begleitung des Gesanges nach Weise des Organon. Im Mittel-
alter gab es noch ein anderes ähnliches Instrument, bei Hieron.
de Moravia Rubebe geheissen, welches zweisaitig und etwas
tiefer gestimmt, wie unsere Viola war, und daher gut zur uni-
sonen Begleitung der höheren Männerstimme passte. Diese In-
strumente wm'den nach und nach modifiziert, handlicher gemacht,
imserer Violine und Viola ähnlicher, oder vielmehr sie gestalte-
ten sich in diese um. Gegen Ende des XVI. Jahrh. ist auch
noch ein schmales, mehr keulenförmiges Instrument bekannt,
von den Franzosen „Poches", von den Deutschen „Poschen",
von den Italienern „Ribecchino und Violino picciola" geheissen,
welches schon vier Saiten hatte ; im Orchester des, MSnteverde
findet es noch eine Stelle. Beide Instrumente, Rubebe imd Ri-
becchino kommen auf Gemälden fast immer nebeneinander vor.
Im XVI. Jahrh. war es auch, dass die Violinen mit vier Saiten
bespannt allgemein eingeführt wurden imd die noch jetzt be-
stehende Form erhielten. Als den ersten Geigenmacher, welcher
ihnen die letzige kleine Gestalt gab, wird ein gewisser Testator
zu Mailand (um 1620) genannt. Berühmte Geigenmacher aus den
folgenden Jahrhunderten sind besonders : die Gebrüder und Söhne
Amati und Stradivario zu Cremona; Gius. Guarnerio, und
Jakob Stainer in Tirol u. a. m. Bis 1680 spielte man auf der
"^^oline nur bis zum zweigestrichenen a, höchstens b, sich strenge
i den Umfang der Sopranstimme haltend; nach und nach sticjg
an höher zur halben und ganzen Applikatur und zuletzt bis
un viergestrichenen c. — Man hört auch von Halbgeigen
anchmal reden; das sind nichts anderes als Geigen, welche in
mfang und Mensur für Anfänger im Violinspiele eingerichtet
*nd , die mit ihren Fingern und Armen noch nicht die Mensur
iner gewöhnlichen Geige erstrecken können.
88 Geige.
Was die verschiedenen Namen anbelangt, so führen wir
noch Folgendes an: Das saitenbezogene Instrument wurde im
Spätlatein nach dem Worte „fides (Saite)" fidula oder vidula
genannt, ^oher noch das deutsche „Fidel, fidein". Im XIII. Jahrh.
ommt auch der Name „Vioel oder Fitola" vor, ebenso „figella".
Gerson nennt es „viella, vielle"; Cottonius schreibt auch „phiala".
So bildet sich der Name „fidula" durch die Zwischemormen
„fipella, vieille, Vioel" zu dem noch jetzt gangbaren Worte
Viola und Violine um. — Das deutsche Wort Geige stammt
vielleicht von dem Instrumente „gigue" der Troubadoure, etwa
benannt nach seiner Form, welche an Schenkel und Bein einer
Ziege oder eines Hammels (guigue, guigot) mahnte. (Ambros,
Geschichte der Musik, IL) Wigand leitet „Geige" vom altnordi-
schen „geiga", d. i. zittern, oder von „Gi^el" — das Hin- und
Herzucken — mit Anspielung auf die zucKende Bewegung des
Geigenbogens — ab. Das Wort „gige" kommt im Mittelhoch-
deutschen erst um 1200 vor.
Wie man die Geigeninstrumente für hohe Stimmung in
kleinerem Massstabe aniertigte, so that man es auch für tiefe
Stimmung in entgegengesetzter Weise und bildete grosse Geigen,
Bassgeigen, Violone (Kontrabass) geheissen, weiche seit dem
XVI. Jahrh. bald drei-, bald vier-, manchmal auch fünfsaitig ein
dem Orchester unentbehrHches Instrument sind.
Die noch jetzt üblichen Geigeninstrumente bilden das Streich-
quartett: die Violine oder Diskantgeige ;. die Viola di bracci^
oder Armgeige , Altgeige oder Bratsche ; das Violoncello , die
kleine Bassgeige; Violone, der grosse Bass, Kontrabass, wel-
cher in mehr als vierstimmigen Tonstücken zur Verstärkung
gebraucht wird.
Die BestandteÜe und die Konstruktion der Geigeninstrumente
sind vollkommen gleich. Ihr Kör{)er besteht aus einer in der
Mitte zu beiden Seiten eingebuchten Decke, Dach- oder Re-
sonanzboden, aus gut getrocknetem Fichtenholze gefertigt,
und dem gleichgestalteten Boden aus Ahorn, welche beide Teile
durch dünne Wandungen, die Zarge, verbunden sind. Auf die
Beschaffenheit des Daches kommt das Meiste für die Güte des
Tones an. In der Nähe der Einbuchtungen befinden sich im
Resonanzdeckel zu beiden Seiten die F-Löcher, welche die äussere
Luft mit der im Resonanzkörper befindlichen in Verbindung
setzen und zum Ansetzen und Richten der Stimme oder des
Stimmstockes notwendig sind. Diese Stimme ist ein der
Höhe des Körpers ganz entsprechendes Stäbchen aus Resonanz-
holz, das etwa 7^ Zoll hinter dem rechten Fusse des Steges,
unter der dünnsten Saite, zu stehen hat und dessen Stellung
wesentlich zum guten Klange des Instrumentes beiträgt. Um
dem entgegengesetzten Teile der Decke, worüber die stärksten
Saiten liegen, einen Gegendruck zu geben, wird an der inneren
Seite der Decke ein scYimales Stückchen Holz befestigt, das in
der Mitte, unter dem linken Fusse des Steges am dicksten ist
und nach beiden Seiten sich verringert und ins Ebene ausläuft.
Nach oben wird zwischen Boden undDecke der Hals eingesetzt,
auf welchem oben das Griffbrett befestigt ist; letzteres reicht
bis gegen den Steg herab und es laufen darüber die Saiten hin-
I
Geigenprinzipal — Generalbass. 89
weg. Damit die Saiten nicht auf dem GriflPbrette aufliegen, son-
<iern sich frei schwingen können, ist am oberen Teile desselben
•ein kleines Querholz, mit Einschnitten versehen, angebracht,
welches die Saiten über dem GriflTbrett erhält. Der Hals endet
sich nach oben am Ende des Griffbrettes in den Kopf, der
■etwas nach rückwäiiis gebogen, in der Mitte wie ein Kästchen
ausgestochen, an den Seitenwänden durchbohrt ist, um darin
-die Schrauben oder Stimmwirbel aufzunehmen, an denen
vermittelst eines kleinen Loches die Saiten befestigt und auf-
gespannt werden. Der holüe Teil des Kopfes heisst der Lauf,
der Wandel und der Wirbelkasten; der oberste Teil des
Kopfes windet sich in eine Schnecke zusammen. Am ent-
gegengesetzten Teile des Instrumentes befindet sich ein gewölb-
tes Brettchen mit Löchern, in welche die Saiten unten vermittelst
eines Knötchens befestigt werden — Saitenhalter oder Saiten-
fessel geheissen, welches durch Draht oder ein Saitenstück an
■einem in die Zarge eingelassenen Klötzchen festgehalten wird.
In der Mitte des Körpers auf der Decke steht der Steg, ein
Brettchen mit zwei Füssen, 1 — 1'/, Zoll hoch, worauf die Saiten
am höchsten liegen. Die Schwere desselben hat auf die Schwin-
.guögen der Saiten, die durch ihn auf den Resonanzboden über-
etragen werden sollen, einen grossen Einfluss. Zu schwere
tege geben einen dumpfen und schwer ansprechenden Ton, da-
egen zu leichte einen scharfen und spitzen. Es soll am Rande
'der Decke Und des Bodens ein von schwarzem oder anderem
Holze eingelegter Streifen nicht fehlen; ohne diesen oder wenn
er bloss mit schwarzer Farbe gezogen ist, nennt man die Geigen
Schachtelgeigen. — Ehe die Geigen mit Lack (Bernsteinlack
ist der beste) überzogen werden, werden sie noch. gebeizt. -
Belehrende Bücher über diesen Gegenstand sind: „Über den
Bau der Bogeninstrumente etc. von Jak. Aug. Otto, Hof-
instrumentenmacher in Jena, 1828"; „Die Violine, ihre Geschichte
und ihr Bau", von G. Abele, Neuburg a. d. D. 1864; r»pie Geigen-
macher der alten italienischen Schule", von L. Diehl, Ham-
burg 1864.
Gei^enprinzipal heisst ein angenehmes, eigenartig klin-
gendes Prinzipalregister mit streichendem Tone, gewöhnnch zu
acht Fuss.
Gemischte Stimmen nennen die Orgelbauer alle mehr-
ohörigen Stimmen, z. B. die Mixtur. Bei den Vokalkompositionen
deutet es die Zusammensetzung aus Knaben- (Frauen-) und
Männerstimmen an (vocibus inaequalibus) im Gegensatze zu Ge-
sangstücken, welche bloss von Knaben- oder bloss von Männer-
stimmen vorzutragen sind (vocibus aequalibus, von Stimmen
gleicher Gattung).
Gemshorn, ein Orgelregister mit acht und auch vier Fuss
►n, ähnlich wie die Spitzfiöte mit konischem Körper und etwas
selndem Tone.
Generalbass. Unter diesem Worte versteht man die tiefste
•imme eiper Komposition, wenn sie bestimmt und eingerichtet
, einen Überblick der Modulation zu geben. Zu diesem Zwecke
id in einer solchen Stimme diejenigen Teüe ergänzt, bei wei-
ten der Bass pausiert, und wieder mit kleinen Noten die jedes-
90 Generalbass.
mal tiefste Stimme eingetragen oder ordentlich einjjereiht mit
Angabe der Schlüssel, auch oft des Namens dieser Stimme oder
dieses Instrumentes ; auch werden in eine solche vervollständigte
Stimme die Haimonieen durch Ziffern und andere Zeichen
(Signaturen) angezeigt. Daher hat eine solche .Stimme den
Namen „bezifferter Bas s*. Um eine leichte Übersicht zu
schaffen, ist es notwendig, die Stimme nicht mit Ziffern zu über-
laden, zumal nm* die emfachen Harmonieen gegeben werden
sollen, und das Bestreben, die verschiedenen Durchgänge und
Figurationen anzugeben, nur die grösste Verwirrung hervorrufen
müsste. Hiernach suchte man die Bezifferung mögfichöt zu ver-
einfachen und bezeichnet jetzt 1) die^Dreiklänge gar nicht,
ausser wenn ein der Tonart nicht angehöriger Dreiklang eintritt
oder ändere Umstände seine Kennzeichnung erheischen, wozu
man entweder nur die Terz, ob klein oder gross (b, 8, B) angibt,
oder wenn auf dfer gleichen Note ein anderer Accord erklungen
hat, man den Eintritt des Dreiklangs mit § und den etwa nöti-
5 5 5 ^
gen Versetzungszeichen (jt, 1?, |j) anzeigt; ebenso bedürfen der ver-
minderte imd der übermässige Dreiklang einer vollständigen Bezeich-
nung. 2) Der Terzsext- Accord wird regelmässig nur mit 6; 4) der
Grundseptim-Accord mit 7, die davon abgeleiteten Accorde
Terzquintsext-, Terzquart- und Sekund- Accord mit g, % 2 (oder |)
und die Nonenaccorde mit 9 oder ^ beziffert. In allen Fällen,
wie schon oben bemerkt, wo eine modulatorische Veränderung
eintritt, irgend ein Intervall des Accordes erhöht oder erniedriget
wird, muss dies angedeutet werden. Die resp. Erhöhung eines
Tones wird mit jf (oder tJ), die Erniedrigung mit i? (oder l() vor der
Zahl angezeL^, oder man durchstreicht auch im Falle der Er-
höhung die Zahl, z. B. &, », *. Bei einzelnen liegenbleibenden
Intervallen oder Accorden bedient man sich der Kürze halber
kleiner Querstriche, z. B. 5 j^ statt | 5; durchgehende Noten
werden mit o bezeichnet; kleine schiefe Striche wendet man
auch an, wenn eine Reihe von gleichartigen Accorden, hinter-
einander folgt.
Diesen bezifferten Bass auf der Orgel oder dem Klaviere
ausführen, heisst das Generalbassspielen. Es ist dies be-
sonders dem katholischen Organisten notwendig, da sämtliche
ältere Kirchenkompositionen, bei denen die Orgel begleitet, eine
bezifferte Orgelstimme haben. Erst in neuester Zeit pflegen die
Kompositeure auch bei instrumentierten Kirchenstücken eine
ausgesetzte Orgelstimme gleichsam als Klavierauszug beizugeben,
mehr aber zu aem Zwecke, um daraus einige Instrumente, welche
etwa nicht besetzt werden können, mit der Orgel zu ergänzen,
oder dieselbe als Direktionsstimme zu benützen.
Zur guten Vollführung des Generalbassspieles bedarf es
der Unterweisung und Übung. Hierzu dienen die sogenannten
Generalbassscnulen, unter denen die von Dr. Georg Türk
noch immer einen vorzüglichen Platz einnimmt. Um seiner Auf-
gabe zu genügen, müss der Generalbassspieler eine vollständige
Kenntniss der Harmonie und der Bezifferung haben und hm-
Gesang — Gesangkunst. 91
längliohe Vertrautheit der Komposition, um die Formen zu veir
stenen; er muss in die Intentionen des Komponisten eindringen»
sein W erk studieren, um den ganzen Gang der Komposition sich
einzuprägen und demgemäss auch die Begleitung zu vollführen,,
damit er nicht z, B. minderstimmige Sätze etwa vollgriffig be-
gleite oder durch sein Spiel Solosätze störe; er soll eine feste-
Stütze ftlr die übrigen Stimmen werden. Hierzu ist noch zu
fiigen eine vielseitige Erfahnmg in den Bewegungsgesetzen der
Harmonie, eine sor^ältige Kenntnisnahme dessen, was unter ge-
wissen Umständen allgemein oder in der Periode oder Schule
des Komponisten oder auch in seiner besonderen Schreibart ge-
meiniglicn zu geschehen pflegt.
Die bezifferten Bässe oder der Generalbass sind nicht eine-
Erfindung Viadana 's, wie oft irrtümlich berichtet wird, son-
dern sie fanden schon vor ihm Anwendung und verdanken ihren
Ursprung wahrscheinlich der zu Ende des XVI. Jahrh. auftau-
chenden Monodie, zu deren Begleitung solche einfache Harmonien
genügend befunden^ wurden.
Gesang, lat. tJantus, ital. Canto, franz. Chant ist vor-
erst die Anwendung der menschlichen Stimme zu musikalischen
Zwecken, dann gebraucht man dies Wort zur Bezeichnung einer
Melodie, der Tonfolge der Hauptstimme eines Tonstückes über-
haupt; auch bezeichnet man oamit ein grösseres Gesangstück,.
z. H. ein Lied.
Der Gesang im allgemeinen ist entweder ein natürlicher,
oder ein künstlicher, je nachdem der Sänger bloss nach na-
türlicher Anlage ohne weitere Organbildune^ oder nach den
Regeln der Singkunst und mit gehöriger Ausbildung der Stimm-
organe singt. Gesang, als ein Ton stück zum Singen genommen,
kann nach dem Zwecke und dem Bau verschieden sein, z. B. Kir-
chengesang, Bühnengesang u. dgl.
Gesangknnst. Die menschliche Stimme ist das edelste
und vollkommenste Instrument. Doch bedarf sie, um solches in
Wahrheit zu sein, immerhin der Ausbildung; gut und schön-
singen, ist eine Kunst. Diese Ausbildung hat sich dahin zu
richten, den Klang der Töne zum Wohllaut zu veredeln, das- j
Organ zur klaren und prompten Abgabe jeden Tones im Bereiche
seines Stimmumfanges zu befähigen, die Stimmregister auszu-
gleichen, die Stimme biegsam und geschmeidig zu machen, die
Modifikationen der Tonstärke ihr anzueignen; femer durch theo- |
retische Kenntnisse und praktische Übungen zu gewinnen und j
es zu erlernen, den in dem Texte und in der Melodie ruhenden J
Affekten einen richtigen Ausdruck zu verleihen, oder einen i
schönen Vortrag zu erzielen. — Von jeher legte man einen gros- i
sen Wert auf die Bildung der Stimmorgane und schönen Ge- j
angsvortrag. Isidor von Sevilla fordert für den Sänger eine i
Ute Stimme und sagt: „Perfecta est vox alta, suavis et clara;
Ita, ut in sublimi sufficiat; clara, ut am'es audientium adim-
)l€at: suavis, ut animos audientium blandiat." Die Kirche hat
jeit aem VI. Jahrh. eigene Singschulen (s. d.) unterhalten, worin
Knaben und Jünglinge zu guten Sängern herangebildet wurden;,
ier Choralgesang mit seinen Melismen, Tonfiguren und Ligatu-
ren war ein wahrer Kunstgesang. Grosse Anforderungen an den
"öä Geschichte der Kirchenmusik — Glocken.
Sänger stellte der Mensuralgesang , wie nicht minder die Poly-
phonie des XV., XVI., XVII. Jahrh. Die Monodie verlangte vor
allem ausgeprägten Vortrag; die höchsten Leistungen der mensch-
lischen Stimme lieferte jedoch das Zeitalter der grossen Bravour-
«änger und Sängerinnen (XVIII. Jahrh.).
Dem Kirchenchorsänger werden allerdings keine solchen
Aufgaben gestellt, wie dem Sänger im Konzertsaale und auf der
Bühne, wo schärfere Affekte ihr Recht behaupten, aber er kann
auch seiner Pflicht nicht ordentlich genügen ^ wenn er nicht gut
febildet und geschult ist. Deshalb muss ein kirchlicher Chor-
irigent ein wohlgebildeter Sänger sein; da ihm gewöhnlich
obliegt, seine Gesangskräfte selbst heranzuziehen. — An Studien-
werken für den Gesanglehrer zumeist ist kein Mangel (z. B. Sie-
ber, V. Stockhausen); besonders empfehlenswert ist „die Elementar-
und Chorgesangschule von Stark und Faisst" (Stuttgart, 1880);
als Vorübungen für Kirchengesang sind wohl die 50 Solfeggien
von Bertalotti (Ausgabe von F. X. Haberl, Regensburg, F. Pustet)
unübertroffen.
Geschichte der Kirchenmusik, s. Kii^chenmusik.
Gleiche Stimmen, voces aequales, werden diejenigen ge-
nannt, welche nur einer der Hauptgattungen: Männerstimmen
<Tenor und Bass) oder Frauenstimmen (Knabenstimmen, Diskant
und Alt) angehören. Vergl. Gemischte Stimmen, voces
inaequales.
Glocken, lat. campanae, nolae, auch cloccae, jene
aus Erz gegossenen Klangwerkzeuge, deren sich auch die Kü*che
zu mancherlei Zwecken und in verschiedener Grösse bedient,
haben sich aus den bei den alten Völkern, z. B. Römern, Grie-
chen gebräuchlichen Schellen (tintinabula) herausgebildet; wahr-
scheinlich fanden sie bald nach Konstantin Eingang in die Kirche.
Anfänglich waren sie geschmiedet und vorerst bei den Mönchen
unter dem Namen „signa" in Gebrauch. Um die Mitte des
VII. Jahrh. finden wir gegossene Glocken in Frankreich, bald
nachher auch in Deutschlar^d, doch noch bei weitem nicht all-
ferhein. Wer den Glockenguss erfunden, ist überhaupt nicht
ekannt. Mit der Zeit wuraen sie in immer grösserem Umfange
und Gewichte hergestellt und in Thürmen aulgehangen, damit
sie ihren Schall weithin entsenden könnten. Dass me Glocken
vom Bischöfe Paulinus zu Nola in Kampanien erfunden seien,
stellt sich als eine nicht genügend begründete Annahme heraus ;
„campanae" wurden sie wohl deswegen genannt, weil das Erz
Kampaniens zum Glockenmaterial sich besonders tauglich erwies,
und die etwaige erste Anwendung grösserer Glocken zu Nola
in dieser Provinz mag Veranlassung zum Namen „Nolae" gege-
ben haben. Der deutsche Name „Glocke" oder das latinisierte
„clocca" scheint erst im VIII. Jahrh. zur Geltung gekommen zu
sein; in den Briefen des heil. Bonifacius (f 755) kommt er einige-
mal vor; er ist nach Grimm von dem althochdeutschen Worte
„diu clocha" und dieses von „clochen", d. i. schlagen, klopfen,
abzuleiten.
Die Glocken, diese schnellen und weithintragenden Ver-
künder aller heiligen Handlungen der Kirche, sind gleichsam die
Zeugen der Kirche und vermögen wundersam die Gefühle, die
Glocken. 93
der jedesmaligen Handlung der Kirche oder Feier oder den daa
menschliche Leben überhaupt berührenden Ereignissen entspre-
chen, zu verkünden und zu wecken. Gerson (1^9) citiert emen
alten Spruch über den verschiedenen Gebrauch der Glocken, den
man ihnen auftnifrägen pflegie:
Laudo Deum verum, plebem vöco, congrego clerum,-
Defunctos ploro, pestem fugo, festa deooro.
Wegen der so innigen Verbindung der Glocken mit den
verschiedenen Handlungen der Kirche fing man schon frühzeitig
an, sie unter entsprechender Feierlichkeit zu ihrem Dienste ein-
zuweihen. (Glockentaufe, Benedictio campanarum.)
Damit die Glocken ihren Zweck um so besser erfüllen^
sieht man darauf, dass sie einen guten, wohltönenden Klang^
haben; fordert man dies schon von einer einzelnen Glocke, so
gewinnt es um so höhere Bedeutung beim Zusammenklingen
mehrerer Glocken, bei einem ganzen Geläute, und es müssen
darauf die Kirchenvorstände ein besonderes Augenmerk richten.
Der gute Ton und das angenehme Zusammenklingen hängen
sowohl von dem Stoffe (Glockenspeise) und dessen Bereitung-
als von der Stimmung ab. Was ersteren anbelangt, sind die-
Angaben der Glockengiesser verschieden; als vorzüglichste Mi-
schung geben englische Meister 80 Teile feinstes russisches
Kupfer, lO— 11 Teile feinstes englisches Zinn, 5—6 Teile Zink
und 4r—3 Teile Blei an ; Silber , dem der Volksglaube eine so
grosse Bedeutung beilegt, ist nicht nötig. Die Reinheit des
Klanges ist bedingt durch die Reinheit, Gute und Gleichartigkeit
der Masse, und dass letzteres stattfinde, ist notwendig, dass der
Schmelzprozess mit möglichster Sorgfalt vollführt werde. Mit
Veraccordierung aus Sparsamkeitsrücksichten wird darum selten
etwas Vollkommenes erzielt werden, da das Gute überall teuer
ist. Die Stimmung betreffend ist die Zahl der Glocken zu be-
lücksichtigen, welche zu einem Geläute verbunden werden.
Weniger gut erscheint das Zusammenklingen dreier Glocken,
welche den Dreiklang, z. B. c e g geben, als welche nach der
diatonischen Reihe (c d e, de fis) gestimmt sind , da das Läuten
mehrerer Glocken durch den nicht gleichzeitig erfolgenden An-
schlag mehr ein melodisches Ertönen ist, und ein blosser Drei-
klang, ob gross oder klein, eine ziemlich einförmige Melodie gibt.
Bei vier Glocken kann die diatonische Reihe nach oben oder
unten um einen Ton vermehrt werden. Bei sechs aber ist es
am besten, den Dreiklang mit einem Tetrachord zu verbinden,
z. B. c e g a h c oder c a e f a c. Zu bemerken ist indes, dass
hierbei sehr viel von den Beitöneii (Aliquottönen) abhängt,
welche neben dem Haupttone der Glocken sehr vemehmhch
hörbar werden; diese verschönem den Hauptton nur, wenn sie
diesem consonieren und machen ein angenehmes Geläute mög-
i, wenn sie nicht in grellem Dissonanzverhältnis mit den
ipttönen der anderen Glocken stehen. Bis jetzt ist es noch
ungelöstes Problem, bestimmte Beitöne in den Glocken
zustellen, obwohl es jedem Glockengiesser möglich ist, der
cke den geforderten Hauptton zu geben. Ausführlicher be-
icbt diesen Gegenstand ein Aufsatz der „Cäcilia*' 1867,.
2 und ff.
94 Glockenspiel — Gradüale.
Glockenspiel (franz. Garillon), ein aus abgestimmten
<jlooken und (Höcklein zusammengesetztes Instrument; früher
waren Glockenspiele besonders in Holland und den Niederlanden
«ehr verbreitet und befandeiii^ sich meist auf Kirchthürmen. Sie
wurden entweder mittelst emes Uhrmechanismus mit Walzen
wie unsere Spieluhren oder durch eine Tastatur gespielt oder
auch mit Klöppeln geschlagen. (Vgl Gregoriusblatt 1878.) Selbst
in Orgeln hatte man Glockenregister (Orgel. zu Weingarten). In
der kathoHschen Kirche gebraucht man eme Glöckleinzusammen-
csetzung bei Altar klingeln; an vielen Orten, namentUch in den
Rheinlanden, besteht die sogenannte „Sanctusglocke", welche
bei feierlichen Gottesdiensten benützt wird, aus einer Kombi-
nation von vielen Glöckchen. Anweisungen, Glöcklein zu gies-
£en, finden sich fast in allen musikalischen Traktaten des XL
und XII. Jahrh.
Gloria. Mit diesem Worte wird kurz der englische Lob-
fesang bezeichnet, welcher der heiligen katholischen Messe nach
em K^yrie eingefügt ist. Er wird auch die grosse Doxologie
genannt und besteht aus dem Hymnus, welcnen die himmlischen
Geister bei der Geburt des götthchen Welterlösers sangen: „Glo-
ria in excelsis Deo et in terra pax hominibus bonae voluntatis^
und verschiedenen Zusätzen, deren Urheberschaft teils dem
Papste Telesphorus (f 139), welcher zugleich verordnete, dass das
•Gloria bei aer Messe gesungen werde, teils dem heiL Hilarius
(Ende des IV. Jahrh.) zugeschrieben wird, diesem jedoch nur
insofern, als er diesen „Hymnus angelicus" aus dem Grie-
-chischen übersetzt habe. Anfangs und wie das Gradüale
St. Gregorii nach dem Zeugnisse Radulfs von Tungern ausweist,
war in der Choralmelodie jeder Silbe nur ein Ton zugeteilt; spä-
ter wurden zur Verzierung bei grösseren Feierhchkeiten an man-
chen Stellen mehrere Noten ooer Neumen angebracht. Wie bei
anderen Gebetsgesängen, so glaubte man auch dem Gloria Zu-
43ätze und Paraphrasen, sogenannte Tropen, einschalten zu
dikfen, was jedoch bald verboten wurde. Das Gloria wird in
allen Messen gesungen; ausgenommen sind einige Votivmessen,
dann die Missa de Requiem, sämtliche Ferialmessen und die an
den Sonntagen im Advent und in der Fasten — überhaupt die-
jenigen Messen, welche in violetter oder schwarzer Farbe gelesen
werden. Im kirchlichen Gebrauche sind vier Melodien „Gloria**:
in duplicibus, in festis B. V. Mariae, in semidupUcibus und in
simplicibus, deren Intonationen in jedem Missale verzeichnet sind.
Gloria Patri, s. Doxologie.
Grabmusik, s. Karwoche.
Gradüale heisst 1) ein Gesang zwischen der Lektion oder
Epistel und dem Evangelium in der heiligen Messe, welcher
gegenwärtig aus ein paar der heiligen Schrift, meistens dem
buche der Psalmen entnommenen Versen besteht. Ursprünglich
wurde dieser Gesang Responsum oder Cantus responsorius
oder Psalmus responsorius genannt, weil der Vorsänger
-(Kantor) ihn eröffnete, der Chor aber einstimmend respondierte.
Über die Abstammung des Wortes „Gradüale" aber sind die Li-
turgen nicht einig ; einige leiten es daner, dass der Gradualgesang
gesungen wurde, während der Diakon die Stufen (gradus) zum
Gregorianischer Gesang — Griechische Musik. 95
Ambo zur Lesung des Evangeliums hinaufsteigt, oder noch an
den Stufen des Altares steht; andere, und dies ist die Mehr-
zahl, entnehmen den Ursprung dieser Benennung^ dem Orte,
den der Vorsänger einnahm. Dieser Ort war in der Kegel irgena
eine Erhöhung; — in Rom war es dieselbe Stufe, auf wefcher
der Lektor stand. Nach Joh. Beleth (in der zweiten Hälfte des
XU. Jahrb. schrieb er eine wertvolle „Divinorum officiorum ex-
Slioatio**) "stellte sich der Kantor an gewöhnlichen Tagen auf
ie Stufen vor dem Altare, — an höheren Festen aber auf den
Ambon — den erhöhten rlatz zur Ablesung des Evang[eliums.
Der etwas spätere W. Durandus berichtet in seinem „Rationale**,
an gewöhnhchen Tagen werde das Graduale in der Mitte des
Chores vor den Stufen des Altares, an Festen auf den Stufen
desselben gesungen. — Wer den Gradualgesang eingeführt, ist
nicht bekannt; der genannte Durandus schi'eibt, dass die hh.
Gregor, Ambrosius und Gelasius Gradualien gefertigt und deren
Gesang befohlen hätten. In Afrika war zur Zeit des heil. Augu-
stinus ein ganzer Psalm üblich; auch in Rom scheint man noch
im V* Jahm. einen ganzen Psalm gesungen zu haben. Zwischen
dieser Zeit und dem Ende des VI. Jahrb. erhielt das Graduale
eine dem jetzigen ähnliche Gestalt. Der Zweck dieses Gesanges
w^ar aber nicht gerade die Ausfüllung der zur Vorbereitung auf
die Verkündigung des Evangeliums erforderlichen Zeit, sondern
die geistige Erheoung und Erweckung der Gefühle des Dankes,
der Empfänglichkeit für die stattfindende Verkündigung der
Lehre des Heiles. An das Graduale reiht sich das Alleluja,
an gewissen Tagen die Sequenz; zu bestimmten Zeiten tritt an
die Stelle des jflleluja der Tr actus, ein Gesang in langsamer
gedehnter Weise ohne responsorienartigen Wechsel, von einem
oder zwei Sängern allein ohne Unterbrechung vorgetragen. —
Die vom Chore gesungenen Graduale sollen in ihrem Texte mit
den vom Priester am Altare gelesenen übereinstimmen. 2) Es
wird mit dem Namen Graduale auch das Buch bezeichnet,
worin die Gesänge, welche der Chor während der Feier der
heiligen Messe abzusingen hat, als z. B. Kyrie, Gloria, Introitus,
Gracmale, Offertorium u. dgl. aufgezeichnet sind.
Gregorianischer Gesang, Cantus gregorianus, s. Choral
und Kirchenmusik.
Griechische Musik. Die Anfänge der Tonkunst umgaben
die Griechen mit Mythen, und es galten ihnen die Musen Mel-
pomene und Erato als die Erfinderinnen derselben; einige
nennen Epimetheus und Prometheus. Unter ihren Fort-
büdnern und besonderen Pflegern waren Apollon,. Hermes,
Pallas Athene, Orpheus, Amphion, Pan, Marsyas u. a.
Erst seit dem VI. Jahrb. v. Chr. oegann die höhere Entwicke-
iung der Musik. In Wirklichkeit hat die Musik, wie die Poesie
fOrchestik, ihren Ursprung in der Religion, und diesem Ur-
iinge treu stehen die arei bchwesterkünste in der klassischen
t des Griechentums noch vorwiegend im Dienste der Religion.
r Blüte des Epos geht die apollinische Chorlyrik und die
igiösen Hymnen, Nomoi genannt von der stetigen Kompo-
ionsform, voraus. An den grossen Kultusstätten, z. B. Delphi,
b es eigentliche Singschulen. Das war in der vorhomeriscnen
96 Griechische Musik.
und homerischen Zeit, wo auch die Kithara schon ^ekaniit-
und gebraucht wurde. Beim Beginne der Olympiaden (VIL Jahrh.
vor Chr.) trat Terpander in Sparta auf mit seiner siebensaiti-
gen Lyra, und dies ist die Zeit, wo die erste Feststellung der
musischen Gesetze (Katastasis) stattfand. (Dorische und be-
ziehungsweise äolische Tonart, diatonisches Geschlecht, sieben-^
saitiges Tonsystem.) Ein Fortschritt geschah durch Klonas^
dem Haupte der altpeloponnesischen Aulodik, mit Einführung^
der Auloi (Flöten, doch mehr unseren Klarinetten ähnlich) zur
Begleitung des Gesanges. 100 Jahre nach Terpander, d. i. 720
V. Chr., wu'd Archilochus als grosser Künstler genannt, dessen
Dichtungen und Kompositionen eigentliches Lied waren, wel-
ches bisher aus dem Kanon der künstlerischen Normen ausge-
schlossen war; nun wurde mit demselben (vom Volke schon
lange geübt) durch die Repetition (Strophe) und den dreiteih-
fen Rhythmus ein neues !rrincip in der Kunst zur Geltung ge-
rächt. Archilochus führte auch die Parakataloge, d. h.
Wechsel von Gesang und Recitation (Deklamation) bei ununter-
brochener Instrumentalbegleitung, ein. Flutarch schreibt ihm
die vom Gesänge verschiedene Instrumentalbegleitung zu,,
während „die Alten** den Gesang nur unisono bfegleitet hätten.
Durch Olympus, von welchem nicht bestimmt ist, ob er eine
historische Persönüchkeit oder bloss ein Gattungsbegriff für eine^
ganze Schule sei, kam die Auletik, reine Instrumentalmusik,
aus Phrygien nach Hellas und damit die Dur-Tonarten Phr vgiscb
und Lyoisch (freilich nicht unser modernes Dur) zu dem alt-
hellenischen Moll (dorisch-äolisch).
Um diese Zeit geschah die zweite Katastasis und es be-
gann die klassische Periode der griechischen Musik. Ihre
Hauptvertreter waren Thaletas. Xenodamus, Xenokritus,
als Komponisten chorischer Musik, Polymnastus und Saka-
das als die Meister einer neuen Stilart der Monodik und Instru-
mentalmusik. Es trat die bisher nur dem Volke angehörige
orchestische oder chorische Musik in den Kreis der Kunst; (Se
Kitharistik bildete ein Seitenstück zur Auletik, und beide ver-
einigten sich wieder zu einer dritten Gattung der Instrimiental-
musik; die Tonarten erweiterten, sich durch Hinzutritt des
eigentlich Lydischen, des Jastischen und Lokrischen^
und das weltliche Lied wurde von Sappho mit dem Mixolydi-
sehen bereichert; die Transpositionsskalen vermehrten sich für
die Instrumente, und wuchs damit der Tonumfang um das
Tetrachordon hypaton; die chromatischen und enhar-
monischen Tongeschlechter kommen in Übung, und man be-
finnt die Kompositionen, vorerst die Instrumentalpartien und
ie Begleitung in Noten zu fixieren. In dieser Periode wird
auch Lasos (um 550 v. Chr.) genannt als der Erste, welcher
über die Theorie der Musik scnrieb. Einflussreich waren auch
die Bemühungen des Pythagoras (geb. um 580 v. Chr.), wel-
cher in allen Zweigen der Musik sich verdient machte, die Ka-
nonik erfand, d. h. die musikalischen Verhältnisse auf Zahlen
Äurückfiihrte, — und die Theorie und die Instrumente verbes-
serte. Diese klassische Zeit reicht bis Phrynis von Mytüene,
um 420 V. Chr. Die nun beginnende nachklassische Periode,
Griechische Musik. 97
die bis in die alexandrinische Zeit hinein und nur mit, geringen
Veränderungen sogar bis in die römische Kaiserzeit reicht, ist
noch sehr dunkel aus Mangel an hinreichenden Quellen. Der
bedeutendste uns bekannte Mann ist Aristoxenus, um 350
V. Chi*., welcher zuerst eine wissenschaftliche Begründung der
Musik versuchte. Von seinen Werken sind nur drei Bücher
dp/AoviJta öxotxna auf uns gekommen und diese nicht vollstän-
dig, — dann noch die Fragmente, welche Plutarch und Ari-
stides aus seinen Werken excerpiert und ihren musikalischen
Schriften eingereiht haben. Um die mathematische Klanglehre
erwarb sich der berühmte Mathematiker Euklides (277 v. Chr.)
besondere Verdienste. War die vorausgegangene Periode (klas-
sische) die der schöpferischen Kunst, so begann mit Aristo-
xenus die Periode der Kunsttheorie, die der im Laufe
der Jahrhunderte immer mehr welkenden Nachblüte der Kunst
zur Seite geht.
Von der musikalischen Theorie der Griechen möchte fol-
gendes das Wissenswerteste sein:
Das Tonsystem der Griechen war eigentümlich. Sie schie-
den die Reihe ihrer Tonverhältnisse in Symphonie und Dia-
phonie (keineswegs gleichbedeutend mit Konsonanz und
Dissonanz)* unter ersterer verstanden sie diejenigen Intervalle,
in welchen beide Töne eine einheitliche Verbindung eingehen,
gleichsam einen einzigen Ton bilden, nämlich die Oktave (Dia-
pason), die Quint (Diapente) und die Quart (Diatessaron),
welche auf den einfachsten Verhältnissen 1:2, 2 : 3, 3 : 4 be-
ruhen. Unter Diaphonie aber begriffen sie alle übrigen Ton-
verhältnisse oder Intervalle, wo die beiden Töne bestimmt und
scharf auseinander treten, also auch die Terz und Sext. Basis
oder die Grundlage des Tonsystems war die Quart, deren
Verfolgen die diatonischen Klänge h e a d g c f ergab. Das
Quartenintervall mit seinen Mitteltönen hiess Tetrachord,
em viersaitiges System und das erste Grundsj^stem der grie-
chischen M^sik. Durch Aneinanderreihen zweier Tetrachorde
entstand die siebensaitige Lyra Terpaiiders. Nach und nach
erweiterte man das Tonsystem auf fünfzehn Saiten, indem man
teils nach oben, teils nach unten ein Tetrachord anfügte, und
zwar bald so; aass man die Tetrachorde unverbunden, ge-
trennt (diezeugmenon) nebeneinander stellte, bald so, dass
der höchste Ton des unteren Tetrachords zugleich der erste Ton
des oberen war (synemmenon, verbunden).
Die beiden Hauptrepräsentanten der antiken musikalischen
Forschung, Aristoxenus, der Schüler des Aristoteles, und Clau-
dius Ptolemäus zur Zeit Hadrians, legen eine Skala von
15 Tönen zu Grimde: AHCDEFGahcdefga (also
^ Moll-Oktaven ohne Erhöhung der &. und 7. Stufe), genannt
; -volle, umfassende System" (Systema teleion oder perfectum)
Gegensatze zu den weniger umfangreichen Systemen oder
alen früherer Zeit.
Kornmüller, Lexikon.
98
Griechische Musik.
Die griechische Nomenklatur war folgende
AHCDEFGahcdefg a
I ® »o 5 ® >o■
2' ,5* & " S
o
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g o 8» ® ® g
Ä g ® S S ® -ö
na ® Oq CT" 3 ö^
»5 P F o
e Nete, die letzte (Saite),
d Paranete, die vorletzte,
c Trite, die dritte,
h Paramese, die näohatmittlere,
a Mese, die mittlere,
G Llchanos^ die Zeigfingersaite
F Parhypate, die nächsterste,
E Hypate, die erste.
Ausgangfsskal a.
Die altklassische Periode hat den Ton Proslambanomenos
und das Tetrachord hyperbolaion noch nicht in Anwen-
dung gebracht.
Auf dem „vollen" System bildeten die griechischen Theore-
tiker sieben Oktavgattungen:
1) H-h, die Mixoly (fische,
2) C-c, die Lydische,
3) D-d, die Pnrygische,
4) E-e, die Dorische,
5) F-f, die Hypolydische,
6) G-g, die Hypophrygische (jonische),
7) a-a, die Hypodorische oder Lokrische (äolisch).
Die Griechen setzten zur Gewinnung dieser Oktavgattun-
gen zwei Tetrachorde derselben Gattung zusammen. Diese Tetra-
chorde sind: efga, hcde, wo der Halbton zwischen die
1. und 2. Stufe fiel, — dorisches Tetrachord geheissen* defg,
a h c d, wo der Halbton zwischen die 2. und 3. Stufe fiel, phry-
gisches T.; c d e f, p a h c — lydisches T. Getrennt zu-
sammengesetzt ergaben sich die Oktavgattungen, Skalen, Tonarten:
efga hcde, dorische T.
defg ahcd, phrygische T.
cdef gahc, lydische T.
Man stellte sie aber auch verbunden zusammen und
fügte zur Vervollständigung der Oktave oben oder unten einen
Ton an, diazeukti scher Ton; in erster em Falle setzte man zu
dem Namen der Tonart hyper (über), im letzteren hypo (unter):
EFGah c de dorisch, D E FG ahcd phrygisch.
AHDCEFGah hypodorisch, Gahcdefg hypophrygisch.
HCDEFGah hyper dorisch, ahode fg a hyperphrygisch.
u. s. w.
Von den gleichen Skalen hyperlyd. und hypophrjrg., sowie
hyperphryg. und hypodor. erhielten erstere den Namen „j onisch*.
— - — *-■• m~
Griechische Musik. 99
letztere den Namen „äolisch"; die hyperdörisohe hiess auch
^mixolydische*'.
Diese Namen gebrauchten die Griechen dann noch, um
die Tran sp OS itions Skalen, Tonoi, zu bezeichnen. Aristoxenus
hatte (nacn gleichschwebender Temperatur) die Oktave in 12
Halbtonintervalle geteilt, auf deren jedem man die verschie-
denen Skalen darstellte, z. B. phrygisch: efisgahcdefisg
a h c d e im hoch mixolydischen Tonos. Aus den Schriften der
Alten geht ferner hervor, dass ihnen die Anordnung nach dem
■Quinte nzirkel nicht unbekannt war, wie sich z. B. das Ver-
hältnis von Ober- und Unterdominante in den Wörtern hyper
und hypo ausdrückt.
Neben der 15. Tonskala bildeten die Griechen noch, eine
Skala von 11 Tönen", durch welche zwei nach dem Quinten-
zirkel verbundene Tonoi miteinander vermittelt wurden. Erstere
hiess auch Diezeugmenon-System, enthaltend zwei Moll-
Oktaven, letztere das Synemmenon-System, welches in seiner
unteren Partie eine Moll-Oktave darbietet, statt der höheren
Oktave aber ein verbundenes Tetrachord oder drei Töne, welche
die Schlusstöne auf dem Diezeugmenon-Systeme des zunächst
vorhergehenden Tonos sind.
Lydisch. Synem. defgabcdesfg
Diezeug. defgabcdefgabcd.
Hypolyd. Synem. AHcdefgabcd
Diezeug. AHcdefgahcdefga.
Beide vereinigte man und schaltete in der Theorie den
ersten Synemmennonton ein, welcher als der eigentümliche den
Leitton zum unmittelbar vorhergehenden Tonos oildet.
AHcdefgabcdhcdefga
AHcdefga[b]hcdefga.
Der Anfangston der Oktavengattung war bei den Griechen
nicht immer der Schlusston der Melodie, auch nicht eigentlicher
Grundton oder Tonica. Die thetische Mese, d. h. .die
Quart hatte eine hervorragende Bedeutung und war die eigent-
liche Tonica. Die lydische Tonart der Alten ist also nicht
unsere Durtonart cdefgahc, sondern genau dasselbe, was
man im Systeme der Kirchentöne als ,jlydiBch" bezeichnet: f g
a h c d e f . — Die Melodien schlössen m einzelnen Tonarten in
der Quint, in anderen in der Prim, in anderen in der Terz: har-
monischer Grundton aber war lür alle die Prim oder die Tonica.
Was die Frage nach Harmonie angeht, so ist so viel
l^ewiss, dass sie Harmonie im modernen Sinne, d. h. die gleich-
zeitige Zusammenstellung der von Natur, durch ihren ürsprimg
und Inhalt^ einigen Töne, die den Naturgesetz« n und dem
künstlerischen Geiste gemässe Fortfünrung zusammen-
klingender Töne, nicht hatten; wohl aber kannten und
übten sie eine harmonische Zwei- und Mehrstimmigkeit, d. h.
eine Weise des musikalischen Voi-trages, wo die Begleitung der
Saiteninstrumente von dem Gesänge der Singstimme abwich,
was sie Krusis, Synkrusis nannten. Der Gesang aber war
unisono : nur durch die abweichende Begleitung wurde die Mehr-
stimmigkeit hervorgebracht.
100 Griechische Musik.
Tongeschlechter hatten die Griechen drei: 1) das
diatoniscne, in welchem nur Ganz- und Halbtöne in der Weise
vorkamen, dass immer ein einziges Halbtonintervall von zwei
Ganztönen der Skala eingeschlossen war, 2) das chromatische^
in welchem auf den ursprünglichen Haloton des Tetrachords ein
zweiter Halbton eingefügt war; z. B. a b h c d* 3) dag enh ar-
menische, wobei innerhalb des Halbtonintervalles ein der Skala
fanz fremder und auch unserem Tonsysteme ganz imbekannter
'on eingeschaltet, und der Halbton in zwei viertelstöne ge-
schieden wurde; einen solchen Viertelston nennt Aristoxenus
„enharmonische Diesis", welche das kleinste Intervall bil-
dete und von ihm zur Messung der Grösse der übrigen Intervalle
gebraucht wurde. Das chromatische und enharmonische Ge-
schlecht entwickelte, sich aus der von Olympus angewandten
Gestaltung der Skala, welcher den auf den Halbton folgenden
Ganzton ausliess (a h [c] d, indem man in diese Lücke em klei-
neres Intervall einschoD; es. durften aber nie mehr als zwei
aneinander grenzende Diesen und Halbtonintervalle in der
Skala aufeinanderfolgend gebraucht werden.
Die Kanonik, die Bestimmung der mathematischen Klang-
verhältnisse, hatten die Griechen eifrig gepflegt. Die absolute
Tonhöhe, d. h. die Zahl der Schwingungen konnten sie noch
nicht ermitteln, aber das relative Verhältnis, in welchem die
Schwingungszahlen der verschiedenen Töne der natürhchen Skala
untereinander stehen, haben sie mit Hilfe des Monochordes rich-
tig gefunden, vorerst von den grösseren Intervallen (Pvthagoras :
Oktav, Quint, Quart, grossen Ganzton), später von Jen kleine-
ren. Die alte pythagoräische Skala Kennt darum auch nur
gleich grosse Ganztöne, während Ptolemäus die natürliche
Skala mit den verschieden grossen Ganztönen zu Grunde legt;
von beiden verschieden aber war die Stimmungsart des Aristo-
xenus, welcher das Gehör als einzigen Schiedsrichter bei Ent-
scheidung über musikalische Intervalle annahm, die Oktave in
zwölf gleiche Halbtonintervalle teilte und so die gleichschwe-
bende Skala bevorzugte.
Eine Notation findet sich bei den Griechen schon ziem-
hch früh; sie bedienten sich zu diesem Zwecke der 24 Buch-
staben ihres Alphabetes, man fing beim eingestrichenen fis mit
4 an und ging mit dem Alphabete abwärts, so dass man beim f
mit/2 anlangte, worauf man wieder mit^ begann imd sich da-
bei, sowie aucn bei den über fis hinausliegenden Tönen umge-
legter oder anderweitig entstellter Buchstaben bediente. Diese
Bezeichnungsart galt dem Gesänge und ist viel jünger als die
Instrumentalnoten, welche aus eigentümlichen Zeichen oestanden,
und zum Ausdi;;ucke einer Erhöhung eine besondere Lage er-
hielten, z. B. |- d, J. es. -1 dis. Die Zahl aller wii'klich von-
einander verschiedenen Tonoezeichnungen oder Noten betrug
nach den neuesten gründlichen Forschungen 85.
Von einer ausgebildeten Rhythmik bei den Griechen
(jvenn auch nicht so vollkommen) wie in der modernen Musik
zu sprechen, nötigte schon die verschiedene Anwendung der
Instrumentalmusik bei ihnen, wenn auch nicht ihre Schriften
näheren Einbhck gestatteten. Anfänglich war die Rhythmik noch
Griffbrett. 101
mit der metrischen Theorie vereint, später schied sie sich von
ihr ab, behielt aber die metrische Nomenklatur bei. -Rhythmos
ist das aus den in Taktteile zerfallenden Takten bestehende
Oanze.^ Das klassische Altertum hatte anfangs nur eine zwei-
und dreiteilii^e Taktart, erst mit dem VI. Jahrn. v. Chr. kommt
auch eine fünfteilige in Gebrauch. Jeder Takt hatte einen
schweren und leichten Taktteil (Thesis imd Arsis), und die Alten
schlugen ihn mit der Hand oder dem Fusse. Gewöhnlich fasste
man mehrere Einzeltakte als einen einzigen zusammengesetzten
Takt (rhythmische Reihe oder Satz) zusammen^ der dann in
Taktabscnnitte zerlegt wurde. Die kürzeste Zeit hiess x^ovo^
nQwxo<!, welche nicht weiter zerlegt werden konnte. „Alles, was
xms von griechischen Musikresten überkommen ist, sagt West-
phal, zeigt die schärfste rhythmische Periodisierung. Die grie-
chiscne Rhythmik bezeichnet jeden periodischen Vorder- und
Nachsatz (Kolon) geradezu als einen einheitlichen zusammen-
gesetzten Takt. Jeae in zwei grosse Hälften zerfallende Reihe
wird als ein gerader oder daktylischer Takt angesehen, dessen
eine Hälfte den schweren und die andere den leichten Taktteil
bildet u. s. w.*
Der Musiker musste auf die sprachliche Prosodie die
strengste Rücksicht nehmen, die Länge als Länge, die Kürze
als Kürze behandeln, nur war die Zeitdauer keine absolute ; diese
wurde durch das Tempo bestimmt.
Um die Länge oder Kürze einer Note zu bezeichnen, be-
clienten sich die Griechen folgender Zeichen: _. i_, ij^ jj_l, der
Chronos protos wurde gar nicht bezeichnet. Hiermit stehen
auch die Pausen, welche besonders in den Instrumentalkompo-
sitionen häufiger vorkommen, in Verbindung: ^, ^ , V> V • • •
(etwa unserer Achtel-, Viertel-, Dreiachtel- und Halbepause u. s. w.
entsprechend).
So stand es im allgemeinen mit der Musik der Griechen,
welche für uns nicht \ blosses antiquarisches Interesse hat; sie
liegt der Musik der christlichen Welt etwa in der Weise zu
Grunde, wie die ffdechisehe Architektur, Plastik und Poesie den
entsprechenden cnristliohen Künsten. Die Musik des byzantini-
schen und abendländischen Mittelalters ist zunächst die unmit-
telbare und continuirliche Fortpflanzung der altgriechischen und
altrömischen Musik; mag sich auch im Laufe der Jahrhunderte
noch so viel geändert haben, das Fundament ist nachweislieh
das altgriechische. — Näheres über diesen Gegenstand ist in
speoiell davon handelnden Werken nachzusehen; besonders em-
§ fehlenswert sind: Gevaert, Histoire et Theorie de la Musique
e TAntiquit^, Gand 1875, 1881; Westphal, Die Musik des grie-
chischen Alterthinns, Leipzig 1883; Fortlage. Das musikalische
System der Griechen in seiner Urgestalt, ebd. 1847; Be Her-
mann F., Die Tonleitern und Musiknoten der Griechen, Berlin
1847. — Eine Sammlung von Schriften griechischer Musittheore-
tiker gab M. Meibom unter dem Titel: „Antiquae musicae scri-
ptores Septem gr. et lat.", 2 Bde„ Amsterdam 1652, heraus; auch
in den -Operum mathemat. volum. IH." von Joannis IWallis,
Oxford 16^, sind deren drei enthalten.
Griffbrett ist das dünne schmale Brettchen, meist von
102 Gründonnerstag — Harmonie.
Ebenholz, welches auf den Hals der Streichinstrumente, der Laute^
GuitaiTe und ähnlichen Instrumenten befestiget ist und worüber
die Saiten laufen. Mit den Fingern der linken Hand wird darauf
gedrückt und dm*ch solchen Druck der vibrierende Teü der Saite
um so viel verkürzt, als nötig ist, um einen geforderten Ton
zu erzeugen.
Gründonnerstag, s. Karwoche.
Grnndstirame ist in der Kompositionslehre soviel wie Bass*
stimme. In der Orgelbaukunst heissen Grundstimmen die ein-
fachen Stimmen (Register), welche im Manual und Pedal die
tiefsten sind.
Grnndton heisst der tiefste Ton eines terzenweise aufge-
bauten Accordes. Grundton der Tonart ist der erste Ton der
betreffenden Tonleiter (Tonika).
Guidonische Hand, ein mechanisches Hilfsmittel, wohl
schon vor Guido bekannt und angewendet, besonders benützt
zur Zeit der Solmisation. Es bestand darin, dass man jedem
Fingergelenke und auch den Spitzen der Finger die Bedeutung
eines der zwanzig Töne des damaligen Tonsystems (von rbis ^<
beilege. Man bediente sich derselben bei dem Mangel einer
präcisen Tonschrift, besonders für Treffübun^en beim Gesang-
unterrichte; aber auch nach Einführung einer sicheren Tonschrnt
spielt die „Hand" noch lange Zeit eine grosse Rolle.
Gnidonische Silben werden die aus dem Hymnus „Ut queant
laxis** (auf das- Fest des heil. Johannes des Täufers) genomme-
nen Silben , ut re mi fa sol la genannt, welche bei der Solmisation
den einzelnen Tönen beigelegt wurden.
H.
H, die siebente diatonische Stufe im neueren Tonsysteme;
di Franzosen und Italiener nennen sie si.
Halbkadenz, s. Kadenz.
Halbe Applikatur, s. v. w. erste Position im Violinspiele.
Halbton, semitonus, ist in unserem Musiksysteme das
kleinste zu verwendende Intervall; man unterscheidet einen
diatonischen Halbton, welcher sich zwischen Tönen findet^
die auf benachbarten Stufen ihren Sitz haben (a-f, h-c, c-des), una
einen chromatischen Halbton, welcher nur eine Ableitung
von demselben Tone der Grundskala ist (c-cis, h-b). Ersterer
heisst auch grosser Halbton, letzterer kleiner Halbton.
Hand, s. Guidonische Hand.
Harmonie. Die Grundbedeutung dieses Wortes ist: Über-
einstimmung und schöne Ordnung der einzelnen Teile des Kunst-
werkes, und, auf die Musik übertragen, bedeutet Harmonie 1) die
Vereinigung mehrerer für sich bestehender und ihrer äusseren
Erscheinung nach ganz verschiedenen Töne zu einem Haupt-
oder Gesamtklange, d. h. einem Accorde; deshalb werden Accorde
Harmonie.
103
auch Harmonien genannt, z. B. Septimenharmonie. Nach der
Lage der AccordtÖne spricht man von einer engen oder wei-
ten (zerstreuten) Harmonie (oder Lage). Eng wird sie genannt,
wenn z. B. bei einem vierstimmigen Aocorde die drei oberen
Stimmen so nahe beisammen Hegen, dass kein zum Accord ge-
hörender wesenthcher #ron mehr Platz zwischen ihnen hat (a);
im gegenteiligen Falle heisst sie weit (b).
Mit den dissonierenden Accorden, welche auch Harmo-
nien sind, darf die Disharmonie nicht verwechselt werden,
welche ein fehlerhaftes Verhältnis der zu einem Accord ver-
einigten, Intei'valle oder eine fehlerhafte Zusammenfügung von
Accorden darstellt. 2) Harmonie bedeutet auch das aus der
Natur der Konsonanzen hervorgehende Verhältnis des eines Tones
zum anderen, oder das Zusammenfliesseii mehrerer Töne in einen;
hiernachgibt es eine reine, vollkommene Harmonie mit ihren
Nebenbegriffen und Abstufungen. So erkennen wir dem Drei-
klange, weil er aus den konsonierendsten Intervallen besteht,
die reinste und vollkommenste Harmonie zu, dem Nonenaccorde
die wenigst reine und vollkommene. 3) Harmonie bedeutet
auch noch die Beschaffenheit eines Tonstückes, insofern es, in
seinen Grundlinien betrachtet, als eine Folge von Accorden an-
gesehen wird, oder — was dasselbe ist — das Verhältnis der
einzelnen Bestandteile eines Tonstückes sowohl zu einander,
unter sich, als zu der dem ganzen Tonstücke und seinem Cha-
rakter zu Grunde liegenden Idee: also die gehörige Übereinstim-
mung, den geordneten Zusammenhang unter den einzelnen Teilen
des Tonstückes, Einheit in der Mannigfaltigkeit... Hierbei handelt
es sich um die Accordverbindung und um die Übereinstimmung
der grösseren oder kleineren Ahsätze eines ganzen Tonwerkes,
die ^eichsam als einzelne Redeteile und Abschnitte des gesam-
ten musikalischen Redevortrages angesehen werden müssen.
Über alles dies hat die Lehre von der Tonsetzkunst Auf-
schluss zu geben, deren erster Teil die Harmonik umfasst,
d. h. denjenigen Teil der musikalischen Grammatik, der sich mit
der Lehre von den Intervallen, Tonleitern, Tonarten, Ton-
geschlechtern, Konsonanzen und Dissonanzen u. s. w. beschäf-
tiget. Der zweite Teü ist die Harmonielehre, welche alle in
der Musik vorkommenden Tonverbindungen in sich fasst, d. h.
welche sich mit den Accorden, deren Verwendung zu Modula-
tionen u. s. w, beschäftiget. Ein dritter Teil lehrt die musika-
lischen Formen handhaben, d. i. die Harmonie, wie wir sie in
••
104 Harmoniesystem.
ihrer drittem Bedeutung aufgefasst haben, vereint mit der musi-
kalischen Ästhetik, die Behandlung der einzelnen Singstimmen
und Instrumente oder in ihrer Veremigung.
Harmoniesystem, Während bei den alten Griechen der
Name «Harmonie" der Ausdruck für Oktave war, und in der
klassiscnen Zeit griechischer Musik damit die Oktavgattungen
bezeichnet wurden, obwohl ihnen der Wohlklang zweier zugleich
erklingender Töne (Konsonanz) nicht unbekannt war, bedeutete
den Musikern des Mittelalters dieser Name überhaupt die Gesangs-
musik. So spricht sich schon der heil. Isidor („armonica, quae
ex vocum cantibus constat") aus und nach inm die anderen
Tonlehrer. Im XHI. Jahrh. wird unter Musica armonica
nicht mehr bloss der einfache, unisono Gesang (mus. arm.
Simplex), sondern auch schon der mehrstimmige (arm. multi-
plex), die Diaphonie, das Organum verstanden. Nach und
nach ward der Begriff von mehrstimmigem Gesänge als der vor-
züglichere dem Worte „Harmonie" gegeben, so dass im XVI.
und XVII. Jahrh. die Tonsetzer manche ihrer Kompositionen
-Harmoniae sacrae" etc. betitelten. Obwohl im XVI. Jahrh. die
Kunst der Behandlung mehrerer gleichzeitiger Stimmen schon
zu einer grossen Höhe gestiegen , und die Theorie des Kontra-
punktes m mehreren trefflichen Werken bearbeitet erschien, so
wurde doch an eine eigentliche svstematische Harmonielehre
noch nicht gedacht, um so mehr, .da sich die Komposition nur
in dem Kreise der Kirchentonarten bewegte und aen meisten
Kompositionen eine auf solche Tonalität basierte Melodie, cantus
firmus, zu Grunde lag, wovon die Wahl der Kadenzen bestimmt
wurde; sonst war der harmonische Zusammenklang verschiede-
ner Stimmen im wesentlichen nur auf harte und weiche dia-
tonische Dreiklänge und Sextaccorde beschränkt. Alle anderen
später üblich gewordenen Accorde kamen nicht als selbständige,
sondern nur als gleichsam zufällige, aus Vorhalten entstandene
vor. In den Lehrbüchern war die Umkehrung wohl auf Inter-
valle, aber noch nicht auf Accorde angewendet, es wurden auch
nicht die Accorde aufgeführt, sondern nur Regeln gegeben, wie
man bei mehrstimmigen Zusammenklängen zu verfahren habe.
Diese Regeln, welche durch Beobachtung und durch ein wohl-
feübtes Tongefühl ihre Vervollkommnung fanden , waren aber
eineswegs bloss auf das Wohlgefühl des Ohres und auf Willkür
fegründet, sondern aus den mathematischen Verhältnissen der
länge, aus den betreffenden Oktavenreihen und ihrer Tonalität
abgeleitet. Die Theoretiker begnügten sich, das festzustellen,
was in der Praxis sich als richtig bestätiget hatte, ohne noch
um den Grund dieser harmonischen Verbindungen Nachforschun-
gen zu unternehmen. Als am Schlüsse des XVI. Jahrh. die Be-
gleitung des Gesanges (oft einer einzigen Singstimme) mit der
Orgel oder dem Klavier auftauchte (vgl. Viadana), sah man
sich genötigt, dem Organisten die Harmonietöne, welche er über
den mm vorgelegten Sassnoten (basso continuo) zur Begleitung
zu spielen hatte, anzudeuten, was durch darübergesetzte Ziffern
(Generalbassschrift) geschah. Dies waren die Anfönge der wissen-
schaftlichen Behandlung der Harmonie. So viel nun hiefür im
XVII. und Anfangs des X VIII. Jahrh. gearbeitet wurde, zog man
Harmoniesystem. 105
doch weniger die wissenschaftliche Begründung der Acoorde^ als
die harmonische Beziehung derselben aufeinander in den Kreis
der Untersuchungen, und von Viadana, dem grossen Beförderer
des Generalbasses, und dem Strassburger Theologieprofessor Jos.
Lippius, der vielleicht als der erste die „Triasharmonica** in
semer „Synopsis musicae novae" (1612) theoretisch feststellte, bis
zu Tartini imd Rameau verfliesst ein ganzes Jahrhundert.
Erst im Anfange des vorigen Säkulums suchte man nach einem
wissenschaftlichen Gesichtspunkte der Harmonie, nach einem
Systeme derselben. Tartini war ohne Zweifel der erste, wel-
cher ein Princip entdeckte, auf welchem er ein Harmonielehrge-
bäude aufführen konnte, nämlich das Phänomen des dritten
aus zwei anderen gegeoenen Tönen hervorgehenden Tones; er
beobachtete nämlich, dass eine auf der Violine rein gegriffene
und stark genug gespielte Terz, die grosse Terz unter dem
Grundtone erklingen lasse. Glücklicher als er (sein System fand
keine Aufnahme) war der Franzose Rameau. Aus den Schrif-
ten von Mersenne, Descartes und Zarlino ward er mit den Ali-
quoten eines Tones bekannt und durch Annäherung derselben
im Umfange einer Oktave ergab sich ihm auf die natürlichste
Weise der vollkommene Dreiklang oder Perfektaccord,
und so hatte er eine Grundlage für ein Harmoniegebäude gefun-
den, die er nun nach allen Richtungen hin auszubeuten suchte.
Um die anderen Accorde zu gewinnen, fügte er teils nach oben,
teils nach unten dem grossen Dreiklange eine Terz hinzu, und
er fand, den obersten Ton (Quint) hinweglassend, den kleinen
Dreiklang; so auch den Septimenaccord durch Hinzufilgung einer
Oberterz, und so fort den Nonenaocord u. dergl. Er wendete
ferners auch die Umkehrung der Accorde an. Um auch die
Verbindung der Accorde, ein regelrechtes Harmoniegefüge zu
berücksichtigen, erdachte er die Theorie vom Fundamental-
bas s, welche aber nur Theorie bleiben konnte. Obwohl seinem
Systeme, das d'Alembert später klarer darzustellen und zu ver-
bessern suchte, grosse Mängel anhafteten, so wird sein Verdienst,
die wissenschaftliche Begründung der Harmonie versucht zu
haben, dadurch nicht geschmälert. Er gab den Anstoss, dass
bald in Frankreich, Deutschland und Italien gelehrte Musiker an
fleiohe Arbeiten sich daran machten imd mehr oder minder dem
;ameauschen Systeme folgend. Treffliches für den Ausbau einer
wissenschaftlichen Harmonik leisteten, so z. B. Marburg, Sorge,
Kimberger^ Martini, Valotti mit seinem Schüler, dem Abb6 Vog-
ler, u. a. In neuerer Zeit trat M. Hauptmann mit einem neuen
Harmoniesysteme hervor, welches er in seinem Werke: „Die
Natur der Harmonik und Metrik" dargelegt hat. Den Kern des-
selben bildete die Aufstellung des polaren Gegensatzes zwischen
der Durkonsonanz (Durdreiklang) und der Mollkonsonanz (MoU-
reiklang), wie F As C E G, wobei vom Tone C ausgehend der
ollaccord (F As C, eigentlich C As F) das Gegenbild vom Dur-
jcord (C ^ G) ist. Weiter wurde dieses System ausgebildet
on A. V. Ottingen, welcher den so gewonnenen MoUaccord
ich dem obersten Tone, der Quint, benannte („Harmoniesystem
dualer Entwickelung", 1866), und von H. Riemann, welcher
106 Harmonium — Himmelfahrt Christi.
es durch Ausbau einer neuen Bezifferung und Terminologie
praktisch zu machen sucht.
Harmonium ist der jetzt allgemein gebräuchliche Name
für die erst in diesem Jahrhunderte in Gebrauch gekommenen
orgelai-tigen Instrumente mit freischwingenden Zungen, sonst
Aolodikon (s. d.), auch Physharmonika benannt. Es werden in
neuerer Zeit derartige Instrumente mit mehreren Registern,
Spiele genannt, gebaut. Sie sind sehr beliebt und müssen oft
in kleineren Kirchen die Orgel ersetzen; auch in Gesangszirkeln
und zur Hausmusik findet man sie allein und in Verbindung mit
anderen Instrumenten sehr häufig verwendet. Ihre Vervollkomm-
nung ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Sehr zweckmässig
sind sie zur Vorübung für das Orgelspiel zu gebrauchen. Har-
moniumschulen gibt es mehrere, z. B. von J. Bernards, B. Metten-
leiter, J. B. Singenberger u. a.
Hautbois, s. Oboe.
Hemiolius (numerus) bedeutet das Verhältnis 2 : 3 (Quint).
Hemiolia oder Hemiola hiessen bei den Mensuralisten des XIV.
und XV. Jahrh. die mehr oder weniger ausgedehnten Gruppen
? geschwärzter Noten, die inmitten der weissen Noten sich vor-
anden. Die geschwärzte Note gilt ein Drittel weniger als die
gleichgeformte weisse, so dase bei diesen Gruppen statt des drei-
teiligen Rhythmus der zweiteiüge eintrat.
Hemitonium (griech.), Name des Halbtones, semitonium.
Johann de Muris gebraucht (Gerb. III. 233) dies Wort auch statt
mediatio, Mittelkaaenz der Psalmtöne. (Vgl. Couss-Script. 451.)
Hexaehord, eigentlich ein Instrument von sechs Sai-
ten, dann besonders diejenige Reihe von sechs diatonischen
Tonstufen, aus welchen das sogenannte Guidonische Tonsystem
sich aufbaute und welche mit den sechs Süben ut, re, mi, fa^
sol, la bezeichnet wurden. (Vgl. Solmisation.)
Himmelfahrt Christi, Festum Ascensionis DominL
Vierzig Tage nach dem Osterfeste, an einem Donnerstage, feiert
die Kirche das Gedächtnis der Himmelfahrt des Herrn, wenngleich
festlich, doch mit minder glänzendem Ritus als das heilige Weih-
nachts- und Osterfest. In früheren Jahrhunderten (und jetzt
noch in Frankreich) ging der Messe eine feierliche Prozession
ausser der Kirche voraus, wobei Reliquien der Heüigen mitge-
tragen und nebst verschiedenen den Evangelien entnommenen
Responsorien oder Antiphonen auch der Preisgesang Fortimats
„Salve festa dies" abgesungen wurde. „Die Prozession selbst
sinnbildete den Gang der Apostel zum Ölberge , von dem aus
der Herr sich zum Himmel erhob. Ehemals war diesem Tage
eine eigene Sequenz: „Rex omnipotens die hodierna" zugeteilt.
An manchen Orten hat sich aus den früheren Zeiten eine
bildliche Darstellung der Himmelfahrt Christi erhalten. Nach der
Non (resp. vor der Vesper) begibt sich der Klerus im Festornate
in die Mitte der Kirche, wo eine Statue des Heilandes auf einem
kleinen Altar bereitet ist, um in die Höhe gezogen werden zu
können. Nach dem feierlich durch den Diakon abgesungenen
Evangelium stimmt der Celebrant dreimal mit jedesmal erhöhter
Stimme den Vers an: „Ascendo ad Patrem meum etc." und der
Chor setzt ihn fort mit „Deum meum et Deum vestrum, alleluja".
Himmelfahrt Maria — Horae canonicae. 107
Hierauf wird das Bild in die Höhe gezogen, und nach dem Ver-
schwinden desselben über dem Gewölbe singt der Celebrant die
Oration; nach dem festlich gesungenen „Benedioamus Domino*^
beginnt die Vesper.
Himmelfahrt Maria, Assumptio B. V. Mariae, richtig
übersetzt die Aufnahme der seligsten Jungfrau Maria (in den
Himmel), s. Marien feste.
Historiae. So benannte man früher Antiphonen und Re-
sponsorien des Officiums , welche historischen oder erzählenden
(auch lyrischen) Inhalts und entweder der heiligen Schrift oder
den Akten der heiligen Märtyrer und anderer Heiligen entnom-
men waren.
Homophonie (griech.), s. Polyphonie.
Hoqnetus, s. Ochetus.
Horae canonicae, die kanonischen Stunden oder Tagzeiten
sind die dem katholischen Klerus vorgeschriebenen Gebete, welche
das Brevier enthält. Dieser Stunden oder Tagzeiten sind sieben:
1) Matutin und Landes; 2) die Prim; 3) die Terz; 4) die
Sext; 5) die Non ; 6) die Vesper; 7) das Kompletorium.
Der heil. Benedikt nennt die Matutin „Vigiliae" oder „nocturna
laus", weil sie nach Mitternacht gebetet wurde; die übrigen
•Hören bildeten das Tagesofficium, officium diurnum.
Die Landes (Matutini) betete man bei Sonnenaufgang. Ma-
tutin mit den Landes und Vesper nebst Komplet heissen auch
die grossen Hören (horae majores), die übrigen die kleinen
Hören (horae minores). — Die ersten Christen versammelten sich
schon zu bestimmten Zeiten des Tages und der Nacht zum all-
femeinen gottesdienstlichen Gebete, besonders an Sonn- und
'esttagen; die Stunden waren die nämlichen, welche noch jetzt
die Namen der einzelnen Teile des Officiums bezeichnen; z. B.
Prim = prima hora. welche in der ersten Stunde des Tages —
die Alten zählten aie Tagesstunden vom Aufgange der Sonne,.
die der Nacht vom Untergange der Sonne an — gebetet wurde.
Die kirchlichen Gebetstunden wurden täglich gehalten; mit be-
sonderer Feierlichkeit ausser den Nokturnen Matutin (Landes)
und Vesper, welche mit Gesang verbunden waren, während
Terz, Sext und Non gewöhnlich dIoss recitiert wurden. Gegen
Ende des IV. Jahrh. zogen sich die Laien mehr und mehr von
der Teilnahme daran zurück; aber der Klerus setzte Gebet und
Psalmengesang in den Kirchen, zu denen er gehörte, nach der
überlieferten Weise fort. Neben den Psalmen gab es noch Hym-
nen, Lesungen und Gebete; alles war für die einzelnen Stunden
festgesetzt; was noch beigefüfjt wurde, bestimmte der Bischof
oder dessen Stellvertreter, bis m den einzelnen Kirchen sich ein
Herkommen bildete. Um Einheit herzustellen, beauftragte Papst
Damasus den heil. Hieronymus, die Psalmen und Lesungen Tür
' ) einzelnen Tage und Stunden zu bezeichnen, und schrieb dies
erk den einzelnen Kirchen vor. Von Gelasius und Gregor
Gr. wurde die Liturgie der kirchlichen Stunden verbessert
id erweitert. Bis auf Gregor VH. nannte man die kirchlichen
igzeiten cursus (die Griechen heissen sie xa^wr, wovon einige
n Namen „kanonische Stimden" herleiten); dieser Papst ver-
Irzte für seinen Hof den allmählich zu bedeutender Länge
108 Hörn.
eingewachsenen Cursus, welche Verkürzung nun den Namen
JBreviarium curiae Romana e" erhielt. Zuerst erhielten die
Franziskaner und Dominikaner, später die anderen Orden (die
Benediktiner behielten die durch ihre Regel vorgeschriebene
Norm bei) und der Weltklerus die Bewilligung, sich dieses ver-
kürzten Offioiums, woher der Name „Brevier", zu bedienen.
Papst Pius V. verbesserte das Brevier, sowie Clemens VIII. und
Urban VIII., doch wurde verstattet, dass jene Breviere, welche
älter als 200 Jahre wären, beibehalten werden dürfen.
Da die einzelnen Hören: Matutin und Landes, Prim, Ves-
per und Komplet in speciellen Artikeln behandelt werden, so
bleibt nur übrig, einiges über die kleinen Hören: Terz, Sext und
Non bezüglich des Gesanges zu sagen. Jede derselben beginnt
mit der Anrufung „Dens m aäjutormm etc.", worauf der Hymnus
folgt. Den Psalmen (drei Abschnitte aus dem 118. Psalm) geht
eine Antiphon voraus, welche aus den Laudes entnommen und
nur angestimmt, ganz aber erst nach den Psalmen gesungen
wird. Das Kapitel, Responsorium breve und die Oration be-
schliessen die Hora.
Hörn, lat. Cornu, ital. Corno, franz. Cor. Der Ursprung
•dieses Instrumentes verliert sich ins höchste Altertum, wo Tier-
hörner zu musikalischen Zwecken verwendet wurden. Die älte-
sten Hebräer verfertigten Hörner aus Holz, welche anfangs lang
und gerade waren, später aber etwas gebogen wurden; nachher
kamen auch solche aus Metall in Gebrauch. Die in der heüigen
Schi'ift so oft vorkommenden Posaunen waren nichts anderes,
-als derlei Hörner mit Mundstück und Schalltrichter, welch letz-
terer entweder einfach oder mannigfach verziert war. Bei den
Römern, weniger bei denQriechen. treffen wir diese halbgeboge-
nen Hörner in allerlei Grössen und Gestalten an. Erst im Jahre
1680 kam man in Paris auf den Gedanken, das lange Homrohr
■der bequemeren Behandlung wegen zirkeiförmig zu biegen und
zusammenzulegen, wie es ietzt ist. Im vorigen Jahrhunderte
wurde es durch den böhmiscnen Grafen Anton von Spörken nach
Deutschland verpflanzt. Von der Zeit an, da man sich des Her-
nes nicht bloss zur Jagdmusik („Waldhorn, cor de chasse, corno
di cachia"), sondern auch zu anderen musikalischen Zwecken
bediente, verbreitete es sich immer mehr und erfuhr mancherlei
Verbesserungen. Die ältesten Hörner standen in Es. Ihnen
folgten zuerst die G-, dann die B-Hörner. Bald verfertigte man
auch F-Hörner und hiernach erst erschienen die Krummbögen
und Aufsatzstücke. Die Inventionshörner erfand zwischen lt53
und 1755 Anton Joseph Hampel in Dresden; ebenso die Sor-
dinen sind seine Erfindung. Kölbel in Petersburg war der
■erste, der durch Klappen und einen halbrunden Deckel auf dem
Stülp dem Instrumente eine chromatische Tonreihe zu geben
versuchtjB; Bini verfertigte das erste tiefe B-Horn. Das Ver-
dienst der Erfindung der Ventilhörner gehört dem Kammer-
musikus Heinrich Stötzel aus Pless in Oberschlesien (um 1815);
das erste Instrument der Art mit drei Ventilen verfertigte der
Instrumentenmacher CA. Müller in Mainz 1830. Das Klappen-
und Flügelhorn gehört zu den neuesten Hornerfindungen, wu*d
aus Messmg oder Kupfer verfertigt, ist nur einmal gebogen, hat
Hörn. 109
aber, um einen grösseren Tonumfang zu erhalten, eine weitere
Röhre. Es ist eigentlich eine Trompete mit Mundstück, daher
das Volle und Rynde des Tones; es hat die Skala vom kleinen
h bis zum zweigestrichenen c in chromatischer Folge, klingt
jedoch um eine Oktave tiefer.
Seiner jetzt gemeinüblichen Form nach ist das Hörn ein
Blasinstrument ohne Tonlöcher, das aus einer langen, von Mes-
sing-, seltener Silberblech zusammengelöteten Röhre besteht^
wefche in einen weiten Schalltrichter, Sturz oder Stürze ge-
nannt, endiget, gewöhnlich vierfach rund zusammengewunden
ist und mittelst eines metallenen Mimdstückes mit konischem
Kessel und schmalem Rande angeblasen wird. Die Länge der
Röhre, welche am oberen Ende am engsten ist und gegen den
Schalltrichter hin sich bis zu einem haloen Zoll erweitert, wel-
cher Trichter in seinem äussersten Umfange ungeföhr 122iOll im
Durchmesser hält, beträgt über 16 Fuss (gegen 190? während ihr
Tonmass nur 16füssig ist, d. h. ihr tiefster Ton C eben klingt,
wie das tiefe C eines löfüssigen Orgelprinzipals. Das Hörn, m
seiner gewöhnlichsten Beschaffenheit, ohne Tonlöcher (Naturform)
gibt infolge des Anblasens, verschiedener Bildung der Lippen
und des Ansatzes, nur die nachfolgenden Töne, welche jedoch
um eine Oktave tiefer klingen, als die Noten bezeichnen:
Um die zwischen dieser Reihe noch liegenden Töne hervor-
zubringen, und daher auch aus anderen Tonarten als C-dm* blasen
zu können, bedient man sich künstlicher Mittel: des Stopfens
und der Bögen. Das sogenannte Stopfen geschieht durch das
Einsetzen der halbgebogenen Hand in den Schalltrichter, wo-
durch die Luft in ihrem Ausströmen gehindert und der Ton
höher oder verhältnismässig auch tiefer wird; doch klingen solche
festopfte Töne dumpfer. Um aus anderen Tonarten olasen zu
önnen, bedient man sich der sogenannten Aufsatzbögen
(Setzstücke), welche oben auf das Mimdstücksende des Horns
aufgesetzt werden; dadurch findet eine Verlängerung der Röhre
statt, und durch die Benützung der bestimmten Bögen kann
man das Hörn nach dem Grundtone derjenigen Tonart stimmen,
aus welcher ein Tonstück geht. Natürlich geht die Stimmung
immer abwärts wegen der Verlängerung der Röhre. Auf diese
Weise erhält man dann B-, A-, G-, F-, Es- u. dgl. Hörner, d. h.
"-^'che, die in B, A u. s. f. stimmen. Die Tonstücke für die
mer werden aber stets in C geschrieben, und dabei bemerkt,
welcher Tonart das Instrument gestimmt werden soll (Cornu
B, Cornu in G u. dgl.). Der Satz :
^gES^J
klingt
110 Hydraulia — Hymnus.
auf dem B-Horn: auf dem G-Horn, wie:
i
^E^SE^ES
1
Die gestopften Töne geben einen dumpfen Klang, der ge-
gen die heilen In aturtöne auffallend zurücktritt und im Orchester
gar keine Wu'kung macht; in hohen Stimmungen sprechen
manche Töne gar nicht an oder sind nur in Verbindung mit
anderen Tönen zu haben. Daher wendete man in grösseren
Orchestern zwei bis drei paar Hörner von verschiedener Stim-
mung an. Diese und manche andere Missstände führten zur Er-
findung der Inventionshörner, bei denen innerhalb des Zir-
kels der Röhrenwindungen zwei Zapfen angebracht waren, in
welche zwei Röhren passten, die nach Gefallen mehr oder we-
niger herausgezogen werden konnten und den Ton wegen der
schnellen Verlängerung der Röhre augenblicklich veränderten.
Nach mancherlei Verbesserungen kam man endlich auf die voll-
kommensten und zweckmässigsten Arten von Hörnern, nämlich
■die Ventil'hörner. Ihre Eigentümlichkeit besteht darin, dass
an ihnen an gewissen Stellen kleine Rohrstücke oder hohle
Oylinderchen angebracht sind, welche genau in daselbst ange-
brachte Seitenötfnungen des Hernes passen und vermittelst
kleiner Hebel (zwei oder drei) durch den Druck der Finger wie
bei Klappen aj!;i Klarinetten verschlossen oder geöffnet werden.
Durch dieses Offnen oder Schhessen der Luftwege des Instru-
mentes geschieht eine teilweise Verlängerung der Hornröhre,
wodurch eben der Ton eine Veränderung erfährt. Schon durch
zwei solcher Ventile, wovon das eine den Ton um einen halben,
das andere ihn um einen ganzen Ton erniedriget, kann das Hörn
«ine vollständige und gleichmässig kräftig tönende chromatische
Tonleiter durcn seinen ganzen Tonumfang erhalten. Doch am
vollkommensten ist ein Instrument mit drei Ventilen, wobei zu
den zwei anderen noch eines hinzugefügt wird, welches den
Ton um eine kleine Terz erniedriget. Hierdurch ist das Höchste
erreicht, sowohl hinsichtlich der Zahl der Töne als ihrer Rein-
heit, und, wenn damit das Stopfen verbunden wird, auch ihres
Klanges. Durch die Ventile hat das Hörn allerdings viel an
Feinheit und grösserer Unbeschränktheit der Behandlung gewon-
nen, aber sein Ton hat daneben viel von seinem romantischen
Zauber eingebüsst und ist gleichsam ein Zwitterding zwischen
Hörn und Trompete geworden.
Hydraulia (organa), Wasserorgeln. Ktesibios zu Alexan-
dria (180 V. Chr.) wird als deren Erfinder genannt. Tonerzeu-
gend war auch nur der Wind, aber dessen Stärke wurde durch
Wasser (Heronsball) geregelt. Aribo^ (Ende des XL Jahrh.) nennt
noch die Orgeln hydraulia.
Hymnus. Dieses Wort (giieoh. iW-?), welches im allge-
meinen Gesang bedeutet, wurde schon fmhzeitig bei den alten
Griechen zunächst auf die Gesänge zu Ehren der Götter bezogen.
Auch in die christliche Kirche nahm man dies Wort auf zur Be-
zeichnung der Lobgesänge zu Ehren des dreieinigen Gottes, der
r
Hymnus. 111
seligsten Jungfrau Maria und der Heiligen. Der Apostel Paulus
redet schon von Psalmen, Lobgesängen (v/«v«*) und geistlichen
Liedern, von welchen letzteren sich der eigentliche Unterschied
nicht so genau angeben lässt. Fester dagegen und noöh jetzt
im kirchlicnen Gebrauche stehend ist eine andere dreifache Unter-
scheidung: Psalmen, Cantica und Hymnen. Die Psalmen
beschränken sich auf den bekannten Psalter Davids ; die Cantica
sind die übrigen biblischen Gesänge, als: aus dem A. T. das
Cantioum Moysis; Canticum Triumpuerorum; Ezechiae u. 4gl-;
aus dem N. T. das Canticum „Magnificat", „Benedictus" und
^Nirnc dimittis". Unter Hymnen hätte man die vom apostoli-
schen Zeitalter an neu hinzugekommenen chriötlichen Gesänge
zu verstehen; die Hymnen der ersten Christen waren Gesänge
von höherem Schwünge als die Psalmen und Cantica, und ver-
einigten mit den Bitten den Preisgesang, so dass sie eigenthche
Bitten, Lobgesänge, sind.
In der lateinischen Kirche wird die mailändisohe Kirche
als die erste angenommen, in welcher Hymnen ins Officium ein-
geführt und bei den bestimmten Teilen desselben gesungen
WTirden, Dies geschah durch den heil. Ambrosius, welcher teils
selbst Hjrmnen dichtete, teils schon gebräuchliche dazu benützte.
In Spanien wurde die Einführung im VIL Jahrh. durch das
Konzil von Toledo gutgeheissen. In der römischen Liturgie
kommen sie erst im X. Jahrh. vor. Der heil. Benedikt, welcher
den Gesang von Hymnen im Officium — „Ambrosiani" nennt
er sie — schon im VI. Jahrh. seinen Mönchen vorschreibt,
scheint dem Usus der Mailänder Kirche gefolgt zu sein. Binterim
bezweifelt sogar, ob am Ende des XIII. Jahrh. bei den deutschen
Kirchen die Hymnen im Officium gebräuchlich waren. Einige
partikulare Liturgien haben bis heutigen Tages den Ausschluss
der Hymnen aus dem Officium festgehalten, z. B. die von Lyon. —
Die römische Kirche hat im Tagesofficium ebenso viele Hymnen,
als dieses Hören oder Stunden in sich fasst, nämlich sieben;
doch ist ihr Platz darin verschieden. In der Matutin folgt der
Hymnus gleich nach dem Invitatorium , in den Landes, m der
Vesper und Komplet nach den Psalmen, wobei nur eine kurze
Lesung, das Kapitel eingeschaltet ist (das ist auch die Ordnung
des Apostels: Psalmi, Hymni, Cantica); in den kleineren Hören
hat er seinen Platz vor den Psalmen. Ausser dem Officium
singt die Kirche noch bei anderen liturgischen Handlungen
Hymnen, z. B. bei der Priesterweihe „Veni Creator Spiritus" ; oei
der Benediktion mit dem Allerheiligsten „Pange Imgua"; bei
Prozessionen u. dgl.
Die Hymnen, jene kirchlichen Poesien, in denen die höchste
Glut der Andacht, der erhabenste Aufschwung des Geeistes
herrscht, schlössen sich anfangs an den freien Psalmbau der
Hebräer an, mit der Ausbreitung des Christentums jedoch wen-
eten sie sich mehr einem festen Metrum und dem Strophenbau
er Römer und Griechen zu, und später nahmen sie unter den
iänden der romanischen und germanischen Völker auch den
^ini..auf. Gegen Ende des Mittelalters wurde der Reim fast
um Übermasse getrieben und die Strophenform immer gekün-
stelter imd moderner, wobei nicht selten die Innigkeit und
112 Hymnus.
Andacht Einbusse erlitt, wie ein frommer Gelehrter sich aus-
drückt: ,,Accessit latinitas, recessit pietas.*' So musste das Wort
-Hymnus" allmählich die engere Bedeutung von strophischen
kirchlichen Gesängen annehmen, obwohl selbst das Gloria und
Te Deum noch den Namen j^Hymnus*^ beibehielten. Nach dieser
Begriffsstellung scheint zwar die ganze christliche lyrische Poesie
ausser den Psalmen und Cantica der Gattung -Hymnus" unter-
geordnet zu sein, doch ist man gewohnt, den Namen „Hymnus*
nur auf die lateinischen (und griechischen) Kirchengesänge an-
zuwenden mit Ausschluss des deutschen Kirchenliedes, selbst
wenn es im höchsten Hymnentone gedichtet wäre.
Was das Charakteristische, das eigentlich tiefere Element
und innere Wesen der wahrhaft kirchlichen Hymnen anbelangt,
so sind sie im allgemeinen der Ausdruck einer bleibenden, ^-
femein gültigen, zu jeder Zeit wirksamen Gesinnung. Es sind
aber vorzügnch die Grundtugenden, Glaube, Hoffnung und Liebe,
welche in den Hymnen zum Ausströmen gelangen; sie bauen
zuerst eine dogmatische, beziehungsweise mstorische Grundlage
auf, darauf erneben sie ihre Bitten und finden zum Schlüsse ui
dem Lobe des dreieinigen Gottes und in der Vermittelung Christi
ihre Vollendung. Am bestimmtesten tritt diese Form in den
ambrosianischen Hymnen zutage. Ihr Motto ist auch immer ein
äusseres, kein inneres; es knüpft sich entweder an bestimmte
Tagzeiten des Officiums oder an kirchliche Festtage, an Feste des
Herrn oder der Heiligen an. Hierin unterscheiden sich haupt-
sächlich die älteren Hymnen von den neueren.
Was den musikalischen Teil der Hymnen betrifft, so sind
sie gewöhnlich Muster des Ausdrucks frommer Stimmung in
Tönen, ihre Melodie hält gleichen Schritt mit dem erhabenen
Aufschwünge der Poesie und dient nur um so mehr dazu, das Wort
zu verklären. Die älteren Hynmen haben in der Regel eine Note
über einer Silbe, nur am Ende der Textzeile kommt zuweilen
ein Neuma vor. An der Absingung der Hymnen beteiligte sich
stets der ganze Chor.
Ein Blick auf die Geschichte der Hymnologie möge uns
noch die vorzüglichsten Hymnendichter der katholischen Kirche
vorführen.
Die Nachrichten über die Gesänge des apostolischen Zeit-
alters sind dürftig; es ist aber schon durch mehrere bekannte
Stellen des heü, Apostels Paulus (Koloss. 3, 16; Ephes. 5, 19;
I. Kor. 14, 26) unzweifelhaft, dass ausser den alttestamentlichen
Gesängen auch von Anfang an neue Lieder in den christlichen
Versammlungen gesungen wurden. Im II. Jahrh. wu*d als
Hymnendichter der christliche Märtyrer Athen ogenes (f 169)
genannt, auch Kl e mens von Alexandria u. a. Im UI. Jahrh. gibt
es schon einen bedeutenden Reichtum von Hymnen und als aus-
gezeichneter Dichter wird der ägyptische Bischof Nepos ge-
rühmt. Mit dem IV. Jahrh. beginnt ein neuer Aufschwung der
christlichen Poesie, veranlasst sowohl durch den triumphierenden
Frieden, welchen die Kirche nach aussen errungen hatte, als
auch durch die Bestrebungen der Häretiker, die gerade durch
Gesänge ihre Lehren unter das Volk zu bringen und zu befesti-
gen suchten. Chrysostomus war einer der ersten, welcher
Hymnus. 113
diirch Gesänge mit orthodoxem Inhalte solchem Treiben entr
fegenwirkte. In der syrischen Kirche zeichnete sich besonders
er heil- Ephräm aus. In diesem Jahrhunderte hebt sich auch
die lateinische Hymnenpoesie, während die der Griechen allmäh-
lich abnimmt; bei den letzteren erscheinen noch als Hymnen-
dichter: Gregor v. Nazianz, Synesius, Bichof v. Ptolemais
(V. Jahrb.), Andreas, Erzbisohof von Kreta (t 724), Germa-r
ntis, Patriarch von Konstantinopel (f 740), Johannes Dar
mascenus u. a. m.
Mehr Bedeutung hat für uns die lateinische Hymnologie,
wobei es nur zu bedauern ist, dass man von einer grossen An-
zahl Hymnen die Verfasser gar nicht weiss odei^ nur unsichere,
zweifelhafte Nachrichten über sie besitzt.
Als ersten Begründer des lateinischen Hymnengesanges
nennt man gewöhnlich den. heil. Hilarius, Bischof von Poitiers
(t 368); die von ihm existierende li^mnensammlun^ wird aber
von den besseren Kritikern bezweifelt. Zugeschrieben werden
ihm die Hymnen: „Lucis largitor splendide"; „Dens pater inge-
nite"; „Beata nobis gaudia" u. a. m. Den englischen Lobgesang
„Gloria in excelsis", wie er in der heüigen Messe gesungen wird,
übersetzte er aus dem Griechischen ins Lateinische. Dem heil.
Damasus, Papst (1384), werden auch zwei Hymnen zugeschrie-
ben: „Decus sacrata nominis" zu Ehren des heil. Andreas, und
„Martyris ecce dies" zu Ehren der heü. Agatha. Eine vorzüg-
liche Stelle nimmt der heil. Ambrosius, Bischof von Mailand
(t 397), ein, welcher viele Hymnen dichtete, mit Melodien ver-
sah und ins Officium seiner Kirche aufnahm und welche noch
jetzt den Kern des kirchlichen Hymnengesanges büden. Wie
sehr aber seine Hymnen von jeher m kirchlichem Ansehen stan-
den, beweist die Benennung „Ambrosiani", ainbrosianische Hym-
nen, womit nicht bloss (5e von Ambrosius selbst gedichteten,
sondern auch die ihnen nachgebüdeten Gesänge bezeichnet wur-
den. Daher ist auch nicht zu ermitteln, wie viele ihn persönlich
zum Verfasser haben; wenigstens acht sollen ihm bestimmt
zugehören.
Der heü. Augustin verdient hier insofern Erwähnung,
als er zu „Ad perennis vitae fontem" den StofF lieferte (Medit.
S. Aug. cap. 25.), der später, wahrscheinlich durch Petrus Da-
miani, verarbeitet worden ist. Sicherer wird ihm das Prae-
conium jjaschale „Exultet jam angelicis choris" am Karsamstage
zugeschrieben, und das österliche „Cum rex gloriae" ist ganz aus
seinen Schriften genommen.
Einer der gefeiertsten christlichen Dichter und der vor-
züglichste Hymnolog des V. Jahrb. ist Aurelius Prudentius
Klemens (f 412), zu Saragossa in Spanien geboren. Oberster
'*T kaiserlichen Leibwache und christhcher Fürsprecher bei den
maligen Gerichtshändeln, der seine späteren Lebenstage in
rückgezogenheit der christlichen Muse weihte. Aus seiner
immlung von Liedern auf alle Tage (Liber Cathemerinon) und
is seinen Gesängen auf die heiligen Märtyrer (Liber Peristepha-
m) hat die Kirche ungeßihr vierzehn Hymnen, wohl mit 'einigen
[)änderungen aufgenommen; so z. B. Ales diei nuntius — Lux
ce surgit aurea — Salvete flores martyrum — 0 sola magna
Kommüller, Lexikoo« 8
IW: Hymnus.
urbium — Quicunque Christum guaeritis u. a. Dem V. Jährh.
gehört noch der Presbyter Sedulius (f 430), wahrscheinlich ein
Schotte, ah, von dessen Lebensumständen gar nichts auf uns
gekommen ist. Wir kennen von ihm nur ein grösseres Gedicht:
-opus paschale** und zwei kleinere Gesänge, von welchen einer
die Geschichte des Erlösers in 23 Strophen darstellt, deren jede
mit einem anderen Buchstaben des Alphabets beginnt. Hieraus
sind die zwei Hymnen „A solis ortus cardine ** imd „Hostis Hero-
des impie" für Weihnachten und Eipiphanie entlehnt.
Gleichen Ruhm mit dem Vorhergehenden geniesst im
VI. Jahrh. Venantius Fortunatus, gebürtig in Oberitalien,
gestoi*ben als Bischof von Poitiers um 600. von ihm besitzen
wir mehrere vortreffliche Hymnen, welche kirchliche Sanktion
haben, als: ,,Pange lingua gloriosi certaminis — Vexilla regis
prodeunt — Salve festa dies — Quem terra pontus sidera —
Agnoscat omne saeculum". Der heil. Papst Gregor I. d. Gr.,
der so viel für die Verbesserung und zweckmässige Einrichtung
des Gottesdienstes und des Kironengesanges gethan, glänzt auch
als Verfasser von Hymnen. Die bekanntesten sind: „Audi be-
nigne Conditor — Ecce jam noctis tenuatur umbra — Primo dienun
omnium — Nocte surgentes vigilenius omnes — Rex Christe
factor omnium — Te lucis ante terminum". Beda der Ehrwür-
dige (Venerabilis), geboren um 672 in England, wird von "Walafr.
Strabo schon als geistlicher Liederdichter erwähnt. Von seinen
11 Hymnen wurde nur der Hymnus: „Hjmnum canamus gloriae"
noch im XIV. Jahrh. am Feste Christi Himmelfahrt gesungen.
Paul Winfrid, auch bekannt unter dem Namen Paul Diaco-
nus, geboren in der Lombardei, war Diakon zu Aquileja und
Notar des Longobardenkönigs Desiderius, verlebte seine späteren
Lebensjahre als Ordensmann zu Monte Cassino, wo er um 800
starb. Er dichtete mehrere Hymnen, von denen sich der Hym-
nus ,,Ut queant laxis" wegen der von Guido daraus entnomme-
nen Solmisationssilben ut, re, mi, fa, sol, la einer besonderen
Berühmtheit erfreut. Durandus erzählt, Paul sollte einst zu
Monte Cassino die Weihe der Osterkerze („Exultet") vornehmen,
war aber von solcher Heiserkeit ergriffen, dass ihm der Gesang
unmöglich schien. Da dichtete er diesen Hymnus zu Ehren des
heü. Johannes, und siehe, er erhielt seine Stimme alsbald wieder,
wie einst Zacharias. — Dem Kaiser Karl d. Gr. wird der Hymnus
„Veni Creator Spiritus" zugelegt, was natürlich in Zweifel ge-
zogen wird. Zu den Hymnologen des IX. Jahrh. gehören:
Alcuin (t804), Paulinus von Aquileja (t 804), Walafried
Strabo von Reichenau (f 849), Tutilo von St. Gallen (f 880),
Rhabanus Maurus .{f 856), dem die bekannten Hymnen:
„Festum nunc celebre — Christe sanctorum decus angelorum —
Tibi Christe splendor Patris" ziigeschrieben werden; Theodul-
phus, Bischof von Orleans (f 821) ist der Verfasser des „Gloria,
laus, honor" für den Palmsonntag.
Im X. Jahrh. entwickelte sich eine eigentümliche Poesie
in den Sequenzen oder Prosen, worüber aas Nötige in dem
betreffenden Artikel nachgesehen werde. Ihr Urheber oder we-
nigstens ihr Beförderer ist Notker der Stammler, der Altere,
Abt von St. Gallen (f 912). Durch kirchliche Dichtungen zeich-
Hymnus. 115
nete sich in diesem Jahrhunderte noch aus: Odo, Abt von
Clugny (t 942), Hucbald, Mönch von St. Amand (1930), Ekke-
hard, Mönch von St. Gallen (f 966), Notker der Jüngere, eben-
falls Mönch daselbst (f 975).
Aus dem XL Jahrb. nennen wir Robert, König von
Frankreich (f 1031), mit der schönen Sequenz „Veni sancte Spi-
ritus" (?); Hermann Contr actus, mit der Sequenz „Ave prae-
ciara maris Stella" und den Antiphonien j,Alma redemptoris
mater " und „Salve r egina" ; PetrusUamiani, Abt von Avellano
(t 1072), einer der fruchtbarsten geistlichen Dichter, mit dem
Osterhymnus „Paschalis festi gaudium" und dem Gesänge: „Ad
perennis vitae fontem" aus den Schriften des heil. Äugustin
verarbeitet.
Würdig reiht sich den besten Hymnologen der heil. Bern-
hard, Abt von Clairvaux (f 1153), im XU. Jahrb. an mit deui
lieblichen, liebeseufzenden „Jesu dulcis memoria"; und nicht
minder glänzt im folgenden Jahrhunderte der Doctor angelicus,
der heil. Thomas von Aquin (f 1174) mit seinen Lobgesän^en
von dem allerheiligsten Altarssakramente : „Fange lingua gloriosi
Corporis — Lauda Sion — Verbum supernum prodiens — Adoro
Te devote". — Der heil. Bonaventura aus dem Orden des
heü. Franziskus, der viele heiligen Sänger erzeugte (f 1274), be-
sang wie der heü. Bernhard vorzüglich die seligste Jungfrau
Maria. Von Thomas von Celano, dem Sänger des „Diesirae",
und Jacoponus, von dem das „Stabat mater" herrührt, wird
bei den Sequenzen geredet werden.
Vom XV. Jahrb.* ab ist die lateinische Hymnographie
eigentlich abgeschlossen, obwohl noch einige gute Hymnen vor-
kommen. Im allgemeinen verlieren sie immer mehr den Hymnen-
charakter und gehen in oft spielende, gekünstelte Cantionen oder
Lieder über* die Zeit war eine andere geworden, es fehlte der
Typus des Erhabenen und ruhig Kirchhchen; die Nachahmung
des Altklassisehen führte völlig davon ab. Am bekanntesten
sind aus späterer Zeit der Liebesseufzer des heil. Ignatius: „0
Deus, ego amo te, nam prior"; und der des heil. Franziskus
Xaverius: ^0 Deus, ego amo te, nee amo te, ut salves me"; des
heil. Aloysms: „0 Christe pendens arbore"; und der Marienhym-
nus des heil. Casimir: „Omni die die Mariae".
Wie gesagt, gibt es ausser diesen Hymnen und Hymnen-
dichtern noch eme grosse Anzahl, von denen nichts ins kirchliche
Officium aufgenommen wurde; von sehr vielen Hymnen kennt
man nicht einmal die Verfasser. Noch ist zu bemerken, dass
Papst Pius V. eine Reform des Breviers vornehmen liess, wobei
er die reoipierten Hymnen in ihrer ältesten Form beibehielt.
Aber der durch die Renaissance der klassischen Studien und
Wissenschaften geweckte Geist wollte siöh damit nicht begnügen.
Urban VIH. setzte eine Kommission von drei Jesuiten nieder,
svelchen die Autgabe wurde, die Hymnen poetischer zu machen;
loch fanden die verbesserten Gesänge nicht überall Aufnahme.
In Frankreich vollzog sich im vorigen Jahrhunderte eine soge-
nannte Verbesserung des Breviers, wobei eine grosse Anzahl der
kirchlich sanktionierten Hymnen entfernt und diu'ch neue Dich-
tungen ersetzt wurden. Als hervorragende Dichter derselben
8*
116 Hypo.
werden genannt: Jean Baptiste de Santeul, geboren 1630 zu
Paris und Regularkanoniker von 8t. Viktor^ und Charles
Coffin, geboren 1676 zu Paris und Rektor der Universität da»
selbst (t 1T49).
Schliesslich noch einige liturgische Bemerkungen:
1) Der Schluss der Hymnen im Officium wechselt mit
den verschiedenen Festen und Festzeiten. Man bedient sieh der
in einer Zeit gebräuchlichen Schlussformel für alle Hymnen,
welche im Metrum nicht von ihr verschieden sind, und derei^
Schluss nicht so eng mit dem Hymnus verbunden ist, dass mit
Weglassung desselben der Hymnus selbst verstümmelt würde.
Das Direktorium gibt jederzeit den nötigen Aufschluss. So wird
z. B. von Weihnachten und Epiphanie, in der Fronleichnams-
oktave luid an den Marienfesten mit ihren Oktaven die Schluss-
strophe: ^Jesu Tibi sit gloria, qui natus es", vom weissen
Sonntag bis Christi Himmelfahrt: „Deo patri sit gloria et FiliOj.
aui a mortuis etc." gebraucht. Dieser Tausch midet auch bei
den Hymnen der He ili genfeste statt, welche in eine solche
Festzeit oder Oktave einfallen.
2) Im Hymnus der heiligen Bekenner (Confessorum):
„Iste Confessor" werden, wenn die Festfeier nicht auf den Todes-
tag des heiligen Bekenners zutriflFt, die dritte und vierte Text-
zeue der ersten Strophe: „Meruit beatas scandere sedes" in
„meruit supremos lauois honores" verändert, was im Direktorium
durch (m. s.) oder (m. v.) angezeigt wird.
3) Die Hymnen der HeiBgenfeste während der Oktave einea
Marienfestes haben bei gleichem Metrum auch die Melodie des
Hymnus : „0 gloriosae Virginis". (Hymni infra Octavam B. M. V*
ejusdem metri, conclusi cum „Gloria Tibi etc." canendi simt in
tono B. M. V. S. C. R. 28. Mart. 1626.)
4) Das Ceremoniale Episcop. lib. I. 28, lib. IL 1 erlaubt,,
dass die Hymnen im Officium abwechselnd mit der Orgel gesun-
gen werden, d. h. dass eine Strophe in cantu piano oder auch
figuriert gesungen, die andere von der Orgel „abgespielt*' werde,
wobei jedoch während des Orgelspieles diese andere Strophe von
einem oder zwei Kantoren vernehmlich zu sprechen ist. Die
erste und letzte Strophe, sowie diejenigen, bei denen zu knieen
ist^ müssen jederzeit gesungen werden, wenn auch dies schon
bei den unmittelbar vorhergehenden geschehen wäre. (Quod si
hymnus cantatur a musicis vel altematim ab organo, tunc can-
tores legent mediocri voce ea verba, quae a musicis seu ab or-
gano cantantur.)
Hypo, s. Kirchentonarten.
Imitation. 117
i(j).
Imitation, Nachahmung, findet statt, wenn ein von
einer Stimme vorgetragener Satz von einer anderen Stimme auf
fleiche oder ähmiche Weise wiederholt wird. Diese Wieder-
olung kann geschehen: 1) auf derselben Stufe (Beisp. 1) oder
auf anderen, z. B. Sekund, Terz, Quint u. s. w.; 2) mit genauer
Beobachtung der Intervallschritte oder mit Abweichungen; er-
stere Art heisst dann die strenge, letztere die freie Nach-
iihmung (Beisp. 2, 3); 3) in derselBen Notengattung oder ver-
ändert, d. h. aie zweite Stimme kann der ersten nacnfolgen mit
derselben Tongesoh windigkeit, oder, auch in langsamerer oder
•schnellerer Bewegung, so dass sie z. ß. statt der halben Noten
-der ersten Stimme Viertelnoten, oder statt der Viertelnoten
Halbenoten u. dgl. anwendet (Beisp. 4); 4) in gerader oder Gegen-
bewegung, d. h. wenn die zweite Stimme die erste in ihren
Bteigenden oder fallenden Schritten auf eine oder die andere
Weise nachahmt, oder aber mit Berücksichtigung der Intervallen-
^rössen die steigenden Schritte der ersten Stimme als fallende
und die fallenden als steigende Schritte nachahmt (Beisp. 5) ;
ö) in vor- oder rückwärtsgehender Bewegung, insofern die nacn-
ahmende Stimme den gehörigen Gang der ersten Stimme beibe-
hält, oder vom Ende zum Anfange hin nachahmt (Beisp. 6).
Imitationen, wobei immer nur ein kleiner Satz einer voran-
fegangenen Stimme nachgeahmt wird, nach Beendigung dessel-
en die nachahmende Stimme wieder ihren eigenen Gang verfolgt,
heissen periodische. Folgt aber eine Stimme ihrer Vorgängerm
ohne Unterbrechung und stets auf dieselbe Weise nach, ahmt sie
dieselbe ununterbrochen nach, so ist dies eine kanonische
Nachahmung — ein Kanon (s. Repetition und Kanon).
1. 2.
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m^W^^^
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3.
5. t ra 6.
118 Imperfectio — Instrument.
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rcrf ]sri"
Imperfectio, s. Perfectio und Mensuralmusik.
Improperien, s. Karwoche.
Ingressa, s. Introitus.
Instrument. Dies Wort, welches überhaupt jedes Werk-
zeug bedeutet, — bezeichnet auch in der Musik jedes Werkzeug,
jeden künstlich zubereiteten Körper, vermittelst dessen musika-
lische Töne hervorgebracht werden. Lassen wir das Inenschliche
Stimmorgan, die Kehle, welche unstreitig das vollkommenste
und edelste Instrument ist, beiseite, so gibt es, nach gemeiner
Annahme, drei Hauptklassen von musikalischen Instrumenten:
Saiten-, Blas- und SchlaginsTfcrumente. Die erste Klasse,
die der Saiteninstrumente, fasst wieder drei Arten in sich:
1) Bogen in Strumente, d. i. solche, deren Ton durch Strei-
chen der Saiten mit einem Bogen hervorgebracht wird, als:
Violine, Viola, Violoncell, Kontrabass u. a. 2) Lauteninstru-
mente, d. i. solche, deren Saiten zur Tonerzeugiing mit den
Fingern oder mit einem künstlichen Werkzeuge (Piektrum) ge-
rissen werden, als: die Harfe, Laute, Theorbe, Guitarre, Zithern, a.
3) Solche, auf welchen die Saiten durch Schlagen mit einem an-
deren Körper zum Tönen gebracht werden; geschieht es mittels
einer Klaviatur (Tasten), so heissen sie Klavier- oder Tasten-
instrumente, als: Klavier, Pianoforte u. a.; es kann aber auch
die Hand des Spielers Klöppel führen und damit die Saiten in
Vibration setzen, was z. ß. beim Hackbrett der Fall ist. — Die
zweite Klasse, die Blasinstrumente, teilt man wieder 1) in
solche, die den nötigen Wind., durch einen Blasbalg erhalten, wie
alle Orgelarten: die Orgel, Aolodikon, Harmonien u. a.; 2) in
solche, welche von dem Spieler selbst j^eblasen werden, als Oboe,
Flöte, Clarinette, Fagott, Trompete, Hörn, Posaune u. a. — Die
dritte Klasse umfasst die Schlaginstrumente, d. h. solche^
bei welchen der tongebende Körper , welcher keine Saite ist»
durch Schlagen mit einem Werkzeuge in Vibration gesetzt und
zum Tönen gebracht wird, als: Pauke, Trommel, Triangel, Glo-
ckenspiele u. a. m. Hier haben wir nur die allerbekanntesten
und gebräuchlichsten Instiiimente angeführt; ausser diesen gibt
es noch eine grosse Menge anderer Instrumente, welche teils in
alten Zeiten in Gebraaieh waren, deren Einrichtung man häufig
far nicht mehr kennt, teils bei einzelnen Völkern allein vor
ommen, teils jetzt noch vorkommen oder neu erfunden wurden,
aber sich nicht allgemeiner Annahme erfreui^n. Unserem Zwecke
zu entsprechen, müssen Wir uns vielmehr mit der Frage be-
schäftigen: Weldie Instrumente können bei der kathohschen
Kirchenmusik gebraucht werden? wobei wir zugleich einiges
aus der Geschichte der Instrumentalmusik üDerhaupt bei-
ziehen müssen.
Obwohl die heidnischen Völker und auch die Juden bei
Instrument. 119
ihren gottesdienstlichen Handlungen der Instrumente sich be-
dienten, und man es in der Behandlung der Instrumente zu einer
gewissen Fertigkeit gebracht hatte, so schlössen doch die Chri-
sten dieselben von ihren kirchlichen Versammlungen aus, da
ihnen, wie ein heiliger Kirchenvater sagt^ die reinen Herzen und
die keuschen Lippen, sowie ihr tugendreiohes Leben die edelsten
Instrumente sein sollen. Es war ihnen ein Greuel,, die Instru-
mente, womit die Heiden bei ihren Tänzen, Spielen und Götzen-
opfem die schändlichsten Leidenschaften erregten, bei ihren
heiligen Gebeten imd Opfern ertönen zu hören. Überdies konn-
ten sie nicht begreifen, wie man den höchsten Herrn, dem man
mit dem Herzen dienen muss, mit solch äusserlichen Dingen^
mit dem Klange toter Instrumente ehren könnte. Wohl bei
häuslichen (religiösen) Gesängen war es ihnen verstattet, diese
mit einem ehrbaren Instrumente zu begleiten; bei weltlichen
Feierlichkeiten, Gastmählern u. dgl. waren Instrumente ebenfalls
im Gebrauche. Mehrere Jahrhunderte lang hat man fast gar
keine Nachrichten über Instrumentalmusik bei den christlichen
Völkern, erst im VIÜ. Jahrh. tauchten wieder bestimmtere Nach-
richten auf; denn das Glasgower Konzil 747 will aus den Klöstern
die „citharistae aliique fidicines" ausgewiesen haben, was aber
nicht allseitig durchgeführt wurde, da fast um die nämliche Zeit
Abt Guthbert den LuUus, Erzbischof von Mainz und Nachfolger
des heil. Bonifaz {t755), um einen Zitherspieler (die Zither hiess
in England rota) bat. Orgeln finden wir ebenfalls im VIII. Jahrb.,
obwohl daraus nicht zu schliessen ist, als wären sie erst um
diese Zeit erfimden werden; Kaiser Konstantin Kopronymus
sendet eine Orgel an Pipin den Kurzen (752 — 768) in Frankreich,
welche in der Kirche des heil. Kornelius in Compiegne aufgestellt
wurde ; einige Jahre nachher sendete derselbe Kaiser eine solche
an Karl d. Gr. Von da an erhielt die Orgel Aufnahme in der
Kirche und zwei Jahrhunderte später besassen die meisten Ka-
thedralen und grösseren Kirchen ein solches Werk. Über den
Betrieb des Spieles anderer Instrumente in diesem Zeiträume
wird berichtet, dass im Kloster Reichenau den Zöglingen Unter-
richt erteilt wurde ^im Organum, welches allem zur Beglei-
tung des Gesanges im Münster angewendet wurde, auf der Harfe,
der Flöte, der Trompete, der Posaune und der Deltazither oder
dreisaitigen Leier. ^ Ausser der Orgel, welche bis ins XVI. Jahrh.
hinein nur dazu diente, den Ton anzugeben und die Sänger
etwa durch Mitspielen der Melodie im Tone zu erhalten, waren
alle anderen Instrumente von kirchlichem Gebrauche ausgeschlos-
sen. Amalarius (IX. Jahrh.) schreibt: „Unsere Sänger haben
keine Zimbeln, keine Leiern oder Zithern in den Händen, noch
andere Instrumente," und Johannes Egidius (XIII. Jahrh,) sagt, -
w^o er von der Orgel, als einem Instrumente, welches aus vielen j
Pfeiffen zusammengesetzt und durch Blasbälge zum Tönen ge-
bracht wird, redet: „Dies einzige Instrument wird in der Kirche
bei den verschiedenen Gesängen angewendet und bei Prosen,
Sequenzen und Hymnen, mit Ausschluss anderer Instrumente."
So bheb es bis ins XVI. Jahrh. hinein, obwohl zur Zeit
der Troubadours und Ministreis eine Menge Instrumente auf-
tauchten und die instrumentale Musik bald durch die Stadt-
1
120 Instrument.
oder Kunstpfeifer uAd Thürmer in „ehrlichem Gewerbe* getrie-
ben wurd^. -
Bis zum Beginne des XVII. Jahrh. machte die Instrumental*
musik keinen eigentlichen Fortschritt; man hatte es darin wohl
bis zu einer gewissen Fert^keit gebracht, allein das Instrumenten-
spiel war mehr nur ein Nachhall des Gesanges, ein besonderer
Instrumentalstil hatte sich noch nicht bilden kö'nnen. Im
Leben des Benvenuto Cellini wird berichtet, dass sein Sohn am
1. Aug. 1524 in Gesellschaft der ausgezeichnetsten Spielleute
jener Zeit den Papst Klemens VII. durch sein Zinkenbiasen in
dem Vortrage ausgesuchter Motetten erfreute. Daraus geht
hervor, dass man aus geistlichen oder weltlichen Gesängen die
für ein Instrument passendsten auswählte imd sie ohne Gesang
auf dem Instrumente vortrug. Dies wird um so imzweifelhafter
durch das Faktum, dass bei den meisten geistlichen und welt-
lichen Ton werken jener und späterer Zeit (bis zum Ende des
XVI. Jahrh.) die Bemerkung sich findet, „sie seien für lebende
Stimmen und Instrumente zugleich dienlich'* („tum viva voce,
tum omnis generisinstrumentis cantatu commodissimae;" — „per
oantar et sonar"); nirgends finden sich aber eigene Instrumental-
stimmen, allen ist der Text unterlegt; es war also Gebrauch,
entweder die Tonstücke durch Singstimmen allein, oder durch
Instrumente allein-^ oder zuletzt durch, beide zugleich auszufüh-
ren. Selbst das Lauten- und Zitherspiel, in Italien bei der
Vorliebe für den Gesang sehr verbreitet und geübt, hatte auf
Arpeggiobegleitung der Gesangstimme führen können, aber im
ganzen XVL Jahrh. kennen wir bis jetzt noch kein Beispiel einer
solchen Anwendung; man hielt sich gewöhnlich daran, die Sing-
stimme zu spielen und mutmasslich bei passenden Einschnitten
einen vollen Accord, der auf dem Griff brette bequem in der
Hand lag, anzuschlagen, wie es noch bei Tanzweisen gegen
Schluss aes XVI. Janrh. geschah. Der volle, prächtige Ton der
Laute, ihr grösserer Umfang reizte allerdings, auf ihr (wie auf
dem Klavier) die vollständige Wirkung eines grossen vielstim-
migen Gesanges im blossen Saitenspiel oder durch sie als Be-
gleiterin einsamen Gesanges etwas Annliches darzustellen. Darum
nden wir gegen Ende des Jahrhimderts in den vielen Lauten-
büchern Motetten und Madrigalen der berühmtesten Meister für
dies Instrument, ohpe Gesang, eingerichtet, wobei man es dem
Sänger überliess, nach seinem Gefallen und dem Umfange seiner
Kehle aus den ursprünglichen Werken jener Meister irgend eine
Stimme singend auszumhi'en. Man schrieb sie oft auch in Noten
vor, und setzte die Begleitung in Lautentabulatur darunter,
wobei nur die wesentlichsten (jänge und Intervalle beibehalten
wurden. Sammlungen von Gesängen für eine einzelne Sing-
stimme mit einer besonderen, auf eigentümliche Weise einge-
richteten Begleitung finden wir unter der grossen Menge der
damals gedruckten Tonwerke gar nicht, wenn man nicnt die
von L. Viadana auf die Bahn gebrachten geistlichen Kon-
zerte hierher rechnen will.
Keime eines eigentlichen Instrumentalstiles zeigten sich
erst zu Ende des XVl. und Anfang des XVII. Jahrh. und zwar
zuerst in Venedig, wo der Glanz imd die Pracht, welche sich in
Instrument. 121
der reichen und mächtigen Dogenstadt im höchsten Grade ent-
falteten, schon mehrohörige Vokabnusik und deren Begleitung
und Unterbrechimg mit Instrumentalmusik hervorgerufen hatte.
In solcher Weise Komponierte der iüngere Gabriäi nicht bloss
weltliehe Kantaten, sondern auch Motetten u. dgl.. z. B. ein
-In eoolesiis benedicite*^ für zwei Chöre mit drei Zinken, einer
Geige, zwei Posaunen, oder ein „Surrexit Christus*^ für drei Sing-
stimmen mit einem Orchester von zwei Zinken, zwei Violinen
und vier Posaunen, mit Vor- und Zwischenspiel, mit Chor und
von verschiedenen Instrumenten begleiteten Einzelgesange , alles
in reichster Mannigfaltigkeit miteinander abwechselnd, Monte-
verde, seit 1613 Kapellmeister an der St. Markuskirche, lässt
Bohon einzelne Instrumente, wie Zinken und Geigen, in rollenden
Instrumentalpassagen eine Begleitung bilden. Ebenso löst sich
das selbständige Orgelspiel, wie es schon geraume Zeit bestan-
den, vom Vokalmusikstd ao, sucht sich selbständiger zu gestal-
ten; man verlässt das bisherige Arrangieren („auf die Orgel
absetzen", „in Tabulatur schreiben**) und oie Kompositionen gehen
immer mehr der Natur des Instrumentes nach; es knüpfen sich
immer mehr Verzierungen, Koloraturen und kontrapunktische
Künste an, und es entwickelt sich auf der einen Seite das dem
Tasteninstrumente abgenommene rasche Virtuosenspiel (t o c c a t e),
andererseits die fugierte Bearbeitung eines belieoigen Themas
{anfangs noch regellose Wiederholung des Themas in verschie-
dener Lajge), welcne von nun an das eigentliche Feld des Orga-
nisten bildet, und von Seb. Bach auf den höchsten Grad der
Vollkommenheit gebracht wurde.
Den Anfang, selbständig aufzutreten, nimmt die Instru-
mentalmusik erst vom XVIII. Jahrhundert, nachdem sie bisher
entweder nur Dienerin der Vokalmusik zur Begleitung derselben ge-
w^esen war oder die Instrumentalkompositionen teils als techniscne
Kunststücke, teils als Cantabilitätsmusik, in den Sätzen für Bogen-
instrumente etwa stellenweise mit Sprüngen und Passagen
untermeng erscheinen. In Italien war es insbesondere AI.
Scarlatti, welcher durch Einführung eines proportioniert zu-
sammengestellten Orchesters den Grund zur Losreissung der
Instrumente von der Nachahmung des Gesanges legte. In den
Werken von D. Scarlatti ima des Franzosen C o u p e r i n
finden sich schon bedeutende Spuren der Verselbständigung der
Instrumente.
Von Bach an datiert sich ein eigentlicher Instrumental-
st iL Freilich kannte und übte man noch nicht, was man heut-
zutage „Effektuieren" nennt; von dem ästhetischen Reize dieses
oder jenes Instrumentes oder dessen Tonmaterials wusste man
soviel als nichts; man setzte eben für jedes Instrument, was auf
demselben bequem auszuführen war. Gesteigerte Figuralkunst
ad nur in den Kompositionen für Bogenmstrumente statt,
jrigens suchte man durch rhythmische und thematische Mittel
n Kontrast einzelner Sätze hervorzubringen. Galt bisher die
jntrapunktische Kirnst als das Höchste, so brach nun Bach
3ue Bahnen und führte die Periode der -freien Schreibart" her-
'i, welche sich zur triumphierenden Gegnerin des „strengen
üs** nach imd nach ausgestaltete und die herrlichsten Früchte
122 Instrument.
der Instrumentalkunst hervorbrachte. An Bach knüpft sich die
höhere Kultur der Bogeninstrumente und der Orcnestermusik
an, und als Haupt dieser Periode erscheint Jos. Haydn, wel-
cher sowohl dem Quartett die charakteristiche Form verlieh und
es zur seltensten Vielseitigkeit und Vollendung ausbildete, als
auch die Form der Symphonie feststellte, erweiterte und mit
reichem Gehalt erfüllte. In die Fussstapfen Haydns trat W. A.
Mozart, welcher noch mehr als jener erkannte, welche Klang-
fülle, welcher Farbenreichtum in den verschiedenen Instrumenten
verborgen liege, und auf die beste Weise diese Einsicht in seinen
Tonschöpfungen benützte. Er hat das Orchester in vollkommen-
ster Art organisiert; er hat sich zwar in den ererbten Formen
gehalten, aber der hervorstechendste Charakter seiner Instru-
mentalkompositionen ist das Gesangmässige bei glänzender
Farbenpracht. All dies trug sowohl zur Erhöhung der Instini-
mentaltechnik, zur Verallgemeinerung des Konzertwesens, als
auch zur Ausnützung aller Instrumente bei. Durch L. v. Bee-
thoven wurde die Cantabilität wieder mehr eingeschränkt, und
wenn er auch die Überlieferten Formen nur erweiterte und durch
Abweichungen verändertie und in dieser Beziehung nicht gerade
fanz Neues schuf, so vermochte sein Riesengeist die Form ganz
em Inhalte dienstbar zu machen und sein tiefstes inneres Leben
imd Fühlen der Form einzuhauchen. Aber durch einen allzu-
^ossen Aufwand von Tonmaterial wurde er für die Nachwelt
ein um so gefährlicheres Vorbild für eine bloss materielle, also
fehlerhafte Kolossalität, weil bei ihm, dem grossen Genie, mei-
stens auch ein dem grossen Aufwände des Materials entsprechen-
der Reichtum von Kemhaften Gedanken zu Grunde liegt, was
bei seinen Nachfolgern leider nicht der Fall ist. Seit Beethoven
ist in Instrumentalmusik nichts Höheres geleistet worden, und
was als solches ausgegeben wird, ist meist nichts anderes als
die übertriebene Anhäufung von Tonmassen, eine pompöse,
nei*veneiTegende Schallvermenrung, eine Formlosigkeit und tfltra-
liberalität, die sich über jedes Gesetz der Natur und Kunst hin-
weggesetzt, — eine.. Musik, die häufig eines entspuechenden
Inhaltes entbehrt. (Über das Auftreten der Instrumente in der
Kirche s. d. Art. Kirchenmusik, III.)
Die reine Instrumentalmusik (ausser dem Orgelspiele) ist
von der Kirche nie zugelassen worden, und es kann kemem
Zweifel unterliegen, dass die ihrer Zeit beliebten Symphonien
sowie die sogenannten Aufzüge (beim Aus- und Eingehen des
Priesters zur Saki-istei) mit voller Blechmusik u. a. m. gänzlich
unkirchlich sind. Aber auch in Begleitung des Gesanges haben
die Instrumente keine gänzliche Freiheit: nebstdem, dass ihr
Gebrauch nur ein geduldeter ist, hat die Kirche im Falle ihrer
Zulassung beschränkende Vorschriften sowohl ihrem Charakter^
als ihrer Anwendung nach erlassen. In Kürze zusammengefasst
besagen sie Folgendes: Unter allen Instrumenten ist die
Orgel allein für den kirchlichen Gebrauch als geeignet aner-
kannt und durch die Regeln, welche hinsichtlich ihres Gebrau-
ches in den liturgischen Büchern festgestellt sind, mit einem
gewissen liturgischen Charakter ausgezeichnet worden. (Das
Weitere s. im Art. „Orgel".) Alle Instrumente ferner, welche
Instrumentalmusik — Intervall. 123
einen theatralischen Charakter haben, alsz. B. Pauken, Jagd-
hörner, Pfeifen, Harfen, Becken u. dgl. müssen durchaus ausge-
schlossen bleiben; dagegen sollen nur jene gebraucht werden,
die geeignet sind, die Stimmen der Singenden zu verstärken und
zu unterstützen, und um dieses Zweckes willen und ihm ent-
sprechend sollen sie angewendet werden. Die Instrumente haben
in der Ku'che nur eine untergeordnete Stellung und dürfen
nie den Gesang beeinträchtigen. Militärische Aufzüge
mit Pauken imd Trompeten eignen sich nicht für das Haus
Gottes . auch bei Prozessionen ausser der Kirche ist es besser,,
statt ihrer Hymnen und Litaneien zu singen. Symphonien,
reine Instrumentalmusik, sollen, wo sie gebräucnlich sind^
nur angewendet werden, wenn sie keinen Teil des Gottesdien-
stes ausmachen, imd dann nur selten und müssen immer einen
ernsten, feierlichen Charakter haben und zur Andacht stimmen.
(Vgl. „Verordnungen".)
Instrumentalmusik heisst die bloss von Instrumenten aus-
geführte Musik im Gegensatze zur Gesang- oder Vokalmusik,,
auch der mit Instrumenten begleiteten, s. Instrument.
Interyall — Intervallum — bezeichnet den Zwischen-
raum zweier verschiedener Töne und deutet die Entfernung an,,
in welcher ein Ton von einem anderen absteht. In unserer
Terminologie aber braucht man den Ausdruck „Intervall" in der
Ali), dass man die beiden Töne selbst, welche einen Zwischen-
raum begrenzen, ein Intervall nennt, z. B. c— g ist das Intervall
einer Qmnt. Bei der Abzahlung der Intervalle beginnt man ge-
meiniglich von dem tieferen Tone und zählt die Stufen aufwärts,
bis zum höheren Tone in der Tonleiter des ersteren. Jedoch
zählt man manchmal auch abwärts, z. B. a-(g)-f, und nennt dann
f die Unter terz zu a; so redet man auch von einer Unterquart,.
Unterquint. Die Intervalle, resp. Stufen, benennt man mit den
lateinischen Zahlnamen: Prime, Sekunde^ Terz, Quart, Quinte^
Sext, Septime, Oktave, None, Decime, Undecime, Duodecime^
Terzdecime. (Diese Namen haben sich als weibliche Substantiva
erhalten, weil die Alten nicht die Intervalle als primus tonus-
u. dgl. bezeichneten, sondern als prima, secunda . . . chorda
[Saite], hergenommen von [dem Monochord und] der mehrsaiti-
gen Leier, worauf z. B. die erste Saite c, die zweite d, die dritte
e u. s. f. klang.) Weü die Töne einer Tonart (die diatonische
Tonleiter zu Grunde gelegt), vom Grundtone aus gezählt, in
siebenfach verschiedener Entfernung vorkommen, so gibt es auch
nur sieben generell von einander verschiedene Intervalle, näm-
lich Sekund, Terz, Quart, Quint, Sext, Septime, Oktave.
Diese sieben Intervalle heissen einfache, d. h. innerhalb einer
Oktave liegende; zusammengesetzte Intervalle entstehen,
wenn der Tönraum der Oktave überschritten wird, als None,
Decime u. s. f., welche im Grunde nichts anderes sind, als
Sekund, Terz u. dgl. in der höheren Oktavenreihe. Alle Inter-
valle, welche über die 13. Stufe (chromatische Skala), von einem
angenommenen Grundtone an gerechnet, hinausgehen, werden
mit denselben Namen belegt, als wären sie in jenem ersten
Zwischem-aume von 13^ Stufen enthalten; z. B. C-G einfache
Quint, C-g doppelte, C-g dreifache Quint.
124
Intervall.
Unter gewissen Umständen unterscheidet man die zusam-
mengesetzten Intervalle von den einfachen, z. B. die Sekund von
der Non. Die Sekund kann nämlich in der Harmonie auf zwei
ganz verschiedene Arten gebraucht werden, ohne ihi* ursprüng-
uches Verhältnis einer zweiten Stufe zum Grundtone zu ver-
lassen: einmal als wirkliche Sekund und das andere Mal als
eigentliche Non: als Sekund, wenn das untere Ende des Inter-
valls, der Grunaton, disponiert (a), und als Non, wenn sie selbst
als oberes Ende des Intervalls den Charakter einer Dissonanz
erhält (b).
a.,
I
^m
i
b.
^
g^^ibpifl
r y>r
Da jeder Ton erhöht oder erniedriget werden kann, so
kann auch jedes Intervall sich in verchiedener Grösse darstellen,
z. B. eine Quint kann sein c-g, c-ges, c-gis. Um diese specielle
Verschiedenheit der Intervalle kenntlich zu machen, bedient man
sich der Beiwörter rein oder gross, klein oder falsch, ver-
mindert, übermässig, z. B. reine Quart, verminderte Septim
u. dgl. Mit dem Prädikate rein werden alle die Intervalle be-
zeichnet, die nur eine einzige konsonierende Gattung ent-
halten, und die sogleich die Eigenschaft der Konsonanz verlieren,
wenn das Verhältnis auch nur um einen halben Ton verrückt
wird. Dies findet statt bei der Oktav, Quint und Quart,
und nur bei diesen allein kann das Prädikat „rein" angewendet
werden. Gross und klein sind die Beinamen derjenigen Inter-
valle, welche im Falle einer Erhöhung oder Erniedrigung um
•einen kleinen halben Ton ihre Eigenschaft als Konsonanz noch
nicht verlieren. Solche Intervalle sind die Terz und Sext, und
insbesondere noch die Sekund und Septim. Übermässig und
vermindert sind Prädikate, welche nur jenen Intervallen bei-
gelegt werden, die schon die eine oder die andere vorige Eigen-
schaft besitzen, und zwar ersteres allen reinen und grossen
Intervallen, wenn dieselben noch lun einen kleinen halben Ton
•erhöht werden, entweder durch Erhöhung des oberen (i) oder
durch Erniedrigung des unteren (!?) das Intervall begrenzenden
Tones, — und letzteres Prädikat allen reinen und kleinen Inter-
vallen, wenn sie noch um einen kleinen halben Ton verkleinert
werden, entweder durch Erniedrigung (^, P) des oberen, oder
durch Erhöhung (jj, i) des unteren, das Intervall begrenzenden
Tones. So hat man verminderte Quinten und Sekunden, über-
mässige Sekunden und Sexten u. dgl.
Man kann die Intervalle auch umkehren, d. h. den un-
teren Ton um eine Oktave höher nehmen und ihn so über den
ursprüngUch höheren Ton legen; oder den oberen um eine
Oktave tiefer setzen, welche umgekehrte Intervalle dann auch
abgeleitete (im Gegensatze zu den ursprünglichen oder natür-
Intervall. 125
liehen, welche man Stamm Intervalle heissen kann), genannt
werden. Sie stellen sich dar:
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
8. 7. 6. 5. 4. 3. 2. 1.
d. h. aus der Prim wird die Oktav, aus der Sekund die Septim etc,.
wobei zu beachten ist, dass auch die Prädikate sich umkehren^
z. B. aus der gi'ossen Terz wird die kleine Sext, aus der ver-
minderten Quint die übermässige Quart etc. Die abgeleiteten
Intervalle haben ihre Bedeutung bei der Umkehrung der
Accorde und beim doppelten Kontrapunkt.
Einige Töne imd Intervalle einer Tonai*t haben eine eigene
Beüennimg. Grundton, Prim — Tonica; die Terz der Tonart —
Mediante; die (^uint der Tonart — Oberdominante; die
Quart Unterdominante; die grosse Septim — Leitton, sub-
semitonium modi, franz. note sensible; die übermässige
Quart — Triton, aus drei ganzen Tönen bestehend.
In den alten musikalischen Schriften haben die Intervalle
noch andere, meist aus dem Griechischen stammende Namen i ^
die Oktav — Diapason; die reine Quint — Diapente; die reine
Quart — Diatessaron: die grosse Terz — Ditonus; die kleine
Terz — Semiditonus; die grosse Septim — Semitonium modi
oder Subsemitonium modi; ein ganzer Ton oder die grosse Se-
kund — Tonus; die kleine Sext — Diapente cum Semitono; die
grosse Sext — Diapente cum tono oder Diatessaron cum ditono»
Was den charakteristischen Ausdruck anbelangt,
der den Intervallen innewohnt, möge folgendes genügen. Die
Töne, als Ausdruck einer Seelen- oder Gefühlsstiijimung , ver-
mögen dies nicht bloss durch ihre Farbe und Höhe oder Tiefe,,
sondern auch durch ihre Schritte und durch das Verhältnis, in
dem einer zum anderen steht. Alle Konsonanzen haben etwas
Beruhigendes in sich, beschwichtigen die Leidenschaften, brin-
gen der Seele des Zuhörers Frieden; die Dissonanzen zeigen
stets etwas unstät Hinwegstrebendes, malen alle psychiscnen
EiTegungen. Enge Tonschritte zeichnen in ihrer einfachen und
sicheren Bewegung den Charakter friedlicher Ruhe, während
weite Tonsohritte eine lebhaftere Erhebung, ein männliche»
Selbstgefühl, Erhabenheit über das Niedrige vielmehr ausspre-
chen; Fortschritte in halben Tönen haben gewöhnlich etwas
weichlich Sehnsüchtiges und Unkräftiges an sich. Besonders
charakteristische Bedeutsamkeit wohnt den Terzen inne : durch
eine anscheinbar kleine Verrückung ihrer Grenze bestimmen sie
schon den Charakter einer ganzen Tonart, ob Moll oder Dur.
Während die kleine Terz in mehr oder minder starker Bewegung
klagt und, wo sie sich findet, nie vollkommene Ruhe una Be-
ruhigung nerrscht, verleiht die grosse Terz feste Beruhigung imd
bo^'+^^ere Festigkeit. Alle kleinen und besonders die verminderten
jrvalle haben irgend einen unvollkommenen Zustand der
wache an sich; die übermässigen Intervalle aber zeigen den
rakter der grossen Intervalle m dem Zustande der höchsten
irspannimg. Welcher Ausdruck gebührt den Kirchengesän-
i .? Die alten Choralmelodien sagen es uns, welche nichts von
< -)Y Weichlichkeit, weibischen Klage oder erregter Leidenschaf t
1 nen.
126 Intonation — Introitus.
Intonation, Intonieren, heisst 1) im allgemeinen das
Angeben der Töne durch Stimmen oder Instrumente. Besonders
gebraucht man dies Wort bezüglich des Gesanges durch mensch-
sehe Stimmen. Es hängt ein grosser und wesentlicher Teil
des Eindruckes, den eine Musik auf den Zuhörer macht, von
«inef reinen, richtigen Intonation ab^ und es ist höchst peinlich,
einen Chor zu hören, in welchem eme oder die andere Stimme
fegen die andere unklar, schwankend, etwas zu tief oder zu
ooh singt, d. h. detoniert. Um dies zu verhüten und eine
reine Latonation, einen stimmungshaltenden Gesang zu erzielen,
bedarf es nebßn einem einigermassen guten Gehöre fleissiger
Bildung und Übunjg der Stimmorgane, steter Aufmerksamkeit
auf die übrigen Stimmen, rechtzeitigen Atemholens imd Mass-
haltens im Singen* am ehesten kommt Detonation zum Vor-
scheine, wenn die Stimmorgane durch grosse öder langdauernde
Anstrengung ermüdet sind; nur die Rune wird zu reiner Intona-
tion wieder befähigen.
Unter Intonation, Intonieren versteht man 2) auch das
Voransingen des Anfangs einer Antiphon, eines Psalmes u. dgl.
in der kathohschen Kircne, welches dem Celebranten oder einem
ersten Kantor obUegt und früher teilweise ein Ehrengeschäft
war; dafür findet man auch den Ausdruck: „antiphonam . . im-
ponere**. 3) Wird mit dem Namen „Intonation" auch die kurze
rhrase eines Gesanges selbst belegt, welche der Celebrant oder
Kantor vorzusingen hat, worauf der ganze Chor den Gesang
fortsetzt, z. B. die Melodien: „Gloria in excelsis Deo, Credo in
unum Deum, Asperges me** u. dgl., wie sie in den Mess- und
Ritualbücherfi enthalten sind.
Intrade, ital. entrada, teils soviel als Introduktion, teils
das lärmende, an keine Ordnung und keinen Zusammenhang
gebundene schmetternde Blasen eines Trompetenchores, welches
am Ende gewöhnhoh mit dem länger ausgenaltenen Accorde auf
der Dominante schliesst, in gemeiner Sprache auch Tusch
fenannt. Diese Intrade dankt ihren Ursprung wahrscheinlich
er Sitte am Ende des Mittelalters, die bei den Königen und
Fürsten bestand, sich bei feierlichem Auftreten durch einen
Trompeterchor begleiten und ankündigen zu lassen. Diese Sitte
verpjflanzte sich auch in die Kirche, und noch heutzutage glaubt
man an vielen Orten, den Gottesdienst nicht feierlich halten zu
können, ohne solche ärgerhche, von der Kirche verpönte Tusche
am Anfange und Ende des Hochamtes , manchmal auch beim
Gloria, Sanctus, Ite missa est, ja selbst bei der heiligen Wand-
lung schmettern zu lassen.
Introduktion, ital. Introduzione, Einleitung, heisst
im allgemeinen eine. Art Vorspiel, wodurch das nacnf eisende
Tonstück sozusagen recht eingängüch gemacht und des Zuhörers
Empfänglichkeit dafür in bester Form gestimmt werden soll.
Ehedem hatten nur grösser^ Tonstücke, Oratorien^ Symj)honien
u. dgl. solche Einleitungen. Jetzt kommen sie auch bei kleine-
ren Tonstücken als ein Tonsatz von einer geringen Anzahl von
Takten meist in langsamerem Tempo vor.
Introitns (lat.), Eintritt, Eingang, heisst in der katho-
lischen Liturgie jene Antiphon, welche vom Chore gesungen
Introitus. 127
wird^ während der Gelebrant aus der Sakristei ins Presbyterium
eintritt und zum Altare schreitet. Nach einer Bestimmung des
Caerem. Episc. darf er nicht früher begonnen werden, als bis
der Gelebrant an den Stufen des Altares angekommen ist. In
der Ambrosianischen Liturgie heisst diese Antiphon Ingressa,
was das Nämliche bedeutet. Die vornehmsten Liturgisten schrei-
ben die Einführung des Litroitus dem Papste Cölestin L (t 432)
zu, von dem übrigens das Pontifikalbucn nur meldet, dass er
verordnete, vor dem heiligen Opfer die Psalmen Davids anti-
phonatim zu siiLgen, was früher nicht geschah. Welche Gestalt
und Form der Introitus bis auf Gregor d. Gr. gehabt, darüber
mangeln uns zuverlässige Nachrichten. Der heil. Gregor d. Gr.
traf die Einrichtung, dass vor und nach dem Psalme ein aus
letzterem genommener Vers (Antiphon) gesungen werde, und
setzte zugleich einen bestimmten Vers für jeden Tag und für
jedes Fest an. Seit dem VIII. Jahrb., wenn nicht früher, ist es
Gebrauch geworden, statt eines ganzen Psalmes zwischen die
Antiphon nur einen einzigen Vers desselben mit der Doxologie
^Gloria Patri etc." zu singen. Die Antiphon wurde anfänglich
aus dem betreffenden Psalme genommen , später begnügte man
sich, irgend eine passende Stelle aus der heiligen Schrift zu
entnehmen; einige Introitus ^alve sancta parens"^(vonSedulius)
und „Gaudeamus omnes in Domino" gehören auch der heiligen
Schrift nicht an.
Der Introitus findet sich in den alten Missalen gewöhnlich
nicht, sondern bloss in den Gradual- oder Gesangbüchern. Erst
seit dem XIV. Jahrh. spiicht der Gelebrant den Introitus still
mit. Im XI. Jahrh. finff^ man in Frankreich und in Klöstern an,
den Introitus an hohen Festtagen zu paraphrasieren, d. h. durch
dazwischenlaufende Sprüche, Gebete, Erwägungen auszudehnen;
diese Einschiebsel hiessen Tropen. Teüweise begnügte man
sich damit, die Antiphon zwischen dem Verse und der Doxologie
2u wiederholen.
In dem römischen Missale ist jetzt für jede Messe ein be-
atimmter Introitus vorgeschrieben; nur am Karsamstage und in
der Pfingstvigilie fehlt er wegen der stattfindenden Taufweihe,
nach welcher die Litanei folgt, deren Kyrie und Ghriste am
Schlüsse zugleich als Kyrie . . . der nun beginnenden heiligen
Messe vom Chore gesungen wh-d.
Der Introitus eröffnet immer die besondere, durch die kirch-
liche Zeit, durch ein bestimmtes Fest oder Anliegen motivierte
Feier, auf deren Gegenstand er die Intention der Gläubigen rich-
tet. Demgemäsö enthält er bald eine Ankündigung und Ver-
herrlichung der gefeierten Begebenheiten oder des Geheimnisses
in mannigfaltiger Form, bald den Ausdruck der Freude, des
Dankes, der Hoffnung, der Sehnsucht, des Wunsches und der
'^ tte, von denen das gläubige Gemüt jeweils hauptsächlich er-
Ut sein soll. — Der Introitus ist ein Wechselgesang; nach alter
rbung wird er in der heüigen Fasten- und Adventzeit, sowie
ei den gemeinen Festen (ferialibus et simplicibus) von einem
antor, bei den Festen semiduplicibus, in Dominicis und dupli-
ibus von zwei Kantoren, bei solennen Pesten (f solemnibus i. e.
class.) aber von vier Kantoren intoniert, dann vom ganzen
128 Invitatorium' — Jubilus, Jubilatio.
Chore bis zum Psalmenverse zu Ende gesungen, worauf der oder
die Kantoren die, erste Hälfte des Psalmenverses allein vortra-
gen, welchen der Gesamtchor mit der zweiten Hälfte respon-
diert. Ebenso gesqhieht es bei der Doxologie Gloria patri.
Hernach intonieren die Kantoren in bezeichneter Ordnung noch-
inals den Anfang des Introitus und der Chor singt denselben zu
Ende. Durchweg sind die Melodien des Introitus sehr fasslich,
dqr Tonumfang nibht zu weit. — Nach den Anfangsworten des
Introitus werden auch einige Sonntage genannt, z. B. Sonntag
(Dominica) Laetare (der 4. Sonntag in der Fasten), Sonntag Ex-
audi (6. Soniltag nach Ostern) u. a. m.
Invitatorium (von invitare, einladen) heisst ein Vers, wel-
cher am Anfange des kirchlichen Offieiums (der Matutin) ab-
wechselnd mit je zwei Versen des 94. Psalmes: „Venite exultemus
Domino" gesungen oder gebetet wird. Jedes Fest und jedeö
Officium vom Tage hat sein besonderes Invitatorium, dessen.
Schlussworte dann gewöhnlich „Venite adoremus" sind. Es steht
am Anfange des Omciums als eine Einladung, ein Aufruf an die
Betenden oder Singenden, mit Eifer das Lob Gottes zu verkün-
den und ihn anzubeten. Ist der Psalm die allgemeine Einladiuig,
so gibt der Beisatz oder Vers die besondere Beziehung auf das
Fest oder den Tag. Die Anordnung dieses Einleitungsspruches
oder Gesanges reicht ins hohe Altertum hinauf; schon die
Regel des heil. Benedikt (VI. Jahrh.) kennt ihn (Cap. 9. »psal-
mus nonagesimus quartus cum antij)hona aut certe
decantandus"). Auch das feierliche Totenofficium hat sein Invi-
tatorium; dessen ermangelt aber nach römischem Ritus das
Officium vom Feste Epipnanie und das der drei letzten Tage
in der Karwoche; als Grund hierfür gilt, dass das Epiphaniefest
älter ist als die Einführung des Invitatoriums, — dass man aus
Ehrfurcht den uralten Ritus beibehalten wollte, und die drei
letzten Tage der Karwoche zu sehr der Trauer gewidmet sind,
als dass man solch freudigen Zuruf gebrauchte. Der Invitatorien-
vers bewegt sich stets m einer erhaben schönen Melodie rnid
auch der Psalm hat seinen eigentümlichen Gesang. Ein oder
zwei Kantoren beginnen den Vers, welchen der Chor repetiert;
dann fährt der Kantor den Psalm singend fort, nach dessen Ab-
schnitten der Chor immer wieder mit dem ganzen Verse oder
mit der zweiten Hälfte des Verses antwortet: am Schlüsse singt
der Kantor nochmal den Vers zur Hälfte und der Chor vollendet
ihn. In den Gradualbüchern und Antiphonarien finden sich die
Invitatorien (Ps. Venite adoremus) nach den acht Kirchentönen
geordnet. In den alten Ritualien ist vorgeschrieben, es an eini-
gen Festtagen mit besonderer Feierlichkeit abzusingen: „Ut sex
cantent tres primos versus submissa voce, et alios tres alii sex
alta voce,*^ was darauf hinzudeuten scheint, dass der Einlei-
tungsspruch, z. B. -Regem Confessorum, venite adoremus" nioht
überall im (jebrauche war.
Jonisch, s. Griechische Musik und Kirchenton-
arten.
Jnbilns, Jubilatio heissen die melodischen Anhängsel^
welche an das AUeluja des Graduale sich anschliessen und über
dem letzten a das AUeluja oft in sehr ausgedehnter Weise
Kadenz. 129
*
fesungfen werden. Man nannte sie früher auch Neuma. Schon
er heil. Augustinus erwähnt solcher Jubilen, die bei den Hirten
und Soldaten in Gebrauch waren — Auslassungen der Stimme
ohne Worte. Die allelujatischen jubilen wurden im Mittelalter
auch Sequentiae genannt, denen man später Worte unterlegte ;
man erweiterte diese zu Wnzen hymnenartigen Dichtungen,
welche dann den Namen Sequenzen oder Pr;osen erhielten
(s. Sequenz).
K.
(Artikel, welche hier sich nicht finden, sind unter C oder Z zu
suchen.)
Kadenz, ccuientia, clausula y ist derjenige Schritt in einem
harmonischen Satze, mit welchem dieser entweder zu einer kur-
zen Ruhe oder zum vollkommenen Schlüsse gebracht wird, oder
überhaupt derjenige Schritt, welcher einen Einschnitts- oder Absatz-
punkt in dem harmonischen Gewebe eines Tonsatzes bezeichnet.
Es gibt drei Hauptarten von Kadenzen: die ganzen, die hal-
ben und die Trugkadenzen. 1) Die ganzen Kadenzen,
Ganzschlüsse, vollkommene Kadenzen (cad. perfectae)
genannt, gewähren daß Gefühl einer vollkommenen Beruhigung,
eines völligen Abschlusses und geschehen durch den Schritt von
der Dominantharmonie zur tonischen Harmonie, z. B.:
Diese vollkommene Kadenz hat ihren Platz nicht bloss am
Schlüsse eines Tonstückes, wo sie auch Finalkadenz (claus.
final is) heisst, sondern auch in dessen Zwischensätzen (claus.
media od^r intermedia), wo eine Nebentonart ihren Zwischen-
fesang abschliesst. Am bestimmtesten lässt die vollkommene
Kadenz den Schluss fühlen,, wenn der vorhergehende Dominant-
accord seinen Grundton im Basse hat und die oberste Stimme
des Schlussaccordes die Tonika hören lässt; weniger be-
ruhigend wirken diese Accorde, wenn der Dominantaccord in
* er ümkehrung erscheint mit unmittelbarer Folge des Tonika-
3ordes (a), oder wenn der Schlussaccord iü der Terz oder
intla^e erscheint (b). Zeigt sich aber der Schlussaccord in
ler ümkehrimg, etwa als Sextaccord (c), so hört die Kadenz
f, eine vollkommene zu sein und kann nicht einmal mehr als
)schluBS eines Zwischensatzes, vielweniger als Finalkadenz . sich
Itend machen*
Kommüller, Lexikon. 9
130
Kadenz.
Bildet sich die Kadenz dtxrch die Aufeinanderfolge des
Oberdominant- und Tonikaaccordes , so wird sie auch authen-
tischer Schluss genannt zum Unter schiedQ von dem plagali-
schen Tonschlusse (Kirohenschluss). Dieser plagalisohe Sonluss
bildet sich durch die Verwendung des Unterdominant-Accordes
statt des Oberdominant- Accordes, wobei erforderlich ist, dass der
Dominantaccord sich schon vorher in bestimmtester Weise hören
lässt. Dieser Tonschluss hat jedoch nicht das Bestimmte, Über-
zeugende auf die Tonart, welches dem authentischen eigen ist;
allem durch den Aufschwung von einer tieferen Quint zu einer
höheren trägt er etwas Erhabenes und Feierliches an sich und
findet deshalb mit Recht in der Kirchenmusik seine häufige
Verwendung.
2) Die Halbkadenz, Halbschluss, unvollkommene
Kadenz, schliesst nur eine halb vollendete Tonreihe ab, so dass
wohl ein bedeutender Abschnitt, aber auch eine notwendige Fort-
setzung der Tonreihe fühlbar ist. Sie bildet sich dadm*cn, dass
der Dominantaccord den Schlussaccord bildet (a).
I
3) Der Trugschluss (clausula falsa oder cad. d'in-
ganno), wobei die Vorbereitung zum ordentlichen Schluss ge-
macht wird, allein statt des ordentlicherweise folgenden Schluss-
accordes ein unerwai'teter, fremder Accord eintritt und das Gehör
in seiner Erwartimg täuscht (b). Dies kann in der mannigfal-
tigsten Weise stattfinden.
Bei den alten Theoretikern finden sich die Schlussfälle,
cadentiae, clausulae formales, abgetheilt 1) in principales oder
prima riae, wenn sie auf dem Grundton der Trias harmoniea
(Dreiklang) statthatten* 2) minus prima riae oder secun-
dariae, wenn sie auf der Quint, daher auch claus. dominan-
tes geheissen; 3) affin ales oder tertiariae, mediantes,
wenn sie auf der Terz des Grundtones der Tonart ruhten;
4) peregrinae, fremde, wenn das Stück oder der Abschnitt
auf einem nicht in der Trias harmoniea enthaltenen Tone
Kaikant — Kammermusik.
131
schloss. — Ferners finden sich clausulae cantilzantes, alti-
zantes, tenorizantes und bassizantes, Diskantr, Alt-, Tenor-,
Bass-SohlussföUe , je nachdem die diesen Stimmen eigentümliche
Förts(Areitung in der Kadenz im Basse erschien, z. B. :
1>i9kant./
Alt.
1
Tenor.
Bass.
C. ordinäria od. bassizans.
4
Canticans.
a^^ji^is
I j
«j
Altizäns.
Tenoriz.
Eine cl. fiorata oder florida fand statt, wenn die Ka-
denz statt der langen Noten mit vielen kleinen ausgeschmückt
war ; coronatio clausulae hiess aber eine kurze Wiederholung
oder Imitation des vorangegangenen Subjekts oder Themas einer
Fuge, ein Anhang, Coda (örgelpunkt) , wobei eine oder zwei
Stimmen liegen blieben, bis die anderen ihr Ziel erreichen. (Vgl.
Distinctio.)
Kaikant wird derjenige genannt, welcher dureh Nieder-
treten der Balgklaves die Orgelbälge in Thätigkeit setzt. (Balg-
treter, Orgelziener.)
Kammermusik bezeichnet eine Mittelgattung zwischen
Kirchen- und Theatermusik, welche im Gegensatze zu jenen
beiden für den öflFentlichen Gebrauch bestimmten,, nur in priva-
ten Zirkeln zum Vortrage kommt. Sie hat von beiden etwas an
sieh genommen und will nicht bloss religiöse Empfindungen er-
-wecken, sondern auch moralische Anregungen bewirken und in
Einfachheit und Naivität sowohl, als auch durch künstlerische
Verknüpfungen und Gestaltungen erfreuen. Ihr Name stammt
daher, weü vordem nur grosse Herren an ihren Höfen und in
ihren Prunkgemächern (camera) sich privatim mit Musik unter^
etlten zu lassen pflegten und nur den ihnen zunächst Stehenden
en Zutritt dazu gestatteten. Der eigentliche Kammerstil ent-
iokelte sich um die Mitte des vorigen Jahrhunderts und trieb
ine schönsten Zweige in den Streichquartetten und Streich-
lintetten u. dgl. Überhaupt bediente sieh die Kammermusik
ir weniger Instrumente und zwar von sanfterer Gattung, seien
• nur Streich- oder Blasinstrumente oder das Klavier, wie es
9*
132 Kammerton — Kanon.
eben für ein Zimmer passend erschien. Seit Anfang dieses Jahr^
himderts ist sie auf ein Minimum herabgesunken, imd ihre Stelle
nimmt entweder die einfache Hausmusik oder das Öffentliche
Konzei*t ein, obwohl noch manches im Kammerstü komponiei-t
wird. Die Musiker, welche zu solchem Zwecke in Diensten der
Fürsten standen, hiessen Kammermusiker, .Kammersän-
ger, Kammervirtuosen u. s. w. und ihre Gesamtheit hiess
Kapelle. . -
./ Kammerton oder Kapellton bezeichnet die Stimmung
der zur Kammermusik nötigen Instrumente, die m}t den damah-
gen Blasinstrumenten gleichstehende Stimmung, welche um einen
Ton tiefer als die Chorstimmung wai*. Später hat man diese
Stimmung auch hinaufgeschraubt ; gegenwärtig differiert sie noch
an den verschiedenen Orten.
Kanon (griech.) , eigentlich Regel , Gesetz , hiess ursprüng-
lich die Andeutung, welche die Kompositeure manchen Sätzen
in einer Stimme, deren modifizierte Wiederholung sie nicht
schrieben, aber ausgeführt wissen wollten, beifügten (Devisen),
und hatte mit einer Folgestimme nichts zu thun. Solche Ij)e-
visen brachte man dann auch für eine zweite oder dritte Stiminfe
an, welche die erste in verschiedener Art nachzuahmen hatten.
Diese Nachahmungen hiessen vorerst fugae oder consequentiae;
zu Ende des XvII. Jahrh. büdete sich die Form heraus,
welche wir* letzt Fuge nennen, die übrigen strengen und
genauen Nachahmungen behielten den Namen Kanon. Be-
sonders die niederländische Schule war es, welche im XT.
und XVL Jahrh. die kanonische Kunst auf die Spitze trieb;
Adam von Fulda klagt schon 1490, dass einige Komponi-
sten die ganze musikalische Kunst in kanonischen Gesängen
suchten.
Kanon, eine Gattung der polj^honen Musik, ist jene
musikalische Kunstform, in welcher eine zweite oder mehrere
Stimmen die Melodie der ersten Stimme (Thema, Subjekt) genau
und ohne Unterbrechung von der ersten bis zur letzten
Note nachahmen, während die erste selbst noch im Vortrage
begriffen ist, so dass allmählich alle Stimmen gleichzeitig mit
diesem Gesänge, mit dieser Melodie beschäftigt sind, jede aber
mit einem anderen Teile. Je nachdem zwei, drei oder mehrere
Stimmen dazu verwendet werden, gibt es zwei-, drei- oder
mehrstimmige Kanons, die wieder für gleiche oder un-
fleiche Stimmen geschrieben sein können. Die Nachahmung
ann sowohl auf derselben Tonstufe, als auch auf allen übrigen
der Tonleiter geschehen, und hiernach unterscheidet man: Ka-
nons im Einklänge, in der Sekunde, in der Terz u. dgl.
Der Satz der Oberstimme wird zur Unterstimme imd umgekehrt;
es müssen also die Stim^ien nach den Regeln des Kontrapunktes
in der Oktave abgefasst werden, mit Ausnahme des Kanons im
Einklänge, wo dies deshalb nicht nötigast, weil keine Umkeh-
rung der Stimmen stattfindet. Ist em Kanon so eingerichtet,
dass das Ende wieder zum Anfange zurückkehrt, und so das
Ganze beliebig von ieder Stimpae wiederholt werden kann, sp
heisst er ein unendlicher (c. perpetuus, infinitus), und in
diesem Falle muss man entweder an einem passenden Orte abr
Kanonik — Kantor. 183
schliessen oder einen freien Schluss anhängen. Hat Jede Stimme
ganz die nämüche Melodie auszuführen, so genügt die Notierung
einer einzigen; nur muss dabei bemerkt werden, für wie viele
Stimmen der Kanon gesetzt ist imd wo jede Stimme einzutreten
hat, und in welchem Intervalle; das ^wohnliche Zeichen hiefür
ißt §. Ein solcher auf einer einzigen Zeile notierter Kanon wird
ein geschlossener genannt; sind sämtliche Stimmen partitur-
mässig verzeichnet, so heisst er ein offener Kanon; fenlt aber
die Anweisimg über den eigentlichen Gebrauch der aufgezeich-
neten Stimme, so heisst er ein Rätselkanon, womit im
XV. und XVL Jahrh. viel Spielerei getrieben wurde. Man
büdete auch' Kanons in der Vergrösserung (canon per
augmentationem, wo nämlich das Thema m doppeltem
Notenwerte nachgeahmt wurde), in der Verkleinerung
(canon per diminutionem, wo die Nachahmung in verklei-
nertem Noten werte stattfand), in rückgängiger Bewegung
(canon retrogradus oder cancrizans, wo aie nachahmende
Stimme das Thema verkehrt brachte) u. s. w. , welche Weisen
der Ausführimg mit einem Sinnspruche (Devise) angedeutet
wurden, z. B. jTarde venit socius*^ oder „Illum oportet crescere,
me autem minui" oder „Novissimi erunt primi et primi novissimi".
Ein Zirkelkanon (canon per tonos) entsteht, wenn das
erste Motiv mit der erhöhten Quart in die Dominant ausweicht,
diese Erhöhung der Quart aber immer fortgesetzt wird, wodurch,
wenn man nicht wülkürlich abbricht, alle Tonarten durchlaufen
werden, bis man wieder bei der ersten Tonart anlangt. Kanons,
deren Stimmen umkehrungsföhig, also nach den Gesetzen des
doppelten oder einfachen Kontrapunktes entworfen sind, werden
strenge und eigentliche Kanons genannt, wenn dies nicht
der Fall ist, — uneigentliche, freie oder Scheinkanons.
Alle Arten des Kanons können entweder rein oder begleitet
(d. h. mit anderen nicht kanonischen Stimmen) ausgeübt werden.
Auch einfache Kanons, wenn nur e i n Subjett, und dop-
pelte, wenn zwei Subjekte nachgeahmt werden, gibt es. Das
Nähere gehört in die Kompositionslehre.
Kanonik ist derjenige Teil der mathematischen Klanglehre,
welcher sich mit der Einteilung der Klänge nach äusserem Mass
und Verhältnis beschäftigt.
Kantate bedeutet im allgemeinen ein Gesungenes, Gesangs-
stück. Ursprünglich war sie blosse Liedform gewesen; nach und
nach erweiterte sie sich, dass man unter diesem Namen gegen-
wärtig ein grösseres Musikstück begreift, welches je nacn dem
Inhalte des Textes Einzelgesänge (Arien), Duette, Terzette u. s. w.,
Chorgesänge und Recitative in sich fasst. Nach dem zu Grunde
liegenden Stoffe zerfallen sie in geistliche und weltliche
Lantaten.
Kantor (lat.), Cantore (ital.), Chantre (franz.), ein Sänger.
Tom Anfange der Kirche an waren Männer bestellt, welche den
Jhor oder das singende Volk zu leiten und zu überwachen
Latten. In der orientalischen Kirche bestand ein eigener „Ordo
saltum^; die apostolischen Kanonen und Konstitutionen reden
fter von Lektoren und Sängern; auch geschieht der Lektoren
der Weise Erwähnung, dass sie nicht bloss die Lesungen,
134 Kantor.
somdern auch den Gesang auszuführen hatten. In der römischen
oder occidentaüschen Kirche sofeeint nach den Zeugnissen, die
Gerbert in seinem Werke ,De cantu et musica" anführt, das
Volk sich nicht so, wie es im. Orient der Fall war, am Kirchen-
gesange beteiliget zu haben, bis der heilige Ambrosius es bei
einem Aufrühre der Arianer zum I^salmengesange veranlasste.
Die Sänger in der römischen Kii'che waren Kleriker in den nie-
deren Weihen; Diakonen und Priester durften nie diesen Dienst
leisten, wenigstens galt dies Gesetz noch lange nach Gregor
d. Gr. Die Sänger wurden durch eine eigene Benediction zu
ihrem Amte eingeweiht.
Nachdem im Anfange der Gesang nur Erwachsenen obge-
legen war, wurden später auch Knaben zum kirchlichen Gesang-
dienste herangezogen, zuerst von Papst Hilarius (461 — 68), welcher
eine Sängerscnule in Kom gründete: dann vorzüghch durch Papst
Gregor d. Gr., welcher die alte Sängerschule reformierte und
als rflanzschule für seinen neuen Gesang einrichtete. Ähnliche
Institute wurden bald auch bei anderen grossen Kirchen gegrün-
det (s. Singschule).
Einer der Sänger war der primus cantor oder rector
chori, der die Psalmodie und alle Gesänge anzufangen hatte,
worauf der übrige Chor, der zu beiden Seiten des Altars auf-
gestellt war, einfiel und den Gesang fortfühi-te. Der erste Sänger
an manchen Kirchen hiess auch Archikantor, Primicerius;
an. ihn reihten sich der cantor secundus, tertius, quartus^
welche auch Paraphonisten hiessen; unter diesen war der
Vierte wieder ausgezeichnet, indem er die Stelle des Primi-
cerius bei minderen Feierlichkeiten vertrat; er führte entweder
den Namen ouartus scholae schlechthin, oder nannte sich
Archiparapnonista. Manchmal wm'den diese untergeordneten
Sänger auch dome stiel cantorum geheissen, sowie die Klö-
ster ihre archichori oder armarii (von armarium, Rüst-
kammer, Bibliothek) hatten, welche letztere die Verwahrung und
Zurechtlegung der Chorbücher besorgten.
An diese erwachsenen Sänger schlössen sich die pueri
cantor es oder symphoniaci, Singknaben an, wo man deren
hatte. Der heil. Isidor (VII. Jahrh.) unterscheidet drei Gattun-
gen von Sängern: Praecentor war, welcher vorsang, Suc-
c e n t o r , welcher nachsang und respondierte ; Concentor
überhaupt ein Mitsingender,
Das Amt des Archikantors oder Primicerius war in der
alten Kirche und noch weit ins Mittelalter hinein, bis die Laien-
kantoren und Kapellmeister (Musikmeister) ihre Stellen einzu-
nehmen begannen, eine ansehnliche Würde, welche selbst Bischöfe
und Kardinäle bekleideten; es war ihnen nämlich in Bezug auf
Gesang und Lesung der ganze Klerus untergeordnet, und er-
forderte ihr Amt eine grosse Wissenschaft. Den Umfang ihrer
Pflichten finden wir in mehreren Konstitutionen der Klöster und
Stifte aufgezeichnet. Lanfranc bestimmte, dass der Archikantor
wenigstens an den höheren Festen die Antiphonen undPsahnen
anstimme, dem Bischöfe oder Abte das, was er zu singen hat>
auflege oder vorsinge, das heilige Officium ordne und einrichte,
den zweifelhaften Sinn der Rubriken erkläre, Hymnen, Sequen-
Kapelle. 135
zen und Lektionen aus den Lebensbeschreibungen der Heiliffen
verfasse und mit Musik versehe, Sänger bilde, (fie Aufsicht üoer
die Singknaben in der Kirche und im Hause lühre, sowie über
deren Befähiginig , Zulassung und Verwendung beim Chor dienste
das Urteil abgebe; wenn beim Chorgesange di« Stimmlage zu
tief oder zu hoch geworden, soll er wieder eine passende Stim-
mung hervorrufen, auch die Fehlenden zurechtweisen und ihre
Fehler verbessern. Nicht minder lag ihm die Sor^e für die gute
und richtige Lesung ob. Unter ihm standen nicht bloss die
Sänger, sondern auch die Akolythen und Exorcisten, da diese
ebenfalls am Gesänge sich zu beteiligen hatten.
Zur Leitung des Ganzen bedienten die „rectores chori" sich
verschiedener Zeichen und trugen zu diesem Behufe auch nach
alter Sitte einen silbernen oder goldenen Stab in der Hand, wel-
cher Virga regia hiess. (Vgl. Gerb. Script. I, 321 und -Studien
und Mitteilungen aus dem Benediktinerorden", 1885, I, 276 ff.)
Als man in der zweiten Hälfte des Mittelalters überall
Pfarrschulen eingeführt hatte, war das Amt des Kantors mit
dem Amte des Schullehrers (lateinische Schullehrer waren es;
neben der deutschen Sprache war damals die lateinische ordent-
licher Lehrgegenstand, ausschliesslich deutsche Schulen gab es
noch nicht) vereinigt, und es genügte gewöhnlich ein Mann,
welcher mit den Scnulknaben den Kirchengesang vollzog. Von
daher verblieb der Name Kantor in vielen Gegenden dem. Chor-
dirigenten. Je nach Bedürfnis bestellten sich diese Kantoren
auch Gehilfen, Succentores, welche bei minder feierlichen
Gottesdiensten während der Woche an seiner Stelle amtierten
und oft nur grössere Schüler waren, die sich auf den Gesang und
Chordienst wohl verstanden.
Beim Auftreten der Figuralmusik nahm der Kantor, wo
diese Musik eingeführt wurde, häufig einen Figuralkantor
zur Seite ^ der mr diese Musik zu sorgen hatte, während der
eigentliche Kantor den Chordienst in cantu usuali, d. h. im Cho-
ral leistete. Als das humanistische Zeitalter begann, interessierte
man sich immer weniger für das ursprünglische Geschäft des
Kantors, und während 1483 es noch hiess: „Omnis vero regimi-
nis scholastioi honor in chorali latet ordinata modestaque fre-
quentatione", minderte man bald nachher die Lehrstunden für
den Gesang und setzte die ganze Kraft in die Studien, so dass
das Ehrenvolle des Kantorats nach und nach auf eine tiefere
Stufe sank.
Für den Chor der Kanoniker an Dorn- oder Regularstiften
(und an grösseren Kirchen, wo man es für notwendig fand),
waren später noch einige Laiensänger besoldet und angestellt,
Chor allsten genannt, welchen der Vortrag der Antiphonen,
Responsorien und derjenigen Gesänge, die eine bessere Musik-
bildung erforderten, als man sie in der Regel von den Kanoni-
kern fordern konnte, sowie die Intonationen oblagen. Der erste
dieser Choralisten hiess der Dom- oder Stiftskantor.
Kapelle (itaJ. cappella). Unter dieser Benennung., ver-
steht man eigentlich ein kleines Gotteshaus oder ein zur Übung
christlicher Andacht und Gottesverehrung oder auch zur Ver-
richtung gewisser geistlicher Funktionen bestimmtes Gebäude,
136 Kapellmeister — Karwoche.
welches ausser und neben dem Pfarrgottesdienste einzelnen Per-
sonen, Familien oder Gemeinden zm* Benützung dient. — Bei
den Kapellen an fürstlichen Höfen war immer eine Anzahl Geist-
licher und Kleriker angestellt, welche den Gottesdienst u. dgl.
zu besorgen hatten, und welche man daher capellani nannte.
Schon in der Karolinger Zeit wurde der ganze bei Hofe dienende
Klerus als Hofkapelle bezeichnet. — Jtn XIV. oder XV. Jahrh.
benannte man mit diesem Worte auch vorzüglich das Sänger-
chor, welches geistUche und weltliche Fürsten sich hielten. Die
jetzt sogenannte „Sixtinische* Kapelle ist die Fortsetzung der
alten schola cantorum (s. d.). Als die Kapellmeister und Musiker
nicht bloss mehr für diese Hofkapellen und Kirchen, sondern
auch für die Kammer- und Bühnenmusik verwendet wurden,
trug man diese Namen „Kapelle, Kapellmeister*^ etc. auch
auf weltliche Tonkünstler-Gesellschaften und organisierte
Musikbanden über, so dass man auch einen Theatermusikdirek-
tor, der mit kirchlicher Musik gar nichts zu thun hat, -Kapell-
meister" und das Musikcorps, z. B. eines Regiments, „Kapelle**
nennt. — Hiernach erklärt sich von selbst der Name „Kapell-
knaben", d. h. solche Knaben, welche bei Kirchenmusiken in
Hof- oder Stiftskapellen gebraucht und zu diesem Behufe in eige-
nen Instituten unterricntet , erzogen und unterhalten werden.
Da die ältere Kirchenmusik und vorzüglich die in der päpstli-
chen Kapelle gebrauchte Musik nur Gesangskompositionen waren,
so ging der Ausdruck a capella auch auf mehrstimmige Vokal-
kompositionen ohne Instrumentalbegleitung über, vorzugsweise
solche, welche im kontrapunktischen Stile gearbeitet sina.
Kapellmeister, s. Chordirektor.
Kapitel, Capitulum heisst in der liturgischen Sprache
ein kurzer Abschnitt aus der heiligen Schrift, welcher m den
kirchlichen Tagzeiten gebetet oder mit eigentümlichem Schluss-
fall gesungen wird, worauf stets der Chor mit „Deo gratias" nach
der nämlichen Melodie antwortet.
Karwoche, Hebdomas sancta, die heilige Woche, nimmt
ihren Anfang mit dem Palmsonntage, Dominica Palmarum,
und umfasst die Tage bis zum heiligen Osterfeste. Das ist die
Zeit der erhebendsten, ergreifendsten und schönsten Ceremonien,
wo die Kirche ihre ganze Liebe zu Jesu, ihrem göttlichen
Bräutigame, in vollendetstem Ausdrucke zeigt und die Herzen
der Gläubigen unwiderstehlich in den Kreis ihrer heiligen Ge-
fühle des Mitleidens und Trauerns hineinzieht. Handelt es sich
ja um die Erinnerung an das höchste Geheimnis, an die wich-
tigste Begebenheit mr jeden Menschen — an das Leiden und
Sterben Jesu, an die Erlösung! — Alles, was zu ceremoniellem
Gebrauche dient, wird geweiht. .und gesegnet; darum die feier-
liche Weihe der Palm- oder Ölzweige, mit denen die Pro-
zession stattfinden soll. Die Weihe selbst hat viele ^-Ähnlichkeit
mit dem Messritus; sie besteht aus einer Antiphon: -Hosanna
Filio David", einer Epistel, einem Evangelium, einer Präfation
mit folgendem Traktus und mehreren Orationen. Anstatt des
Graduale singt der Chor das „Collegerunt" oder „In monte Oli-
veti". Auch während der Austeilung der gesegneten Palmzweige
an den Klerus und die Gläubigen ist der Chor l)eschäftigt, er hat
•c - >•
Karwoche. 137
•
die Ceremonie mit dem Gesänge der Antiphonen ^Pueri 'Hebrae-
orum" zu begleiten. Nach der Austeilung ruft der Diakon :
^Procedamus in pace (lasset ims im Frieden ziehen)*, der Chor
antwortet: „In nomine Christi. Amen. (Im Namen Christi. Amen)"
und die Prozession zieht, begleitet von dem Gesänge „Cum ap-
propinquasset" oder anderer ^jitiphonen, durch die jfirchenpforte
hinaus ins^ Freie, um den Einzug Jesu in Jerusalem darzustellen.
Bei der Zurückkunft des Zuges an der Kirche tritt ein Teil der
Kantoren hinein, schliesst die Thüre und singt: „Gloria, laus et
honor", worauf der Klerus ausserhalb der Tnüre es wiederholt;
die Kantoren in der Kirche fahren fort, die zweite, dritte, vierte
Strophe dieses Hymnus zu singen, worauf jederzeit der Klerus
mit „Gloria, laus etc." antwortet. Nach Beendigung des Gesan-
fes klopft der Subdiakon mit dem Fusse des Kreuzes an die
'hüre; sie Öffnet sich, die Prozession geht im Mittelschiff gegen
den Altai* (der Chor singt unterdessen die Antiphon: „Ingrediente
Domino"), worauf der Klenis sich in die Sakristei begibt, um zur
heiligen Messe sich anzukleiden.
Der Hynlnus „Gloria, laus et honor" wird dem Bischöfe
Theodulph von Orleans zugeschrieben. Dieser wurde, angeklagt,
als sei er in eine Verschwörung gegen den Kaiser Ludwig den
Frommen vei'wickelt, zu Angers ins Gefängnis geworfen. Als
am Palmsonntage die Prozession, welcher auch der Kaiser bei-
wohnte, gerade an dem Fenster des Kerkers, worin Theodulph
gefangen lag, vorüberzog, sang der Bischof diesen Hymnus in
eiliger Stimmung. Der Kaiser wurde davon so gerührt und
angegriffen, dass er seinen Gefangenen frei Hess und wieder auf
den bischöflichen Stuhl einsetzte. — Im höheren Mittelalter be-
schränkte man an vielen Kirchen die Prozession nicht bloss auf
den Gang um die Kirche, sondern man zog um die Städte und
Ortschaften herum, dabei trugen vier Priester das heilige Sakra-
ment (corpus Domini) auf einer entsprechend geschmückten Bahre
mit. Sobald man an das Stadtthor zurück kam, gingen fünf
Singknaben auf den Thorturm und sangen von da aus mit ihren
reinen und hellklingenden Stimmen den Hymnus „Gloria, laus";
unten am Turme vor dem Stadtthore lagen Priester und Volk
auf den Knieen und sangen es nach etc. Nach Vollendung des
Gesanges setzte sich die Prozession wieder in Bewegung zur
Kirche, vor welcher die Priester die Bahre mit dem heiligen
Leibe des Herrn quer über den Weg stellten ; die Prozession zog
daran voiüber, und unter Kniebeugungen sang der Klerus: „Ave
rex noster etc."
Der Palmsonntag trägt diesen Namen schon seit den älte-
sten Zeiten; Sakramentarien aus dem V. Jahrh. nennen ihn
^Dominica ad palmas" oder „in palmas*'; die Palmenprozession
""»heint im VI. oder VII. Jahrh. aus dem Oriente in die lateinische
rohe herübergekommen zu sein. — An die Prozession schliesst
h unmittelbar das Amt der heiligen Messe an* die heilige
Bude, welche bisher herrschte, macht nun der Trauer Platz,
B fortan der Charakter der ganzen Woche ist. Die Messe des
Imsonntags ist ausgezeichnet 'durch den Gesang der Passion
er Leidensgeschichte Jesu nach Matthäus. — Der zweite be-
itungsvolle Tag der Karwoche ist der Gründonnerstag, Feria V.
138 Karwoche.
in Coena Domini. Er wird am Mittwoch nachmittags durch die
Matutin und Landes des Officiums, die Trauer- oder Kumpebnette
feheissen, eingeleitet. Die Feier dieses Tages datiert sich von
en frühesten Zeiten her. Der Matutinus tenebrarum beginnt
ohne Invitatorium imd Hymnus mit der Antiphone des ersten
Psalmes, hat als Lektionen in der ersten Noktum die Klage-
lieder Jeremiä (s. Lamentationen), in der zweiten Lesungen
aus den Schriften der heiligen Väter, in der dritten aus den
Apostelbriefen ohne Benediktion und Schlussspruch („Tu autem
Domine, miserere"); auch fehlt Homüie und Evangelium. An
die Matutin schliessen sich die Landes, nach deren Psalmen imd
Antiphonen alsogleich die Antiphon .zum „Benedictus*^ folgt mit
der foerlichen Absinffunj^ dieses Canticums. Die Recitation des
„Miserere" mit der Oration des Tages macht den Beschluss. In
gleicher Weise wird auch das Officmm an den folgenden Tagen
gehalten.
Die heilige Messe, in weisser Fai-be, der Farbe der Freude,
gelesen, entbenrt, wie des Psalmes „Judica" im Stufengebete,
sg auch des „Gloria Patri" im Introitus; die Freuide am Giün-
donnerstage, als dem Einsetzungstage des heiligsten Altarssakra-
mentes, will sich nicht laut aussprechen. Dafür ertönt wohl
noch das Gloria und es schallen ihm die Klänge der Orgel und
aller Glocken nach; diess ist aber auch der letzte Freudenruf
bis zum Gloria und AUeluja des Karsamstags. Jetzt verstummen
die Orgel und die Glocken, und in stiller Trauer vollziehen sich
die Ceremonien, nur begleitet von ruhigen, gedehnteren Gesän-
gen, entsprechend den Gefühlen des Mitleidens und der liebe-
vollen Teimahme der Kirche an dem grossen Opferleiden ihi'es
Bräutigams. Da an diesem Tage überall nur ein einziges heüiges
Messopfer gefeiert wird, so findet nach der Kommunion des Prie-
sters auch noch zur besonderen Erinnerung an das letzte Abend-»
mahl eine allgemeine Kommunion des ganzen Ortsklerus und
der Gläubigen statt, während welcher der Chor Gesänge zu Eh-
ren des allerheüigsten Altarssakramentes singen kann. Am
Schlüsse der Messe wird das heüigste Sakrament an einen Seiten-
altar übertragen, wobei der Hymnus „Pange lingua" gesungen
wird. — In bischöflichen Kirchen folgt dann die feierliche 01-
weihe; auch daran beteiligt sich der Sängerchor, was in dem
Pontifikale einzusehen ist. Ebenso ist es mit der Fusswaschung
oder dem Mandatum, jener schönen Ceremonie, durch welche
die liebevolle Herablassung Jesu Christi, da er nach dem Abend-
mahle den Jüngern die Fiisse wusch und sie zur gegenseitigen
Liebe ermahnte, in Erinnerung gebracht wird.
Der folgende Tag, Karfreitag, Feria VI. in Parasceve^
ist in der katholischen Kirche ein Tag der tiefsten Trauer und
wurde von jeher mit solchen Gefühlen, mit hohem Ernste, in
feierlicher Stille, strengem Fasten und unter düsteren Trauer-
ceremonien beim Gottesdienste gefeiert. Die Liturgie dieses
Tages beginnt mit Absingung einer Prophetie, Oration und
Lektion, worauf ein Traktus folgt (139. Psalm, Klage über die
andrängenden Feinde) und die Passion nach dem ElvangeHsten
Johannes. Nun werden die feierlichen Gebete für die gesamte
Kirche, für den Papst, für alle Bischöfe und den Klerus, für
Karwoche, 139
Ketzer und Schismatiker, für Juden imd Heiden verrichtet, zu
welchen Gebeten der Bischof oder Priester in einer im Tone der
Präfation gesuujgenen Aufforderung alle Gläubigen einladet. Vor
jeder der Orationen ruft der Diakon: ^Flectamus genua*^, der
öubdiakon: „Levate*^ nur vor der Oration für die Juden unter-
bleibt der Ruf und die Kniebeugung, weil sie den Heiland da-
durch verhöhnten, ebenso am Schlüsse der Oration das »Amen^^
weil diese Bitte nie ganz erfüllt werden wird bis zum Tage des
Weltgerichtes. Nach diesen Gißbeten enthüllt der Celebrant all-
mählich das Büd des Gekreuzigten, welches seit dem Passions-
sonntage mit einem blauen Tuche bedeckt war, und singt dabei:
„Ecce lignum crucis" („Sehet das Holz des Kreuzes"), clie assi-
stierenden Priester setzen den ergreifenden Gesang fort: „in quo
Salus mimdi pependit" („an welchem das Heil der Welt gehan-
gen") und der Chor antwortet : „Venite, adoremus I" („Kommet,
lasset uns anbeten 1"); so dreimal in immer höherem Tone. Nach-
dem das Kruzifix ganz enthüllt ist, legt es der Priester ehr-
fui'chtsvoU auf ^in schwarzes Tuch nieder, küsst nach dreimali-
gem Fussfalle die Wunden Christi, was nach ihm die Altardiener
und die Gläubigen thun. Diese Anbetung oder Adoration ist
jedoch keine eigentliche Anbetung, wie sie dem Allerhöchsten
selber und allein gebührt, sondern ist das TiQocxvvtiv der Ciien-
talen: zum Ausdrucke der innigsten Verehrung kniefällig ver-
ehren. Während dieser Verehrung oder Adoration des Kreuzes
werden vom Chore die rührenden und eindringlichen Impro-
perien („Popule mens . . .") gesungen, in welchen Gott seinem
Volke die Wohlthaten vorhält, die er ihm erwiesen, die es aber
mit Undank und mit dem schmerzvollsten und schmählichsten
Tode, den es dem Heilande bereitete, vergolten hat. Eine der
schönsten und tiefgefühltesten Kompositionen dieser Improperien
hat Palästrina geliefert; sie bilden noch heutzutage einen Glanz-
punkt der die neiligen Ceremonien des Karfreitags begleitenden
Gesänge in der Sixtina zu Rom. Der ganze Rrtus ist sehr alt
und midet sich bereits im V, Jahrh. Nach dieser feierhchen
Verehrung des Kreuzes wird unter Absingung des Hymnus „Ve-
xilla regis prodeunt" das AUerheiligste unter tiefer Verhüllung
vom NeDentQtare oder aus einer Kapelle, wohin es tags vorher
gebracht wai'd, auf den Hochaltar getragen, und es beginnt die
Misga praesanctificatorum, d. i. die Aufopferung einer
tags vorher konsekrierten Hostie, woran sich der Chor mit Ge-
sang nur durch die Responsorien beteiligt. Nach der Messe
pflegt die tags vorher schon konsekrierte zweite Hostie in Pro-
zession an einen eigenen, mit Blumen und vielen Lichtern ver-
zierten und erhellten Ort getragen und zm* Anbetung in der
Monstranz ausgesetzt zu werden; die Prozession begleitet der
Chor mit dem Responsoriüm: „Tenebrae factae sunt" oder mit
der Antiphon „Caligaverunt" oder anderen passenden Gesängen*
Nachmittags findet wieder die Vorfeier des Karsamstags
lurch Absingung der Trauermette, wie an den zwei vorhergehen-
ien Tagen statt. Am Abende wird an manchen Orten eine so-
genannte „heilige Grabmusik" abgehalten, eigentlich eine
eierliche Anbetung des in der Monstranze ausgesetzten aller-
leiligsten Leibes Jesu Christi, so genannt von dem Orte der
140 Karwoche.
Aussetzung, welcher in vielen Kirchen eine verzierte Grabhöhle,
das Grab, worin der heilige Leichnam Jesu bestattet wurde, dar-
stellt. Bei dieser sogenannten Grabmusik haben sich grosse Miss-
bräuche eingeschlicnen, indem hierbei von kirchücher Musik fast
überall abgesehen, und Tonwerke, welche oft theatralischen oder
doch unkirchliohen Charakter haben, aufgeführt werden. Solche
Musik beeinträchtigt und stört den Ernst des Ortes und Tages,
imd wird die Kirche oft zum Konzertsaal, wo die Zuhörer mcht
der Andacht wegen sich einfinden. Die Eichstätter Pastoral-
instruktion untersagt solche (Oratorien)musik gänzlich imd ge-
stattet nur eine andächtige Musik, etwa das „Stabat mater** und
ähnliche der kirchlichen Stimmung angemessene und erbauende
Gesänge, während der Priester vor dem ÄUerheiligsten knieend
anbetet; es ist nur eine wahrhaft heilige Musik zu dulden, welche
der Trauer der Kirche, dem Schmerze und der Andacht der
Gläubigen Ausdruck leiht.
Die Feier des Karsamstags beginnt mit der Segnung und
Weihe des neuen Feuers vor der Kircnenthüre, wobei dem Chöre
obliegt, die Responsorien zu sprechen; damit ist verbunden die
Segnung der fünf Weihrauchkörner, die der Osterkerze eingefügjt
werden. Auf dem Rückwege ertönt beim Anzünden der drei-
armigen Kerze der Ruf des Diakons: „Liunen Christi 1" („Licht
Christi I**) dreimal mit erhöhter Stimme, u;nd ebenso oft antwortet
der Chor mit den übrigen Geistlichen: „Deo gratiasl^ Es be-
mächtiget sich nunmehr aller eine heilige Freude, dass durch
•Christum den Auferstandenen der Welt das wahre Licht der
Wahrheit und Beseligung gebracht worden, durch Christum, wel-
cher selbst das ewij^e Licht, im dreieinigen Gotte wohnt. Wäh-
rend des unvergleichlich schönen Preis- und Freudengesanges
-Exultet", den nun der Diakon singt, werden die fünf Weihrauch-
KÖrner auf die Osterkerze befestiget und diese Kerze sowohl als
auch die anderen und alle Lampen in der Kirche angezündet.
Der darauffolgende Gesang von zwölf Prophetien führt alle im
Alten Testamente enthaltenen Vorbüder und Verheissungen der
Auferstehung des Gottmenschen vor und wird durch eine nach
jeder Prophetie eingereihte Oration mit Vorausschickung des
„Flectamus genua" — „Levate** unterbrochen; nach der vierten,
achten und elften aber singt der Chor einen Traktus. Hierauf
wird zur Taufwasserweihe geschritten, wobei die Schola die
Antiphon: „Sicut cervus ad fönt es *^ (»Wie der Hirsch sich sehnt
nach der Wasserquelle*^) absingt und die Sehnsucht einer sün-
digen Seele nach dem Bade der Wiedergeburt zum Ausdrucke
brmgt. Die Weihegebete haben den Präfationston und fordern
den Chor zu Responsorien auf. Nach dem Weiheakte, während
der gesamte Klerus zum Hochaltare zurückkehrt, wird die Füi-
bitte aller Heüigen angerufen, dass alle, welche auf den Tod
Christi getauft , und der Sünde abgestorben sind , mit Jesu zu
einem Leben der Tugend und Heiligkeit auferstehen mögen.
Hierzu ist vorgeschrieben die AUerheiugenlitanei, welche heute
dupliciert wird, d. h. einige Sänger singen eine Bitte oder den
Namen eines Heiligen mit „ora pro nobis etc.** vor, und der Chor
samt dem Klerus wiederholt das Ganze. Bei dem Rufe „Pecca>
tores* begibt sich der Celebrant, welcher mit den Leviten während
Karwoche. 141
der Litanei vor dem Altare auf dem Angesichte gelegen. ist, in
die Sakristei, um sich zum heiligen Messopfer anzufleiden und
kehrt nach dem Agnus Dei zum Altare zurück; der Chor beginnt
das »Kyrie eleison^ im Choral. Kaum aber ist das Gloria ange-
stimmt, so ertönt neben dem Geläute aller Glocken auch oie
Orgel wieder und begleitet den freudenvollen Engelgesang. Nach
der Epistel bricht der Celebrant in den Jubelruf: „AUeluja** aus.
welchen er dreimal, jedesmal mit erhöhter Stimme singt, und
den der Chor in der nämlichen Tonhöhe wiederholt. So ist die
Osterfreude zum voraus verkündet, und alsbald fordert der Chor
auf, den gütigen Gott zu loben, sowohl durch Psalmvers: «Con-
fitemini", als durch den darauffolgenden Tractus: „Laudate*^»
Abweichend vom gewöhnlichen Messritus ist, dass heute weder
ein Offertorium noch ein Agnus Dei gesprochen und gesungen
wird, da die Kirche ob der Freude über den auferstandenen Hei-
land des Opfers des Lammes Gottes nicht gedenkt, sondern nur
für das grosse Geheimnis der Auferstehung und Erlösung sozu-
sagen Aug und Ohr hat. Nach der Kommunion des Priesters
singt der Chor die Vesper, welche mit der Messe verflochten ist
und nur aus dem 116. Psalm und dem Magnifikat mit den zu-
ständigen Antiphonen, — alles im feierlich jubelnden VIIL Tone
— besteht. Abgeschlossen wird die Feier mit dem österlichen
-Ite missa est, alleluja, alleluja** und dem Johannisevangelium.
In der Messe des Karsamstags hat die Kirche die Auferstehung
des Hei-m yigilienartig anticipiert; am Abende des Tages jedoch
begeht sie im Officium die festliche Feier dieses Geheimnisses.
Die Anferstehungsfeier (welche aber nicht alle Ritualien
kennen) vollzieht sich nach dem Rituale Ratisbon. majus^
womit auch andere , z. ß. das Salzburger, der Hauptsache nach
übereinstimmen, in folgender Weise: Der itlerus und Chor begibt
sich zu geeigneter Stunde am Abende des Karsamstags zum
„heiligen Grabe" imd betet dort knieend eine Zeit lang still^
während dessen alle ihre Kerzen anzünden. Der Officiator trägt
dann nach geschehener Incensation, ohne Intonation und
Segen, das AUerheihgste auf den Hochaltar; der Chor aber
bereitet die Prozession mit feierlichem Gesänge des Hymnus
-Aurora coelum purpurat". Am Hochaltare stimmt nun der
Priester den Versikel an: «Surrexit Dominus etc.** m. „Qui pro
nobis pependit in ligno, alleluja") mit der im Rituale verzeich-
neten öration, worauf er die Benediktipn mit dem Sanctissimum
erteüt. Dem Chore obliegt, wie sonst, das „Tantum ergo etc."
zu singen. Wo die Matutin nicht vorher gesungen worden isty
kann auch (am Hochaltäre^ das „Te Deum" würdig der Feier
eingefü^ werden. Nach aem Segen und der Einsetzung des
Allerheuigsten lassen einige Ritualien die Marianische Antiphon:
„Regina coeli", andere, wie das Regensburger u. dgl., den Gesang:
-Surrexit Christus hodie", oder abwechsemd auch das deutsche
Lied: „Christus ist erstanden", vom Volke gesungen, zu, — nicht
aber vorher. Dass der Priester dreimal „Christus ist erstanden 1"
mit dem SS. in der Hand anstimmt, ist unliturgisch; ein drei-
maliges Lärmen mit Trompeten und Pauken vollends verwerflich 1
Auch bei dieser Gelegenheit zeigte das gemütvolle Mittel-
alter (Xn., XIII. Jahrh.) seine Lebendigkeit im Glauben durch
142 Kastraten — Kirchenjahr.
dramatische Behandlung und plastische Darstellung der heiligen
Begebenheit. Frauen war (doch nur in einigen französischen
Kirchen, sonst hatten Subdiakonen oder andere Kleriker in weis-
sen Alben diese Rollen zu übernehmen) die Ehre zugesprochen,
am heiligen Grabe die Rolle der drei heiligen Frauen, welche
nach der bibhschen Erzählung zum Grabe Jesu kamen und aus
dem Munde des Engels vernahmen: „Er ist nicht mehr hier; er
ist auferstanden,** mit lieblichem Gesänge darzustellen, und nach-
dem ein als Ei^el gekleideter Knabe ihnen entgegnet: -Alleluja,
resurrexit Dominus, surrexit Leo fortis Christus Filius Dei," er-
hob das Volk seine Stimme und sang: -Te.Deumlaudamus.** Seit
dem XV. und XVI. Jahrh. ist diese Feierlichkeit auf den jetzi-
gen Ritus eingeschränkt worden; doch bediente man sich hierbei
eine ziemliche Zeit lang nur des im Grabe ruhenden Kruzifixes;
die Aussetzung des Allerheiligsten im Grabe selbst ist erst spä-
teren Ursprunges, weniger den Vorschriften der Kü'che entspre-
chend. Üoerhaupt war das Ganze nicht allgemeine Feier der
Kirche, das römische Ritual kennt sie nicht; selbst in den ein-
zelnen Kirchen wurde sie mit einigen Modifikationen abgehalten.
(Vgl. Schubiger, Säügerschule von St. Gallen, pag. 69. Clement,
Hist. g^n. de la Musique r^lig. pag. 221. Dr. Ap. Maier, „Die
liturgische Behandlung des Allerheiligsten*. Rgsb. Manz 1860.)
Kastraten, im Deutschen auch Hämiiilinge genannt,
waren jene Sänger, welche infolge der Entmannung ihrer Viril-
stimme verlustig ^ngen und immer ihre Knabenstimme behiel«
ten. Diese unmenschliche Sitte, auf solche Weise dauernde
Sopran- und Altstimmen herzustellen, hat ihren ürspi*ung in
Itsuien. In den kirchlichen Chören figurieren sie zum ersten Mal
urkundlich im Jahre 1601. Obwohl Klemens XIV. den Bann
über die Operateure aussprach, konnte doch erst durch die kräf-
tigen Massregeln der Franzosen, nachdem sie Italien in Besitz
genommen hatten, dem Unwesen ein förmliches Ende gemacht
werden. Seitdem werden in der päpstlichen Kapelle die Sopran-
und Altpartien wieder wie ehemals durch Falset- oder Fistel-
sänger ausgeführt.
Kinnor, die älteste Harfe der Hebräer, welche bald drei-
•eckig, bald viereckig geformt war. Die dreieckige Kinnor war
bei den Leviten die gewöhnlichste. Der Rahmen war aus Fich-
tenholz vom Libanon und meistens reich verziert. Die gewöhn-
liche Zahl der Saiten gibt Josephus zu zehn an; andere Dehaup-
ten, sie sei mit vierundzwanzig und noch mehr Saiten bespannt
fewesen. Gespielt ward sie mit einem Piektrum, der Resonanz-
oden war unten am Ende des Rahmens, und deshalb spielte
man darauf mehr nach unten als in der Mitte oder gar oben.
Kirchenjahr, das, stellt die Geschichte der Welterlösung,
«der Thätigkeit Jesu für die Menschen, in den Zeitraum eines
Jahres eingeschlossen, dar , und fordert den katholischen Chri-
sten auf, cueses gottmenscmiche Leben Jesu mit zul eben. Dass
in der Vorführung der verschiedenen Begebenheiten des Wan-
dels Jesu Christi auf Erden und in der innigen Teilnahme der
Gläubigen daran verschiedene Gefühle zum Ausdrucke kommen,
sieht jedermann ein; und daraus mag auch der füi* die Kirche
irgendwie thätige Musiker begreifen, wie wichtig ihm die Kenntnis
Kirchenkonzert — Kirchenlied. 143
I ^es Geistes, der aus den einzelnen Teilen des KirchenjahriBS
spricht, vielmehr noch die Aufnahme desselben, das innerste
Mitleben und Mitfühlen ist. Die Tonkunst bildet einen einfluss-
reichen Faktor in der Liturgie, da ihre Schöpfungen ein vorzüg-
liches Mittel sind, die heiligsten und edelsten Gefiöile zu wecken,
insofern sie selber der Aüsfluss dieser Gefühle und Stimmun-
gen sind.
Es ist nicht hier Raum und Ort, dieses alles einlässiger zu
besprechen, einige kurze Andeutungen reichen hin; übrigens
verweise ich auf bedachtsame Lesung folgender Werke: Hippel,
«Schönheit der katholischen Kirche , Mainz 1864; Nikel, »Die
Feste des Herrn**, ebenda; und besonders Staudenmeierj „Geist
des Christentums**, Mainz 1847. Das Kirchenjahr beginnt unab-
hängig vom politischen Jahr mit dem ersten Adventsonntage
und schliesst mit dem letzten Tage des folgenden Jahres vor
diesem Sonntage. Man scheidet es gewöhnhch in drei grosse
Teile, Festkreise, ab: Weihnacnts-, Oster-, Pfingöt-
f est kr eis. Staudenmeier nimmt noch analog den vier Jahres-
zeiten einen vierten Festkreis: den Allerheiligenfestkreis
an. Jeder dieser Kreise hat seinen Mittelpunkt in dem hohen
/ Feste, von welchem er den Namen trä^. Jedes dieser hohen
Feste ist durch eine Vor- wie durch eine Nachfeier ausge-
zeichnet, und jedem liegt eine That des grossen Gottes zu
Grunde: dem Weihnachtsfeste die That der Menschwerdung
des Sohnes Gottes: dem Osterfeste die That der Erlösung; dem
Pfingstfeste die That der Ausgi essung des heiligen Gei-
stes und der Stiftung der Kirche; die Feste Allerheiligen
und Allerseelen mit ihrem Kreise deuten auf den endlichen
Ausgang der Dinge in der Zeit und auf das allgemeine
Weltgericht. Diesen Grundlagen gemäss vollziehen sich auch
an den einzelnen Festen und ihrer Ümgebunjg im gjläubigen Ge-
müte verschiedene Stimmungen, welciie die Musik wiederzu-
geben hat. Der Umfang der kirchlichen Feste ist folgender:
Der Weihnachts festkreis umfasst die Zeit vom 1. Advent-
sonntage bis zum Sonntage Septuagesima; von da an beginnt
der Osterfestkreis, welcher sich ois zum Samstage vor Pfing-
sten ausdehnt. Letzterer Tag, als die Vigilie des heiügen Pfingst-
festes, büdet den Anfang des dritten Festkreises, wefcher seinen
Schluss mit dem Tage vor dem 1. Adventsonntage findet und
Pfingtfestkreis heisst. Das Specielle möge man in den be-
treffenden Artikeln nachlesen.
Kirchenkonzert, s. Konzert.
Kirchenlied bezeichnet ein Lied, welches, obwohl in der
Landessprache gedichtet, dennoch zu kirchlichem Gebrauche ge-
kommen ist, zum Unterschiede von solchen geistlichen imd
religiösen Liedern, welche gemäss ihrer Haltimg und Form sich
am kirchlichen Gebrauche wohl eigneten, aber hierzu nicht
icipiert sind.
Wir unterscheiden zwei Hauptgattungen des Kirchen-
iedes: 1) die historischen, in denen die Erzählung den zu-
ammenhaltenden Faden bildet, und 2) die reinlyrischen,
Teiche sich, gleich den Gebeten, in Empfindungen und Betrach-
imgen bewegen. Erstere Gattung ist besonders bei den Deutschen
144 Kirchenlied.
gepflegt worden und gehört vorzugsweise den Katholiken an,
üie zweite Gattung ist wieder doppelter Art: 1) mehr objektiv
— Hymnen; 2) mehr subjektiv moralisierend, — Lied inl
engeren Sinne.
Unter der ersteren Art verstehen wir jene erste, aj)osto-
lisch erleuchtete Betrachtung der Religionswahrheiten, die mit
scheinbarer Ruhe, aber desto grösserer innerer Entschiedenheit
sich zum Ewigen erhebt, anbetend und flehend, sich versenkend
imd sehnend. Das sind die eigentlichsten Kirchengesänee, so
sind die alten Kkchenhymnen, aber auch unter aen ältesten
deutschen sind vorzügliche. Unter der zweiten Art verstehen
wir diejenigen j worin sich mehr das einzelne Herz in erhöhter
Stimmung ergiesst und mit dem, Göttlichen imd Heiligen ver-
bindet; sie tragen mehr die Farbe des Individuellen. Diesen
Charakter haben die meisten Marienlieder, auch viele Weihnaohts-
und Fastenlieder, selten die sakramen talischen, fast gai* nicht
die Oster-, Pfingst- und Dreifaltigkeitslieder, feine dritte Art
könnte noch beigefügt werden als diejenigen Kirchenlieder um-
fassend, welche nur m einzelnen, gleichsam litaneienartig neben-
einander geordneten Sätzen bestehen. Hierher gehören ausser den
strophischen Litaneigesängen besonders viele Wallfahrtsgesänge.
Als Anforderungen, welche man an das Kirchenhed
stellen muss, können folgende bezeichnet werden: 1) es muss
wahrhaft kirchlichen Gehalt haben, so dass das Ganze vom
eigentlichen Dogma getragen wird; 2) es muss eine kirchlich
volkstümliche Sprache haben; bei jedem Volke hat das
Kirchliche seine besonderen Typen und Anschauungen, von denen
für bestimmte Gedanken gar mcht abgewichen werden darf; 3) es
muss eigentlich Poesie sein.
Geschichte des Kirchenliedes. Da es vom Anfange
an der Wille und das Bestreben der Kirche war, die Gemeinde
so innig als möglich zur Teilnahme an ihrem religiösen Leben
heranzuziehen, so sehen wir auch in den ersten Zeiten des Chri-
stentums die Gemeinde vielfach an der kirchlichen Liturgie,
namentlich durch den Gesang Anteil nehmen. Dies war aoer
nur möglich^ so lange ein Volk die liturgische Sprache verstand.
Wo dies nicht der Fall war, da soGte zwar dieses Mittel,
das kirchliche Leben zu fördern, der Volks-Ku'chengesang, nicht
beseitiget bleiben; man gab dem Volke Bearbeitungen der kirch-
lichen Hymnen, Psalmen oder eigene Lieder. Freilich gehörten
diese nun nicht mehr zur eigentlichen Liturgie und konnten so-
mit nur teilweise der Absicht der Kirche dienen, empfingen aber
gleichwohl durch den lang dauernden religiösen Gebrauch in und
ausser der Kirche einen gewissen liturgischen Charakter. Diese
Lieder bilden einen grossen Schatz kirchlicher Poesie und zeigen
auch, wie sehr das Christentum auf die Entwickelung einer Kunst,
hier der Poesie, bei einem Volke eingewirkt hat. Dies ist be-
sonders der Fall beim deutschen Kirchenliede. Seine Geschichte
scheidet sich in di*ei Perioden: L Von den ältesten. Zeiten bis
zum Anfange des XVI. Jahrh. oder bis zur Reformation; IL von
der Reformation, wo zugleich das protestantische Kirchenlied
beginnt, bis zur zweiten Hälfte des XVnL Jahrh. ; IH. die neuere
Zeit oder die Zeit der Reform der Gesangbücher.
Kirchenlied. 145
1. Periode. Bei Einführung der christlichen Religion in
Deutschland ward beim Gottesdienste als liturgische Sprache die
lateinische festgehalten, das Volk wohnte demselben still bei
und scheint sich am Gesänge, welcher der Grej^orianische mit
lateinischem Texte war, nur durch kurze Reframs beteiliget zu
haben, namentlich durch die Rufe: ^Kyrie eleison, Christe elei-
son**, welche auch später bei sehr fielen Kirchenliedern Refrain
blieben. Je mehr sich aber das Christentum in Deutschland
einwurzelte, die Sitten und die Sprache der Deutschen sich bil-
deten und namentlich letztere eine grosse Bildungsfähigkeit er-
wies, stellte sich bei dem tiefsinnigen und gemütvollen Cnarakter
der Deutschen das Bedürfnis ein, seine innersten religiösen Em-
pfindimgen in eigenem Worte imd eigener Weise zum leben-
digen Ausdrucke zu bringen und mit Gesängen in der Mutter-
sprache am Gottesdienste sich zu betheiligen. Bei den
romanischen Völkern war dies weniger der Fall, da die ka-
nonische Sprache der Kirche, die lateinische, ihnen eine mütter-
lich vertraute war. Auch noch ein anderer Umstand wirkte zur
Entstehung des deutschen Kirchenliedes mit. Die ersten Apostel
Deutschlands waren unablässig bemüht, die heidnischen Gesinnun-
gen und Vorstellungen ihrer Neubekehrten zu verdi'ängen und
zu vertilgen, und ihnen dagegen den milden, freundlichen Geist
des Christentums einzuhauchen. Zu diesem Zwecke verfassten
sie einfache Lieder und später solche von grösserer Ausdehnung,
in welchen sie die christliche Lehre dem Volke darboten und m
dieser anziehenden Form leicht zugänglich machten, wie sich
ein Analogen in den im XVII. Jahrh. gebräuchlichen Katechis-
musliedern über das Glaubensbekenntnis, die zehn Gebote u. dgl.
darbietet. Leider sind von diesen Frühlingsblüten deutscher
Poesie nur sehr wenige erhalten worden. Ratpert, Mönch von
St. Gallen, dichtete schon frühzeitig (IX. Jahrh.) ein Lied in
deutscher Sprache auf den heü. Gaßus und gab dasselbe dem
Volke in der „Kirche zu singen; es existiert nm* mehr in einer
lateinischen Übersetzung, die Melodie ging ganz verloren. Das
Wessobrunner Gebet (Lied) gehört auch dieser Zeit an imd atmet
wahre Majestät der religiös poetischen Erfindung und Anschau-
ung; das Lied „vom heil. Petrus** hat durchaus den Typus von
Kirchengesang, sogar den gewöhnlichen Refrain „Kyrie eleison**.
Dass es mehrere derartige Kirchenlieder gegeben haoe, darf man
mit Recht daraus schliessen. dass die Kapitularien und Konzilien-
beschlüsse jener Zeit, z. ß. das Konzil von Mainz 813, bereits
sechs Gattungen von Liedern namhaft machen. Ausser solchen
Originalliedem wurden (schon im VIII. und IX. Jahrh.) die iu
der Kirche üblichen Hymnen, Psalmen und Gebete übersetzt und
dem Volke zugänghch gemacht. Die Melodien waren auf keinen
Fall vom Gregorianischen Choral viel verschieden, wie Verglei-
chungen ergeben haben; sie waren ganz einfach ohne grossen
Tonumfang, fürs Volk. Die ersten Kirchenlieder waren, wie
schon erwähnt, kurz, da sie das ganze Volk auswendig behalten
musste, manchmal nur eine oder die andere Strophe, gleichsam
als Variation zum Kyrie eleison, erst später schlössen sich neue
Strophen an. Der allgemeine Name für das Kirchenlied war
Layen oder Lais, welches man eben von dem gewöhnlichen
Kommüller, Lexikon. 10
146 Kirchenlied.
Refrain „Kyrie eleison" ableitet, wie Bruder Berthold im XIII.
Jahrh. das Lied -Nun bitten wir den heiligen Geist" einen »Kyr-
leison" nennt. Die ältesten, nachweislich im praktischen Ge-
brauche gestandenen Lieder sind: „Christ ist erstanden; Christus
fuhr gen Himmel; Nun bitten wir den heiligen Geist; Ein Kin-
delein so lobelioh; In Gottes Namen fahren wir" u. a. m., welche
meistens bis ins XIL Jahrh. verfolgt werden können.
Zur Zeit der Kreuzzüge stieg die deutsche Poesie hoch,
und die Minnesänger pflegten das geistliche Lied eifrig, aber
für das Kirchenlied schemt ihre Thätigkeit von wenigem Ein-
flüsse gewesen zu sein, wenn nicht etwa das Minnelied das
Kirchenlied vom einfachen vierzeiligen Strophenbau zu einem
künstlicheren übergeleitet hatj worm es später erscheint. Im
XIII. Jahrh. vermehrten sich die religiösen Lieder, die aus kind-
lich reinem, glaubenstreuem und liebewarmen Herzen entquollen,
bei jeglichem Gemüt e Anklang fanden. Manche allgemeine
Schicksale, die Nachwehen der Kreuzzüge, Erdbeben, Pest u. s. w.
erhielten die religiöse Stimmung des deutschen Volkes lange
Zeit hindurch wach und lebendig, wobei auch die Flagellanten
(bis ins XIV. Jahrh. hinein) eine Menge geistlicher Lieder in
Umlauf brachten, ohne übrigens für den Heutschen Kirchengesang
irgend eine weitere Bedeutung zu haben. Im XIII. und XIV. Jahrh.
gab die Einführung neuer Kirchenfeste, z. B. des Fronleichnams-
. Festes, Dreifaltigkeitsfestes und mehrerer Marienfeste, Gelegenheit
zu neuen Dichtungen , welche wieder in deutsche Sprache über-
tragen wurden, z. B. Lauda Sion, Pange lingua. Eine besondere
Art von Liedern, w.elche gegen Ende dieser Periode aufkamen,
bilden diejenigen, welche mit Latein untermischt sind, wie das
bekannte «In dulci jubilo", angeblich von Petrus Dresdensis.
Als Dichter geistlicher und Kirchenlieder aus dieser Zeit
lassen sich nennen: Job. Tauler, Konrad von Würzbure, Heinrich
von Meissen, Martin von Reutlingen, Sebastian Brand, Heinrich
von Laufenberg, Adam von Fulda u. a. m.
Die Anzahl der Lieder, welche sich vor der Reformation
als eigentliche Kirchenlieder nachweisen lassen, mögen gegen 100
betragen, und sie bilden nicht nur durch ihre Form und Melodien,
sondern auch der Anzahl nach den Kern des deutschen Kirchen-
gesanges für die folgende Periode. Zu Ende dieser Periode ent-
stehen auch die Gesangbücher, hervorgerufen durch das Be-
dürfnis, die zahlreicher gewordenen Kirchenlieder, welche überdies
häufig durch ihren grösseren Umfang schwerer zu erlernen und
im Gedächtnisse zu oehalten waren, in einem Buche beisammen
zu haben, wozu die neue Kunst des Bücherdruckes das geeignetste
Mittel an die Hand gab. Wie schon im XV. Jahrh. mehrere
Bibelübersetzungen gedruckt erschienen, so wurden nun auch
mehrere Sammlungen von älteren und neueren Liedern in Druck
herausgegeben. Unter den damals existierenden kirchlichen Lie-
dersammluhgen sind zu nennen : Die in den , seit 1470 in den
grösseren Städten, Mainz, Antwerpen, Basel, Strassburg u. a.
gedruckten Messbüchern, Agenden und Diöcesanrituahen aufge-
nommenen; ein „Gesangbüchlein", 1494 zu Heidelberg gedruckt,
enthaltend in deutscher Übersetzung das Veni sancte, Regina
coeli, Recordare, Salve, Magnificat etc.; Ortulus anime, Strass-
Kirchenlied. 147
bürg 1501 (erschien auch später in vielen neuen Auflagen) u. s. w.
Eine erkleckliche Anzahl solcher vor 1524 erschienenen deutöoher
Gesangbücher hat Sev. Meister in seinem Werke: ^Das katho-
lische deutsche Kirchenlied** aufgefühi-t, wodurch es ersichtlich
• wird, dass nicht Luther der Schöpfer des Kirchenliedes gewesen ist.
IL Periode. Angetrieben durch die Thätigkeit der Re-
formatoren, welche nach Abschaffung der Messe und bei dem
Hasse alles Römischen naturgemäss auf den deutschen Gemeinde-
.gesang angewiesen waren, diesen auch dazu benützten, in den
Liiedera ihre Grundsätze . und Lehren dem Volke besser einzu-
flössen, und gedrängt durch den Eifer derselben, womit sie die
alten aus der katholischen Kirche herübergenommenen Lieder
nach ihren neuen Glaubensbegriffen „reinigten^ und neue dichteten,
suchten die Kathoüken ihren alten Liederschatz unversehrt zu be-
wahren, durch gewissenhafte Herausgabe der alten Lieder den
verstümmelten Gesängen der Häretiker entgegenzuarbeiten und
das Volk vor der in diesen Gesängen zu Markte getragenen
häretischen Ansteckung zu schützen. Zu solchem Zwecke ent-
stand unter mehreren anderen besonders das Gesangbuch von
Mich. Vehe, Stiftsprobst zu Halle an der Saale, 1537, welches
in der Vorrede ausdrücklich diese Absicht ausspricht. Neue
Lieder wurden in dieser Zeit nur mit grosser Vorsicht aufge-
nommen. -^ Zu den ältesten und bekanntesten katholischen
Gesangbüchern gehören ausser diesem noch: das Gesangbuch
von Gg. Witzel, Pfarrer zu St. Viktor in Mainz, „Odae Chri-
stianae^, 1541 : „Psaltes ecclesiasticus", 1550; das Gesangbuch von
Leisetritt, Domdechant in Budissin, 1567; das Tegernseer
durch Ad. Walasser, 1574. Mit dem Ende dieses Jahrh. beginnen
auch die Diöcesangesangbücher, die dem Hauptinhalte nach alle
fleich, nur durch Anordnung und Zusätze sich unterschieden:
as Kölnische, 1581, 1619; (ms Mainzer, Münchener, 1606; das
Faderborner (bis in die neue Zeit wenigstens 50 Auflagen); das
Würzburger 1628 u. s. w. Unter den Dichtern ragen hervor:
Ullenberg, welcher den ganzen Psalter in strophische Lieder
übersetzte und sie mit Melodien versah; der Jesuit Friedrich
Spee (t 1635) und Angelus Silesius (Scheffler) von Breslau
(um 1(^6).
Über das protestantische Kirchenlied genüge folgendes:
Luther behielt den lateinischen Kirchengesang noch einige Zeit
bei aus Mangel an genügenden deutschen Gesängen ; die katholi-
schen musste man erst umformen, viele konnte man gar nicht mehr
brauchen, so die Marienlieder; es war demnach eine grosse und
Zeit raubende Arbeit, das ganze Kirchenjahr mit passenden Lie-
dern zu versorgen. Darum die Mahnung Luthers an seine
Freunde, sich mit der Dichtung solcher Lieder zu beschäftigen.
Es kann deswegen nicht überraschen, zu sehen, dass die Ke-
formatoren nach dieser Seite hin eine Rührigkeit entfalteten, die
bald eine wahre Flut von Gesangblättern und deutschen Gesang-
büchern, ein« beispiellose Produktivität bei Berufenen und Un-
)erufenen in dichterischer und musikalischer Beziehung und einen
virklichen Aufschwung des deutschen Kirchengesanges hervor-
ief , und zuletzt auch einen Rückschlag auf die Gesangsverhält-
isse der katholischen Kirche nicht verfehlen konnte. Luther
10*
148 Kirchenlied.
selbst bearbeitete einige Lieder und formte etwa einige ältere
Melodien um; von den ihm anfönglich zugeschriebenen 36 Me-^
lodien gehört nach neueren Untersuchungen keine einzige
Luther als Originalarbeit an, selbst nicht die Melodie zum
Liede „Eine feste Burg". (Vergl. Bäumker, das katholische
deutsche Kirchenlied, b. 22 ff.) Unter den protestantischen
Liederdichtern sind hei-vorzuheben : Paul Speratus, Justus Jonas,
J. Agricola, Spengler, Spangenbe^, Lobwasser: aus der Zeit
der neueren Poesie: Opitz, Weckherlin, Flemming, Job.
Heermann, Job. Rist, Neander, Neumark, Spenner, Olearms und
vor allen der fromme Paul Gerhard, als würdigster Vertreter
des protestantischen geistlichen Liedes. Aus neuerer Zeit: Gel-
iert, Klopstockj Utz, Gramer, Jacobi, Claudius^ Schubart, Lavater,
Herder, isFovahs, Arndt u. s. w. Ein Zeugnis der grossen Pro-
duktivität an Liedern bei den Protestanten gibt das Liederlexikon
von G. L. Hardenberg (f 1786), welches in fünf Quartbänden
72,732 Liederanfönge (I) enthält, worin freilich mit gutem Waizen
eine Unmasse von Stroh und Häcksel gemischt erscheint,
HL Periode; Diese beginnt um die Mitte des XVIH. Jahi'h.
und charakterisiert sich dm*cn die nun beginnende Reform der
Gesangbücher. Die gelehi-te Richtung der Poesie, welche zuerst
durch die schlesische Dichterschule (deren Gründer Opitz war
und welche seit dem XVII. Jahrb. die deutsche Nationalutteratur
beherrschte), eingeführt worden, äusserte ihren Einfluss auch
auf den katholischen deutschen Kirchengesang und zwar meist
in jener stolzen über das Alte absprechenden Weise, die sie bis
auf die Wirksamkeit der romantischen Schule beibehalten hat.
Die alte Sprache der bisherigen Kirchenlieder war zum Ärgernis
geworden, und an die Stelle der so viele Jahrhunderte hindurch
vom Volke gesungenen und liebgewonnenen Lieder samt ihren
Melodien wurden über 200 neue Texte mit neuen, dem neuen
Geiste auch entsprechenden Melodien gesetzt, Waren diese neuen
Lieder auch ganz gläubigem und recht poetischem Geiste ent-
sprossen, so konnten sie doch die alten schlichten, aber um so
tiefer gefühlten Lieder nicht ersetzen. Gegen Ende des Jahr-
hunderts aber wurde die „Verbesserung" noch schlimmer; die
tiefe symbolische Dogmensprache musste nüchternem Rationa-
lismus und philanthropischer Moralreflexion weichen; die Kirchen-
lieder trugen nun den Charakter der Aufklärerei und Lehrhaftig-
keit, der Verflachung und Vejrweltlichung. Fast allen fehlt es
an Einfalt, Tiefe und Innigkeit der Empnndung, und während
man sich an Gott wendete, hatte man eigentüch die Absicht^
dem Volke etwas vorzupredigen. Übrigens soll hiermit nicht
fesagt sein, dass unter mesen neuen Liedern nicht auch Perlen
irchlicher Poesie sich fanden.
In neuester Zeit wird man sich des Übels mehr und mehr
bewusst, und man geht wieder auf die alten Lieder zurück; mit
den Melodien zwar nat man leichtere Arbeit, nicht so geht es
mit den Texten, deren altertümliche Sprache man unmöglich
beibehalten kann. Unterdessen sind mehrere Werke von Bedeu-
tung in die Öffentlichkeit getreten, welche eine dem ku'chlichen
Geiste mehr entsprechende Reform des katholischen deutschen
Kirchengesanges anbahnen könnten. Solche sind: „Cantioa
Kirchenlied. 149
«)iritualia^ (München 1845, Regensburg 1869), Sammlungen von
Kirchenliedern von Simrock, Hölscher, Kehrein, Bone* u. a.;
Fr. BoUenB „Der deutsche Choralgesang" (Tübingen 1851). Das
vorzüglichste Werk isii: „Das katholische deutsche Kirchenlied**
von Sev. Meister, neu bearbeitet von W. Bäumker (Freiburg
1885, 1886). Sehr beachtenswert sind noch: „Ein Wort zur
Gesangbuchsfrage** von P. G. Dreves (ebenda) und J. Mohrs
-Psälterlein** nä^st „Einleitung und Quellennachweis** (Regens-
burg 1891).
Was die Melodien der Kirchenlieder anbelangt, so sind
sie ein wesentlicher Teü derselben und häufig noch wichtiger
als der Text; sie stehen oft in so inniger Ver Bindung mit dem
Texte, dass sie durch keine anderen ersetzt werden können und
es ein Missgriff ist, gewisse Melodien wieder anderen Texten
unterzulegen. Das* Herz fühlt sich zunächst in der Melodie und
das Volk hat gemeiniglich diese im Sinne, wenn es von einem
schönen Liede spricht; gerade durch die Melodie wird das
Wort in die Seele gesenkt und wieder aus derselben hinauf zum
Hinmiel getragen. Leider kennt man von den ältesten Melodien
keine mehr; sie gingen teils verloren oder man kann die in
Neumenschrift auibewahrten nicht mehr entziffern, teils erlitten
^e durch die Jahrhunderte hindurch mancherlei Umgestaltungen,
dass es unmöglich ist, ihre ursprüngliche Gestalt zu erkennen;
und als die Gesangslitteratur begann, zeichnete man die gewöhn-
lichsten gar nicht auf als schon „jedermann bekannt**. Jeden-
falls sind die älteren Gesänge sehr einfach, ohne grossen Ton-
umfang ffewesen, wahrscheinhch den ernsten Charakter des
Gregonamschen Chorals tragend. Die aus Übersetzungen ent-
standenen Lieder erhielten regelmässig die Melodien ihrer latei-
nischen Urtexte; oft nahm man auch, wie Leigetritt gethan hat,
nur Stücke aus Gregorianischen Gesängen, z. B. aus Sequenzen
u. dgl., und legte innen deutsche Texte unter; je nachdem sie
einer Zeit angehörten, tragen sie entweder das Gepräge der
Kirchentonarten, oder neigen sich mehr dem Volksmässigen zu.
Denn auch die Choralmelodien nach dem XIII. Jahrh. finden
sich häufig nur mehr in der jonischen, den harten Tonarten
unserer Tonkunst näher stehenden Tonart. Der volksmässige
Ton findet sich vornehmlich bei denjenigen Liedern, welchen
man liebhche Weisen weltlicher Lieder unterstellte oder welche
aus weltlichen Liedern mit Beibehaltung ihrer Melodien zu geist-
lichen umgedichtet wurden. Solches fand besonders im XV. ißhrh.
statt, jedoch weisen die kirchlichen Gesangbücher deren nur eine
geringe Anzahl auf.
Femer ist auch in der Form der Melodien ein allmählicher
Übergang vom Einfachen oder streng Choralmässigen zum mehr
Ausgeschmückten und Figuralen bemerklich. Diejenigen Gesang-
bücher, welche mehr dem Volksliede Rechnung tragen, bringen
die Singweisen vielfach mit Verschnörkelungen und Zuthaten,
welche im Volksmunde nach und nach entstanden waren, so
namentlich das Mainzer Cantual (1605) und Corner (1625). Bei
späteren macht sich der Einfiuss der Figuralmusik mehr und
mehr geltend, so dass wir z. B. im Münsterschen (1677) Gesang-
buche auch die altkirchliehen Hymnenmelodien rhythmisch und
150 Kirchenlied.
melodisoh mehr ausgestaltet finden ^ und daran die Spuren all-
mählicher Verweichlichung des kirchlichen Gesanges oemerken.
Schon die Comerschen Bücher beschränken sich nicht mehr
bloss auf den älteren geistlichen Volksgesang, sondern beinick-
sichtigen zugleich die verweltlichte Richtung ihrer Zeit und
nehmen viele Weisen auf, welche schon Corner selbst als „etwas
frisch und liederlich" bezeichnete. Am meisten mag diese Rich-
tung durch die „geistlichen Hirtenlieder" des Angelus Silesiua
gefördert worden sein. Die Aufnahme solcher Smgweisen bei
jüngeren katholischen Gesangbüchern kann weniger befremden,
da bei diesen nicht ein rein Kirchlicher Zweck vorlag. Die Titel
vieler Gesangbücher weisen ausdrücklich auf den Gebrauch ausser
der Kirche, z. B. „in und vor den Häusern, im Feld" u. dgL.
Übrigens war bei den Katholiken das Kirchenlied nie scharf vom
weltlichen geschieden, wie dies bei den Protestanten der Fall ist.
Die neueren Melodien tragen durchweg den Typus ihrer
Zeit, teUs süsslich sentimental, teils gänzlich nichtssagend imd
leer, wie es sich z. B. im Fuldaischen Gesangbuche 1780 zeigt.
Eine Frage ist noch zu beantworten: „Beteiligte sich das
Volk früher aurch deutschen Kirchengesang am Gottesdienste^,
und in welchem Verhältnisse steht dieser zum lateinischen
Gesänge?" Melanchton selbst sagt: „Dieser Gebrauch (dass das
Volk m der Kirche singe) ist allezeit für löblich, gehalten wor-
den in der Kirche. Denn wiewohl an etlichen Orten mehr, an
etlichen Orten weniger deutsche Gesänge gesungen worden, so
hat doch in allen Kirchen je etwas das Volk deutsch gesungen,
darum ist es so neu nicht." Das Volk sang bei Bittgärigen,.
Wallfahrten, an Kirchweih- und Heiligenfesten ; beim Gottesdienste
in Abwechselung mit dem Sängerchore; so wechselten nament-
lich deutsche Strophen betreffender Festlieder mit den einzelnen
Sätzen der Sequenzen. Die Liturgie bot ausserdem Zwischen-
zeiten, in welche das Volk singend eintreten konnte, z. B. nach
der Wandlung oder bei der Kommunion, wofür die Überschriften
•uralter Lieder noch zeugen. Auch bei der Weihnachtsfeier, bei
den dramatischen Feierfichkeiten auf Ostern, Himmelfahrt u. dgl.
war das Volk mit deutschen Gesängen bet-eihgt. Nach der Ke-
formation nahm man allerdings mehr Bedacht, den deutschen
Gesang auch während der heihgen Messe an der Stelle des
lateinischen Platz greifen zu lassen. (Dazu ist das Gesangbuch
von Leisetritt schon eingerichtet.) Diese Konzession, welche man
der Reformation gegeniiber machte, kam später zu entschiedener
und vollständiger Geltung, wenn auch stets unter Vorbehalt und
Wahrung des lateinischen Kirchengesanges. In Süddeutschland,
wo die katholische Religion über dem Protestantismus das Über-
gewicht behielt, kam der deutsche Volksgesang in den Kirchen
nie zu so ausgedehntem Gebrauche, wie in den Ländern, wo die
Reformation sich besonders geltend gemacht hatte. Der Volks-
gesang (d. h. in so ausgedehntem Masse) konnte gegenüber dem
Gregorianischen Choral und später bis in die neueste Zeit der
figurierten und Instrumentalmusik gegenüber nie feste Wurzel
fassen, so dass die organisatorischen,. Befehle eines Kaisers Jo-
seph II. notwendig waren, um in Osterreich den deutschen
Volksgesang etwas in Gang zu bringen.
Kirchenmusik. 151
Wie in früheren Zeiten Konzilien sich gegen den Gebrauch
der Landessprache bei den Kirchengesängen ausgesprochen, so
ist es noch jetzt der Fall, und deutsche Kirchenlieder werden
nur mit Einschränkungen gebilliget und auf öberhirtliche An-
ordnung unter Berücksichtigung besonderer Umstände zugelassen.
Als Belege für solche Einschränkungen dienen mehrere bischöf-
liche Erlasse, welche sich hiei*tiber bestimmter aussprechen,
besonders ein Aussohreiben des Bischofs Wilhelm von Trier, d. d.
7. März 1856, und eine Verordnung des Bischofs Valentin von
Regensburg, d. d. 16. April 1857. In letzterer heisst es (VI. 4):
„Kirchliche Gesänge in der Landessprache sollen nur bei gerin-
geren Feierlichkeiten, bei Volksanaachten, bei Prozessionen,
Bittgängen, Abendandachten (nicht aber bei dem Hochamte und
den feierlichen Vespern) zur Anwendung kommen, auch bei der
heiligen Messe, wenn diese still gelesen wird; nur soll in letzte-
rem Falle der stillen Andacht des einzelnen gleichfalls Raum.
fegeben werden. Es dürfen aber in der Kirche nur solche Lie-
er gesungen werden, welche nach Text und Melodie dem
katholischen Geiste entsprechen, die Gemüter zur Andacht stim-
men und kirchliche Approbation für sich haben. Und in dieser
Auffassung verdient der kirchliche Volksgesang als besonders
erbauhch m möglicher Weise gefördert zu werden." — In neuester
Zeit sind für mehrere deutsche Diöcesen neue Gesangbücher be-
arbeitet worden, denen grossenteüs die Arbeiten von Meister-
Bäumker und Jos. Mohr zu Grunde liegen.
Kirchenmusik. Die Aufgabe dieses Artikels ist, die Ge-
schichte der Kirchenmusik nach ihren Hauptmomenten vorzu-
fuhren. Die Kenntnis derselben ist für den Kirchenmusiker in-
sofern von hoher Bedeutung, als er daraus ersieht, wie die
Kirche es mit ihrer Musik von Anfang an gehalten, gleiche
Prinzipien für sie unabänderlich — weil in der Natur der Sache
felegen — durch alle Jahrhunderte festgehalten hat, imd was
urch die menschliche Schwachheit Fehlerhaftes sich einge-
mischt, immer wieder zu verbessern suchte; das wird ihm zur
klareren Einsicht in das Wesen der kirchlichen Musik selbst
verhelfen und vor einseitigen Anschauungen bewahren.
Um aber mit möglichster Klarheit voranzugehen, halte ich
es für geeignet, die Geschichte der Kirchenmusik nach ihren
Gattungen: Choral, harmonische Gesangsmusik, instru-
mentierte Kirchenmusik in drei Partien zu behandeln.
I. Geschichte der einstimmigen Kirchenmusik
oder des Chorals; Von den ersten Zeiten des Christentums an
galt die Musik, resp. der Gesang als ein wichtiges Beförderungs-
mittel der Andacht und Erbauung sowohl für die Singenden als
Hörenden, und ward deshalb von Seiten der Kirchenobern jeder-
zeit sorgfältig gepflegt. Hat ja das Christentum selbst einen
dusikalischen Anfang genommen, indem der Welterlöser und
•tifter unserer heüigen Keligion unter dem Lobgesange der himm-
schen HeiTscharen in die Welt eintrat. Christus der Herr
at durch sein eigenes Beispiel den Gesang geheiliget; nach
Einsetzung des hemgen Abendmahls stimmte er den Lobgesang
1 (Matth. 26, 30). Dem Beispiele des Herrn folgten die Apo-
iel, welche in ihren Briefen den Gläubigen anempfehlen, Gottes
152 Kirchenmusik.
Lob zu singen (Kol. 3^ 15; Eph. 5, 19; u. a. m.). Da die Psal-
men den eigentlichen Kern des gottesdienstliohen Gesanges bei
den ersten Christen ausmachten, neben welchen noch einige
Lobgesänge, Cantica, zur Anwendung kamen, so trugen
ohne Zweifel die Melodien hebräischen Tirpus. Neben diesen
Gesängen mögen auch bald solche Lobgesänge entstanden sein,
welche augenblicldicher Begeisterung entsprangen — Geistes-
ge sänge, wie sie der heil. Paulus nennt, und welche man des
Eindruckes halber, den sie machten, bei vorkommenden Gelegen-
heiten mit einigen Wendungen vielleicht wiederholte; besonders
waren hierfür die Agapen günstig, aus denen dann diese Ge-
sangsweise wieder in das kirchliche Officium übergegangen sein
mag. Hieraus leiten die spezifisch christlichen Gesänge ihren
Ursprung ab; sie waren gegründet auf die Art und Weise der
gleichzeitigen antiken Tonkunst, in ihren Melodien den griechi-
schen Ghorgesängen nachgebildet mit denselben musikalischen
Mitteln, demselben Tonmaterial, nach denselben Tongesetzen und
Prinzipien, aber voll von neuem christlichen Gehalte im Geiste
des christlichen Gebetes als der Ausdruck der neugewonnenen
christlichen Ideen von Gott und dem Verhältnis der Menschheit
zu ihm. Wir dürfen kaum einen Zweifel hegen, dass von diesen
Gesängen die besten und tauglichsten bewahrt und immer wie-
der gesungen wurden, so dass sie in treuer Tradition auf die
folgenden Jahrhunderte kamen; die Treue und Sorgfalt, mit
welcher die Hirten über andere Dinge chiistlichen Wesens
wachten, Hess gewiss auch nicht die 'aufgenommenen Gesänge
aus dem Auge. Viele unserer Kiröhengesänge , deren Ursprung
so weit hinauf reicht, dass man für ihr Entstehen kein Doku-
ment mehr hat, mögen diesen ersten christlichen Zeiten ent-
stammen, wie auch die Psalm- und andere Recitationstöne un^
streitig den apostolischen Zeiten angehören; einige im Laufe
der Zeiten vorgenommene Veränderungen kommen hierbei nicht
in Betracht.
In den allerersten Zeiten sang die ganze Gemeinde, doch
bald, als die Liturgie sich mehr ausbildete und die Gemeinden
zahlreicher wurden, oeteiligte sich das Volk weniger daran; die
apostolischen Konstitutionen (lib. II. c. 57) schreiben vor, dass
das Volk, nachdem ein Sänger einen Psalm gesungen, am Ende
in den Gesang einfalle (extrema versuum succinat) und auch auf
das vom Diakon Gesprochene (Recitierte) mit Kyrie eleison ant-
worte. Solche Melodien, wie überhaupt die Gesänge der ersten
Jahrhunderte müssen einfach, von geringem Tonumfang und un-
gekünstelt gewesen sein. Zur guten Ordnung des Ganzen war
neben den Sangern ein Vorsänger, Primicerius, Praecentor, Mo-
nitor, Canonarcha genannt, aufgestellt.
Die geistlichen Oberhirten sorgten dafür, dass die Gläu-
bigen den nötigen Gesang wohl enemten, und aus der Zeit
Konstantins werden uns zwei Männer, Flavian und Diodor, ge-
nannt, welche sich angelegen sein liessen, das Volk im Gesänge
(per vices — wahrscheinlicn im Wechselgesange) zu unterrichten.
Der Wechselgesang wurde nach Theodoret zuerst in Antiochia
angewendet und verbreitete sich vom Orient aus nach dem Oo-
cident, wo det heil. Ambrosius ihn eingeführt haben solL
Kirchenmusik. 153
Als im IV. Jahrh. die Christenverfolgungen aufhörten, der
Kultus in erhabener Weise aufzublühen begann und die Liturgie
mit grösserem Glänze sich vollzog, nahm auch die kirchliche
Musik einen hö'heren Aufschwung. Fromme, wissenschaftlich
gebildete Päpste und Bischöfe unternahmen es, den Kirchen-
gesang zu ordnen und gewisse Modulationen filr denselben fest-
zustellen, überhaupt Emheit und Zusammenhang in den litur-
S lachen Gesang zu bringen. Im Oriente ragen als besondere
eförderer der kirchlichen Musik hervor:' der heil. Basilius
zu Gäsarea (f 379) und der heil. Äthan asius zu Alexandria
<t 363); in der abendländischen Kirche werden als solche die
Päpste Damasus, Leo L, Gelasius, Symmachus, Johan-
nes L, Bonifa zius IL namhaft gemacht. Ein besonderes Ver-
dienst aber hatte sich der heil. Ambro sius, Erzbischof von
Maüand (f 397) um die Verbesserung des Kirchengesanges er-
worben, welchem er durch Feststellung von vier Tonarten eine
systematische Grundlage gab ; auch das Volk zog er wieder mehr
zum Psftlmengesange heran und verfasste in frommer Gottbe-
feisterung menrere der erhabensten Kirchenhymnen, welche ihre
estimmte Stelle in den Hören des kirchlichen Officiums erhiel-
ten. Seine Gesangsweise, die Ambrosianische genannt ^ ver-
breitete sich bald auch nach Gallien, Spanien u. dgl., wo sie bis
ins VIII. und IX. Jahrh. die herrschende blieb.
Der seit dem IV. Jahrh. modulationsreicher gewordene
und durch Ambrosius auf bestimmtere Gesetze gegründete Ge-
sang erforderte gebildetere Sänger, so dass man sich veranlasst
fand, eigene Scnulen hierfür zu gründen; als Gründer solcher
wohl organisierter Schulen nennen die Geschichtschreiber die
Päpste Silvester (314) und Hüarius (461).
Wie sich die Musik weiter entwickelt hat, darüber wissen
wir nichts; die Grundlage blieb ein paar Jahrhunderte die Am-
brosianische in den occidentalischen Kirchen, bis der heü. Papst
Gregor d. Gr. (590—604) mit einem erweiterten Systeme auftrat
und der Musik eine entwicklungsfähigere Basis schuf. Ohne
Zweifel hatten sich neue und umfangreichere Gesänge gebildet,
füi' welche der Rahmen des alten ^stems nicht mehr passte,
vielleicht hatte Studium und die Musikübung selbst fähige Gei-
ster auf eine naturgemässe Anordnung und ausgedehntere Be-
nützung des Tonreiches geführt. Gregor, wie «r mit seinem
vorzügfichen Organisationstalente die ganze Liturgie neu geord-
net und festgestellt hatte (in den Hauptzügen ist sie die näm-
liche, wie heutigen Tages), unternahm es, durcn diese Organisation
eigentlich selbst genötigt ^ auch den Kirchengesang zu ordnen,
<iie alten Melodien, soweit sie entsprechend waren, zu fixieren
oder zu verbessern, die unbrauchbaren fortzulassen und durch
neue zu ersetzen, alle aber auf bestimmte Regeln und Gesetze
ztuückzuführen, die er in seinem Systeme von acht Tonarten
oder Oktavenreihen und in gewissen, zu diesen gehörigen Melo-
dien, sogenannte Tropen, festgestellt hatte. Die nun für die
Liturgie angenommenen und genau bestimmten Gesänge sam-
melte er in ein Buch, Antiphonarium centonem, wo sie.
über und neben dem Texte mit Neumen aufgezeichnet waren;
dies Buch deponierte er am Altare des heil. Petrus* als Norm für
154 Kirchenmusik.
alle Zeiten und gründete zur euten Aufführung des Kirchen-
gesan^es und zur Reinerhaltung der Melodien eine eigene Schule^
resp. richtete die alte Schule neu ein, und erteüte in ihr an die
dort aufj^enommenen Schüler in eigener Person fleissif Unter-
richt. Diese neu gewonnene Gesangsweise erhielt von ihm den
Namen ,,Gregorianischer Gesang**, später Choral, cantus.
choralis, weil fortwährend im Chore der Klöster und Stifter
gebraucht, dann auch cantus romanus zum Unterschiede von
jedem anderwärts gebräuchlichen Gesänge, und cantus planus-
und firmus im Gegensatze zu dem mensurierten und figurierten
Gesänge geheissen.
Nach Ablauf von 200 Jahren sehen wir diesen Gesang-
schon überall herrschend. Den Bemühungen der Päpste um
Verbreitung der römischen Liturgie und des damit verbundenen.
Gesanges zur Herstellung der einer inneren Einheit des Glauben»,
entsprechenden äusseren Einheit kam die Bewunderung entgegen,
welcne diesem römischen Gesänge wegen seiner Vortrefflichkeit
von aussen zu teil wurde. Die Päpste sendeten, gebeten imd
auch unaufgefordert, Abschi'iften des Antiphoiiaroriginals und
geschulte Sänger in andere Länder, wie Gregor selbst für Eng-
land that. In verschiedenen Gegenden Deutschlands fand der
Gregorianische Gesang seine Einführung durch die Glaubens-
boten, hauptsächlich im VIIL Jahrh. unter Gregor IL, so nament-
lich in Bayern, festere Begründung aber durch den heü. Boni-
fazius, welcher mehrere Schulen, worin auch der Gesang sorgfältige
gepflegt ward, gründete, z. B. in Fulda, Eichstädt, Würzburg»
In Frankreich machte sich der römische Gesang um 714 geltend
und verdränete, auch schon durch Pipins Bemühen, gegen Ende
des Jahrh. oie gallikanische Weise. Namentlich war es Karl
d. Gr., welcher, persönlich für diesen Gesang eingenommen ^ in
den seiner Herrschaft unterworfenen Ländern mit allen in seiner
Gewalt stehenden Mitteln allenthalben ihn zur Geltung zu brin-
gen suchte, mit Hilfe von römischen Sängern und authentischen
Abschriften des Antiphonars die falschen Singweisen verbesserte,
Singschulen einzuricnten und gründlichen Unterricht zu er-
teilen befahl.
Bislang war man im unklaren, welches der Unterschied
zwischen dem Ambrosianischen und Gregorianischen Gesänge
sei, da Ambrosianische Monumente fehlten und man zur Beurtei-
lung fast nur auf scheinbar sich widersprechende Angaben
älterer Theoretiker angewiesen war. Die neueste Zeit hat auch
in diese Angelegenheit Licht gebracht. Es kam durch den
Antiquar Rosenthal in München ein Manuskript zum Vorschein,
welches die Ambrosianischen Gesänge für das Officium und die
Messe vom 1. Adventsonntage bis zum Karsamstage enthält,
und dessen Alter von Sachverständigen ins XL Jahrh. gesetzt
wird. Die Melodien sind in guidoniscner Schrift, d. h. mit Neu-
men auf Linien verzeichnet, so dass sie keiner Beanstandung
unterliegen können. P. Anselm Kienle von Beuron unternahm
es, eine Vergleichung dieser Gesänge mit den Gregorianischen
anzustellen und die Aufmerksamkeit auch auf die Texte zu
richten, welche in beiden Liturgien an gleicher Stelle vorkom-
men; deren sind sehr wenige und auch diese stimmen nur in
Kirchenmusik. 155
gewissen Stücken und nie vollkommen überein. Die Resultate
seiner Untersuchung veröffentlichte er in den „Studien und Mit^
teüimgen aus dem Benediktinerorden, V. Jahrg. 1884, Raigern".
Es ergibt sich daraus, dass ein charakteristischer Unterschied
zwischen beiden Gesangsweisen stattfindet, beide stets neben-
einander bestanden und der Gregorianische Gesang keineswegs
eine blosse Weiterbüdung des Anabrosianischen ist.
Beide beruhen auf den gleichen acht Tonarten, haben
fleichen freien Rhythmus, wobei die Bewegung auf den kleinen
ongruppen beruht, die durch ihr Ebenmass m Zahl der Töne
und Klang der Intervalle einen klaren Rhythmus bewirken; bei
beiden ist die Melodie bald einfach, bald reich ausgestattet, doch
am reichsten beim^ Ambrosianischen. Aber beide atmen einen
verschiedenen Geist; während der erster e seine Motive mit vieler
melodischer Ornamentik umwirkt, und sie gleichsam mit süd-
lichem Reichtum ausstattet, gibt der römische Gesang selbst das-
Gleiche in km'zgefasstem Ausdrucke. Dom Pothier sagt: „Die
Ambrosianischen Melodien sind ein kunstvoller Gesang, sie haben
Schwung, Begeisterung, tiefe Empfindung und eine ungeahnte
Melodierulle, aber uns erscheinen sie fremd. Der Gregorianische
Gesang, obwohl er der Harmonisierung oft bedeutende Schwie-
rigkeiten in den Weg legt, trägt das harmonische Element
stärker in sich, als der Ambrosianische; dieser ist in dieser Be-
ziehung völlig orientalisch, oft eine Melodie ohne die Möglichkeit
der Harmonisierung. Die Melodie ist lebensvoll^ aber nicht im
modernen Stil, mit Detailmalerei und subjektivier enden Ausfüh-
rungen, sondern einfach und gross im Stile der alten Malerei.'*
Das benannte Manuskript, welches die Ambrosianischen
Weisen in guidonischer Tonschrift aufoezeichnet enthält, gibt
sicheres Zeugnis über die Beschaffenheit dieses Gesanges im
XI. Jahrb., wie solche Zeugen andererseits der Gregorianische'
Gesang aufzuweisen hat. Daraus könnte man mit Recht schlies-
sen, dass diese beiden Gesangsweisen ihren eigentümlichen
Charakter schon durch ihre Urheber erhielten, sowie es auch
wahrscheinlich wird, dass die Melodien wenigstens der Haupt-
sache und den Grundzügen nach ie zu den Zeiten des heil.
Ambrosius imd des heil. Gregor dieselben wie im XI. Jahrh. waren.
Leider war die damals gangbare Notenschrift, die Neu-
m e n , nicht imstande, Abweichimgen im Gesänge zu verhindern, und
so tauchten an verschiedenen Orten Varianten und fehlerjiafte
Gesänge auf, welche oft viel Anlass zur Klage gaben und den
Wunsch nach einer besseren Notenbezeichnung wachriefen; aber
alle Versuche, so sehr sie auch die Reinheit der Melodien schütz-
ten, erwiesen sich als unpraktisch und gewannen keine weitere
Verbreitung, so die Buchstabenmethode Oddos, die Zeichenschrift
Hucbalds und Hermanns.
Unterdessen nahm auch die Gesangsbüdung einen höheren
Aufschwimg, wozu namentlich die fränkische Hofsingschule bei-
trug; überhaupt blieb die ganze durch Karl d. Gr. hervorgerufene
ernste Thätigkeit in Wissenschaften und Künsten und die innige
Beziehimg von Kirche und Staat nicht ohne Einfluss auf Hebung
1er Tonkunst. Die Ausdehnung der kirchlichen Riten, die häu-
figeren und glänzenderen Kirchenfeierlichkeiten und die in religiösen
156 Kirchenmusik.
Dingen nun frei aufwallende Begeisterung konnten nicht mehr
Geimgen finden an dem Gregorianischen Repei-torium; man er-
laubte sich keineswegs eine Änderung oder Zurücksetzung, aber
man schmückte die Choräle je nach dem Grade der Feierlichkeit
mit Koloraturen und fügte weit ausgedehnte Jubilen an, auch
neue Gesänge wurden iiber neuen Hymnen und Prosen kompo-
niert (Sequenzen und Tropen), die aber das Gepräge des Cna-
rakters der verschiedenen Völker des Abendlandes bekamen.
Eine bedeutende Veränderung der Gregorianischen Weisen ge-
schah jedoch da, wo man einem Jubilus einen Text unterlegte,
wodurch die Gestalt des Gesanges und die Vortragsweise oei
fleichen Noten und Intervallen eine andere werden musste. Von
em Charakter der neuen Melodien aus dieser Zeit sagt der Abt
Oueranger von Solesmes, welches Kloster in dieser Sache wich-
tige Forschungen angestellt hat: „Die vom VIII. bis XI. Jahrh.
verfassten Stücke des Kirchengesanges kann man in zwei grosse
Klassen einteilen, wovon die eine aus Stücken besteht, die ganz
•oder teüweise im Gregorianischen Stile gehalten sind, die andere
-einen neuen, zugleich rohen und schwerfallig melodischen Cha-
rakter an sich trägt. Diese letztere Klasse teilt sich wieder in
Stücke, die mit einem Reim und gewissen Versmass, und in pro^
saische, die aber mit einer gekünstelten, und was den Charakter
angeht, jener der Gregorianischen Weise ganz fremdartigen
Melodie verseilen sind."
Vor dem IX. Jahrh. scheint die Komposition der Kirchen-
melodien nicht in viele Regeln eingeengt gewesen zu sein; man
beachtete hauptsächlich den Ton, m welchem man komponieren
wollte, und d^n Tropus oder die Formel, in welcher die Eigen-
tümlichkeit des Tones besonders hervorstach und auf welche
man den Schluss zurückführte, hielt sich innerhalb des Oktaven-
umfanges und suchte darin dem durch den Text und seine
Stellung bedingten Gefühle den möglichst guten Ausdruck zu
feben. Mit dem Aufleben der Wissenschaften wendete sich das
tudium auch der musikalischen Theorie zu, und ins Quadrivium
aufgenommen, ward die Musik ein notwendiges Fach für jeden
als gelehrt geltenden Mann. Wie das tiefere Eindringen in die
anderen Wissenschaften zum Systematisieren und Organisieren
der menschlichen Erkenntnisse führte, so konnte sich die Musik,
in den Kreis der Wissenschaften gezogen, dem auch nicht ent-
ziehen, gewann aber dabei wenig, da die freie Pflege derselben
als Kunst vielfach gelähmt und ihre Entwickelung gehemmt
wurde; es gereichte ihr die oben angesetzte, bloss auf mathema-
tische Berechnungen gegründete Tonlehre mit Ausschliessung
des zweiten berecntigten Schiedsrichters über Wohlklang, näm-
lich des Ohres, und das Zurückgehen auf die Musiktheorie der
Griechen, an der man immer festhielt, nicht zum Nutzen; es
wurden die Melodien oft nur mehr Erzeugnisse des Verstandes,
richtig gelöste Rechnungsexempel; man blieb bei den mathema-
tischen Verhältnissen nicht bloss in Beziehung auf die Bestim-
mung der (melodischen) Konsonanzen, deren bloss sechs bis
^egen das XII. Jahi*h. genannt werden (tonus, semitonus, ditonus,
semiditonus, diatessaron, diapente; später kamen noch für seltene
Fälle diapente cum semitonio und diapente cum tono hinzu),
KirchenmuBik. 157
sondern man trug die bevorzugten Verhältnisse (dupla, sesqui-
altera, sesquitertia, sesquiootava proportio) auf alles mögliche
über: auf die Einteilung des Textes und der Melodie m Ab-
schnitte, auf die Verbindung der Intervalle, auf die Notenzahl
der zusammengeführten Neumen oder Notengruppen, auf deren
entsprechenden Anfangs- und Schlusston und cue Verlängeiimg
der Töne. In solch minutiösem Abwägen glaubten die Theore-
tiker dieser Zeit (als Vorgänger des noch subtileren Mensural-
systems) die wahre Schönheit der Form gewinnen zu können.
Der Verschlimmerung der Gesänge ward erst im XI. Jahrb.
gründlich vorgebeugt, als Guido von Arezzo (1020) das Li-
niensystem zm* Geltung brachte und den sonst unsicheren
Neumen einen bestimmten Platz anwies. Seine That kann nicht
hoch genug angeschlagen werden, da es jetzt erst möglich ward,
die Melodien dauernd und leicht kennthch zu fixieren, und hier-
durch einer glücklichen Entwickelung des ganzen praktischen
Musikwesens die Bahn gebrochen wurde. Dass Guido auch sonst
in der Musiklehre eine hervorragende Stelle eingenommen und
eine höhere Stufe der Tonkunst einführt, zeigen seine Traktate
im Vergleiche mit früheren Traktaten, als auch der Umstand,
dass er von folgenden Lehrern als Autorität angesehen wird
und seine Vorschriften und Regeln stets als Grundlage ange-
nonmien sind.
Von den Männern, welche vor oder zur Zeit Guidos sich
um die Tonkimst besonders verdient gemacht haben, seien hier
namhaft gemacht: im Frankenreiche: Alkuin, der Vorstand der
Hofschule zu Paris, Amalarius, dessen Nachfolger, Agobard
von Lyon, Aurelian von Reom^, Remigius von Auxerre^
Oddo von Clugny, Hucbald von St. Amand in Flandern; in
Deutschland zeichneten sich in der Musik besonders aus: das
Kloster St. Gallen, wo Notker Balbulus die ersten Sequen-
zen dichtete und komponierte, Notger Labeo und Tutilo
treflfliche Meister waren; die Klöster Reichenau mit seinen Mei-
stern Berno und Hermann Gontractus; St. Emmeram in
Regensburg u. a.; ruhmvoll werden noch genannt: Rhabanus
Maurus zu Mainz, Johannes von Fulda, Regino von Prüm,
Haymo von Halberstadt u. a. m. In England blühte die
Schule zu Oxford und eifrige Beförderer der Musik waren der
König Alfred der Grosse, (Trimbaldus, Johannes Scotus,
Osbert u. a.
Guidos Traktate blieben nun lange Zeit die Grundlage der
ganzen Musiklehre und die späteren Theoretiker bringen nur
eine und die andere Erweiterung; auch der Musikuntemcht ge-
wann an Leichtigkeit durch die Aretinische Methode oder Sol-
misation, die Anwendung der sechs Süben ut, re, mi, fa, sol, la,
welche ein Hexachord bilden und welche man anfönglich aufs
Monochord anwendete, bald aber mit ihnen ein System — die
sogenannte Guidonische Hand — errichtete, zum Zwecke^
die hage des Halbtones genau und sicher zu bestimmen. Als
die Linien erfunden und dadurch die Anfangsnoten des cantus
durahs und molUs (zum Überflusse noch mit Buchstaben ange-
geben, aus denen sich die späteren Schlüssel bildeten) sich leiont
oestimmen Hessen, kehrten auch die nach und nach vereinfachten
158 Kirchenmusik.
Neumen ihre Gestalt in die schwarze, sogenannte Frankonote,
welche schliesslich die Oberhand behielt und für den Choral die
nun seit Jahrhunderten gebräuchliche geblieben ist.
Diese Fortschritte auf dem theoretischen imd praktischen
Felde waren natürlich für die Kirche von hoher Wichtigkeit,
und sie war nicht mehr auf die schwankende Tradition ange-
wiesen, sondern konnte durch leicht verständliche Notierung die
Einheit und Reinheit der Melodien besser bewahren. Doch
reichte schon lange das Gregorianische Antiphonar nicht mehr
aus; wie vom VI. bis XL Jahrb., so auch jetzt und noch mehr
als früher, drängten die neuen Feste, die teils örtliche, teils
allgemeine Feier fanden, das steigende Kultur- und Glaubens-
leben und das sich vei'voUkommnende Musikwesen zur Kompo-
sition neuer Melodien zu neuen Texten; wenn auch die menr-
stimmige Musik (X. Jahrh. das Organum^ XL Jahrh. der Discantus,
XII. und XIII. Jahrh. die Mensuralmusik) nun mehr zu keimen
und in allgemeinere Aufnahme zu kommen anfing, so blieb doch
für kirchliche Zwecke, namentlich in den Klöstern der Unisono-
gesang, der Choral, die Hauptmusik, und nur ausnahmsweise,
an Festtagen etwa, liess man die neue Musikgattung zu. Aber
80 glatt lief auch beim Choral nicht alles ab, auch da gab es
Fehler und Missbräuche, welche die Oberhii-ten und Synoden
immer wieder rügen mussten; Künsteleien, viele freie Kolora-
turen, weitschweifige Läufe und Passagen, sinnliche und profane
Weisen, possenreisserische Modulation der Stimmen und anderes
mehr tadeln die aus jener Zeit erhaltenen Synodalbeschlüsse und
Dokumente. In Frankreich besonders und teilweise in Italien
und Deutschland kamen derlei Missbräuche vor; in den Klöstern
übrigens hielt man sich streng an die ältere einfache Weise, na-
mentlich wird dies von den Kartäusern gerühmt (und bald auch von
den Prämonstratensern).
Nehmen wir Rücksicht auf die Gesangsweise selber (die
Texte der Paraphrasen, Hymnen und Sequenzen waren sehr oft
ohne allen poetischen (behalt, obwohl darunter auch sehr viele
Perlen der neiligen Poesie sich finden), so können wir sie wieder
mit Gueranger also bezeichnen: ^Bei den Gesängen des XL bis
XIII. Jahrh. bildet eine träumerische und ein wenig ländliche,
jedoch sehr angenehme Melodie den Hauptcharakter. Sie wird
nervorgebracht durch häufige Ruhepunkte auf der Finale und
der Dominante, in der Absiont, ein gewisses weites Mass zu be-
zeichnen, und durch eine lange Dehnung der Noten auf dem
letzten Worte, die etwas sehr Anziehendes hat. Manche haben
einen rascheren und lebhafteren Gang, untermischt mit Stellen
von zarter und süsser Melodie, oft tritt ein düsterer und ernster
Charakter hervor; aber alle diese Stücke haben nicht mehr die
grossartige Einfachheit der Motive, deren Idee das Gregorianische
Antiphonar aus der Musik der Griechen geschöpft hat." Übri-
gens war man nicht allezeit so neuerungssüchtig, nur neue Me-
lodien zu erfinden; oft begnügte man sich, alte Melodien für
neue Texte zu nehmen oder dieselben teilweise umzubüden, wie
€s z. B. bei den Melodien des Festes SS. Corporis Christi der
FaU ist.
Erst mit dem Ende des XIII. Jahrh. trat wie in anderen
Kirchenmusik. 159
litui'gisohen Sachen bei manchen Kirchen auch im Kirchengesange
eine tiefgehende Verschlimmerung ein, wozu auch noch die
nebenhergehende Mensuralmusik mit ihren Künsten beitrug. Man
zwängte nun selbst den Chor algesang in eine Art Mensur ein,
wovon der Traktat des Hieronymus de Moravia Zeugnis gibt.
Aber immer sehen wir daneben auch die ernsten Bestrebungen,
im Gregorianischen Gesänge die Reinheit möglichst zu bewahren
oder wieder herzustellen. Durch das ganze AlV. und XV. Jahrh.
hindurch ziehen sich die Beweise für solches edles Bestreben,
besonders der Klöster und der Bischöfe. So beklagt in einem
weitläufigen Schreiben Papst Johann XXII. von Avignon (1322)
die Missbräuche der Kirchenmusik und geduldet nur an grösse-
ren Festtagen einen einfachen Discantus, und der Kanzler Ger-
eon von Paris berichtet, dass in der Kirche U. L. Frau nur
Choralgesang benützt werden durfte. Im allgemeinen hatte der
Choral von siBinem Nebenbuhler nicht so viel zu fürchten, indem
die neue harmonische Musik doch meistens Gregorianische The-
men zu Grunde legte, auch bei den alten Kirchen tonarten ver-
blieb und sich doch nur an reicher ausgestatteten Chören, deren
nicht so viele waren, einbürgern konnte;' aber der Reiz der
Neuheit wirkte doch etwas zurück und die grosse Nachlässigkeit,
die sich bei weltlichen Sängern bezüglich des Chorals zeigte,
Hess viel befürchten. Einen entscheidenden Schritt that in dieser
Gefahr das Konzil von Trient. Auf die 24. Sitzung desselben
hin befahl Papst Pius V. in der Bulle vom 8. Juli Ibm, dass das
Officium divinum nach Form und Inhalt neu korrigiert, emen-
diert und danach allein sollte recitiert und gesungen werden,
ebenso dass auch die heilige Messe, sowohl die stille als die
feierlich gesunkene, nm* nach dem neu korrigieiiien Missale dürfe
fcelebriert werden (Bulle vom 14. JuU 1570). Hierdurch ward von
selbst eine Verbesserung und Wiederherstellung des reinen Gre-
forianischen Gesanges geboten. Im Jahre 1581 vollendete Gvii-
etti , der schon früher bei der Emendation des Brevieres und
Missales zu Rate gezogen worden war, das Directorium chori;
Gregor XIII. approbierte es und 1582 erschien es im Drucke
(s. Guidetti). Es enthält ausser dem Officium de Dominica,
den Vespern und dem Kompletorium das Officium der wichtig-
sten Zeiten des kirchlichen Jahres, das Proprium de Sanctis nach
der Ordnung der zwölf Monate, das Commune Sanctorum, das
Officium Dedioationis Ecclesiae, das Officium B. V. M. und De-
functorum. die Psalmentöne, die Singweise der Versikel, der
Hymnen, der Litaneien, der Begi'äbnisse, der Kyrie, Gloria u. a. m.
Eine zweite Ausgabe erschien 1589 noch bei Lebzeiten Guidettis.
Damit war vom heiligen Stuhle selber eine schon sehr reichhal-
tige und durch dessen Approbation nun einzig gültige Quelle für
den liturgischen Gesang aufgeschlossen. Ihr folgten in gleicher
Veise bald die übrigen: das Antiphonarium, in welchem die
turgischen Gesänge für das Breviarium enthalten sind, und das
raduale, d. h. die Sammlung aller bei der heiligen Messe
ich der Ordnung des Missale durch das ganze Kirchenjahr ^e-
ibenen Gregorianischen Gesänge. Letzteres erschien, wahr-
iheinlich von Rugg. Giovanelli nach Palästrinas Tode bearbeitet,
if Paul V. Geheiss 1614—1615 zu Rom in Druck, und geniesst
160 Kirchenmusik.
diese Ausgabe als die einzig approbierte und zugleich treueste
und korrekteste, das meiste Ansahen; das Antipnonarium war
sehen einige Jahre vorher, gleichfalls auf Befehl Paul V., aus-
gegeben worden (die bessere Ausgabe desselben ist die 1650 bei
Kobletti in Rom erschienene). 1644 liess Papst Urban VIII. auch
noch das Hymnarium mit dem cantus firmus und dem cantus
figuratus des Palästrina zu Antwerpen und Rom drucken.
So ward das grosse Werk vollendet, die Gregorianischen
Gesänge für den liturgischen Gebrauch nach dem ranzen Um-
fange der Liturpe bestimmt und durch die päpstliche Appro-
bation die Einheit auch in dieser Beziehung hergestellt, eine That
von immenser Bedeutung. Dadurch ward der Wiljkür eine heil-
same Schranke gezogen und waren eine Menge unkirchlioher
Weisen und nicntssagender Hymnen, Sequenzen und Tropen
oder Interpolationen entfernt worden, welche als zwecklose
Überladungen den Gottesdienst nicht gefördert, vielmehr gestört
und über Gebühr ausgedehnt hatten.
Es fehlte nun nichts mehr — als die Ausführung und An-
wendung; diese liess aber auf sich warten. Der unkirchliche
Sinn hatte in den meisten Ländern schon zu weit um sich ge-
griffen, als dass die vom römischen Stuhle ausgehende Reform
f^en die einreissende weltliche moderne.. Musik einen genügen-
en Damm hätte büden können. Die Übung des cantus gre-
^orianus wurde immer mehr aufgegeben und verblieb fast nur
in den Klöstern und Stiften, von denen die ersteren in vielen
Stücken ihre traditionellen Melodien — durch päpstliches Indult,,
insofern sie älter als 200 Jahre waren — beibenielten; erst nach
der Mitte des vorigen Jahrhunderts nahmen fast alle Orden eine
Verbesserung ihrer Gesangbücher vor und brachten sie mehr in
Einklang mit den römischen. Auch manche Diöcesen und Län-
der behielten ihre eigentümlichen Gesangsweisen — selbst bis
auf die neueste Zeit — bei und nahmen nierbei gleiches Indult
mit den Klöstern in Anspruch. Immer aber, bei noch so grosser
Verschiedenheit der Melodien, wahi'te man die Grundlage des
Gregorianischen Gesanges, die Kirchentonarten, wenn man auch
der Diesis seit dem XVII. Jahrh. ungebührliche Freiheit gestattete
und unter der Finale oder Confinale keinen Ganzton mehr er-
tragen wollte. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass man durch
Harmonisierung des Chorals, resp. durch Orgelbegleitung in rei-
nen Dur- oder Molltonarten den Charakter der lurchentonarten
oft sehr schädigte. Eine weitere Verschlimmerung des Chorals^
dem auch in dieser Periode wieder eine Menge von Provinzial-
und Diöcesansynoden in seiner Würde Anerkennung und Pflege
zu verschaffen sich bemühten, fand sich darin, dass er, wohl
schon seit längerer Zeit, die Freiheit des Vortrages einbüsste
und man neben gleichgültigem, schlechtem Absingen häufig ihn
zu einem Gesänge fast gleicher Notenlänge machte ohne beson-
dere Unterscheidung von gebundenen und getrennten Noten
alles in abgebrochenen Tönen herausstiess (canto martellato)»
Dass er seit Aufhebung der Klöster in mehreren Ländern voll-
ends auf das geringste Minimum zurückgedi'ängt wurde, ist
männiglich bekannt.
Erst in neuerer Zeit brach mit dem Wiedererwachea
Kirchenmusik. 161
kirchlichen Lebens auch die Morg'enröte der Erhebung des Gre-
gorianischen Chorals an. Was seit ein paar Decennien, nament-
Jioh nach dem Vorausgange des römiscnen Stuhles, für Herstel-
lung des liturgischen Gesanges von den Bischöfen geschah, lässt
alle früheren öemühun^en weit hinter sich. In Belgien erhob
sich der Choral zuerst, riesige Anstrengungen machte Frankreich,
und in Deutschland gibt es kaum eine Didcese, in welcher nicht
ernste Massregeln getroffen werden, diese Gesanff sgattung wieder
zur höheren Blüte zu bringen; die Bischöfe una Provinzialsyno-
den erneuten die kirchlichen Prinzipien, und was sie intendier-
ten, führten kirchlich gesinnte, gelehrte Musiker mit Aufwendung
aller Kräfbe aus. Viel ist schon gewonnen, vorzüglich durch die
Cäcüienvereine, mehr wii'd noch geschehen; an revidierten und
neu aufgelegten Choralbtichern, an Orgelbüchem hierzu und an
theoretisch-praktischen Anweisungen zum guten Choralgesange
ist kein Mangel, und wenn auch die Einsicht bei einem grossen
Teile des Musikpersonals in dieser Beziehung tief steht, so lässt
sich gleichwohl bei reger Bethatigung der Geistlichkeit und der
Musikdirektoren noch vieles erhoffen. (Vgl. den Art. „Choral*.)
n. Geschichte der harmonischen Gesangmusik.
Wie im Artikel „Grieachische Musik'* gesagt worden, kann-
ten die Alten eine mehrstimmige Musik, namentlich Vokalmusik,
nicht^die Anfänge dieser waren der christlichen Zeit vorbehal-
ten. Doch auch da lassen sich erst im X. Jahrh. (nach des heil.
Isidors „Origines" schon früher) unscheinbare Keime der Har-
monie im Organum (s. d.) entdecken. Von römischen Sängern
wird diese Musikform zu Metz gelehrt und nach vielfältiger
Übung, besonders im nördlichen Frankreich und den Niederlan-
den, von Hucbald (f 930) zum ersen Mal theoretisch behandelt
und ihr ein legitimer Platz in der Musikwissenschaft gewonnen.
Das Organum, weil von römischen Sängern gelehrt, scheint
darum am frühesten Begutachtung für den Gebrauch der Kirche
erlangt zu haben. Nach unseren Begriffen mag das freilich eine
barbarische Musik gewesen sein, welcne den Cantus fii*mus durch
andere Stimmen m Quinten oder Quarten (diapentissare , dia-
tessaronizare) bald oberhalb , bald unterhalb in paralleler Be-
wegung begleitete; aber auch so rohe Anfänge dürfen nicht
unterscnätzt werden, sie waren eben Anfänge, Keime, welche
sich nach und nach zu den herrlichsten Gebilden ausgestalteten.
Dies ,jOrganizare** blieb nun für lange Zeit die festfiche Weise
des kii'cmichen Gesanges.
Stufenweise und langsam entwickelte sich die Harmonie,
welche sich nun als drittes Element der Musik zu Melodie und
Rhythmus (der freilich auch noch nicht so scharf ausgeprägt
war, wie später) gesellte. Während Hucbald die Quinten für
das Oi'ganum am tauglichsten fand, zog Guido von Arezzo die
Quarten vor, mischte auch andere Töne ein und bahnte dadurch
den Weg zum Diskantus, bei welchem der Mitsänger oder
Diskantierende nicht mit dem Cantus firmus oder Tenor bezüg-
lich der Anzahl der Töne gleichen Schritt hielt, sondern an ein-
zelnen Stellen freie Töne als Koloratur einschaltete, während
der Tenor eine und die andere Note länger aushielt; dass dabei
auch andere Töne als die Konsonanzen eintraten, ist selbstver-
KornmUIler, LexikoQ. 11
162 Kirchenmusik.
ständlich ; am Ende und an gewissen Stellen in der Mitte (pausa,
metrum) trafen sie im Einklänge zusammen. Diese Art des
Diskantierens (üeurettes) war neben der einfachen Ai*t besonders
in den französischen Kii*chen beliebt , wo auch etwas später die
sogenannten Fauxbourdons kultiviert wurden (s. d,\ Duroh
die Diskante kam das Gesetz der Gegenbewegung zur Gel-
tung und durch die dreistimmigen Fauxbom*dons bahnte sich die
regärechte Kadenz an. Ein kleiner Schritt war von da ans
noch zu einer wirklichen drei- und vierstimmigen Musik zu ma-
chen, der auch nicht allzu lang auf sich warten liess. Schon
im XII. Jahrh. begegnen wir Kompositionen zu zwei, drei und
vier Stimmen, als Dechants, Tripla, Quadruple, Motett, Rondel-
lus, Gonductus u. s. w. benannt, von denen die Musikschrifbsti^ler
des XII. und XIII. Jahrh. reden und von welchen ein Kodex
von Montpellier nicht weniger als 340 enthält. Der einfache
Diskantus spielte noch bis ms XIV. Jahrh. eine grosse Rolle,
wobei man aber nicht vergessen darf, dass man unter dem
„Diskantus'^ jeden mehrstimmigen Gesang verstand und obige
genannte Motett, Rondellus u. dj^. nur als Species desselben be-
gi'ififen wurden. Von einigen Diskantier- und Fauxbourdons-
Manieren haben sich in Spanien und selbst in der Sixtina noch
bis heute einige Oberreste erhalten.
Paris, der damalige Hauptsitz aller Wissenschaften, stand
in allen diesen Dingen voran, wie überhaupt sehr viele Traktate
aus dieser Zeit von Sin^neistern dieser Universität oder von
solchen, welche da die Atusik studiert hatten, verfasst sind.
Doch blieben deshalb andere Nationen hinter den Franzosen
nicht oder nicht so weit zurück. England zählte um diese Zeit
berühmte Diskantatoren , in DeutsclSand, Spanien und Italien
pflegte man die Musik sehr, und jede Nation förderte sie auf
ihre eigentümliche Weise , so "dass man einen „modus italicus,
modus anglicus* unterschied; wiederum liebten z. B. die Deut-
schen mehr die Intervallspriinge (oonsonantias interruptas) , die
Lombarden die Intervalle mit inren Zwischennoten (oonsonantias
continuas).
Der Discantus floridus verlangte ein genaues Zusammen-
treffen der beiden Sänger, was aber nicht geschehen konnte,
ohne ieder Note einen bestimmten Wert beizulegen — es drängte
sich die Mensur, die Wertbestimmung der Töne oder Noten
auf, und so gelangte auch der Rhythmus zu gesteigerter Fort-
bildung; es entwickelte sich die Mensuralmusik, welche
Fr an CO von Köln zuerst in systematischer Form und Ordnung
behandelte. Die Noten hatten sich aus den Neumen bereits
in schwarze quadratische Punkte (Fränconote) umgebildet; eben-
falls erscheinen schon im XIIL Jahrh. Imitationen, Repetitionen,
Verkehrungen des Themas und andere Mittel der Komposition —
Einleitungen zum wirklichen . künstlichen Kontrapunkt. Alle
diese Erfindungen und Verschönerungen (nach dem damaligen
Stande der Kunst) wurden beim Kirchengesange angewendet,
wofür man in glaubensvoller Begeisterung das Höchste in der
Kunst zu leisten suchte, anfangs nur in einigen Kirchen; nach
und nach breiteten sich die neuen Formen und Satzweisen,
nachdem das Ungehörige reprobiert war, insoweit sie sich für
Kirchenmusik. 163
-den kirchlichen Dienst tauglich und zweckmässig erwiesen,
überallhin aus. Dass die Kirche sorgföltig über die Einführung
<ler neuen Errungenschaften wachte, sehen wir aus einem Dekret
•des Papstes Johann XXII., 1322 von Avignon aus datiert, worin
«r den Kirchenoberen vorhält, wie die neue Schule in den Gottes-
häusern sich breit mache und durch mannigfaltige Künste der
Mensur und des Kontrapunktes den Gregorianischen Kirchen-
li^ang hintiansetze und verdunkle. Ganz jedoch will der Papst
die neue Singweise aus der Kirche nicht verdrängt wissen, son-
dern gestattet, dass „zuweilen, besonders an Festtagen, bei feier-
lichen Messen u. s. w. emige Konsonanzen, wie die Oktav,
Quint, Quart u. dgl. über aem einfachen Chorale angebracht
werden, wenn dieser selbst nur unversehrt und deut-
lieh bleibe." Dieser letzte Satz ist von grösster Bedeutung,
weU er die Richtschnur für die folgenden Zeiten wurde; die
Kompositeure legten ihren Kirchenmusiken die Ghorahnelodien
zu Grunde und wenn sie dieselben nicht in ihrem ganzen Um-
fuage benützten, so verwendeten sie wenigstens einen Teil der-
selben als Thema, welches sie wohl oft bis zur Unkenntlichkeit
ausdehnten; und wenn sie auch nicht z. B. ein Choral-Kyrie
u. dgl. bei ihren Messen nahmen, so war es doch allezeit ein
Stück aus dem Gregorianischen Antiphonar oder Graduale. Dass
auch weltliche Liederweisen mit kircnlichen Melodien zusammen-
geführt wurden, ja, dass man oft jene den Kirchenkompositionen
VM Grunde legte, war nur eine vorübergehende Abweichung,
welche bei der Kirche nie Billigimg fanaund vom Konzil von
Trient ganz verboten wurde. Auf die Ursache dieser Ungehö-
n^keit kann ich hier nicht weiter eingehen, am besten hat sich
hieiüber W. Ambros in seiner Musikgeschichte, Bd. III, S. 23 u. ff.
ftissge^roohen.
Im Laufe des XIV. Jahrh. hatte sich der künstliche Kontra-
punkt mit seinen strengen Regeln über Intervallenverbindung,
Gebrauch der Dissonanzen, Gegenbewegung, den Kunststücken
der Nachahmung, Vergrösserung, Verengerui^ des Themas u. s. w.
vollkommen entwickwt, obgleicn von eigentlicher Schönheit noch
lange keine Rede war; erst als man in der Behandlung der
Kunatmittel zu einer gewissen Leichtigkeit und Sicherheit ge-
langt war, glückte es bedeutenden Talenten, wirklich musikaliscne
Kunstwerke zu schaffen. Als ein solches Talent erscheint Wil-
h-elm Dufay, im Hennegau gebürtig, Sänger in der päpstlichen
KapeUe zu Rom von 1428—1437, von dessen Kompositionen
noäi. eine ziemliche Anzahl in verschiedenen Bibliotheken vorhan-
den ist. Meist vierstimmig gesetzt, zeigen sie einen regekechten
Kentrapunkt: die Mensur in ihrer ganzen Ausbildung, regel-
mässig eingeführte und aufgelöste Dissonanzen, häufige Nach-
ahmungen und fugierte Stellen. Allen Stücken liegt ein be-
fiitimmtes Thema zu Grunde, welches entweder dem unoral oder
dem rhythmisch bewegteren Volksliede entnommen ist. Der
T-ext ist bei den Messen nur erst am Anfange angedeutet: Kyrie,
Et in terra u. s. w.; ihn gehörig unterzulegen, musste der Sänger
verstehen. Zeitgenossen Dufay s sind: KBinchois, V. Pau-
g'ues, Eloy, Domarto, Brasart, J. Cousin u, a. Diese
11*
/
,164 Kirchenmusik.
gehören der ersten niederländischen Schuje an, ihr Haupt
ist Dufay.
. Vor und neben dem geschriebenen Kontrapunkte (res facta)
bildete zwischen diesem und dem alten Diskantus (bis ins XVIL
Jahrh.) der improvisierte Kontrapunkt, Cantus supra
üb cum oder Cfontp. a mente genannt, eine Mittelstufe; er
war von den Niederländern besonders gepflegt, durch sie in die
päpstliche Kapelle verpflanzt, von wo aus sich wieder verbrei-
tend er eine gi-osse Rolle in Italien und FräAkreich spielte, wer
niger in Deutschland, wo man ihn wohl kannte, aber wenig
acntete. In Vened^ wurden die. Sänger als ,^Contrapuncti^ auf
fenommen, die Konstitutionen der päpsthchen Kapelle von
545 forderten dessen Kenntnis, Zarlino hörte ihn noch singen.
In der folgenden Periode, zweite Hälfte des XV. Jalirh,,
bildete sich das Technische dei- Kirnst immer mehr aus, die
harmonischen Verhältnisse werden nach allen Seiten des dia-
tonischen Systems hin versucht, alle kontrapunktischen Künste
bis zu den sogenannten Rätselkanons — welche im Grunde
nichts anderes waren, als raumersparende Abkürzungen, bewh'kt
durch verschiedene Taktzeichen oder auch Devisen, die man dem
Thema beisetzte, — werden geübt und die Vielstimm ig keit
vermehrt sich. Auch die Notenschrift bildet sich um, indem
an die Stelle der schwarzen Franco-Note die weisse tritt.
Unter den Meistern dieser Zeit, einem Busnois, Regis,
Caron u. s. w. ragt als der erfindungsreichste und fruchtbarste,
der zugleich, durch ein langes Leben unterstützt, das Haupt einer
ausgebreiteten — der zweiten niederländischen Schule
geworden ist und den kunstreichen niederländischen Stü nach-
altig auch für die Kirche festgestellt hat, Johann Okeghem
hervor," ebenfalls ein geborner Hennegauer, zuletzt Kapellmeister
unter Ludw:ig XI. in Tours : er wa-r geboren um 1426 und starb um
1513. Seine Kunst erbte er auf seme Schüler fort, Josquin de
Pros, Brumel, AI. Agricola, Loyset Compere, rierre
de la Rue u. v. a., von welchen unstreitig Josquin (von 1480
biß 1520 blühend) del* vielseitigste und genialste ist; in der mu-
sikalischen Technik ein vollendeter Meister, voll freier Kühnheit,
streng und doch voll Anmut, war er die Bewunderung aller, und
seine Werke, in denen fast jeder Satz durch einen Zug des
Genies ausgezeichnet ist, wurden in allen Kapellen gesucht. Er
lenkte die Kompositionsweise nun dahin , dass sie nicht bloss
künstlich und gelehrt, sondern auch sinnig wurde. So lange
bedurfte es , bis den Tönen auch ein Geist emgehaucht , ein m-
neres mitgeteilt werden konnte, das sich deutlich offenbarte
und als das Höhere den Vorrang über das Technische bean-
sprucht. Man darf eben, um nicht ungerecht gegen frühere
Meister zu sein, nicht vergessen, dass die. Kirnst auch Entwick^
lungsphasen durchmachen muss, vom Ausseren zum Inneren,
von der Technik zum Geiste.
Um diese Zeit (Ende des XV. Jahrh.) beginnt auch die
Ausübung des Notendruckes (s. d.), wodurch (Se Verbreitung
und Pflege der Tonkunst nicht wenig befördert wurde.
Bis gegen Mitte des XVI. Jahrn. standen die Niederländer
als die ersten Meister da; doch blieben andere Länder in der
Kirchenmusik. 165
Musikktinst nicht zurück, wenn sie jenen auch nicht sobald den
Vorrang ablaufen konnten. In Italien hatte sich die Tonkunst
selbständig entwickelt (diese Entwickelung geschah unter dem
Einflüsse des Charakters und der politischen Zustände des ita-
lienischen Volkes und nahm daher die Eigentümlichkeiten; die
Haupt- und Grundgesetze der musikalischen Komposition waren
überall die nämlichen) und es ist ein kräftiger Beweis dafür, dass
Job. Carthusiensis, ein Musikgelehrter aus Namur, nachdem
er sich in der Heimat zum Sänger gebildet, in Italien die Musik,
d. i. die gelehrte Theorie bei viktorin deFeltre studierte.
Italien hatte* ferner seinen Marchettusde Padua (1274) und
Prosdocimus de Beldomando; in Florenz war eine Schule
totstanden, welcher der berühmte Land in o (t 1390), Jacopo
da Bologna, der ausgezeichnete Organist An t. Squarcialupo
(um 1340—70) u. a. angehörten. Durch die Niederländer, welche
in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrb. vorzugsweise als Mitglie-
der der päpstlichen Kapelle von Avignon nacn Rom kamen und
Später an italienische Kirchen berufen wurden , gelangte eine
neue Anregung in die italienische Musik und ward der Grund
zur künftigen Berühmtheit derselben gelegt. So sehen wir nach
Dufay die Meister Josquin und Hobrecht zu Florenz und
Rom; in Neapel sind um 1480 drei berühmte Niederländer: Tin-
ctoris, Bernh. Hycaert und Wilh. Guarnerii; in Mailand
um 1490 Gaspar und Oudenard; die päpstliche Kapelle be-
stand im XV. und anfangs des XVI. Janrn. grösstenteils aus
niederländischen Sängern.
England ging eigentlich den Niederländern voran, indem
Joh. Dunstable iur den Urheber der Polyphonie zu halten
ist, ihm folgten erst Binchois, Dufay u. a. ; er kann als das
Haupt einer eigenen Schule gelten , welche den älteren Diskan-
tus zu höherer Ausbildung brachte. Wenn nun die Tonkunst
in England nicht zu so glänzenden Früchten wie im Nach-
barlanae jenseits des Kanals gedieh, so darf man keineswegs
glauben, es sei dieselbe etwa vernachlässiget worden oder habe
nur ein ärmliches Dasein gefristet. Wie England sich früher
hervorthat, so weist es auch im XVI. Jahrh. Komponisten auf,
welche höchst achtungswert dastehen (Tallis, Bird) und auf be-
ständige treue Pflege der Musik hinweisen.
in Deutschland findet man bis ins XV. Jahrh. hinein
weniger hervortretende Leistungen; die politischen Verhältnisse
leisteten der Entwickelung der Tonkunst auch keinen Vorschub.
Gleichwohl fehlte es nicht an tüchtigen Tonkünstlern. Die Trak-
tate der älteren Lehrer Aribo Scholasticus und Engelbert
von Admont sind aller Achtung würdig; durch einen gewissen
'Wenzel von Prachawitz kam die Lehre von J. de Muris
18 Frankreich herüber; Adam de Fulda ist ein begeisterter
erehrer Dufays, Komponist und musikalischer Schriftsteller;
larean, der Freiburger Professor, gibt in seinem „Dodecachor-
►n" ein unschätzbares theoretisches Werk; 1498 wird in der
iserlichen Kapelle ein Sänger c bor gestiftet u. dgl. Das
blende wurde aber reichlich ersetzt, als um 1500 eine grosse
zahl deutscher Meister des Tonsatzes auftraten: A. Fink,
I s a a c aus Prag, Stephan Mahn, Senfl, Paul Hof-
166 Kirchenmusik.
haimer, Arnold v. Brück u. a. und mit den Niederländern
wetteiferten.
In Spanien waren wie in Frankreich die neuen Musik-
formen bekannt und die Thatsacbe, dass im XVI. Jahrh, viele
spanische Sänger und Komponisten in der päpstlichen Kapelle
emen ehrenvoflen Platz einnahmen, setzt ein eifriges Betreiben
der Tonkunst in den vorhergehenden Zeiten voraus, was \mi sc»
mehr dadurch Bestätigung findet, dass im XIIL Jahrh. Alfons X.^
der Weise, einen musikalischen Lehrstuhl an der Universität
Salamanka gründete, aus welcher Zeit noch eine Sammlung
„Canticas" erhalten worden ist. Und während Spanien eine
f rosse Anzahl Sänger (wohl ist zu beachten, dass die Sänger
er päpstlichen Kapelle auch in der Komposition erfahi'en sein
mussten) nach Rom sendete, waren doch auch seine Kirchen mit
trefflichen Musikkapellen versehen; bedeutende Namen waren:
Balth. Ruiz, Bern, de Figueroa, N. Sepulveda, Math. Fernandez,
N. Castillo u. a.
Gegen Mitte des XV I. Jahrh. trieb die niederländische
Kunst neue Blüten in Oberitalien. Im reichen Freistaate Vene-
dig gab die enge Verbindung des kirchlichen mit dem politischen
Leoen und die ganze Grossartigkeit und Pracht, womit die Feste
in und ausser der Kirche begangen wurden, dem Niederländer
Adrian Willaert, welcher von 1518 an in Rom gewesen, seit
1527 aber das Kapellmeisteramt an der Staatskirche von St. Mar-
kus in Venedig übernommen hatte, Veranlassung, die Musik
ebenfalls grossartiger zu gestalten. Sein Hauptver(Eenst besteht
in der Art und Weise der Behandlung des kunstreichen Psalmen-
gesanges; er liess die Stimmen in zwei oder mehrere Chöre aus-
einander gehen und abwechselnd singen (die Räumlichkeit der
Markuskirche mit zwei Musikchören und Orgeln brachte ihn wohl
auf diesen Gedanken), wobei eine Mannigfaltigkeit der Trennung
und Vereinigung derselben statthaben konnte; übrigens musste
der Gesang doch immer nach dem Psalmtone eingerichtet sein.
Es standen nun nicht mehr blosse Stimmen, sondern Stimm-
körper gegenüber, welche wesentUch Einfluss auf die Entfal-
tung eigentficher Harmonie hatten und ohne Willen des Meisters
nach und nach die Homophonie anbahnten. Auch das Wort
erhielt wieder mehr Berechtigung und Anteil, und die eigentliche
Schönheit des Gesanges una der harmonischen und melodischen
Füg;ung gewann. Willaert, ein fleissiger und sorgfältiger Kom-
ponist, wurde der Gründer der so berühmten venetianischen
Schule, welche sich über ein paai* Jahrhunderte erhielt und.
weithin nach Süden und Norden wirkte. Untet seinen Schülern,
erwarben sich hohen Ruhm: Cyprian de Rore, sein Nachfolger
im Kapellmeisteramte, welcher sein Talent melir der weltlichen
Musik widmete imd eine bestimmtere Scheidung dieser von der
kirchlichen Musik durch die reiche Benützung der Chromatik
zur lebendigeren Betonung des Wortes herbeiführte; — Zarlina
(1565), welcher der grösste Theoretiker seiner Zeit, ja Reformator
der Theorie war, und Costanzo Porta, einer der grössten.
Meister des Kontrapunktes.
In Rom wai', Venedig entgegen, die künstliche Musik ina
unmittelbaren Verkehre mit dem inneren Leben der Kirche
Kirchenmusik. 167
geblieben und hatte sich stets innig an den Grefforianißchen.
Choral angeschnuegt. Im Anfange des XVI. Jahrh. waren es
allerc^gs nooh Fremde, meistens Niederländer gewesen, welche
an der Spitze der Kirchenmusik standen, die Einheimischen selbst
hattai noch wenig Bedeutendes in der neuen Kunst geleistet.
Um 1514 — 1545 erscheint der Florentiner Costa nza Festa mit
einfach würdigen Kompositionen, und unter Leo X. und Kle-
mens VII. steht der Franzose EJliazar Genet, genannt „il Car-
pent^rasso^ in hohem Ansehen. Ausser diesen zeichneten sich
mehrere Spanier, soP. Ferez, Bart. Escobedo und vorzüglich
Christ oforo Morales durch ihre Kirchenkompositionen aus.
Dass Claudio Goudimel neben diesen eine bevorzugte Stelle
ni(^t bloss • durch Kompositionen , sondern besonders durch
Gründung einer Schule des Kontrapunktes zu Rom eingenom-
men habe, aus welcher Animuccia, Palestrina, Nanino und an-
dere Meister hervorgingen, ist gänzlich unerwiesen. P a 1 e s t r in a ,
dui'ch einen Flamlänoer gebildet, war besonders berufen, der
Musik d^n edelsten Geist einzuhauchen und sie mit voller
Freiheit zu höherem Zwecke nutzbar zu machen; durch ihn
erhielt die künstliche Musik die erhabene Form, welche durch
die Kirche für ihren Dienst begutachtet wurde; er schuf Mu-
ster der echten Kirchenmusik und begründete den nach ihm
genannten Palestrinastil. Der Hauptpunkt , auf den
es bei Würdigung dieses Meisters ankommt, ist, dass die F'or-
men des künstlichen Satzes aufgehört haben, Zweck des Ton-
werkes zu sein, dass Palestrina mit eisernem Fleisse sich
zum Beherrscher aller künstlichen Formen erhebend dieselben
zu Mitteln des Ausdruckes herabgesetzt hat. Von den Kunst-
mitteln machte er bald freieren, bald eingeschränkteren Ge-
brauch, je nachdem es Inhalt und Bestimmung des Werkes
geboten. In seinen Kirchenkompositionen (in den der Missa
Papae Marcelli vorangehenden nicnt so sehr) kommt ganz allein
die Sache zur Darstellung, der kirchlich-religiöse Inhalt ohne
subjektive Beimischung und Modifikation; mit ernster Kraft ver-
biBoet sich zarte Anmut, mit grosser Tiefe wohlklingende Klar-
heit, und über alles ist der Adel und die heüige Ruhe der Fröm-
migkeit ausgegossen. Palestrinas Wirken ist für die Kirche von
der höchsten Bedeutung: er zeigte, was der Geist der Fröm-
migkeit mit den Mitteln der strengen Schule machen
könne, und er ward dadm-ch ein starker Damm gegen die auf*
wuchernde Chromatik.
Nächste Veranlassung zu seiner Grösse gab das Konzil
von Trient. Als dieses bei der allgemeinen Revision der Miss-
bräuche in der Kirche auch das Unkirchliche in der Musik in
Erwägung zog, wurde voi'erst im allgemeinen festgestellt, dass
die Bischöfe diejenige Musik, in welcher, sei es bei Orffeispiel
oder Gesang, etwas Prolanes und Unheiliges beigemischt sich
finde, von aer Kirche fern halten sollen ; dann bestimmte es, dass
wie über die Ordnung beim Kirchendienste überhaupt, so auch
über Gesang und Orgelspiel bei demselben die Provinzialsynoden
das Genauere anordnen sollen, einstweilen aber die Bischöfe mit
zwei Mitgliedern des Kapitels schon Vorsorge treffen könnten.
Für Rom ernannte Papst Pius IV. 1564 eine Kommission von
168 Kirchenmusik.
acht Kardinälen, von welchen zwei, Karl Borromäus und Vito-
lezzo, für die Musik designiert -wurden. Diese beiden wendeten
sich an Palestrina, welcher sich durch seine bisherigen Kömpo-«
sitionen als den passendsten Mann bewährt hatte, und trugen
ihm die Komposition einer Probemesse auf, worin den kirohlicnen
Forderungen — Ausschliessung der weltlichen Melodien und der
Textmengung in einem und demselben Stücke, Fernhaltung von
Texten, welche nicht aus den heiligen Büchern geschöpft sind,
namentlich für Motetten deutliches Hervortreten der Textworte —
Genüge geschehe. Palestrina lieferte drei Messen, von welchen
die dritte am 19. Juni 1565 zum erstenmal aufgeführt, allgemei-
nen Beifall und Bewunderung fand. Sie ist bekannt unter dem
Namen „Missa Papae MarcelB", für sechs Stimmen* komponiert.
Diese Messe wurde nun den übrigen und den folgenden Kompo-
nisten ein Vorbild und Muster des Kirchenstiles. (Die Erzäh-
lung Bainis von den drei Messen wird von Dr. F. X. Haberl als
unrichtig erklärt. Kirchenmusikalitches Jahrbuch 1891, S. 90.)
Neben Palestrina wirkten in seinem Geiste : der Florentiner
Giov. Animuccia (f 1571), der geistreiche Spanier Tom. Lud.
da Vittoria, Feiice Anerio, ralestrina's Nachfolger als Kom-
ponist der päpstlichen Kapelle, Franc. Anerio und Giov.
Maria Nanino, welcher, von Palestrina unterstützt, 1575 eine
Schule der Komposition eröffnete, die, dessen Geist zum Vorbüde
nehmend, als „die römische Schule" diesen Geist von Meister
auf Meister fortpflanzte und vielleicht in Baini ihren letzten
Vertreter gesehen hat.
Allenthalben treten in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrh,
grosse Meister der Tonkunst auf, in England: Christoph Tye
um 1548, Rob. Wite, Th. Tallis, f 1585, William Bird,
t 1623, Th. Morley u. a.; in Frankreich, in Spanien: D. Ortiz,
Fr. Guerrero, T. Navarro u. a.; in Deutschland: Gr. Aichin-
ger, Jakob Handl, genannt Gallus, Ad. Gumpelzhaimer,
Leo Hasler, J. Eccard, Seth Calvisius, die beiden Prä-
torius u. a. Die Niederländer aber nahmen- im ganzen Norden
noch vorzüglich die musikalischen Ehrenstellen ein. Namen wie
J. Richafort, N. Gombert, Crequillon, Canis, Clemens
von Papa, Philipp de Monte u. a. waren hochgeehrt; über
allen aber ragt Roland de Lattre oder Orlandus Lassus,
t 1595 als herzoglicher Kapellmeister in München, hervor, frucht-
bar im höchsten Grade an Kompositionen, sowohl im weltlichen
als kirchlichen Fache : gross und erhaben im Stil, voll Schwung
und Mannigfaltigkeit bei grosser Tiefe, in besonders kräftigen
und volltönenden Harmonien sich, entfaltend, doch an kirchlicher
Strenge oft hinter Palestrina zurückbleibend. Mit Lassus hat
die Blüte der Niederländer ein glänzendes, aber schnelles Ende
genommen.
Dieses .Jahrhundert hat die harmonische (kontrapunktische)
Kirchenmusik auf den Höhepunkt ihrer Vollendung geführt,,
nicht bloss die Technik hatten die Meister aufs höchste geför-
dert, es war kräftiges ^eben , tüchtige Satzfügung und Konse-
quenz in den Musikstücken, sondern auch zum wahren Aus-
drucke eines Inneren waren sie geworden, es sprach ein Geist
aus ihnen.
Kirchenmusik. 169
Gewöhnlioli blieb man beim vierstimmigen Satze, ohne
dass deswegen über Mangel an mehrstimmigen Stücken zu kla-
fen wäre. Mit Vorliebe jedoch wurde von einigen Tonsetzern
er mehrchörige Stil, die öchöpfung Willaerts, in Anwendung ge-
bracht, und vorzügliche, grossartige Kompositionen waren die
Frucht dieser Bemühungen. Das Konzil von Trient hatte beson-
ders wohlthätig eingewirkt auf die Komposition, dass sie dem
Mrehüchen Geiste mehr und mehr entspreche; die künstlichen
Formen wurden eingeschränkt; der Bedeutung des Textes mehr
Gewicht beigelegt, und auch die weltlichen Themate, welche
von den Niederlandern und Deutschen häufig angewendet wur-
den (bei den Messen), wichen den kirchlichen MSlodien, deren
sich die römische Schule fast ausschliesslich bediente, während
die Venetianer bald nur eigene, frei erfundene Motive zu Gininde
legten. In dieser Weise arbeiteten die grossen Organisten von
St. Markus: Andreas Gabrieli und Claudio Merulo; des
ersteren Neflfe Johannes Gabrieli trat mehr in die Fussstapfen
von Cyprian de Rore, und gewährte überdies in seinen ku'ch-
lichen Kompositionen, die oft für mehrere Chöre gearbeitet sind,
der Chromatik schon mehr Einfiuss; bei allen: diesem zeigt sich
auch das Trachten nach grösserer Bewe^chkeit und Fi'eiheit
der Melodie, das Streben, jede durch den Text, ja, dessen ein-
zelne Worte gegebene Anschauung durch entspreonende, in sich
verständliche Tonfiguren auszudrücken, deren Bedeutung durch
entsprechende Harmonien hervorzuheben; der Kirchenton wiu'de
noch mit aller Schärfe betont.
Mit dem Beginne des XVII. Jahrh. aber bereitete sich ein
rascher Abschwung dieser Kompositionsweise vor. Dies g^eschah
durch die auftauchende Monodie und den dramatischen
Einzelpesang. Nachdem diese Gesangweise in der weltlichen
Musik sich bis 1600 zu einer hohen Stufe jgehoben hatte, benützte
sie Viad'ana 1597 auch fiir die Kirche, m dem Falle, dass man
nicht zu mehrstimmigen Gesängen genug Sänger hatte, und
sehi'ieb seine Kirchenkonzerte fiS eine oder zwei Stimrhen
mit begleitender Orgel (Baseo continuo, Bassus generalis), wel-
cher Orgelstimme oder welchem Basse er bald einen selbständi-
fen Charakter gab. Da die Oberstimme und der Bass ihre
elbständigkeit zu wahren suchten, die Mittelstimmen dieselbe
einbüssten und zu Füllstimmen herabsanken, so ergab sich von
selbst, dass über jeder Bassnote der Dreiklang angeschlagen wer-
den musste und hierdurch schliesslich die Homophonie über die
Polyphonie zu herrschen begann. Beim dramatischen Einzel-
gesang fand man, um die einzelnen Gemütsbewegungen und
Ipidenschaftlichen Ergüsse auszudrücken, da? Chroma und die
Dissonanzen höehst geeignet. Diese mussten aber die Kirchen-
tonarten untergraben, diese auf den unveränderten Tönen der
Skala beruhenden Tonarten nach und nach zu den heutigen
zwei Tongeschlechtern Dur und Moll ausgleichen, in welchen
wohl schon von Alters her die Volksmusik sich hören liess, die
jedoch von den gelehrten und geschulten Musikern nicht oder
iidohst selten angewendet wurden. Damit änderten sich zugleich
iie harmonischen Gesetze; gegenüber den verschiedenen
aiTnonischen Beziehimgen der alten unter sich verschiedenen
170 Kirchenmusik.
Tonarten treten nun, da die Tonarten siöh zu zwei in allen
Verhältnissen wiederk^renden veraUgemeinem, ebenso gleiche
Verhältnisse in modulatorisoher Hinsiont überall ein und es bildel»
sieh das neuere Tonsvstem aus.
Bei dem nun rasch erfolgenden Aufschwung der weltlichen
Musik, in welche auch die Kirchenkompositeure verwickelt wur-
den, bei der Förderung der Musik nach dramatischer Seite Inn
und der Anwendung neuer dazu dienender. Kunstmittel, konnte
ein schlimmer Rückschlag auf die Kirchenmusik gar nicht au&r
bleiben. Neben der nunmehr häufiger auf den Kirchenchören
ertönenden Instrumentalmusik that sich eine mit schnelleren
Noten ausgestattete Melodie hervor, welche sich oft anstatt der
früheren lang gehaltenen Noten in aUerlei Koloraturen, Passagen^
Läufen u. a. erging; Soli, Duetten wechselten mit Chören, und
man wollte, wie Viadana sagt, nun auch in der Kirche den ^in-
fern Gelegenheit geben, ihre Kunst zu zeigen und beim Publikum
Ihre einzulegen.
Von I&lien breitete sich diese neue Musikweise bald in
alle Länder aus, nach Deutschland kam sie hauptsächlich durch
Öeinrich Schütz (Sagittarius).
Dass unter solchen Umständen die polyphone Musik bald
in den Hintergrund treten musste, ist ganz natürlich; der strenge
Stil a capella machte allmählich dem viel freieren und ^aziöse-
ren stile concertante Platz* Gleichwohl fand sie noch m vielen
Kü'chen liebevolle Pflege imd es thaten sich noch ansehnliche
Meister hervor, welche der palestrinischen Kunst hohe Ehre
machten. So Paolo Agostini (f um 1660), Fr. Foggia (1604
bis 1684) , Oraz. Benevoli, der die tiefsten Kenntnisse im
Kontrapunkte besass, die beiden Bernabei, Th. Bai, einer der
grössten Meister in richtiger Aecentuirung der Wortsüben, der
feine, sinnige Corce, Ant. Caldara, Gregorio Allegri
(t 1640), der grösste Stern dieses Jahrhunderts, u. a. Bezeichnend
ist auch, .dass man die möglichste TonfüUe, die man durch die
Anwendung von Instrumenten erreichte, auch oft auf den Ge-
sang übertrug und die kunstreiche Polyphonie weniger Stimmen
für zu wirkungs- und eifektlos erachtend, das Massenhafte aus-
bildete und z. B. Messen zu drei, vier, ja zu zwölf Chören kom-
ponierte (s. mehrchörig). Mit dem XVIII. Jahrh. seheint der
palestrinische Geist und seine Kirnst ganz zu Grabe zu gehen^
der Opernstil drang in die Kirche unaufhaltsam ein, polyphonische
Verwickelungen, wie sie die römische Schule in ihrer Blütezeit
übte, galten nichts mehr, an ihre Stelle trat die streng abge-
messene Fuge und ein sehr bewegter, oft sehr leichtfertiger
fugierter Stil, welcher ein schlechter Ersatz für die 3te
Erhabenheit war; sonst behauptete die Homophonie und das
Solowesen das Feld. Die ernste christliche Schreibweise (für
Gesang) nahm eine andere Gestalt an, die Kirchentonarten ver-
stand man kaum mehr, überall drängte sich das moderne Ton*
System ein, so dass man, für den I. Ton reines D-moll, für den
lll. E-moU mit eigenem Schlüsse u. d^l. annahm; man verliess
die schöne Satzfügung der Alten und hielt sich an kürzere Sätze^
deren jeder, auch der kürzeste, seine eigene bald halbe, bald
ganze Kadenz bekam. Dazu war das ganze derartige Tongebilde
Kirchenmusik. 171
(a capella) steif^ trocken, ohne die Würde und Erhabenheit, ohne
den Anhauch der Andacht und Geisteserhebung, ohne den edlen
Schwung, welcher die älteren Kontrapunktwerke aufizeiohnet;
man war darin nicht mehr heimisoh, da die Kirchenkomponisten
fewö'tuilich auch Bühnenkomponisten waren und daher ihr^i
ochsten Ruhm holten. Gleichwohl finden sich noch Männer,,
welche sich bestrebten, den alten ruhmreichen kirchlichen Vor-
bildern zu folgen. Unter diesen nennen wir: AI. Scarlatti,
Dur ante, Leon. Leo (welche beide mit G. Greco Stifter der
berühmten neapolitanischen Schule waren; diese Schule
repräsentiert die Epoche des „schönen Stiles**; aber ihre
Stifter stehen noch m der Mitte der alten Strenge und der spä-
teren Sentimentalität, Zerfahrenheit, Haltlosigkeit, Leidenschaft-
lichkeit; sie verklärten den frülieren Ernst zu schÖnePMilde,.
der -spätere Leichtsinn war noch durch Ernst und Gediegenheit
ferne gehalten; plastische Schönheit, Ebenmass, architektonischer
Verstand in der Gruppierung, überall feiner Sinn für das rechte
Mass, Grazie war ihnen eigentümlich). Fr. Feo, den gewandten
Perti, Giamb. Martini, AI. Pavona, Ant. Lotti, welcher
der ruhmvollste Vertreter der venetianischen Schule im XVIII»
Jahrh. ist, Gr. Ballabene, Fux und besonders der gi'osse Römer
Pitoiii.
Als^ um 1750 in Deutschland die Instrumentalmusik mit
mächtiger Kraft und Fülle zu hoher Kunst sich zu heben begann^
hatte vollends die letzte Stunde für den wahren kirchlichen har-
monischen Gesang geschlagen, und wenig fruchtete es, dass noch
Männer wie Martmi, Valotti, r avona, Vogler u. a. sich bemühten,
einen kirchlichen Stil aufrecht zu erhalten sogar in den instru-
mentierten Kirchenstücken, geschweige in Gesangstücken, mit
welchen man ganz und gar aufräumte (Ausnahmen kamen aller-
dings vor in Deutschland sowohl als in Spanien und Italien, wo
namentlich die sixtinische Kapelle mit Ausschluss selbst der
Orgel am Stüe a capella festhielt). Es gab in Deutschland bald
keine Kirchenmusik mehr — ebenso wenig als in anderen Län-
dern, nur Spanien verhielt sich conservativer, da dort auch die
Oper gegen andere Länder weit zurückblieb.
Erst im Beginne des laufenden Jahrhunderts traten ein-
zelne Männer hervor, welche die alten Meister wieder würdigten
und aus den Archiven hervorholten, so der fromme und kunst-
reiche Kasp. Ett zu München, welcher nachgehends selbst im
alten Stile einige Werke zu liefern versuchte. Einen Haupt-
anstoss zur Wiedererweckung der gefeierten Musik des XVI. Jahrh.
fab der König Ludwig L von Bayern bei der Einrichtung der
önigUchen Aflerheüigen-Hofkapelle, in welcher nur kontrapunk-
tische Werke zur Aufführung gelangen sollten. Tüchtig ai'bei-
tete auf diesem Felde dann weiter der langjährige HoTkapell-
meister C. Aiblinger, die Hofkapläne Schmid und Hauber,
welche mit Ett treu kämpften una stritten, hauptsächlich dm*eh
Sammlung und Aufführung alter Meisterwerke. Unterdessen
kam Dr. Karl Proske, ein ausgezeichneter Musiker, nach Re-
gensburg, welchej' nun um Hebung der Kirchenmusik unver-
gängliche Verdienste sich errang, zweimal die Musikarchive der
vorzüglichsten Städte Italiens durchforschte, Abschriften machte.
]
172 Kirchenmusik.
«ine reichhaltige Bibliothek alter Meisterwerke anlegte und zuletzt
unter Autoritelt des Bischofes Valentin einen Jahrgang solcher
Kirchenmusik unter dem Titel „Musica divina* in vier bedeu-
tenden Bänden mit Separatstimmen, dann einen „Seleotus novus
Missarum^ veröffentlichte. Ihm zur Seite bemühte sich Job.
Oeorg Mettenleiter mit Ausführung dieser Werke in der
alten Kapelle zu Regensburg, wie auch der tüchtige Domkapell-
meister J. Schrems daselbst. Gleichzeitig veranstaltete der
Domherr Stephan Lück in Trier eine Sammlung praktischer
Kirohenstücke , und selbst Akatholiken erkannten den hohen
Wert der alten Meisterwerke, so dass ihre Kapellen und Aka-
demien diese Musik pflegten (so der kgl. Domchor in Berlin, die
kais. ri^sische Hofkapelle in Petersburg etc.) und Ausgaben der-
selben Veranstalteten. Nicht minder trugen ferner begeisterte
Männer für die Hebung der katholischen Kirchenmusik, wie be-
sonders für die Wiederaufnahme dieser Musikgattung durch
anregende Schriften bei, so der berühmte Heidelberger rrofessor
'Thioaut, der Pastor Stein in Köln u. a. Durch solche lang-
wierige Thätigkeit, oft von bitteren Kämpfen und Mühen be-
gleitet, blüht die kirchliche Gesangsmusik wieder schöner heran
und hat in vielen Kirchen wieder Eingang und Pflege gefunden.
Das grösste Verdienst hierin gebührt dem Kanonikus Dr. Franz
Witt, welcher durch seine Schriften ein besseres Verständnis
dessen , was der Kirchenmusik not thut , anbahnte und durch
<lie Gründung des alsbald vom heiligen Stuhle begutachteten
•Cäcilienvereines (s. d.) den Anstoss und das Mittel zur Reform
der gesunkenen Kirchenmusik gab. Grosses ist seitdem gelei-
stet worden.
in. Geschichte der instrumentierten Kirchen-
musik. Im Artikel „Instrumentalmusik" ist schon das Nötige
über die Nichtanwendung der Instrumente beim katholischen
Gottesdienste in dem ersten Jahrtausend gesagt worden. In den
folgenden Jahrhimderten finden wir wieder nur die Orgel in den
Kirchen zugelassen, doch mehr oder minder ist ihr Gebrauch
•eingeschränKt; Honorius Augustod. (XII. Jahrb.) schreibt: „Bei
der heiligen Messe wenden wir Gesang an, bei den Hymnen
und Lobgesängen (Sequenzen, Te Deum, Magnifikat u. dgl.)
wollen wir Gott auch mit der Orgel und mit Glocken dienen."
Man scheint es noch lange für störend und ungeziemend gehal-
ten zu haben, zu der Zeit, wo die höchsten Geheimnisse geleiert,
■das heiligste Opfer vollzogen wurde, andere als Menschenstim-
men ertönen zu lassen. Freilich war die Orgel noch sehr unbe-
holfen; aber je mehr sie Verbesserungen ermhr, ihr Ton ange-
nehmer, ihre Mechanik handlicher, ihr Umfange grösser wurde,
desto mehr Anteil gestattete man ihr an (^er kirchlichen Musik.
Auch ihr Spiel vervollkommnete sich unter dem Einflüsse der
t aufblühenden Harmonie, wie auch sie unzweifelhaft wieder auf
f, diese rückwirkend war. In welcher Weise aber die Orgel ge-
j handhabt wurde, lässt sich nicht so leicht bestimmen, da die
I; ältesten bekannt gewordenen Orgelstücke erst dem XV^ Jahrb.
r angehören; in dieser Zeit und noch lange Zeit nachher war der
L Orgelstil vom Vokalstil in nichts unterschieden. Man begleitete
r- mit Orgelspiel die Gesängstücke, besonders die Choräle, und als
l!
.L±
Kirchenmusik, 175
Viadana um 1600 mit seinen Concerti spirituali hervortrat, er-
schien hei den ein- oder zweistimmig ausgeführten (ursprünglich
melirstimmig komponierten) und hei den monodisch gebildeten
Gesängen die Orgel als ein notwendiges, Füllung und F\indament
gebendes Instrument; auch bei vollständig mit Gängern besetztem
Chore ^ab man die Orgel (Basso contmuo) oft als Begleitung
beL Dies wurde alsba}d so heliebt, dass um 1620 ein Kusp.
Vincentius, Organist in Würzburg, das „Opus ma^um mus/
des Orlando Lasso (516 Nummern) vollständig mit einem Bassp-
continuo versehen hatte , und in der Folgezeit wenige Werke
zur Ausgabe gelangten, die nicht von einem „Basso ad Organum
accomoaato'* oder ^Basso generali ad org." (bei zwei ijnd drei
(]Iliören) von „duplici" und -triplici Basso ad org. accomodato^
begleitet gewesen wären. Ebenso nützlijoh erkannte man die»
Instrument zur Ausfüllung von Zwischenpausen oder zur Ein-
leitimg zum Gesänge (Präludien etc.). Das Orgelspiel gewann
mit dem Anfange des XVL Jahrh. einen sehr hohen Aufschwung,
und da ihr ganzes Wesen sich mit dem kirchlichen Charakter
leichter vertrug, durch hohen Ernst und Würde bei ^osser Ton-
fülle wie kein anderes Instrument zu kirchlichem Dienste sich
empfahl, so finden wir sie auch durch alle Jahrhunderte gleich-^
sam als liturgisches Instrument ihren Platz in den Kirchen ein-
nehmen. Gleichwohl nahmen sie einige Kirchen auch nicht an,
wie z. ß. die päpstliche Kapelle bis auf den heuti|jen Tag. Dass
Missbrauch an manchen Orten nicht ausblieb, wird Niemanden
befremden; die Kirche hat ihn aber jederzeit gerügt, ohne den
rechten Gebrauch der Orgel beim iSottesdienste zu verbieten.
Die VerordnitQg des Konzils von Trient (sess. 22.) lautet: „Von
den Kü'chen sollen ferne gehalten werden jene Musiken, bei
denen, sei es durch das Orgelspiel, sei es im Gesänge, etwas.
Leichtfertiges und Wollüstiges sich eingemischt finde." Und so
betrafen und betreffen noch alle Stimmen, welche sich gegen
das Orgelspiel in der katholischen Kirche erheben, nicht dieses-
an sich, sondern immer nur die ärgerliche oder ungehörige Be-
handlung desselben.
Anders gestaltet sich die Sache bei den übrigen Instru-
menten, diese hat die Kirche nie gebüliget, weil sie in ihnen nie
eine Zierde des Hauses Gottes sehen konnte, vielmehi* Störung,
Hineintragung des w.eltlichen Wesens ins Heiligtum, und durch
sie manch anderes Ärgernis veranlasst fand. Wir finden auch
weder in den Schriften, noch in den Konzilienbeschlüssen, noch
in den auf uns gekommenen Musikwerken bis um die Mitte des-
XVI. Jahrh. eine Andeutung, dass andere Instrumente als die
Orgel für die Kirche benützt wurden. Nm* sporadisch mögen
solche Fälle vorgekommen sein, wie z. B. Gerson (um 14(X)) mel-
det, dass er ausser der Orgel in einigen Kirchen auch eine Tuba
^Trompete oder Posaune), sehr selten aber tiefe Trompeten (bom-
)ardas) oder Schalmeien oder Krummhörner angewendet sah. Dass-
\m die Zeit des beginnenden zweiten Jahrtausends die übrigen
nstrumente füi* die Kirche als gänzHch untaugUch befunden
rurden, darf nicht wundern, da man einenteÜs noch strenge an
Bn kh-chhchen Vorschriften hielt und alle Neuerungen möglichst
itfernt zu halten suchte, andernteils aber auch die gewöhnlichen
1 74 Kirchenmusik.
Instrumente ihrem ganzen Charakter nach für die Bhrwürdigkeit
dee OottesdienBtes mcht passten, indem ihr Grebraueh ein sehr
weltlicher war, obwohl wir übrigens annehmen können, das»
man zur Zeit der Troubadours und Ministreis sie fertig spielte
imd dass man sie, als die Stadt- und Kunstpfeifer und Türmer
«ie in „ehrlichem Grewerbe^ trieben, auch regelrecht und kunst-
voll, d. h. dem doiisnaligen Stande der musikalischen Ausbildung
femäss, handhabte, dass also in Bezug auf die Fertigkeit des
pieles kein Mangel sich zeigte. In mehreren Beziehungen lief
ihnen aber die Orgel den Rang ab, welche einmal nur lür die
Kirche benützt dem weltlichen Gebrauche j^anz entzogen war,
dann durch die Macht imd Anmut ihi*er Tone, besonders bei
•eintretenden Verbesserungen (Register) durch Fülle der Harmonie
sich emjpfahl, und das gebundene Spiel , das lange Anhalten des
Tones und die Unmöghchkeit, schnelle weltlich klingende Fiffu-
ren einzumischen, wie das Spiel keines anderen Instrumentes aer
H^ä^keit und Würde des Gottesdienstes entsprach. Erst um
die Mitte des XVI. Jahrh., als der Musik allenthalben höhere
und allseitige Pflege zugewendet wurde, tauchen Nachrichten
über den Gebraupn einiger Instrumente in der Kirche in be-
stimmterer Form auf. iSoö verordnet das Konzil von Cambray,
dass bei einem gesungenen Credo weder Orgel noch Instru-
mentalmusik zur Verwendung komme, ausser sie sei der Art,
dass jedes Wort verstanden werden könne; bei denjenigen
Stücken aber, welche zum Lobe Gottes g^iören, z. B. minnen,
Gloria, Sanktus, sei die Musik an ihrem Platze. Derlei verord--
nungen waren aber, das darf man nicht übersehen, noch lai^
keine allgemeinen, d. h. für die ganze Kirche, sondern bloss mr
einzelne Provinzen und Diöcesen geltende Verordnungen; die
Kirche kennt für ihren Gottesdienst nur ihren Choral und lässt
hin -und wieder zur Erhöhung der Feierlicheit mehrstimmigen
Gesang und die Orgel zu. Auch das Konzil von Trient redet
nnr von der Orgel und von keinem anderen Instrumente, und
das Maüänder Konzil 1575 und viele andere bestimmen, es solle
nur der Orgel eine Stelle in der Kirche eingeräumt werden, die
Flöten, Hörn er und die übrigen Instrumente sollen ausge-
schlossen sein. — Einen wesentlichen Anstoss zur Einführung
der Instrumente in die Kirche haben unzweifelhaft auch die
fressen Kapeilen gegeben, welche kunstliebende Fürsten und
idle an ihren Höfen einrichteten und dahin nicht bloss die besten
Sänffer, sondern auch vorzügliche Instrumentisten zogen. Das
Titelblatt zum II. Teüe des „Opus novum" von Orl. Lasso zeig^
die Abbüdtmg der damals gebräuchlichen Instrumente: Glavi-
ehordium. Laute, zwei Chelys (eine grosse und kleine Geige), zwei
Flöten, zwei Zinken imd zwei Tubae (Ti'ompeten), und der bald
auf den Titeln erscheinende Beisatz „tum viva voce, tum cujus-
vis generis instrumentis^ weist auf ihre Ausführung durch Instru-
mente, sei es mit oder ohne Gesang, nicht bloss ausser, sondern
auch in der Kirche (dabei hatten die Instrumentisten keine eigens
ausgeschriebenen Stimmen, sondern spielten aus dem Singpart)
hin. So veröffentlichte der Salzburger Kapellmeister Hasen-
knopf „Sacrae cantiones (München, gedruckt bei Berg 1588)
ö, 6, 8 et plurium vocum, tum viva voce tum omnis generis
Kirchenmu&ik. 175
inttrumentis cantatu acoomodissimae^ ; Johannes Croc.e 1607
SB Venediff Motetten zu aoht Stimmen -con Ofini istromeiiti^ ;
M« X Staaeimayr.k. k. Kapellmeister, Magnifikat und Psalmen
mit Instrumenten. BernardBorlasca, kurfüi*stlich bayerischer
Kapellmeister, beschreibt uns in der Vorrede zu seiner ,,Scala
Jacob* (Venedig 1616) sogar die Einrichtung eines instrumen-
tierten Doppelchores: „In den ersten Chor smd die vier Haupt-
stimmen nut dem Sopran (Eimuchen oder Falsetisten) zu steifen
^t Begleitung von Saiteninstrumenten, als Viola a bräccia,
iHm^ba, arpona, lyra, wie es der Brauch ist in der bayerieoben
Hofkapelle, wo man eine grosse Anzahl Instrumente jeder ^at-
timg hat. Den zweiten Chor bildet dieselbe Art Singstimmen,
über zu ihnen treten andere Instrumente, wie Gornett, Posaune
<^ompona bene temperata) mit einer Violine. * Den Meistern
An fürstlichen Höfen standen eben ansehnliche Orchester zu Ge-
h&%e, welche man auch für die Kirche ausnützen wollte, fiM> dem
Oriandq Lasso zu München neben 60 Sängern 30 Instrumentkten,
CL Moriteverde zu Venedig verfügte über ein Orchester von 33 In-
«ttmnenten ; kleinere Chöre mussten sich, wollten sie Instrumental-
musik haben, mit der Orgel begnügen, für welche sich der
Organist das Stück in Tabülatur schrieb und die Sänger Note
für Note begleitete oder (nach 1600) einen „Basso continuo^ sich
aussetzte; gebrauchten sie Instrumente, so waren es im allge-
meinen nur die Posaunen, auf welchen sich alle Töne der Skala
leicht und rein blasen Messen, dann noch die Zinken oder Tpom-
peten, weniger die Saiteninstrumente, welche man für die Kirche
viel zu schwach und weichlich hielt; Posaunen blieben auch
iMK^ später nebeii der Orgel ein beliebtes Begleitungsmittel. In
Sjpiuuen bediente man sich sehr gerne der Harfe, deren GrebrflMich
ms^ in der Kathedrale von Pampelima noch erhalten hat.
}/ät dem Beginne des XVUI. Jahrh. machte der Gebrauch
4« Instanimente auf den Kirchenchören einen bedeutenden Portr
«chHtt. Unzweifelhaft trug die neapolitanische Schule viel dazu
-bei, welche ihre Kirchenwerke häufig mit Instrumenten versah,
insbesondere nachdem AI. Scarlatti ein proportioniert zu-
sammengestelltes Orchester, wie es nie voiiier der Fall
war, eingeführt hatte, das in Violinen, Viola, Violoncell,
Kontrabass, zwei Oboen und zwei Hörnern bestand, und wodurch
-er den Grund zur Vervollkommnung und Verselbständigung der
Instmmentalmufiik legte. Seit dieser Zeit ungeföhr mehren sich
4ie instrumentierten Kirchenstücke, welche auch in ihren Gesang-
partien immer mehr einen weltlichen Charakter annehmen, und
drängen den reinen Gesang zurück. Nur die besseren Meister
Imlten noch am alten Kirchenstile fest, obwohl es auch ihnen
ö*ir seltener geUnf^, den ehrwürdigen Ton, der die Werke eines
Palestrina, Vittoria, Hasler u. a. adelt, zu finden und der Musik
<Len Charakter der lebensvollen Gläub^keit und Innigkeit auf-
■zttprägen. So sehr der Weg, welchen die Instrumentalmusik
be&eten hatte, sie zu hoher Ausbüdimg und Vollkommenheit
-2U führen geeignet war^ so unheilvoll war er fiir die Kirche, da
<iie Tonsetzer rar weltliche Musik gewöhnlich auch Direktoren
Tind Komponisten für die Kirchenchöre waren; zwei sich so
widersprechende Elemente, wie Bühnen- und Kirchenmusik,
176 Kirchenmusik.
können aber nicht von einer Person besorgt werden, ohne das^
eines von beiden benachteiliget wü-d und dasjenige, welches
mehr den Sinnen schmeichelt, die Oberhand behält. So kam es,
dass die weltlichen Formen in der Kirchenmusik sich geltend
machten und der leidenschaftliche und rein individuelle Ausdruck
als das Höchste gepriesen ward. Und wenn auch bis über die
Mitte des vorigen Jahrhunderts hinaus den Singstimmen noch
ein VoiTang gelassen wTu*de und das Instrumentale noch eine
untergeordnete Stellung beibehielt, so trug sich doch die instrur
mentäe Beweglichkeit auf die Singstimmen über und that der
Würde und dem Ernste des Gottesdienstes grossen Abbruch; al»
Beispiel mögen die Werke eines Brixi gelten. Den Komponi-
steuj welche über der weltlichen Musik das Verständnis heu^er
Musik eingebüsst hatten, lag zudem oft nur daran, einem »prak-
tischen Bedürfnisse^ abzuhelfen, ohne weitere Rücksicht auf den
kirclüichen Geist. Nach Seb. Bach, dem Wendepunkte zwischen
der alten und neuen Zeit, verselbständigte sich die Instrumental-
musik immer mehr und es trat die Herrschaft der Melodie und
die durch die Homophonie bedingte freiere Weise individuellen
Ausdiiickes stärker als je hervor. Die Kirchenwerke sanken
nach und nach neben den Solosätzen und Fugen fast zu blossen
Instrumentalwerken über einem wenig oder nicntssafy^enden höchst
simplen Gerüste der Singstimmen herab; selbst bei den genialer
ren Tonsetzern ward dieser Mangel oft fühlbar (Naumann, Haydn,
Mozart, Jomelli u. a.). Bei den Deutschen reifte der Instrumental-
stü durch Joseph Haydn und W. Mozart der Vollendung ent-
fe^en und eiTeichte in Beethoven den Gipfel der VoUkommen-
eit; nebenbei tauchten auch, wie in Italien der Bravourgesang
sich hob, in den anderen Ländern Virtuosen des Instrumentat^
Spieles auf, kurz, die Musik erfreute sich einer höchsten Pflege,
Vervollkommnung und Veredlung. So sehr dies alles seine Be-
rechtigung für die Bühne, die l^ammer imd den Konzertsaal
hatte, so ungehörig es aber für das Haus Gottes erscheinen
musste, wo man nicht mit einschmeichelnden Melodien und Har-
monien die Ohren kitzeln, mit scharfen und hinreissenden Rhyth-
men die Leidenschaften erregen, mit Künsten auf das Lob des
-Publikums^ spekulieren soU, — man trug all die weltlichen
Vorzüge auch auf die Kirchenmusik über. Wie man schon früh-
zeitig das seelenvolle Spiel des Violinvirtuosen Corelli (f 1713) in
einigen Kirchen Roms zu hören wünschte, so ward auch bei den
Deutschen ein ähnliches Begehren wach, die Kirnst ihrer grossen
Meister, — die allerdings sehr gross waren in weltlicher Musik, —
im Hause Gottes zu vernehmen, d. h. den alten Stü, die kirch-
lichen Weisen zuiilckzusetzen , dem weltlichen Stile und der
Bravour Platz zu bieten und dem Orchestralen das Übergewicht
über dem Vokalen zu gestatten. So trugen J. Haydn und Mo^
zart ihre hohe weltliche Kunst auf ihre Kirehenwerke über;
ersterer stattet seine Messen mit der vollen von ihm erfundenen
Pracht des Orchesters aus und ergeht sich mit seiner ganzen
lebensfreudigen Natürlichkeit im Heiligtume; des letzteren uni-
verselles Genie wäre geeignet gewesen, auch das Kirchliche in
orinneller Weise anzufassen und darin gross zu werden, wenn
er 2ieit und Ruhe genug gefunden hätte, fiir die Kirche ernstlich
Kirchenschluss — Kirchenspi'ache. 177
genug zu denken. Beide wurden der Ausgangspunkt der neueren
verweltlichten Kirchenmusik, welche durch den am Anfange
dieses Jahrhunderts bewunderten Rossini-Stil zm* vollen Er-
bärmlichkeit herabgedrückt wurde. Edler dachten noch viele
Kompositeure und suchten die Kirchenmusik auf höherer Stufe
zu erhalten (Cherubini, Vogler, Stadler, Eybler u. a.),
aber auch sie konnten den Verrall nicht hemmen. Beethoven
lieferte inhaltsschwere, tiefsinnige Messen voll des edelsten Gei-
stes '— sie sind unübertreffliche musikalische — leider aber nicht
Idrchliche Kunstwerke, sie ermangeln der leidenschaftslosen, de-
mütigen, friedreichen Frömmigkeit; Ausdruck der Heftigkeit,
Steigerung jeglichen Gefühles bis auf die Spitze ist nicht das
Wesen der Kirchenmusik. Verloren wai* die Glaubensfestigkeit
imd jegliche Kenntnis des kirchhchen Willens in der Richtung
des Musikalischen; jeder Tonsetzer wollte nach privater An-
schauung verbessern — darum konnte selten einer das Rechte
treffen; der eine sah in Haydn, der andere in Beethoven das
Ideal, der andere suchte es in einem Mischmasch zwischen Altem
und Neuem — und wenn wir die einfache Kraffc einer Palästrina-
Messe dagegen halten, so bleibt uns unendlich viel für unsere
gegenwärtige instrumentierte Kirchenmusik zu wünschen übrig.
Wer wird oen Stein der Weisen entdecken?
Von den besseren Meistern seit Beethoven nennen wir:
Drobisch, Ett, Hahn B., Horak, Hummel,' Kirras, Met-
tenleiter B., Rotter, Schnabel J., Greith C., Schaller F.
u. a. m. Unserer Zeit thut es not, dass sie die alten Meister
recht zur Hand nehme und sie studiere und aufführe; daraus
wird sie bei weitem mehr Belehrung und Erkenntnis schöpfen
und, durch ihre Ideen befruchtet, mit Gottes Hilfe den Weg
finden zu einer Harmonie und Instrumentation, welche das Wesen
der wahren Kirchenmusik nicht beeinträchtiget.
Kirchenschluss, s. Kadenz.
Kirchensprache. Die Sprache, welcher sich die römisch-
kathohsohe Kirche in ihrer gesamten Liturgie bedient, ist die
lateinische. Gewichtige Gründe veranlassen die Kirche, an
dieser Sprache festzuhalten. Bei der grossen Verschiedenheit
der Sprachen in der Welt und bei der beständigen Veränder-
lichkeit der lebenden Sprachen würde nicht selten die Gleichheit
des Sinnes und somit die Einheit der Kirche verletzt werden.
Ohne Gleichheit der Sprache wäre es für einen Priester nur zu
häufig unmöglich, die heiUgen Geheimnisse zu feiern; und die
liturgischen Gebete u. dgl. oedürfen ebenso einer unveränder-
lichen, toten Sprache, weil sie der korrekte Ausdruck des Glau-
bens sind; diese allein vermag die nötige Schärfe und Bestimmt-
heit des Ausdruckes zu geben und feste Dauer zu verbürgen.
Die Sprache des Gottesdienstes ist heilig, sie wird es aber desto
mehr, je femer sie dem täglichen Gebrauche steht. Das heilige
Opfer ist dann auch keine Predigt oder Christenlehre, sondern
ausschliesslich Dienst Gottes. Und an diesem nimmt der Gläu-
bige vollen Anteil, wenn er den Sinn der heiligen Handlung
versteht und seine Meinung mit dem Priester macht; auch stehen
ihm Bücher genug zu Gebote, um alles auch in seiner Mutter-
sprache lesen zu können. Das Konzil von Trient hat darum den
KorDmüUer, Lexikon. 12
178 Kirchenstil — Kirchentonarten.
Gebrauch der Landessprache bei den heiligen Gottesdiensten ver-
boten, und die Entscneidung der S. R. (T. geht dahin, dass Ge-
sänge in der Landessprache wader bei Hochämtern,', noch bei
anderen liturgischen Handlungen gebraucht werden dürfen.
Die Bestimmung, welche Gesänge mit (bei uns) deutschem Texte
und wann sie benützt werden können, liegt m der Kompetenz
der Bischöfe. — Der kirchliche Tonsetzer und Sänger oedarf
vorzüglich auch des Verständnisses des kirchlichen Textes ttnd
muss sich dasselbe, wenn er der lateinischen Sprache unkundijg
ist, auf irgend eine Weise aneignen. Hierbei sei empfohlen die
„Fassliche und praktische Grammatik der katholischen Kirchen-
sprache. Für Cnorregenten , Lehrer, Laienbrüder und Ordens-
frauen. Von Dr. F. Nissl, 3. Aufl., Regensburg bei Bössenecker.*
— Ausführliches hierüber ist in dem trefflichen Werke: «Die
Kunst im Dienste der Kirche*, von G. Jakob (Landshut
1857), S. 167 u. ff. enthalten. (Vgl. Kirchenlied.)
Kirchenstil, s. Stil.
Kircfaentonarten, Kirchentöne, modi, toni, bezeichnen
die Tonarten des älteren Tonsystems, welche sich in den christ-
lichen Kirchengesängen herausgebildet hatten ^ im XVIL Jahrb.
durch Einführung des Chroma mancherlei Modifikationen erlitten
und nach und nach zu zwei Tonarten, dur und moU des neuen
Tonsystems einschrumpften. Der Name Kirchentonarten
ward ihnen gegeben zum Unterschiede von den neuen Tonai-ten,
welche anfönghch nur für die weltliche Musik massgebend waren ;
sie finden ihre Anwendung bloss in imd für die Kirche, in wel-
cher sie ihr reiches Leben bis auf den heutigen< Tag bewahrt
haben; auf ihnen ruhen sämtliche liturgischen und rituellen Ge-
sänge, und in ihnen komponierten die alten Meister ihre unsterb-
lichen kirchlichen Tonwerke.
Die Kirchentonarten finden ihren Ursprung nicht in einer
bloss äusserlichen Herübernahme des grieohichen Tonsystems,
sondern flössen aus den Gesangsweisen der christlichen Kirche
selbst, welche sich selbständig und eigentümlich entwickelten,
wenn auch natürlich Anklänge und Einflüsse der griechischen
Musik nicht fehlten,
S. Ambrosius suchte zuerst die vorhandenen christlichen
Gesänge zu regeln und stellte zu diesem Zwecke ein eigenes
Tonsystem mit vier Tonarten, erbaut über den vier Tönen des
Tetrachordes d e f g auf . in welche er die damaligen Kirchen-
gesänge einreihte, üa die Harmonie noch unbekannt war, so
kann von Tonarten, wie sie sich später nach ihren harmonischen
Beziehungen entfalteten, noch nicht die Rede sein, und ös mögen
diese Töne wohl vielmehr bestimmte Formeln gewesen sein,
welche aus diesen Oktavenreihen gebildet durch die Lage der
Halbtöne u. dgl. eine unterscheidende Färbung erhielten. Sie
hatten keine andere Namen, als: tonus primus, tonus secundus,
tertius, quartus. Die jetzt gebrauchten Namen: tonus dorius,
phrygius, lydius etc. stammen aus späterer Zeit (durch den Frei-
Durger Professor Glarean wieder geläufig gemacht, nachdem sie
ein paar Jahrhunderte ausser Gebrauch gewesen waren).
S. Gregor der Grosse, welcher die Kirchengesänge neu ord-
nete und verbesserte, fand deren schon viele, welche in den Raum
Kirbhentonarten. 179
der Ambrosianischen Tonarten sich nicht einreihen liessen, wes-
halb er sich genötigt sah, die bisherigen vier Tonarten' in der
Weise bu erweitern, dass er ihnen vier Nebentonarten' bei-
fügte, welche mit ihren Haupttönen awui^ gleiche Finale behiel-
ten, aber ihre Bewegung nach oben und unten von derselben
machten, d. h. Ihren Ambitus von der Unterquart der Final« bis
anr Oberqüart erstreckten, während die Hauptn oder authentischen
Tcmarten ihrö Modulation zwischen der Fmale imd deren Ober-
oktsT einschränkten. Im ganzen Mittelalter erkannte man nur
acht Töne, Modi, Tonarten an; später errichtete nian auf
attchoL Tonstufen der diatonischen Leiter Oktavreihen und da eine
(atif d«r jetzigen siebenten Stufe errichtete) Reihe keine legitime
Zusammensetzung oder Teilung im reine Quart oder Quint zulässt,
veii)lieb man zuletzt bei 12 Tonarten, welche Glarean in sei-
nem Dödecachordon siegreich verfochten hat. Aus^angsjiiunkte
dieser 12 Tonreihen sind die sechs Stufen der diatonischen Leiter
d, e, f, gj a, c, welche sechs authentische oder Hauptton-
reihen und sechs plagale oder Nebentonarten ergeben.
Brstere werden von den alten Autoren auch principales oder
magistri, letztere collaterales oder discipuli benannt.
Die 12 Kirchentonarten sind:
Authentisch: Plagral:
I. dorisch: D E'^F G a h'-^c d. II. hypodoriach: A H'^C D E-^F tt a.
III. phrygiach: E'^F G a h'-c d e. IV. hypophryyisch : H-^C D EF O a h'^c.
V. lydisch: F G a h-^c d e^f. VI. hypolydisch: C D E-F G a h'^c.
yil. mixolydisch : G a h'^c d e'^f g. VIII. hypomixolydisch : DE^F G a h c'^d.
IX. äolisch: a h^c d e^f g a, X. hypoäoliscb: E^F O a h" c d e.
XI. jonisch: o d e'^f g a h'^c. XII. hypojonisüh: G a h'^'o d e^f g.
Mehrere dieser Tonarten scheinen dem äusseren Anblicke
nach gleich zu sein, z. B. der L und VIII., sind aber doch ihrem
Wesen nach verschieden, denn beim I. Ton ist die Finale D,
beim VIII. G; etsterer ist authentisch, letzterer plagal, die Quar-
ten- und Quintenzusammensetzung in beiden gerade entgegen-
gesetzt ; . ihre ganze melodische Gliederung wird dadurch eine
ganz verschiedene, was sich auch noch in der Domiiiante, dem
nach der Finale am meisten vorherrschenden Tone, — welcher
beim I. a, beim VIIL c ist, zeigt. Um zu erkennen, zu welcher
Tonart eine Choralmelodie gehört (selten ist in den Choralbüchcrn
die Tonart eines Gesanges beigefügt ; bei den Antiphonen ist sie
leicht aus dem angefügten Psalmausgange zu ersehen, wobei
häufig der Psalm- oder Kirchenton durch eine Nummer näher
bezeichnet ist), sind folgende Merkmale zu beachten:
1) Der Ambitus, Umfang, welcher bei jedem Tone nur
eiiie Oktav — bei anderen Tonarten erweitert er sich um einen
oder z^ei Töne — ausmacht, aber bei gleicher Finale, je nach-
dem plagal oder authentisch eine verschiedene Klanghöhe hat;
2) die Finale, der Schlusston, welcher beim I. und IL I),
beim HL und IV. E, beim V. und VI. F, beim VII. und VIIL O,
beim IX. und X. a und beim XL und XII. c ist;
3) die Dominante, welche nicht wie beim neueren Ton-
systeme jederzeit die 5. Stufe über dem Gnindtone, sondern den
nach der Finale, dem Haupttone, am meisten hervortretenden
12*
180 Kirchentonarten.
und sich geltend machenden Ton bezeichnet. So ist a die Do-
minante für den L, IV. und VI. Ton, F für den II., e für den
IX. und XII., d für den VIL, c für den III., V., VIU. und X.,
g für den XI. Ton. Das InteiTall, welches die Finale mit der
Dominante bildet , heisst wegen seiner öfteren Wiederkehr auch
Repercussio, Wiederschiag.
4) Die aus dem XII. und XIII. Jahrh. stami^ende Teilung'
der Oktav in Quint und (^uart bei den authentischen Tonarten^
und in Quart imd Qmnt bei den plagalen, mag auch noch, wenn
die. anderen Merkmale keine Gewissheit geben, entscheidend sein.
Nicht immer durchschreiten die Gesänge den ganzen Am-
bituB ihrer Tonart (t onus imperfectus); oft auch überschrei-
ten sie denselben (tonus plusquamperfectus oder super-
ab und ans), wie z. B. der J. Ton häufig das C unter der Fmale
nimmt, oder der III. bis zm* Teg-z unter den Schlusston absteigt;
manchmal übei'schreiten sie ihren natürlichen Umfang um menr
als einen Ton^ so dass der Plagalton mit dem authentischen
gemischt erscheint (tonus- mixt us), oder sie modulieren in einen
fi-emden Ton (tonus commixtus); einige Gesänge schliessen
selbst in einem anderen als dem regelmässigen Finaltone (tonus
irregularis) gegenüber denjenigen, welcne ihre Finale beob-
achten und toni reguläres genannt werden. Alles dies musB
in Betracht gezogen werden, wenn es sich um die Bestimmung
der Tonart einer Choralmelodie handelt.
Die Kirchentonarten, auf rein diatonischer Basis beruhend,
verschmähen bei regelrechter Behandlung jede Alteration der
Töne durch jj^ oder {?; ausgenommen ist nur das Zutreffen des
Triton, der übermässigen Quart (f— h, h— f), wo das h in b
verwandelt werden muss. Die Transpositionen, wodurch eine
Tonreihe durch Anwendung des b um eine Quart höher gesetzt
wird, sowie andere Ti'anspositionen durch Vorzeichnung von
Jj oder W sind nicht hierher zu rechnen, da sie keine Alteration,
Änderung der Verhältnisse einer Tonart begründen.
Da mit der Entwickelung der Hannonie und der harmo-
nischen Behandlung dieser Tonai'ten sich besonders in den Ka-
denzen Fälle ergaben, wo die Gesetze der Harmonie die Alteration
einiger Töne forderten, so bestimmte man näher, welche im all-
gemeinen einer Erhöhung oder Erniedi'igung fähigen Töne in
einer bestimmten Tonart nicht alteriert werden können, ohne
die Tonart selbst zu zerstören. Diese Töne, welche wesent-
liche oder charakteristische Töne heissen, sind: im Dori-
schen H und F, im Phjygischen F, im Lydischen H, im Mixo-
lydischen H und F, im AoBschen C imd F, im Jonischen H.^ls
fVosse Septime und C. Das H erlitt nur beim Triton eine An-
erung, sonst erhöhte man oft z. B. im Dorischen das C in eis,
im Phrygischen das G in gis, allerdings nur bei Kadenzen. Man
findet jedoch auch Chorallehrbücher aus dem XVII. und XVHL
Jahrh. und Choralbücher aus der neuesten Zeit, welche solche
Alterationen bei allen Kadenzen im unbegleiteten Choralgesange
einsetzen, was aber dem Ernste und der Würde desselben un-
zweifelhaft grossen Eintrag thut. Jetzt hält man wieder, mit
vollem Rechte, an der strengen Diatonik sowohl für den unbe-
Kirohentonarten. 181
glejtejbißu als begleiteten Choral fest. Nach dem Vorgänge der
Meister des Xvl. Jahrh. bedient man sich der den einzelnen
Tonarten eigentümlichen Kadenzen, welche die Diatonik in. der
Melodie vöing unangetastet lassen und ihr keinen Unterhalbton
aufdrängen, wo der Oktavenreihe gemäss ein solcher nicht Platz
hat (z. B. der {jhrygische, der mixolydische Schluss). Vergl.
Oberhofier, Die Schule des katholischen Organisten; Piel,
Harmonielehre; Ha Her, Die harmonische Modulation der Kir-
x^hentonarten u. a.
Einige Bemerkungen über das Wesen und die Eigen-
schaften der einzelnen Kirchentöne, sowie ihre harmonischen
Beziehungen mögen diesen Artikel vervollständigen.
I. und n. Tonart, Dorisch; sie ist der äolischen Tonart,
welche sich auf ihrer Quinte aufbaut, am nächsten verwandt
und weicht in sie häufig aus; wegen der g:leiGhen Charakteristi-
ken F und H , welcher letztere Ton öfters in B verwandelt wer-
ben muss, verbindet sie sieh auch mit der mixolydischen; nach
dem jonischen, welches seltener anklingt, drängt die grosse Sext
H, und das Lydische auf ihrer Terz gründend steht ihr auch
sehr nahe. Da diese Tonart, in ihrer authentischen Art, sehr
nach der Quint strebt und dieses Intervall oft gleich anfangs
und in der Mitte hören lässt, gewinnt ihr Charakter, der wegen
des weichen Dreiklanges etwas trübe erscheint, einen Aufschwung,
zumal auch die helleren, freudigeren Dreiklän^e des verwandten
mixolydischen und jonischen ihn tröstend, erheiternd, ermutigend
machen. Namentlich der I. Ton schreitet würdevoll imd ernst,
reich an Melodie dahin und ist der wahre Ton für feierliche,
freudigernste Andacht; darum findet er so häufige Anwendung
sowohl bei ernsten als bei freudigen Ereignissen. Der H., dorisch
plagal, spricht gemäss seiner tieferen Lage, und da er schon in
der kleinen Terz ober der Finale seine Dominante erreicht, viel-
mehr tiefe Trauer, Schmerz, gepaart mit Gottvertrauen, und auch
Verlangen nach den himmlischen Dingen aus.
III. und IV. Phrygisch. Seine harmonischen Beziehun-
fen sind. vornehmlich abwärts gerichtet, weil es auf der Ober-
ominante nur das harmonisch entwictelungsfahige H findet;
darum verbindet es sich mit dem Aolischen (auf seiner Unter-
dominante) zumeist, welches durch Anwendung des ]p das Phry-
f'sche auf seinem eigenen Grundtone darzustellen imstande ist.
uch das Jonische ist ihm sehr verwandt und manchmal ver-
bindet es. sich auch mit dem Dorischen. Da ihm kleine Terz
und kleine Septime eigen ist und es keinen Dominantaccord bil-
den kann, so entbehrt das Phrygische eines vollkommenen
Schlusses. Abweichend von den anderen Tönen beginnt der
IIL Ton gewöhnlich in einem anderen als dem ihn kennzeich-
nenden Fmaltone und lässt die Tonart zu Anfang noch in gros-
^r Unbestimmtheit; unter die Finale steigt es manchmal noch
is G. Eigentümlich sind ihm auch grosse Intervallenschritte,
eiche den Ausdruck starker Gemütsbewegungen geben. Seine
Mize Melodiebildung hat etwas Geheimnisvolles, das sich eher
hlen als beschreiben lässt, wozu der kleine Sekundenschritt
d das oft rasche Aufstreben zur kleinen Sext u. dgl. das Sei-
•e beiträgt. Eignet sich der IV. Ton im allgemeinen mehr für
182 Kirchentonarten.
sanfte, klagende, wehmütige Stimmung, so drückt der III. Ton
tiefe Bedürftigkeit, Zerknirsohimg an sich aus, aher neu belebend^
erfrisehend, erhellend tritt das Jonisohe hinzu: „tiefer Zerknir-
schung, steht liimmlischer Trost am nächsten.^ Kieht bloss
Bußspsalmen, sondern auch feierliche Lobgesänge sind im phry?*
gisohen Tone (authentisch) komponiert, so das herrliche „Fange
lin^ua^, dessen Melodie so sanft, so eindringend und zugleich so
breit gehalten und feierlich ist; das ausgezeichnete Praeconium
paschale -Exultet", das ,,Te Deum laudamus", welches den DI.
und IV. Ton in sich vereiniget.
V. und VI. Lydisch — eine harmonisch arme Tonart, da
ihr die Modulation nach der Unterdominante versagt ist, die
Harmonie ihrer Oberdominante (jonisch C) aber in ihren Ver-
hältnissen fast ^anz gleich sich bUdet, indem die durch den
Triton hervorgerufene Alteration des H in B sie mit dem Joni-
schen identificiert. Unrecht aber ist es, wenn in neuerer Zeit
allen lydischen Gesängen ein t^ als allgemein giltige Vorzeichnung
an die Spitze gesetzt wurde, die Alten fertigen genug Melodien,
welche den Beweis hefern , dass das H beun V. Ton recht gut
bestehen kann und gerade dieser Ton, welcher nach dem heUen
Jonischen hinleitet, trägt dazu bei, dem V. Tone einen jubeln-
den, triumphierenden Ausdruck zu verleihen, welchen der kühne
Aufschwung durch die Töne des j^rossen Dreiklai^es zur domi-
nierenden Quint (F A C) noch steigei*t. In die mittlere Stimm-
höhe gestellt, bei seltener Anwendung von Halbtönen bewahrt
sich dieser Ton eine gewisse freudige Energie und er findet auch
seine Anwendung zum Ausdrucke freumger, jubelnder Stim-
mungj z. B. „Christe sanctorum decus angelorum**, „Laetare^
(Introitus) etc. Der IV. Ton, welcher um eine Quart tiefer, aber •
zur Dominante bloss eine Terz aufwärts steigt und des Halb-
tones E— F sich häufiger bedient, behält zwar das Melodiöse des
Lydischen bei, aber atmet mehr sanfte Ruhe und Salbung und
eignet sich mehr für stille Herzensandacht. Das „Ave Regina*
verläuft bloss in den oberen Regionen des VI. Tones und kommt
daher dem Charakter seines authentischen Tones sehr nahe.
Vn. und Vin. Ton, Mixo lydisch. Ausgezeichnet durch
grosse Terz und kleine Septime, ist er zu einem voUständigen
Schlüsse mittelst eines Dominant(septimen)accordes nicht fähig,
sondern macht ihn durch seinen Unterdominantenaccord ; sonder-
barer Weise nennt diesen Schluss die neuere Musik „Kirchen-
schluss^, als ob dies der einzige, den kirchlichen Tönen eignende
Schluss wäre. Das Mixolydische erscheint als eine Emanation
des Jonischen, stets von ihm abhän^g, auf dies sich zurück-
beziehend; nächst der Verbindung mit dem Jonischen neigt es
sich auch zum Dorischen, mit welchem es gleiche wesentliche
Töne hat. Die Meister des XVI. Jahrh. stellten auch Jonisoh
auf G dar mit Anwendung von Fis, Hessen aber jederzeit vor
dem Schlüsse das F noch deuthch hören. Grundzug" des authen-
tischen Tones ist Erhebung: da aber das Aufschweben aus dem
Jonischen nicht zu eigener abgeschlossener Bestimmtheit gelangt
und darum einen weniger feuerigen, mehr geistigen Aufschwung
nimmt, so führt der darin gemischte Zug von Wehmut und hei-
liger Sehnsucht in die Sphären heiligen kirchlichen Ernstes. Die
Kirchentonarten. 183
Melodien des VIL Tones zeichnen sich durch Lebendigkeit, Glanz,
Wohlklang und Mannigfaltigkeit der Bewegung aus, sie finden
ihre Anwendung zu lyrischem, zarten oder mystischen kräftigen
Ausdrucke. Milder und zarter gestaltet sich die Vermischung
des VII. mit dem VIII. Tone, wie im .Lauda Sion". Der Plagal-
ton (VIII.) benützt oft die Quinte oberUltlb seiner Finale und
nimmt dadurch teil an dem Glänze und der Kraft des VII. To-
nes, welche durch die untere Quart mit Milde und sanfterem
Wesen gemischt wird. Zeigt er aaneben auch männlichen Ernst,
so kann sein Charakter modifiziert werden, je nachdem die
Melodie mehr in den oberen Tönen der Leiter oder in den un-
teren sich hält. Da er infolge seines Baues fast allen Stimmim-
gen angemessen sein kann, fand er auch sehr häufige Verwen-
dung, und hierin mag auch der (Jrund liegen, dass die Alten ihm
das Epitheton -pe.rfectus, vollkommen" beilegten.
IX. und A. Aolisch. Seine wesentlichen unveränderlichen
Töne sind H, G und F, welche ihn nach dem Phrygischen und
Jonischen hinleiten; namentlich verbindet er sich gerne mit er-
sterem, welches ihm eine höhere kirchliche Weihe aufdrückt.
Häufig begnügt er sich mit Halbschlüssen auf der Dominante.
Meistens bewegen sich die äohschen Melodien in plagalischer
Haltung, was (fieser Tonart einen stillen, wehmütigen, leidenden
Charakter verleiht, dessen Trübe nur durch die häi^figen Halb-
schlüsse auf der Dominante mit grossem Dreiklange aufgehellt
und gemindert wird. Sanft, weich, elegisch ist aber menr die
reine authentische Weise.
XI. und XII. Jon i seh, ganz mit unserer C-dur-Tonleiter
übereinstimmend, moduliert gern, um nicht wieder einer harten
Tonleiter auf G mixolydisch und F lydisch zu begegnen, welche
Modulation den Alten zu wenig erheoend erschien, nach E phry-
gisch und A äolisch, auf welchen Stufen es auch oft unvollkom-
mene Kadenzen macht. In den einfachen Choralgesängen kommt
es seltener vor und dann gewöhnlich in genus moUe auf F
(mit t^) transponiert, häufiger aber in den harmonisch gearbei-
teten Kirchenstücken. Der Charakter des Jonischen ist freudig,
heiter, mutig.
Ist auch der Charakter jeder einzelnen Tonart nur im all-
gemeinen zu bestimmen, so ist doch gewiss, dass sich jede ein-
zelne von der anderen in dieser Beziehung, durch ihr inneres
Wesen bestimmt unterscheidet, wie in der neueren Musik die
beiden Tongeschlechter dur und moll.
Zum Schlüsse geben wir die Charakteristik nach Guido
von Arezzo und Kardinal Bona:
Ersterer fasst sie in einem Verse also:
Omnibus est primus, sed et alter tristibus aptus,
Tertius iratus; quartus dicitur fieri blandus.
Quintum da laetis, seXtum pietate probatis.
Septimus est juvenum (er erheischt jugendUche Kraft
und helltönende Stimmhöhe), sed postremus sapientum
(der Bedächtigen).
Bei Kardinal Bona heisst
der I. Ton foecundus, modestus, severus;
„ IL „ gravis;
184 Klang, Klanglehre — Klayierauszug.
der III. Ton animosus, promptus (raysticus);
„ IV, „ oompunctivus, biandus, attractivus (har-
moniGus);
n, V. „ delectabilis, laetus, jubilans;
„ VI. y, devotus, suavis;
yj Vn. 4 sublimis, majestate plenus (angelicus);
„ VIII. „ universalis, narrativis (perfectus).
Treffliche Anleitungen für aie Kirchentöne geben: C. v.
W int erleid, „Joh. Gabrieli und sein Zeitalter«, Berlin 1834,
Sohlesinger, II Theile und Notenheft; B. Marx, „Die Lehre
von der musikalischen Komposition", Leipzig 1842 bei Breitkopf
und Härtel, I. Bd.; Antony, -Lehrbuch des Gregorianischen
Kirchengesanges", Münster 1829 bei Coppenrath; Haberl, „Ma-
gister chorahs", Regensburg 1890 (9. Auflage). Vgl. „Die alten
Theoretiker" und „Johannes Cottonius" im Kirchenmusikalischen
Jahrbuche von Dr. F. X. Haberl. 188&-1890.
](Clang, Klanglehre, s. Akustik. — Die moderne von
A. V. Ottingen, Thiersch, Hostinsky und Riemann vertretene
Harmonielehre versteht unter Klang einen terzweise aufgebauten
Accord auf Grund der mit einem Tone mitklingenden Obeiv oder
Aliquottöne (s. d.).
Klavier, Clavi chordium, franz. clavecin, ital. clavi-
cembalo, ein Tasteninstrument, bei welchem der Ton durch
das Anschlagen schmaler, an die Tasten befestigter Messing-
blechstäbchen, Tangenten, an Drahtsaiten hervorgebracht wird.
Die Erfindung desselben fällt in das XIII. oder XI v. Jahi-h. und
ward schon zu Lassos Zeit zur Begleitung von Gesängen ver-
wendet. Die ältesten Klaviere waren natürlich von geringerem
Umfange als im Anfange unser s Jahrhunderts, wo sie ihre Blüte-
zeit zurückgelegt hatten und fünf Oktaven umfassten; seitdem
mussten sie den aus ihnen hervorgegangenen kräftiger tönenden
Fortepianos und Flügeln den Platz abtreten, obgleich sie hin-
sichtlich der Biegsamkeit des Tones (An- und Abschwellen) und
der Spielart (zu gebundenem und getragenem Spiele sehr taug-
lich) mnen voranstellen. Der Ton des Klavieres ist angenehm,
doch schwach und etwas singend; von wesentlichem Einflüsse
auf ihn sind die schmalen vor den Anhängleisten durch die
Saiten geflochtenen Tuchstreifen. Die Gestalt des Klaviers ist
gewöhnlich ein längliches Viereck. Gegenwärtig sind die Kla-
viere fast gänzlich ausser Gebrauch gekommen. — Klavier
werden gewölmlich auch die Klaviaturen oder Tastaturen der
Orgeln genannt.
Klavierauszug nennt man die Übertragung eines grösseren
musikalischen Werkes, welches ursprünglich für mehrere Stim-
men oder für das ganze Orchester bestimmt ist, auf das Klavier
oder Pianoforte, die Umarbeitung der Partitur für. dieses Instru-
ment. Er dient zur Privatübung, zum leichteren Übersehen der
harmonischen und melodischen Grundzüge einer grösseren Kom-
Sosition, zur Reproduktion derselben für sich oder für kleinere
ieise, auch zum Einstudieren der Gesangpartien. Bei kleineren
Werken wird er statt der Partitur als ,^irektionsstimme" bei-
fegeben. Wird er nicht vom Komponisten selbst gefertigt, son-
ern von einem anderen, so ist das nicht immer eine leichte
Klingende Stimmen — Komponieren. 185
Aufgabe; es erfordert diess, wenn der Klavierauszug einen Wert
haben soll, sehr grosse Kenntnisse der Harmonie, genaues Stu-
dium des Kunstwerkes und feines Gefühl für dessen geringste
Nuanoen, um den Geist des Tonsetzers zu fassen und das Werk
soviel als möglich wieder zu geben, wie er es dachte.
Klingende Stimmen heissen in der Or^el alle Register,
w^elche wirtlich tongebend sind, zum Unterschiede von den an-
deren Registern, welche bloss iiir die Mechanik bestimmt sind,
•wie die Koppeln (s. Copula), Kaikantenruf u. a.
Kolon, s. Distinktion.
Kolophonium, Geigenharz, hat seinen Namen von der
griechischen Stadt Kolophon, in deren Nähe solches Hai'z ge-
wonnen wird. Doch ist dies im ursprünglichen Zustande wegen
seiner geringen Härte zum Bestreichen der Bögen nicht so taug-
lich, weshalb man sich lieber des künstlich durch Destülation
erzeigen Harzes bedient. Dieses verleiht dem damit gestriche-
nen Bogen die gehörige Rauhheit, um die Saiten der VioHnen
und sonstigen Saiteninstrumenten anzugreifen. Für Violonbögen
wird eine Mischung von Pech und Kolophonium (im Winter mit
beigegebenem Wacns) empfohlen. Die Haare der Bögen werden,
wenn sich zu viel Kolophonium angesetzt hat^ mit laulichtem
Wasser und Seife gereiniget, worauf man sie mit einem leinenen
Tuche abtrocknet. — Das Streichen des Bogens mit Kolophonium
soll auf folgende Weise geschehen: Zuerst zieht man den Bogen
ptiit ^anz Kurzen Strichen am Kopfe so lang durch das Kolo-
phonium, bis es etwas warm wird. Dann fährt man langsam,
ohne abzusetzen, bis an den Frosch. Hier macht man wieder
mehrere Striche, je nachdem das Kolophonium mehi* oder minder
warm ist, und mhrt dann die ganze Länge des Bogens etliche
Male durch, bis man den Bogen ninlänglich bestrichen glaubt.
Kombinationston. Darunter versteht man einen Ton, der
aus den in gewissen Zeiträumen zusammentreffenden Wellen-
zügen zweier oder mehrerer höherer Töne als ein dritter tieferer
in der Luft sich büdet. So z. B. wird, wenn C und E ertönen,
da ihre Schwingungszahlen sich wie 4 : 5 verhalten und bei der
je fünften Schwingungswelle des E beide Wellen zusammen-
treffen, ein um zwei Oktaven tieferes C hörbar sein. Der C-Ton
wird auch Tartinischer Ton genannt, weil Tartini- ihn entdeckt
haben soll. Helmholz nennt ihn Differenz ton, da seine Schwind
gimgszahl der Differenz zwischen den Schwingungszahlen der
grimären Töne gleich ist; er entdeckte aber auch andere Kom-
inationstöne, deren Schwingungszahl gleich ist der Summe der
Sohwingungszahlen der primären Töne, und diese nennt er
Summationstöne, z. B. C -|- c lässt den Summationston g
hören u. s. w., s. Akustik.
Komma (s. Akustik) wird in der Musik der Unterschied
oder Grössenrest genannt, welcher nach Abzug zweier kleiner
Halbtöne vom ganzen Tone sich ergibt. Die Hälfte des Kommas
nannten die Alten schisma, während sie unter diaschisma
die Hälfte der Diesis oder des kleinen halben Tones verstanden.
— Komma bezeichnete bei den alten Theoretikern auch einen
kleinen Melodieabschnitt, s. Distinktion.
Komponieren (vom latein. componere, zusammen-
186 Kompogitionslehre — Konsonanz.
setzen), Tonstücke nach den grammatischen und ästhetischen
Regeln der Kunst anfertigen. Kompanist = Toneetzer ist der-
jenige, welcher solches ihut (franz. Compositeur, ital. com-
gositore). Komposition «der Akt des Komponlerens, das
chafPen von Tonstücken; dann auch das TonstücK selber.
Konniositionslehre , die Gesamtheit aller Regeln, nach
denen eiii Tonstück grammatikalisch richtig verfertigt wird. Sie
zerfallt in mehrere Abteilungen: in die iiarmonielehre , in die
Lehre vom Kontrapimkte , vom Kanon und der Fuge, in die
Lehi*e vom Rhythmus und von der Form der Tonstücke, in die
von der Instrumentation u. dgl.
Konjunktur bezeichnete bei alten Theoretikern auch die
Vereinigung melirerer Semibreves oder Minima über einer Text-
silbe im Gegensatze zu Ligatur, welche nur zwischen Longa
und Breves statthatte.
Konservatorium, ital. Conservatorio, franz. Oonser-
vatoire, ist der Name einer musikalischen Bildui^sanstalt,
eigentlich ein Institut, das die Tonkunst pflegen una in ihrer
Reinheit bewahren soll. Die Konservatorien sind italienischen
Urspi*unges. Die ältesten Konservatorien in Italien waren fromme
Stiftungen, auch Hospitäler, die von reichen Privatpersonen unter-
halten wurden, und mit denen zugleich ein Institut für die mu-
sikalische Bildung talentvoller Zöglinge beiderlei Geschlechtes
verbunden war; diese erhielten freie Wohnung, Kost, Kleidung
und Unterricht, doch wm'den auch Pensionaire angenommen,
welche, ohne in der Anstalt zu wohnen, am Unterrichte teü-
riahmen. In Neapel gab es drei solcher Institute Itir Knaben,
unter denen das Deriihmteste und älteste das der ^S. Maria di
Loretto**, 1537 von einem spanischen Geisthchen Giov. di Tappia
gegründet wurde. Bald veranlasste der starke Andrang von
Zöglingen die Gründung eines zweiten, von S. Onofrio, s|)äter
erstand ein drittes, de IIa Pietä; ein viertes, Poveri di Giesü
Christo bestand aber nicht lange. Knaben von 8 — 20 Jahren
fanden darin Aufnahme; der Lehrkursus dauerte acht Jahre.
1799 wurden diese drei Institute in ein einziges unter dem Namen
^Reale Collegio,di Musica" verschmolzen. — In Venedig gab es
vier solcher Institute für Mädchen: -Ospedale della Pietä, de
Mendicanti, degF Incurabili und Ospeaaletto di S. Giovanni et
Paolo". — UM entstand ein Consei*vatoire in Paris, welches
sich gegenwärtig zu dem grossartigsten Äfusikinstitute der Welt
ausgeDudet hat. — In Deutschland und Österreich gibt es viele
solche Institute, z. B. in Berlin, Leipzig, Prag, Wien. — Die Kon-
servatorien, wie sie jetzt bestehen, leisten für Instrumentalmusik
und für künstlichen ßühnen^esang, überhaupt für weltliche Musik
sehr Rühmliches, für kirchhche Musik kann aber ihre Thätigkeit
nicht besonders in Anschlag gebracht werden. (S. Akademie.)
Konsonanz, consonantia. Zusammenklang, gleich-
zeitiges Erkhn^en von Tönen. In der Musik wird darunter jenes
Verhältnis zweier Töne verstanden, welches mit beruhigender,
befriedigender Kraft auf unsere Seele wirkt, oder ein Intervall,
dessen Bestandteile kein Streben nach Auflösung haben. In aku-
stischer Beziehung stehen die Schwingungen zweier konsonie-
render Töne in einem einfachen Zahlenverhältnisse (s. Akustik),
Kontra — Kontrabass. 187
1 : 2 ffibt die Oktav, 2 ; 3 die reine Quint, 3 ; 4 die reine Quart,
4 : 5 die grosse Terz, 5 : 6 die kleine Terz. Aus der Umkenrung
der letzten zwei Verhältnisse ergibt sich nooh 5 : 8 die kleine
Sext und 6 : 10 oder 3 : 5 die grosse Sext. So lange nach der
Weise der Griechen die Arithmetik für die Bestunmung von
Konsonanz und Dissonanz zweier Intervalle als massgebend be-
trachtet wurde, gewährte man nur (dem Einklänge) der Oktav,
der reinen Quint und der reinen Quart eine konsonierende Eigen-^
Schaft. Hief zu kam noch die Duodezim (Diapason diapente) und
DoppeloktaY (Di§diapason), welche letztere zusammengesetzte
Konsonanzen (compositae) im Gegensatze zu den anderen, welche
die Oktav nicht überschritten und einfache Konsonanzen (»im-
plioes) hiessen, genannt wurden. „Consonantiae secundariae
nannte man auch die Konkordanzen oder Intervalle, welche sich
über die Oktav erstrecken, aber noch innerhalb der Doppeloktav
liegen; die darüber hinausliegenden hiessen C. remotae.'* Die Un-
dezim (Diapason Diatesseron) wurde als JConsonanz von mehreren
Theoretikern bestritten. Mit dem Gebrauche der Diaphonie Hess man
auch nach dem Urteile des Ohres, welches sie als befriedigende und
beruhigende Intervalle erkannte, andere Intervalle als Konsonie-
rende gelten, und Franco von Köln teilt die Konsonanzen (Con-
cordanzen nennt er sie) in vollkommene: Einklang und
Oktave; mittlere: Quint und Quart; imd unvollkommene:
grosse und kleine Terz. Die Sexten rechnet er zu den unvoll-
kommenen Diskordanzen. In den Schriften von Johann de Muris
findet sich schon die wichtige Regel, dass zwei vollkommene
Konsonanzen (Oktaven und Quinten) in gerader Bewegung nicht
aufeinanderfolgen dürfen. Eme höhere Vollendung erhielt die
Lehre von den Konsonanzen durch Zarlino in der Mitte des
XVI. Jahrb., welchem das Verdienst zugeschrieben wird, das
wahre Verhältnis der grossen und kleinen Terz gefunden
zu haben.
Kontra bedeutete ehedem die Altstimme; jetzt bedient
man sich dieses Woi-tes in der Zusammensetzung, um eine Stimme
zu bezeichnen, welche tiefere Töne hat als eine andere ihres-
gleichen; so sagt man Kontraalt, Kontrabass, Kontraoktav, um
eine tiefe Alt- und Bassstimme, oder die tiefste Oktav (die unter
dem grossen .C liegt, deren Töne daher auch Kontratöne, z. B.
Kontra-C, Kontra-F, genannt werden) zu bezeichnen.
Kontrabass, ital. Violono, franz. zuweilen Basse de
Violon (gi'osse Bassgeige), ist die grösste Gattung der Geigen-
instrumente und das tiefste der Bassinstrumente. Für das
Orchester ist er unentbehrlich, indem sein tiefer und durchdrin-
gender Ton dem Ganzen Fülle und Stütze verleiht und die
Grundstimme heraushebt. In seinem Bau und seinen Bestand-
teilen ist er von den übrigen Geigeninstrumenten nicht verschie-
den, ausser dass die untere Decke oft platt und nicht gewölbt
ist. Gewöhnlich ist er mit drei, in guten Orchestern mit vier,
auch wohl mit fünf Saiten überspannt, welche ein kräftiger,
kurzer Bogen zum Tönen bringt. Statt der früheren Wirbel
werden jetzt die Saiten mittels emer Schraubenvorrichtung leicht
gespannt, welche 1778 der Hofmusikinstrumentenmacher Bach-
mann in Berlin erfunden hat. - Die Notierung geschieht, wie
188
Kontrapunkt.
beim Violoncello im BassschlUisel , die Töne sind aber um
-eine Oktav höher gesohriebenf als sie eigentlich klingen sollen.
Kontrapunkt, lat. Contrapunotu8,ital. Contrappunto,
franz. Gontrepoint. Zur Zeit, als man begann , zu emer vor-
handenen Melodie eine andere zu setzen, ihr gegenüberzustellen,
und mit ihr verbunden vorzutragen, hiess die Note punctua
-oder punctum, woraus sich der Name oontrapunctare,
kontrapunktieren, d. h. eine oder mehrere Noten einer schon
fegebenen gegenüberstellen, bildete. Im allgemeinen kann man
Kontrapunkt mit Harmonie gleichbedeutend nehmen. Im beson-
•deren aber bedeutet Kontrapunkt die Art und Weise, einer ge-
gebenen Melodie, welche Cantus firmus, canto fermo (früher
Tenore) heisst, nach bestimmten Regeln eine oder mehrere
^Stimmen beizugeben. Kontrapunkt wird dann auch die so zur
;;gegebenen Melodie hinzugesetzte Stimme genannt, welche so-
wonl Ober- als Unterstimme sein, bei Vereinigung mehrerer
Stimmen aber auch als Mittelstimme betrachtet werden kann.
Je nach der Zahl der kontrapunktierten Stimmen hat man zwei-,
drei-, vierstimmigen Kontrapunkt, wenn zum Cantus
firmus eine, zwei oder drei Stimmen hinzutreten. Haben die
Noten des Kontrapunktes gleichen Wert mit denen des Cantus
'firmus, so nennt man dies gleichen Kontrapunkt (a); sind sie
aber verschiedenen Wertes, so dass z. B. zwei, vier, acht Noten
auf eine Note des Cantus firmus treffen, so heisst er unjjleicher
Kontrapunkt (b). Eine andere Gattung ist diejenige, bei welcher
■die Kontrapunktstimme mit Bindungen, Ligaturen auf dem guten
Taktteile fortschreiljet (c); blühender (floridus, colo4*atua
sive diminutus) Kontrapunkt heisst er, wenn die kontrapunk-
tierte Stimme Noten verschiedenen Wertes gemischt enthält (d).
^^^^^^^
d.
^^7^>j5lg^lf^
etc.
In älteren Lehrbüchern finden sicli noch als besondere
Namen: Contrapunctus hyperbatus, ital. Centrappunto
sopra il sogetto, wenn die kontrapunktierende Stimme über
dem Cantus fu^mus liegt, und Contrapunctus hypobatus,
ital. Contrappunto sotto il soggetto, wenn sie unter dem
Cantus firmus lie^; — Contrapunctus gradativus, wemi
«ine kontrapunktierende Stimme sich stufenweise. Contra-
fFT^n;,-^ ' F ,. ■ . , y '
\
Konti'apunkt. 18&
punctus saltativus, wenn sie sich sprungweise fortbewegt.
Contrapunctus alla mente war der extemporierte Kontra-
punkt, wobei die Sänger aus dem Stegreif zum Cantus firmua
einen Kontrapunkt sangen; es gab dafür eigene Regeln, welche
in den Werken von Aaron und 25aoconi u. a. sich finden.
' Einfacher Kontrapunkt ist überhaupt das Hinzusetzen
einer oder mehrerer Stimmen zu einer gegebenen Melodie nach
den Regeln des reinen (strengen oder freien) Satzes. Insofern
gebraucht man jetzt dafür das wort: Harmonie, harmonisieren.
Redet aber die neuere Kunstsprache von Kon]brapunkt, so Ter-^
steht sie jene Art der Harmonie danmter, welche der Urakeh-
rung fähig ist, und teüt ihn in doppelten, dreifachen und
vierfachen Kontrapunkt ein. Hauptgrundsatz jedes Kontra-^
Punktes ist, dass jede Stimme zur anderen einen richti-
gen guten Bass bilde. Doppelter Kontrapunkt findet statt,,
wenn zwei Stimmen so gegen einander gesetzt werden, dass
ohne die geringste Veränderung und ohne Fehler gegen den
reinen Satz, die untere zur Oberstimme und die obere zur Unter-
stimme gemacht werden kann. Die Versetzung der Stimmen
heisst man Umkehrung. Dreifach (wohl zu unterscheiden
von dreistimmig, was dann stattfindet, wenn man dem dop-
pelten Kontrapunkte eine dritte Stimme als Ausfüllungs- oder
negleitungstimme beifügt), ist der Kontrapunkt, wenn jede der
drei Stimmen umkehrungsfähig ist, wenn jede zu den bei-
den anderen einen guten Bass und folglich auch jede zu den
beiden anderen eine gute Melodie büdet; er lässt sechs verschie-
dene Stellungen seiner Stimmen zu. Vierfach ist der Kontra-
punkt, wenn vier versetzungsfahige Melodien vorhanden sind..
Vom dreifachen, wie noch mehr vom vierfachen Kontrapunkte
macht man selten Anwendung sowohl wegen der grossen Ver-^
Wickelung als auch wegen der oft unvoBständigen Harmonie,
was nicht zu vermeiden ist; desto mehr findet aber der dop-
pelte Kontrapunkt Anwendung. Seine Umkehrung kann m
verschiedenen Intervallen stattfinden. Wenn die Unterstimme
um eine oder zwei Oktaven erhöht wird, also über die ursprüng-
liche Oberstimme hinauftritt und als Oberstimme erscheint, so
entsteht der Kontrapunkt in der Oktave; wird die Unterstimme
in gleicher Weise um eine None erhöht, so entsteht der doppelte
Kontrapimkt in der None u. s. f. Je nach der Intervallenentfer-
nung, m welcher die Umkehrunjg stattfindet, gibt es nun einen
doppelten Kontrapunkt in der Oktave, None, Decime, Undecime,
Duodecime. Obiger Erklärung zufolge kann natürlich auch die
Oberstimme um eme Oktave, None, Decime u. s. w. tiefer gesetzt
werden, nur muss die Hauptbedingung dabei erfüllt werden,
dass durch die Versetzung einer Stimme zugleich eine wirk-
liche Umkehrung der Stimmen erfolgt. Die gebräuchlichste und
leichteste Art des doppelten Kontrapunktes ist die in der
Oktave. Hierbei haben folgende Umkehrungen xler Intervall-
verbindungen statt:
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
8. 7. 6. 5. 4. 3. 2. 1.
d. h. aus der Prim wird die Oktave, aus der Sekunde die Septime,,
aus der Terz die Sext u. s. w.
190
Konteapunkt.
I t
Umkehrung.
I I I I r -ä^
I
Nächst dem doppelten Kontrapunkte in der Oktave sind
die Kontrapunkte in der Decime und Duodecirae am verwend-
barsten. Bei ersterem ändern sich die Intervalle also:
1. 2. a
10. 9. 8.
Bei letzterem so:
4. 5. 6. , 7. 8. 9. 10.
7. 6. 5. 4. a 2. 1.
1. 2. a 4. o. (). 7. 8. 9. 10. 11. 12.
12. 11. 10. 9. 8. 7. 6. 5. 4. a 2. 1.
Zu den beiden im Kontrapunkte gesetzten Stimmen kann
noch eine Nebenstimme als ausfüllende oder begleitende Stimme
treten. Der Kontrapunkt findet seine Anwendung zumeist in
<ler Fuge^ in Motetten, Chören u. djgl., aber auch in Wei-ken des
freien Stiles vermag er grosse Wirkung zu thun, wie es die
Werke Mozarts, Haydns, Beethovens u. a. beweisen.
Das Studium äes Kontrapunktes ist für jeden Komponisten
unumgänglich notwendig, da er nur dadurch sich die vollkom-
men freie Thätiepkeit aneignet, welcher er bedarf, um etwas
Gutes in seiner Kunst zu schalen ; dadurch lernt er tüchtiges
Ausarbeiten und Fortspinnen, die konsequente, logische Entwi-
ckelung der musikaliscnen Gedanken, ohne welches seine Arbeit
höchstens eine wertlose, unbefriedigende Mosaik wäre. Man
studiert den Kontrapunkt nicht, um bloss Fugen, Kanons u. dgl.
machen zu können, sondern um innerhalb der Schranken der
Kunstgesetze sich frei bewegen zu lernen, um jede Form; sei
sie welche sie wolle, mit einem planmässig zurechtgelegten, in
allen Teilen soliden Inhalt füllen zu können.
Die Anßlnge des Kontrapunktes, wie überhaupt der Har-
monie hat man in dem Organum Hucbalds zu suchen, welches
sich zumeist in Quinten-, Quarten- und Oktavenparallelen fort-
bewegte. Zu Guidos Zeit wagte man es schon, andere Intervalle
einzumischen; die Diaphonie (Discantus) und die „Fleurettes**
zeigen eine von der Hauptmelodie (Tenore) ziemlich abweichende
Nebenmelodie. Die Erfindung der Noten — im XII. Jahrh. —
trug um so mehr zu rascheren Fortschritten der Harmonie
bei, als sie ein leichtes Mittel der Aufzeichnung der Töne, der
Sichtbarmachung derselben sind. Die Mensuralmusik, welche
im XIII. Jahrh. sich rasch entwickelte, blieb nicht beim zwei-
Kontrapunkt ist — Konzert. 191
stimmigen Discantus, sondern verband, bald auch mehreife Stim-
men nach bestimmten Regeln und kannte schon dem Kanon
und der Imitation ähnliche (iebilde. Geopen Ende des XIV. öder im
Aäfange des XV. Jahrh. tritt an die ^elle des Namens ^Discan-
tus* der Name »Contrapunctus* und die harmonische Kunst ge-
stsiltete sich immer schöner aus; Marchettus von Padua lehrt
schon die Auflösung der Dissonanz in die Konsonanz und Johann
de Muris weiss ^te Lehren über das Fortschreiten der Intervalle
aufzustellen. Die Praxis ging immer weiter voran und aus ihr
zog die Theorie dann feste Grundregeln; bis gegen Ende des
XVl. Jahrh. entstanden nach und nach sehr ausmhrliche Lehr-
bücher, Ä. B. von Prosdocimus, Gafurius,
Mit Guillielmus Düfay (c. 1400—74) fängt die Periode des
künstlichen Kontrapunktes (c. artificiosus).an, welcher
durch die nachfolgenden Meister Ockenheim, Josquin de Prfes,
Willaei-t u. m. a. (aie sogenannte niederländische Schule) beson-
ders gepflegt und zu grosser Vollkommenheit gehoben wurde.
Doch artete er bald in eitle und unnütze Künsteleien und Spie-
lereien aus, welche erst im XVI. Jahrh. durch Männer wie Pa-
lestrina, Lassus, Gabrieli u. a. zurückgedrängt wurden. Als
frösster Theoretiker dieser Zeit steht Zarlino (f 1590) da. In
er Palestrinischen Periode entfaltete sich die kontrapunktische
Kunst in herrlichster Weise und schuf Werke, deren Wert immer
in Geltung bleiben wird. Mit dem Aufblühen der Oper und ihrer
Ausbüdung wurde der Kontrapunktik das Feld streitig gemacht
und sie musste sich immer mehr in die Kirche zurückzienen, wo
zuletzt — seit ungefähr 100 Jahren — sie auch wenig mehr
geachtet wurde, nun aber doch wieder zur Anerkennung kommt.
Aufs Höchste hat sie wohl Sebastian Bach vervollkommnet. Im
vorigen und laufenden Jahrhunderte schrieben vorzügliche Lehr-
bücher über den Kontrapunkt unter anderen: Fux (Gradus ad
Parnassum), Paolucci, Alorechtsberger, Marx, Bellermann, Dehn,
Bussler.
Kontrapunktist heisst derjenige, welcher alle Formen der
kontrapunktischen Schreibweise zu bewältigen imstande ist. In
früheren Zeiten war Komponist und Kontrapunktist gleichbedeu-
tend; nachdem aber aus dem Kontrapunkte sich em freier Stil
und andere Formen der musikalischen Kunst herausgebildet
haben, oder vielmehr die Entwickelung der musikalischen Kunst
solche geschaffen, kann doch noch vom Komponisten gefordert
werden, dass er auch Kontrapunktist sei, — vom Kircnenkom-
ponisten muss dies gefordert werden, da seine Studien vorzüg-
fich auf die Meister des XVI. und XVII. Jahrh. gerichtet sem
müssen, welche ihre Kirchensachen nur im strengen Kontra-
punkte schrieben, und aus denen er die beste musikalische Aus-
drucksweise des kirchlichen Geistes zu erlernen hat.
Konzert bedeutet entweder ein Musikstück mit Instru-
menteiibegleitun^ , das einem oder dem anderen Musikei* Gele-
genheit gibt, die Fertigkeit und Schönheit seines Spieles zu
entwickeln; oder die Zusammenstellung einer Reihe von Ton-
stücken und die Aufführung derselben durch Sänger oder Instru-
mentalisten, oder durch beide. Unter letztere Gattung fallen die
Ooncerts spirituels, geistliche Konzerte, in denen nur
192 Kopfstimme — Kyrie eleison.
feistliche Tonstücke, religiöse Musik, aufgeführt werden. Sie
aben ihren Namen von dem Konzerte, welches 1725 von Philidor
in Paris für diejenigen Tage eingerichtet worden ist, an welchen
die Theater geschlossen waren. Verschieden von diesen sind
^e Kirche xtk o n z e r t e. Dies sind Musikstücke, durch Ludovico
Viadana gegen das Jahr 1600 eingeführt, in welchen eine, zwei,
drei oder mehrere Stimmen, wefohe die Cantilenen ausführten,
zur Füllung der Harmonie noch eines anderen begleitenden har-
monischen Instrumentes (gewöhnhch benützte man dazu die
Orgel) bedurften. Zu solchen Tonstücken ^ab dem Viadana Ver-
anlassung die manchmal zutreffende geringe Zahl der Sänger,
welche nicht hinreichte, um eine vier- oder mehrstimmige Kom-
gosition aufzuführen; auch der Wunsch war massgebend, den
Ungern Kompositionen für verschiedene Stimmen zu liefern,
woraus sie eine wählen konnten, um damit Ehre sich zu machen.
Kopfstimme, s. Stimme.
Kornett, 1) soviel wie Zinken (s. d.); 2) eine gemischte
Orgelstimme, klüftig und hell.
Korrekt heisst überhaupt jedes Werk einer Kunst, wel-
ches mit genauer Beobachtung der vorgeschriebenen Formen und
Gesetze gearbeitet ist.
Kreirz, s. Erhöhung.
Krusis, 8. Griechische Musik.
Knrrende, ein Singchor aus Schülern der niedern Schul-
klassen bestehend, der an gewissen Tagen der Woche vor den
Häusern von Privatleuten sang und dafür eine Gabe erhielt. Die
Einführung der Kurrende wird dem Bischöfe von Asti, Scipio
Damianus (f 1472), zugeschrieben.
Knstos (lat.). der Wächter, ital. mostra, ist der Name
des Zeichens, welches früher an das Ende einer Notenzeile ge-
setzt wm'de, um die Tonstufe anzuzeigen, auf welcher die erste
Note der nächsten Zeile erscheint, z. B.:
Jetzt wird der Kustos nur mehr in der Ohoralnotenschi'ift
gebraucht. (S. ChoraL)
Kyrie eleison. Dieser Aufruf einer von der Tiefe ihi*es
Elendes durchdrungenen Seele 'ward nach einigen vom Papste
Sylvester, nach anderen vom Papste Damasus aus der griechi-
schen Liturgie in die römische herübergenommen. Gregor d. Gr»
bestimmte mr seine Kirche, dass es von den Klerikern vor und
vom Volke nachgesungen werde; auch fügte er „Christo eleison*'
bei. Die alten Ordines Romani sagen bloss, dass der Chor diesen
Ruf singend fortsetze, bis der Papst oder Bischof das Zeichen
zum Aufhören gebe; eine bestimmte Zahl der Wiederholungen
war nicht festgesetzt. War eine Prozession vorhergegangen, oei
welcher ohnehin das Kyrie eleison gesungen worden war, so
liesB man es weg , wie es heute nocn z. B. in der Messe vom
Karsamstage der Fall ist. War keine Prozession vorhergegangen,
so wurda es überdies mit gehobener Stimme, in höherer
s
La — Lamentationen. 193
Stimmlage gesungen. In der römischen Liturgie findet dieser
Ruf neunmal statt, dreimal »Kyrie eleison** zu Ehren des Vaters,
dreimal „Christe eleison" zu Ehren des göttlichen Sohnes, dann
wieder dreimal „Kyrie eleison" und zwar zu Ehren des heiligen
Geistes; die Dreizahl wendet sich also an die heiligste Dreifal-
tigkeit, während der dreimalige Gesang eines und desselben
Rufes das inständige Seufzen und Flehen ausdrückt.
Bis ins Mittelalter hinein betete der Celebrant das Kvrie
nicht mit, wenn es gesungen wurde. Nach dem XIL Jahrh.
mischte man dem Kyrie eleison auch Paraphrasen , sogenannte
Tropen bei, welche sich lange erhielten und die langen Neumen
der Melodie mit Text versahen; sie waren nur aus und zur
Andacht und Erbauung beigefügt und wurden bloss bei festli-
chem Gottesdienste gebraucnt. So findet sich z. B. in einem
1519 zu Paris gedruckten Missale: „Cunctipotens genitor Dens
omnium Creator eleison etc." oder „Kyrie eleison, Pater infan-
tium, Kyrie eleison, Refector lactentium etc." Ein Missale aus
dem Jahre 1631 hat: „Kyrie, fons bonitatis Pater ingenite a quo
bona cuncta procedunt, eleison," und so in ähnlicher Weise oei
jedem wiederholten Rufe* es ist aber in der Rubrik beigefügt:
„nuUo modo sunt de oroinario seu usu romano." In einer ana-
logen Weise sehen wir das Kyrie eleison bei so vielen deutschen
Kirchenliedern verwendet. Diese Tropen wechselten selbst nach
den verschiedenen Festen. Die Choralmelodien des Kvrie sind
nach dem Range des Festes (solemrie, dupl. oder semidupl. etc.)
bald reicher, bald einfacher gestaltet, jederzeit aber sind sie der
vollendetste Ausdruck des zum Herrn um Gnade und Barmher-
zigkeit seufzenden Herzens. Mit der Melodie des ersten Kyrie
stimmt meistens die des Ite missa est oder Benedicamus zusammen.
L.
La (A la mi re), in der Solmisation und bei den Franzosen
und Italienern der Ton a.
Labialstimmen oder Flötenwerk heissen diejenigen Orgel-
register, deren Pfeifen vom Winde mittels eines Labiums an-
geolasen werden. Bei zinnernen Pfeifen heisst der oberhalb dem
Aufschnitte flach eingedrückte Teil der Pfeife das Oberlabium
(Oberlippe), der unterm Aufschnitte befindliche das Unt er-
lab i um (Unterlippe). Innerhalb dem Aufschnitte, im Pfeifenfuss
befestigt ist der Kern, eine ziemlich dicke Platte, welche dem
Winde nur durch eine enge Spalte am Aufschnitte den Durch-
gang gestattet, und ihn an das Oberlabium führt, wo er sich
schneidet, dieses mit dem Pfeifenkörper in zitternde Bewegung
versetzt imd den Ton, nach Massgabe der Mensur, formirt.
Lais, s. Kirchenlied.
Lamentationen werden speciell jene den Klageliedern des
Jeremias entnommenen Lesungen genannt, welche an den letz-
ten drei Tagen der Karwoche in der ersten Nokturn der Matutin
Kornxnüller, Lexikon. 18
194 Lauda Sion — Laute.
zum Lese- und Gesangsvortrage bestimmt sind. Die Klagelaute,
welche dieser Prophet über den Trümmern einer gottverlassenen
und verheerten Stadt aussprach, wendet die Kirche für die von
Gott abgewichene, bis ins innerste verwüstete grosse Gottesstadt,
die ganze Menschheit an, wie sie der Herr m seiner eigenen
heiligsten Menschheit in jenen Tagen an sich genommen, um
ihre Schuld und Strafe zu büssen; ruft sie jeder Seele zu, die
durch die Sünde zu einer Wüstenei wird, und fordert mit herz-
durchdringender Stimme: -Jerusalem, Jerusalem, convertere ad
Dominum Deum tuum," „Jerusalem, bekehre dich zum Herrn,
deinem Gotte," zur Umkehr auf. Diese Lamentationen sind
gegenüber allen anderen Lektionen, die immer nur im gewöhn-
Gchen Lektionenton vorgetragen werden, durch eigene Melodien
ausgezeichnet, welche bis zum XVL Jahrh. in höchster Würde
una Feierlichkeit, für grossen Stimmumfang und grosse Gesangs-
tüchtigkeit berechnet, der klagenden Stimmung Ausdruck liehen.
Die jetzt gebräuchlichen Melodien sind aus den früheren aus-
gezogen und nach dem Tropus des Magnifikat VL toni umge-
staltet. Auch diese vereinfachte Gesangsweise hat etwas Ergrei-
fendes und Tiefrührendes. Die Tonsetzer des Mittelalters boten
alle ihre Kunst auf, um diese heiligen Klageffesänge mit ange-
messenem harmonischen Schmucke zu umgeoen und ihre Wir-
kung zu erhöhen* Meisterstücke in dieser Beziehung haben wir
namentlich von Palestrina und Vittoria. — Die Kirche verbietet
nicht, dass die Lamentationen, wenn sie choraüter gesungen wer-
den, die leiseren Töne der Orgel oder eines ähnlichen Instrumen-
tes, z. B. eines Harmoniums, zur Begleitung haben.
Lauda Sion, s. Sequenzen.
Laudes (Lobgesänge) heisst der Teil des kirchlichen Offi-
ciums, welcher sich unmittelbar an die Matutin anschliesst, und
ähnlich der Vesper aus fünf Antiphonen mit fünf Psalmen, dem
Kapitel, Hymnus, Versikel und Responsorium , dem Lobgesange
des Zacharias mit einer Antiphon und der darauf foLsenden
Oration (und an manchen Tagen einer oder mehrerer Comme-
morationen) besteht. Früher hiess dieser Teil „Matutinus", weil
er am Morgen gebetet oder gesungen wurde. Den jetzigen Na-
men „Laucles" erhielt er daher, weil die betreflPenden rsalmen
fast sämtlich das Lob Gottes aussprechen, wie das Canticum
„Benedicite" und namentlich die zu einem Psalme aneinander
gereihten Psalmen 148, 149 und 150. An den Ferialtagen wech-
seln die Psalmen mit Ausnahme des letzten.
Laudi, s. Oratorium.
Lauf, s. Periode.
Laute, lat. testudo, franz. luth, ital. liuto, ein sehr
altes, früher allgemein beliebtes, jetzt aber ganz in Vergessenheit
feratenes Saiteninstrument. Sie ist orientalischen Ursprunges;
urch die Mauren kam sie nach Spanien, von da nach Italien
und dann nach Deutschland. In ihrer Urgestalt war sie der
Schale einer Schildkröte sehr ähnlich , daher ihr lateinischer
Name (testudo, die Schildkröte). Bei den späteren Lauten war
der Körper aus dünnen Ahornspänen bauchig und . gegen den
Hals enger zusammenlaufend streifenweise zusammengesetzt und
mit einem flachen Resonanzboden bedeckt, welcher nahe am
—m —
Lautentabulatur — Ligatur. 195
GrifiTbrette mit einem runden, meist künstlich verzierten Schal-
loche versehen ist. Der Hals ist lang, ziemlich breit, und das
daran befindliche Griffbrett mit Bünden (Halb-Tongriffen) wie
bei unseren Guitarren versehen. Unten am Resonanzboden ist
der Saitenhalter für 24 Darmsaiten (einige Basssaiten überspon-
nen) angebracht; 14 dieser Saiten (11 zweichörig) laufen üoer
das Griffbrett und den Sattel in den Wirbelkasten, wo sie ge-
stimmt werden, die übrigen laufen neben dem Griflfbrette in
einen eigenen Wirbelkasten. Diese letzteren werden aber nicht
durch Fmgeraufsatz verkürzt, sondern bleiben in ihrer Stimmung
und bilden die Grundstimme, w6shalb bei verschiedenen Ton-
arten eine Umstimmung derselben stattfinden musste. Die Stim-
mung ist gewöhnlich D-moU, aber die Saiten klingen: Contra
A, B, gross C, D, E, F, G, A, klein d, f, a, und emgestrichen
d, f, a.
Die Tonstücke wurden nicht mit Noten, sondern mit Buch-
staben auf einem System von sechs Linien notiert, ohne Vor-
zeichnung und Schlüssel. Alle sechs Linien hiessen a^ wiewohl
nur drei leere Saiten dieses Namens vorkommen j die tiefsten
Basssaiten wurden durch die Zahlen 6, ^, 4 angezeigt, die näch-
sten vier mit a und geraden Strichen. Über der sechsten Linie
standen zur Bezeichnung der Dauer, welcher die in Buchstaben
gegebenen Töne unterliegen sollen, Notenzeichen. Diese Notie-
rung hiess die Lautentabulatur und erhielt sich lange; um
1509 begann man in Italien statt der Buchstaben Ziffejn zu ge-
brauchen. Ein Beispiel der Lautentabulatur ist in der (jeschicnte
der Musik von Ambros, IL Bd. pag. 495, zu finden; vgl. auch
Bd. III. pag. 426.
Die Laute scheint durch die Harfe besonders Eintrag er-
litten zu haben. Man hatte Lauten von verschiedener Grösse:
Diskant , Alt-, Tenor- und Basslauten u. s. w. Aus diesen bil-
deten sich später mehrere neue Instrumente, deren Saiten auch
mit den Fingern gerissen werden, und welche Lauteninstru-
mente heissen, z. B. die Theorbe, Mandoline, Guitarre u. a.
Lautentabulatur, s. Tabulatur.
Legate (ital.), verbunden, die dem Staccato entgegenge-
setzte Vortragsmanier.
Leitereigene Accorde sind solche, welche nur aus Tönen
bestehen, die der herrschenden Tonart eigen sind.
Leitton, lat. subsemitonium modi, franz. Note sen-
sible, wird vorzugsweise die siebente Stufe der diatonischen
Tonleiter genannt, weil sie die. Neigung hat, in die Oktav des
Grundtones fortzuschreiten. Übrigens kann auch die kleine
Septime des Dominant-Septimenaccordes als ein Leitton bezeich-
net werden.
Lento, s. Tempo.
Libera me, s. Absolutio.
Ligatur, Ligatura, die Bindung, bezeichnet einmal das
vollkommene Anemanderketten einer Keihe von Tönen, und
zweitens die Verbindung zweier oder mehrerer Noten von glei-
cher Tonhöhe, welche wie ein Ton angehalten werden. Diese
Bindung wird durch einen Bogen -^ ^ angedeutet. Die Alten
bezeichnen mit Ligatur auch den Vortrag mehrerer Noten über
13*
196 Lipmia — LitasM^i.
einer Silbe, w^^ di^qh .^Jgentümliche Verbindung der schwarzen
(Choral)-^oten av^^gßdrüctt wurde. In (ier MensurAlnwsik war
Ligatur die Verbindung zweier oder m^hr^rer Noten, welche je
n^ch ihrer .Qß^talt, Art und Zajil in ^inem bestimmten Wert-
yerhältnjisse zu ^i^jandßr nach gewissen Regeln standen. Aus-
führtjches Vehe man in BeUermanns Wqrk: „Die Mensuiral-
ngtenetc.", in Ambro^, „Q^^hiohte der Mu^ik**, II. Bd. u. a.
{4pii>99'* Das gjpieoh. ^ei/{f*'t, wovon d^s lat. Limma um-
gebildet ist, ,beis§t daß «ÜbriggebUebene , der Re^t**, und wurde
bei f^n i^athjQlliatischen :Klai?gberechnuAgen dies Wort auch von
dq^ Äjlteh so g^prauobt. Sie messen Limma sowohl den zwi-
sc^ßn dßm gro^gen und kißinen Halbton, als auch zwischen
grqs^er Teyz und Quart verbleibenden Rqst.
I4i||ji,i^p^y^l(;em — bezeichnet die fünf von unten nach oben
zu zählenden Linien, deren man sich, zur Aufzeichnung der Noten
be^ißnt. DJe Npten Jiaben ihren Platz sowohl auf «3s zwischen
den Linien ijnd es können mittelst dieser fünf Linien elf Noten-
ste,lj,en be^eiphnet werden. Dieses Fünf-Liniensystem hat sich
als fj^s vollkommenste erityiesen, weil es dem Hauptumfange
je4er Sing&timme entspricht und am übersichtlichsten i^t; (Be
iibj^r die itof Lini.en n^ch oben oder unten hinausHegßnden Töne
erbI4l|jen .^pgj^kilvztje Linien unter oder über dem Kopfe oder
durch denselDepL. Wefl^n ^,ber diese Notenlinien durch ihre Häu-
fui^g (w.\e pei sehr hohen Tönßn der Flöte u. dgl.) d^,s Noten-
lesen erschweren, so schreibt man die zu hohen (oder zu tiefen)
Tpp^ um ei^i^e Oktav tiefer (oder höher) und deutet mit einem
8va an , dass sie um eine Oktav höher (beziehungsweise tiefer)
auszuführen seien. Aufschluss darüber, welcher Ton auf irgend
einer Linie steht, gibt der an den Anfang der Linien gesetzte
Schlüssel. Für die Choralnotenschiift wendet man bloss vier
Linien an, obwohl auch das ITünf-Liniensystem nichts Ungewöhn-
hcbes d^bei ist. — Bßzüglich der Grescniehte ist zu bemerken,
dass man im a. J^hrh. zuerßt Linien in die musikalische Schrift
einführte (s. Hu c bald); im XL Jaferh. i&og man durch die Neu-
men Linien, zuerst eine, dann zwei, eine rote und gelbe: Guido
vpn Arezzo setzte vier Linien fest. Im XII. und XIII. Jahrb.
und auch später noch benützten die Harmpnistejn für den Tenor
vier, für den Di^Jk;antus fünf Linien; in der Folgezeit kam es
auch vor, dass ^ie JComponi^tein die vier Singstimmen auf ein
System von ^rtui Linien eintrugen, indem sie die Noten jeder
Stimme mit be^ondfirqn Fpben auszeichneten. Bei der Lauteur
tapulatur warßn sechs Linien in Gebrauch. Seit der Ausbildung
der Harmonie im XV. nnd XVI. Jährh. blieb man bei fünf Linien
stehen, wogegen arlle schon gemachsten neueren Vorsqhläge (Zif-
fern, Buchstaben u. a.) nicht aufkommen konnten.
Litanei. Dieses aus dem Griechischen .(*'r* *'*.*«) stammende
Wort bedeutet ursprünglich ein Gebet, Flehen, Anrufen. Im
engeren Sinne wurde dieses Wort in der alten Liturgie auf die
beim Beginne der Katechumenenmesse öfter wiederholte An-
rufung „Kyrie ele^ison" angewendet, wie auch der heil. Benedikt
in meiner Kegel mit „Litania^ nichts anderes bezeichnet, als das
vor der Orat^on des Officiums öfter gespr.ochene „Kyrie eleison^.
Die „Litania missalis**, aus dem Orient in die lateinische Kirche
LitaiieL 197
aufffenoramen, war eine Anzahl Bitten oder Gebete, welche vom
Diakon vor der Kollekte gesprochen oder ffesungen wurden, und
-worauf das Volk mit einem sich gleich oleibende'n Rufe (z. B.
^Oramus te Domine, exaudi et miserere") antwortete. Diese Art
Litanei erhielt sich bis ins IX. Jahrh. Gregor d. Gr. macht da-
von in seinem Sacranientaiium Erwähnung.
Nach altem hturgischeti Sprachgebrauche werden ^Litaniäfe
majores und minores" die Prozessionen genannt, welche siin
St. Markustage (25. April) und a'n döh drei Bittagen (die drei
Tage nach dem 5. Sonntage nach Ostern) stattfinaen, während
welchen die auch mit dem Namen „Litaniae" bezeichneten An-
rufungen Gottes und der Heiligen gesungen oder gebetet werde'n.
Im allgemeinen aber verstehen wir unter diesem Worte eine
Reihe von Bitten und Anrufungen, die teils an Gott, teils an
seine Heiligen als Fürbitter gerichtet werden. Sie beginnen stets
mit dem Rufe : »Kyrie eleison , . . (Herr, erbarme dich unsier ...)*'
und wenden sich an die göttliche Person mit „Miserere nobis
(Erbarme dich unser)", an die heilige Gottesmutter und die Hei-
ligen mit „Ora (Orate) pro nobis (Bitf [Bittet] für uns)". In den
erhaltenen Denkmälern der ersten christlichen Jährhunderte fin-
det sich nichts, was unseren Litaneien gliche; doch war ihnen
eine Anrufung der Heüij^en in einigermassen ähnlicher Weise
nicht unbekannt. Aus diesen ältesten Anrufungen hat sich im-
sere gegenwärtige, schon seit vielen Jahrhunderten von der
Kirche adoptierte und begutachtete Litaneienform nach und nach
herausgebildet.
Die jetzt rituell angenommenen, d. h. für gottesdienstlichen
Gebrauch erlaubten Litaneien sind: die Allerneiligenlitanei
(schon sehr alt); die lauretanische, welche von der Marien-
kapelle zu Loretto den Namen führt, indem die dortselbst ange-
brachten allegorischen Inschriften und Gemälde, die sich auf die
heilige Jungfrau beziehen , in dieser Litanei zusammengefasst sind
(XIII. oder äIV. Jahrb.), und die vomheiligstenNamenJesu,
welche durch die lauretanische Litanei veranlasst scheint, spä-
teren Ursprunges ist und auf die Bitten des Herzogs Wilhelm V.
von Bayern £ d. 14. April 1646 vom heiligen Stuhle approbiert
sein soll. Seit dem 21. August 18^ hat sie mit etwas geänder-
ter Fassung die sichere Approbation des heiligen Vaters Pius IX.
erhalten. Alle übrigen noch bekannten Litaneien, z. B. vom
heiligsten Altarssaki*amente, können nur bei Privatandachten
benützt werden.
Die Allerheiligenlitanei hat ihre rituelle Anwendung beson-
ders an den Bitttagen und bei der Rückkehr vom Taurbrunnen
am Karsamstage und Pfingstsamstage und ist an diesen Tagen
dadurch ausgezeichnet, dass die Bitten dupliciert werden,
d. h. der Chor antwortet nicht bloss mit dem }^, j,Miserere no-
bis etc.", sondern die Kantoren singen die Bitte mit dem Re-
sponsorium voran und der Chor wiederholt daö Ganze, die
Bitte und das Responsorium.
Die Litaneien wurden eine beim Volke sehr beliebte An-
dacht und fanden ihre häufige Anwendung als Nachmittags-
fottesdienst. Zu diesem Zwecke lieferten schon die Komponisten
es Mittelalters und ihre Nachfolger herrliche kontrapunktische
198 Liturgie,
Werke, wie auch kaum ein Kirchenkomponist zu finden sein
wird, unter dessen Werken nicht auch Litaneien figurieren. Alle
besseren, mit dem Geiste der Kirche vertrauten und ihm Rech-
nung tragenden Meister haben die t'orm des Wechselgesanffes
beibehalten, nur der neueren und neuesten Zeit war es vorbe-
halten, sich von der kirchlichen Form zu entfernen imd geist-
liche Kantaten daraus zu machen. Nun hat man diese ungehörige
Form auch wieder überwunden.
Liturgie, vom griech. A««roi;py«rt, öffentliches Amt, wird in
der heiligen Schrift meist von einem religiösen Amte oder Dienste
gebraucht, in welchem Sinne es denn auch in die Kirchensprache
übergegangen ist, wo es den religiösen Dienst oder den christ-
lichen Gotlesdi enst bezeichnet, und zwar den kirchlich genau
bestimmten Gottesdienst, d. h. die Gesamtheit der von
Jesu Christo, den Aposteln und der Kirche angeordneten
und der Art und Weise ihrer Vollführung nach genau bestimm-
ten heiligen Handlungen der christlichen Gottesverehrung. Im
engeren Sinne und vorzugsweise begreift man darunter bloss die
Feier der heiligen Messe; im weiteren Sinne noch die heiligen
Sakramente, die Sakramentalien und die öflPentlichen Gebets-
weisen und Andachtsübungen. Da der Kirche daran liegt, dass
die gottesdienstlichen Akte in möglichst würdige Formen ein-
gekleidet seien, hat sie von jeher Sorge getragen, die Feier der-
selben in den Ritualbüchern zu bestimmen, und strebte auch
immer die möglichste Gleichförmigkeit an allen Orten an.
Um die liturgischen Gegenstände zu behandeln, die gleich-
förmige Einhaltung der Riten zu überwachen, Zweifel zu lösen,
authentische Erklärungen zu geben u. s» w., hatte Sixtus V. 158ö-
eine eigene Kommission, die Congregatio sacrorum Rituum
(S. R. C.), die Kongregation der heiligen Riten, für ständig
>eingesetzt.
Die vom Konzü von Trient geforderte Revision des Bre-
viers und Missale, welche für ersteres 1568, für letzteres 1570 ge-
schah, hatte auch die Neubearbeitung der üorigen liturgischen
Bücher zur Folge; es folgte 1596 das Pontificale, 1600 das.
Caeremoniale Episcoporum und endlich 1615 das Rituale
r Oman um. Unter Leo XIIL geschah eine neue Revision und
es erschienen als typische Ausgaben, d. h. als solche, nach
welchen allein neue Ausgaben oder Abdrücke einzelner Teile
gemacht werden dürfen: das Missale und Diurnale 1884, das
irevier 1885, das Caeremoniale Episcoporum 1888, das Pontifi-
cale 1888, das Rituale romanum 1887.
Auch die liturgischen Choralgesänge wurden in neuester
Zeit (seit 1870) einer Revision unterzogen und es erschienen als
officielle „curante S. Rit. Congregatione" unter den Auspizien
der Päpste Pius IX. und Leo XIII. hergestellte und als typisch
geltenae Ausgaben: a) das Gra duale, welches alle stehenden
und wechselnden Choralgesänge für die Feier des heiligen Mess-
opfers in sich schliesst; b) das Aiitiphonarium und Psalte-
rium, welche die Gesänge für die Matutin und die Hören des
fanzen Jahres enthaltenj c) Directoriura chori; d) Officium
efunctorum, e) Officium Nativitatis Domini et Heb-
domadae sacrae; f) Cantus Passionis; g) Processionalo
Lobgesang — Magnifikat. 199
romanum; h) Vesperale romanum. 1878 erklärte Leo XIII.
sämtliche von der Congreg. S. Rit. approbierte und durch Fr.
Pustet in Regensburg gedruckte Choralbücher für authentischö
Ausgaben.
Dass ein Kirchenkomponist und Chordirektor besonders
mit der katholischen Liturgie sich vertraut machen, in ihren
Geist eindringen und. an die bezüglichen Vorschriften sich bin-
den müsse, um auch seine Musik mit den heiligen Handlungen
in schönen Einklang zu bringen, versteht sich wohl von selbst.
Lobgesang = Hymnus (s. d.).
Loco = am Orte, deutet an, dass die bis dahin um eine
Oktav (öv") höher oder tiefer gespielten Noten wieder in ihrer
ursprünghchen Lage gelten.
Lndi magister (Meister des Spieles) hiessen früher die
Organisten.
Lydisch, s. Kirchentonarten.
M.
M. M. Abkürzung für „Mälzls Metronom".
Maggiore oder franz. majeur (grösser), bedeutet in einem
Tonstücke den Übergang aus der weichen (minore oder mi-
neur) Tonart in die harte; das maggiore (grösser) und minore
(kleiner) bezieht sich auf die Terz, welche das charakteristische
Intervall der harten und weichen Tonart ist.
Magnifikat, der Lobgesang, welchen die seligste Jungfrau
Maria im Hause des Zacharias anstimmte (Luk. 1, 46 — 55). In
den ersten christlichen Zeiten wurde er schon in die kirchlichen
Gesänge eingereiht und fand früher seine Verwendung auch an
Sonn- und Festtagen beim Früh^ottesdienste ; jetzt wird er täg-
lich in der Vesper gebetet. Dieses Lobgesanges bemächtigte
sich die harmonische Kunst des XVI. und XVII. Jahrh. mit
Vorliebe und schuf für ihn die kostbarsten und erhabensten Ton-
febilde; doch fasste man ihn, dem Sinne gemäss, mehr als
emütiges Danklied, denn als festlichen Jubelgesang auf, weshalb
auch da, wo die Meister sich der kirchlichen Intonation anschlös-
sen, sie ihm vorherrschend die weiche Tonart aneigneten; die
Demut, das Bewusstsein, so Grosses sei der Lobsingenden ge-
schehen ohne Verdienst, sie habe es empfangen als ein Geschenk
der Gnade, spricht vor allem als Grundgefühl sich aus.
An hohen Festtagen war es im Mittelalter Gebrauch, nach
einem oder zwei Versen des Magnifikat (wie beim „Benedictus")
im einfachen Choralgesange die Antiphon einzuscnieben, wodurch
ausser einer der Festlichkeit angemessenen Ausdehnung ein
anderer Zweck erreicht wurde, nämlich dass die während dieses.
Kantikums stattfindenden Incensationen gut vollendet werden
konnten.
Im Mittelalter wurde es bei Vorschriften für das Chor-
febet bloss mit „Evangelium" gleich dem Cantikum „Benedictus'^
ezeichnet.
200 Maitrise — Marien feste.
Maitrise (franz.), die Bezeichnung einer kirchlichen Sing-
schule.
Man., abgekürzt statt Manuale; weist den Organisten
darauf hin, dass er den bezeichneten Passus auf dem Manual«
mit Hinweglassung des Pedals zu spielen habe.
Maneries (lat.), soviel als modus, tropus.
Manieren, soviel als Verzierungen (s. d.)
Manual, in der Orgel die für das Spiel der Hände be-
stimmte Klaviatur. Grössere Orgeln haben zwei, drei, auch
vier Manuale, von welchen eines das Hauptmanual heisst, da
es die meisten und kräftigsten Stimmen enthält; die übrigen
als Nebenmanuale bezeichnet. Bei zwei Manualen heisst das
über dem- Hauptmanuale liegende auch Oberwerk.
Mannale heisst ein Buch, welches von kleiner Form und
geringem Umfange, nur das Nötigste und am öftesten Vorkom-
mende, z. B. im Choralgesange enthaltend, zum Handgebrauche
eingerichtet ist.
Mannbrien werden die Registerknöpfe der Orgel genannt.
Manns mnsicalis, die musikalische oder harmonische Hand,
s. Guidonische Hand.
Marcato gleich markiert, accentuiert, steht in einem
Tonsatze bei Stellen und Stimmen, welche besonders kräftig
hervorgehoben werden sollen.
Marianisehe Antiphonen, s. Antiphon.
Marienfeste. Der katholische Christ kennt nach Gott kein
Wesen, das mehr der Verehrung und Huldigung würdig wäre,
als Maria, die unbefleckt empfangene Jungfrau, die mit den
höchsten Gnaden gezierte Mutter des Gottessohnes, des Heilandes
der Welt. Ihre innige Beziehung zur Welterlösung wissen wir
zu schätzen; als die mit grosser Macht ausgerüstete Fürspre-
cherin erscheint sie uns in den Erweisen ihrer Mutterliebe oop-
£elt liebenswürdig, und nur ein Ausfluss dieser Erkenntnis und
liebe ist es, wenn die Kirche eigene Festtage zur besonderen
Verehrung Maria angeordnet hat, wenn die Gläubigen sie mit
kindlicher Zärtlichkeit und besonderem Eifer verehren. Der
Marienkultus ist so alt wie die Kirche, und mehrere der Feste
der seligsten Jungfrau haben ihren Ursprung im hohen christ-
lichen Ältertume, z. B. die Feste Maria Verkündigung und Maria
Himmelfahrt wurden schon im V. Jahrb., Maria Lichtmess im
VI. Jahrb. begangen. In den Katakomben wurden Büder der
heiligen Gottesmutter gefunden, in begeisterten Anrufungen giesst
der heil. Ephrem der Syrer seine liebeglühende Seele gegen die
Himmelskönigin aus, und mit den Jahrhunderten meliren sich
Hymnen und Lobgesänge zu Ehren Maria, bis in der Periode
der Mystiker diese poetische Huldigung den höchsten Gipfel er-
reicht. Einen wunderbar reichen Blütenkranz könnte man um
ihr Haupt winden von den ausserordentlich zahlreichen Hymnen,
Sequenzen, Litaneien, die bis auf unsere Tage zu ihrer Ehre und
Verherrlichung gedichtet und gesungen worden. Hinter dön
Dichtern blieben die Sänger und Tonkünstler nicht zurück, sie
wollten auch den Tribut ihrer Liebe durch vorzü^iche Erzeug-
nisse ihrer Kunst der geliebten Gottesmutter zu Füssen legen.
Eine schöne Stufenleiter führt von den tiefinnig gefühlten
«■ ■*■»■»■
Marienfeste. 201
•Gesängen im einfachen Choral bis zu den künstlichst ausgebil-
deten Schöpfungen harmonischer Kunst. Überall aber tritt be-
geisterte heilige Liebe und kindliche Zärtlichkeit, manchmal
auch schwärmerische Miene hervor. Die Antiphonen, Hymnen,
Sequenzen u. dgl. für die Feste Maria zählen in der Re^el zu
den besten Stücken des Chorals und der älteren harmonischen
Kirchenmusik.
Die vorzüglichsten Feste Maria, welche in der katholischen
Kirche gefeiert werden, sind:
1) Festum Immaculatae Conceptionis B. V. M., das
Fest der unbefleckten Empfängnis Maria (S. Dez.)*
2) Festum Purificationis, das Fest der Reinigung Ma-
ria oder Maria Lichtmess (2. Febr.). An diesem Tage fmdet eine
feierliche Kerzenweihe statt, während welcher der Chor einige
ans dem im Missale stehenden Antiphonen, „Lumen ad revela-
tionem", „Exur^e Domine" und nebst dem Canticum Si ra co-
li is „Nunc dimittis", nach dessen einzelnen Versen die zustän-
dige Antiphon wiederholt wird, vorzutragen hat; ebenso die
Antiphonen „Adorna" oder „Responsum" und die Versikel „Ob-
tulerunt" bei der darauf folgenden Prozession.
3) Festum Annuntiationis B. V.M., das Fest der Ver-
kündigung M.ariä (25. März);
4) Fesium Visitationis ß. V. M., das Fest Maria Heim-
suchung (2. Juli);
5) Festum Assumtionis B. V. M., das Fest der Himmel-
fahrt Maria (15. Aug.);
6) Festum Nativitatis B. V. M.,. das Fest der Geburt
Maria (8. Sept.);
7) Festum VE Dolorum B. V. M., das Fest der sieben
Schmerzen Maria, welches am Freitag vor dem Passionssonntage
und am 3. Sonntage im September gefeiert wird, und durch die
herrliche Sequenz „Stabat mater" ausgezeichnet ist.
Im Mittelalter war eine grosse* Anzahl Hymnen und Se-
<juenzen für diese einzelnen Feste der seligsten Jungfrau in Übung,
^on denen aber bei der tridentinischen Reform des Missale und
Breviers nur die Hymnen „Ave maris Stella** und „0 gloriosa
Virginum", welche beide ein hohes Alter aufweisen, und die
Sequenz „Stabat mater" beibehalten wurden (für das Officium
parvum B. V. M. noch der Hymnus: „Memento salutis auctor").
Kirchliche Aufnahme und Übung fanden ferner die sogenannten
Marianischen Antiphonen am Schlüsse der Tagzeiten: Ave
Regina, Regina coeli, Salve Regina und Alma redem-
ptoris mit ihren lieblichen Melodien; an einigen Orten werden
auch die Antiphonen: Stella coeli, Immaculata, 0 prae-
^larum vas, bei bestimmten Gelegenheiten gesungen.
Eine besondere* Anregung für die Verherrlicnung der se-
ligsten Jungfrau Maria gab in unserem Jahrhunderte den Dich-
tern und Tonkünstlern die Feier des nur den Charakter einer
Pri'vatandacht tragenden Marien- oder Maimonats. In dieser
Beziehung sind zu erwähnen die Dichter Guido Görres, P. Gall
Morel, Muth u. a., deren liebliche Marienlieder grösstenteils
eine glückliche musikalische Bearbeitung durch Heub erger,
Oreith, Aiblinger, Julius Maier, L i n dp ain t n er,
202 Matutin — Melisma.
Seiler, Koenen, Haller, P. Theresias u. v. a. erfahren
haben.
Matutin, hora matutina, bildet mit den Landes den
ersten Teil des kirchlichen Officiums oder Breviergebetes. Ur-
sprünglich hiess sie „Vigiliae nocturnae" und wurde in drei Ab-
teilungen während der Nacht, wie die Römer die Nacht in drei
Vigiliae einteilten, gebetet und gesungen. Als später das Offi-
cium bloss Gebet der Kleriker wurde, zog man diese drei Ab-
teilungen und die Landes (Vigiliae matutinae) in eine Höre
oder sogenannte (grosse) Gebetstunde zusammen. Sie besteht
jetzt aus dem Vorbereitungsgebete Pater, Ave, Credo, dem Verse
„Domine labia etc.", dem Emleitungsspruche „Dens in adjuto-
torium etc.", woran sich das Invitatormm mit dem 94. Psalme^
der Hymnus und die drei Nokturnen schliessen. Jede Nokturn
besteht aus drei Psalmen mit ihren Antiphonen (in der österli-
chen Zeit nur mit einer Antiphon), drei Lektionen und ebenso
viel Responsorien. An die neunte Lektion schliesst sich ausser
dem Ferialofficium und der Fastenzeit das „Te Deum", worauf
die „Landes" beginnen. So ist die Anordnung im römischen Bre-
vier; einige Ordensbreviere weisen eine andere Ordnung auf
Maxima, s. Noten.
Mediante, Name der Terz des Dreiklanges.
Mediatio, s. Psalm.
Mehrchörig ist derjenige Tonsatz, der in der Vereinigung
mehrerer vierstimmiger Chöre zu gemeinschaftlicher Wirkung
besteht. Von dem mehrchörigen Satze ist der mehr als vier-
stimmige Satz zu unterscheiden, indem bei ersterem zwei oder
mehrere Stimmkörper, für sich bestehende Chöre, wovon jeder
seine eigene Funaamentalstimme oder seinen Bass hat, ihre
Wirksamkeit selbständig gegeneinander äussern, bei letzterem
aber alle Stimmen auf einer Bassstimme berunen und einen
einzigen, mehr als vierstimmigen Chor bilden. Die Alten nann-
ten z. B. einen Satz für acht Stimmen in zwei Chöre geschieden :
„a Otto voci in due cori reali", einen Satz von acht Stim-
men mit einer Fundamentalstimme: „aotto voci reali".
Ockenheim komponierte schon für viele Stimmen (bis zu 36);
die berühmten Niederländer des XVL Jahrh. aber schrieben nur
vier-, selten fünf- oder sechsstimmig. Erst Adr. Willaert ver-
suchte wieder die Komposition für zwei Chöre. Um die Mitte
des XVL Jahrh. benützte man die mehrstimmige und mehr-
chörige Satzweise zu erhabener Wirkung, Vorzügliche Werke
derart lieferten Willaert, die beiden Gabrieli, Palestrina, Lasso,
Ingegneri. Im XVH. Jahrh. gab es keinen tüchtigen Meister,
der nicht den vielstimmigen Satz gepflegt hätte; man stieg mit
der Stimmenzahl bis zu §6, ja selbst 48 Stimmen (Benevoh 1650
und Ballabene 1790). Im XVni. Jahrh. nahm die Sucht nach
Vielstimmigkeit wieder ziemlich ab.
Mehrdeutig nennt man einen Ton, ein Intervall, einen
Accord, insofern ihm gemäss einer verschiedenen Herleitung
verschiedene Deutung unterlegt werden kann.
Mehrstimmig, s. Stimme.
Melisma (im Griechischen: Lied, Gesang, Weise) be-
deutet als technisch-musikalischer Kunstausdruck den verzierten
j
Melodie — Melodisch. 203
Gesang, die durch mehrere Noten über einer einzigen Silbe dar-
gestellte Verzierungsfigur.
Melodie, Melodia (von a«^Aoc, Gesanglied), ist im allge-
meinen jede Reihe von nacheinander folgenden Tönen, im
Gegensatze zur Harmonie, welche mehrere Töne miteinander
gleichzeitig ertönen lässt; näher bestimmt aber eine in sich
selber und rhythmisch zu einem bestimmten musikalischen Ge-
danken geordnete Folge einzelner Töne. Die Melodie ist der
v^esenthäiste Teil des Musikstückes, die Seele desselben, der
die Harmonie, als solche, nur als aushelfendes und unterstützen-
des Ausdrucksmittel untergeordnet bleibt; die Melodie gleicht
der Zeichnung in einem Gemälde, den Kontouren, die Harmonie
den Farben, dem Kolorit. Eine gute Melodie zu erfinden, ist
Sache der Phantasie und des Gefühls und kann nicht gelehrt
werden; was Melodik heisst, ist nur die Lehre von der regel-
rechten Gestaltung, von dem regelrechten Bau der Melodie,
wie sie aus symmetrischen Taktgliedern bestehen muss, wenn
sie leicht, fasslich und gefölhg sein soll; weist an, verschiedene
Einschnitte, Kadenzen, Ruhepunkte zu setzen, die Perioden zu
konstruieren und aneinander zu reihen, gibt die ästhetischen Be-
dingungen an u. dgl.
Man hat dem Gregorianischen Choral oft den Vorwurf ge-
macht, dass er nicht Melodie sei. Allerdings in dem strikten
neueren Sinne nicht, da ihm der streng symmetrische, abgemes-
sene Bau fehlt; dass aber seine Tonreihen wirklicher Ausdruck
von Empfindungen und Stimmungen, wenn auch nicht von
leidenschaftlichen sind, kann nur Vorurteil oder Unkenntnis
verneinen.
Während die neuere Tonkunst alle möglichen Intervalle
in der Melodie zulässt, hatten die Alten strenge Regeln in dieser
Beziehung, gemäss welchen ein Choral meloaisch oder unmelo-
discli charakterisiert wurde. Hiernach durften nur diatonische
Intervalle, d. h. solche, welche in der diatonischen Oktavenreihe
vorkommen, gebraucht werden. Diese Gesetze haben einen sehr
friihen Ursprung, da man sie schon in den alten Weisen des
Gregorianischen Chorals beobachtet findet. Sie sind von da in
die Mensuralmusik herüber genommen worden und bilden gleich-
sam ein Gesetz für alle wahre Kirchenmusik. Mit dem Verlassen
dieser Gesetze beginnt der Verfall der Kirchenmusik. Diese Re-
geln waren nicht etwas Pedantisches, sondern hatten ihre guten,
aller Achtung werten Gründe; einmal war dafür massgebend^
dass die Gesänge leicht auszuführen seien, was bei schwierigen
Intervallen, dergleichen die verminderten und übermässigen sind,
nicht so gut möglich wäre; dann lag den Alten daran, ihrer
Musik den Stempel der erhabensten Einfacheit und reinsten
kirchhchen Keuschheit aufzudrücken, sie fern von aller Leiden-
schaftlichkeit zu erhalten.
Melodik, die Lehre von der Melodie.
Melodisch nennt man jede Tonreihe, welche dem inneren
und äusseren Wesen, den Gesetzen u. s. w. der Melodie ent-
spricht, welche überhaupt einen musikalischen Gedanken aus-
spricht, oder auch welche auf das Ohr und Gemüt einen ange-
f
"204 Melopoia — Mensuralmusik.
nehmen Eindruck macht; Tonreihen, welche dieser Merkmale
entbehren, werden unmelodisoh genannt.
Melopoia (griech.), die Kunst oder auch Anweisung, Melo-
dien anzufertigen oder zu komponieren.
Melos (griech.), Gesanff oder Lied.
Mensur, mensura, Mass, ein musikalischer Kunstaus-
druck von verschiedener Bedeutung. Manchmal deutet es das
mathematische Verhältnis der Töne zu einander, also soviel als
Intervall an; manchmal das quantitative Verhältnis derselben,
das Mass in Länge und Kürze; gewöhnlich aber versteht man
darunter in der Instrumentalbaukunst die mathematische Ein-
teilung der wesentlichsten Teile eines Instrumentes, sowohl im
Verhältnisse zu einander unter sich, als zu ihrer Wirkung. So
bedeutet z. B. bei Blasinstrumenten und der Orgel die Mensur
das Verhältnis der Weite des Rohres und der Pfeifen zu deren
Länge; bei Saiteninstrumenten die verhältnismässige Länge der
Saiten zu der Höhe oder Tiefe des Tones u. dgl. Eine Geige
von kurzer oder kleiner Mensur hat einen kleineren Körper als
gewöhnlich, kürzeren Hals u. dgl., daher auch engere Spielart,
Auf die Höhe oder Tiefe der Stimmung hat eine kleinere oder
grössere Mensur zwar keinen Einfluss, aber auf die Klangfarbe
und Klangkraft.
Mensuralmusik oder Mensuralgesang bezeichnet die
in bestimmte taktmässige oder vielmehr taktmässig bestimmte
Geltung gebrachte Musik von dem Anbeginne des Taktwesens,
das sich zuerst aus der Prosodie, den Längen luid Kürzen der
gesungenen Worte des Kirchentextes entfaltete, bis in das XVI.
oder äVIL Jahrb., wo das alte Takt- oder Mensural wesen in
unser jetziges Taktsystem überging. Der Gegensatz war der
Cantus planus, oder musica plana, der Ghoralgesang, wel-
cher in freierem Rhythmus, ohne solche abgemessene Geltung
der Noten dahinschritt. Ein Zeitpunkt, wann die Mensuralmusik
begann, lässt sich selbstverständlich nicht genau angeben, da es
sich hierbei nicht um eine plötzliche glückliche Entdeckung,
sondern um die Entwickelung einer Kunst handelt, deren Schritte
oft ganz unscheinbar sind und sich erst nach und nach zu augen-
föUigeren Resultaten gestalten. So lange die Musik nur ein-
stimmig oder symphonische Diaphonie — gleiches Organum —
war, reichte die alte unbestimmte Tonbezeichnung notdürftig
aus; als aber mehrere Töne in die Harmonie eingeführt, und über
eine Note mehrere Töne als Diskantus gesungen wurden, was
schon zu Guidos Zeiten in durchgehenden Tönen der Fall war,
musste man sich nach bestimmteren Notengeltungszeichen um-
sehen. Wie die Kunst sich in sich erweiterte, musste auch die
Tonschrift eine Erweiterung und Verbesserung erfahren. Um
die Mitte des XII. Jahrh. mag man begonnen haben, den Tönen
eine bestimmte Länge oder Kürze zuzuweisen und hierfür ent-
sprechende Wertzeicnen, Noten festzustellen. Zu letzteren be-
nützte man die bisher in Frankreich üblichen quadratischen
Chorabioten "i ■ ♦ und stufte ihren Wert so ab , oass die eine
den doppelten Wert der. folgenden hatte: duplex longa ■■„
longa % brevis ■, semibrevis ♦. Bald jedoch verliess man die
Zweiteilung und machte jede Note dreiteilig, indem man dies
»M " ■
Mensuralmusik. 205*
für das Vollkommenste hielt und darum einen modus perfectus
annahm, die Zweiteilung als unvollkommen, modus imperfectus,
bezeichnete. Alle von Coussemaker aufgefundenen vorfran coni-
schen Traktate lehi'en schon die Dreiteilung: duplex longa =
2 longae^ longa =;= (3 (2) bi*eyes; das Verli^ltnis der semibrevis
zur brevis war noch nicht ganz klar gestellt, dies geschah erst
im XIII. Jahrh. Damit im Zusammenhange stand die Lehre
vom modus, d. i. vom Fortschreiten des Tenors oder Cantus fir-
mus in bestimmten Notengruppen, sowie die Lehre von den
Ligaturen und den Pausen, in der ersten Hälfte des XUL Jahrh.
war die Mensm*altheorie schon so weit vorgeschritten, wie sie in
den Traktaten von Franco von Köln, Hieronymus von Mähren
u. a. aufgezeichnet ist. Es hatten sich auch schon unterschie-
dene Kompositionsformen für zwei, drei, vier Stimmen heraus-
febüdet, als z. B. motettus, rondellus, copula, hoquetus. Als
Komponisten (notatores, organistae) vor Franco werden genannt:
die rariser Singmeister Perotinus, Robert de Sabilone, Petrus,.
Leoninus, ein anderer Franco u. s. w.
Was den Inhalt der Mensurallehre angeht, so ist es un-
möglich, in Kürze einen klaren Einblick in dieselbe zu vermit-
teln. Es sei darum auf Werke, welche speciell davon handeln,
verwiesen, z. B. Bellermann, Die Mensuralnoten und Takt-
zeichen des XIV. und XV. Jahrh. (Berlin 1858); Ambros, Ge-
schichte der Musik, IL Bd. (Breslau 1864)- Jakbbsthal, Die
Mensuralnotenschrift des XII. und XIII. Jahrb. (Berlin); Rie-
mann, Studien zur Geschichte der Notenschrift (Leipzig 1878). —
N.ur etwas weniges soll angedeutet werden. Anfänglich bedien-
ten die Mensuralisten sich bloss der genannten vier schwarzen
Noten ; um 1300 kamen noch die minimae J^ und semiminimae ^
hinzu; etwas später gebrauchte man Noten mit weissen Köpfen,
während man die schwarzen (notae coloratae) nur für mindere
Notenwerte (semiminima, fusa, semifusa) verwendete. Die Pau-
sen waren den Notenwei*ten entsprechend (ungefähr wie unsere
Pausen gestaltet). Ausserdem beachtete man in den früheren
Zeiten die Ligaturen, eine Notenfigur, welche mehrere über
einer Silbe stehende Noten verband, und die Plica, eine Ver-
zierung, welche einen über oder unter der nächstfolgenden Note
zu singenden Ton andeutete.
Die Dreiteilung der Notenwerte mng bloss bis zur Semi-
brevis; von der mmima an galt nur ^Zweiteilung. Ein Pimkt
n£^oh einer Note verlängerte (perfektionierte) sie entweder, oder
er zeigte die zu einem modus gehörige Zahl von Noten an (Pun-
ctum divisionis).
Bezüglich der Wertbestimmung bezog sich Modus major
auf das Verhältnis der maxima (früher duplex longa) zur longa.
Modus minor auf das Verhältnis von der K>nga zur brevis, beide
konnten perfectus oder imperfectus, d. h. drei- oder zweiteüig
sein; Tempus perfectum oder imperfectum wies auf das drei-
oder zweiteilige Verhältnis zwischen brevis oder sjfemibrevis; pro-
latio major und minor bezog sich auf die Teilung der semibi*evis,
ob sie drei oder zwei minimae enthalte. Diese Verhältnisse:
206 Messe.
wurden am Anfange des auf fünf Linien geschriebenen Gesanges
durch verschiedene Zeichen angedeutet, z. B.
a) b) 0).
a) Modus minor perfectus temporis perfeoti cum brolatione
majore; b) Modus minor imperfectus temporis imperfeoti cum
proiatione majore; c) Modus minor perfectus temporis perfeoti
cum proiatione minore.
Messe, Missa. Die heilige Messe ist die höchste Kultus-
handlung in der katholischen ßirche, ja, der Mittelpunkt des
fanzen Kultus oder des Dienstes, den der Mensch seinem Gotte
arbringt. Als die fortwährende unblutige Erneuerung des blu-
tigen Opfers von Golgatha steht sie da als der heiligste Akt, in
welchem sich Gott wiederholt den Menschen schenkt und opfert,
und diese wieder in Vereinigung mit ihrem Gotte treten, die
Erlösungsgnade sich aneignend. Als das höchste Opfer von der
Kirche von Anbeginn gefeiert, wurde der eigentliche Opferakt
mit symbolischen Handlungen, welche dazu in nächster Beziehung
stehen, umgeben, wie ein kostbarer Edelstein mit goldener und
silberner Fassung umschlossen. Zur hehren Feier aber genüge
nicht das bloss gesprochene Wort, die dabei im Herzen sich
mächtig regenden Gefühle und Stimmungen drangen in gestei-
gerter Ausdrucksform durch die gesungenen Töne hervor; Ge-
sang war von Anfang an wesentlicher Bestandteil der katholi-
schen Opferfeier. Dass in späteren Jahrhunderten eine stille
Messfeier, anfänglich eine durch gewichtige Umstände hervor-
gerufene Ausnahme, auch wieder aus bedeutenden Gründen nun-
mehr die Zahl der feierlich mit Gesang abgehaltenen Messen
überbietet, schwächt dieses Faktum nicht ab.
Was hier hervorgehoben werden muss, das ist der bei dem
heiligen Messopfer stattfindende Gesang, die Kirchenmusik,
nicht minder das vom Celebranten und den Leviten, als das vom
Chore Gesungene.
Das erste liturgische Gesangsstück ist der Introitus, mit
welchem der Sängerchor die heilige Handlung des Messopfers
eröffnet. Leider war geraume Zeit hindurch (fieser Gesang ver-
gessen und unbekannt, obwohl er eine grosse Bedeutung in sich
schliesst; denn er gibt in Text und Melodie den Grundgedanken
für das betreffende Fest, ist so eine wahre Einleitung und Vor-
bereitung für die Messfeier, wie das „Invitatorium" für das
Officium. An den Introitus reiht sich das Kyrie an, wodurch
die Barmherzigkeit Gottes angefleht wird, seinem Volke die
nötige Gnade (Verzeihung und Heiligung) angedeihen zu lassen.
Hocherfreut über die in Christo erschienene Erbarmimg
Gottes, über die vollbrachte Erlösung des ewigen Hohenpriesters
stimmt der Priester im Jubeltone das Gloria, den englischen
Lobgesang an, welches der Chor in freudig erhabenem Schwünge
fortsetzt.
Mit gehobener Stimme fleht der Celebrant in den Kol-
Messe. 207
lekten oder 0 rationell um Segen; die Gebete beziehen sich
alle auf die Feier des Tages. Da sich alles auf die uns zu teil
gewordene Offenbarung, wie sie im göttlichen Worte und den
göttlichen Thaten enthalten ist, gründet, so singt der Sub-
diakon darauf die Epistel im einfachen Lesetone, nach ihm der
Diakon das Evangelium in dem feierlichen Evangelientone.
Zwischen der Epistel und dem Evangelium lässt sich wieder der
<jhor vernehmen und trägt entweder das Gr a duale mit dem
Allein ja, oder den Trakt us, oder auch als Fortsetzung des
AUeluja die Sequentia vor. Das Graduale ist gleichsam eine
allgemeine Zustimmung zu dem, was in der Epistel als Wort
des heiligen Geistes an die Kirche verkündet worden, und spricht
bald Gemhle des Dankes, bald der Freude, des Vertrauens, des
Bussschmerzes u. s. w. aus, während der Diakon Zeit gewinnt,
sich für die Verkündigung des Evangeliums vorzubereiten. Na-
mentlich zeichnen die „AUeluja" mit ihren oft sehr ausgedehnten
Neumen oder Jubilen den grossen Jubel der Seele ob der
Barmherzigkeit und Huld Gottes; die Sequenzen erzählen die
Wunderthaten Gottes oder singen sein Lob in den Werken und
Tugenden der Heiligen, während der Traktus die bussfertige,
reumütige, zerknirschte Stimmung ausspricht.
Nach dem Evangelium fordert aer Celebrant durch An-
stimmen des „Credo in unumDeum" zur sofortigen Ablegung
des Glaubensbekenntnisses und Neubelebung des Glaubens auf,
und der Chor setzt das „Credo" in feierlich ruhigem Tone fort.
Orundzug ist: Feste Überzeugung, ruhige Betrachtung und Be-
schaulichkeit.
Der Gesang des darauf folgenden Offertoriums hat einen
ähnlichen Inhalt wie der Introitus und gibt die dem Feste ent-
entsprechende Stimmung der Opfernden an.
Sobald der Priester die Präfation, jenen herrlichen Lob-
gesang, wobei anfangs das Volk oder der Chor antwortet, zu
Ende gesungen hat, ertönt in feierlichem Jubel das dreimal
Heilig, „Sanotus", mit ^^Benedietus", welches letztere beim
Einzüge des göttlichen Heilandes in Jerusalem erscholl und hier
auf den auf dem Altare erscheinenden Jesus angewendet ist.
Seit langer Zeit werden diese beiden Stücke, aber nur bezüglich
des Gesanges, getrennt und ersteres vor, letzteres nach der
Wandlung gesungen, wie es das Caeremoniale Episc. L. IL c. 8.
Nr. 71, 72 vorschreibt und ein D. C. R. vom 12. Nov. 1831 wieder-
holt ausspricht. „Sanctus cantari post praefationem , sed Be-
nedictus, qui venit reservari post elevationem ss. Sacramenti,
quae Ceremonialis dispositio in Missis Pontificalibus servanda
est, et laudabiliter in aliis. Si autem Benedictus in aliis Missis
ante consecrationem cantatur, sub elevatione vel potius postea
potest cantari „Tantum ergo" vel aliqua antiphona ss. Bacra-
mento propria." Die stereotype süsslicne und sentimentale Be-
handlung des Benediktus in der modernen Musik mag wohl einen
Anklang an eine mystische Miene zum göttlichen Heilande ge-
ben, aber der wahren kirchlichen Stimmung, welche demütige
Anbetung mit einem Rückblicke auf unsere Sünden ist, wodurch
wir den Herrn ans Kreuz geschlagen, — entspricht sie nimmer.
Beim „Pater noster" singt auch der Priester wieder mit
208 Messe-
lauter Stimme und der Chor antwortet mit den I3J. }^.: „Amen;
Sed libera nos etc.*^, worauf er dreimal wie der Priester ruft:
„Agnus Dei**, Lamm Gottes, das du hinwegnimmst u. s. w^
erbarme dich unser, verzeihe uns unsere Sünden, die du auf dich
genommen hast, und schenke uns dann den Seelenfrieden in der
Vereinigung mit dir, „dona nobis pacem".
Die Communio, gewöhnlich in einem Psalmverse be^
stehend und dem Inhalte und der Stimmung nach übereinstim-
mend mit dem Charakter und der Bedeutung des Festes schliesst
im Gesänge sich unmittelbar an das „Agnus Dei" an. Auch die
„Communio ** ist seit langem von den Chören ignoriert worden
gleich dem Introitus (und Graduale). Noch beteiligt sich der
hör an den Responsorien auf die vom Celebranten gesungene
„Postcommunio** und beantwortet das „Ite missa est" oder
„Benedicamus Domino" durch „Deo gratias^ in gleicher
Melodie mit dem ^Ite missa est". i
Um den Geist und Charakter der Messgesänge — als Aus^
druck der kirchlichen Stimmung — kennen zu lernen (und wel-
cher Kirchenkomponist oder Chordirektor darf dies unterlassen ?)y
reichen Worte und Erklärungen nicht hin; man muss sich an
den streng liturgischen Gesang, dessen sich die Kirche von jeher
bediente und worin sie den wahren Ausdruck niedergelegt und
die richtige Stimmung verdollmetscht hat, an den Gregorianischen
Choral halten. Dieser muss studiert und in seiner heiligen Tiefe
erfasst werden, wozu Kenntnis und klares Verständnis des Mesa-
ritus imd vorzüglich ein frommes Gemüt und gläubiges Herz
den besten Schlüssel leiht. Denn nicht Wissenschaft und tech-
nische Vollendung allein machen den kirchUchen Tonkünstler,
sondern vielmehr die Frömmigkeit und der kirchliche Sinn, wel-
cher ihn befähiget, die in sich aufgenommene kirchliche Stim-
mung durch seine Kunst in Tönen wieder zu geben. Wäre das.
immer der Fall gewesen, und hätten die Komponisten nicht ihre
Ansicht und Meinung, ihr oft so verkehrtes subjektives Ur-
teil, losgetrennt von der Kirche, als massgebend verfolgt, wir
hätten nicht über so viel Quark und unkirchliche Musik zu kla-
gen; denn die Kirche kennt keine Leidenschaftlichkeit, ist gleich
fern von excessiver Freude als niederschlagender Trauer, ver-
abscheut alle weltliche Sentimentalität, dramatische Effekte und
süssliche Melodiehascherei und alles gemeine und triviale Musik-
machen. In der Kirche wird Trauer durch Hoffnung und Ver-
trauen gemildert und mit sanfter Ruhe Übergossen, die Freude
durch den Gedanken an die ehrfurchtgebietende Majestät Gottes-
und an die Gebrechlichkeit der Menschennatur in massvollen
Grenzen erhalten. Alles soll erhaben sein über den Schwächen
und Ausschreitimgen des Individuums. Und darnach bernisst.
sich auch die Aufgabe des Chores als Teilnehmer an der heilig-
sten Handlung. Der Chor wird sich aber seiner hohen Aufgabe^
erst dann vollkommen bewusst werden, wenn er auch in räum-
licher Beziehung mit dem celebrierenden Klerus wieder in nähere
Verbindung tritt.
Beigefügt seien noch einige Bestimmungen, welche specieli
den Gesang bei dem heihgen Messopfer betreffen; andere wolle
man im Artikel „Orgel" nachsehen. „In Missa conventuali semper
Metrik. 209
cani debent Gloria, Credo, totum Graduale, OfFertorium, Prae-
fatio et Pater noster. C. S. R. 14. April 1753. Vgl. C. S. R.
29. Dec- 1884 (Dioec. Lucionens.). — A cantoribus in cnoro incipi
non potest Introitus, priusquam Sacerdos eamdem Missam ce-
lebraturus ad altare pervenerit. C. S. R. 14. April 1735. — Sacerdos
celebrans Missam conventualem , in qua chorus symbolum
apostolorum cantare tenetur, illam prosequi non potest eo
tempore, quo a choro oantatur symbolum praedictum. C. S. R.
17. Dec. 1695. — Submissa voce dicenda (tum div. Officii tum
Missae), quae omittuntur ob sonitum organi; quando non pul-
santur, integre esse cantanda. C. S. R. 22. Juli 1848. — rer
Episcopum provideatur, ut Symbo-lum apost. integre intelli-
gibili voce decantetur. 10. Mart. 1657. Caerem. Ep. 1. I. c. 28,
n. 10. — In Missis de Requiem, quae celebrantur cum cantu,
canendum esse versum „Absolve* et Sequentiam „Dies irae**.
C. S. R.^. Febr. 1847. — Zahlreiche kirchliche Aussprüche kämpfen
gegen den Missbrauch, die kirchlichen Messtexte zu verkürzen,
zu verstümmeln oder auszulassen, namentlich aber wird immer das
volle und verständliche Absingen des „Credo* gefordert.
Metrik (griech.), die Lehre vom Metrum, d. i. vom Vers-
masse, welches wiederum in der Folge einzelner rhvthmischer
Glieder (Versfüsse) zusammengesetzt aus Silben von bestimmter
Länge ( — ) oder Kürze (^) besteht. In der Musik hat das Me-
tnim mit den Tonfüssen, aus welchen die verschiedenen Arten
des Taktes bestehen, sowie mit der Ähnlichkeit ihrer Wiederkehr
zu thunj und ist also eigentlich die herrschende Bewegung einer
musikalischen Periode, die mehr oder minder starke Betonung
der einzelnen Taktglieder.
Was insbesondere die Vokalmusik anbelangt, so richtete
man sich anfänglich nach der Sprachmetrik und nahm die Töne
lang oder kurz, d. h. betonte sie mehr oder weniger nach der
Länge oder Kürze der Silben. Nachdem mit der Proportionslehre
der Takt erwachsen war, ergab sich von selbst das natürliche
Metrum von schweren und leichten Taktteilen und Gliedern.
Diese Betonung in den rhythmischen Ordnungen, gemäss welcher
die stärksten, starken und schwachen Töne in entsprechendem
Grade hervorgehoben werden, heisst der metrische Accent.
Der Hauptsache nach reduciert der musikalische Rhythmus
alle zusammengesetzten Sprachmetren auf einfache jambische,
trochäische und daktylische. Doch richtet sich der musikalische
Accent nicht so streng nach dem poetischen ; Haupt- und Stamm-
süben werden wohl stets betont, und wenn sie nicht allemal
durch lange Noten ausgezeichnet sind, so haben sie doch immer
einen metrischen Accent.
Der Tonsetzer ist überhaupt nicht genötigt, in seinen me-
lodischen Längen und Kürzen nach der prosodischen Quantität
mit Strenge sich zu richten. Er kann, ie nach dem Bedüi'fnis
auf einen Daktylus drei, auf einen Trocnäus oder Jambus zwei
gleiche lange Noten setzen, weil diese gleichen Längen durch
ihr inneres Verhältnis als Thesis und Arsis noch immer genug-
sam verschiedenen Nachdruck haben. Ausserdem ist die Musik
an den mannigfaltigsten Abstufungen der Länge und Kürze imge-
mein reich, während in der Poesie deren nur zwei, nur eine
Kornmüller, Lexikon. 14
210 Metronom — , Miserere.
Länge und eine Kürze vorhanden sind. Alle prosodischen
Rhythmen können daher vielfach musikalisch ausgedrückt wer-
den, nur darf man die richtige Accentbetonung nicht ausser acht
lassen. Bei den Meistern des XV. und XVI. Jahrh. finden sich
in dieser Beziehung manche Unregelmässigkeiten und auch wahre
Verstösse gegen die Prosodie und den metrischen Accent, welche
teils scheinbar sind und durch Rückungen und Synkopen ver-
anlasst, durch eine grössere Notenanzahl und Hinzunahme eines
schweren Taktteiles ausgeglichen werden, teils ihre Entstehung
in dem taktfreien Gesänge (welcher auch bei reeller Stimmen-
mehrheit noch lange Zeit Geltung hatte) finden.
Metronom (griech.), s. Chronometer.
Metrnm heisst bei den mittelalterlichen Musikschriftstellern
äucli die Mediatio oder Mittelkadenz der Psalmverse.
Mette, deutsche Bezeichnung der Matutin (officium noctur-
num). „Mette" im Volksmund bekannt als der feierliche Gottes-
dienst mit gesungener Matutin und Landes; „Trauermette", die
feierliche Abhaltung von Matutin und Landes an den Nachmit-
tagen von Mittwoch, Donnerstag und Freitag in der Karwoche
(s. d.). Nach dem Chronicon Gott wie. soll der Name von „can-
tus Mettensis" herstammen, indem die Gesangweise von Metz in
Frankreich allgemein sich verbreitet habe, und so auch in Deutsch-
land; die Deutschen hätten sie „Mett" oder „Mette" genannt.
Gerb, de Cantu, L 272.
Mezzo, ital. Adjektiv, = halb," kommt in verschiedenen
Zusammenstellungen vor: mezzo forte, abgekürzt geschrieben
m. f. = halb starTk; mezza voce = mit halber Stimme, ist beim
Singen diejenige Tongebung, welche mit verhältnismässig schwa-
chem Atemfluss und partieller Schliessung der Stimmritze ge-
schieht, und mittels welcher ein sanfter, flötenartiger Klang
erzielt wird; Mezzo Sopran, s. Sopran.
Mi — der dritte Ton in der Guidonischen Solmisation, bei
den Franzosen und Italienern der Name des Tones e; in der
alten Solmisation bezeichnete mi immer den unteren Ton des
Intervalls eines halben Tones und konnte somit z. B. zwischen
e f, h c, a b u. s. w. den Tönen e, h, a zukommen, wobei der
obere Ton, also f, c, b immer fa benannt wurde (s. Mutation).
Das bekannte „mi contra fa" bezeichnete die verminderte
Quint (h-f) oder die übermässige Ouart (f-h), welche bei den Al-
ten verpönte Intervalle (Querstana) waren, woher der Satz; „Mi
contra fa diabolus in musica."
Minima, s. Notation u. Mensuralmusik.
Minore (ital.), mineur (franz.) = kleiner, bedeutet speciell
die kleine Terz des Dreiklanges, und wurde früher in Tonsätzen
bei Übergängen von der Durtonart (maggiore) in die parallele
Molltonart beigefügt.
Miserere, der 50. Psalm „Erbarme dich meiner, o HerrI"
Er wird als Bussgebet und Bitte iii dem Officium und bei an-
deren Gelegenheiten, z. B. bei Leichenbegängnissen, bei Abend-
andachten m der Fastenzeit, welche man wegen des alleinigen
Gebrauches dieses Psalmes selbst mit dem Namen Miserere
belegte, bei Weihungen u. a. angewendet, und gab den Tonsetzern
Gelegenheit, manche kostbare rerle der musikalischen Kunst ans
Missa — Modulation. • 211
Tageslicht zu fördern, so dass wenige Kirchenkomponisten sein
werden, welche nicht eine Komposition dieses Psamies geliefert
hätten. Besonders berühmt ist die von AUegri, welche alljähr-
lich noch von der Sixtina in der Karwoche gesungen wird.
Meisterwerke dieser Art sind ferner die Miserere von Palestrina,
Orlandus Lassus u. a.
Missa, die heilige Messe. Die Kirche unterscheidet eine
Missa solemnis, eine Messe, welche bei aller Feierlichkeit, mit
Gesang, Weihrauch und Leviten» und Beobachtung aller von den
Rubriken hierfür vorgeschriebenen Ceremonien abgehalten wird;
Mißsa privata, ohne Gesang und Leviten, — stille Messe;
Missa cantata seu media, welche zwischen ^beiden steht, ohne
Leviten, jedoch mit Gezang gefeiert wird. Sie benennt ferner
ciine Missa conventualis, welche täglich in den Dom-, Stifts-
und Klosterkirchen gefeiert wird, secundum ordinem officii:
Missa parochi^-lis, die Pfarrmesse. Zur Erhöhung der Feier-
lichkeit hat eine entsprechende Kirchenmusik beizutragen (s.
M e s s e).
Missale ist das Buch, in welchem die einzelnen Messfor-
mulare für die Feste, Sonntage und Ferien des Kirchenjahres,
sowie die für den celebrierenden Priester bestimmten Gesänge
und die kirchüchen Ceremonien bei der Messfeier enthalten sind.
Mitklingen, s. Akustik.
Mittelstimmen heissen alle Stimmen einer mehrstimmigen
Komposition , welche zwischen den sogenannten äusseren
Stimmen, der höchsten oder obersten und der tiefsten oder un-
tersten Stimme liegen. Im homophonen Satze treten sie, obwohl
sie zum Ganzen notwendig sind und auch da kimstgerecht ge-
führt werden müssen, nicht so bedeutungsvoll hervor als im
polyphonen Satze, wo sie mit den Aussenstimmen gleichen Rang
behaupten; ebenso können sie im Orchester als melodieführend
eine wichtige Stelle einnehmen. ,
Mixolydiseh, s. Kirchentonarten,
Mixtur, die gebräuchlichste der gemischten Orgelstimmen,
wobei drei, vier, sechs Pfeifen in höherer Oktav, Quint oder auch
noch Dezime auf eine Taste vereinigt erklingen. Die gemischten
Stimmen haben den Zweck, dem Orgelklange Schärfe und Glanz
zu geben; allein und für sich können sie zur Melodieführung
nicht verwendet werden, sondern bedürfen stets der Deckung
durch grössere Grundstimmen. .
Moderato, s. Tempo.
Modulation ist im allgemeinen das Verfahren, verschiedene
Harmoniefolgen aneinander zu knüpfen, so dass sie als Güeder
einer Kette erscheinen und eine gewisse organische Verbindung
und Vermittelung bekunden. Diese Harmonien können entwe-
der einer und derselben Tonart angehören oder das Gebiet ihrer
Gnmdtonart verlassen und Accorde aus fremden Tonarten herbei-
ziehen und eine Zeit lang sich in ihnen ergehen, um zum Schlüsse
wieder in die Haupttonart zurückzukehren. Erstere Weise heisst
leitereigene, letztere leiterfremde oder ausweichende
Modulation.
Man gebraucht den Ausdruck modulieren, Modulation
ohne Beisatz auch, um den Übergang, das vollständige
14*
212 # Modus — Motett.
Ausweichen aus einer gegebenen Tonart in eine verwandte
und fremde zu bezeichnen. — Die Regeln der Modulation lehrt
die Harmonielehre.
Bei den alten Theoretikern bedeutet modulare, wofür
sie auch moderare sagten, „einen Gesang, eine Melodie erfin-^
den, komponieren".
Modus (lat.), Art, Weise, bedeutet a) bei den Alten, z. B*
Guido von Arezzo, die Ai*t der Ton- (oder Intervallen-)Fortschrei-
tung von einem angenommenen Grundtone an nach oben und
unten, z. B. D E F G a (C D E F G a) primus modus; dann
auch überhaupt Tonart; b) bei Lehrern des XL und XII. Jahrh.
werden auch die Intervalle (Tonverbindungs weisen) so genannt;
c) bei den älteren Mensuralisten ein rhythmisches Schema für
die Melodiebildung, z. B. longa brevis und longa brevis longa.
d) In der Mensuraltheorie des XV. und XVI. Janrh. die Bestim-
mung des Masses der grössten Notengattungen, nämlich der
Maxima (Modus major) und der Longa (Modus minor) , welche
dreiteilig (Modus perfectus) oder zweiteilig (Modus imperfectus)
genommen werden konnten. (S. Mensur almusik.)
Moll, vom lat. mollis, weich; Moll-Drei kl an gl, der weiche
Dreiklang mit kleiner Terz ; Moll-T o n a r t , welche auf die Oktaven-
reihe oder Skala mit kleiner Terz gebaut ist und einen Moll-
Dreiklang als Haupt- und Schlussaccord besitzt.
Molto , ital. = viel, sehr, beträchtlich, steht immer
neben Vortrags- oder Tempobezeichnungen zu deren näheren
Bestimmung, z. B. -AUegro molto", sehr schnell.
Monochord (Einsaiter), Klangmesser, ist ein Instrument,
auf welchem die Verhältnisse der Intervalle ausgemessen und
durch Zeichen bemerkt werden, so dass man jedes einzelne
Intervall mittels eines beweglichen Steges, welcher unter eina
Drahtsaite geschoben wird, angeben kann. Es ist mit einer, oft
auch mit mehreren in Einklang gestimmte Saiten bezogen.
Monodie. Die Griechen nannten jeden einstimmigen Ge-
sang Monodia; daher belegte man im XVI. und XVII. Jahrh.
alle Sologesänge mit diesem Namen.
Motett, motettum, bezeichnet eine Komposition, Welcher
ein kurzer biblischer Text zu Grunde liegt, und welche gewöhn-
lich in reicherem Stile (blühendem Kontrapunkte) gehäten ist.
Im XII. Jahi'h. findet sich das Wort „motetus", auch „mutetus^,
als Bezeichnung der diskantierenden Stimme angewendet, welche
in reicherer Anwendung von verschiedenen Intervallen, schnel-
leren Noten und Koloraturen den einfacheren Tenor oder Cantus
firmus begleitete, auch eine weitläufigere Textunterlage gegen-
über dem Tenor forderte. Der Name „Motetus" verblieb der
ersten diskantierenden Stimme auch in den folgenden Jahrhun-
derten noch, wo man eine di'itte Stimme (Triplum) und selbst
vierte (Quadruplum) und fünfte (Quintuplum) beifügte. Allmäh-
lich ging der Name auf eine eigentümliche Kompositionsform^
über. Franko redet schon von „motetus" als einer besonderen
Form, welche stets mit gleichem oder verschiedenem Texte , nie
ohne solchen, gesungen wird. Da dieser und die nachfolgenden
Lehrer sich über diesen Funkt für uns sehr unverständlich aus-
drücken, so darf es nicht auffallen, wenn die Ableitung des
Motiv — Musica. 213
Ausdi'uckes »Motett" noch nicht mit Sicherheit festgestellt ist.
G^bert, Winterfeld, Ambros leiten es vom französischen Worte
-Mot", „Wort, Sinnspruch" ab (vgl. Ambros, Geschichte der Musik,
IL 337); ich glaube es richtiger von ^motus, die Bewegung" ab-
zuleiten, und darin das eigentliche Wesen der Motette zu finden.
Vona Anfange an bezeichnete man damit einen bewegteren
Ges^g, wie aus den von Gerbert und Coussemaker gebotenen
wenigen Beispielen zu ersehen ist; auch Walter Odingten nennt
ihn „motus brevis cantilenae", eine kurzgehaltene Bewegung des
Gesanges. Hieronvmus de Moravia sagt: „Motetus est super de-
terminatas notas nrmi cantus mensuratas, sive, ultra mensuram,
diversus in notis, diversus in pausis, multiplex oonsonans can-
tus," also ein sich aufs freieste über einem gemessenen Cantus
firmus bewegender Gesang, wobei der Diskant im sechsten Modus
(aus lauter kurzen Noten bestehend) gewöhnlich gehalten war.
Mit dem XV. und XVI. Jahrh. verschwinden die sämtlichen
Species de« Diskantus (s. d.)und konsolidieren sich als Mittel zu
«mem Zwecke — zum künstlichen Kontrapunkte, der Name
„Motett" blieb aber für eine ausgebildete kontrapunktische
Kunstform, welcher, wie gesagt, Stellen aus der heiligen Schrift,
überhaupt religiöse Texte zu Grunde gelegt wurden; das XVI.
Jahrh. benannte dann die nämliche Kunstform mit weltlichem
Texte und Charakter als „Madrigal". Motettenstil bezeichnet
jetzt noch eine freiere, bewegtere, kontrapunktisch gehaltene
Kompositionsform. Die älteren Meister, besonders der römischen
Schule, legten ihren Motetten ein Choralthema zu Grunde, die
späteren bildeten ihre Themata frei- Die Behandlungsart war
verschieden, bald wurde das Thema . durch mehrere Stimmen als
Catittis fii*mu8 durchgeführt, während die Nebenötimmen densel-
ben ih mehr oder minder reichem Kontrapunkte ausschmückten ;
bald war das Thema der eigentliche Keim, woraus sich die fol-
genden Satzteile entwickelten, immer aber konnte der Tonsetzer
mit grösserer Freiheit in solchen Kompositionen seine Fähigkeit
und sein Talent entfalten.
Motiv wird das kleinste Glied eines Tongedankens ge-
nannt. Es gibt rhythmische und melodische Motive, und
sie sind die Keime, aus welchen grössere Tongestalten hervor-
WÄchsen, indem sie in verschiedenster Weise wiederkehren.
<S. Periode.)
Metns (lat.), die Bewegung, Bewegungsart (s. Bewegung).
Musica, Musik. Darunter verstanden die alten Griechen
.die Künste der Musen, besonders die in Wort und Ton bilden-
den, . die Ton-, Dicht- und Redekunst. Erst später erhielt die
Tonkunst ausschliesslich den Namen „Musik" (s. Tonkunst).
Die mittelalterlichen Theoretiker definierten sie verschieden, wie
aus dem musikalischen Traktat des Hieronvmus von Moravia zu
ersehen ist; uns ist sie die Kunst, welche dui*ch Töne in schönen
Fcmnen Empfindungen und Seelenstimmungen symbolisiert. Nach
eben diesem Autor teilte man am allgemeinsten die Musik in
harmonische, armonica („est modulatio vocis"), worunter
man den Gesang verstand, organische, organica, bei wel-
cher durch Einblasen von Wind, wie bei der Orgel, Flöte u. dgl.
die Töne hervorgebracht wurden, rhythmische, rhythmica
214 Musica ficta, falsa — Mutieren.
(„pertinens ad nervös et pulsus**), die Musik der Zupf- und der
Schlaginstrumente, wie der Zither, der Pauken u. dgl. Andere
verstehen unter rhythmischer Musik die Metrik. — Wir Mo-
dernen unterscheiden Vokal- und Instrumentalmusik mit
ihren Unterabteilungen (s. d.); ferner theoretische und prak-
tische Musik; in Bezug auf den Zweck auch noch Kir öftren-,
Kammer-, Konzert-, Theater-, Militärmusik. Dietheore-
tische Musik begreift die Akustik, Kanonik, Grammatik
imd Ästhetik; die praktische aber die eigentliche Setzkunst,
Komposition und die Ausübung oder Exekution in sich.
Mnsica ficta, falsa findet nach Garlandias (XII. Jahrh.)
Erklärung statt, „wenn man aus einem ganzen Tone einen hal-
ben Ton macht und umgekehrt," und bedeutete den Alten die
Einführung eines der Oktavenreihe oder Tonart fremden Tones.
Sie wurde angewendet teils des Bedürfnisses halber, wenn man
ohne sie sonst weder eine reine Quart, noch reine Quint oder
Oktav haben konnte, z. B. F— cS (F — bt?), b|;— ff (bl?— ff), teüs
zur Verschönerung des Gesanges. Marchettus von Padua will
den Namen musica ficta oder falsa in musica colorata (s. Color)
geändert wissen. Sie wurde bei den Instrumenten und vorzüg-
lich bei der Orgel (in organis, oder beim Organum?) angewendet,
und der Anonymus IL bei Coussemaker (Script, mus. med. aevi,
Bd. I.) sagt geradezu, ohne die falsa musica sei das Diskantieren
unmöglich, ^ie heisst musica falsa, falsche Musik, nicht desr-
wegen, weil sie falsch klingt oder dissoniert, sondern weil der
Halbton an einer Stelle angebracht wird, wo er regelmässig
keinen Platz hat (inusitato looo), weil er leiterfremd (extraneus)
ist und früher nicht gebraucht wurde. Dasselbe besagt der
Name musica ficta, erdichtete, fingierte Musik. Tinctoris, Rhau
u. a. nennen das accidentelle bt? stets musica ficta oder auch
nota oonjuncta (synemmenon). — Unter musica ficta verstehen
einige Tonlehrer, z. B. Fink auch die Transposition eines
Gesarigös.
Musica figurata, s. Figuralgesang.
Musica mensnrata, Cantus mensurabilis, s. Mensu-
ralmusik.
Musica plana, s. Cantus planus und Choral.
Mutation (vom lat. mutare, .verändera) , ist 1) die Verän-
derung der Knabenstimme beim Übergang in die Tenor- oder
Bassstimme. Diese Veränderung tritt m der Periode der heran-
nahenden Mannbarkeit zwischen dem 14. und 17. Jahre ein imd
gibt sich durch Heiserkeit, Unsicherheit der Töne und das ^beiv
sehlagen der Stimme in das höhere Register zu erkennen. Die
Dauer dieses Zustandes ist verschieden; doch ist bis zum Zeit-
punkte, wo die Stimme sich gesetzt „hat, grosse Vorsicht luid
öchonimg bei den vorzunehmenden Übungen, soll die Stimme
nicht verdorben werden, zu beobachten. 2) Mutation hiess in
der Solmisatiön die Verwechselung einer Hexachordstufe mit
einer anderen desselben Schlüssels von gleicher Tonhöhe. Dies
geschah wegen der Unzulänglichkeit der sechs Guidonischen
Silben, und man suchte auf jeden halben Ton die Silben mi-fa
zu bringen (s. Solmisatiön).
Mutieren, s. Stimme.
Nachahmung — Neumen. 215
N.
Nachahmung, s. Imitation.
Nachhall, s. Akustik.
Nachsatz, s. Periode.
Nachspiel, s. Praeambulum.
NatnrtÖne heissen diejenigen, welche ohne alle weiteren
Hilfsmittel sich auf Instrumenten (besonders Hörnern und Trom-
Seten ohne Ventile oder Klappen) auf ganz naturgemässe Weise
ei*vorbringen lassen. Auch versteht man darunter die Töne
einer Oktavenleiter, welche sich in regelrechtem Fortschreiten
ergeben, und besser leite r eigene genannt werden im Gegen-
haite zu denjenigen, welche nicht in oer Tonleiter liegen, sondern
durch Vorsetzungszeichen erst gewonnen werden (zufällige
oder künstliche, leiterfremde Töne).
Neapolitanische Schule, s. Kirchenmusik und Schule.
Neunten (griech. vevf*a, der Wink). Unter diesem Namen
versteht man ij die Tonschrift, welche seit Gregor d. Gr. bis
ins XIL und XIII. Jahrh. (hin und wieder noch länger) im Ge-
brauche war und aus Punkten, Häckchen, Strichlein m verschie-
dener Gestalt und Richtung bestand, wodurch dem Sänger die
Tonhöhe, auch das Steigen und Fallen der Stimme versmnlicht
wurde. Da dies noch immer eine sehr mangelhafte Gedächtnis-
hilfe war, begann man im IX. und X. Jahrh. eine Linie über der
Textzeüe zu ziehen und die Neumen in, über und unter diese
Linie zu setzen. Zu Guidos Zeiten waren schon zwei Linien
im Gebrauche; Guido selbst verbesserte die Schrift dadurch, dass
er zu den zwei Linien (roth F und gelb C) noch zwei andere
fügte und auf und zwischen ihnen den Neumen den bestimmten
Platz anwies. Aus den Neumen bildete sich die quadratische
oder jetzt gebräuchliche Notenchoralschrift heraus. Öie Neumen,
deren Anzahl gross war, hatten verschiedene Namen, je nach
ihrer Bedeutung. Man teüte sie a) in solche, welche einen ein-
zigen Ton bedeuten, z. B. Punctum, Virga: b) in solche, welche
in einem einJsigen Zeichen zwei oder menrere Töne darstellen,
z. B. Flexa, Clivis, Plica, Podatus; c) in solche, welche besondere
Singmanieren bedeuten, z. B. Oriscus, Quilisma; d) in solche, welche
ganze Notenformeln bedeuten , z. B. Pressus , Cephalicus. Wer
sich hierüber eingehender unterrichten will, nehme Ambro s,
Geschichte der Musik (IL Bd.), Schubiger, Die Sängerschule
von St. Gallen oder „Pal6ographie musicale" (Solesmes 1889)
zur Hand. — 2) Neumen bedeutete zu Guidos Zeiten nicht bloss
ein einzelnes Zeichen, notula, sondern mehrere derselben
miteinander, wenn er davon spricht, dass „es in der Harmonie
Klänge und Töne gebe, deren einer, zwei oder drei auf eine
Silbe gebracht und wieder einzeln oder doppelt zu Neumen
oder Teilen des Gesanges werden; einer oder mehrere solcher
Teile machen eine Distinktion oder einen bequemen Platz
216 Nooturnus cantus — Noe.
zum Atemholen." Dies Neuma unterscheidet sich vom vor-
stehenden dadurch, dass nicht ein zusammengesetztes Noten-
zeichen, sondern ein kleinerer oder grösserer Notenkomplex, der
oiner oder auch mehreren Silben und \Vöi"tern zukommt, darunter
zu verstehen ist. — 3) Bedeutet Neuma auch noch eine gewisse
melodische Phrase, am Schlüsse eines Verses oder einer An-
tiphon, die besonders regelmässig über der letzten Silbe des
Allelüja im Graduale vorkommt; dieser Name stammt hier von
TTvevßtrt, Wind, Atem, pneuma, verkürzt neuma; dieses „pneuma*
oder „neuma" wurde, da es keinen Text unter sich hatte, bloss
vokalisiert; es war die Veranlassung zu den Sequenzen (s. Alle-
lüja, Jubilus und Sequenz).
Nocturnus cantns ist derjenige Teil des kirchlichen Offi-
ciums, welcher ursprünglich in der Nacht gebetet oder gesungen
wurde, wie es in manchen Orden noch der Fall ist; jetzt De-
zeichnet man bestimmte Abschnitte desselben mit diesem Namen
(s. Horae canonicae). Das Festofficium hat drei Nokturnen,
das Ferialofficium und die einfachen Feste (festa simplicia) haben
nur einen. Sie bestehen, indem sie sich an das Invitatorium und
den Hymnus anreihen, nach römischer Weise aus drei Psalmen
mit ihren Antiphonen (in der österlichen Zeit stehen die drei
Psalmen unter einer Antiphon), worauf ein t, mit Ijfe. folgt.
Nach geschehenem Absolutionsspruch erbittet der Lektor die
Benediktion mit „ Jube Domine benedicere", nach deren Erteilung
durch den Oberen er , die Lesung der ersten Lektion beginnt ;
wird sie gesungen, so ist der Lektionston mit seinen Fällen ein-
zuhalten; beschlossen wird jede Lesung — mit Ausnahme der
beim Officium Defunctorum (Totenofficmm) und * an den drei
letzten Tagen der Karwoche vorkommenden Lektionen — mit
„Tu autem. Domine, miserer e nobis", worauf der Chor antwortet:
«Deo gratias" und das Responsorium mit dem Verse beginnt.
Wii'd dies Responsorium gesungen, so singen es zwei Sänger
allein bis zum Vers, worauf andere beim Vers fortsetzen und
mit der Repetition vom Asteriscus (Sternchen) an vollenden.
An den höchsten Festtagen wiu*de früher das erste Responsorium
des ersten Nocturnus in manchen Kirchen, z. B. in der Sixtini-
schen Kapelle, in polyphonem Gresange vorgetragen. — In obiger
Weise wird es aucli mit den zwei anderen Lektionen des ersten,
und mit denen des zweiten und dritten Nocturnus gehalten, nur
mit dem Unterschiede, dass nach dem Verse und der Repetition
von den Vorsängern das Gloria Patri bis zu „Sicut erat" gesun-
gen und darauf vom Chore das Responsorium vom Asterisous
an (wenn zwei Sternchen sind, vom zweiten an) repetiert wird.
Den Beschluss des dritten Nocturnus macht mit Ausnahme ge-
wisser Zeiten und Tage das Te Deum laudamus.
Noe. Dieses Wort, welches in älteren Weihnachtsmotet-
ten, z. B. von Palestrina, Antonelli vorkommt, scheint nichts
anderes zu sein, als ein einfacher Hirtenruf, wovon auch die
französische Benennung von Weihnachten, Noel, den Ursprung
nehmen mag. Ähnliche Silben und Wörter finden sich auch in
den Traktaten der älteren Tonlehrer, z. B. von Aurelius Reom.,
Regino v. Prüm, Hucbald, wo sie als Textunterlage für die Tro-
pen oder Tonformeln zur leichteren Behaltung derselben gesetzt
!▼
None — . Noten. 217
sind, wie Nonannoeane , Noeacis u. s. w. Sie werden teils er-
klärt als einfache Interjektionen und Ausrufe der Freude, wie
bei uns z. B. tralala, eja u. s. w., oder sie stellen sich dar als
Nachahmungen der altgriechischen Vokalisen; jedenfalls sind sie
Sriechisohen Ursprungs. Vgl. Gerbert „de Cantu" I, 42. 149, 247 ;
, 77; Ambros, GescSchte der Musik I, 445.
None (vox nona), ist die neunte Stufe von einem Grund-
tone aus, ,in unserm Tonsystem die zweite Stufe, nur in einer
höheren Oktav. In harmonischer Beziehung jedoch verlangt sie,
als wesenthcher Bestandteil eines Accordes, eine andere Behand-
lung. Sie ist, mag sie gross oder klein sein, eine Dissonanz luid
hat sich darum , gewonnlioh nach unten in die Oktav , aufzu-
lösen. Ist dieser Ton nicht Non, sondern Sekunde, so bleibt er
liegen und der darunterliegende Ton hat abwärts zu gehen. —
Non hwsst auch eine Hora des Tagesoffioiums, welche anfäng-
lich um die neunte Stunde (3 Uhr nachmittags) gebetet wurde.
Vgl. Horaecanonicae.
Nonenaccord, aufgebaut aus Grundton, Terz, Quint, Sep-
time und Non, wird nach der Beschaffenheit der Non klein
oder gross genannt. Selbständige Bedeutung spricht nur der
Nonaccord auf der V. Stufe der Tonart an. Die meisten Non-
aooorde sind als Vorhaltsacoorde anzusehen. Vgl. Aocord.
Nota cambiata = Wechselnote.
Noten, notae figurae. Um- die musikalischen Töne fürs
Auge zu fixieren und die musikalischen Gedanken durch sicht-
bare Darstellung allgemein verständlich zu machen , verfiel der
n^nschliche Geist darauf, wie für die Sprachlaute die Buchsta-
ben, so für die Töne gewisse Zeichen zu ersinnen, welche sie
sowohl nach ihrer Höhe und Tiefe, als nach Wert und Geltung
kennbai' machen. Die älteste und bekannte Tonschrift ist die
griechische (s. Griechische Musik). Sie fand überall Ein-
gang, wohin die griechische Musik sich verbreitete. Anich in die
christliche Zeit reicht sie noch weit herein, wenigstens führt
Hucbald in seinen Tractaten noch Stücke von griechischer No-
tation an, wohl nur für das theoretische Studium, da die ganze
damalige Tonlehre auf der griechischen beruhte, nicht aber zum
pi-saktischen Gebrauche. Von Gregor d. Gr. aber wird schon be-
merkt, dass er sich der ersten sieben Buchstaben des lateinischen
Alphabetes zur Bezeichnung oder vielmehr Benennung der Töne
bediente, welche Weise rortan Gelttmg behielt. Gleichwohl
w^aren, als mwi im IX. bis XII. Jahrb. die griechische Theori«
an die Spitze der Musikwissenschaft stellte, auch die griechischen
Tonnamen lange im Gebrauche und ein Anonymus I.-(bei Ger-
bert, Script. L, 390) wendet das durchlaufende lateinische Alpha-
bet an. Ziui eigentlichen Notenschrift scheinen die Buchstaben
jedoch seltener verwendet worden zu sein; im Kodex von Mont-
pellier und in smderen finden sie sich (im dm*chlaufenden Alpha-
bet) neben, resp. unter oder über den Neumen ^«ichsam zur
EiTklärun^ derselben gesetzt. Unterdessen hatte sich auch eine
andere kürzere Tonbezeichnungsweise Geltung verschaflFt, deren
Ursprung wir allerdings nicht mehr nachgehen können, da wir
un» über die Musik vor dem IX. Jahrb. in den meisten Punkten
in gänzlicher Unwissenheit befinden; das sind die sogepannten
218 . Noten.
Neumen (s. d.), mit welchen die ältesten Antiphonarien, die
wir besitzen, notiert sind. Damit soll schön der heil. Gregor
seinen Antiphonarium centon. notiert haben, was man besonders
aus dem Antiphonarium von St. Gallen schloss, welches lange
Zeit für öine vom römischen Sänger Romanus dahin gebrachte
authentische Abschrift des echten Gregorianischen Antiphonars
gegolten hat, nach den Untersuchungen des P. Anselm Schubi-
ger aber dem IX; oder X. Jahrh. angehört. Die Neumen er-
hielten sich teilweise bis ins XII. und XBl. Jahrh. im Gebrauche.
Man fühlte sehr wohl, welch unzureichendes Mittel zur richtigen
Tonbezeiehnung sie waren, da überdies noch durch Sorglosigkeit
im Schreiben und durch den Umstand j dass die Zeichen nicht
an allen Orten gleiche Bedeutung hatten oder die Form ändeiiien
oder auch eine Vermehrung erfuhren, das Übel vergrössert
wurde: aber aller Scharfsinn wollte lange nicht verfangen und
die ausgesonnenen neuen Tonbezeichnungen eines Oddo, Hucbald,
Hermann behielten nur örtliche Anwendung, zu weiterer Ver-
breitung und Annahme kam es nicht. Erst Guido gelang es,
den glücklichen Wurf zu thun und einen sicheren ausdauernden
Grund zu legen. Zu den vor ihm schon angewendeten zwei
Linien (roth und gelb) fügte er noch zwei una wies jeder Linie
und jedem Zwischenräume nur eine Tonstufe an: da man den
zwei farbigen Linien die Buchstaben (Schlüssel) F und C stets
vorzusetzen pflegte, so wurden auch die Farben überflüssig imd
man begnügte sich mit vier schwarzen Linien. Bei dieser Me-
thode ergab sich von selbst gar bald, wie unnötig es sei, ver-
schieden gestaltete Neumen zu setzen; Guido selbst sagt schon,
dass nicht mehr die Form, sondern der Platz, den die Neumen
einnehmen, die Art des Tones entscheiden. Rasch verringerte
sich die Zahl der alten Notenzeichen, ihre Gestalt wurde ein-
facher und kaum nach Verfluss eines Jahrhunderts ist die punkt-
artige und Quadratform die gebräuchliche geworden (weil m dem
Traktate Francos zum erstenmal ausgebildet vorkommend, auch
die schwarze Franconote geheissen). Sie empfahl sich als
selbst in einiger Entfernung gut lesbar und war dadurch auch
hervorgerufen, dass wegen Bestimmtheit der Notenschrift man
die Gesänge nicht mehr aus dem Gedächtnisse, sonderii gleich
aus dem Buche, in das mehrere zugleich sahen mussten, absang.
Job. de Muris sagt, dass die Deutschen für die Choral-
gesänge, wenigstens an Säkularkirchen, bis auf seine Zeit herab
mit nicht quadratischen Zeichen notieren und die Linien C und
F mit Farben auszeichnen; in den gallikanischen, sowohl Säku-
lar- als auch Regularkirchen bediene man sich der quadratischen
Noten, wie sie in der Mensuralmusik in Übung sind, und welche
sich praktischer erweisen. (Couss. II, 311.)
Die quadratische schwarze Note hat sich in drei Formen:
■ ■ ♦, nebst den Ligaturen und Obliquitäten (notae, figurae sim-
plices et compositae, auch punctus oder punctum nannte man
die Noten) für die Bücher des römischen Chorals bis auf den
heutigen Tag erhalten (s. Choral).
Mit der Entwickelung der Musik schritt auch die Tonsohrift
zu weiterer Ausbildung vor. Beim einfachen Organum genügte
es noch, den Ton einfach zu kennen, für den kunstreicheren
Noten. 219
Discantus (XII. Jahrh.) jedoch stellte sich ein weiteres Be-
dürfnis ein. Da der Diskantierende oft über einer Note des
Tenors oder Cantus firmus mehrere Tone zu singen hatte, so
musste bei den geschriebenen Diskanten dem Tenorsänger doch
bekannt werden, wie lange er seinen Ton anzuhalten habe, um
an den gehörigen Stellen mit dem Diskante in Konsonanzen zu-
sammenzutrefifen ; man bildete nun zu diesem Zwecke die Noten
und suchte durch gewisse Formen die bestimmte Geltung anzu-
zeigen. Zu Francos Zeiten hatte die Mensuralmusik folgende
Notenforaien mit verschiedener Geltung aufgestellt: ■■ maxima,.
•■ longa, ■ brevis, ♦ semibrevis. Gegen das Ende des XIV. Jahrh.
machte man weisse Notenköpfe statt der schwarzen, welche
noch einige Zeit neben den ersteren verblieben und als notae
coloratae dem Sänger andeuteten , dass er' sie imperfect
d. h. zweizeitig zu nehmen habe. Man fügte für raschere Ton-
schritte noch Unterabteilungen hinzu, so dass im XVI. Jahrh.
folgende Notenskala allgemein gültig war: |ZZ maxima, Q
longa, l3 brevis, ♦ semibrevis, , minima, t semiminima, t fusa
und i/ semifusa. Untermischt wurden oft noch die schwarze
brevis und semibrevis unter dem Namen Hemiole, als um den
dritten oder vierten Teil verkürzte Noten.
Nachträglich ist noch zu bemerken, dass die Neumen für
die einfachen Choräle sich erst in Formen umgestalteten, welche
Tinotoris wegen ihre^ Ähnlichkeit mit Fliegenfüssen „pedes.
muscanmi^ nennt, und fernerhin im gothischen Zeitalter, wo
auch die Schrift e.ckig (gothisch, Fraktur) und dick auftritt, zu
quadratischen Köpfen mit fast gleich dicken Stielen wurden —
von W. Ambros Nagel- und Hufeisensohrift geheissen — y
welche in geschriebenen Choralbüchern noch im XVIL Jahrh.,
in Druckwerken mit geringen Einschränkungen hin und wieder
(z. B. in Kölnischen Choralwerken) bis zur neueren ■ Zeit sich,
findet.
Von Mitte des XVI. Jahrh. an, als man die Subtilitäten
des Mensuralsystems verliess, wurde auch die Notierung ein-
facher, d. h. verblieb ganz bei den weissen Noten una ihren
Unterabteilungen; im Drucke behielt man die eckige Gestalt bis-
zum Anfange des XVIII. Jahrh. bei, für die Handschriften aber
machte sich die runde Form (Nulle mit Stiel) als die leichter
auszuführende schon zu Ende des XVL Jahrh. mehr geltend.
Das war noch eigentümlich, dass man damals die Achtel- und
Sechzehntelnoten, welche über einer Sübe oder als gebunden vor-
zutragen waren, noch nicht mit einem (oder zwei) dicken Striche
verband, sondern . einzeln mit der zugehörigen Fahne versehen^
nebeneinander setzte.
Seit Ende des vorigen Jahrhunderts hat sich die Noten-
(dnick)sohi*ift zu einem hohen Grade von Vollkommenheit und
Schönheit erschwungen, wie die Drucksachen aus den ersten
Offizinen zeigen (s. Notendruck).
Ich muss es mir versagen, Beispiele von Notenschriften
aus den früheren Jahrhunderten anzuführen und verweise des-
220 Notendruck — Notenschrift.
halb auf Gerbert, „De Cantu**, IL, Ambros, „Geschichte der Mu-
sik", IL, Bellermann u. a.
Notendruck. Viele Jahrzehnte vergingen, bis man auf
den Gedanken kam, die neue Erfindung der Buohdruckerkunst
für Musikwerke zu benützen. Erst in den Jahren 1473, 1474 und
1475 erscheinen Notendrücke durch Antonium Zarotum Par-
mensem zu Mailand. Das -Diffinitorium Tinctoris** 1483 ist
wohl das erste gedruckte musikalische (theoretische) Werk, hat
aber noch keine Noten; das von Hugo von Reutlingen „Flores
musicae" 1488 hat schon Noten, aber noch keine Figuralnoten.
In vielen Messbüchern dieser Zeit findet man bloss die Noten-
linien eingedruckt, die Noten wurden erst mit der Hand einge-
schrieben. Die ältesten Figuralnoten finden sich in Gafors
«Practica utriusque cantus" (1496 schon die zweite Ausgabe). Die
Notentypen scheinen aus Holz geschnitten zu sein, wie man
sich überhaupt, nachdem man von den Holzplatten, in welche
ganze Musiksätze eingegraben waren, abgegangen war, anfang-
Bch nur der Typen von Holz bediente. Sobald dies gelungen
war (Anfang des XVL Jahrb.), verbreitete sich der Notentypen -
druck schnell in Deutschland, Frankreich, Italien und den Nieder-
landen. Um 1500 begann der Druck mit gegossenen Lettern,
doch anfanglich immer noch so, dass man zuerst die Linien und
<iann die Noten dioickte. Ottavio Petrucci von Fossom-
brone wird als der Erfinder der metallenen Notentypen genannt.
Aus seiner Buchdruckerei zu Venedig ging als erstes derartiges
Werk 1502 eine Sammlung von Motetten nervor, welcher 1503
einige Messen von Pierre de la Rue und bis 1511 eine grosse
Menge anderer Tonwerke folgten. 1498 hatte er vom Senate der
Republik für seine Erfindung ein Privüegium auf 20 Jahre er-
halten. Seine Werke sind äusserst accurat und sauber geai^
beitet. Auch Peter Schöfer tritt 1512 zu Worms mit einem
praktischen Notenwerke hervor, nachdem schon 1511 zu Mainz
gedi'uckte Tabulaturen erschienen waren. Vgl. „Ottavio dei Pe-
trucci de Fossombrone, der erste Erfinder des Musiknotendruckes.
Von W. Schmid, Kustos der k. k. Hofbibliothek, Wien 1845«,
worin aber die „Stella musica von Bild", 1508 gedruckt von Eglin,
unrichtig als Metall- statt Holztypendruck angeführt ist.
Nach Ablauf dieser Zeit findet man diese Notendruckweise
allenthalben eingeführt und 1532 erscheinen in Deutschland schon
AUS mehreren Offizinen musikalische Werke ganz schön und
scharf gedruckt. Doch sank diese Kunst wieder von ihrer Höhe
Jierab, Dis Breitkopf in Leipzig 1755 sie zu einem so hohen
Grade der Vollkommenheit brachte, dass er eigentlich als Neu-
-erfinder derselben angesehen werden kann. Ei neuester Zeit
gewinnt der Notentypendruck wieder neuen Aufschwung und
wird darin das Höchstmögliche geleistet. Tauchnitz in Leip-
zig war der erste, welcher die Stereotypie für den Notendruck
beizo^. Gegenwärtig wendet man indes hauptsächlich den Stich
Äuf Zinkpiatten an, ebenso die Lithographie, welche, eine
Erfindung Sennefelders, von Fr. Gleissner in Verbindung mit dem
Musikalienhändler Falter in München 1798 zum erstenmal für
<ien Notendruck verwendet wurde.
Notenschrift, s. Noten.
Notensystem — Oboe. 221
Notensystem nennen wir den Inbegriff aller Zeichen, mit-
tels derer die Töne nach Höhe und Tiefe, ihre Geltunff, ihre be-
stimmten oder unbestimmten Verlängerungen und Verkürzungen
(Punkte, Legato, Tenuto, Ruhezeichen, Stacoato) und Unter-
brechungen (rause, Halt) notiert werden, also: das Liniensystem,^
die Noten, ErhöhuMs- und Erniedrigungszeichen, Schlüssel und
Bezeichnimgen der Taktarten, die Gfeltungszeichen für Ton und
Pause ^ auch die Künstwörter und ihre Abbreviaturen u. dgL
Wie dieses Notensystem von der Neumenzeit an durch die Periode
der Mensuralmusik und der neueren Musik bis jetzt sichentwickelte^
ist in den verschiedenen betreffenden Artikeln weiter ausgeführt.
Notenzeiger, s. Kustos.
Note sensible (franz.), der Leitton.
Novene, s. Advent.
O.
O, 1) (ital.) = oder; 2) 0 als Kreis, bezeichnete in der
Mensuralmusik (s, d.) das Tempus perfectum an, wobei die Brevis
di-ei Semibreves galt; 3) die sogenannten „grossen 0", d. h. die
Antiphonen, welche in den letzten sieben Tagen vor dem hei-
ligen Weihnachtsfeste nach dem römischen Breviere zum Magni-
fitat zu singen sind (s. Advent u. Antiphon).
Oberdominante, die fünfte Stufe der Tonart, — Oberdo-
minanten-Accord, der auf dieser Stufe gebaute gi'osse Dreiklang.
Ol^erstimme, die höchste Stimme eines mehrstimmigen
Satzes, welche in der neueren Musik gewöhnlich auch die melodie-
führende ist,
Obertöne, s. Akustik.
Oberwerk, s. Manual.
Obligat (verbunden, verpflichtet), ital. obligato, bezieht
sich in der Musik auf solche Stimmen oder Instrumente, welche
als ein notwendiger Teil des Satzes, sei es auch nur an einzel-
nen Stellen, nicht willkürhch weggelassen werden können; sind
sie nicht unumgänglich notwendig, so dass das Tonstück durch
ihren Mangel nichts oder wenigstens im Wesen nichts verliert^
dass sie also nur reine Füllstimmen sind, so bezeichnet man dies
mit „ad libitum*', „nach Belieben **.
Obliqmis (lat.), schief; motus obliquus, Seitenbewegung
(s. Bewegung); nota obliqua, s. Choral. — Auch die Men-
suralmusik bediente sich als Ligaturen der notae obliouae.
Oboe, ital. Oboe, franz. Hautbois. Dies bekannte In-
strument entstand aus der Schalmei und war schon in der Mitte
des XVII. Jahrb. gebräuchlich. Wegen seines durchdringenden
Tone& gebrauchte man es anfangs nur hei der Militärmusik^
woher der Name für das militärische Musikcorps „Hautboisten**
stammt. Bald wurde es verbessert und erschien zuletzt als un-
entbehrhches Orchesterinstrument, da es zu Glanz und Frische
der Färbung überhaupt, wie zu feinen und pikanten Mischungen
222 Occursus — Officium.
im besondern, in Verbindung mit anderen Instrumenten sehr
viel beiträgt. Die Oboe wird gewöhnlich aus Buchsbaum, auch
aus Ebenholz gefertigt und besteht — 21 Zoll lang — aus einem
Kopfstück, einem Mittelstück und aus der Stürze. In die oberste
Oflmung des Kopfstückes wird das Rohr gesteckt, welches
eigentlich das Hauptorgan ist zur Hervorbrmgung des Tones
durch die eingeblasene Luft, die es in zitternde Bewegung setzt.
^ur Ermöglichung jeder Stimmung hat man ein zweites Kopf-
stück imd Mittelstück; neuere Instrumente haben nur ein Kopf-
stück, aber mit eigentümlicher Vorrichtung zum Ausziehen. Der
Tonlöcher sind wenigstens acht, Klappen hat es mehrere (13),
und sein Umfang reicht vom kleinen h bis zum dreigestrichen^n
f oder a durch alle chromatischen Töne. Am angenehmsten
sind die mittleren Töne, die tiefsten sind etwas breit und blockend,
die höchsten scharf und schneidend; auch Staccato macht sich
nicht gut. — Früher hatte man mehrere Oboen, z. B. Bass-Oboe,
aus welcher das Fagott entstand.
Occursus (lat., „die Begegnung") nennt Guido im Orga-
num die Führung zweier Stimmen ourch Gegenbewegung zum
Einklang.
Ochettus, auch Hocetus, Hoquetum, ital. Ochetto,
franz. Hoquet, „Schluchzer*^, war eine im Discantus sehr be-
Uebte Satzmanier, nach welcher der Sänger einzelne, durch kurze
Pausen unterbrochene, kurz abgestossene Töne hören liess, die
an die abgebrochenen Laute des Schluchzens erinnerten und
daher ihren Namen hatten. Dufay und seine Zeitgenossen ge-
hrauchen eigentlich den Ochettus nicht mehr; doch finden sich
leise Anklänge und Abarten noch später.
Offertorium ist derjenige Hauptteil der heiligen Messe,
wo Brot und Wein, welche zur Konsekration bestimmt sind,
vom Priester Gott dargebracht und unter bestimmten Gebeten
aufgeopfert werden. In den ältesten Zeiten der Kirche brachten
die Gläubigen selbst diese Opfergab,en und legten sie auf den
Altar, sowie auch die ganze Gemeinde bei dem Gottesdienste die
Kommunion mit dem Priester feierte. Unterdessen sang der
Ohor einen ^salm mit Antiphon, welcher später, da die Gläu-
bigen nicht mehr Brot una Wein darbrachten und die Opferung
wenig Zeit in Anspruch nahm, auf einen einzigen Psalmvers^
reduciert wurde, weicher Vers als „Offertorium" in den Missalien
bezeichnet ist. Im Mittelalter wurde an Festtagen in wechsel-
weisem Gesänge eine Antiphon in feierlich gedehnter, auch mit
vielen Neumen und Jubilen geschmückter Weise gesungen und
mit einem Psalme verbunden, an dessen Schlüsse die Antiphon
nochmal ertönte. — Da für jede Messe das Offertorium vorge-
schrieben ist, hat sich der Chor danach zu richten, und immer
diesen Text zu singen.
Offleinm (lat.), bedeutet überhaiipt eine Pflicht, eine Ob-
liegenheit und ist in der katholischen Sprachweise der stehende
Ausdruck für die dem Herrn und Gott darzubringende Anbetung :
Officium divinum, der Gottesdienst, sowohl das heilige Mess-
opfer als das Gebet, das der Priester darzubringen hat. Doch
wird unter Officium gewöhnlich nur das Breviergebet — Offi-
cium nocturnum et diurnum, die zur Nachtzeit und am
Officium defunctorum — Oktav. 223
Tage zu entrichtenden Hören — verstanden (s. horae canoni-
cae). — Officium defunctorum ist das Gebet, welches von
der katholischen Kirche für die Abgestorbenen öffentlich abge-
halten vrird. Es besteht aus .der Vesper mit fünf Antiphonen,
fünf Psalmen, Versikel und Responsormm, dann einer Antiphon
imd dem Magnifikat, worauf die treffenden Preoes (Ps. „Lauda
anima" etc.) und Orationen folgen; ferners aus der Matutin
von drei Nokturnen. Mit Hinweglassung der gewöhnlichen Ein-
gangsformel „Dens in adjutorium*' beginnt sogleich das Invita-
torium mit dem 94. Psalme, woran sich die drei Antiphonen und
Psalmen u. dgl., wie beim gewöhnlichen Breviergebete anschlies-
sen. Versikel und Responsorium haben ihren eigenen Fall. Die
Lektionen, welche ohne Benediktion angefangen und im gewöhn-
lichen Lektionenton gesungen werden, entbehren des Schlussfalles
und des „Tu autem Domme", und es folgt allsogleich das Re-
sponsorium. So durchläuft es die drei Nokturnen; nieran schlies-
sen sich die Landes, wie sie in jedem Breviere enthalten sind.
Die Vesper pro defunctis wird am Allerseelentage und
ausser den im Brevier bezeichneten Monatstagen auch am Be-
fräbnisvorabende und am Jahrtage (anniversarium) gebetet. Das
nvitatorium und drei Nokturnen werden gesungen: am
Allerseelentage, am Begräbnis- und Jahrtage und am 3., 7. und 30.
Werden die drei Nokturnen nicht gesungen, so fällt auch das
Invitatprium weg; soll am Begräbnistage nur ein Nokturn
(ex iiationabili causa) gesungen werden, so wird immer der erste
genommen, samt dem Invitatorium. Dupliciert werden die
Antiphonen am Allerseelentage, Begräbnistage, dem Dritten, Sie-
benten und Dreissigsten und am Janrtage, auch wenn nur ein
Nokturn statthat. Die zu den Preces in der Vesper und in den
Landes gehörenden Psalmen „Lauda anima" und „De profundis*'
fallen nur am Allerseelen- und am Begräbnistage aus. — Der
Gesangton 'ist bezüglich der Psalmen immer der Ferialton, d. h.
der Psalm wird ohne Initium und mit der ferialen Mediatio
fesungen, selbst wenn die Antiphonen dupliciert, d. h. auch vor
en Psalmen ganz gesungen werden. Nach den Antiphonarien
von 1630, 1669 und 1683 werden im Officium defunctorum die
Cantica „Magnificat*' und Benedictus*^ feierlich intoniert und zu
Ende gesungen. Dass die ganze Tonlage des Gesanges tiefer zu
halten ist, braucht nicht erwähnt zu werden.
Officium defunctorum (abgekürzt Offic: deff.), s. Officium.
Oktav, 1) der achte Ton aer Tonleiter, welcher mit dem
ersten gleichnamig ist und eigentlich nur eine Wiederholung des
ersten Tones in emer anderen Höhenlage ist. Während man vor
dem X. Jahrh. keinen Unterschied in der Bezeichnung der Oktav-
töne gemacht zu haben scheint, da in vielen Manuskripten das
sogenannte durchgehende Alphabet (von A bis P oder auch Z)
angewendet und die Oktav von A, B, C . . . mit H, J, K . . .
bezeichnet ist (Mskr. von Montpellier, Gerb. Sc. I, 150, 331 u. s. w.),
lehrt Odo (im X. Jahrh.) die Oktav mit den nämlichen, aber
kleinen Buchstaben zu schreiben, A — a, C— c, D— d. . . . Guido
wendet für die zweite Oktav Doppelbuchstaben an : A — a — ^ u. s. w.,
a
um dadurch anzudeuten, dass ein Oktavton bloss die Wiederholung
224 Oktavenparallelen —.Oratio.
eines ersteren tieferen Tones sei, nur in einer höheren Laee.
2) Das Intervall von einem ersten zu einem um acht Stufen der
natürlichen diatonischen Tonreihe entfernten Tone. Der grie*
chische Name dafür ist Diapason, d. h. durch alle (Töne) una ihr
Verhältnis ist 1 : 2, das der Doppeloktav 1 : 4 Das Oktavinter-
vall ist die vollkommenste Konsonanz, und mittelalterliche Theo-
retiker weisen sie in die Reihe der zusanunengesetzten Kon-
sonanzen, weil sie die einfachen Konsonanzen, Quart und Quint^
in sich schliesst und aus der Zusammensetzung beider sicn er-
gibt. 3) Ein Orgelregister, im Manual 8S 4t und 2* mit Prinzipal-
mensur und Prinzipgdstärke; im Pedal, Oktavbass, 16^, 8' und At
von Holz, offene, kräftige Pedalstimme von Prinzipalmensur und
grosser Tonfülle. 4) Im kirchlichen Sprachgebrauche bedeutet
Oktave einen Zeitraum von acht Tagen, während welcher die
Nachfeier der grossen Feste des Kircnenjahres begangen wird.
Auch das Alte Testament kennt schon solche Oktaven. Die
Tage während der Oktave werden bezeichnet als „dies infra
octavam", der achte Tag als „dies octava". Die Oktav hat beson-
ders das Eigentümliche, dass, wenn ein anderes Fest in die
Oktav fällt, sofern es nicht duplex I. oder IL classis ist, das
Hauptfest in der Vesper und in den Landes commemoriert wird
(com. oct.), und wenn letzteres eine eigene Melodie für Gloria,
Ite missa oder Benedicamus hat oder eine eigene Präfation, diese
während der Oktave zur Anwendung kommen, ausgenommen,
wenn das zutreffende Fest eine eigene Präfation oder eigenes
Gloria u. s. w., wie z. B. ein Marieniest, hätte.
Oktavenparallelen, s. Parallelen.
Oratio, Gebet. Obwohl in der Liturgie fast alles G^bet
ist, so sind doch einige bestimmt formulierte und mit besonde-
rem Schlüsse versehene Gebete mit diesem Namen vorzugsweise
benannt. In der heüigen Messe sind drei Orationen ausgezeich-
net hervorgehoben: die Collect vor der Epistel, die Secret
vor der Präfation und die Postcommunio vor dem Ite missa
est etc. Von diesen werden nur die erste und dritte gesungen,
die Secret aber stets still gebetet, daher ihr Name. Bei allen
liturgischen Handlungen ausser der Messe nehmen die Orationen
eine oevorzugte Stelle ein und werden, je nach der Feierlichkeit,
entweder gesungen oder bloss gesprochen. Sie haben ihren
eigjenen Gesangsvortrag, welcher entweder tonus festivua
(feierlich) oder tonus ferialis (gewöhnlich) heisst. Ersterer
findet statt an allen Festen dupl., semidupl. und an den Sonn-
tagen, und zwar bei der heüigen Messe, bei der Matutin und
der Vesper. Er besteht darin, dass der auf einem Tone fort-
schreitende Gesang zwei Veränderungen macht, die erste (pun-
ctum principale) beim Strichpunkte als f e d f; die zweite
beim Doppelpunkte als f e ; beide wiederholen sich in umgekehi^-
ter Ordnung oei der längeren Schlussformel. Ist die Oration sehr
kurz, 80 mllt das zweite Punktum (:) weg; ebenso wenn die
Sohlussformel „Qui vivis" oder -Oui tecum" angewendet wird,
findet auch nur die erstere Modulation statt. Der Tonus fe-
rialis wird gesungen an allen Festen niederer Ordnung, als die
obengenannten, heisst auch tonus simplex und hat gar keine
Modulation. Eine zweite Art desselben, schlechtweg tonus.
y
Oratorium. 225
ferialis genannt, behält auch den gleichen Ton, föUt aber beim
letzten Worte der Oration und der Schlussformel, welche immer
die kurze (»Per Chr. D. N." oder „Qui vivis et regnas in saecula
saeculorum") ist, in die kleine Ünterterz (f d) ab. — Am Kar-
freitage werden die mit „Oremus*' beginnenden neun Orationen
nach einer eigenen Weise gesungen, welche in den Messbüchern
verzeichnet ist. (Mehr eres s. in dem „Magister choralis" von
F. X. Haberl [Regensburg. Pustet], wo über diesen Gegenstand voll-
ständigste Anweisung gegeben ist.)
Oratorinm ist jedes musikalische Drama bedeutungsvollen,
? gewöhnlich biblischen Inhaltes, das bloss zur musikalischen Auf-
ührung, nicht zur theatralischen Darstellung bestimmt ist. Die
Dichtung hat demnach eine Handlung oder Begebenheit zu brin-
gen oder sie zu vergegenwärtigen, was teüs durch zur Handlung
fehörige Personen, teils durch erzählende Personen, teils durch
en Chor als den Repräsentanten der Gefühle und Reflexionen
einer ganzen Gemeinoe oder einer Masse von Individuen ge-
schieht. Die Bestandteile des Oratoriums sind daher Recitative,
Arien, Duetten, Terzetten, Quartetten und Chöre, denen sich die
Instrumente als weitere Ausdrucks- und Färbungsmittel beige-
sellen. Vorbereitet war es teils durch Lieder und abwechselnde
Chöre der christlichen Pilger, welche in den Zeiten der Kreuz-
züge auf ihren Wallfahrten das Leben und den Tod des Erlösers,
das jüngste Gericht und andere christlich-religiöse Gegenstände
öffentlicn absangen; teüs durch die Mysterien oder geistlichen
Schauspiele, deren älteste Spuren sich bis ins XI. Jahrh. verfol-
fen lassen, und welche an d^n hohen Festtagen Scenen aus der
eüigen Geschichte, hauptsächlich der Passion, Auferstehung und
Wiederkunft Christi darstellten und dem Volke eine sehr ein-
dringliche Predigt und Erinnerung an die grössten Geheimnisse
waren. Doch auch im IX. und X. Jahrh. finden wir dergleichen
in den Kirchen selbst, mit der heüigen Messfeier verbunden, so
z. B. war von den Klerikern und Chorknaben der Besuch der
heiligen Frauen am Grabe dramatisch vorgestellt; die Sequenz
„Victimae paschali^ ist dies kleine Drama. Mehreres hierüber
erzählt Schubiger in seiner „Sängerschule von St. Gallen". Das
dramatische Element war durchs ganze Mittelalter mit der gottes-
dienstlichen Feier verbunden. Und hierin finden wir einen
hauptsächlichen Vorläufer der Oratorien. Die nähere Veranlas-
sung zu denselben gab der heil. PhüippNerius um 1560, welcher
Begebenheiten aus der biblischen Geschichte unter Begleitung
der Musik in seinen Bet- und Lehrstunden absingen und vor-
tragen liess, und welche musikalischen Darstellungen von der
Gelegenheit, wozu sie aufgeführt wurden, den Namen „Oratorien"
erhielten. Anfänglich Messen sie „Laudi spirituali" (s. Neri).
Im folgenden Jahrhunderte erhielt das Oratorium eine bessere
Form und mehr Mannigfaltigkeit. Die grösste Ausbüdung erhielt
es durch die Deutschen; Händel hat dieser Kunstgattung den
Charakter der Grossartigkeit verliehen , und er steht noch neute
unübertroffen und allbewundert da. In den katholischen Kirchen
hat das Oratoriiun keinen Platz gefunden, ausser dass hie und
da am Karfreitage Passionsmusiken, Oratorien, welche Scenen
Koi-nmüller, Iiexikon. 15
226 Orchester — Orgel.
aus dem Leiden und Sterben des göttlichen Heilandes darstell-
ten, mit vollständig privatem Charakter ausgeführt werden,
Orchester — im Altertume der Raum vor der Bühne bis
zu den Sitzen der Zuschauer so genannt, — bezeichnet heute
1) den inl Schauspielhause vor der Scene befindlichen, für die
Musiker bestimmten Raum, von woher man diesen Namen 2) auch
auf das ganze beim Theater beschäftigte Musikpiersonal ausser
den spielenden Sängern übertrug. Und so benennt man 3) auch
die Gesamtheit der in der Konzert-, Opern- oder Kirchenmusik
gebräuchlichen Streich- und Blasinstrumente.
Organist wird diejenige Person genannt, welche die Orgel
beim Gottesdienste zu spielen hat; im XII. und XIII. Jahrh. wur-
den die Diskantatoren und Harmonisten „Organistae" genannt.
Organe, ital. Name der Orgel; Pleno organo = mit
voller Orgel, d. h. das Orgelstück oder ein Teil desselben, dem
diese Worte beigesetzt sind, soll mit Anwendung aller Register
gespielt werden.
Organum, 1) lateinischer Name der Orgel. Eigentlich heisst
das Wort ein Werkzeug, und man verstand früher unter Organa
alle Musikinstrumente; deshalb ward die Orgel zuerst Organum
hjdraulion genannt und erst später kam ihr ausschliesslich der
emfache Name Organum zu. z) Unter Organum wird dann
auch die erste Art mehrstimmigen Gesanges verstanden, wie sie
zuerst von Hucbald (X. Jahrh.) gelehrt wurde; es begleiteten
dabei eine oder mehrere Stimmen die Hauptmelodie (vox prin-
cipalis) in Quinten, Quarten oder Oktaven. Diese Parallelbewe-
gung fand nur dann eine Unterbrechung, wenn ein Tritonus zu
vermeiden war, wobei die zweite Stimme^- auf c .oder f liegen
blieb. Guido behandelte im zweistimmigen Organum die beglei-
tende Stimme schon etwas freier; er zog das Quartenorganum
den anderen vor, mischte auch Terzen und Sekunden em und
führte die beiden Stimmen bei den Abschnitten in den Einklang
zusammen. Bald entwickelte sich hieraus der Discantus (s. d.),
wobei die zweite Stimme sich bald auch nicht mehr begnügte,
eine Note gegen eine Note der Hauptmelodie zu singen, sondern
zwei und mehrere Noten ausführte, was dann wieder zur Men-
suralmusik den Weg bahnte. Dass. aber das schlichte Parallel-
organum noch im XlV. Jahrh. in Übung war, darüber, belehrt
uns der Traktat des Elias Salomon (Gerb. III. 57). Übrigens
wurden auch unter dem Namen Organum im allgemeinen alle
mensurierten Kirchengesangsformen verstanden, wie Franco sagt :
„Communiter vero Organum quilibet cantus ecclesiasticus tem-
Eore mensuratus" (Gab. III. 2). (Vgl. Kirchenmusikalisches Jahr-
uch von Dr. F. X. Haberl, 1891.)
Orgel, Organo, Organum, franz. Orgue, — dieses gross-
artigste und harmoniereichste unter allen Instrumenten, welches
vor allen übrigen allein am würdigsten erachtet wurde, seine
Tonfülle im Hause Gottes ausströmen zu lassen, hat seine älteste
Geschichte in ziemliches Dunkel gehüllt. Eine allgemeine An-
nahme leitet ihren Ursprung von der Hirtenflöte, syrinx, her;
man durfte die Luft nur auf andere Weise als mit den Lippen
zuführen; dies kostete aber den Weg langer Bemühungen. Man
wendete neben der Luft als Ton- resp. Wind erzeugendes Element
Orgel. 227
das Wasser an und hatte dann oi-gana hvdraulica, Wasser-
orgeln, welche im IL Jahrh. v. Chr. in Älexandrien erfunden
wurden und auf dem Gesetzte des Heronsballes beruhten. Nach
Heron sollen sie eine Erfindung des Ktesibios und nach Sueton
ein Lieblingsinstrument Neros gewesen sein, auf welches Julian
der Apostat ein Epigramm verfasst hat, worin er sagt, dass me-
tallene hohle Pfeifen durch Luft -tönend gemacht werden; der
Spieler fahre rasch mit flüchtigeni Finger über die Tasten und
es erscheinen hinreissende Melodien. Wann die Windorgeln in
Gebrauch kamen, ist nicht bekannt. Tertullian redet noch vdn
Wasserorgeln, der heil. Augustin aber kennt schon Windorgeln.
Er spricht sich (Expos, in Ps. 57 und 150) also aus: „Organa
dicuntur omnia instrumenta musicorum ; non solum illud Organum
dicitur, quod grande est et inflatur follibus." . . . Cum Organum
vocabulum graecum sit, omnibus instrumentis musicis conveniens ;
hoc cui fofles adhibentur, alio Graeci nomine appellant. Ut
autem Organum dicatur, magis latina et ea usitata (et vulgaris!
est cohsuetudo.** Cassiodor vergleicht sie einem Turme, aus
Pfeifen zusammengesetzt, und nebt besonders die Stimmfülle
^vox copiosissima" hervor: er spricht von hölzernen Tasten und
von der Geschicklichkeit der Meister, welche so volltönende und
süsse Melodien hervorzulocken verstehen. Nirgends ist übrigens
hier von dem Gebrauche in der Kirche die Rede. Man meint,
unter Papst Damasus (366 — 384) seien die Orgeln in die kirch-
lichen Versammlungen eingeführt worden; ESirdinal Bona aber
nimmt das VII. Jahrb., die Zeit des Papstes Vitalian (657—672)
an. In Frankreich kannte man sie schon im V. Jahrh., denn
Claudius Mammertus (f 474) gibt die Beschreibung einer Orgel,
und in Arles wurden zwei Sarkophage aufgefunden, aus dem
VI. oder Vn. Jahrh. stammend, auf denen pneumatische Orgeln
abgebildet sind. Die Aufmerksamkeit wurde auf die Orgeln erst
im V III. Jahrh. gelenkt, von woher sich ihre grössere und schnel-
lere Verbreitung datiert. Der byzantinische Kaiser Konstantin
Kopronymus sendete 757 eine Orgel dem Majordomus Pipin dem
Kurzen zum Geschenke und einige Jahre nachher dem Könige
Karl d. Gr. eine von grösserem Umfange. Erstere wurde in der
Kirche St. Corneille zu Compiegne, letztere in der Kirche zu
Aachen aufgestellt; von ihr rühmt der Mönch von St. Gallen
(lib. II. de reb. bell. Caroli M. cap. 10), dass sie den Donner in
ihren grossen Pfeifen, in ihren kleinen die Geschwätzigkeit der
Lyra oder den süssen Ton einer Cymbel habe. In kurzer Zeit
war das Werk nachgeahmt und in weniger als zwei Jahrhun-
derten adoptierten die Kathedralen und grösseren Kirchen dies
Instrument. Walafrid Strabo schreibt von St. Gallen und meh-
reren Kirchen, wo sie angewendet wurden. Dass sie erst jetzt
mehr und mehr sich verbreiteten, mag vielleicht seinen Grund
darin finden, dass etwa diese byzantinischen Instrumente voll-
kommener als die alten bekannten waren, wobei überdies der
Eifer, mit dem Karl d. (jr. die Kirchenmusik behandelte, auch
nicht ohne Einfluss geblieben sein mag. Dies wird um so wahr-
scheinlicher, wenn wir bemerken, dass dies Instrument vorzüg-
lich in den der Herrschaft der Franken unterstehenden oder dem
Frankenreiche zunächst liegenden Ländern, wie England (wel-
15*
228 Orgel.
ches im X. Jahrh. zu Winchester schon eine Orgel mit 40O
Pfeifen und 26 Blasbälgen hatte, zu deren Regierung 70 stark«
Männer nötig waren), seine Verbreitung^fand , während man in
Italien, wo die Orgeln doch von den Kömerzeiten auch nicht
unbekannt waren, vom Orgelspiel und Orgelbau wenig wusste,
so dass Papst Johann VIII. an den Bischof Arno von Freisinn
schrieb, er solle ihm eine Orgel und einen des Spieles und der
Reparatur dieses Instrumentes Kundiften Mann senaen. Von nun
an kam die Orgel überall in Aufnahme, so dass eine Synode
vowi Jahre 1242 von ihnen spricht, als wären sie gewöhnlich in
den Kirchen. Doch fand sie auch ihre Gegner und in einigen
Kirchen, z. B. in Lyon, liess man sie nicht zu bis in die neueste
Zeit ; so verschmähte « auch die sixtinische Kapelle deren Gebrauch
bis auf den heutigen Tag.
Es steht fest, dass die Orgel .^as ganze Mittelalter hinduroh
ein liturgisches Instrument war. Über ihre fiüheste Gestalt imd
Einrichtung geben manche Schrift- und Bildhauerwerke einigen
Aufschluss. Manuskripte und Skulpturen zeigen tragbare Orpeln,
welche ein und derselbe Musiker mit der einen Hand spielte,
während er mit der anderen den Blasbalg handhabte. Diese
tragbaren Orgeln, Portative geheissen, auch für Prozessionen
und Umzüge sehr tauglich, in Deutschland, Italien, Frankreich
und den Niederlanden gebräuchlich, erhielten sich in unverän-
dei"ter Gestalt bis ins äV. Jahrh. Bei Agrikola (1532) und Lus-
cinus (1536) erscheint das Portativ schon zum Positiv ausge-
bildet, einen festen Standpunkt verlangend, mit zwei Bälgen
versehen, imd es bedurfte eines eigenen Kaikanten.
Die Orgel war lange Zeit ein im Tonumfange beschränktes
und auch plumpes Instrument. Doch wenn es heisst, dass ihre
Tasten oft vier Zoll breite, schaufeiförmige, von einander ab-
stehende Klaves gewesen und mit Fäusten ,jgeschlagen" oder
mit den Ellenbogen niedergedrückt worden seien, so mag dies
nicht allgemein der Fall {gewesen sein, da Hucbald (X. Jahrh.)
von den Orgeln (hydraulia) Erwähnung in einer Weise thut,
nach welcher man annehmen muss, dass sie beim Gesänge ge-
braucht wurden oder dass auf ihnen allein Choralmelodien zur
Aufführung kamen. Gleiches kann man aus dem Traktate Not-
kers (Gerb. Sc. I. 101) schliessen. Hätte die Orgel bloss zum
Ton angeben gehört, so wäre mit wenigen Pfeifen gedient ge-
wesen; im XI. und XII. Jahrh. hatte man aber schon Orgeln
mit anderthalb oder zwei Alphabeten oder Oktaven, meistens
von C, aber auch von A anfangend, kurz mit dem Umfange der
menschlisch en Stimme 8, 15 bis 21 Töne. Überdies waren diese
Orgeln oft mit zwei, di-ei oder mehreren Chören, d. h. Pfeifen-
reihen versehen, doch hatten die Pfeifen einer Reihe noch den
nämlichen Durchmesser. Der Ton war allerdings noch schall-
stark, dröhnend und ungleich, wozu dann das Getöse der Bälge
kam, welche, noch klein und oft zahlreich, mit den Händen auf
und nieder gedrückt wurden. Im XIII. Jahrh. müssen die Orgeln
schon eine bedeutende Verbesserung erfahren haben, da auf
ihnen, wie Garlandia berichtet, die musica falsa, d. h. die chro-:
matiscnen Halbtöne, wenn auch nur in eingeschränktem Masse
angewendet wurde. Die ältesten Orgeln, welche Prätorius sah^
■
/
Orgel. 229
hatten die Skala cdefgabhodefga oder von h c
d e f; halbe Töne waren nur drei in der Oktav: a b,
h c, e f.
Die Portative hatten wenig Pfeifen, damit genügten sie
ihi'em Zwecke; eine Abbildung aus dem XIII. Jahrh, zeigt deren
nur acht. — Der Ausbildung der Harmonie scheint auch die
Verbesserung der Orgeln langsam nachgefolgt zu sein. Prätorius
nennt eine grosse Oi*gel in Halberstaat, gegen 1359 von Nie.
Faber erbaut, welche vier Klaviere und Pedale (?) hatte; die
m-össte Pfeife gab das natürliche h und war 31 Fuss hoch,
äO Bälge setzten das Werk in Bewegung. Als eigentlicher Er-
finder des Pedals (um 1470) wird Bernhard, mit dem Beinamen
-der Deutsche", genannt, welcher auch das Manual um einen
Ton höher gestimmt habe, jedoch hat man herausgefunden, dass
er es bloss nach Venedig gebracht haben soll. Das Pedal blieb
lange Zeit hindurch ein onarakteristischer Vorzug der deutschen
Orgeln und das Instrument erhielt dadurch erst seine ganze Kraft
und Würde; die englischen Orgeln hatten im vorigen Jahrhun-
derte noch kein Pedal, erst 1790 machte Abb6 Vogler die Eng-
länder mit der Wirkung dieser mächtigen deutschen Erfindung
bekannt. Vor dem XV. Jahrh. kannte man die Register wenig
oder gar nicht. Um diese Zeit fing man erst an, die an Klang-
farbe verschiedenen Pfeifen von einander abzusondern, während
vorher alle Pfeifen auf einem Tone zugleich ertönten. Die
Deutschen erfanden verschiedene Schnarr werke; man ahmte
den Ton verschiedener Instrumente nach und lernte auch
4 — 32füssige Instrumente machen; damit war die Erweiterung
der Klaviatur verbunden.
Als die chromatischen Töne in die Harmonie eingeführt
wurden, bedachte man auch die Orgeln damit; Ganandias
(Xni. * Jahrh.) sagt: „Falsa musica instrumentis musicis multum
necessaria, specialiter in organis;" doch vorerst bediente man
sich neben b nur des es und gis, aber noch nicht geteilt, um
auch dis und as erreichen zu können; um diese zuTbekommen,
setzte man für sie eigene Klaves und rfeifen ein, so dass z. B.
dis und es nebeneinander standen, bis man die temperierte
Oktave ausfindig machte und so das chromatische Wesen ver-
einfachte. Die eigentliche Vervollkommnung konnte erst durch
Erfindung der Windwage im XVII. Jahrh. (1648) geschehen.
In den letzten zwei Jahrhunderten bis auf unsere Tage hat die
Orgel so mannigfaltige und einflussreiche Verbesserungen in
Klang und Mechanismus erfahren, dass sie als eines der voll-
kommensten Instrumente den höchsten Rang einnimmt.
Im Anfange dieses Jahrhunderts suchte Abbe J. Vogler
(s. d.) durch sein Simplificationssystem eine Verbesserung
im Orgelbau herbeizufünren, welche jedoch wenig Erfolg errang.
Gegenwärtig besitzt sowohl Deutschland , als auch England,
Franki'eich, Italien u. s. w. treffliche Orgelwerke. Berühmt ist
die grosse Orgel von Harlem in den Niederlanden; die Orgel in
det Peterskirene und die Orgel im Ulmer Münster haben je 100
Register; 1862 wurde auch aie Kirche von St. Sulpice zu Paris
mit einer Orgel geschmückt, welche 7000 Pfeifen, 5 Manuale, ein
vollständiges Pedal und 100 klingende Stimmen mit pneumatischen
230 Orgel.
Motoren hat; der Erbauer derselben ist Cavaille-ColL Auch
Deutschland besitzt bedeutende Orgelbauer, z. B. die Firma Wal-
ker in Ludwigsburg, Steinmavr in Ottingen, Stallhut in Burt-
scheid. Sauer m Frankfurt a. a. 0., Weigle in Stuttgart u. a. In
neuerer Zeit hat man auch die Elektricität beim Orgelbau ver-
wendet.
Die Orgel muss schon im Zeitalter Dufays und noch mehr
im Verlaufe des XV. Jahrh. die bedeutendsten Verbessei-ungen.
in der Struktur und im Mechanismus, besonders im Tastenwerk
erhalten l\aben, von dessen Brauchbarkeit zu harmonischem Spiele
das Entstehen eigentlicher Künstler auf diesem Instrumente ganz
allein und notwendig bedingt war. Sie hatte ihre allmähliche
Ausbildung und Vervollkommnung dem Kontrapunkte zu ver-
danken und hat dem Kontrapunkte hinwieder oie erspriesslich-
sten Dienste geleistet. Denn gerade der gebundene und künst-
lerisch entwickelte Stil, welcher bei vollkommener Einheit die
allseitige Mannigfaltigkeit gestattet, ist für sie der geeignetste»
Gefeiert war im XI V. Jahrh. der olinde Francesco Landino
zu Florenz, f 1390, wegen seiner Geschicklichkeit nur „Francesco
degli Organi" geheissen; ebendaselbst Antonio Squarcialupo^
t 1430, gewöhnlich „Antonio degli Organi*^ genannt; gerühmt
war der aeutsche Bernhard zu Venedig in der zweiten Hälfte
des XV. Jahrh. Venedig besass im XVI. Jahrh. immer bedeu-
tende Organisten, welche zugleich gi*osse Tonsetzer waren, z. B.
die beiden Gabrieli, Claudio Merulo u. a. Um 1630 hatte Rom
den durch europäischen Ruf ausgezeichneten Organisten Fr esc o-
baldi, zu dem auch Deutsche wanderten, um das Orgelspiel zu
studieren. Sein Schüler Froh berger, der berühmte kaiserliche
Hoforganist zu Wien, machte dem Lehrer alle Ehre. Überhaupt
hatten Italien und Deutschland nie Mangel an guten Organisten
und diese behaupteten immer ihren aßen Ruf. In den letzten
zwei Jahrhunderten überflügelte aber letzteres alle Länder
durch seinen Orgelmeister Bach und dessen zahlreiche Schüler
und Nachfolger, in neuer und neuester Zeit durch Abbö Vog-
ler, Chr. Kink, H e sse, H e r z o g, Brosig, anderer nicht
zu gedenken.
Eine nähere Beschreibung der Orgel nach ihrer inneren
Einrichtung und Struktur übergehe ich, da eine blosse Aufzäh-
lung der vielen Teile und Teuchen zwecklos ist und niemand,
der die Orgel kennen will, genügen kann, und verweise auf
etliche gute und wohlfeile Werkchen, die alles, was einem Or-
fanisten in betreff der Konstruktion seines Instrumentes notwen-
ig zu wissen ist, klar und bündig enthalten. Es sind dies
folgende: Heinrich, Orgellehre, Struktur und Erhaltung der -
OrgeL Glogau 1861. — J. G. Töpfer, Die Orgel, Zweck und Be-
schaffenheit ihrer Teüe, Erfurt und Leipzig 1862. — Seidel,
Die Orgel und ihr Bau, 4. Aufl. bearbeitet von B. Kothe, 1887.
— Kleinere Schriften: Mettenleiter B., Die Behandlung der
Orgelj Regensburg, Fr. Pustet; Kunze, Die Orgel und ihr Bau,.
Leipzig, Leukart; Kothe B., Kleine Orgelbaulehre, Leobschütz,.
Kotne. — Es sei auch hingewiesen auf das grosse vortreflliche
Werk von J. G. Töpfer, welches 1888 (Weimar, Voigt) in zwei-
ter, von Max Allihn umgearbeiteter Auflage unter dem Titel:
Orgel. 231
^Die Theorie und Praxis des Orgelbaues" mit 65 Tafeln, er-
schienen ist.
Die Orgel, dieses den Zwecken der Kirche am meisten an^
passende Instrument erfreute sich schon frühzeitig, wie erwähnt,
der Aufnahme in der Kirche und liebreicher Pflege. Da es aber
einmal menschliche Schwäche ist, auch das Beste zu missbrau-
ohen, so sah sich auch schon frühzeitig die Kirche genötigt,
eingeschlichene Missbräuche im Orgelspiele und in der rechtzei-
tigen Anwendung zu tadeln und m dieser doppelten Beziehung
Verordnungen zu erlassen. 1558 verdammt em Konzil zu Paris
den häufigen Missbrauch, auf der Orgel beim Gottesdienste weich-
liche Melodien zu spielen, und gestattet nur, den frommen Ernst
und die heilige Müae, welche der Grundtypus der Hymnen und
der anderen Gesänge ist, in Tönen auszudrücken. In gleicher
Weise bestimmt das Konzil von Trient, es* solle alle Musik,
welche, sei es in Gesang oder Orgelspiel, etwas Lascives oder
Wollüstiges vorführt, aus dem Hause Gottes verbannt werden.
Wollte Gott, dass diese Vorschrift des heil. Kirchenrates, der
noch viele andere gleichen Inhaltes an die Seite gestellt wer-
den könnten, allen Organisten vor Augen .schwebte, und sie
sich des eigentlichen Zweckes des Orgelspieles beim Gottesdienste
bewusst. wären; gewiss hätten wir nicht so viel nachlässiges und
ärgerliches Orgelspiel noch heute zu beklagen!
Der kirchlicne Organist wird sich an die Worte des Kar-
dinals Bona halten: „Das Orgelspiel muss so ernst und gemessen
sein, dass es nicht das ganze Gemüt durch seine Annehmlichkeit
abziehe und zerstreue, sondern mehr Veranlassung und Gelegen-
heit biete, dem Sinne der Gesangsworte (wenn die Orgel den
Gesang begleitet), nachzudenken und sich den Gefühlen der An-
dacht ninzugeben;" er wird sich bemühen, in seine Kunst sich
immer. mehr zu vertiefen, den kirchlichen Sinn bei den heiligen
Handlungen inniger zu erfassen, sein Spiel als ein Werk der
Andacht und Erbauung zu betrachten und alles fern zu halten,
was das Haus Gottes entweihen könnte.
Die Behandlung der Orgel oder das Orgelspiel hängt
aufs innigste mit der EntwicKelung des Orgelbaues und der
Musikkunst zusammen, und beide wn-ken vervollkommnend auf-
einander. Im Anfange, d. h. vom IX. Jahrh. an, da die Orgel
als kirchliches Instrument Aufnahme fand, wird man sich wohl
begnügt haben, Choralmelodien einstimmig zu spielen oder damit
den Gesang zu begleiten oder aber auch emen tieferen Ton liegen
zu lassen und darüber die Melodie zu singen oder zu spielen.
Manche führen auch die „Organum" benannte Gesangsweise auf
die Orgel zurück. Dass man später auch Figuration gebrauchte,
dürfte Kaum bezweifelt werden, da selbst die aus dem XL und
XII. Jahrh. stammenden Gesangstücke (Choräle) oft reiche Fi-
guration aufweisen.
Schriftliche Monumente des Orgfelspieles bietet erst das
XV. Jahrh. in dem „Fundamentum organizandi" des blinden
Organisten Konrad Paumann (f 1473), worin 32 Orgelstücke
gegeben werden, meistens nur zweistimmig, wobei der ßass mit
unten Figuren kolorierend aultritt. Vor diesem war schon
Francesco Landino zu Florenz (f 1390) gerühmt, doch kennt
232 Orgel.
man kein Werk von ihm. Daselbst blühte auch Antonio
Sq^uarcialupo (etwa 1430—1470), dessen eeschriebene Kompo-
sitionen nur ein sehr primitives Orgelspiei bekunden. Mit der
Entwiokelung des mehrstimmigen Geisanges tritt auch der Orgel-
bau auf höhere Stufen (Arnold Schlick des Älteren -Organisten-
spiegel" 1511, Konstruktion und Behandlung der Orgel) und damit
auch das Orgelsniel, wie es sich itn „Tabulaturbuche 1512" von
Arnold SchlicK dem Jüngeren zeigt. Hier finden schon der
Kontrapunkt und die Nachahmung Verwendung- und wird im
zwei- und dreistimmigen Satze bei Treier Verwendung des Pedals
vollstimmige Harmonie angestrebt, die Figuration ist massvoll.
Während von da an bis zu Ende des Jahrhunderts in
Deutschland kein Fortschritt geschah, gewann das Orgelspiel in
Frankreich, England und Italien eine bedeutende Ausbudung.
Die Franzosen zeigen bei voller Harmonie mehr Freundlich-
keit, klaren Ausdruck und Fassung, wenn auch die Kontrapunktik
zurücktritt. Die englischen Organisten beweisen eine grosse
Gewandtheit in allen niederländischen Künsten (Christopher Tye
um 1550, Thomas Tallis, f 1585, William Bird, 1538—1623, bei
welch letzterem die neuere Kunst schon zum Durchbruche kommt,
John Bull, 1563 — 1628, welcher als Virtuose Deutschland und
Frankreich bereiste, u. a.).
In Italien, dem vorzüglichsten Sitze der Musikkunst in
diesem Jahrhunderte, eretehen grosse Orgelmeister, und das
Orgelspiel und die Orgelkomposition treibt die herrlichsten Blü-
ten. Neben Florenz rühmt sich Venedig tüchtiger Organisten:
Francesco d'Anna (um 1490), Giachetto Buus (1541—45) u. a. Die
Markuskirche daselbst hatte zwei Orgeln und besoldete zwei
Organisten. Um die Mitte des XVI. Jahrh. war man schon so
weit vorgeschritten, dass man für besondere Orgelkompositionen
eigene Namen anwandte: Phantasien, welche gleichsam im-
provisierte Ergüsse augenblicklicher Erregung sein sollten; Ri-
cercari, sorgsam durchgebildete, ausgesuchte Arbeiten; Con-
trapunti, meist aus Fragmenten der Tonleiter gebildet und
zu allerlei Nachahmungen und Engführungen verwebt; Into-
nazioni, kurze Sätze nach den Kirchentonarten (Präambulen ) ;
Toccata, aus schlichten Accorden und Koloraturen bestehend;
Canzoni, Stücke, welche mit einem liedermässig nach gleichem
Zuschnitte erfundenen Thema durch öftere Wiederholung des-
selben fugenartig ausgearbeitet waren. Darin zeichneten sich
aus: Claudio Merulo, 1557—84, Organist zu San Marco, Andreas
Gabrieli und dessen Neffe Johannes Gabrieli u. a.
Beim Beginne der neuen Musikperiode um 1600 tritt auch
Deutschland wieder hervor, obwohl anfangs noch auf nicht be-
sonders hoher Stufe (Figuristen und Koloristen), wie die Tabu-
laturbücher von Ammerbach, den beiden Bernhard Schmid in
Strassburg und A. Wolz ausweisen, in denen fast nur Stücke
itaHenischer Meister und Umarbeitungen von Gesangskomp^si-
tionen („Absetzen" in Tabulätur) sich finden. Im allgemeinen
betrieb man das Orgelspiel fast mehr handwerksmässig. Das
höhere Orgelspiel und dessen Komposition kam aus Italien nach
Deutschland; es gestaltete sich nun selbständiger, nachdem es
vorher mehr der Nachhall von Gesangstücken war oder ein
■
•
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I
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Orgel. 233
Verschnörkein von Gesangsparten. Leo Hasler war ein Schü-
ler des Andreas Gabriel! und ein Mitschüler von Johann Gabrieli,
Gregor Aichinger studierte auch in Italien; ein Schüler von
Andreas Gabrieli war auch Pet. Sweelink von Amsterdam,
der Vater der norddeutschen Organistenschule, aus welcher Mel-
chior Schild, Sam. Scheid, X. Scneidemann, Joh. Prätorius u. a..
hervorgingen. Mich. Prätorius verschmilzt schon die Canzonen-
form mit der Toccate und bringt 1609 achtbare Beweise eines
•edleren Orgelstiles. Besonders reformierend und bahnbrechend
wrirkte Samuel Scheidt (Tabulatura nova 1624) , welcher mit
dem alten Kolorieren und Absetzen brach, frei schaffend mit
, fugierten Sätzen u. dgl. gute Durchführungen lieferte. Vor- und
Nachspiele aus Themen der Choralmelodien bildete; auch der
bisher bei den Organisten gebräuchlichen Tabulaturschrift gab
er Abschied und bahnte dem Gebrauche der gewöhnlichen Note
für die Orgel den Eingang.
Von da ab trat Deutschland mit der Orgelmusik in den
Vordergrund; insbesondere waren es die Protestanten, welche
das Orgelspiel immer höher und kunstreicher ausbildeten, da
dasselbe im protestantischen Gotteshause eine weit hervorragen-
dere Stellung einnimmt, als beim katholischen Gottesdienste.
Darum sind auch die protestantischen Kirchen Norddeutschlands
schon frühzeitig mit grossen, umfangreichen Orgelwerken ver-
sehen, welche nicht bloss 50 und mehr Register, sondern auch
2- 3 Manuale und ein Pedal von 27—32 Tasten umfassten. Ihre
nun edierten Orgelstücke zeigten einen ernsten und würdevollen
Charakter, hauptsächlich durch den getrageilen Gemeindegesang
ernster Choräle und Kirchenlieder veranlasst, welcher überdies
dem Organisten Raum gab, kunstvolle Begleitung anzubringen,
und durch die Repetition (Strophen) zur vielgestaltigen Harmonie-
sierung reizte. Wie von selbst verlangte Vor- und Nachspiel
homogenen Charakter mit der Gesangsmelodie, und beim unab-
hängigen Wirken der Orgel ausserdem behielt neben den figuren-
reicnen und beweglichen „Präludien ** der fugierte Stil, welcher
sich allmählich zur vollkommenen Fuge ausbildete, sein Recht.
Doch auch die katholischen Organisten waren nicht un-
thätig: sie zähHen vortreffliche Männer in ihren Reihen. Da
beim katholischen Gottesdienste die Orgel eine mehr unterge-
ordnete Anwendung findet, bei Begleitung der mehrstimmigen
OiBSänge und des Chorals auf die vorgeschriebenen Accordreihen
des Basso continuo und des Generalbasses eirigeschränkt war
und ausserdem sich, abgesehen von den Vor- und Nachspielen,
weniger Gelegenheit ergab, sich in ausgedehntem Spiele zu er-
fehen, so finaen sich auch weniger verönentlichte längere Orgel-
ompositionen ; viel besser war eine Eigenart gepflegt, die soge-
nannten Versetten, kurze fugenartige Sätze mit blosser
Exposition eines Themas durch drei oder vier Stimmen ohne
weitere Durchführung, welche beim Psalmen- und Hymnen-
gesange u. s. w. statt der nicht gesungenen Verse und Strophen
(Abspielen) eingeschoben wurden.
Auf den nohen Stand katholischer Orgelmusik deuten Na-
men wie Frescobaldi (f 1644) in Rom, Fr ob erger in Wien
(tl667), Bernh. Pasquini in Rom (f 1710), Carissimi (f 1674),
234 Orgel.
Jak. V. Kerl (f 1690) u. a. Ersterer war ein bahnbrechendes
Genie und hat den späteren Meistern, wie Lotti, Scarlatti, Hän-
del, Bach, durch Steigerung des kanonischen Satzes zum fogier-
ten vorgearbeitet, seine Ausarbeitungen über kirchliche Canti
fermi setzte er strenge in den Kirchentonarten mit feiner Kontra-
punktik, seine Toccate, Ricercari und Capprici und lebhafteren
fugierten Sätze mehr in den neueren Tonarten, wobei er sich
selbst schon der Chromatik als Mittel eines erhöhten Ausdruckes
bedient.
Da es für den katholischen Organisten eine vorzügliche
Aufgabe war, bei der ihm oft spärlich zugemessenen Zeitdauer
der Vor- und Nachspiele ein extemporiertes Spiel zu vollführen,
und bei der Mannigfaltigkeit der Gesänge nicht immer passende
Vorlagen zuhanden waren, so finden wir schon frühzeitig An-
weisungen über das „Phantasieren" (Extemporieren), so von
G. Diruta in seinem Werke „II Transilvano" (1615 mit meh-
reren Auflagen).
Vor 1700 waren die Orgelkompositionen häufig noch mehr
oder minder steif und eckig, doch nach dieser Zeit geschah ein
rascher Fortschritt zu glatterer Melodie, angenehmerer Accord-
fügung und Modulation, und reicherem Accompagnement — alles
bewirkt durch die neue Bearbeitung der Theorie, die Hervor-
drängung und Gültigkeitserklärung des Dur- und Moll-Geschlech-
tes und des neueren Tonsystems, durch die Opernkomposition,
welche ihr Absehen besonders auf schöne, fliessende und cha-
rakteristische Melodiebildimg, schönen Rhythmus, gefällige Mo-
dulation richtete; der Einnuss der neapolitanischen und neu-
venetianischen Schule machte sich menr und mehr geltend,
überhaupt trug die Verselbständigung der Instrumentalmusik
das meiste bei. Von den vielen Orgelmeistern dieser Periode
seien bloss genannt: J. Paclielbel in Nürnberg (f 1706), Werk-
meister in Halberstadt (t 1706), Zachau m Halle (f 1722),
Kuhnau in Leipzig (j- 1732), Dietrich Buxthude in Lübeck
(t 1707), ReinKcn in Hamburg (f 1722) auf protestantischer
Seite — unter den Katholiken: M. Casini in Florenz (um 1722),
Samber zu Salzburg (um 1704), Georg Muffat zu Salzburg
(t 1704) und sein Sohn Gott lieb Muffat zu Wien (f 1770),
Murschhauser in München (f 1737), Fux in Wien (f 1741),
Domenico Scarlatti (f 1747), Caldara in Wien (1736).
Auf den Höhepunkt der Ausbildung gelangte die Orgel-
kunst im vorigen Jahrhunderte durch Joh. Seo. Bach, den
Grossmeister aller Organisten, der den Orgelstil nach allen Rich-
tungen vervollkommnete und namentlich die Fuge zur Vollen-
dung brachte, nachdem die italienische mit der deutschen ver-
mählte Orgelkunst schon reichlich vorgearbeitet hatte. Ein
vorzüglicher Organist war auch G. Fr. Handel, doch überragte
ihn Bach, dessen Kompositionen Zeugnis geben von seiner Grösse
und Meisterschaft. Sem Sohn Emanuel sagt von ihm: „Bei Bach
war alles, Melodie, Harmonie, Bewegung u. ß. w., der Natur des
Instrumentes und seiner Bestimmung angemessen. Die Mittel,
die ihm zu so heiligem Stile verhalfen, waren seine eigentüm-
liche Behandlung der Kirchentonarten, die stete Anwendung der
geteilten Harmonie, der Gebrauch des obligaten Pedals; dazu
i
Orgel. 235
kommt eine neue zweckmässi^ere Applikatur und eine besondere
Art zu registrieren. Seine Kontrapunktik lässt jede Stimme
melodisch und real fortschreiten; für seine Fugen verwendet er
nicht bloss alle Arten des Kontrapunktes imdlCanons, sondern
war auch besonders auf ein charakteristisches Thema bedacht.
Kontrapunktik war ihm zur zweiten Natur geworden/
»eine Kunst wurde wohl ein halbes Jahrhundert durch
seine Söhne Friedemann und Emanuel und durch seine Schü-
ler fortgepflanzt, so durch J. M. Schubart in Stadt-Ilm (geb.
1690), J. Kaspar Vogler, J. Tob. Krebs, der Vater des spä-
ter so berühmt gewordenen Ludw. Krebs in Buttstädt (f 1700),
H. Nik. Gerber in Schwarzburg-Sondershausen, Job. Öhristv
Kittel in Erfurt (f 1809), Bachs letzter Schüler.
Unter den Katholiken ragen hervor: Justinus a Des-
pons, Karmelitermönch in Würzburg (f 1723), E. Eberlin in
Salzburg (f 1762), Valotti in Padua (t 1780), der Spanier Bodos
de Cellos (f 1797), G. Pasterwitz in Kremsmünster (f 1803),.
J. G. Albrechtsberger in Wien (f 1809), F. Maximilian
Stadler in Molk (+ 1818), Franz Schneider ebenda (f 1812)^
Abb6 Vogler (f 1814).
Doch um den Beginn des XIX. Jahrb., wo ein anderer
Geist die Welt durchsäuerte und die Instrumentalmusik in den
Kii'chen sich immer weltlicher zu geberden anfing, wo die neue
Harmonielehre einen reichlicheren Gebrauch der Dissonanzen
gestattete, und sinnliche Melodie und weichere Harmonie mehr
Gefallen fanden, kam die strenge Weise Bachs in Vergessenheit;
technische Virtuosität, leeres Figurenwerk, toter Mechanismus^
zeigte sich hervorragend, die Formen blieben, aber der Geist war
entwichen. Auch Kittel ging schon mehr dem subjektiven
Ausdrucke nach. Zwei seiner Schüler sind beachtenswert: M. G.
Fischer, welcher treffliche, kirchlich zu nennende Orgelwerke
schuf, und Chr. Rink, welcher mehr ÜbersichtUchkeit der
Formen, sowie Gemeinfasslichkeit der Harmonie und melodische
Motive anstrebte, dabei allerdings beliebt wurde. Aber wegen
der Weichheit vieler seiner Kompositionen kann von ihnen nur
ein eingeschränkter Gebrauch für Kirchenzwecke gemacht wer-
den. Noch ist zu nennen J. Knecht in Biberach (f 1817), wel-
cher den Orgelstil wieder von gemeinen Wegen auf höhere
Bahnen zu lenken suchte und sich an Abbe Vogler anschloss;.
aber auch von seinen Orgelkompositionen sind nicht alle brauchbar.
Um die Mitte des Jahrhunderts begann die Orgelmusik in
Deutschland einen gewaltigen Aufschwung zu nehmen; man-
cherlei Umstände trugen dazu bei, namentlich die Einrichtung
von Konservatorien, an denen auch Lehrer für das Orgelspiel
wirkten, dann die Popularisierung harmonischer und komposito-
rischer Kenntnisse, das Wiedererwecken der Ton werke des
Palestrinastües und erneute Hochschätzung der Kontrapunktik^
sowie das Hervorziehen der Werke Seb. Bacns ; besonders trugen
auch dazu bei die grossen Fortschritte in der Orgelbaukunst^
welche gegenwärtig ein so leichtes Spiel wie auf einem Klaviere
ermö*gUcnen. Schon Vogler machte Keisen als Orgelvirtuös, aber
als lS)nzertinstrument scheint die Orgel erst seit Mendelssohns
Zeiten üblich geworden zu sein, welcher mehrere Orgelsonaten
236 Orgeldisposition — Orgelrevision.
«ohrieb. Seitdem ist die Orgel auch für grosse Konzertsäle ein
unentbehrliches Instrument geworden; die neueste Zeit ist reich
an Orgelsonaten, Phantasien, Konzertfugen u. s. w., doch haben
dergleichen Stücke beim katholischen Gottesdienste keinen Platz,
<ia sie nicht geeignet sind, die Andacht zu unterstützen, sondern
den Geist davon ab- und zur Kunstfertigkeit des Spielers und
der Komposition hinzulenken.
Der Charakter des neueren Orgelstiles ist immer mehr
poliert und verfeinert geworden, der Ausdruck subjektivster
Stimmung, dabei glänz- und effektvoll (G. Merkel, Lange, Adolf
Hesse, Rneinberger, Piutti, Stehle u. a.). Unter den Katholiken
verdienen noch Beachtung: Kaspar Ett, Moriz Brosig, wel-
cher, an Mendelssohn sich anlehnend, ganz modern schrieb,
jedoch nie unedel, häufig grossartig und effektvoll. Für prak-
tische Zwecke schrieb auch J. Hanisch in Regensburg vieles
Gute, ebenfalls H. Ob er hoff er in Luxemburg, J. Ev. Habert
in Gmunden u. a.; auch viele Sammlungen besitzt die neueste
Zeit, so von B... Kothe, Kewitsch, Troppmann, Dieboid (Riegel,
Herzog) u. a. Übrigens ist gegenwärtig m Deutschland gar kein
Mang3 an trefflichen Organisten sowohl auf katholischer, als
protestantischer Seite. (Ritter, A. G., Geschichte des Orgel-
spiels, vornehmlich des deutschen vom XIV. bis zu Anfang des
XVHL Jahrb., Leipzig, M. Hesse 1884. — Voigt mann, K. J.,
Das neuere kirchlicne Orgelspiel im evangelischen Kultus, Leip-
zig 1870, bei Mathes. — Ambros, Dr. W. A., Geschichte der
Musik.)
Orgeldisposition , die Anlage und Anordnung aller Teile
der Orgel, also der Register nach Art und Beschaffenheit, der
Bälge, der Klaviatur, des ganzen Mechanismus u. s. w.
Orgelraetall ist eine Mischung von Zinn und 'Blei, aus
welcher die metallenen Labialpfeifen gefertigt werden. Je we-
niger Blei beigemischt wird, desto härter ist das Metall und
desto frischer und kräftiger der Ton der Pfeife; je grösser der
Zusatz von Blei , desto weicher das Metall und desto weicher,
zarter und gedämpfter erscheint der Ton. Zweckmässig ist es,
wenn nicht rein englisch Zinn (16 lötig) genommen wira, doch
12- oder 10 lötiges Metall zu verwenden. Mehr als V^ Blei zuzu-
setzen, ist verwerflich.
Orgelpfeife, s. Pfeife.
Orgelpunkt ist eine bestimmte Folge von verschiedenen
Accorden zu einer und derselben, meist ununterbrochen tönenden
Bassnote ; wenn eine solche Folge in einer vollkommenen oder
unvollkommenen Kadenz auf der vorletzten oder letzten Bassnote
(Dominant oder Tonica) vorkommt, so entsteht die sogenannte
angehaltene Kadenz. Der Orgelpunkt (punctus organi-
cus) kommt schon bei Franoo von Köln vor und verdankt seine
Entstehung vielleicht dem Organum des Hucbald. Die Accorden-
folge kann entweder rein tonisch oder tonisch und ausweichend
sein; auch kann der Orgelpunkt im Laufe des Tonstückes statt-
finden, sowie es nicht notwendig ist, dass die ausgehaltene Note
stets im Bass liege, sie kann auch einer anderen Stimme zuge-
teilt werden.
Orgelrevision, auch Orgelexamen, Orgelprobe, Orgel-
■
i
Orgeltrio — ParalleLen. 237
grüfunffj ist die von einer zuständigen Behörde durch einen
aehkundigen angestellte Untersuchung, ob eine neue Orgel
accordmässig, d. i. nach dem mit dem Orgelbauer vor dem Baue
abgeschlossenen Kontrakte oder Accordfe, der die Disposition der
Orgel und alle übrigen Bedingungen des Baues enthält, und ob
sie auch sonst tüchtig gearbeitet ist.
Orgeltrio, s. Trio.
Orgelzieher, s. Kalk an t.
Orgel tabnlatur, s. Tabula tur.
Osterfest. Dieser Tag mit seiner Oktav, als Erinnerungs-
feier an das trost- und freudenreichste Geheimnis der Ek-lösung,
an den Sieg des Gottmenschen Jesus über Tod und Hölle einge-
setzt, ist für die Christenheit der Tag des höchsten Jubels, wie
keiner im ganzen Jahre. Im Mittelalter erschoU dieser Jubel
nicht bloss m den Gotteshäusern, man trug ihn auch hinaus in
Gottes freie Natur, um auch jeder Kreatur das Glück der edel-
sten Kreatur, des Menschen, das ihm durch die Erlösimg zu teil
geworden, laut zu verkünden, und sie zur Teilnahme an dem
allgemeinen Jubel aufzurufen. So bewegte sich nach der Aus-
teilung des Weihwassers, wobei das „Asperges me" durch den
Gesang „Vidi a(juam** ersetzt ward, eine ßierliche Procession
aus der Kirche hinaus, und der Chor sang mit dem ins „ Alleluja*^
einstimmenden Volke freudige Osterhymnen und Antiphonen,,
unter anderen die schöne Poesie „Salve festa dies etc." von Ven.
Fortunatus (VII. Jahi'h.). Bei der Rückkunft stimmte der Cele-
brant wieder eine Antiphon an, welche der Chor oder das Volk
zu Ende fortsetzte. Dann begann die Festmesse, welche wie
alle Messen der ganzen Oktav ihre eigene Sequenz hatte, doch
nicht die „Victimae Paschali" von Wipo, welche anfangs am
Ostermontage gesungen, später im XVI. Jahrb.. für die Messe
des heiUgen Ostertages angeordnet wurde. Jetzt findet bei uns-
nur der gewöhnliche Umgang zur Aussprengung des Weihwas-
sers statt. Ausser der Sequenz hat die Liturgie nichts Eigen-
tümliches; die priesterKchen Tagzeiten aber entbehren nach
römischem Ritus der Hymnen und haben auch in der Matutin
nur eine Nokturn.
Ottava (ital.) = Oktav.
F.
P., Abkürzung für Pedal; p. — piano; fp. = fortepiano.
Palmsonntag, s. Karwoche.
Parallelbewegnng, s. v. als gerade Bewegung, motus
rectus, wenn zwei oder mehrere Stimmen nach gleicher Richtung^
fortschreiten.
Parallelen, fehlerhafte, entstehen, wenn in einem Ac-
corde zwei Stimmen eine reine Quint oder eine Oktav bilden..
238 Paralleltonarten — Parapteres.
und in dem folgenden Accorde in denselben Stimmen das
gleiche Intervallenverhältnis stattfindet, z. B.
gp[ti^l=
a) b)
Solche Oktaven- und Quintenfolgen sind zwischen realen
"Stimmen verboten, da erstere die reale Mehrstimmigkeit des
Satzes und die Selbständigkeit der Stimmen aufhebt, letztere
aber die Zusammengehörigkeit der Harmonie stört, indem jeder
der beiden Accorde (a und b) eine andere Tonart repräsentiert.
Oktavenparallelen sind aber statthaft, wo nur eine Vermehrung
der Klangwirkung beabsichtiget wird; so z. B. wenn Flöten die
Violinen in einer höheren Oktav begleiten oder der Kontrabass
mit dem Violoncell geht. Eine Fortschreitung zweier Stimmen
in gemischten Quinten (d. h. einer reinen und einer vermin-
derten) ist in den Mittelstimmen stets, auch in einer Aussen- und
Mittelstimme erlaubt, wenn die verminderte Quint auf die reine
folgt, zwischen den beiden äusseren Stimmen niemals. Obwohl
man auf diese Verbote der fehlerhaften Oktaven- und Quinten-
fortschreitungen strenge hielt, so haben doch die grössten Meister
der neueren 2eit manche Lizenzen aus ästhetischen Gründen sich
erlaubt. Im realen Satze, namentlich im Vokalsatze, müssen
diese Verbote strenge aufrecht erhalten werden. — Die mehr-
stimmige Komposition nahm ihren Anfang bei einer fortlaufen-
den Reihe von Oktaven, Quinten und Quarten im sogenannten
Organum (s. d.) Hucbalds (X. Jahrh.) und Guidos (XI. Jahrb.);
jedoch der Occursus (s. d.), den Guido besonders betont und der
am Schlüsse einer melodischen Phrase beobachtet wurde, und
«in richtigeres Gefühl brachten es dahin, dass Johannes Cotton
(Anfang des XII. Jahrh.) für die Diaphonie die Anweisung geben
konnte: wo die Hauptstimme aufwärts geht, soll die Örganal-
fltimme abwärts gehen, und umgekehrt. Nach und nach lernte
man durch den Diskantus und den Fauxbourdon eine gewähl-
tere Stimmführung und im XIV. Jahrh. sprechen Marchettus
von Padua und Johann de Muris das förmliche Verbot der
Oktaven- und Quintenparallelen aus; es wurden nun Gesetze
für eine bessere Verbindung der Harmonien gegeben, daneben
aber auch wesentlich durcn Bereicherung der Tonfolgen mit
«tufenweisen durchgehenden Dissonanzen auf die Entfaltung der
Melodie hingewirkt. — Parallelen werden auch die auf der
Orgel windlade aufliegenden verschiebbaren Schleifen benannt
(s. Windlade).
Paralleltonarten, s. Tonart.
Paraphonisten, s. Kantor.
Parapteres nennt Hucbald kleine Tonformeln, ..welchen
Süben, z. B. Annaneane unterlegt sind und etwas Ahnliches
waren, wie die Finalen der Psalmtöne. Neuere Forscher wollen
darunter besondere Tonarten erkennen, welche bei Regino (Gerb.
IL 73) als medii toni erwähnt werden und nichts anderes sind,
i
Partitür — Passion. 239
als Gesänge, welche weder über noch unter die Finale sich
weiter als eine Quart oder höchstens eine Quint erstrecken, sonst
Cantus communis genannt.
Partitur oder Sparte, ital. Parti tu ra, Partizi.pne,
Sparta, Spartito, franz. Partition, ist die schriftliche Über-
sicht aller zu einem mehr- und vielstimmigen Tonstticke gehöri-
gen Stimmen, die Takt für Takt untereinander geschrieben
werden, so dass man sowohl die Bewegung jeder einzelnen
Stimme verfolgen, als auch das Miteinander, aas harmonische
Zusammenwirken überschauen kann. In einer Partitur dürfen
die vier Hauptstimmen (bei Instrumentalsachen meistens das
Bogenquartett) oder die vier Singstimmen nie von einander ge-
trennt werden, iind man hält die uhöre zusammen, als' den Sing-
stinamenchor , den Streich-, den Holzbläser-, den Blechchor; die
Anordnung und Übereinanderstellung der Chöre geschieht aber
von den Komponisten verschieden, immer jedocn nimmt der
Bass die unterste Stelle ein. — Geschriebene Partituren nach
unserer Weise kommen erst Ende des XVI. Jahrh. vor, d. h.
wir besitzen noch solche; die Proske'sche Bibliothek in Regens-
burg hat eine solche von einem Motette Palestrinas (Original):
aus fmheren Zeiten führt Ambros eine mit schwarzen (Franco)-
Noten aus dem Werke des Hieronymus de Moravia (XIII. Jahrh.j
an, welches auf ein lOliniges System, worin die drei Singstim-
men untereinander tabulaturmässig, natürlich ohne Taktstriche,
eingetragen sind, notiert ist. (Ambros, Geschichte der Musik,
Bd. IL pag. 325.) Ein anderes Beispiel führt H. Bellermann in
seinem „Kontrapunkt" (Berlin, 1862) aus dem Ende des XV. Jahrh.
an, nämlich em Stück des Heinr. Isaac; der vierstimmige Satz
ist in rautenförmigen offenen Semibreven auf einem lOlinigen
System notiert, welchem die fünf claves signatae und Schlüssel
vorangestellt sind, die Noten sind zur leichteren Unterscheidung
in verschiedenen Farben gehalten, für den Diskant rot, für den
Alt grün, für den Tenor schwarz, für den Bass rot; Taktstriche
teilen die Noten in Takte von je zwei ganzen Noten oder vier
halben Noten. Wie gesagt, sind Partituren aus dem XVI. Jahrh.
sehr selten, da fast aUe Kompositionen in einzelnen Stimmbüchern
erschienen, und die handschriftlichen Partituren der Komponisten,
die sie wohl nie aus der Hand gaben, grösstenteils verloren
gingen. Die Sitte, Musiken in Partitur herauszugeben, fand erst
spät, in der zweiten Hälfte des XVII. Jahrh. aflgemeinere Auf-
nahme. Die älteste gedruckte Partitur ist wohl vom Jahre 1577.
-Tutti i Madrigali di Cipr. de Rore**, Venetia. Darin stehen schon
die Stimmen im fünfzeiligen System übereinander, wie bei uns.
Die deutsche Tabulatur, in welche sich die Organisten im
XVI. und XVII. Jahrh. die Gesangstücke absetzten, kann eigent-
lich nicht unter die Partituren gerechnet werden. In den Par-
tituren des XVI. und Anfang des XVII. Jahrh. finden sich
häufig mehr die einzelnen Glieder der Melodie als die Takte
durch Striche gesondert, wie dies auch in den Stimmbüchern
aus dieser Zeit vorkommt.
Passage, s. Periode.
Passion, Passio. In der katholischen Kirche wird mit
iiesem Namen die Leidensgeschichte des göttlichen Heilandes
240 Passionsmusik — Pater noster.
bezeichnet, welche am Palmsonntage, Dienstag und Mittwoch in
der Karwoche und am heiligen Karfreitage bei der Messe nach
den vier Evangelisten abgelesen oder abgesungen wird. Wenn
die Passion gesungen wird, stellt sie eine Art geistlichen Dramas
dar; denn sie wu-d von einem Diakon als Evangelisten, dem
eigentlichen Erzähler, vom Celebranten oder einem anderen, der
die Person Christi darstellt und nur die Worte desselben zu sin-
gen hat, und einem dritten (Subdiakon), welcher dasjenige sins^,
was eine einzelne andere Person, z. B. Pilatus, Petrus oder das
ganze Volk spricht, ausgeführt. Wo mehrere Sänger zu haben
sind, werden die Keden des Volkes (Turba) durcn einen Chor
gesungen. In den Chorbüchern, welche hiezu benützt werden,
Passionalia genannt, und in allen Missalien sind die Personen
mit den Buchstaben E., S. (X.) und T., d. h. Evangelista,
Sacerdos (Christus), Turba bezeichnet. Wo bloss zwei Prie-
ster oder Leviten ausser dem Celebranten vorhanden sind, soll
der Celebrans die Rolle des Christus, singen, nie aber ausser der
Turba (Chor) eine Rolle von Laien gesungen werden. Die Me-
lodie, welche für jede Person ihren eigentümlichen imd chai'ak-
teristischen Gang und Schlussfall hat, war vor der Herausgabe
des „Directorium chori" je nach Kirchen imd Gegenden oder
Ländern sehr variirend, oft aufs reichste mit Neumen imd (hän-
gen von grossem Umfange ausgeschmückt, doch hat die gegen-
wärtige römische Singweise in ihrer Einfachheit immerhin noch
genug Erhabenes und Ergreifendes. Die ^Ordines Romani" ma-
chen keine . Erwähnung von Passionsgesang, aber Durandus
redet schon in seinem Rationale davon, dass die Worte des
Erlösers mit sanfterer Stimme als die des Evangelisten gesun-
gen werden, die der gottlosen Juden aber „clamose et cum
asperitate vocis".
Passionsmusik ist ein Oratorium grösseren und kleineren
Umfanges, dessen Text das Leiden und Sterben Jesu Christi vor-
führt. Bekannt ist „Die grosse Passion nach Matthäus" von
Seb. Bach, dessen Passion nach Johannes, «Die sieben Worte
des Erlösers am Kreuze" von Jos. Haydn, „Der Tod Jesu" von
Graun u. v. a. (s. Karfreitag).
Pastorale (ital.), eigentlich zu deutsch -Hirtengedicht^
oder „hirtenmässig" bedeutet ein Tonstück von ländlich ein-
fachem Charakter meist im Vs Takt gesetzt. Auf den katholischen
Kirchenchören brachte man derlei charakterisierte Tonstücke in
der Weihnachtszeit an, wobei man die Hirtenlieder und Schal-
meienweisen nachahmte, um an die Hirten zu erinnern, welche
den neugebornen Heiland zuerst anbeteten. Bekannt sind die
Pastoralmessen und Pastoraloffertorien u. dgl., welche meistens
auf eine sehr unglückliche, der Würde des.. Gottesdienstes nicht
entsprechende Tonmalerei hinaus liefen. Übrigens finden sich
auch unter den älteren Kompositionen pastoreile Motetten.
Pater noster, „Vater unser", das Gebet des Herrn findet
s.elbstverständhch eine häufige Anwendung in der Liturgie.
Überall, wo man sich an Gottes Huld ima Gnade besonoers
wendet, im Officium und bei dem heiligen Messopfer, findet es
seine Stelle, so am Anfange jeder Hora, häufig vor aen Oratio-
nen u. dgl. In der Messliturgie wird es gesprochen im Kanon,
i
Pauke — Pause. 241
nämlich nach der Wandlung, unmittelbar vor Brechung der hei-
ligen Hostie und dem Agnus Dei, und der Umstand, dass das-
selbe in sämtlichen Messhturgien als ein durchaus notwendiger
Bestandteil erachtet wird, veranlasste schon den heil. Hierony-
mus zu der Ansicht, dass der liturgische Gebrauch dieses Gebetes
auf einer Anordnung des Herrn selbst beruhe. Im Messkanon
wird es eingeleitet durch die Worte: „Oremus, Praeoeptis salu-
taribus . . .", welche schon im höchsten Altertume in Gebrauch
waren und das Gefühl der Ehrfurcht ausdrücken , womit das
Pater noster gebetet werden soll. Während ausser der heiligen
Messe ^ das Pater noster immer still (secreto) gebetet und nur
manchmal die ersten zwei Worte und die vorletzte Bitte
vom Priester laut gesprochen oder gesungen werden, geschieht
in der Messe der Taute Sprech- oder Gesangvortrag des ganzen
Pater noster, darauf gründend, dass in den alten Zeiten der
Kirche auch dies heilige, vom Herrn selbst überlieferte Gebet
sorgföltig vor denen, welche noch nicht zur Kirche gehörten,
geheim gehalten wurde: bei anderen Gelegenheiten konnten
solche anwesend sein, darum es still gebetet wurde, bei der hei-
ligen Messe waren aber die Katechumenen und Nichtgläubigen
schon vor dem Credo entfernt worden. Das Pater noster wird
nach zwei Melodien gesungen, von denen die eine feierlich ^ die
andere ferial (in Missis deff*. und in festis simplicibus et diebus
ferialibus) ist; sie sind kollektenartig, dem Präfationston ähnlich,
einfach aber majestätisch. Der Chor hat die letzte Bitte: „Sed
libera nos etc.^' zu singen. Das Pater noster wird nicht mit der
OrgqJ begleitet, auch ist es nicht erlaubt, den Gesang desselben
bei Amtern zu unterlassen.
Panke, lat. Tvmpanum, ital. Tympano, franz. Tim-
bale, unter den Schlaginstrumenten das älteste. Unsere Kessel-
pauke besteht aus einem Kessel, gewöhnlich aus Kupfer, oben
am Rande ist ein eiserner Reif mit 8 — 10 Löchern befestiget,
über welchen das Pauken feil (Esels-, Ziegen- oder Kalbshaut)
fespannt ist. Dieser Reif wird mittels Schrauben auf den Rand
es Kessels befestiget, und durch das Drehen dieser Schrauben
die Pauke gestimmt. Geschlagen werden die Pauken mittels
zweier Stöckchen (Schlägel), an denen je ein hölzerner Knopf,
mit Tuch umwunden, Defestiget ist. Beim Schlagen sind die
Pauken in ein eigenes Gestell eingesetzt. In der Kegel benützt
man zwei Pauken, von denen die grössere in der Dominante,
die kleinere in der Tonika des Musikstückes, wozu sie verwendet
werden, gestimmt wird. Die Notierung für dieses Instrument
geschieht im Bassschlüssel und immer in C,
S
ä
jtzz:
es muss aber immer die Stimmung am Anfange* des Stückes an-
gezeigt sein. Dass die Pauken für die Kirchenmusik sehr unpas-
sende Instrumente sind, braucht wohl nicht bewiesen zu werden.
Pause , lat. pausa (pausatio), das Innehalten , der Still-
stand — bedeutet m der Musik das Schweigen der Stimmen an
Koramüller, Lexikon. 16
242
Pause.
gewissen Stellen des Tonstückes, dann auch das Zeichen selbst,
welches die Dauer dieses Schweigens andeutet. Als sich die
Diaphonie im XII. Jahrh. zur Mensuralmusik entwickelt hatte,
musste man auch bedacht auf die Zeit des Schweigens einer
oder mehrerer Stimmen nehmen und den betreffenden Sängern
durch gewisse Zeichen dies bemerklich machen. Hierzu bediente
man sich senkrechter Striche, welche durch die Linien des Noten-
systems gezogen wurden. Ein Strich, der ein Spatium füllte,
kam der Dauer einer Brevis oder einem Tempus gleich; füllte er
nur die Hälfte eines Zwischenraumes, galt er die Dauer einer
Semibrevis; em durch zwei Spatien gehender Strich hatte die
Zeitgeltung einer Longa imperfecta, durch drei Spatien die einer
Perfecta. Auch als man die weissen Noten einführte, blieb man
ei den nämlichen Zeichen, nur für die weiteren Teüungen der
Semibrevis kamen noch die pausae aculeatae hinzu, und so
hatte man nmi:
i
Pausa longa Pausa Semipausa Suspirium Semisuspirium
— Dauer einer — Dauer einer — für die — für die
Brevis. Semibrevis oder Minima. Semiminima.
eines Taktes.
Für die fusa oder semifusa kamen zwei und drei Häk-
chen in Anwendung. Bei diesen Zeichen blieb es im allgemeinen
bis auf den heutigen Tag nur mit geringen Änderungen:
^
^
4 Takt-P.
i
2 Takt-P. 1 Takt-P. '/, Takt-P. '/< Takt.P.
f
Vg Takt-P. V,« Takt-P. '/^a Takt-P. V«4 Takt-P.
Sind mehr als vier Takte zu pausieren, so werden diese
einfachen Pausen zusammengesetzt oder über einem oder zwei
dicken Strichen die Zahl der Taktpausen in Ziffern angezeigt, z. B. :
6 12 15
1
"¥
E
EB
m
Um Missverständnisse zu vermeiden, schreibt man von
einer Taktpause aufwärts die Zahl gewöhnlich darüber. — Die
Pausen von geringerem Werte als einem Takte nennt man auch
„Suspiren*' oder „Sospiren", vom lateinischen Suspirium
und französischen Soupirs. Da die Pausen die Stellen von
stimimen Noten vertreten , so erdulden sie auch jede sonstige
orthographische Behandlung derselben; so kann z. B. ein Punkt
nach ihnen gesetzt werden, welcher ihre Geltung um die Hälfte
Pausa correpta — Periode. 243
verlängert. — Eine Pause durch alle Stinimen eines Tonstückes
heißst Generalpause.
Pausa correpta, s. Psalm.
Pedal, s. Orgel.
Pentecostes, s. Pfingsten.
Perdendo, — si, (itaL), verlierend, sich verlierend, ahneh-
mend, soviel als diminuendo.
Perfektaccord = grosser Dreiklang.
Perfectio, eigentlicli Vollendung, Vollkommenheit, ist ehi
Ausdruck, den die Mensurallehrer des XIII. und XIV. Jahrh.
a) bezüglich der Wertbestimmung der nota langa (■) gebrauchen ;
diese Note gilt ihnen als perfekt, wenn sie den Wert von drei
Tempora ooer drei Breven hat; hingegen als imperfekt, wenn
sie bloss den Wert von zwei solchen nat. Daher „Tempus per-
fectum oder imperfectum" sich immer auf die Geltung der nota
longa bezieht. Hierfür bestanden bestimmte Regeln, z. B. Longa
perncitur, cum longa praecedit; oder imperficitur , cum brevis
fpngam praecedit etc.; b) zur Bezeichnung der Eigenschaft von
dem Fortschreiten der Noten (des Abschnittes oder Tonfusses,
analog den Versfüssen), welche sie modus naifhten; ^modus
perfectus*^ war vorhanden, wenn ein solcher Rhythmus mit der-
selben Note oder figura endete, mit welcher er begann; im
gegenteiligen Falle war er imperfekt.
Periode bedeutet in der Musik die Vereinigung solcher
einzelner melodischen Teile zu einem Ganzen, die an und für
sich zwar einen musikalischen Sinn haben, durch ihre Vereini-
gung aber erst den Ausdruck einer Empfindung bis zu einem
gewissen Grade von Vollkommenheit erhalten. In ihrer Grund-
form stellt sie sich achttaktig dar (sie kann auch eine grössere
Ausdehnung, jedoch nicht wohl über 16 Takte haben) und ihre
Teüe sind das Motiv, der Abschnitt und der Satz. Das
Motiv ist das kleinste musikalische Gedankenbild, aus wenigen
Noten bestehend, welches den Raum eines Taktes nicht über-
schreitet. Durch Wiederholung, Anknüpfung des versetzten oder
sonst veränderten oder eines ganz neuen Motives entsteht der
Abschnitt, welcher schon zwei Takte füllt. Durch ähnliche
Behandlung des Abschnittes bildet sich der viertaktige Satz,
w^elcher noch nicht abschliessend , als Vordersatz, einen
Nachsatz von gleich vielen Takten und auf ähnliche Weise,
wie die Erweiterung des Motives und Abschnittes geschah, ge-
nommen, nach sich zieht und so zur Periode sich gestaltet. Die
Perioden können nach dem Zwecke und der Absicht des Ton-
setzers wieder erweitert oder verengert werden, wodurch Perioden
von mannigfaltiger Grösse entstehen. Durch Wiederholung, An-
knüpfung neuer Perioden u. dgl. erhält man Doppelperioden
und Periodengruppen, die nun ein ganzes Tonstück aus-
machen. Doch sina nicht alle Teile eines Tonstückes lauter
solche rhythmisch wohl gebüdete Perioden, sondern es kommen
daneben auch Verbindungsglieder vor, die freier gestaltet sind,
z. B. Gänge, melodisch organisierte Tonfolgen ohne einen in
sich befriedigenden Abschluss, Passagen, Gänge aus schnell
folgenden, ganz oder meist gleichen Noten, Läufe, den Passagen
ähnliche Gestaltungen, Zusätze zu den Perioden, Anhängsel,
16*
244 Pfeife — Pfingsten.
Einschiebsel etc. Diese strenge rhythmische Struktur und
symmetrische Gliederung findet aber m den kontrapunktischen^
kanonischen und Fugenwerken geringe oder keine Anwendung,
da dort das ganze Thema in seinen Wiederholungen den Rhyth-
mus gibt.
Pfeife überhaupt ein Instrument, welches aus einem Rohr
besteht, in das über einen Kern hinweg Luft geblasen wird,
welche teilweise ober dem Kerne entweicht, teflweise in den
Rohrkörper eindringt und durch ihre Schwingungen den Ton
erzeugt. Pfeifen sind die tongebenden Teile der Orgel und sind
also das Wichtigste an derselben. Sie sind entweder von Me-
tall — aus reinem Zinn oder einer Mischung von Zinn und Blei
fauch bloss „Metall" benannt) oder von Holz — Fichten-, Kie-
fern-, Eichen- oder Birnbaumholz, und haben bald die Gestalt
von Cylindern öder Säulen, bald von Kegeln und Pyrami-
den. Auch ihre innere Einrichtung unterscheidet sie, indem
bei den Labialpfeifen öder dem Flötenwerk die Luft allein
als tonerzeugendes Mittel erscheint, bei dem Rohr- oder Zun-
genwerk (s. ^.) eine mitschwingende Zunge den Ton bestimmt.
Nach den akustischen Gesetzen hat die Länge der Pfeifen Ein-
fluss auf Höhe oder Tiefe des Tones, so dass eine längere Pfeife
einen tieferen Ton gibt, als eine kürzere. Hierbei ist bemerkens-
wert, dass eine oben gedeckte Pfeife (Gedakt) um eine Oktav
tiefer klingt als eine offene von gleicher Länge. Doch gibt es
noch Umstände, welche bei gleicher Länge der Pfeifen deren Ton
verschieden darstellen, nicht in Bezug auf die Höhe oder Tiefe,
sondern auf den Klang; auf die Klangfarbe hat wirksamen
Einfluss: das Material, woraus die Pfeifen gefertigt sind, die Form
des Aufsatzes, das zuströmende Luftquantum, .die Mensur oder
das Verhältnis der Weite zur Länge, und die Grösse des Auf-
schnittes im Verhältnisse zum Querschnitte. Durch Beachtung
und Anwendrmg dieser Hilfsmittel erzielt der Orgelbauer die ver-
schiedenen Register und Orgelstimmen, d. h. die nach un-
serem Tpnsysteme abgestimmten und durchlaufenden Reihen von
Pfeifen ^' einer und derselben Klangfarbe. Pfeifen mit enger
Mensur haben einen scharfen , mageren , streichenden Ton mit
eigentümlich geigenartiger Färbung, während weite Pfeifen
einen vollen , starken Ton geben , weshalb letztere auch für die
sogenannten Prinzipalstimmen verwendet werden.
Pfingsten, Pentecostes. Das heilige Pfin^tfest, der
Mittelpunkt des Pfingstfestkreises , ist eingesetzt zur Erinnerung
an die dritte grösste Wohlthat Gottes an aie Menschen: die Hei-
ligung, die Sendung des heiligen Geistes. Diesem Feste kommt
darum auch wieder eine feierlichere Liturgie zu. Am vorhergehen-
den. Tage, Vigilie, werden, wie am Karsamstage, Prophetien ab-
gesungen, Abschnitte der heiligen Schrift des A. T., worin die
Wirkungen des heiligen Geistes vorgebüdet sind, dann auch die
Taufwasserweihe abgehalten, die Litanei gesungen: ebenfalls
werden beim Gloria der Messe alle Glocken geläutet. Die Matutin
hat^ wie das Osterofficium , nur eine Nokturn, bestehend aus
drei Psalmen imd drei Lektionen; als Hymnus der Terz wird der
Hymnus: „Veni Creator Spiritus" gebraucht, welcher auch an
manchen Orten vor dem Hochamte feiei^ich abgesungen wird
Phrase — Plica. 245
In alten Zeiten hielt man am Pfingstfeste vor dem feierlichen
Gottesdienste eine Prozession, doch nur in den Räumen der
Kirche. Die Messe des Tages (und der ganzen Oktav) hat eine
Sequenz: „Veni sancte Spiritus et emitte coelitus", welche dem
Papste Innocenz III. zugeschrieben wird, und an die Stelle der
früher gebräuchlichen, des Königs Robert: „Veni sancte Spiritus,
reple" getreten ist. In einzelnen Kirchen findet nachmittags
eine Vorstellung .der Sendung des heiligen Geistes statt;
der Celebrant geht nach dem Kesp. breve der Non, mit dem
Pluviale bekleidet, an den Ort der Kirche, wo die Gestalt einer
weissen Taube als Sinnbild des heiligen Geistes herabgelassen zu
werden pflegt, incensiert und intoniert: „Veni sancte Spiritus",
und während die Gestalt herabgelassen wird, vollendet der Chor
den Hymnus. Zum Schlüsse singt der Priester die Oration mit
den gewöhnlichen, eine Hora beschliessenden Versikeln. Das
-Benedicamus" wird vom Chore feierlich gesungen, worauf die
Vesper beginnt.
Phrase bezeichnet in der Musik ein Melodieglied von grös-
serem oder geringerem Umfange, welches in einem Atem zu
singen oder ohne abzusetzen vorzutragen ist.
Phrasierung ist die Abgrenzung der Phrasen oder der
Melodieglieder beim Vortrage. Sie wird im Gesänge erreicht
durch sinngemässes Atemholen, bei Instrumenten durch kleine
Pausen und Absetzen. Die sinngemässe Phrasierung ist eine der
ersten Bedingungen des guten Vortrages, wie bei der Rede die
Beobachtung der Interpunktion.
Piu (ital.) = mehr, dient zur näheren Bestimmung man-
cher Vortragsbezeichnungen, z. ,B. piü lento ■= langsamer; piü
allegro = schneller.
Pizzicato (ital.), abgekürzt piz. oder pizz., — gekneipt,
geschnellt, — bezeichnet iene Vortragsart bei den Streichinstru-
ten, wobei die Saiten nicnt mit dem Bogen gestrichen, sondern
mit einem Finger gezupft oder gerissen werden; an der Stelle,
wo der Bogen wieder in Anwendung gebracht werden soll, steht
dann arco oder coli' arco.
Plica, in der Neumenschrift schon gebräuchlich, bedeutete
vor der Mensuralzeit die Vorausnahme des folgenden Tones im
innigsten Anschlüsse an den vorhergehenden, anticipatio. In
der Mensuralmusik war sie ein der Note beigefügter Strich (tra-
ctulus), fand nur am Ende einer Ligatur statt und bedeutete
eine Verzierung, Manier, nicht aber eine Wertveränderung. In
dem Traktat eines gewissen Aristoteles zu Francos Zeit rechnet
sie unter die Species, welche in jeder Gesangsgattung des Wohl-
klanges halber angewendet werden. Sie war longa perfecta und
imperfecta (■ ,') oder brevis recta und altera (■ '>), und es fielen
bei der Perfektion zwei Tempora auf den Körper (corpus) und
ein Tempus etc. auf die Plica; bei der Imperfektion geschah es
in gleichen Teilen. Der Plicaton konnte einen halben oder gan-
zen Ton, eine Terz, Quint auf- oder abwäi'ts, je nach der Ton-
verbindung gehen, so dass wir darunter kaum etwas anderes
suchen dürfen , als das Portamento. Der genannte Autor
sagt: „Fit autem plica in voce per compositionem epiglotti
cum repercussione gutturis subtiliter inclusa", und „Plica est
246 Poco — Portativ.
Kignum dividens sonum in sono diverso per diversas vocum
distantiaß."
Poco (ital.) =i wenig, etwas; un poco = ein wenig, kommt
oft in Tonstücken zur nälieren Bestimmung der Vortragsbezeich-
mmgen vor, z. B. un poco Adagio — ein wenig langsam;
poco forte — etwas stark; poco a poco — nach und nach.
Polyphonie (vom griech. noXv, viel und (potvr,, die Stimme)^
die Vielstimmigkeit, im Gegensatze zur Homophonie, Gleichstim-
migkeit; davon polyphon isch, vielstimmig. Dieses Wort,
erst seit Ende des vorigen Jahrhunderts im allgemeineren Ge-
brauche (Luscinius im XVI. Jahrh. bedient sich auch schon des
Ausdruckes: ^concentus polyphonus") , bedeutet nicht überhaupt
jeden mehrstimmigen Satz, sondern nur einen solchen, in wel-
chem von den einzelnen Stimmen jede gewissermassen ihre
Selbständigkeit behauptet, wie es z. B. bei den Kontrapunkten,
Kanons, Fugen der Fall ist; Homophonie weist dann auf
solche mehrstimmige Sätze, wo eine Stimme die melodieführende
ist, die übrigen dieser nur untergeordnet als begleitende, den
Accord vervollständigende, füllende Stimmen erscheinen; besser
könnte man sie die gleichzeitige Satzweise nennen. Hieraus
erklärt sich auch der Ausdruck: polyphonisohe Satz- oder
Schreibweise.
Portamento dl voce, bezeichnet teils das Halten und Tra-
gen der Stimme in den verschiedenen möglichen Schattirungen,
teils und vorzüglich das sanfte Hinübergleiten von einem Tone
zum folgenden, den man im voraus nur ganz leise zu berühren
hat, welches dann am vollkommensten ist, wenn jeder Ton in
völliger Gleichheit der Fülle, Stärke und Rundung in den ande-
ren gleichsam überfliesst und so mit ihm aufs genaueste ver-
bunden wird. Das ist der wichtigste Punkt der Gesangslehre
und bei vollkommener Ausbildung eine der höchsten Schönheiten
der Gesaiigskunst. Doch muss es mit Verstand und nicht überall
angewendet werden. Auch der Choralgesang kennt das Porta-
mento und benützt es als ein gutes, den Gesang verschönerndes
\'ortragsmittel ; ohne dasselbe wird der Gesang steif, schleppend
und hölzern. In guten Choralbüchern ist es durch die Semi-
brevis (♦) oder durch die nota obliqua (^ •) angezeigt. In
mehrsilbigen Wörtern bei fallender Tonfolge hat es immer statt,
wenn die letzte von zwei oder mehreren auf eine Silbe kommen-
den Noten und die erste über der folgenden Silbe stehende Note
auf gleicher Tonstufe stehen, vorausgesetzt, dass diese folgende
Silbe keine ganz kurze ist, wie bei gloria, Dominus etc., z. B.:
S=5
:r«Ä=:i-t=rd»
i=pi±lzz===zii^~^-""^-»--B,zi
al - le - lu - ja. nie - am. nicht aber bei glo - ri-am.
Bei aufsteigender Tonfolge lässt es sich nicht in gleichem
Falle überall anwenden, und es erfordert der richtige Gebrauch
desselben schon einen gebildeten Geschmack des Sängers (s. Plica).
Portativ, s. Positiv.
Posaune — Praeambulum. 247
Posaune, ital. Trombone, lat. Tuba. Dies Instrument
kommt schon im hohen Altertume vor. In der katholischen
Kirche wurde die Posaune im Mittelalter bei religiösen Feier-
lichkeiten angewendet, da ihr Ton bei Begleitung des Gesanges
diesem etwas sehr Feierliches und Erhabenes verlieh. Im X V I.
und XVII. Jahr h. war sie beim Gottesdienste allgemein gebraucht,
und man fügte gerne den kontrapunktischen Werken drei bis
vier Posaunen bei, welche die vier Singstimmen begleiteten und
unterstützten; doch waren sie nicht säbständig, sondern spiel-
ten nur das, was die Sänger sangen. Die gegenwärtige Form
der Posaunen rührt aus dem XVI. Jahrh. her; als ihr Erfinder
wird Hans Meuschel in Nürnberg (f 1533) genannt. — Die Haupt-
teile der Posaune sind: 1) das Haui)tstück, zwei gleichlange
Röhren, welche oben durch ein messingenes Querstück fest aus-
einandergehalten werden, das man mit der linken Hand anfasst;
2) das Mundstück, welches in einer dieser Röhren oben steckt
und ganz dem Mundstücke einer Trompete gleicht, nur etwas
gi-össer ist; 3) der Schalltrichter, welcher auf die zweite
Röhre gesteckt ist; 4) die sogenannten Stangen, zwei Röhren,
welche unten in einem Bogen sich verbinden; m sie passen genau
jene anderen zwei Röhren, so dass sie, obwohl leicnt verschieb-
bar , mittels eines Handgriffes , doch winddicht schliessen. Durch
das Verschieben wird der Körper des Instrumentes verlängert
und verkürzt, und werden eben dadurch tiefere und höhere TCne
hervorgebracht. Um nach den verschiedenen Stimmhöhen der
menschlichen Stimme begleiten oder spielen zu können, fertigte
man Posaunen von verschiedener Dnnension an: Diskant-,
Alt-, Tenor- und Bassposaune. Die Notierung der Posaune
geschieht in den treffenden Stimmschlüsseln und regelmässiger
Vorzeichnung, da sie alle chromatischen Töne in der Oktaven-
reihe zu geben vermögen; die Diskantposaune wird jetzt gewöhn-
lich durch eine Ventiltrompete ersetzt. Häufig wird jetzt bloss
die Bassposaune angewendet, deren Umfang vom tiefen C bis
zum eingestrichenen E reicht.
Position, s. Applikatur.
Positiv heisst eme kleine Orgel ohne Pedal. Seine Register
enthalten nur kleines Pfeifenwerk, als Grundstimme ein Gedakt
von acht Fuss; der Mechanismus ist gleich dem bei grösseren
Orgeln, nur haben sie weder Abstrakten noch Wellenbrett, da
die Taste mittels eines sogenannten Stechers unmittelbar die
Cancelle öffnet. Die Positive haben gewöhnlich nur einen Balg,
der dann aber mit einem Schöpfbalg versehen ist. Sie sollten
nur sanfte und keine schreienden Register haben. Regal wird
eine solche kleine Orgel genannt, wenn sie lauter Zungenstim-
men hat, Portativ, wenn sie so gebaut ist, dasF man sie leicht
tragen und von einem Orte zu einem anderen fortschaffen kann.
Postludium, s. v. als Nachspiel.
Praeambulum (lat.) und praeambulieren, so viel als
Präludium und präludieren, franz. Pr61ude, überhaupt eine
Einleitung zu irgend einem Tonstücke, ein Vorspiel ausTühren.
Speciell bezeichnet dieser Ausdruck jene kürzeren oder längeren
Orgelsätze, mit welchen während des Gottesdienstes die kirch-
lichen Gesänge oder Musikstücke eingeleitet werden. Dass diese
248 Praecentor — Praeludium.
Vorspiele den ihnen folgenden Gesängen und Stücken angemes-
sen sein und dem ganzen Charakter der Festfeier entsprechen
müssen, ist selbstverständlich. Der katholische Organist kann
sich bei der ungleichen Dauer dieser Vorspiele gewöhnlich nicht
damit zufrieden geben , einige Vorspiele auswendig . zu lernen,
sondern er hat sich in das Studium der Harmonielehre und
einigermassen in die Hauptformen des Orgelstiles zu vertiefen,
um nach Bedürfnis frei präludieren oder die erlernten Sätze ge-
hörig anwenden, zerteilen, verbinden, umformen, transponieren
oder sonst für den jedesmaligen Zweqk gestalten zu könneiL
Übrigens ist es keine Schande für einen auch wohlgebildeten
Organisten, ausgedehntere Präludien aus einer aufgelegten Stimme
zu spielen; der gute katholische Organist wird es nicht für eine
Elu*e halten, in eigenen bizarren Phantasien sich zu ergehen
oder durch Fingerfertigkeit auf den Beifall eines unwissenden
Publikun s zu spekulieren; leichtfertige, weltlich duftende, senti-
mentale und arienhafte Weisen bleiben ihm fern, ihm ist nur
der hohe Zweck seiner Kunst, die Würde des Gotteshauses und
die Erhabenheit der gottesdienstlichen Feier massgebend. — Das
Nämliche hat vom Postludium, Nachspiel, zu gelten, welches
Nachklang der vorgeführten Gesangstücke bilden soll.
Praecentor, s. Kantor.
Praefation, eigentlich: Vorrede, Vorwort, ist der Gebets-
hymnus, welcher bei der katholischen Messfeier den Kanon und
die heiligste Handlung einleitet; er bildet für Priester und Volk
eine Voroereitung auf die sich bald vollziehenden Geheimnisse
und zugleich ein X/ob Gottes, weshalb er auch mit lauter Stimme
gesungen wird. Präfationen kennt schon das hohe Altertum,
und einige nennen den Papst Gelasius als denienigen, welcher.
Text und Melodie dazu für die römische Kirche geliefert habe.
Früher hatte jedes Fest seine eigene Präfation; das römische'
Missale enthält deren 11: für Weihnachten, Epiphanie, die Fasten-
zeit, Passionszeit, Ostern, Himmelfahrt Christi, Pfingsten, Drei-
faltigkeitsfest (zugleich für alle Sonntage), für die Marienfeste,
die Apostelfeste und die gewöhnliche (communis), und weist
ihnen eine zweifache Gesangs weise zu: eine feierliche und
feriale. Die Melodie selbst zeichnet sich durch Einfachheit und
grosse Erhabenheit aus: die feriale nähert sich sehr dem Kol-
lekten- oder Orationstone, und findet ihre Anwendung nicht bloss
bei der Messpräfation , sondern auch bei denen, welche bei ver-
schiedenen feierlichen Weihungen gesungen werden. — DasCae-
remoiiiale Episc. zählt sie nicht unter den mit der Orgel zu
begleitenden Gesängen auf.
Praeintonatio , das vorausgängige Anstimmen der Anti-
phonen und Hymnen, findet bei den Vespern, beim Kompletorium
und den anderen Hören, wenn sie feierlich mit Gesang abgehal-
ten werden, in Dom- und Kollegiatkirchen nach dem Caerem.
Episc, sowohl bei An- oder Abwesenheit des Bischofs statt; es
hat dabei ein zu diesem Amte bestimmter Priester denjenigen,
welchen es obliegt, eine Antiphon oder den Hymnus anzu-
stimmen, diese Intonation voranzusingen, worauf der Betreffende
nachsingt.
Praeludium, s. Praeambulum.
Presto — Probe. 249
Presto, s. Tempo.
Prim (prima chorda, die erste Saite) bedeutet a) die erste
Stufe einer Tonleiter = Tonica; b) überhaupt einen mit einem
vorhergehenden gleichklingenden Tone = .Einklang, Unison,
dessen Stelle in der Harmonie (nicht aber in der Melodie) oft
auch die Oktav vertritt. Insofern kann man von einer reinen
Prim reden; die übermässige Prim ist nichts anderes als der
chromatisch erhöhte Ton im Verhältnisse zu seinem Stammtone,
z. B. eis — C, und kann in der Melodie zur Ausschmückung an-
gebracht werden; selten aber hat sie in der Harmonie als über-
mässige Oktav und dann nur im Durchgange Platz.
Primicerins, s. Kantor.
Primo (ital.), der erste, prima, die erste, z. B. Violino
primo, die erste Violine; Cor no primo (abgekürzt: I'li'), das
erste Hörn; „a prima vista spielen", vom ersten Anblicke, d. h.
vom Blatte weg, ohne vorher ein Stück gesehen oder durchge-
gangen zu haben, spielen.
Principal ist diejenige unter den Orgelstimmen, welche
die grösste Tonstärke, Kraft und Fülle bei weiter Mensur und
vielem Windzuflusse hat. Die grösste Manual-Principal-
stimme steht gewöhnlich von besserem und stärkerem Metall
gearbeitet und glänzend poliert in der Fronte (Prospekt) der
Orgel, wo sie zugleich eme Zierde abgeben soll. Die auf der
grösseren Güte des Metalls beruhende rräcision des Tones gibt
mr das Vorrecht, als Norm bei der Stimmung des übrigen Pfei-
fenwerkes zu dienen. Da sie Hauptstimme ist (daher ihr Name),
wird ihre Tongrösse nach einer eigenen Mensur gemessen, wo-
nach sich die Mensur der übrigen Stimmen richtet. Nach ihr
wird auch die Grösse der Orgel benannt; hat das Principal
16 Fusston, so heisst die Orgel ein 16füssiges Werk, hat es
8 Fusston, ein Sfüssiges Werk. Grösser als 16 Fuss wird das
Principal nicht wohl für das Manual disponiert; ins Pedal jedoch
kann ein 32füssiges Principal kommen, welches Principalbass
heisst. Kleine rrincipalstimmen richten sich nach der Haupt-
stimme dieses Namens und werden Principaloktaven ge-
heissen. Geigenprincipal ist enger mensuriert.
Probe, franz. K6petition, ital. Repetizione, in der
Musik die der wirklichen öffentlichen Aufführung vorhergehende
Privataufführung . eines Tonstückes , die vornehmlich dazu not-
wendig ist, dass jeder der Mitwirkenden seine einzelne Partie
sowohl als das ganze Tonstück, deren Charakter und besondere
Eigentümlichkeiten genau kennen lernt und dadurch in den Stand
fesetzt wird, desto gewisser und richtiger seinen Vortrag der
Ausführung des Ganzen anzupassen; dann ferner auch, um mög-
liche Fehler in den. Notenstimmen u. dgl. zu berichtigen, und
dadurch das Tonstück bei der eigentlichen Aufführung als ein in
sich vollendetes Werk darzustellen. Der letzten, auch Haupt-
oder Generalprobe genannt , gehen bei vielstimmigen oder
längeren Tonstücken mehrere Einzeln- und Partieproben
vorner. Dass eine gute Einübung und gewissenhafte Probe auch
für die Kirchenmusik am Platze ist, ergibt sich schon aus dem
erhabenen Zwecke derselben: durch sie sollen die höchste Majestät
Gottes verherrlichet und die Gläubigen erbaut werden.
250 Progression — Proprietas.
Progression (lat.), Fortschreitung, in der Musik die stufen-
weise fortgehende Versetzung eines kurzen melodischen Satzes
in einer und derselben Stimme; sie unterscheidet sich von der
Nachahmung, Imitation, dadurch, dass letztere zwischen ver-
schiedenen Stimmen stattfindet, die Progression nur in der-
selben Stimme die Nachahmung des Satzes unmittelbar nach-
einander bringt. Die Progression kann auch harmonisch sein
(vgl. Sequenz).
Prolatio bedeutete bei den Mensuralisten die Mensur der
Semibrevis, welche entweder drei minimae (prolatio major) oder
zwei solche (prolatio minor) enthalten konnte. Ersteres wurde
durch einen Punkt im Tempuszeichen 0 (T^ letzteres durch
das Fehlen des Punktes angezeigt. Auch wurde die relative
Wertbestimmung der Noten so genannt.
Prophetien werden in der katholischen Liturgie jene Lese-
stücke aus der heiligen Schrift genannt, welche am Karsamstage
und Pfingstsamstage vor der Taufwasserweihe gesungen werden,
und teils die Verheissungen Gottes von der Erlösimg, teils Vor-
bilder der Auferstehung des Erlösers und des erlösten Menschen,
sowie der Sendung des heiligen Geistes und der Wirksamkeit
dieses Geistes in der Kirche enthalten. Sie werden im Lektions-
tone, ohne einen Fall am Ende gesungen ; zwischen ,je dreien ist
ein Traktus eingeschaltet, jeder folgt auch eine Oration.
Proportion — Verhältnis. Aus der Vergleichung der ein-
zelnen Töne miteinander nach der Zahl ihrer Schwingungen
ergeben sich gewisse Zahlenverhältnisse, welche von den Alten
proüortio oder ratio genannt wurden. War ein Teil oder ein
Glied der Proportion in dem anderen 2, 3 . . . mal ohne Rest
enthalten, so hiess die proportio dupla, tripla . . . z. B. 1:2
(Oktav oder Diapason); blieb noch ein Rest, so war sie proportio
oder ratio superparticularis, üb erteiliges Verhältnis; sol-
ches findet z. B. statt bei der Quint 2:3, proportio sesquialtera
oder hemiolus; bei der Quart 3:4, proportio sesquitertia,
epitritus; bei der kleinen Terz 5 : 6, sesquiquinta ; beim ganzen
Ton 8 : 9, sesquioctava oder epogdous geheissen. Enthielt das.
grössere (xlied das kleinere in sich und noch zwei Teile darüber,
wie 3:5, so nannte man es superbipartiens u. s. w. — Bei
den Mensuralisten bezeichnete Proportio die Tempobestimmungen
mittels der Brüche ? , f . f , ^ und umgekehrt ^ , ^ , .^ , f u. s. w.
Proportio dupla ?, was besagen will, dass die Notenwerte um
die Hälfte geringer , also das Tempo um die Hälfte beschleunigt
genornmen werde; Proportio subdupla ^ dagegen zeigte das Ge-
genteil, die Verlangsamung au und hob aas vomergehende
schnellere Tempo wieder auf. Ahnlich verliielt es sich mit der
Proportio tripla ^ und subtripla ^ u. s. w. Auch für die Bezeich-
nung des Verhältnisses des Noten wertes mehrerer Stimmen
gegeneinander wendete man solche Bezeichnungen an.
Proprietas (Eigentümlichkeit). 1) Mit diesem Worte be-
zeichnet man die Eigenschaft eines Gesanges (cantus planus), in-
wiefern er sich in einem der drei Hexachorde (durale, naturale,
moUe) bewegte, und die Hexachorde selbst (s. v. w. Deductio).
2) Die Mensuraltheorie bediente sich dieses Wortes, um die
T'^
Prosa — Prozessionen. 251
Eigenschaft der ersten Note einer Ligatur (brevis oder longa)
anzuzeigen. Das geschah durch das Setzen oder Fehlen eine»
Striches an dieser Note, weshalb auch einige Mensurallehrer die-
sen Strich (cauda) selbst proprietas nennen. War ein solcher
abwärts gehender Strich an aer ersten Note einer Ligatur an-
gebracht (cum proprietate), so galt sie als brevis; fehlte der
Strich (sine proprietate), so galt sie als longa; doch dies nur»
wenn die zweite Note der Ligatur tiefer stand als die erste; bei
aufwärts gehenden Noten war das Umgekehrte der Fall. Ein
nach oben gerichteter Strich machte die ersten zwei Noten zu
Semibreven (opposita proprietas).
Prosa, s. Sequenzen.
Prosodie bedeutet das Zeitverhältnis der Silben und
den Inbegriff der Regeln über die Quantität, d. h. die Länge und
Kürze der Süben. In diesem letzteren Sinne wird sie auch
Prosodik genannt, die daher von der Metrik oder Verslehre
wohl zu unterscheiden ist.
Prozessionen (von procedere, vorangehen) sind jene
religiösen Auf- und Umzüge, welche zur Verherrlichung Gottes^
und seiner Heiligen und zur Erflehung seiner Huld und Gnade
veranstaltet werden. Es ist der innere Drang des gesunden re-
ligiösen Lebens, welches, selbst die Hallen des Tempels zu enge
findend, draussen im Gottestempel, angesichts der ganzen Welt
lautes Zeugnis geben und sich offenbaren will. Bei allen Völ-
kern der alten Zeit schon waren solche religiöse Umzüge im Ge-^
brauche, und dass sie im Christentume, in emer Religion, welche
nicht bloss im Inneren der Seele wohnen will, sondern den Men-
schen zur That anregt, eine weite Anwendung fanden, vielmehr
sich von selbst ergaben, ist leicht begreiflich. , Als die katholische
Kirche nach den Verfolgungen sich freier bewegen konnte, wur-
den die Prozessionen häufiger und zugleich kirchlich geoixinet»
Wollte man die Leiber heuiger Märtyrer von einem Orte zum
anderen bringen, so geschah es in Prozession, wobei der Klerus
und das Volk Hvmnen und Psalmen sangen und Gebete spra-
chen; hatte der Bischof den Gottesdienst, so begleitete man ihn
in Prozession zur Kirche; bei öffentlichen Drangsalen ging man
in Prozession zu den Gräbern der Heiligen, um durch deren
Fürbitte Erlösung zu erlangen; dabei sang man Litaneien. Das.
römische Rituale teilt sie in ordentliche und ausserordent-
liche. Erstere sind gesetzlich vorgeschrieben und finden statt
am Feste Maria Lichtmess, am Palmsonntage, am Karsamstage
und Pfingstsamstage, am Markustage, an den drei Tagen der
Bittwoche (am Feste Christi Himmelfahrt) und am Feste des-
heiligen Fronleichnams unseres Herrn. Für alle diese Prozes-
sionen sind die Gesänge bestimmt bezeichnet, womit der Chor
sie zu begleiten hat. (S. diese Feste und Litaneien.)
Die ausserordentlichen Prozessionen werden durch gewisse
wichtige Umstände veranlasst oder werden von Bruderschaften
oder überhaupt durch besondere Anordnung des Bischofes ab-
gehalten.
Alle Prozessionen begleitet der Sängerchor in Chorklei-
dung, und bedient sich des vorgeschriebenen Chorals; ausser
diesem kann er auch entsprechende mehrstimmige Gesänge
252 Psallete - Psalm.
vortragen, zulässig erscheint auch noch die Begleitung dieser
Oesänge, resp. Unterstützung der Sänger -mit Hörn und Posau-
nen, andere Instrumente haben mit dem Chore nichts zu schaffen:
Märsche und Harmoniemusiken stören nur die Andacht und
haben nicht im geringsten etwas Kirchliches an sich. „Mili-
tärische Aufzüge mit Pauken und Trompeten eignen
sich nicht für das Haus Gottes ; auch bei Prozessionen ausser
der Kirche ist es besser, wenn lautes Gebet und Gesänge, be-
sonders Hymnen und Litaneien, an deren Stelle treten. Nicht
der Lärm .der Instrumente , sondern die Andacht und Ehrfurcht
der Betenden erhöht wahrhaft jede Feier." (Oberhirtliche Ver-
ordnung des Bischofes Valentin von Regensburg, d. d. 16. April
1857.)
Psallete, s. Sing schulen.
Psalm, lat. Psalmus, ital. Salmo, franz. P säume, be-
deutet überhaupt einen Lobgesang mit Instrumentalbegleitung.
Specieir verstehen wir unter Psalmen jene 150 Lobgesänge des
Alten Testamentes, welche im „Buche der Psalmen" enthalten
teils die Könige David und Salomo, teils andere gottgeweihte
Männer zu Urhebern haben. Unter göttlicher Inspiration ver-
fasst, enthalten einige Weissagungen vom kommenden Erlöser,
sämtliche sind aber Muster religiöser Poesie von unvergänglicher
Schönheit; alles, was ein menschliches Herz erregt und bewegt,
rührt und erhebt, entzückt und begeistert, hat in den Psalmen
seinen Ausdruck gefunden; alle Stimmungen der Seele tönen
darin aus, mit allen ihren Schattierungen vom tiefsten Schmerze
bis zur entzückenden Freude, von der wehmütigsten Klage bis
zum lautesten Jubel, von banger Furcht bis zur seligsten Hoff-
nung und zum ruhigsten Gottvertrauen, von den schmerzlichsten
Empfindungen der Gottverlassenheit bis zu den höchsten Ahnun-
gen und dem lieblichsten Vorgeschmäcke des Himmels, von der
wehmütigsten Klage bis zum neitersten Dankgefühle.
Die Juden sangen sie bei ihren gottesaienstlichen Hand-
lungen, und die katholische Kirche nahm sie aus dem Judentunie
herüber in Erkenntnis ihres hohen Wertes; schon der Apostel
mahnte, fleissig die Psalmen zu singen. Bei der Ausbreitung des
Christentums hediente man sich im Orient der griechischen
Übersetzung der Septuaginta, im Occident aber der unter dem
Namen „Itala" oder „Vulgata" bekannten lateinischen Recension,
deren Verfertiger man nicht kennt. Der heil. Hieronymus nahm
zwar aus Auftrag des Papstes Damasus eine Überarbeitung vor,
doch blieb man schliesslich bei der alten Itala. Der heil. Bene-
dikt ist wohl der erste, von welchem bekannt ist, dass er eine
Einteilung der Psalmen zum kanonischen Gebrauche feststellte ;
in seiner Kegel verteilt er die 150 Psalmen auf die ganze Woche,
so dass täglich ein Teil derselben zur Gebetsanwendung kommt,
die längeren Psalmen teilte er in zwei Hälften ab; die römische
Kirche nahm vielleicht diese Einteilung der Hauptsache nach
auch an. Im Laufe dei* Zeiten ergaben sich manche Modifika-
tionen, teils durch die Einführung aer Heiligenfeste ins Officium,
teils durch die verschiedenen Ortsgewohnheiten, bis nach dem
XIII. Jahrh. der Gebrauch des Officiums, wie es der römische
Klerus persolvierte, sich beim ganzen lateinischen Klerus Geltung
Psalm. 25»
verschaffte (s. Brevier) und endlich infolge des Konziliums von
Trient die jetzige Einteilung der Psalmen als kirchliches Gebet
autoritativ festgestellt wurde.
Nach den apostolischen Konstitutionen stimmte ein Lektor
nach der Lesung der heilten Bücher die Psalmen an und das
Volk stimmte em. Wie diese Weise beschaffen war^ darüber
sind die Liturgen und Schriftsteller nicht einig; die emen neh-
men an , das V olk habe nachgesungen , was der Lektor vorge-
sungen, und das sei wahrhaft Antiphonalgesang: die anderen
sagen, es habe der Lektor bloss angestimmt und das Volk habe
dann den Psalmengesang fortgesetzt, oder man habe sich in
Chöre geteilt, von denen jeder einen Vers sang. Doch ist nichts
Sicheres hierüber bekannt. Erst im V. und VL Jahrb. traten die
bestimmten Zeugnisse für den Wechselgesang hervor, wie er
noch heutzutage beim kanonischen Psahnengesange stattfindet.
In einigen Kirchen und Orden wurden und werden einzelne Psal-
men nicht im Wechselgesange , sondern vom ganzen Chore ver-
einigt gebetet oder gesungen, welche Weise als cantus directa-
neus von Thomassin bezeichnet wird.
In den ältesten Zeiten waren einige Kleriker für den Ge-
sang oder die Lesung der Psalmen (resp. für das Anstimmen
oder Vorsingen derselben) bestellt, welche Psalmisten hiessien
und zu ihrem Amte durch eine eigene Weihe oder Segnung^
befördert wurden.
In der katholischen Liturgie finden die Psalmen die aus-
gebreitetste Anwendung. Nicht bloss im Officium bedient man
sich ihrer, auch in der Messliturgie finden sie ihre Stelle, wenn
auch im Introitus, Graduale, Ofertorium, Communio nur mehr
in einzelnen Versen vorkommend; ebenso bei anderen heiligen
Handlungen, z. B. bei Leichenfeier, grösseren Weihungen u. ügL
Die Art und Weise, wie die Psalmen nach bestimmten
Melodien gesungen werden, heisst Psalmodie. Entsprechend
den acht Kirchentönen wurden auch dem Psalmengesange acht
wesentlich verschiedene Melodien zugeteilt, welche man Psalm-
töne, modi Psalmorum, nennt. Im X. Jahrb. gab es für
jeden Ton mehrere Finalklauseln oder DifferiBnzen, von wel-
chen man die wesentlichsten bis heute beibehielt. Eigentümlich
ist es, dass man für den Psalm „In exitu Israel" zur Antiphon:
„Nos qui vivimus* eine besondere Klausel statuierte (den soge-
nannten Tonus peregrinus), welche im Tonale S. Bernardi
dem I. , von anderen dem VIII. Tone zugeteilt wird. Für den
Psalmen vers nach der Antiphon des Introitus und das Gloria
patri danach und in den Responsorien haben sich ebenfalls acht
verschiedene Formeln gebildet, welche jedoch reicher und feier-
licher als die gewöhnlichen Psalmtöne dahin schreiten. Da sich
dieses alles in aen Choral- und Chorallehrbüchern findet, können
wir darüber hinweggehen. Jedem Psalme geht eine Antiphon
vorher, welche in einem bestimmten Tone moduliert und nach
diesem richtet sich der Gesang des Psalmes. Bei iedem Psalm-
tone hat man aber Mehreres zu beobachten; den Anfang oder
die Inchoatio, Initium; die Mitte oder mediatio, und den
Ausgang oder die Terminatio, Finalis oder Differentia
genannt. Die Intonation des Psalmes nach dem Introitus ist
254 Psalm.
bei jedem modus nur eine, ebenso auch die Gesangsweise fiir
die Cantica, welche nur psalmenmässig gesungen werden. Die
Intonation der gewöhnlichen Psalmen jedoch wechselt, je nach-
dem eine grössere oder geringere Feier stattfindet — solemn
oder feriaL Bei der solemnen Intonation wird nur der erste
Vers mit der kleinen melodischen Phrase am Anfange (initium,
inchoatio) gesungen, bei allen folgenden Versen ßlllt das Initium
weg; bei der ferialen wird es auch beim ersten Verse fortgelassen.
Die Mittelkadenz, mediatio, medium, bleibt sich durch
alle Verse gleich, nur einige Psalmtöne bilden sie in ferialer
Weise etwas einfacher. Jedoch tritt beim II., IV., V. (VI.) und
VIII. Tone eine Veränderung — intonatio in pausa cor-
xepta — ein, indem der letzte abfallende Ton der Mediatio
weggelassen wird, im Falle der Vers in seiner ersten Hälfte, vor
-dem Sternchen (* asteriscus) mit einem einsilbigen, unbeugbaren
•oder hebräischen Worte, z. B. tu, sum, Sion, Israel u. a. schliesst.
Die Schlusskadenz, finalis, terminatio ist aber bei meh-
reren Psalmtönen mehrfach gestaltet; für diesen Wechsel ist die
Anfangsnote der Antiphon massgebend. Welche von mehreren
Finalen zu nehmen sei, ist stets nach der Antiphon angegeben,
■oft stehen unter dieser Finalmelodie die Buchstaben EVOVAE,
welche nichts anderes als die aus „seculorum. Amen." genom-
menen Vokale sind, da jeder Psalm regelmässig (mit Ausnahme
des Offic. hebdomadis sctae. und Ofnc. defujict.) mit y, Gloria
Patri etc." schliesst.
Was die Anwendung der solemnen oder ferialen Psalmodie
(toni Psalmorum festivi und ferialis) betrifft, so findet erstere
stets statt 1) an allen Festen, die dupl. L, II. class. und majus
sind, und zwar beim ganzen Officium; 2) in den festis dupl.,
in Dominicis und festis semiduplicibus nur bei Matutin, Lan-
des und Vesper. Der Tonus ferialis wird gebraucht 1) in
fest, duplicibus minoribus, Dominicis et festis semidupl. beiPrim,
Terz, Sext, Non und Komplet; 2) in festis simplicibus und in
feriis beim ganzen Officium, sowie stets im Officium Defuncto-
rum. Wie schon bei den betreffenden Artikeln erwähnt, werden
die zwei Cantica „Magnificat" und „Benedictus" bei jedem Ge-
brauche, in allen Versen, feierlich intoniert und zu Ende
gesungen. *
In Bezug auf den Vortrag ist zu bemerken: Die Cantioa
werden langsamer und höher gesungen als die gewöhnlichen
Psalmen; doch auch die Intonation der letzteren soll bei fest-
lichen und freudigen Gelegenheiten in einer höheren Tonlage
geschehen, als an Tagen der Trauer. Die Mediatio und die Ter-
minatio ist etwas zu dehnen und darf nie, besonders nicht in
der letzten und vorletzten Note, rasch abfallen und abgebrochen
werden. In der Mitte jedes Psalmverses, bei dem Sternchen, ist
eine kleine Pause zu machen; es haben alle Sänger zu gleicher
Zeit zu enden und gleichmässig wieder die zweite Hälfte zu be-
ginnen. Daneben ist richtige Pronunciation und richtige Accen-
tuation — deutliche, klare Aussprache der Silben durcliaus not-
wendig; eilfertiges Herausschreien oder Verschlingen von ganzen
Silben thut sowohl dem Zwecke des Gesanges als der Würde
des Gottesdienstes oder der liturgischen Handlung grossen
— ^
Psalmodie — Qualität. 255
Abbruch. Alle Schnörkel, Zusätze, und in der Melodie nicht
vorgeschriebene Betonungen müssen sorgfältigst vermieden
werden. Der Psalmensänger soll seinen Gesang aß einen Gebets-
akt erkennen und auch in den Sinn der Psalmen einzudringen
suchen. Dass die ehrfurchtsvollste Stellung dfen Sänger aus-
jzeichnen müsse , und dass sein ganzes Benehmen kundgeben
solle, dass er ein heiliges Geschalt vollziehe, bedarf kaum der
Erwähnung.
Psalmodie, s. Psalm.
Psalter, Psalterium, bezeichnet 1) ein Saiteninstrument der
alten Juden, zu dessen Spiel die Psalmen gesungen wurden;
2) die Sammlung der Psalmen überhaupt und insbesondere die
des Breviers.
Pult, das Gestelle, auf welches bei Ausführung eines Ton-
stückes die Noten gelegt werden.
Punkt, a) Punctus heisst bei den Alten auch so viel wie
Note, figura (im Singular gebrauchten sie dies Wort regelmässig
als Masculinum, im Plural als Neutrum); daJier Contrapunctus.
Manchmal bedeutet es auch einen Kornplex von Noten, Abschnitt,
Phrase, b) Als Verlängerungs- oder V ergrösserungszeichen der
Noten kommt der Punkt schon in der Mensuralmusik vor und
war für sie von hoher Bedeutung. Das XVI. Jahrb. kannte vier
Gattungen: a) punctum additionis, welcher die Note, zu deren
Seite er steht, um die Hälfte ihres Wertes verlängert; b) pun-
ctimi divisionis, welcher die Modi voneinander scnied (anfangs
ein Strichlein, oft auch mit einem kleinen Kreise ersetzt); c) pun-
ctum alterationis, welcher anzeigte, dass die Note, über der
er stand, doppelt lang gesungen werden solle; d) punctum per-
fectionis,. welcher der Note, hinter welcher er gesetzt war, die
Perfektion oder Dreiteiligkeit sicherte. Von all diesen Gattun-
gen verblieb für die neuere Musik bloss das punctum addi-
tionis, d. h. der Punkt verlängert die Note, nach welcher er
steht, um die Hälfte ihres Wertes. Es kommen in unserer
heutigen. Musik auch zwei Punkte nebeneinander vor, dann gilt
der zweite wiederum die Hälfte des ersten. — Der Punkt kommt
ferner noch als Vortragszeichen über den Noten vor, wo-
durch angedeutet wird, dass die so bezeichneten Noten leicht
abgestossen werden sollen (staccato); scharfe« Abstossen
wird durch kleine senkrechte Striche über den Noten bezeichnet.
Punktiert, s. "staccato.
Q.
Quadragesimae, s. v. w. Fastenzeit.
Qnadruplum hiess bei den Mensuralisten ein vierstimmiger
Gesang oder auch eine vierte Stimme.
Qnitlität. Einige mittelalterliche Tonlehrer gebrauchen
dieses Wort in Beziehung auf den modus (Tonart) einer Melodie.
256 Quart — Quinte.
Unter Quantität aber verstehen sie entweder die Intervallen-
weite oder den Ambitus einer Melodie.
Qnart (Diatesseron) ist ein Intervall von vier Tönen oder
der vierte Ton von einem angenommenen Grundtone, wird von
einigen zu den Vollkommenen, von anderen zu den unvollkom-
menen Konsonanzen gezählt und hat das Verhältnis von 4 : 3.
Sie kommt in dreifacher Art vor: rein, übermässig und ver-
mindert. D^s Intervall der reinen Quart besteht aus zwei
ganzen Tönen und einem grossen halben Tone, wie c-f ; die über-
mässige aus drei ganzen Tönen, wie f-h, daner der Name Tri-
tonus; die verminderte aus zwei grossen halben und einem
ganzen Tone, wie fis-b, h-es. Beim Gebrauche für die Kompo-
sition war und ist sie mancherlei Beschränkungen unterworfen.
Im Choral ist der Tritonus ein besonders verpöntes Intervall; im
zweistimmigen Satze sind Quartenparallelen unzulässig, wie auch
im doppelten Kontrapunkte, da ihre Umkehrung Qumtenparalle-
len erzeugen würde ; gebraucht wurden sie in den (dreistimmigen
Fauxbourdons , wo noch ein Terzintervall darunter lag (Fort-
schreitung in Terzsext-Accorden) u. dgl. Als Dissonanz stellt sie
sich dar, wenn ihr tieferer Ton im Bass liegt, als Konsonanz
aber, wenn sie von Mittelstimmen oder einer Mittel- und Ober-
stimme gebildet w^ird. — Quarta toni bedeutet stets die reine
Quart einer Tonart, wie in C-dur den Ton f. Diese vierte Stufe
emer Tonart heisst wegen ihres Unterquinten-Verhältnisses zur
Tonica auch Unterdominante.
Quarta toni, s. Quart.
Qnartett, Quatuor, Quadro, Quartette, heisst dem
Sprachgebrauche nach jedes auf vier Stimmen, ebensowohl für
den Gesang als für Instrumente, gesetzte Tonstück. Man ver-
steht darunter auch speciell die vereinigten Partien von vier
Singstimmen oder Streichinstrumenten — Gesang- oder Streich-
( Bogen-)Quartett,
Quartsextaccord, s. Acoord.
Qnerstand, lat. relatio non harmonica, franz. fausse
relation, ist jede Fortschreitung zweier Stimmen, deren Töne
zweierlei Tonarten angehören, oder wenn unmittelbar aufeinander
in zwei verschiedenen Stimmen derselbe Ton chromatisch ver-
ändert erscheint, z. B.
e eis g b
c e; es ges.
Ältere Tonlehrer rechnen auch zu den Querständen noch
das Verhältnis der übermässigen Quart und der vermin-
derten Quint, z. B.
ah g a
f g; h .f.
Es fehlt nämlich hier zum Übergange in den zweiten Ac-
(^ord der Leitton, welchen das Qhr bei Übergängen in eine neue
Tonart zu hören verlangt. Daher das Verbot: es dürfen nicht
zwei grosse Terzen oder kleine Sexten nacheinander folgen»
Doch kann es Bedingungen geben, unter denen sie vorkommen
dürfen.
Quinte (Diapente) ist ein Intervall von fünf Tönen, daa
drei Gattungen unter sich begreift: die reine, verminderte
Quintenluge — Quintus. 257
und übermässige (Quinte. Die reine Quinte ist in mehrfacher
Beziehung sehr wichtig und besteht aus drei ganzen Tönen und
einem grossen halben Tone. Die mathematiscne Klangrechnung
findet sie unmittelbar nach der Oktav als das auf den emfachsten
Verhältnissen beruhende Intervall (3 : 2) und auch bei den Ali-
quottönen kommt sie nach der Oktav zuerst zum Vorscheine.
In der Harmonie ist sie ein sehr wesentlicher Ton des harmoni-
schen Dreiklanges und in der Tonart nimmt sie die hervor-
ragendste Stelle als Dominant ein, wie der auf sie gebaute
Dominant dreiklang.
Als vollkommene Konkordanz nach der Oktav ward sie
zu Hucbälds Zeiten zum ersten Aufbaue der Harmonie im Or-
ganiun verwendet, bis man die Folge mehrerer reiner Quinten
als ohrverletzend erkannte und im ÄlH. Jahrh. die Regel auf-
stellte, dass zwei vollkommene Konsonanzen nicht unmittelbar
sich folgen dürfen. Dies Verbot der sogenannten Quinten-
parallelen behielt seine Gültigkeit immer, obwohl man sich in
der neueren Musik einige Lizenzen gestattet. Erlaubt sind nun
auch Fortschreitungen in Quinten, wenn auf eine reine Quint
eine verminderte folgt ; ebenso eingeschränkte Anwendung haben
auch die sogenannten verdeckten Quinten (und Oktaven), das
sind solche, welche bei dem Fortscnreiten zweier Stimmen zu
einer reinen Quint (oder Oktav) in gerader Bewegung entstehen,
oder erst zum Vorscheine kommen, wenn der Kaum zwischen
den beiden Intervallen durch noch andere Töne ausgefüllt wird,
wie z. B.
Den Namen Quint gibt man auch der E-Saite auf den
Violinen, welche die Franzosen Chanterelle nennen; die alte
Viola, aus deren Umwandlung die Violine hervorgegangen ist,
hatte nämlich fünf Saiten, c, g, d, a, e; für diese kam später die
C-Saite in Wegfall; gleichwohl benannte man noch die E-Saite
als fünfte Saite (quinta chorda).
Bei den Orgeln kommt auch ein Quintregister vor, wel-
ches für jede Taste die. Quint angibt.
Qnintenfage, s. Fuge.
Quintenparallelen, s. Parallelen.
Quintenzirkel ist der Rundgang durch die 12 Quinten des
temperierten Tonsystems (c— g — d— a ), wobei die letzte
Quint E jj — H ^ genau mit der ersten F—G zusammenfällt.
Quintsextaccord , die erste Umkehrung des Septimen-
accordes, s. Accord.
Quintns oder quinta vox, die fünfte Stimme in den fünf-
stimmigen Tonsätzen des XVI. und XVII. Jahrb., welche bald
eine Sopran-, bald eine Alt- oder Tenor- oder Bassstimme war.
Das Stimmbuch, worin dieser Quintus geschrieben war, musste
Kornmüller, Lexikon. * 17
258 R — Reduktion.
deshalb bei Aufführung mehrerer Tonsätze, deren Quintus ver-
schiedenen Stimmen zugeteilt war, von einer Stimme zur anderen
wandern, weshalb der Quintus auch Vagans (der Schweifende)
genannt wurde.
R.
Jjfe., Abkürzung für Responsorium; R. G. = Responsorium
Graduale.
Rallentando (rallent. oder rall.), langsamer werdend.
Rastral, auch Rast rum (vom lat. rastrum, Harke, Rechen),
das bekannte aus Messingblech zu fünf kleinen Federn oder
Spitzen zusammengebogene Instrument, mit dem man die Linien-
systeme zur Notenschi'ift aufs Papier zieht. Man hat auch acht
und mehr solche Rastrale zusammengereiht, um mit einem Zuge
einen ganzen Bogen mit Linien zu üoerziehen; solche Maschinen
heissen Liniiermaschinen.
Rätselkanon, s. Kanon.
Ratsche, eine Art Instrument, um Lärm zu machen; es
besteht aus einem etwas engen und dicken Brette, auf welchem
mehrere hölzerne Strebefedern mit Klötzchen angebracht sind,
unter welchen vorne ein Kerbrad rasch umgedreht wird, dass
die Federn gehoben werden und fallend die IClötzchen auf das
Brett aufschlagen und ein klapperndes Getöse verursachen. In
den katholischen Gegenden werden die Ratschen angewendet
vom Gründonnerstage bis zum Gloria am Karsamstage, um die
Gläubigen zum Gottesdienste zu rufen, da in dieser Zeit die
Glocken schweigen. Auch am Schlüsse der Trauermette für die
drei letzten Tage der Karwoche ertönt die Ratsche, um an das
Erdbeben und an die Schrecken beim Tode Jesu zu erinnern.
Re, Solmisationsname für den zweiten Ton eines Hexa-
chordes; bei den Franzosen, Italienern u. s. w. bezeichnet er
den Ton d.
Rebec, s. Geige.
Recitativ, ital. Recitativo, franz. R6citatif (vom lat.
recitare, hersagen) ist ein zwischen der Rede und dem vollkommen
entwickelten (jesange die Mitte haltender musikalischer Vortrag,
ein Tonsatz, in wachem dieser Vortrag vorherrschend ist. Da
das Recitativ der eigentlichen Kirchenmusik fremd ist, als dem
Dramatischen angehörig und nur in einer einzigen Gattung reli-
giöser Musik seine gute Stelle findet, nämlich im Oratorium, so
übergehen wir eine weitere Darlegung desselben.
Recitieren, — mit diesem Ausdrucke bezeichnet man das
unisone Abbeten der Psalmen u. dgl. im ku'chlichen Officium
und bei anderen religiösen Gelegenheiten im Gegensatze zum
Absingen dieser Stücke.
Redaktion. — Dieser Ausdruck konimt in der musikalischen
Kanonik vor und bezeichnet die Zurückführung eines grösseren
Zahlenverhältnisses der Intervalle auf die einfache Zahl. — Re-
ductio modi war bei den Alten die Umsetzung eines in einer
Regal — Register. 259
versetzten Tonart komponierten Stückes in die ursprüngliche
Tonart, um zu erkennen, ob es den Regeln der Haupttonart
gemäss komponiert sei.
Regal, eine kleine, tragbare Orgel mit sehr wenigen Re-
gistern, ehedem ein Hausinstrument.
Regens-chori, s. v. w. Chordirektor, Chorregent.
Regina coeli, s. Marianische Antiphonen.
Register bedeutet als musikalischer Kunstausdruck 1. in
der Orgelbaukunst die an den Seiten der Tastatur angebrachten
Schieber, welche dazu dienen, die Windlöcher der Orgelstim-
men zu öffnen und zu schHessen; 2. auch die Orgelstimmen
selbst, oder die zusammengehörigen Pfeifen gleicher Gattung,
durch welche eine bestimmte Klangart hervorgebracht wird.
Die Orgelregister scheiden sich ab I. m Labialstimmen; diese
sind 1) Grundstimmen, wobei die Pfeife nur einen und zwar
den der Taste entsprechenden Ton angibt. Dazu gehören a) die
Prinzipalregister, Stimmen, welche cylindrisch oder prisma-
tisch geformt weite Mensur und viel Luftzufluss haben: Prin-
zipal im Manual von 16*, 8S 4', im Pedal 32^ 16', 8' und die dazu
fehörige Oktav von 8*, 4\ 2'. b) die Gamben stimmen, welche
ei gleicher Form enge Mensur und viel Luftzufluss haben und
einen scharfen , mageren , streichenden Ton geben : das Geigen-
prinzipal, Viola di Gamba (gewöhnlich 8*; im Pedal von 16* heisst
sie Violonbass, von 8* Violoncello), Schweizerflöte, Fugara, Har-
monika, Flageolet. c) Die Flöten stimmen, welche bei gleicher
Form geringen Luftzufluss haben und einen sanften Fßtenton
geben: Flaute traverso. Flaute dolce (8' imd 4*), Hohlflöte (8*
und 4*); d) Stimmen, welche konisch oder pyramidal geformt
sind: Spitzflöte, Viola, Gemshorn, Salicional; e) gedeckte Stim-
men mit hohem Aufschnitt (Gedackt), welche einen festen Grund-
tön abgeben und dem Orgelwerke Fülle verleihen: Starkgedackt
(80, Lieblichgedackt (8*)? Kleingedackt (4'), Untersatz, eine weit
mensurierte Fedalstimme in 32*, Subbass (16*), Bourdon (16*);
ßGedackte Stimmen, welche mit dem. Grundtone zugleich die
uodezime hören lassen, als: Quintatön (16* und 8*), Isachthorn
(4*); g) die Rohrflöten (16*, 8* und 4*), eine sehr gute Füll-
stimme. 2) Labialstimmen sind auch die Nebenstimmen,
welche stets weite Mensur, massigen Windzufluss und schwache
Intonation haben; sie dienen zur Erzeugung von Stärke und
Fülle und erhöhen die Kraft des Grundtones, geben aber einen
anderen Ton an, als der Name der Taste bedeutet, so: Quint,
Nasard, Quintbass u. a. 3) Die gemischten Stimmen
(Mixturen) sind ebenfalls Labialstimmen und haben sehr weite
Mensm** sie haben für jede Taste mehrere Pfeifen, deren Zahl
durch den Beisatz „fach** oder „chörig** angezeigt wird. Als Ver-
einigung mehrerer Nebenstimmen sollen sie zur Fülle, Deuthch-
keit und Stärke des Orgeltones beitragen. Sie haben verschie-
dene Namen: Cornett, Sesqui altera, Rauschquinte, Tertian-jCymbell,
Scharffy Mixtur (gewöhnlich aus Quinten und Oktaven bestehend).
Eine H. Gattung der Orgelstimmen bilden die Zungenstimmen,
welche stets (xrundstimmen sind und nur in Bezug auf Klang -
stärke und Klangfarbe unterschieden wercjen: Posaune (32* und m)^
Trompete, Oboe, Fagotte, Klarinetto, Aoline, Vox humana. —
17*
260
Regula — Requiem.
Dies sind die gebräuchlichsten Namen der Orgelregister; ausser
diesen existieren noch eine Menge anderer Namen, welche die
Orgelbauer ihren eigentümHch gebauten Registern geben oder
womit sie die bisherigen Register benennen; es lässt sich ja
durch verschiedene Mensur u. s. w. eine grosse Mannigfaltigkeit
des Klanges erreichen. Solche Namen smd z. B. Alba, Accord,
Bordunflöte, Bombardo, Bombardoni, Biffara, Kontraprinzipal,
Ciuffoli etc. — Sämtliche tönende Register heissen auch klin-
gende Stimmen, im..Gegensatze zu den blinden Registern
(s. Blind). — 3. Durch Übertragung des letzten Begiuffes auf die
menschliche Stimme gebraucht man dieses Wort auch in der
Gesaneskunst zur Bezeichnung der verschiedenen Lage der Töne
oder aer Gattungen der Stimmen. Jede menschliehe Stimme
zerföUt nämlich m zwei Hauptgattungen: Brust- und Kopf-
stimme, letztere auch Halsstimme, Fistel, Falset genannt.
Diese beiden Gattungen werden auch die* Registratur der mensch-
lichen Stimme, geheissen, da sie in mannigfacher Beziehung sich
voneinander unterscheiden.
Regula (lat.), eine Schiene, Lineal; dann auch selbst die
Linie (Elias Salomon); Richtschnur, Regel; Adam von Fulda
nennt darum musica vocalis regulata den nach den Regeln der
Kunst gebildeten Gesang (oder Gesangstück) gegenüber dem
eantus usualis, dem blossen Naturgesang. (Gerb. Script. III. 333.)
Relatio non harmonica, s. ^uerstand.
Repercussio, s. Fuge u. Kirchentonarten.
Repetition — Wiederholung; repetieren — wieder-
holen; — die Wiederkehr eines Satzes von grösserem oder klei-
nerem Umfange in einem Tonstücke, oder die Wiederkehi* eines
fanzen Teiles desselben, der nicht zweimal in Noten ausgeschrie-
en zu werden pflegt, sondern bei dem die Wiederholung durch
gewisse Zeichen: Wiederholungszeichen, angedeutet wird*
Solche Zeichen sind:
^ ^ SS
"■ JT Jl
Dal segno
(beim Zeichen)
D. C. (Da capo)
(vom Anfange an
zu wiederholen).
Die Teile werden auch Reprisen (franz. r^prise), wie
die Wiederholungszeichen selbst benannt. Im Itahemschen heisst
es replica (franz. r^plique), auch redita. Daher senza re-
plica — ohne Wiederholung, si replica — man wiederhole
u. dgl. — Repetitio diversae vocis war von den Mensm-al-
lehrern des Xll. und XIH. Jahrh. unter die Zierde des Gesanges
ferechnet und ist nichts anderes als die Imitation eines Themas
urch andere Stimmen, Kanon oder doppelter Kontrapunkt
(Joan. de Garlandia).
Reprise, s. v. w. Repetition.
Requiem wird die Messe genannt, welche die katholische
Kirche für die Seelen ihrer verstorbenen Gläubigen feiert; der
Resolutio — Resonanzboden. 261
Name ist genommen von dem Introitus, welcher mit ^Requiem
aetemam etc." beginnt; in der Kirchensprache heisst sie Missa
pro defunctis. In textlicher Beziehung und im charakteristi-
schen Stimmungsausdrucke weicht sie von dem übrigen Mess-
gesange ab, indem ihr Introitus stets der nämliche: „Requiem
aeternam etc." ist, wodurch sich die Kirchenkomponisten ver-
anlasst gefunden haben, den Introitus, welchen sie für andere
Messen unbearbeitet gelassen , auch zu berücksichtigen und die-
sem erst das Kyrie nachfolgen zu lassen. Gloria und Credo
fehlt, nach der Epistel wird das Graduale und „Recjuiem", der
Traktus „Absolve" und die Sequenz: „Dies irae" mit ihrem er-
schütternden Inh£),lte musikalisch angewendet, bei deren Bear-
beitung nur zu häufig das dramatische Wesen und eine unkirch-
liche Tonmalerei zum Vorschein kommt. Das unveränderliche
Offertorium ist: „Domiiie Jesu Christe, rex gloriae etc,"; Sanktus
und Benediktus ist wie in den anderen Messen , nur an das
Agnus Dei schliesst sich nicht „Miserere nobis" und „dona nobis
paeem", sondern „dona eis requiem" und das dritte Mal „dona
eis requiem sempiternam". In gleicher Weise wie der Introitus
findet auch die Communio „Lux aeterna" musikalische Bearbei-
tung als Anhängsel des Agnus Dei. Wie überhaupt bei Seelen-
messen die Kirche den Gebrauch der Instrumente, selbst der
Orgel ausgeschlossen wünscht (s. Verordnungen), so werden auch
alle Responsorien ohne Orgel ausgeführt. — Sämtliche musika-
lischen Dätze eines Requiems sollen den Charakter ruhiger christ-
licher Trauer tragen, als Gebete um Gottes Barmherzijgkeit für
die abgeschiedenen Seelen; es ist dem kirchlichen Geiste ganz
entgegen, wenn die Musik in den düstersten Mollharmonien
herumwühlt, gleich als sei durch den Tod alles verloren, oder
wenn schmetternde Trompeten und Posaunen die Schrecken des
Weltgerichtes malen wollen, „wir sind nicht, wie solche, die
keine Hoffnung haben." (In Missis solemnibus et cantatis de
Requiem a choro canenda sunt omnia, quae precationem suffragii
respiciunt, et non omittendus, sed canendus est versus „Absolve"
et Sequentia „Dies irae", in oua tamen aliquas strophas cantores
praetermittere possunt. 27. Febr. 1847 Verulan.; 11. Sept. 1847
Taurin.; 12. Aug. 1854 Brioc. ad XII.)
Resolntio — Auflösung; auch die Umschreibung eines ge-
schlossenen Kanons in einen offenen.
Resonanz — vom lat. resonare, wiedertönen , ist eigent-
lich das Wiedererscheinen eines gegebenen Tones. Werden die
Schallwellen von einem Gegenstande zurückgeworfen, so entsteht
das Echo; diese Wiedererscheinung kann aber auch in einem
Nachhalle geschehen oder im venängerten oder dadurch ver-
stärkten Klanjf^e eines Tones, durch Mitvibration anderer iester
Körper mit oem eigentlich tonerregenden oder tönendeia, wie
z. B. Stimmgabeln, Spieldosen etc. an einen festen Körper ge-
halten, stärker tönen. Ferner geschieht die Resonanz durch
endliche Bildung und Ausdehnung des Tones in einem mit dem
tonerregenden Körper in unmittelbare Verbindung gesetzten an-
•ieren harten Körper, welcher bei den Saiteninstrumenten als
Resonanzboden, Resonanzdecke bekannt ist.
Resonanzboden, s. Geige und Klavier.
262 Responsorium — Rhythmus.
Responsorium , die Antwort (abgekürzt mit Ijfc. angezeigt).
In der katholischen Liturgie kommen mehrere Arten von Ke-
sponsorien in Anwendung: 1) Die einfachen Responsionen bei
der Messe , im Officium und bei sonstigen liturgischen Verrich-
tungen, z. B. ^Et cum spiritu tuo", „Amen", „Et clamor mens
ad te veniat", wobei der Priester den Versikel anstimmt; 2) die
grösseren Responsorien , welche nach den Lektionen des Offi-
ciums gesunken werden, eigentliche Gesänge — Gregorianische
Melodien — sind und in drei Teile zerfallen, von denen der erste
eigentlich ^Responsorium* genannt wird; der zweite beginnt mit
dem „Versikel" (v.), im dritten Teile wird die zweite Hälfte des
„Responsoriums" vom Asteriscus (*) an wiederholt. Hat die
Matutin drei Nokturnen, so wird dem dritten Responsorium des.
ersten und zweiten, und dem zweiten Responsorium der dritten
Nokturn (die Passionszeit ausgenommen) nach derii Verse und
der Repetition noch „Gloria Patri etc." beigesetzt, und dann
nochmal die zweite Hälfte des Responsoriums wiederholt. Be-
steht die Matutin aus einer Nokturn ^ so trifft das Gloria patri
bei dem zweiten Responsorium. Die Abänderung dieser Ord-
nung zu gewissen Zeiten und im Officium deff. sind in den
Ghoralbüchem jedesmal angezeigt. 3) Das sogenannte Respon-
sorium breve, welches seine Stelle in den kleinen Hören
(Prim, Terz, Sext, Non, Komplet) nach dem Kapitel hat und aus
einem Verse (zur Osterzeit mit zwei „Aileluja"), dessen Wieder-
holung vom Chore, dann der Fortsetzung des Verses durch einen
oder zwei Sänger besteht, worauf der (Jnor den Vers vom Stern-
chen an wiederholt; es folgt dann „Gloria patri" bis zum „Sicut
erat", dem sich der Chor mit dem Verse, wie er im Anfange
gesungen wurde, anschliesst. In der Passionszeit föllt da&
„Gloria patri" aus, und wird gleich vom Gesamtchore der Vers-
fesungen. Die Modulation der einfachen Responsorien ist gleich
er der vorausgehenden Versikel. Die übrigen Arten sind in den
(Ghoralbüchem stets deutlich verzeichnet.
Responsum, s. Graduale.
Restrictio, lat. Name für Engführung (s. Fuge).
Retardatio, s. Vorhalt.
Retrogradns, s. Kanon.
Rhythmik (griech.), die Lehre vom Rhythmus.
Rhythmus, griech. Qv&fi6c von Qio), fliessen (bedeutet eigent-
lich Takt, Versfuss), ist nach Aristoxenus die von einem musutali-
schen Kunstwerke ausgefüllte Zeit, insofern dieselbe durch die
Bestandteile des Rhytnmizomenos , d. i. des Melos oder de&
sprachlichen Textes, für das Gefühl des Zuhörers bemerkbar, in
bestimmte gesetzmässige Abschnitte zerfällt. Diese Zeitabschnitte
nennt A. „rhjrthmische Zeiten oder Systeme", welche bei den
Alten viererlei sind: a) Versfuss oder einfacher Takt;
b) rhythmisches Glied oder Kolon, membrum, auch ein-
gliedriger Vers und zusammengesetzter Takt benannt; c) Pe-
riode, auch zwei- und mehrgliederiger zusammengesetzter Takt;
d) System im engeren Sinne, auch Strophe oder Antistrophe
ffenannt. In ähnlicher Weise versteht man auch jetzt in der
Musik unter Rhythmus eine gewisse Ordnung in Folge und Be-
wegung, eine bestimmte und fest gehaltene Ordnung der Zeit-
Ricercata — Rondellus. 263
momente, weshalb man dies Wort auch mit ^Zeitfigur* über-
setzen könnte. Das Verhältnis und die Beziehung kleiner Zeit-
momente auf eine niedere rhythmische Ordnung gibt den Takt,
ebenso ergibt sich ein höherer Rhythmus, insofern ganze Takte
und melooische Teile oder Sätze einer Periode in ein bestimmtes
Verhältnis, in eine gewisse Ordnung gebracht werden. Der
Rhythmus ist es hauptsächlich, der Tonsätzen Ordnung, Fass-
lichkeit und Deutlichkeit verleiht; er bezweckt Gleichmässigkeit,
Mannigfaltigkeit mit Mass verbunden — Ebenmass, — Eyrhyth-
mie, diex schöne Ordnung, das wohlgeordnete Verhältnis, fn wel-
chem die einzelnen Teile eines Tonstückes zu- einander stehen.
Es ist den Choralmelodien schon oft der Rhythmus abgesprochen
worden , weil er sich nicht in scharf abgemessenen Takten be-
wegt, doch mit Unrecht; sie erfreuen sich auch einer gewissen
Ordnung, indem sie sich in Teile scheiden, die, wenn auch nicht
so streng abgemessen und so scharf proportioniert, doch in
schöner Abrundung zu einander stehen una auch durch Kaden-
zen in eine gewisse Ordnung gebracht sind. Von solcher Rhyth-
mik spricht schon Guido in seinem Mikrologus. — Rhythmik
ist die Lehre von diesen Verhältnissen und dieser Ordnung. —
Einige Harmonielehrer nennen auch Perioden Rhythmen.
Ricercata, Ricercare (ital), bedeutete ehemals ziemlich
dasselbe, was später Phantasie und Toccata, dann auch
Werke, welche, im künstlichen Motettenstil bearbeitet, bloss für
InstiTimente bestimmt waren, deren wir noch von Palestrina
(über die 12 Kirchentonarten) u. a. einige besitzen; zu Prätorius'
Zeiten scheint man die Fuge damit bezeichnet zu haben, da er
solches von den Italienera ausdrücklich sagt. Überhaupt legen
die Italiener das Adjektiv „ricercato (fem. ricercata)** allen Kom-
positionen bei, welche mit grosser Künstlichkeit gearbeitet sind,
z. B. Fuga ricercata, die Meisterfuge u. dgl.
Ripieno (ital.) — voll, ausgefüllt ; Ripienstimmen, welche
nur im Tutti mitwirken, im Gegensatze zu denjenigen Stimmen,
welche die Soli vortragen.
Risolnto (ital.) = entschlossen, mit kräftigem, energischem
Ausdrucke.
Ritartando (ital.) = zögernd, allmählich langsamer werdend.
Ritenato (ital.) = zurückhaltend, langsamer.
Ritus (lat.), heisst überhaupt ein heiliger, besonders ein
feierlicher Gebrauch; .dann eine stehende, kirchlich festgesetzte
Form, unter welcher eine liturgische Handlung verrichtet wird,
also nicht eine einzelne Ceremonie für sich, sondern jede Ge-
samtheit von Ceremonien, die miteinander zu einem und dem-
selben Kultusakte gehören. Daher: Rituale, Ritualbuch, worin
dieselben aufgezeichnet sind; rituell, was diesen kirchlich fest-
gesetzten Formen (Ceremonien und Gebeten) gemäss ist.
Römische Schule, s. Schule.
Rohrwerk =^ Zungenstimmen in der Orgel.
Rondellns, Rundgesang, wohl die älteste Form der stren-
gen Imitation, welche schon Franco von Köln erwähnt, wobei
eine musikalische Phrase nach der anderen von allen Stimmen
gebracht wurde, doch nicht wie im Kanon, sondern als doppelter
Kontrapunkt.
264 Rorate — Saiten.
Rorate, s. Advent.
Ros^ien, auch Schusterfleck genannt, bezeichnet die mehr-
malige Wiederholung einer melodischen oder harmonischen Phrase,
nm* um eine oder mehrere Stufen versetzt; erscheint sie als
lästige Monotonie, so ist sie verwerflich.
Rota, alter Ausdruck für Kanon; etwas Ähnliches be-
deutet auch der Name Rondellus.
Rotta, ein Saiteninstrument des frühen Mittelalters, dessen
Saiten gezupft, resp. mit dem Piektrum gespielt wurden.
Rückung nennt man jede Verschiebung des taktischen
Aocentes, hervorgerufen durch Anticipation, Synkope u. dgl. oder
durch Verlegung eines Accentes auf ursprünglich unaccentuierte
— schlechte — Taktteile. Diese Rückungen heissen auch rhyth-
mische Rückungen im Gegensatze zu den harmonischen
Rückungen, welche durch enharmonischen Wechsel der Ton-
arten entstehen.
S.
S., oft Abkürzung für Soprano, Solo, Segno (dal S. - vom
Zeichen an zu wiederholen; al S.^ bis zum Zeichen).
Saiten werden jene elastischen Fäden genannt, welche
auf musikalischen Instrumenten über oder auf den Resonanz-
boden derselben gespannt sind, und durch deren Vibration,
welche entweder durcn Streichen, durch Schlagen oder Reissen
erzeugt werden kann, das Instrument selbst zum Tönen gebracht
wird. Das Material, aus dem sie gefertigt werden, ist, je nach-
dem sie für ein Instrument bestimmt sind, verschieden. Die
Darmsaiten, mit denen die Harfe, die Geigen- und Lauten-
instrumente bezogen werden, sind aus zusammengedrehten Schaf-
oder besser Lämmerdärmen gefertigt. Als die besten Darm-
saiten werden noch die romaniscnen gehalten, zu welchen
nur Därme von lauter nur höchstens sieben bis acht Monate
alten Lämmern genommen werden. Ein ziemlich zuverlässiges
Kennzeichen einer guten Darmsaite ist, dass sie sich beim Auf-
ziehen nicht verlarbt, sondern hell, durchsichtig und elastisch
bleibt, auch muss sie durohgehends von derselben Stärke und
völlig gleichmässig zusammengedreht sein. — Der Gebrauch der
Saiten ist schon sehr alt. Um sie lange aufzubewahren, ist
darauf zu sehen, dass sie an einem trockenen imd reinlichen
Orte liegen, wo sie nicht bestaubt werden, und dann auch, dass
sie nicht zu lange einer trockenen Luft ausgesetzt sind; am
besten verschHesst man sie in .ßiner Blechbücnse und reibt sie
mit einem feinen und leichten Öle ein, wodurch hauptsächlich
ilu'e Elasticität erhalten wird. Man hat auch Saiten aus
Seide statt der Darmsaiten versUcht, doch ist deren Ton zu
dumpf, als dass er dem der Darmsaiten an die Seite gesetzt
werden könnte. — Die Metall-Drahtsaiten, welche bei Klavier-
und einigen Lauteninstrumenten zur Anwendung kommen, sind
Saiteninstrument — Schlüssel. 265
entweder aus Messing oder Stahl gezogen; neben Gussstahl
benützt man auch Eisen. Die besten Stanlsaiten kommen von
den Berliner Fabriken, die besten Messingsaiten von Nürabere.
Die Güte der Drahtsaiten besteht hauptsächlich darin, dass sie
die rechte Härte haben und im vollkommensten Ebenmasse,
auch ohne Hohlstellen u. dgl. gearbeitet sind.
Saiteninstrument, s. Instrument.
Saitenmesser, s. Ghordometer.
Salicional, ein Orgelregister von acht (selten vier) Fuss-
ton, welches einen feinen und streichenden Ton hat, ähnlich dem
Klange der Weidenpfeifen, daher der Name (salix, die Weide).
Salmo (ital.) = Psalm.
Salve Regina, s. Marianische Antiphonen.
Sängerschnle, s. Schule und Benediktinerorden.
Sanctus, s. Messe.
Satz. Dies Wort hat in der Musik mehrere Bedeutungen:
1) versteht man darunter jedes einzelne Glied eines Tonstückes,
das an und für sich einen vollständigen Sinn ausdrückt; je nach
der Stellung und Bedeutung unterscheidet man Hauptsätze
(Themata) und Neben-, Vorder-, Nachsätze, bezüglich ihrer
Entwickelung einfache oder erweiterte oder zusammen-
fesetzte Sätze; 2) wendet man dies Wort auch auf die Ver-
indung mehrerer solcher ebengenannter Sätze zu einem grös-
seren Hauptteile eines Ganzen, ja selbst auf die selbständigen
Hauptabteilungen eines grösseren Tonwerkes an; 3) nennt man
Satz auch die harmonische Ausarbeitung eines Tonstückes und
den Gebrauch der mannigfachen Kunstformen, so spricht man
von einem einfachen (ungekünstelten) und einem kunstrei-
chen Satze, von einem reinen, d. i. den Regeln der Tonkunst
völlig entsprechenden, und von einem fehlerhaften Satze; nimmt
man noch den Begriff von Stil oder Schreibart hinzu, so hat
man einen strengen und freien Satz (s. Stil); darum die Aus-
drücke: setzen oder in Musik setzen, Tonsetzer ( — kom-
ponieren, Komponist).
Schall, s. Akustik.
Schallbecher oder Schalltrichter, Stürze heisst die bei
Blasinstrumenten am unteren Ende befindliche Erweiterung des
Rohres in Form eines Trichters, durch w&lche nicht bloss der
Klang verstärkt, sondern (bei Blechinstrumenten) auch schmet-
ternd gemacht wird. — Schallbecher wird auch der auf dem
Kopfe von Zungenstimmen der Orgel angebrachte Aufsatz genannt.
Schallwelle, s. Akustik.
Schisma, s. Komma.
Schlaginstramente, s. Instrumente.
Schleif lade, s. Windlade.
Schlusskadenz, Schlnssklansel, s. Clausula.
Schlüssel sind die an den Anfang des Liniensystems ge-
stellten Zeichen, welche darauf einen bestimmten Ton andeuten,
von welchem aus alle übrigen in dasselbe verzeichneten Noten
und Töne bestimmt werden können. Die ersten Spm-en der
Notenschlüssel reichen ins X. Jahrh. zurück; Hucbald setzte an
die Spitze seiner Linien die Buchstaben der auf ihnen liegenden
Töne; Guido gebraucht bloss mehr zwei Buchstaben für seine
266 . Schnarrwerk.
vier Linien, nämlich C und F, gerade die wichtigsten, da diese
Töne es sind, unterhalb denen ein Halbton zu stehen kommt;
neben' diesen zweien schrieb man oft auch noch g und dd als
clavis signatae voran. (Mit dem Namen ^Claves" benahnte man
jeden der Töne in den Oktavenreihen; diejenigen aber, welche
auf dem Liniensysteme eieens bezeichnet wurden, hiessen Cla-
ves signatae.) Durch aie Notenschreiber bildeten sich diese
Buchstaben nach und nach in die jetzt gebräuchlichen Schlüs-
sel um, wobei die Schlüssel der Choralnotenschrift die ersten
Übergangsformen bilden. Gegenwärtig sind drei Schlüssel in
Gebrauch: 1) Der C-Schlüssel
1^ 1^1
welcher die Linie für das einfache c bedeutet. Als Diskant-
schlüssel wird er auf die erste, als Altschlüssel auf die
dritte, als Tenorschlüssel auf die vierte Linie gesetzt. Ehe-
dem wendete man ihn auch auf der zweiten Linie für Mezzo-
sopran an ; 2) der F-Schlüssel
t^
^=ii=^
welcher den Sitz des kleinen f bezeichnet mid auf der vierten
Linie steht; in älterer Musik findet man ihn für Bariton auf der
dritten, für sehr tiefen Bass selbst auf der fünften Linie stehend;
8) der G-Schlüssel
i
welcher den Sitz des eingestrichenen g bestimmt, früher für
hohe Diskantstimmen, jetzt regelmässig für die Violinstimmen,
deshalb auch Violinschlüssel benannt, gebraucht wird. Für
sehr hohe Stimmen wurde er ehemals, besonders von den Fran-
zosen, auf der ersten Linie angewendet und danach ist er auch
unter dem Namen französisclier Violinschlüssel bekannt.
Die jetzt gebräuchlioben Schlüssel, als Sopran-, Alt-, Tenor-,
Violin- und Bassschlüssel, sind für das Tonreich aller Stimmen
ausreichend und man bedient sich der übrigen, z. B. für Mezzo-
stimmen, nicht mehr. Dagegen hat. man in neuerer Zeit den
C-Schlüssel ausser Gebrauch zu setzen und für Sopran , Alt und
Tenor den Violinschlüssel in Übung zu bringen gesucht, was
aber durchaus nicht gut zu heissen ist; jeder unserer Schlüssel
ist unentbehrlich, und wenn auch für Diskant der Violinschlüssel
zulässiger ist, so ist es doch keineswegs beim Alt und Tenor der
Fall, deren Stimmumfang weder der Violin- noch Bassschlüssel
hinreichend angemessen ist. Verwirrender ist eine solche Ver-
einfachung der Stimmschlüssel noch bei c|^n Partituren; bei
blossen Vokalsachen sollten doch stets die gehörigen Schlüssel
angewendet werden, die Schwierigkeit des Notenlesens kann nie
als Grund einer Alterierung angenommen werden.
Schnarrwerk werden die Zungenregister in einer Orgel
genannt.
Schnecke — Schule. 267
Schnecke, s. Geige.
Schola (l^t.), Schule; schola oantorum, SingBchule (s. d.);
früher hiess die päpstliche Kapelle, der päpstliche Gesangschor
also; jetzt kommt dieser Ausdruck nur mehr in den liturgischen
Büchern, namentlich im Pontifikale vor und bedeutet soviel als
die Cantores, die bei den kii'chlichen Funktionen mitwirkenden
Sänger.
Schreibart, s. Stil.
Schale bezeichnet 1) auch in der Musik eine Pflanzstätte
zur Bildung junger Talente, — eine Musikbildungsanstalt; 2) so-
viel wie Lehrbuch oder theoretische Anweisung, wonach oder
woraus sich jene Büdung, in welcher Beziehung und nach wel-
eher Seite hin immer, erwerben lässt, — die Franzosen nennen
sie „m^thode". 3) Bezeichnet man mit diesem Worte — wie in
anderen Künsten — auch wohl einen Kreis von Männern, welche
durch Ansichten oder Methode eines originellen Lehrers und
Meisters, welchem sie in ihren Werken gefolgt sind, oder durch
Nationalität einen gemeinschaftlichen Charakter angenommen
haben, und redet z. B. von einer Römischen, Venetianischen,
Wiener etc. Schule ; 4) gebraucht man es auch in dem Sinne von
Stil, Schreibart, Manier, und redet so von einer klassischen^
modernen, deutschen, französischen u. dgl. Schule, je nachdem
ihre äusseren und inneren Merkmale charakteristich von ein-
ander abweichen ; auch kann in diesem Sinne ein einzelner grosser
Künstler schon eine eigene Schule beschreiben, und man spricht
z. B. von einer Mendelssohnschen , Mozartschen Schule. —
Hieraus erklären sich auch die Ausdrücke: „wohlgeschult
sein", „Schule haben", d. h. die Tonkunst oder einen Zweig
derselben, z. B. das Spiel eines Instrumentes methodisch, nach
den besten Regeln der Kunst gelernt und eingeübt haben. Eine
gute Schule, d. h. ein guter methodischer Bildungsgang, die Ent-
wickelung des Talentes nach den Regeln und bewährten, allge-
mein gültigen Gesetzen der Kunst ist jedem notwendig, der auf
den Namen eines Künstlers im wahren Sinne des Wortes An-
spruch machen, und der auch wirkliche Kunstwerke schaffen
will; das Genie selbst kann die Schule nicht entbehren,- jeder
Künstler muss sich heranbilden entweder an der Hand eines
Lehrers oder als Autodidakt an der Hand der theoretischen Werke
oder der praktischen Werke anerkannter Meister. Ohne durch
die Schule erlangte technische und Formgewandtheit werden
auch die originellsten Gedanken eines Genies eben durch formale
Mängel in ihrem Werte beinträchtiget; alle grossen Meister, auch
die bahnbrechenden, haben vorher eine tüchtige „Schule" durch-
gemacht. — Eigentliche Musikschulen, öffentliche Musiklehran-
stalten reichen ins hohe Altertum hinauf (s. „Sing schulen").
Eine der ersten Schulen (in der christlichen Zeitrechnung) war
die vom heil. Gregor zu Rom gegründete kirchliche Gesanffschüle,.
nach deren Muster und dann auf Anordnung Karls d. Gr. sich
zahlreiche Schulen in Italien, Frankreich, Deutschland u. dgl.
bildeten. Bei der Entwickelung der Harmonie sehen wir die
Tonmeister Schulen und Lehrstühle der Musik eröffnen, so in
den Niederlanden, in Paris, in Venedig Goudimel, in Rom Willaert,
Nanini, in Neapel Leo, Durante und Gaetano; dergleichen finden
268 Schwebungen — Sekunde.
wir in mehrereh Städten Italiens unter dem Namen „Konserva-
torien", welchen die Neuzeit für ihre Musikinstitüte beibehalten
hat, auch Akademien nannte man sie. Nach der Stileigentüm^
hchkeit kennt man im XV., XVI. und XVII. Jahrh. die Vene-
tianische Schule, deren charakteristisches Wesen in der Viel-
stimmigkeit und Grossartigkeit des Satzes, die Römische
Schule, welche durch Strenge der Form und Wohlklang der
Harmonie, die Neapolitanische Schule, welche durch Glanz
und melodischen Wohllaut gekennzeichnet ist; die ältere Wie-
ner Schule, welche an Haydn und Mozart sich anlehnend tüch-
tige Formkenntnisse und würdigen Ideenausdruck aufweist. —
In neuester Zeit sind Schulen speciell für katholische Kirchen-
musik gegründet worden, so die Kirchenmusikschule zu Regens-
bm*g, Aachen, Freiburg i. Br, — Einer Schule angehören
soll nicht dahin verstanden werden, dass ein Tonsetzer dIoss mit
den leeren äusseren Formen und Manieren eines grossen Mei-
sters, ohne tieferes Eingehen und Hineinleben in dessen Geist
und innere Stileigentümlichkeit, sich zufrieden gibt.
Schwebungen nennt man das Abweichen von der völligen
Reinheit des Tones.
Schweller ist eine Vorrichtung in manchen Orgeln, welche
Jalousien gleicht, um in der Tonstärke, ohne Registerveränderung
vorzunehmen, eine gewisse angenehme Schattierung hervorzu-
bringen; sie hat auch den Namen Echo werk. Massig ange-
wendet ist es von guter Wirkung, häufig benützt artet es in
blosse Spielerei aus.
Secondo (ital.), der zweite, seconda volta (abgekürzt
II=). das zweite Mal, Violine secondo, die zweite Violin, im-
mer im Gegensatz zu primo, prima.
Segen, s. Tantum ergo.
Segne (ital.), — das Zeichen; d'al segno — vom Zei-
chen an.
Segue, oder siegue (ital.) = es folgt; steht oft am Ende
einer Notenseite, um anzudeuten, was auf der nächsten Seite
folgt, z. B. „segue Allegro" — „es folgt das Allegro."
Seitenbewegung, s. Bewegung.
Sekundaccord, s. Accord.
Sekunde, ein dissonierendes Intervall zwischen zwei Stufen,
welches in der praktischen Musik di-eifach vorkommt: als klein,
gross und übermässig. Die kleine Sekunde ist das kleinste
Intervall, der sogenannte grosse halbe Ton (e-f, h-c), im Ver-
hältnisse von 15 : 16. Die grosse Sekunde, der sogenannte
fanze Ton, besteht aus einem kleinen und einem grossen hal-
en Tone (c-d, d-e); nach den ursprünglich reinen Verhältnissen
erscheint sie in zweierlei Grössen: als grosser Ganzton von
8:9, und als kleiner Ganzton von 9 : 10. Die über-
mässige Sekunde enthält einen ganzen Ton und einen kleinen
halben (f-gis) und hat 64 : 75. — Wo die Sekunde im Zusammen-
hange (Accord) erscheint, ist nicht sie selbst, sondern der Grund-
ton, das eigentliche dissonierende Ende des Intervalls, dieser
löst sich darum regelmässig eine Stufe abwärts auf. Dadurch
unterscheidet sie sicn auch von der None, welche als eigentlich
Semi — Sequentiae. 26^
dissonierendes oberes Ende des Intervalls der Vorbereitung und
Auflösung unterliegt.
Semi, — lat. semis, halb — kommt in der Musik bei Zu-
sammensetzungen vorj z. B. semibrevis, jene Notengattimg^
welche unter der Brevis steht und in dieser zwei- oder dreimal^
je nach Imperfektion oder Perfektion, enthalten angenommen
ward; semitonium, Halbton; semiditonus, kleine Terz, semi-
diapente, falsche Quint; subsemitonium modi, der Unter-
halbton einer Tonart oder die grosse Sepjbime.
Semitonns, der halbe Ton, ist in der temperierten Skala
die Hälfte des ganzen Tones, nicht aber in der mathematischen
Klangberechnung. Schon die Alten unterschieden einen gros-
sen nalben Ton (8 : 9), semitonus majus, auch Apotome
genannt, und einen kleinen halben Ton (9 : 10), semitonus
minus, den sie Diesis nannten; zwei grosse halbe Töne geben
nach reinem Verhältnisse mehr als emen ganzen Ton, zwei
kleine halbe Töne aber weniger; ein grosser und ein kleiner
halber Ton geben miteinander emen ganzen Ton (neun Kommata,,
ein grosser halber Ton hat deren fünf, ein kleiner halber Ton
vier). In der praktischen Musik werden die durch Erhöhung
oder Erniedrigung derselben Stufe gewonnenen, also abgeleiteten
oder chromatischen Halb töne als kleine, die zwischen zwei ver-
schiedenen Stufen sich ergebenden ungleichnamigen oder dia-
tonischen als grosse halbe Töne bezeichnet.
Senza (ital.) ohne; kommt in verschiedenen Zusammen-
stellungen vor, z. B. senza Organ o, — ohne Orgel, d. h. an
der damit bezeichneten Stelle soll die Orgel schweigen.
Septime, der siebente Ton von einem angenommenen
Grundtone, ist ein dissonierendes Intervall, das die praktische
Musik in drei Grössen anwendet, klein, gross, vermindert.
Die kleine Septime, auch Haupt- oder wesentliche Septinae
genannt, besteht aus vier ganzen und zwei halben Tönen, wie
g— f, c— b. Dir reines Verhältnis ist 9 : 16. — Die grosse Sep-
time oder der Leitton, besteht aus fünf ganzen und einem
grossen halben Tone, wie c — h, g — fis, und ihr reines Verhältnis
ist 8 : 15. Die verminderte Septime, im Verhältnisse von
75 : 128, besteht aus drei ganzen und drei grossen halben Tönen,
wie eis — b, h — as. — Die kleine Septime ist das wichtigste Inter-
vall in der musikalischen Harmonie, der Wendepunkt der Accorde
und wieder das einzige Mittel, durch welches sich diese zu einer
unzertrennlichen Kette von harmonischen Zusammenklängen ver-
einen lassen. Das ist freilich nur vom neueren Tonsysteme zu
verstehen, da die alten Tonarten eine andere Modulation beob-
achten. Der strenge Satz fordert für alle Septimen gehörige
Vorbereitung ; der ireie aber lässt sowohl die kleine als vermin-
derte Septime frei eintreten. Die alten Tonlehrer nannten die
kleine Septime Semi dit onus cum diapente, die grosse Di-
tonus cum diapente; Adam von Fulda nannte die Septime
h e p t a d e.
Septimenaecord, s. Accord.
Sequentiae, Sequenzen, sind eine Gattung liturgischer Ge-
sänge, welche an bestimmten Festen in der heiligen Messe vor
dem Evangelium ihren Platz haben, früher auch bei der Vespör
270 Sequentiae.
und anderen Feierlichkeiten gesungen wurden. Sie führen auch
den Namen „Prosae", weil sie nicht nach metrischen Gesetzen
gebaut waren, obwohl man ihnen später diese Einrichtung gab.
Doch ist auch die Vermutung nicht ganz unbegründet, dass die-
ser Name seinen ürspirung der Abkürzung „psa*^ (pro sequentia)
verdankt* Der Name „Sequenz*^ gebührt innen vermöge ihres
Ursprunges. Schon in frühen Zeiten reihten sich an das Alleluja
des Graauale mehrere Notenfiguren, melodieartige Anhängsel,
welche über dem letzten a des Alleliya zu singen waren; man
nannte sie Jubüen ode^ Neumen; im I. Ordo Romaijus kommen
sie imter dem Namen -Sequentiae*^ (natürlich ohne Text) vor.
Im IX. imd X. Jahrh. erhielten sie aber eine solche Ausdehnung,
dass es dem Sänger schwer wurde, diese notenreichen Melocüen
ohne Worte im Gedächtnisse zu behalten. Dies führte aen
Mönch und nachherigen Abt Notker (Balbulus) von St. Gallen
auf den Gedankeii, diesen Jubüen einen passenden Text unter-
zulegen ; an einem Vorbilde fehlte es ihm auch nicht. Ums Jahr
-851 war ein normanischer Priester aus einem fränkischen Kloster
nach St. Gallen gekommen und hatte ein Antiphonar mitgebracht,
worin die Verse zu den Sequenzen moduliert waren. Ahnliches
versuchte nun Notker , aber in besserer Weise , als es in diesem
Antiphonar der Fall war ; er teilte die Jubilen nach melodischem
Plane ab, gestaltete sie um. erweiterte sie und fügte ihnen dann'
passende Textworte bei. Ein Grundgesetz dabei war, dass auf
jede Tonbewegung oder Hauptnote eine eigene Silbe zu stehen
komme. Durch Sie melodiscne Form imd Einteilung war auch
zugleich die Form und Einteilimg des Textes zu den Sequenzen
bestimmt. Notkers Sequenzen budeten sich somit aus einer An-
zahl musikalischer Phrasen oder Choräle, die er entweder un-
mittelbar oder auch in .einer gewissen Ordnung nacheinander
wiederkehren Hess, und die mitsammen erst ein musikahsches
-Ganzes ausmachten. Dem ersten und letzten Satze des Textes
^ab er immer eine eigene selbständige Melodie, die sich in den
Mittelsätzen nie wiederholte; von den Mittelsätzen haben mei-
stens — nicht immer — je zwei Sätze gleiche Melodie. Die
meisten Sequenzmelodien sind Notkers eigene Tonschöpfimgen,
bei einigen, welche er dem Alleluja der (jradualien nacnbil&te,
behielt er nur die Tonart und die Anlangstöne bei, die übrigen
Sätze sind neugedichtete Melodien. Da zwei Absätze mit glei-
cher Melodie auch beim Texte gleiche Silbenzahl erfordern, so
kann man hierin allein die metrische Form des Textes suchen;
doch wird auch diese bei manchen vermisst, und es finden sich
Mittelsätze von verschiedener Länge, folglich auch von ungerader
Silbenzahl, ebenso kann man auch die Absätze des Textes, von
Notker „Versikel" genannt, nicht als Strophen, die aus einzelnen
Versen bestehen, betrachten. In Rücksicht ihres metrischen
Baues halten sie also die Mitte zwischen freier Prosa und den
eigentlich metrischen Versen und ist nicht die entsprechende
Länge und Kürze, sondern die Zahl der Silben massgebend. Der
musikalische Wohlklang des Textes forderte oft eine freiere Ver-
setzung der Worte, was allein ihnen schon in ihrer äusseren
Form das Ansehen eines poetischen Ergusses verleiht, ganz ab-
gesehen von ihrem inneren Gehalte, der sie oft den herrlichsten
Sequentiae. 271
Erzeuj^ssen kii'chlioher Poesie würdig an die Seite stellen lässt ;
sie hiessen auch anfangs „Hymnen". Notker schuf vorzügliche
Seauenzen — Schubieer weist ihm 50 Sequenzmelodien zu —
una sie waren bald überall bekannt und mit Liebe und Eifer an
den Festtagen und bei anderen feierlichen. Gelegenheiten gesun-
gen; dazu half ihnen noch der würdig gehaltene Sinn der Worte,
welche der vollkommenste Ausdruck der Andacht und Erbauung,
kindlicher Teünahme am Jubel der Kirche, d«s Vertrauens auf
Gottes Hufe und den Schutz der Heiligen waren, Sie wurden
insgemein von zwei Chören, seltener von einem einzigen allein
vorgetragen; das verlangte schon ihr Bau und ihre Einrichtung,
undsi« waren so geehrt, dass man während des Absingens der-
selben, gleichwie beim Te Deum, alle oder doch die zwei gröss-
ten Glocken läutete. Papst Nikolaus I. erlaubte 860 ihren Ge-
brauch in der Kirche, und bald darauf bediente man sich nicht
bloss der Notkerschen Sequenzen allein, sondern dichtete und
komponierte neue Sequenzen und versah die beliebten alten
Melo{lien mit neuen Texten; nach und nach gestaltete man sie
metrisch und strophisch, anfangs bloss mit durchklingendem,
später mit vollkommenem Reime. Das ganze Mittelalter hin-
dm'ch bildeten sie ein vorzügliches Mittel, die kirchlichen Fest-
lichkeiten zu verherrlichen, und besonders zeichnete sich Frank-
reich und Deutschland darin aus; in der römischen Kirche fanden
sie weniger Aufnahme und Pflege, weshalb man, auch in den
genau nach dem römischen Missale gearbeiteten Messbüchern
aus dem XV. Jahi'h. wenige, fast nur die jetzt noch gebräuch-
lichsten findet. Die Sequenzen erreichten eine hohe Zahl, ein-
zelne Missalien enthalten deren 50 — 100, auf die höchsten Fest-
tage oftmals zwei und drei. Dass bei der allgemeinen Reform
des Messbuches durch Pius V. nach dem Konzil von Trient eine
Sichtung geschehen musste^ ergibt sich aus dem Umstände, dass
sehr viele nichtssagend in ihrem Inhalte, trivial und imwürdig
in ihrer Melodie waren. Die fünf beibehaltenen Sequenzen sind
unstreitig die schönsten und besten. Es sind folgende:
1) Die Osterseouenz: „Victimae paschali*^ Der Autor
derselben ist Wipo, Mönch von St. Gallen, Hofkaplan Kaiser
Konrads IL, dessen Blütezeit in die Jahre 10^ bis 1050 fällt; die
Melodie lässt sich imter die klassischen Gesänge rechnen, sie
hat eine sanfte Modulation und ist zujgleich erhaben und maje-
stätisch, was sich besser fühlen als beschreiben lässt. In. den
römischen Missalien fehlt der Vers: ^Credendum est magis söli
Mariae veraci etc.^ vor: „Seimus Christum etc."
2) Die Pfingstsequenz: „Venite Sanete Spiritus et
^mitte coelitus**, war einer der beliebtesten Gesänge; doch ist
man über den Autor nicht einig, Durandus und Tritnemius nen-
nen als solchen den König Robert von Frankreich (f 1031), an-
dere schreiben sie dem Papste Innocenz III. (f 1216) zu.
3) Die Fronleiohnamssequenz: „Lauda Sioji". Ihr
Verfasser ist nach allgemeiner Annahme der heil. Thomas -von
Aquin (f 1274), welcher auf Geheiss des Papstes ürban X. zu
der angeordneten Fronleichnamsfeier die Liturgie verfasst hat.
Die Melodie ist schon eine ältere (sie findet sich oei der Sequenz:
^Landes crucis attoUamus" von Adam von St. Viktor; Coussemaker
Wl
272 Sequenz — Sesqui.
fand sie teilweise in einem Manuskripte aus dem XII. Jahrh.),
aber der Inhalt dieser Sequenz, welche durch Erhabenheit und
Schönheit als ein wahrhaft lyrisches Kirchenlied sich auszeich-
net, ist in dogmatischer, historischer und polemischer Rücksicht,
wie Antony sagt, für den Katholiken merkwürdig j die Melodie
aber hat etwas so Ernstes, Erhabenes imd dabei Zartes, ihre
Töne sind den Worten so anpassend, dass sie jedes Herz ergrei-
fen muss. Ihr Ambitus ist aer VII. und VIII. Ton.
4) Die Sequenz: „Dies irae", welche in den Messen für
die Verstorbenen gesungen wird. Man schreibt sie mehreren
Verfassern zu; die meisten Liturgisten sj)rechen sich für Tho-
mas von Celano aus, welcher um 1250 m den Orden der Fran-
ziskaner trat. Sie hat einige Abänderung in ihrer ursprünglichen
Fassung erlitten. Ohne Zweifel war dieses Gedicht nur mr ein-
same Erbauung geschrieben . oder , wie andere sagen, für den
I. Adventsonntag bestimmt, da es das letzte Gericht in so er-
greifenden Zügen darstellt; in jetziger Fassung fehlen drei An-
tangsstrophen , und auch die letzten zwei Strophen sind erst
hinzugefügt worden, als man dies Gedicht ins Totenofficium auf-
nahm, was im XIV. Jahrh. stattfand. In Missalien vom XV.
Jahrh., die nach dem römischen edirt sind, findet sich diese
Sequenz im Appendix, worauf in den Totenmessformularien ver-
wiesen wird; sie scheint also anfangs noch ad libitum gewesen
zu* sein. Über die innere VortrefFlicnkeit des Gedichtes herrscht
nur Eine Stimme.
5) Die Sequenz: „Stabat Mater", deren Verfasser der
Franziskanermönch Jacopone oder Jacobus de Benedictis
(t 1906) ist. Sie hatte bald eine weite Verbreitung gefunden,
und die Flagellanten und andere Busswanderer bedienten sich
ihrer häufig. Aufnahme in die Liturgie fand sie durch die Ein-
setzung des Festes der sieben Schmerzen Maria (Festum Com-
passioniSj Festum septem Dolorum B. V. M.) und es wurde dieser
Gesang m drei Abteüungen zerlegt als Hymnus für Vesper,
Matutm und Landes, voflständig als Sequenz in der Messe des
Festes eingereiht. Der Inhalt stellt eine herrliche Dichtung dar,
welche einem Herzen voll Einfalt, Glauben und Liebe, im Drange
des wahrsten Gefühles, in innigster Teilnahme, Wehmut und
Bussfertigkeit entsprungen ist. Eb finden sich dafür (wie für
das Dies irae) mehrere sehr gute Melodien. Einige Tonsetzer
haben über das Stabat Mater vortreffliche Kompositionen gelie-
fert, welche bei Abendandachten in der heiligen Karwoche ü. a.
gesungen werden. — (Ausführliches über diesen Artikel findet
man m Schubigers Werk: „Die Sängerschule von St. Gallen**,
pag. 39 u. ff.)
Sequenz heisst jede Fortsetzung eines melodischen oder
liarmonischen oder melodisch-harmonischen Motives, einer festen
sich wiederholenden Form. Vorzugsweise bezeichnet man jedoch
damit jede gleichmässig fortgehende Accordreihe.
• Sesqui (aus sem-as-que -anderthalb as, dann anderthalb
Teil**) wurde von den Alten in aer Zusammensetzung gebraucht,
um ein überteiliges Verhältnis auszudrücken (s. Proportion).
Solcher Wörter: sesqui altera (2 : 3), sesqui tertia (3 : 4) u. dgL*
(manchmal auch „sexqui** geschrieben) bedienten sie sich nicht
Sext — Singschule. 273
bloss in der Kanonik, sondern auch zur Bezeichnung des Taktes
odei" des Verhältnisses der einzelnen Notengattungen zu ein-
ander, z. B. bedeutete sesqui altera maggiore perfetta bei
den späteren Mensuralisten den Tripeltakt, in welchem die
Brevis drei Semibreves galt, ohne dass sie einen Punkt bei sich
hatte; diese Taktart wurde auch am Anfange des Tonstückes
mit ^ nach einem senkrecht' durchstrichenen Zirkel bezeichnet;
sesqui altera majggiore imperfetta war derjenige Tripel-
takt, in welchem die Brevis ohne Punkt z^ei Semibreves galt;
bezeichnet ward er durch 3 nach einem senkrecht durchstnche-
nen Halbzirkel u. s. w. Vergl. Bellermann, Mensuralnoten;
Riemann, Studien zur Notenschrift.
Sext, ein Intei-vall von sechs Tonstufen — die sechste
Stufe einer bestimmten Tonart nannten die älteren Tonlehrer
sexta toni, — kommt in vierfacher Grösse vor: vermindert,
klein, gross, übermässig. Die verminderte Sext besteht aus
zwei ganzen und drei grossen halben Tönen (cis-as). Die kleine
(e-c) aus drei ganzen und zwei grossen halben Tönen und hat
das reine VerhStnis von 5:8; die grosse Sext (d-h) aus vier
ganzen imd einem grossen halben Tone, und ihr reines Verhält-
nis ist 3:5; die übermässige Sext besteht aus fünf ganzen
Tönen (f-dis) im reinen Verhältnisse von 128 : 225. Die grosse
und kleine Sext zählen zu den unvollkommenen Konsonanzen
und der Gebrauch von Sextenparallelen ist gewissen Einschrän-
kungen im strengen Stü unterworfen, wie ihre Umkehrung, die
Terzenparallelen, indem nie zwei oder mehrere kleine Sexten in
diatonischer Fortsetzung aufeinanderfolgen dürfen (wegen der
leicht sich bildenden unharmonischen Querstände) , wonl aber
grosse Sexten. Sextensprünge werden in der strengen Schreib-
art, namentlich im Basse gern vennieden. — Die Alten bezeich-
neten die Sext als Tonus oder Semitonium cum Diapente
auch mit hexade. — (S. Horae canonicae.)
Sextaccord, s. Accord.
Sforzato (itaL), s. v. w. verstärkt, bezieht sich nur auf
einen einzelnen Ton oder Accord; abgekürzt sfz.
Si ist die Silbe, welche man der siebenten Stufe bei der
neueren Solmisation zuwies, und deren sich die Franzosen und
Italiener zur Bezeichnung des Tones h bedienen.
Signatur wird von einigen als Generalbassschrift oder
Bezifferung gebraucht.
Sinfonia, s. Symphonie.
Singkunst, Gesangskunst, die Kunst, vermittelst der mensch-
lichen Stimme ein Tonstück lür Gesang regeU'echt und schön
vortragen.
Singschule, eine öffentliche Anstalt, in welcher der Gesang
kunstmässig gelehrt wird. Derlei Institute weist das hohe Alter-
tum bei allen gebüdeten Völkern auf, welche die Musik als Kunst
betrachteten und ihren hohen Wert erkannten. Speciell haben
wir uns mit den Gesangschulen zu beschäftigen, insofern durch
sie taugliche Individuen herangebildet wurden zur Produktion
der Kirchen- oder gottesdienstlichen Gesänge. Wie der Gesang
bei Heiden und Juden ein vorzüghches Mittel war, die gottes-
dienstliche Feierlichkeit zu erhohen und zur Erreichung des
Kommüllei*, Lexikon. 18
274 Singschule.
gottesdienstlich en Zweckes beizutragen, so zog auch die Kirche
Jesu Christi den Gesang in den Kreis ihrer Liturgie; vom gött-
lichen Heilande melden die Evangelien, dass er beim Abendmahle
den üblichen Hymnus angestimmt haoe, und der heilige Apostel
fordert die Gläubigen aui. Dank- und Loblieder zu singen. In
den ersten Jahrhunderten des Christentums konnte von ordent-
lichen Singschulen nicht die Rede sein, da der Gesang, an
welchem aie Gemeinde in ausgedehnter Weise teilnahm, noch
sehr einfach war, die Vorsänger, welche die Gesänge allerdings
in ordentlicher Weise erlernten, die ganze Sache in Ordnimg
brachten, und ferner auch eine hesser und für die Dauer orga-
nisierte Gesangschule durch die Verfolgungen fast unmöglich
wurde. Erst nachdem der Kirche der Friede gegeben ward,
machen die Geschichtschreiber Meldimg von einem solchen In-
stitute, welches Papst Sylvester I. um ö30 gegründet hatte; die
höhere Entfaltung der Liturjgie und die damit Hand in Hand
Sehende Ent Wickelung des Kirchengesanges forderten est Papst
[ilarius (461—468) soll zwei solche Schulen, die eine im Lateran,
die andere bei St. Peter im Vatikan eingerichtet haben. Als
eigentlichen Begründer • des nunmehrigen Kirchengesanges und
der kirchlichen Singschulen erscheint gegen Ende des VI. Jahrh.
der heil. Papst Gregor d. Gr. (596—604). Wie er die liturgischen
Einrichtungen verbesserte und vollendete, so war sein Augen-
merk auch dem damit verbundenen Gesänge zugewendet, zu
dessen gehörigen Exekutierung und ferneren Reinerhaltung er
das beste Mittel in der Gesangschule fand. Er gründete zwei
solcher Anstalten, die eine im Lateran, die andere bei St. Peter,
welche im Grunde kaum etwas anderes gewesen sein werden,
als die gänzlich reformierten Singschulen des Papstes Hilarius.
Die eine war sozusagen die Vorbereitungsanstalt und wird von
den Geschichtschreibern „Orphanotrophium", Waisenhaus, genannt,
während das andere Haus die den Chordienst leistenden Sänger
(schola cantorum) in sich aufnahm. Hier finden wir vielleicht
zum erstenmal, wie bei oder in Waisenhäusern, Hospitälern
u. dgl. Musikanstalten erstehen; in späteren Jahrhunderten sehen
wir auf ähnliche Weise die Konservatorien in Venedig, Florenz,
Neapel u. dgl. an Hospitälern, Krankenhäusern, Waisenhäusern
erstehen, (jregor selbst leitete den Unterricht und die Übungen
in seiner Sängerschule, und in späteren Jahrhunderten zeigte
man noch die Kute, deren er sich für die unfügsamen Schifler
bediente, sowie das Ruhebett, auf welchem er beim Unterrichte
zu liegen pflegte. Er lehrte seine Singschüler nicht nur das-
jenige, was zum Gesänge überhaupt notwendig war, die Neumen,
die Tonarten, die Melodien, Vortrag u. dgl., sondern er drang
auch auf das Verständnis des Textes una seine Bedeutung und
auf ein frommes und sittenreines Leben, als notwendigste Be-
dingung eines guten Kirchengesanges. Diese römische Gesang-
schule Gestand rort auch während des Verweilens der Päpste m
Avignon (1305 — 1378). Daselbst aber bildeten sie sich ein eigenes
Sängerkollegium , welches Gregor XL bei seiner Rückkehr nach
Rom mit sich nahm. Nun scheint sich eine Verschmelzung bei-
der Kapellen vollzögen zu haben, da vom XV. Jahrh. an der
Name schola cantorum in den Urkunden nicht mehr vorkommt.
Singschule. 275
Unter Eugen IV. (1431 — 1447) mag die endgültige Neubegiündung
der päpstlichen Kapelle geschehen sein, welche durch Papst
Paul in. 1545 eine neue Organisation erhielt* und unter dem
Namen „Sixtinisohe Kapelle** Dis in die Neuzeit einen Weltruf
genoss. (S. Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft, von Chry-
sander u. A. 1887. ll. „Die römische sohola cantorum* u. s. w.
von F. X. Haberl.) Neben dieser scheint noch längere Zeit die
schola puerorum, das Institut der Chorknaben, fortbestanden
zu haben, da Palestrina als magister derselben bezeichnet wird.
In dem Masse, als der Gregorianische Choral Ausbreitung
fand, entstanden auch an anderen Orten solche Gesangsohulen,
namentlich in Klöstern und an bischöflichen Kirchen. Im IX.
Jahrh. kamen die Schulen zu« Metz, Paris, Orleans, Fulda,
St. Gallen, Reichenau, York u. a. zu grosser Berühmtheit; Karl
d. Gr. drang darauf, dass in allen Schulen überhaupt der Kirohen-
fesang gelehrt werde. Er selbst ging mit seiner die trefflichsten
änger m sich schliessenden Hochschule und mit seinem Eifer
in der Gesangsübung voran, die Berufung römischer Sänger nach
Frankreich trugen dazu bei, die Leistungsfähigkeit dieser Schulen
zu steigern. An Bedeutung musste das Institut der Singschulen
fewinnen, als nicht bloss der Choral auf eine sehr hohe Stufe
er Kimstfertigkeit gebracht, sondern auch die Anfänge der
Harmonie im Organum und in den Fauxbourdons sich entwi-
ckelten. Im XII. Jahrh. hatte iede grössere Kirche ihre wohl-
eingerichtete Singschule, sowohl in Frankreich als Deutschland,
England, Spanien, Italien; an der Spitze derselben stand der
Musik- oder Singmeister (magister puerorum, franz.
mattre), die Schulen selbst hiessen scholae cantorum, franz.
maltrises, psalletes, auch kommen sie später unter dem
Namen „Präoenden, Seminarien, Kurrenden" vor. Die
Gesangschüler wurden in diesen speoiellen Singschulen — bei
dem mit den Pfarrschulen verbundenen kirchlichen Gesangsunter-
richt beschränkte man sich auf wenigeres — vor allem mit den
Intervallen, Tonarten, Tropen, Noten und anderen musikalischen
Zeichen bekannt gemacht, und der gute Vortrag ihnen ein-
geschärft; dabei ward auf die gute Bildung und fortwährend
methodiJüphe Übung der Stimme sorgfältig geachtet; von diäte-
tischen Vorschriften für die Sänger redete schon der heil. Isidor
von Sevüla (im VII. Jahrh.), und Gerson gibt 1423 einige dahin
bezügliche Anweisungen den Singknaben bei der Kathedralschule
zu Paris.
Dass im XVI. und XVII. Jahrh. die Pflege des Gesanges
in diesen Schulen hoch gestanden sei, können wir abnehmen
aus den Meisterkompositionen dieser Zeit, welche immer für die
Gesangskräfte des (jnores, denen ihre Komponisten angehörten,
bereolmet waren. Einige Mindeioing erlitten sie aber durch
die häufigere Anwendung der Fistulanten und Einfühi*ung der
Kastraten.
Die Singschulen machten in der Regel auch die Verände-
rungen durch, welche die neue Musik — dramatische Melodik
und Instrumentation — verlangten, bis in vielen Ländern die
politischen Umwälzungen und die sogenannte Säkularisation den
Kirchlichen Singinstituten,Präbenden und Mattrisen,mit sporadischen
18*
276 Singstimme — Sixtinische Kapelle.
Ausnahmen, ein um so mehr zu beklagendes Ende machten^
weil dadurch die Wogen der weltliehen und dramatischen Musik
die katholischen Kirchenchöre unaufhaltsam zu überfluten be-
gannen. Wiedererrichtung solcher Pflanzstätten kirchlichen Ge-
sanges und Einrichtung derselben im kirchlichen Geiste kann
als ein vorzügliches AGttel, den verweltlichten Geist aus der
Kirchenn^usik zu bannen, betrachtet werden. Die wenigen den
kirchenfeindlichen Stürmen im vorigen und Anfang dieses Jalif*
himderts entgangenen kirchlichen Singanstalten, Präbenden und
Seminarien haben bereits begonnen, sich zu regenerieren, und
einige derselben sind bereits an einer Stufe angelangt, dass sie
als Muster weithin dienen; den Zweck von Singinstituten zur
Restauration kirchlicher Musik verfolgen auch mehrere Bischöfe
in ihi*en DiÖzesan-Knabenseminarien. (Vgl. ^Kapelle".) Aus-
führlicher habe ich die Geschichte der kirchlichen Singschulen
in der musikalischen Zeitschrift „Cäcüia^, Jahrg. 1864, Nr. 4 u. ff.
abgehandelt.
Singstimme, s. Stimme.
Sixtinische Kapelle wird die Gesamtheit der päpstlichen
Sänger (Capellani Cantori, Cantori apostolici oaer pon-
tefici) genannt, welche bei den gottesdienstlichen Handlungen,
die der rapst in Person verrichtet oder denen er beiwohnt, die
Gesänge zu vollführen hat. Ihr Ursprung ist auf die schola
cantorum des heü. Gregor d. Gr. zurückzuführen, welche imter
dem ausgedehnten Namen „schola romana** Autorität und vol-
lendetes Muster durch so viele Jahrhunderte beim päpstlichen
Stuhle bheb; sie hielt die Reinheit des Kii-chengesanges stets
aufrecht, und wo und wann dieser eine Verschlimmerung er-
litten, rekurrierte man immer an diese Schule, wie es Pipin, Karl
d. Gr. u. a. gethan, welche römische Sänger als Lehrer und
Restauratoren von den Päpsten sich erbaten; in der päpstlichen
Kapelle wurden gemeiniglich die Neuerimgen in der Tonkunst
zuletzt eingeführt und auch nur, insoweit sie .nach reiflicher Er-
wägung und langer Erfahrung dem kirchlichen Geiste entspre-
chend gefunden wurden. Seit dem Konzil von Trient wurde
keine Neuerung mehr zugelassen : der Gregorianische Choral und
die polyphonen Meisterwerke im Palestrinastile sind die einzigen
Gattungen Musik, welche gebraucht werden; die Instrumente,
selbst die Orgel, sind ausgeschlossen. Die Mitglieder der schola
romana waren anfängUch nur Kleriker ohne höhere Weihen,
später standen sie im Ordo des Diakonats oder Subdiakonats;
der Primioerius — der Vorsteher derselben — war nachmals ein
hochgestellter Priester; Erzpriester, Bischöfe, ja selbst Kardinäle
verwalteten dieses Amt, es wurde als eine sehr hohe Würde
behandelt, da bezüglich des Gesanges, der Lesung und der htur-
gischen Funktionen der ganze dienende Klerus dem Primicerius
untergeordnet war. Übrigens bestand das Sängerchor nicht bloss
aus Erwachsenen, sondern es waren ihm auch für manche Ver-
richtungen Singknaben — pueri symphoniaci — beigegeben.
Eine neue Organisation erhielt die päpstUche Kapelle um die
Mitte des XVL Jahrb. und mit dieser grosse Vorrechte. 1545
wurde sie auf Befehl des Papstes Paul fll. neu hergestellt und
verbessert, da die alten Urkunden durch einen. Brand vernichtet
Skala ~ Solfeggio. 277
worden waren. Magister Capellae war ein Bischof; einen
Dekan oder Kapellmeister, Abbas oder Administrator und einen
Punktator (oder Zahlmeister und Monitor) wählte das Kollegium
der Sänger aus seiner Mitte; der Chordienst war ziemlich genau
geregelt und bestimmt. Während vor Paul III. für die Sänger
noch der Klerikalstand gefordert wurde , sieht die neue Kon-
stitution vom Stande ganz ab und bestimmt nicht mehr, ob der
Aufzimehmende Priester oder, wenn Laie, unverheiratet sein
müsse. Bei den kirchlichen Funktionen haben sie sich der kirch-
lichen Kleidung zu bedienen. Die Aufnahme hing von dem guten
Bestehen einer strengen Prüfung ab, von welcher nur bei rale-
strina abgesehen ward; bis ITOO wurden nur gelehrte Kontra-
punktisten zugelassen. Die Verfassung des päpstlichen Sänger-
Kollegiums ist gegenwärtig noch in der Hauptsache die nämüohe.
Ihre volle Zahl besteht aus 24 Mann, 6 für jede Stimme, Sopran
und Alt werden von Falsetisten und hohen Teueren gesungen.
Das Archiv der Kapelle befindet sich gegenwärtig im Va-
tikan und enthält 269 grosse FoUobände der seltensten und wich-
tigsten Produkte der älteren und neueren Kirchenmusik und eine
reiche Sammlung litterarischer Urkunden: nämlich die Vorschrift-
massig geführten Tagebücher der Kapelle. Die Werke aus der'
Zeit Leo X. und Paul III. (erste Hälfte des XVI. Jahrh.) smd
häufig mit eleganten Miniaturen verziert. In neuester Zeit wur-
den cüe Archive auf Befehl des Papstes Pius.IX. (1862) geordnet,
katalogisiert und in geeigneteren Räumen aufgestellt. — Den
Namen „Sixtinische Kapelle" erhielt das päpstliche Sängßr-
koUegium von der Kirche, welche Papst Sixtus IV. (1471—1480)
an den Vatikan anbauen liess, und m welcher der Papst ge-
wöhnüch seine Funktionen hält.
Skala, der lat. und ital. Name für Tonleiter.
Sol ist die fünfte der Guidonischen Silben und bedeutet
bei den Franzosen und Italienern den Ton g.
Solfeggio bedeutet ursprünglich das Singen der Tonleiter,
gewöhnlich aber versteht man darunter textlose bungsstücke
für den Gesang, welche das Notenlesen und TrefiFen, dann auch
und vorzügUch die Ton- und Fertigkeitsbildung bezwecken. Das
Singen der Solfeggi geschieht teüs auf blosse Vokale , teils auf
Süben (Solmisation). In Italien und Frankreich behielt man die
aretinischen Süben ut re mi fa sol la bei, nur mit der Abände-
rtmg, dass der siebente Ton der Oktavenreihe si und von den
Itahenern der erste do benannt wurde. Auch in Deutschland
waren (imd sind noch hie und da) diese Silben in Gebrauch,
doch bedient man sich jetzt fast nur der Buchstaben des Alpha-
bets, welche fürs Notenlesen, weniger aber zur Büdung der
Stimme und Aussprache geeignet erscheinen. Dan. Hitzler
(t 1635) schlug zum Solfeggieren die Süben: la be ce de me fe
ge (Bebisation), Graun (f 1759) die wohlklingenden: da me ni
go tu la be (Damenisation) vor. In Belgien waren die Silben:
o ce di ga lo ma ni (voces belgicae) gebräuchlich. Alle
diese drei letztgenannten Sübenreihen sind ohne Beziehung auf
Höhe oder Tiefe des Tones und vertreten nur eine Textunterlage.
Solfeggieren — in solcher Weise singen, solche Übungen
vornehmen.
278 i Solmisation.
Solmisation — ist der Gebrauch der sechs sogenannten
Aretinischen oder Guidonischen Silben: ut re mi fa sol la, zur
Benennung der Töne, nach Tinctoris: „Die Benennung der Töne
beim Singen nach ihren verschiedenen Namen („Solfisatio est
canendo vocum per Qua nomina expressio"). Guidos Schüler oder
Nachfolger (die Zeit- und Altersgenossen Guidos, Berno Aug.
und Hermannus Contractus, und auch Wilhelm Hirsaug, Theo-»
gerus von Metz und Aribo Scholast. thun von den Suben und
der Solmisation keine Erwähnimg, erst Johannes Cottonius, im
Anfange des XII. Jahrb., meldet etwas von den Silben. Da»
Schema der Solmisation scheint erst um die Mitte des XII. Jahrb.
in den Singschulen ausgedacht worden zu sein) teilten die
20 Töne (von r bis ee) m sieben Gruppen von je sechs Tönen>
welche Hexachorde hiessen und von den Tönen r g gg, C o
und F f ausgehen; im Grunde sind es bloss drei verschiedene
Hexachorde. da die Wiederholung in der Oktave keine Verschie-
denheit daroietet. Das erste Hexachord auf G nannte man das
Hexach ordum durum, das harte Hexachord, weil unter den
sechs Tönen das harte oder viereckige b (B quadratum ;), d. i. h,
vorkommt; das zweite, von C ausgehend, bildete das natür-
liche Hexachord, Hexachordum naturale; das dritte, von
F beginnend, hiess Hexachordum molLe, das weiche Hexa-
chord, weü aarin das weiche runde b (B rotundum) zur Vermei-
dung des Tritonus in Anwendung kam. In jedem dieser Hexa-
chorde trifft von der dritten auf $e vierte Stufe ein halber Ton^
und da man iedes derselben mit ut, re u. s. w. begann, auf diese
zwei Stufen die Silben mi — fa.
TABC D E F G abtcde f gaabl^ijfcccddee
ut re mi fa sol la
ut re mi fa sol la . *
Hexach. molle ut re mi fa . sol la
Hexach. durum ut re . mifasolla
Hexach. naturale utremifa sol la
ut re . mi fa sol la.
Nach dieser Anordnung wird jeder Ton bei der Benennung-
nicht allein mit den Gregorianischen Buchstaben, sondern auch
mit den auf ihn fallenaen Silben bezeichnet, z. B. Gamma ut^
C fa ut, G sol re ut, A la mi re, c sol fa ut. Dies Tableau von
Tönen versinnlichte man sich in den Singschulen durch die so-
genannte harmonische oder Guidonische Hand (obwohl sie
nicht, von Guido herrührt), wobei man die einzelnen Töne auf
die Glieder der Finger verteüte. Da sie für uns von keinem
Werte mehr ist, so verweist man nur auf die Werke von Forkel,
Kiesewetter, Stehlin, Ambros, Rousseau u. .a., worin diese Guido-
nische Hand abgebildet ist.
Solange cBe Melodie ein Hexachord nicht überschritt, be-
hielt jeder Ton seine nach dem Hexachord ihm gebührende
Silbe; sobald aber- ein Hexachord überschritten wurde, mussten
die Süben nach dem neuen Hexachord, in dem nun die Melodie
sich bewegte, benannt, d. h. mutiert werden, damit die Silben
mi — fa wieder unter die beiden Töne kamen, welche den hal-
ben Ton konstituierten (Synemmenon- und Diezeugmenonsystem
Solmisation. 279
der Griechen). Es musste darum schon der Überleitungston im
Sinne des neu zu betretenden Hexachordes benannt werden;
Nach obigem Schema kommt dem Tone a im natürlichen Hexa-
chorde die Silbe la, im harten die Silbe re und im weichen die
Silbe mi z^; wurde von dem natürlichen Hexachorde in das
harte ausgewichen, z. B.
(la)
ut re mi fa so] re mi fa
so musste das a nicht mehr la, sondern re benannt werden, um
auf h — c die Silbe mi — fa ordnungsmässig zu bringen; oder
wenn ins Hexachord moUe gegangen wurde, z. B.
(sol)
ut re mi fa re mi fa sol
so bekam der Uberleitungston oder derjenige, welcher vor dem
halben Tone stand, statt der Silbe sol die Benennung re. Analog
wurde beim Absteigen verfahren: fa mi la sol . . . und sol fa
mi s 0 1 la . . . Solcher Mutationen zählte man auf der Hand 52.
Doch durfte man nicht eher mutieren, als bis die Notwendigkeit
es erforderte. Die Mutation war natürlich das Wichtigste bei
der Solmisation und durch Regeln festgestellt, z. B.: „Omnis
clavis imam vocem habens nuUam habet mutationem, ut G, A, B.
Sed clavis, quae duas habet voces, duas habet mutationes; prima
mutatur in sequentem ascendendo. Claves vero, quae tribus
vocibus figurantur, sex mutationibus variantur, seil, g mutatur
sol in ut per naturam, sol in re per i? molle, re in ut per ^
durum; descendendo mutatur econverso. Mutatur ascenaendo
la in re per naturam, la in mi per 1? molle, mi in re per tj
durum; descendendo mutatur econverso etc. etc." (»Ars musica
cujusdam Ratisbonensis", XIII. saecul.)
Durch die rechte Anwendung der Mutation und die da-
durch bewirkte Erscheinung des mi — fa an der rechten Stelle,
zumal im mehrstimmigen Gesänge, wurde das verrufene mi contra
fa, der Triton, vermieden, von dem es hiess: „Mi contra fa dia-
bolus in musica; mi fa coelestis harmonia." Um dem Triton
auszuweichen, hatte man auch noch die Regel : -Una nota ascen-
dente super la semper est canendum fa,"^ „Wenn der Gesang
den Ton a bloss um eine Stufe übersteigt, ist immer b statt h
zu singen;" doch galt dies nicht als eigentliche Mutation, und
wenn man mehrere Töne über la emporstieg, so blieb es bei dem
Gewöhnlichen. Spätere Tonlehrer wie Onitoparchus , Heyden,
Lossius, Hermann Finck haben die erst so schwierige, aber
schön systematisch aufgebaute Mutationslehre sehr vereinfacht.
280 Solo —* Sperrventil. ^
So sagt letzterer: „Im harten IsGesange mutieren wir auf drei
Tönen: a, e und d; beim Aufsteigen nehmen wir Re in
)A a aa ^^^ absteigend La in e e ee' ^"^ weichen ^Gesänge
ebenso auf drei Claves: d, a, g, und nehmen aufsteigend Re in
! D d (fd' absteigend La in jj d dd .
Als sich unser neues System mit seinen chromatischen
Tönen entwickelte, steigerte sich die Schwierigkeit, mit der Sol-
misation und Mutation zurecht zu kommen; man machte viele
Versuche zur Abhilfe, aber alle missfflückten, bis man die Mu-
tation ganz beiseite setzte, imd jecfem Tone seinen ursprüng-
lichen Namen unter allen Verhältnissen beliess und ihn nur nacn
seiner chromatischen Gestaltung mit einer kennzeichnenden An-
hängsilbe versah. Die Deutschen benannten die Töne mit den
Gregorianischen oder Alphabetbuchstaben, wobei das B quadra-
tum h, das B rotundum b benannt, die Erhöhung des Tones
durch die Anhängsilbe is (z. B. c, eis), die Erniedrigung durch
die Silbe es oder s (z. B. d, des, a, as) ausgedrückt wurden. Die
Franzosen und Italiener behielten die Aretinischen Silben bei,
nur nannte man c — do und h — si; die chromatischen Ver-
änderungen drücken die Franzosen durch Beisätze aus, z. B. eis
= ut dieze, as = la b^mol; ebenso die Italiener, z. B. gis = g
sol re ut diesis; ges = g sol re ut be moUe.
Solo (ital.) — allem* mit diesem Worte bezeichnet man
ein Tonstück oder einen Satz desselben, in welchem eine ein-
zelne Stimme oder ein Instrument sich ganz allein, d. h. ohne
alle Begleitung oder vor den anderen Stimmen doch wesentlich
hervortretend (als Hauptstimme) hören lässt. Der Gegensatz
davon ist Tutti (alle), wo dann alle Stimmen wieder eintreten
und zusammensmelen oder singen.
Sonns, s. Ton.
Sopra (ital.) — oben, kommt in der Musik nur in Verbin-
dung mit „comme" vor, nämlich „comme sopra** — wie oben,
d. h. es 'ist ein Satz, eine Stimme, ein Tempo wie in einer vorher-
gehenden Partie zu nehmen.
Soprano, s. Stimme.
Sordino, Dämpfer für ein Instrument; con Sordino —
mit dem Dämpfer.
Sospirien, s. Choral.
Sostennto (ital.) — gehalten, mit ausgehaltenem Tone,
bedeutet, dass eine mit diesem Worte bezeichnete Stelle oder ein
ganzes Tonstück durchaus massvoll mit dem vollen, unverkürz-
ten Zeitwerte der Noten vorgetragen werden soll. Es findet
sich dieses Wort oft als Nebenbestimmung bei langsamen Tempo-
bezeichnungen, z. B. Andante sostenuto.
Sotto voce (ital.) — mit gedämpfter Stimme, geringer
Tonstärke.
Spanisches Kreuz, s. v. w. Doppelkreuz.
Sparte, Spartito = Partitur; spartire, in Partitur setzen.
Spatinm, der Zwischenraum der fünf Linien des Noten-
liniensystems.
Sperrventil ist eine Klappe im Hauptwindkanal einer Orgel,
Spinett -^ Stü. 281
welche durch einen besonderen Registergriff regiert wird, und
wodurch es möglich ist, den Windzufluss zu einem Werke ab-
zuspeiTcn.
Spinett nannte man die im XVI. bis XVIII. Jahrh. ge-
bräuchhche kleine Sorte von IQavieringtrumenten, welche meist
in länglicht viereckiger Form gebaut waren.
Spiritoso, con spirito, — geistvoll, mit Geist; Bezeich-
nung für einen lebendigen, angeregten und feuerigen Vortrag,
Springlade, s. v. w. Kegellade (s. Orgel).
Stabat mater, s. Sequentiae.
Staccato, Ausdruck für den abgestossenen Vortrag der
Töne im Gegensatze zu Legate, dem gebimdenen Vortrage.
Stammaccord, s. Accord.
Steg, 8. Geige.
Stil (griech. fitvloq, die Säule, dann der metallene Griffel,
womit die Alten schrieben). Zuerst wurde dieses Wort auf die
Schreibart in der Rhetorik tibertragen, als die durch die Ver-
schiedenheit des Zweckes oder des Redenden oder Schreibenden
verschieden bestimmte Anwendung der Sprache, oder die eigen-
tümliche Art und Weise, seine Gedanken durch die Sprache
auszudiücken. Auch in die Musik wurde dieses Wort herüber-
^enommen und in subjektiver und objektiver Richtung an-
fewendet. Denn der Kunststil hängt nicht bloss mit der Den-
ungsart und der Bildung des Künstlers, sondern auch mit der
Wahrheit des darzustellenden Stoffes und dem Zwecke des
Kunstproduktes aufs innigste zusammen. In subjektiver Be-
ziehung sprechen wir von einem Stile nach der Individualität
des Tonkünstlers oder einer besonderen Klasse von Künstlern,
inwiefern ihnen besondere Ausdrucksweisen und Formen oder
die ganze Auffassung einer Idee eigentümlich sind; daraus ent-
stehen die verschiedenen Schulen und Manieren, z. B. der
Palestrinastil, die römische Schule, der Stil a capella u. s. w.
Auch die Nationalität be/jmndet eine Verschiedenheit des Stiles,
der Nationalcharakter wird sich in den Kunstwerken nie ver-
leugnen; der kräftige, ernste, erhabene, viel tiefer im Geistesleben
f rundende deutsche Stil unterscheidet sich sehr kenntlich von
em mehr auf äusseren Glanz und auf Eleganz* Wert legenden
französischen, und von dem spielenden, nur fast der Unterhal-
tung dienenden, heiteren italienischen Stile nicht minder in der
Darstellungsweise als in den Darstellungsmitteln. Nach der Zeit
und nach den Epochen der Entwickelung der Tonkunst redet
man von einem alten und einem neuen, modernen Stile.
Objektiv betrachtet zerfällt der Stil in Hinsicht auf den darzu-
stellenden Stoff in einen strengen oder gebundenen und
einen freien oder ungebundenen: bei ersterem wiegt mehr
die Form über, indem die Regeln der Tonsetzkunst aufs strikteste
beobachtet und die künstlichen Formen besonders berücksichtiget
werden; bei letzterem wiegt der unmittelbare Gefühlsaus-
druck vor, und wenn er auch nicht gegen die Hauptregeln ver-
stösst, so erlaubt er sich doch mehrere Ausnahmen und giiltig
fewordene Lizenzen, auch lässt er sich nicht leicht in künstliche
ormen einengen. Diese Unterscheidung fallt mit der vom
kirchlichen und weltlichen Stile fast zusammen, und es
282 Stimme.
wurde auch bis ge^en Ende des vorigen Jahrhunderts der strenge
Stil als der allem Kirchliche anerkannt. Gewöhnlich nennt man
dies Satz, Schreibart. Jedes Tonstück hat einen besonderen
Zweck, und es hat hierbei der Tonsetzer nicht bloss die ver-
schiedenen Arten des Ausdruckes der Empfindungen, sondern
auch andere Umstände, z. B. Ort, Zeit und Gelegenheit zu be-^
rüöksiohtigen, wonach besondere Eigentümlichkeiten und gewisse
charakteristische Merkmale in der ganzen Anlage und Behand*
lung des Tonstückes sich ergeben. Hiernach unterscheidet man
Kirchen-, Kammer-, Theater- imd Opernstil.
Stimme. Dies Wort hat eine mehrfache Bedeutung: 1) Be-
deutet es die menschliche Stimme an sich, 2) jede gescnriebene
Partie eines Tonstücks, die den Gesang oder die Reihenfolge der
Töne in Noten enthält, welche gesungen oder gespielt werden
soll; 3) diese Tonreihen selbst, wie sie mr die einzelnen zu einem
Ganzen vereinigten Singstimmen oder Instrumente bestimmt sind»
Sonach redet man von ein-, zwei- oder mehrstimmigen
Tonstücken, je nachdem eine oder mehrere Stimmen oder Ton-
reihen sich nebeneinander hören lassen. — Unterschieden werden
die Stimmen nach ihrer Tonlage: in hohe und tiefe Stimmen^
je nachdem eine Stimme in den höheren oder tieferen Tönen
sich nach ihrer Eigentümlichkeit vorzugsweise bewegt; nach
ihrem Verhältnisse zu einander: in Ober-, Mittel- und
Unter stimmen, insofern nämlich die Oberstimme sich in den
relativ höchsten, die Unterstimme in den relativ tiefsten Tönen
bewegt, während die Mittelstimme die zwischen beiden liegenden
Tonreihen auszuführen haben; hierbei kommt es auf die absolute
Tonhöhe nicht an, so dass bei einem Quartett von weiblichen
Stimmen der tiefe Alt gerade so gut die tiefste, Grund-,. Unter-
stimme, als bei einem Terzett für Alt, Tenor und Bass der Alt
die höchste oder Oberstimme bildet. Die Ober- und Unterstimme
werden auch äussere Stimmen genannt. Je nach dem Or-
fane unterscheidet man Vokal- oder Singstimmen und
nstrumentalstimmen. Bei der Oin^el bedeutet Stimme so
viel als Register und man hat dann Flöten- (Labial-), Zun-
fen- und gemischte Stimmen; bei ersteren wird der Ton in
en Pfeifen durch einen Aufschnitt oder Kern, bei letzteren
mittels eines dünnen messingenen Blättchens hervorgebracht;
zu den gemischten Stimmen gehören die Mixturen. Nach dem
Anteil an der Komposition teilt man die Stimmen in Real-
(wesentliche) und Füllstimmen, Haupt- und Nebenstim-'
men, Solo- und Ripien- oder Tuttistimmen. Die mensch-
liche Stimme hat vor allen Instrumenten in Ansehung ihres
Tones, der so mannigfaltig ist, als es Gemütsbewegungen, Leiden-
schaften im Menschen giot, und wegen der Fäh^keit, mit dem
Gesänge zugleich Worte zu verbinden, welche den Gegenstand
dieser Gemütsbewegung schildern, einen so grossen Vorzug, dass
die Singstimme in allen Tonstücken, wo sie vorkommt, mit Recht
die Hauptstimme ist, welcher die Instrumente nur zur Begleitung
und Ausschmückung dienen. Darum verdient sie hier eine nähere
Besprechung.
Unter menschlicher Stimme versteht man überhaupt alle
diejenigen Töne, welche der Atem bei seinem Durch-
stimme. 285
gange durch den Kehlkopf hervorbringt. Gott hat den
Menschen hierzu mit einem wunderbar künsthchen Organismus
ausgestattet. Zur Erzeugung des Tones tragen mehrere Organe
des menschlichen Körpers bei. Die Lunge liefert den Luft-
strom (Atem); je kräftiger sie ist, desto stärker kann der Ton
werden, je ausdehnbarer, desto länger können wir den Ton an-^
halten; je weniger siegepresst ist, desto gleichraässiger wird
der Ton sich büden lassen, und desto weniger ermüden wir beim
Singen. Die Luftröhre, Kehle, leitet den aus der Limge kom-
menden Luftstrahl weiter. Am oberen Ende der Lufti'öhre be-
findet sich der Kehlkopf, das wichtigste Stimm Werkzeug. Vier
Knorpel bilden ein beckenartiges Gefüge, in dessen Mitte eine
Höhlung ist, welche nach oben und unten offen steht; in dieser
Höhlung befinden sich zwei Paare sehniger Bänder, von denen
die eihen die Stimmbänder heissen, die anderen, etwas ober-
halb gespannt, Taschenb ander* zwischen jedem Paare bildet-
sich eine längliche Öffnung, welcne beim unteren Paare enger
als beim oberen ist und Stimmritze genannt wird. Nach den
Urteilen der Physiologen hat an der Tonbildung nur das untere
Paar Anteil, inaem von dem durchgehenden Luftstrahl die Rän-
der derselben in Vibrierende Bewegung gesetzt werden und so
der Luftstrahl zum Tone wird. Je nachdem sich die Stimmritze
vjBrengt oder erweitert, wird der Ton höher oder tiefer. Die
Stimmritze ist das eigentliche Tonerzeugungsorgan, alle übrigen
Teile und Organe: das Zäpfchen, der Gaumen, die Gaumsegel,
die Wangen, die Zunge, die Zähne und Lippen dienen teils zur
Veredlung des Tones, teils zur Aussprache. — Der Umfang der
Stimme ist nicht bei allen Menschen gleich; während der eine
zwei, drei Oktaven hervorbringen kann, reicht der andere kaum
eine Oktave aus; der Grund hiervon ist in der verschiedenen
Nachgiebigkeit des Kehlkopfes zu suchen, je nachgiebiger und
biegsamer er ist, desto mehr Töne lassen sich hervorhringen.
Die Stärke der Stimme hängt nicht bloss vom Kehlkopfe ab,,
sondern viel mehr noch von oer Fähigkeit der Atemwerkzeuge,
eine möglichst oder verhältnismässig grosse Masse von Atem
zugleich auszustossen ; überdies trägt auch noch die Mund- und
Nasenhöhle, die Resonanz der menschlichen Stimme vieles zu
ihrer Stärke bei. An und für sich schallen hohe Stimmen immer
weiter als tiefe. Die verschiedene Lage, Höhe und Tiefe der
Stimme gründet sich auf die verschiedene Weite des Kehlkopfes,
der Wohlklang auf die verschiedene Ebenmässigkeit oder
fleichmässig gewölbte Bildung der Organe, die Gewandtheit
er Stimme auf die leichte Beweglichkeit des Kehlkopfes und
seiner Muskeln.
Von dem Alter und Geschlecht der Menschen werden die
zwei Stimmklassen — männliche und weibliche — bedingt;
zu letzterer werden auch Knaben- und Kastratenstimmen
gerechnet. Beide Klassen oder Gattungen scheiden sich in hohe
und tiefe: die weibliche in Diskant und Alt, die männliche
in Tenor und Bass, welche wieder eine Mittelgattung ein-
schliessen: zwischen Diskant und Alt den Mezzosopran, zwi-
schen Tenor und Bass den Bariton.
Der Biskant — Canto, Cantus, der Gesang, die Melodie
284 Stimme.
genamit, weil er meistens die Hauptstimme führt, auch Soprano
— die Oberstimme, franz. Dessus, — hat seinen Namen aus
dem Mittelalter, wo man anfing, eine Stimme von der anderen
abweichen, von ihr abweichend sinken zu lassen (disoantare).
Da die untere Stimme den ^ Tenor*, den Cantus firmus hatte, so
war es die obere, welche diskantierte, daher der höchsten Sing-
stimme, der Oberstimme überhaupt der Name „Diskant" beige-
legt wurde. Der Umfang des Soprans reicht vom eingestrichenen
<5 Dis zum zweigestrichenen a; der Mezzosopran reicht nicht so
hoch, aber einige Töne noch unter das c.
Der Alt, Alto, Altus und Contralto, franz. Haute-
oontre, — alta vox, cantus altus, eigentlich die hohe
Stimme, nämlich gegen den Tenor, welcher früher die Haupt-
stimme war, — ist die tiefere weibliche oder Knabenstimme, hat
ebenfalls zwei Abstufungen: hohen und tiefen Alt, und einen
Umfang vom f bis T oder g; der hohe Alt fällt fast mit dem
Mezzosopran zusammen. Die Ausdrucksfähigkeit dieser Stimme
ist so eigentümlich, dass sie durch keine andere ersetzt werden
kann. Ihr Klang ist ernst, duldsam, herzlich; bei seiner weichen
Tonfülle und Stärke drückt der Alt am schönsten die religiöse
Erhebung und Hingebung aus.
Der Tenor — Tenore, franz. Taille — ist .die zartere
unter den Stimmen, welche dem reiferen Alter angehören, die
hohe männliche Stimme; sie reicht vom kleinen d ois zum ein-
gestrichenen f oder g. Sie ist eine der wohlthuendsten Stimmen,
alle weichere Schönheit des männlichen Charakters spricht sich
in ihr aus. Gute Tenorstimmen sind selten und nicht von gar
langer Dauer, darum fordern sie besondere Pflege und schonende
Sorgfalt. Der Name Tenor (vom lat. teneo, halten, aushalten)
stammt aus dem Mittelalter; -tenor," sagt Guido, „est mora
ultimae vocis," ist das Aushalten des letzten Tones in einem
Melodieabschnitte; Joh. Cottonius bezeichnet damit die Note,
vsrelche wir in den Psalmtönen die Dominante nennen; später
nannte man so die feststehende Kirchenmelodie, um welche sich
die begleitenden Stimmen herumschlangen (im Organum imd
Kontrapunkt) — cantus firmus; da sie von Männerstimmen vor-
getragen und meistens in die Mitte gelegt wurde, so übertrug
man den Namen /Tenor" auch auf die hohe Männerstimme.
Der Bass, Basso, Bassus, die tiefe männliche Stimme,
büdet mit seinem ernsten, würdigen, gebieterischen und feier-
lichen Charakter beim vierstimmigen Satze stets die Grund- oder
Unterstimme. Sein Umfang reicnt vom F der grossen Oktav
bis d oder e der eingestrichenen Oktav. Er hat auch zwei Ab-
stufungen: hoher und tiefer Bass; erster er wu*d Bariton
fenannt. -— Während die Frauenstimmen ihren Klangcharakter
eibehalten, sind die Knabenstimmen mit dem 16. oder 17. Le-
bensjahre einer Veränderung unterworfen (Mutation) und
schlagen in eine Oktav tiefer, in Tenor oder Bass um, d. h. sie
mutieren. Die klangvollste Stimme wird heiser, die hohen
Töne verlieren sich ganz und die tiefen kommen allmähhch, sind
aber nicht kräftig und sicher; nach höchstens zwei Jahren klin-
gen die neuen, durch die Mutation gewonnenen Töne, sind wie-
W TTT"*^ '"
Stimme. 285
der bestimmt und fest und in Bezug auf Höhe und Tiefe meist
ihrer vorigen Lage entsprechend. Einige Gesanglehrer wollen^
dass auch während der Mutationszeit einige, wenn auch nur
sparsame Singtibungen vorgenommen werden; andere sagen^
man darf gar nicht singen; gewiss ist, dass, wenn gesungen
wird, die äusserste Vorsicht angewendet werden muss.
Der gewöhnhche Stimmumfang ist 15 Töne oder zwei
Oktaven; diese Töne sind sich aber nicht gleich an Klang und
Hervorrufunff; es gibt mittlere (ungefähr acht Töne), welche
mit Leichtigkeit kommen, d. h. gesungen werden können und
rund und hell klingen; oberhalb schliessen sich die hohen Töne
an, welche schon mehr Aufwand und Luftstärke bedürfen und
spitzig und gellend sind, nach unten sind die tiefen Töne^
welche breit und klanglos sind. Bei Männern findet manch-
mal die bemerkenswerte Erscheinung statt, dass sie über die
genannten hohen Töne noch etliche Stufen hinaus erreichen, die
man Falsett- oder Fisteltöne heisst. Während bei den übri-
gen Tönen, der sogenannten Bruststimme — die Bänder der
Stimmritze in vollständige Schwingung versetzt sind, hat bei
den Falsettönen nur eine teilweise Schwingung statt. Diese
Falsettöne sind den Brusttönen an Kraft und Klangfarbe sehr
unähnlich; ohne Bildung klingen sie weinerlich und unmännlich,,
und nur durch fleissige Kultur können sie den übrigen ähnlich
gebildet werden. Die genannten Abstufungen der Töne mit ihrer
oft merklich verschiedenen Klangfarbe bei einem und demselben
Individuum hat man auch „Register" (ein der Orgel entnomme-
ner unpassender Ausdruck) genannt, und redet von einem Brust-^
Mittel-, Falsetregister u. s. w.
Was die Bildung, Vervollkommnung und Pflege
der Stimme anbelangt, genügen folgende Bemerkungen:
I. Die Bildxmg der Stimme hat ins Auge zu fassen: 1) die
richtige Stellung und den gehörigen Gebrauch der
Stimmwerkzeuge zum guten Tonansatz; der Sänger suche
seine Zunge und den Kehlkopf in der Lage zu erhalten, die sie
im ruhenden Zustande haben, er beherrsche auch den Luftstrom
und gebrauche ihn nicht in gleicher Kraft bei allen Tönen, mit
Heftigkeit aber niemals. Fehler gegen die ordentliche Stellung^
der Zunge, des Kehlkopfes u. dgl. erzeugen den sogenannten
Hals-, Magen-, Nasenton, welche nichts taugen. — 2) Die
gehörige Stellung des Körpers; erfordert sie schon der
Anstand vom Sänger, so noch mehr das Wohl seiner Stimme
und das Wirken seines Gesanges. Der Körper muss eine freie,,
aufrechte Haltung annehmen, weder vorne über, noch mit Zwang^
und Steifheit zurückgebeugt werden; ein grosser Fehler ist das
Auseinanderspreitzen der Füsse, man stehe auf beiden Füssen
fest. Die Schultern müssen so weit zurücktreten, dass sie die
Brust ohne Spannung hervortreten lassen, die Arme seien auch
frei. — 3) Die Veredlung des Klanges der Stimme, das
möglichste Verschmelzen der Register an ihren Grenzen, reine
und sichere Intonation, Biegsamkeit der Stimme und Ökonomie
im Atemholen. Solches kann nur durch häufige, sorgföltig gelei-
tete und vorgenommene Übungen, durch Vokalisen, Solfeggien u. a.
286 Stimmfühi'ung.
geschehen ; eine besondere Beachtung verdient das An- und Ab-
schwellen des Tones und das Portamento.
IL Rücksichtlich der Pflege der Stimme hat der Sän-
ger zu beachten: 1) beim Singen. Jedes Stimmwerkzeug ge-
winnt durch massige und ordentliche Thätigkeit, wird aber
geschwächt durch Unordnung und zu grosse Anstrengung. Man
singe daher nie bis zur völligen Ermüdung; Töne, die man nur
mit Mühe singen kann, singe man höchst selten, und die übrijgen
nie mit unnatürlicher Anstrengung; das Schreien verdirbt jede
Stimme. Man singe ferner nie im Zustande der Erhitzung^ der
Ermüdung, nie unmittelbar nach dem Essen, nicht in heissen,
aber auch nicht zu kalten Lokalen. Sind die Stimmorgane an-
gegrifTen oder krank (Katarrh, Heiserkeit, Hustenreiz u. dglj. so
singe man gar nicht, ebenso zur Zeit der Mutation; die an Eng-
brüstigkeit leiden, haben sich besonders zu schonen. — 2) Ausser
der Z^eit des Singen s. Man halte Mass im Essen und Trin-
ken; letzteres ist besonders schädlich unmittelbar nach einem,
auch nur etwas anstrengenden Gesänge oder unter demselben,
wie überhaupt im erhitzten Zustande; fette Speisen, ölige Dinge,
alle scharfen geistigen Getränke und heftig reizenden Gewürze
meide man. Tabakrauchen kann manchmal der Stimme zuträg-
lich sein, vieles Tabakschnupfen macht die Stimme klang- und
resonanzlos. Der Sänger kleide sich gleichmässig warm, doch
nicht verzärtelt, und vermeide starke Erhitzungen , sowie auch
Verkältung, namentlich der Stimmorgane; scharfe Zugluft, tro-
•ckene Ost- und rauhe Nordwinde haben immer einen schädlichen
Einfluss auf die Stimme; die Kleider sollen aber bequem sein,
nicht drücken, vorzüglich den Hals nicht beengen. Blasinstru-
mente unterlasse der Sänger ganz, da sie die Brust unnötig an-
strengen und der Stimme einen guten Teil ihrer Kraft rauben.
Habe dann grosse Sorgfalt für Erhaltung der Zähne I — Feuchte,
dumpfe, neblichte, staubige, sehr heisse und sehr kalte Luft greift
Brust und Kehlkopf an.
Hiermit ist aas Nötigste über die menschliche Stimme und
ihre Pflege gesagt.. Ausführlicheres findet man in grösseren
Gesangschulen, z. B. von A. B. Marx, „Die Kunst des Gesan-
ges"; Schmid, „Grosse Gesangschule für das singende Deutsch-
land"; Baumann, „Ausbildung der Kehle zum Instrument"
u. V. a.
Stimmführung bedeutet die melodische Gestaltung und
Fortführung einer Stimme im Zusammenhalt mit den anderen
sie begleitenden Stimmen. Eine gute Stimmführung verlangt
Sangbarkeit, welche grossenteils auch auf Meidung von schwer
zutreffenden Intervallen und Gängen beruht, ferners natürlichen
Fortschritt der Töne, besonders Abwärtsführen der Septime und
Aufwärtsführen des Leittones, dann Vermeidung der Ouinten-
und Oktavenparallelen und überhaupt Beobachtung der allgemein
gültigen Satzregeln. Die meiste Sorgfalt in dieser Beziehung
fordert der Vokalstil, namentlich die Behandlung von realen
Stimmen. Weniger ist diese Sorgfalt nötig bei den Instrumental-
stimmen, namentlich bei den Tasteninstrumenten und den blossen
Füllstimmen. Doch macht der Orgelstil mehr Anspruch auf
gute Stimmführung.
Stimmgabel — Subbass. 287
Stimmgabel, ein aus Stahl gabelartig zweizinkig gearbei-
tetes, unten mit einem Stiele von gleichem Metall versehenes
Instrument, welches, wenn seine Zinken durch Anschlagen an
einen harten Gegenstand in tremulierende Bewegung gesetzt
werden, einen Ton hell und klar angibt. Sein Erfinder isx John
Shore, welcher als Lautenist der königl. englischen Kapelle 1753
starb. Die Stimmgabeln sind entweder in emgestrichen a oder c
eingestimmt. In neuerer Zeit bedient man sich statt der Stimm-
gabel eigens konstruierter Stimmpfeifchen.
Stimmhammer, ein hammeriörmiges Instrument, um beim
Stimmen mancher Saiteninstrumente (z. B. Klaviere) die Wirbel
zu drehen und allenfalls locker gewordene Wirbel durch leichte
Schläge wieder zu befestigen.
Stimmstock, 1) bei Streichinstrumenten das kleine Stäb-
chen, das im Innern des Instrumentes zwischen Ober- und Unter-
deckel unter dem rechten Stegfuss angebracht ist; es wird auch
Seele und Stimme genannt. 2) Bei rianoforte der starke höl-
zerne Querbalken, dicht über oder hinter der Klaviatur, in wel-
chen die Stimmnägel (oder Wirbel) eingefügt sind.
Stimmung bedeutet in der Musik a) die nach dem fest-
gesetzten Stimmtone (Normalton, gewöhnlich das eingestrichene
a) angenommene und aus dem Höhen- und Tiefenverhältnisse
dieses Tones sich mathematisch entwickelnde Übereinstimmung
der Oktaven und übrigen Intervalle eines Instrumentes; oder
b) die gleichförmige Üoereinstimmung aller Instrumente eines
Orchesters hinsichtlich ihrer mathematischen Tonverhältnisse.
Früher hatte man verschiedene Stimmungen: den Chorton und
•den Kammerton, wovon der erstere um einen ganzen Ton
tiefer war als der letztere. Jetzt bedient man sich so ziemlich
überall des Kammertones, nach welchem eine offene hölzerne
Pfeife von acht Fuss Länge das tiefe C gibt; doch finden auch
hier noch einige kleine Abweichungen statt; nur für ganz Frank-
reich ist ein fixer Ton dekretiert, welcher auch bereits in anderen
Xiändern angenommen ist : das eingestrichene a ist zu 870 Schwin-
fungen in der Sekunde angenommen (Pariser Stimmung). — Die
armenischen Instrumente, Klavier, Orgel u. dgl. weraen nach
f leichschwebender Temperatur gestimmt (s. Temperatur), so
ass jeder halbe Ton zum nächstfolgenden in gleichem geome-
trischen Verhältnisse wie zu dem vorhergehenden steht und die
ganze Oktave in 13 ganz gleiche Halbtonmtervalle geteilt wird.
Streichinstrumente sind diejenigen, welche mit einem Bo-
gen gestrichen, gespielt werden; Streichquartett begreift
zwei Violinen , Bratsche oder Altviola und Violoncell oder Bass
in sich. (S. Instrumente.)
Stretto (ital.), eilend, gedrängt; Bezeichnung für die Eng-
führungen in der Fuge (s. d.).
Stringendo (itä.), zusammendrängend, deutet einen eilen-
deren Vortrag an, ein rascheres Vorwärtsdrängen.
Subbass, ein grosses, in den meisten Orgeln sich findendes
Flötenregister im Pedal, zu (8) 16 und 32 Fusston, offen und ge-
deckt, weit mensuriert, mit tiefem, dunklem Tone, welches meist
von Oktav 8* unterstützt werden muss, und als Fundament von
^grossem Werte ist; deshalb wird es auch Untersatz genannt.
288 Subdominante — Symbolum.
Subdominante = Unter dominante.
Subito (ital.) plötzlich; z. B. -volte subito", kehre schnell
um, gewöhnhch abgekürzt: v. s. oder V, S.
Subjekt, s. Fuge.
Subsemitonium modi, s. v. w. der sogenannte Leitton, die
siebente Stufe einer Tonart.
Suoeentor, s. Kantor.
Superabundans oder abundans tonus, s. Kirchenton*
arten.
Supplieren, ergänzen, — bedeutet den Ersatz des Choral-
fesanges durch blosses Orpelsgiel; n^an gebraucht dafür auch
as Wort: abspielen. Die kirchlichen Vorschriften gestatten
nämlich, einige Partien eines Choralgesangstückes nicht mit
Gesang auszuführen, wenn nämlich die Sänger zu grosse Bd-
schwerde zu erleiden hätten bei vollständiger Ausführung, —
sondern dafür Orgelspiel eintreten zu lassen unter der Bedin-
gung, dass unterdessen der nicht gesungene Text yon einem
oder zwei Sängern vernehmlich gesprochen oder eintönig reci-
tiert werde. Fast durchgängig ist es der Fall, dass solcher-
f estalt in den Vespern die Antiphonen nach den Psalmen durch
ie Orgel suppliert werden* ebenso bei schwachen Conventchören
die je zweite Strophe der Hymnen. So können bei allen Choral--
stücken einige Teile suppliert werden. Eine Ausnahme machen:
das Credo, welches stets ganz zu singen ist, ferner die erste imd
letzte Strophe der Hymnen und alle jene Strophen und Sätze,
bei welchen zu knieen ist.
Suspirinm, s. Choral.
Syllabae, Süben, 1) die Guidonischen Silben, s. Solmi-
sation: 2) Tonfiguren; dass in der Sprache 1, 2, 3 Buchstaben
eine Silbe büden, gab den alten Theoretikern Anlass, auch be-
züghch der Töne das Wort „Silben" zu gebrauchen, indem sie
1 oder 2, 3 oder 4 verbundene, über einer Textsübe zu singende
Töne oder doch im Räume einer Konsonanz sich findende Ver-
bindung von 2—4 Tönen eine musikahsche Sübe nannten. (Odo,
Guido, Aribo.)
Syllabischer Gesang = im Gegensatze zum melismatischen
Gesänge derjenige, wobei auf jede Sube nur ein Ton trifft.
Symbolum, das Glaubensbekenntnis (Credo). In der
Liturgie kommen' drei Symbola zur Anwendung: 1) das apo-
stolische Glaubensbekenntnis, Symbolum apostolicum „Credo
in Deum" in dem Officium; 2) das nicäno-Konstantinopoli-
tanische, und dies ist das Credo der Messe; 3) das sogenannte
Symbolum S. Athanasii „Quicimque vult salvus esse^ in der
Prim, aus den Schriften dieses Heiligen zusammengestellt, wie
einige Liturgiker angeben. Durch eigenen Gesang ist bloss das.
-Credo in unum Deum" in der heiligen Messe ausgezeichnet.
Wann es daselbst in allgemeinen Gebrauch kam, tässt sich nicht
bestimmen. Zuerst wurde es in der orientalischen Kirche ge-
sungen; von da soll der Gebrauch in die lateinische Kirche
übergegangen sein; doch findet sich schon im 11. Ordo Romanus,,
den rapst Gregor d. Gr. verbessert hat, die Rubrik: „Post lectum
Evangelium .... ab Episcopo ,Credo^ cantatur.** Es scheint bis
zum äI. Jahrh. (mit Ausnahme der Pontifikalmessen) nicht
Symphoneta — Synkope. 289
ffesungen, sondeni bloss reöitiert worden zu sein, was auch
Martene und Gerbert festhalten. In einzelnen abendländischen
Kirchen war dessen Gesang aber schon im IX. Jahrh. in Übung.
Die typische Ausp^abe des Graduale romanum gibt vier verschie-
dene Gesangsweisen des Credo. — Diese Melodien haben eine
Einrichtung wie die Gesänge des Accentus, so dass gemäss der-
selben das Credo bloss recitierend vorgetragen werden muss.
Das ist die einzig richtige, dem Inhalte una nicht poetischen
Texte konvenierende Vortragsweise^ wovon die Komposition der
neueren Musik so sehr abweicht, die das Ganze in eine Kantate
umgewandelt hat mit Zuhilfenahme ungehöriger Wortmalerei. —
Das Credo soll ohne jegliche Kürzung und Auslassung
gesungen werden; selbst mit der Orgel den je zweiten Vers oder
Artikel „abzuspielen", ist nicht erlaubt. Viele kirchliche Ver-
ordnungen schärfen den vollständigen Gesang des Credo ein.
Symphoneta, ein Meister des mehrstimmigen Satzes, wäh-
rend Phonascus den Komponisten einer schönen Melodie
bedeutete. .
Symphonie (griech. arfttputvia^ das Zusammenstimmen) war
bei den Griechen der Ausdruck für Konsonanz; so hiessen auch
die durch viele Stimmen im Unisono ausgeführten Gesänge.
Hucbald (X. Jahrh.) wie alle früheren Schriftsteller über grie-
chische Musik, gebrauchte dies Wort noch gleichbiB deutend mit
Konsonanz; Guido von Arezzo (XI. Jahrh.) oenennt damit die
Melodie, auch Albertus M. (XIII. Jahrh.) versteht darunter ausser
Konsonanz noch das Zusammensingen vieler im Einklang, ja
Hermann Finck (XV. Jahrh.) versteht noch unter dem Ausdrucke
symphonizare nichts anderes, als das Mitsingen einer Ton-
weise in der Oktav. Daher hiessen in alter Zeit die Chorknaben
pueri symphoniaci. Bei dem Emporkommen der Instrumente
nannte man Musikstücke für Vokal- und Instrumentalmusik
Symphonien; im XIV. und XV., selbst noch im XVI. Jahrh. be-
nannte man den Tonsetzer Symphoneta, die Tonsetzkunst
Symphonurgia. Erst im XVII. Jahrh. wurde der Name bloss
für Instrumentalstücke gebraucht, und eine Symphonie (jetzige
Schreibart: Sinfonie) war bis ins XVII. und aVIII. Jahrh. die
Einleitungsmusik bei Opern, seit dieser Zeit Ouvertüre be-
nannt. Joseph Haydn gestaltete sie zur eigentümlichen Musik-
gattung aus.
Synaphe (griech.) im Tonsystem der Griechen die Ver-
bindung zweier Tetrachorde, so dasB der vierte Ton des einen
zugleich der erste Ton deö anderen war. Im mittelalterlichen
Tonsysteme fiel die Synaphe auf D und d; stand die Synaphe
auf a, so trat an die Stelle des b quadratum (ft) das b molle {?).
Synemmenon (tetrachordon) , das dritte, eingeschobene
Tetra chord, welches die Töne a b c d umfasste (s. Griechische
Musik).
Synkope, eine taktische Figur in der Musik, wobei die
zweite Hälfte eines Taktteiles oder einer Taktgrösse mit der
ersten Hälfte des folgenden Taktteiles verbimden wird, z. B.:
KommüUer, Lexikon. 19
290
System — Tabulatur.
Durch das Anbinden der Note auf dem guten Taktteile an die
vorhergehende auf dem schlechten Taktteile wird der Accent
der TaKtteile aufgehoben oder verrückt, weshalb man diese Fi-
guren auch Rückungen nennt. In früheren Zeiten zog man
sogar die Noten von einem Takt an den anderen zusammen
und schrieb:
$m
m
Doch kommt ebenso häufig vor, dass man bei solchen Synkopen
den Taktstrich wegliess und auf diese Weise bald Takte schrieb,
welche zwei halbe Noten, bald solche, welche vier halbe Noten
enthalten.
System bedeutet im allgemeinen die Zusammenstellung
von Dingen in einer bestimmten Ordnung, ein nach einem Zweck
oder einer Regel geordnetes Ganze, in welchem die Teile oder
Glieder einander gegenseitig voraussetzen oder stützen; so spricht
man in der Musik von einem Ton-Harmonie-Noten-System.
Systema bedeutete bei den Alten eine Reihe vieler Töne,
z. B. die Oktavreihe, daher auch die gebräuchliche Doppel-, auch
die einfache Oktavreihe systema absolutum et perfectum, das
absolute und vollkommene System genannt wurde (s. Griechi-
sche Musik; vgl. Gerbert, Sc. I. 74), während Tonreihen oder
Intervalle von kleinerem Umfange (innerhalb engerer Konsonanzen
eingeschlossen) diastema hiessen.
T.
T., Abkürzung für Tenore, Tutti; t. s. = tasto solo. Im
Mittelalter wurde T zur Bezeichnung von tonus, Ganzton, ge-
braucht.
Tabulatur (vom lat. tabula, die Tafel), ital. Intjftvola-
tura, bezeichnet eine Übersichtstafel vereinigter Stimmen, ei»e
Art Partitur, dann auch die Tabulatuischrift und jede Gattung
Notenschrift. Diese Art der Aufzeichnung scheint erst mit dem
Erblühen des Kontrapunktes und besonders mit dem Anfange
des XVI. Jahrh. in Übung gekommen zu sein, und man bediente
sich ihrer hauptsächlich für die harmonischen Instrumente, als
Orgel, Laute, Theorbe. Es gab eine deutsche, eine italieni-
sche imd eine Lautentabulatur. In Deutschland war bei
den Organisten, sogar auch hin und wieder bei den Kontra-
Tabulatur. 291
punktisten, eine Tonschrift mit Buchstaben in Übung, in welcher
viele Orgelkompositionen und selbst Partituren grösserer Vokal-
kompositionen, namentlich aus dem XVI. Jahrh. aufbewahrt sind.
Die Töne wurden in deutscher Kurrentschrift bezeichnet:
1 — I — I — I ^' 0-F I — }— » — I 1 — \—±-^-0-f
(5:3)(£g®3l$)cbefga^ cbefgaöcbe
Ein dem Buchstabea angehängtes Häckchen zeigte die Erhöhung
dm'ch |3 an, z. B. f = fis^ g = gis. Statt es setzte man dis,
statt des — eis u. s. w., eme Tonoenennung, welche bis Anfang
dieses Jahrhundei-ts hin und wieder im Gebrauche war. Die
Dauer der Töne wurde durch folgende Zeichen, welche über den
Buchstaben standen, angedeutet: ■ = psj; 1 = ♦; | ^ t;
P== |>R = TjN = Tj Anstatt der Zeichen ^ ^ findet man auch
Kamen mehrere Viertel, Achtel u. dgl. hintereinander,
so verband man sie auf ähnliche Weise, wie es heutzutage mit
den Schwänzen der kleinen Notengattungen geschieht
zutage
, z. B.:
g a h a
'§^m
Bisweilen findet man die oberste Stimme eines mehrstimmigen
Gesanges mit schwarzen Noten geschrieben. Die deutschen Or-
fanisten hielten sich an diese Tabulatur noch lange, nachdem
ie Niederländer, Franzosen u. a. sie zurückgelegt und der Noten
sich zu bedienen angefangen hatten.
Die italienische Tabulatur ist nichts anderes, als die
von Viadana mehr verbreitete Bezifferung dös Grundbasses, der
sogenannte „ Gener albass**. — Die Lautentabulatur war an-
fönglich ebenso eingerichtet wie die benannte deutsche, nur dass
sie mit den Buchstaben und Ziffern nicht Töne, sondern die
Lage derselben auf der Laute, d. h. die Bünde bezeichnete. Doch
waren die deutsche Lautentabulatur (als deren Erfinder der
blinde Musiker Konrad Paulmann von Nürnberg genannt
wird), die italienische und französische unter sich ver-
schieden in der Anwendung von Ziffern oder Buchstaben, in
Italien bediente man sich hierbei auch noch eines Systems von
sechs Linien. — Bei den alten Kontrapunktisten findet sich auch
eine Notentabulatur, die wahren Anfänge unserer Partituren
(s. diesen Artikel); sie benützten ein System von 10 Linieij, wel-
ches gerade den Umfang der gewöhnlichen vier Singstimmen
19*
i
292 Tacet ^ Takt.
beffreift, und trugen auf dieses die Noten ein, welchen sie für
jede Singstimme eine andere Form oder Farbe gaben; Takt-
striche wui'den dabei angewendet. Um die Mitte des XVI. Jahrh.
nahm diese Tabulatur em Ende und es begannen die Partituren
mit vier-, fünf- und mehrzelligen Systemen. Als ein bemerkens-
wertes Werk, in deutscher Tabulatur gedruckt, sei angeführt:
„Neue künstliche Tabulatur auf Orgel und Instnmiente . . .
durch Bernhard Schmid, Bürger und Organisten zu Strassburg,
1577, Fol.", welches zugleich eme reiche Sammlung der schönsten
Kompositionen guter Meister dieser Zeit ist.
Tacet (vom lat. tacere, schweigen)^ „er (der Spieler oder
Sänger) schweigt", wird gesetzt, wenn bei einem bedeutenderen
Absätze eines Tonstückes irgend eine Stimme nicht mitzuwirken
hat. Im Italienischen heisst es: si tace.
Takt, vom lat. t actus, Berührung, Schlag, ist eigentlich
eine Zeiteinheit in Noten dargestellt; einer längeren Tonreihe
würde bei all ihren sonstigen Schönheiten doch das Moment der
Einheit fehlen, sie würde schwer zu fassen oder gar unverständ-
lich sein, würde sie nicht in gleichartige Abschnitte zerlegt und
so übersichtlich gemacht. Der Takt oder- die Taktabteüüng be-
wirkt diese Einneit in der Mannigfaltigkeit der Zeitmomente.
Allerdings gibt es auch taktfreie Tonreihen, wie die Choral-
melodien, rhantasien u. dgl.. Jedoch entbehren dieselbeji nicht
eines ordnenden Elementes, indem sie in Gruppen gebracht sind,
welche auf mehr oder minder wichtige Ruhepunkte abfallen und
hierdurch ein Verständnis des musikalischen Gedankens bewir-
ken. Die Notwendigkeit einer Taktabteilung hat sich mit der
emporkommenden Mensuralmusik und Harmonie aufgedrängt,
indem das Nebeneinander schreiten mehrerer Stimmen m Noten
von verschiedener Geltung eine gewisse Abteilung derselben nach
einerlei Verhältnis erforderte. Als solche Takt- oder Zeiteinheit
nahm man vorerst die Brevis (daher auch „Tempus" ihr Ver-
hältnis zur Longa genannt wurde), später die Semibrevis an,
die entweder zwei- oder dreiteilig, als imperfect oder perfect
angenommen wurde; denn der Schlag (Niederschlag), t actus,
bedingt zugleich, soll ein zweiter folgen, eine Hebung, einen
Aufschlag, als Vorbereitung für diesen, welche entweder dem
natürlichen Gefühle gemäss gleich lang oder kürzer als der
Schlag sein kann. Wenn auch eine Reihe von Tönen in gleiche
Abscfiaitte gebracht wird, so kann sie doch als monoton, für die
Musik gar keinen Wert haben, wenn nicht die Accente in diesen
Abschnitten berücksichtiget werden und so ein und das andere
Glied dieser Abschnitte, ein Taktteil vor den anderen hervortritt;
und das ist eben dies, was wir oben als Niederschlag und Auf-
schlag, Senkung (Thesis) imd Hebung (Arsis) Dezeichnet
haben und was auch Taktgewicht heisst. Hiemach bilden
sich die verschiedenen Taktarten, welche im allgemeinen in
zwei Hauptklassen — die geraden, welche auf der Zwei-
teilung— die ungeraden Taktarten, welche auf der Drei-
(oder Fünf-)Teilung beruhen, sich scheiden. Zu den geraden
Taktarten gehören also: der 7« oder Allabreve {0)j alla
Cape IIa oder Tempo maggiore (ältere Tonstücke werden
-fWV-.^ .>'\
Taktschlagen. 293
gewöhnlich in Takten, welche vier halbe Noten umfassen, notiert,
grosser und doppelter Allabrevetakt), der 74 > ^U CG)? ^®^ %> ^/s?
Vsf ^Vs Takt. Zu den ungeraden, auch Trippeltakte ge-
heissen, gehören der 7, ( oder c? o s), «/,, 7«, V«, 7i«
Takt u. dgl. Alle diese Taktarten können wieder einfache
(%j V4J 7i und '/s) oder zusammengesetzte (^/^, 74? 7«, ''/g)
sem. — Die Hauptabschnitte eines Taktes, Arsis und Thesis,
schlechte und gute Taktteile zerfallen auch in Unterabteilungen,
welche noch geringeren Accent als die schlechten Taktzeiten
haben und Taktglieder und Gliederteile heissen. Der 72Takt
ist also accentuiert:
I I- [ I I [■ (^QY */ ; _J I J I J .
1 '4 1 V, 1 V^ '/, '/.
der V.T.in Achteln: Jj^J^-J^; der /.T.aber: JTTi ,jT<
/// /////// 444 i i ii i i
Es ist, darum nicht gleichgültig, welche Taktart für ein Ton-
stück genommen wird, wenn sie auch in manchen Beziehungen
gleich erscheinen; und wenn sich eine Melodie u. dgl. sowohl
in 74 als Vd schreiben Hesse, so ändert dies doch wegen des Ac-
centes an dem Charakter der Melodie u. dgl. sehr viel.
Die einzelnen Takte werden durch senkrechte, das ganze
Liniensystem durchneidende Striche, Taktstriche, voneinander
feschieden. Manchmal beginnt ein Stück nicht mit einem vollen
akte, und man sagt von diesem, dass es den Auftakt habe;
in solchem Falle geben der erste und letzte unvollständige Takt
zusammengenommen einen vollen Takt.
Taktschlagen ist die Bezeichnung der Taktteile (oder Takt-
glieder bei langsamer, oder Takthälften bei schneller Bewegung)
von Seiten des Dirigenten durch Hebung , Senkung oder Seiten-
bewegung (auch hörbares Aufschlaffen) mit der Hand, einer
Notenrolle oder dem Taktierstab. Beim Allabreve-, 74, 7«> in
sehr schnellem Tempo auch beim 74 und Vs Takt findet
bloss ein Nieder- una ein Aufstreich statt; beim 74 Takte ein
Niederschlag, ein Seitenschlag nach rechts oder links und ein
4 6
Aufstreich; beim 74 Takt 2— 3; beim 7$ Takt 3_ ^':z% u. dgl.
I 1 '
1 ^2
In den Musiken aus der älteren Zeit sind bei der geraden Takt-
art vier halbe Noten in einen Taktraum zusammengefasst; wird
hierzu der Takt geschlagen, so soll er nicht nach Art des
*/4 Taktes geschlagen weroen, sondern man hat ihn als doppelten
Allabrevetakt aufzufassen und demnach auch eine halbe Note
äIs Niederschlag, die andere als Aufstreich zu behandeln, gleich
als wären le zwei halbe Noten oder ihr entsprechender \Vert
in einen Takt gefasst. Dies ist die naturgemässe Art des Takt-
294 Tantum ergo — Te Deum laudamus.
gebens für diese Musik, da die Semibrevis (= er) das Grundtakt-
mass war und diese durch Auf- und Niederstreich bezeichnet
wurde. Auch hat iede erste und dritte Note eines solchen
grossen Taktes gleiches Gewicht, es bilden nur zwei halbe Noten
eine Takteinheit, nicht vier; es würde aber dies natürliche Takt-
eewicht durch Taktschlagen nach Art des V4 Taktes gestört, in-
• aem dabei der dritten Note ein bei weitem schwächeres Gewicht
zukäme und erst die vier Streiche ein volles Ganze bildeten.
Doch schlägt man jetzt aus praktischen Rücksichten den Takt
gewöhnlich nach Art des * ., Taktes. — Wichtig ist es, dass die
Bewegungen des Taktschiagens auf das präziseste, in einem
Ruck eine jede, ausgeführt werden, damit sie dem Musikper-
sonale die Taktteile aufs schärfste bezeichnen; ohne dieses wird
unsicheres, schwankendes Zusammenspielen oder Singen der guten
Ausführung bedeutenden Eintrag thün.
Den Takt hörbar zu schlagen, ist nur bei der Einübung
und im Notfalle zu gestatten; in der Kirche ist es überaus stö-
rend und unjgeziemend ; darum hat auch 1856 der Kardinalvikar
in Rom in emem Erlasse den Kapellmeistern und Chordirigenten
eingeschärft, den Takt nicht niit einem Stocke, sondern mit einer
Papierrolle zu schlagen, was Rom und Italien wohl am meisten
angeht, wo man gewohnt ist, den Takt hörbar zu schlagen.
Tantum ergo. Mit diesen Worten beginnen die letzten
zwei Strophen des Hymnus Fange lingua, welche bei dem
feierlichen Segen mit dem Allerheiligsten nach der Vorschrift
der Kirche zu singen sind, während der Priester an den Stufen
des Altares anbetend kniet. Diese Strophen werden vom Chore
(mit oder ohne Intonation von Seiten des Priesters) vor dem
Segen selbst abgesungen, nach deren Beendigung der Versikel
„Panem de coeio etc." mit dem Responsorium „Omne delecta-
mentum in se habentem (AUeluja)** mit der Oration de SS. folgt.
Während des danach gegebenen Segens schweigt der Chor, und
die Orgel ertönt, wenn sie gespielt wird, nur mit sanften und
leisen Stimmen.
Taste heisst jeder der hebelartigen Teile an Klavierinstru-
menten und Orgeln, durch dessen Niederdruck der betreffende
Ton hervorgeruien wird.
Tasto solo bedeutet in der Generalbassschrift, dass der
Spieler zu dem Grundtone nicht einen Accord greifen, sondern
diesen Grundton allein anschlagen soll.
Tauf wasserweihe, s. Karwoche.
Technik ist das Mechanische, sozusagen Handwerks-
mässige in der Kunst, das gelernt werden kann und muss; ohne
technische Fertigkeit ist es nicht möglich, ein Kunstwerk zu
schaffen oder korrekt auszufühi-en; der Gesang und die Kompo-
sition haben wie die Instrumente ihre eigene Technik.
Te Deum laudamus. Dieser kircnhche Lobgesang, wel-
chen man auch den Ambrosianischen Lobgesang nennt,
wird als ein Werk des grossen Hymnendichters und Kirchen-
lehrers Ambrosius betrachtet, doch nat man hierfür keine unum-
stösslichen Zeugnisse. Einige nennen auch den heil. Hilarius von
Poitiers und Nicetius von Trier als dessen Verfasser. Der Text
hat offenbar ein sehr hohes Alter, seine musikalische Durch-
J
Teiltöne — Temperatur. 295
führung ist wohl in die Zeit Gregors d. Gr. zu setzen ; die wahr-
haft grossartige, erhabene und ergreifende Melodie bewegt sich
im Umfange einer Oktav und gehört dem IIL und I V. Tone
(mixt.) an. — Der heil. Benedikt schreibt diesen Hymnus in
seiner Regel als Schluss der dritten Nokturn für alle Sonntage
und Feste, welche drei Nokturaen haben, vor. Im römischen
Brevier hat er seine Stelle am Schlüsse der 9. Lektion als ein .
Dankgebet an allen Tagen, deren Feier eine zur Freude stim-
mende ist, somit regelmässig an allen Sonntagen (mit Ausnahme
der Sonntage von Septuagesima bis Ostersonntag), an allen
Festen bis herab zum semiauplex, sowie auch während der Fest-
oktaven und in der ganzen österlichen Zeit. Ausnahmsweise
wird das Te Deum noch feierhch gesungen, um Gott für em-
pfangene grosse Wohlthaten zu danken. In diesem Falle bildet
es entweder eine eigentliche gottesdienstliche Feier, oder schliesst
sich als ein eigener Ritus an die Feier der heihgen Messe u. dgl.
an. Diese letztere Anwendung ist auch schon alt; laut einem
Kapitulare Ludwig des Frommen schloss der Konvent von Bi-
schöfen in Tribur im Jahre 822 seine Verhandlungen auf diese
Weise. — Im Chor stimmt der Hebdomadar in festis solemn. et
Dominicis das Te Deum an, nachdem der Kantor ihm die Into-
nation desselben gegeben. Ist kein fest, solemn. oder Sonntag,
so treten die Kantoren in die Mitte des Chores j und intonieren
selbst diesen Lobgesang. Bildet es eine eigentliche Dank-
sagungsfeier, so intoniert es der Celebrant; beim Vers „Te ergo
quaesumus" kniet er sich nieder und auch die Melodie und
musikalische Bearbeitung dieses Verses nimmt einen ruhigeren,
feierlichen Gebetscharakter an. An den Schluss des Lobgesanges
knüpfen sich Versikel und Responsorien : If^, Benedicamus Pa-
trem et Filium cum sancto Spiritu. Ijfc. Laudemus et superexal-
temus eum in saecula. J^. Benedictus es Domine in firmamento
coeli. If. Et laudabihs et gloriosus et superexaltatus in saecula.
Hf, Domine exaudi orationem etc. etc. und eine entsprechende
Oration.
Teiltöne, Partial- auch Obertöne genannt, s. Aliquottöne.
Teilung der Intervallenvernältnisse ist die Lehre,
wie irgend ein beliebiges grösseres Intervall in zwei oder meh-
rere kleinere Intervalle oder -Klanggrössen geteilt werden kann.
Die Teilung kann arithmetisch, harmonisch und geometrisch
sein. Bei der arithmetischen Teilung finden ungleiche Ver-
hältnisse bei gleichen Differenzen statt, es müssen die Verhältnis-
zahlen gleich weit voneinander abstehen, z. B. die Oktav 2 : 1,
in drei Intervalle geteüt, ergibt [(2 : 1) x 31 6 : 5 : 4, es entsteht
erst eine kleine Terz, dann eine grosse Terz und zuletzt eine
reine Quart, was zusammen eine Oktav ist (c, es, g, c). — Die
harmonische Teilung bringt ungleiche Verhältnisse und un-
gleiche Differenzen hervor, die geometrische aber ungleiche
Differenzen bei gleichen Verhältnissen.
Temperatur in der Musik heisst die von der Natur ab-
weichende Stimmung der Instrumente und überhaupt die ganze
Einrichtung unsers Tonsystems, wonach die Oktave m 12 gleiche
halbe Töne eingeteilt wird und die Unterschiede des Komma
u. s. w. nicht in Betracht kommen. Die mathematische
296 Tempo.
Temperatur, wobei jedes Intervall nach seiner eigentlichen
mathematischen Grösse ertönt, lässt sich namentlich auf den
harmonischen Instrumenten nicht durchführen, indem eine solche
Stimmung nur für eine einzige Tonart Geltung haben könnte,
für eine andere Tonart die meisten derselben Töne zu hoch oder
zu tief erscheinen würden, z. B. das mathematisch rein gestimmte
d für C dur wäre zu tief für D dur u. s. w. In« praxi ist man
aber schon der Theorie vorausgegangen, indem das menschliche
Ohr nicht so vollkommen ist, aass man diese feinen Unterschiede
des Komma u. dgl. hätte ausdrücken oder genau hören können;
die Biegsamkeit der menschlichen Stimme accommodierte sich
dem Erfordernisse des Ohres. Erst nachdem im XVI. und XVII.
Jahrh. die Transpositionen und der Wechsel der Tonarten nach
dem neu auftauchenden Systeme häufiger wurden, sah man sich
fenötiget, auf eine Veremfachung der chromatischen Töne zu
enken. Lange noch hatte die Orgel besondere Tasten und
Pfeifen für es und dis, as und gis, bis endlich um die Mitte des
XVII. Jahrh. die Ausgleichung der Töne, die gleich-
schwebende Temperatur, Eingang fand. Dass hierbei für
viele Töne die mathematische Reinheit nicht beibehalten
werden konnte, geht aus den Lehren der Akustik hervor.
Tempo, vom ital. Tempo, lat. Tempus, franz. mesure,
eigentlich Zeit, dann Zeitmas s, bezeichnet die absolute Gel-
tung der Töne, wie lang eine bestimmte Note in diesem oder
jenem Tonstücke sein oder gehalten werden soll, dessen längerer
oder kürzerer Dauer auch die Teile dieser Note, oder die Takt-
teüe und Taktglieder bezüglich der Dauer entsprechen. Dadurch
entsteht dann die schnellere oder langsamere Bewegung eines
Tonstückes. Um die absolute Geltung einer Note zu bestimmen,
hat Mälzel ein Metronom, Chronometer (s. d. A.), Zeit^ oder
Taktmesser erfunden, und nach diesem wird in Graden die Ge-
schwindigkeit einer bestimmten Note am Anfange eines Ton-
stückes angegeben. Ausserdem bedient man sich gewisser Kunst-
ausdrücke, um das Tempo oder die schnellere oder langsamere
Bewegung des Tonstückes zu bezeichnen. Man kann diese Aus-
drücke, die meist in italienischer Sprache gebräuchlich sind, in
drei Klassen einteilen:
I. Die langsame Bewegung: Largo, sehr langsam und
gedehnt; Larghetto, etwas langsam und gedehnt; Adagio,
langsam ; L e n t o , etwas weniger langsam als Adagio ; G r a v e ,
schwer, gewichtig; II. die mittlere Bewegung: Andante,
gehend; Andantino, ein wenig gehend; Moder ato; III. die
schnelle Bewegung: Allegretto^ etwas munter und leicht;
Allegro, munter und lebhaft; Vivace, lebhaft und feurig;
Presto, geschwind; Prestissimo, sehr geschwind. Zur fei-
neren Abstufung werden auch noch Beiwöi-ter hinzugefügt, als:
assai, sehr (z. B. Allegro assai, sehr schnell); un poco, ein
wenig; un poco piu, em wenig mehr ; meno, weniger; tropo,
sehr; non ,tropo, nicht zu sehr; molto, viel.
Der Übergang von einem schnelleren zu einem lang-
sameren Tempo wird angedeutet mit den Worten: ritenuto
(abgekürzt: rit.), zurückhaltelid; ritar d and o (ritard.), zögernd;
rallentando (rallent.); calando (cal), beruhigend; der
Tempo. ' '297
Übergang von einem langsameren zu einem rascheren
durch: accelerando (acceL), schneller werdend;, st ringende
(st ring.), dringender.
Die Tempobezeichnungen sind erst seit dem XVII. Jahrh.
in die musikalische Praxis eingeführt. Vor dem Aulblühen der
eigenthchen kontrapunktischen Kunst ward man bloss von dem
Charakter des Tonstückes oder von augenblickhcher Erregung
angetrieben, die Bewegung zu beschleunigen oder zu verlang-
samen. Vom XV. bis XVÖ. Jahrh. diente die sogenannte Pro-
portionslehre, das Tempo anzuzeigen und kenntlich zu ma-
chen. Indem die Semibrevis als Grundmass angenommen war
(s. „Takt"), stellte man zwei Zahlen nach Art eines Bruches
übereinander, setzte sie an den Anfang eines Tonstückes oder
einer Abteilung desselben und regelte dadurch den mehr oder
minder raschen Fortschritt. So z. B. bezeichnete f, dass die von
einem Schlage ausgefüllte Zeit nun von drei semibreves zu er-
füllen seij deren sonst eine jede die Dauer eines Schlages (tactus)
hatte; die Bewegung war also hiernach um das Dreifache zu
beschleimigen ; ^ liingegen bedeutete, dass ein von drei Schlägen
fewöhnücn erfüllter Zeitraum durch das sonst nur den dritten
eil dieser Dauer einnehmende Tonzeichen zu erfüllen sei u. s. w.
Mit dem Beginne des XVII. Jahrh. fand man die bisherige Art,
mehr oder minder beschleunigte Bewegung anzuzeigen, immer
mehr ungenügend und fing an, durch Worte die Bewegung im
allgemeinen anzudeuten. In den Werken des Mazzaferrata , Ka-
pellmeisters der Akademie zu Florenz (zweite Hälfte des XVII.
Jahrh.), finden wir zuerst die allgemeine Anwendung der Kunst-
auödrüoke; Adagio, Affettuso, AUegro, Presto, Vivace, Largo, se
place; wie auch Liehrbücher aus dieser Zeit, z. B. J. A. Herbstens
„Musica moderna practica" (2. Aufl., Frankfurt a. M. 1653) die-
selben schon aufgenommen haben. Diese technischen Ausdrücke
behaupteten ihre Stelle bis auf den heutigen Tag^und wurden
noch durch manche Zwischenstufen vermehrt. Eine absolute
Bestimmtheit der Bewegung kann übrigens nur durch chrono-
metrische Angaben erlangt werden; doch haben diese allgemei-
nen Ausdrücke, deren Anwendung in verschiedenen Zeiten und
Ländern, selbst bei den einzelnen Komponisten oft einen Wechsel
erfährt (z. B. das Allegro in den Massen von Haydn, Mozart ist
häu^ ein ganz anderes, als unser Allegro, und es scheint mehr
auf den behenden Vortrag als auf eine mit der Komposition s&r
nicht übereinstimmende Schnelligkeit der Bewegung sich zu oe-
ziehen), vor den chronometrischen Angaben den Vorzug, dass
sie viel mehr noch als die Zeitbestimmung den Charakter deuten.
Ohnehin kommt es in künstlerischer Beziehung keineswegs auf
genaueste mathematische Tempobestimmung an, da sie sich, na-
menthch in einem läi^eren Tonstücke, nicht einmal absolut
festhalten lässt, und die Stimmung des Momentes hin und wie-
der eine etwas raschere oder langsamere Bewegung fordert.
Von dem Ergreifen des rechten Tempo nängt sehr viel
ab, und es kann durch dessen Verfehlen nicht allein die charak-
teristische, sondern selbst auch die formale Schönheit eines Ton-
stückes sehr verdunkelt und der beabsichtigte Eindruck zerstört
werden. Eine zu rasche Totalbewegung bewirkt notwendig
298 Tempo.
Undeutlichkeit, die zu langsame dagegen zerreisst stets den wohl-
thuenden Fluss der rhythmisch-melodischen Perioden. Ein streb-
samer Dirigent eines fcirchenchores wird darum sich nioht mit
den allenfallsigen Tempobezeichnungen begnügen, sondern er
wird die Tempobewegung auch aus dem Charakter und demt
formalen Wesen einer Komposition entnehmen. Zu rasche Tempi
finden im allgemeinen in der Kirchenmusik keinen Platz, da sie
zu sehr dem Ernste und der Würde des Gottesdienstes entgegen
sind; aber auch zu langsame, soferne sie nicht durch die Art
der Komposition und ihren Zweck gefordert werden, sind zu
vermeiden, da sie schleppend und die Erbauung nicht fördernd
sind und nur zu häufig die Stimmmittel über Gebühr anstrengen.
Dies ist besonders zu beachten bei den Stücken a capella, welche
in halben , und ganzen Noten geschrieben sind und von vielen
Dirigenten zu langsam und gedehnt ausgeführt werden. Man
lasse sich nicht durch die grössere Notengattung zu gar lang-
samem Vortrage verleiten; oenn die alten Meister suchten auch
durch die Notengattung auf den Vortrag hinzuwirken; für die
Motetten und geistliche Musik bedienten sie sich gern der grös-
seren Noten und stellten das Zeichen beschleuni^er Bewegung
voran, während sie bei der Madrigalen- und weltlichen Kom-
position vielmehr die kleinere Notengattung wählten und dann
das Proportionszeichen langsamer Bewegung anfügten. Dadurch
sollte bei gleicher Bewegung dort ein nachdrucksamer, ernster,
hier ein leichter Vortrag eintreten. — Hier möge die Bemerkung
einen Platz finden, dass es nicht wohlgethan ist, die in halben
und ganzen Noten geschriebenen Werke der Kirchenmusik in
Viertel- und halbe Noten umzuschreiben, wie in neuerer Zeit
einige Versuche gemacht wurden. Mag auch die Bewegtmgs-
geschwindigkeit in beiden Fällen gleich genommen werden, so
wird man doch im Vortrage einigen Unterschied merken; er
wird getragener und gewichtiger sein bei .der Schrift mit grossen
Noten. Allerdings ist dies etwas rein Ausserliches ; aber wie
viele kleine Ausserlichkeiten wirken auf den unvollkommenen
Menschen oft mit mächtigem Einflüsse! B. Marx sagt ganz
richtig : -Man pflegt den grossartigen und höheren oder niederen
und leicnteren Sinn eines Tonstückes auch durch die verschieden
benannten, aber gleichbedeutenden Taktarten anzudeuten. Dem
Wesen nach ist jede zwei-, drei- u. s. w. teilige Taktart gleich
einer anderen zwei-, drei- . . teiligen; Haupt- und Nebenteüe,
grössere und kleinere Accente bleiben dieselben; auch die Takt-
fliederung ist überall gleich; auch aufs Tempo hat die Grösse
er Taktteile keinen Einfluss; es kann der V2 > %? ^ g Takt die-
selbe Schnelligkeit der Bewegung haben. Demungeachtet hat
man an alle diese Bezeichnungen häufig einen Unterschied ge-
knüpft. Man ist stülschweigend übereingekommen, die grössere
Notengattung als Zeichen mr den grösseren oder grossartigeren
Inhalt, die kleinere Notengattung als Zeichen des kleineren oder
leichteren Inhaltes und Charakters gelten zu lassen. Hochernste,
würdige Sätze wird man also eher im *,,, ^,^ oder ^.j Takt setzen,
flüchtige und leichtfertige im */« , ^U > ^U Takt, und nun erst das
Tempo nach der Notengattung bestimmen. ... So seltsam es
Nichtkomponisten dünken mag, so möchte sich doch schon das
Tempus — Terzett. 299
bloss technische Geschäft des Schreibens (wie wohl jeder Kom-
ponist erfahren hat), einen gewissen Einfluss auf die Ausführung-
anmassen. Grössere Notengattungen (halbe und ganze) schrei-
ben sich breiter und langsamer und verbinden sich weniger,
laden also schon damit zu breiterer und weniger leichter, flüch-
tiger oder flüssiger Abfassung und Ausführung der Gedanken
ein; Fugen, selbst Choräle im Va und ^Z, Takt nehmen leicht
einen anderen, breiteren und ernsteren Gang, als im ^l^ oder
''4 Takt. Natürlich wird und darf sich der Geist nicht durch
die federführende Hand unterjochen lassen; aber ebeij. darum
wählt man lieber gleich die zusagendere Schreibart.** Ahnliche
Erfahrungen wird jeder Dirigent bei der Ausführimg der in der
einen oder anderen Weise notierten Stücke machen.
Tempus, s. Mensuralmusik.
Tenor (vom lat. teneo, halten, inne haben) kommt in meh-
reren Bedeutungen in der Musik vor: 1) Guido bezeichnet damit
die Dauer eines Tones, insbesondere des letzten Tones; 2) Tenor
nannte man auch die Dominante eines Kirchentones, den das
E VO VAE beginnenden Ton ; 3) dann auch den ununterbrochenen
Lauf der Oktavenreihe, sowie den ambitus. Umfang und Inhalt
einer Tonart (Gerb. II. 366); 4) eine Hauptmelodie, zu welcher
ein Discantus oder auch mehrere Stimmen gesetzt wurden, vox
principalis, oantus firmus (s. KontrapunKt). 5) Die höhere
männfiche Stimme (s. Stimme). Anfänglich war die Tenor be-
nannte und die Hauptmelodie, den cantus firmus führende
Stimme die tiefere gegenüber dem höheren Discantus; später
gesellten sich eine tiefere Stimme, Bassus, und eine mittlere,
Kontratenor, hinzu, welch letztere man zuletzt Alto benannte;
die oberste und höchste Stimme hiess dann Soprane.
Tenuto (ital.), abgekürzt ten., ausgehalten, getragen, be-
deutet, dass die betrenenden Noten ihrem vollen Werte nach
ausgehalten werden sollen.
Terminatio (lat.), Ausgang oder Schlussfall eines Psalm-
tones. /
Terz , der dritte Ton /Von einem angenommenen Grundton
aus, oder ein Intervall von drei Stufen, welches auf dreierlei
Weise vorkommen kann, a) als grosse Terz, bestehend aus zwei
ganzen Tönen, von den Alten deshalb Ditonus genannt; ihr
mathematisches Verhältnis ist 4:5. b) Als kleine Terz, be-
stehend aus einem ganzen und oinem grossen halben Ton, —
semiditonus, — 5:6; c) als verminderte Terz, bestehend
aus zwei grossen halben Tönen j Verhältniss 225 : 256. — Die
Terz, sowohl die grosse als kleine, ist für die Harmonie sehr
wichtig, indem sie das charakteristische Intervall für die Ton-
arten, die grosse für die Dur-, die kleine für die Moll-Tonarten —
ist; im Dominantaccord ist sie der Leitton, semitonium
modi, und es wird, um diesen für die Molltonarten zu gewinnen,
die leitereigene kleine Septime beim Dominantaccord in Moll um
einen halben Ton erhöht, um die grosse Terz und somit einen
Leitton zu gewinnen. Die älteren Tonlehrer benannten die Terz,
weil sie das mittlere Intervall des Dreiklanges ausmachte, auch
Mediante. — (S. Horae canonicae.)
Terzett, Terzette, nennt man ein Tonstück für drei kon-
300 Terzquartaccord — Text.
•zertierende (Sing-)Stimmen , unbeschadet der Instrumentalbeglei-
tung; dreistimmige Instrumentalsätze heissen Trios.
Terzquartaccord, s. Accord.
■ Tetrachord, eine Reihe von vier Tönen, war die Grund-
lage des griechischen und fmheren mittelalterlichen Tonsystems.
Man fand und benützte drei verschiedene Tetrachorde der dia-
tonischen'Tonreihe: a) mit der Tonfolge von ^, 1, 1 Ton, wie
B (H) C D E, 3 c d e, E F G a, e f g a; b) mit der Tonfolge
von 1, ^, 1 Ton, wie A B (H) C D, a |j c d, D E F G, d e f g;
o) mit der Tonfolge von 1, 1, ^ Ton, wie i' A B C, G a fl c,
CJ D E F, c d e f. Je nach ihrer Stellung erhielten sie die Na-
men. Tetrachord hypaton (das tiefste), meson (das mittlere), die-
zeugmenon (das getrennte) , synemmenon (das verbundene),
hjperbolaeon (das oberste). Vom XL Jahrb. an bediente man
sich dieser Namen nur mehr selten, sondern hielt sich einfach
an die obengenannten drei Unterschiede. Dagegen fügte man
weiter jedem dieser Tetrachorde noch einen Ton an, una erhielt
dadurch vier Fentachorde oder Fünftonreihen, aus deren Ver-
bindung mit den Tetrachorden man die acht Oktavreihen, Kir-
ohentöne oder Tonarten konstruierte. Obwohl zwei gleichartige
von obigen Tetrachorden (F G a 2 blieb wegen des Tritonus von
der Reihe der legitimen Tetrachorde ausjgeschlossen) in diazeuk-
tischer Weise miteinander verbunden eine richtige Oktavreihe
ff eben, so behielt man doch (Alkuin lehrt es und die heutige
Chorallehre hält sich noch daran) die Zusammensetzung oer
Oktav aus Ouint und Quart (Diapente und Diatessaron) fest,
weil nur auf dieser Grundlage ein schönes, festgeschlossenes
System der Tonarten sich ergab. Den Ausgang nahm die mittel-
alterliche Theorie vom Tetrachord D E F G, diese vier Töne
waren die Basis der Oktavreihen, in diese Töne endeten alle
Gesänge, weswegen sie Finales, Schlusstöne und so auch dies
Tetrachord tetrachordum finalium benannt wurden. Auf jedem
dieser Töne errichtete man eine Quint oder vielmehr ein renta-
chord und auf dieses ein Tetrachord in verbundener Weise
(synemmenon); diese Art der Zusammensetzung ergab den
authentischen oder Hauptton (Tonart); ferner mgte man das
betreffende Tetrachord unten statt oben an, und man hatte die
plagalische oder Nebentonart; für beide blieb aber der unterste
Ton des Pentachords Grund- und Schlusston. So bildete sich
durch Benützung des ersten. Pentachords (Diapente (D E F G a
und des ersten Tetrachords a :| c d (A B C D) die erste und
zweite Oktavreihe, die I. und IL Kirchentonart mit dem Schluss-
tone D; und so bei den übrigen. (S. Kirchentonarten, vgL
Kirchenmusikalisches Jahrbuch von X. Haberl 1885, 1886, 1887.
^Die alten Musiktheoretiker".)
Text, in der Musik die Worte, welche zur musikalischen
Komposition bestimmt sind und gesungen werden, die sprach-
liche Unterlage eines Tonstückes. In der Kirchenmusik sind die
Texte nicht der ganz freien Auswahl des Tonsetzers überlassen,
sondern sie sincT für jede gottesdienstliche Handlung und jeden
Teü derselben festgesetzt, und er kann daher nach den aus-
drücklichen Bestimmungen der Kirche nicht andere als die
rituellen nehmen, und dem Dirigenten obliegt ebenso die
Text. 301
Pflicht, nur Tonstücke mit den rituellen und für das jeweilige
Fest oder die gottesdienstliche Feier vorgeschriebenen Texten,
in Anwendung zu bringen; im Notfalle ist wohl ein von dem
für die Feier vorgeschriebenen Texte des Offertoriums, Graduales,
ülierhaupt der wechselnden Texte, abweichender Text verstattet,,
jefloch nur ein ritueller, kirchlicher und mit der Feier in Be-
ziehung stehender. Die Kirche hat sich oft und oft über den
Missbrauch und den Unfug, der mit den Texten gemacht wurde
und wird, nachdi'ücklichst ausgesprochen. Ihr Wille in diesem
Punkte lässt sich in folgende Sätze zusammenziehen: Es sollen
die Textworte deutlich vernehmbar sein;, sie sollen nicht
unnötig wiederholt werden, Abkürzung, sinnstörende
Zerstückelung hat fern zu bleiben* es sollen die bedeut-
samen Worte auch durch die Musik entsprechend hervor-
gehoben werden. (Vgl. Credo, Orgel, Psalm u. a.)
Die älteren guten Tonmeister seit Palestrina, der gegen-
über den Ausartungen der vorhergehenden Zeit eine den Anfor-
derungen der von Papst Pius IV. eingesetzten Kommission ent-
sprechende Kirchenmusik lieferte, haben diese Normen immer
emgehalten, und sie glitten über Stellen, wie „Adoramus te,
Suscipe deprecationem^ im Gloria, „Et in Jesum Christum, Et
inoarnatus, Cruciflxus" u. dgl. im Credo nicht rücksichtslos hin-
weg, sondern einigten sich mit dem bei diesen Stellen anbeten-^
den Priester durch Einfügung gedehnter, ruhig gehaltener Me-
lodie. Für den Kirchenkomponisten macht Stein die Bemerkung:
-Er muss den Text zu erfassen suchen, aber nicht so fast den
Text allein, sondern die ganze heilige Handlung hat er gleichsam
in Musik zu setzen. Er muss nicht den Ein<&uck wiedergeben^
den ein Text auf ihn gemacht hat, sondern die Stimmung aus-
zudrücken suchen, welche in der ganzen liturgischen Feier weht,
wovon der Text nur ein untergeordneter Teil ist; — die Stim-
mung, welche nach der Absicht der Kirche bei dieser Gelegenheit
alle Gemüter beherrschen soll. Diese Stimmung kann er nicht
lediglich aus sich allein entnehmen, er muss sie vorerst von
aussen, durch richtiges Erfassen der liturgischen Handlung und
ihrer besonderen Bedeutung bei der besonderen Gelegenheit, für
welche er arbeiten will, — durch Vertiefen seines Gemütes in
diese Handlung — durch ein reges Mitleben des ganzen kirch-
lichen Lebens — in sich aufnehmen." So wird dann auch die
leidige Wortmalerei von selbst wegfallen.
Von grosser Wichtigkeit ist es, die Textworte auf ange-
messene Weise unter die Noten zu setzen. Bis Mitte des XVI^
Jahrh. findet man in den Drucken die Worte ganz ohne Rück-
sicht auf den Platz unter das Linien System gesetzt, und die
Sänger mussten sie nach ihrem Urteile unter aie Noten vertei-
len; man hatte hierfür gewiss bestimmte Regeln, welche aber
nicht schrifthoh auf uns gekommen sind. Wir Können sie jedoch
aus Notendi'ucken des XVI. Jahrh., aus den Werken Lassos be-
sonders, in welchen die Silben aufs gewissenhafteste untergelegt
sind, ableiten. Bellermann führt nachfolgende als die hauptsächlich-
sten an: 1) Ligaturen dürfen nicht durch Silben zerrissen werden:
2) wenn mehrere Noten auf einer Silbe standen, so liess man
nur nach den grösseren Notengattungen, nicht nach einer
302 Text.
Viertelnote eine neue Silbe aussprechen, da das Aussprechen
der Konsonanten und das Verändern der Mundstellung nicht
ohne, wenn auch noch so kleinen Zeitverlust geschehen kann;
3) einem einzeln stehenden Viertel gab man dagegen ohne Be-
denken eine Silbe, z. B. Dominum. 4) Um dem Sänger bequeme
Zeit zum Atemholen zu gönnen, besonders an Stellen, wo eine
Verbindung der Töne notwendig erschien, imd die Melodie nicht
zerrissen werden sollte, setzte der Komponist nicht selten vor
einer längeren, bisweilen auch vor einer Kürzeren Note ein Vier-
tel von derselben Tonhöhe, z. B.:
mi - nus.
Ton solchen gleichen Noten ist die zweite stets eigens zu into-
nieren, und es darf auf ein solches Viertel weder eme Silbe ge-
setzt werden, noch eine Silbe unmittelbar nachfolgen. 5) Die
Wendung der Wechselnote
■f^^^^i
^^i^ä
verträgt keine eigene Silbe. 6) Bei fugierten Sätzen benützten
die Alten die letzte oder vorletzte SÜDe des Textes im Thema
zu Melismen, um den Eintritt der nachahmenden Stimme deut-
licher hören zu lassen. 7) Das Thema einer Fuge oder Imitation
oder eines Kanons muss bei der Nachahmung jedesmal dieselben
Worte und dieselbe Wortunterlage haben, vor allem aber auf
den ersten Noten, weü sich diese dem Gehöre am meisten ein-
prägen. 8) Zum Text eignet sich vernünftigerweise nur ein
kurzer Satz, ein vollkommen abgeschlossener Gedanke. Die
Alten nahmen also sorgföltige Rücksicht auf Verständlichkeit
der Textworte, um nicht verschiedene Textworte zu gleicher
Zeit hören zu lassen, welche Ausartung im XIII. bis XV7 Jahrh.
besonders im Schwünge war, oder durch zu viele und schnell
aufeinander folgende Süben das Verständnis zu erschweren.
Allerdings haben sie oft auch gegen die Quantität der Silben
gefehlt, und in dieser Hinsicht liessen es die Komponisten oft
genug und lassen es nicht selten heutzutage noch fehlen, -;-
aber gegen den Sinn haben sie nie Verstössen, z. B. persequßris
statt persequeris gesetzt. Bei synkopierten Noten nahmen sie es
nie genau und es beleidiget diese Art auch das Gehör nicht son-
derlich; auch kann eine kurze Schlusssübe durch ein Melisma
gedehnt werden, wie es in den Choralmelodien häufig durch die
Neumen oder Jubilen geschieht.
In dem Gregorianischen Chorale herrschte bei der Text-
unterlage oder vielmehr bei der Besetzung einer Silbe durch mehr
oder weniger Noten beziiglich ihrer Länge und Kürze oft grosse
Willkür; besonders vom A. Jahrh. angemngen, wo die Melodien,
Thema. 303
vornehmlich bei den Franzosen, sehr notenreich werden, über-
liessen sich die Verfasser solcher Melodien mehr dem dm-eh die
augenblickliche Stimmung und das gehobene Gefühl diktierten
melodischen Flusse, dem sich die Quantität der Silben teilweise
unterordnen musste. Doch war das keineswegs für das Ohr und
den Sprachaccent so beleidigend, weü kurze, mit vielen Noten
belegte Süben immer durch die nachfolgende , auch tonreiche
Silbe eine Gewichtsausgleichung fanden und der gute Vortrag
die über eine kurze Silbe gesetzten mehreren Noten als ein leicht
hinfliessendes Melisma mit geringem Acoent darstellte. So z. B.
wenn beim Worte „Dominus" die kurze Silbe „mi" mehrere No-
ten über sich hat, so ist immer die erste Sübe mit einer schwe-
ren langen nota essentialis, die letzte Silbe „nus*^ wenigstens
mit zwei länger zu haltenden, durch absteigenden Gang gewich-
tigere Noten belegt. Doch ist auch die erste als mehr oetonte
Sube in der Regel häufiger mit mehreren Noten besetzt. Voll-
kommen gültige Regeln lassen sich nicht abstrahieren. Die
Herausgeber neuer Cnoralbücher gingen in ihren diesbezüglichen
Ansichten weit auseinander, und die unzähligen Versionen der
Choralmelodien waren nicht geeignet, eine einheitliche Behandlung
des Gegenstandes 'zu ermöglichen. Diesem Übelstande ist durch
die typische Ausgabe der liturgischen Choralbücher abgeholfen.
Häufigere und beachtenswertere — weil im steten Be-
dürfnisse liegende ^- Nachfrage erregte die Textunterlage beim
Psalm engesang e. Dass es je hierfür bestimmte Regeln ge-
geben habe, ist taum anzunehmen, da nirgends hierüber, auch
nicht im Directorium chori, eine Andeutung zu finden ist. Die
päpstlichen Kapellsänger legen in den Psalmkadenzen eine gleiche
Anzahl Silben ohne Rücksicht auf Länge oder Kürze unter die
selbständigen Noten. Das Zusammentreffen verschieden betonter
Silben ohne metrische Regelmässigkeit macht den Psalmengesang
etwas schwer, und diese Schwierigkeit kann n-ur durch L her-
einkommen der Psalmen singenden Communität oder des
Chores gehoben werden, wobei es hauptsächlich darauf ankommt,
dass man alle Ungelenkigkeit in Unterordnung der Silben unter
die Klauseln vermeide. In neuerer Zeit sind Versuche gemacht
worden, hierin eine Einheit anzubahnen: „Anleitung zur kirch-
lichen Psalmodie" von Jos. Mohr, Regensburg, Fr. rüstet 1879;.
Tresch, J. B., „Die Viergliederung in den Kadenzen der Psalm-
töne^, Eichstädt, Hornik 1881; „Psalterium vespertinum" (Volks-
ausgabe) von Fr. X. Haberl, Kegensburg, Pustet 1885.
Thema, eigentlich das, was als Gegenstand der Behand-
lung vorgesetzt wird, dann der Hauptsatz, über den abgehandelt
wii'u oder werden soll, so auch in der Musik der Satz, welcher
einem ganzen Tonstücke oder einem Teüe desselben zu Grunde
liegt. Nachdem das Thema hingestellt ist, wird es weiter aus-
genihrt und verarbeitet nach den Regeln der Tonsetzkunst —
thematische Arbeit, — so dass es in verschiedenen Wen-
dungen und Tonarten und unter mancherlei Veränderungen
wieder kommt. In der thematischen Arbeit kann das Genie
seine Kraft mit höchster Freiheit entfalten und gewinnt auch
ein Tonstück dadurch an eigentlich künstlerischer Bedeutung.
In der Fuge heisst das Thema Subjekt, Führer. Die ersten
304 Thema.
Keime der thematischen Arbeit zeigen sich in den Anfingen des
Kontrapimktes ; im XII. Jahrh. redet Joh. v. Garlanoia von
„Repetitionen eines Satzes" in verschiedenen Stimmen — was
nichts anderes ist, als Imitation, Nachahmung. Die erste nieder-
ländische Schule (XIV. Jahrh.) umkleidet noch den cantus firmus
mit Harmonien und kontrapunktischen Formen, und bringt nur
gelegentlich, nicht zu häufig Kanons an; aber Busnois Kennt
schon die künstlerische Bedeutung streng im Kanon einander
nachahmender Stimmen und wendet sie häufig an. In den Wer-
ken des XVI. Jahrh. endlich macht sich neben dem Zusammen-
fügen verschiedener Melodien auch das lebendige Entwickeln
der einen aus der anderen geltend. Man benützte für die Kir-
chenwerke häufig Themata aus Kirchenweisen, die sich aber
Dehnung, Verküi'zung u. dgl. gefallen lassen mussten, wie es
eben die sie umspinnenden Nacnahmungen u. a. forderten, wo-
durch der cantus firmus in Melodie und Text oft ganz unver-
ständlich wurde ; da man hierzu die ganze Kirchenweise nicht
mehr brauchen konnte, so begnügte man sich gewöhnlich mit"
einem Teüe derselben. Die Niederlander gingen . noch weiter und
benützten für ihre Kirchenwerke selbst weltliche Weisen als
Themen, was bald allgemeine Nachahmung fand. Die Stimmen
der Kirchenoberen und besonders das Konzil von Trient machten
diesem Missbrauohe ein Ende. Die römische Schule zog es nach
dem Vorgange Palestrinas vor, ihre Themen aus dem Grego-
rianischen Kirchengesange oder aus selbsterfimdenen geistlichen
Gesängen berühmter Meister zu entlehnen; die venedische Schule
scheint bald beides hintangesetzt zu haben, wie sie überhaupt
freiere Erfindung allem anderen vorzog. In dieser Zeit hatten
sich die Formen der thematischen Entwickelung: Imitation, Ka-
non, fugierter Satz, Ricercari zu hoher VoUenoung herausgebil-
det, und werden in dieser Beziehung die Meisterwerke des XVL
Jahrh. stets vollendete Muster bleiben. Dies hat wohl nur für
die Vokalmusik Geltung — nur die Ricercari waren für Instru-
mente geschrieben, — dm*ch den Aufschwung der Instrumente
erfuhr (Be thematische Entwickelung einen namhaften Vorschub ;
vorzüghch war es die Orgel, welche hierzu am meisten beitrug,
und wie hoch man gestiegen, das bezeugen die staunenswerten
Orgelwerke» Seb. Bacns. Zugleich erwuchs aus den fugierten For-
men die Fuge (s. d.), jene höchste Form der neueren Kunstmusik,
ein aus strenger und freierer Nachahmung in bestimmter Folge,
nach einem gewissen Gesetze gearbeitetes mehrstimmiges Ton-
stück. Die thematische Arbeit m ihrem allseitigen Wesen, die
Entwickelung und Herausbüdung eines Tonstückes aus einem
längeren oder kürzeren Thema durch Auflösung desselben in
seine Bestandteile und deren Fortbildung zu neuen Perioden ist
erst seit Haydn, Mozart und Beethoven mit der modernen In-
strumentation ins Leben getreten, gehört auch nur der reinen
Instrumentalmusik an, weswegen hier darüber nichts weiter zu
sagen ist. Die Vokalmusik macht von der Zergliederung des
Themas und der ebenmässigen Periodenbildung entweder keinen
oder doch nur eingeschränkten Gebrauch, was auch schon der
Text gebieten würde; sie beschränkt sich hauptsächhch nur auf
die streng thematischen Formen.
r *
Theorbe — Tonart. 305
Theorbe, ital. Tiorba, ein veraltetes Saiteninstrument,
um 1650 erfunden, war eigentlich eine grosse Laute und wurde
auch wohl Basslaute genannt. Man bediente sich derselben
bei der Kirchenmusik und auch in der Oper, um den Gesang in
Accorden zu begleiten und den sagenannten Generalbass darauf
zu spielen. Docn dauerte ihr Gebrauch nicht über 100 Jahre.
Thesis (griech.), die Senkung, der Niederschlag, der gute
Taktteil.
Tintinabulum (lat.), die Schelle, das Glöcklein. Man be-
nützte solche zu Glockenspielen (s. d.) in Orgeln; Gerbert führt
in den Script, mehrere Anweisungen an, tmtinabula organica
oder nolae zu giessen.
Toccate, ital: Toccata, ein Tonsatz für Klavier oder Or-
gel, welcher fast dasselbe wie Phantasie, Caprice, auch Etüde war.
Ton bedeutet einen Klang von bestimmten Schwingungs-
verhältnissen, von bestimmter Höhe oder Tiefe. Man bezeichnet
mit diesem Worte aber auch ein Intervall — Tonus — , dessen
beide Enden nur um eine diatonische Stufe voneinander ent-
fernt sind. Da dieses Intervall verschiedene Grösse haben kann,
so hat man ganze und halbe Töne, und scheidef diese wieder
in grosse und kleine ganze und grosse und kleine halbe
Töne. Der ganze Ton ist dasselbe Intervall, welches wir ge-
wöhnlich die grosse Sekunde nennen, der halbe Ton ist die
kleine Sekunde. Der grosse ganze Ton ist in seinem mathe-
matischen Verhältnisse (9 r 8) um ein Komma (81 : 80) grösser
als der kleine ganze Ton (10 : 9); die temperierte Stimmung
gleicht beide jedoch aus. Ebenso imterscheiden sich der grosse
albe Ton (16 : 15), welcher sich in der diatonischen Skala nur
zwischen der 3. und 4. und zwischen der 7. und 8. Stufe findet,
und der kleine halbe Ton (25 : 24), welcher bei den chroma-
tischen Verhältnissen der übrigen Stufen stattfindet, z. B. c-cis,
d-dis etc. — Das Wort Ton, Tonus gebraucht man dann noch
für Tonart und Tongeschlecht| so besonders bei den Kir-
chentonarten.
Tonalität ist ein moderner Begriff, aus Frankreich stam-
mend, und bedeutet die Bezogenheit eines Harmoniegefüges auf
den Hauptaccord der Tonart eines Stückes, der gleichsam als
Centrum dasteht.
Tonart ist die Darstellung eines Tongeschlechtes auf einem
bestimmten Tone. Da sowohl das Dur- als auch das Moll-Geschlecht
auf jedem beUebigen Tone erbaut werden kann, so gibt es zum
mindesten 24 Tonarten, insofern die 12 Töne c, eis, d, dis, e, f,
fis, g, gis, a, ais, h als Grundlage genommen werden; da aber jeder
Ton enharmonisch umgenannt (z. B. dis-es, gis-as, ais-b) werden
kann, so ergeben sich noch mehrere Tonarten. Indessen sind
alle diese Tonarten der neueren Musik nur Transpositionen, Ver-
setzungen der beiden Normaltonarten oder Grundskalen C-dur
imd A-moU auf einen anderen Grundton und bleiben in ihren
inneren Verhältnissen diesen ganz gleich. Solche Versetzungen
kannten schon die Griechen und wendeten sie in ihren 15 Trans-
position sskalen an. Verschieden aber sind die zwölf sogenann-
ten Kirchentonarten (s. d.). Die neuere Musik benützte
davon die jonische Tonart als C-dur und die äolische als A-moU. —
Kornmüller, Lexikon. * 20
• -^
306
Tongesohlecht — Tonika.
Paralleltonarten nennt man die Dur- und Moll-Tonarten,
welche gleiche Vorzeichnung haben und in ihrem Grundtone um
eine kleme Terz voneinander abstehen.
Die Aufzählung und Vorzeichnung der Dur- und Moll-
Tonarten des neuen Tonsystems, wo 1e eine Dur- und Moll-Tonart
gleiche Vorzeichnung haben, geschieht in folgender Weise:
Dur: C. G.
D.
1=5^'^
't
A. E. H. Fis.
Moll:A. E. H.
Fis.
Cis.
Gis.
Dis.
Dur: F.
B.
Es.
As.
Des.
Ges.
Moll: D. G.
l^g^J^g^^^l^^l
C.
F.
B.
Es.
• •
Tongeschlecht bezeichnet wesentlichj charakteristisch ver-
schiedene Anordnungen des Tonsvstems, die den gesamten Ton-
festaltungen oder der Musik zur Grundlage dienen. Die Griechen
atten drei Tongeschlechte : das diatonische, chromatische imd
enharmonische; das neuere Tonsystem hat nur das diatonische
Geschlecht beibehalten mit semen zwei Hauptgestalten: Dur
und Moll, wogegen die ältere christliche Musik das diatonische
Geschlecht in den cantus durus, cantus mollisund cantus
naturalis schied. Man nennt jetzt die zwei Hauptgestalten
auch Geschlechte, und hat demnach das Dur- und Mo 11- Ge-
schlecht. Beide haben als melodisches und harmonisches Kenn-
zeichen die Terz, indem das Dur-Geschlecht die grosse Terz
und den grossen Dreiklang, das Moll-Geschlecht die kleine
Terz und den kleinen Dreiklang über der Tonika haben.
Hierdurch erwächst den Tongeschlechtern auch ein unterschei-
dender Charakter. Das Dur ist viöl bestimmter, ist stets der
Ausdruck einer sich klar bewussten Kraft — männlich, dem MoU
haftet das Weiche, Sanfte und zärtlich Schmelzende als natür-
licher Charakter an — weibliche Natur; ersteres eignet sich für
den Ausdruck von Festigkeit, Frohsinn und Heiterkeit, letzteres
für Schwermut, Klagen und Trauer. Was einige Ästhetiker von
dem Charakter der einzelnen Tonarten sagen, beruht nur auf
äusseren Gründen und hängt entweder von der höheren oder
tieferen Tonlage, oder von der verschiedenen Klangfarbe der
verschiedenen Töne auf einem und demselben Instrumente u. dgl.
ab, hat aber keine tiefere innere Begründung.
Tonika ist immer der Grundton derjenigen Tonart, in
weloher sich die Modulation befindet, oder der erste Ton der
Leiter derjenigen Tonart, in welcher die eben vorhandene Me-
lodie oder Harmonie sich bewegt. Mit ihr stehen alle übrigen
Töne der Leiter oder Tonart in innigster Beziehung und smd
mit ihr in |)estimmten Verhältnissen verbunden. Wohl davon
ist zu unterscheiden der Grund- oder Hauptton eines Ton-
Tonisch — Tonkunst, kirchliche. 307
Stückes, welcher immer derselbe bleibt, während die Tonika
wechseln kann, ie nachdem die Modulation durcji verschiedene
Tonarten läuft. Man könnte diesen Haupt- und Grundton auch
„Haupttonika^ nennen.
Tonisch — alles, was tönt und aus Tönen gebildet ist;
dann, was in Beziehung zu einem gewissen Grundtone oder einer
gewissen Tonart steht. Tonischer Dreiklang — der auf dem
Grund-. oder Haupttone eines Stückes erbaute Dreiklang; toni-
sche Dominante — die zu diesem gehörige Dominante.
Tonkunst, kirchliche. Jede Kunst wurzelt in der Re-
ligion, darum wir sie allezeit mit dieser Hand in Hand gehen
sehen. Ihren Ursprung hat sie eigentUch im Bewusstsein des
Menschen von dem Verluste des ersten Zustandes der Gottes-
kindschaft und in der Sehnsucht nach Wiedei-herstellung des-
selben. Dies Bewusstsein tritt aber am klarsten in der Rehgions-
übung hervor, und somit stellt sich der innige Zusammenhang
der Kunst mit der Religionsübung, dem Kultus, heraus. Die
Aufgabe der Kunst ist dann keine andere, als über das Niedere
,auf etwas Höheres, vom äusseren auf etwas Inneres, vom Na-
türlichen auf das Übernatürliche, von dem jetzigen Zustande der
Sünde auf den Stand der Entsündigung und Verklärung in der
Gnade hinzuweisen. Diese Kraft wohnt den wahren Kunst-
gebüden inne und sie wurden von der Kirche auch von jeher
dazu benützt. Insbesondere ist die Musik,, die Tonkunst fehiff,
heilige Stimmungen nicht bloss auszudrücken, sondern 'auch
zu erwecken, und vorzüglich vermag der Gesang seiner Natur,
nach gleichen Empfindungen einen gemeinsamen Ausdruck
zu verleihen.
Ein so vorzügliches Mittel Hess die Kirche nicht unbeach-
tet, sondern wies der Tonkunst eine höchst ehrenvolle Stelle in
ihrem Hause an, indem sie dieselbe zu einem wesentlichen Teile
ihres Kultus erhob. Hierdurch entrückte sie die zum Kultus
gehörige Musik subjektiver Schaffenswillkür und konnte
es nicht mehr dem emzelnen überlassen, wie und was er wollte,
füx" den katholischen Gottesdienst zu komponieren oder vorzu-
tragen. Hat der religiöse Tonsetzer überhaupt die Freiheit, seine
eigensten individuellsten r*eligiösen Empfindungen, Gefühle und
Anschauungen in Tönen darzulegen, wie er es nach seinem Er-
niessen für gut erachtet, so ist dem kirchlichen Tonsetzer
eine Schranke gesetzt; er arbeitet nicht mehr für sich, sondern
für die Kirche, und, wie jeder, der in eines anderen Dienst
sich begibt, dessen Willen zu berücksichtigen hat, so geziemt es
auch dem kirchlichen Tonsetzer, den Willen der Kirche bei sei-
nem Schaffen in Betracht zu ziehen. Dass der Wille der Kirche
aber auf der höchsten Weisheit beruht, kann nur ein der Kirche
Entfremdeter und ein der Geschichte Unkundiger in Zweifel
. ziehen und in Abrede stellen. „Norm und Form muss die kirch-
liche Kunst einzig auch von der Kirche empfangen. Diese allein
weiss, wessen sie bedarf und wie sie aessen bedarf. Nicht
aber hat ..hier eine auf dem Boden der natürlibhen Vernunft
stehende Ästhetik des Schönen oder der blosse Geschmack des
einzelnen Gesetze zu diktieren. . . Die Kirche kann nur jener
Kunst das Heüigtum öffnen, die bereit ist, dem Heiligen zu
20*
308 Tonkunst, kirchliche.
dienen, und zwar nach jenen Regeln und Bestimmungen, welche
der Geist der Kirche gegeben; diese Regeln und Bestimmungen,
begi'ündet in den Anschauungen des Christentums von dem
wahrhaft Schönen und von der Aufgabe der Xunst für den hei-
ligen Dienst, wurden von der Kii'che durch alle Jahrhunderte
festgehalten und auf Synoden und durch Verordnungen der Bi-
schöfe fort und fort ausgesprochen; es bildete sich eine Tradition
der heiligen Kunst, wodurcn sie frei wurde von der Willkür des
einzelnen und der herrschenden Mode der Welt, eine unterschei-
dend christliche, kirchliche Kirnst. Diese Regeln, Bestimmungen
und Traditionen der Kirche sind aber nichts weniger als will-
kürlich, nicht äusserUch Angenommenes, sondern sie sind von
Innen heraus, aus dem die Kirche leitenden Geiste, aus ihren
Anschauungen, aus den Bedürfnissen ihres Kultus organisch
gleichsam hervorgewachsen." (Die Kunst im Dienste der Kirche
von G. Jakob.)
Somit haben wir die kirchhche Musik von schlechthin re-
ligiöser Tonkunst zu unterscheiden, indem letztere die religiöse^
Grefühle und Stimmungen in subjektivster Weise durch Töne
ausdrückt, erstere dagegen nicht rein individuelle, sondern die
Empfindungen und Gefühle der Kirche bei den einzelnen re-
ligiösen Handlungen, also zumeist objektivisch sich verhal-
tend, zum tonlichen Ausdrucke bringt. Die kirchliche Tonkunst
schafft ihre Werke nach den Bestimmungen und Anschauungen
im Geiste der Kirche. „Jedes Kunstwerk ist sich Selbstzweck",
kann am allerwenigsten in der Kirche eine Wahrheit sein. Warum
will man nur in der Kirche dem Tonkünstler unumschränkte
Gewalt einräumen und ihm „volle freie Hand" vindizieren? Hat
er sie vielleicht auf der Bühne, für den Tanzplatz u. dgl.?
Überall fordert man, dass er sich den für diese Gelegenheiten
konventionell gewordenen, naturgemäss erwachsenen Gesetzen
und Formen füge, anderen Falles wird man seine Werke für
unzweckmässiff und unzulässig erklären und zurücklegen. Warum
soll gerade auf dem Gebiete der kirchhchen Musik solches nicht
Platz greifen dürfen? Kein Vernünftiger hat die Kirche noch
darum getadelt, dass sie dem Baumeister vorschreibt, er habe
den Altar nach Osten zu setzen, das Fresbyterium zu erhöhen
u. dgl.j oder dass sie allgemeine Bestimmungen über den Stoff
und die Gestalt der heiligen Gefässe und Paramente gibt; über
die Musik, welche mit der Liturgjie so eng verbunden ist, sich
auszusprechen, das Recht habe sie nicht?
Die Verordnungen der Kü'che sind nicht so geeigenschaf-
tet, dass sie der Kunst einen „Schaden" bringen, da die Kirche
nicht die Obliegenheit hat, für die Entwickelung und Vollendung
der Kunst, im allgemeinen gesprochen, zu sorgen; sonst müsste
man auch jeden, der sich ein Haus bauen lässt und zwar nach
romanischem Stüe, anklagen, dass er, weil er nicht gotisch
oder modern baue, die Kunst beeinträchtige. Die Bestimmungen
der Kirche sind ein Regulator für diejenigen Tonkünstler,
welche sich zu ihrem Dienste antragen, ein Normativ, wie im
allgemeinen die Musikwerke für ihren Gebrauch beschaffen sein
müssen; innerhalb dieser so allgemein gehaltenen Verordnungen
verbleibt dem Tonkünstler noch ein Übermass von Freiheit , sein
Tonkunst, kirchliche. 309
Genius kann sich innerhalb dieser weiten Schi-anken noch glän-
zend genuff bewähren.
Die Aufgabe oder der Zweck der Kii'chenmusik ist, den
Gefiihlsinhalt aes Textes nach seiner liturgischen Stellung und
Bedeutung zu entfalten, dadurch den Sinn desselben fassbarer
zu machen und auf Herz und Verstand zu wü-ken, somit den
Hörenden zur innigsten Teilnahme am Gottesdienste
anzuregen.
Hieraus ergeben sich die Eigenschaften, welche den kirch-
lichen Musikwerken inhaften müssen. Sie müssen sein:
1) Erhaben und edel, dem hohen Zwecke entsprechend,
was schon auf einer ganz natürlichen Kunstforderung beruht;
fern sei alles Niedrige, Gemeine, Triviale, Stümperhafte.
..2) Einfach in jenem edlen Sinne, dass jede Überladung
mit Überflüssigem, jedes Einschieben von Ungehörigem, jede
^geniale" Ungebundenheit und Zerrissenheit fern ist, und dass
ebenso von jeder nur den Verstand reizenden und ergötzenden
Künstlichkeit abgesehen wird; „eine Musik, welche für den Nicht-
kenner fasslich, verständlich und erbaulich ist und nebenbei doch
den Kenner befriedigen kann. Das ist die Simplicität des Stiles,
welche jeder, also auch der Kirchenmusik die allgemeinste Wir-
kung verschafft. Diese Simplicität ist nur die Frucht der höch-
sten Kultur in der musikalischen Kunst; diese kann allein lehren,
alles Zwecklose, allen leeren Prunk zu entfernen, und sie ge-
danken- und ausdrucksvoll zu machen, ohne ihrer Deutlichkeit
und Fasslichkeit für jedermann zu schaden." Sie seien:
3) Keusch und der wahrste Ausdruck einer kerni-
gen Andacht, — nichts Sentimentales, kein Anklingen an
sinnliches Schwärmen, keine Leidenschaftlichkeit weder in Freude
noch in Trauer, keine Effekthascherei mit instrumentalen Klang-
mitteln u. dgl. soll die heüige Stimmung beeinträchtigen; Demut,
heilige Ruhe und Selbstbeherrschung trete charakteristisch her-
vor. Sie müssen
4) sich eng an die Liturgie anschliessen. Als Teü
des Kultus kann die Kirchenmusik sich nicht von den allgemei-
nen Regeln desselben emancipieren, sie muss sich an die Liturgie
anlehnen in Beziehung auf Form^ Dauer, Bewegung etc., muss
nur ein treuer Ausdruck desienigen sein, was die Kirche aus
föttlicher Autorität hier den Menschen nahelegen will, sie muss
ie Sprache der Kirche reden. Eine der ersten Forderungen in
dieser Rücksicht ist, dass sie an den liturgischen Text ge-
bunden sei; eine liturgische Musik ohne Text oder mit willkür-
lich gewähltem Texte Kann die Kirche nicht anerkennen. Durch
den Text aber, der da unveränderlich gegeben ist, und die allein
der Kirche mögliche richtige Auffassung desselben, ist auch
dessen musikalischer Ausdruck nicht der willkürlichen Auf-
fassung der einzelnen anheim gegeben. Dabei will die Kirche
noch^ dass der Text verstanden und nicht durch die Kom-
position zu sehr gedehnt, zerrissen, überhaupt unhÖrbar oder
unverständlich gemacht werde.
Dies alles kommt in Erwägung, sowohl bei der Melodie,
als dem einfachen musikalischen Ausdrucke der Gemütsstim-
mung des Menschen, als auch bei der Harmonie, welche durch
310 Tonkunst, kirchliche. '
Vereinigung mehrerer Stimmen diesen Ausdruck verstärkt und
nach der Breite und Tiefe entfaltet, und bei dem Rhythmus^
welcher einem kirchlichen Tonwerke am leichtesten ein welt-
liches leichtfertiges Gepräge durch scharfe Gliederung und mi-
nutiöse Zerteüung der Taktglieder aufdrücken kann. Dass vor-
züglich die Instrumentierung, wenn sie angewendet werden
wiU, sich diesen Beschränkungen zu unterwerfen hat, ist ausser
allem Zweifel.
Die eben bezeichneten Eigenschaften einer auf den Namen
^kirchlich** Anspruch machenden Musik betonte die Kirche von
jeher durch Wort und That; durch die That, indem sie den
Gregorianischen Choral schuf und gesetzmässig ihren Ku^chen-
bücnern einverleibte, und für die Missa Papae Marcelli sich bil-
ligend aussprach; durchs Wort in unzähligen Aussprüchen und
Verordnungen der kirchlichen Oberhäupter und Synoden durch
alle Jahi'hunderte. Gerbei*t in seinem Werke „De cantu et mu-
sica Sacra" bietet davon bis auf seine Zeit eine reiche Auswahl;
hier seien einige wenige und darunter auch ein paar aus der
neuesten Zeit angeführt. Das Concil. Mediol. I. 1565 sagt: „Die
Gesänge und Töne seien ernst, fromm, deutlich und angemessen
dem Hause Gottes und dem göttlichen Lobe, so dass zugleich
die Worte verstanden und die Zuhörer zur Frömmigkeit geweckt
werden." Das Konzil von Trient befiehlt (sess. 22.): „Es muss
sowohl beim Gesänge als beim Orgelspiel alles Leichtfertige und
Ausgelassene oder Unreine fern gehalten werden." Die Instruk-
tion des päpstlichen Kardinalvikars an die Kapellmeister, d. d.
20. Nov. 1856 bestimmt: ^Die kirchliche Musik muss sich von
der profanen und theatralischen ganz entfernt halten nicht allein
durcn die Melodien, sondern auch durch die Begleitung, folglich
sind jene Melodien verboten, die ans Theater erinnern, ebenso
die zu schnellen und aufregenden Bewegungen, . . . dann Arien^
Duos und Trios als Nachahmungen der Bühnenmusik; ganz una
gar das Recitativ und alles ihm Ahnliche."
Die Form an und für sich, oder besser zu sagen der Stil
(alter, strenger, neuer, freier) ist es nicht und war es nicht, wo-
gegen die Kirche eiferte und eifert, sondern der Missbrauch, den
man damit trieb; die Kompositionen Palestrinas z. B. weichen
in der Ausdrucksform schlechthin genommen nicht von seinen
weltlichen Kompositionen ab; er bediente sich gerade so gut
wie seine Vorgänger der kontrapunktischen Kunstj aber er hielt
Mass in der Künstlichkeit und durchdrang die kunstreichen For-
men mit dem kirchlichen Geiste und drückte ihnen dadurch ein
charakteristisches Unterscheidungszeichen auf. Ebenso ist das
neuere Ton- und Harmoniesystem an sich nicht unkirchlich; dies
wird es nur durch Missbrauch und Unverstand des Tonsetzers.
Gleichwohl aber zieht die Kirche den uralten Gregorianischen
Choral jeder anderen Musik vor, weil dieser Gesang so recht
aus ihrem Geiste hervorgewachsen ist, ihn ganz und gar aus-
spricht und Melodien enthält, welche noch jetzt Imübertroffen
aastehen. Daneben gibt sie sich noch mit den polyphonen
Musikschöpf ungfen k la Palestrina zufrieden, da sie zumeist auf
den Choral basierend und in den alten Tonarten streng kompo-
niert noch dem weltlichen, sinnlichen Reize fern stehen und oft
Tonkunst, kirchliehe. 311
in naystischen Duft gehüllt, uns wie eipe Musik aus einer über
der Sinnlichkeit erhabenen Welt erklingen. Überhaupt liebt die
Kirche die Vokalmusik ohne Instrumentalbegleitung (mit Aus-
nahme der Orgel, welche mit ihrem erhabenen und mehr objek-
tiven Charakter zur Kirchenmusik wie kein anderes Instrument
geeigenschaftet ist), und hat darum auch keinen Einwand gegen
V okalwerke des neuen Tonsystems, wenn ihnen nur im übrigen
das Kirchliehe gewahrt ist. Ebenso gestattet sie das deutsche
Kirchenlied in unsem deutschen Landen mit seinen choral-
mässigen Melodien als Volksgesang; für gottesdienstliche
Ghoraufführungen , wobei der Chor an der Liturgie beteüigt ist,
sind deutsche Texte und Lieder überhaupt verboten.
Dass die Kirche die Instrumentalmusik nie gebilligt
hat und noch nicht büligt, dafür hat sie ihren guten Gründe;
sie duldet dieselbe bloss und gestattet ihre Anwendung aus
besonderen Rücksichten und unter bestimmten Bedingungeh:
1) dass alle Instrumente entfernt bleiben, welche durch ihren
Klangcharakter die andächtige Ruhe beeinträchtigen und die
Sinnlichkeit aufregen (die Zubereitung und Vornahme der In-
strumente allein zerstört erfahrungsmässig in der Regel die
fromme, andächtige Stimmung des gesamten Chorpersonals!);
2) dass die Instrumente bei der Kirchenmusik die Smgstimmen
bloss imterstützen und begleiten, nicht aber mit ihnen konzer-
tieren; 3) dass sie nicht durch ihr Kolorit die Singstimmen, über-
strahlen und sie zur Nebensache machen. Die Instrumental-
begleitung soll nur dazu dienen, den Gesang zu unterstützen, zu
beleben und zu schmücken, soll eigentlich nur der farbige Hinter-
grimd sein, von dem sich der Gesang gleich markigen Figuren
auf einem Gemälde abhebt.
Da aber die Tonkunst nicht bloss mit der Komposition der
Werke zu thun hat, sondern auch mit deren Aufführung, wovon
der grösste Teil der Wirkung abhängt, so muss hier auch von
den exekutierenden Kirchenmusikern etwas angedeutet
werden. Von ihnen wird technische Durchbildung, Verständnis
der Musik und vorzüglich ein echt i-eligiöser Sinn gefordert, der
mit der katholischen Kirche mitlebt und nicht bloss äusseiiich,
sondern viel mehr noch innerlich mit ihrem Kultus und Geiste
vertraut ist. Bloss handwerksmässiger Betrieb der Kirchenmusik
ist eine Entwürdigung der heiligen Tonkunst und ausser stände,
fromme Empfindungen in den Herzen der Gläubigen zu erwecken;
mit ihm ist all der Unfug gepaart und jedes unkirchliche Be-
nehmen,, das wir auf vielen (jnören zu beklagen haben.
Schliesslich seien ein paar Worte des geschätzten Musik-
sohi-iftstellers Dr. W. Aug. Ambros („Kulturhistorische Bilder aus
dem Musikleben der Gegenwart", Seite 124) angeführt. Er sagt:
-Möge jene von der Kirche angeordnete Singweise (Cantus
Gregorianus) , zu uBsprünglicher Reinheit hergestellt, überall
sorgsam gepflegt werden; möge daneben aber auch die von
der Kirche gestattete Musik überall nur solche Vertreter und
Pfleger finden, welche von der Grösse ihrer Aufgabe und von
dem Gedanken durchdrungen sind, dass ihre Musik dem Gottes-
dienste dienen, nicht aber der Gottesdienst Gelegenheit sein
soll, dass sie musizieren können. Das Gemeine und Unwürdige
312 * Tonleiter — Tonsetzer.
aber möge zurückgewiesen werden, wo es sich zeigt." — Was
einer wirklich guten Kirchenmusik not thut, hat schon St. Bern-
hard kurz una gut ausgesprochen: „Cantus (das betrifft nicht
bloss die Komposition, sondern auch die Ausführenden!) ipse si
fuerit, plenus sit gravitate, nee lasciviam resonet nee
rusticitatem. Sic suavis ut non sit levis, sie mulceat
aures, sicnapveat corda, tristitiam levet, iram mitiget,
s'ensum literae non evacuet, sed fecundet," d. i. der
Gesang (die Musik) sei voll Würde und zeige weder Ausgelas-
senheit noch Roheit; er sei anmutig, aber nicht leichtfertig, er
befriedige das Ohr, bewege das Herz, hebe die Traurigkeit,
dämpfe die Erregtheit, hindere nicht das Verständnis der Worte,
sondern unterstütze es.
Tonleiter, lat. und ital. Scala, franz. Gamme, ist die
Reihe der sieben Tonstufen mit der Wiederholung der ersten in
der Oktav, wie* dieselben einem der Tongeschlecnte zugehören.
Sonach gibt es nur zwei Tonleitern: die Dur- inid Mo 11 -Ton-
leiter. Erstere besteht aus fünf ganzen Tönen und zwei halben,
welche letztere ihre unveränderliche Stelle zwischen der 3. und 4.
und zwischen der 7. und 8. Stufe der Tonleiter haben. Die Moll-
Tonleiter besteht aus denselben Intervallen, aber die Lage der
halben Töne ist zwischen der 2. und 3. und zwischen der 6. und 7.
Stufe, insofern die Leiter nach der Vorzeichnung konstruiert
wird. Da sie aber in solcher Gestalt weder für Melodie noch
Harmonie eine geeignete Grundlage abgibt, so bildet man sie
aufwärts mit grosser Sext und grosser Septime, und
nimmt abwärts diese Intervalle wieder klein (melodische
Moll-Tonleiter). Einige konstruieren sie auch mit kleiner Sext
und grosser Septime aufwärts, und kleiner Septime abwärts,
z. B. c, d, es, f, g, as, h, cc, b, as, g, f, es, d, c (harmonische
Moll-Tonleiter). Diese beiden Tonleitern bleiben immer dieselben,
behalten stets die nämlichen Intervalle und Verhältnisse, mögen
sie über welchen Ton immer errichtet sein. — Die alten Ton-
leitern oder Tonj'eihen s. bei Kirchentonarten.
Tonmalerei, musikalische, ist die Darstellung sichtbarer
oder greifbarer Objekte, Naturerscheinungen, äusserer Ereignisse
vermittelst der Töne. Thut die Musik solches, so greift sie auf
ein ihr fremdes Gebiet über und begibt sich ihrer eigentlichen
Bedeutung. Ihre Aufgabe ist, Stimmungen und Regungen der
Seele zu symbolisieren, nicht Sachen, Zustände der Aussen weit
zu malen, obwohl diese die Veranlassung zu Regungen und Ge-
fühlen sein mögen. Inwiefern eine gewisse Art Tonmalerei in
der weltlichen Musik vorkommen darir, ist hier nicht zu bespre-
chen. In der Kirchenmusik hat sie keinen Platz, und wenn auch
fresse Meister sie manchmal angewendet haben, so erwächst
araus noch lange keine Berechtigung für sie; nanientlich ist es
die Wortmalerei, welche zu Zeiten m kleinhchster und lächer-
lichster Weise betrieben wurde. Es sei beispielsweise nur an
die Kompositionen über die Worte im Credo: „descendit de
coelis", iiber einige Stellen im „Dies irae", in den Psalmen u. a.
erinnert.
Tonsetzer oder Komponist, einer, der Tonstücke nach den
grammatischen und ästhetischen Regeln der Kunst verfertigt.
r ■'
^ Tonstück — Transponieren. 313
Tonstück heisst jedes in eine bestimmte Form der Dar-
stellung gebrachte Produkt musikalischen Denkens -und Em-
pfindens.
Tons^stem ist der Inbegriff aller Töne, welche entweder
nach den m ihrer eigenen Natur begründeten und daraus her-
g&leiteten oder noch von früher her überlieferten und durch die
rfahrung als richtig bestätigten Gesetzen in der Musik ange-^
wendet werden.
Tonus (lat.), der Ton. Bei den Alten ward unter tonus
a) das Intervall des Ganztones mit dem Verhältnisse 8 : 9 ver-
standen; b) benannte man mit diesem Worte auch die Tonart,
richtiger „modus" geheissen.
Tonus irregnlaris, peregrinus, s. Kirchentonarten.
Tonwissenschaft ist der Inbegriff aller musikalisch-theore-
tischen Regeln und Vorschriften.
Tonzeichen, s. Noten.
Traktur nennt man das innere Regierwerk der Orgel, na-
mentlich die Abstrakten (s. Orgel). In neuester Zeit wendet
man die Röhrentraktur oder Könrenpneumatik an, wobei
alle mechanische Traktur, als Abstrakten, Hebel u. s. w. in Weg-
fall kommen; sie wird als die vollkommenste, alle bisherige Ein-
richtung überbietende Orgelmechanik gerühmt.
Traktns ist jener Gesang in der katholischen Liturgie,
welcher in der Fastenzeit, an den Quatembertagen und in der
Totenmesse (tempore poenitentiae et in officio pro defunctis
dictus) an das Graduale statt des Alleluja gefügt wird; auch
nach den Prophetien am Karsamstage werden einige Traktus
gesungen. Diese Gesangstücke bestehen gewöhnlich aus meh-
reren Versen eines Psalmes, ja zuweilen ist ein ganzer Psalm
dazu verwendet, wie am ersten Fastensonntage. Der Traktus
trägt mehr den Charakter der Zerknirschung und der Sehnsucht
nach Verzeihung und Erlösung, schreitet auch langsamer fort.
Kardinal Bona leitet daher den Namen dieses Gesanges davon
ab^ weü er gedehnt, schwerfällig und langsam gesungen wird
(trahitur). Gewöhnlich wurde er nur von emem oder zwei Sän-
gern vorgetragen, an einigen Orten beteiligte sich der Chor daran.
Transponieren heisst in der Musik einen Tonsatz oder
ein Tonstück, oder auch eine blosse Stimme in eine andere Ton-
art versetzen, als die ursprünglich vom Komponisten gewählte.
Ausserdem, dass die Versetzung, Transposition in der thema-
tischen Arbeit selbst angewendet wird. Kann der ausführende
Musiker' dazu durch mancherlei Gründe veranlasst werden: der
Sänger findet einen Gesang für seinen Stimmumfang nicht gut
ausmhrbar, oder es differieren die Orgel imd die Blasinstrumente
in ihrer Stimmung u. dgl. Transposition kommt häufig beim
Choralgesange vor, wo der oder die Sänger eine Melodie bald
zu hoch, bald zu tief nach der Choralnotenscnrift für ihren Stimm-
umfang finden. Füi* den Gesang allein hat es nicht viel Schwie-
rigkeit, und es ist vorzüglich vom Vorsänger oder demjenigen,
welcher die Intonation gibt, gehörige Obsorge zu tragen, eine
dem Stimmumfänge der Sänger entsprechende Tonlage zu wäh-
len. Ungleich schwieriger aber ist es für den Organisten, wenn
er augenblicklich einen solchen transponierten Choral begleiten
314 Tremolo — Triolen. ^
soll , und es gehört viel Fleiss und Studium dazu, solches richtig-
zu finde zu führen. — Durch die einfache Transposition wü'd in
den Intervallverhältnissen nichts als die Tonlage geändei-t, die
Tonlage ändert nur die Klangfai'be; wie auch in der neueren
Musik alle Tonarten oder Tomeitern mit Versetzungszeichen nur
Transpositionen der Urtonleitern und Tonarten G-dur und A-moU
sind. In der Choralschrift kommt nur eine Versetzung vor, die
Versetzung in die Qberquart oder Unterquint, wobei ein t^ ro-
tundum nach dem Schlüssel vorgezeichnet ist, z. B.:
Transponiert.
So baute man z. B. die äolische Tonleiter auf D mittels Anwen-
dung des t^, ebenso die jonische auf F mit ^ (äolisch D,
jonisch F). — Über die Transpositionen bezüglich der kontra-
punktischen Werke des XVI. und XVII. Jahrh. vgl. Dr. Proskes
j,Musica divina", Haberls „Theoretisch-praktische Anweisung
zum harmonischen Kirchengesang" (Passau 1864).
Tremolo oder Beben der Töne ist- eine beim Spiele einiger
Instrumente und auch beim Gesänge vorkommende Manier, ein
Kunstmittel zum Ausdrucke des inneren Gefühlslebens; in der,
Kirchenmusik hat es wohl keinen Platz.
Tremnlant ist eine durch einen Registerzug zu handha^-
bende Vorrichtung im Windkanale der Orgel, wodurch der Ton
der Pfeifen nicht gleichmässig fortklingt, sondern in kurzen
Schwebtmgen wie Debend erscheint, so dass die Stimmen da-
durch etwas Schluchzendes, Weinerliches erhalten. Der Tremu-
lant ist mehr eine Spielerei und für die Kirche gänzlich unpassend.
Trias oder Trias harmonica, der lateinische Name des
Dreiklanges.
Tricta (lat.) Messen die in manchen Choralbüchern vor-
kommenden kleinen Strichlein zwischen den Noten, welche ab-
schieden, was zu einem Worte gehört. Solche Strichlein tadelt
schon Elias Salomon (1304) als überflüssig und störend.
Trihemitonium = kleine Terz, welche drei Halbtöne in
sich schhesst.
Triller, eine Verzierung, bestehend in der mehi-maügen^
schnellen und gleichmässigen Wiederholung eines Vorschlages
von oben mit dem Haupttone. Sein Zeichen ist tr. oder tr"^
über oder unter der Note. Hieronymus de Moravia führt schon
eine dem Triller ähnliche Gesangsverzierung unter dem Namen
„Flores subiti.et procellares" auf.
Trio, 1) eme Komposition für drei Instrumente; 2) bei
Tanzstücken ein ruhiger gehaltener Mittelsatz; 3) ein dreistim-
stimmiges' Orgelstück (Orgeltrio), das durchaus polyphon gear-
beitet ist und mit gleichzeitiger Benützung von zwei verschieden
registrierten Manuäen und dem Pedal ausgeführt wird.
Triolen nennt man eine Gruppe von drei Noten gleicher
Gestalt, welche in der Geltung zw^i anderen von derselben Ge-
stalt gleichkommen; über sie wird die Zahl 3 gesetzt, z. B.:
r
Tripelfuge — Trompete.
315
I
:ß=^
t=t
f
=:a
^
Sextolen heisst eine Gruppe von sechs Noten gleicher Gestalt^
über welche die Zahl 6 gesetzt ist; diese sechs jNoten kommen,
viei^ anderen von gleicher Gestalt in der Dauer gleich; z. B.:
6
Sextolen, welche als zwei zusammengezogene Triolen aufgefasst
werden sollen, sind falsch; die wahre Sextole entsteht nur
aus einer Triole.
Tripelfnge, eine dreifache Fuge, d. h. eine Fuge mit drei
Subjekten oder Themen.
Tripeltakt, Name der aus der dreiteiligen Taktordnung
entspringenden Taktarten.
Tripla, 1) proportio, das Verhältnis von 1 : 3, welches der
Duodezime, Diapason et Diapente, eigen ist. 2) Tripla proportio
war den Mensuralisten vorhanden, wenn drei Breves über einer
longa nota zu singen waren; kamen auf die brevis noch drei
semibreves, so hiess die Proportion sijbtripla.
Triplum hiess bei den ersten Mensuralisten die dritte
Stimme; sie stand über dem Tenor und Diskantus als höchste
Stimme^ welche jetzt der Sopran vertritt. Ausserdem bezeich-
neten sie mit diesem Worte auch eine dreistimmige Komposition.
Tritonus nannten die alten Tonlehrer die übermässige
Quarte, weil dieselbe aus drei ganzen Tönen besteht, z. B. f,
(g, a,) h. Diess Intervall musste m den Choralgesängen nament-
lich vermieden werden und wenn ein Gesang von F ausging
und nach h schritt, oder nach F zurückkehrte, wurde h immer
in b erniedriget, wenn auch kein t^ vorgezeichnet war (mi contra
fa diabolus in musica). „Diese Solmisationsregel , bemei'kt Am-
bros, lief wesentlich auf die Beseitigung der Querstände hinaus
und es lag somit die Anerkennung des wichtigen Gesetzes darin,
dass sich zwei verschiedene Tonarten nicht ziigleich geltend
machen können," Wurde aber in eine andere Tonart überge-
gangen, so behielt das h sein Recht (vgl. Choral).
Trompete, lat. Tuba, ital. Tromba oder Clarino, franz.
Trompette, das bekannte hell und stark klingende Blechinstru-
\ ment. Sie reicht ins hohe Altertum hinauf, doch war im Anfange
316 Tropus.
Üire Form noch gerade aus, nicht gewunden wie jetzt; bei den
Ägyptern und Hebräern war sie gebogen wie ein Ochsenhorn.
Erst unter Ludwig XIL von Frankreich soll sie die jetzige Ge-
stalt erhalten haben. Die Rohre hat die Länge, dass der Ton
einer achtfüssigen Prinzipalpfeife, also der menschlichen Stimme
fleichkommt, und ist zur grösseren Bequemlichkeit zweimal ge-
ogen. Das Mundstück ist grösser als beim Hörn und hat eme
kesseiförmige Höhlung. Ihre natürlichen Töne sind: C, G, c, e,
g, b, c, d, e, g, b, h, b; die von c bis g können durch Stopfen
fewonnen werden. Wie für das Hörn , so gibt es auch für die
rompqte verschiedene Arten (Stimmungen) : die tiefe C-Trompete,
C-, D-, Es-, B- etc. Trompeten. Notiert wird immer in C. In
neuerer Zeit erfand man Inventions-, Klappen- und Ventil-
trompeten, von welchen die letzteren, was den Tonumfang
betrifft,, das Höchste leisten.
Tropus (griech. Tpo/ro?, Wendung), ist 1) eine melodische
Formel, welche auf einen bestimmten Ton (Tonart) hinweist,
ihm angehört oder wodurch ein Gesang seiner richtigen Finale
entgegengeführt wird. Hierzu kann man alle Intonationen,
Mittel- und Schlussklauseln der Psalmtöne, die Schlussformeln
der Antiphonen und Responsorien rechnen; vorzüglich aber wer-
den so gewisse längere Melodien genannt, welche je einem be-
stimmten Kirchentone zugewiesen und den Eigentümlichkeiten,
Wendungen, Tonschritten und dem Charakter derselben entspre-
chend gebildet waren. Sie mussten von den Sängern gut gelernt
werden, um das Charakteristische jeden Tones leichter zu er-
fassen, und waren mit bezeichnenden Texten versehen, um sie
besser behalten zu können. Sie finden sich regelmässig in den
Tonarien verzeichnet und lautet der Text zum Tropus des
I. Tones gewöhnlich: Primum quaerite regnum coelorum; für
den Tropus des II. Tones: Secundum autem simile huic etc. (cf..
Coussemaker, Script. U. 320). Solche und ähnliche Formeln
wurden oft auch den Antiphonen u. s. w. angehängt und Messen
dann neumae oder jubili oder caudae (s. d.). — 2) Unter Tropen
werden auch gewisse Einschaltungen verstanden, welche vor
oder zwischen den fixen liturgischen Text gemacht wurden
(Paraphrasen, Interpolationen). Im IX. Jahrh. hatte sich näm-
lich die Sitte verbreitet, die Messgesänge, insbesondere die In-
troitus der höchsten Festtage mit zierlichen, sowohl aus Text
als Melodie bestehenden Zusätzen zu vergrössern, und sie da-
durch ge wisser massen mit einem Festkleide auszuschmücken,
z. B' Kyrie eleison, Pater infantium; Kyrie eleison, Refectio
lactentium, oder: Kyrie magna Dens potentiae liberator hominis
transgressoris mandati eleison. Diese Zusätze nannte man
Tropen, und sie wurden namentlich bei den kürzeren Messtexten,
als: Kyrie, Sanctus, Agnus, Ite etc., aber auch beim Gloria, was
iedoch in einigen Kirchen verboten wurde, eingefügt. Sie er-
nielten sich bis ins XVI. Jahrh. Die Tropen waren aber nicht
bloss Einschiebsel, sondern oft mehr oder weniger ausgedehnte
Hymnen, welche vor oder nach den gewöhnlicnen litm'gischen
Gesängen eingeschaltet wurden; als ältestes Beispiel eines sol-
chen Tropus wird jener Lobgesang auf den heil Gregor d. Gr.,
Troppo — Unisono. 317
mit den Worten „Gregorius Praesul" beginnend, angeführt, wel-
cher vor dem Introitus des I. Adventsonntags abgesungen wurde.
Ihr Ursprung reiöht ins VIII. Jahrh. hinauf. Die Römer nannten
diese Tropen Festivae laudes, auch der Name Prosae kommt
ihnen zu. Als Verfasser vieler solcher Tropen wird Tutilo von
St. Gallen (f 915) besonders gerühmt.
Troppo (ital.) — zu viel, allzusehr, steht oft zu näherer
Bestimmung einer Tempobezeichnung, z. B. Allegro non troppo =
nicht zu schnell; Adagio non troppo = nicht gar zu langsam.
Trugfortschreitung, s. Auflösung.
Tmgschlass, s. Kadenz.
Tutti (ital.) — alle, ein technischer Ausdruck, welcher
im Gegensatze zu Solo andeutet, dass alle Stimmen in einem
Tonstücke mitzuwirken haben»
Tympani, s. Pauken.
U.
Übergang, s. Modulation.
Umfang, s. Ambitus.
Umkehrung kommt in der Musik in mehrfacher Anwen-
dung vor: 1) Umkehrung der Intervalle beruht auf der
Verlegung eines Tones in Beziehung auf den anderen nach oben
oder nach unten nach dem Schema:
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
8. 7. 6. 5. 4. 3. 2. 1.
d. h. durch solche Verlegung wird die Prim zur Oktav, die Se-
kunde zur Septime, die Sext zur Terz, die Quart zur Ouint u. s. w.
Sie findet ihre vorzügliche Anwendimg im künstlicnen Kontra-
punkte, dem doppelten, drei- und vierfachen Kontrapunkte (s. d.).
2) Umkehrung der Accorde. Diese findet statt, wenn von
einem terzweise aufgebauten Accorde (Stammaccord) ein anderer
als der ursprüngliche Grundton ziun Basstone genommen wird.
Die Töne bleiben die nämlichen, aber die Lage und das Inter-
vallenverhältnis ändert sich. So erleidet der Dreiklang zwei, der
Septimenaccord drei Umkehrungen (s. Accord). 3) Umkeh-
rung von Motiven und Sätzen, ist die Darstellung derselben
in der Gegenbewegung oder auch der rückläufigen Bewegung,
wie sie manchmal beim Kanon oder häufiger bei Imitationen
und der sogenannten thematischen Arbeit zur Anwendung kommt
(s. Kanon).
Unea (lat. „der Hacken") ^ eigentlich das Fähnchen der
Achtelnote, dann diese selbst; dis unca = die Sechzehntelnpte.
Unisono (ital.), der Einklang — wird in der Musik ge-
braucht, wenn mehrere Stimmen die nämlichen Töne auszuführen
haben (al unisono); hat dies ein oder mehrere Oktaven höher
oder tiefer zu geschehen, so wird gesetzt: unisono alT ottava
oder unisono in 8va.
318 Un poco — Veni sancte Spiritus.
Un poco, s. Tempo.
UnteFdominante, s. Dominante und Quart.
Untersatz in der Orgel, ein sehr weit mönsuriertes Labial-
register für das Pedal, gewöhnlich 32'; es kommt nur in den
grössten Orgeln vor una ähnelt dem Subbass.
Unterstimme (s. Stimme), die tiefste Stimme eines mehr-
stimmigen Gesang- oder Instrumentalstückes, welche je nach
der Zusammensetzung der Stimmen nicht immer der Bass
sein muss.
Usus, — cantns nsualis, bedeutete jene Choralgesänge,
welche fast täglich beim kirchlichen Gottesdienste, namentlich
im Chore der Mönche und Kanoniker, vorkommend mehr durch
diesen oftmaligen Gebrauch, durch Übung und nach dem Gehöre
erlernt und gesungen wurden ; man bediente sich dazu entweder
gar keiner Notenzeichen oder sehr einfacher Neumen. Dem
„Usus" gegenüber stand der „cantus artificiosus", der künsthche,
welcher von geschulten Sängern nach genauen Tonzeichen,
Neumen oder Noten ausgeführt wurde. Vom „Usus" redet schon
Ekkehard, und Hugo von Reutlingen suchte durch genaue No-
tierung der dadurch nervorgerufenen Verschiedenheit der Gesänge
zu steuern. Noch im XVL Jahrh. ist in einer Schulordnung von
Nördlingen von „musica usualis, cantus artificiaUs und cantus in
mensuries" nach obiger BegriflFsbestimmung die Rede.
Ut, die erste Silbe der Guidonischen Solmisation. Bei den
Franzosen und Italienern bedeutet es den Ton c, wofür letztere
auch „do" sagen.
V.
V, Abkürzung für Violino: V!l = Viola; Y= oder Vc. =
Violoncello; v. s. = volti subito (kehre schnell um); m. v. ==
mezza voce (mit halber Stimme); H/' = Versus, Versikel im
kirchlichen Officium.
Vacat, s. V. w. tacet.
Vagans, s. Quintus.
Valor (notarum), die Geltung der Noten; integer valor
in der Mensuraltheorie bedeutete das Grundmass der Bewegung,
einen feststehenden Zeitwert der Noten. Nach Gafor solle die
Semibrevis (♦) so Schnell sein, als der Atem eines ruhig Atmen-
den geht, oder als man bei massiger Schnelle die Hand heben
und senken mag. Nach dem Zeitwerte der Semibrevis wurden
dann die mehr- und minderwertigen Noten: Brevis, longa, semi-
brevis, minima abgemessen. Sollte das Tempo (um die Hälfte)
schneller oder langsamer genommen werden, so zeigte man dies
durch die Diminutio oder Augmentatio an (s. Mensuralmusik).
Venetianische Schule, s. Kirchenmusik.
Veni Creator Spiritus, s. Hymnus und Pfingsten.
Veni sancte Spiritus, s. Sequenz und Pfingsten.
Ventil — Verordnungen, kirchliche. 319
Ventil, im allgemeinen jede Vorrichtung, welche dazu
dient, den Rückgang des Luftzuges abzuhalten. Als Bestandteile
musikalischer Instrumente kommen sie in der Orgel und bei
verschiedenen Blechinstrumenten, bei denen sie ausserdem noch
Mittel zur Erzeugung bestimmter Töne sind, vor.
Verdeckte Quinten und Oktaven, s. Quint.
Verdoppelung der Intervalle ist der gleichzeitige Gebrauch
eines Tones in zwei verschiedenen Stimmen. Sie wird im vier-
imd mehrstimmigen Satze oft notwendig, weil alle konsonieren-
den Accorde bloss aus drei unter sich verschiedenen Tönen
bestehen, und häufig ohne sie falsche Fortschreitungen und Ver-
hältnisse entstünden. Im allgemeinen dürfen die Leittöne und
alle jene Töne, welche eine oestimmte und notwendige Fort-
schreitung haben, als die vorgehaltenen Dissonanzen, die Quart
u. dgl. nicht verdoppelt werden. Näheres gehört in die Har-
momelehre,
Verengerung des Motives oder Themas (in Imitationen
und Fugen) findet statt, wenn bei der Nachahmung anstatt
eines grösseren Intervalles ein kleineres genommen, z. B. bei
einer Fuge eine Quint im Führer dm'ch die Quart vom Gefähr-
ten beantwortet wird.
Vergrösserung , Augmentatio, nennt man die im Ver-
laufe eines TonstücKCS angewendete Darstellung eines Haupt-
gedankens (Themas) in Noten von noch einmal so grossem Zeit-
werte, als in welchem er ursprünglich auftrat. Dies findet in
Fugen hauptsächlich statt, kann aber auch bei anderen thema-
tisonen Arbeiten angewendet werden.
Verkehrung ist diejenige Umstellung eines Satzes, durch
welche jeder aufwärts gehende Schritt in einen abwäi*ts gehen-
den, und umgekehrt jeder abwärts gehende in einen aufwärts
gehenden verwandelt wird. Insofern die Verkehrung die Inter-
vallenschritte genau beibehält, heisst sie eine strenge; eine
freie aber, wenn sie sich nicht so genau daran bindet und ein
kleines Intervall mit einem grossen oder gar mit einem anderen,
z. B. eine Quint mit einer Quart, beantwortet.
Verkleinerung, Diminutio, wenn ein Thema oder Satz
im Verlaufe der Durchführung in Noten von halb so grossem
Werte eingeführt wird.
Verminderte Intervalle, s. Intervall.
Verordnungen, kirchliehe. Die Kirche als Wächterin des
Glaubens und der Sitten und alles dessen, was damit zusammen-
hängt, regelte nicht bloss die Gesänge, welche bei den gottes-
dienstlichen Feierhchkeiten stattzufinden haben, sondern bezeich-
nete auch mit klaren Worten die Beschaffenheit der kirchlichen
Musik. Aus den ältesten Zeiten her sind uns in dieser Beziehung
Aussprüche und Verordnungen bekannt, welche teils die Päpste,
teils Bischöfe oder allgemeine und besondere Konzüien und
Synoden erlassen haben. Wir finden diese sonach in den Akten
der Konzilien und Synoden, in den Sammlungen der päpstlichen
und bischöflichen Erlasse und der Entscheidungen der Congre-
gatio Rituum, in dem Caeremoniale Episcoporum, den Ritualien und
anderen Uturgischen Büchern. Sehen wü- von den älteren Erlassen
und Bestimmungen ab, so haben wir unser Augenmerk vorzüglich
320 Verordnungen, kirchliche.
auf das Concilium Tridentinum und auf die neueren und neuesten
päpstlichen und bischöflichen Dekrete zu richten, welche übrigens
auf den nämlichen Principien beruhen, wie die vortridentinisonen.
Das Concilium Tridentinimi bestimmte (Sess. XXII. Decret.
de observandis et evitandis in celebr. Missae): „(Episcopi) ab
ecclesiis vero musicas eas, ubi sive organo sive cantu lasoivum
aut impurum aliquid miscetur, item saeculares omnes actiones,
vana atque adeo profana colloquia, deambulationes , strepitus,
clambres arceant, ut domus Dei vere domus orationis esse vi-
deatur ac dici possit," und „Caetera, quae ad debitum in divinis
officiis regimen spectant, deque cöngi'ua in his canendi seu mo-
dulandi ratione .... synodus provincialis pro cujusque provinciae
utilitate et moribus certam cuique formulam praescribet. Interea
vero episcopus non minus quam cum duobus canonicis in iis,
quae expedure videbuntur, poterit providere." (Sess. XXIV. de
reform. c. 12.) Hiermit hat der heilige Kirchenrat. allgemeine
Bestimmungen gegeben und den Bischöfen die specielle Obsorge
' für würdige Kirchenmusik übertragen.
Der heil. Karl Borromäus berief alsbald nach seiner Rück-
kehr nach Mailand ein Provinzialkonzil 1569, worin, wie in folgen-
den Provinzialsynoden, auch die kirchliche Musik mit mehrfacnen
weisen Beschlüssen bedacht wurde. In Reicher Weise Hessen
andere Bischöfe sich angelegen sein, den Zustand der Kirchen-
musik in ihren Kathedralen und Sprengein dem Willen des
Trienter Konzils entsprechend zu überwachen. Das Überhand-
nehmen der ijstrumentalmusik in den Kii'chen im vorigen Jahr-
hundert veranlasste das Oberhaupt der Kirche, hierüber sich
auszusprechen, und nach Anhören eines sachverständigen Rates,
Orliess (19. Febr. 1749) Papst Benedikt XIV. eine Encykllka, worin
er Normen für die Instrumentalmusik in den Kirchen gab, und
welche von grosser Wichtigkeit ist, weil sie die einzige zulässige
-Weise der Instrumente -auf den Kirchenchören bezeichnet. Er
sagt: »Wir haben es uns angelegen sein lassen, über diese Sache
den Rat weiser Männer und ausgezeichneter Meister der Ton-
kunst einzuholen. Übereinstimmend mit ihren Ansichten wirst
Du handeln, ehrwürdiger Bruder, wenn Du, falls in den Kirchen
Deines Sprengeis der Gebrauch der musikalischen Instrumente
eingeführt ist, ausser der Orgel keine anderen Instrumente ge-
stattest, als den Kontrabass, das Violoncell, das Fagott, die
ViQla und die Violine. Diese Instrumente können dienüch.sein,
die Stimmen der Sänger zu halten und zu verstärken. Verbieten
aber musst Du die Patiken, Waldhörner, Trompeten, Oboen,
grössere und kleinere Flöten, Klavierinstrumente, Mandolinen
und andere derartige Instrumente, welche der Musik einen
theatralischen Charakter verleihen. . . . Wenn aber die Instru-
mente immerfort erklingen, . . . und demnach die Stimmen der
Sänger und das Verständnis der Worte niederdrücken und ver-
dunkeln, so ist das ein verkehrter imd unzweckmässiger Gebrauch
der Instrumente und ist verwerflich und verboten."
1842 erliess Kardinal Patrizi, Vikar Sr. Heüigkeit Papst
Gregors XVI., eine zunächst für Rom bestimmte Verordnung,
worm die Ausartungen der Kirchenmusik streng gerügt und die
Instrumentalbegleitung für die Zukunft unter Wahrung gewisser
Verordnungen, kirchliche. 321
Schranken nur als Ausnahme gestattet wird. Unter dem Pon-
tifikate Pius IX. ist die nämliche Verordnung, d. d. 20. Nov.
1856, in verschärfter Form erneuert worden. Da sie ein Anhalts-
pimkt für alle folgenden Erlasse der Bischöfe über Kirchenmusik
ist, so sollen die hauptsächlichsten Punkte herausgehoben wer-
den. Im Eingange werden die Übelstände bezeichnet und teils
im theatraliscnen Stile^ teils in der profanen Gesangs-
und Vortragsweise, teils in der Gattung der Instru-
mente, teils in der unerträglichen Länge der Produk-
tionen gefunden. Auf ausdrücklichen Befehl Sr. Heiligkeit
wird nun verordnet : 1) Obwohl Wir nur reine Vokalmusik ä
la Palestrina wünschen, so erlauben Wir, neben dem Gebrauche
der Orgel, auch instrumentierte Musik, doch nur nach eingehol-
ter Erlaubnis. 2) Ausgeschlossen sind Trommeln, Gymoalen,
alle Schlaginstrumente überhaupt, alle bisher auf den Kir-
chenchöreii ungebräuchlichen und die zu rauschenden.
3) Auch bei der Musik ä la capella werde Ernst und Würde
eingehalten ohne Beimischung theatralischen Wesens in Anlage
und Melodie, und die oftmalige Wiederholung der Worte, Ver-
wechselung und Verstellung derselben nach Belieben sei ver-
mieden. 4) Bei der heiligen Messe , bei Aussetzung des AUer-
heiligsten und dem Segen mit demselben hüten sicli besonders
die Oi;ganisten, profanes und leichtfertiges Spiel zu treiben. 5) Um
dem Ünfuge bei instrumentierten Messen, besonders Vespern,
wo öian einen oder zwei Psalmen mit grossem Orchester auf-
führt, das folgende aber hastig mit blosser Prgelbegleitung
ableiei*t, zu steuern, soll die Instrumentation bei allen Teilen
gleich sein, und kein Musiker die Tribüne (den Chor) vor Voll-
endung des Gottesdienstes verlassen. 6) Die einzelnen
Teüe, z. B. Kyrie, Gloria u. dgl. sollen ein einheitliches Musik-
stück bilden, nicht aus abgerissenen Stücken bestehen.
7) Die Introitus und Vesperantiphonen sollen choraliter oder in
anderer passender Weise und so gesungen werden, dass man die
Worte verstehe. 8) Die Kapellmeister sollen den Takt nicht mit
einem Stocke (d. h. weithin hörbar und geräuschvoll), sondern
mit einer Papierrolle schlagen; auch sollen sie nicht den
Rücken gegen den Altar kehren. Grosse Stille herrsche
unter den Musikern; den Sängern wird höchste Anständig-
keit, Geistessammlung, deutliche und andächtige Aus-
sprache des Textes anempfohlen. 10) Die Kapellmeister haben
dies bei ihren Untergebenen sorgfältig wahrzunehmen.
Für die Komponisten speciell ist verordnet: 1) Die
Kirchenmusik muss sich von der profanen und theatralischen
Musik nicht bloss durch die Melodien, sondern auch durch die
Figuration und Harmonieführung unterscheiden; die zu schnel-
len, aufregenden Bewegungen und Tempi sind verboten. Wenn
die Worte Heiterkeit und Freude verlangen, so geschehe es mit
der Anmut heiliger und> religiöser Freude und nicht mit aus-
gelassener Tanzbeweglichkeit; die Worte dürfen nie schneller
fesprochen werden, als es bei einem gewöhnlichen Gespräche
er Fall ist. 2) Die Worte sollen in der Ordnung gebraucht
werden, in welcher die liturgischen Bücher den Text geben;
nach Abschluss eines vollen Gedankens kann die Wiederholung
Kornmüller, Lexikon. 21
322 Verordnungen, kirchliche.
eines Wortes oder Abschnittes stattfinden, doch nur nach
Bedürfnis, ohne Verkehrung des Sinnes und mit gehö-
rig er Mässigung. 3) Wenn menrere Stimmen zugleich singen,
dürfen sie nicht verschiedenen Text aussprechen, bei Wieder-
holungen (Imitationen, Kanons) mag es ansehen. 4) Man singe
dann alle Worte ohne Zusatz oder Abkih'zung, nicht eine Sübe
werde geändert. 5) Verboten sind dann alle Arietten, Duos
und Trios nach Art der Bühnenmugjk. Durchaus verboten sind
die Recitative und alles ihnen Ähnliche. 6) Bezüglich der
Instrumente enthalte man sich langer Introduktionen
und Präludien, letztere seien stets km*z und einleitend. Ohne
die Annehmlichkeit und das Kolorit der Instrumente zu beein-
trächtigen, wie es Kunst und guter Geschmack erfordert, hat
man Weichlichkeit und auch grosses Geräusch zu vermeiden.
Der Kompositeur \^erges8e nicht, dass die Instrumente tn der
Kirche bloss geduldet sind; sie haben bloss den Gesang zu
unterstützen und zu verschönern, fera davon, ihn zu beherr-
schen, und noch weniger, ihn beschwerlich zu machen oder ganz
zu unterdrücken.
Im nämlichen Jahre (1842) erliess auch der Kardinal-Erz-
bischof Sterkx von Mecheln eine Instruktion über die Kirchen-
musik, welcher sich bald alle übrigen Bischöfe Belgiens anschlös-
sen. Sie stellt den Gregorianischen Choral in allen Kirchen als
Regel, die Figuralmusik als Ausnahme auf. Man findet sie in
-Janssens, Grundregeln des Gregorianischen Chorals etc.* abge-
druckt. Seitdem haben mehrere Bischöfe Deutschlands umias-
sende Verordnungen zur Besserung der Kirchenmusik in ihren
Diöcesen erlassen, von denen folgende uns bekannt geworden
sind: Oberhirtliches Ausschreiben des Bischofs Valentin von
Regensburg vom 24. April 1857; Monita ad paroch. Guilielmi
Eßiscopi Trevir. 7. Mart. 1856; Bischöfliche Kurrende für die
Leitmeritzer Diöcese, Nr. 3. 1858; Nr. 13. 1859; — hierzu zählen
noch die Beschlüsse des Prövinzialkonzils von Wien 1858,
von Prag 1860 und von Köln 1861. Es ist nicht nötig, von
ihnen etwas auszüglich anzuführen, da sämtliche in ihren Be-
stimmungen auf den nämlichen Principien beruhen und nur in
wenigen provinziellen Beziehungen abweichen.
188ö erging von Seiten der C. Si R. an alle Bischöfe Italiens
ein „Regolamerito per la Musica sacra in Italia", wodurch eine
Besserung der Kircnenmusik angestrebt wird.
Von besonderer Wichtigkeit ist noch das 27. Kapitel des
I. Buches des Caeremoniale Episcoporum, welches i. J. 1886 neu
redigiert und vom heiligen Vater sanktioniert, folgende Bestim-
mungen enthält:
1) An allen Sonntagen und an allen FesttEigea des Kirchen-
jahres, an denen das Volk sich der knechtlichen Arbeit zu ent-
nalten pflegt, kann in der Kirche Orgelspiel und der Gesang
der Musiker stattfinden.
2) Zu diesen Tagen zählen jedoch nicht die Sonntage
der Advent- und Fastenzeit mit Ausnahme des dritten im Ad-
vent (Gaudete) und des vierten in der Fastenzeit (Laetare), an
welch letzteren Tagen Orgelspiel erlaubt ist, jedoch bloss bei
der Messe; ebenso sind ausgenommen jene Feste utid Ferien
Verordnungen, kirchliche. 323
innerhalb der Advent- und Pastenzeit, welche mit Feierlichkeit
von der Kü'ohe begangen werden, wie z. B. das Fest des heil.
Mathias, des heil. Thomas von Aquin, des heil. Gregor d. Gr., des
heil. Joseph, der Verkündigung Mariens und ähnlichen, welche
in die Advent- und Fastenzeit fallen. Ebenso kann die Orgel
gespielt werden am Gründonnerstag und Karsamstag beim Gloria,
und wenn ein feierlicher Gottesdienst mehr freudigen Charakters
irgend einer wichtigen Ursache halber gehalten werden soll.
3) Das Spiel der' Orgel ist geziemend , wenn der Bischof
entweder, um selbst feierlich zu celebrieren, oder dem durch einen
anderen celebrierten feierlichen Hochatnte zu assistieren, in die
Kirche einzieht, sowie auch, wenn er nach verrijchteter heüiger
Handlung die Kirche verlasst.
4) Ebendasselbe soll beim Einzüge eines apostolischen Le-
gaten, eines Kardinals, eines Erzbischoies oder Bischofep, den der
Diöcesanbischof .ehren will, geschehen, und zwar so lang, bis die
vorgenannten gebetet und die heilige Handlung beginnen soll,
sowie auch bei deren Auszug.
5) Bei der feierlichen Matutin an höheren Festtagen kann
die Orgel gespielt werden, auch bei der Vesper und zwar von
Allfang an.
o) Es ist Regel, dass bei Vesper, Matutin und Messe* der
erste Vers der Kantiken und Hymnen, sowie auch jene Hymnen-
strophen, bei T?7elchen zu genunektieren ist (z. B. Te ergo quaesu-
mus etc. und die Strophe Tantum ergo, wenn das heiligste Sa-
krament ausgesetzt ist, imd ähnliche) vom Chore laut gesungen
und nicht von der Orgel suppliert werden; so wird es auch
mit dem Versikel Gloria Patri etc. gehalten, wenn auch der die-
sem unmittelbar vorhergehende Versikel ebenfalls gesungen
wurde; dasselbe gilt von den Schlussstrophen der Hymnen. —
Es ist jedoch wohl zu bemerken^ dass, so oft die Orgel den Ge-
sang suppliert oder ' wechselweise mit dem Gesänge bei den
Hymnen und Kantiken eintritt, jemand im Chore das mit ver-
nehmlicher Stimme recitiere, was wegen des Spieles der Orgel
nicht gesungen wird. Und es wäre ganz löblich, wenn irgend ein
Sänger ebendasselbe, begleitet von der Orgel, deutlich singen würde.
7) Bei anderen kanonischen Hören, welche im Chore re-
oitiert werden, ist es nicht gebräuchlich, die Orgel anzuwenden.
Wenn es jedoch irgendwo Gewohnheit wäre, auch bei den Hören,
oder einigen derseloen (z. B. bei der Terz, zumal wenn dieselbe
unmittelbar vor einem Pontifikalamte , während der Bischof die
heüigen Paramente nimmt, feierlich gesungen wird) die Orgel zu
spielen, so kann eine solche Gewohnheit beibehalten werden.
8) Bei der feierlichen Vesper kann die Orgel am Ende
eines jeden Psalmes gespielt weräen ; femer auch wechselweise
beim Hymnus und beim Magnifikat, jedoch unter Beobachtung
obenbesagter Regeln.
9) Beim Hochamte wird die Orgel wechselweise gespielt
2um Kylie eleison, Gloria in excelsis etc. am Anfange der Messe ;
ebenso nach gelesener Epistel, zum OflFertorium und zum San-
€tus, \md fort bis zum rater noster. Bei der Wandlung jedoch
wird die Orgel in ernsterem und sanfterem Tone gespielt. Nach
der Wandlung kann sogleich eine passende Motette gesungen
• 21*
324 Versett — Versetzungszeichen.
werden. Ebenso ertönt die Orgel wechselweise beim Agnus Bei
bis zur Postcommunio und am Ende der Messe.
10) Beim Gesänge des Symbolums (Credo) jedoch darf die
Orgel nicht wechselweise eintreten, sondern es ist dasselbe vom
Chore ganz und mit vernehmlicher Stimme zu singen.
11) Man habe aber ein wachsames Auge dariiner, dass das
Spiel der Orgel nicht lasciv oder unlauter sei, und dass nicht
unter Begleitung derselben Gesänge aufgeführt werden, welche
mit dem Officium, das eben gefeiert wird,* nichts zu thun haben,
um von Gesängen profaner und tändelnder Natur zu schweigen;
auch sollen ausser der Orgel keine« anderen Instrumente ange-
wendet werden, es sei denn mit Erlaubnis des Bischofs.
12) Die Sänger und Musiker sollen es sich sehr angelegen
sein lassen, dass der Zusammenklang der Stimmen, welcner zur
Förderung der Andacht in der Kirche bestimmt ist, nichts Leicht-
fertiges und Ausgelassenes an sich habe und so die Gemüter der
Hörer von der Betrachtung der heiligen Geheimnisse abwendig
mache, sondern derselbe sei andächtig, klar und verständlich.
13) In Officien für die Verstorbenen wird die Orgel nicht
gespielt; wenn aber bei den Totenmessen Musik stattmidet, so
schweigt die Orgel, wenn der Gesang beendet ist; die gleiche
Vorschrift geziemt sich auch für die Ferien der Advent- und
Fastenzeit.
Versett, s. Zwischenspiel.
Versetzungszeichen heissen in der- Musik diejenigen Zei-
chen, durch welche die Erhöhung oder Erniedrigung eines Tones
in der Notenschrift angedeutet wird. Solcher Zeichen gibt es
eigen thch nur drei: das Kreuz (T), das B (7) und das Auflö-
sungs- oder Wiederherstellungszeichen (B quadratum j;).
Zur Bezeichnung der doppelten Erhöhung bedient man sich des
(von einigen auch „spanisches Kreuz" genannten) Zeichens x, die
doppelte Erniedrigung zeij^ man durch Doppel-Be {\^) a.n. We-
sentliche Versetzungszeichen werden diejenigen genannt, welche
die in einer Tonart oder Tonleiter notwendig erhöhten oder er-
niedrigten Töne bezeichnen, in welchem Fafle sie jedesmal zu
Anfang eines Tonstückes oder Satzes zwischen dem Schlüssel
und Taktzeichen, auch gewöhnhch zu Anfang jeder Notenzeüe
auf die betreffenden Linien gesetzt werden; zufällig oder
accidentell heissen sie, wenn sie der Tonart nicht wesentlich
zugehören, sondern die erhöhten oder erniedrigten Töne zuföllig
oder, durch den Gang der Modulation veranlasst sind; in diesem
Falle werden sie unmittelbar vor die zu alterierende Note gesetzt
und haben nur füi* einen Takt Geltung. — Das erste Versetzungs-
zeichen, welches in der Geschichte der musikalischen Theorie
zutage tritt, ist das B-rotundum oder molle, welches in dem
Tonsysteme Guidos von Arezzo unter den hohen und höchsten
Tönen die Erniedrigung des B (eigentlich unser Ton H) um einen
halben Ton (zu unserm B) anzeigt, während das natürliche H
durch das quadratische Zeichen t angedeutet wurde. In der
unteren Oktav, deren Töne graves Messen, gab es nur das B
quadratum (unser H), da dies nicht mit einem darunterliegenden
F, weü es keines gab, durch den Triton in Kollision kommen
r~
Versikel — Verwandtschaft. 325
konnte. Bei diesem blieb'»es lang, obwohl in der Praxis aller-
dings, je nachdem man von einem Tone ausging, eine Alteration
der Töne vorgenommen werden musste, um die betreffende Ton-
art darzustellen, d. h. wenn man eine ordentlich notierte Melodie
höher oder tiefer als die Noten- oder Zeichenschrift angab, sang.
Das war eine Art der „Musica iicta", die transponierte Mu-
sik. Dann aber erhöhte man (nach Guido) öfter den Ton unter
der Finale, wenn ein ganzer Ton dort zutraf (subsemitonium
modi), da dieses dem Genör besserlautend erschien, — aber man
zeigte es noch nicht durch ein Zeichen an; diese willkürlich er-
höhten Töne nannte man auch musica ficta und daraus ent-
wickelte sich später der Gebrauch eigener Zeichen für solche
Erhöhungen. Bei den ältesten französischen Kontrapunktisten
im Xin. Jahrh. schon kommt das Erhöhungszeichen (Diesis)
vor. Erst am Ende des XVI. und Anfange des XVII. Jahrb.,
da das neuere Tonsvstem mit seinen fixen Dur- und Mollskalen
auftauchte und die Tonsetzer von der Chromatik mehr und mehr
Gebrauch machten, wurden unsere drei Versetzungszeichen all-
gemeiner angewendet.
Versikel, lat. versiculus, ein kurzer Spruch, gewöhnlich
aus den Psalmen genommen und bei allen liturgischen Funktionen
und beim Officium vorkommend, mit t, bezeichnet, welchem
stets ein Antwortspruch, Responsorium (1^.); als Ergänzung folgt,
z. B. y. Adjutorium nostrum in nomine Domini. ip. Qui fecit
€oelum et terram. Ihre Gesangsweise ist, je nach dem} Officium,
wobei sie vorkommen, sehr verschieden worüber jedes Choral-
lehrbuch Aufschluss gibt.
Versns (lat.), der Vers, Psalmvers.T
Vert^ (lat.) = wende um.
Verwandtschaft. Verwandt nennt man Harmonien (Ac-
corde) und Tonarten, insofern sie in einem gewissen Verhältnisse
zueinander stehen oder eine gewisse Beziehung aufeinander haben.
I. Harmonien sind mehr oder weniger verwandt a) bezüg-
lich der sie konstituierenden Töne, je nachdem sie einen
oder mehrere Töne gemein haben ; b) bezüglich der Bedeutun-g,
wenn sie enharmomsch glefch sind, z. B. die Dreiklänge fis-ais-cis
und ges-b-des; o) bezüglich ihrer Abstammung, z. B. die Ac-
corde g h d; g h d f; g h d f a- g h d f as; h d f a;
h d f u. dgl.; hierzu sind noch die willkürlich umgebildeten Ac-
corde zu rechnen, z. B. die kleinen, übermässigen, verminderten
Dreiklänge, Septimenaccorde u. a.; d) bezüglich der Tonarten,
zu denen sie gehören.
IL Die Verwandtschaft der Tonarten (Tonleitern und
Tonreiche) gründet sich auf Gemeinsamkeit mehrerer oder wich-
tiger Töne und Harmonien. Zunächst verwandt sind einer be-
stimmten Tönart diejenigen Tonarten, welche deren Tonikaaccord
als vollkommenen Dreiklang in sich enthalten, z. B. zu C-dur:
G-dur, e-moU, C-dur, a-moU, F-dur, d-moU ;
also sind im ersten Grade verwandt zu einer bestimmten Ton-
art die Parallel-MoUtonart, die Tonarten ihrer Ober- und Unter-
dominante (deren Tonleitern nur in einem Tone abweichen, z. B.
von der C-dur-Skala die F-dur-Skala durch b, die G-dur-Skala
326 Verzierungen — yesper.
durch fis) und deren Parallel-MoUtonarteh. Im zweiten Grade
verwandt nennt man diejenigen Tonarten, welche von einer be-
stimmten Tonart in zwei Tönen differieren, z. B. D-dur oder
B-dur zu G-dur u. s. f. •
Verwandt sind ferner diejenigen Tonarten, welche gleiche
Tonika, Ober- und Unterdominante besitzen, als C-dur und
OmoU u. s. w., ebenso diejenigen, welche in. einem Dominanten*
Verhältnisse zueinander stehen, z. B. C-dur zu F-moU (und dessen
Paralleltonart As-dur)
(Verwandtschaft der Kirchentonarten s. bei „Kir-
chentonarten".)
Verzierungen, ital. Fioriture, nennt man alle diejenigen,
ausschmückenden Figurenzusätze — auch Manieren genannt — ,
welche einer melodischen Hauptnote in der Form von Vor- und
Nachschlägen, Trillern u. dgl. oeigegeben werden. Sie sind ent-
weder vom Komponisten bestimmt oder werden vom Vortragen-
den nach eigenem Gutdünken beigesetzt. Solche Verzierungen^
reverberatio und flores genannt, gebrauchten schon die Sänger
des XII. Jahrb., und Hieronymus de Moravia gibt hierüber eme
längere Anweisung (tractat. de mus. cap. 25).
Vesper, lat. Vesperae. Die Vesper ist ein Bestandteil
des täglichen Officiiuns oder Breviergebetes, einst bestimmt für
die Zeit vom Untergange der Sonne bis zur Nacht, die Zeit der
Abenddämmerung; in alten Zeiten betete oder sang maj} sie
auch abends sechs Uhr, als der Stunde, in welcher beim Äqui-
noktium die Sonne untergeht; jetzt kann sie während der Zeit
von zwölf Uhr mittags ois zwölf Uhr nachts gebetet werden.
Zu bemerken ist, dass sie in der Fastenzeit vor Mittag abgehal-
ten wird. Die Vesper ist bei uns die einzige kanonische Bet-
stunde, welche noch an manchen Tagen, besonders Festtagen,
öffentlich unter Teilnahme der Gläubigen (als feierlicher Nach-
mittagsgottesdienst) abgehalten wird, ihre Bedeutung ist: „Aus-
druck des beruhigenden Bewusstseins eines treulich durchlebten
und mit Gnaden und Verdiensten bereicherten Tages, aber auch
des Dankes, der Bewunderung und des Preises für volle Offen-
barung der göttlichen Liebeswerke, sowie endlich der freudigen
und sehnsücntigen Erwartung ewiger Freude und Glorie." Inre
Form ist ganz die der Landes : Fünf Psalmen mit fünf Antipho- .
nen, Kapitel, Hymnus, Versikel mit Responsorium, der Lobgesang
„Magninkat" mit Antiphon, woran sich die Festoration, manch-
mal von einer oder mehreren Kommemorationen von Heüigen
gefolgt, anreihen. Dem Chore fällt in der Feier der Vesper eine
wichtige Aufgabe zu, indem ihm der Psalmengesang, teilweise
aucb der Antiphonen, dann des Hymnus und des Magnifikat ob-
liegt, und er durch den Gesang der gehörigen Stimmung Aus-
druck leihen soll. Der einfache Psalmengesang verinag schon
eine grosse Wirkung zu üben; aber zu festlicherer Stimmung
können die Kompositionen der alten Meister angewendet werden,
seien es nun durchkomponierte Psalmen oder sogenannte Falso-
bordoni. Weit davon stehen ab die Kompositionen der. Neuzeit
mit ihrer Figuration und Instrumentation, welche die Psalmtöne
verlassen und zu geistlichen Kantaten sich gestaltet haben; bei
diesen drängt sich am klarsten und überzeugendsten im Zusammen-
Victimae paschali — Viola. 327
halte mit den nach kirchlicher Intonation geßchaffenen Kompo-
sitionen die Einsicht auf, in welchem Widerspruche die moderne
Musik mit der Liturgie sich befindet. — Jedes gi'össere Fest
nimmt seinen Anfang am Vorabende mit der I. Vesper, welche
gemeinig:lich feierlicher abgehalten wird, und schliesst am Tage
selbst mit der II. Vesper. Die Antiphonen sind in beiden Vespern
(mit wenigen Ausnahmen) gleich und werden aus den Landes
genommen, die Psalmen iedoch sind meistens verschieden, wes-
alb der Chordirektor sicn wohl umzusehen hat. Ein Missstand
ist aus den instrumentierten Vespern erwachsen, welcher die
kanonische Form der Vesper beeinträchtiget und entfernt wer-
den muss, — das ist das rast gänzliche Verschweigen der Anti-
phonen! — An das Magnifikat und an die Hauptoration schliessen
sich öfter eine oder mehrere Kommemorationen der Heiligen an,
worüber inuner vorerst das Direktorium nachzusehen ist. Das
„Benedicamus" singt gewöhnlich der Chor, resp. einer oder zwei
Sänger, denen der ganze Chor mit „Deo gratias" antwortet.
Victimae paschali, s. Sequenzen.
Vierstimmig heisst der Satz, wenn die Harmonie wirklich
aus vier neben- und übereinander fortlaufenden Stimmen besteht,
die sich zu einem Ganzen vereinigen. Dieser Satz ist der voll-
kommenste und reinste, weil er der natürlichste ist, denn in der
Anordnung und Bildung der verschiedenen Menschenstimmen hat
die Natur selbst gleichsam eine vierstimmige Harmonie gegeben.
Das Quartett macht auch bei jeder grösseren Musik — ausge-
nommen die konträpunktischen Werke — die Grundlage aus.
Bei Vokalsaohen sina die vier gemischten Stimmen, Sopran,
Alt, Tenor und Bass in Anwendung gebracht, oder das Quartett
aus zwei Sopran und zwei Alt, oder zwei Tenoren und zwei
Bässen (ad voces aequales) oder in anderer Mischung zu-
sammengesetzt.
Viola, Altviola, Bratsche, ist das älteste Saiteninstru-
ment, eigentlich die Mutter unserer Geigeninstrumente. Man
nimmt ihr Alter auf ö(X) Jahre an. 1330 erscheint sie schon auf
einem Erzbilde von Pisano an der Kirchenthüre der Taufkapelle
zu Florenz — fünfsaitig. Bogen, Ansatz, Bogenführung, Form so,
wie wir sie später zu sehen gewohnt sind. Zu Raphaels Zeiten
(1507) ist sie das Hauptinstrument unter den Geigen. Im XVI.
Jahrh. hatte man Violen mit fünf, sieben und neun Saiten; sie
waren an Grösse etwas verschieden und wurden teüs mit dem
Arme wie bei uns (Viola da braccio, Armgeige), teils zwischen
den Knieen (Viola da gamba, Kniegeige) gehalten. Gegen-
wärtig ist nur mehr die Viola da braccio (daher der Name
„Bratsche") in Gebrauch, aber als ein unentbehrliches Instru-
ment zum Quartett und aller mehrstimmigen Musik. Die Viola
ist charakteristisch durch einen sanften Ernst, welcher in Ver-
bindung mit dem etwas näselnden Tone ihr einen eigenen Reiz
verleiht. Berlioz zeichnet ihr Wesen so: „Die Viola ist ebenso
beweglich und gewandt als die Violine; der Ton ihrer tiefen
Saiten hat eine eigentümliche Schärfe, die höheren Noten brillieren
durch ihren schwermütigen leidenschaftlichen Accent , und ihr
Klang im allgemeinen, eine tiefe Wehmut atmend, unterscheidet
sich wesentlich von dem Klange der übrigen Bogeninstrumente."
828 Violine — Vokalmusik.
Violine, s. Geige.
Violoncell, Violoncello, auch kleine Bassgeige und
(friilier) Bassetchen genannt, ist eine Umgestaltung oer früheren
Viola da Gamba. Tardieu, ein Geistlicher , welcher um 1700 zu
Tarascon in der Provönoe lebte, ist sein Erfinder; er bezog es
zuerst mit fünf Saiten; 1725 Hess er die fünfte (oberste) Saite
weg. In Deutschland kam es erst um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts in Aufnahme. Bei diesem Instrumente ist der
Fingersatz wegen der längeren Mensur etwas anders und auch
imgJeioh schwieriger, als auf der Violine und Viola ; die Notation
feschieht im Bassschlüssel, nur bei höheren Stellen wendet man
en Tenorschlüssel und bei den höchsten Tönen den Violin-
schlüssel an. Manchmal findet man auch schon bei den höheren
Stellen den Violinschlüssel statt des Tenorschlüssels gesetzt, in
welchem Falle die Töne um eine Oktave tiefer zu spielen sind,
als die Noten angeben. Das Violoncell ist in den mittleren und
höheren Tönen durch einen eindringenden, klaren und weichen
Klang ausgezeichnet, und, in der sonoren Tenorregion am näch-
sten der Menschenstimme verwandt, spricht es in melodischen
Gängen zum Herzen und macht in solcher Anwendung seine
fechönste Wirkung. Es ist nicht nur in jedem Orchester zur Ver-
stärkung der Grundbässe höchst wirksam, noch mehr aber, um
bewegtere Bassfiguren klar und vernehmlich herauszuheben, ganz
unentbehrlich, sondern es muss auch eines der vorzüglichsten
Solo- und Konzertinstrumente genannt werden.
Violone, 1) französische Benennung der Violine; 2) ita-
lienischer Name des Kontrabasses (s. d. Art.). Die erste Ein-
führung des Kontrabasses ist unbekannt; er ist jedenfalls jünger
als die übrigen Geigeninstrumente. Die Musikkultur selbst rief
die BassgQige, auch deutscher Bass genannt, hervor, wel-
cher in der Dimension grösser als das Violoncell, jedoch kleiner
als der jetzige Kontrabass war. Anfangs des XVII. Jahrh. finden
wir ihn schon im Gebrauche. Es gibt drei- und viersaitige Bässe.
Virtuos wird ein ausführender Tonkünstler genannt, wenn
er als Sänger oder auf einem Instrumente — eme besondere,
ungewöhnliche Fertigkeit besitzt; im besten Sinne ist derjenige
Virtuos, welcher mit der Fertigkeit erstens Geschmack und Geist
des Vortrags vereinigt, zweitens aber auch die Fertigkeit noch
auf echt künstlerische Weise, d. h. zu Gunsten der fiiterpretie-
ung gediegener und würdiger Kunstwerke benützt und sie nicht
zum 2i wecke, sondern zum Mittel seines Kunstwirkens macht.
Vista, a prima vista = vom ersten Anschauen, vom Blatte
(spielen, singen).
Vivace, s. Tempo.
Voces aequales, s. Gleiche Stimmen.
Vokalmusik, im Gegensatze zur Instrumentalmusik die-
jenige Musik, bei welcher von der menschlichen Stimme ent-
weder allein oder auch in Begleitung von Instrumenten Gebrauch
gemacht wird. Die Vokalmusik steht höher als die Instrumental-
musik, welcher sie auch bezügUch der Entwickelung weit vor-
ausgegangen ist: denn sie ist de-r unmittelbare Erguss des
menscnlicfien Fühlens, und der Drang und das Bedürfnis, dieses
in einer über die praktische Begriffssprache hinausliegenden Weise
Volkslied — Vorausnahme. 329
auszudrücken, ist dem Menschen eingeboren. I)a der Mensch
selber das Organ dieser Offenbarung seines Inneren ist, so kann
«s nicht auffallen, dass. erst später die Instrumente, welche zu-
dem lang in höchst unvollkommenem Zustande blieben, neben
der menschlichen Stimme Organe solcher Gefühls- und Empfin-
dungsäusserungen werden konnten. Darum blieb auch die Ge-
sangsmusik bis ins XVIII. Jahrh. herein die vorzüglichste Musik-
weise, in welcher die Tonkunst ihre besten Werke schuf.
Sie behauptet den Vorrang über die Instrumentalmusik,
wenn auch diese in mancher Beziehung, z. B. Beweglichkeit,
Tonumfang, Schallkraft..sie überbietet, schon dadurch, dass sie
die unmittelbarste Äusserung des Menschen ist, dass der
Lebensodem im Gesänge weht, der Nerv mit ihm mitlebt und
dies jeder Mensch sympathetisch mitfühlt. „Die Resonanz der
Instrumente ist nur ein schwacher Nachhall der seelischen Re-
sonanz des Gefühles, die im Gesänge nachklingt." Vorzüglich
aber überragt der Gesang jede Instrumentalmusöc: dadurch, dass
er sich mit der Sprache verbindet; dass er, während er durch
den Ton auf das Gefühl wirkt, zugleich durch das Wort den
Geist über das, was der Ton sagen will, aufklärt und die höch-
sten und bedeutendsten Dinge, welche die Vokalmusik in ihren
Kreis zieht, dem Gefühle und Geiste zugleich zum deutlichen
Verständnisse bringt. Was viele Worte nach selten des Gefühles .
nicht auszudrücken vermögen, das spricht die Musik in wenigen
Zügen aus; der Text hingegen gibt unserem musikalischen Em-
pfinden und Ahnen eine Bestimmtheit und Gewissheit und sagt
uns deutlich, was die Musik an sich nicht zu gewähren vermag.
So ergänzen sich Wort und Ton in der Vokalmusik zu einer
Gefühl und Phantasie tief erregenden und zugleich den Geist
durch Deutlichkeit befriedigenden Einheit.
„Es ist demnach auch ganz natürlich," sagt Dommer, -dass
der reine Gesang das Organ der tiefsten Gefühle und Ideen
wurde , in welchen nicht nur die anfängliche , sondern auch die
Kunst in ihrer Vollendung die Gottheit feierte. Jederzeit ist das
instrumentale Element in der Kirchenmusik weit hinter das vo-
kale zurückgetreten." Die Kirche hat somit auch nicht unrecht,
wenn sie die Gesangsmusik in ihren Kultus zieht, die Instrumental-
musik als ein ihr nicht zusagendes Element nicht liebt und sie
nur duldet, insofern sie nicht mit ihrer Eigentümlichkeit domi-
niei-t, sondern bloss den Gesang unterstützt, seine geistige Tiefe
fühlbarer macht, gleichsam dem Gemälde durch ihre Figuren und
Klänge den LokaTton gibt.
Volkslied, s. Kirchenlied.
Volti (ital.) — wende um, gewöhnlich mit subito (abge-
kürzt V. S.) wende schnell (d. h. das Blatt) um.
Vorausnahme, Anticipation, findet statt, wenn ein we-
sentliches Intervall eines Accordes in einer und derselben Stimme
schon beim nächstvorhergehenden Accorde angeschlagen wird,
zu dem es eigenthch gar nicht gehört, z. B.:
330
1
Vorbereitung — Vorschlag.
r
I
I
f
r TT I
Vorbereitung der Dissonanzen besteht darin, dass der dis-
sonierende Ton eines Accordes schon im unmittelbar vorherffehen-
den Accorde als Konsonanz desselben vorhanden ist (s. D i s -
s o n a n z). .
Vordersatz, s. Periode.
Vorhalt ist das Hinüberziehen (Forthalten) eines oder meh~
rerer Töne eines Accordes in einen folgenden Accord, welchem
diese Töne fremd sind, z. B.:
Der Ton c des zweiten Taktes ist die vorgehaltene Note. A1&
Dissonanz muss der Vorhalt vorbereitet werden — das c de&
ersten Taktes — und hat dann seine regelrechte Auflösung^
•durch h. Je nachdem die Auflösung aufwärts oder abwärts ge-
schieht, nennt man die Vorhalte entweder Vorhalte von
unten oder Vorhalte von oben; die ersteren haben jederzeit-
etwas Herbes und kommen seltener vor. Der moderne Stil führt
Vorhalte ohne alle Vorbereitung ein. Bezüglich der Vorhalte ist.
aber zu beachten: a) dass nur solche una nur so viele Vor-
halte gesetzt werden, als mit der Deutlichkeit des Harmonie-
ganges oestehen können; b) dass übei-haupt nur bei stufen-
weise fortschreitenden Stimmen Vorhalte angebracht
werden können; c) dass das vorgehaltene Intervall, d. i. der Ton,,
in welchen sich der Vorhalt auflöst, sich nicht in einer anderen
Stimme schon befindet, es sei denn in weitester Lage und unter
dem Vorhalt.
Vorschlag, ital. Appoggiatura, ist ein gleichsam zu-
fällig einem MeTodietone vorangeschickter, sich sanft anschmie-
gender Ton. Man gebraucht lange und kurze Vorschläge.
Erstere entnehmen der Hauptnote einen Taktteü, wenn sie
deren zwei enthält; zwei, wenn sie drei enthält, z. B.:
P
gleich:
Der kurze Vorschlag wird kürzer geschrieben, als der lange,
d. h. vor einem Viertel wie ein Sechzehntel u. dgl. oder ohne
Vorspiel — Vortrag. 331
Rücksicht auf die Geltung als ein Achtel und zwar durchstrichen;
er wird immer schnell imd leicht gesungen und gespielt (a).
(a). . (b) - (c)
Auch Doppelv.or schlage (b) kommen vor imd erweiterte
Vorschläge (c), welche aus mehr als zwei Noten bestehen. Diese
alle sind schnell und leicht vorzutragen. Letztere (c) nannte
man früher auch Schleifer. Vor schlagartige Manieren kannte
schon das XIII. Jahrh. unter dexn Namen „R.everberatio**.
Vorspiel, s. (Präludium) Präambulum.
Vortrag ist in der Musik die Art und Weise, ein Tonstück
mittels der Singstimme oder eines Instrumentes auszuführen.
Von dem Vortrage hängt grösstenteils die gute oder schlechte
Wirkung ab, die ein Tonstück auf den Zuhörer macht. Da die
Musik überhaupt nur durch die Aufführung oder den Vortrag
dem menschlicnen Ohre mitgeteilt wird, die Musik aber die
Sprache der Seele, Ausdruck der Gefühle ist, so ist die Lehre
vom Vortrage das AUerwichtigste in der praktischen Musik.
Einige kurze Bemerkungen hierüber genügen. Der Vortrag sei
1) richtig — d. h. ohne Fehler in Rücksicht auf das Mechanische.
Dazu gehört reine und sichere Intonation, genaue Beobachtung'
des Notenwei-tes, der Vortragszeichen und des Tempo, Festigkeit
in Beobachtung des Taktes; 2) deutlich; dies findet statt, wenn
auch bei schnellem Tempo und kurzen Noten jeder Ton bestimmt
und klar gehört, die Acoentuation und richtige Interpunktion
(Hervorhebung und Absonderung der musikaliscnen Phrasen) be-
obachtet wira; 3) schön und geistreich; das geschieht , wenn
der ausführende Musiker den Geist der Komposition studiert hat
und diesen innewohnenden Geist in seinem Vortrage zum Aus-
druck bringt. Jede Gattung von Tonstücken verlangt darum
auch eine mr eigene Art des Vortrages. Konzert- und Bühnen-
gesang (um vom Gesänge noch speciell zu reden) ist weit ver-
schieden vom Vortrage eines Chorals oder eines Kirchengesanges.
Der wahre Kirchen^esang fordert nicht dramatische Effekte,
nicht einen Aufschrei oder Seufzer des Schmerzes, nicht sinn-
liches Hauchen und Hinsterben des Tones, nicht schmachtende
Sehnsucht, nicht ungestüme, irdisch gemeine Gefühlserregimgen
des Jubels oder der Trauer, — sondern andächtigen, glünendem
warmen, frommen Seelenausdruck, fern von Leidenscnaftlichkeii
und entsprungen aus innigem Gebete^ stiller Sammlung des Gei-
stes und Herzens, betrachtender Hingabe an Zeit, Ort imd
Gegenstand der Feier oder gottesdienstlichen Handlung. Der
rechte kirchliche Gesangsvortrag hat seinen tiefsten Grund und
seine Lebensquelle im lebendigen Glauben und der innigen Gottes-
liebe, und kann daher nie erkünstelt werden; das wahre Gefühl
äussert auch auf die Organe der Stimme und Sprache seinen
Einfluss. Dies wird jedoch nicht auf. einmal erreicht, sondern
nur durch lange und zweckmässige Übung unter dem Dienste
des gläubigen Gemütes.
332 VortragBzeichen — Vox.
Voptragszeichen sind teils Wörter, teils Zeichen, welche
den Noten beigefügt sind, um den Grad der Stärke und Schwäche,
das Aneinanderzienen und Abstossen der Töne u. s. w. zu be-
zeichnen. Die Wöi*ter erscheinen meistens abgekürzt, a) Zur
Bezeichnung der Schwäche oder Stärke des Tones dienen:
p. = piano, schwach ; pp. = pianissimo, sehr schwach ; f. = forte,
stark; fif. = fortissimo, sehr stark; mf. =^ mezzoforte, halbstark;
m. V. = mezza voce, mit halber Stimme, gedämpfter Klangfarbe ;
b) zur Bezeichnung des Anschwellens und Abnehmens der
Klanestärke: — =:rC crescendo, zunehmend; ...:;=— de er e-
scenao, oder dimin. = diminuendo, abnehmend; -^ Schwell-
ton, bezieht sich nur auf eine längere Note; ebenso -^ sfz. =
sforzato, verstärkt; perd. oder perdendosi, sich verlierend;
s m 0 r z. = smorzando, verlöschend ; m o r e n d o , absterbend. Allen
diesen werden noch oft zur näheren Bestimmung der Stärke-
^rade die Beiwörter: poco, unpoco, ein wenig, meno, we-
niger, piu, sehr u. dgl. beigefügt; c) zur Bezeichnung des
Aneinanderziehens oder Aostossens der Töne: -— -^, der
Bindebogen, statt dessen oder neben ihm wird auch leg. = le-
fato, gebunden, vorgeschrieben; Zeichen des Abstossens der
öne smd Striche und Punkte: ' * * *, . . . .; wobei oft noch
stacc. (staccato) angefügt ist; d) soll das Zeitmass beschleu-
niget werden, so dienen die Ausdrücke : accellerando (accel.),
schneller werdend ; stringendo (string.) , dringender; piu
stretto, gedrängter; soll es langsamer werden, so setzt man:
ritenuto (rit.), zurückhaltend, ritardando (ritard.), zögernd,
rallentando (rallent.), langsamer werdend, calando (oaL), be-
ruhigend; soll die Taktmässigkeit ganz aufgehoben werden, so
steht: tempo rubato, freie Taktbehandlung, ad libitum, a
piacere, nach Beheben; e) die besondere Accentuirung eines
Tones geschieht durch die schon genannten Zeichen ^ sfz.,
<>► Schwellung, durch einen Strich über der Note und dann
auch durch ein Häubchen * über der Note oder durch die Be-
zeichnimg tenuto (ten.), angehalten, d. h. der Ton soll in glei-
cher Stärke nach der vollen Geltimg der Note gehalten werden,
f) Hierzu können noch die Ausdrücke gerechnet werden, welche
die Art und Weise charakterisieren, in der einzelne Stellen vor-
f:etragen werden sollen, z. B. dolce, sanft, amabile, lieblich,
eggieramente, leicht.
Vorzeichnung heissen die an die Spitze eines Tonstückes
gesetzten Versetzungszeichen, und auch die Schlüssel und das
Taktzeichen kann man dazu nehmen. Die Vorzeichnung deutet
durch die Zahl der Kreuze oder Be oder durch den Mangel der-
selben die Tonart an, in welcher das Stück geschrieben ist. Diese
Versetzungszeichen sollen auf jeder Linie wiederholt werden.
Vox (lat.), die Stimme; im Mittelalter oft statt tonus,
Chorda, Ton gebraucht. Vox humana wird auch ein achtfüssi-
ges Zimgenregister benannt.
Wasserorgel — Windlade. 333
W.
Wasserorgel, griech. Hydraulion, s. Orgel.
W^echselnote , nota cambiata, heisst eine dissonierende
Note, welche auf eine gute Zeit eintritt und erst im Nachschlage
oder auf dem sehwachen Taktteile in die Konsonanz geht, alsa
mit dieser den Platz gewechselt hat (ital. cambiare = wech-
seln, vertauschen) oder ihre Stelle vertritt. Ihre Fortschreitung
ist nicht sprung-, sondern stufenweise. Wenn sie unmittelbar
vorher als Konsonanz erscheint, ähnelt sie dem Vorhalte, doch
unterscheidet sie sich von ihm besonders dadurch, dass sie der
Bindung ermangelt. Die Vorhalte nähern sich der Wechselnote
um so mehr, je kürzer die Vorbereitungsnote gegen den Vor-
haltston ist.
Weisse Note, s. Noten.
Weite Harmonie, s. Ha'rmonie.
Wiederherstellnngszeichen , das Zeichen iS, welches die
chromatische Veränderung eines Tones wieder auftiebt.
Wiederholungszeichen, s. Repetition.
Windkasten ist der unter der Windlade liegende Teil der
Orgel, in welchen durch den Druck der Bälge der Wind gepresst
wird lind von wo aus er bei Eröffnung der Cancellenventile in
die Pfeifen eintritt.
Windlade ist der äusserst kunstreiche Teil der Orgel, auf
welchem das ganze Pfeifenwerk steht und diejenigen Einrich-
tungen enthält, welche den ganzen Stimmen oder einzelnen
Pfeifen den Wind zur Ansprache mitteilen oder verschliessen.
Sie liegt unmittelbar über dem Windkasten. Es sind zwei Arten
Windladen in Gebrauch: die Schleiflade und die Kegellade
oder Springlade. Die Schleiflade ist in so viele Cancellen ge-
teilt, als das Manual Tasten hat; gegen den Windkasten zu,,
welcher sich gleich darunter befindet, sind sie durch Ventile
abgeschlossen, welche beim Niederdrücken einer Taste mittels
der Traktur geÖflPnet werden und beim Nachlassen des Druckes
durch eine Messingfeder sich selbst schliessen. Nach oben sind
sie durch den daraufliegenden Pfeifenstock luftdicht geschlossen;
über jeder Cancelle befinden sich die Pfeifen aller Register^
welche denselben Ton geben. Zwischen den Cancellen, d. n. der
Windlade und dem Pfeifenstocke befinden sich querüberliegend
die Schleifen, auch Parallelen genannt, lange dünne Brett-
chen, welche mittels der Registerzüge hin und her geschoben
werden können und durch (Be in sie gebohrten Löcher beim
Anziehen eines Registerzuges den Wind in die Pfeifen strömen
lassen. Bei der Kegellade sind die Cancellen zugleich Wind«
kästen und gehören nicht für einen Chor derselben Stimme,
sondern für jedes einzelne Register und die Vermittelung des
Windes geschieht durch kegelförmige Ventile, welche nach dem
Gebrauche durch ihre eigene Schwere niederfallen und den
334 * Windwage — Zeitschriften.
Windzufluss wieder hemmen. Während die Schleiflade nur so
viele Ventile hat, als das Manual Tasten, hat die Kegellade für
für jeden Ton, also für iede Pfeife ein eigenes Ventü.
Windwa^e, ein oarometerähriliches Instrument zur Ab-
messung der Stärke des- Orgelwindes , des Dichtigkeitsgrades
desselben. Erfunden wurde sie um 1675 von Christian Ferner,
Orgelbauer in Wettin, verbessert durch Töpfer.
z.
Zarge, s. Geige.
Zeitmass, s. Tempo. [
Zeitschriften, kirchenmnsikalische. Als in der Mitte un-
seres Jahrhunderts die Künste neu aufzublühen begannen , ward
auch die Presse neben den sich bildenden Vereinen zur Beför-
derung der Kunsterkenntnis und der Kunstpflege auch auf kirch-
lichem Gebiete in Dienst genommen. Una nicht ohne Erfolg.
Während in den fünfziger Jahren Aoch in allgemeinen der Kunst
dienenden Zeitschriften und Vereinsorganen kirchenmusikaliscbe
Aufsätze und Publikationen ihren Platz fanden, trat der Pfarrer
Ed. Ortlieb von Draohenfels in Würtemberg 1857 zuerst mit einer
kirchenmusikahschen Zeitschrift „Orean der kirchlichen Tonkunst"
hervor, welche er bis zu seinem Toae 1861 redigierte. Nach dem
Aufhören derselben gründete Heim*. Oberhoffer in Luxemburg
die „Cäciha, Organ für katholische Kirchenmusik", deren Redak-
teur er von 1862 — ^70 war, von da an bis 1878 übernahm Mich.
Hermesdorff von Trier die Redaktion. 1866 begann Dr. Fr. Witt
die Herausgabe seiner „Fliegenden Blätter", welche nach der
Konstituierung des „allgemeinen deutschen Cäcüienvereins" 1869
zum Vereinsorgane erwählt wurde, und 1868 auch die „Musica
Sacra".
Mit der Ausbreitung des Cäcilienvereines mehrten sich auch
die kirchenmusikalischen Zeitschriften, von welchen namhaft zu
machen sind:
1) „Zeitschrift für katholische Kirchenmusik" von
J. Ev. Haber t in Gmunden am Traunsee, 1868—72; dann spä-
ter noch einige Jahrgänge.
2) „Der Kirchenchor" von Battlog in Gasohurn (Vor-
arlberg), begonnen 1870.
3) „Der Chor wacht er" von Ed. Stehle, Domkapell-
meister in St. Gallen, begonnen um 1875.
4) „Cäcilia"j Organ für den amerikanischen Cäcilien-
verein, von J. B. Singe nb erger in St. Francis, begonnen 1874.
5) „Echo" von demselben herausgegeben.
6) „Gregoriusblad" für Holland, redigiert von Professor
Lans.
7) „C^cilia", redigiert von Alois Kunc m Toulouse,
(Frankreich).
8) »Lyra ecclesiastica" für Irland, redigiert von Don-
nelly m Dublin.
Zerstreute Haraionie — Zungenwerk. 335
9) „Gregor iusblatt" mit „Gregoriusbote"^ redigiert
von. Hein«. Bdckeler, Direktor des Gregoriushauses m Aaonen,
seit 1876.
10) -Kirchenmusikalische Vierteliahrschrift*^ von
Dr. Joh. Katschthaler in Salzburg, seit 1886.
11) „Der katholische Kirchensänger", begründet
1888 durch den CäciÜenverein der Erzdiöcese Fremurg (Redakteur :
Jos. Schulz, Pfarrer in Oberweiler bei Lahr in Baden).
12) -Musica sacra", gegründet 1877 vonGuerr.. Amelli
in MaUancL
Hierzu ist auch zurechnender -Cäcilienkalender" von
F. X. Haberl in Regensbürg, von 1876 an, seit vier Jahren (1886)
unter dem Titel: „Kirchenmusikalisches Jahrbuch" erscheinend.
Zerstreute, weite Harmonie, s. Harmonien.
Ziffertonscl^rift. Vor etwa 60 Jahren ward schon der
Versuch gemacht, in den Volksschulen den Gesang nach Ziffern
statt der J^oten einzuführen, ohne damit einen Erfolg zu erzielen.
In neuester Zeit kam man wieder auf diese Idee, und es fand
die Ziffermethode nach der Galin-Paris-Chev4'schen Elementar-
Gesanglehre mehrfache Verbreitung. Für einfachere Melodien
ist sie anwendbar und tauglich als Vorbereitung zum Singen nach
Noten; aber für kompliziertere und modiüierte Melodien und
Tonstücke kann sie, was die klare, übersichtliche und leichtfass-
liche Darstellung der Ton- und rhythmischen Verhältnisse angeht,
mit der Notenschrift sich nicht im geringsten messen.
Zirkelkanon, s. Kanon.
Zungenwerk- oder Schnarrwerkstimmen heissen in der
Orgel diejenigen Stimmen oder Register, bei denen der Ton nicht
beim Durchgange des Windes durch eine Spalte — Aufschnitt —
der Pfeife erzeugt wird, sondern bei denen der ^ind eine me-
tallene Zunge in Bewegung setzt und zum Tönen bringt. Diese
Zunge ist aus Messing oder Neusüber gefertigt und m einem
Mundstücke befestigt, welches in den unteren Teil der Pfeife
eingesetzt ist. Es werden auf zweierlei Arten die Zungen ange-
wendet, entweder als aufschlagende, wenn die Einrichtimg
so beschaffen ist, dass die Zunge beim Einströmen der Luft in
den Pfeifenfuss auf das Mundstück aufschlägt, oder als frei-
schwingende, durchschlagende, wenn sie in das Mund-
stück gedrückt wird. Erstere kennt schon Prätorius, letztere
kamen erst zu Ende des vorigen Jahrhunderts in Gebrauch. Sie
sollen nach Professor Schalnäutls Angabe eine alte Erfindung
der Chinesen sein. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts kam
durch Zufall ein chinesisches Instrument, Tscheng genannt, wel-
ches mit dem Munde angeblasen wird und 13 — 24 kleine Zungen-
und Schnarrpfeifen enthält^ nach Kopenhagen und wurde aort
vom Professor Kratzenstem untersucht, welcher danach eine
Sprechmaschine sich anfertigen liess. Der Verfertiger derselben,
der Orgelbauer Kirsnick, etablierte sich später m Petersburg,
bildete solche Orgelpfeifen und machte daraus ein Spielwerk,
welches er Orchestrion nannte. 1788 kam Vogler nach Peters-
burg imd da ihm Kratzensteins Schrift: „Tentamen resolvendi
problemata ab Acad. Scient. Imp. Petrop. ad annum 1780 publ.
propositum etc. et praemio coronatum*' bereits bekannt war, in-
336
Zwischenharmonien — Zwischenspiel.
teressierte er sich um so mehr für die Sache, und nachdem er
die Pfeifen Kirsnicks gesehen, liess er sich zu Rotterdam vom
Orgelbauer Stacknitz, welcher früher bei Kirsnick gearbeitet
hatte, Vox humana, Klarinett, Oboe und Fg^ott für sein erstes
Orchestrion unter sorgfältifjer Leitung und Überwachung anfer-
tigen. Mälzel, der die Pfeifen auch sah, benützte sie sogleich
für sein Panharmonikon und 1807 waren die neuen Pfeifen in
Paris bekannt. Vogler setzte sie zuerst in die Orgel des Kar-
meliterklosters zu Frankfurt 1790, von wo aus sich diese Ent-
deckung weiter verbreitete. Die Zungenstimmen mit aufschla-
genden Zimgen haben immer einen harten und schmetternden
oder schnarrenden Ton, woher auch ihr Name «Schnarrwerk*;
weicher dagegen sind . die Stimmen mit durchsoblagenden Zun-
gen. Zungenregister sind: Posaunen, Trompetenbass, Fagott,
Oboe u. dgL, welche sich nur in grösseren Orgeln finden.
Zwischenharmonien, s. Fuge.
Zwischenraum, Spatium, der Raum zwischen zwei Li-
nien des Notenliniensvstems.
Zwischenspiel, lat. Interludium, bedeutet bei den beglei-
teten Kirchenhedern diejenigen kurzen Sätze und Accordfolgen,
durch welche von einer Verszeile des Chorals, auf welche ein
Ruhepunkt oder eine Fermate fällt, zu dem Tone und Acoorde; mit
welchem die folgende Verszeile anfängt, übergeleitet wird. Etwas
Ahnliches sind auch die sogenannten Versette, welche beim
Psalmengesange u. dgl. an der Stelle des je zweiten Verses,
welchen man dann nicht sang, mit der Orgel ausgeführt werden ;
sie sind fugenartig gehalten und dehnen sich nicht leicht über
8 oder 12 Takte aus; sie enthalten gewöhnlich nur die Exposition
des Themas ohne alle weitere Durchführung. Die Zwischen-
spiele sind zu rechtfertigen und ganz an ihrer Stelle , wenn sie
Strophen eines Kirohenhedes oder eines Hymnus, nicht aber,
wenn sie bloss Verszeilen verbinden sollen.
na
"<,
ii
LEXIKON
DER
KIRCHLICHEN TONKUNST.
BEAEBEITET
VON
P. ÜTTO KORNMÜLLER
O. 8. B.
ZWEITE,
VBEBESSEETE UND VERMBHBTE AUFLAGE.
IL TEIL.
BIOGRAPHISCHES.
REGENSBURG 1895.
ALFRED COPPENRATHS VERLA».
(H. PAWELEK)
Vorwort.
Wie der L, der sachliche Teil dieses Lexikons, in
der 2. Auflage viele Verbesserungen, Ergänzungen und
Berichtigungen und eine Vermehrung der Ai'tikel erfahren
hat, so ist es auch bei diesem IL Teile, der Biographien
Von Kirchenkomponisten und bedeutenderen Theoretikern
(enthält, der Fall. Mehrere Namen der ersten Auflage
wurden fortgelassen und durch andere ersetzt. Dafs ich
hierbei vorzüglich neuere Kirchenkomponisten berücksichtigte
und dabei etwas ausführlicher zu Werke ging, wii'd nicht
auffallen, da wir ja deren Kompositionen häufiger benützen;
zugleich aber sollte dadurch dai-auf hingewiesen werden,
dafs unsere besten Kirchenkomponisten nur nach ginind-
lichen Studien und einer guten Schule Werke zu schafi*en
im Stande .waren, welche wahre Zierden des Gottesdienstes
sind.
Ich spreche an dieser Stelle auch den gebühi-enden
Dank denjenigen Männern aus, welche auch für diesen Teil
mich mit Beiträgen freundlichst unterstützt haben.
P. ü. K.
r ' ■ —
Ln Verlage von Alfred Coppenrath (H. Pawelek)
in fiegensbnrg erschienen femer:
Zehm
für
vierstimmigen gemischten Chor
von
*P. Utto EommaUer, 0. S. B.
Op. B. Partitur Mk. 1.—, Stimmen ä 30 Pfg.
RGquiGm in Is
für
Sopran und Alt mit Orgel
von
P. Utto Eornmailer, 0. S. B.
»^ Op. 6. -^^Ä
Partitur Mk. 1.—, Stimmen ä 20 Pfg.
Missa
ii honorem Si Beieiieti
ad duas voces aequales
organo comitante
von P. Utto Eornmailer, 0. S. B.
Op. 7.
Partitur Mk. 1.20. Stimmen ä 2B Pfg.
j
r
V t
A.
Aaron, Abt des Klosters Gross-St Martin ^u Köln von 1042-^52,
war hervorragender Musiker des 11. Jhdts. und eifrigfer Förderer des
Kirchengesanges. Sein Werk fahrt den Titel; „VI tractatns de utili-
täte cantus vocalis, de modo psallendi etc, cujus auctor dicitur Aaron
abb. S. Martini ad a, 1052.** Das Msk. ist verloren gegangen,
Aaron, Pietri, geb. zu Florenz zu Ende dfl»15. Jahrhunderts von.
geringen Eltern, beschäftigte sich als Mönch des Ordens von Jerusalem
oder des sogenannten Kreuzträgerordens mit der damals erst in Italien
eigentlich auflebenden kontrapunktischen Tonkunst so glücklich, dass
ihm seine musikalische Thätigkeit die Zuneigung des kunstliebenden
Papstes Leo X. erwarb, welcher ihn in die römische Kapelle aufnahm
und bis an sein Ende begünstigte. A. hatte gegen 1516 eine Musikschule
errichtet, die bald in Aufiiahme kam und nicht wenige Schüler zählte.
Endlich wurde er Kanonikus zu Bimini. Seine ausgedehnte musika-
lische Thätigkeit zeigte er auch durch seine musikalisch-theoretischen
Schriften. In Mailand (ohne Angabe einer Jahreszahl) erchien „Com-
pendiolo di molti dubbj Segreti et Sentenze intomo al Canto fermo et
fignrato etc.** Bekannter ist es in der durch seinen Freund Flaminius
angefertigten lateinischen Übersetzung mit dem Titel: „Libri tres de
institutione harmonica editi a Petro Aaron Florentino, — interprete
Jo. Ant Flaminio, ^ Bononiae 1516*^ Femer gab er heraus „Trattato
della natura et cognizione di tutti gli Tnoni di canto fig^ato non da
altrui piü scritti, composü per P. A. Vinegia 1525, in Vol.** „Tosca-*
nello in Musica** erschienen in 5 Auf agen; die erste 1523, die fänfte zu
Venedig 1562« Das Werk zerfällt in zwei T«ile, deren erster eine
Lobrede auf die Musik, ein Verzeichnis ihrer Erfinder und Erklärungen
musikalischer Kunstwörter und Zeichen enthält; der andere Teil
beschreibt die griechischen Klanggeschleehte und erweitert die Begeln
des Kontrapunktes. Die Italiener schätzten um überaus hoch und
stellten ihn unter die vorzüglichsten Theoretiker der Zeit.
Abbfttlai, Antonio Maria, mn 1605 zu Tifemo geboren, hatte
ao Born sidi durch seine Motettea und andere Kirchemnusikstfleke
einen ausgezeichneten Bnf erworben« Er war 1638 Musikdirektor bei
KonuniUer, Lexlkoa. IL Bd. 1
2 Accas — Adam de St Victor.
S. Giovanni, später zu S. Lorenzo bei den Jesniten, und endlich zu
Sta. Maria Maggiore. Er starb um 1680.
Accag, Bischof von Hexham in der Grafschaft Northumberland,
gestorben 740, erkannte die Wichtigkeit und den Einfluss der Musik
auf die Civilisierung des Volkes und die Ausbreitung des Christentums
und beförderte den Kirchengesang in England auf alle Weise. Er war
selbst ein trefflicher Sänger und schrieb (oder sammelte) ein Buch
Eirchengesänge.
Adamas Dorensis, Abt des Oisterzienserklosters bei Hereford in
England, geboren zu Dowr im Anfange des 12. Jahrhunderts, soll ein
eifriger Anhänger und Beförderer der Tonkunst gewesen sein. Er
starb ums Jahr 1200 und hinterliess ein Werk: Budimenta musices.
Adam de Fulda, blühte etwa um 1460 und gehört unter die
ersten musikalischen Gelehrten seiner Zeit. Er schrieb nebst einigen
Kompositionen, von welchen un^ ein Kirchenlied: „Ach hülp my Leidt
und sehnlich Klag'* in dem zu Magdeburg 1763 erschienenen „En-
chiridion geistliker Leeder unde Psalmen** erhalten ist, eine sehr
wertvolle Abhandlung „De Musica", welche sich in Gerbert's Scriptores
eccl de Musica sacr. tom. III findet. Sie ist 1490 geschrieben und
zerfällt in 4 Teile und 45 Kapitel, welche handeln 1) von der Erfin«
düng und dem Lobe der Musik; 2) von der Stimme, dem Schall, dem
Tone, den Schlüsseln; 3) von der Mensural- und Figuralmusik; 4) von
den Verhältnissen, Intervallen, Konsonanzen u. dgl. Dabei unterschreibt
sich A. als „Musicus ducalis".
Adam de la Haie, genannt auch „le boiteux d^Arras", der Hin*
kende von Arras, weil er in seiner Jugend das Unglück hatte, schief
zu wachsen, wurde um 1240 zu Arras geboren und widmete sich dem
geistlichen Stande, den er aber bald wieder verliess und als Troubadour
selbst den Grafen Kobert von Artois auf seinem Zuge nach ünteritalien
begleitete. Er starb 1287 zu Neapel. Wichtig für die Musikgeschichte
ist Adam deswegen, weil die von ihm aufgefundenen Lieder und
Gesänge ihn als den ersten oder als einen der ersten zeigen, der auf
freiere Weise mehrstimmig zu schreiben versuchte (in seinen Lieder-
spielen will man die ersten Anfänge der Oper erkennen), den bisher
gebräuchlichen Quinten- und Octavenfolgen schon Terzen und Sexten
und entgegengesetzte Bewegung beimischte und Zusammenstellungen
gebrauchte, denen eine gewisse Zierlichkeit im Vergleich mit den bis
dahin gewöhnlichen Kompositionen nicht abgesprochen werden kann.
Hau schreibt ihm 16 dreistimmige Lieder und 6 Motetten zu.
Adam de St. Victor, Kanonikus der regulirten Augustinerabtei
St. Victor zu Paris, f daselbst den 8. Juli 1177, ist als Komponist
von Sequenzen und anderen Eirchengesängen seiner Z^t bekannt und
verdient. (Sequenz: „Landes crucis** für das Fest der Auffindung des
h. Kreuzes.)
Adelboldus — Agazssari. 3
AdelbolduB aus Friesland, Kanonikus zu Lobies in der Diöoese
Lüttich und Kanzler Kaiser HeinricL's II. zu Anfang des II. Jahrhun-
derts, starb am 1. Dez. 1027 als Bischof von Utrecht Seine Schrift,
betitelt „Adelboldi Musica", führt Gerbert Script. I. an; sie handelt
jfon der Bestimmung der Konsonanzen und der Theilung des Monochords.
AdelgaBser, Ant. Oajetan, geb. 3. April 1728 zu Jnsl bei
Traunstein in Bayern, bildete sich unter Eberlin zu Salzburg zu einem
tüchtigen Organisten und Klavierspieler, ward um 1750 Organist zu
Salzburg und war besonders durch seine Kirchenkompositionen beliebt.
Er starb zu Salzburg den 23. Dezember 1777.
AdelmaB, im Anfange des achten Jahrhunderts Bischof in Eng-
land, war durch die Kompositionen vieler kirchlicher GesäAg& berühmt.
Gerb^ führt im ersten Bande seines Werkes „De Cantu" den Anfang
eines mit Neumen versehenen Gedichtes „de virginitate" von ihm an,
welches er einem Codex aus dem 9. oder 10. Jahrhdt. entnommen,
worin mehrere neumirte Carmina dieses Bischofs enthalten sind.
Adriano« Francesco, geb. 1520 zu Venedig, erwarb sich durch
viele Motetten und andere Kirchengesangstückß einen ausgezeichneten
Bof als Kontrapunktist; als sein Meisterwerk galten die „Psalmi
vespertim omnium dierum fest, per annum*\ 4 vocum. (Venedig 1567).
Aelredus, Sanctus, schottischer Edelmann, widmete sich dem
geistlichen Stande und ward um 1150 Abt des Oisterzienserklosters
Bieval, als welcher er am 12. Januar 1166 starb. Als Schüler des hl.
Bernhard trachtete er, den kirchlichen Gesang in der Einfachheit, wie
seih Lehrer und Meister ihn in seinem Orden eingerichtet hatte, zu
eihalten. Er widmete deshalb in seinem Werke „Speculum charitatis*^
diesem Bestreben ein eigenes Kapitel „de abusu musices*', worin er die
« sich imxpermehr geltend machenden Fortschritte, unter denen fireiUch
auch manche Missgrife und Missbrl^uche waren, zurückzudrängen und
den vom hl. Bernhard vorgezeichneten Regeln Geltung zu bewahren
suchte. Er war übrigens ein gründlicher Kenner, auch inniger nnd
aufirichtiger Verehrer der Musik.
AgasjBari, Agostino, einem adeligen Geschlechte Italiens ent-
£(pros8en, war 1578 zu Siena geborein. Die Nachrichten über seine
Lebensumstände sind wenige; man weiss zwar nicht, wo nnd unter
wessen Leitung er seine erste Bildung in der Musik genossen, aber
die volle Ausbildung seines vortrefiPlichen Talentes scheint er unter
der Hand des berühmten Ludovico Viadana erhalten zu haben, mit
dem er auch das Verdienst theilt, den Generalbass weiter ausgebildet
und die rechte Art der Bassbezifferung gelehrt zu haben. Nicht alle,
$het die meisten seiner Werke sind daher mit einer Orgelstimme ver-
sehen, welche entweder als sogenanntes Continuo (s basso cont.) das
unbezifferte Fundament, oder zugleich die begleitende Bezifferung der
Bässe enthält. Die Ausführung dieser Begleitung lehrt er in einer
1*
4 Agobardas — Agostini.
besondeni Abhandhmg, welche einer Motettensammlung vorgedrackt
ist („del sonare sopra il Basso con tatti li stromenti ä dell' usd lon>
nel ooBcerto*^). Er fährte den Beinamen „Accademico annonioo intro-*
nato^ Anfänglich stand A., wie Proske sagt, im Dienste des Erz-
berzags Mathias (vor dessen Erhebung zum König Ton Ungarn nnd
EQBi römischen Kaiser) und ftmgirte dann zu Born als Kapellmeister
an der Kirche St. Apollinar nnd des dentsch-nngarischen Collegioms.
Wahrscheinlich hat er in Siena seine Laufbahn beschlossen, nachdem
er l&ngere Zeit an der Kathedrale daselbst gewirkt. Die Zeit seines
Ablebens schwankt zwischen 1640 und 1645. — In ktlnstlerischer Be-^
Ziehung zählt A. zu den fruchtbarsten Komponisten der römischen
Schule; er gab eine reiche Sammlung werthyoUer Motetten, Psalmen,
Litaneien etc. heraus, deren Proske in seiner Musica diy* L c. i^hm«
liehst gedenkt. Auch den Neuerungen seiner Zeit blieb er nicht fernem
indem er die damals emporkommenden sogenannten Kirchen-Concerte
gründlich zu kennen sich bestrebte und zu ihrer Verbreitung beitrug*
Er schrieb nebst 2 Büchern fünf- und sechsstimmiger Madrigale auch
eine dramatische Komposition zu einer Vermählungsfeiw 1614 unte
dem Titel: „Eumelio, drama pastorale etc.*S in Bonciglione gedruckt.
— Ein theoretisches Werk von A. . „La Musica ecclesiastica** erschien
nach Ferkels und Gerbers Angabe zu Siena 1638.
Agobardas, geboren 779 in Spanien, ward 808 Coa^utor des Erz-
bischofs von Lyon und später selbst Erzbischof, schrieb zwei Traotate:
,,De divina Psalmodia** und „De correctione Antiphonarii** gegen
Amalarius; er starb am 6. Juni 840 zu Saintogne.
Agostini, Ludovico, (auch wohl Luigi), geboren zu Ferrara 1534,
widmete sich dem geistlichen Stande, ward später* Protonotarius apo-
stolicus und erwarb sich auch einen Buf durch seine Kompositionen,
von denen eine Sammlung, bestehend aus Messen, Vespern, Motetten»
Madrigalen u« dgL kurz vor seinem Tode im Druck erschien. Er starb
als Kapellmeister des Herzogs Alphons II, von Este am 20. Sept. 1590.
AgoBtini, Paolo, geboren zu Yallerano 1593, war eüier der
bedeutendsten, gelehrtesten und genialsten Tonkünstler seiner Zeit,
Lieblingsschüler des berühmten Bemardo Nanino, dessen Schwiegersohn
er später wurde. Er pflegte besonders den mehrdiörigen Satz, für
welchen er sich an seinen Vorgängern der römischen und venetianischen
Schule heranbildete. Seine Zeitgenossen ehrten ihn darum hoch, und
als einmal ürban VIII. einer 48-stimmigen Messe A.'s beiwohnte, drückte
dieser Papst ihm seine vollste Bewunderung und seinen gaasenBeiMl
aus. Von seinen Werken befinden sich Manuscripte in der Bibliothek'
des Hanses Corsini della Lungara und im Archiv des Vatican; gedrudct'
erschienen zu Bom 2 Bücher Magnificate und Antiphonen, und 5 Büchor
acht- und zwöl&timmiger Messen in den Jahren 1619--l€^ Leider
war ihm eine kurze Lebensbahn zugemessen; nachdem er
Agricola — Aiblinger. 5
OrganistensteUen in Eom versehen, ward er 16^ Nachfolger seines
Mitschülers Ugolini, Kapellmeisters im Yatican, als welcher er 1629 im
36. Jahre seines Alters starb.
Agricola, Alexander, ein Niederländer von Gebnrt, Schüler
Ockenheim's, ein sehr bedentender Konträpiinktist zu Ende des 15. nnd
Anfang des 16. Jahrhunderts, Kapellmeister König Philipp's IL von
Spanien, starb 60 Jahre alt zu Valladolid um 1506. Eine Anzahl seiner
Werke wird im Archiv der-päpstlichen Kapelle aufbewahrt, 5 Hessen
und 150 weltliche Gfesänge erschienen 1504 im Druck; die meisten
«einer Werke gingen verloren, doch auch die vorhandenen geben Zeug-
nis von der grossen Bedeutung des Meisters fär seine Zeit.
Agricola, Martin, 1486 zu Sorau in Schlesien geboren, erwafb
aich meist aus Bttchern und Tonwerken eine gründliche wissenschaft-
liche und musikalische Bildung und wurde 1524 Kantor in Magdeburg,
/WO er auch am 10. Jan. 1556 starb. Er führte den deutsehen Choral
in den dortigen (der Keformation überantworteten) Kirchen ein, schaffte
die hiB dahin übliche deutsche Tabulatur (s. d.) ab und setzte
die Gesänge in Notenschrift um. Er nimmt unter den zeitgenössische
Musikern eine ehrenwerthe Stellung ein. Unter seinen theoretischen
und praktischen Weirken sind von besonderem Werthe:„Musica instm-
mentalis*' bei Khan 1529; „Enehiridion musicae Mensuralis^* 1532;
„Eine kurtz deudsche Musika mit LXIIl. schönen lieblichen Exempeln
2U vier stimmen verfasset. Sampt den kleynen Psalmen und Magnificat
auf alle Thon artig gerichtet. Von Mart. Agricola. 1528. Bei Ehau
in Wittemberg^'. „Sangbüchlein aller Sonntagsevangelien. Eine kurtze
deutsche Leyenmusika etc.** 1541. Einige dieser Werke erlebten
mehrere Auflagen.
Agntlera de Heredia, Sebastian, Ordenspriester und KapeH.-M.
zu Saragossa zu Anfang des 17. Jahrhdts., gab 1618 eine Sammlung
Magnificate heraus, welche noch jetzt zu Saragossa gesungen werden.
Aiblinger, Johann Kaspar, geb. 23. Februar 1779 zu Wasser-
burg am Inn, geat. 6. Mai 1867 zu München, gewann die Grundlagen
seiner wissensehafblichen und musikalischen Ausbildung im Kloster
T^gemsee imd am Gymnasium zu München; 1800 bezog er die Uni-
versität Landshut. Seinen Plan, sich dem Ordensleben zu weihen,
machte die Säkularisation der Klöster (1803) zu uichte« Nunmehr
widmete er sich ganz der Musik, ging nach Italien, von wo er erst
1819 wieder in seine Heimath zurückkehrte. Kurz darauf ward er
voA König Max I. als Maestro der italienischen Oper nach München
berufen. 1825 ernannte ihn Ludwig I. zum Vice-Hofkapeümeister,
1826 schon zum wirklichen Hofkapellmeister. Von da an blieb der
Hittelpunkt seines Wirkens die Allerheiligen • Hofkapelle. In den
zwanziger Jahren versuchte er sieh in der Opemkomposition, doch mit
fiehr geringem Erfolge; Grösseres leistete er auf dem Gebiete der
»-•r»""
6 Aichinger.
religiösen nnd Eirchen-Mnsik, wozu ihn neben gründlichem Stadium
der alten Meister auch sein tief religiöser Sinn befähigte. Jedoch
finden sich in sehr vielen seiner Kirchenwerke Stellen nnd Wendungen
von süsslich weichem Charakter ein, so dass nnr wenige derselben jetzt
noch gebraucht werden.
Seiner Kirchenkompositionen nnd geistlichen Lieder sind eine sehr
grosse Menge. Jm Druck sind ausgegeben: eine deutsche Messe; eine
lateinische Messe in P; Cyklus von 6 Messen und 11 Yesperpisalmen;
2 Messen in 0 für 4 Stimmen und Orgel; 2 Offertorien für 4 und
8 Stimmen; Offertorium und Graduale „Sperent*^ ,,Psallam*^; 6 Gradualien
nnd Offertorien für die Fastenzeit; 2 Bequiem und 2 Litaneien mit
Orchester; 6 zwei- und dreistimmige Messen fär Sopran und Alt mit
Orgel, Violon und Violoncell adlib.; 5 Offertorien und Gradualien, Te
Deum, Veni sancte Spiritus, Bequiem und 2 Litaneien mit gleicher
Besetzung; 6 zwei-, drei- und vierstimmige Messen für Sopran und Alt,
mit Orgel-, Violon- und Violoncellbegleitung; „Gelobt sei Jesus Christus"
und „Marienlieder von Görres'* für 1, 2, 3 und 4 Stimmen mit Orgel;
6 Gradualien und Offertorien für 4 und 5 voc. ohne Begleitung, op.
13 u. 14; 14 Veöperpsalmen, 4 voc. u. Orchester, 2 Litaneien v. Aib-
linger u. Grassi f. 4 voc. u. Orgel. Ausser diesen komponierte Aiblinger
noch einige grössere instrumentale Messen, dann Missa a capeUa,
4 voc; Missa canonica a 4 voc. c. org., mehrere Litaneien, Stabat
mater, marianische Antiphonen etc* für Klosterchöre und eine Unzahl
geistlicher Lieder, von denen noch das Meiste unbekannt ist; seine
vorzüglichsten Werke (Messen, Vespern, Motetten u. dgl.), 133 an der
Zahl, verwahrt das Archiv der k. Hofcapelle in München.
Aichinger, Gregor, geboren zu Begensburg um 1565, Priester
war schon um 1590 berühmt als Organist am Hofe der Patrizier Fugger,
in Augsburg. Einen grossen Einfluss auf die musikalische Bildung^
dieses Künstlers hat ohne Zweifel der grosse Venetianer Giovanni
Gabrieli gehabt. A. scheint also schon vor 1590 in Italien verweilt
zu haben; später besuchte er Italien noch einmal und lebte zwischen
1599 und 1601 einige Zeit in Bom; dann kehrte er wieder nach Augsburg
zurück, wo er in Fugger'schen Diensten als Dom-Chorvikar und Kanonikus
bei St. Gertrud am 21. Jan. 1628 sein Leben beschloss. Wir können
seine Charakteristik nicht besser zeichnen, als Proske es gethan.
„Aichinger und J. L. Hassler, mit dem er gleichzeitig in der Fugger-
sehen Kapelle glänzte, bildeten die schönste Zierde dieses kunstsinnigen
Hofes. Ueberragte ihn Hassler gleich an Geist und Originalität, so
hatten heide Meister doch dieses gemein, die Gediegenheit deutscher
Kunstelemente mit den veredelten Formen italienischen Geistes und
<iGeschmackes, dessen herrlichste Blüthe sich damals in Bom und Venedig
entfaltet hatte, in sich vereinigt und namentlich eine freiere Melodik
und fliessendere Harmonik in ihren Werken ausgeprägt zu haben.
Alardus — Albreohtsberger. 7
Insbesondere zeichnete sich A. in vielen seiner Werke durch eine an
Weichheit grenzende Wärme und Zartheit des Gesanges aus, der
-überall von inniger Andacht beseelt ist, während ihm der Aufschwung
zum Erhabensten und Feierlichsten nicht versagt, ja selbst in einigen
seiner umfangreichsten Tongebilde die ganze Strenge der Kunst ent*
faltet ist. Letzteres bewundert man vorzugsweise an jenen Officien,
welche nach dem Gregor. Choral gearbeitet sind.** Er repräsentirt
mit Hasslert Gallus und einigen andern minder bedeutenden Tonsetzem
die Epoche Palestrina's in Deutschland und verdient deshalb grosse
Beachtung. Von seinen zahlreichen Werken sind besonders hervor-
zuheben: „Liturgica sive Sacra Officia ad omnes dies fest. Magnae
i)ei Matris.** Aug. Vind. 1603. „Sacrae Cantiones 4, 5, 6, 8 et 10 voc."
Venet. 1590. „Tricinia Mariana.** Oeniponti 1598. „Fasciculus Sacr.
Harmoniarum 4 voc.'* Dilingae 1606. „Solennia Augustissimi Corp.
Christi.** Aug. Vind. 1606.
Alardns, Lampertus, geb. 1602 zu Crempe im Holsteinischen,
studirte zu Leipzig Theologie, nebenbei auch Musik und schöne Wissen-
schaften und ward 1624 zum kais. gekrönten Poeten ernannt. Im
darauffolgenden Jahre ward er Diakon in seinem Geburtsorte, wo ihm
durch das dort bestehende „Convivlum musicum'* Gelegenheit geboten
war, sich dem musikalischen Studium mehr hinzugeben. 1636 edirte
er sein Werk „De veterum Musica, lib. I.**, welches wegen der gelehrten
'Forschung über die griechische Musik für den musikalischen Forscher
von grossem Werthe ist. Er starb, als Konsistorialassessor zu Mel-
dorf 1672.
Albericas, um die Mitte des 11. Jahrhunderts nach Einigen zu
Trier, nach Andern zu Settefrate geboren, Benedictinermönch zu Monte
Cassino und Kardinal, schrieb einen „Dialogus de Musica**, der sich
als Mannscript in der Bibliothek der Fratrum minor. S. Crucis in
Florenz befindet. Er starb zu Kom 1106.
Albrechtsber^er, Job. G., geb. 3. Febr. 1736 zu Klostemeuburg,
begann seipe musikalische Laufbahn im Stifte der regulirten Chor-
herren daselbst, wo er als Diskantist, kaum 7 Jahre alt, vielversprechende
musikalische Talente zeigte. Der Pfarrer zu St. Martin, Leop. Pittner,
der des Knaben Eifer grösserer Aufinerksamkeit werth hielt, ertheilte,
selbst ein tüchtiger Musiker, demselben den ersten Unterricht im General-
bass und Hess ihm sogar eine kleine Orgel zur Übung bauen. Später
kam A. zur Vollendung seiner wissenschaftlichen und musikalischem
Studien in die Benedictinerabtei Molk. Dort erregte er durch seine
schöne Diskantstimme allgemeine Aufmerksamkeit, und selbst der nach-
malige Kaiser Leopold sprach einst bei Gelegenheit seiner Anwesenheit
in Molk dem jungen Künstler seinen vollsten Beifall aus, den er noch
mit einem Geschenke von einem Dukaten begleitete. Durch den dortigen
Chorverweser Bob. Kimmerling konnte er sich mit den Werken von
8 Alfieri Pietro — Alkuin.
Caldara, Fux, Pergolese, Händel, Graun und Anderen bekannt machen,
welche er mit einlässigem Stndiam durchging, und woraus er jene tiefe
musikalische Kenntnis schöpfte, die ihm eine ehrenwerthe Stelle unter
den Theoretikern einräumt. Nach Vollendung seines Studiencurses
,ward er Stiftsorganist, welche Stelle er durch 12 Jahre bekleidete. In
diese Zeit fällt auch seine erste grössere Komposition, ein Sinngedicht,
bei der Durchreise der Prinzessin Josepha von Bayern, Braut Kaiser
Joseph's, am 21. Jan. 1765 aufgeführt. Nachdem er noch an andern
Orten als Organist gedient hatte, ward er Chorrögent bei den P. P,
Kairmeliten in Wien. Jetzt glückte es ihm, den langgehegten Wunsch,
den Unterricht des damals sehr geschätzten Hoforganisten Mann ge-
messen zu können, zu realisiren. Sein Fleiss, sein Eifer und seine
Talente erwarben ihm nicht blos die Achtung dieses Meisters, sondern
auch der Brüder Joseph und Michael Haydn, der Kapellmeister Oass-
mann und Beuter und anderer trefflicher Musiker. 1772 ward ihm die
Wiener Hoforganistenstelle zu Theil, die ihm Kaiser Joseph bei ihrer
etwaigen Erledigung schon früher in Aussicht gestellt hatte, 1792 die
Kapellmeisterstelle zu St. Stephan. Hier entwickelte sich seine Thätig-
keit für weitere Kreise, es sammelte sich um ihn ein Schülerkreis, der
die trefflichsten Talente in sich schloss und der Welt Musiker gab,
deren Euhm fortdauernd sein wird. Die bedeutendsten sind.L. van Beet-
-hoven, Jos. Eybler, Joh. Gänsbacher, Nep. Hummel, Jos. Preindl, Jos.
Weigl, Ign. Kitter v. Seyfried. Die k. schwedische Akademie der
Musik zu Stockholm ernannte ihn 1798 zu ihrem Ehrenmitgliede.
Seinem rastlosen Streben für die Kunst setzte der Tod am 7. März 1809
ein Ziel A.'s Name wird immer einen hohen Bang unter den Musik-
gelehrten einnehmen, wie seine Kompositionslehre durch Fas^lichkeit,
Klarheit und eingehendere Behandlung immer ein bedeutendes Werk
bleiben wird. Seine sämmtlichen Schriften über Generalbass, Harmonie-
lehre und Tonsetzkunst sind von J. Bitter v. Seyfried in 3 Bänden
herausgegeben worden. Seine Kirchenkompositionen sind technisch
kunstreich gearbeitet, aber trocken, und es sieht zu sehr der Theoretiker
heraus.
Alfieri Pietro, ehemaliger Camaldulensermönch, Gesangsprofessor
am englischen Colleg zu Bom, geb. 29. Juni 1801 zu Bom, daselbst
gestorben 12. Juni 1863, hat ein „Lehrbuch des gregorianischen Gesanges'*
^(1835), eine Anweisung zur Orgelbegleitung der Ohoralgesänge (1840),
Bathschläge für Wiederherstellung des gregor. Gesanges (1843), bio-
graphische Abhandlungen über Bemo, Pitoni, Jomelli u. a., auch
mehrere Sammelwerke alter Meister, unter welchen besonders 7 Bände
von Palestrina's Kompositionen, herausgegeben.
Alkain, Alewin oder Albinaa, geb. 732 im Gebiete von York,
war einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit. Er wurde 758 Vor-
steher der Schule in York, begab sich aber, als er auf einer Beise
'-r- 1 •-
Allegri — Alypius. 9
nach Born in der Lombardei mit Karl dem Grossen bekannt wurde, auf
dessen Einladung an seinen Hof. Hier führte er als Vorsteher des
Gelehrtenvereins den Namen Flaccus Albinus und war der thätigste
Lehrer nnd Gehilfe Karls zur Ausbreitung der Kultur im fränkischen
Eeiche. 796 wurde er Abt bei St. Martin in Tours, wo er die Kloster-
schnle.zu ausgezeichnetem Hufe erhob und berühmte Gelehrte heran-
bildete, deren vorzüglichste Khabanus Maurus undHaymo, Bischof von
Halberstadt, waren. Er starb 804 und hinterliess viele Schriften.
Gewiss war er auch für die Musik thätig, die ohnehin einen Haupt-
gegenstand der gelehrten Schulen damaliger Zeit bildete, und Gerbert
führt unter seinem Namen einen kurzen Tractat über Musik an, wie
er ihn in einer alten Wiener Handschrift gefunden hat; jedoch wird
die Autorschaft desselben angestritten, da er sich mit Abänderung sehr
weniger Worte als 8. Capitel in der Abhandlung des Aurelianus Beom*
t,I)e musica disciplina*^ findet.
Allegri, Gregorio, von Geburt ein Eömer, studirte unter Nanini's
Leitung die Musik. Er widmete sich dem geistlichen Stande und fand
seine erste Anstellung als Benefiziat an der Kathedralkirche zu Eermo.
Am 6. September 1629 ward er als Sänger in die Sixtina aufgenommen,
nachdem er durch Veröffentlichung einiger Werke dem Papste Urban Vin.
l)ekannt geworden. Sein Euhm vermehrte sich mit jeder neuen Kom-
position. Den Höhepunkt erreichte er mit dem Qstimmigen Miserere
zu zwei Chören, welches in der Charwoche noch jetzt gesungen wird.
Wenige Werke sind von ihm erhalten worden, lieber sein Leben sagt
Proske: „Wenige Künstler aller Zeiten brachten die Aufgabe eines
^ottgeweihten Genius und Lebens zu reinerer Harmonie als unser
Meister. So edel und erhaben in seinem Schaffen, und darum von allen
Kunsterenossen mit Ehrfurcht gepriesen, ebenso edel und ehrwürdig war
Allegri auch als Mensch und Christ, ein Muster ächt-priesterlicher
Frömmigkeit und Demuth, ein Vater der Armen, Tröster der Gefangenen
und Verlassenen, ein ganz in Nächstenliebe sich hinopfemder Helfer
und Eetter der leidenden Menschheit.'^ E^ starb am 18. Febr 1652.
Almeida, Fernando d', zu Anfang des 17. Jalirhunderts zu
liissabon geboren, trat 1638 in das Kloster zu Thomar, ward 1656
Visitator seines Ordens und starb den 21. März 1661. Er hatte sich
imter Leitung des Duarte Lobo (Ed. Lopez), Domkapell-M. zu Lissabon
zum Komponisten herangebildet und genoss ausgezeichneten Huf, be-
sonders durch seine Lamentationen, Besponsorien und Miserere für die
letzten Tage der Charwoche. Diese, sowie eine 12-stlmmige Messe und
mehrere andere Kompositionen A.'s werden noch im Mscpt. in der
k. Bibliothek zu Lissabon aufbewahrt.
Alypius, griech. Philosoph, etwa 300 Jahre vor Chr., schrieb ein
musikal. Werk, ,,Eiaaycoyti Movaixri (Introductio musica)**, worin er
die gesammte Tonlehre in sieben Teilen darstellen will; jedoch hat
.10 Amadori — Ambleville.
er nur den ersten Teil „von den Tönen" behandelt. Es ist dies Werk
deswegen von grösster Wichtigkeit, weil darin sämmtliche musikal.
Zeichen od. Noten der alten Griechen sich aufgezeichnet finden wie m
keinem andern. Sein Werk ist abgedruckt in Meibom's „Antiquae
musicae autores Septem graece et latine. 2 tom/^
AmAdori, Guiseppe, einer der bedeutendsten Komponisten der
röm. Schule zu Ende des 17. u. zu Anfang des 18. Jhdts., war berühmt
als meisterhafter Sänger und trefHicher Lehrer des Gesanges und der
Komposition und nach dem Zeugnisse seiner Zeitgenossen einer der
edelsten, liebenswürdigsten Menschen und ein wahrhaft bescheidener
Künstler.
Amalariua, Symphorius, wurde, nachdem er längere Zeit Diakon
in Metz gewesen, Vorstand der Hofschule Ludwig des Frommen, später
erhielt er die Priesterweihe und wurde Chorbischof von Metz. Er war
ein Mann von tiefer Gelehrsamkeit und umfassenden Kenntnissen und
sicherte sich das Andenken der Nachwelt durch sein 820 vollendetes
Werk: „Symphosii Amalarii Metensis Presbyteri et Chorepiscopi de
Ecclesiasticis Officiis libri quatuor ad Ludovicum Pium Imperatorem*^
Im 2. und 3. Buch bespricht er auch die Sänger und ihre Kleidung,
den Gesang selbst und die einzelnen Theile der hl. Messe und des
Officiums, Alles und Jedes mit mystischen Erklärungen begleitend.
Nebst diesem Werke verfasste er noch ein Buch über die Chorherren
und Chorfrauen, sowie ein Buch „de Ordine Antiphonarii^S welches ihm
bittere Anfeindung, besonders von Agobardus, Erzbischof von Lyon,
zuzog. Er suchte nämlich eine verbesserte Anordnung des Antipho-
nariums zu treffen, da er es in den verschiedenen Kirchen so abweichend
fand, zu welchem Zwecke er von Kaiser Ludwig selbst nach Itom
gesendet wurde. Obwohl nichts Näheres von seinem Leben bekannt
ist, so scheint man doch mit Gewissheit annehmen zu dürfen, dass er
dem Orden der Benedictiner angehört habe, da die ganze Einrichtung
des Officiums, wie er sie beschreibt, diejenige ist, welche der hl. Benedict
in seiner Begel giebt, und Agobardus ihn auch „Abf' nennt. Er starb
837 zu Metz.
Amatas, Vincentius, geb. am 6. Jan. 1629, erlangte nach
seinem Austritt aus dem geistl. Seminar zu Palermo die Würde eines
Dr. theol. und wegen seiner tiefen und umfassenden Kenntnisse in der
Musik 1665 die Stelle des Dom-K.-Ms. zu Palermo. Kr starb daselbst
am 29. Juli 1670.
Ambleville, Charles d', Jesuit, namhafter franz. Kirchen-
komponist, lebte in der ersten Hälfte des 17. Jhdts. zu Paris. Es er-
schienen von ihm gedruckt: „Octonarium sacrum seu Canticum B. V.
H. per diverses ecclesiae tonos decantatum", und 1636 „Harmonia
«acra'S Vespern, eine Messe und Litaneien enthaltend.
Ambros — Ambrosius. 11
Ambros, Aug. Wilh., geb. den 17. Nov. 1816 zu Mauth in
Bölunen, zeigte in Mhester Jagend schon grosse musikal. Anlagen?
deren Ausbildung zu fördern ihm erst während seiner Universitäts-
Btudien gegGnnt wurde. 1839 erlangte er den Grad eines Doctors der
Bechte und trat dann in den Staatsdienst. 1850 ward er als Staats-
anwalt in Prag angestellt und bald auch in's Direktorium des dortigen
Konservatoriums berufen. Nebenbei beschäftigte er sich mit musi-
kalischer Kritik und Komposition. Um diese Zeit machte er auch
Bekanntschaft mit mehreren trefflichen Tonkünstlem, namentlich mit
Schumann, widmete sich nun um s o eifriger dem musikal. Studium und
der Komposition und wirkte auf die musikal. Zustände Prag's ganz
vortheilhaft ein. Ausser einigen Ouvertüren schrieb er ein grosses
„Stabat Mater^^ und veröffentlichte mehrere musikal. Schriften: ,;Die
Grenzen der Musik und Poesie**. Leipzig 1855 ; „Zur Lehre vom
Quintenverbot. Eine Studie.** Leipzig 1859;\,Oulturhistorische Bilder
aus dem Musikleben der Gegenwart.** Leipzig 1860. 1860 nahm er
sein grossartiges Werk ,,Geschichte der Musik** in Aogriffi von welchem *
der I. Band 18152, H. Bd. 1864, Ul. Bd. 1868, IV. Bd. 1878 (von
G. Nottebohm aus den hinterlassencn Fragmenten gesammelt) erschien.
Einen Y. Biind, Beispielsammlung zum dritten Band, besorgte 0. Kade
mit Benutzung der von Ambros hinterlassencn Materialien (I884), ein
Namen- und Sachregister W. Bäumker (188 ')» eine Fortsetzung des
Werkes bis auf die neueste Zeit W. Langhans. Von hohem Werthe
sind der II. und III. Band, ersterer die Musik des Mittelalters, letzterer
die Epoche der Niederländer behandelnd; der IV. Band beschäftigt
sich hauptsächlich mit Palestrina und der römischen Schule. Zu den
nothwendigen Studienreisen wurden ihm nicht nur -Urlaub in seiner
Stellung, sondern von der Wiener Akademie auch Geldmittel gewährt.
1869 ward er zum ausserordentlichen Professor der Musik an der
Universität Prag ernannt, gleichzeitig docierte er auch Musikgeschichte
am Konservatorium. 1872 nach Wien berufen als Lehrer des Kron-
prinzen Kudolf und am Wiener Konservatorium starb er am
28. Juni 1876 daselbst. Obwohl er auch als Komponist Anerkennens-
werthes 'leistete, so liegt der Schwerpunkt seiner Bedeutung doch in
seiner schriftstellerischen Thätigkeit. Manches über Musik findet «ich
auch in seinen „Bauten Bildern'* (1860) und Treffliches in den „Kultur-
historischen Bildern aus dem Musikleben der Gegenwart** (1860).
AmbroBias, Bischof von Mailand und einer der 4 grossen latei-
nischen Kirchenväter, stammt aus einer angesehenen röm. Familie und
war wahrscheinlich um 340 zu Trier geboren, wo sein Vater als Ober-
statthalter von Gallien sich aufhielt. Nach dessen Tode zog er mit
seiner Mutter nach Bom, wo er sich dem Bechtsstudium widmete und
durch grosse Beredsamkeit ausgezeichnet bald einen bedeutenden Huf
als Rechtsanwalt erlangte. Kaiser Valentinian I. ernannte ihn um
12 Amon — Ancina.
370 zum Präfekten in Oberitalien, in welcher Stellung er sich die Liebö
aller Untergebenen erwarb. Als der Bischof Anxentins in Mailand
i. J. 374 starb, entstanden Streitigkeiten zwischen den Katholiken und
Arianern wegen der Wahl eines Bischofs. Ambrosius eilte herbei, um
die Enhe herzustellen; da rief plötzljich ein Kind aus der Menge:
,,Ambrosiu8 ist Bischof!'* und die ganze Versammlung wiederholte den
Buf des Kindes. A. weigerte sich lange, da er noch nicht getauft und
auch des hl. Amtes unkundig sei und floh selbst aus der Stadt, bis der
Kaiser die Wahl bestätigte und ihn zur Uebernahme derselben nöthigte.
Nun gab A. nach, Hess sich von einem orthodoxen Bischof taufen, und
S Tage darauf wurde er konsekrirt. Bis zu seinem Lebensende 397
waltete er seines Amtes treulichst. Er kämpfte für den hl Glauben
unermüdlich in Wort und Schrift gegen die Arianer, welche 'durch ihn
all ihr Ansehen und ihren Einfluss verloren, und mit ausserordentlicher.
Beredsamkeit hob er die kathol. Kirche. In seinem Leben übte er
strengste apostol. Armuth und Abtötung, mit seinem milden herab-
lassenden Sinne verband, er aber auch eine Charakterstärke, welche
sich durch kein Ansehen der Person, durch keine Drohung oder Gefahr
von dem Wege des Bechtes abschrecken Hess.
Viel verdankt ihm die Kirche für den Gottesdienst und
kirchl. Gesang, Die der Mailänder Kirche von Alters her eigea-
thümliche Liturgie ordnete und verbesserte er, weshalb sie auch von
ihm den Namen Ambrosianische Liturgie trägt; dem Wesen
nach wenigstens besteht sie noch heute in Mailand. Des kirchliche
Gesanges nahm er sich ebenfaHs eiMg an. Er organisirte ihn, nahm
die schon ausgebildetere Psalmodie der Orientalen herüber und be-
reicherte sie selbst mit eigenen Hymnen und andern geistl. Dichtungen.
Namentlich wird ihm die Einführung des Antiphonengesanges,
d. h des zwischen zwei Chören abwechselnden Vortrags im Abendlande
zugeschrieben.
Dem hl. A. wird noch das „T e D eu m*S a m br o s i a n 1 s ch er
Lobgesang genannt, zugeschrieben.
Amon, Blas ins, Kontrapunktist des 16. Jhdts., aus Tyrol ge-
bürtig, vorerst Diskautist an der HofkapeUe des Erzherzogs Ferdinand
von Österreich, ward auf dessen Kosten nach Venedig gesandt, trat
dann in ein Franziskanerkloster zu Wien und starb 1590. Sein erstes
Werk, welches Introitus enthielt, erschien 1582 in Wien, ein Band
4stimm. Messen daselbst 1588, ein Band 4— 6stimm.. Motetten 1590 in
München. Nach seinem Tode edirte sein Bruder Stephan noch einen
Band Motetten (München 1591) und einen weiteren Band Introitus
<1601) von ihm. Eine Anzahl Motetten in Msk. bewahrt noch die
Münchener BibHothek.
Ancina, Job. J u v. , geb. den 19. Oct. 1545 zu Fossano, studirte
isuerst Medicin und wurde zu Turin Doctor und Professor derselben.
Andreae — Anerio. 13
1574 kam er nach Eom, wo die Bekanntschaft mir. dem hl. Philipp
y. Neri ihn veranlasstet Theologie zu studiren nnd in die^Congregation
der Oratorianer einzutreten. Dies gab ihm Gelegenheit, der Musik sich
mit grösserer Liebe als vorher zu widmen und sie mit allem Fleisse zu
Studiren. 1599 erschien zu Bom von ihm: „Tempio armonico della
B. Vergine**, welches Werk lauter geisü., von ihm seihst komponierte
Lieder zu Ehren der sei. Jungfrau enthält und der günstigsten Auf-
sahme sich erfreute. Nachgehends wurde er von Clemens VII. zum
Bisehof von Mondovie ernannt, 1602 Bischof von Saluzzo, wo er 1604
starb.
Andreae, Carolus (Endres), wurde 1612 Abt des Benedictiner-
stiftes Irsee in Schwaben und starb als solcher 1627. Von seinen
Kompositionen finden sich viele Falsobordöne in zwei 1607 und 1611
geschriebenen, nun der Proske'schen Bibliothek in Regensburg ange-
hörigen Codices, desgleichen solche in einem Msk.-Codex der Kreis- und
Stadtbibliothek zu Augsburg; auch die Münchener Hof- und Staats^
Bibliothek besitzt einige Kompositionen von ihm.
Andreyi , Francesco, einer der bedeutendsten spanischen
Komponisten, geb. 16. Nov. 1786 zu Sanabuya bei Lerida von italienischen
Mtem, gest. 23. Nov. 1853 zu Barcelona, war Priester und bekleidete
Kapellmeiäterstellen an verschiedenen Kathedralen, schliesslich am
kOnigl. Hofe. Während des Karlistenkrieges flüchtete er nach Bordeaux,
lebte von 1845—49 in Paris und dann bis zu seinem Tode als K.-Meister
aa der Notre Dame Kirche in Barcelona. Ausser Kompositionen schrieb
er auch ein theoret. Werk über Harmonie und Komposition (1848 in
firanz. Übersetzung erschienen.)
Aneria, Feiice, geb. zu Bom 1560, gest. daselbst 1630,
Schüler Nanino's, zählt unter die geistreichsten Komponisten zu Ende
des 16. und Anfang des 17. Jhdts. Die erste Anstellung soll er als
Musikdirektor am englischen CoUegium in Bom gefanden, hierauf ein
ähnliches Amt bei dem Cardinal Aldobrandini bekleidet haben. Nach
dem Tode Palestrina's ward er zum Tonsetzer der päpstl. Kapelle
ernannt, welche ausgezeichnete Stelle für Palestrina geschaffen wurde
und mit Anerio wieder erlosch. In dieser Stellung war er ungemein
tbätig vom 3. April 1594, zu welcher Zeit ihm dieses Amt zu Teil
wurde, bis zu seinem Lebensende. Er hinterliess zahlreiche Werke,
welche Originalität und feines Kunstgefühl charakterisiren. Mehrere
davon sind im Druck erschienen ,* so „II I libro degl' Inni, cantici e
motetti a 8 voc. Venet. 1596** dem Papst Clemens VIII. gewidmet;
„3 übri di Madrigali spirituali a 5 voc"; „2 libri dl Concerti spirit. a
4 voc.*^; später noch das 11. Buch der „Inni, canticr etc.**; ,3espons.
per la Settimana santa a 4 voc.**; 8-8timmige Motetten und Psalmen
(Neapel 1615). Eine grosse Menge seiner Tonschöpftmgen sind Manu-
vsa^t geblieb^ und liegen in der päpstl Kapelle, bei S. Maria in
14 Anerio — Animuocia,
Yallicella, im Yatican und vor allem in der Bibliothek des Collegiqm
Bomanum aufbewahrt.
Anerio, Giovani Francesco, geborner Bömer um 1567 (ob er
ein jüngerer Bruder des Feiice Anerio ist, lässt sich nicht beweisen,
sondern blos vermuthen). Sein erstes bis jetzt bekanntes Werk erschien
. 1599: „Jl I libro de Madrigali a 5 voci." 1616 wurde er Priester. Er war
zuerst am Hofe Sigismund lU. Königs von Polen angestellt, kam 1610
vorübergehend nach Verona und im selben Jahre finden wir ihn auch
noch in Bom, wo er die Vorstandschaft über die Musik im römischen
CoUeg S. Jgnazio übernahm; von 1613—21 war er K.-Meister an der
Kirche S. Marie ai Monti. Seine Kompositionen, welche, soweit sie
bekannt sind, im „Kirchenmusikalischen Jahrbuche" von F. X. Haberl
1886 und in den „Monatsheften f. Mus.-Qeschichte von Bob. Eitner*^
Jhrgg. 1887 Nro. 2 verzeichnet sind, bestehen in Madrigalen, Messen,
Motetten, Litaneien, Psalmen u. s. w. Seine Kirchenkompositionen
weisen zweierlei Styl auf, den Palestrinastyl und die damals am An-
fange stehende und in der Entwicklung zum Drama, zur Oper und zur
theatralischen K-Musik sicli befindenden monodischen und concertierenden
Kunstgattung, doch erzeigt sich A. auch in letzterer ganz edel. Die
nach 1620 unter seinem Namen erschienenen Werke entbehren deir
persönlichen Widmung des Autors oder sind Neuauflagen oder von
andern Persönlichkeiten publiciert, so dass man annehmen könnte, A,
sei nicht lange nach 1620 gestorben.
AngeÜ, P. Francesco Maria, ein Franziskaner aus Bivotoirto,
zu Assisi geb., war nach dem Zeugnisse seines Landsmannes und Zeit*
genossen Tevo einer der trefflichsten Musiker und Kontrapunktisten
seines Jhdts. A. wird als ein Mann von den seltensten Tugenden und
ansserordentL Müsikkenntnissen geschildert. Er war zuletzt Provinzial
seines Ordens und Superior des Klosters zu Assisi. Wann er gestorben,
kann nicht angegeben werden; 1693 lebte er noch.
Angelo, da Picitone, von seiner Vaterstadt Pizzighetone bei
Gremona so genannt, war ein als trefflicher Organist allgemein be-
kannter und berühmter Franziskanermönch in der ersten Hälfte des
16. Jhdts. und 1541 Generalprokurator seines Ordens. 1547 gab er zu
Venedig eine musikal. Schrift ^eraus, „Fior angelica di musica*', welche
unter die bibliographischen Seltenheiten gehört.
Animaccia, Giovanni, um 1500 zu Florenz geboren, ist einer der
ältesten und hervorragendsten Meister der ital. Schule, welche es sich
zur Aufgabe setzten, den Kontrapunkt der alten Niederländer durch
klare und ansprechende harmonische Fülle, durch leichtere und melo*
dlschere Führung der Stimmen und durch einen den Textworten ent-
sprechenderen Ausdruck der Melodie zu vervoUkonunnen. Schon in
seiner Jugend mit dem hl. Philipp von Neri freundschaftlich verbanden^
ward er von diesem zum Musikmeister seiner Societät berufen und
Anjo3 — Anseimus. 15
lioinpottierte als solcher die ersten „Laudi^* füc diese Versammlung.
Diese „Landi** waren mehrstimmige Gesänge, welche immer nach der
Predigt aufgeführt wurden. Um der grösseren Mannigfaltigkeit und
Abwechslung willen komponierte A. bald einzelne Strophen, bald blos
«inige Zeilen als Soli und liess dann den Chor wieder desto kräftiger
und wirkungsvoller eintreten. Durch diese „Laüdi*' legte er den Keim
zu dem später so ausgebildeten Oratorium. Von diesen „Laudi'*
erschien das erste Buch 1565, das zweite 1570. Ausserdem komponierte
er hoch viele Messen, Motetten, Psalmen, Madrigale, welche teils in
Venedig 1548, teils in Rom 1567 und 1568 ediert wurden, teils im
Manuskript im Yaticanisohen Kapellarchive verblieben. 1555 ward A.
päpstlicher Kapell-M. und blieb es bis zu seinem Tode, der im März
1571 erfolgte.
Anjos, Dionisiodps, einer der bedeutendsten portugiesischen
Tonkünstler seines Jhdts., war zu Lissabon in der ersten Hälfte des
17. Jhdts. geboren, trat 1656 zu Belem in den Orden der Hieronymitaner
und starb daselbst am 19. Jan. 1709. Virtuos auf der Harfe und
Oambe zeichnete er sich auch als Kirchenkomponist aus, und seine
. Werke, welche die Klosterbibliothek von Belem sorgfältig bewahrte,
rechtfertigen nach dem Urteile der Sachverständigen vollkommen
seinen Buhm. Sie bestehen aus Messen, Motetten, Psalmen, Eespon-
Serien u. dgL
Anfcerts, Ghiselin d', geb. zu Tholen in der Provinz Zeeland,
ein vorzüiclicher niederländischer Kontrapunktist, 1555 Camerlengo und
Mitglied des päpstlichen Sängerkollegiums, was er auch unter der
Regierung von 4 Päpsten blieb. Die päpstl Kapelle verwahrt viele
Hessen und Motetten dieses von Baini sehr geachteten Meisters ; einige
seiner Kompositionen wurden auch durch den Druck veröffentlicht.
Am berühmtesten ward er durch einen um 1556 verfassten Tractat
gegen D. Nikol. Vincentino, worin er dessen Versuch, das Chromat, und
enharmonische Geschlecht auf den Kontrapunkt anzuwenden, entschieden
zurückwies und die diatonische Musik mit Erfolg verteidigte.
Annibalo, Patavinus, so von seiner Vaterstadt Padua bei«
genannt, war einer der gebildetsten und fertigsten Organisten des
16. Jhdts. und auch tüchtiger Kirchenkomponist. Schon im 25. Jahre
«eines Alters ward er mit der wichtigen und höchst ehrenvollen
OrganistensteUe an der St. Markuskirche zu Venedig betraut. Er starb
um 1595.
Anselmiis, Parmensis, ein musikal. Schriftsteller des 15. Jhdts.
Von ihm \ existiert ein Manusc. „De Harmonia dialogi"» welches sehr
, gerühmt wird. Er war zu Parma geboren und starb etwa 1443,
und steht im Bufe eines ebenso trefflichen Musikers als gewandten
Mathematikers.
16 Anselm von Flandern — Arcadelt.
*
Anselm von Flaadeiu, ein namhafter Musiker, der um die Mitte
des 16. Jhdts. in Diensten des churfürstl. bayer. Hofes stand. Ihm
-vtixä die Erweiterung der Solmisation um die Sylbe si für die siebente
Stufe, unser b, zugeschrieben.
Antegnati, Co stanze, um die Mitte des 16. Jhdts. zu Brescia
geb., ein äusserst gewandter Orgelbaumeister und nach dem Zeugnisse
Bossi's ein trefiOicher Orgelspieler und Komponist, verwaltete die Stelle
eines Organisten in der Domkirche zu Brescia, fttr welche sein Vater
GratiadioA. eine in jeder Beziehung ausgezeichnete Orgel gebaut
hatte, bis zum J. 1619, wo er vom Schlagflusse gelähmt wurde. All-
gemein hochgeschätzt wegen seiner Kenntnisse und Tugenden starb er
nach wenigen Jahren. In Druck erschienen von ihm: 4. Bücher vieir
stimmiger Gesänge; zwei- und dreichörige Messen und Motetten, u. a. m.
Als sein berühmtestes und werthvoUstes Werk bezeichnet man ,Ji*arte
organica", Brescia 1608.
Antonelll, Abundio, ein Kirchenkompoiiist des 17. Jhdts., war
Kapell-M. zu St. Johann im Lateran. Er soll viele Arbeiten geliefert
haben, aber wenig ist auf uns gekommen.
Antony, Franz Joseph, Priester und seit 1819 Qesanglehrer
am Gymnasium und Chordirektor am Dom zu Münster, übernahm nach
seines Vaters Tode dessen Stelle als Domorganist. Er starb am
7. Jan. 1837. Neben mehreren Liedern und Gesängen veröffentlichte
et 4 Choralmessen, dann sein mit Einsicht und Gelehrsamkeit verfasste»
„Archäologisch-liturg. Lehrbuch des Gregor. Eirchengesanges" etc»
(Münster, 1829) und „Geschichtliche Darstellung der Entstehung und
Vervollkommnung der Orgel" (Münster, 1832).
Aranda Mattliens de, Professor der Musik an der üuiversität
Coimbra und Kap.-M. in Lissabon, gab 1533 einen „Tradado de
cantollano y contrapuncto** heraus.
Aranxo od. Araojo, Francisco de Correa d*, ein Domini-
kanermOnch, geb. um 1581, Organist seines Klosters zu Sevilla, gehörte
zu den besten, gründlichsten und auch fruchtbarsten musikal. Schrift-
stellern seiner Zeit. Er schrieb u. a. eine „Muslca practica y theorica
de Organe," welche mit seinen andern Werken in der k. Bibliothek zu
Lissabon aufbewahrt wird. Er starb hochbetagt den 13. Jan. 166^
üü. Sevilla.
Arcadelt, Jacob, ein Niederländer, um 1514 geb., war kurze
Zeit Singmeister in der Gesangschule zu St. Peter in Rom, 30. Dec.
IMO ward er päpstlicher Sänger und ging später als Kap.-M. des
Cardinals Carl v. Lothringen nach Paris, wo er 1557 3 Bände 4- und
5stimmiger Messen herausgab. Er gehört unter die vortrefflBchsten
ffirchen- und Kammer-Komponisten des 16. Jhdts. und erlangte be-
sondere Berühmtheit durch seine Madrigale. Er starb um 1559.
Arohangelus de Leonato — Arthur aux Couteaux* 17
Archangelns de Leonato, von Brixen, um die Mitte des 16. Jhdts.
Benediktiuennönch aus der Cassinensischen Congregation, betrieb mit
allem Eifer den geistiüchen Gesang u. war thätig als Komponist n. als
Lebrer des Gesanges. Von ihm haben wir noch: „Cantiones sacrae
tum, in Nativitate Domini, tum in Hebdomade sancta. Venetiis 1585."
Aretinns, Paulus, auch Aretino, nach seiner Vaterstadt Areaszo
genannt, war ein ausgezeichneter Eirchenkomponist des 16. Jhdts., von
dessen Arbeiten auf der Mttnchener Hofbibliothek zu finden sind:
„Responsoria hebd. sanctae, ac natalis Dominiks nebst ),Benedictus
Dominus" u. dem „Te Deum,*' a 4 voc. Venet 1567; „Sacra responsoria,"
Venet. 1574.
Argentini, Stefano, um 1600 geb. zu Bimini, Mönch u. Kp.-M.
an der St. Stephanskirche zu Venedig, ein Meister, tüchtig im Kontra-
punkt u. reich an Ideen. Von seinen zahlreichen Werken sind nur
bekannt: Missa ä, 3 voc. n. Psalmi concert., 1638 gedruckt.
Aribo, Scholasticus beigenannt, lebte in der zweiten Hälfte
des 11. Jhdts. und schrieb einen musikalischen Traktat, welcher, eigent-
lich ein Kommentar Guido's v. Arezzo, vieles von diesem Geschriebene
weitläufiger erklärt und deutlich macht. Diesen Traktat widmete er
dem Bischof Ellenhart in Freising (f 1078), an dessen Domkirche er
in Diensten gestanden zu sein scheint. Gerbert hat die Schrift in seine
Script, mus. tom. 11. aufgenommen.
Aristidee Qaintilianiie, ein griech. musikal. Schriftsteller, welcher
zu Hadrian's Zeiten lebte n. ein Werk: t^negi f^ovinxi}g*^ hinterliess,
welches teilweise wertvolle Auszüge aus früheren Musikschriftstellem
enthält; im Allgemeinen bezeichnet ihn B. Westphal in seinem Buche
über die antike Rhythmik als einen unzuverlässigen Kompilator.
ArietoxeniiB, ein Schüler des grossen Philosophen Aristoteles, geb.
zu Tarent um 320 vor Chr., ist einer der berühmtesten u. wichtigsten
musikal. Schriftsteller der Alten, da er gerade am Ende der klassischen
Periode der griech. Musik lebte. Von seinen Werken sind auf uns ge-
kommen: „Harmonicorum Elementorum libri III" (beste Ausgabe von
Meibom, Amsterd. 1652), dann „Fragmenta de Bhythmica," heraus-
gegeben 1785 von Morelli in Venedig, u. einige Bruchstücke in den
BcMften von Aristides u. Plutarch.
Arnold, Georg, geh* zu Weidsberg in Tyrol, zuerst Organist
in Innsbruck, später Hoforganist des Bischofs von Bamberg, gab
1652—76 Motetten, Psalmen u. zwei Bücher neunstimmiger Messen
heraus.
Arthur aux Uovteaux od. Auxcousteaux, war Kp.-M. am
Kollegiatstift zu St Quentin u. an der hl KapeUe zu Paris u. lebte
um 1630. Er war einer der gerühmtesten Kirchenkompositeure seiner
Zeit. Sein Todesjahr ist 1656.
KonunQHer, Lexikon. IL Bd. 2
18 Artusi — Aufsohnaiter.
Artafii, Joh. Maria, Kanonikus von St. Salvatote zu Bologna,
blühte um 1590. Er war ein in der musikal. Litteratur rühmlichst be-
kannter Schriftsteller des 16. Jhdts.' Von 1586 bis 1607 erschienen
fünf grössere Werke von ihm, die ^e noch Wert haben. In einem
derselben, „L'arte del Contrapunto," legte er die Lehre vom Gtenercd-
bass u. Kontrapunkt so ausführlich u« gründlich nieder, wie es vor ihm
noch .kein Autor that.
Aflola, Giov. Matteo, ein Priester in Verona, zeichnete sich als
fleissiger u. tüchtiger Komponist der palestrinischen , Zeit aus. Von
seinen Lebensumständen ist sehr wenig bekannt. Gerber setzt seine
Blütezeit von 1565—1596. Seine zum Teil in wiederholten Auflagen
erschienenen Werke, deren einige in den berühmtesten älteren und
späteren Sammlungen Aufnahme fanden, bekunden am hesten die
Meisterschaft dieses Autors. „Seinen Namen," sagt Proske, „findet
man neben den berühmtesten der älteren Zeit. Einfach, klar, andachts-
voll entfalten sich seine Harmonien und verfehlen niemals den Eindruck
frommer Erhebung, wie es der im reinsten Geiste gebildeten heiligen
Gesänge würdig ist.'* Seine Werke bestehen in mehreren Büchern,
Messen zu 3, 4 u. 8 Stimmen, 2 Büchern Lamentationen, 2 Büchern
„Sacrae cantiones 4 voc", „Psalmi, Falsibordoni, Introitus et Alleluja,
4 voc." (Venedig 1565); „Vespertina maj. solemnitatum Psalmodia senis
vocibus canticaque duo B. V. M. Venetiis 1576." (Proske'sche Biblio-
thek Nro. 594. Fetis scheint letzteres Werk nicht zu kennen, da er
unter den 26 von ihm citierten Werken dasselbe nicht anführt, wohl
aber ein Werk unter ähnlichem Titel für vier Stimmen mit der Jahr-
zahl 1578.)
Assmayer, Ignaz, geb. 11. Febr. 1790 zu Salzburg, f 31. Aug.
1862 in Wien, 1808 Organist m St. Peter in Salzburg; 1815 ging er
nach Wien, wo er sich unter Eybler noch weiter fortbildete, 1825
Hoforganist, 1838 Vizehofkp.-M., 1846 zweiter Hofkp-M. Unter
anderem schrieb er 15 Messen, von welchen eine im Druck erschien,
dann Gradualien, Offertorien u. a,
Astorga, Emanuele d\ geb. 11. Dez. 1681 zu Neapel, f 21. Aug.
1736 auf dem Schlosse Baudnitz a. d. Elbe, Schüler des Alessandro
Scarlatti, hatte sich besonders durch seine Lieder beliebt gemacht;
seine auf uns gekommenen Kantaten, Duetten, eine Oper und das be*
kannte „Stabat Mater'* zeigen seine Meisterschaft in der Komposition.
Übrigens soll er ein unstätes u. abenteuerliches Leben geführt haben;
er hielt sich teils in Rom, teils in Spanien, England und Deutsch-
land auf.
Aufschnaiter, BenedictAnton, war geb. 1663 und f 1742,
\m das Sterbebuch der Dompfarrei in Passau auBweist: „24 Jan. 1742
necess. sacram. provisus sepultus est praenobilis, strenuus ac artifi-
ciosus Dominus Benedictus Anton. Aufschnaiter, eccl. cathedr. Passav.
Augustinus — Auer, 19
OapeUae-Magister octoginta ann. jacet in ambitu statim ad portam
eccles. apud altare oliveti/* Von seinen vielen im Domarchiv zu Passau
befindlichen Werken sind nur wenige im Druck ediert. Fetis führt an:
„Concors discordia" (6 Ouvertüren), Nürnberg 1695; „Dulcis fldium
liarmonia*' 8stim. Eirchensonaten, 1699; Vesp. solemnissimaei 4 voo.
«oncert, 2 Viol., 2 Violis necess., 4 ripien. pro pleno choro, violone
cum dupl. Basso cont., 2 clarinis concert. Op. V., Augsburg, 1709;
„Alauda** 5 solenne Messen, op. VI. Augsburg 1711 ; „XII Offert, de
venerab. Sacramento" 4 voc, 2 VioHnis, 2 Violis cum dupl. Basso
contin, et 2 Trombonis. Op. VIT. Passav. 1719; „Cymbalum Davidis
vespertinum seu Vesperae pro fest, etc." 4 voc, 4 Violin., 2 Violis
cum dupl. Basso, 2 hautb. in tono gallicö et 2 Clarinis. Op. VIII.
Pässav. 1729. Ausserdem ist ein theoretisches Werk in Manuscript
anzumerken, betitelt: „Begulae hae fundamentales Musurgiae partim
sunt a praestantiss. aut antiquis nempe Jac. Carissimi, Casp. Xerl,
Orl. de Lasso, Adamo Gumpelzhaimer, Joa. Ebner et partim a Bened.
Ant. Aufschnaiter, Cap. Mag. Passav. inventae, et non vulgari studio
ßlaboratae et compositae" und ein 4stinmi. Offertorium „Ostende,**
ebenfalls Mskr,
Augustinus, A u r e 1 i u s , der hl. Kirchenlehrer, geb. am 13. Nov.
354 zu Tagaste in Numidien, widmete sich zu Karthago den Wissen-
schaften, geriet aber zur Sekte der Manichäer ; 383 kam er nach Bom,
wo er Bhetorik mit so ausserordentlichem Beifall lehrte, dass er schon
384 den ehrenvollen Buf als öffentlicher Lehrer der Beredtsamkeit
nach Mailand erhielt. Hier kam er in nächste Berührung mit dem hL
Ambrosius, dessen wohlwollende Güte ihm Hochachtung und Vertrauen
gegen diesen so einflussreichen Kirchenfürsten einflösste. Die Predigten
des hl. Ambrosius und die Unterredungen mit ihm, sowie das Gebet
seiner Mutter Monika bewirkten, dass er zur kathol. Lehre sich bekehrte
und 387 getauft wurde. Er wurde dann Bischof von Hippo in Afrika,
u. nachdem er 35 Jahre lang sein bischdfl. Amt verwaltet hatte, starb
er am 28. Aug. 430. Unter seinen Werken findet sich auch eines,
„de musica," welches aber blos von metrischen u. rhythmischen Ver-
hältnissen handelt. Das zweite Buch dieses Werkes, welches wahr-
scheinlich mit der praktischen Musik sich beschäftigt hätte, konnte er
nicht mehr ausarbeiten, da ihm sein bischöfliches Amt keine Müsse
dazu gewährte.
Anrelianns, Beomensis, Mönch zu Reome im Bistum Langres,
darum auch „Beomensis** beigenannt, lebte im 9. Jhdt. u. schrieb ein
Werk, das Gerbert in seinen Script, eccl. music aufgenommen hat u.
den Titel führt: „Musica disciplina.**
Auer, JosephAlbert, geb. 4. Febr. 1856 zu Staudach, machte
seine Gymnasialstudien in Metten und ward nach absolvierten philoso-
phischen u. theologischen Kursen d. 6. Juli 1879 zu Begensburg zum
2*
20 Avella — Bach.
Priester geweiht Daselbst bildete er sich als Präfekt in der Dom*
präbende unter der Leitung des Dr. F. X. Haberl in der Kirchenmusik
vollends aus u. ist gegenwärtig Präfekt im k. Studienseminare zu.
Amberg. Werke: mehrere Litaneien, Miserere, Te Deum, eine Messe
u. andere Eirchengesänge, wovon einiges im Druck erschienen ist;
,,Lit. Handweiser für Kirc)ienmusik/'
Avella, Giovanni d', aus dem Orden der Franziskaner, bedeu-
tender Theoretiker des 17. Jhdts. Von ihm besitzt die Proske'sche
Bibliothek in Begensburg die sehr wichtige Schrift: „Regole di Musica
divise in cinque Trattati, con le quali s'insegna il Canto fermo et
Figurato composte dal Padre Fra Giovanni D' Avella, predi-
catore de* Minori osservanü delle Provincie di Terra di Lavoro.
Borna 1657/* Fol.
B.
BaeciiBi, Ippolito, um 1590 Kp.-M. in Verona, hat zahl-
reiche Eirchenkompositionen hinterlassen, welche meist in Venedig
gedruckt erschienen.
Bach, Johann Sebastian, der grösste Orgelspieler Deutsch«
lands, ward geb. zu Eisenach am 21. März 1685, wo sein Vater Hof-
organist war; in seinem 10. Jahre schon Doppelwaise, kam er in
die Pflege seines älteren Bruders Johann Christoph B.,
Organisten zu Ohrdruff, welcher den Enaben im Gesang und Orgelspiel
tmterrichtete, aber im Allgemeinen sehr hart mit ihm verfahr. Als
14jähriger Jüngling ging Seh. Bach nach Lüneburg u. wurde Chor-
knabe am Michaelsgymnasium daselbst, von wo aus er oft nach
Hamburg zu Fuss wanderte, um den berühmten Organisten Beinken
zu hören. 18 Jahre alt, fand er seine erste Anstellung als Organist
in Arnstadt, u. von da aus datieren seine ersten Werke u. die erste
Bearbeitung seiner Choräle. Hier begann er den Choralgesang der
Gemeinde auf der Orgel in der wunderbaren Weise zu begleiten, welche
er später in seinen Oratorien anwendete, die ihm aber jetzt vom
Konsistorium als „wunderliche Variationen*' verboten wurden. Vier
Jahre darauf ward er nach Mühlhausen berufen, wo er sene ersten
Kantaten komponierte, im folgenden Jahre ging er nach Weimar als
Kammer- u. Hof Organist Hier blieb er 9 Jahre, bis der Buf als fürstl.
Kapellmeister nach Köthen an ihn erging. Daselbst schrieb er di&
ersten Werke, welche seinen Buhm fär alle Zeiten sicherten. Um diese
Zeit (1717) war es auch, dass er über den französischen Orgelkünstler
Marchand, der am Hofe zu Dresden sich Lorbeeren holen wollte, siegte;
der Franzose reiste, nachdem er Bach spielen gehört hatte, heimlich ab,,
ohne sich auf den vorerst angenommenen musikalischen Zweikampf
Baoh. 21
«inzidassen. 1720 starb seine Frau u. 1 Va Jahre später yermählte er
«ich mit Anna Magdalena Wülkens, welche er in der Musik nnter«
richtete tu die an seinem tonkilnstlerischen Schaffen thätigen Anteil
nahmu 1722 reiste B. wieder nach Hamburg, um Reinken noch einmal
zu hören; diesmal besuchte er ihn auch. Nachdem er eines Tages in
der Katharinenkirche vor einem gewählten Publikum gespielt hatte,
trat der greise Orgelmeister, der bisher als der Erste, Unerreichte
gegolten, zu ihm, umarmte ihn u. sprach: ,Jch habe gedacht, diese
Kunst wäre gestorben, nun ich sehe, dass sie noch lebt, will ich mit
Freuden hingehen!" — Am 1. Juni 1723 wurde B. nach Leipzig be-
rufen als Kantor an der Thomaskirche. Von da an entwickelte er jene
Fruchtbarkeit u. rastlose Thätigkeit, die unmittelbar nach dem hohen
Kunstwerte seiner Schöpfungen das Staunenswerteste aus seinen^ Leben
u. in der Kunstgeschichte bietet. Er hatte den Gottesdienst in zwei
Kirchen (Thomas- u. Nikolaikirche) zu leiten, die Thomasschüler „in
Vocal- u. Instrumentalmusik fleissig zu unterrichten,*^ seine zahlreichen
Kinder zu erziehen u. viele Privatschüler zu unterweisen — u. bei all
diesen grossen Mühen hatte er Werke geschaffen, die nie untergehen
werden, u. überdies noch dem Wirken und Schaffen seiner Zeitgenossen
solche Au^erksamkeit gewidmet, dass er eine Menge fremder Kom-
positionen in Partitigr copierte. B. hat nicht nur für alle hohe Feier-
und Festtage der evangel. Kirche eigene grosse Werke, sondern nach
u. nach für jeden Sonntag des Kirchenjahres eine der Bedeutung des-
selben entsprechende geistliche Musik geschaffen; auf diese Weise
entstanden die Kantaten u. Vorbereitungen zur Predigt, 5 yollstän-
dige Jahrgänge, etwa 380 Nummern, von denen ein grosser Teil
leider verloren gegangen ist. Seine Werke überhaupt bestehen aus
Oratorien, Passionsmusiken, Kantaten (geistlichen u. weltlichen), Mo-
tetten u Messen, Klavierstücken u. Instrumentalwerken von seltenster
Art u. Ausdehnung, Orgelkompositionen, Konzerten und Phantasien;
vor allem ragt hervor ein reicher Schatz der herrlichsten Präludien
u Fugen.
Seine Zeit brachte ihm wenig Verständnis entgegen, obwohl es ihm
an Auszeichnungen u. Anerkennung nicht fehlte; erst die neuere Zeit
würdigt seine Verdienste angemessener. Vor etwa 16 Jahren hat sich
zu Leipzig eine „Bachgesellschaft** gebildet, die es sich zur Aufgabe
stellte, seine Werke in möglichster Vollständigkeit u Korrektheit
herauszugeben; bis jetzt sind 12 Bände in prachtvoller Ausstattung
erschienen, — Wie B. als Lehrer u. Virtuos auf dem Klavier sich zum
eigentlichen Schöpfer der neueren Kunst des Klavierspieles gemacht
u. eine Klavier- u. Organistenschule gegründet, wie er in seinen
Instramentalkompositionen eine neue u. glänzende Laufbahn beschritten
hatte, so künden auch die für die Kirche geschriebenen Werke seinen
eigentümlichen Charakter, den gläubigen Protestiuiten an, sie sind der
23 Bai — Baini.
klare Ausdruck seines tiefumerlicli religiösen Lebens. Marx bemerkt
noch, dass die tüchtigen Leistungen der bisherigen Theorie, Harmonik
u. Kontrapunkt sich auf seine Lehre u, sein Beispiel gründen u. er
steht nicht an, ihn den Begründer u. Vater der deutschen Tonkunst
zu nennen«
Von seinen Schülern haben fast alle zu ihrer Zeit eine grosse
Berühmtheit erlangt, aber nur wenige auch für unsere Zeit Bedeutung
behalten; von diesen sind vorzugsweise zu nennen: sein Sohn Ph. E m a-
n u e 1 B a c h (geb. d. 14. März 1714, f d. 14, Sept. 1788 als Musik-
direktor in Hamburg), einer der Hauptbegrttnder der „galanten Schreib-
art," u. L PL Kirnberger, dessen „Kunst des reinen Schatzes*'
noch jetzt Geltung hat. — 27 Jahre lang wirkte B. als Kantor an der
Thomasschule zu Leipzig, f am 28. Juli 1750, nachdem er die sechs
vorhergehenden Monate schwere Leiden, zuletzt noch Blindheit er-
duldet hatte.
Weitläufigen Aufschfuss über das Leben und Wirken dieses grossen
Meisters giebt dessen Biographie von Forkel, insbesondere C. L.
Hilgenfeldt*s „ Joh, Seb. Bach's Leben, Wirken u. Werke " (Leip-
zig, 1850), u. C. H, Bitteres „Job. Seb. Bach** (2 Bde., Berlin, 1865).
Bai, T 0 m a s 0 , geb. zu Crevalcore bei Bologna um 1650, kam
als Tenorist an die vatikanische Hauptkirche, zeichnete sich jedoch
durch vollendete Bildung in der Komposition u. Direktion vor allen
Mitgliedern dieser Kapelle derart aus, dass er am 19. Nov. 1713 zum
Kapellmeister an der Peterskirche erhoben wurde. Berühmt wurde er
durch sein ,J^erere,** das abwechsehid mit dem von Allegri am Char-
freitag in der sixtinischen Kapelle aufgefQhrt wird. Dieses Miserere
ist zweichörig; Einfachheit und Erhabenheit der Melodie, Beachtung
der Prosodie u. richtige Accentuierung der Worte zeichnen diese
Komposition aus, so dass durch diese Schöpfang allein der Buhm des
Meisters für immer gesichert ist, obgleich aus verschiedenen andern
— nur in Handschrift erhaltenen — Kompositionen die hohe Gediegen-
heit seiner in alle Geheimnisse der alten Schule eingeweihten Kunst
hervorleuchtet. + d. 22. Dez. 1714.
Baini, Abbate, Guiseppe, geb. 21. Okt. 1775 zu Bom, f da-
selbst 21. Mai 1844, trat 1795 als Sänger in die päpstliche Kapelle»
1818 ward er Kp -M. derselben, welches Amt er bis zu seinem Tode
inne hatte. Er war der vorzüglichste Palestrinakenner und hatte sich
die reichhaltigste Bibliothek von den Werken dieses Grossmeisters
kirchlicher Tonkunst gesammelt. Seinen Styl hatte er vorzüglich
studiert u. sich zu eigen gemacht, weshalb er besonders die neuere.
Kompositionsweise gering schätzte. Seine eigenen Kompositionen, deren
nicht viele sind, bewegen sieh im Style Palestrina's, doch ohne An*
Wendung der Kunstmittel, welche dieser Meister so trefflich zu ver-
werten wmi9t^f Sin 8stun« Miaerere von itan ward für die Sixtinische
Balbo — Baptista. 23
Kapelle aufgenommen. Sein Hauptwerk sind die „Memorie storico-
criticlie della vitä e delle opere di Giovanni Pierluigi da Palestrina'^
(Born 1828, deutsch bearbeitet von Kandier, Wien 1834), bis jetzt die
aUseitigste u. möglichst vollständige Darstellung von P.'s Leben u.
Wirken u. Charakteristik seiner Werke. So verdienstlich u. ruhmvoll
diese Arbeit für den Autor im allgemeinen ist, so leidet sie doch in
gar manchen nicht unwichtigen Punkten an Unzuverlässigkeit u. irrigen
Angaben. Baini bearbeitete femer eine „Geschichte der päpstlichen
Kapelle/* welche unvollendet blieb. Die Proske'sche Bibliothek in
Begensburg besitzt eine aus dem Original gefertigte Abschrift seines
för das Studium höchst wichtige Werk: „Tentamen renovationis Musicae
harmonicae syllabico-rhythmicae super cantu Gregoriano saec. YII.
in Ecclesia pervulgatae. Friedr. Guilelmo III. potentiss. et sapientiss,
Boruss. Begi Job. Baini,** mit dem Appendix. Noch wird eine scharfe
Kritik über eine preisgekrönte vierchörige Motette von Santucci genannt.
Balbo, Ludovico, aus Venedig, Franziskanermönch, Schüler u.
Nachahmer des Cost. Porta, blühte als Kirchenkomponist u. Kontra-
punktist in der zweiten Hälfte des 16. Jhdts., + zu Venedig um 1606.
"^ ballabeiie, Gregorio, geb. zu Bom 1720, f daselbst um 1803,
war einer der grössten K«-Komponisten u. Kontrapunktisten des vorigen
Jhdts. Er war schon 50 Jahre alt u. hatte die vortrefflichsten Kirchen-
sachen (meistens a capella) komponiert, ohne dass jemand ausser seiner
nächsten Umgebung von seinem künstlerischen Wirken etwas wusste,
bis er sich fligte, dass Job, Fr. Beichardt, hingewiesen durch B.'s
48stimmige Messe, der Welt nähere Kunde über diesen bescheidenen
u. grossen Künstler gab. Er war fast der einzige Komponist in Italien,
der zu jener Zeit, neben Sala in Neapel, noch im alten ächten KStyl
a capella zu arbeiten vermochte,
Banchieri, P. Adriane, geb. zu Bologna 1567, t 1634, Camal-
dulensermönch, zuletzt Abt, war gerühmter Organist, gelehrter Ton-
künstler u. fruchtbarer Komponist. Ein unvoDständiges Verzeichnis
seiner Werke findet sich in „F6tis, Biographie generale de la musique.**
BanniiB, Joh. Albert, kathoL Priester zu Harlem, musikalischer
Schriftsteller des 17. Jhdts., dessen grösseres Werk: „Deliciae Musicae
veteris** för den musikaK Geschichtsforscher von Wichtigkeit ist;
ausserdem erschien von ihm noch: „Dissertatio epistolica de musicae
natura, origine, progressu et denique studio bene instituendo etc.**
Harlem 1636 (zweite Auflage 1637.)
Banwart, Jacob, geb. in Schweden, lebte in der zweiten Hälfte
des 17. Jhdts., schrieb gediegene KKompositionen u, starb als Dom-K.-M.
zu Konstanz kurz vor 1657.
Baptista, Francesco, Augustinermönch u. Musikmeister in
seinem Kloster zu Cordova, geb. um 1625, wird als einer der vortreff-
lichsten u. gründlichsten Komponisten seiner Zeit gerühmt
24 Barbireau — Baumgartner.
Barbireaa, J a q u e s , ein sehr bedeutender u. hochgeachteter
niederländischer Kontrapunktist, von 1448 an bis zu seinem Tode,
8« Aug. 1491, Musikmeister u. Lehrer der Chorknaben an der Kirche
Notredame zu Antwerpen. Die kais. Bibliothek in Wien besitzt mehrere
seinei Werke in Mskr,
Barrö, Leonhard, Schüler Willaerts u. Kontrapunktist des 16.
Jhdts., geb. zu Limoges, begab sich nach Born u. wurde 1537 in die
päpstl. Kapelle aufgenommen. Er war mit auf dem Konzil in Trient,
wo er in Sachen der KMusik zu Bäte gezogen wurde. Motetten,
Messen u. Madrigalen von ihm, teils in Sammlungen des 16. Jhdts.
eingereiht, teils in den Archiven der päpstl. Kapelle aufbewahrt, zeigen
von seiner Thätigkeit.
Bartholuzius, Bufinus, ein Franziskanermönch, gehört unter
die ältesten Kontrapunktisten. Er stand in Bologna, Padua u. Venedig
als Komponist in hohem Ansehen u. soll der Erste gewesen sein, der
far zwei abgesonderte Chöre zugleich setzte. Seine Blütezeit wird in*8
16. Jhdt. zu setzen sein.
Bartolini, Simon, genannt B. Perugino, Sänger in der päpstl.
Kapelle um die Mitte des 16. Jhdts., galt für einen der grössten Ton-
künstler seiner Zeit in Bom. 1545 war er auch zum Konzil nach Trient
geschickt worden.
Baailius, der Grosse, Bischof von Cäsarea, erwarb sich grosse
Verdienste um die KMusik durch die Beförderung des Kirchengesanges
im Oriente. Er war geb. 329 u. f d. 1. Jan. 379.
Battistini, Giacomo, ital. K-Komponist zu Ende des 17. u.
Anfang des 18. Jhdts., Kp.-M. an der Kathedrale zu Novara. (Motetti
sacri 1698; Armonie sagre 1700.)
Battlog, Franz Joseph, geb. 1836 zu Bartholomäberg iu
Vorarlberg, Priester 1866, War zuerst Frühmessbenefiziat in Gkwchum,
wo er 15 Jahre verblieb, richtete daselbst eine vortreffliche Gesang-
schule ein u. förderte den Kirchenchor dieses Dorfes bald so weit, dass
er Werke der alten Meister zu einer guten Aufführung bringen konnte.
Ausserdem wirkte er durch seine Zeitschrift „Der Kirchenchor" (seit 1870),
sowie durch seine Schriften „Die' liturg. Gebete beim Hochamte*^
(1875, Begenburg, Fr. Pustet), „Liturgischer Katechismus" (Graz 1879)
u. viele Artikel, Biographien u. s. w. in verschiedenen Zeitschriften für
die Beform der Kirchenmusik, welche Thätigkeit er auch als Expositus
in Gurtis (Vorarlberg) fortsetzt.
Baiieri C h r y s o s t., ein geschickter Orgelbauer aus Württemberg
zu Anfang des vor. Jhdts, war der Erste, der' bei grösseren Orgel-
werken die nötige Quantität Wind nicht durch die Zahl der Bälge,
sondern durch die vermehrte Grösse derselben zu erreichen suchte.
Baumgartner, August, geb. d. 9. Nov. 1814 zu München, f d.
29« Sept. 1861, war ein Schüler Ett^s u. längere Zeit Musiklehrer a.
iw-^ ^
Baeumker — Becher«. - 25
Organist, zuletzt (seit 1853) Ohordirigent an der St. Annakirche daselbst.
Er schrieb Mehreres für die Kirche, Yesperpsalmen, Messen, Bequiem's,
^nch weltliche Kompositionen, u. ist noch bemerkenswert als Erfinder
der musikalischen Stenographie. Eine Anleitung hierzu
veröffentlichte er unter dem Titel: „Kurzgefasste Anleitung zur musikal.
Stenographie. München 1853.** Ein zweiter Teil, welcher die An-
^vrendung der Stenographie auf den mehrstimmigen Musiksatz lehren
rsollte, kam nicht mehr zur Herausgabe. 1856 edierte er „Geschichte
•der musikalischen Notation."
Baeumker, Dr. Wilhelm, geb. 25. Okt. 1842 zu Elberfeld
frequentierte nach Vollendung sfeiner Gymnasialstudien die Akademie
in Münster u. die Universität Bonn, ward 1. Sept. 1867 in Köln zum
Priester geweiht; 1869 erhielt er die Kaplaneistelle in Niederkrüchten
(Kr. Erkelenz) u. ist jetzt Pfarrer in E-urich. In Niederkrüchten traf
«er als Pastor den als Litterarhistoriker bekannten Dr. Lindemann
(f 20. Dez. 1879), dessen leuchtendes Beispiel ihn anspornte, in seinen
Mussestunden litterarisch thätig zu sein, namentlich auf dem Gebiete
-der mittelalterlichen Musik u. Hymnologie. Bisher veröffentlichte er
an musiklitterar. Werken: „Palestrina" (Freibg. i. Br. 1877); „Orlandus
4e Lassus" (ebenda 1878); „Zur Geschichte der Tonkunst in Deutsch-
land" (das. 1881); Namen- u. Sachregister zur fUnfbändigen Musik-
^gesohichte v. A. W. Ambros (Leipzig, 1882) ; „Das kathol. Kirchenlied**
3 Bde. (Fieibg. i. Br. 1883, 1886, 1891); „Niederländische geistl. Lieder
mit ihren Singweisen** (Leipzig 1888). Ausserdem ist er Mitarbeiter
^an der „Allgem. deutschen Biographie,** am „Kirchenlexikon von Wetzer
Tl. Weite** u. vielen Zeitschriften. 1884 verlieh ihm S. M. König Albert
V. Sachsen das Eitterkreuz des Albrechtsordens; im Januar 1890 die
Universität Breslau den Titel „Doctor theolog.*'
Becher, Joseph, geb. den 1. Aug. 1821 zu Neukirchen bei hl.
Blut in Niederbayem, fand durch sein hervorragendes Talent zur Musik,
das sein Vater nach Kräften auszubilden bemüht war, Aufnahme in
das k. Musik- u. Studienseminar St. Emmeran in Regensburg. Hier
leistete er als Sänger, Organist, Violinspieler u. s. w. vortreffliche
Dienste. Als Gymnasiast machte er schon anerkennenswerte Versuche
in der Komposition. 1846 erhielt er die Priesterweihe, wirkte dann als
Seelsorger u. bald als Seminarspräfekt in Amberg, bis er 1852 durch
die Beförderung zum Chon*egenten daselbst den seinen Kenntnissen in
der theoretischen u. praktischen Musik angemessenen Platz erhielt; als
solcher wirkte er seitdem sehr vorteilhaft auf die musikal. Zustände
Ambergs ein. Er starb als Pfarrer u. Dekan zu Mintraching bei
Regensburg am 23. Sept. 1888. Ausser mehreren weltlichen Kompo-
sitionen schrieb er 12 grössere u. 50 kleinere Messen, 24 grössere u.
13 kleinere Litaneien, 21 Requiem, 5 Vokal- u, 3 figurierte Vespern»
80 Gradualien u. Offertorien für Gesang all^iai 20 solche mit Instr«-
Begleitung, Hymnen, Te D^^m laudamus u. a m.
> 1
26 Beck — Beethoven.
Beck, P. L u 1 1 u s , ein Benediktiner tu Chordirektor am Dom zu
Fulda« yorzttglicher Organist u. gründlicher EKomponist, geb. 5. Juni
1715 zn Oxfart, bildete sich selbst grösstenteils nach guten Mustern u.
unterstützt von den besten Lehrbüchern, zu dem umsichtigsten^ tiefsten
Kenner der Harmonie. Kompositionen von ihm sieht man selten; aber
in den Chpralbüchem zu Fulda hat er als der Erst^ eine Gbneralbasa-
begleitung beigesetzt. + 1793.
Becker, C. Ferd., geb. 17. Juli 1804 in Leipzig, war Organist
an der Peterskirche daselbst, berühmt als gelehrter Schriftsteller, durch
Herausgabe älterer Kirchenmusik u. als Orgelkomponist, privatisierte von
1856 bis zu seinem Tode, 26. Okt. 1877, in Plagwitz» Von seinen Schriften
seien genannt: „Systematisch - chronolog. . Darstellung der musikaL
Litteratur," Leipzig, 1836, 1839. „Die Tonwerke des 16. u. 17. Jhdts.,
od. systemat.-chronologische Zusammenstellung der in diesem Jhdt*
gedruckten Musikalien. Leipzig, 1847," — „Die Tonkünstler des
1*9. Jhdts. Leipzig, 1849" u. a. Er war einer der bedeutendsten Orgel-
spieler Deutschlands.
Bedos de- Celles, Jean Frangois, geb. 1714 zu Chaux, Bene-
diktinermönch zu Toulouse, einer der gelehrtesten u. kunstfertigsten
Orgelbaumeister, die es vielleicht gegeben. Auch als Schriftsteller ist
er aufgetreten, u. sein Hauptwerk „L'art du facteur d'Orgues'' ist das
Schätzbarste u. Ausführlichste, was über die Orgelbaukunst geschrieben
worden ist. f 25. Nov. 1779.
Beethoven, Louis van, geb. d. 17. Dez. 1770 zu Bonn,. wo sein
Vater churfürstl. Hofsänger war, erhielt seit seinem 5. Jahre an von
diesem einen strengen Musikunterricht; seine Erziehung war aber der
Art, dass durch sie der später so sehr hervortretende Keim der Un-
geselligkeit u. MisaQthropie gelegt wurde, welche an so vielen Stellen
seiner Werke einen düsteren Charakter eingetragen u. den Meister in
dunkielf^rbigen Lichtem u. in der Zeichnung unheimlich leidenschaft-
licher Stimmungen sich abquälen Hessen. Im Alter von 12 Jahren setzte
er alles durch sein Klavierspiel u. sein freies Fantasieren in Erstaunen.
1792 schickte ihn der Kurfürst von Köln nach Wien, um unter der
Leitung Jos. Haydn's seine Studien zu vollenden. Ein Huf als Kapell-
meister des Königs von Westphalen erging an ihn 1809, er lehnte ihn
jedoch ab u. verblieb in Wien, vielmehr in der Nähe Wiens, im Dorfe
Mödling in trüber Einsamkeit und Zurttckgezogenheit. Hier schuf er
seine grossen, unerreichten Instrumentalwerke. Die letzten 15 Jahre
seines Lebens, dem am 26. März 1827 der Tod ein Ziel setzte, musste.
er eines der grössten Leiden, die einen Musiker treffen können, die
Taubheit, ertragen.
Seine Instrumentalwerke kommen hier nicht in Betracht; hier ist
nur von seinen Kirchenkompositionen die Bede. Nehmen seine Gtesangs-
kompogitioiieQ im Allgemeinen schon eiuQ zweite SteUe im Vergleich zu
Beethoven. 27
seinen Instnuuentalwerken ein, indem die orchestralen Mittel zu oft
den Qesang überwuchern u. die Singstinunen auch eine instrumentale
Behandlung nicht yerkennen lassen, so muss ein geradezu ungünstiges
Urteil über seine Kirchenwerke gesprochen werden.
Zwei Messen entsprangen seinem schöpferischen Genius — die erste
in C, op. 86, 1810 für den Fürsten Esterhazy, die zweite in D,* op. 123,
für den Kardinal Budolph 1819 komponiert. Im Allgemeinen hatte B^
Neigung zur Kirchenmusik,^ aber wohl nur zur KMusik, wie er sie auf»
fasste u. sich vorstellte. Er komponierte sie ganz subjektiv u. so von
allen äusseren Rücksichten unabhängig, wie kaum ein neuerer Ton-
setzer auf diesem Felde vorgegangen; nur seine Stimmung gab er, die
Stimme der Kirche war für ihn nicht im Geringsten massgebend, u.
auch die durch die Messliturgie vorgeschriebenen Grenzen (man seh&
die ungebührliche Länge z. B. des Gloria, Credo, Agnus in seiner
D-Messe) bestanden fär ihn nicht; er liess sich nur von dem Strome
seiner eigenen Empfindungen forttragen, so dass seine Messen nicht als^^
Werke für die Kirche, sondern als meisterhafte Schöpfungen für geist-
liche Konzerte sich darstellen. Dahin laufen auch die Urteile der
gewichtigsten Autoritäten hinaus« Schindler, der gewissenhafte u. innig
befreundete Biograph Beethovens, schreibt: „Mit ziemlicher Gewissfeeit
kann gesagt werden, dass seine religiöse Anschauung weniger auf einem
religiösen Kirchenglauben beruht, als vielmehr im Deismus seine Quelle
hat.** Bei solcher religiöser Eichtung war B. an u. für sich unfähig,
kirchliche Musik für den kathol. Gottesdienst zu schreiben. Die
einzelnen Teile seiner Messen sind religiöse Kantaten, die mit jedem
andern etwas religiösen Texte für sich allein gerade so gut gesungen
werden können. Der pantheistische Musikgelehrte Ludw. Nohl sagt:
„Dieses Werk (II. Messe) hat in seinem eigentlichen Geiste mit der
Kirche nur das gemein, was wir den Inhalt und Ursprung aller Beligion
nannten, die tiefe u. volle Hingebung der Seele an die Gottheit, das
Heimweh der Seele nach ihrem UrqueD. — Es ist von den unter-
liegenden Worten so unabhängig, dass der Komponist selbst der Musik
ebenso einen andern deutschen Text unterlegen lassen wollte, wie der
ersten Messe, Er hat ganz gewiss die Worte nur beibehalten, weil ohne
Worte nicht gesungen werden kann. Sein Werk ist Instrumentalmusik;
es hat keinen bestimmten Wortsinn; keinerlei bestimmte Vorstellung
liegt zu Grunde." Marx in seiner Biographie bemerkt: „B. fehlte für
die erste Messe nicht blos der konfessionelle Anschluss an ihren Inhalt
u. Zweck, sondern auch das Einheimisch-Sein in der Chorkomposition . . . «
Kicht eigene Gläubigkeit u. nicht Hingebung an den Kirchendienst^
sondern ganz freie schöpferische Fantasie konnte einzig Beethovens
zweite Messe hervorbringen. Damit war aber entschieden, dass nicht
der Glaube u. Sinn der Kirche u. des Kirchenwortes, noch weniger ihre
äusserlichen Bedingnisse für die Komposition bestimmend wurden,"
"28 Beldemandis — Beliozay,
B.'s Werke ftlr die Kirche sind keine kirchliche Musik, es ist in
ihnen zu viel wogende Leidenschaft, sie stehen mit seinen weltlichen
Kompositionen in mehr als einer Beziehung auf einer Stufe. Kirchen-
musik zu schreihen, war aher auch nicht sein Beruf. Traurig ist es^
nur, dass der unerreichte Tonmeister auf weltlichem öehiete von einer
folgenden Epoche zum Schöpfer u. Ausgangspunkt einer neuen, aber
desto unkirchlicheren Kirchenmusik gemacht wurde. Zumal seit B. ward
der Kirchenstyl aus seinen alten Formen gänzlich herausgerissen, man
verlor die Einsicht in die zu lösende Aufgabe vollends; der weltliche
Styl ward der Kirche aufgedränert, u. berufen od, unberufen, religiös
od. irrereligiös glaubte jeder mit dem weltlichen Styl Vertraute auch
Kirchenmusik schreiben zu können. — Biographien dieses Meisters sind
vorhanden von Schindler, Marx, Nohl, Oulibischef; die gründlichste
lieferte A. W. Thayer (deutsch von H. Deiters).
Beldemandis, auch Beldomandls Prosdocimus de, um 1422 Prof.
der Philosophie zu Padua, war ein berühmter musikaL Schriftsteller.
Von seinen musikal. Schriften veröffentlichte Conssemaker fünf im
m. Bande seiner „Scriptores."
Belem, Antonio de, geb. um 16Q0 zu Evora in Portugal, gest
tun 1700 im Hieronymitanerkloster zu Belem, wird von den Portugiesen
zu ihren berühmtesten Komponisten aus dem 17. Jhdt. gezählt; er war
erst Chorvikar, dann Kapellmeister u. zuletzt Prior seines Klosters.
Beliczay, Julius v., geb. 10. Aug. 1835 zu Komom in Ungarn,
widmete sich nach absolvierten Gymnasialstudien dem Ingenieurfache,
nach einigen Jahren aber verliess er dasselbe, um ganz der Musik zu
leben. Frühzeitig im Klavierspiel wohl unterrichtet, zeigte er auch
Talent zur Komposition; weitere Ausbildung in Theorie u. Praxis ge-
wann er in Wien, besonders durch Hoffinann, Krenn, Notebohm u.
A. Halm, wo er dann auch als Pianist, Komponist, musikaL Schrift-
steller u. Lehrer für Harmonie, Kontrapunkt u. Komposition 20 Jahre
(1851—71) thätig war. 1871 siedelte er nach Budapest über, wo sein
- Talent durch Fr. Liszt thatkräftige Förderung fand. Seit 1888 fangiert
er als Professor der Kompositionslehre an der k. ung. Landesmusik-
Akademie. Neben zahlreichen weltlichen Kompositionen (Sinfonien,
Streichquartetten, Klavierstücken, Sonaten, Serenaden, Liedern) pflegt
B. jetzt mit Vorliebe die kirchliche Musik (Ave Maria, mehrere Offer-
torien, eine Messe in F, welche besondere Anerkennung fand, marian.
Antiphonen, aUes mit Orchesterbegleitung u. s. w.). Auch ist B. vom
Kaiser von Österreich u. dem Könige Georg von Hannover durch goldene
Medaillen geehrt worden. Gegenwärtig bearbeitet er ein theoret.-
praktisches Lehrbuch der Musik u, Komposition, dessen I. Band
(Elemente der Musik) in ungarischer Sj^rache bereits im Verlag der
Eggenberger'schen Buchhandlung in Budapest erschienen ist
Bellermann — Beltjens. 29^
Bellermann, J61u Friedrich, Dr. theol. et phiL, geb. zu
Erfurt am 8. Mftrz 1795, gest d. 5. Febr. 1874 als pens. Direktor des
Gymnasiums zum grauen Kloster in Berlin, beschäftigte sich viel mit.
der Musik der alten Griechen u. edierte mehrere Schriften hierüber; so
„die H3rmnen des Dionysius u. Mesomedes. Text u* Melodien nach
Handschriften u. den alten Ausgaben bearbeitet** (Berlin 1840); „die:
Tonleitern u. die Musiknoten der alten Griechen" (Berlin 1847.)
„Anonymi Scriptio de Musica.** Berlin 1841 (letzteres von vorzügl.
Bedeutung.) Sein Sohn Heinrichs., geb. zu Berlin am 10. März 1832, ^
trat in die Fusstapfen des Vaters u. richtete seine Forschungen auf die
mittelalterliche Musik. Die Besultate seiner Studien veröffentlichte er
in dem verdienstlichen Werke: „Die Mensuralnoten u. Taktzeichen des
15. u. 16. Jhdts.** (Berlin 1858) u. in der in Chrysanders „Jahrbüchern**
erschienenen „Erklärung des Diffinitorinm Tinctöris.** Dann gab er
eine Überarbeitung u. Erweiterung des Gradus ad Pamassum von Fux
unter dem Titel: „Der Kontrapunkt od. Anleitung zur Stimmführung in
der musikal. Komposition. Berlin 1862.** heraus. Vorerst als k. Gesang-
lehrer in Berlin angestellt, führt er seit 1861 den Titel eines k. Musik-
direktors u. trat 1866 als Professor der Musik an B. Marx' Stelle.
Seine Kompositionen bestehen in Oratorien, Psalmen, Motetten u. a. m.
Beltjens, Mathias Joseph Hubert, geb. 14. Nov. 1820 zu
Boermond (holländ. Provinz Limburg^ pflegte schon frühzeitig Musik
u. leistete besonders vieles als Klarinettspieler. 1836 kam er in's
Konservatorium für Musik in Lüttich u. studierte dort Harmonie).
Kontrapunkt u. Fuge unter Leitung des Direktors Daussoigne-Hehul.
1839 trat er in's Konservatorium zu Brüssel über u. machte den näm-
Hchen Studienkursus unter F. J. Fetis durch u. errang sich einen Preis
aus der Komposition. 1840 nach Boermonde zurückgekehrt, ward er
1845 zum Professor für Piano u. Gesang am Gymnasium zu Katwyk
am Bhein ernannt, wo er auch als Organist fdngierte u. mit allen
Orchesterinstrumenten sich bekannt machte. Im Jahre 1853 in seiner
Vaterstadt zum Direktor der kgl. Harmonie ernannt, übernahm er zu-
gleich die Leitung des Orchesters, der Liedertafel u. einer Musikschule.
Bis zu dieser Zeit edierte er viele weltliche Kompositionen, doch auch
einige kirchliche, welche zWar noch die moderne Bichtung einhaltend,
doch im allgemeinen höher standen, da B. schon ahnte, däss dies der
richtige Kirchenstyl nicht sein könne Seit 1857 befindet sich B. in
Botterdam als Musikdirektor u. Chorregent an der St. Antoniuskirche.
Seitdem verschaffte er sich eine tiefere Einsicht der wahren Kirchen-
mnsik durch Lesen der kirchenmusikalischen Zeitschriften von Oberhoffer
XL Witt u. durch Stadium des Chorals u. der alten Tonmeister. Mit
^seinem Op. 117 beginnen seine besseren Kirchenkompositionen, welche^
bereits bis zu op. 142 angelangt, seinem Namen einen sehr guten Klang
in der kirchenmusikalischen Welt gewonnen haben. Er bemühte sich
30 Bendenelli — Benz.
^uch viel um den holländ. St. Gregorinsyereiu u« gründete einen solchen
für die Diözese Rotterdam nebst einer Eirchenmusikschula für Chor-
Jmaben. Seine veröffentlichten Eirchenkomppsitionen bestehen in Offer«
torien, Messen (Missa toni phrygii, Missa in h. S. Josephi für Alt,
Tenor u. 2 Bässe, Missa III. p. defimct. für Tenor, Bass u. Orgel»
Missa IV. f. Biskant, Alt u. Orgel, Missa V. in h. S. Lndovici f. ge-
.mischte Stimmen), Motetten (Exultate Domino, XVlll Cant. sacrae ad
4 voc. inaeg.; Oantemns Domino, XXV Cant, f. Sopran, Alt n. Orgeln. a.);
Modulationen in den alten Eirchentonarten op. 126; 24 Orgelstücke in
den alten Eirchentonarten; 42 Vor-, Zwischen- und Nachspiele in den
.alten Eirchentonarten, op. 133 u. s. w.
Bendenelli, Agostino,. Eanonikus regul. Lateran., Eontra-
punktist, geb. um 1550 zu Lucca, gest. zu Rom um 1610. Seine Eompo-
sitionen, z. B. 4- u. 5stim. Cantiones sacrae, werden sehr gerühmt.
BeneVoli, Orazio, geb. 1602 zu Rom, einer der berühmtesten
Eontrapunktisten des 17. Jhdts, genoss den Unterricht vortrefflicher
Meister (von Victor Ugolino oder Bern. Nanino), u. ward zuerst
Ep.-M. an der Eirche S. Luigi de Francesi in Rom. Später trat er
in die Dienste des Erzherzogs von Österreich in Wien, 1646 wurde er
nach seiner Rückkehr nach Rom Ep.-M. an S. Maria Maggiore u.
noch in demselben Jahre an S. Peter, welche Stelle er bis zu seinem
Tode, 17. Juni 1672, verwaltete. Seine Stärke bestand hauptsächlich
darin, sich mit Freiheit in der grössten Vielstimmigkeit zu bewegen;
>er hat Kirchenstücke für 12, 16 u. 24 reale Stimmen gesetzt, und wir
haben von ihm eine Messe zu 48 Stimmen (12chörig); auch erwähnt man
von ihm das Eunststück einer Messe für 12 obligate Soprane. Er und
Oarissimi waren die Eoryphäen der zweiten Hälfte des 17 Jhdts.
Benincasa, G i a c o m o , Sänger an der päpstl. Eapelle u. 1607
Direktor derselben, starb 1613 u. hinterliess 5-, 6-, 8- u. 12stimmige
Motetten.
Benno, der heil., geb. 1010 zu Hildesheim, aus dem gräfl. von
Woldenbergischen Geschlechte, war erst Benediktinermönch, dann Ea-
nonikus zu Goslar, 1066 Bischof zu Meissen, 1523 kanonisiert von Papst
Hadrian IV., soll für den deutschen Eiichengesang viel gethan haben;
einige schrieben ihm sogar das Lied „Ein Eindelein, so löbelich.^'
fälschlich zu.
Bens, J 0 h. B a p t. , geb. 17. Juni 1807 zu Lauchheim in Württem-
herg, erhielt seinen ersten musikal. Unterricht von dem Chorregenten
Dreyer in Ellwangen, wo er das Gymnasium besuchte. Nachdem er
4V2 Jahre an der Universität Tübingen Philosophie u. Theologie gehört
hatte, wendete er sich mehr der Musik zu u. fand als Hofmeist&r bei
einer musikal. Familie Gelegenheit, firemde Länder zu besuchen. 1831
aber nahm er die Stelle eines Lehrers der deutschen Sprache am Eol-
legium zu Chälons sur Marne an. 1836 zog er nach Rom, wo er
^^— ▼- 1^ • '♦ » "
Berardi — Bernabei. 31
beinahe zwei Jahre verblieb n. im persönlichen Verkehre mit Baini die
alte Kirchenmusik studierte. 1838 war er durch Vermittlung des
Kardinals Wisemann als Lehrer der neueren Sprachen u. der Musik im
kathoL Kollegium Oscott in England thätig, bis er 1841 die Stelle
eines Chordirektors u« Organisten an der neuerrichteten Kathedrale zu
Birmingham übernahm. 1843 kehrte er nach Deutschland zurück, ver-
weilte einige Zeit in München u. Wien u« wirkte seit 1846 als Musik-
lehrer des kathol. SchuUehrerseminars u. Domorganist zu Speier. Als
gediegenen u. strengen Kompositeur bewies er sich besonders durch
seine Messe: „0 clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria/* welche zur
Domfeier in Speier 1853 komponiert u. bei dieser Gelegenheit unter
grossem Beifalle kompetenter Eichter aufgeftihrt wurde. Ausserdem
edierte er noch vier Messen für 3 u. 4 Singstimmen mit Orgel, Offer-
torien u. Gradualien, u. seine „Harmonia sacra" bietet die gewöhnlichsten
Choräle beim katholischen Gottesdienste mit Orgelbegleitung. 1869
wurde er von der Universität mit dem Doktor-Titel beehrt; 1871 erhielt
er den Titel „Domkapellmeister," ging 1878 in Quieszenz u. starb d.
24. JuH 1880.
Berardi, Angelo, geb. zu S.Agatha im Bolognesischen um die
Mitte des 17. Jhdts., war zuerst Kp.-M. am Dom zu Spoletto, dann
zu Viterbo, zuletzt an der Kirche S. Maria di Trastevere. Er schrieb
Psalmen, Motetten, Offertorien u. ftinf fleissig gearbeitete theoretische
Werke.
Berchem,' Jacques, auch Jachet von Mantua geheissen, ein im
16. Jhdt. berühmter niederländ. Meister des Kontrapunkts, zu Berchem
bei Antwerpen geb., woher er auch seinen Namen hat, blühte besonders
zwischen 1539 u. 1561; er lebte lange in Mantua u. soll noch 1580 am
Leben gewesen sein.
Berent, Simon, ein gelehrter Musiker u. Kontrapunktist, geb.
1585 in Preussen, trat 1608 in die Gesellschaft Jesu, lehrte an ver-
schiedenen Orten alte Sprachen, Philosophie, Theologie u. Musik, machte
als Beichtvater des polnischen Prinzen Alexander grosse Beisen durch
Italien u. Deutschland u. starb 16. Mai 1649 als Bektor des Kollegiums
zu Braunsberg. (Litaneienwerke, 1638 u. 1639).
Beretta, Francesco, Kontrapunktist des 17. Jhdts. aus der
töm. Schule, Kanonikus u. Kp.-M. zu S. Peter im Vatikan, gest. 1694.
Baini berichtet von sehr vielen Kompositionen desselben, die von der
tiefsten Kenntnis der Harmonie zeugen sollen.
Berkzaimer, Wolfgang, ein deutscher Kontrapunktist und
Kirchenkompositeur um die Mitte dps 16. Jhdts.
Bernabei, Giuseppe Ercole, geb. um 1620 zu Caprarola im
Xirchenstaate, einer der grössten Harmonisten des 17. Jhdts. u. Schtiler
des Oraz. Benevoli, war 1662—67 Kp.-M. am Lateran, dann bis 1672
an der Kirche S. Luigi de Francesi u. von da ab bis 1674 an der
32 Bernardi — Bemards.
Peterskirche Nachfolger seines Lehrers Benevoli 1674 wurde er in
die Dienste des Kurfürsten von Bayern als Hofkp.-M. nach München
berufen, wo er 1687 starb. Werke: 1. Band Madrigale 3 — 4 voc. Born
1669; eine Sammlung Motetten, München 1691; die Vatikan. Bibliothek
verwahrt von ihm Messen, Psalmen, Offertorien zu 4, 8, 12 u» 16 Stimmen.
Von seinen zwei Söhnen, Giuseppe Antonio und Yicenzo,
zeichnete sich ersterer besonders aus. Zu Kom 1659 geb., folgte er
1674 seinem Vater nach München u. unter dessen Leitung bildete er
sich zu einem hervorragenden Meister aus. Obschon er sich Vorzugs-
. weise im höheren Opemfach hervorthat u. im Eirchenstyl den Yat-er
kaum erreichte, so verläugnet sich doch in keiner seiner geisl;lichen
Kompositionen die reine Überlieferung der grossen röm. Schule, die
sich vom Vater auf ihn vererbt hatte. An melodischem Fluss u. Freiheit
war er eine Stufe höher gestiegen. Li Anerkennung seiner Meister-
schaft wurde ihm nach seines Vaters Tode die kurfürstL Hofkapell*
meisterstelle nebst dem Hofratstitei zu Teil; f in München d. 9. März
1732. (Missae Septem cum 4 voc. Aug. Vind. 1710; Motetten, 9 Lamen-
tationen u. a. m. ; meistens als Autographa auf der Münchener Bibliothek.)
— Vin cenz B., geb. 1666 zu Rom, gest. 1690 in München, schrieb
einige Opern*
Bernardi, Stefano (Bemardio) wirkte vorerst als angesehener
Komponist in Verona, dann seit etwa 1624, nach Salzburg berufen^
daselbst als Domkapmstr., wohl bis 1648, da in diesem «fahre ein anderer^
A. Hofer, als solcher erscheint. Einige seiner Werke erschienen im
Drucke, z. B, eine östimmige Messe mit Basso continno in einer Samm-
lung, Antwerpen 1619, Salmi concertati zu 5 Stimmen (Venedig 1637),
Motetten; andere befinden sich als Mskr. im Domarchiv zu Salzburg:
sehr viele Litroitns, meist Östimmig, Antiphonen u. Hymnen für die
höchsten Festtage 5stimm, verschiedene Cantiones de Ss. Sacramento,
manche daVon 2chörig; Livitatorium et Eesponsoria in festo Nativ. et
Besur. D. N. J. Ch , andere Livitatorien, Bittgesänge, Magnificat
secundum 8 tonos 4- u. 5stim., zuletzt sein grösstes Werk: Das voll-
ständige Officium Defnnctorum nebst zwei Kequiem für 4'-8 Stimmen.
Auch ein theoretisches Werk „Porta musicale** (Verona 1615) schrieb er.
Schon 1624 zeichnete sich B. auf dem Titel gedruckter Motetten als
„Ganonicus S. Mariae ad Nives et Metropolitanae Ecclesiae Praefectus,'^
welches geistl. Beneficium ihm als B«muneration eines vorzüglich
schönen kirchl. Musikstückes zugewendet wurde.
Bemards, Joseph, geb. 16. Okt. 1844 zu Demau (Kr. Ahrweiler),
genoss seine weitere musikalische Ausbildung bei dem Musikdirektor
M. Töpler in Brühl, übernahm dann die Organistenstelle an der kathol.
Pfiarrkürche in Neuwied. Hierauf wendete er sich nach Beriin, um in
dem k. Listitute für Kirchenmusik unter Leitung des Prof. A. Haupt
seine musikalischen Studien fortzusetzen. Von da wurde er als Mus&-
Bernhard. — Berno von Reiohenau. 33
lehrer an das kathol. Lehrerseminar in Oomelymünster n. 1882 als
solcher nach Kempen am Bhein berufen. Er veröffentlichte eine Anzahl
meist leicht bis mittelschwerer Orgelkompositionen, eine Harmoninm-
schnle (op. 26), mehrere Messen für 4stim. Männerchöre, eine Sing-
methode; bei Heesen & Kaiser in Kempen gab er eine Klayierschnle
n. eine Sammlung Männerchöre heraus.
Bernhard, derbeil., Abt von Clairreaux, geb. 1091 zu Fontaine
in Burgund, trat 1113 in ^as Kloster Citeaux u. wurde 1115 zum Abte
des kurz vorher gegründeten Klosters Glairveaux erwählt, f 1153. Er
war nicht blos der glänzendste Stern des Gisterzienserordens, sondern
entfaltete sozusagen europäische Wirksamkeit. Neben der vortreff-
lichsten klösterlichen Disziplin richtete er sein Augenmerk auch auf den
Gottesdienst u. die Feier der kirchl. Tagzeiten, wobei er auf würdigen
u. rein kirchl. Gesang drang. In mehreren seiner Briefe spricht er sich
ganz klar aus, wie der Kirchengesang ausgeführt werden soll. Solche
Bestimmungen traf er auch fElr seinen Orden, welcher sich treu daran
hielt; daher kommt es, dass dem Cisterzienserorden nachgertlhmt wird,
er habe den^röm. Gesang am reinsten bewahrt. Dem hl. Bernhard
wird eine kleine Anleitung zum Choralgesange zugeschrieben : „Tonale
S. Bemardr* (im 2. Band der Script, eccl. de musica von Gerbert ab-
gedruckt), welche doch wohl nur unter seiner Leitung für seinen Orden
gefertigt wurde.
Bemier, Nicolas, geb. zu Nantes 28. Juni 1664, gest. zu Paris
5. Sept. 1734, Kap.-M. an der Kapelle des franz. Königs, war einer
der geschicktesten franz. Komponisten seiner Zeit im strengen Satze.
Sein Vorbild war Caldara, der ihn auch in die Geheimnisse seiner Kunst
einweihte, u. den er auch bis in's Kleinste nachahmte. In Versailles
errichtete er eine Musikschule, aus welcher die tüchtigsten Tonkünstler
hervorgingen, besonders Kontrapunktisten. Durch diese Schule, der
man in Paris bald eine andere nachbildete, verpflanzte er die ächte
Fuge nach Frankreich, welche bis auf ihn fast alleiniges Eigentum
der ital. Komponisten geblieben war.
Bemo TOB Beichenaa war ein Deutscher von Geburt u. Bene-
diktinermönch zu Prüm bei Trier. 1008 bestellte ihn Kaiser Heinrich II.
zum Abte von Beichenau im Bodensee, wo die Klosterzucht ganz ver-
fallen war. Bemo stellte durch sein 40jähriges weises Wirken den
alten Glanz Beichenaus u. seiner Schule wieder her. Er war einer der
vorzüglichsten Gelehrten seiner Zeit, Dichter, Bedner, Philosoph u. in
der Musik theoretisch u. praktisch gebildet. Ein Hauptverdienst B.'s
besteht auch in den Verbesserungen, welche durch ihn in der Kirchen-
musik in Deutschland eingeführt wurden. 1014 hatte er den Kaiser
nach Bom begleitet u. suchte dann das Bessere, was er dort in Betreff
der KMusik kennen gelernt, in seinem Vaterlande zu verwerten. Er
starb 7. Juni 1048. Von seinen musikal. Werken sind zu nennen:
EommüUer, Lexikon. II. Bd. 3
34 Bertali — Beuf.
„De varia psalmornm atqne cantnum modnlatione^*; „Prologns in Tona-
riom**; „Tonarius"; „De consona tononim diversitate." Tritenheim
erwähnt anch eines „Liber de instrnmentis mnsicis et de mensttra
Monochordi/^ Etstere Schriften hat Gerbert in seinen Script. Mus*
aufgenommen.
Bertali, Antonio, kais. Eap.-M. in Wien, geb. 1605 zu Verona,
war seiner Zeit ein sein angesehener Komponist. Ausser einigen
Opern schrieb er auch eine grosse Anzahl Hessen, Kyrie, Magnificat
u. einen „Thesaurus musicus trium instrumentorum." f 1. April 1669
in Wien.
Bertani, L e 1 i o , geb. zu Brescia um 1520, anfangs Kap.-M. am
Dome daselbst, dann des Herzogs Alphons von Ferrara, zuletzt am
Dome zu Padua, wo er 1600 starb, wird er als grosser Kontrapunktist
u. fruchtbarer Komponist gerühmt.
Bertini, Salvadore, geb. zu Palermo 1721, studierte auf d^n
Konservatorium zu Neapel unter Leo, schrieb anfangs fär's Theater,
wodurch er so viel Ansehen gewann, dass ihm die Stelle eines königl.
Kap.-M. zu teil wurde. Später schrieb er ausschliesslich kirchl. Sachen,
unter denen sich besonders ein Requiem für die Exequien QbxIb TU,
dann ein zweichöriges u. ein vierstimmiges Miserere auszeichnen,
t 16. Dez. 1794. Sein Sohn B., Abbate Giuseppe, geb. zu Palermo
1756, ward sein Nachfolger u. komponierte vieles für die Kirche. Er
schrieb auch ein Buch: „Dizionario storico-critiche degli scrittori di
musica." Palermo 1814.
Bertolasi, Yinc, geb. zuMantua, blühte zu Ende des 16. Jhdts.;
von ihm sind „Sacrae cantiones 6, 7, 8 et 10 vocum** vorhanden.
Bertoni, Ferdinando, geb. den 15. Aug. 1725 auf der kleinen
Insel Salo bei Venedig, gest. den 1. Dez. 1813, Schüler des P. Martini,
wurde zuerst Organist an der Markuskirche zu Venedig, dann nach u.
nach Lehrer u. Kap.-M. an den dortigen Musikschulen. 1784 folgte er
Galuppi als erster Kap.-M. der Markuskirche, u. zog sich 1810 in*s
Privatleben zurück. Von ihm kennt man Psalmen, Improperien,
Oratorien, Opern u. a. Wenn seine Werke auch weniger Originalität
aufweisen, so sind sie doch sämtlich geschmackvoll n. von muster-
hafter Faktur.
Benf, Jean le, auch Lebeuf geschrieben, ein sehr gelehrter und
fruchtbarer Schriftsteller, Professor u. Kanonikus zu Auxerre, geb. da-
selbst 4. März 1687, gest. 1760, ward 1740 ordentl. Mitsrlied der franz.
Akademie u. hat viele geistreiche Artikel über Gegenstände der schönen
Künste geschrieben, darunter „Trait6 historique et pratique snr le Chant
eccl/' (Paris 1739 et 41), eine „Dissertation über die Verdienste des
Remigius u. Hukbald"; femer „Sur Thistorie eccl. et civile de Paris,"
worin interessante Aufschlüsse über den Zustand der französ. Musik
in der Zeit von 1031—1304 enthalten sind.
Bevin — Biber. 35
BeTin», E 1 wa y, engl. Tonkünstler u. KontrapuntitiBt zu Ende der^
Begieornng Elisabeths. Er war ans Walis gebürtig und genoss den
Unterricht des berühmten Tallis, auf dessen Empfehlung er auch
Organist an der Kathedrale zu Bristol wurde; diese Stelle verlor er
wieder 1637 wegen seiner Anhänglichkeit an die kathol. Kirche. Er
hat mehrere Kurchenkomposittonen u. auch ein theoretisches Werk über
die Kanons geliefert.
Bianchli Andrea, geb. zu Sarzana im Genuesischen 1580, war
erst ün Dienste eines genuesischen Edlen« Carlo Zibo, u. wurde dann
Organist in Chiavara. In Venedig u. Amsterdam sind von seinen
« Kompositionen in den Jahren 1611 u 1626 Motetten u. Messen zu 2^8
Stimmen erschienen.
Bianchinl, Giov. Battista, von 1684 bis zu seinem Tode 1708
Kap.-M. an S. Giovanni im Lateran, komponierte viele Messen und
Motetten u. dgl.
Bianeiardi, Francesco, in Oasola, einem Schlosse bei Siena,
gebürtig, war Domkap.-M. in Siena um 1600 u. schrieb während seines
kurzen Lebens von nur 35 Jahren viele vortreffliche Werke, von denen
Motetten zu 4, 5, 6, 7 u. 8 Stimmen, mit u. ohne Orgelbegleitung,
4- u. Sstim. Messen u. 4stim. Psalmen zu Venedig gedruckt sind.
Baini schätzt ihn sehr hoch u. fügt noch das Urteil Pitoni's bei,' wo-
nach B. auch ein bedeutender Orgelspieler gewesen sei.
Bibel, Andreas, ein vorzügl. Organist in Wien, geb. daselbst
8. April 1807, kam im Alter von 11 Jahren zu Albrechtsberger ins
Kapellhaus u. erhielt von A/s Nachfolger Preindl Generalbassunterricht.
Bald war er so weit vorgeschritten, dass er den Organistendienst in
der Pfarrkirche S. Leopold versehen konnte; einige Jahre später wurde
er Organist in der Metropolitankirche S. Stephan. Er sehrieb mehrere
kiitehliche Musikstücke, f 1878.
Biber, Franz Heinrich voai, geb. 1644 zu Warthenberg an
der böhmischen Grenze, erwarb sich als Violinvktuos grossen Ruhm in
Deutschland, Frankreich, Italien u. dadurch den Beichsadel, ward 1684
zum fürstbisch. Kap.-M. in Salzburg bestellt u. wirkte al» solcher bis
zu seinem Tode, 3. Mai 1704. Er war tüchtiger Komponist u. es finden
sich im Domarchive noch einige seiner Kirchenwerke, so ein „Stabat
mater*^ 4 voc, im Kloster Lambach zwei grössere Messen mit Instr.-
Begleitung; im Salzburger Katalog finden sich Themen von mehreren
Messen u. 8 Eegina coeli angegeben, die Kompositionen selbst fehlen. —
2) Carl Heinrich deBiber, der Sohn des vorigen, welcher auch
„hochfÜrstL Salzb. Kap.-M. u. Kammerdiener'* war u. auch manche
kirchl. Musikwerke lieferte z. B. Missa S. Magdalenae 4 voc., Tympani,
2 Olarini obl.', 2 Violini c« Organo ; Missa in Gontrapuncto a 4 voc. c.
Otg.; Offertorium de venerab. Sacramento; „Tenebrae"; „Eecessit
Pastor," welche noch im Msk. in Salzburg vorhanden sind.
3*
V'<
36 Biechteler — Birkler.
Biechteler, MatthiasSigismnnd de Greiffenthal, war Yon
1700-42 Organist in Salzburg u. wird auch angeführt als „Hochfftrstl.
Salzburg. Truchsess u. Hoff-Eapellmeister auch Dero Hoff-Kapellhau»
Inspektor.'* Von seinen Kompositionen bewahrt das Salzburger Dom-
archiv noch mehrere.
Biffl, Antonio, Kap.-M. zu S. Marco (seit 1701) u. am Konser-
vatorium der Mendicanti in Venedig, um die Mitte des 17. Jhdts.
daselbst geb., u. gest. im März 1736, war seiner Zeit ein geschätzter
u. mustergiltiger Komponist; besonders berühmt war sein Oratorium
„il figliuol prodigo."
Bi^aiplia, Diogeno, geb. zu Venedig gegen Ende des 17. Jhdts.
u. Benedictinermönch im Kloster S. Giorgio Maggiore daselbst, war
einer der angesehensten Tongelehrten seiner Zeit u. als Orgelspieler
sehr berühmt Eine grosse Anzahl seiner Werke verblieb in seinem
Kloster als Msk.
BindioiiS; Gilles od. Egide, franz. Kontrapunktist, geb. zu
Binche, einem Städtchen bei Mons im Hennegau, der berühmteste Meister
seiner Zeit neben Dufay, war Lehrer mehrerer berühmter Meister des
15. Jhdts., wie des Oghenheim, Begis, Busnois, Caron u. Faugnes. Von
seinen geistl. u. weltl. Kompositionen ist bis jetzt wenig aufgeftmden
worden, f 1460 zu Lille.
Biordi, Giovanni, war seit 1717 Sänger in der päpstl. Kapelle,
von 1722 an Kap.-M. an der Kirche S. Giacomo degli Spagnuoli.
Letztere Stelle erhielt er im Wege seiner Prüfung, in welcher er Über
die Mitbewerber Nie. Porpora, Kolli, Ghiti, Monza u. Califü den Sieg
davontrug. Sein Vorbild in der Komposition war Palestrina.
Bird, William, einer der gerühmtesten engl. Komponisten u.
Kontrapunktisten, geb. zwischen 1543 u. 1546, war der Sohn des Thomas
B., Mitglieds der Kapelle Eduard VI. In diese Kapelle als Chorknabe
aufgenommen, erhielt er Unterricht in der Musik von Talus; 1Ö63
wurde er Organist an der Kathedrale in Lincoln u. 1575 mit TalHs
gemeinschaftlich Organist der Königin Elisabeth, f 4. Juli 1623.
Birkler, Georg Wilhelm, geb. 23. Mai 1820 zu Buchau am
Fedemsee in Oberschwaben, genoss durch seinen Vater, welcher Schul-
lehrer daselbst war, von seiner frühen Jugend an gründlichen Gesang-,
Klavier- u. Orgelunterricht, so *dass er später in*s Konvikt zu Ehingen
aufgenommen, regelmässig die Orgel bei den Gymnasial-Gottesdiensten
spielen konnte. Als er 1838 in's Wilhelmsstift nach Tübingen ]kam,
fand er sich besonders durch den Professor Dr. Aberle daselbst
angeregt, tiefere musikal. Studien zu machen u. das Augenmerk
besonders der älteren kirchl. Musik zuzuwenden, wozu vorzüglich das
Auffinden eines prachtvollen Folianten von Orlando di Lasso im Bücher-
staub der Konviktsbibliothek Veranlassung gab. Hiermit war der Gnmd
der nunmehrigen kirchlich-musikal. Kichtung gegeben, auf welchem
Bischoff. 37
fortBianend er dnrph praktische Versuche auf dem-Xonviktskirchenchore
u. durch Studium einschlägiger Werke sich reiche Kenntnisse sammelte.
Am 30* Aug. 1843 zum Priester geweiht, musste er ob der Pastoral-
geschäfte die Musik einige Zeit ruhen lassen; aber mit neuer Liebe
griff er zu ihr zurück, als er 1844 als Bepetent an genanntes Konyikt
berufen wurde. Die Universitätsbibliothek in Tübingen lieferte ihm
ausgiebigen Stoff zum musikal. Studium, sowohl was theoretische Werke
ids Kompositionen des 15. bis 18. Jhdts. anbelangt. Auch versuchte
sich B. nunmehr in kleineren kontrapunkt. Kompositionen, anfänglich
nur für Männerstimmen, da ihm kein gemischter Chor zu Gebote
stand. Im Sept. 1846 erstand er das Professoratsexamen u. erhielt für
eine wissenschaftliche Beise Staatsunterstützung. Nachdem er 1847
Professoratsverweser in Ellwangen geworden, 1850 definitiver Professor
am Obergymnasium in Bottweil, kam er durch Stellentausch als solcher
nach Ehingen, -vfo er 10. Juni 1877 starb.
Seine ersten Veröffentlichungen über Geist und Wesen des Chorals
u. Kontrapunkts geschahen im „Magazin für Pädagogik" (1845—48);
später schrieb er Aufsätze auch in das „Organ für kirchl. Tonkunst,' '
gleichfalls in die „Cäcilia" (Luxemburg). In letzterer Zeitschrift
ist namentlich seine Abhandlung über den „PalästnnastyP* von hoher
Bedeutung. Im Druck erschienen Kompositionen von ihm : Messe (in D)
für 4 Männerstimmen, Messe (in F) für gemischten Chor (Tübingen,
1857); ebendaselbst eine Messe (in Es) für Männerchor u. eine (in G)
für gemischten Chor, 1859; Vesperpsalmen für Männerchor u. dieselben
für gemischten Chor (1863, Bavensburg). Ausser diesen befbaden sich
viele kleinere Kompositionen u. Messen in Msk. in den Chorarchiven
zu Tübingen, Bottweil u. Ehingen.
Bischoff, Joh. Christian, geb. 2. März 1832 zu Grub, Kanton
.St. Gallen, besuchte das Gymnasium u. Lyceum zu St. Gallen, wo er
auch Musikunterricht bei Prof. Jos. Greith erhielt. Nach Vollendung
der theologischen Studien zu Tübingen u* München empfing er 1857 die
Priesterweihe. Bis 1862 Kaplan in Schanis, erhielt er die Pfarrei
Berschis, wo er sich veranlasst fand, selbst die Komposition zu studieren
n. Kompositionsversuche zu machen. Als Pfarrer von Kaltenbrun
(1869—74) bildete er sich einen guten Sängerchor, welcher den Choral-
u. polyphonen Gesang pflegte; zugleich gründete er einen Bez.-Cäcil.-
Verein vom Garster u. Seebezirke. 1874 Pfarrer u. Kanonikus von
Wyl geworden, arbeitete er auch da mit Energie an der Beform der
Kirchenmusik, gründete den Bez.-C.-Verein von Wyl-Gossau u. übernahm
bald das Präsidium des Di5zes.-Cäcil.-Vereins St. Gallen, welches er
noch erfolgreich führt. An KKompositionen edierte er: Missa in hon.
S. Notkeri, 4Bt]m.; Missa quadra^^s. für Männerchor; Missa S. Spiritus,
4stim. ; Missa in h. Ss. Inocentiu^, 4stim. ; Bequiem für 5stim. Chor u.
Orgel; Cantarium, Sammlm^ liturg, Gesänge (Choral u. 4stim.) nebst
38 Biumi — Blin.
Orgelbach; Litania lauret. f. 5stim. Chor; Beiträge zum Motetten- n.
Gradualienbuch von Stehle, sowie* zum Hymnenbnch von Nikel.
Binmi, Giacomo Filippo, geb. in Mailand, war zuerst Organist
an der Kirche della Passione, dann an der S. Ambrosiuskirche u. end-
lich am Dom, in welch letzterer Stelle er auch starb 1652. Gedruckt
sind von ihm mehrere Xirchenkompositionen.
Blahac, Joseph, geb. 1779 zu Naggendorf an der ungarischen
Grenze, gost. 15. Dez. 1846 als Kap.-M. an der landesflirstlichen Pfarr-
kirche S. Peter in Wien, 1798 war er in Wien an der NorÄalschule
£^ls Lehrer angestellt, verliess jedoch diesen Stand bald wegen seiner
schönen Tenorstimme u. widmete sich der Bühne« Zugleich versah er auch
die Tenoristenstelle in St. Peter unter der Direktion Preindl's, dessen
Nachfolger er 1824 wurde. Er lieferte vieles für die Kirche.
Blanchinl, Francesco, geb. zu Verona 13. Dez. 1662, aus einer
adeligen Familie, anfangs Bibliothekar des Kardinals Ottoboni in Born
u. Kanonikus an S. Lorenzo in Damasco, dann päpstl. Hausprälat,
zeichnete sich durch Gelehrtheit aus. Alle Beachtung verdient sein
Werk: „De tribus generibus instrumentorum Müsicae veterum organicae,
dissertatio," Bomae 1742, welches viele Abbildungen von Instrumenten
der alten Ägypter, Hebräer, Griechen u. Bömer enthält. Es erfolgte
die Herausgabe desselben erst nach B.'s Tode — 2. März 1729.
BlankmüUer od. Blankenmüller, Georg, Komponist u. Kontra-
punktist des 16. Jhdts., von dessen Kompositionen sich in Salbingers
„Concentus" (Augsburg, 1545) u. auf der Münchener Bibliothek einige
befinden.
Blied, Jakob, geb. 16. März 1844 in Brühl, gest. 14. Jan. 1884
daselbst, büdete sich für den Lehrerstand aus, war von 1864—68 Lehrer
an der Taubstummenanstalt, von da an Hauptlehrer an der städtischen
Knabenschule seiner Vaterstadt, bis er 1874 zum ordentlichen Seminar-
lehrer ebenda berufen wurde. Dem ihm obliegenden Musikunterrichte
kam er niit höchstem Eifer u. segensreichstem Erfolge nach, selbst als
seine Gesundheit schon sehr angegriffen war. Als Kirchenkomponist
hat er sich erst mit seiner Missa S. G^rtrudis für 4stim. Männerchor
u. Orgel einen Namen erworben, nachdem er sich strengeren Grund-
sätzen zugewendet hatte. Von seinen Werken mögen noch genannt
sein: die Messen in hon. B. V. Mariae, S. Josephi, S. Elisabeth, eine
Sammlung Präludien.
Blin, M. S., geb. zu Beaune 19. Juni 1757, eigentlich den Familien-
namen Lacodre tragend, wurde, im 4. Lebensjahre schon Waise, emem
Verwandten, dem Organisten Blin in Dijon zur Erziehung anvertraut,
dessen Namen er auch annahm. 1771 begab er sich nach Paris u. bildete
sich beim Abb6 Böse u. dem Organisten S6jan noch weiter im Orgelspiel
u. in der Komposition aus. Er starb zu Paris 9. Febr. 1834 als Organiist
an Notre Dame u. hinterliess viele' Kompositionen für die Orgel.
Boeckeler — Boethius. 39
Boeckeler, Heinrich, geb« d. 11. Jnli 1836 in Köln, studierte
an der Universität Bonn Theologie n. ward 3. Sept. 1860 zum Priester
geweiht. Schon als Theologiekandidat ward er von H. Konen für
kirchenmusikal. Studien gewonnen u. leitete den akademischen Kirchen*
chor. Weitere Ausbildung erhielt er durch Pfarrer Gereon Stein, u.
auf dem Kölner Konservatorium studierte er den Kontrapunkt unter
Dr. F. Hiller's Leitung. 1862 ward er Stift»vikar in Aachen, 1864
Inspektor des dortigen Choralenhauses, 1869 Yicepräses des Kölner
Diözesan-Cäcilienvereins, 1870 Präses des Aachener Bezirksvereins u.
1871 Cbordirigent der Stiftskirche in Aachen. Diese Stellungen er-
möglichten es ihm, auf die kirchenmusikalischen Verhältnisse in Aachen,
sowie auch in weiteren Kreisen erfolgreich einzuwirken. Von ihm
wurden veröffentlicht: Mangon, Missa in summis festis; Processionale,
1—3 Fase; Lieder für die verschiedenen Zeiten des Kirchenjahres ifür
Männerstimmen; Gesangbuch für höhere Schulen; Sammlung 2stim.
G^änge zum Schulgottesdienste; Gesangbuch für marianische Kongre«
gationen; Latein. Gesänge f. Männerchor u. gemischten Chor; Volks«
lieder f. Schule u. Haus. Von 1875 hielt B. alljährlich mehrere Lehr-
kurse für Ausbildung von Organisten u. Chordirigenten ab u. gründete
im Anschluss daran 1. Nov. 1881 in Aachen eine Kirchenmusiksehule,
genannt „Gregoriushaus'^ zu gleichem Zwecke. Am 1. Juli 1877
gründete er das „Gregoriusblatf* (1884 erweitert durch ein zweites
Blatt „Gregoriusbote für kathol. Kirchensänger '), worin er mit Energie
für feste Grundsätze im Betriebe der Kirchenmusik u. für Förderung
des Studiums der altklassischen, speziell der palestrinischen Kirchen-
niusik eintrat.
Boedeeker, Phil. Friedr, Komponist u. Stiftsorganist in Stutt-
gart, um die Mitte des 17. Jhdts. blühend, hat ei^e Sammlung Motetten
.unter dem Titel „Partitura sacra" (Strassburg, 1681) drucken lassen;
ausserdem komponierte er noch Sonaten u. vieles Andere«
Boeiun, Joseph, geb. 1841 zu Küsnitz in Mähren, erhielt früh-
zeitig Musikunterricht von seinem Vater, einem Schullehrer, ward 1864
Organist an der Hofpfarrkirche zu St. Michael in Wien, 1867 Chor-
regent bei Mariahilf, 1873 Dirigent des unter dem Präsidium des
Dr. W. A. Ambros gegrtlndeten Cäcilienvereins für kathol. Kirchen-
musik {„Ambrosiusverein"), 1877 Kap.-M. zu den neun Chören der
Engel. Er wirkte sehr viel sowohl als Dirigent als auch durch Bro-
sdiüren (nÜber Reform des Gesangunterrichtes in öffentlichen Schulen,*^
„Der Zustand der kathol. Kirchenmusik u. des kirchlichen Volksgesanges
in Wien u. Umgebung^') u. verschiedene Zeitungsartikel musikalischen
Inhalts u. a. f 6. Nov. 1893.
BoSthiiUB, Anicius Manlius Torquatas Severinus,
röm. Staa^mimn, Philosoph u. vorzüglichster Gelehrter seiner Zeit, ist
geb. zwischen 470—475 n. Chr. Er gelangte frühzeitig zu wichtigen
"^
40 Bolsena. — Bonhomins.
«
Staatsämtern u. wurde 506 oder 510 zum Konsul gewählt. Wegen
seiner Weisheit ward er der Liebling a. Batgeber des Gotbenkönigs
Theodorich, fand jedoch bald Neider u. Feinde, welche es dahin brachten,
dass er seiner Würden n. Güter beraubt, nach Payia verbannt u. um
525 enthauptet wurde. In seiner Gefangenschaft schrieb er das vor-
züglichste seiner Bücher: „De consolatione philosophiae*' (über den
Trost der Philosophie); für den Musikhistoriker aber ist sein Werk
„De Musica" besonders wichtig, worin er in fünf Büchern über die
griechische Musik handelt. Vgl. Gregorovius „Geschichte der Stadt
Born im Mittelalter" I. S. 309 ff. Gesamtausgabe seiner Werke von
Migne, 2 volL Paris 1847; deutsche Übersetzung der Y. lib. de Musica
von Dr. Oscar Paul 1872.
Bolsena, Andrea Ad a^m da, ein päpstlicher Kap.-M., lebte zu
Ende des 17. u. Anfang des 18. Jhdts. u. schrieb eine Geschichte der
päpstlichen Kapelle (Born, 1711) unter dem Titel: „Osservazioni per
ben regolare Ü coro dei cantori della capeUa pontificia, tanto nelle
funzioni ordinarie che straordinarie*" Darin finden sich auch die Bio-
graphien von zwölf der vorzüglichsten Kapellsängem.
Bona, Johannes, Eardinalpriester zu Bom, geb. 12. Okt 1609
zu Mondovi in Piemont, trat im 15. Lebensjahre in die Kongregation
der reformierten Gisterzienser, wurde nach u. nach zum Prior, Abt u.
1651 General des Ordens erhoben. Er zeichnete sich sowohl durch
Gelehrsamkeit, als auch durch Frömmigkeit und streng sittlichen
Charakter aus. Für den Kirchenmusiker hat er Bedeutung durch sein
Werk: „Tractatus bist., symbolicus et asceticus de divina psalmodia*'
(Bomae 1653), worin er vom Kirchengesange, den Kirchentönen, der
Einführung der Orgeln beim Gottesdienste u. dgl. handelt. 1669 wurde
er zum Kardinal creiert u. starb 1674.
Bona, Valerie, Mönch, geb. zu Brescia in der zweiten Hälfte
des 16. Jhdts., war einige Zeit Kap.-M. zu Vercelli, Mondovi u. Mailand,
u. bewies sich als fleissigen Komponisten u. theoret. Schriftsteller. Von
ihm sind bekannt: Messen, Motetten, Madrigale; dann „Begole del
Gontrapuncto e Composizione^* (Casale 1595); „Esempj delli passaggi,
delle consonanze et dissonanze e d'altre cose pertinente al Gompositore"
(Mailand, 15%).
Bonaventura, de Brescia beigenannt, wo er in der zweiten
Hälfte des 15. Jhdts. geboren ward, ein Minorit u. theoret. Schrift-
steller, hinterliess „Breviloquium musicale" (Venet. J497); „Begula
musicae planae^^ (Venet. 1500); „Brevis coUectio artis musicae, que
dicitur Ventura" (1489. Mscrpt.)
Bonhomins, Peter, Kanonikus an der Kirche zum hL Kreuz in
Lüttich, zu Anfang des 17. Jhdts., komponierte unter anderem: „Melodiae
sacrae, quas vulgo mutettas appeUant" (Francofurü 1608), u. Misaae
12 voc. (Antwerp. 1617).
Bonomi — Brandl« 41
Bonomi, Pietro, Eomponist ans der röm. Schule n. Sänger an
der päpstl. Kapelle. 1607 veröffentlichte er eine Sammlung Sstimmiger
Motetten u. später ein Buch Psalmen, ebenfalls Ssümmig.
Bontempi, Giov. Andrea, mit dem Beinamen Angelini, geb. um
1630 zu Perugia u. Schüler des Virgilio Mazochl, päpstL Kap.-M.
wurde von seinen Zeitgenossen zu den kunstreichsten u. gelehrtesten
Musikern gezählt. Nachdem er einigen Kirchenchören in Born u. Venedig
vorgestanden wari begab er sich in die Dienste des Markgrafen Ernst
von Brandenburg n. 1660 in die des Kurft&rsten Georg II. von Sachsen.
Seine Kenntnisse in andern Fächern bewies er auch durch einige
politisch-historische Schriften. Ausser * einigen Kompositionen (Opern,
Oratorien), schrieb er mehrere theoret Werke: „Nova quatuor vocibus
componendi methodus** (Dresd. 1660); „Traotatus, in quo demonstrantur
occultae convenientiae sonorum systematis principati*^ (Bologna 1690);
„Historia musica, nella quäle si ha piena cognizione della Teorica e
della Pratica Antica deUa Musica harmonica, ... e la Pratica modema."
(Perugia 1695). In der Vorrede nennt er sich „Musicus, Poeta et
Orator." Sein Todesjahr ist unbekannt; sächsischer Kap.-M. war er
über 30 Jahre. i
Borghi, Giov. Battista, geb. zu Orvieto um 17^ u. gest. zu
Anfang des jetzigen Jhdts., ein guter Kirchen- u. OpemS6mponist u.
1770 Kap.-M. a^ der Santa Casa in Loretto.
Boroni, Antonio, geb. 1738zuBom, ein gutecKirchenkomponist
und von 1770—1780 zu Stuttgart in Diensten des Herzogs v. Württem-
berg; starb als Kap.-M. an St. Peter in Bom 1797.
Bonmonyille, Jean Valentin, geb. 1585zuNoyon, erst Kap.-M.
in Bouen, Evreux, S. Quentin, Abbeville, dann zuletzt seit 1620 an der
Kathedrale zu Amiens, war einer der besten Komponisten u. Organisten
unter Ludwig Xm. Er hatte auch eine Musikschule gegründet, aus
welcher verschiedene ausgezeichnete Tonkünstler hervorgegangen sind.
— Jacques B., ein Enkel desselben, geb. 1676 zu Amiens u. gest.
1758, war ein Schüler Bemiers u. wurde besonders wegen seiner
Kirchenkompositionen von Eameau sehr geschätzt.
Braccini, Luigi, geb. zu Florenz 1754 u. gest. 1791; ein Schüler
des P. Martini, hat vorzügliche Kirchenkompositionen geliefert.
Bramini, G i a c o m o , geb. zu Bom um 1640, Schüler des Oraz.
Benevoli, wurde Kap.-M. an der Kirche S. Maria delle Gonsolazione vu
starb 1674 (8-, 12- u. 16stimmige Kirchenwerke).
Brandl, Johann, grossherzogl. badisch. Musikdirektor, geb. 14. Nov.
1760 zu Bohr in Niederbayem, gest. 26. Mai 1837 in Karlsruhe, kam als
Knabe von 6 Jahren ins Kloster seines Geburtsortes als Singknabe u.
nach einiger Zeit nach München als Kapellknabe am Hofe. Die Kom-
position studierte er unter dem Domkapellmeister Schlecht zu Eichstätt.
Nachdem er einige Zeit Novize im Kloster zu Donauwörth gewesen.
f
42 Brendel — Brosig,
verliess er dasselbe wieder u. begab sich anf Reisen. Nach mehreren
Anstellnngen als Kapellmusiker trat er 1806 die Stelle als Musikdirektor
in Karlsruhe an. Er schrieb sehr yiele Werke der verschiedenste»
Gattung, Oratorien, Sinfonien, Quartetten, Lieder u. dgl., auch Messen,
welche im Style seiner Zeit gut gearbeitet sind, aber an ungebührlicher
Textkürzung leiden.
Brendel, GarlFranz, geb. zu Stollberg im Harz 26. Nov. 181),
studierte in Berlin Philos. u. starb 25. Nov. 1868 als Prof, der Aesthetik
u. Musikgeschichte am Konservatorium in Leipzig. Seine Geschichts-
vorlesungen gab er in 2 Bänden unter dem Titel „Geschichte der Musik
in Italien, Deutschland u. Frankreich, von den ersten christl. Zeiten
bis auf die Gegenwart" heraus, 6. Aufl. (von Fr. Stade 1879). Sat
1844 war er Eedakteur u. Eigentümer der „Neuen Zeitschrift für Musik'*;
1848 edierte er „Grundzüge der Geschichte der Musik" (Leipzig) u.
ebendaselbst 1854 „die Musik der Gegenwart u. Gesamtkunst der
Zukunft"; ersteres erschien 1861 in 5. Auflage.
Brixi, Fr. Xaver, geb. in ^rag 1732, studierte fleissig Musik,
so dass er bald für einen der fertigsten Organiisten u. gewandtesten
Komponisten galt. Nachdem er an mehreren Kirchen Prags als Organist
u. Chorregent fungiert hatte, erhielt er die Stelle eines Kap.-M. an der
Metropolitankirche dortselbst. Sein Styl war lebhaft, originell, munter
u. überaus reich figuriert, so dass die älteren Meister sich nicht mehr
mit ihm zufrieden erklären konnten ; er wusste sich in den Formen der
Imitation, Fuge u. s. w. mit einer Freiheit, einem Schwünge u. einem
Feuer zu bewegen, welche Bewunderung verdienen. Bei dem abnehmenden
kirchlichen Sinne jener Zeit fanden seine Kirchenwerke auch weit und
breit das grösste Interesse u. viele Nachahmer, u. haben unzweifelhaft
nicht wenig dazu beigetragen, das weltliche Element auf den Kirchen-
chören heimisch zu machen. Er schrieb ungeheuer viel, so z. B. 52
grosse u. 24 kleinere Messen, sehr viele Litaneien, Vespern, Offertorien
n. dgl. ; alle sind im polyphonen Styl geschrieben. Brixi starb 1771 im
39. Lebensjahre -^ welche Fruchtbarkeit des Sche^ffens!
Broer, Ernst, geb. 11. April 1809 in Ohlau (Schlesien), gest.
25./26. März 1886 in Tamopol, war 40 Jahre lang Organist an der
DorotheenMrche u. Regenschori im ürsulinerinenkloster zu Breslau,
auch von 1843—84 G^sanglehrer am Mathias-Gymnasium daselbst. Er
schrieb zaUreiche Kirchenmusiken, Messen, Vespern, Offertorien n. s. w.,
wovon einiges im Druck erschien. Auch 2 Oratorien komponierte er.
Brosi^, Moritz, geb. 15. Okt. 1815 in Fuchswinkel bei Johannis-
borg in Schlesien, studierte am Gymnasium in Breslau, bis er sich ganz
der Musik zu widmen entschloss u. eifrig das Klavierspiel u. die Musik-
theorie nebst einigen Instrumenten betrieb. Seine Vorliebe für die
Kirchenmusik weckte bald den Drang zum Orgelspiel. Unter Leitung
des Musikdirektors u. Domorganisten Wolf, dessen Vorlesungen über
Brosawrd — Bryennius. 43
Harmonie n. Unterrichtsstunden im Orgelspiel an der Universität er
drei Jahre lang besuchte u. von dem er auch nachher noch Unterricht
erhielt, vervollkommnete er sich zu einem gediegenen Musiker. Im
Dez. 1842 folgte B. .seinem Lehrer als Domorganist u. schrieb während
dieser Zeit eine Eeihe gediegener Orgelsachen. Nach dem im Jahre
1852 erfolgten Tode des Eap.-M. B. Hahn trat er in dessen Stelle u.
suohtfr die ernste u. würdige Bichtung der Kirchenmusik noch mehr
zur Oeltung zu bringen. Er erlangte auch den philosophischen Doktor-
grad Ui wurde nach dem Tode Baumgarts zweiter Universitäts-Musik-
direktor u. Lehrer am königlichen Institut für Kirchenmusik, sowie
Dozent sm der Universität in Breslau; er starb am 24. Januar 1887.
Von seinen Werken sind im Druck erschienen: 9 Messen mit Instru-
mental- u. eine filnfstimmige mit Orgelbegleitung, 7 Hefte Gradualien
u. OffertorieUj 2 Vespern, ein Requiem, einige Hymnen, 20 Hefte'
Orgelkompositionen, ein Orgelbuch in 8 Heften, die Melodien zum
kathol. Gesangbuche der Diöcese Breslau, eine Modulationstheorie u.
eine kleine Harmonielehre.
Brossard, Sebastian de, ein gelehrter franz. Schriftsteller u.
Komponist, geb. 1660 u. gest. zu Meaux 10. Aug. 1730 als Grosskaplan
n. Kap.-M, nachdem er vorher dieses Amt am Münster zu Strassburg
begleitet hatte. Er war der Erste, der sich ernstlich in Frankreich
mit der musikal. Litterator beschäftigte. 1703 erschien zu Paris vou
ihm ein „Dictionnaire de Musique*^ u. 1792 ebenda eine Broschüre „Sur
ia nouvelle m^thode d*6crire le plain-chant et la Musique/' Für die
Kirche komponierte er vieles, als Messen, Motetten, Miserere u. a.
Bramel, A n t o i n e , od. Bromel, ein berühmter niederländischer
Kontrapnnktist, in der zweiten Hälfte des 15. Jhdts. blühend, ein Zeit-
genosse des Josquin u. wie dieser ein Schüler Okenheims, wird unter
die bedeutendsten Meister seiner Zeit gezählt. 1505 kam er nach
Ferrara, wo er auch wahrscheinlich gestorben ist. Kompositionen vöu
ihm sind teils gedruckt in älteren, seltenen Sammelwerken (z. B. „lib.
quindecim Missarum^Oi teils in Mscrpt. noch vorhanden. Die Proske'sche
Bibliothek in Kegensburg enthält vieles von ihm, darunter 4 Messen.
BranelU, Antonio, ein ausgezeichneter Komponist zu Anfang
des 17. Jhdts., war zuerst Kap.-M. an der Kathedrale zu Prato, danu
an der Kirche San Miniato in Florenz u. endlich des Grossherzogs von
Toscana. Ausser mehreren Kirchenkompositionen schrieb er ein Werk
über verschiedene Arten des doppelten Kontrapunktes, sowie über den
improvisierten Kontrapunkt (contrapunto al mente).
Bryennias, Manuel, der letzte griechische Musikschriftsteller
(um 1320). Seine „Harmonik,*' bestehend aus 3 Büchern, findet sich
mit- lateinischer Übersetzung in den von "Wallis (Oxford 1699) heraus-
gegebenen Opera mathem. III. tom., sie ist eine Bearbeitung und
Zusammenfassung früherer Schriften über Musik.
44 Buohweiser — Buns.
Bnohweiser, Mathias, geb. 14. Sept. >cl 772 zu Sendimg bei
München, kam als Chorknabe in seinem 8. Lebensjahre in's Kloster
Bemried bei Stamberg n. dann auf s Gymnasium in München. Yalesi
unterrichtete ihn im Gesang u. Orgelspiel. 1793 wurde er Hoforganist,
als welcher er viele Kirchensachen schrieb.
Büel oder Bnel, Christoph, lebte in der ersten Hälfte des 17.
Jhdts. u. starb 1631 in Nürnberg, wo er Kap.-M. u. Kanzleiregistrator
war. Seine Kompositionen sind vortrefflich gearbeitet; auch schrieb er
zwei Tractate: „Melos Harmonicum" u. „Doctrina duodecim modorum
musicaUum.*'
Bühler, Franz, geb. 12. April 1760 in Schneidheim bei Nord-
lingen, trat in's Benediktinerkloster in Donauwörth u. ward 1784
Priester. Bald aber verliess er den Orden wieder u. bildete sich unter
Bosetti zum gründlichen Tonsetzer. 1801 wurde er Domkapellmeister
in Augsburg, wo er 4. Febr. 1824 starb. Er komponierte sehr vieles
für die Kirche u. schrieb auch ein paar kleine theoret. Werke. Seine
Kompositionen haben sich gegenwärtig überlebt.
Bnononcini od. Bononcinl, Giov. Maria, geb. zu Modena um
1640, bildete sich zu Bologna zum gründlichen Musiker u. wurde dann
Kap.-M. an der Kirche S. Giovanni in Monte in seiner Vaterstadt. Er
schrieb ausser vielen weltl. Kompositionen vier Sstimmige Messen,
Kirchensonaten u. dgl. u. ein theoret. Werk: „Musico prattico che
brevemente dimostra il modo digiungere alla perfetta cognizione dl.
tutte quelle cose, che concorrono alla compositione dei Canti, e di cid
ch* all' arte del Contrapuhto si ricerca. Di G. M. Bononcini Modanese
del Concerto degli Stromenti dell' Altezza Serenissima di Modena.
Bologna par Giac. Monti. 1688." *
Darin behandelt er in zwei Teilen zuerst die musikaL Elemente,
dann die Komposition, besonders des Kontrapunkts mit den Kirchentönen
u. Intonationen. Seine Theorie ist auf die älteren Musiker basiert, von
denen er seine Beispiele nimmt; er dringt darauf, in der kirchlichen
Kompositionsweise nach den herkömmlichen guten Begeln zu verfahren,
t 19. Nov. 1678.
Bnmey, Charles, englischer Tonkünstler n. musikal. Schrift-
steller, auch Dr. der Musik, geb. zu Shrewsbury im April 1726,* gest.
1814 als Organist des Chelsea-Hospitals. Er schrieb u. komponierte viel;
sein bedeutendstes Werk ist seine „Geschichte der Musik'^ in 4 Bänden.
Basnois, Antoine« bedeutender niederländischer Kontrapunktist[
1467 als Kapellsänger Karls des Kühnen von Burgund angestellt;
gest. 1481. Von seinen Werken ist wenig erhalten.
Bniis, Jacob von, ein Niederländer, geb. zu Anfang des 16.
Jhdts., ging nach Venedig, wurde daselbst Organist an der Markns-
kirche u. errichtete eine Notendruckerei. Er nennt sich selbst also auf
seinen zwei wertvollen Büchern „Bicercari*^ vom Jahre 1547 u. 1549
Buxtehude — Cäcilia. ' 45
„Organista in S. Marco di Venetia**; 1580 erschienen von ihm zu Venedig
,,lIotetti e Madrigali a 4 e 5 voei/'
Buxtehude, Dietrich, einer der bedeutendsten Or^elmeister
des 17. Jhdts., geb. 1637 zu Helsinghör, war seit 1668 Organist an der
Marienkirche zu Lübeck u. erwarb als solcher einen weit verbreiteten
Buf. Er starb 9. Mai 1707. Seine Orgelwerke sind in neuester Zeit
durch Ph. Spitta veröffentlicht worden.
C.
Cavo, Francisco Javier, geb. 1768 zu Naguera bei Valencia,
gest 1832; ward 1810 Kapellsänger, 1816 Organist u. 1830 Ep.-M. der
dortigen Kathedrale, einer der bedeutenderen neueren spanischen Kirchen-
komponisten (Messen, Vespern u. s. w.)
Caccinf, Giulio, auch Giullo Romano genannt, weil ein gebomer
Aömer, war ein berühmter Sänger u. Komponist zu Ende des 16. Jhdts«,
erwarb sich viele Verdienste um die Ausbildung des monodischen
Gesanges u. der Arie, er war Mitbegründer des neueren Musikstyles,
dessen Wesen begleitete Melodie ist. Sein Todesjahr ist etwa 1615.
Cäcilia, die heilige, welche in der kathol Kirche als Patronin der
Tonkunst verehrt wird, lebte in der ersten Hälfte des 3. Jhdts. n. Chr.
zu Bom u. starb im Jahre 230 daselbst den Martyrertod. Ihre Eltern,
aus einem vornehmen u. reichen Geschlechte, blieben Heiden, während
die Tochter den Glauben an Christus bekannte u. sich dem göttUchen
Meister als reine Braut weihte. Diesem hing sie mit ganzem Herzen
an u. flehte, als sie dem Drängen der Eltern, sich mit einem vor-
nehmen Jünglinge, Valerian, der auch ein Heide war, zu vermählen,
sich nicht entziehen konnte, mit höchster Inbrunst Tag und Nacht zu
Gott, sie vor jeder Makel zu bewahren. Ein Engel war ihr Beschützer,
dessen Anblick den Valerian zur Taufe bewog, worauf auch dessen
Bruder Tiburtius ein Christ wurde. Beide empfingen die Krone des
Martertums; Cäcilia suchten die Heiden in einem heissen Bade zu töten,
und als sie wunderbar beim Leben erhalten worden, ward sie mit dem
Schwerte enthauptet Später wurde ihr eine Kirche geweiht — jetzt
St. Cäcilia in Trastevere genannt, erbaut von Papst Urban I.; — Papst
Paschalis üess ihren hl. Leichnam in dieser Kirche beisetzen« Seit
dem 16. Jhdt. wird die hl. Cäcilia als Patronin der heiligen Musik
verehrt; der gelehrte Abt Prosper Gueranger von Solesmes sagt in
seinem Buche „Die Geschichte der hl. Cäcilia" (deutsch übersetzt,
Begensburg, 1851) pag. 50: „Das Christentum hat die hl. Cäcilia . . .
zu jeder Zeit die Königin der Harmonie genannt" und pag. 191: „Die
Kunst der Musik, welche sich im 16. Jhdt« so mächtig aufschwang,
machte von da an Cäcilia zur Begleiterin aller ihrer Triumphe."
46 Cäsar — Caldara.
Dichter, Maler u. andere Künstler wetteiferten, die Heilige durch die
Kunst zu verherrlichen. Die Bildhauerkunst des Mittelalters entrichtete
ihren Trihut, indem sie die edle u. sanfte Gestalt Oäcilia's unter die
Säulenhallen unserer Kathedralen stellte, wo sie wie eine Königin unter
den Bräuten Christi ruht. Die Malerkunst hat sich sozusagen selbst
übertroffen, so sehr bemühte sie sich, alles Schöne u. Erhabene, woran
Cäcüia's Name erinnert, auszudrücken. Eine der besten Darstellungen
ist die von Bapjiael. In voller Übereinstimmung mit der Auffassung
der Kirche erscheint sie da als Verächterin der weltlichen Musik u.
Schirmheilige der höheren u. himmlischen Kunst. Zu ihren Füssen liegen
die Embleme der weltlichen Musik zerstreut, gleichsam mit Füssen
getreten; das Instrument, .das sie in ihren Händen hält, sinket nieder,
und Cäcilia hört mit auf den Himmel gerichtetem Blick in heiligem
Entzücken auf die Musik, welche die Engel über ihrem Haupte mit
Begeisterung ausführen.
Dass die hl. Cäcilia als Patronin der heil. Musik erwählt wurde,
hat seinen Grund nicht in etwaigen Verdiensten um Musik in der
Heiligen irdischem Leben,* nicht in etwaigem eifrigen Musikbetrieb,
sondern darin, dass sie, wie es die Kirche in der ersten Antiphon ad
Landes : „Cantantibus organis . . .'* ausspricht, ihren Geist u. ihr Herz
von den weltlichen Klängen, die so reizend beim Einzüge in das Haus
ihres Bräutigams in ihre Ohren drangen, abzog li. himmlische Gesänge
u. Harmonien sang, wie sie auch nach heiliger Harmonie ihres Herzens
mit dem Herzen ihres göttlichen Bräutigams strebte. Von ihr hat auch
der Cäcilienverein (s. d.) seinen Namen entlehnt u. sie zur
Patronin erwählt.
Cäsar, Job. Melchior, geb. zu Zabem im Elsass um die Mitte
des 17. Jhdts., war 1683 Kp.-M. zu Würzburg u. 1687 Dom-Kp.-M. in
Augsburg; er komponierte Messen, Offertorien, Psalmen, Hymnen u.
weltliche Musiken.
Cadeac, Pierre, franz. Kontrapunktist des 16. Jhdts., Chor
knabenmeister in Auch. Messen u. Motetten von ihm sind 1555 — 58
zu Paris im Druck erschienen, einige Werke finden sich auch In
Sammlungen.
Cafaro od. Caffaro, Pas quäle, geb. 8. Febt. 1708 zu S. Pietro
in der neapolitanischen Provinz Lecce, studierte unter Leo zu Neapel
die Komposition. Später wurde er Kp.-M., 1750 Professor am Konser-
vatorium u. starb am 23. Okt 1787. Ausser mehreren Opern, Kantaten
u. Oratorien schrieb er auch Kirchenmusik, so ein „Stabat mater,** das
dem Pergolesischen gleichgestellt wird; u. einen Psalm (Ps. 106 Con-
fitemini) für Solo u. Chor mit Orchesterbegleitung. Seinen Werken ist
viel natürliche Anmut u» Beinheit des Styles eigen.
Caldara, Antonio, geb. zu Venedig 1670, Schüler seines Lands-
mannes Legrenzi, Hess in seinem 19. Jahre seine erste Oper aufführen
r--
Galdarera — Campioni. 47
u. wurde 1714 Kp.*M. in Mantna; 1716 ging er nach Wien, wo er den
Titel Vice-Hofkp.-M. erhielt n. dem knnstliebenden Karl VI. Unterricht
Hl der Komposition erteilte, wo er am 28. Dez. 1736 starb. Von seiner
ausserordentlichen Fruchtbarkeit zeugen über 50 Opern, viele Oratorien,
dann, eine Unzahl von Messen, Psalmen u. andern Eirchenstücken u. dgl.
Galdarera, Michele, geb. zu Borgo-Sesia den 28. Sept. 1702,
studierte in Mailand Komposition u. starb als Kp.-M. an 8. Evasio in
Casale im Jahre 1742. Er hinterliess eine grosse Anzahl von Ejrchen-
kompositionen in Manuscript
Calegari, Francesco Antonio, ein Franziskanermönch, geb.
zu^Padua zu Ende des 17. Jhdts., 1702 Kp.-M* an einem Minoritenkloster
zu Venedig, 1724 zu Padua, genoss eines grossen Eufes als Kirchen-
komponist. Gedruckt sind: Neun Psalmen u. „Cantate de Camera"; eine
theoretische Abhandlung: „Ampia dimostrazione degli armoniali musi-
cali Tuoni,^' ist 1829 von Melchior Balbi zu Venedig unter dem Titel:
„Trattato del sistema armonica di Fr. Ant. Calegari etc." herausgegeben
worden.
Calmet, Augustin, geb. 1672 zu Mesnil la Horgue in Loth-
ringen, trat, durch grosse Geistesgaben, unermüdlichen Fleiss u. reinste
Sitten ausgezeichnet, 1688 in den Benediktinerorden im Kloster Breuil,
wo er studiert hatte. Seine geistige Thätigkeit wendete sich vorzüglich
der hl. Schrift zu u. schuf sein berühmtes Werk: „La s. Bible en latiu
et frangais avec un commentaire litt^ral et critique," welches von
1707—1716 zu Paris in 23 Quartbänden «in erster Auflage erschien.
Bald gab er es in zweiter u. dritter vermehrter Auflage heraus, und
seitdem fand es viele neue Ausgaben u. Übersetzungen in fremde
Sprachen. In diesem Werke giebt er mehrere gelehrte Abhandlungen
über die Musik u. die Instrumente der alten Hebräer. Nach einer
langjährigen, sowohl für die Wissenschaft als die Angelegenheiten
seines Ordens gesegneten Wirksamkeit endete Calmet als Abt von
Senones am 25. Okt. 1757 sein Leben in einem Alter von 86 Jahren.
Calvi, Lorenzo, Musiker an der Kathedrale zu Pavia in der
ersten Hälfte des 17. Jhdts., hat 4 Sammlungen Motetten zu 2, 3 u.
4 Stimmen, u. 1626 in Venedig „Kosarium litaniarum B. V. M." ver-
öffentlicht.
Gamerioher od. Gamerlocher, Placidus von, geb. in Bayern
1720, gest. als geistl. Rat u. Kp.-M. des Fürstbischofs von Freising 1776
wird als vortrefflicher Orgel-, Lauten- u. Violinspieler gerühmt. Er
schrieb ausser vielen weltlichen Musikstücken eine ziemliche Anzahl
Messen, Litaneien, Vespern, Motetten u. dgl.
Campioni, Carlo Antonio, geb. zu Livorno um 1720, wurde
1764 Kp.-M. des Grossherzogs von Toscana. Er komponierte vieles für
die Kirche; Kenner wollen aber seinem Style in Kirchenmusik nicht
genug Einfachheit u. Würde zugestehen. Er starb 1793 zu Florenz u.
48 Campisi *- Caramuel de Lobkowitz.
hinterliess eine der grössten Sammlimgexi von Singkompositionen ans
dem 16. n. 17. Jhdt.
Campisi od. Campesiiis, Domenico, geb. zu Baialbnto in Sici-
lien zn Ende des 16. Jhdts., trat zn Palermo in den Dominikanerorden
tt. wurde 1629 in Eom Professor der Theologie. Als Komponist genoss
er grosses Ansehen. (2 Bücher Motetten zn 2, 3 n. 4 Stimmen; „Con-
centns floridns, 2, 3, 4 et 5 voc. modnlandua^ Bomae 1622; 2 Bücher
„Lilia campi,'* mehrstimmige Gesänge zn Ehren der sei. Jnngfiran
Uaria, Eom 1623 u 1627).
Campra, Andr6, der bewimdertste Opemkomponist in Frankreich
nach Lnlly u. Bamean, geb. zn Aix in der Provence den 4. Dez, 1660,
war von 1679 an Kp.-M. zn Tonion, Arles, Toulouse, 1694 war er Musik-
meister an der Ejrche der Jesuiten u. dann an der Notre-Dame-Eirche
zu Paris, komponierte manches für die Kirche, wendete sich aber später
der Bühnenkomposition zu, welche ihm die schönsten Lorbeeren u. die
Ernennung zum königl. Kp.-M. (1722) einbrachte. Er starb zu Versailles,
den 29. JuH 1744.
Canniccari, Pompejo, ein Kirchenkomponist aus der römischen
Schule, wurde 1709 Kp.-M. an S. Maggiore in Bom u. starb 29. Sept.
1744. (4chörige Messen u. Motetten, auch 4-, 5- u. 8stim. Messen u.
verschiedene Kirchensachen zu 3 — 8 Stimmen).
Cantone, Girolamo, ein Minorit zu Turin^ um die Mitte des
17. Jhdts , gab „Armonia Gregoriana*' (1678), einen Traktat über den
Kirchengesang heraus.
Cantone, Serafino, geb. im Mailändischen, Mönch im Kloster
8. Simpliciani in Mailand u. Organist im Dome daselbst, war seiner Zeit
(am Anfange des 17. Jhdts.) ein sehr geschätzter Komponist.
Capalti, Francesco, geb. zu Fossombrone im Kirchenstaate,
Kp.-M. an der Kathedrale zu Nami, ist der Verfasser eines Werkes
über Kontrapunkt: „II contrapuntisto practico." Trient, 1788.
Capello, Giov. Maria, ein ital. Komponist zn Ende des 16.
Jhdts. in Venedig geb. u. Organist an der Kirche delle Gratie in Brescia.
(16 Bücher Messen u. Psalmen )
Capilnpi, Geminiano, ital. Komponist des 16. Jhdts., Schüler
des Orazio Vecchi, ward 1604 Kp.-M. zu Modena, als welcher er den
31. Aug. 1616 starb.
Capponi, Giuo Angelo, Komponist aus der röm. Schule um die
Mitte des 17. Jhdts , hinterliess viele Kirchensachen.
Caramnel de Lobkowits, Johann, geb. zu Madrid d. 23. Mai
1606, trat in den Benediktinerorden u. starb den 8. Sept. 1682 als
Bischof von Vigevano im Mailändischen. Er hatte den Buhm eines
ausgezeichneten Theologen u. Mathematikers u. gab unter seinen
zahlreichen Werken auch folgendes heraus: „Arta nueva de Musica
inventada anno 600 por S. Gregorio, deconcertada anno 1026 por Guido
Caravacoio. — Carl der Grosse. 49
Aretino, restituida a sua primera perfeccion anno 1620 por Fr. Pedro
de ürena, y redncida a este breve compendio anno 1644 por J. 0.**
(Roma 1669). Auf die Musik Bezügliches findet sich auch in seinen
Werken: „Cursus Mathematici" u. „Mathesis audax/'
CaravacciOy Giovanni, ein Komponist zu Anfang des 17. Jhdts.,
war £p.-M. an der Kirche S. Maria maggiore zu Bergamo.
Oardane, ein Kontrapunktist des 16. Jhdts., von dem noch unent-
schieden ist, ob er ein Franzose od. Niederländer sei. Von ihm sind
12 Missae cum 4 voc, you den berühmtesten Meistern komponiert,
1554 zu Paris herausgegeben worden. Sonst hat sich yon ihm nichts
erhalten.
Cardoso, Manuel, zu Fronteira 1569 geb., trat 1588 zu Lissabon
in den Karmeliter-Orden, wurde Subprior u. Kp.-M. in demselben, zeich-
nete sich als einer der grössten Komponisten seines Vaterlandes aus
u. kam dadurch bei Johann IV. in hohes Ansehen. Er schrieb aus-
schliesslich für die Kirche, wovon mehreres in Druck erschien, unter
anderm auch eine Sammlung von Gesängen für die hl. Woche, welche von
den Historikern als höchst beachtenswert gepriesen wird. Er erreichte
ein Alter von 81 Jahren. Viele seiner Werke werden auf der königl.
Bibliothek zu Lissabon in Manuscript aufbewahrt. — Ein anderer
Cardoso Manuel, Kirchenkomponist u. Kapellan Johann's III. von
Portugal, geb. zu Lissabon um die Mitte des 17, Jhdts, hat ein
„Passionarium'* für die königl. Kapelle herausgegeben.
Cärissimi, Giacomo, um 1604 zu Marino im Kirchenstaate geb.,
bildete sich in Rom in der Komposition aus, ward dann Kp -M. zu Assissi
u. 1628 nach Eom zurückgekehrt, Kp.-M. an der Kirche S. Apollinaris
daselbst, wo er 1674 starb. Als Komponist war er gerühmt u. bewundert;
er zeigte sich als Verbesserer in musikalischen Dingen, z. B. wurde
durch ihn das Recitativ u. die Kammerkantate vervollkommnet; über-
haupt hat er alle Formen seiner Zeit runder u. fasslicher gemacht,
sowie die Steifheit u. ünbeholfenheit der Melodie um vieles gemildert.
Unter seinen Schülern werden Cesti, Buononcini u. Alessandro Scarlatti
besonders namhaft gemacht. — Er hat überaus viel komponiert, wovon
nur 2 Sammlungen 2-, 3- u. 4stim. Motetten (Rom 1664 u. 67), 5- u. 9stim.
Messen mit einigen andern Gesängen (Köln 1663 u. 66), 22 Kantaten
zu Anfang des 18. Jhdts. in London; „Concerti sacri a 2, 3, 4 e 5 voci"
(Rom, 1675); „Arie di camera col basso continuo" (Rom, 1667) in Druck
erschienen. Alles Übrige findet sich in Mscrpt. in öffentlichen u. Privat-
BibHotheken zerstreut. Eine kleine Abhandlung „Ars cantandi^* findet
sich nur mehr in deutscher Übersetzung. (Augsburg 1692, 1700 .-. .).
Carl der Grosse, geb. am 2. April 742, gest. 28. Jan. 814, ist
nicht blos in der politischen Geschichte der gewaltigste u. bedeutendste
unter allen fränkischen Herrschern, alB Eroberer, Gesetzgeber und
Volksbildner, sondern auch in anderen Beziehungen gross gewesen.
Kornmüller, Lexikon. II. Bd. 4
^wr-^
50 Carl der Grosse.
Während seiner Eegierung (seit -768 fränkischer König, von 800—814
Tom. Kaiser), dachte er nicht blos daran, sein Beich zu erweitem,
«ondem vielmehr noch, den unterworfenen heidnischen Völkerschaften
die Segnungen des Christentums zu vermitteln; er hat vorzüglich das
Verdienst, die romanisch-christliche Bildung nach Deutschland verpflanzt
u. somit zur Sittigung dieses Landes u. Volkes den ersten Schritt
gethan zu haben. Für Kunst u. Wissenschaft that er alles u. so sehen
wir in ihm auch einen besonderen Förderer der Musik. Er selbst ver-
stand sich auf den Gesang, nahm am Gesänge der Mönche Teil und
forderte von den Geistlichen hinreichende Kenntnis desselben. Ein
Priester, welcher des Gesanges unkundig war, durfte weder vor ihm
erscheinen noch auf eine Gunst rechnen. Da er 774 zu Born war, fand
er, wie sehr seine Sänger hinter den römischen zurückständen, u. wie
sehr der fränkische Kirchengesang von dem römischen abweiche.
Deshalb bat er den Papst Hadrian um Sänger; er erhielt deren zwei,
Theodor u. Benedict, von welchen Carl den einen nach Metz, den andern
nach Soissons schickte, um in den dortigen Singschulen die richtige
römische Gesangsweise zu lehren. Zugleich befahl er allen Singmeistem
der fränkischen Städte, ihre Antiphonarien von diesen Lehrern ver-
bessern zu lassen u. durch ihren Unterricht den ordentlichen Gesang
wieder zu erlernen. Er hatte eine eigene Hofkapelle u. Hofsingschule,
die er oft in eigener Person besuchte u. wobei er dann auch selbst die
Schüler unterrichtete. Um dem Gesänge in seinem ganzen Beiche auf-
zuhelfen, sorgte er nicht blos für Hebung der schon bestehenden Sing-
schulen, z. B. neben Metz, Paris u. Soissons noch in Orleans, Sens,
Tours, Lyon, Cambrai, Dijon im Frankenreiche, Fulda, St. Gallen,
Beichenau u. a. mehr in Deutschland, sondern er schritt auch mit Ver-
ordnungen zur Errichtung neuer Schulen ein. In mehreren Kapitularien
bestimmte er, dass in allen Klöstern u. an allen bischöflichen Sitzen
Schulen seien, in denen die Söhne der Adeligen u. Hörigen Unterricht
in der Grammatik, Musik u. Arithmetik erhielten. In Generalien, die
er an die Metropoliten, Bischöfe u. Äbte entsendete, schärfte er ihnen
dasselbe ein. Im Konzil zu Aachen 803 wird verordnet, dass, nachdem
der gregorianische Gesang als der normale — „sicut psallit ecclesia
romana^* — bestimmt sei, die Kirchenvorstände ihre Singschulen an
geeigneten Orten einrichten sollen u. „die Knaben in den öffentlichen
Schulen sollen Psalmen, Noten, Singen u. dgl. lernen." Um 796 Hess
er nochmals 2 Sänger von Bom kommen, Petrus u. Bomanus, von denen
Petrus nach Metz ging, Bomanus aber mit seinem authentischen Anti-
phonar in St. Gallen bÜeb. Ausserdem beauftragte Carl den Eginhard
mit der Sammlung alter deutscher Volksgesänge, sowie den Paul
Wamefried (Paulus Diaconus), lateinische Hymnen anzufertigen. Aber
nicht blos für die praktische Musik war Carl ein eifriger Beförderer,
sondern auch die Betreibung der Theorie fand durch ihn einen kräftigen
Carl Borromäus. 51
Anstoss. Au den dnrch ihn angeregten u. eingerichteten Schulen u.
wissenschaftlichen Anstalten war die Musik unter die sieben freien
Künste gerechnet u. ihr durch Alcuin die «zweite Stelle in den physi-
kalischen Fächern eingeräumt. Dadurch kam das Musikstudium so zu
Ehren, dass es als Mangel an Wissenschaftlichkeit angesehen wurde,
wenn ein öffentlicher Lehrer hierin sich unwissend zeigte, u. dass es
zum vollständigen Buhme eines gefeierten Mannes gehörte, wenn von
ihm auch gesagt werden konnte, dass er Musik verstehe. Deutschland
u. Frankreich haben sonach alle Ursache, den grossen Kaiser auch in
musikal. Beziehung hoch zu ehren u. seine grossen Verdienste um die
Tonkunst in unauslöschlichem Andenken zu erhalten.
Carl Borromäus, der heil. Erzbischof von Mailand, verdient hier
einer besonderen Erwähnung, weil er mit der Eealisierung der Be-
schlüsse des Kirchenrates von Trient bezüglich der Kirchenmusik be-
sonders voranging. Geb. d. 2. Okt. 1538 zu Arona aus einem altadeligen
itaL Geschlechte, errang er am Ende seiner akademischen Laufbahn
das Doktorat beider Eechte. Als Abt der Benediktinerabtei zu Arona
bewährte er sich hierauf als einen zwar unwillkommenen, aber heil-
samen Beformator* Nachdem sein Oheim als Pius IV. den päpstlichen
Stuhl bestiegen hatte, ward Carl nach Rom berufen, wo er sechs Jahre
(1560 — 1566) in verschiedenen Ämtern die wichtigsten Dienste leistete.
Unterdessen war er auch zum Kardinal u. Erzbischof von Mailand er-
hoben, u. so gerne er in seiner Diözese verweilt hätte, liess es doch
der Papst nicht zu, da er seiner Weisheit u. Klugheit noch sehr
bedurfte. Ein vorzügliches Verdienst gewann er dadurch, dass er als
Kardinal-Staatssekretär die Angelegenheiten der allgemeinen Kirchen-
versammlung zu Trient, welche in dieser Zeit zum letzten Male berufen
wurde, mit der ganzen Energie seines Geistes u. dem mächtigen Ein-
flüsse seines Ansehens beförderte u. zur Durchführung der Beschlüsse
rastlos beitrug. Ausser seiner Teilnahme an der Herausgabe des
röm. Katechismus, des neuen Messbuches u. Breviers u. dgl. ward er
auch als besonderer Kenner der Musik in die Kommission gewählt,
welche über die Zulassung u. Behandlung der Figuralmusik in der
Kirche ihr Gutachten abzugeben hatte, u. er war es, welcher den Pa-
lestrina beauftragte, eine Messe zu komponieren, die den Forderungen
der Kirchenversammlung entspräche. Als er 1566 endlich seine Ent«
lassnng von Born erwirkt hatte u. nach Mailand zurückgekehrt war,
wendete er neben der Beformierung seiner Diözese nach den Beschlüssen
des Konzils seine Sorge der Kirchenmusik zu. Im ersten zu diesem
reformatorischen Werke abgehaltenen Provinzialkonzil (1576) weisen die
Akten schon ein eigenes Kapitel auf: „De officio magistri chori et cere-
moniarum,^* worin unter anderm die Forderung gestellt wird, dass die
Sänger, wo es immer möglich ist, Kleriker sein, jedenfalls u. alle Zeit
aber im Chor in klerikaler Kleidung u. mit Chorrock erscheinen sollen,
4*
52 Cameiro — Casali.
Femers trilft ein anderes Kapitel „de Mnsica et Gantoribus'* Bestim*
mungen über die Beschaffenheit des kirchl. Gesanges, dass er ernst,
würdig u. frei von allem leichtfertigen Wesen sei; die Orgel wird in
der Kirche zulässig erklärt, nicht aber Flöten, Hömer u. andere
Instrumente. Im 4. Mailänder Konzil wird auch der Gebrauch von
Instrumenten bei Prozessionen untersagt. Nachdem der hl. Erzbischof
mit rastlosem Eifer für seine Kirche, seinen Klerus u. sein Volk die
herrlichsten Einrichtungen getroffen u. die weisesten Verbesserungen
vollzogen hatte, starb er zu Mailand den 3. Nov. 1584, den Euhm eines
der weisesten, kräftigsten u. frömmsten Bischöfe, die je die Kirche
zierten, hinterlassend.
Carneiro, Manuel, ein KarmeUtermönch, guter Orgelspieler u.
Kirchenkomponist, geb. zu Lissabon um die Mitte des 17. Jhdts., und
gest. im Jahre 1695.
. Caron, Firmin, ein berühmter Kontrapunktist des 15. Jhdts. Er
soll um 1420 in Frankreich geboren u. ein Zeitgenosse des Binchois,
Kegis, Okenheim u. a. gewesen sein, u. Binchois od. Dufay zum
Lehrer gehabt haben.
Carpani, Gaetano, Kp.-M. an der Jesuitenkirche zu Eom in de^
Mitte des vor. Jhdts., genoss sowohl als Kompositionslehrer als auch
als Kirchenkomponist ein grosses Ansehen, Er hinterUess in Mscrpt.
viele Messen, Psalmen, Motetten, Litaneien u. a. m.
Garpentras, eigentlich Genet, Eliazar, ein französischer Kontra-
punktist aus der 2. Hälfte des 15. Jhdts., geb. zu Oarpentras, woher
sein Beiname rührt. Unter Leo X. trat er in die päpßtL Kapelle als
Sänger u. gewann durch die Komposition einiger Magnificate u. beson-
ders der Lamentationen des Propheten Jeremias so sehr die Zuneigung
des Papstes, dass dieser ihn 1518 zum Bischof in partibus ernannte,
nachdem er schon 1515 zur Stelle des ersten Sängers u. bald auch zum
Amte des Kp.-M. vorgerückt war. 1521 ward er in Angelegenheiten
des päpstl. Stuhles nach Avignon entsendet, von wo er erst nach dem
Tode Hadrian YL nach Bom zurückkehrte. Sein Todesjahr ist unbe-
kannt. — Die genannten Lamentationen wurden in der päpstlichen
Kapelle alljährlich bis zum Jahre 1587 gesungen ; von da an traten die
Lamentationen Palestrina's anf Befehl Sixtus V. an ihre Stelle.
' Caireira, Antonio, Kp.-M. der Könige Sebastian u. Heinrich von
Portugal, war ein fruchtbarer Kirchenkomponist; viele seiner Werke
(Lamentationen u. Motetten) bewahrt die königl. Bibliothek in Lissabon.
Cartari, Giuliano, Franziskanermönch u. Kp.-M. des Klosters
S. Francesco in Bologna, blühte um 1588. Durch Druck sind zu Venedig
mehrere seiner Werke veröffentlicht worden.
Casali, Giov. Battista, 1759 Kp.-M. an S* Joan. im Lateran
zu Eom, gest. im Juli des Jahres 1792, komponierte eine grosse Menge
von Kirchenstücken, von denen die Bibliothek des Abbate Santini in
Casati — Casparini. 53
£om eine grosse Auswahl enthält. Unter seinen Schülern befand sich
auch Qretry.
Casati, Girolamo, Ep.-M. zu Mantua zu Ende des 16. Jhdts.,
komponierte vieles für die Kirche: „HaJ*nionicae Cantiones a 1, 2, 3,
d et 5 Toc'*; Messen^ Magnificate, Motetten, Psalmen u. dgl. — C,
Francesco, geb. zu Mailand zu Ende des 16. Jhdts., war Organist
an mehreren Kirchen dieser Stadt; von seinen Motetten finden sich
einzelne in verschiedene Sammlungen aufgenommen. — C, Gasparo,
aus Venedig, um die Mitte des 17. Jhdts. bltthend, war als Yokal-
komponist sehr geschätzt. — C, Teodoro, geb. zu Mailand um 1630,
zuerst Kp.-M. an der Kirche S. Fidele, dann an der S. Sepolcro, zuletzt
Organist im Dom (um 1667), machte sich durch mehrstimmige Messen
a. Motetten bekannt.
Caseiolini, Claudio, wahrscheinlich der rOmischen Schule an-
gehörig, war nach seinen noch vorhandenen Werken eine der grössten
Zierden dieser Schule; die Zeit seiner Wirksamkeit scheint in den Anfang
des 18. Jhdts. zu fallen. Einen reichen Schatz von den Kompositionen
C.'s verwahrt das Musikarchiv des Abbate Santini in Rom. Der unter
dem Namen Cascianti od. Casciatini vorkommende Komponist scheint
mit obigem eine u. dieselbe Person zu sein.
Casini, Oi o v. Maria, ein florentinischer Priester, geb. um 1675,
bildete sich in Eom unter Matteo Simonelli in der Komposition grtlnd-
lieh aus; zugleich suchte er sich unter Anleitung Bemardo Pasquini's,
welcher damals das Wunder der Organisten war, im Orgelspiel die
möglichste Vollendung zu verschaffen. Unter dieser doppelten Leitung
reifte er zur vollendeten Tüchtigkeit eines Kirchenmusikers u. wurde
als Organist an der Metropolitankirche in Florenz angestellt. 1706 gab
er zu Rom einen Band vierstimmiger Motetten heraus, deren Styl voll-
kommen der röm. Schule entspricht ; 1714 zu Florenz eine Sammlung
Orgelsttlcke unter dem Titel: „Fantasie e Toccate d*intavolatura" u.
„Pensieri per FOrgano in partitura." Auch als scharfsinniger Theore-
tiker wird er gerühmt, indem er manches aus der griechischen Musik-
theorie für die neuere Tonkunst nutzbar zu machen suchte.
Casparinf, E u g e n i o , eigentlich Caspar, geb. 1624 zu Sorau in
der Niederlausitz, war der grösste Orgelbauer seiner Zeit. Nachdem er
schon in seines Vaters Werkstatt die Orgelbaukunst erlernt hatte,
vervollkommnete er sich darin bei seinem dreijährigen Aufenthalte in
Bayern, worauf er sich nach Italien wandte u. in Padua sich niederliess.
Daselbst lebte u. wirkte er 50 Jahre, u. viele grosse Kirchen nah u.
fem erhielten durch ihn .vorzügliche Orgeln, f d. 12. Sept. 1706 zu
Neuenwiese bei Görlitz. Sein Sohn Adamo Orazio, gest. 1745,
arbeitete anfangs mit dem Vater in Gemeinschaft u. erwarb sich später
ebenfalls den Ruf eines vorzüglichen Orgelbaumeisters,
54 Cassiodorus — Cavaooio.
Cassiodoras, Magnus Anrelins, ein berühmter röm. Staats-
mann während der Qothenherrschaft in Italien, später Abt des Klosters
Vivarium, war zwischen 465 — 479 zu SciUacium (SquiUace in Calabrien)
geboren. Nachdem er 50 Jahre lang als Staatsmann unermüdet ge-
arbeitet hatte, zog er sich nach Unteritalien zurück, erbauten, stiftete
das Kloster Vivarium. 70 Jahre alt, übernahm er die Leitung des-
selben u. bra6hte es zu hoher Blüte, indem er die Wissenschaft mit
dem Mönchsleben yerband. Er starb im Eufe der Heiligkeit um 570.
Er schrieb sehr vieles. In seinem Werke: „De artibus ac disciplinis
liberalium litterarum** befindet sich auch ein Traktat über Musik, der
für den Historiker noch immer Wert hat. (Ausgabe von Migne,
Paris 1848. 2 voll.)
Catalano, 0 1 1 a v i o « geb. zu Enna in Sicilien zu Ende des 16«
Jhdts., zuerst Abt u. Kanonikus zu Catania, dann in der röm. Kapelle,
zuletzt als Kp.-M. an der Kathedrale zu Messina angestellt, war einer
der Ersten, welcher den bezifferten Bass für die Orgel zu seinen
Werken setzte.
Catalisano, Gennaro, ein Minorit, geb. 1728 zu Palermo, stu-
dierte in Eom die Musik u. wurde Kp.-M. an der Kirche S. Andrea delle
Frutti daselbst. Aus Gesundheitsrücksichten kehrte er nach Palermo
zurück, wo er 1793 starb. Mehr als durch seine Kompositionen ist er
bekannt geworden durch ein theoretisches Werk: „Grammatica armo-
nica fisico-matematica*' (Bom, 1781).
Catenacci, Qian Domenico, ein ital. Mönch, geb. zu Mailand
in der ersten Hälfte des 18. Jhdts., gest. um 1800, war ein geschickter
Komponist u. grosser Orgelspieler.
Cathala, Jean, um die Mitte des 17. Jhdts. Musikmeister an der
Kathedrale zu Auxerre, gab in den Jahren 1666—1683 mehrere Messen
heraus (Paris).
Caurroy, FrauQois Eustache du, geb. 1549 zu Cherberoy
bei Beauvais, gest. 1609 zu Paris, zeichnete sich durch ausserordentliche
musikal. Kunstkenntnisse u. Fertigkeiten aus, wesshalb er von den
Franzosen gewöhnlich „Prince de professeurs de musique" genannt
wurde. Er war Kanonikus an der hl. Kapelle zu Paris, Prior in S.
Aioul de Provins u. Kp.-M. Carls IX., Heinrichs m. u. Heinrichs IV.
(„Preces ecclesiasticae," 2 Bücher [Paris, 1609]; „Mi&lange de Musique,
contenant des chansons, des psaumes, des noels*^ [Paris, 1610]; „Missa
pro defonctis ä 5 voc. u. a. m.)
Cayaccio, Giov., geb. zu Bergamo 1556, diente als vorzüglicher.
Sänger in München, Eom u. Venedig. 1581 wurde er Dom-Kp.-M. zu -
Bergamo, 1604 an der Kirche Maria maggiore; er starb den 11. August
1626. In Mailand u. Venedig kamen eine grosse Menge seiner Kirchen-
kompositionen heraus.
f*^
Cavi — Charpentier. 55
Cavi, Giovanni, Ep.-M. an der Kirche S. Giacomo de* Spagnuoli
in Eom, blühte in der 2. Hälfte des 18. Jhdts. als fleissiger Kirchen-
komponist.
Gecchelli, Carlo, Kp.-M. an S. Maria maggiore in Eom, Nach-
folger Benevoü's, von 1646 — 49, hat 1651 eine Sammlung vierstimmiger
Messen ohne Begleitung herausgegeben.
Cento, Giov. Antonio, ein Franziskanermönch, war zuerst
Kp.-M. in Padua, 1660 an der Kirche S. Francesco in Bologna. Von
ihm existieren viele Kirchenkompositionen in Mscrpt.
Ceracchini, Francesco, geb. 1748 zu Asina lunga, wurde 1796
Kp.-M. an der Kathedrale zu Siena, leistete sowohl als Kirchenkomponist
als auch als Lehrer des Kontrapunktes viel.
Cerone, Domenico Pietro, geb. 1566 zu Bergamo, empfing
nach vollendeten Studien die Priesterweihe. Er widmete sich atich
der Musik, leistete an mehreren Kirchen u. Kapellen Spaniens als
Sänger Dienste, bis er 1608 zum Kp.-M. in Neapel ernannt wurde. Sein
Todesjahr ist nicht bekannt. 1613 gab er ein theoret. Werk heraus,
welches unter die berühmtesten, reichhaltigsten u. seltensten Werke
dieser Gattung gehört. Es führt den Titel: „El Melopeo y Maestro,
tractado de Musica theorica y pratica, enque se pone por extenso,
loque uno para hazerse perfecto Musico ha menester faber: y por
mayor facilidad, comodidad y claridad del Lector, esta repartido eu
XXn Libros, compuesto per cL E. D. Pedro Cerone de Bergamo,
Musico en le Eoal Capilla de Napoles." In Napoles. Anno 1613. Fol.
(Die Proske'sche Bibliothek besitzt ein Exemplar.) Von ihm hat man
auch: „Eegole per il Canto fermo" (Neapel, 1609.)
Cerretto, Scipione, Theoretiker, Komponist u. Lautenspieler,
geb. 1551 zu Neapel, schrieb drei bedeutende theoret. Werke, von
welchen zwei 1601 u. 1608 auph im Druck erschienen.
Certon, Pierre, Musikmeister an der Sainte-Chapelle in Paris,
ist einer der besten &anzös. Komponisten aus der ersten Hälfte des
16. Jhdts.
Cesena, Giov* Battista, ein Barfüssermönch in einem Kloster
im Kirchenstaate, war ein sehr fruchtbarer Kirchenkomponist; sehr
viele seiner Werke erschienen von 1605—1621 meist zu Venedig im
Druck.
Champion, A n t o i n e, war unter der Eegierung Heinrich IV. als
.Orgelspieler bertihmt. In der Münchener Bibliothek liegt eine 5stimmige
Messe von ihm. Sein Sohn Jacques C. u. sein Enkel Andr6 C.
waren ebenfalls berühmte Organisten unter Ludwig XIII. Letzterer
starb zu Paris 1670.
Charpentier, Marc Antoine, von Laborde als „le plus savant
musicien de son temps" bezeichnet, wurde 1634 zu Paris geboren.
Seine musikal. Studien machte er zu Eom unter Garissimi's Leitung.
56 Charpentier — Cherubini.
Nach Paris zurückgekehrt, bekam er bei Hof mehrere Anstellungen,
bis er Kp.-M . an der U* Kapelle u. zuletzt an der Jesuitenkirche wurde.
Er starb im März 1702. Von seinen Kompositionen werden neben
seinen Opern von Kennern besonders seine Motetten wegen ihres
klassischen Styles u. der yortrefflich gearbeiteten Fugensätze geschätzt.
In der letzten Zeit seines Lebens zog er sich ganz von der Bühne
zurück u. arbeitete nur für die Kirche.
CharpeBtier, Jean Jaques Beauvarlet, geb. 1730 zu
AbbeviUe, ausgezeichneter Organist, zuletzt in Paris angestellt, starb
aus Kummer über den Verlust seiner Stelle durch die Revolution, im
Mai 1794« (Orgelstücke, Messen, Hymnen u. a.)
Checchi, geb. zu Pisa 1749, vollendete seine musikalischen Studien
unter Oraz. Mai, Kp.-M. zu Livomo, wo er auch femer verblieb. Er
hat viele Kirchen-Kompositionen geliefert.
Chenii, Marie Pierre, geb. den 8. Juli 1773 zu Paris, hatte
schon in seinem 16. Jahre eine Messe komponiert. Er versah zu Paris
teils im Theater, teils in der Kapelle des Königs die Stelle eines
Kontrabassisten, einige Zeit war er auch Organist. Er komponierte
ausser Instrumentalsachen, mehrere Messen, Motetten und andere
Kirchenstücke.
Chericl, Sebastiane, geb. 1647 bei Bologna, um 1684 Kp.-M.
zu Pistoja, dann an der Akademie dello Spiritu santo in Ferrara, ver-
öffentlichte zu Bologna mehrere kirchliche Musiken im Druck.
Chembini, Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore,
geb. 8. Septbr. 1760 zu Florenz, genoss Mhzeitig guten Musikunterricht,
so dass er in seinem 13. Jahre schon eine Messe mit grossem Beifall
zur Aufführung brachte. Der Orossherzog Leopold von Toscana, auf ihn
aufmerksam geworden, setzte ihm eine Pension aus, damit er seine
Studien unter Sarti zu Bologna vollenden könnte. Vier Jahre (1778—82)
blieb er bei diesem und erwarb sich tiefe Kenntnisse seiner Kunst,
welche allen seinen spätem Werken den Stempel der Gediegenheit auf-
drückten. Er begann hierauf eine rege Thätigkeit für die Bühne und
schrieb viele Opem, ging 1784 nach London, 1786 nach Paris, wo er
vom Jahre 1788 an immer, einigen Aufenthalt in Wien abgerechnet,
blieb. Sehr vorteilhaft wirkte auf ihn die nähere Bekanntschaft mit
den Werken Haydn^s und Mozart's, — seine Gedanken wurden tiefer,
seine Harmonie kühner, seine Instmmentation reichhaltiger. — Nach
der Eestauration der Bourbonen wurde er zum kgl. Kp.-M. ernannt u.
hatte als solcher die Musik in der Hofkapelle zu leiten, was seiner
bisherigen Thätigkeit eine veränderte Eichtung gab und ihn auf die
Kirchenkomposition hinleitete. Der ordinäre Dienst der kgl. Kapelle
bestand in einer stillen Messe, während welcher die KapeUmusiker Musik
zu machen hatten. Obwohl G. sich bei der Komposition derartiger Musik-
werke der Kürze befleissigte, so geschah es doch auch manchmal, dass
Ghiaula — Choron. 57
die Aufführung eines oder zweier solcher Tonstücke die Zeitdauer der
ganzen hl. Messe ausfüllte. Darin ist auch der Grund zu suchen, warum
unter C.'s Werken so wenig vollständige Messen sich finden. (Doch
schrieb er 11 grosse Messen, und die vereinzeinten Kyrie, Gloria etc.
machen auch 5 Messen aus.) Aus dieser Epoche seines Lebens stammen
seine 4 grossen Messen, ein Credo für 8 Stimmen, eine Litanei, ein
Eequiem für gemischten Chor und eines für dreistimm. Männerchor
(für seine Exequien), und viele andere kleine Stücke. 1821 ward er
Direktor des Konservatoriums in Paris, nachdem er schon vorher seit
1816 als Professor der Komposition daselbst fungiert hatte. Sein
Lehrbuch der Komposition u. der Fuge gab er 1835 heraus. Er starb
den 15. März 1842 zu Paris. Ein Kritiker sagt von seinen Werken:
„Li allem, was Cherubini geschrieben, stossen wir auf nichts Unedles,
geschweige denn Gemeines. Der höchste Adel herrscht in seiner Sclireib-
art. Seine Melodien verschmähen den blos sinnlichen Beiz; oft fliessen
sie in wunderbarer Einfachheit dahin, meistens werden sie aber von
den kunstvollen Harmonien getragen, in deren Kombination er den
grössten Tonsetzem ebenbürtig ist. — Seine Kirchenwerke zeichnen
sich aus durch Erhabenheit der Gedanken, Tiefe der Auffassung, Adel
des Ausdrucks, Reichtum der Harmonie und leuchtende Klarheit in allem
Polyphonen und Harmonischen." Sie sind Meisterwerke religiöser —
aber nicht kirchlicher Tonkunst, gleich denen Beethovens.
Ghiaula, M a u r u s , geb. zu Palermo um die Mitte des 16. Jhdts.,
trat 1544 in das Benediktinerkloster S. Martin daselbst u. zeichnete
sich durch seine musikalischen Kenntnisse sehr aus. Von seinen vielen
Kompositionen sind nur : „Sacrae cantiones, quae octo tum vocibus, tum
variis instrumentis chorisque conjunctis ac separatis concini possunt,^^
1590 zu Venedig im Druck erschienen. Überhaupt war er durch den
Satz für mehrere Chöre in ganz Italien berühmt. Er starb 1600.
Cbild, William, geb. zu Bristol 1605, wurde 1631 Baccalaureus
der Musik zu Oxford, später Organist an der S. Georgskapelle in Windsor ;
nach der Bestauration war er Singmeister an der königl. Kapelle u.
starb zu London 1696. Er komponierte vieles für die Kirche.
Chiti, Girolamo, trefilicher Tonsetzer der römischen Schule,
1726 zweiter, 1727 erster Kp.-M. an der Kirche S. Giovanni im Lateran
zu Bom, gest. 1759, hat zahlreiche Kirchenwerke hinterlassen.
Choron, Alexander Etienne, geb. den 2L Oktbr. 1772 zu
Ca6n, fing, da er vorher durch seinen Vater abgehalten worden war,
erst in seinen zwanziger Jahren an, sich mit Musik zu beschäftigen.
Er studierte fleissig die musikalischen Schriftsteller und erhielt in der
Harmonie von Abb6 Boze u. von Bonesi Unterricht. Er lernte selbst
die deutsche Sprache, um die deutschen Theoretiker Kirnberger, Mar-
purg und Albrechtsberger verstehen und würdigen zu können. 1805
wendete er sein Vermögen daran, klassische Werke eines Palestrina,
58 Christo — Chrysander.
Josquin, Jomelli, Leo imd Anderer herauszugeben und zu verbreiten.
Leider ward sein Eifer schlecht belohnt; diess Werk, sowie seine
„Principes de composition" fanden wenig Anklang. 1810 und 11 gab
er einen ,,Dictionnaire des Musiciens" heraus. Von 1812—16 beschäftigte
er sich vorzüglich teils als Leiter der Musik bei grossen politischen
u. kirchlichen Feierlichkeiten, teils mit der Reorganisation der kirch-
lichen Musikinstitute (Maitrises) an den verschiedenen Hauptkirchen
Frankreichs. Als er nach einjähriger Direktion der grossen Oper zu
Paris wieder von diesem Posten abtreten musste, gründete er eine
Chorgesangschule, aus der später das „Conservatoire de musique
cTassique et religieuse" hervorging u. wo die besten Kirchenkompositionen
der italienischen u. deutschen Meister aufgeführt wurden. Er hatte
auch eine neue Methode erdacht, grosse Chormassen leicht u. schnell
einzuüben. Ch. wird allgemein als einer der kenntnisreichsten Theo-
retiker, die Frankreich je gehabt, betrachtet. Er verfässte viele
Schriften: ausser den oben genannten Werken u. Sammlungen sind
noch zu nennen: „Methode 616mentaire de Musique et de Plain-chant,''
Paris, 1811; „Solföges 616mentaires," Paris, 1820; Bearbeitungen u.
Übersetzungen deutscher u. anderer musikalischen Schriften; Choral-
bücher, Vieles hat er blos angefangen, ohne es zu vollenden, indem
er oft einer neuen Idee, die ihm in den Sinn kam, mit Feuer sich hin-
gab u. mit fieberhaftem Eifer sie zu realisieren suchte, ohne erst das
Alte zur Vollendung gebracht zu haben. Mit Komposition beschäftigte
er sich weniger; was davon vorhanden ist, beschränkt sich auf Qesang-
übungen, einige Kirchenstücke u. Romanzen. Sein überaus thätiges,
der Kunst vollständig u. treu gewidmetes Leben endete den 29. Juni
1834 in Paris.
Christo, Fr. Joao de, ein portugiesischer Mönch; zu Anfang
des 17. Jhdts. zu Lissabon geb., u. gest. den 30. Juli 1654 zu Alcobaga,
wird als geschickter Organist u. Komponist genannt.
Christo, Fr. Luiz de, geb. 1635 zu Lissabon u. als KarmeUter-
mönch 1693 gestorben, war ein zu seiner Zeit sehr berühmter Organist
im Kloster Calgado. Auch bedeutende Kompositionen von ihm werden
namhaft gemacht.
Chrysander, Friedrich, geb. 8. Juli 1826 zu Lübtheen in
Meklenburg, studierte in Rostock Philosophie u. promovierte daselbst.
Nachdem er zuletzt längere Zeit in England verweilt hatte, nahm er
seinen dauernden Wohnsitz in Bergedorf bei Hamburg. Er ist einer
der verdienstvollsten Musikschriftsteller der Gegenwart. Er schrieb
eine Biographie von Fr. Händel (bis jetzt nicht vollendet), ist der
Mitbegründer der Händelgesellschaft in Leipzig u. besorgt die Redaktion
der von dieser veranstalteten „Händelausgabe." 1863 u. 1867 erschienen
von ihm zwei „Jahrbücher für musikal. Wissenschaft," in zwei Zeit-
räumen redigierte er auch die „Allgemeine Leipziger Musikzdtung**
Chrysostomus — Cima. 59
n. wiedemm ist er Mitredakteur der „Vierteljahrsschrift für Musik-
wissenschaft'* (Leipzig). In allen diesen Schriften findet sich vieles,
was auch f&r die Kirchenmusik, namentlich für die ältere, von
Bedeutung ist.
CbryHostomng, Johannes, der hl., im J. 344 zu Antiochia geb.,
empfing in seinem 23. Jahre, nachdem er seine Studien yoUendet und
eine geraume Zeit in der Einsamkeit mit Gebet, Betrachtung u. Stu-
dium der hl. Schrift zugebracht hatte, die hl. Taufe* Als er bald da-
rauf zum Bischof von Antiochien verlangt wurde, entfloh er zu den
Mönchen der Umgegend u. verblieb daselbst 8 Jahre in gänzlicher
Verborgenheit. Nach seiner Eückkehr 380 wurde er zum Diakon u.
386 von Bischof Fkvian zum Priester geweiht. Nun begann er seine
Thätigkeit im Predigtamte in so ausgezeichneter Weise, dass man ihm
den Beinamen „Chrysostomus" (Goldmund) gab. 397 wurde er auf den
Patriarchenstuhl von Konstantinopel erhoben, den er durch seine hohen
Tugenden, seine Heiligkeit u. seine Gelehrsamkeit in hohem Grade zierte.
Von da an war sein Leben bis zu seinem Tode 407 den 14. Septbr.,
eine ununterbrochene Kette der schwersten Trübsale u. Verfolgungen,
welche ihm seine Feinde bereiteten. Er starb in der Verbannung. —
Der heilige Johannes Chrysostomus that viel fttr den Gesang der Gläu-
bigen bei der Feier der hl. Geheimnisse; er soll den Antiphonalgesang
in Konstantinopel eingeführt haben, wie dies der hl. Ambrosius in
Mailand gethan. In seinen Predigten tadelte er oft die Missbräuche
u. jeden Unfug, der sich im hL Gesang eingeschlichen hatte, u. wies
stets darauf hin, wie die Gläubigen ihrem Gotte singen soUten.
Oiaja, Azzolino Bernardino della, geb. den 21. Mai 1671
zu Siena, wird als Komponist, Organist u. Orgelbauer gerühmt. 1733
vollendete er die Orgel von S. Stefano in Pisa, welche als eine der
vorzüglichsten in ganz Italien gilt.
Cifra, Antonio, geb. 1575 im Kirchenstaate, Schüler des Pale-
strina u. des altem Nanino, war zuerst Kp.-M. an der Jesuitenkirche
in Rom, dann in Loretto, worauf er von 1620—22 dieses Amt in der
Kirche S. Johannes im Lateran bekleidete; 7 Jahre stand er hierauf
in Diensten des Erzherzogs Karl; 1629 kehrte er wieder nach Loretto
zurück u. verwaltete sein früheres Amt bis zu seinem Tode. Von seinen
ausserordentlich vielen Werken, besonders für die Kirche, ist eine
grosse Anzahl Messen, Motetten (Ant. Poggiolo liess 1638 in Eom
10 Sammlungen „Concerti eccles." drucken, worin sich über 200 Motetten
C.*s befinden) Litaneien, Vespern, Psalmen u. dgl. in Druck erschienen.
Ihr Styl wird von Kennern gerühmt.
Cima, Giovanni Paolo, geh* um 1570, war von seinen Zeit-
genossen als Orgelspieler sehr geschätzt; er war Kp.-M. an der Kirche
S. Celso in Mailand u. besass eine vorzügliche Fertigkeit in der Kom-
position von E^anon's. Mehrere seiner Werke (4stimmige Motetten,
^
60 Cima — Clemens non papa.
Ricercate, Concerti eccles. von 2 — 8 Stimmen) sind in 3Iailand durch
Druck veröffentlicht worden.
Cima, T u 1 1 i 0 , geb. zu Boncilio zu Ende des 16. Jhdts., hinter-
liess einige Kirchenstttcke : Sacrae Cantiones, Magnificat etc. 2» 3, et
4 vocum, welche in Venedig in Druck erschienen.
Cinqa<^, Ermeng ildo, ein itaL Komponist aus der zweiten Hälfte
des lö. Jhdts., hat sich bekannt gemacht durch EantateUi Kirchenwerke
(Stabat mater, Dies irae etc.) u. weltliche Kompositionen für Instrumente.
Clairembaat, Louis Nicolas, geb. d. 19. Dez. 1676, Organist
an der Kirche S. Jakob daselbst, später zu S. Cyr u. Konzertmeister
der Frau v. Maintenon. Er starb 1749, nachdem er eine grosse Menge
Motetten, Kantaten u. EJaviersachen herausgegeben hatte.
Clari, Qiov. CarloMaria, geb. 1669 zu Pisa, war ein Schüler
des Giov. Paolo Colonna zu Bologna u. wurde dann Kp.-M. an der
Hauptkirche zu Pistoja. Sein Todesjahr ist unbekannt. Er hat viele
gute Kompositionen im geistlichen u. weltlichen Fache herausgegeben;
davon besitzt die Proske'sche Bibliothek: „Stabat Mater,** 4 voc. con
Violini e Viola mit der Jahrzahl 1744; „Lamentazione 2-da de Giovedi
Santo, a voce sola dl Soprano;" „Responsorie Mattutini delle Tenebre
al Triduo della Settimana maggiore, a 4 voc.**; mehrere Motetten,
7 Hymni a 4 voc; 6 ital. Duetten.
Ciaudianas, Ecdicius Mamertus, erst Mönch, dann Priester
und treuer Gehilfe seines Bruders Mamertus, welcher Bischof zu
Vienne war, lebte um die Mitte des 5. Jhdts. u. starb zwischen 470
u. 474. Er besass eine grosse Gelehrsamkeit u. Frömmigkeit, war
Dichter, Philosoph u. Theolog u. erwarb sich grosse Verdienste durch
Unterweisung des Klerus in der hl. Schrift, im kirchlichen Gesang und
in der Liturgik. Er wirkte auch als Hymnendichter; namentlich rührt
der schöne Hymnus : „Pange lingua gloriosi Lauream certaminis,** im
Officium des Passionssonntags nach äussern u. innem Kriterien von ihm,
nicht von Venantius Fortunatus her.
Clemens non papa, Jakob (sein eigentlicher Name ist J a q u e s
Clement) war einer der gepriesensten Komponisten des 16. Jhdts.
Er war in Flandern geboren u. wurde erster Kapellmeister Carrs V.
Bestimmtere Angaben über Zeit u. Art seiner Geburt, seiner Anstellung,
seiner übrigen Lebensumstände und seines Todes hat man nicht.
Dr. Proske hält als gewiss, dass C. das Jahr 1558 nicht überlebt habe.
— Er war einer der fruchtbarsten u. beliebtesten Komponisten der
vorpalestrinischen Zeit. Überall erschienen seine Werke in der präch-
tigsten typographischen Ausstattung, Sammlungen brachten am meisten
Werke von ihm u. nannten ihn mit dem Ehrenprädikate „Nobilis
Clemens non Papa.** Dieser Meister hatte sich in allen damals
gebräuchlichen Gattungen geistlicher u. weltlicher Qesangmusik versucht
u. bewährt. Sein Styl ist stets fliessend, einfach u. fasslich; getadelt
Cler'eau — Colin. 61
wird bloss, dass er manchmal die Imitation in die Breite zog n. es,
wie so viele seiner Zeitgenossen, häufig an korrekter Behandlung der
Texte fehlen liess. Seine vorzüglichsten Werke sind: Missae cum
4 voc, lib, I. — IX, Löwen 1558; Cantionum sacramm quatuor vocum
üb. I. — ^VII. Löwen, 1567; Chansons franfjaises ä 4 parties, Löwen 1569;
Missa defunct., Löwen 1580, Motetten in verschiedene Sammlungen
aufgenommen u. a. m.
Cler'ean, Pierre, ein franz. Komponist des 16. Jhdts., Vorsteher
der Singknaben bei der Kirche zu Toul, gab 1554 zu Paris 4 Messen
a 4 voc. heraus, welche er dem Herzog Claudius von Lothringen
dedicierte; in demselben Jahre erschien von ihm auch eine Ü^Iissa pro de-
fanctis mit 2 Motetten. Ersteres Werk bezeichnet er selbst als seine
Erstlingsarbeit. Sein Styl ist einfach und klar, harmonisch rein und
rhythmisch fast untadelig.
Clifford, Jakob, geb. zu Oxford, gest. zu London 1700 als
Kapellan der Paulskirche daselbst. Er gab eine Sammlung Anthems
heraus, worin sich interessante Details über die Kirchenmusik in Eng-
land u. Instruktionen für die Organisten finden.
Coceiola, Gix)v. Battista, geh, zu Yercelli am Ende des 16.
Jhdts., war Kp.-M. des Kanzlers von Lithauen, Leo Sapieha. (Sstimm.
Messe, Venedig 1612; Motetten von ihm finden sich in Bergameno's
„Pamassus musicus.^^)
Cochläas, Johannes, eigentlich Johann Dobneck geheissen
Doktor der Theologie u. Kanonikus zu Breslau, geb. zu Wendelstein
bei Nürnberg 1479 u. gest. zu Breslau d. 10. Jan. 1552, behandelte in
seinen Schriften auch musikal. Gegenstände, die fQr den GeschichtS'
forscher in der Musik von Wichtigkeit sind : „De musica activa," Cöln,
1507 (auf dem Titel nennt er sich Wendelstein); „Tetrachordum
musices etc." Nürnberg, 1512 u. 1520, worin er die Elemente des Can-
tus planus, der 8 Kirchentöne u. der Mensuralmusik behandelt; „Spe-
culum antiquae devotionis circa Missam et omnem cultum Dei," 1549 u. a.
Coclicns, Adrian, Schüler des Josquin des Pr§s, lebte im 16. Jhdt.
zu Nürnberg u. gab 1552 daselbst ein ,,Compendium musices" heraus
worin er unter andern 1) de modo ornate canendi, 2) de regula contra-»
puncti, 3) de Compositione handelt.
Colin, Jean, Priester und Musikmeister an der Kathedrale zu
Soissons, geb. zu Beaune u. gest. 1722 in einem Alter von mehr als
80 Jahren, arbeitete manches für die Kirche. (Missae 6 voc. ; „Ego flos
campi/* Paris 1688; Missa pro defünctis, 6 voc. Paris 1688.)
Coliiif Pierre Gilbert, Colinus oder Colinaeus, war
Kapellan am Hofe Franz I. von Frankreich u. wirkte von 1532—36 in der
kgl. Kapelle; er that sich auch als Komponist hervor. Messen von ihm
wurden gedruckt 1541 zu Lyon, 1544 zu Venedig; auch im Archiv der
päpstl. Kapelle finden sich Messen von ihm vor.
62 Colla — Contini.
CoUa, Vincenzo, Kp.-M. an der KoUegiatstiftskirche zu Voghera,
geb. um 1780 zu Piacenza, schrieb neben mehreren Kirchenwerken ein
theoret. Werk: „Saggio, teorico-pratico-musicale, ossia metodo di
contrappunto,'* Turin, 1819 u. 1830.
Colombani, Orazio, geb. zu Verona im 16. Jhdt., wird als
Kontrapunktist gerühmt. Werke von ihm sind : ,,Harmonia super yesperti-
nos omnium solemnitatum psCdmos, 6 voc. Yenedig 1576; Completorium
et cantiones, Brescia 1585 ; östimm. Te Deum, Madrigale u. Magnificate
zu 5—14 Stimmen.
Colonna, Gioy. Paolo, geb. um 1630 zu Brescia, einer der be-
rühmtesten Tonsetzer des 17. Jhdts., war in Bologna an der Kirche Yon
S. Petronio als Kp.-M. angestellt u. bekleidete auch die Stelle eines
Präsidenten der philharmonischen Akademie. Er errichtete eine Musik-
schule, aus welcher gute Tonkünstler, z. B. Buononcini u. a. herror-
gingen u. schrieb eine grosse Anzahl Kirchenwerke, Gestorben den
4. Dez. 1695.
Commer, Franz, geb. d. 23. Jan. 1813 zu Cöln, genoss daselbst
den Musikunterricht Leibls u. Jos. Klein's u. begab sich zur weitem
Ausbildung 1832 nach Berlin, wo er das Orgelspiel unter Bach, die
Komposition unter Eugenhagen studierte. 1844 erhielt er den Titel
„kgl. Musikdirektor,*' 1845 wurde er Mitglied der Akademie der Künste,
Chordirektor an der kathol. Hedwigskirche und Gesanglehrer an der
Elisabethschule, 1850 Lehrer und Eepetitor an der k. Theatergesang-
schule und Gesanglehrer an 2 Gymnasien. 0. ist auch Bitter einiger
Orden, Ehrenmitglied mehrerer musikal. Vereine etc. Von seinen
Kompositionen sind Messen, Motetten und andere Kirchensachen, viele
Lieder, Klaviersachen etc. in Druck erschienen. Auch veranstaltete er
die Herausgabe älterer Kirchenkompositionen, welche unter den Titeln
„Musica Sacra Saec, XVI.— XVII." (27 Bände), „Cantica sacra" und
„Collectio operum Musicorum Batavorum" erschienen ist. Er starb
17. Aug. 1887 zu Berlin.
Conrad, Benediktinermönch von Hirschau, um 1131, der sich aus
Demut in seinen Schriften „Peregrinus (der Fremde, Unerfahrene)"
nennt, Schüler des sei. Wilhelm, Abtes dieses Klosters, war in jeder
Wissenschaft sehr erfahren, er war Philosoph, Rhetor, Dichter und
Musiker und zudem ein ausgezeichneter Eeligiose; neben vielem andern
schrieb er auch ein Buch „de musica et differentia tonorum."
Conti, Angelo, geb. zu Aversa i. J. 1603, hat in Venedig in den
Jahren 1634—39 Messen, Motetten u. Madrigalen herausgegeben.
Contini, Giovanni, war 1550 Kp.-M. an der Kathedrale von
Brescia. Von ihm erschienen viele Kirchensachen zu Venedig 1550 u.
1565 in Druck: Madrigale, Introitus, Messen, Hymnen, Cantionen zu
vier u. mehr Stimmen.
Cordana — Costa. 63
Cordana, Bartolomeo, geb. 1700 in Venedig, gest. 14. Mai 1757
in Undine, trat sehr jung in den Franziskanerorden, verliess diesen
jedoch mit päpstlicher Dispens wieder, u. wendete sich der Opem-
komposition zu. 1735 ward er Kp.-M. am Dome zu üdine u. entwickelte
als solcher eine ungemeine Fruchtbarkeit in Kirchen-Kompositionen, von
denen yiele erhalten sind.
Corelli, Arcangelo, geb. im Febr. 1653 zu Fusignano bei Imola
im Bolognesischen, erhielt seinen ersten Unterricht in der Komposition
yon Matteo Simonelli, einem Sänger in der päpstlichen Kapelle, das
VioUnspiel studierte er bei Bassani u. bildete sich zum grössten Violin-
virtuosen seiner Zeit, — wenn nicht in der Technik, so stand er
gewiss durch bewundernswerte Manier, durch Schönheit seines Spiels
und wundervollen Tön Über allen. Als Komponist versuchte er sich
zuerst in Kirchensonaten für 2 Violinen u. Bass mit Orgelbegleitung,
worauf er vom Kardinal Ottoboni zum Dirigenten seiner Hauskapelle
ernannt wurde. Ausserdem erschienen noch mehrere Bände Sonaten
für verschiedene Instrumente und Violinkonzerte. Er lebte immer sehr
bescheiden u. zurückgezogen, seine Kompositionen haben aber der
Instrumentalkomposition einen mächtigen Anstoss gegeben; durch das
Fliessende, Ungesuchte u. Verständliche derselben wurde ein steifes
kontrapunktisches Wesen, welches bis dahin in den meisten musika-
lischen Produktionen sich bemerklich machte, gebrochen, u. die Instru-
mentalmusik wesentlich veredelt, f d. 18. Jan. 1713 zu Kom.
Cornet, Severin, geb. tun 1540 zu Valenciennes, studierte die
Musik in Italien u. wurde 1578 Singmeister der Chorknaben an der
Kathedrale zu Antwerpen. Von seinen Kirchenkompositionen erschienen
mehrere in Antwerpen gedruckt.
Corradini, Nicolö, Organist u. Kp.-M. an der Hauptkirche in
Cremona, geb. zu Bergamo zu Ende des 16. Jhdts.
Correa, Henrique Carlos, geb. den 10. Febr. 1680 zu Lissabon,
war Kp.-M. an der Kathedrale zu Coimbra u. schrieb viele Messen,
Motetten, Responsorien u. a. — Correa, Manuel, ein spanischer
Karmelitermönch, geb. 1625 zu Lissabon, wirkte als Kp.-M. an der
Kathedralkirche zu Saragossa.
Corsi, Bernardo, lebte zu Cremona; 1617 sind von ihm zu
Venedig 5stim. Psalmen u. Sstim. Litaneien, Antiphonen u. Motetten
erschienen. — Ein anderer Corsi, Giuseppe, war 1667 Kp.-M. an
S. Maria maggiore in Eom.
Cossoni, D 0 n a 1 0 , in der ersten Hälfte des 17. Jhdts. geb., war
Organist an S. Petronio in Bologna. Er hat eine bedeutende Anzahl
musikalischer Kirchenwerke hinterlassen. Von 1696-1700 war er
Kanonikus zu Qravedona am Commersee. f 8. Febr. 1700.
Costa, Andrea, geb. zu Lissabon, trat 1650 in den Trinitarier-
orden und fand eine Anstellung in der kgl. portugiesischen Hofkapelle.
64 Costantini — Coussemaker.
f den 6. Juli 1686 u. hinterliess den Kuf eines vortreiflichen Harfen-
spielers u. Kirchenkompositeurs.
Costantini, AlessandrOj (Constantini) war in Born geb. und
daselbst an der Kirche S. Giovanni dei Fiorenti als Ep.-M. u. Organist
angestellt. Ausser yerschiedenen wertvollen Stücken in den Samm-
lungen des Fabio Costantini hinterliess er ein Motettenwerk für 1, 2
u. 3 Stimmen mit Orgelbegleitung, 21 Stücke enthaltend.
Costantini, Fabio, 1560 in Eom geb., war zuerst Ep.-M. in
Ancona, dann zu Orvieto, später an der Kirche S. Maria in Trastevere
zu Rom, worauf er wieder nach Orvieto zurückkehrte. Er gehörte der
römischen Schule an u. nach seinen wenigen Originalkompositionen zu
schliessen, war er nach dem Urteile Proske's vollkommen in den Geist
derselben eingedrungen. Er gab 4 Sanmilungen von Eirchenstücken
der besten römischen Meister von 1614—1618 heraus, worunter nur
weniges von seiner eigenen Eomposition ist« Biese Anthologien sind
als wahre Muster klassischer Auswahl zu preisen und es hat C. da-
durch einen wahrhaft geläuterten Geschmack und die gründlichste
Eunsteinsicht bewährt. Ausserdem sind 1596 u. 1618 von ihm Motetten,
Psalmen u. Magnificate zu 8 Stimmen herausgekommen.
Costanzi, Giovanni, auch Gioanino di Roma genannt,
weil er zu Rom geboren war, stand erst in Diensten des Eardinals
Ottoboni, u. wurde 1755 Ep.-M. an der St. Peterskirche, als welcher
er d. 5. März 1778 starb. In der Archiven der päpstl. Eapelle werden
16stim. Motetten von ihm aufbewahrt.
Cottonins, Joannes, wahrscheinlich ein Benediktinermönch des
Elosters AfFlighem bei Brüssel, am Anfange des 12. Jhdts. Seinen
vorzüglichen Traktat „De Musica** veröffentlichte Gerbert im IT. Bande
seiner Scriptores; übersetzt steht er im „Eirchenmusikal. Jahrbuch"
von F. X. Haberl 1888.
Cotnmacci, Carlo, geb. 1698 zu Neapel, studierte Musik unter
Ales. Scarlatti u. wurde Nachfolger des Durate als Ep.-M. am Eonser-
vatorium S. Onofrio. Er war guter Orgelspieler u. Eirchenkomponist
u. verfasste zwei theoretische Werke: „Regole dell* accompagnamento"
u. „Trattato di Contrappunto." f 1775 in Neapel.
Courtois, Jean, ein franz. Eomponist, lebte um die Mitte des
16. Jhdts. In mehreren Sammlungen u. auf der Münchener Bibliothek
finden sich Messen u. a. Seine Werke soUen gut gearbeitet sein.
Coussemaker, CharlesEdmond Henride, geb. zu Bailleul
(Dep. du Nord.) d. 19. April 1795, trieb schon in seiner Jugend die
Musik eifrig, besonders aber während seiner juristischen Studienzeit
zu Paris unter Reicha u. als Anwalt zu Douai unter Lefäbvre. Neben
seiner Bemfsthätigkeit als Friedensrichter an mehreren Orten trieb er
nun auch musikalisch-litterar. u. historische Forschungen. Durch seine
unermüdlichen Forschungen u. Veröffentlichung derselben hat er der
Cousu — Crivelli. 65
Musikwissenschaft die grössten Dienste gelßistet u. neben Gerbert
steht er in dieser Beziehung unerreicht da. Seine Hauptwerke sind:
a) Memoire sur Hucbald, 1841; b) Notices sur les collections musicales
de la bibliotheque de Cambrai et des autres villes du d^partement du
Nord, 1843; c) Histoire de FHarmonie ou moyen-age, 1852; d) Scriptorum
de musica medii aevi, nova series a Gerbertina altera, 4 Bände, 1864—75 ^
e) L'art harmonique aux XII« et XTTT« si^cle, 1865 ; f) Les harmonistes
des XII. et XTTT. siöcles, 1865; g) Drames liturgiques du moyen-äge,
1860; h) Oeuvres complötes du Trouv^re Adam de Haies, 1875. Ausser-
dem verfasste er noch eine Menge Artikel, die in verschiedenen gelehrten
Zeitschriften niedergelegt sind. Er starb als Richter des CivU-Gerichtes
zu Lille am 10. Jan. 1876. (vgl Cäcilienkalender von F. X. Haberl', 1877).
Consn, Jean, zu Anfang des 17. Jhdts. lebend, war erst Sänger,
dann Kp.-M. zu Noyon, u. wurde zuletzt Kanonikus zu S. Quentin.
Er hat den Euhm eines guten Theoretikers und Komponisten. Er
schrieb ein Werk „La musique universelle, contenant toute la pratique
et toute la th^orie," von welchem bis jetzt nur ein unvollständiges
Exemplar aufgefunden wurde, worin nach F6tis Versicherung die mu-
sikalische Kunst nach ihrem Stande im 17. Jhdt. aufs Klarste und
Methodischste abgehandelt ist.
CozzI, Carlo, geb. zu Parabiago im Mailändischen, war in seiner
Jugend Barbier, verliess aber diesen Stand bald u. schwang sich durch
Fleiss und Talent zu einem angesehenen Meister der Musik auf.
Von der Königin von Spanien erhielt er den Titel eines Hoforganisten.
Er starb als Organist in Mailand 1658 oder 59.
Cozzolani, Ohiara Margherita, trat 1620 in das Kloster der
Benediktinemonen von S. Badegonda in Mailand u. wird als gewandte
Komponistin gerühmt. Von ihren Werken sind gedruckt^: „Primavera
di Fiori musicali, a 1, 2, 3 e 4 voci," (Venedig 1642) ; Scherzi di sacra
melodia,^' (Venedig, 1648); „Salmi a otto voci concertante, con motetti
e dialoghi, a 2, 3, 4, .5 e 6 voci," (Venedig, 1650).
Greqnilloii, Thomas, ein niederländischer Kontrapunktist, welcher
bei seinen Lebzeiten eines grossen Bufes sich erfreute, war geboren
um 1520, u. wurde nach Nik. Gombarts Tode Kp.-M. am Hofe Kaiser
Carls V. In Druck erschien sehr vieles von ihm, u. a. eine 6stimmige
Messe über das Chanson: „Mille regrets," u. „Cantiones sacrae 5 et
8 voc.**, Löwen 1576. Auch in mehreren Sammelwerken finden sich
Kompositionen von ihm.
Crivelli, Arcangelo, geb. zu Bergamo um die Mitte des 16. Jhdts.,
war 1583 Tenorist in der päpstl. Kapelle; von seinen Kompositionen
sind einige von Costantini in seine „Selectae cantiones'^ aufgenommen.
— C. Dominico, ein Sohn des ausgezeichneten italienischen Tenoristen
C. Gaetano, war geb. 1791 zu Brescia, kam frühzeitig nach Neapel,
wo er im Konservatorium di S. 0 n o f r i o die Komposition studierte,
KornmGllcr, Lexikon. II. Bd. 5
66 Crooe — Czemohorsky»
1812 aber nach Born, wo er sich unter ZingareUi weiter ansbildete,
n. wurde zuletzt Professor am Regal collegio di Musica in NeapeL
Er schrieb neben profanen Tonstttcken auch Kirchensachen.
Croce, Qiovanni, (Jo. a Grucej geh, zwischen 1557 u. 1559 zu
Chioggia bei Venedig, genoss in der blühendsten Epoche dervenetianischen
Schule den Unterricht des grossen Zarlino. Mit den edelsten G^istes-
u. Qemütsanlagen ausgestattet, verband er eine unermüdliche Schaffens-
lust u. errang sich dadurch die höchste Auszeichnung, welche ihm
seine Vaterstadt bieten konnte. Er war Priester u. als solcher an der
Kirche S. Maria Formosa in Venedig angestellt, zugleich Kontra-
altist. 1593 wurde ihm der Qesangunterricht der Singknaben zu
S. Marco übertragen; mit dieser Funktion scheint ihm zugleich der
Titel eines Vicekp.-M. zu teil geworden zu sein. 13. Juli 1603 tr^t
er nach dem Tode des Kp.-M. von S. Marco, Balth. Donato, an dessen
Stelle, welche Stelle er bis zu seinem Tode, 15. Mai 1609, verwaltete.
Seine Werke (5-, 6- u. Sstim. Messen, Motetten, Psalmen, Cantiones
sacrae u. s. w.) s. bei Fetis u. im KMus. Jahrbuch von Haberl 1888.
Dr. Proske sagt von ihm: „Unter den grossen Tondichtem der Schule
Venedigs kenne ich keinen, welcher mit solcher Innigkeit,. Zartheit u.
Wärme zu singen, den Ernst kirchlicher Kunstanforderung so zu
mildem u. gleichsam mit heiliger Schönheit zu verklären gewusst, wie
dieser Meister, dessen persönlicher Charakter nach dem Zeugnisse
Mitlebender überaus edel u. liebenswürdig gewesen, u. dessen Werke
noch lange nach seinem Tode, bei bereits erfolgter Umgestaltung der
Kirchenmusik, mit grösstem Beifall gehört wurden.*'
Cmciati, Mauricio, Kp.-M. an S. Petronio in Bologna um 1660,
war ein seiner Zeit sehr geschätzter Komponist.
Cybnlowsky, Lucas, Chordirektor an der Dekanatskirche zu
Prag 1617, hat sich durch eine grosse Menge von Kirchenstüeken
bekannt gemacht, die als Manuskripte in den böhmischen Earchen
zerstreut sind.
Czernohorsky, Bohuslaw, aus Niemburg in Böhmen gebürtig,
war zuerst an einer Kirche zu Padua alB Eegenschori angestellt, und
erhielt auf dortiger Hochschule den „Gradum musicae magistri."
Zwischen 1720 u. 1740, in welch* letzterem Jahre er auf einer Reise
nach Italien gestorben sein soll, findet man ihn als Minoritenmönch u.
Chordirektor an der St. Jakobskirche zu Prag. Seiner Zeit galt er als
der bedeutendste böhmische Tonkünstler u. sein Orgelspiel, sowie seine
vielen Kirchenkompositionen, von denen beim grossen Brande in Prag
1754 fast alle verloren gegangen sind, wurden ungemein hoch gehalten.
Die noch übrige, in mancher Prager öffentlichen u. Privatbibliothek
vorhandene Motette „Laudetur Jesus Christus,** rühmt Laurencin als
ein Unikum aller altem Gesangsfagen, als ein Gebilde, welches nach
und nach zu einer der seltensten Fughe a tre sogetti emporwächst, die
Czerny — Daser. 67
in der yor-Bach'Bchen Zeit zu finden ist. Unter seine Schüler zahlen
Seegert, Zach und Tuma.
Csemy, Dominik, geb. zn Niembnrg in Böhmen d. 30. Okt. 1736,
ein Minorit, wurde 1760 Ghordirektor an der St. Jakobskirche in Prag,
starb aber schon d. 2. März 1766. Seine Kompositionen wurden zu
ihrer Zeit sehr geschätzt, blieben aber Manuskript. — C. Sanctus,
geb. 1734 in Böhmen, trat in den Orden der Barmherzigen Brüder u.
war schon damals sehr geschickt im Orgelspiel. Er wurde seiner Zeit
hochgeschätzt u. starb d. 26. November 1775, ohne von. seinen zahl-
reichen Kirchenkompositionen etwas durch den Druck veröffentlicht
zu haben.
D.
Dankertft, Ghiselin, niederländ. Kontrapunktist des 16. Jhdts.,
geboren zu Tholen (Zeeland) ward (als Kleriker von Leyden) 22. März
1538 als Sänger in die päpstl. Kapelle aufgenommen u. verblieb da
bis 1565, in welchem Jahre er pensioniert wurde. Von seinen Kompo-
sitionen sind zwei Bücher 4 — 6stim. Motetten (1559) erhalten, einige
finden sich in Sammelwerken, die vallieell. Bibliothek bewahrt einen
Traktat über die antiken Klanggeschlechter (Mskr.) u. einen Schied-
richterspruch.
Danzi, Franz, geb. d« 15. Mai 1763 zu Mannheim (nach andern
zu Schwetzingen), erhielt von seinem Vater, welcher als Violoncellist
in der kurpfölzischen Kapelle angestellt war, den ersten musikalischen
Unterricht. Später machte er erst unter Vogler's Leitung ernstere
theoretische Studien. 1778 ging er, als die Mannheimer Oper und
Kapelle nach München versetzt wurde, auch dahin u. komponierte
vieles für die Bühne. Nach mehrjährigen Kunstreisen kehrte er nach
München zurück u. erhielt daselbst im J. 1796 die Stelle eines Vice-
Hofkp.-M. 1807 ward er Kp.-M. in Stuttgart, dann in Karlsruhe, wo
er am 13. April 1826 starb. Neben seinen weltlichen Kompositionen
existieren noch geistliche Werke: Messen, Vespern, Te Deum u. dgl.,
welche teilweise in München durch Lithographie veröffentlicht wurden.
Obwohl kein Künstler erster Grösse, besitzt er doch den Euhm
eines soliden u. geschickten Musikers, dem schöne u. wahre Empfindung
u. gefühlter Ausdruck nicht abzusprechen ist. Seine Kirchenwerke
tragen den Stempel der Zeit.
Daser, Ludwig, war bayerischer Hofkp.-M. von 1557—1562,
Vorgänger von Orlando Lasso. Von seinen Kompositionen erschien
■eine vierstimmige Passion 1578 in Druck, im Manuskript befinden sich
5*
68 David — Dei.
in , der Münchener Bibliothek Messen, Motetten n. a. zu 4, 5 und
6 Stimmen^ Er wurdö 1562 pensioniert u. starb 1589. — Ein anderer
Ludwig D. soll um dieselbe Zeit Ep.-M. des Herzogs von Wfirttem*
berg gewesen sein.
David, der Sohn Isais, Königs in Israel, vermochte in seiner
Jugend schon an den Hof Königs Saul gerufen durch seinen Gesangs
u. sein Saitenspiel dessen Schwermut u. Trübsinn zu bannen. Als er
König geworden war, hob er die hebräische Musik, zum höchsten Grad
ihrer Ausbildung, sowohl durch Verbesserung der Instrumente als durch
Yermehrung des Sängerchors. Seine Psalmen yerewigen ihm den Buhm
eines gottbegeisterten, vorzüglichen Dichters.
Dedler, Bochus, geb. 1779 zu Oberammergau (in Oberbayem)
besfann seine wissenschaftlichen u. musikalischen Studien im Kloster
Baitenbuch u. setzte sie am Lyceum in München fort. 1802 wurde
er Lehrer, Chorregent u. Organist in seinem Geburtsorte. Mit P.
Weiss arbeitete er das berühmte, Passiönsspiel, das alle 10 Jahre zur
Aufführung kommt, um; jener bearbeitete den Text, D. aber versah
ihn mit neuer, würdig gehaltener Musik. Ein Lungenleiden setzte 1822
seinem Leben ein baldiges Ziel.
Dehelia, Yincenzo, Kp.-M. an der Kirche S. Pietro in Palermo
im 17. Jhdt.
Dehn, Siegfried Wilhelm, Musikgelehrter u. Theoretiker,
geb. den 25; Febr. 1799 zu Altena, studierte von 1819—23 an der Uni-
versität Leipzig die Bechtswissenschaft, betrieb aber dabei eifrig die
Musik. Dann wendete er sich vorzüglich auf den Bat Bernhard Klein's
ganz der Tonkunst zu. 1842 wurde er als Gustos der musikalischen
Abteilung der kgl. Bibliothek in Berlin angestellt. Einige Zeit war
er als Gesanglehrer am Domchor thätig, trat aber bald wieder
zurück. 1849 erhielt er den Titel „Kgl. Professor** und 1853 den
belgischen Leopoldorden; auch zum Mitglied mehrerer Akademien wurde
er ernannt. Am 12. April 1853 verschied er plötzlich durch einen
Schlaganfall. — Von Kompositionen veröffentlichte er nichts; von seinen
musikal. Schriften erschienen: „Theoret.-prakt. Harmonielehre etc.'*
Berlin 1840 (1859); „Lehre vom Kontrapunkt, dem Kanon und der
Fuge,** Berlin 1858 (von seinem Schüler Scholz herausgegeben);
„Analysen dreier Fugen Bach's und einer Yokaldoppelfuge von M. A.
Buononcini,** Leipzig 1858. Femer besorgte er eine neue Ausgabe von
Marpurg's „Abhandlung von der Fuge,** Leipzig 1858; eine Über-
setzung von Delamotte's „Notice biographique sur Boland de Lattre,*^
Berlin 1837, sowie die Herausgabe einer „Sammlung älterer geistlicher
und weltlicher Musik aus dem 16. und 17. Jhdt.** (12 Hefl^ie^Berlin
1837) u. a. m.
Dei, Silvio, Kp.-M. an der Kathedrale von Siena, geb. daselbst
1748, widmete sich ausschliesslich der Kirchenkomposition.
D.emantius — Diebold. 69
Demantias, Christoph, 1567 zu Eeichenberg^ geb., wirkte von
1696 an als Kantor in Zittau, von 1607 an als solcher in Freiberg,
wo er 20. April 1643 sein Leben beschloss. Die gründlichste Bildung
im Kontrapunkt u. ausharrender Fleiss in allen Zweigen musikalischen
Schaffens lassen in ihm eraen der gediegensten Künstler seiner Zeit
«kennen, wovon seine theoretischen u. zahlreichen praktischen Arbeiten
den voUgiltigsten Beweis ablegen. Er komponierte in allen damals
üblichen Musikgattungen; eine namhafte Anzahl von Kompositionen
fertigte er Über lateinische Kirchentexte. („Triades Sioniae Introituum,
Missarum et Prosarum,** 5, 6, 7 et 8 Vocibus, Freibergae 1619.
„Trias Precum Vespertinarum,** Norimbergae 1602 etc.)
Dentice, Fabricio,* in Keapel geboren, genoss daselbst seine
erste musikalisehe Bildung ; er gehört unter die besten Meister der
neapolitanischen Schule; jedoch scheint sein Aufenthalt in Rom, wo er
in der zweiten Hälfte des 16. Jhdts. blühte, nicht ohne Einfluss auf
seine weitere Bildung gewesen zu sein. Er war auch berühmt als
Lautenspieler u. Komponist für sein Instrument. 15dQ erschienen von
ihm in Venedig fünfstimmig& Motetten, welche besonders seine Meister-
schaft kund thun; ausserdem bewahrt das Archiv der sixtinischen
Kapelle noch mehrere Kompositionen von ihm.
Deregt8> Gaudenzio, geb. 1747 zu Agnona bei Vercelli, und
Kp.-M* zu Ivrea, wo er 1816 starb, hinterliess Kirchenkompositionen
im Mskpt. — Sein Vetter L u c c a D., geb. 1748 zu Agnona, studierte
Musik zu Bologna u. starb 1805 als Kanonikus u.. Kp.-M, zu Borgo-
Sesia. Er komponierte Kirchensachen.
Diabelli, Anton, geb. 6. Sept. 1781 zu Mattsee im Salzburgischen,
hatte von seinem Vater schon musikal. Unterricht erhalten. Nachdem
er in München nebeii den Wissenschaften audi fleissig Musik betrieben
hatte, trat er in seinem 19. Jahre in's Gisterzienserkloster RaitenhaS"
lach, von wo er seine Kompositionen an Michael Haydn in Salzburg
sandte. Bei der 1803 erfolgten Säkularisation der Klöster in Bayern
musste er Raitenhaslach verlassen; er gab seinen Entschluss, Priester
zu werden, auf, u. begab sich nach Wien, wo er durch Empfehlungen
an Joseph Haydn bald ein genügendes Auskommen fand. 1818 associerte
«r sich mit dem- Musikverleger Gappi, fährte aber seit 1824 die Musik-
handlung allein, welche er später an C. A. Spina verkaufte. Er hat
in den verschiedensten Gattungen komponiert und eine grosse Anzahl
Arrangements fremder Erzeugnisse angefertigt. Auch für die Kirche
schrieb er viel; doch ist sein Styl viel zu leicht, zu lustig u. heiter,
um auch von ferne kirchlich heissen zu können. Sein Tod erfolgte zu
Wien am 7. April 1858.
Diebold, Johann, geb. 26. Febr. 1842 in Schlatt bei Hechingen
am Fuss des HohenzoUer, erhielt Mhzeitig von seinem Bruder, welcher
wie sein Vater Lehrer war, gründlichen Unterricht in Gesang und
'1?'
70 Dietgerus — Dietz.
Klavierspiel, welcher noch durch fürstl. hohenz. Hofinnsiker yervoU-
koxnmnet wurde. 17 Jahre alt kam er in*s Schallehrerseminar zq
Brflhl a. Eh., -wo er sich der besondem Aufmerksamkeit M. Töplers
zn erfreuen hatte. Nach wenigen Jahren Schuldienst ward er, al»
Musiker hochgeachtet, von dem seL Johann Schweitzer an die kirchL
Musikschule in Freihurg i* Br. berufen u. übernahm alsbald auch die
Leitung des Kirchenchores an St. Martin daselbst, in welcher Stellung^
er bis heute verblieb, obwohl schon ein Buf ans Lehrerseminar in Metz
u. and Konservatorium in Strassburg ergangen war. Von B/s, oft
umfangreichen Kirchenwerken sollen nur genannt sein: Missa „Te
Detim^* (4 Auflagen), 400 Orgelstücke, Miserere, Cantus sacri ad I.
Noct. Tridus sacri (1882), 70 Cantus sacri fär ausserlit. Gottesdienst,
10—12 Messen für gemischten u. Männerchor, bes. Missa „Adoro te^^
u. „0 sanctissima*'; die Missa Jubilaei Papal. hat ihm eine hohe x>apstl.
Anerkennung seiner Verdienste eingetragen; der „Festorganist." Von
weltlichen od. religiösen Kompositionen seien hervorgehoben: „Glöck-
leins letzter Abendklang" u. „Deutscher Psalm 37/* beide gross-
angelegte, überall aufs günstigste beurteilte Werke; ob ersterem ward
dem Kompositenr eine besondere Auszeichnung vom Fürsten von
Hohenzollem zu teil. Viele Arbeiten D.*s finden sich in Sanimelwerken,
nicht wenige seiner Werke für Männer- oder gemischten Chor sind
noch ungedruckt. Gottschalg schreibt über „Psalm 37* : „Diese Psalmen-
dichtung ist unstreitig eine der hervorragendsten, welche die Neuzeit
hervorgebracht hat.** Auch Dr. Liszt rechnet D.'s Werke zu den vor-
züglichsten Kirchenmusikwerken. „Sie halten sich, sagt er, getreu an di»
Tradition Palestrina^s u. Lasso*s ohne deren lei^e Knechtschaft."
Dietgerus oder Theogerns, Mönch zu Hirschau, dann Abt zu.
S. Georg im Schwarz wald, zuletzt Bischof von Metz, um 1118, schrieb
einen Traktat über Mudik, der in den Script. Gerberti 11. Bd. ent-
halten ist.
Dietrich, S i x t u s , deutscher Kontrapunktist, zwischen 1490 u. 95
zu Augsburg geboren, verlebte seine Jugendzeit zu Freiburg i. Br.»
kam 1517 nach Strassburg u. 1518 als Schulmeister nach Koni|tanz.
1540 besuchte er noch die Universität Wittenberg, ohne seine Stellung
in Konstanz aufzugeben. 1558 zog er sich nach St. Gallen zurück,
wo er d. 21. Nov. desselben Jahres starb. Von seinen Werken sind
bekannt: ein Buch Magnifikat's (1535), zwei Sammlungen 4stimm.
Antiphonen (1541« 1545), einzelne Stücke finden sich in andern
Sammlungen z. B. in Glarean's Dedachordon«
DietZt Sebastian, geb. 1711 zn Neuhaus im Bambergisohen»
ward nach vollendeten Studien Informator in einem gräfl. Hause, nach
dem Tode des Chorregenten Obermüller zu Wasserburg a. Inn ehelichte
er 1737 dessen Witwe u. ward dessen Nachfolger als Chorregent tu
Schullehrer. Er widmete sich mit allem Eifer seiner Kunst und der
Dillen — Donfridus. 71
Jugendbildnng a. verhalf vielen Jünglingen durch seinen üntemcht
in Musik u. Sprachkenntnissen zn Glück u. Ansehen z. B. Prof. Schlett
in München (s. d.). Er komponierte auch vieles: Messen, Vespern,
Litaneien, Schauspiele, wovon sich aber weniges erhalten zu haben
scheint. Lipowsky führt als gedrucktes Op. I. an : „Alphabetarius Musicns
exhibens YII Missas solemn. in claves ordinarias distributas et secundum
stylum modemum attamen ecclesiasticum elaboratas/* (Augsburg 1753);
in ,Mskr. besitze ich eine Litanei nebst Salve fiegina. Ec starb
19. Nov. 1793.
Dillen, Wilhelm, ein belgischer Komponist» war zu Anfang des
17. Jhdts. Kp.-M. an dem Dome zu Padua. 1622 veröffentlichte er zu
Venedig eine Sammlung von 5-, 6- und 12-8timmigen Messen.
Dimta, Agostino, ein Augustinermönch, geb. zu Ende des 16.
Jhdts., war zuerst Xp.-M. zu Asola in der Lombardie, 1622 zu Born
in einem Kloster seines Ordens, zuletzt in Perugia. Er komponierte
u. edierte viele Kirchensachen. (Messen zu 5 Stimmen, Venedig 1622;
— Litaneien zu 4, 5 u. 6 Stimmen, Born 1631). — Dessen jüngerer
Bruder D. Girolamo, geb. zu Perugia um 1560, war Organist an
der Kathedrale zu Chioggia u. gab ein theoretisches Werk mit dem
Titel: „H Transilvano," heraus. (Venedig 1615, 1622, 1639>)
Divitis» Antonius, Kapellsänger Ludwig des XII. um die Zeit
von dessen Tod (1515) einer der bedeutendsten französ. Kontrapunk-
tisten dieser Zeit. Von seinen Werken sind nur wenige in Sammlungen
u. auch handschriftlich erhalten.
Domart oder Domarto, ein berühmter französ. Kontrapunktist
aus der ersten Hälfte des 15. Jhdts., wahrscheinlich in der Pieardie
geboren.
Donati, Baldassaro, Kp.-M. am S. Marco in Venedig, lebte
in. der zweiten Hälfte des 16. Jhdts. u. war der Nachfolger Zarlino's
in diesem Amte. Er starb im Juni 1603.
Donati, I g n a z i o , geb. zu Casale Maggiore bei Cremona gegen
Ende des 16. Jhdts., war zuerst Kp.-M. der Akademie S, Spirito zu
Ferrara (1619), dann in seiner Vaterstadt u. zuletzt am Dom zu Mai-
land seit 1633. Sein Todesjahr ist unbekannt. Er gab heraus: ein
Buch 1— 5stim. Motetten (1612), zwei Bücher 2—5 Concerti ecclesiast.
(1617, 1619), zwei Bücher 4— 6stimmiger Messen (1618), zwei Bücher
5— 6stim. Motetti concertati (1626, 1627), ein Buch Motetti a voce sola
mit Basso continuo (1626), Psalmen u. a.
Donfridns, Johannes, Schulrektor zu Bothenburg am Nekar u.
zugleich Musikdirektor an der dortigen Martinskirche in der ersten
Hälfte des 17. Jhdts., erwarb sich namentlich durch Herausgal^e
mehrerer Sammlungen von Kirchenkompositionen guter Meister viele
Verdienste. „Proptuarium mi^sicum," Strassburg, 1622—27; „Viridarium
Musico-Marianum,'* mehr als 2(X) Concentus eecles. für 3 u. 4 Stimmen
72 Doni — Drechsler.
enthaltend, Strassburg, 16'^7; „CoroUa musica," 37 Messen fttr 1, 2, 3,
4 n. 5 Stimmen enthaltend, Strassbnrg, 1628; auch hat man von ihm
eine Sammlung von Orgelstücken unter dem Titel „Der Tabulator für
Orgel," 3 Teile, Hamburg, 1623.
Doni, Antonio Francesco, geb. zu Florenz um 1519, trat
sehr jung in den Servitenorden, den er 1539 wieder verliess. Nach
vielfachem Wechsel seines Aufenthaltsortes kam er 1548 nach Venedig,
wo. er bis zu seinem Tode, im September 1574, verblieb. Von seinen
Kompositionen ist nichts mehr vorhanden, von seinen zahlreichen
Schriften nur weniges. („Dialoghi della Musica," Venedig 1544 und
„Libraria," ebendas. 1550, 1551 u. 1560.)
Doni, Giovanni Battista, ein edler Florentiner, geb. 1593,
erlangte 1618 in Pisa die Doktorwürde in der Kechtswissenschaft, auch
in den Naturwissenschaften, den oriental. Sprachen u. in der Philologie
war er wohlerfahren. 1627 erhielt er in Born die Stelle eines Sekretärs
des heü. Kollegiums. Bald nachher folgte er dem Kardinal Barberini
nach Frankreich, wo er einige Zeit verblieb. 1641 riefen ihn Familien-
verhältnisse wieder nach Florenz zurück, wo er sich verheiratete
u. die Stelle eines' Professors der Rhetorik annahm. Er starb 1647,
nachdem er auch Mitglied der florentinischen Akademie u. der della
Crusca geworden war. Seine vielen Schriften, worin er grösstenteils
die Musik der Alten behandelt, haben für den Musikhistoriker grossen
Wert. Von seinen Schriften wurde in Florenz 1773 eine Ausgabe in
2 Foliobänden veranstaltet.
Dragoni, Giovanni Andrea, geb. zu Meldola im Kirchenstaate
um 1540, ein Schüler Palestrina's, wurde 1576 Kp.-M. an S. Johann
im Lateran, welche Stelle er bis zu seinem Tode 1598 inne hatte.
Er zählt zu den vortrefflichsten Kontrapunktisten der röm. Schule.
Draad oder Draudias, Georg, geb. zu Davemheim in Hesseut
den 9. Jan. 1573, ward 1599 Prediger zu Gross-Carben, 1625 zu
Davemheim, von wo er aber wegen der Kriegsunruhen nach Butzbach
flüchtete; daselbst starb er 1635. Seine „Bibliotheca classica,** die 1611
erschien (16^5 in zweiter Auflage), seine „Bibliotheca exotica (1625),
wie auch „Bibliotheca librorum germanicorum classica" (1625) sind eine
Hauptquelle für die musikal. Litteratur des 15., 16. u. 17. Jhdts.
Drechsler, Joseph, geb. den 26. Mai 1782 zu WällischBirken
in Böhmen, war als Knabe Sänger bei den Franziskanern in Passau,
studierte dann im Kloster Formbach die Humaniora wie auch den
öeneralbass u. den Kontrapunkt. 1814 wurde er zum Kapellmeister-
adjunkten am Hofopemtheater in Wien ernannt, zugleich ward er auch
Kp.-M. an der Universitätskirche u. an der Hof-Pfarrkirche. Um diese
Zeit begründete er die Professur der Harmonielehre an der St. Anna-
schule zur Ausbildung der Schulkandidaten in der Musiktheorie, wie
im Orgelspiel. 1822 trat er das Kapellmeisteramt bei der Leopoldstätter
1 *
Dreyer — Duguet. 73
Bühne an. 1844 ward er Ep.-M. am Stephansdom. Er starb zu Wien
27. Febr. 1852 u. hinterliess neben vielen weltlichen Musikwerken auch
vieles für die Kirche.
Dreyer, Johann Melchior, geb. 1765 zu Ellwangen u. zu Anfang
des laufenden Jhdts. als Organist daselbst gest., war ein fruchtbarer
Kirchenkomponist. Viele seiner Kirchensachen sind im Druck erschienen
u. waren lange Zeit in Süddeutschland auf allen Chören einheimisch.
Drobisch, CarlLudwig, geh« d. 24. Dez. 1803 zu Leipzig,
gest. als freiresignierter Kp.-M. der evangel. Kirche S. Anna zu Augs-
burg d. 20. Aug. 1854. Die Liebe zur Musik erwachte in ihm erst im
Jünglingsalter u. zwar so heftig, dass er ihrer Pflege alle freie Zeit
widmete. Ohne Unterricht eines Lehrers, blos durch Selbststudien
brachte er es dahin, dass er kleinere Werke komponierte. Gründlichen
u. geregelten Unterricht in der Harmonielehre u. im Kontrapunkt
erhielt er erst in Leipzig, als er 1821 die Universität bezog. 1826 kam
«r nach München, wo es ihm so sehr gefiel, dass er bis 1837 fast
immer daselbst verblieb. An Ett sich anschliessend, studierte er auf
der Bibliothek die Werke der alten Meister u. erwarb sich die tüchtigsten
Kenntnisse in seiner Kunst. 1837 erhielt er die Stelle als Musikdirektor
bei St. Anna in Augsburg, welche Stelle er bald verliess. Er kompo-
nierte viele Musikwerke für die katholischen Kirchen von 1826—37;
ihr ernster, religiöser, oft aber trockener Styl (w. Ambros bezeichnet
sie mit Recht als „Mittelgut") verschaffte ihnen allseitig Anerkennung
u. Aufnahme. Auch als Lehrer der Tonkunst wirkte er u. hatte immer
«inenr Kreis Schüler um sich. Von seinen katholischen Kirchensachen
erschienen 6 sogenannte Landmessen, 12 grosse Messen, 6 Gradualien
u. 6 Offertorien, 3 Litaneien, 3 Bequiem u. dgl. in Druck.
Daois, Benedictus, auch öfter blos Benedictus genannt,
über dessen Vaterland, Deutschland oder die Niederlande, die Ge-
schichtsforscher noch nicht einig sind, lebte in der ersten Hälfte des
16« Jhdts. u. nimmt eine der ersten Stellen unter den Komponisten
seiner Zeit ein. Einige halten ihn für einen Schüler Josquin's, da er
auf dessen Tod einen Trauergesang gefertigt hatte. Auf der Bibliothek
zu Cambrai befinden sich mehrere seiner Arbeiten in Mskr.
Dnfay, Guillaume, war zu Chimay im Hennegau (nicht vor 1400)
geboren, trat 1428 in die päpstliche Kapelle, wo er bis 1437 verblieb.
Später ward er Priester, 1450 Kanonikus in.Cambray u. starb daselbst
:27. November 1474. Sein Lehrer war Dunstable. Bis jetzt kennt man
•c. 150 Kompositionen von ihm. (Sieh die höchst verdienstliche Arbeit
J'. X. Haberl's über Dufay. Vierteljahrschrift f. Musik-Wiss. 1885.
4. Heft; auch gesondert unter dem Titel „Bausteine" erschienen).
Dagaet, A b b 6 , als Musikmeister an der Kirche Saint-Germain
r Auxerrois u. 1780 in gleicher Eigenschaft an Notre-Dame angestellt,
war ein fleissiger Kirchenkomponist.
74 Dulcino — Daval.
DalcinOi Giov. Batt., ein italienischer Komponist zu Anfang-
des 16. Jhdts., yeröffentlichte 1609 in Venedig: „Cantione» sacrae 8 yoc»
nna cnm Litaniis et Magnificat com Basso continno.**
Ihmstable, John, ein bedeutender englischer Kontrapnnktist de»
15. Jhdts., nach dem Zengniss des Tinktoris einer der Väter des
eigentlichen Kontrapunkts u. Zeitgenosse yon Dnfay (dessen Lehrer
er war) o. Binchois. Er starb 1458 u. wurde in der Stephanskirche zu
Walbrook. beigesetzt. Von seinen Werken ist sehr wenig erhalten.
Dumont, Henri, geb. bei Lfittich 1610, wnrde 1639 Organist zu
S. Paul in Paris u, bald darauf zur Stelle eines kgl. Ep.-M. erhoben»
1674 legte er letzteres Amt nieder. Er starb 1684 u. hinterliess viele
Kirchenkompositionen.
Darante, Francesco, geb. den 15. März 1684 zu Frattamag-
giore im Neapolitanischen, genoss den ersten Musikunterricht bei
Gaetano Greco, kam dann unter die Leitung von Aless. Scarlatti xu
bildete sich zu Bom unter Leitung Pitoni's zum Kontrapunktisten aus.
Um 1718 kehrte er wieder nach Neapel zurück und übernahm did
Kapellmeisterstelle am Konserratorium S. OnoMo; 1752 ward er
Porporas Nachfolger am Konservatorium S. Maria di Loretto daselbst
XL. führte die Leitung dieser Musikschule rühmlichst bis an sein Lebens-
ende d. 13. August 1755. Er ist einer der grössten Kirchenkomponistea
aller Zeiten u. nebst Leonardo Leo der Stifter der berühmten
sogenannten neapolitanischen Schule, sowie einer der bedeu-
tendsten Tonlehrer, die je gelebt haben; unter seine Schüler zählten
Pergolese, Traetta, Vinci, Jomelli, Piccini, Sacchini, Paisiello und
Gutrlielmi der Ältere u. a. Die vollständigste Sammlung der Werke
D.'s besitzt wohl die Bibliothek des Pariser Konservatoriums; er
schrieb nur Kirchenwerke u. Kammermusikstücke.
Daval, Edmund, geb. d. 22. Aug. 1809 zu Enghien im Hennegan,
studierte von 1828—32 am Pariser Konservatorium Musik. Dann
begann er, durch Abb6 Janssen auf den Choral hingelenkt, dessen
Studium u. wurde selbst vom Erzbischof von Mecheln beauftragt» die
Diözesan-Ghoralbücher umzuarbeiten, weshalb er auch einige Zeit in
Bom verweilte. IQ4S erschienen als Frucht seiner Arbeit: „Graduale
romanum juxta ritum S. rom. Ecclesiae" u* „Vesperale romanum cum
Psalterio etc.** — 1850: „Manuale chori," 1851 „Processionale"; 1854
^»Bituale rom.'* etc. Ausser andern litter. Arbeiten gab er einen „Traitö
d' accompagnement du plain-chant par orgue, d* aprös les regles des
th6oriciens du XIII. et du XIV. sidcle** heraus.
Eberlin — Eberwein, 75
E.
Eberlin, Joh. Ernst, geb. 27. März 1702 zu Jettenbach m
Schwaben, war nach seinem 1747 in Augsburg gedruckten Werke
„IX Toccate e fiighe per Y organo" (in Quer-Fol.) um diese Zeit
Organist beim Erzherzoge Sigismund zu Salzburg; später wurde er
daselbst Truchsess ü Kp.-M. Man schätzte ihn nach Verdienst hock
u.^ benannte ihn wegen seiner Fruchtbarkeit im Komponieren auch.
„Telemann den Zweiten"; auch Marpurg sagt von ihm, dass er einem
Scarlatti u. Telemann an die Seite zu setzen sei Von seinen Werken
bringt Fetis in seiner „Biographie universelle" (1862) ein reiches Ver-
zeichnis; sie bestehen in Messen, Eequiems, Motetten, Toccaten und^
Fugen (40 Nummern) u. 20 musikalischen Dramen; die Proske'scha
Bibliothek besitzt davon 13 Oratorien in Eberlin's eigener Handschrift.
Auf der kgl. Bibliothek in Berlin finden sich ein „Miserere" u. ein
Offertorium „Misericordias" ftir Chor nebst Solostimmen, 2 Violinen,
Violon (Viola?), Bass U. Orgel; in der Bibliothek des kgl. Kirchen-
institutes daselbst ein Band Orgelstücke, von welchen Fz. Commer
20 Nummern Toccaten u. Fugen in der „Musica sacra" veröffentlicht
hat Ausser den angeführten Druckwerken ist alles Mskr. gebliebeu
u. in verschiedenen Bibliotheken zerstreut. Er starb 21. Juni 1762.
Ausser den von Fetis angegebenen u. in der musikalischen Zeitschrift
„Cäcilia" (Bd. XXIII. pag. 209) aufgeführten Werken sind noch zu
nennen: Manuskript auf dem Stiftschore zu St Peter in Salzburg:
6 Offert., 1 Introitus „Borate," 1 Missa de Eequiem (mit Orchester)^
2 Sequenzen, 6 Besponsorien, 1 Miserere, 1 Complet, 2 Tantum ergo^
4 Litaneien, 2 Ave Maria; im Archiv des Domchores daselbst: 22 Missae
breves, 15 Missae in contrapuncto sine instrum., 75 Offertorien, für fer«
V* in Goena Domini et Dominica Palmarum, Introitus, Gradual.,
Offert et Communio; 27 Dixit et Magnlücat, 47 Psalmen zur Vesper^
30 Litaneien, 9 Requiem, 5 Eegina coeli, 3 Te Denm mit Instrum.,
1 detto in Choral, 10 Miserere, mehrere Besponsorien, Hymnen und
Introitus (21 Nummern). Alles in Allem genommen steigt die Anzahl
seiner bis jetzt bekannten Werke etwas über 300.
Ebet-weln, Traugott Maximilian, geb. 27. Okt 1775 zxt
Weimar, fing von seinem Vater in beinahe allen Instrumenten unterrichtet
frühzeitig zu komponieren an. Von 1792 an studierte er bei Kunze iu
Frankfurt a. M, die Tonsetzkunst, wurde 1797 fürstl. rudolstädtischer
Hofmusikus u. nahm später noch in Neapel bei Fenaroli Unterricht
im Kontrapunkte. 1804 kehrte er wieder nach Budolstadt zurück, wo
er 1817 endlich wirklicher Hofkp.-M. wurde. Er starb 2. Dez. 1831.
76 Eccard — Eisenhuet.
Unter seinen zahlreichen, meist tüchtigen Werken finden sich auch
einige Kirchenstücke, Hymnen, Te Denm, Psalmen n. eine grosse Mes^e
in As, welche er seihst als seine heste Arheit erklärte.
Eccard, Johann, geh. 1553 zu Mühlhansen an der ünstrut, war
ein Schüler des Orlandns Lassns zu München, welches er nm 1574
wieder verliess. Nachdem er einige Zeit auch in Fuggerschen Diensten
in Augsburg gestanden, wurde er 1583 Vicekapellmeister, 1599 endlich
wirklicher Kp.-M. in Königsberg. Er starb zu Berlin 1611, wohin er
1609 als kurfürstl. Kp.-M. gezogen war. Er ist einer der bedeutendsten
Meister der preussischen Tonschüle u. hat in der kirchl. Liedform das
Trefflichste geleistet. Ausser deutschen Chorälen kennt man von ihm
noch XX Cantiones sacrae 5 et plur. voc.'* Mühlhausen 1574.
Edeiiliofer, Aloys, geb. 30. Januar 1820 zu Deggendorf, schon
durch seinen Vater in Musik unterrichtet, bildete er sich noch weiter
während seiner Studienzeit im k. Seminare zu St. Paul in Eegensburg
n. im Schullehrerseminare in Straubing, so dass er 1838 yor 12 Mit-
bewerbern die Organistenstelle an der Stadtpfarrkirche St. Jakob in
Straubing erhielt, welche er noch inne hat. Durch unausgesetzte
Studien in allen Zweigen der Musik, gefördert namentlich durch
freundschaftliche Beziehungen zu J. G. Mettenleiter * in Eegensburg,
gewann er den Euf eines vorzüglichen Organisten u. kenntnisreichen
Musikers. 1865 ward er als Lehrer am k. Schullehrerseminare daselbst
angestellt u. ihm der Unterricht im Choral- u. Figuralgesange, im
Orgelspiel u. in der Harmonielehre anvertraut; bedeutende Krankheiten
veranlassten ihn 1685 die Versetzung, iu den Ruhestand nachzusuchen.
Von dessen Kompositionen sind im Druck erschienen: mehrere Lieder,
-auch für Männerstimmen; die Bearbeitung von Wittes Luzienmesse für
4stimmigen Männerchor; f&r die Landchdre, einstimmig mit Orgel;
3 Messen, 1 Bequiem, Ölberggesänge, 100 Offertorien (diese auch
4stim.) besonders geschätzt, 2 Hefte Marienlieder etc. (Eegensburg,
A. Coppenrath'.
Elsenhofer, Franz Xaver, geb. 29. Nov. 1783 zu Hmmünster
in Oberbayem, erhielt den ersten Unterricht im Generalbass im Kloster
Scheyem; später machte er eine gründliche Harmonielehre u. kontra-
punktische Schule bei dem berühmten Theoretiker Jos. Gratz in
München durch. Seit 1825 war er Studienrektor und Professor in
Würzburg. Er schrieb einiges für die Kirche von geringer Bedeutung,
seinen Hauptruhm erwarb er sich durch seine 4stimm. Liederkomposi-
tionen. Gestorben ist er d. 15. Aug. 1855.
Eisenhaet, Thomas, war um 1676 Musikdirektor beim Fürstabt
zu Kempten^ später regulierter Chorherr des Klosters zum hl. Gteorg
in Augsburg. Er schrieb Messen, Offertorien, „Harmonia sacra"
(Augsburg 1675) geistl. Konzerte enthaltend, dann ein theoretisches Werk
„Musikalisches Fundament** betitelt, das mehrere Auflagen erlebte.
Eloy — Ertel. 77
Eloy, ein Kohtrapunktist des 15. Jhdts.» wahrseheinlich ans Frank*
reich gebürtig, wird neben Dufay, Binchois, Faugues als ein vorzüglicher
Meister der ersten niederländischen Schale ' genannt. Tinktoris sagt
von ihm, dass er „hochgeehrt in Anwendung des modus** gewesen sei.
Das Archiv der päpstlichen Kapelle bewahrt von ihm die Messe
„Dixemnt discipuli."
Elsner, Joseph, geb. zu Grottkau in Schlesien den 1. Juni 1769, •
studierte zuerst Medizin, wendete sich aber bald der Musik gänzlich
zu. Er war in allen Kompositionsgattungen thätig und starb den
18. April 1854 als Direktor des Konservatoriums in Warschau. Unter
seinen zahlreichen Kompositionen finden sich auch sehr viele Kirchen-
Stücke aller Art, im modernen Kammerstyl gehalten.
Eist, Johann'van der, ein Augustinermönch in Gent, aus einer
adeligen Familie in Brabant, zu Anfang des 17. Jhdts., beschäftigte sich
eifrig mit der Musiktheorie, erfand eine neue Notierungsart, welcher
er die schwarzen Noten des 14. Jhdts. zu Grunde legte, u. schlug für
die Solmisation eine neue Notenbenennung vor, nach welcher den natür-
lichen Tönen die Namen ut, re, mi, fa etc. verbleiben, die erhöhten (i)>
Noten it, ri etc., die erniedrigten aber at, ra, ma etc. benannt werden
sollten. Er entwickelte seine Methode in einem eigenen Schriftchen:
„Notae Augustinianae,** Gent, 1657.
Engelbert, Mönch zu St. Mathias bei Trier, um 987, schrieb ein
Buch „de Musica et proportionibus** ; auch „De compositione Mon-
chordi lib. I." Von einem Engelbert Abte zu Admont in Steiermark;
führt Gerbert einen ziemlich umfangreichen Traktat „De Musica" an.
Engelbert schrieb ihn, da er noch vor seiner Abtwahl der studierenden^
Jugend vorgesetzt war, zu deren gründlichem Musikunterrichte. Er* *
starb 1331.
Erbach od. Erbacher, Christian, geb. zu Algesheim in der
Pfalz, war um 1600 Organist in der Fugger'schen Kapelle zu Augsburg,
dann 1602 an der Domkirche; um 1628 war er auch Eatsherr. Im
Archiv der Domkirche n. in der Stadtbibliothek finden sich noch viele-
seiher Kompositionen, ebenso in manchen Sammlungen; 4—- Sstimm.
Motetten erschienen 1600—1611 im Druck.
Ercoleo, M a r z i o ; geb. 1623 zu Otricoli im Kirchenstaate, ein-
Musiker in der Kapelle des Herzogs Franz v. Modena, veröffentlichte
1686 daselbst eine Abhandlung über den Kirchengesang „II musico»
ecclesiastico*' n. ein Buch „Primi elementi di musica'^ 1683; ein Ora^
torium „II Battesimo di S. Yaleriano'^ 1682, und ein Buch über das
Officium der heil. Woch6 1688.
Ertel, Sebastian, Mönch zu Weihenstephan bei Freising,,
später im Kloster Garsten in Oberösterreich, gab 1611 zu München^
„Symphoniae sacrae, 6—16 vocum," ebenda auch ein „Magnificat,
8 voc." heraus. 1613 erschienen von ihm „6 Missae, 7, 8 et 10 voc. ad.
V8 Esoovar — Ett.
Organum accomodatis*' (Mtlnchen); zwei Jahre später „Ganticnm Magni-
^cat, 8 Yoc, qua instmiDentis, qua yivis yocibus cum duplici Basso ad
Organum accomodato. Monachii 1615" (26 Magnificat und mehrere
<31oria).
Escoyar, Joao de, portugiesischer Tonkünstler und Dichter,
lebte zu Anfang des 17. Jhdts., u. gab 1620 zu Lissabon eine Samm-
lung Motetten heraus; auch ein theoret. Werk bewahrt die kgl.
Bibliothek yon ihm.
iBslaya, Miguel Hilario, geb. d. 21. Okt. 1807 zu Burlada,
•einem Dorfe bei Pampeluna in Spanien, wurde 1828 Ep.-M. am Dome
zu Ossuna, erhielt dann die Priesterweihe u. 1832 die Dom-Kapell-
meisterstelle zu Sevilla; seit 1844 Kp.-M. der Königin in Madrid, starb
er daselbst 23. Juli 1878. Er ist einer der vorzüglichsten Musiker
Spaniens u. hat neben einigen Opern auch zahlreiche Kirchenwerke
komponiert; er veröffentlichte femer einige Sammlungen Kirchen-
kompositionen verschiedener älterer und neuerer spanischer Meister
(„jLira sacrohispana etc."; ,,Museo organico espanol") u. gab zwei
Jahrgänge (l^55 u. 1856) der „Gaceta musical de Madrid*' heraus.
Die „Revue de musique sacr6e** \Paris, 186^) enthält einen interessanten
-Abriss der kirchl. Musikgeschichte Spaniens aus seiner Feder. Auch
schrieb er eine sehr verbreitete Elementar-Musikschule (1846) n. eine
Kompositionslehre (1861).
Ett, Caspar, geb. den 5. Januar 1788 zu Aresing in bayr.
Schwaben, ist einer der bedeutendsten Musiker dieses Jhdts.; als der
trefflichste Lehrer, gewandteste Kompositeur u. origineller Forscher
im Gebiete alter u. mittelalterlicher Musik wü-kte er mit ungeschwächtem
Eifer bis an sein Ende, u. um Wiedererweckung der alten Meisterwerke
heiliger Musik in Bayern hat er sich neben Proske u. Mettenleiter die
grössten Verdienste erworben. In frühester Jugend zeigte er einen
überall hervortretenden Sinn jpär alles, was in*s Bereich der Töne fiel.
Diese glückliche Anlage verschaffte ihm einen Platz als Chorknaben
im nahe gelegenen Benediktinerstifte Andechs. Hier erlernte er in
drei Jahren soviel, dass er fürs Gymnasium reif war u. nebenbei
«Singen, Generalbass u. Orgelspiel wohl verstand. Im kurfürstlichen
Seminar zu München setzte er seine Studien fort u. fand an Schlett
XL Gratz zwei tüchtige Lehrer für Orgelspiel u. Kontrapunkt. Der
herrschende Kirchenmusikstyl, d. i. der dramatische, konnte ihn aber
nicht befriedigen; er war zu edel u, zu tief religiös, umin der gangbaren
Kirchenmusik nicht eine Entheiligung des Gottesdienstes zu sehen.
Darum begann er in den alten Notenwerken des Seminars zu stöbern,
bald fand er sich heimisch in den unbillig vergessenen Werken Oken-
Jieims u. Lasso's, u. ward ganz eingenommen von der nie geahnten
Kraft, Weihe u. Erhabenheit solcher Schöpfungen. Nach Vollendung
der Lycealstudien widmete er sich ganz der Musik, ohne deshalb der
Ett 79
klassischen Litteratur n. dem Sprachstndiiim (in seinen höhern Jahren
erlernte er noch Sanskrit) zn entsagen. 1816 erhielt er die Organisten-
stelle an der St. Michaelshofkirche in München, die er nicht mehr
, Yerliess bis zn seinem Tode. Nnn begann sein grosses Wirken für die
alten Meisterwerke, n. München hörte seit langer Zeit wieder einmal
heilige Eirchenmusik; alle Meister des 16., 17. u. 18. Jhdts. waren in
seinem Ohorrepertoir vertreten, u. er selbst suchte in seinen Kompo-
sitionen ihrem Geiste näher zn kommen. Er hatte sich bald so ganz
in den Styl n. Geist derselben hineingearbeitet, dass er als yorzüglicher
Meister der kontrapnnktischen Knnst dastand. Von den Alten lernte
er den vielstimmigen Satz mit Leichtigkeit handhaben, von ihnen seine
schöne, naturgemässe Stimmführung.' Begabt mit den geläntertsten
n. gebildetsten Geschmacke n. dem tiefsten Gefühle wusste er über
seine Arbeiten eine bewunderungswürdige Eleganz n. Anmut zu ver-
breiten. Ett arbeitete nur für die Kirche, er suchte eüiigenteüs die
kirchl. Vorschriften wieder in Vollzug zu setzen, indem er z. B. der
Sstimm. Messe für den Sonntag Laetare den durchkomponierten Introitus
beifügte, oder den vollen Text des Credo stets beachtete, dabei aber
unzulässiger Weise denselben so ineinander schachtelte, dass manchmal
jede Stimme einen anderen Text spricht. Steht er auch im kirchl.
Vokalsatze untadelig da, so war dies weniger der Fall bei den
instrumentierten Kirchen werken, wo sich manches für die Kirche
weniger Würdiges einfindet. Immerhin bleibt ihm der Ruhm, alle
Kirchenkomponisten seiner Zeit, insbesondere was die Auffassung an-
belangt, weit überragt zu haben. Ett starb 16. Mai 1847. — Die
St. Michaelshofkirche in München bewahrt seine Kompositionen in
Manuskript, sie belaufen sich auf eine ansehnliche Zahl. (Im Druck
erschienen nur 3-4 Werke untergeordneter Art.) Davon seien benannt:
4 Messen mit Orchester (Missa ferialis; in D, in G, in B, letztere vom
Jahre 1846 u. mit 6 Singstimmen}; 3 Eequiem mit Orchester (in C-moU
1825, in D-dur 1835, in Es-dur 1842); 1 Eequiem (Es-dur) für 4 Sing-
stimmen; vier Sstimm. Messen, von denen Dr. Witt drei teilweise
umgearbeitet herausgab; einige 4stimm. Messen; zwei 4stimm. u. ein
Sstimm. Miserere; zwei Sstimm. Stabat mater, ein solches für 2 Stimmen
u. Orgel; zwei instrum. Litaneien u. einige solche für 4—6 Stimmen;
die grossartige Komposition: „Die neun Chöre der Engel" für 9 Sing-
stimmen; 40 Gradualien (verkürzt neuerdings herausgegeben von Schuh);
viele Gradualien u. Ofiertorien zu 4, 5, 8 Stimmen; Cantica sacra,
vereinfachte Choräle mit Orgelbegleitung (München, 1840; neu harmo-
nisiert u. herausgegeben von Dr. Witt); Ölberg- Andachten, 4stimm.
mit Orgel, Cello u. Kontrabass u. a. Auch Messen von älteren Meistern
machte er für mindere Chöre brauchbar d. h. er vereinfachte sie, so die
Messe „Aeterna Christi munera** von Palestrina, eine Sstimmige von
Lasso, zwei von Lotti. Eine Generalbasslehre u. ein Abriss der Musik-
gecshichte existieren ebenfalls nur im Mskr.
80 Eybler — Pabricius.
Eybler, Joseph, geboren den 8. Februar 1765 in Schwechat
unweit Wien, zuerst von seinem Vater in der Musik unterrichtet,
kam durch einen Gönner in das Musik-Seminar zu Wien u. genoss von
1777 — 79 bei Albrechtsberger Unterricht im Kontrapunkt, An der,
Fortsetzung der juridischen Studien durch Unglück, welches seine
Sltern betraf, gehindert, musste er durch sein musikalisches Talent
sich sein Fortkommen zu sichern suchen, wozu ihm der freundschaft-
liche Verkehr mit Joseph Haydn u. Mozart sehr behilflich war. 1792
erhielt er die Chordirektor-Stelle an der Karmeliter-Pfarrkirche, 1792
die bei den Schotten. Durch seine Messen u. sonstigen Kirchensachen
verschaffte er sich bald so viel Ansehen, dass er 1801 an deii Hof, erst
als kais. Musiklehrer berufen, 1804 zum Vicehofkp-M. u. 1824 nach
Salieri's Rücktritt zum ersten k. k. Hofkp.-M. befördert wurde. Am
24. Juli 1846 schied er aus diesem Leben, nachdem ein Jahr vorher
schon ein Schlaganfall ihn zur Niederlegung seines Amtes genötigt
hatte. Kaiser Franz hatte seine Verdienste durch seine Erhebung in
den Adelstand geehrt. Der grösste Teil seiner zahlreichen Kompositionen
besteht aus Werken für die Kirche (32 Messen, wovon 7 gedruckt sind,
1 Eequiem, 7 Te Deum, 30 Offertorien u. s. w.); ihr Charakteristicum
ist: Ernst in der Harmonie, grosse Beweglichkeit in der Melodie, doch
ohne unedel zu sein, zahllose Figuren in Nien Instrumenten, welche
meist das Vorherrschend« sind u. den Gesang x)ft zurücktreten lassen.
F.
Faber, Gregor, um die Mitte des 16. Jhdts. Musik-Professor in
Tübingen, schrieb: „Institutio musices, lib. 11*'* Basel 1552 u. 1553,
welches Werk wegen der darin enthaltenen Stücke von Josquin, Brumel
u. Okenheim Beachtung verdient.
Fabri, Stefano, der Ältere war von 1599—1601 Kp.-M. am
Vatican, 1603—1607 an St. Giovanni im Lateran; von seinen Kompo-
sitionen erschienen „Duodecim modi musicales" (1602) u. „Tricinia
Sacra'* (1607) zu Nürnberg in Druck.
Fabri, Stefano, der Jüngere, geb. 1606 zuEom, war ein Schüler
des Bemardo Nanino, u. 1657 Kp.-M. an St. Maria Magg. ; er Starb
27. Aug. 1658.
Fabriano, Sebastiano, ein Camaldulenser-Mönch, geb. in Italien
um die Mitte ,des 16. Jhdts., hat in Venedig 1593 eine Sammlung von
5- u. 6stimmigen Messen herausgegeben.
Fabricias, Alb in, im 16. Jhdt. in Steiermark geb., gab 1595 zu.
Graz „Cantiones sacrae sex vocum" heraus.
r
Fabricius — Fazzini. 81
Fabricins, Bernhard, in der zweiten Hälfte des 16. Jhdts.
Organist zu Strassburg, gab 1577 eine jetzt selten gewordene Samm-
lung Kompositionen heraus unter dem Titel „Tabulaturae organis et
instrumentis inservientes."
Fabricius, Johann Albert, geb. 11. Nov. 1668 zu Leipzig,
gest. 30. April 1736 als Professor zu Hamburg, ein Polyhistor, gab
unter anderm heraus : Bibliographia antiquaria X1713), Bibliotheca latina
(1697); Bibliotheca graeca (1705); Bibliotheca mediae actatis (1734),
welche Bücher wichtige Notizen für die Musikgeschichte enthalten.
Facio od. Fasio (Fatius), Augustinermönch, geb. zu Enna in
Sizilien, komponierte mehreres für die Kirche. Von ihm sind bekannt:
5stimmige Motetten u. Madrigalen (Messina 1589).
Fago, N i c 0 1 0 , geb. 1674 zu Tarent, daher auch „il Tarentino"
genannt, genoss in der Komposition den Unterricht des Provenzale im
Konservatorium della Pietä zu Neapel, welchem er auch als Lehrer
daselbst um 17(X) nachfolgte. Er lieferte viele Kirchenkompositionen.
Faignient, N o e , lebte um 1570 als Lehrer der Musik zu Ant-
werpen u. hatte sich durch seine geschickte Nachahmung des Styles
von Orlando di Lasso den Beinamen „Simia Orlandi" (Affe Orlando's)
erworben. (4 — 8stimm. Motetten, Madrigale u. a.)
Falconins, Placidus, geb. zu Asola, trat 1549 in ein Benedik-
tinerkloster zu Brescia, u. Hess 1575—88 in Venedig Messen, Eespon-
sorien u. andere Kirchensachen in Druck erscheinen.
Fantazzi, Giovanni, Graf von, geb. zu Bologna um 1740, nahm
in sein Werk: „Notizie degli Scrittori Bolognesi" Bologna 1781—94,
9 Bände, die Biographien der vorzüglichsten Komponisten u. Ton-
künstler seiner Vaterstadt und historische Nachrichten über die phil-
harmonische Akademie daselbst auf.
Farinelii, Giusepp.e, geb. d. 7. Mai 1769 zu Este im Padua-
nischen, studierte zu Neapel den Gesang, Qeneralbass u. die Tonsetzkunst;
ausserdem erhielt er noch Unterricht von Fenaroli, Piccini u. Guglielmi.
Er starb als Dom- u. Theater-Kp.-M. zu Triest den 12. Dez 1836.
Von 1816 an arbeitete er nur mehr für Kirche u. Kammer; er war
einer der letzten Zöglinge der neapolitanischen Schule; sein Styl ist
rein u. fliessend, aber ohne Originalität.
Fangaes, Fanquea, oder Fagua u. La-Fage, Vincent, ein
unmittelbarer Nachfolger von Dufay, Binchois u. Dunstable; seine
Kompositionen erschienen in dem zur Zeit des Papstes Nicolaus V.
(zwischen 1447 u. 55) geschriebenen Musikbüchern der päpstlichen
Kapelle; er zeigte einen verwandten Zug mit Dufay in schöner melo-
discher Führung der Stimmen u. ausdrucksvollem Gesänge.
Fazzini, Giov. Battista, geb. zu Eom, kam 1774 als Sänger
in die päpstliche Kapelle u. war nachmals an mehreren Kirchen Boms
Kornmüller, Lexiken. IL Bd. 6
82 Fede — Ferrabosoo.
Kp.-M. Messen zu 4 u. 5 Stimmen, ein 8stim. Requiem, ein Sstimm.
„Christus factus" werden besonders gertthnit. ^
Fede, Giuseppe, geb. zu Pistoja, war 1662 als Sänger in der
päpstlichen Kapelle u. als Kp.-M. an der Serviten-Kirche San Mar-
cello angestellt. Er wird nicht minder als Komponist, als auch als
ausgezeichneter Sänger gerühmt. — Sein jüngerer Bruder Francesco
Maria F., ebenfalls zu Pistoja geb. u. päpstlicher Kapellsänger,
wurde später Kp.-M. an der Kirche S. Margherita in Trastevere.
Seine Kompositionen sollen melodiereicher als die seiner Zeitgenossen
gewesen sein.
Fedeli, Gniseppe, geb. 1720 in Gremona, war Kanonikus an der
Kirche von St. Agatha daselbst. Sein Buch: „Regole dl canto fermo etc.'*
Gremona 1757, ist eines der besten Werke über den gregorianischen
Kirchengesang.
Feldmayer, Johann, um 1600 Organist in Berchtesgaden, geb.
1759 zu Geisenfeld in Bayern, gab 1607 u. 1611 zu Augsburg und
Dillingen mehrere Sammlungen 48timm. Motetten heraus.
Felis, S te f an 0 , geb. zu Bari um 1550, war 1583 Kanonikus u. Kp.-M.
au der Kathedrale daselbst. (5stimm. Messen u. Madrigale 1583, 1588.)
Fenaroli, F e d e 1 e , geb. 1732 zu Lanciano in den Abruzzen, ein
Schüler Durante's in Neapel, kam als Lehrer des Generalbasses an das
Konservatorium St. Maria di Loreto u. von da an das della Pietä,
wo er bis zu seinem Tode, d. 1. Jan. 1818, blieb. Seine einfache und
klare Methode wird sehr gerühmt, welche er in einem Buche; „Regole
per i principianti di Gembalo^* niedergelegt hat. Ausserdem kennt man
von ihm noch mehrere Kirchensachen.
Feo, Francesco, Mitbegründer der neapolitan. Schule, geb. 1699
zu Neapel, war ein Schüler Gizzi's u. Pitoni's. 1740 wurde er Gizzi's
Nachfolger an der von diesem gestifteten berühmten Gesangschule:
Mehreres. über seine Lebensumstände ist nicht bekannt. Man hat von
ihm mehrere Messen u. Psalmen, eine lOstimm. Litanei u. a. ; sein Styl
ist erhaben u. alle seine Arbeiten bekunden den Meister.
Ferabosco, Alfonso, geb. zu Anfang des 16. Jhdts. in Italien,
kam frühzeitig nach England u. lebte zuletzt wahrscheinlich bis zu
seinem Tode in London. Er wird zu den angesehensten Komponisten
des 16. Jhdts. in England gerechnet.
Femandes, Antonio, geb. zu Soüzel in Portugal zu Ende des
16. Jhdts., war Priester u. Chormeister an der Kirche S. Catarina zu
Lissabon. („Arte de Musica, de Canto, de Organe" etc.)
Ferrabosco, Domenico, von 1547—48 Singmeister der Knaben
an der Vatikanischen Kirche, wurde 27. Nov. 1550 Sänger an der
päpstlichen Kapelle, aus welcher er wegen seiner Verheiratung 1555
wieder austreten musste. Die päpstliche Kapelle besitzt mehrere
schätzbare Werke von ihm in Mskr.
Ferradini — F6tis 83
Ferradini, Antonio, geb. 1718 zu Neapel, ging nach Prag, wo
er an 30 Jahre lebte u. 1779 in grösster Armut starb. Ein noch vor-
handenes „Stabat mater" wird als sein Meisterwerk bezeichnet»
FerrarO} Antonio, Mönch u. Organist im Karmeliterkloster zu
Oatania, war in der zweiten Hälfte des 16. Jhdts. zu Polizzi in Sizilien
geboren. Er gab 1617 zu Eom mehrere 1— 4stimm. Gesänge u. eine
gleiche Sammlung zu Palermo 1623 heraus.
Festa, Costanzo, zu Florenz geboren, trat 1517 als Sänger
in die päpstl. Kapelle. Nach dem Urteile der Gelehrten ist er der
grösste Kontrapunktist der Vor-Palestrina'schen Zeit. Er starb den
10. April 1545. Von seinen Werken sind die wenigsten gedruckt, die
meisten finden sich in den Archiven der päpstlichen Kapelle und in
einigen Sammlungen seiner Zeit zerstreut. Ein Te Deum (1596 zu Rom
gedruckt) wird noch jetzt bei der Papstwahl u. der Ül^ergabe des Hutes
an neu creierte Kardinäle, sowie am Frohnleichnamstage gesungen.
Fetis, Pran<jois Joseph, einer der bedeutendsten Musik-
gelehrten neuerer Zeit, ausgezeichneter Theoretiker und gründlicher
Komponist, geb. zu Mons in Belgien den 25. März 1784. Frühzeitig
schon machte er bedeutende Fortschritte in der Musik, die noch mehr
gefördert wurden, als er 1800 nach Paris kam u. im Konservatorium
die Harmonie unter Rey, das Klavierspielen unter Boieldieu u. Pradher
studieren konnte. Durch den abermals ausbrechenden Streit zwischen
Catel u. der alten Eameau'schen Schule fand er sich veranlasst, das
Theoretische der Musik in^s Auge zu fassen, überhaupt seine Auf-
merksamkeit mehr dem Wissenschaftlichen u. der Kritik in der Kunst
zuzuwenden. 1803 trat er eine Kunstreise an u. brachte von derselben
eine gründliche Kenntnis der Meisterwerke italienischer u. deutscher
kirchlicher u. weltlicher Musik, sowie der theoretischen Schriften beider
Nationen mit nach Hause. Von da an widmete er seine grösste Kraft
den Untersuchungen u. Forschungen über den römischen Kirchen-
gesang u. über den Zustand der Musik im Mittelalter; doch unterliess
er dabei nicht, auch mit Kompositionen verschiedener Werke sich zu
beschäftigen. Im Jahre 1811 verlor er durch unglückliche Zufälle
ohne seine Schuld sein ganzes ansehnliches Vermögen, wodurch er sich
genötigt sah, Paris zu verlassen. Drei Jahre brachte er im Departement
.der Ardennen auf dem Lande zu, ganz seinem musikalischen Studium
hingegeben, dann nahm er in Douai die Stelle eines Organisten und
Lehrers an der Musikschule daselbst an. Erst 1818 zog er wieder nach
Paris u. übernahm 1821 die Stelle eines Professors der Komposition
am Konservatorium. Bald nachher begründete er auch die Zeitschrift
„Eevue musicale," wodurch er auf die musikalischen Zustände Frank-
reichs günstig wirkte. Im Jahre 1833 wurde er zum kgl, belgischen
Kp.-M. u. Direktor des Konservatoriums in JBrüssel ernannt, welchem
6*
84 FÄtis — Pinck.
Amte er bis zu seinem Tode, ?6. März 1871, vorstand. Die Blttte
dieses Institute» ist ganz das Werk F§tis.
Seine Kompositionen sind ganz reg /brecht gefertigt, enthalten aber
dabei viel Trockenes u. Steifes. Ausser Opern u. weltlichen Kompo-
sitionen hat er mehrere Messen, Motetten, Litaneien, 6stimmige
Lamentationen, ein Miserere für 3 Männerstiminen alla Oapella u. dgl.
geschrieben. Unglaubliches hat er in schriftstellerischer Beziehung
geleistet, unter anderm gab er heraus: „Methode §16mentaire et abregee
d' accompagnement." (Paris 1824); „Trait6 de la fuge et du contrepoint"
(Paris 1825); 8 Jahrgänge der schon genannten „Revue musicale**
1827—34; „Abhandlung über die Verdienste der Niederländer für die
Musik** (Amsterdam 1829); „Biographie gön^rale de la musique etc.**
8 Bände (Brüssel u. Paris 1834—44). Dies ist sein Hauptwerk, an dem
er seit 1806 gearbeitet hatte u. welches wegen seiner Vollständigkeit
unentbehrlich ist (erschien in zweiter, verbesserter Auflage, obwohl es
auch noch viele Unrichtigkeiten enthält); „Methode des Methodes de
Chant,'* (Paris 1838). „Trait6 complet de la thöorie et de la pratique
de V harmonie'* (Paris, 1844; 5. Aufl. 1857).
F6tifi>, Edouatd Louis Prangois, ältester Sohn des Vorher-
gehenden, geb. d. 16. Mai 1812 zu Bouvignes an der Maas, studierte
die Musik zu Paris und befindet sich seit 1835 zu Brüssel, wo er
nachgehends Konservator an der kgl. Bibliothek wurde. 1848 gab er
daselbst „Les Musiciens beiges** (2 Bände) heraus, ein Werk, welches
die Geschichte der Musik in Belgien von der ältesten bis auf die
neueste Zeit behandelt.
FeTin, Antoine de, geb. zu Ende des 15. Jhdts. zu Orleans, ein
Kontrapunktist, der ein glücklicher Nebenbuhler Josquin^s war. Bekannt
sind von ihm mehrere Messen u. Motetten.
Feyoo y Montenegro, Benito Geronimo, geb. d. 16. Febr.
1701, trat 1717 in das Benediktinerkloster zu Oviedo, als dessen Abt
er den 16. Mai 1764 starb. Er hat mehrere musikalische Schriften u.
Abhandlungen veröffentlicht.
Fienus, flammländ. Fyens, Jean, bekannter unter dem Namen
Jean de Turnhout, war bis 1584 Arzt in Antwerpen u. zog sich
dann nach Dortrecht ziirück, wo er d. 2* Aug. 1585 starb, u. Madrigalen
u. Cantiones sacrae (Douai 1559, 1580, 1589, 1600) hinterliess.
FlHppini, Stefano, mit dem Beinamen „PArgentino** ein fleissiger
Kirchenkomponist in der zweiten Hälfte des 17. Jhdts., war Augustiner-
mönch u. Kp.-M. an St. Giov. EvangeUsta in Bimini.
FUipucci, Agostino,' geb. 1635 in Bologna, war nm die Mitte
des 17. Jhdts. Kp.-M. u. Organist daselbst. Kirchenkompositionen von
ihm erschienen 1665, 1667 u. 1671 im Druck.
Finck, Heinrich, war Kp.-M. der Könige von Polen, Johann
Albrecht (1492), Alexander (1501) u. Sigismund (1506). In Salbing^^s
Finetti — Fioroni. 85
Concenttts sind einige seiner Kompositionen aufgenommen. Sein Neffe
Hermann Finck, war ebenfalls Kp.-M. des Königs von Polen
(Sigismund I.), lebte aber um 1557 wieder in Wittenberg. 1556 gab
er daselbst heraus: „Practica Musica, exempla variorum signorum,
proportionum et canonum," welches Werk jetzt sehr selten ist, f d.
Sa Dez. 1558,
Finetti, Giacomo, geb. zu Ancoua gegen Ende des 16. Jhdts.,
trat in den Franziskanerorden u. blühte um das Jahr 1611 in seiner
Vaterstadt als berühmter Komponist. In seinem Klöster stand er der
Gesangschule u. dem Chore vor, bald aber finden wir ihn als Kp.-M.
an der Gran Chiesa in Venedig. Sein Todesjahr ist unbekannt. Im
Druck erschienen viele seiner Werke u. erlebten wiederholte Auflagen.
Fiocco, Pietro Antonio, geb. zu Venedig um die Mitte des
17. Jhdts., war Kp.-M. an Notre-Dame zu Brüssel u. seine Motetten
waren seiner Zeit sehr geschätzt. Sein Sohn Joseph Hector F.,
war ebenfalls ein bedeutender Komponist u. um 1730 Kp.-M. an der
Liebfrauenkirche in Antwerpen.
Fiorayanti, Valentin, geb. zu Eom 1770, studierte Musik zu
Neapel u- betrat 1797 zu Turin die Laufbahn als dramatischer Kom-
ponist. Er liess sich nicht durch den schnellerlangten Ruhm verleiten,
den vielen Aufträgen, die von allen Seiten an ihn ergingen, mit
flüchtigen Arbeiten zu entsprechen, sondern arbeitete weniges, aber
stets mit Sorgfältigkeit u. Gewissenhaftigkeit. 1816 ward er nach
Rom als Kp.-M. an St. Peter berufen, welche Stellung er auch bis zu
seinem Tode inne hatte. Er starb zu Gapua auf einer Eeise nach
Neapel, welche er zur Stärkung seiner geschwächten Gesundheit unter-
nehmen wollte, am 16. Juni 1837, hochbejahrt. Seit 18lj6 hatte er sich
fast ausschliesslich nur mit Komposition von Kirchenmusik beschäftigt;
er lieferte eine grosse Anzahl von Messen, Offertorien, Litaneien u.
dgl , die vielen Beifall fanden, fleissig gearbeitet waren, aber der Tiefe
u. Originalität entbehrten.
Fiorillo, Ignazio, geb. zu Neapel d. 11. Mai 1715, Schüler von
Leo u. Durante, wurde 1754 als Kp.-M. nach- Braunschweig berufen,
1762 als solcher nach Kassel, wo er bis 1780 blieb. Wegen Alters-
43chwäche pensioniert, lebte er noch zu Fritzlar bei Kassel einige Jahre.
Er starb daselbst im Juni 1787. Neben seinen Opern war er auch
für die Kirche thätig.
Fiorino, Ippolito, Kp.-M. des Herzogä Alfonso II. von Ferrara,
wo er auch 1540 geboren war, genoss einen grossen Buf als Kirchen-
komponist u. Kontrapunktist.
Fioroni, Giov. Andrea, geb. zu Pavia um 1704 u. gest. zu
Mailand 1779 als Domkp.-M, daselbst, war einer der ausgezeichnetsten
Kirchenkomponisten des vorigen Jhdts. 15 Jahre lang studierte er
86 Fisxnann — Foggia.
seine Eimst unter L. Leo in NeapeL Seine Messen u. Vespern für
8 reale Stimmen besonders sind ein Zengniss seiner Tüchtigkeit.
Fismann, Franz, geb. zn Altsedlitz in Böhmen 1722, studierte
Wissenschaften u. Musik zu Prag, worauf er 1742 daselbst in^s Kloster
der barmherzigen BiHder trat. Er verfolgte auch da noch das Studium
der Komposition unter den Kp.-M. Seuthe u. Tuma u. bildete sich zum
vortrefflichen Violinspieler. Als Kp.-M. seines Klosters hat er viele
Kirchensachen komponiert. Später wurde er zum Superior seines Ordens
in Wien erhoben, wo er auch starb d. 15. Juni 1774.
Flaccomio, Giov. Fietro, ein Priester, geb. zu Milazzo in
Sizilien, war zuerst Kp.-M. des Königs Philipp m. von Spanien u. wurde
später Almosenier des Herzogs von Savoyen. Er starb zu Turin 1617.
Gedruckt ist sein Werk: „Concentus in duos distincti choros, in quibus
vesperae, missae, cantiones decantandae continentur/*
Flecha, Matthäus, ein spanischer Karmelitermönch u. Komponist,
geb. zu Prades in Catalonien, war Kp.-M. Kaiser Carl V. Er lebte
als solcher lange Zeit in Ungarn; 1599 kehrte er wieder in sein
Vaterland zurück u. starb d. 20. Febr. 1604 in der Benediktiner-Abtei
zu Solsona in Catalonien. Von seinen vielen Kompositionen kennt man
noch Motetten u. eine Psalmensammlung für's Completorium.
Floriani, Chr istoforo, geb. zu Ancona im Anfang des 16. Jhdts.,
hat mehrere Kirchen-Kompositionen in Druck gegeben: u. a.: „Psalmi
vespertini a 5 e 6 voci."
Florido, Francesco, Kp.-M. an St. Giovanni im Lateran zu
Rom, lebte um die Mitte des 17. Jhdts. u. gab zu Venedig von
1647—64 verschiedene Sammlungen Motetten, Offertorien, Litaneien
u. dgl. heraus.
Florio, Giovanni, ein ital. Kontrapunktist des 16. Jhdts., von
welchem die Münchener Bibliothek 5-' u. 68timm. Messen in Mskr.
besitzt.
Foerster, Joseph, geb. 1833 zu Osenitz in Böhmen, war, nachdem
er den Kurs für Hauptschulen u. die Organistenschule in Prag absolviert
hatte, 5 Jahre Organist im Cisterzienserkloster Hohenfnrth, ward dann
als Lehrer an die Organistenschule u. das Konservatorium in Prag
berufen, wo er später die Professur der Harmonielehre u. des Kontra-
punkts übernahm. Zugleich thätig als Chorregent zu St. Adalbert
leitete er die Eeform der KMusik mit glücklichsten Erfolge ein u.
setzt sie nun als Domkp.-M. bei St. Veit (seit 1887) unermüdet fort.
Von seinen Kompositionen erschienen im Druck: 5 Messen, 2 Requiem,
mehrere Gradualien u. kleinere Kirchenstücke, sowie viele Lieder u.
weltliche Werke; ausserdem edierte er eine Harmonielehre, einen
„Praktischen Lehrgang im Orgelspiele'* u. Präludien.
Foggia, Francesco, geb. zu Rom 1604, Schüler Cifra^s, Bern.
Naninis u. Parlo Apostini's stand schon sehr jung^ aber als gereifter
Foggia — Fontenay. 87
Musiker, zuerst in Diensten des Kurfürsten Ferdinand Maximilian zu Köln.
Von da kam er an den bayrischen Hof, später zum Erzherzog Leopold
von Österreich. Darauf nach Italien zurückgekehrt ward er, nachdem
er Kp.-M.-Stellen in verschiedenen Kirchen hekleiäet hatte, zuletzt
Maestro an S. Johann im Lateran. 1611 verliess er auch diesen
Posten u. kam zur Hauptkirche S. Maria Maggiore. Hier starb er den
8. Jan. 1688 u. erhielt seinen Sohn Antonio F. zum Nachfolger.
Baini führt viele seiner Kirchenkompositionen — mehrere Bücher
2 — 9stimm. Motetten, Messen, Litaneien u. dgl. speziell an, welche in
Rom von 1640 — 81 gedruckt wurden. Liberati rühmt seine Thätigkeit
u. die Güte, Erhabenheit, wie auch die Anmut seiner Setzart.
Foggia, Bodesca di, Kp.-M. an der Kathedrale zu Turin zu
Anfang des 17. Jhdts., hat in Venedig 1620 Sstimm. Messen u. Motetten
im Drucke veröffentlicht.
Fogliani, Lodovico, genannt Mutinensis von seinem
Geburtsort Modena, war ein Tonlehrer des 16. Jhdts., von dem noch
ein wichtiges Werk: „Musica theorica sectiones tres" etc., gedruckt
in Venedig 1529, in Fol. vorhanden ist.
Fonseca, l)Christofan da, ein portugies. Jesuit u. berühmter
Komponist seines Landes, geb. 1632 zu Evora u. gest. d. 19. Mai 1728
im Jesuiten-Kollegium zu Santarem, hat viele Kirchensachen hinter-
lassen, von denen ein 4chöriges Te Deum besonders hervorgehoben
wird. 2) Nicola da, Kp.-M. u. Kanonikus an der Kathedrale von
Lissabon zu Anfang des 17. Jhdts., war Schüler des berühmten Duarte
Lobo u. komponierte unter anderm eine 16stimm. Messe, die ungemein
hoch geschätzt wurde.
Fontana, 1) Benigno, ein Italiener, der um die Mitte des 17.
Jhdts. wahrscheinlich in Deutschland gelebt hat; von ihm ist zu
Goslar 1638 eine Sammlung Motetten erschienen. 2) Fabricio,
Organist an S. Pietro in Vaticano in Rom, geb. 1650 zu Turin, gab
in Rom 1677 Orgelstücke unter dem Titel „Ricercari** heraus.
8) Giovanni Stefano, lebte in der ersten Hälfte des 16. Jhdts.
u. hat Messen, Motetten, ein Miserere u. Litaneien für 8 Stimmen im
Druck erscheinen lassen.
Fontemaggi, Antonio, geb. zu Rom, war 1795 Adjunkt des
Kp.-M. Lorenzani an der Maria Maggiore, seit 1806 wirklicher Kp.-M.
u. starb als solcher im Mai 1810. Er komponierte mehreres für die
Kirche, wie auch sein Sohn Dominico F., welcher vorerst Organist
an St. Johann in Lateran war, 1828 aber auch Kp.-M. an St. Maria
Maggiore wurde.
Fontenay, Hugues de, geb. zu Paris zu Ende des 16. Jhdts.,
war Kanonikus zu St. Emilien in der Diözese Bordeaux; von ihm er-
schienen 16-^2 u. 1625 mehrere Messen in Druck.
88 Forkel — Fossa.
Forkel, Johann Nikolaus, Dr. Philos« u. seit 1778 Musik-
Direktor an der Universität in Göttingen, geb. zu Meeder bei Koburg
d. 22. Febr. 1749, wurde zuerst als Organist an der Universitätskirche
in Oöttingen angestellt. Ein grosser Verehrer Bach*scher Musik,
begann er Werke dieses Tonmeisters u. seiner Söhne zu sammeln,
wobei es indess nicht blieb. Auch seltene musik. Werke aller Völker
aus allen Jahrhunderten suchte er seiner Bibliothek einzuverleiben,
nicht minder theoretische u. geschichtliche Schriften über Tonkunst
an sich zu bringen. Er besass mehr als 500 grössere musik. Werke
u. eine reiche Sammlung von Abhandlungen u. Programmen, in welchen
er die vorzüglichste Quelle für seine musikalischen Schriften fand.
Für Gteschichte u. Theorie der Tonkunst bot er alles auf u. niemand
wird dieser seiner Thätigkeit die Anerkennung versagen; in der Kom-
position u. Ästhetik war er weniger glücklich. Seine erste grössere
Arbeit war: „Musikalisch-kritische Bibliothek," 1778 in 2 Bänden in
Gotha erschienen. 1782, 83, 84 u. 89 gab er einen „Musikalischen
Almanach'* heraus, worin eine reiche Fülle der verschiedenartigsten
Nachrichten, Notizen, Abhandlungen, Biographien, Anekdoten u. dgL
enthalten sind. Sein bedeutendstes Werk ist: „Allgemeine Geschichte
der Musik," dessen erster Teil 1788 bei Schweikert in Leipzig er-
schien. Erst 1801 erschien der zweite Teil, welcher die Geschichte
bis zum 16. Jhdt. fortführt. Um den dritten zu bearbeiten, machte er
eine gelehrte Eeise in die vorzüglichsten Städte Deutschlands u. kehrte
mit reichem Gewinne zurück. Da er ausserdem noch das Sammeln
fortsetzte, so wuchsen die gewonnenen Materialien zu einer solchen
Menge an, dass er bei der Abnahme seiner Kräfte zuletzt die Hofßoiung
aufgab, sie zu bewältigen u. zu ordnen. Er kam auch wirklich nicht
mehr zur Vollendung des 3. Bandes; er starb d. 17. März 1818 im
€9. Jahre seines Alters, hochverdient um die Tonkunst. Von seinen
Schriften sind noch hervorzuheben : „Allgemeine Litteratur der Musik etc.'*
1793 u. „Über Johann Sebastian Bach*s Leben, Kunst u. Kunstwerke'*
Leipzig bei Kühnel 1802.
Fornaoei, G i a c o m o , ein Gölestiner-Mönch, geb. zu Ghieti um
1590, gab zu Venedig im J. 1622 eine Sammlung Motetten, betitelt:
„Melodiae ecclesiasticae" heraus.
Forstern g od. Forstins, Nikolaus, einer der grössten Kontra-
punktisten des 16. Jhdts., lebte am brandenburgischen Hofe. Von
seinen Kompositionen, unter denen eine 16stimmige Messe besonders
gerühmt wurde, ist leider nichts mehr vorhanden.
Fossa, Joannes de, auch Defossa genannt, ein geborner
Niederländer, erhielt 1569 eine Anstellung als Unterkp.-M. in München
n. versah diese Stelle an der Seite des grossen Orlando bis zu dessen
Tode. Als Lasso's Nachfolger wirkte er von 1594—1602 an der
berzoglich-bayer. Hofkapelle u. war von Herzog Maximilian nicht
Fosöoni — Franz. 89
weniger geschätzt, als seine Vorgänger. Seine Kompositionen bewahrt
die Münchener Bililiothek. Neben der Leitung der Hofkapelle war Fossa
auch der Unterricht u. die Aufsicht über die zur Hofkapelle gehörigen
Singknaben tibertragen. Er gehört der * niederländischen Schule an;
«eine Kompositionen tragen originelle Auffassung u. Zartheit an sich.
Er starb zu München um Pfingsten des Jahres 1603.
FoBSoni, T 0 m a s 0 , ein Karmelitermönch zu Kavenna im Anfang
des 17. Jhdts. u. Kp.-M. an der Kathedrale daselbst, Hess 1642 zu
Tenedig Motetten zu 2— 5 Stimmen drucken.
Francesco da Milano, Organist u. Lautenspieler des 16. Jhdts.
aus Mailand gebürtig, war daselbst am Dome angestellt. Er wird als
Autor mehrerer Sammlungen von Orgel- u. Lautenstücken genannt,
welche von ihm in Venedig u. Mailand in den Jahren 1537 — 40 in Druck
erchienen.
Francesco de Pesaro, so genannt von seinem Geburtsorte, war
^in im 14. Jhdt. berühmter Orgelspieler; er bekleidete die Organisten-
steile an S. Markus in Venedig von 1337 — 1368.
FranchinuB s. Gafori.
Franco, ein Name, der in der Geschichte der Mensuralmusik einen
ausgezeichneten Klang hat, da unter demselben mehrere der berühm-
testen Traktate über den Diskantus auf uns gekommen sind; grosse
TJnsicherheit aber herrschte über Lebenszeit, Geburtsort u. Stellung
f ranco's. Erst durch die Publikation des I. Bandes der Script, von
Ed. Coussemaker hellte sich das Dunkel mehr u. mehr auf, so dass es
jetzt sicher ist, dass es zwei Franco gegeben hat, welche fast zu
gleicher Zeit gelebt haben, nämlich ein älterer Franco von Paris u.
«in etwas wenig jüngerer Franco von Köln ; beide scheinen Chormeister
«n der Kirche Notre Dame zu Paris gewesen zu sein. Immerhin aber
ist es möglich, dass letzterer nicht in Paris gelebt, aber doch dort
berühmt war — er könnte dann der aus Dortmund gebürtige Franco
sein, welcher um 1190 Prior in der Benediktiner- Abtei zu Köln war.
Die Lebenszeit beider fällt unstreitig in das Ende des 12. u. Anfang
' des 13. Jhdts. (s. P. Bohn, Magistri Franconis ars cantus mensurabilis.
Trier, 1880).
Franz, Ignaz, geb. den 12. Okt. 1729 zu Protzau bei Franken-
stein, 1742 zu Olmütz zum Priester geweiht, sammelte sich durch
fleissiges Studium der Musik u. auf einer Eeise nach Bom vorzügliche
musikalische Kenntnisse, welche ihn befähigten, den katholischen
Kirchengesang zu verbessern. Zu diesem Behufe verfasste u. ver-
•öfFentlichte er: „Schlesisches Gesangbuch zum Gebrauch der Römisch-
Katholischen, nebst den dazu gehörenden Melodien u. Noten.*' (Breslau,
1768) u. „Choralbuch oder Melodien zum Gesangbuch" (Breslau, 1778).
Er starb als Bektor des Alumnates in Breslau im Jahre 1791.
90 Freddi — Fröhlich.
Freddi, Amadei, geb. zu Ende des 16. Jhdts. im Venetianischen,
Priester, war erst Ep«-M. zu Treviso n. dann an der Kathedrale
zu Padiia. (,,Sacrae modulationes (Motetten)" zn 2, 3 n. 4 Stimmen,
Venedig 1601 u. 1602; „Divinae laudes a 2, 3, 4 voc. cum basso," 4 lib.,-
„Hinni concertatl a 2 — 6 voci;" u. a. m.)
Freachi, Giov. Domenico, ein Priester, geb. in der ersten
Hälfte des 17. Jbdts., hat sich durch Kirchen- u, Bühnen-Kompositionen
bekannt gemacht.
Frescobaldi, Girolamo, der berühmteste u« grösste Orgelspieler
zu Anfang des 17. Jhdts. u. zugleich angesehener Komponist, war
geboren zu Ferarra, sein Tauftag war der 9. Sept. 1583. Er soll schon
in seiner Jugend eine bedeutende Geschicklichkeit im Orgelspiel be-
sessen, auch einige Jahre in den Niederlanden verweilt haben. Unterm
21. Juli 1608 wurde er zum Organisten in St. Peter zu Rom, als
Nachfolger Erc» Pasquini's gewählt. Diese Stelle verwaltete er his
ein Jahr vor seinem Tode, welcher 2. März 1644 erfolgte; nur von
1628—33 war er beurlaubt. Na6h dem Zeugnisse seiner Zeitgenossen
schuf er eine neue Spielmanier, welche allgemein angenommen wurde;
auch die Ausbildung der Fuge verdankt ihm vieles. Sein vorzüglichster
Schüler war Jak. Froberger, welcher als Hoforganist von Wien von
1637—41 Urlaub erhielt, um unter seiner Leitung zu studieren. F.'s Werke
bestehen in Madrigalen (sein erstes Werk, 5stimm. Madrigalen, erschien
1608 zu Antwerpen), Biccercari, Tokkaten, Canzonen, Magnifikaten,
Hymnen u. s. w. (s. Kirchenmusik. Jahrbuch von F. X. Haberl 1887).
Fresza, Guiseppe, von seinem Geburtsorte Grotte in Sizilien
„dalle Grotte" geheissen, war Franziskanermönch u. Professor der
Theologie seines Ordens in Padua im 17. Jhdt.; er gab daselbst ein
Werk heraus mit dem Titel: „H Cantore eccles. per istruzione de'
religiös! minori conventuali" (1698; 2. Aufl. 1713; 3. Aufl. 1733), welches
in vier Teilen die Noten, die Kirchentöne, die Ausführung des Gesanges
u. seine Verbindung mit der Orgel, zuletzt die Komposition des Gantus
firmus sehr praktisch u. eingehend behandelt.
Friderici od. Friedrich, Daniel, Magister u. erster Kantor zu.
Bostock, geb zu Eisleben, gehört unter die besseren und fleissigeren
musikalischen Schriftsteller u. Komponisten des 17. Jhdts. Von seinen
theoretischen Werken erlebte „Musica figuralis" (eine Gesangschule)
bis 1677 sechs Auflagen.
Fritscb, Thomas, geb. 25. Aug, 1563 zu Görlitz, war erst
Magister daselbst, später kam er nach Breslau u. starb hier als
Kreuzherr mit dem roten Stern im Mathiaskloster. Er war einer der
ausgezeichnetsten Tonkünstler des 16. Jhdts. ; doch findet sich von seinen
Werken nur mehr: „Opus musicum a 5, 7, 8, 9 et plur. vocum."
Fröhlich, Joseph, Komponist u. vortrefflicher didaktisch- und
theoretisch-musikalischer Schriftsteller, geb. zu Würzburg am 28. Mai
Froberger — Froschius. 91
1780. Nachdem er seinen Vater, Eektor an einer Anstalt daselbst
schon in seinem vierten Lebensjahre verloren hatte, wurde er als
12jähriger Knabe in das Erziehungsinstitnt für arme Studierende im
Juliushospitale in Würzburg aufgenommen, wo er neben seinen Studien
auch in der Musik von einem tüchtigen Lehrer Unterricht erhielt. In
der fürstbischöfl. Hofkapelle, in welche er 1801 als wirkliches Mitglied
aufgenommen wurde, fand er eine treffliche Schule für seine fernere
musikal. Ausbildung, doch betrieb er daneben noch seine wissenachaft-
liehen Studien. 1804 ward er zum Vorstand des musikalischen Instituts
der Universität erhoben u. trat auch als Privatdozent in die Sektion
der allgemeinen Wissenschaften ein. Dies Musikinstitut verdankt ihm
seine Blüte, indem er es nach mehreren Jahren zu einer allgemeinen
Landesschnle der Musik umgestaltete, welche seitdem viele tüchtige
Musiker heranbildete u. auf die musikalischen Zustände in Bayern, die
durch die Aufhebung der Klöster in eine ziemlich traurige Lage ge-
kommen waren, segensreich wirkte. Um dies noch mehr zu ermöglichen,,
schrieb er eine umfassende Musikschule, welche sich auf Harmonie^
Gesang, den Unterricht auf allen Orchesterinstrumenten u. die Direktion
jeden Sing- u. Instrumentalchores ausdehnt. Er starb als Rektor n.
Professor bei der philosophischen Fakultät am 5. Jan. 1862.
Froberger, Jakob, dessen Geburtsdatum unbekannt und von
dessen Lebensumständen man sehr wenig weiss, gehörte nach Dr. W.
A, Ambros Angabe („Geschichte der Musik" IV. 463) der Wiener Hof-
musikkapelle als Organist an: vom 1. Jan. 1637 bis 30. Sept. 1637,
dann vom 1. April 1641 bis Okt. 1645, endlich vom 1. April 1653 bis
30. Juni 1657; auch 1649 scheint er in Wien sich aufgehalten zu haben.
Wahrscheinlich verlebte er auch eine Zeit in Paris, da er mit den
Manieren der französischen Organisten u. Klavierspieler sich so vertraut
zeigt. Von 1637 — 41 studierte er in Kom unter Frescobaldi, zu welcher
Studienreise er vom Hofe zu Wien mit 200 Gulden unterstützt wurde.
F. starb 7. Mai 1667 zu Hericourt bei Montbellard auf einem Schlosse
der Herzogin Sibylla von Württemberg, wohin er wahrscheinlich schon
1657 gezogen war u. welche ihn in hohen Ehren hielt. Er selbst
edierte nichts, erst nach seinem Tode 1693 u. 96 erschien zu Mainz
eine Sammlung unter dem Titel: „Diverse ingegnosissime e rarissime
partite di toccate, canzoni, ricercari, capricci etc^'; dann auch „Suites
de elavecin,'* Manuskripte seiner Werke befinden sich auf den Bibüo«
theken zu Berlin u. Wien.
Froschina, Joannes, ein Musiker des 16. Jhdts, von dessen
Leben nichts bekannt ist. Es existiert von ihm nur ein Werk: „Rerura
musicamm opusculum ramm ac insigne, totius ejus negotii rationem
mira industria et brevitate complectens, jam recens publicatum Joann.
Froschio autore. 1535. Argentorati apud P. Schaeffer et Math. Api-
arium/^ In der Vorrede sagt er, dass er das Buch „in limine senectae'*
92 Frovo — Fux.
verfasst habe; gewidmet ist es den H. Grafen von Wirtenberg und
Montebelgard; unterzeichnet: „Strassburg, 1532." Es war bestimmt für
den Unterricht der Jugend, u. ümfasst in 19 Kapiteln alles," was zum
Gesänge gehört; viel zitiert er darin aus Aristoxenus, Aristoteles,
Plinius, Ptolemäus, Boethius etc. Wichtig sind die am Ende angefügten
4- u. 68timmigen Beispiele. Der Notendruck ist prachtvoll;
Frovo, JoaoAlvarez, Kaplan u. Bibliothekar König JohaUn IV.
von Portugal, geb. zu Lissabon 1608 u. gest. 1671, hat sich sowohl
durch Kirchenkompositionen als auch durch mehrcöre theoret. Werke
bekannt gemacht.
Faentes, Don Pasqual e, geb. zu Albaida (Valencia) zu Anfang
des vorigen Jhdts., 1757 Kp.-M. an der Kathedrale zu Valencia, gest.
26. April 1768, war einer der renomiertesten spanischen Kirchenkompo-
nisten (Messen, Motetten zu 6—12 Stimmen, mehrere Te Deum u. s. w.)
Führer, Robert, geb. den 2. Juni 1807 zu Prag, genoss den
Musikunterricht Wittasek's u. wurde nach dessen am 7. Dez. 1839 er-
folgtem Tode Domkp.-M , nachdem er seit 1830 als Lehrer an der Prager
Organistenschule fungiert hatte. 1843 verlor er diese Stelle wieder.
Von da an föhrtö er ein unstätes Leben u. hielt sich an verschiedenen
Orten in Österreich u. Bayern auf; eine Zeitlang verbrachte er in
Braunau am Inn, bis er 1857 die Organistenstelle in Gmunden u. Jschl
erhielt, welche er nicht lange innehatte. Am 28. Nov. 1861 endete er
sein Leben in einem Hospitale in Wien. Seine Kirchenkompositionen
belaufen* sich fkst auf 200 u. sind ausser einigen grossem Messen,
einem grossen Oratorium „Der Tod Jesu" för kleinere u. mittlere
Kirchenchöre bestimmt, tragen aber fast durchweg den Stempel wahrer
Fabrikarbeit an sich. Es ist dabei nicht zu verkennen, dass Führer
eine grosse Kompositionsfertigkeit u. technische Gewandtheit im musi-
kalischen Satze hat; damit vereiniget eine bedeutende Leichtigkeit der
Erfindung u. einen natürlichen Fluss der Melodie, Eigenschaften, die
immer für einen Komponisten einnehmen. Doch all das hebt den
Mangel höherer Weihe nicht auf u. verdeckt nicht die Leichtfertigkeit
im Schaffen — ohne eigentlich religiöses Motiv; den strengsten Tadel
aber verdient die Rücksichtslosigkeit, mit welcher, er bei Abkürzung
des kirchlichen Textes zu Werke ging. Auch einige didaktische Werke
edierte er, z. B. Anweisung zum Präludieren (Augsburg, Böhm>.
Fax, Johann Joseph, geb. 1660 zu Hirtenfeld bei St. Matrein
in Steiermark, erscheint zuerst 1696 als Organist an der Schottenkirche
zu Wien, 1698 ernannte ihn Kaiser Leopold I. zu seinem Hofkompositeur.
1704 ward er Kp.-M. am St. Stephansdom, 1713 Vizehofkp.-M., 1715
nach Ziani's Tode erster Hofkp.-M. Trotz langjähriger schwerer
körperlicher Leiden stand er seinem Amte doch mit aller Gewissen-
haftigkeit u. Energie bis zu seinem Tode, 14. Febr. 1741, vor. Seinfe
zahlreichen Weike gliedern sich in die bedeutendsten Fächer der Kunst:
öabrieli. 93
besanders viele Kirchenkompositionen, häufig durch Originalität und
Feinheit ansgezeichnet; Opern, darunter die grosse hei der Krönungs-
feierlichkeit in Prag 1723 unter freiem Himmel aufgeführte Oper
„Costanza e Fortezza^'; reine Instrumentalmusik, worunter der „Concentus
musico-instrumentalis in 7 partitas divisus. Norimbergae 1701'^ am
bekanntesten ist. Seinen eigentlichen Buhm auch für die Nachwelt
bildet sein didaktisches Werk „Gradus ad Famassum, siye Manuductio
ad compositionem musicae regulärem," welches in leicht verstand-,
lichem Latein abgefasst 1725 im Druck erschien, bis Ende des Jhdts.
tiberall Eingang gefunden hat u. ins Deutsche, Französische, Italienische
und . Englische übersetzt wurde. (Bellermann's „Kontrapunkt*' und
M. Haller's „Kompositionslehre" (Rgsbg., 1891) liegt auch der Gradus
ad Pamassum zu Grunde.) Der Inbegriff seiner Lehre gründete sich auf
4ie grossen Werke der Vorzeit, besonders die vollendeten Schöpfungen
Palestrina's, welchen er als Ideal seiner Arbeiten im Bereiche der
Kirchenkomposition nie aus dem Auge liess. Er hielt fest an den
bewährten Grundlagen u, es ruhen alle Werke des grossen Tonmeisters
auf einem kemhaften Fundamente der Vorzeit, einem konservativen
Organismus, der die Neugestaltung der Kunst dem Geiste klassischer
Vollendung zu assimilieren strebte. Wenn auch das Festhalten an den
Kirchantonarten als unzeitmässig erklärt wird, so ist sicherlich seine
Methode die erspriesslichste für gründlich^ Erlernung des Kontrapunktes.
L. V. Köchel gab 1872 eine ausführliche Biographie F,'s nebst dem
thematischen Verzeichnisse seiner Werke heraus.
G.
Gabrieli, Andrea, geb. um 1510 in Venedig, stammte aus der
adeligen Familie der Gabrieli (früher Cavobelli genannt) u. studierte
unter H^d. Willaert (andere nennen Cyprian de Köre) die Musik.
1536 Kapellsäuger an der Markuskirche, erhielt er 1556 die zweite
Organistenstelle daselbst u. verwaltete sein Amt rühmlichst bis zu
seinem Tode 1586. Er war von seinen Landsleuten hochgeehrt u. sein
Name blieb bei dem lebhaften Verkehre Venedigs mit den grossen
deutschen Handelsstädten, namentlich Augsburg u. Nürnberg, auch im
Auslande nicht unbekannt. Einen besonderen Gönner u. Verehrer fand
er an den Grafen Fugger zu Augsburg, u. auch manche deutsche Ton-
künstler wanderten nach Venedig, um sich daselbst in der Musik
auszubilden, wie besonders Hans Leo Hasler, ein Nürnberger, der 1584
dahin kam, den Unterricht des Tonmeisters Andr. Gabrieli genoss u.
zugleich ein zartes Freundschafts-Bündniss mit dessen Neffen, Johannes
G., schloss. Verschiedene Staats- u. Siegesfestlichkeiten der Bepublik
94 Gabrieli.
boten unserm Meister Gelegenheit, durch kirchliehe u. profane Kompo-
sitionen die Grösse seines Genies hervortreten zn lassen, u. dieser erhob
sich Yor allen Mitbewerbern stets auf den Glanzpunkt der Ehre. —
Was die Würdigung unsers Meisters nach seinen Werken betrifft, so
ist zunächst der Standpunkt u. die Epoche, in welcher G. wirkte, in's
Auge zu fassen. Venedig besass damals eine Musikschule, welche vor
der römischen den Vorzug des Alters hatte u. Männer in ihrer Mitte
zählte, welche zu den hervorragendsten Tonbildnem ihrer Zeit gehörten.
Gab. war einer der jungem aus ihnen; nach einem Adr. Willaert, neben
Oyprian de Rore, Zarlino, Costanzo Porta der Bewunderung Venedigs
würdig zu werden, war die schwierigste Aufigabe unsers Meisters u. er
löste sie mit dem glänzendsten Erfolge. Mehr als seine Vorgänge^
besass er die Kunst, in herrlichen Tonmassen zu bilden; vielstimimige
manigfach gegliederte Chöre wusste er mit einander zu verbinden u.
zu immer neuen, hohem Effekten auszuprägen. Doch war alles dies
nicht auf eitlen Sinnenprnnk berechnet, sondern mit dem hohen Emste
religiöser Würde u. Begeisterung, die Venedigs Verfassung u. Volks-
^esinnung eigen war, geschmückt. Und hierin ragte G. über seine
venetianischen Zeitgenossen weit hervor; majestätisch feierlich, oft
tiefbeschaulich setzte er sich niemals über die hohen Anforderungen der
Kirche hinaus u. verdient vor allen Venetianem mit dem damals in
JR^om aufgegangenen mächtigen Gestime verglichen^ der „Palestrina"
Venedigs genannt zu werden. Das würdigste Zeugniss seiner kirch-
lichen KünsÜergrösse bieten die sechsstimmigen Busspsalmen, welche
in abweichender Auffassung von der Behandlung früherer Komponisten
dieser Psalmen den Gipfel heiliger Ausdrucks weise erreichen u. vom
Verfasser selbst seinen übrigen Werken vorgezogen werden. Von
seinen Werken nennen wir noch: Motetti a 5 voci, Venedig 1565,
1584; ein Buch sechsstimmiger Messen; lib. I. Cantionum eccl. 4 voc.
Venedig 1576; Cantionum sacr. pars I. 6—16 voc, 1578. Orgelstücke
von ihm finden sich in Sammlungen gemischt mit solchen von seinem
Neffen: „Intonazioni d*organo lib. I." Venedig 1593; „Riceicari per
Torgano lib. 2 e 3" 1587, u. a. m.
Gabriel!, Johannes, Neffe u. Schüler des Vorhergehenden,
geb. 1557 zu Venedig, genoss schon in jungen Jahren eines nicht un-
bedeutenden Ansehens, da in eine Sammlung (Nürnberg 1575), welche
Madrigale der besten Tonkünstler enthält, auch Stücke von ihm auf-
genommen sind. 1585 wurde er nach Memlo's Abgang neben seinem
Oheim als Organist an der Markuskirche angestellt. Wie dieser, stand
auch er mit den deutschen Kapellen, in lebhaftem Verkehre; namentlich
bewahrte sein Mitschüler L. Hasler ihm treue Freundschaft. Unter
«einen Gönnern zählte er in Deutschland besonders den Herzog Albrecht V.
von Bayem u. dessen Söhne, sowie das gräfl. Fugger'sche Haus in
Augsburg; fünf Jahre, 1574—79 brachte er in München bei Lasso zu.
Gabrieli. 95
Im Ausgange des 16. Jhdts. war er einer der von den Deutschen am
meisten geschätzten u. geehrten Tonmeister, was sich aus 7 Samm-
lungen meist geistlicher E^ompositionen ergiebt, von denen bis 1609
sechs in Nürnberg gedruckt wurden, worin seine Kompositionen der
Zahl u. dem Werte nach die vorzüglichste Stelle einnehmen. Auch als
Lehrer der Tonkunst war er gesucht. 1609 sendete Kurfürst Moritz
von Sachsen den Juristen u. trefflichen Sänger Heinrich Schütz, der
sich ganz der Musik widmen wollte, nach Venedig zu G., um dort seine
gewonnene Musikbildung zu erweitem. Schütz blieb 4 Jahre in seinem
Unterrichte. Unter Q's Schülern sind noch zu nennen der minder bekannte
Alois Grani u. Michael Prätorius, der in seinem Syntagma musicum
seines Lehrmeisters mit den ehrenvollsten Ausdrücken gedenkt. G. starb
12. Aug. 1612 als ein Meister, der am Markstein der Zeit der älteren
Musik blüht u. in den Anfang einer neuen Periode hineinreicht^ ohne
seine Selbständigkeit u. Wirksamkeit för das Besjiehende u. Werdende
zugleich zu schwächen. Er repräsentiert den Übergang von der altem
zur neuem Musik vollständig, indem er sich weder an das Alte zäh
hängt, noch dem Neuen inüberstürzender Hast sich hingiebt; ersuchte
aus Allem heraus, was ihm das Beste schien, folgte der natürlichen
Entwicklung der Musik u. hatte keineswegs an dieser Entwicklung den
unbedeutendsten Anteil; in ihm zeigt sich die reichste u, vollste
Entfaltung der Musik der früheren venedischen Schule, ihre ganze
Eigentümlichkeit; die Pracht u. Grossartigkeit des venedischen Staats-
u. Volkslebens spiegelt sich in seinen Werken ab. „Hatte, sagt
Winterfeld, Willaert in seinen geteilten Chören die Tonart zuerst als
harmonischen Grundgedanken ahnen lassen — da die gegeneinalider u.
mit einander arbeitenden Tonmassen sich wenig geeignet zeigten zu
künstlicher Entwicklung der Melodien, wie sie der niederländischen u.
römischen Schule eigen waren, — war Cyprian de Rore weit hinaus-
geschweift über die damals bestehenden Grenzen des Tonsystems nach
neuen Ausdrucksmitteln lür seine Gedanken, so sehen wir die tiefste
Eigentümlichkeit der Tonarten, die zartesten Beziehungen der einen
zur andern hervortreten in G's Werken. Das Herkömmliche, die un-
mittelbare Beziehung auf die überlieferte Kirehenweise , da ausge-
nommen, wo er seine Gesänge dem Kirchengebrauche gemäss durch sie
anstimmen lassen musste, hat er ganz verlassen, um so inniger aber
in dem zuvorgedachten Sinne sich ^der Grandform angeschlossen, in
welcher jene alten Kirchen weisen durch innere Notwendigkeit bedingt
erschienen waren. Ebenso tritt die strenge kanonische Form nirgends
mehr absichtlich u. als solche bei ihm hervor, belebend überall, nicht
bedingend, soll der bewegende Grundgedanke sein; jene sinnreiche
Verflechtung der alten kirchlichen Kunst aber, sofern sie das Ohr
nicht mehr zu vernehmen vermag, ist ganz bei ihm ausgeschlossen.**
Die von Cyprian zu Gunsten eines ^ lebendigen u. leidenschaftlichen
96 Gänsbaoher — Gafori.
Ausdrucks im Madrigal in Anspruch genommene u. auf seinen Vor-
gang bald in Nähe u. Feme aufgefasste Chromatik fand in G. einen
besonderen Vertreter. — Von seinen bedeutendsten Werken (ausser
den schon angeführten) sind noch zu nennen: „Symphoniae, 7, 8} 10,
12, 14, 15 u. 16 tarn voc. quam instrumentis/* Venet 1597; „Reliquiae
sacrorum concentuum G. Gabrielis u. Leonis Hassleri etc.", Norimb. 1615.
Seine sämtlichen Kompositionen finden sich in dem trefflichen Werke
V. Winterfeld's : „Johannes Gabrieli u. sein Zeitalter. 2 Teile nebst
einem Notenheft. Berlin 1834,'* verzeichnet.
Gänsbacher, Johann Bapt., geb. 7. Mai 1778 zu Sterzing in
Tyrol, kam im Alter von 8 Jahren, in der Musik wohl unterrichtet, als
Chorknabe nach Hall. Während seiner philosophischen Studienjahre
zu Innsbruck begann er auch einiges zu komponieren. 1796 diente er
beim Landsturm u. befehligte selbst eine Truppe von 300 Mann. 1802
ging er zu Abb6 Vogler in Wien, der ihn in sein Harmoniesystem ein-
weihte und auf seine theoret-musikalische Fortbildung wohlthätig
einwirkte, u. später erhielt er durch Albrechtsberger Unterricht im
Kontrapunkt. Nachdem er in den Freiheitskriegen wiederholt eine
militärische Stelle bekleidet hatte, erhielt er 1823 nach PreindFs Ab-
leben die 'Kapellmeisterstelle am St. Stefansdome in Wien, welche er
bis zu seinem Tode d. 13. Juli 1844 innehatte. Er schrieb vieles;
unter andern Kompositionen finden sich für die Kirche: 17 Messen,
2 Gradualien, Offertorien, 4 Requiem, 5 Litaneien u. dgl Wenn auch
einzelne Teile seiner kirchlichen Werke edler u, würdiger gehalten
sind, so widerspricht doch ein überwiegender Teil derselben dem kirch-
lichen Geiste vollends durch das gemütliche u. heitere Wesen, das den
Wiener Volkscharakter zeichnet u. mit kirchlicher Würde sich nicht
vereinbaren lässt.
Gafori (Gafurins), Franchino, geboren zu Lodi den 14. Jan.
1451, studierte unter Bonadies (Godendag) Musik u. widmete sich dem
geistlichen Stande. Auch als Priester setzte er das Studium der
Musiktheorie fort. Nachdem er sich in Mantua, Verona, Genua einige
Zeit aufgehalten hatte, kam er nach Neapel, wo er mit Tinctoris,
Gamerius u. Bernhard Hycaert zusammentraf u. mit Philipp v. Caserta
öffentliche Disputationen über musikalische Gegenstände hielt. Bald
gab er daselbst seinen ersten Traktat über Musik heraus, der ihn vor-
teilhaft bekannt machte. Krieg u. Pest nötigten ihn, auch Neapel zu
verlassen, worauf er sich nach Monticello im Cremonensischen begab.
Hier blieb er 3 Jahre als Chordirektor, ging dann als Kirchensänger
nach Bergamo u. zuletzt nach Mailand, wo er 1484 als Domsänger,
Lehrer der Choralknaben u. Kapellsänger Ludov. Sforza's eine Anstellung
erhielt, in welcher er auch verdienstvoll wirkte bis zu seinem Tode,
d. 24. Juni 1529. — G.'s Wirksamkeit war nicht ohne bedeutenden
Einflnss auf die musikalischen Studien seiner Zeit u. die meisten der
Gagliano. 97
saoh ihm uumittelbar lebenden musikalischen Schriftsteller zitieren ihn
oft als Autorität. Obwohl er sich mit der griechischen Tonwissenschaft
yi€l beschäftigte u. ihre Systeme als Fauptgrondlagß aller Musik-
wissenschaft ansah, verlor er sich doch nicht in unMchtbare Speku-
lationen, sondern suchte die praktische Entwicklung der Musik seiner
Zeit zu fordern. Seine Schriften, die nun ziemlieh selten geworden,
sind folgende: 1) „Clarissimi Eranchini ,Gafori Laudensis theoricum
opus musicae discipHnae/' Neapol. 1480. Eine zweite Auflage, Mailand
1492, führt den Titel: „Theoria music^ Pranch. Gafori Land.*' etc. u.
ist eine gänzliche Umarbeitung der ersten Auflage. Es ist in 5 Bücher
abgeteilt, wovon die ersten vier eine Art Auszug des Boethius'schen
Traktats, das letzte eine Auseinandersetzung der griechischen TonaHtät
u. der Guidonischen Solmisation enthalten. 2) „Practica musicae sive
musicae actiones in IV. libris," Mailand 1496 (bis 1512 noch dreimal
neu aufgelegt) behandelt den Cantus planus, Notierung, Kontrapunkt,
Proportionen, Tempus u. s. w. und diesem Werke verdankt G. zumeist
seinen Buhm. Die Proske'sche Bibliothek besitzt von diesen beiden
Werken auch eine äusseret schöne Ausgabe mit dem Titel: „Musica^
utriusque cantus practica" Brixen, 1497. kl. Fol. 3) „Angelicum ac
divinum opus musice Fr. Gafurü: De harmonia musicorum instrumen-
torum opus'* etc. Mailand 1518. Hieraus ersieht man, dass er viele
Traktate für seine Schüler schrieb, aber nur diejenigen drucken Hess,
welche er für die wichtigsten hielt. 5) „Apologia Fr. Gafurü adversus
Joan. Spatarium et complices musicos Bononienses" 1520.
Gagliano, G i o v a n n. B a 1 1. , um 1580 zu Florenz geboren, stand
in Diensten des Hauses der Medicis.
Gagliano, Marco da, geb. um 1575 zu Gagliano bei Florenz,
gest. 24. Febr. 1642 zu Florenz, Bruder des Johannes Bapt. G., welcher
ihn um 7 Jahre überlebte, besass grosse musikalische Begabung u.
bildete sich unter Luca Batiks Leitung zum tüchtigen Kontrapunktisten
aus. Er widmete sich dem geistlichen Stande u. ward nach der
Priesterweihe (wahrscheinlich schon gleich) Kapellan bei S. Lorenzo in
Florenz, wo er (1602) auch die Geistlichen im Kirchengesange zu
unterrichten hatte. In dieser Stellung bildete er sich in der theoretischen
u. praktischen Musik, sowie in der Komposition mehr aus; bis 1608,
in welchem Jahre er Kp.-M. u. bald darauf Kanonikus bei S. Lorenzo
wurde, veröffentlichte er fünf Bücher Madrigale, einen Band geistlicher
Kompositionen u. eine Oper. Er war ein fruchtbarer Komponist u.
sehr angesehen. Die wenigsten seiner Werke erschienen im Druck,
an Kirchenmusiken: Officium deff. 4 paribus voc. 1607; Missae et sacr.
Cantiones sex voc. 1614; Sacr. Cantionum ad 6 voc. lib. II. 1622 u. 1623;
Besponsoria maj. hebd. 4 voc. 1630;' Lauda Sion 8 voc. in secondo
libro de Motetti a 6 et & voci, 1643 (letztere sind Kompositionen
seines Bruders).
KornmuIIer, Lexikon. II. Bd. •
98 Galilei — Gallus.
Galilei, Vinceuzo, geb. um 1533, ein flarestinischer Edelmann,
soll Mer eine Stelle finden, da er der eigentliche Urheber der neuem
Melodik genannt zu werden verdient. In der zweiten Hälfte des 16.
Jhdts. war die Kontrapunktik in höchster Blüte, u. selbst die Werke
der Dichter wurden nie anders als für 3 od. 4 Stimmen in Musik
gesetzt. Einzeln- ed. Sologesang war in der höheren Musik nicht
gebraucht. Die gelehrte Gesellschaft im Hause des Grafen Bordi zu
Florenz suchte nun, indem sie sich in die altgriechischen Wissen-
schaften vertiefte u. in den altgriechiscl^en Zuständen Ideale sah, dieser
Stimmenverschränkung entgegenzuarbeiten u. glaubte nun wieder in
der griechischen Musik das Ideal hiervon finden zu können. Mit Eifer
wurden nun Untersuchungen u. Dispute gepflogen, wobei sich G. durch
besondem Eifer auszeichnete. Aber alle diese Bemühungen hatten
keinen genügenden Erfolg, bis man sich entschloss, die gefassten Ideen
in der Praxi^i zu versuchen. G. war es, welcher ein Stück aus Dante
ganz einfach in Musik setzte, die Worte des Gedichtes in das richtige
Verhältnis mit der Musik zu bringen sich bemühte u. seine Arbeit
dann mit Begleitung der Laute der Gesellschaft vortrug. Als dieser
Versuch über alle Erwartung befriedigte, komponierte er noch einige
Stücke aus den Klageliedern des Propheten Jeremias, welche gleichen
Beifall erhielten. Von da an brach der melodische Sologesang sich
immer mehr Bahn. G. hatte sich durch ein Werk, welches den Titel
führt: „Jl Eronlmo, dialogo sopra l'arte del bene intavolare e rettamente
sonare la musica, negli strumenti artificiali si di corde comme di
fiato, ed in particolare nel Liuto. In Veneggia. L'herede di Girolamo
Scotto. 1584," welches Lautentabulatur u. 124 Notenbeispiele von grossen
Meistern enthält, einen Namen gemacht. 1581 trat er gegen seinen
Lehrer Zarlino, wie überhaupt die kontrapunktische Musik in seinen
„Discorso intomo all'opere di Zarlino," u. 1602 mit „Dialogo deila
Musica" auf. — Galileo Galilei, Sohn des Vorigen, war jener
grosse, um die Naturlehre unsterblich verdiente Mann, geb. zu Pisa
18. Febr. 1564, gest. zu Florenz 8. Jan. 1642, welcher auch der Musik
sehr kundig war u. gründliche Darstellungen über akustische Gegen-
stände lieferte.
Galli, Vincenzo, lat. Gallus, ein Franziskanerm(kich in
Sizilien um die Mitte des 16. Jhdts. geb., war Kp.-M. an der Kathedrale
zu Palermo. Mit dem Erwerb aus seinen Kompositionen Hess er sein
Kloster erweitem u. an eine Säule die Worte setzen: „Musica Galli."
Gallionlas, Johannes, Kontrapunktist u. Theoretiker zu Leipzig
um 1520—50, gab ein kleines Kompendium heraus: „Jsagoge de compo-
sitione cantus"; es ist in mehreren Auflagen erschienen. Kompositionen
von ihm finden sich in verschiedenen Sammlungen.
Gallna, Jakob, eigentlich Hänl oder Hau dl, war um 1550
in Krain geb., wurde Kp.-M, des Bischofs zu OlmÜtz, Stanislaus,
Galuppi — Garnerius. 99
Pawlowski, darauf kaiserl. Kp.-M. u. starb am 4. Juli 1591 zu Prag.
Sein Ansehen als Tonsetzer war gross u» der Verewigte wurde durch
eine Menge Gedichte gefeiert. Er verdiente auch das Lob vollständig
u. steht würdig den besten italienischen Tonmeistern seiner Zeit zur
Seite. Vom Kaiser erhielt er 1588 zur Herausgabe seiner Werke ein
Privilegium auf 10 Jahre. Diese sind: f,Musicum opus 5, 6 u. 8 voc/'
2 Teile. (Prag, 1586, 1587 u. 1590); „Moralia 5, 6 u. 8 vocibus con-
cinata/' (Nürnberg, 1586); „Harmoniae variae 4 voc.,*' (Prag, 1591);
„Lib. m. Harmoniarum moral. 4 voc. (Prag, 1591); „Sacrae cantiones
de praecipuis featis, 4, 5, 6, 8 u. plur, voc." (Nürnberg, 1597); „Motettae,
quae praestant omnes.^^ (Frankfurt, 1610). In Bodenschatz's „Florilegium
portense'* befinden sich auch 33 Stücke von ihm, unter andern das
berühmte ,,Ecce, quomodo moritur justus/^
Galnppi, Baldassare, genannt Buranello , geb. den 18. Okt.
1706 auf der Insel Burano unweit Venedig, ein Schüler Lotti's, war
besonders als dramatischer Komponist berühmt. 1762 wurde er in die
Stelle des Giuseppe Saratelli als Kp.-M. der Markuskirche in Venedig
gewählt, 1764 od» 65 folgte er einem Eufe als erster Kp-M. nach
Petersburg, wo er das kaiserliche Orchester trefflich hob. Nach drei
Jahren ging' er wieder nach Venedig zurück u. trat wieder in sein
Amt an St. Marco ein, das er mit ungeschwächter Kraft, auch als
Komponist thätig, bis an sein Ende, 3. Januar 1785, verwaltete. Neben
74 Opern arbeitete er auch vieles für die Kirche, was meist Manuskript
geblieben ist.
Gamberini, Michel Angelo, geb. zu Cagli, lebte um die Mitte
des 17. Jhdts. u. war Kp-M. an der Kirche des hl. Venantius zu
Fabriano. 1655 wurde in Venedig eine Sammlung Motetten von seiner
Komposition gedruckt.
Garcia, Francesco, ein berühmter portugiesischer Tonkünstler
u. Tongelehrter aus dem Ende des 16. u. Anfang d. 17. Jhdts.
Gargano, Teofilo, zu Gallese in der zweiten Hälfte des
16. Jhdts. geb., wurde als Kontraaltist 1601 in die päpstliche Kapelle
aufgenommen, u. Baini berichtet rühmend über ein von ihm komponiertes
Miserere. Er starb 1648.
Garlandia, 1) Johannes, nach Coussemaker (Script. I. S. X)
Professor u. Musiker in Paris gegen Ende des 12. Jhdts., von welchem
Coussemaker (1. c. S, 97, 175) einen Traktat über Mensuralmusik in
zwei Versionen veröffentlicht hat. Auch ein Wörterbuch, das wert-
volle Aufschlüsse über ältere Instrumente enthält, wird ihm zugeeignet.
2) Ein Schriftsteller des 13.— 14. Jhdts. (Galandia), von welchem ein
Traktat über Cantus planus ebenda abgedruckt ist.
Garnerins od. Gaarnerias, Guilielmus, ein Tonkünstler, der
in der zweiten Hälfte des 15. Jhdts. einer grossen Berühmtheit sich
erfreute. Er ist wahrscheinlich ein gebomer Belgier. Gewiss ist, dass
7*
100 Gasoogne — Gatti.
er ein berühmter Lehrer der Musik war, welcher zuerst in Mailand
unterrichtete u. dann nach Neapel berufen wurde, um an der vom
König Ferdinand eingerichteten Musikschule eine Lehrerstelle zu über-
nehmeu. Hier lebte er noch um 1480.
Ga9C0g]ie, Mathieu, ein französ. Tonkttnstler zu Anfang des
16. Jhdts. lebend, von welchem man in einigen Sammlungen Stücke
findet. Nach Baini liegen auch yon G. Messen über franzSs. Chansons
im Archiv der päpstL Kapelle. Auch in der Münchener Bibliothek be-
finden sich einige 48timm. Messen, welche als Automamen „Gascong*^
an der Spitze tragen; vielleicht ist dies eine u. dieselbe Person.
Gaspar od. Gaspard, ein gelehrter Tonkünstler, entweder in
Frankreich od. Belgien gebürtig, war ein Schüler Okenheims. Von
seinen Lebensumständen weiss man nichts, aber eine ziemliche Anzahl
Kompositionen von ihm sind bekannt.
Gasparini, Francesco, geb. 5. März 1668 zu Oamajora bei
Lucca, gest. im April 1737 in Bom, Schüler von Corelli ü. Pasquini
zu Born, wurde 1735 Kp.-M. an St. Johann im Lateran; er war einer
der geschätztesten Italien. Tonsetzer seiner Zeit u. bildete viele Schüler,
unter denen Benedetto Marcello der berühmteste ist. Er komponierte
' neben Bühnenmusik auch viele Messen, Psalmen, Motetten, Kantaten
u. schrieb eine lange Zeit in Gebranch stehende Generalbassschule
„L'armonico pratico al cembalo** (Venedig 1683, 7. Aufl. 1802).
Gastoldi, Giovanni Giacomo, ein fruchtbarer und sehr
geschätzter Kontrapunktist des 16 Jhdts., geb. zu Caravaggio, war
zuerst Kp.-M« an der Kirche St. Barbara zu Mantüa, später am Dom zu
Mailand (1592). Er schrieb neben mehreren Büchern 4- u. 5stimmiger
Kanzonenv5'— Ostimm. Madrigalen, Balieti, Concerti u. b. w. noch viele
Kirchenstücke, so: ö—Sstimm. Messen (1600), Sstimm. Messen (1607),
4 stimm. Messen (1611), Completorium (1589), 4, 5 u. 6stimm. Vesper-
psalmen u. a.
Gastriz, (Castritius) Mathias, ein deutscher Kontrapnnktist
des 16. Jhdts., Organist zu Amberg, von dessen Werken sich mehrere
noch auf der Münchener Bibliothek befinden, eine ungleich grössere
Anzahl aber, meist zu Würzburg gedruckt, verloren gegangen ist.
Gatti, Ludwig, geb. den 11. Juni 1740 zu Castro Cacizzi bei
Mantua« widmete sich dem geistlichen Stande, zugleich aber auch der
dramatischen !Komposition. Im Jahre 1783 wurde er als fttrsterzbisch.
Hof- u. Dom-Kp.-M. nach Salzburg berufen u. starb daselbst am 1. März
1817. Der Domchor zu Salzburg besitzt von ihm: 9 Litaneien,
18 Vesperpsalmen, 48 Offertorien, 20 Messen, 1 Eequiem, 2 Miserere,
2 Te Deum, 2 Begina coeli.
Gatti, Simone, um die Mitte d. 16. Jhdts. zu Venedig geboren,
war erst Musikdirektor des Erzherzogs Cajrl von Österreich u. dann
bei der Kapelle des Herzogs Albrecht V. von Bayern angestellt.
Gauoquier -^ ßerardini. 101
GaaeqaieF} Alard (latinisiert Nucens), geb. zu Lille, Kp.-M. der
Kaijäer Ferdinand I. u. Maximilian II., dann des Erzherzogs, nach-
maligen Kaisers Mathias, vortrefflicher Kontrapnnktist. Von ihm
kennt man: „Magnificat 4^6 voc." (1547) u. „Qnatuor Missae 5, 6 et
8 Yoc.»* (1581).
. Gaiizargiies, Charles, Abb6, geb. nm 17^ zuTarascon in der
Proveno^, schon frühzeitig in der Musik unterrichtet, begab sich 1756
nach Paris, wo er seine musikaliisiche Ausbildung unter Eameau fleissig
bel^ieb. Einige Motetten seiner Komposition gefielen dem Dauphin
so sehr, dass G. auf dessen Empfehlung die Stelle als kgl. Kp.-M.
(1758) erhielt. Während dieser Zeit schrieb er bei 40 Kirchenstücke
mit Orchesterbegleitung. Er starb zu Paris 1799, nachdem die Revo-
lution ihn von seinem Posten veijagt hatte, als Privatmann ; 1789 gab
er auch einen- „Trait6 de l'harmonl^" heraus, ganz nach den Grund-
sätzen Bameau's.
Guszanig^, Giuseppe, geb. zu Verona 1743, f 1819 in Crema,
tridmete vom: 17. Jahre an sich ganz der Musik. Seine weitere Aus-
bildung eriiielt er durch Porpora in Neapel, Piccini u. endlich durch
Sacchini in Venedig. 1791 ward er Dom-Kp.-M. zu Cremona, seit welcher
Zeit er fast ausschliesslich für die Kirche komponierte.
Gebaner, Fr. X a v. , geb. 1784 zu Eckersdorf in der Grafschaft
Glatz, kam 1810 nach Wien, erhielt daselbst den Chorr^entendienst
an der Aijgustiner-Pfarrkirche u. wirkte als eines der thätigsten Mit-
glieder der Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiser-
staatea wohUhätig auf die Hebung der Musikzustände Wien's ein. ■
Zu diesem Ende begründete er 1819 die noch jetzt bestehenden Concerts
spirituels u. brachte in ihneii nur die gewähltesten Meisterstücke zur
Aufführung, wodurch der Sinn für klassische Kompositionen geweckt
u. dem entarteten Zeitgeschmack ein wirksamer Damm entgegengesetzt
wurde. Mehrere Kirchenkompositionen von ihm sind handschriftlich
verbreitet.
Gebhart, Anton, geb. 1817 zu Sonthofen im AUgäu, wendete
sich anfangs dem Lehrfache zu, später, 1842 trat er die Stelle eines
Organisten u. Musiklehrers an der kgl. Studienanstalt zu Dillingen an
a. wurde 1858 Chorregent an der Stadtpfarrkirche daselbst. Er lieferte
mehrere Kirchenkompositionen (Pange Ungua» 1 Requiem, 1 lat. Messe,
Miserere, Stabat Mater etc. für 4 Stimmen), sehrieb musikalische
Artikel in Heindl's pädagog. Repertorium -u. in die „Neue Münchner-
zeitung'* (1850), u. gab das „Repertorium der musikalischen Journalistik
und Litteratur" (1850 u. 1851) in 4 Heften heraus.
Gerardini, Arcangelo, ein Servitenmönch, geb. zu Siena um
die Mitte des 16. Jhdts , lebte zu Mailand u. hat daselbst im Jahre
1687 eine Sammlung von- 17 achtstimmigen Motetten veröffentlicht
r
«
102 Gerber — Gerbert von Homau.
Gerber, Ernst Ludwig, geb. den 20. Sept. 1746 zn Sonders-
hausen, gestorben daselbst als Hofsekretär am 30. Juni 1819, war vom
7. Jahre an von seinem Vater in der Musik unterrichtet worden^ 1765
bezog er die UniTersität Leipzig, um Jus zu studieren, welches er bald
aufgab, um sieh ganz der Musik zu widmen. Nach seines Vaters Tode
1775 erhielt er die Musiklehrerstelle bei den fürstlichen Kindern zu
Sondershausen. Nun verlegte er sich auch auf die «musikalische Litte-
ratur u. sammelte 10 Jahre lang, um seinen Plan^ ein Tonkünstler*
lexikon herzustellen, in Vollzug zu setzen. 1790 erschien dieses (alte)
Tonkünstlerlexikon in 2 Teilen, zu Leipzig bei Breitkopf u. Härtel.
Fortgesetzte Sammlungen u. Eecherchen lieferten ihm wieder neues
Material, so dass er 1796 ein neues Lexikon der Tonkünstler in An-
griff nahm, welches 1812 bei Kühnel in Leipzig in 4 Teilen im Druck
erschien. In diesem brachte er vielmehr nur Ergänzungen seines alten
Lexikons, Berichtigungen, völlig neue u. vermehrte Artikel, so dass beide
Werke im Grunde nur ein Werk bilden. Seine Arbeit, die ein grosses
Bedürfnis ausfüllte und wegen des grossen Fleisses, der Treue und
Eedlichkeit, womit sie vollfährt ist, alle Beachtung u. Anerkennung
verdient, zeigte ihren Nutzen; es wurde das alte Lexikon bald von
Choron ins Französische übersetzt u. auch ein italienischer Bearbeiter
fand sich. — Seine ganze Bücher- u. Manuskripten-Sammlung wurde
nach seinem Tode vom Wiener Konservatorium angekauft,
Gerbert Ton Homaa, Martin, geb. zu Horb am Neckar in
Württemberg, den 12. Aug. 1720, erfreute sich von Jugend auf einer
sorgfältigen wissenschaftlichen Erziehung, der er mit redlichstem Eifbr
entsprach. Nicht nur die eifrigste Liebe zu gelehrten Kenritnissen,,
sondern auch Neigung zur Kunst, namentlich zur Tonkunst zeichneten
ihn vorteilhaft aus, welcher er sein ganzes Leben lang mit besonderer
Liebe zugethan blieb u. deren Förderung er allseitig anstrebte. Zum
geistlichen Stande berufen, trat er 1736 in das Benediktinerstift St.
Blasien im Schwarzwald, wo er 1744 die Priesterweihe empfing, bald
darauf zum Professor der Philosophie u. Theologie ernannt u. 1764
zum gefürsteten Abte dieses Klosters erwählt wurde. Er starb den
13. (140 Mai 1793 in einem Alter von 73 Jahren. Aus Liebe zu Kunst
u. Wissenschaft hatte er 1759—1765 eine grosse Reise durch Frankreich^
Italien u* Deutschland unternommen, auf welcher er sein besonderes
Augenmerk auf die öffentlichen u. Klosterbibliothekeii richtete; denn
sein Plan war, eine Geschichte des Kirchengesanges auszuarbeiten.
Sehr förderlich für sein Unternehmen war ihm die Bekanntschaft mit
P. Martini in Bologna, die sich bald in Freundschaft verwandelte, u.
dessen reiche Bibliothek u. umfassende musikalische Kenntnisse ihm
zur vollsten Verfügung standen, wie im Gegenteil P. Martini's Bib*
liothek durch Gerbert's Mitteilungen kostbare Bereicherung, erhielt.
Beide für die Tonkunst wichtige Männer waren auch übereingekommen,
Gerland — Gerson. 103
Martini solle die allgemeine Geschichte der Tonkunst bearbeiten»
Gerbert aber die Geschichte der Kirchenmusik. 1762 machte G. seinen
Plan bekannt u. bat um Beiträge. 1768 jedoch zerstörte ein Brand
des Klosters St. Blasien die Bibliothek u. alle von G. zu einer Ge-
schichte gesammelten Materialien. Dies Unglück verzögerte übrigens
nur die Herausgabe des Werkes; der erste Band war bereits gedruckt,
u. von den wichtigsten Sachen befanden sich Abschriften bei ihm
Jbeiäreundeten Männern^ besonders bei P. Martini. So ^schien denn
1774 das Werk in zwei starken Quartbänden unter dem Titel: „De
cantu et musica sacra a prima ecclesiae aetate UBque ad praesens
tempns" (mit 40 Kupfern). Dies Werk ist' für jeden Musikgelehrteji
unentbehrlich u. bildet fort u. fort eine fast tmerschöpf liehe Quelle
der kostbarsten Nachrichten über die kirchliche Tonkunst aller Zeiten,
wenn auch, wie nicht anders möglich, in diesem, wie im folgenden
Werke mancherlei Unrichtigkeiten mitunterlaufen. Sein zweites Haupt-
werk ist: „Scriptores ecclesiastici de musica sacra potissimum** 1784,
3 tomi, worin die Tractate von den bedeutendsten musikalischen
Schriftstellern enthalten sind. (Fortgesetzt wird dieses Werk von
Coussemaker. Vgl. d. Art.) Ebenso enthalten die andern Schriften
G.'s „Iter Alemanicum, ItaL et Gallic. 1765 u. 1773** (auch in's Deutsche
übersetzt); „Vetus liturgia Alemanica,** T. II. c. fig. 1776, u. „Monumenta
veteris liturgiae," T. n. 1779 viele für den Musikgelehrten wichtige
Aufschlüsse ru Winke. In Augsburg erschienen einige Gffertorien
von ihm in Druck; im 11. Band „D« Cantu^* ist auch eine zweichörige
Messe ftir den Gründonnerstag mit Introitus, Graduale, Offertprium u.
ein^oa 2stimm. Kommuniongesange aufgenommen. (Vgl. Cäcilienkalender
1882. S. 72).
Gerland, s. Garlandia.
Gero, Giovanni de, ein Italien. Kontrapunktist des 16. Jhdts.,
den Baini als einen der besseren Tonsetzer der Zeit unmittelbar vor
Palestrina anführt.
GerBon, Johannes (eigentl. Job. Charlier) erhielt seinen
Beinamen „Gerson^* von einem Dorfe in der Diözese Eheims, wo er
im J. 1363 geboren wurde. Er war nicht blos später als Kanzler der
Universität Paris, sondern auch durch sein kirchliches Wirken nament-
lich auf der Synode von Konstanz berühmt geworden, u, sein unge-
wöhnlicher Huf von Gelehrsamkeit u. Frömmigkeit erwarb ihm den
ehrenvollen Namen „Doctor christianissimus.** Nach dem Konzil von
Konstanz aber betraf ihn eine lebenslängliche Landesverweisung, ver-
hängt vom Herzog v. Burgund, welchen Jean Petit wegen des am
Herzoge von Orleans verübten Mordes zu Konstanz öffentlich vertheidigte,.
Gerson aber geziemend rügte. Einige Zeit brachte er zu Battenberg
in Tirol zu u. schrieb da das erbauliche Buch „De consolatione
theologiae"; später verlebte er noch 10 Jahre im Cölestinerkloster
104 Gervasoni — Gevaert.
zu Lyon, wo sein Bruder Prior war* Daselbst brachte er seine Zeit
mit dem Unterrichte der Kleinen, mit Betrachtung u. Studium hin, u.
starb im 66. Lebensjahre in grösster Abgeschiedenheit u. Armut,
am 12^ Juli 1426. — In seinen gesammelten Werken, wdche zu
Amsterdam 1706 in 5 Foliobänden herausgegeben wurden, befindet sich
ein lateinisches Gedicht „De laude Musicae"; femer findet man darin
eine kleine Abhandlung „De canticorum originali ratione," die Be-
schreibung einiger in der hl. Schrift genannter Instrumente, sowie
zerstreut manche Andeutungen u. Belehrungen über würdigen Gesang.
Nicht unwichtig ist auch ein kleiner Traktat „De disciplina puerorum,'^
welcher die Statuten enthält, welche G. für die Singknaben an der
Hauptkirche in Paris verfasst hatte, u. nicht blos vorschreibt, was
gesungen werden darf, sondern auch Vorschriften über guten Gesang
u. die Erhaltung der Stimme giebt. (Haager Ausgabe 1728, Tom. IV.
pag. 717 unter den Werken, welche dem Gerson als von ihm verfasst
zugeschrieben werden.)
Geryaaoni, Carlo, musikalisch-theoret Schriftsteller, geb. zu
Mailand den 4. Nov. 1762. Ein unwiderstehli-cher Trieb zur Musik
Hess ihn die Tonkunst als seinen Beruf erkennen, wesshalb er nach'
dem Tode seines Vaters behufs gründlicher musikalischer Ausbildung
sich nach Neapel begab. Nachdem er mehrere Jahre mit theoret. u.
musikalisch-historischen Studien u. mit Unterrichtgeben für Klavier u.
Gesang zugebracht hatte, erhielt er 1788 die Kp.-Meisterstelle an der
Hauptkirche zu Borgo Taro. Er starb den 4. Juli 1819 in Mailand,
nachdem er 1807 zum Mitglied der italienischen Gesellschaft für
Wissenschaften u. Künste ernannt worden war. Seine Schriften:
1) „La Scuola della musica in tre parti divisa,'* Piazenza, 1800.
2 Teile. 2) „Corteggio musicale di Carlo Gervasoni con diversi suoi amici
professori, maestri di capella etc.** Parma, 1804. 3) „Nuova Teoria
di Musica ricercata dair odiema pratica** Parma, 1812. Dies ist sein
interessantestes u. bestes Buch.
GesiaSi Bartholomaeus, geb. um 1555 zu Müncheberg bei
Frankfurt a. d. Oder, gest. 1613 fds Kantor in letzterer Stadt, war
ein angesehener Komponist u. Theoretiker. Er schrieb ein theoret.
Werk: „Synopsis musicae practicae" (1609, 1615, 1618) u. sehr viele
deutsche u. lateinische Kirchengesänge.
GeyaSrt, FrauQois Auguste, hochbedeutender Musikgelehrter
u. Komponist, geb. 3L Juli 1828 zu HuyBse bei Oudenarde, studierte
die Musik am Konservatorium zu Gent, machte Studienreisen nach
Paris, durch Spanien, Italien u. Deutschland u. Hess sich um 1853 in
Paris nieder. Durch Opemkompositionen erntete er grossen Bufam.
Doch wendete er sich bald mehr dem Studium der Musikgeschichte u.
Theorie zu. 1856 erschien von ihm ein „Lehrbuch des gregorianischen
Gesangea*» u. 1863 ein „Traite d' Instrumentation** (2. Aufl. 1885).
)
Gherardesohi — Giamberti. 105
1870 verliess er Paris u. wurde nach Fötis* Tode 1871 zum Direktor
des Konservatoriums in Brüssel ernannt. Hier seien von seinen Schriften
noch genannt: ,,Histoire et th^orie de la rnnsigue de Tantiquit^"
<2 ©de. 1875—81), dann eine Studie „Le chant liturgique de T^glise
latine" (1889), welche ihn in eine Fehde mit einigen Gelehrten brachte.
Auch ein „Vade mecum*^ für kathol. Organisten edierte er.
Gherardeschi, Giuseppe, geb. d. 4. November 1759 zu Pistoja,
erhielt seinen ersten musikalischen Unterricht von seinem Vater, der
daselbst Domkp.-M. war; zur weitem Ausbildung in der Komposition
b^ab er sich nach Neapel unter Sala's Leitung. Nach seiner Mckkehr
trat er in seines Vaters Stelle. Er schrieb viele Kirchenstücke, die
aber Mskr. geblieben sind. Sein Todesjahr ist unbekannt. 1812 lebte
er noch in Pistoja.
Gherardi, Blasio, war um die Mitte des 16. Jhdts. Kp.-M.
an der Kathedrale zu Verona. (Fünf- und achtstimmige Motetten.
Venedig 1650.)
Ghersem, Gaugeric de, um 1590. Sänger an der Kathedrale
seiner Vaterstadt Toumay, ging später mit seinem Lehrmeister Georges
de la H^le, Kp.*M. von Toumay, nach Spanien, wo er eine Kapeli-
meisterstelle erhielt. Doch kehrte er bald wieder in seine Vaterstadt
zurück, trat in die Dienste des Erzherzogs Albert u. der Infantin
Isabella als Kp.-M. u. erhielt auch eine Präbende zu Tournay.
Ghiselin od. Gbiselain, Jean, ein belgischer Kontrapunktist zu
Ende des 15. u. Anfang des 16. Jhdts. Von seinen Lebensumständen
weiss man gar nichts. In der von Petmcci da Fossombrone 1503 in
Venedig herausgegebenen Sammlung: „Missae diversomm auctorum 4
voc." finden sich 5 Messen von G. ; andere Dmcke Petruccfs bewahren
noch eine beträchtliche Anzahl Motetten u. Canti, desgleichen der
Codex Basevi u. a. G. zeigt sich überall als Meister.
Giaecobi, Girolamo, geb. zu Bologna um 1575, wurde 1604
zweiter, u. später erster Kp.-M. an der Kirche St. Petronio daselbst.
Als solcher starb er den 30. November 1630. Er kann als eines der
Häupter der Bolognesischen Schule angesehen werden, welche der Welt
490 viele ausgezeichnete n. gelehrte Musiker gab. Ausser weltlichen
Sachen schrieb G. auch viele Kirchensachen, deren Manuskripte im
Besitz des P. Martini waren n. die später an die Bibliothek des Klosters
S. Francesco übergingen.
Giamberti, Giuseppe, geb. zu Eom in der zweiten Hälfte des
16. Jhdts., studierte die Musik unter Bern. Nanino u. Paolo Agostini,
wurde dann Kp.-M. an der Kathedrale von Orvieto u. zuletzt neben
Tarditi u. Greg. Allegri zweiter Kp.-M. an St. Maria Maggiore in
Bom; 16^ rückte er an die Stelle des ersten Kp.-M. vor, starb aber
schon 1630. Er tmg sehr viel zur Verbesserung des Antiphonars bei,
welches 1650 zu Rom herauskam.
TP >S»1
106 Gianelli — Giovanelli.
Gianelli, Abbate Pietro^ geb. in Frianl um 1770, machte seine
Studien in Padua u. lebte grösstenteils in Venedig. Er gab 1801
(fernere Auflagen 1810 n. 1820) ein „Dizionario della mnsica sacra e
pröfana" heraas, das erste musikal, Lexikon, welches in Italien er«
schienen ist; 1801 in Venedig eine „Grammatica ragionata della mnsica*';
1820 ebendaselbst „Biografia degrnomini illnstri della mnsica," wovon
nur die erste Lieferung erschien.
Gianselti od. Gianzetti, Giov. Battista, ein Komponist ans
der röm. Schule, wurde 1^67 zum Kp.-M. an S. Johann im Lateran in
Rom ernannt, in welcher Stelle er bis zum Sept. 1675 verblieb. Er gab
zu Rom 1670 56 Motetten zu 2—4 Stimmen, 1671 solche fttr 3 Soprane
u. 8- u. lOstimm. Messen heraus. Besonders berühmt wurde er durch
eine 48stimm. (12cliörige) Messe, welche 1675 am 4. August in der
Xitche S. Maria sopra Minerva aufgeführt wurde.
Gibellini, E 1 i s e o , ein Komponist aus der röm. Scimte, nm die
Mitte des 16. Jhdts., gab 1548, 1552 u. 1565 5stimnL Hi»tetten, 3stimm.
Madrigalen u. 5stimm. Messen zu Venedig m, Rom. heraus.
Gil, ein portugies. Mönch, geb. zu Lissabon gegen Ende des 16.
Jhdts., war ein Schüler des Puarte Lobo u. Kp.-M. im Franziskaner-
kloster zu Guarda, wo er 1640 starb. Von ihm werden Messen, Psalmen
u. Motetten für mefamre Stimmen angeführt.
GiUeSy Jean, geb. 1669 zu Tarascon, machte seine musikalischen
Studien tinter Poitevin, Kp.-M. zu Aix in der Provence. Nach seines
Lehrers Tode trat er in dessen Amt ein, vertauschte es aber bald mit
einem gleichen zu Agde. Später kam er als Kp.-M. nach Toulouse,
starb aber schon 1705. Seine Kompositionen sind setit gerühmt,
namentlich eine Totenmesse, welche sich in Mskr. neben andern seiner
Werke auf der Pariser Bibliothek befindet.
Giorgi, Giovanni, ein Komponist der röm. Schule, geb. gegen
Ende des 17. Jhdts., wurde 1719 Kp.-M. an der Kirche S. Giovanni im
Lateran u. starb im Jan. 1725. Die genannte Kirche u. die von S. Maria
Magg. bewahren Messen, Psalmen u. Offertorien von ihm auf.
GioTanelli, Ruggiero, ein berühmter Komponist der röm.
Schule, geb. zu Veltri um 1560, daher auch wohl „G. da Velletri"
genannt. Nanino soll sein Lehrer gewesen sein, u. solche Fortschritte
machte er in der Tonkunst, dass er 1587 zum Kp.-M. an der Kirche
San Luigi de Francesi, dann an der des CoUegium germanicujn ernannt
u. nach dem Tode Palestrina's würdig befanden wurde, dessen Nach-
folger zu S. Peter im Vatikan zu werden 1594 ; 5 Jahre später genoss
er auch die Ehre, in das Sängerkollegium der päpstlichen Kapelle
aufgenommen zu werden. G. verdient zu den grössten Zierden der von
Palestrina u. G. M. Nanino gegründeten röm. Schule gezählt zu werden.
Seine Werke, sagt Proske, zeichnen sich durch Anmut, Reinheit des
Giubilei — Gizzi. . 107
Styles n. harmonischen Wohlklang in einem Grade ans, dass nnr die
edelsten Tonbildner sich mit ihm vergleichen lassen.
Daher befreundete sich der geläuterte Geschmack jener Zeit vor-
zugsweise mit den Kompositionen G.'s, wie die zahlreichen Original-
ausgaben u. Anthologien der italienischen, deutschen u. niederländ.
Presse zur Genüge beweisen. Demungeachtet ist ein Teil dieser herr-
lichen Werke unediert geblieben. Von ihnen teilt Baini in seinem
Buche über Palestrina ausführliche Nachricht mit; sie bestehen haupt-
sächlich in mehreren Büchern 5stimmiger Madrigale, 5— 8stimmiger
Motetten, 3stimm. Kanzonetten u, dgl., die in der Zeit von 1586—94
•zu Venedig u. Kom in Druck erschienen sind. Mehrere Motetten u.
Psalmen ftlr 8 Stimmen von ihm sind in der von F. Oostantini 1615,
16 u. 17 herausgegebenen Sammlung enthalten. Unter den in ver-
schiedenen Musikarchiven Eoms befindlichen Kunstresten dieses Meisters,
wovon die päpstliche Kapelle einen reichen Schatz von handschriftlichen
Messen, Motetten u. Psalmen besitzt, hebt Baini ein 4stimm. Miserere
mit 8stimm. Schlussversett u. eine Sstimm. Messe über Palestrina's
Madrigal „Vestiva i colli^* mit besonderer Auszeichnung hervor.
Proske kennt noch eine Anzahl der auserlesensten, voxi Baini ungenannt
gebliebenen Kompositionen in 2— 12stimm. Satze, die durchgehends
wertvoll sind, u. wovon eine ISstimm. Messe von höchster Schönheit
u. geistreichstem Gepräge ist. Noch verdient bemerkt zu werden, dass
Baini^s Vermutung, die von Papst Paul V. angeordnete Korrektur
des Graduale Eomanum, welches hierauf in einer Prachtausgabe der
Medicaeischen Druckerei in den Jahren 1614 u. 1515 erschien, sei die
Frucht vieljährigen Fleisses des Eugg. Giovanelli gewesen, unrichtig ist.
Sein Todesjahr ist nirgends verzeichnet.
Giubilei, P. Andrea, geb. zu Pistoja, war um die Mitte dai
vorigen Jhdts. Kp.-M. an der Kirche des Klosters del Seil Bmpbino Gesü
in Rom u. wird von Baini als ein guter Tmuetzer aus der römischen
Schule u. besonders als vortrefUeher Kontrapunktist aufgeführt. Seine
Werke bewahrt ate Mairoskript das Archiv der päpstl. Kapelle.
Qnfiiri, Andreas, bis 1771 Kp.-M. am Dom zu Augsburg, war
der Sohn eines dortigen Sprachlehrers. Bei seinen gründlichen theoret.
Kenntnissen u. seiner vortrefflichen Methode beim Gesangunterricht
erzog er viele gute Sänger für seinen Chor. Überdies gehörte er zu
den beliebtesten Komponisten seiner Zeit, namentlich im Kirchenstyle.
Seine Kompositionen sind Mskr. geblieben.
Gizsi, D 0 m e n i c 0 , geb. 1684 zu Arpino im Neapolitanischen,
bildete sich zu einem sehr geschickten Sänger, studierte dann neben
Porpora u. Burante unter Aless. Scarlatti die Komposition u. schrieb
mehreies für die Kirche u. Kammer. Auf den Rat ScarliEttti's gründete
er eine eigene Singschule, aus welcher bedeutende Sänger z. B. Feo u.
Conti hervorgingen. Er starb 1745.
108 ' Glarean •=— G-leissner.
Glarean, Heinrich, geb. 1488 im Kanton Glarus in der Schweiz,
woher anch sein Name Glareanns, (eigentl. hiess er Heinrich
L 0 r i t u s) war als Philosoph, Mathematiker, Historiker, Mnsikgelehrter
n. Dichter einer derjenigen Männer, welche am thätigsten n. erfolg-
reichsten zur Hebnng der Künste u. Wissenschaften im 16. Jhdt.
mitwirkten. Musikunterricht erhielt er von Johann Oochläns, im
Theoretischen sowohl als im Praktischen. Von Kaiser Maximilian ward
er zum Poeten gekrönt. Nachdem er zu Basel u. Paris als öffentlicher
Lehrer der Mathematik u. der iächönen Wissenschaften fungiert hatte,
zog er sich 1529 nach Freiburg im Breisgau zurück, wo er Vorlesungen
über Geschichte u. Litteratur hielt u.' viele Schüler aus ganz Deutscll-
land an sich zog. Daselbst starb er auch ganz zurückgezogen den
28. Nov. 1563. — Seine musikal.-theoretischen Werke waren für seine
Zeit von hoher Bedeutung u. gehören zu dem Klarsten u. Methodischsten,
was im 16. Jhdt. über Musik geschrieben wurde. Es sind: l>„lBagoge
in musicen," (Basel 1516), worin er Über Solmisation, Mutation, Inter-
valle, Tonarten u. dgl. -handelt 2) „Dodecachordon"- (Basel 1547, neu
ediert 1887 durch Bohn in R. Eitüfer's Publikationen), worin er in drei
Büchern die Übereinstimmung der 12 Kirchentonarten mit den Modis
der griechischen Musik darzuthun sich bestrebt Im ersten Buche setzt
er die Lehre der 8 Kirchentöne, wie sie damals gewöhnlich waren,
auseinander u. begleitet sie mit interessanten Bemerkungen; im zweiten
stellte er seine 12 Töne auf und beweist, dass nicht 8, sondern 12 Töne
sind; im dritten Teil macht er die Anwendung derselben auf die
harmonische u. mensurierte Musik; Dieser Teil ist von besonderer
Wichtigkeit wegen der vielen Beispiele aus Kompositionen des 15. u.
16. Jhdts., z. B. aus Werken von Okenheim, Hobrecht, Josquin u. dgl.
1557 gab zu Freiburg ein gewisser Job. Ludw. Wonegger einen Auszug
aus diesem Werke heraus unter dem Titel: „Musicae epitome ex
Glareani Dodecachordon** (zweite Auflage 1559, Freiburg). Glarean
veranstaltete auch eine sehr gute Ausgabe der Werke des ^Boethiust
welche 7 Jahre nach seinem Tode 1570 zu Basel erschien.
Gleisaner, Franz, geb. zu Neustadt an derWaldnaab 1760, kam
sehr jung in das Seminar zu Amberg u. zeigte schon damals die
glücklichsten Anlagen für Musik u. Poesie. 18 Jahre alt komponierte
er ein Itequiem auf den Tod des Kurfürsten Maximilian Joseph von
Bayern. In München vollendete er seine philosophischen Studien u.
bildete sich in der Musik weiter aus. 1800 erhielt er eine Anstellung
in der kurfürstlichen Kapelle. Sein Todesjahr ist uns nicht bekannt
geworden. Für die Kirche hat er Messen u. Offertorien komponiert.
Er war der Erste, welcher durch Senefelder's Erfindung der Lithographie
auf den Gedanken gebracht Wurde, diese Art der Vervielfältigung auch
für Musikalien in Anwendung zu bringen. * Mit dem Musikalienhändler
Falter in Verbindung getreten, gab er bei diesem als erstes Erzeugnis
Glettle — GoUer. 109
der Notenlithographie im Jahre 1798 ein Heft Lieder mit Klavier-
hegleitong heraus.
Glettle, Johann Melchior, geh, zu Bremgarten in der Schweiz,
war in der ersten Hälfte des 17. Jhdts. Kp.-M. zu Augsburg u. einer
der fleissigsten deutschen Komponisten seiner Zeit. Gerher teilt in
seinem alten Tonkünstler - Lexikon ein Verzeichnis seiner Werke,
bestehend in Messen, Motetten, Psalmen u, auch weltlichen Gesängen,
mit u. ohne Instrumentalbegleitung, mit.
Glack, Christoph Willibald, Ritter von» geb. den
2. Juli 1714 zn Weidenwang bei Neumarkt in der Oberpflalz, wo sein
Vater Förster war, gest. den 25. Nov. 1787 zu Wien, wird hier nicht
blos erwähnt, weil er zwei Psalmen „De profundis*' und „Dominus
noster" im Kirchenstyl komponierte, sondern auch als Mittelfaktor,
obwohl hauptsächlich nur för das musikalisch- dramatische Gebiet thätig,
doch auf die neuere Musik-Entwicklung Einfiuss übte.
Gobert, Thomas, wahrscheinlich in der Picardie geboren, kgl.
Kp.-M.. unter Ludwig XIll u. XIV. von Frankreich. 1659 erschien zu
Paris von ihm die vierstimmige Komposition der vom Bisdiof Antoine
Godeau tibersetzten Psalmen.
Godecharle, Lambert Frangois, geb. zu Brüssel d. 12. Febr.
1751> wurde 1771 als Bassist in der Kapelle des Prinzen Carl von
Lothringen angestellt, 1782 folgte er seinem Vater als Musikmeister
an der Kirche St. Nikolas, wo er bis zu seinem Tod, d. 20. Okt. 1819,
verblieb. Er hinterliess Kirchensachen im Mskt.
Godendach od. Godendag, genannt P. Giovanni Bonadies,
ein um 1450 lebender Karmelitermönch. Er war der Lehrer des
Gafurius, u. ein vop seinen Kompositionen noQh übriges Kyrie (zwei-
stimmig u. vom Jahre 1473) hat Forkel in seiner Geschichte der Musik
(II. Bd. p. 670) aufgenommen.
Goea, Dami'an de, ein portugiesischer Gelehrter, Geschicht-
schreiber u. Staatsmann, geb. im Flecken Allenguer (andere schreiben
Alenques) in Portugal im J. 1501, war auch ein tüchtiger Musiker u.
Komponist. Seine diplomatischen Eeisen benützte er zugleich zu künst-^
lerischen Zwecken. In Holland wurde er mit Erasmus von Botterdam,
in Deutschland mit Glarean bekannt. Er starb 1560 in Lissabon als
Historiograph des Königreichs. Glarean hat in sein Dodecachordon
eine dreistimmige Motette von ihm: „Ne laeteris inimica mea" (im
Style Josquin's) aufgenommen; die Lissaboner Bibliothek bewahrt
3-— 6stimm. Motetten von ihm. Er schrieb auch einen „Tratado theprico
da musica.*'
Goller, Martin, geboren zu Layen, einem Dorfe in Tyrol, den
20. Febr. 1764, erhielt von seinem Vater eine gründliche Musikbildung
u. trat, 16 Jahre alt, in das Benediktinerstift St Georgenberg bei
Fiecht, wo er gleich mit einer grossen Messe auftrat. 1811 wurde er
110 Gombert — Goudimel.
beim Musikverein in Innsbruck als Musiklehrer aufgestellt, wobei er
auch den Musikchor der üniversitätskirche zu besorgen hatte. Er
starb den 13. Jan. 1836. Michael Haydn sprach sich sehr günstig über
seine Kirchensachen aus, welche aber Mskr. geblieben ~u. in weiteren
Kreisen nicht bekannt geworden sind.
Gombert, Nicolas, ein Schüler Jo^quin's, ein Niederländer u«
Nachfolger des Clemens non papa, Kapellmeisters Kaiser OarFs Y«,
blühte um die Mitte des 16. Jhdts. u. war seiner Zeit sehr hoch-
geschätzt. Von seinen vielen Messen n. Motetten sind Sammlungen
von 1550—1564 in Venedig bei Gardane gedruckt worden; auch in
andern Sammlungen finden sich Kompositionen von ihm, sowie in
mehreren Bibliotheken. Baini schreibt von ihm: er gehöre nicht unter
dieje^igen, welche Josquin blos mechanisch u. sklavisch nachahmten,
sondern unter die, welche, obgleich Josquin's Schüler, den Weg Oken-
heims verfolgten u. der Musik einen weit bessern, wenn auch nicht
fehlerfreien Dienst erwiesen» Seine Werke zeichnen sich gegenüber
denen seiner Vorgänger durch grössere Fülle des Tonsatzes aus.
GtonsalyeiB, Joao, ein portugies. Komponist aus der ersten Hälfte
des 17. Jhdts., war Kp.-M. an der Kathedrale zu Sevilla. Kirchen-
kompositionen von ihm bewahrt die Lissaboner Bibliothek.
Goswin, Anton, ein Komponist des 16. Jhdts., war erst eine
Zeit lang in der Hofkapelle zu München angestellt. Er nennt sich
selbst einen Schüler Lasso^s, welcher ihm auch den Singunterricht der
Knaben anvertraute. 1581 nennt er sich auf dem Titelblatte eines
Liederbuches „Kapellmeister des Herrn Ernst Bischofs zu Lüttich,
Hildesheim u. Freising." (Werke von ihm in der Münchner Bibliothek.)
Gotschovins, Nikolaus, Organist an der Marienkirche zu
Bestock, geb. daselbst um 1575. Man hat von ihm: „Sacrarum cantionum
et motectarum 4—9 vocum ceuturiae," Rostock u. Hamburg 160S, u.
„Decas mus. prima sacrarum odarum" Rostock 1603.
Gottwald, Joseph, geb. den 6. Aug. 1754 zu Wilhelmsthal in
der Grafschaft Glatz, erhielt von seinem Vater, der ein Müller war,
aber auch Musik verstand, den ersten Unterricht im Klavierspielen.
Später kam er als Chorknabe an die Dominikanerkirche in Breslau u.
wurde nach drei Jahren schon Organist daselbst. Der Umgang mit
einem jungen Arzte, der viele theoretisch-musikalische Kenntnisse
besass, wirkte vorteilhaft auf seine fernere Bildung. 1783 wurde er
Oberorganist an der Kreuzkirche u. 1819 am Dom. Er starb den
25. Juni 1833. In den Jahren seiner Kraft genoss G. den Ruhm des
ersten Organisten Schlesiens; auch seine Kirchenkompositionen waren
beliebt und bestehen u« a. in 10 Hymnen, 2 Vespern, 3 Messen und
6 Offer torien.
Goudimel, Claude, ein berühmter Tonmeister des 16. Jhdts.,
um 1505 zu Besannen geboren. Von seiner Jugend- u. Bildungsgeschichte
Gounaztod — Gr. 111
weiss man nichts; doch zufolge seiner elegant lateinisch geschriebenen
Briefe an «einen Freund Paul Melissus scheint er eine solide Erziehung
genossen zu haben* Um 1540 war er in Eom, wo er wenige Jahre
vorher eine 'Musikschule gegründet hatte, aus welcher u. a. Palestrina,
G. Animiccia, Stefano Bettini, Aless. Merlo u. G. Mar. Nanino hervor-
gegangen sein sollen. 1555 betrieb er in Paris, doch jixa ein Jahr
lang, mit Nicol. Duchemin eine Notendruckerei. Später trat er zur
reformierten Kirche Über u. ward nebst vielen andern Calvinisten am
24. August 1572 zu Lyon ermordet. Ausser Messen u. Motetten, die
G. während seines Aufenthaltes zu Born komponierte u. die sich dort
noch in Kirchenarchiven finden, ausser Motetten u. Chansons, die in
verschiedenen Sammlungen, — so in „Liber quartus eccl. cantionum'*
(Antwerpen, 1554), der „Fleur des chansons de deux plus excellents
musiciens de notre teodps, d. savoir de Orlande de Lassus et de D.
Claude Goudimer* n. dgl enthalten sind, kennt man von ihm noch
y,Horazische Oden" in Musik gesetzt (Paris 1555); „Chansons Spirii-
tuelles de Marc-Ant. de Muret mises en musique ä 4 parties'* (Paris,
1555); „Magnificat ex 8 mod. 5 voc." (Paris, 1557); „Missae tres a
Claudio Goudimel etc.*' (Paris, 1558), in welcher Sammlung neben Messen
von Claudin Sermisy u. Jean Maillard noch eine vierte Messe G.'s
steht; „les Psaumes de David d. 4 parties" (Paris, 1568); dann wurden
die in Verse gebrachten Psalmen für die Reformierten von ihm auch
4stimmig komponiert (Paris, 1562) herausgegeben.
Gonnod, Felix Charles, geb. zu Paris den 17. Juni 1818,
studierte die Harmonie unter Reicha, Lesueur n. Halevy, erhielt 1837
einen zweiten Eompositionspreis u. verweiltjB bis 1843 in Italien. Seine
Vorliebe für die Kirchenmusik veranlasste ihn, in ein Seminar zu Rom
einzutreten mit der Absicht, dem geistlichen Stande sich zu weihen.
Doch verliess er es wieder u. nach seiner Rückkehr nach Paris war
er 6 Jahre als Kp.-M. an der Kirche der auswärtigen Missionen
beschäftigt. Einen bemerkenswerten Erfolg hatte eine Hochmesse,
welche 1849 zum erstenmale in der Kirche St. Eustache aufgeführt
wurde. Im folgenden Jahre trat er mit seinen Bühnenkompositionen
hervor u. wurde 1852 zum Vorstand der Gesanglehrerschule in Paris
ernannt. Nun wendete er seine Thätigkeit fast ausschliesslich der
Oper zu u. errang in neuester Zeit ziemliche Erfolge, so wie er über'
haupt unter die bessern französischen Musiker der Gegenwart gezählt
werden muss. In neuerer Zeit komponierte.er wieder einige Kirchensachen,
namentlich erschienen zwei Messen im Druck, welche v. d. Franzosen sehr
gerühmt werden, für uns Deutsche fast ungeniessbar sind, f 17. Okt. 1893.
Gratz, Joseph, geb. d. 2. Dez. 1760 zu Vohburg an der Donau
in Bayern, erhielt seine erste musikalische Pflege im Kloster Rohr bei
Abensberg. Nachdem er während der Zeit seiner philosophischen u.
juridischen Studien zu Neuburg u, Ingolstadt Organistendienste an den
112 Grancini — Graun.
betreffenden Seminars- .u. Studienkirchen geleistet, ging er nach einen»
Jahre juridischen Praktikums beim Landgerichte Yohburg nach Salz«^
bürg, um dort durch den Unterricht Michael Haydn's seinen Entschluss,
sieh ganz für die Musik zu bilden, zu realisieren^ Ein reicher Gönner
ermöglichte es ihm, später auch den Unterricht des Bertoni in Venedig^
zu gemessen. In Italien besuchte er mehrere Städte, u. kehrte 1788 in
sein Vaterland zurück. Er lies's sich in München nieder, das er nimmer
verliess bis zu seinem Tode, den ihm ein Schlagfluss auf einem
Spaziergange den 17. Juli 1826 brachte. Er bekleidete nie ein Amt,
sondern hatte nur den Titel eines Hofklaviermeisters, wobei er ab^r
gar keine Obliegenheiten hatte. Als Komponist war er trocken u»
empfindungsarm, doch finden sich unter seinen Chorälen, Präludien^.
Versetten auch anerkeimenswerte Leistungen. Konnte er sich dadurch
keinen Ruhm verschaffen, so genoss er desto mehr Hochsehätzung xu
Anerkennung als Theoretiker u. Kompositionslehrer, u. Männer wie
K. Gannabich, Hoffmahn, Ladurner, Ett, Lindpaintner u. viele Andere,
schon zu Künstlern gereift, schlössen sich an ihn an u. nahmen noch
bei ihm Unterricht.
. GraAcini, Michel Angelo, ein Komponist des 16. Jhdts., war
schon in seinem 17. Jahre als Organist an der Kirche del Paradiso zu
Mailand angestellt u. veröffentlichte zu dieser Zeit seine ersten Korn-
•Positionen, vorzüglich Madrigale. Später ward er Organist u. endlich
Domkp.'M. daselbst. Sein Geburts- u. Todesjahr ist unbekannt. Nach
Picinelli hat G. 28 Werke seiner Komposition — Messen, Motettem
Psalmen, Madrigale, Kanzonetten -r veröffentlicht.
Grandi, Alessandro de, bedeutender ital. Kirchenkomponist
der venetian. Schule, Schüler von Joh. Gabrieli, war 1617 Sänger an
S. Marco zu Venedig, 1620 Vicekapellmeister daselbst, 1627 KMeister
an S. Maria Maggiore zu Bergamo, wo er 1630 an der Pest starb*
Von ihm erschienen im Druck: Madrigale, Vesperpsalmen, Litaneien,
Te Deum u. Tantum ergo (L607); 6 Bücher Motetten zu 2—8 Stimmen
(1619—40); Messen, Motetten u. Psalmen im konzertierenden Styl
(1623, 1625, 1630, 1632). — Ein anderer Gran di, mit dem Vornamen
Vincenzo, war zu Monte Albotto den 28. Okt. 1605 geb. u. wurde
unter Paul V. als Sänger in die päpstl. Kapelle aufgenommen. Er hat
5- u. Sstimm. Antiphonen u. 8stimm. Psalmen herausgegeben.
Grassi, Francesco, war zu Ende des 17. Jhdts. Kp.-M. an
der Kirche San Giacomo degli Spagnuoli u. dann an der des hl. Kindes
Jesu zu Bom, u. hinterliess mehrere Earchenstücke zu 4 u. 8 Stimmen
im Mskr.
Graun, C ar 1 H e in rieh , geb. 7. Mai 1701 zu Wahrenbrück (Sachsen),
zeichnete sich als Knabe durch eine besonders schöne Sopranstimme u.
durch hervorragende Talente für Musik aus, welche letztere er durch den
Kompositionstinterricht des Kp.-M. Schmidt in Dresden weiter ausbildete.
Graziani — Gregor I. 113
1720, versuchte er sich in kirchlichen Kompositionen; später aber
wendete er alle seine Kraft der Kanuner- u. dramatischen Musik zu,
besonders als er königlicher Sänger u. Kp.-M. in Berlin wurde. Er
starb den 8. Aug. 1759 daselbst. Sein Name, obwohl nicht eines
katholischen Kirchenkomponisten,' möge hier einen Platz finden, da sein
Hauptwerk, die Passionsmusik „der Tod Jesu," Text von Rammler,
so häufig auf katholischen Kirchenchören als Charfreitagskantate auf*
geführt worden ist. Gr. wendete auf seine Komposition den grössten
Flelss, u. wenn auch die Arien schon etwas zopfig geworden sind, so
haben doch noch immer die Chöre ihre unbestrittene Würde u. die
Recitative sind wundervoll, ganz nach der Innigkeit ihres Meisters
djeklamiert.
Graziani, 1) P. T o m m a s o , geb. zu Bagnacavallo (Kirchenstaat),
Kp.-M. an der Franziskanerkirche zu Mailand, gab heraus: 5stimm. .
Messen (1569), 4stimm. Vesperpsalmen (1587), östimm. Madrigale (1588),
Sstimm. Kompletorium (1601), Litaneien zu 4, 5, 6 u. 8 Stimmen (1617),
Responsorien u. a. 2) Bonifacio, geb. 1605 zu Marino, Kp.-M. an
der Jesuitenkirche zu Rom, gest. 15. Juni 1664, ftuchtbarer u. geschätzter
Kirchenkomponist (7 Bücher 2— 6stimm. Motetten, 6 Bücher Motetten
für eine Solostimme, ein Buch 5stimm. Psalmen mit Orgel, 2 Bücher
4— 6stimm. Messen, 3 — 8stimm. Litaneien, 2, 3— 6stimm. Responsorien,
Antiphonen u. s. w.)
Greca, Antonio la, mit dem Beinamen Fardiola, welchen
er von seinem Lehrer, einem Musiker an einer Kirche in Palermo,
hatte, wurde daselbst 1631 geboren, u. starb auch daselbst den 8. Mai
1668. („Armonia sacra a 2, 3, 4 voci." Palermo 1647.)
Greco, GaStano, ein vorzüglicher Tonmeister u. mit Leo u.
Durante Stifter der „neapolitanischen Schule.'* Geb. zu Neapel 1690
erhielt er im Konservatorium dei Pöveri di Gesü, Christo Unterricht in
der Komposition von Aless. Scarlatti, dem er auch später als Lehrer
der Komposition nachfolgte. Sein Todesjahr ist nicht bekannt. Pergolese
u. Vinci zählen unter seine Schüler. Litaneien mit Instrumentalbegleitung
u. Orgelstücke von ihm sind noch im Mskr. in Rom vorhanden.
Gregor L, der Grosse, der heilige, einer der bedeutendsten
u. berühmtesten Päpste, wegen seiner grossen Verdienste um Kirche
u. kirchliches Leben in die Reihe der Kirchenväter u. Kirchenlehrer
gestellt, entstammte einer reichen u. sehr angesehenen Familie Rom's;
sein Vater Gordianus war röm, Senator. Obwohl er sich der Rechts-
kunde widmete, blieben ihm doch die Schriften der grossen Kirchen-
väter, Augustinus, Ambrosius u. Hieronymus nicht fremd,^ 570 ward er
Prätor zu Rom. Seinem kontemplativen Sinne konnte er nach dem
Tode seines Vaters erst Genüge thun, er verkaufte alle seme Güter
u. verwendete das Geld zu Werken der Frömmigkeit u. Barmherzigkeit.
Vornehmlich gründete er damit 7 Klöster, 6 in Sizilien, das siebente
Eornmüller, Lexikon. II. Bd. 8
114 Gregor L
errichtete er zu Born in seinem eigenen Hause zu Ehren des hl. Apostels
Andreas, in welch letzteres er als Mönch seihst eintrat. Doch musste
er die Einsamkeit hald wieder verlassen, da ihn Papst Benedict I. 577
zu einem Diakon der sieben Hauptkirchen Roms machte, u. P. Pelagius ü.
ihn als Gesandten nach Konstantinopel abschickte. Bei seiner Bück-
kehr zog er sich wieder in sein Kloster zurück, wo ihn die Manche
bald zu ihrem Abte erhoben. Nach dem Tode Pelagius 11. aber (590)
wurde er durch einstimmige Wahl der Geistlichkeit, des Senates u.
Volkes auf den Stuhl Petri erhoben, den er 13 Va Jahr bis zu seinem
im J. 604 erfolgten Tode ruhmreich zierte. Bei seiner thätigen Sorge
für die Kirche u. die Würde des Gottesdienstes watrd er auch auf das
musikalische Feld gelenkt, welchem er denn auch die vollste Aufmerk-
samkeit schenkte, u. so lange in der katholischen Kirche ein Gesang
ertönen wird, wird auch Gregorys Name mit Ehren genannt werden.
Wie er die Liturgie neu geordnet u. festgestellt hatte, so ordnete er
auch das Gesangwesen in der Kirche; manche Gesänge mögen nicht
dem kirchlichen Ei-nste entsprochen, manch Missbräuchliches sich ein-
geschlichen haben, da die damalige Musikkunst noch wenig geeignete
Mittel besass, ihre Tonweisen rein auf die Nachkommen zu vererben;
manche seiner Vorgänger waren schon reformierend aufgetreten. Das-
selbe zu thun, war auch ihm aufbehalten. Darum legte er vor Allem
eine Sammlung der liturgischen Gesänge an, welche er fortan bei-
behalten wünschte, — den sog. „Antiphonarius cento," einen Codex,
welcher, wie berichtet wird, mit einer Kette an den Altar befestigt
wurde u. das Hauptdokument sein sollte, nach dem künftige Fehler im
Gesänge zu berichtigen seien. Im 9. Jahrh. soll dieser Codex sich noch
vorgefunden haben; Abschriften davon gelangten frühzeitig nach
Frankreich, Deutschland u. England (?). Die Melodien (gregorianischer
Choral) waren darin mit den Neumen, der sogenannten nota
romana, welche fortan, u. an manchen Orten bis zum 14. Jhdt
Tonzeichen blieben, über den Textworten aufgezeichnet; diese Neumen
waren kaum seine Erfindung, wohl aber als schon gebräuchlich auch
femer von ihm verwendet. Dass sich Gr. zur Bezeichnung der Töne
der Buchstaben A, B, C, D etc. bedient habe, ist eine unbegründete
Meinung. Weit höher steht sein musikalischer Ruf dadurch, dass er
das damalige Tonsystem erweitert hat; der hl. Ambrosius hatte, wie
man annimmt, 4 Tonarten, sogen. Kirchentöne aufgestellt, welchen
Gr. noch 4 weitere zufügte dadurch, dass er den bestehenden Tonreihen
(authentische Tonarten) noch ein Tetrachord nach unten zusetzte
u. von dessen unterstem Tone bis zu seiner Oktav eine, resp. 4 neue
Tonreihen (plagalische genannt) bildete. Hierdurch ergaben sich
8 Kirchentöne od. Tonreihen, welche bis auf den heutigen Tag ihre
Geltung haben. Das Nähere ist im Artikel „Kirchen ton arten"
nachzulesen.
J
Grregorio — Greith. 115
Um seiner Musikreform Eingang zu verschaffen u. Bestand zu
sichern, fand er sich genötigt, eine eigene Musikschule zu gründen,
worin er taugliche Knahen u. Jünglinge für den kirchl. Gesang heran-
bildete. Zu dem Zwecke bestimmte er zwei Häuser, eines zu St. Peter
am Vatikan, das andere bei der Lateranischen Kirche (die Geschieht-
Schreiber geben nicht genügende Auskunft, ob er diese 2 Schulen neu
gründete, oder ob er die von P. Hilarius an beiden Kirchen begrün-
deten alten Schulen hierzu benützte u. gänzlich umgestaltete), dotierte
sie mit hinlänglichen Einkünften zum Unterhalte der Zöglinge u. gab
dann selbst Unterricht. Im 9. Jahrhundert zeigte man noch die Bute
oder den Stab, dessen er sich beim Unterrichte bediente, u. das Buhe-
bett, auf dem .er hierbei oft lag. Nehmen wir dieses alles zusammen,
so ergiebt sich, dass die Tonkunst dem hl. Papst überaus viel zu danken
hat, u. dass er es verdiente, wenn an den Anfang der Antiphonarien
ein Hymnus auf diesen grossen Mann, — beginnend mit den Worten:
„Gregorius Praesul" — gesetzt u. viele Jahrhunderte am 1. Advent-
sonntage — dem ersten Tage des Kirchenjahres — vor dem Introitus
in den Kirchen zum dankbaren Andenken gesungen wurde u. die kirch-
liche Sang weise nach ihm den Namen „gregorianischer Chorar* trägt.
Grefforio, Annibale, geb. zu Siena gegen Ende des 16. Jhdts.,
war daselbst Kp.-M. an der Kathedrale u. Mitglied der Akademie der
Intronati. (Sacrae Cantiones et Lamentationes 2, 3 et 4 voc.)
Greith, Carl, Sohn des Komponisten mehrerer Volkslieder von'
bleibendem Werte u. nachmaligen Professors der Musik in St. Gallen,
Jos. Greith, Ward geb. den 21. Febr. 1828 in Aarau. — Während
seiner Gymnasialstudien in St. Gallen beinahe ausschliesslich klassischer
Philologie u. der Musik zugethan, kam er nach Vollendung derselben
mit dem Vorsatze der Tonkunst anzugehören nach München, studierte
unter C. Ett Harmonie u. Kontrapunkt, unter J. G. Herzog, jetzt
Universitätsmusikdirektor in Erlangen, das Orgelspiel. Nach Ett's Tode
1847 vollendete G. seine Kompositionsstudien bei C. L. Drobisch in
Augsburg. -— Nach St. Gallen zurückgekehrt, übernahm er bald die
Leitung eines Gesangvereins, dann eines Orchesters u. vom Okt. 1849
bis Ende 1851 auch den Gesangunterricht an der städtischen Real-
schule u. den hohem Lehranstalten. In diese Zeit fällt die Kompo-
sition seines Oratoriums „Der hl. Gallus," einiger Streichquartette u.
eines Melodrama's. Dipsen Wirkungskreis vertauschte er 1852 mit
einem längeren Aufenthalte in Frankfurt am l^lain, dessen bedeutende
Oesangvereine u. Kunstinstitute durch mustergültige Vorführung der
Klassiker auf seine höhere Bildung von grossem Einfluss waren; hier
schrieb er blos eine Sinfonie neben andern weniger bedeutenden Musik"
stücken. — Ein Jahr verweilte er als Musikdirektor an der „Stella
matutina" in Feldkirch, u. von 1857 bis 1861 wirkte er als Professor
u. Chordirigent am Kollegium in Schwyz, wo er seine zwei Choral-
8*
116 Grell — Grosser.
messen schrieb. In letzterem Jahre wurde G. als Kp.-M. u. Organist
an die Kathedrale St. Gallens u. bald darauf als Lehrer des Grgelspiels
an das Cantonal-Lehrerseminar berufen Nach dem Tode seines Vaters
um 1871 siedelte er nach München über, um ganz der Musik zu leben.
1877 übernahm er daselbst die Dom-Kapellmeisterstelle, die er bis za
seinem Tode, 17. November 1887, innehatte. Seine Werke sind nicht
sehr zahlreich, aber überall waltet eine ungemein grosse Meisterschaft,
Originalität u. der feinste Sinn. Ediert sihdt ein Requiem, 10 Vökal-
mess^, 5 Instrumentalmessen, eine grosse Anzahl Marienlieder, teils
für 2 od. 3 Frauenstimmen, teils für gemischten Chor, ein Heft lat;
Kirchengesänge für gemischten Chor, 2 Litaneien, Motetten, 3 Sing«
spiele u. mehrere Lieder u. Gesänge für Frauenstimmen. Unediert
sind 1 Litanei, 8 Vespern mit 26 Hymnen, 40 Gradualien, 11 Offer-
torien, 1 Miserere u. a., auch vollendete er das von Robert Lucas
Pearsall (f 1856) begonnene Orgelbuch zum St. Gallener Diözesan-
GesangbucL Im Cöcilienvereins-Katalog begegnet uns Gr. auch vielfach
als sachkundiger, gediegener u. dabei wohlwollender Musikkritiker.
I)r. Witt sagt von ihm: ,.Greith war Aristokrat im Leben wie in seinen
Kompositionen; Bach u. Händel waren seine Meister. Seine Marien-
lieder sind bis jetzt unerreicht u. Muster; seine (kirchL) Instrumental-
kompositionen sind von hohem künstlerischen u. liturgischen Werte."
Grell, Eduard August, geb. 6. Nov. 1800 zu Berlin, 1816
Organist an der Nikolaikirche in Berlin, 1839 Hof-Domorganist, 1851—76
erster Dirigent der Singakademie, k. Professor, 1864 mit dem Orden
pour le m6rite ausgezeichnet u. 1883 mit dem Doktortitel, starb
10. Aug. 1886 zu Steglitz bei Berlin. Er war ein gediegener Kontra-
punktiker u. ein gelehrter Kenner alter Musik, seine Verdienste als
Lehrer wie als Dirigent sind gross u. als Komponist hat er sich einen
geachteten Namen gemacht. Ausser einer Ouvertüre u. Ofgelstttcken
hat er nar Vokalmusik geschrieben, darunter eine 16stimm. grosse
Messe, 8 u. llstimm. Psalmen, ein Tedeum u. s. w. Seine musikal.
Grundansichten sind ausgesprochen in den von H. Bellermann 1887
herausgegebenen „Aufsätze u. Gutachten über Musik von Ed Grell**
(Berlin, J. Springer).
Grolle Ev er modus, geb. zu Nittenau in der Oberpfalz 1756,
trat in das Prämonstratenserkloster Schaeftlam u. ward Musikdirektor
daselbst. Von seinen Kompositionen sind nur noch 6 kleine vierstimm.
Messen bekannt, die 1790 erschienen sind. Nach Aufhebung des
Klosters 1803 lebte er eine Zeitlang ohne Amt, 1807 erhielt er die
Pfarrei Allershausen, wo er 1809 starb.
Grosser, Joh. Emanuel, geb. zu Warmbrun am 30. Jan. 1799,
von der. Natur mit vorzüglichen Musikanlagen ausgestattet, bildete
sich zu Breslau zum Organisten. 1823 erhielt er die Organistenstelle
an der katholischen Stadtpfarrkirche zu Hirschberg u« wurde 1829
Grrua — Guerson. 117
Eektor (Chorregent) zu Polkwitz. Neben ändern Werken schrieb er
aueh vieles für die Kirche, u. gab ein musikal. Wochenblatt, sowie
Biographien von Haydn, Mozart u. Seb. Bach heraus, welche nicht ohne
Interesse sind.
Gma, Paul, wurde zu Mannheim den 2. Febr. 1754 geboren, wo
sein Vater, einer der unterrichtetsten Musiker Deutschlands, kurfürstl.
Kp.-M. war. Unter dessen Leitung erlernte er das Klavierspiel u. die
Harmonie u. setzte seine Studien beim Kp.-M. • Holzbauer fort. Der
Kurprinz Carl Theodor schickte ihn zur weitem Ausbildung nach
Italien, wo er Unterricht bei P. Martini u. bei Traötta in Venedig
nahm, 1779 kehrte, er zurück u. erhielt in München, wohin der pfälzische
Hof übergesiedelt war, den Titel eines Bates u. Kapellmeisters.
Man hat von ihm viele Kirchensachen, u. a; 31 Messen, 3 Requiem,
S9 Offertorien u. dgl. f &. Juli 1833.
Graber, Joseph, geb. 1855 zu Wösendorf bei Krems (Nieder-
österreich), gegenwärtig Stiftsorganist in St. Florian, erhielt Musik-
unterricht von seinem Vorgänger im Amte, Jos. Seiberl, welcher 1878
starb, dann von Professor A. Brückner am Konservatorium zu Wien.
In die cäcilianische Richtung führte ihn sein Chorregent P. Traumihler
<t 1884) ein, Er schrieb bis jetzt 10 Requiem, mehrere Messen, 1 grosses
Te Deum, 1 Litanei, viele Motetten, Männerchöre u. a., wovon manches
«chon im Druck erschien. *
Gnami, Giuseppe, Organist an der Kathedrale zu Lucea, besass
grossen Ruf als Komponist, Organist u. Violinspieler. Er gab von
1565—1613 in Venedig u. A^twerpen 5stimm. Madrigalen, 5— lOstimm,
Sacrae cantiones u. 4-, 5- u. 8stimm. Kanzonetten heraus. Auch in
der Sammlung „Ghirlanda de madrigali etc." (Antwerpen, 1601) finden
sich Stücke von ihm.
GuarnerinSv s. Garnerius.
Guerrero, Francisco, geb. 1528 zu Sevilla, Schüler des berühmten
Morales, 1546 Kp.-M. der Kathedrale in Jaen, 1550 Kapellsänger an der
Kathedrale zu Sevilla, wo er gegen 1600 starb, gab heraus: Psalmorum
4 voc. über L, accedit Missa defunctorum 4 voo. (1559, 1^4); Canticuffi
Magnificat per.VIII musicae modus (1563); Liber I. Mis^arum (1566),
Libro di Motetti a 4, 5,. 6 et 8 voc; 2 5stimm. Passionen (letztere von
Eslava veröffentlicht).
Gaerson, Guillaume, einer der ältesten französischen Kontra-
punktisten u.: musikalisdier Schriftsteller, geb. zu Longueville in der
Normandie:in der zweiten Hälfte -des 15. Jhdts. Es existiert von ihm
noch ein Traktat über die Elemente der Musik, die Kirchentonarten,
den Cantus päanuff^^ über Kontrapunkt u. Notation, welcher in der
ältesten Ausgabe, den Titel führt: „ütilissime musicales regule cinnctis
summopere necessarie plani cantus simplicia contrapunotirerum factarum
118 Gugl — Guido.
tonorum et artis acoentuandi tarn exemplariter quam practice etc."
Paris, bei Michael Tholuze gedruckt, ohne Datum. Spätere Ausgaben
erschienen mit verändertem Titel 1509, 1513 u. 1550.
Gagl, Matthäus, Domorganist zu Salzburg in der ersten Hälfte
des vorigen Jhdts^ gab 1719 daselbst seine bekannten u. einst sehr
geschätzten „Fundamenta partiturae in compendlo data," eine kurze
Generalbasslehre in Druck (zweite u. dritte Auflage zu Augsburg 1747
u. 1777). Auch als Komponist war er zu seiner Zeit sehr beliebt; doch
ist von seinen Werken keines mehr vorhanden.
Gttglielmi, Pietro, geb. im Mai 1727 zu Massa Carrara, erhielt
seinen ersten Unterricht von seinem Vater, Giacomo G., Kp.-M. des
Herzogs von Modena. 18 Jahre alt kam er in's Konservatorium di
Loretto in Neapel, wo er unter Durante die Komposition studierte.
Nach seinem Austritte aus dieser Musikanstalt 1755 führte er in Turin
seine ersten Opern mit glänzendem Erfolge auf. Dann hielt er sich
teils in Deutschland, teils in England auf u. kehrte erst 1777 wieder
nach Neapel zurück, wo er mit Cimaroso u. Paisiello in die Schranken
trat u. ihnen die Gunst des Publikums entzog. 1793 ernannte ihn der
Papst zum Kp.-M. zu St. Peter in Rom, wo er 19. Nov. 1804 im
Alter von 77 Jahren starb. Es war ihm eine bewunderungswürdige
Fruchtbarkeit eigen, so dass seine Opern die Zahl 200 erreichen sollen.
Auch die Kirchenmusiken, die er als Kp.-M. schrieb, erwarben sich von
Kennern u. Liebhabern grossen Beifall.
Gaidetti, Giovanni, 1532 zu Bologna geb., widmete sich dem
geistlichen Stande u. studierte nach Baini's Zeugnis unter Palestrina
die Komposition. Von Papst Gregor XIII. wurde er zum Hofkaplan
ernannt u. erhielt von diesem Papste 1575 ein Benefizium an der
vatikanischen Hauptkirche, zugleich aber auch den Auftrag, den Ghor-
dienst an der Peterskirche zu verbessern. Nach welcher Richtung hin sich
seine Aufgabe erstreckte, zeigen seine noch jetzt für den liturgischen
Gottesdienst gültigen Werke. Diese sind: „Directorium chori, (Romae»
1551, zweite Auflage 1688; später erschienen noch mehrere Ausgaben).
),Gantus eccl. passionis.*' Romae 1586; „Cantus eccl. Officii maj. hebd.'*
Romae 1587 u. „Praefationes in cantu fermo" 1588 (neue Ausgabe von
F. Suriano 1619). C. starb am 30. Nov. 1592, 60 Jahre alt.
Gnidl, Giovanni, geb. zu Florenz um die Mitte des vorigen
Jhdts., war Kp.-M. an der Kirche Sta. Maria in Trastevere zu Rom;
wann er starb, ist nicht bekannt, doch lebte er 1827, hochbetagt, noch.
In der Sammlung des Abb. Santini in Rom findet man mehrere 4- u.
Sstimm. Psalmen u. das Oratorium „Le tre ore di agonia di Giesü
Christo** (3stimmig mit Orchester).
Guido von Arezzo, (Guido aretinus), so genannt von seinem
Geburtsorte Arezzo (nach neueren Forschungen soll er aus Frankreich
stammen), lebte zuerst als Mönch in dem Benediktinerkloster Pomposa
Guidi — Guido. 119
bei Eavenna. Hier beschäftigte er sich unter anderm eifrig mit Musik.
Von vorwiegend praktischem Sinne u. angeborenem entschiedenen
Lehrtalente, richtete er seine besonderen Bemühungen darauf, eine
sichere u. schnelle Erlernung der Kirchengesänge zu begründen, da
ihm die bisher gangbare Methode nicht genügte. Seine Bemühungen
hatten den besten Erfolg — für die Kunst, aber nicht für ihn, da der
Neid mehrerer seiner Genossen ihn aus dem Kloster vertrieb. Von da
an lebte er in seinem Geburtsorte längere Zeit, begünstigt von seinem
Bischof Theobald, unterrichtete im Gesänge u. verfasste auf Betrieiben
seines Gönners sein Hauptwerk: „Micrologus de disciplina artis mu sicae.'
Das Gerücht von seiner Erfindung einer leichten Gesanglehrmethode
drang auch nach Eom. Guido ging dorthin auf Verlangen des Papstes
Johann XIX., welcher sich lange mit ihm unterhielt u. an sich selbst
die Probe der neuen Methode machte. Der Einladung des Papstes, in
Rom zu bleiben, konnte aber G. nicht Folge leisten,- da das römische
Klima seiner Gesundheit nachteilig war. Unterdessen war man auch
zu Pomposa wieder anderer Gesinnung geworden, u. G. kehrte, der
dringenden Aufforderung von dort folgend, in sein Kloster zurück.
Das ist alles, was wir von seinen Lebensumständen wissen, — er sagt
es selbst in einem Briefe, den er von Arezzo aus an seinen Freund
Michael in Pomposa richtete. Sein Geburtsjahr ist unbekannt; seine
Blütezeit war um die erste Hälfte des 11. Jhdts., seinen „Micrologus*^
mag er um 1028 geschrieben haben; was aus ihm nach seiner
Rückkehr in's Kloster geworden, wie lange er noch gelebt, wann er
gestorben, darüber fehlen alle Nachrichten. Wie er aber der grosse
Beförderer der Tonkunst geworden, das lernen wir aus seinen noch
erhaltenen Werken kennen. Sie finden sich in Gerbert's „Scriptores
ecclsti de musica sacra*' 1748. II. Bd. u. sind folgende: 1) „Micrologus
Guidonis de disciplina artis musicae,** sein Hauptwerk, dem Bischof
Theobald v. Arezzo gewidmet, worin er seine ünterrichtsweise vorträgt;
2) „Musicae Guidonis regulae rhythmicae,** rhythmische Regeln in Beim-
versen, welche den Inhalt des Micrologus kurz wiederholen; 3) ,,Aliae
Guidonis regulae de ignoto cantu," wodurch er Gleichheit u. Ordnung
in den Gesang bringen will, — Linien, Buchstaben, Farben. Der
Epilog gehört unzweifelhaft einem spätem Verfasser an. 4) „Epistola
Guidonis Michaeli Monacho de ignoto cantu directa." Dieser Brief
enthält die Lebensgeschichte G.*s. 5) „Tractatus Guidonis correctorius
multorum errorum, qui fiunt in cantu gregoriano in multis locis." 6) Der
unbedeutende Traktat „Quomodo de arithmetica procedit musica" wird
wie der vorhergehende für unächt gehalten; 7) In neuerer Zeit 1837
wurde zu Saint-Evrault in Frankreich unter dem Titel der Werke
des Guido ein Antiphonar, Gradual u. Psalter aufgefunden, welche
mit Neumen auf 4 Linien, deren zwei rot u. zwei grün gefärbt sind,
notiert, wahrscheinlich im 12. Jhdt. geschrieben sind; dies Manuskript
120 Guido.
<)efindet sich jetzt auf der Pariser Bibliothek. Aus diesen seinen
Werken lässt sich nun entnehmen, was G. für die Musik gethan u.
gearbeitet hat. Seine Bemühungen waren auf die gute Ausübung des
gregorianischen Kirchengesanges gerichtet. Die von Gregor d. Gr. in
dieser Beziehung getroffenen Einrichtungen mussten durch die beste-
chende Unzulänglichkeit der Aufzeichnungsweise immer mehr an Kraft
verlieren. Die Gesänge konnten nur durch Tradition vom Lehrer auf
die Schüler übergehen, die Neumen (nota romana) waren nur eine
ungenügende Gedächtnishilfe u. ohne das Vorsingen des Lehrers ein
verschlossenes Buch; daher tauchten bald viele Verunstaltungen u.
Veränderungen dieser Gesänge auf nach der Ansicht oder Einsicht der
verschiedenen Lehrer. So kam es, dass eine Menge verschiedener
Gesangsweisen sich einbürgerte u. die ursprüngliche Eeinheit der
Melodien immer mehr abnahm. Nimmt man noch die Schwierigkeit
des UnteiTichtes von Seite des Lehrers u. des Schülers dazu, so kann
man nicht des Lobes genug finden, um den zu preisen, welcher gegen
beide Übel ausgiebige Mittel erfunden hat. G.'s Bestrebungen gingen
vor allem auf eine Verbesserung der bisherigen Aufzeichnungsweise,
wodurch zugleich ein wirklicher Unterricht im Gesänge bedingt war*
Er hob die schwankende Stellung der Neumen auf u. wies einem
^eden Tone eine völlig bestimmte, sich immer gleichbleibende u. un-
verkennbare Stelle an u. machte damit aller Ungewissheit ein Ende.
Man bediente sich zu seiner Zeit schon einer, auch zweier Linien,
welche gewöhnlich durch Farben, rot für die F Linie, gelb für die
C Linie ausgezeichnet, zum Überfluss auch noch durch Voransetzung
der Buchstaben F u. C (claves signatae, Stellvertreter unserer Schlüssel
u. deren Keime) besser kenntlich gemacht wurden; Über, unter u.
zwischen dieselben setzte man die Neumen; aber doch war diese
Bezeichnung sehr mangelhaft u. konnte durch kleine Ungenauigkeiten
der Abschreiber noch grosse Verwirrung anrichten. Guido fügte der
roten u. gelben Linie noch zwei andere einfache bei u. gewann so
ein geschlossenes System von 4 Linien, welches 9 Tonstufen repräsen-
tierte, da G. auch die Zwisehenränme benutzte. An den linken
Rand gesetzte Buchstaben zeigten die Bedeutung der Linien und
Zwischenräume. Auf dieses Liniensystem trug er nun die Neumen ein
(denn der Buchstaben als Tonschrift bediente er sich wohl 1)eim ersten
Unterricht, in der Praxis, d. h. in den Kirchengesängen behielt er,
weil da eine kürzere u. schnellere Schreibart nötig war, die Neumen
bei, zumal ihre verschiedene Gestaltung nicht blos Töne, sondern auch
Vortragsmanieren bezeichnete), so zwar, dass jedes Neuma seine fixierte
Stelle erhielt. Hierdurch war auch eine später eintretende Vereinfachung
der Neumen u. Herausbildung weniger Notenzeichen als genügende
Tonschrift angebahnt. Jetzt war ein eigentümlicher Unterricht im
Singen möglich geworden. Hierin ging er davon aus, den Schülern am
Guido. 121
Monochord die Folge der Töne und das System der Oktaven aufzu-
weisen. Guido's Scala umfasste 21 Töne:
TABCDEFGabtlcdefg^H*^^
^ a b t} c d
Das r war der Scala, wie er ausdrücklich sagt, schon vor ihm
angefügt worden, u. man bediente sich desselben zur Bezeichnung
dieses Tones wohl aus keinem andern Grunde, als weil man die latei-
nischen G u. g im übrigen Teile der Scala schon venyendet hatte.
G. Hess dann seine Jünger die verschiedenen Intervalle des rein dia-
tonischen Systems (semitonium, Halbton, Tonus, ganzer Ton, semiditonus,
kleine Terz, ditonus, grosse Terz, diatessaron, Quart, diapente, Qnint,
— die übrigen Tonverhältnisse kamen in den !^rchengesängen in der
Eegel nicht vor) üben u. liess dann die Lehre von den 8 Tonarten u.
der Aufeinanderfolge der ganzen u. halben Töne nach oben u. unten
folgen mit mannigfachen zu ihrer Einprägung dienlichen praktischen
Übungen. Hiezu rät er dem Schüler, um nicht immer vom Monochord
od- vom Munde des Lehrers abhängig zu sein, sich frühzeitig einige
mit den verschiedenen Tönen beginnende Gesänge fest einzuprägen,
um durch dieselben nun für jeden Ton die Folge der Töne nach oben
u. unten deutlich im Gedächtnis zu haben u. so für alle Fälle in seine
Gewalt zu bringen. Er bediente sich hierzu für seine Person des
Hymnus auf das Fest des heü. Johannes des Täufers „Ut queant laxis
resonare fibris mira gestorum famuli tuorum, solve polluti labii reatum,
sancte Joannes" von dem jeder Abschnitt mit dem nächst höher
liegenden Tone beginnt u. so in seinen Anfangstönen alle gebräuch-
lichen Tonstufen in einer Reihfe (c, d, e, f, g, a) darsteHt. Hiervon
nahm man später die Sylben ut, re, mi, fä, sol, la, um die Töne zu ^
benennen, u. das mi fa der Solmisation u. Muta,tion, welche keineswegs
eine Erfindung Guido*s, sondern erst seiner Nachfolger ist, ebensowenig
als die nach ihm genannte „G u i d o n i s c h e H a n d.*'
Da die Musik zu den Zeiten Guido's mehr ein Produkt des rech-
nenden, kombinierenden Verstandes war als der Phantasie, so darf uns
seine Anleitung, Melodien zu bilden (doch wahrscheinlich nur als eine
Eselsbrücke oder ein Faulenzer für Anfänger) nicht Wunder nehmen,
wobei er rät, der Reihe der 21 Töne die 5 Vokale nacheinander unter-
zulegen, u. auf die Vokale eines Textes den so treffenden Ton zu
setzen. Dass es ihm mit diesem rein mechanischen, geistlosesten Ver-
fahren nicht voller Ernst gewesen sein kann, geht aus den Vorschriften
hervor, die er für die Beschaffenheit der Melodien giebt u. die einer
höhern Kunstanschauung entstammen, nämlich dass die Wirkung des
Gesanges dem Wechsel der Dinge, von denen er handelt, angepasst
werde, für traurige Sachen traurige Tonverbindungen u. s. w. Man
hat G. auch den Erfinder der Diaphonie (u. gar des Kontrapunktes)
genannt, doch ganz mit Unrecht. Die von ihm gelehrte Diaphonie ist
122 Guido — Guillaome de Machaut.
nichts anderes als das alte Hucbald'sche Organiun in seinen beiden
Arten; er nahm n. übte eben, was zu seiner Zeit gebräuchlich war,
doch nennt er die gebräuchliche Diaphonie im geraden Fortschritt
vieler Quinten hart, die seinige aber weich. G. giebt den Quärten-
progessionen den Vorzug u. mischt Seknnden, Terzen u. Quinten mit
ein, erlaubt aber, dass die Stimmen zum Schlüsse sich einander nähern
u. im Einklänge austönen.
Guido's praktische Lehrmethode ü. sichere Tonbezeichnung breitete
sich bald in andre Länder aus; dabei entwickelte sich manches weiter,
manches neue trat hinzu, u. es ist leicht begreiflich, wie die Über-
lieferung vieles der Art, was erst seine Nachfolger a. Schüler hinzu-
fügten, auf seine Bechnung schrieb, so die Guidonische Hand, die
Solmisation, die Erfindung der wirklichen Noten, des Klavieres, des
eigentlichen Kontrapunktes u. dgl „Die ganze Mühe, sagt Ambros,
welche das Mittelalter an die Bearbeitung des Tonstoffes wendete,
wird insgemein auf seinen Namen zurückgeführt: Gnido von Arezzo
ist gleichsam ein Abstractum, ein mythisches Wesen geworden." In
Wahrheit bedarf G. all dieser Andichtungen nicht. Sein Kuhm bleibt
gross u. begreiflich, weil er in einer Zeit, wo die mangelhafte Auf-
zeichnung der Gesänge fast nur eine mechanische Überlieferung der-
selben von Mund zu Mund zuliess, daher die Ausübung auf das Höchste
erschwerte u. in einem beschränkten Kreise gebannt hielt, eine Ton-
schrift u. eine Lehrmethode erfand, welche die Kunst des Gesanges
von den einengenden Fesseln befreite, derselben dadurch den Eingang
in alle Kreise des Lebens öffnete u. den Anstoss zu rascher u. hoher
Ausbildung der Tonkunst gab.
Gnido, Abt von Caroli-Locus , richtig Carus-Locus, Cherlieu in
Burgund, trat im Anfang des 12. Jhdts. in das Kloster Clairvaux u.
wurde 1132 dem neugegründeten Gisterzienserkloster Carilocus, Oherlieut
vom H. Bernhard als Abt vorgesetzt, wo er 115S starb. Er war der
thätigste Mitarbeiter bei der Verbesserung der Chorbücher seines
Ordens u* schrieb einen Traktat, welchen Coussemaker in seinen Script,
med. aevi, Band n p. 150—191, unter dem Titel: Domni Guidonis in
Caroli-loco Abbatis Regulae de arte musica.
Gnillanme de Machaat od. Machan, französ. Dichter u. Musiker
des 14. Jhdts. Geb. um 1284 im Dorfe Machau bei Bethel in der
Champagne, war er Geheimschreiber des Herzogs von der Normandie
u. behielt auch dieses Amt, nachdem dieser Herzog (Johann) König von
Frankreich geworden war, sowie auch unter dessen Nachfolger Carl V.
1370 war G. noch am Leben; sein Todesjahr ist aber unbekannt. Auf
der Pariser Bibliothek befinden sich viele seiner Kompositionen in
Mskr. — französische u. lateinische Motetten (2- u. Sstimmig), Balladen,
Chansons u. eine 4stimm. Messe, die bei der Krönung Carls V. gesungen
worden sein soll.
Guilliand — Haas. 123
Gnilliand, Maximilian, französischer Tonsetzer aus Ohalons sur
Saöne, war als Musiker in der Saint-Chapelle zu Paris angestellt
und veröffentlichte einen Traktat „Trait6 de musique" (Paris 1554).
Einige seiner Messen finden sich in einer Sammlung von 4stimm. Messen
(Paris 1554).
Gumpelzhaimer, Adam, geb. 1560 zu Trostber^ in Oberbayem,
erhielt seinen hauptsächlichsten Unterricht in der Musik durch den P.
Jodok Enzmüller im Kloster St. Ulrich in Augsburg. 1575 trat er als
Musikus in herzoglich württembergische Dienste; 1581 kam er als
Präzeptor u. Kantor nach St. Anna in Augsburg, als welcher er 1621
noch fungierte. Seine yorztigllchsten Kompositionen sind geistl. Lieder;
viele derselben sind mehrstimmig (bis zu 8 Stimmen) u. werden würdig
gepriesen, den Werken Lasso's, Hassler's u. dgl. an die Seite gesetzt zu
werden. 1595 schrieb er ein „Compendium musicae latinum-germanicum,**
das viele Auflagen erlebte.
Giiyot, Jean, geb. zu Chätelet bei Chaleroi, war ein aus-
gezeichneter niederländischer Tonsetzer der ersten Hälfte des 16. Jhdts.
Um 1505 Sänger an der Notredame-Kirche in Antwerpen, erwarb er
sich 1516 ein Benefizium an der Katharinenkirche, trat 1521 in die
Dienste des Kaisers Ferdinand L u. erhielt 1536 wieder eine Präbende
an der Notredame-Kirche zu Antwerpen; daselbst starb er 1551. In
verschiedenen Sammlungen des 16. Jhdts. finden sich geistliche u«
weltliche Gesänge von ihm.
Gyrowetz. Adalbert, geb. zu Böhmisch Budweis den 16. Febr.
1793, studierte anfangs die Rechtswissenschaft, welche er wegen Kränk-
lichkeit, wieder aufgab, 4i. wurde dann Sekretär des Grafen Franz
von Fünfkirchen, in welcher Stellung er seine ersten Kompositionen
fertigte. Dann studierte er 2 Jahre in Neapel unter Sala den Kontra-
punkt, besuchte Paris, London u. erhielt nach seiner Bückkehr nach
Wien 1804 die Kapellmeisterstelle am k. k. Hofoperntheater. Er starb
den 15. August 1849, eine Unzahl Kompositionen (Opern, Symphonien
u. dgl.) hinterlassend; auch einige Messen u. Kirchenstücke schrieb er,
welche aber, den Stempel der Zeit tragend, wie so viele seiner Übrigen
Werke, verschollen sind.
H.
•
Haas, P. Ildephons, geb. zu Offenburg am 23. April 1735, war
ein tüchtiger Theoretiker u. talentvoller Komponist, auch ausgezeichnet
im Gesang u. Violinspiel. 1751 trat er in das Benediktinerkloster
£ttenheimmünster, wo er sich nach vollendeten wissenschaftlichen
Studien u. erhaltener Priesterweihe besonders dem Studium der Kompo-
sition u. der weiteren Ausbildung im Violinspiel ergab; in letzterem
124 - Haberl.
konnte er den Unterricht von Wenzel Stamitz geniessen, welcher um
diese Zeit (1755) sich längere Zeit in Ettenheimmünster aufhielt. Seinen
theoretischen Studien legte er neben dem besonderen brieflichen
Verkehre mit P. Kaiser^ Abb6 Vogler u. Portmann die Werke von
Mattheson u. Marpurg zu Grunde, hauptsächlich aber den „Gradus
ad Parnassum'* von Fux, von dem er behauptete, dass jeder Tonsetzer
wenigstens drei Jahre lang „die strenge Fux'sche Eontrapunktsfolter
aushalten sollte." Von 1760 an ungefähr galt er in seiner Gegend
allgemein ^r den besten Kirchenkomponisten u. Violinspieler. Zuletzt
war er Bibliothekar in seinem Kloster; die fortwährenden Anstrengungen
in den Studien u. verschiedenen klösterlichen Ämtern schwächten bald
seine Gesundheit u. er starb schon am 30. Mai 1791.
Haberl, Franz Xaver, geb. den IQ* April 1840 zu Westen
in Niederbayem, erhielt den ersten Unterricht von seinem Vater, einem
Schullehrer, studierte zu Passau als Zögling des bischöflichen Knaben-
seminars u. empfing am 12. Aug. 1862 die Priestei^weihe. Darauf als
Musikpräfekt der bischöflichen Seminarien nach Passau berufen, als
welcher er auch den Domchor zu dirigieren hat, widmete er sich ein-
gehenderen Studien der Musik, namentlich des Chorals u. der älteren
Kirchenmusik. 1864 edierte er „Anweisung zum harmonischen Kirchen-
gesang" (in Kommission bei Pustet in Begensburg), 1865 den „Magister
^ horalis,** welcher vielfach verbessert 1888 in achter Auflage erschien
u. auch in französischer, englischer u. italienischer Übersetzung die
weiteste Verbreitxmg gefunden hat. 1866 gab H. den „Liederrosenkranz"
(2 Hefte, Eegensbg., Pustet) heraus. 1867—70 machte er in Italien
ausgedehnte bibliographische u. bibliothekarische Musikstudien, wirkte
längere Zeit als Maestro an der Anima in Eom, von 1872 an alsDom-
kapellmeister in Regensburg. Schon zu dieser Zeit erwarb sich H»
grosse Verdienste durch seine Arbeiten bei fidierung des Graduale
romanum u. der übrigen liturg. Bücher, deren Ausgabe erst in den
letzten Jahren zum Schluss gedieh. In Anerkennung * seiner Dienst-
leistungen u. Mühen auf diesem Gebiete übersandte ihm schon 1873
der heü. Vater Pius IX. ein Schreiben höchster Anerkennung u. eine
goldene Medaille. 1874 eröffnete H. in Regensburg die Kirchen-
musikschule, deren Gründung Hr. Dr. Witt bereits im Cäcilien-
vereine vorgearbeitet hatte, u. übernahm von nun an deren geschäftliche
Leitung, welche er bis jetzt mit' segensreichem Erfolge fortführt.
Um das Unternehmen zu unterstützen, publizierte er 1876 den „Cäcilien-
kalender,'' welcher sowohl wegen seines hochinteressanten' Inhaltes als
seines edlen Zweckes bald die weiteste Verbreitung fand; seit 1886
erschdnt er unter dem Titel „Kirchenmusikalisches Jahrbuch." Durch
seine Studien vollkommen befähigt, fasste er den Plan zu einer
-Gesamtausgabe der Werke Palestrina's. Zu diesem Zwecke reiste
er, nachdem ein Übereinkommen mit der Firma Breitkopf & Härtel in
Habermann -— Händel. 125
Leipzig getroffen war, bei welcher Firma schon 6 Bände der Werke P.'s
in prächtiger Ausstattung erschienen waren, nach Rom, um die Billigung
tt. den Segen des hl. Vaters für das neue unternehmen zu erflehen,
nachdem er schon früher durch Pius IX. die Erlaubnis erhalten, sämt-
liche Werke Pierluigi's aus dem Archive der Sixtinischen Kapelle zum
Zwecke der Edierung zu kopieren. Papst Leo XIH. ermutigte Hm.
Haberl gleichfalls zu dem Werke, das im Jahre 1893 seinen voll-
ständigen Abschlüss fand. Ausserdem hat H. verschiedene Messen u*
Motetten der Alten bei Pustet publiziert, auch die Ausgabe mehrerer
liturgischer Bücher mit weissen Noten u. als Volksausgaben u. s. w.
besorgt. 1882 legte er das Amt eines Domkapellmeisters nieder, um
einen längeren Aufenthalt in Italien behufs Forschungen in den Archiven
u. Bibliotheken zu nehmen. Aus den daselbst Gewonn^en veröffent-
lichte er bis jetzt die hochwichtigen Arbeiten: „Wilhelm du Fay'*;
^,Die römische „schola cantorum" u. die päpstl. Kapellsänger bis zur
Mitte des 16. Jhdts.'* in der „Vierteljahrsschrift für Musikwissenschaft**
1885 u. 1887; erstere Arbeit erschien auch selbständig unter dem Titel
„Bausteine zur Musikgeschichte,^* (Leipzig, Breitkopf & Härtel 1885),
wie auch „Bibliographischer u. thematischer Musikkatalog des päpstl.
Kapellarchives im Vatikan zu Rom" (1888).
- Habermann, FranzJohann, geb. 1706 zu Königswerthin
Böhmen, widmete sich bald ausschliesslich der Musik. Er besuchte die
vorzüglichsten Städte Italiens, begab sich dann nach Spanien u. Frank-
reich, u. wurde später Kp.-M. des Grossherzogs von Toscana. Nach dessen
Tode lebte er zu Prag als Lehrer der Musik, und u. a. waren Dussek,
Misliweczek u. Cajetan Vogel seine Schüler in der Komposition. Später
wurde er Musikdirektor an der Theatinerldrche u. an der Malteser-
kirche, 1773 solcher zu Eger, wo er auch den 7. April 1783 starb.
Habert, Johann Ev., geb. am 18. Okt. 1833 zu Oberplan in
Böhmen, bildete sich 1848—1852 in Linz zum Lehrfache aus. Nachdem
er 9 Jahre im Schuldienste gestanden, erhielt er 1861 die Organisten-
stelle in Gmunden. Frühzeitig in der Musik unterrichtet, bildete er
sein Talent noch mehr durch Leitung u. Eatschläge tüchtiger Musiker,
wie des Schullehrers Jos. Lanz in Waizenkirchen u. seines Vetters
Jordan Habert. Er komponierte bisher vieles für die Kirche: Messen
mit u. ohne Instrumente, Litaneien, Offertorien, Marienlieder; er schrieb
auch Klavierstücke, weltliche Lieder, eine Orgelschule u. gab mehrere
Jahrgänge „Zeitschrift für kathol. Kirchenmusik*' heraus.
Händel, Georg Friedrich, geb. den 23. Febr. 1685 zu Halle
an der Saale, eine der riesigsten Erscheinungen im Gebiete der Ton-
kunst, erhielt in Spiel u. Setzkunst von dem Domorganisten Zachau
In Halle L^nterricht, trat 1703 als Violinist in die Oper zu Hamburg
ein u. nahm mit Mattheson auch an deren Direktion teil. 1705
126 ' Händler — Hahn.
komponierte er seine erste Oper, ging dann einige Zeit nach £om u.
kehrte 1708 wieder nach Deutschland zurück. Später ging er nach
London, wo er im Conventgardentheater von 1712—1740 eine Menge von
Opern aufgeführt; aber von der Adelspartei angefeindet, zuletzt auch
der Gunst des Publikums verlustig, wendete er sich von der Bühne
zu der religiösen Komposition, die er bisher nur wenig gepflegt hatte
(ein paar Oratorien u. das berühmte Te Deum), u. auf diesem Felde
wurde er ein wahrer Heros der Tonkunst, hieher konnten ihm alle
seine Nebenbuhler nicht folgen. 1741 schrieb er sein bekanntestes
Oratorium „Der Messias" in der unglaublich kurzen Zeit von 24 Tagen!
Sein „Samson," nach einigen Monaten fertig, erwarb ihm schnell die
Gunst des Volkes, u. es folgten nun „Semele," „Joseph in Aegypten,"
„Der Tod des Herkules," „Belsazar,'* „Judas Macchabäus,** „Josua**
u. a. 1751 „Jephta," u. in diese Zeit gehört auch das berühmte
Dettinger De Teum. H. starb am Charfreitag den 14. April 1759;
seine irdische Hülle ward in der Westmünsterabtei bestattet, u. ihm
später ein Denkmal daselbst gesetzt. H. ist eine ganz eigentümliche
Erscheinung; alles an ihm ist männlich u. kühn, namentlich seine
Chöre zeigen die ganze Kraft u. Macht seines Genius, seine religiöse
Energie u. Begeisterung treten glänzend hervor, u. die Glaubens-
freudigkeit u. das Hochgefühl eines sittlich starken Bewusstseins ver-
mochte nicht leicht einer gleich ihm in den Tönen auszusprechen. Er
war zudem einer der fruchtbarsten, grössten u. gedankenreichsten
Tonsetzer. Man zählt von ihm 21 Oratorien, 5 Te Deum, 12 grosse
Psalmen u. viele kleinere, Opern u. Kammermusiken, 20 Orgelkonzerte,
viele Suiten, Phantasien u. Fugen für die *Orgel.
Händler, Joh. Wolf gang, geb. zu Nürnberg zu Ende des 17.
Jhdts., studierte die Komposition u. den Kontrapunkt bei Pachelbel,
worauf er in die bischöfliche Kapelle nach Würzbnrg kam, daselbst
bald Hoforganist wurde u. zuletzt zum Hofkp.-M. ernannt ward. Er
starb schon 1742.
Hahn. Bernhard, geb. den 17. Dez. 1780 zu Leubus in Schlesien,
erhielt von seinem Vater guten Musikunterricht, welcher ihm bei einer
guten Altstimme eine Stelle im Domchor zu Breslau verschaffte ; später
(1799) kam er als Violinist in das Hausquartett des Grafen Matuschka
zu Pitschen am Berge, wo ihn der Musikdirektor Förster aus Breslau
kennen lernte. Unter dessen Leitung begann seine höhere Musikaus-
bildung, wozu auch sein längerer Umgang mit Türk in Halle sehr
viel beitrug. 1805 kam er nach Breslau zurück, wurde zuerst
Tenorist, dann Signator, 1815 Gesanglehrer am katholischen Gymnasium
daselbst, zuletzt nach Schnabels Tod Domkp.-M. Von seinen Werken
sind zu nennen: „Das Handbuch beim Gesangunterricht für Schüler
auf Gymnasien"; „Gesänge für den Gottesdienst auf katholischen
Gymnasien"; mehrere (6) Messen, Offertorien u. Gradualien u. a. m. ^
Hahn — Hammel« 127
Sein Styl schliesst sich grossenteils dem von Jos. Schnabel an. Leichte
Sangbarkeit der Stimmen n. diskreter Gebrauch der Instrumente
zeichnen seine Werke im Allgemeinen aus, doch sind einige nicht von
zu grosser Weichheit freizusprechen. Er starb im Jahre 1852 zu
Breslau.
Hahn, Georg Joachim Joseph, ein fleissi£:er theoretischer
Schriftsteller u. Komponist um die Mitte des vorigen Jhdts., war
Senator u. Musikdirektor zu Münerstadt. Er gab im Druck heraus:
„Harmonischer Beitrag zum Klavier," „Der wohlunterrichtete Generalbass-
ßchüler" (1751 u. 1768), Messen, Psalmen, Klavierstücke u. a. m.
Haller, Michael, geb. 13. Jan. 1840 zu Neusaat bei Nabburg
in der Oberpfalz, erhielt seine humanistische Bildung im bischöfl.
Knabenseminar u. an der Stn^ienanstalt im Benediktinerkloster Metten.
Hier lernte er schnell Gesang u. Instrumentalmusik, besonders unter
der Leitung des damaligen Seminardirektors P. Utto Lang, nachmaligen
Abtes (f 1884); auch mit der Harmonielehre befasste er sich schon
damals. Als Lyceist u. Alumnus des Klerikalseminars in Regensburg
gewann er eine grosse Begeisterung für die im Dome so oft gehörten,
trefflich ausgeführten Werke der „Alten." Den 26. Juni 1864 erhielt
er daselbst die Priesterweihe u. dann eine Anstellung als Präfekt der
Dompräbende, wo er unter Leitung des Domkp -M. J. Schrems seine
kontrapunktischen Studien fortsetzte u. sich ganz der Kirchenmusik
widmen konnte. 1867 wurde H. als Nachfolger des 12. Dez. 1866 ver*
storbenen J. G. Wesselack, Inspektor des Knabeninstituts zur alten
Kapelle u. zugleich Kp.-M. an dieser Stiftskirche, als welcher er bis
jetzt einen vortrefflichen Chor leitet. Als Lehrer an der kirchlichen
Musikschule in Regensburg erteilt H. Unterricht im Kontrapunkt u.
in der Komposition, Sein erstes Werk, 12 Motetten, erschien bei Manz
(jetzt Pawelek) in Regensburg. Bis jetzt veröffentlichte er ferner:
Vade mecum, eine prakt. Anleitung zum Gesänge nebst Übungsbuch
(Pustet); 16 Messen von 2—6 Stimmen, 2 Requiem, Te Deum, mehrere
Serien von Motetten für 2—8 Stimmen (Männer- u. gemischter Chor),
mehrere Litaneien, 4 Hefte Lieder u. Gesänge zur Ehre der sei. Jung-
frau Maria, „die harmonische Modulation der Kirchentonarten*' (Op. 36.
Regsbg., H. Pawelek), „Kompositionslehre für polyphonen Kirchen-
gesang" (ebenda 1891); femer eine Weihnachtskantate, Op. 26, die
Musik zu einem Schauspiel „Mozart,*' melodramat. Begleitung zu
mehreren Dichtungen, „Jugendliederkranz" u. „Liederhort'* u. a.
Hamme], Stephan, geb. den 21. Dez. 1756 zu Gissigheim, bildete
sich in der Benediktiner-Abtei St. Stephan zu Würzburg, in welche
er später eintrat, zum tüchtigen Orgelspieler u. Komponisten. Nach
der Klosteraufhebung wurde er Pfarrer zu Veitshöchheim, wo er am
1. Febr. 1830 starb. Er komponierte viele Kirchen- u. Instrumental-
wachen, von denen weniges im Druck erschien.
128 Hammer — Hanser.
Hammer, Georg, geb. den L Mai 1811 zu Herlheim in Unter-
franken, zeigte frühzeitig grosse Anlagen für Musik, deren Ausbildung
ihm durch Fröhlich, der ihn im Technischen unterrichtete, u. durch
fleissigen Besuch des musikalischen Institutes zu WClrzburg ermöglicht
wurde. Dem Schulfache, welchem er sich zuerst zugewendet hatte,
entsagte er bald und widmete sich ganz der Musik. 1830 wurde er
Assistent am musikalischen Institute zu Würzburg, 1837 an der Semi-
nariumskirche zum hl. Michael. Er komponierte vieles für die Kirche,
u. gab ein Orgelbuch zum Würzburger Diözesengesangbuch heraus-,
ausserdem noch viele weltliche Musikstücke.
Hammer, K i 1 i a n , war in der Mitte des 17. Jhdts. Schulmeister
u. Organist zu Vohenstrauss u. soll zuerst zu den gebräuchlichen
6 Solmisationssylben ut, re, mi, fti, sol, la, die siebente si hinzugesetzt
haben, weshalb diese 7 Sylben auch „voces hammerianae"
heissen.
Handl, s. Gallus.
Hanisch, Joseph, geb. zu Begensburg den 24. März ]812,
f 9. Okt. 1892, erhielt Musikunterricht von seinem Vater Anton
Hanisch, welcher Organist an der alten Kapelle daselbst war, u.
wurde nach dessen Tode sein Nachfolger im Dienste. Vorzüglich
gewann seine höhere Musikbildung durch Proske, der ihn auch auf
seiner ersten Heise nach Italien als Gehülfen u. Mitarbeiter berief.
Im Jahre 1829, 1. Juni, trat er zur Domkirche über, wo er bis zu
seinem Tode wirkte, gerühmt als vortrefflicher Orgelspieler. Für die
Kirche komponierte H. sehr vieles u. tüchtiges, doch erschien verhältnis-
mässig weniges im Druck, ungefähr 30 Opusnummem zählt man: Missa
„Auxilium Christianorum," 2 lateinische Messen für 3 Männerstimmen;
Missa S. Josephi et S. Dorotheae, erstere für 2, letztere für 3 Frauen-
stimmen; 2 Requiem; 2 Hefte Gesänge für das Frohnleichnamsfest;
CoUectio cantionum sacr.; viele Fange lingua; mehrere kirchl. Gesänge
für Frauenchöre; eines der hervorragendsten Werke ist: „Organum
concomitans ad Graduale et Vesperale romanum,'* welches er mit F. X.
Haberl bearbeitete, die Orgelbegleitung für diese liturg. Bücher (Pustet).
Häuser, Wilhelm, geb. zu Unterzeil in Schwaben den 12. Sept.
1738, trat sehr früh in den Prämonstratenser-Orden und bildete sich
in der Abtei Schussenried zum guten Organisten u. Kontrapunktisten,
wie auch zum Violin- u, Violoncellspieler. 1775 kam er in die Abtei
Lavaldieu in den Ardennen, u. gründete daselbst eine Musikschule,
aus welcher auch Mehul hervorgegangen ist, der 4 Jahre sein Schüler
war. Gerade war Hanser mit Verbesserung des Antiphonars u. der
Gesänge für die Prämonstratenser beschäftigt, als die französische
Kevolution ausbrach, vor welcher fliehend er sich wieder nach Deutsch-
land zurückzog. Seitdem hat man nichts mehr von ihm gehört.
Erschienen sind von ihm Vesperpsalmen u. andere Kirchenstücke, sowie
\ •
Harasser — Hasler. 129
einige weltliche Sachen. In Mskr. hat er Motetten, Messen u. Orgel-
fugen hinterlassen.
Harasser, ü r h a n , geh. den 23. Mai 1816 zu Vahrn hei Brixen,
erhielt die Priesterweihe am 2. Aug. 1840 u. ist seit 1842 Benefiziat
und- Domchorregent , seit 1847 Chorm^ister. Er erwarh sich viele
Verdienste um Säuberung des Domchores vom herrschenden Zopfe,
besonders zeigte er seine gründliche Kenntnis des gregor. Chorals in
dem Kampfe gegen Stehlin (s. d.), dessen unhistorische Choralmethode
er in seinen triftigen, auf mühsamen Studien beruhenden „Gedanken-
strichen*' widerlegte. Er schrieb auch eine Oper „Saul."
Hardonia, Abb6 Henri, geh* 1724 zu Grandpr6, erhielt seine
erste musikalische Bildung als Chorknabe an der Kathedrale zu Eheims,
wo er auch nach seiner Priesterweihe Kp.-M. u, Kanonikus wurde.
Er starb am 13. Aug. 1808 zu Grandpre u. hinterliess mehr als
40 Messen u. sehr viele andere Kirchenmusiken in Manuskript; 1762
gab er ein Lehrbuch des liturgischen Gesanges für die Diözese Rheims
heraus, welches später noch in ^mehreren Auflagen erschien.
, Hasler oder Hassler, Johann Leo (Leonhard), geb. 1564 zu
Nürnberg, erhielt nebst seinen Brüdern Jakob u. Caspar den
ersten Unterricht in der Musik von seinem Vater I s a a k H. , der aus
Böhmen stammte u. Musikus war, u. ging 1584, als er dem Unter-
richte des Vaters entwachsen war, nach Venedig, um seine weitere
Fortbildung in der Komposition bei Andreas Gabrieli, dem berühmten
Meister, zu erhalten, u. hier schloss er mit dessen Neffen, Johannes.
Gabrieli, den innigsten Freundschaftsbund, der diese von gleicher
Gesinnung u. Begeisterung für die Kunst erfüllten Herzen bis zum Tode
einte. Nach seiner Eückkehr aus Italien 1585 nahm ihn Graf Octavian
Fugger zu Augsburg, welcher eine der vorzüglichsten Musikkapellen
Deutschlands unterhielt, als Organisten in seine Dienste. Gegen Ende
des Jahrhunderts galt H. als der grösste Organist Deutschlands. Hier
in Augsburg war es, wo die schöpferische Thätigkeit des Meisters
einen sichtbaren Aufschwung gewann u. sich am fruchtreichsten ent-
faltete. Aus dieser Periode datieren die bedeutendsten seiner Tonwerke,
welche gegen Ende des 16. u. zu Anfang des 17. Jhdts. in Augsburg
U. Nürnberg gedruckt wurden, so seine berühmten 4stimmigen Kan-
zonetten u. 4 — östimmigen Motetten, Madrigalen, Messen u. s. w.
Im Jahre 1601 kam er an den Hof Kaiser Budolph n. nach Prag,
woselbst er zur Auszeichnung seiner Verdienste um die Kunst in den
Adelsstand erhoben wurde. Über die spätem Schicksale unseres Meisters
liegt einiges Dunkel gebreitet, indem einerseits angenommen wird, dass
er bis zum Tode des Kaisers (1612) in Prag geblieben sei, nach ander-
seitigen Angaben aber wäre er 1608 in kurfürstlich sächsische Dienste
getreten. Er starb in Frankfurt a. M. am 5. Juni 1612, welches
auch das Todesjahr seines treuesten Freundes Joh, Gabrieli war. —
Kornmüller, Lexikon. II. Bd. 9
130 Hauptmann.
„Die Schreibart dieses Meisters (sagt Proske) im Figuralsatze vereinigt
in sich das Höchste u. Schönste, wa£| deutsche n. italienische Kunst
jener Zeit zu leisten vermochte. Bei reichster Qedankenftille sehen
wir ihn immer klar, bestimmt u. fest, innerlich gehaltvoll, schwunghaft
u. wirksam nach aussen, besonders im mehrchörigen Satze. Neuere
Bahnen betrat er vorsichtiger als der jüngere Gabrieli, er hielt ziAschen
diesem u. dem gemeinsamen grossen Lehrer Andr. Gabrieli die Mitte.
Ein edler Wetteifer dieser jungen Künstler unter sich ist jedoch nicht
zu verkennen; den sichersten Beweis davon liefert eine Sammlung der
grossartigsten Musiksätze, welche nach dem Tode dieser Meister erschien,
(nämlich die schon im Artikel „Gabrieli'* berührten „Reliquiae . . . /*) .
deren Kunstgehalt zu solcher Höhe gesteigert ist, dass man vor Staunen
u. Bewunderung nicht zu entscheiden vermag, welchem von Beiden der
Preis gebührt." — Jakob Hassler, der zweite Bruder, geb. 1565,
starb zu Hechingen als Organist des damaligen Grafen von Hohen-
zollem. Auch er wird zu den besten Organisten seiner Zeit gezählt, u«
viele seiner Werke, Messen, Psalmen* (besonders ist zu nennen Ps. 51)
erschienen von 1601 bis 1608 in Nürnberg. — Caspar Hassler, geb.
1570, der dritte Bruder, stand als Künstler Leo am nächsten. Von 1587
bis 1618, in welchem Jahre er starb, war er Organist zu Nürnberg.
Arbeiten von ihm finden sich in der von ihm 1598 zu Nürnberg heraus-
gegebenen Sammlung: „Symphoniae sacrae, 5 — 16 vocum*'; 1600
erschien noch ein zweiter Teil dazu, darin sind auch Werke anderer
Komponisten enthalten.
Hauptmann, Lorenz, geb. den 15. Jan. 1802 zu Grafensulz in
Niederösterreich, leistete schon in seinem 12. Jahre Bedeutendes im
Orgelspiel.. Bis zum 24. Jahre war er Lehrer, ging dann nach Wien,
wo er die Organistenstelle am Theresianum u. an der Paulanerkirche
erhielt, studierte unter Seyfried die Komposition u. wurde später Chor-
direktor an der Augustiner Pfarrkirche der Vorstadt* Landstrasse.
Komponiert hat er Messen, Gradualien u. andere Kirchensachen, Orgel-
stttcke u. gute instruktive Solfeggien.
Hauptmann, Moritz, geb. den 13. Okt. 1792 zu Dresden, konnte
erst im 18. Jahre seiner überwiegenden Neigung zur Tonkunst folgen
u. studierte unter Spohr zu Gotha Violinspiel u. Komposition. Längere
Zeit hielt er sich in Eussland auf, lebte dann wieder als Violinlehrer
in Deutschland, bis er 1842 an Weinlings Stelle die Kantor- u. Musik-
lehrerstelle an der Thomasschule zu Leipzig erhielt. 1843 wurde er
bei der Gründung des Musikkonservatoriums zum Lehrer des Kontra-
punktes u. der Fuge bestellt. Durch seine wissenschaftliche u. künst-
lerische Thätigkeit hat er sich zu dem grössten Theoretiker
des 19. Jhdts. emporgeschwungen. Die Eesultate seiner tiefen Studien
legte er in seinem inhaltschweren Buche „Die Natur der Harmonik
u. Metrik** (Leipzig, 1853, 2. Aufl. 1873) nieder, welches die Universität
(
■»
Haydn. 131
Göttingen veranlasste» den verdienten Mann mit der philosophischen
Doktorwürde auszuzeichnen. Doch ist das Werk sehr schwer ver«
ständlich a. erheischt grosse allseitige Mnsikkenntnisse. Durch das
Studium der alten u. neueren Tonmeister hefähigte er sich auch zum
gediegenen Tonsetzer u. vermochte die tiefen Gefühle seines 'Lineni
im vollendetsten technischen Ausdrucke zu ^eben, in klarster Gestalt
äusserlich zu fassen u. zu 'fixieren bei höchster Beinheit des Satzes.
Ton seinen Kompositionen seien genannt 2 Messen (eine a capella, die
andere instrumentiert), einige Kantaten, zahlreiche Motetten, geistliche
Oesänge u. Lieder zu 4 Stimmen, dann einige Instrumentalkompositionen
für Violin u. Klavier. Überall strebte er aber darnach, nicht für den
Künstler u. Kunstkenner allein, sondern fär die Menschen zu schreiben
nach seinem Ausspruche: „Das Höchste der Kunst ist überall nicht für
den Künstler u. Kunstkenner ausschliesslich da, sondern für
Mensche n." Er starb, den 3. Jan. 1868.
Haydii, Joseph, der Schöpfer der neuem Symphonie u. des
Quartetts, von welchem der Aufsohwimg der deutschen Instrumental-
musik seinen Ausgang genommen, ward geboren den 1. April 1732 zu
Eohrau, einem Dorfe in Niederösterreich, nahe der ungarischen Grenze.
Da die Biographie dieses grossen musikalischen Genius bekannt u»
überall zu treffen ist, beschränken wir uns nur auf die Hervorhebung
der bedeutendsten Momente seines Lebens. Die erste Bildung seiner
vortrefflichen musikalischen Anlagen erhielt Haydn durch den SchiÜ-
direktor in Haimburg, wo er Gesang u. fast alle Saiten- u. Blas-
instrumente erlernte, insoweit es einem Qjährigen Knaben möglieh ist.
Dann kam er als Singknabe auf den St. Stephansdomchor in Wien, wo
der Kp.-M. Beutter vorteilhaft auf ihn einwirkte; aber seine haupt-
sächlichste Belehrung in theoretischer Hinsicht schöpfte er aus
Mattheson's „Vollkommenen Kapellmeister*' u. aus Fux^s „Gradus ad
Pamassum" u. übte sich fortwährend im Komponieren. In seinem 16.
Lebensjahre musste er, da seine Stimme brach, das Kapellhaus verlassen
n. war nun in vollster Ärmlichkeit auf TJnterrichtgeben angewiesen.
Nebenbei betrieb er aber in rastlosem Eifer die theoretische u. prak-
tische Pflege seiner Kunst. Grossen Gewinn für die Komposition
schöpfte er aus dem nicht eben angenehmen Bedientenverhältnis zu
Porpora, in welches ihn sein armes Leben genötigt hatte. Um 1755
komponierte er sein erstes Quartett, welches Beifall gewann, u. dadurch
«rmuntert schritt er nun auf der Künstlerlaufbahn unaufhaltsam fort.
1759 erhielt er endlich als Musikmeister des Grafen Morzin in Wien
•eine sorgenfreie Existenz; 1761 ^rat er in gleicher Stellung mit 400 fL
Oehalt in die Dienste des Fürsten Esterhazzi, wo er bis zur Auflösung^
der fürstlichen Kapelle 1790 verblieb. Innerhalb dieser 30 Jahre schuf
er die meisten seiner Sinfonien, das Oratorium „Die Eückkehr des
^Tobias,** viele Messen u. andere Kirchenwerke u. mehrere Opern; auck
9*
132 Haydn.
fällt in diese Zeit (1785) die Komposition der „Sieben Worte des
Erlösers," von einem Domherrn aus Cadix bestellt u. ursprünglich für
Instrumentalmusik komponiert, wozu erst später ein Kanonikus aus
Passau den Text dichtete. Nach dem Tode des Fürsten Esterhazzi
begann die Periode seiner grössten Schöpfungen. Bei einem zwei-
maligen längeren Aufenthalte in London komponierte er unter andern
die 12 sogenannten englischen Sinfonien u. erfuhr überall die grössten
Ehrenbezeugungen; die Universität Oxford ernannte ihn zum „Doktor
der Musik." Von London brachte er auch den Text zu seinem Oratorium
„Die Schöpfung" mit, welches am 19. März 1798 zum ersten Male in
Wien aufgeführt wurde, von wo es bald in alle Welt ausging. Darauf
nahm er sein letztes Oratorium „Die Jahreszeiten" in Angriff, vollendete
es in 11 Monaten u. brachte es am 24. April 1801 zur Aufführung.
Das war seine reichste u. letzte grössere Arbeit; die Kräfte begannen
• nun allmählich zu schwinden. Am 31. Mai 1809 entschlummerte der
greise Tonkünstler in gänzlicher Entkräftung. — Unter seinen
Kompositionen werden 15 Messen u. 10 kleinere Kirchenstücke auf-
. gezählt, welche lange Zeit als Meisterstücke der Kirchenmusik gepriesen
wurden. Diese irrtümliche Meinung konnte sich festsetzen, da die
Neuheit u. der Glanz der durch Haydn (Mozart u. Beethoven) zu so
hohem Aufschwung gebrachten Instrumentalmusik alles bezauberte u.
verblendete, so dass die Vokalmusik in den Schatten gedrängt wurde;
ferner trug dazu die Verflachung des religiösen u. kirchlichen Sinnes,
den die unchristliche Philosophie überall mit Erfolg betrieb, dazu bei,
dasB man den kirchlichen Geist bei Seite setzte u. mit subjektiv für
andächtig gehaltenen Gefühlen u. Produkten den lieben Gott acht zu
ehren wähnte. Die Elirchenmusiken Haydn's sind eben auch nichts
anderes als Kinder seiner Zeit, u. es geschieht seinem Tonkünstler-
ruhme kein Abhruch, wenn ein wiedererwachtes religiös -kirchliches
Bewusstsein seine Messen blos für rein musikalische, keineswegs aber
für k i r c h 1 i c h - musikalische Kunstprodukte erklärt. Haydn teüt
damit das Schicksal aller Kirchenkompositeure seiner u. der nach-
folgenden bis auf die neueste Zeit — mit sehr wenigen Ausnahmen,
Ein treffendes Urteil fällt Ambros („Kulturhistorische Bilder")» wenn
er sagt: „Dass es unter Mozart's Messen einige Knabenarbeiten u.
apokryphe giebt, ist gewiss; die gleichzeitige Kirchenmusik sein^
Freundes J. Haydn ist bekanntlich noch viel weltlicher; sie mahnt an
süddeutsche u. italienische Kirchenfeste, die zugleich Volksfeste sind^
wo das Leben seine bunteste Fülle in Freude u. Jubel ausbreitet. Es
hat schon zu Haydn's Zeiten (Fürstbischof Graf zu Hohenwart verbot
deren Aufführung zu Wien) Anstoss erregt. Die Antwort des frommen
Greises an Carpani: „Wenn er an seinen Gott denke, so hüpfe ihm das
Herz vor Freude u. da hüpfe denn seine Musik mit" — ist fireiÜch
geeignet, den Strengsten, wenn nicht mit dem Werke, so doch mit dem
Haydn — Herbst. 133
Komponisten zu versöhnen. Die Subjektivität des Komponisten n. die
Zurtickschiebung des Textes ist nirgends stärker hervorgetreten, als
bei Haydn. Wie objektiv - gottesdienstlich ist dagegen die Musik
Palestrina'sl" Die erste umfassende Biographie von J. H. lieferte
K. F. Pohl „Joseph Haydn/' I. Bd. 1. Hälfte 1875, 2. Hälfte 1882.
Haydn, Michael, jüngerer Bruder des Vorigen, geb. zu Eohran
den 14 Sept. 1737, wurde 1757 Kp.-M. des Bischofs von Grosswardein
u. 5 Jahre nachher Konzertmeister u. Musikdirektor zu Salzburg, wo
er neben Mozart wirkte u. auch in dieser Stellung bis an sein Lebens-
ende, den 10. Aug. 1810 verblieb. Er war nicht nur- heimisch in allen
Fächern der Musik, u. hatte alles in sich aufgenommen, was damals
in Deutschland u. Italien in der Tonkunst zu Becht bestand, sondern
er verarbeitete alles nach seiner Eigentümlichkeit. Er hatte zwar
nicht die Genialität wie sein Bruder, aber er leistete immerhin An-
erkennenswertes, besonders im Fache der kirchlichen Tonkunst, in
welcher ihm selbst sein Bruder Joseph u. Mozart die Superiorität über
ihnen zuerkennen. Wie er als Mensch ruhig, aber kräftig, bescheiden,
aber fest, äusserst sorgfaltig, aber keineswegs kleinlich war, so zeigte
er sich auch in seinen Kompositionen. Seine Eigentümlichkeit war
vermittelnder, ausgleichender Art, u. ging besonders darauf hinaus, die
so verschiedenartigen Behandlungs- u. Schreibarten damaliger, vorzüg-
licher Meister Deutschlands u. Italiens im Geiste möglichst zu verbinden,
wesshalb es nicht auffallen kann, dass auch seine Kirchenkompositionen
viel weltlichen Beigeschmack zeigen. Seine Kompositionen sind zahl-
reich; ausser vielen weltlichen Stücken schrieb er viele Messen, eine
Unzahl von Gradualien u. Offertorien, mehrere Litaneien, Vespern
u. s. w., welche jetzt grossenteils ausser Gebrauch gesetzt sind, da die
Instrumentierung sehr zopfig ist. Zu seinen Schülern zählen 0. M.
V. Weber u. A. Reicha.
Herbst, Johann Andreas, geb. 1588 zu Kümberg, kam 1628
als Kp,-M, nach Frankfurt u. kehrte 1640 als solcher wieder in seine
Vaterstadt zurück. 1650 ging er nochmals nach Frankfurt u. starb
dort 24. Jan. 1666. Bekannt ist er vornehmlich durch einige theoret.
Schriften : a) „Musica practica sive instructio pro symphoniacis . . ."
Nürnberg 1642, eine Anleitung zum Singen (3 Auflagen); b) „Musica
poetica sive Compendium melopoeticum . . .** Nürnberg 1643, eine kurze
Anleitung zur Komposition in 12 Kapiteln ; c) „Arte prattica et poetica . . ."
Frankfurt 1653, worin er Anweisung giebt, einen Kontrapunkt zu fer-
tigen, dann einen Contrapuncto a mente zu setzen; schliesslich fügt er
«ine Instruktion über den Generalbass an. Kompositionen von ihm sind :
a) Melethema sacra Davidis et suspiria S. Gregorii ad Christum, 3 et
4 voc. Norimb. 1619. b) Theatrum amoris zu 5 u. 6 Stimmen, Nüm-
l>erg 1613, eine Sammlung von Liedern nach Art der Madrigale.
134 Heredia — Hermesdorff.
v.>«_
Heredia, Petras, lebte im 17. Jhdt. in Bom, u. wird yon
J. B. Domns in seinein Werke „De praestantia masicae vet/* als ein
ifohlerfahrener, feinst gebildeter Tonkünstler, Komponist n. Organist
gepriesen; dieser rechnet es ihm zur besonderen Ehre, dass er, aus-
gezeichnet in jeder Musikgattung, auf seinen Bat u. nach seiner Angabe
zuerst ein Werk komponiert habe, worin die Weise der Alten wieder
beobachtet sei (yeterom ac genuinonim tonorum mistura). Eine in der
Hünchener Bibliothek befindliche Messe trägt den Titeh „Missa super
Cantu Bomano, autore Petro Heredia Bomano, IV yoc. cum Org. Mense
Octobri 1635." Ein Bequiem erschien 1646 in einer Sammlung von
Hessen, gedruckt bei Giov. Fr. Gri^nani.
Heritier, Jean T, ein französischer Komponist, welcher in der
ersten Hälfte des 16. Jhdts. lebte. Von seinen Kompositionen sind zwei
Motetten in die Sammlung von P. Attaignant (Paris, 1534) aufgenommen.
Auch P. Aaron zitiert eine Motette von ihm.
Hamann, mit dem Beinamen Contractus, der Lahme, weil er
von der Gicht so gelähmt war, dass er ohne Beihülfe seine Lage nicht
yerändem konnte, war einer der berühmtesten Gelehrten u. Vorzüge
Hchsten Geschichtschreiber, sowie der tüchtigste Tonkünstler des 11.
Jhdts. Geboren den 18. Juli 1013, aus dem Geschlechte der Grafen
Yon Vehringen in Schwaben, kam er in seinem 7. Jahre in die Kloster-
schule zu St. Gallen, wo er sich besonders in den mathematischen
Wissenschaften, in der Astronomie, Geometrie u. Musik auszeichnete»
Im 30. Jahre trat er in den geistlichen Stand u. lebte fortan im Kloster
Beichenau, wo er trotz seiner Gebrechlichkeit das Amt eines Lehrers
verwaltete u. der Kunst u. Wissenschaft oblag. Von seinen körper-
Hohen Leiden niedergedrückt starb er schon im 41. Jahre am 24. Sept.
1054, auf dem väterlichen Gute Aleshausen (Alschhausen bei Biberach)»
Neben seiner vorzüglichen Chronik u. ein paar astronomischen Schriften
schrieb er auch ein Werk „De Monochorde" (Gerbert, Script, n. pag.
125). Er dichtete u. komponierte viele Kirchengesänge, namentlich
einige Sequenzen oder Prosen von vorzüglicher Schönheit , welche
Schubiger in sein Werk „Die Sängefschule St. Gallen" aufgenommen
hat. Er wird auch von einigen für den Verfasser der Antiphonen
„Salve Begina" u. „Alma redemtoris" gehalten. Er bildete sich auch
eine eigentümliche Tonzeichenschrift, um sowohl das Steigen u. Fallea
der Stimme, als auch die Intervalle anzudeuten; so e = Einklang,
s = Halbton, t = Ganzton, d = Quart, d = Quint, ein Punkt über
dem Zeichen wies auf das Fallen, das Fehlen desselben auf das
Steigen hin.
Hermesdorff, Michael, geb. 4. März 1833 zu Trier, wurde
28. Aug. 1859 zum Priester geweiht. Mit guten Musikkenntnissen
ausgerüstet, hatte er damals schon vieles für die Kirche komponiert
u. sich auch mit der Geschichte kirchlicher Kunst vertraut gemacht*
Hesse — Hobrecht. 135
Ztun Kaplan in Cnes ernannt, bot ihm die dortige Bibliothek des
Kardinals Nikolans von Cusa wertvolles Material für die bereits vor-
bereitete Herausgabe der bisher ungedruckten trierischen Chorbttcher
nach den Pergament-Handschriften der Dombibliothek zu Trier. Das
Graduale erschien 1863, das Antiphonale 1864. Im Herbst 1862 wurde
er Domorganist u. Gesanglehrer am bischöfl. Priesterseminar zu Trier,
zugleich übernahm er den Gesangunterricht u. später die Direktion an
der Musikschule, u. von jetzt an namentlich entwickelte er eine reiche
musikalische Thätigkeit. Er gründete 1869 den Diözesan-Cäcilienverein
Trier, dessen Präses er bis zu seinem Tode, welcher 17. Januar 18S5
erfolgte, blieb. Er veröffentlichte mehrere Kompositionen, Messen^
Motetten, Orgelfugen, eine Chorgesangschule u. s. w. Mit dem Jahre
1872 übernahm er die Eedaktion der seit 1862 von H. Oberhoffer redi-
gierten kirchenmusikal. Zeitschrift „Caecilia" (bis 1878) u. gründete
zugleich den „Choralverein zur Erforschung alter Handschriften behufs
Wiederherstellung des Cantus S. Gregorii.** In Verbindimg damit gab
er Guidö's „Micrologus" heraus u. ein „Graduale ad normam cantus
S. Gregorii.*'
Hesse, Adolph Friedrich, geb. den 30. Aug. 1809 zu Breslau,
bildete sich im Orgelspiel u. der Komposition unter Bemer u. Köhler,
u. wurde 1831 erster Organist bei St. Bemhardin in Breslau u. königl.
Musikdirektor, als welcher er am 5. Aug. 1863 starb. Er ist anerkannt
einer der bedeutendsten Organisten der Neuzeit; seine Orgelkompo-
sitionen zeichnen sich durch treffliche Arbeit, Fluss u Wohlklang aus.
Ausser 36 Heften Orgelkompositionen verschiedenen Inhalts hinterliess
er 4 grosse Sinfonien, 4 Ouvertüren, einige Quartette, I Oratorium
„Tobias" u. a.
Heilicka, Aloys, geb. zu Wildenschwert in Böhmen, den 21. März
1826, erhielt seine erste musikalische Bildung im Augustinerkloster zu
Alt-Brünn, wohin der 10jährige Knabe als Diskantist kam, bildete sich
dann in der Prager Organistenschule zum Organisten u. wurde als
solcher 1849 in seiner Vaterstadt angestellt. Er komponierte ein
Oratorium „Das verlorne Paradies,** 10 Messen, 3 Requiem, viele
Psalmen u. Litaneien.
Hobrecht, Jakob, ein Komponist aus der zweiten niederländischen
Schule, geb. 1430 zu Utrecht, gest. 1506, war zuerst Kp.-M. zu Utrecht,
dann von 1492— 1504 zu Antwerpen u ei'warb sich' durch seine Kompo-
sitionen, welche fast durchweg einen Zug strenger Erhabenheit zeigen
die höchste Achtung bei seinen Zeitgenossen. „Unter den Meistern vor
Josquin, sagt W. Ambros, ist er die mächtigste Erscheinung, u. der
Tonsatz bei ihm schon beträchtlich entwickelter, die Harmonie voll-
töniger als bei Okeghem, mit dem er übrigens alle Eigenheiten der
Schule, alle Feinheiten, Spitzfindigkeiten u. Satzkünste gemein hat.**
Von seinen Werken hat Petrucci unter dem Titel „Misse Obrecht**"
136 Hofer — Hoflfmann.
1503 zu Venedig 5 Messen reröffentlicht, und andere Messen diesem
Meisters finden sieb in Sammlungen dieser Zeit. Eine Anzahl bedeu-
tender Motetten bat Petrucci in seine grosse Motettensammlung auf-
genommen, einzelne treffen wir aucb bei Glareau, Ebau u. a.; ausserdem
kennt man noch Lieier (kleine Motetten) von ihm, u. eine „Passio D.
N. J. Ch. secundum Matth." 4 voc.
Hofer, Andreas, dessen Geburtsjahr u. Abstammung noch un-
bekannt ist, war Benefiziat der St. Annakapelle in der Domkirche zu
Salzburg u. von c. 1650—84 ftirstbischöfl. Kp.-M. daselbst; er bildet
den Übergang von der grossen zur schönen Periode der Dommusik.
Er war ein Schüler des Stefano Bemardio (s. d.) u. befand sich nicht
blos noch in vollem Besitze u. Leichtigkeit der alten Kunst des
Kontrapunktes, sondern bediente sich auch schon freierer Melodien
u. Modulationen, die er überdies mit schöner Instrumentation noch
mehr zu beleben wusste. Gedruckt findet sich nur „Ver sacrum, sive
fliores musici 5 vocibus et totidem instrumentis producendi, pro Offer-
toriis servituri. Salisburgi 1677"; handschriftlich bewahrt der Domchor
an Vokalmusik: I. Adventus, eine Sammlung östimmiger Introitus,
Gradualien, Offert orien und Postkommunionen für die Adventzeit;
II. Quadragesimale, eine Sammlung solcher für die Fastenzeit. Noch
andere, auch zweichörige Kirchenstücke scheinen ihm anzugehören.
An Instrumentalmessen sind nur noch zwei bekannt. H. starb 25. Febr.
1684 u. liegt in der Kirche zu St. Peter begraben.
Hoffmann, Karl Julius Adolph Hugo, geb. den 16. Febr.
1801 zu Eatibor, erhielt von seinem Vater, welcher Regenschori war,
frühzeitig Unterricht in der Musik, so dass er schon in seinem elften
Jahre im Komponieren von Kirchensachen sich versuchte. 1821 bezog
er die Universität u. betrieb neben Philosophie u. Philologie fleissig
Musik. Unterricht erteilte ihm Bemer u. mit Schnabel pflegte er
vertrauten Umgang. Nach einigen Reisen erhielt er die Direktion der
Kapelle des Grafen von Reichenbach zu Goschütz, 1830 ward er Chor-
direktor der katholischen Hauptkirche zu Oppeln. Was ihm am meisten
Namen gemacht hat, ist das Werk: „Die Tonkünstler Schlesiens,
ein Beitrag zur Kunstgeschichte Schlesiens von 960—1830," welches
1830 bei Aderholz in Breslau erschien. Ausser vielen Aufsätzen in
musikalischen Zeitschriften verfasste er aijch eine „Litteratur der Musik
des 18. u. 19. Jahrhunderts," eine „Geschichte der Musik bei den
Troubadours, Proven<jalen und Minnesängern," eine „Geschichte des
Meistergesanges," „Die Musik der Griechen und Römer" u. dgl. Von
Kompositionen sind ausser mehreren weltlichen Kompositionen zu
nennen seine Melodien zu dem oppeln'schen christlichen Gesangbuch
(83 Choräle seiner eigenen Komposition), vierstimmige geistliche
Gesänge u. a.
Hofhaimer — Holzbauer. 137
Hofbaimer, Paul, Kaiser Maximilians I. berühmter Hofmusikus
n. Organist, geb. 25. Jan. 1459 zu Kadstadt an der Grenze von Steyer-
mark, u. gest. 1537 zu Salzburg in seinem eigenen, nach ihm benannten
Hause, wird als der gelehrteste Komponist u. kunstreichste Orgel-
spieler seiner Zeit gerühmt, welcher in einem Zeiträume von 30 Jahren
durch keinen Nebenbuhler verdunkelt werden konnte. Seine Arbeiten
halten, nach dem Zeugnisse des Luscinius, immer die wahre Mittel-
strasse, korrekt u. bei aller tiefen Gründlichkeit dennoch stets gefällig
blühend u. grossartig stylisiert. Er setzte viele Kirchenstücke, Choräle,
die Oden des Horaz, Lautenstücke, 3-, 4- u. 5stimmige kanonische u.
kontrapunktische Gesänge u. s. w , von welchen die Wiener Hofbibliothek
fünf handschriftliche Quartbände besitzt; die k% Bibliothek in Berlin
besitzt mehrere Orgelstücke von ihm. An seinem Orgelspiel wird
die grosse Gewandtheit auf dem Manual wie auf dem Pedal u. seine
Fertigkeit in der Durchführung auch der schwersten Themate gerühmt.
Und alles das hatte er, da ihm tie ein ordentlicher Musikunterricht
zu Teil wurde, durch sich selbst erworben. Er entwarf auch nach
eigenen Grundsätzen feste Regeln für die Setzkunst. Sein kunst-
liebender Monarch erhob ihn zum Lohn für seine Verdienste in den
Adelstand u. 1515 erhielt er den Ritterschlag. Sein Ruhm drang auch
in's Ausland, u. von allen Ländern kamen viele, um den ausserordent-
lichen Meister zu hören u. seinen Unterricht zu gemessen.
Holländer, Christian, ein Kontrapunktist des 16. Jhdts., aus
Holland gebürtig, stand in Diensten der Kaiser Ferdinand I. und
Maximilian 11. Man hat von ihm 4- bis Sstimm. geistliche u. weltliche
Gesänge mit Instrumentalbegleitung, die 1570 zu München erschienen,
u. dreistimmige Motetten, welche erst 1573 durch Johann Pichler von
Scbwandorf gesammelt u. herausgegeben wurden. 40 Motetten finden
sich in mehreren Sammelwerken. — Ein anderer H. Sebastian,
geb. zu Dortrecht am Ende des 15. Jhdts., war Kp.-M. des Herzogs
Wilhelm I. von Bayern, u. Vorgänger Orlando Lasso*s in diesem Amte.
Holzbauer, Ignaz, Sohn eines Lederhändlers zu Wien, geb.
1711, suchte als Knabe seine Neigung zur Musik, die von seinem Vater
nicht beachtet wurde, dadurch zu befriedigen, dass er sich an die
Singschüler des St. Stephanschors anschloss n. ihnen allerlei kleine
Komödien verfertigte, wofür sie ihm im Gesang u. in den Instrumenten
einige Unterweisung gaben. Begierig fasste er es auf u. ward auf
diese Weise mit fast allen Instrumenten bekannt. Die Theorie der
Musik studierte er heimlich nach dem „Gradus ad Pamassum" von
Fux. Bald begann er sich in Kompositionen zu üben und um nach
Italien zu kommen, trat er als Sekretär in die Dienste eines Grafen.
Dann reiste er mit einem Wiener Arzte bis nach Venedig. Durch
Fieber zur Rückkehr gezwungen, ging er wieder nach Wien, wo unter-
dessen sein Vater ihm bewilligte, sich der Tonkunst zu widmen»
138 Homilius — Hothby.
1745 ward er als Musikdirektor am Hoftheater in Wien angestellt.
Nach einer zweiten Eeise dnrch Italien folgte er einem Enfe nach
Stuttgart 1750, wo er ausschliesslich nur für die Kirche u. Kammer
arbeitete, n a. 2 Oratorien, 21 Messen, 37 Motetten, Miserere u. s. w.
1753 zum Kp.-M. in Mannheim ernannt, komponierte er nun viele
Jahre nur für die Bühne. 1756 unternahm er eine dritte Eeise nach
Italien, deren vorzüglicher Zielpunkt Eom war; später besuchte er Paris.
Nach 1772 komponierte er wieder viele Kirchensachen, Messen, Psalmen,
Motetten u. a. Er starb am 7. April 1783 an einer Brustentzündung.
Homilias, Gottfried August, geb. zu Eosenthai an der
böhmischen Grenze am 2. Febr. 1714, seit 1742 Organist an der Frauen-
kirche zu Dresden, leistete im Orgelspiel Vortreffliches. 1755 wurde
er Musikdirektor an den drei Hauptkirchen daselbst und Kantor an
der Kreuzschule, die er zu besonderer Blüte brachte. Er verwendete
seine übnge Zeit ganz auf Kirchenkompositionen u. war so anspruchs-
los, dass er das Wenigste davon durch Druck bekannt machte. In
Chören ist er gross, in Arien aber kalt u. steif. Seine Motetten (mit
deutschem Text) sind Muster dieser Gattung. Er starb den 1. Juli
1785 in Dresden.
Horak, Em. Wenzel, geb. den 1. Jan. 1800 zu Mscheno in
Böhmen, begann seine musikalische Laufbahn als Chorknabe in Prag,
woselbst er auch die lateinische Schule besuchte. Da ihm die Mittel
fehlten, bei Tomaschek Unterricht zu nehmen, so war er bei seinen
Studien zumeist auf sich selbst angewiesen. Er wirkte später als
Organist u. Chorregent an der Adalbertskirehe in Prag, 1834 erhielt
er für sein „Te Deum" u. „Veni sancte Spiritus" den Preis u wurde
später Mitglied des Mozarteums in Salzburg. Seine Messen (acht) waren
früher sehr gesucht; doch gebricht manchmal den Melodien der-
selben der klassische Ernst u. die ruhige Kraft. Die Instrumente
behandelt er, besonders in den neueren Werken, mit ziemlicher Ein-
schränkung, — den Gesang lässt er gebührend hervortreten. Im Druck
erschienen noch einige Gradualien u. einige wenige andere Kirchen-
stücke; ausserdem eine Gesangschule u. eine Abhandlung über die
„Mehrdeutigkeit der Accorde." f 5. Septbr. 1871 als Eegenschori an
der Hauptpfarrkirche im Teyn zu Prag. -•
Hothby od. Octobi, Ottobi, P. Joannes, ein englischer
Karmelitennönch, kam, nachdem er etwa seit 1444 in Florenz u. Ferrara
verweilt hatte, 1467 nach Lucca, wo er achtzehn Jahre lang als Dom-
kapellmeister, Gesanglehrer u. Vorsteher einer Schule wirkte. 1486
wurde er vom Könige von England heimberufen u. starb schon im
folgenden Jahre. Coussemaker edierte von ihm im III. Bd. der Script.:
1) „Proportiones" v. J. 1471; 2) „Contrapunctus"; 3) „de Canta
figurato." Ausser diesen kleinen Traktaten, welche nur Aufeeichnungen
eines Schülers H.'s zu sein scheinen, macht er noch Meldung von
r
L
Hucbald — Hübner. 139
4) „Tractatns de proportionibus/' 5) „Dialogos de arte musica/^
6) „Epistola." Acht aber sind: 7) „J. Octobi reg^e contrapuncti" n,
,36gnle cantns mensuralis," welche (Conssemaker nnbekannt) aaf der
Lyzemnsbibliothek zu Bologna vorhanden sind; ebenso 8) ,,£xcitatio
qnaedam per refiitationem/' gegen Barth. Eaniis gerichtet. Ebenfalls
acht erscheint 9) die von Conssemaker in seiner L'harmonie du moyen
äge yeröfientlichte „Oalliopea." (Vgl. Kirchenmusik. Jahrbuch 1893.)
Hnobald, auch übaldus, Hübaldus genannt, ein in der mittel«
alterlichen Musikgeschichte hochgerühmter Name, geb. um 840, war
ein Verwandter u. Schüler des durch Alcuin gebildeten Milo, welcher
unter Ludwig dem Frommen der berühmten Klosterschule zu St. Amand
sur TElnon in Flandern vorstand. Daher mag auch der Name „Monachus
Elnonensis** für Hucbald sich herschreiben. 872 folgte er seinem
Lehrer in der Vorstandsehaft des Klosters, 883 ging er nach dem
Kloster St. Bertin, um dort die Klosterschule zu leiten, zehn Jahre
später berief ihn der Erzbischof Fulco von Eheims zu sich, um die
dortige Domschule zu verbessern. Im Jahre 900 kehrte er nach St.
Amand zurück, das er nun nimmer verliess u. wo er 930 in hohem
Alter starb. Die sein Grabdenkmal zierende Aufschrift rühmt an ihm
besonders die Milde seines Wesens („simplex sine feile columba,*' eine
Taube ohne Galle). Gerbert hat im I. Bande seiner Script, folgende
Traktate unter dem Namen „Hucbald" ediert: a) „De harmonica
institutione'^; „AUa musica^*; „De mensura organ. fistularum"; „de
cymbalorum ponderibus**; „de modis^'; „de quinque Symphoniis"; b)
„Musica enchüiadis*^; c) „Commemoratio brevis de tonis et psalmis
modulandis." Conssemaker veröffentlichte (II. Bd. 74) einen kurzen
Traktat, den er betitelt: „Hucbaldi Monachi Elnonensis quaedam e
musica enchiriade inedita," welcher aber einen ziemlichen Fortschritt über
die Mus. enchiriad. hinaus lehrt Während man schon früher Zweifel
aussprach, ob alle diede Traktate einem Verfasser angehörten, u«
Eaym. Schlecht (Monatsblätter f. Musik-Gesch. 1874 S. 166) alle dem
Hucbald vindicierte, sucht Dr. Hans Müller („Hucbald's echte u. un-
echte Schriften über Musik" Leipzig 1884) nach ausgedehnten Unter-
suchungen zu beweisen, dass die „Mus. enchiriadis" einem jüngeren
Hucbald angehöre, als die ,Jnstitutio harmonica*'^ Doch sei dem wie
ihm wolle, beide Traktate (u. auch die Commemoratio) sind von hoher
Wichtigkeit, namentlich die „Musica enchiriadis," in welcher sowohl
von Linien, als auch von eigenen Tonzeichen (Dasian-Notierung) aus^
gedehnter Gebrauch gemacht u. die Gesänge der mehrstimmigen Musik,
das Organum oder die Diaphonie gelehrt werden.
Hfibner, J o s e t» h , geb. zu Kleppelsdorf bei Lähe den 13. Aug.
1755, war besonders thätig in mehreren katholischen Gemeinden
Schlesiens) auch in Breslau, wo er Pfarrer u. Universitätsprediger war,
den allgemeinen deutschen Kirchengesang einzuführen. Als Ober-
140 Hugo von Reutlingen — Jacopone.
koDBistorialrath, Assessoiv bei der k. Schuldirektion u. Domprediger,
welche Ämter er nacheinander bekleidete, konnte er das begonnene
Werk mit mehr durchgreifender Kraft fortsetzen, so dass Schlesien ihn
als vorzüglichen Yerbesserer des katholischen Kirchengesanges u. der
Kirchenmusik in ehrendem Andenken hält. Er starb zu Breslau im
Jahre 1810.
Hugo von Reutlingen, geb. 1285 od. 86, gest. 1359 od. 60, ist
bekannt durch seinen (1488 in mehreren Ausgaben) zu Strasaburg er-
schienenen Traktat: „Flores musice omnis cantus Gregoriani.'* (Siehe
Monatshefte f. MGeschichte II. 57).
Hummel, Johann Nepomuk, geb. zu Pressburg den 14. Nov.
1778. Von seinem Vater, welcher Musikmeister im Militärstifte zu
Wartburg war, wurde er schon in seinem vierten Jahre auf der Violine
unterrichtet, zeigte aber mehr Talent zum Singen u. Klavierspielen.
Nachdem sein Vater 1785 nach Wien gekommen war, geüoss der Knabe
zwei Jahre den Unterricht Mozart's ; später studierte er den Kontrapunkt
u. die Komposition unter Albrechtsberger u. Salieri, u. vorteilhaft
wirkten auf seine Bildung auch die Werke Haydn's ein. Bald trat er
mit seinen Kompositionen hervor u. kam dann in die Kapelle des
Fürsten Esterhazy, in dessen Diensten er eine Messe in B schrieb.
1816 Kp.-M. in Stuttgart geworden, wendete er sich mit allem Eifer
dem Pianofortespiel u. der Komposition für dies Instrument zu u.
begründete von da an seinen europäischen Euf als Klaviervirtnose ;
18*<J0 wurde er nach Weimar als Kp.-M. berufen. Von da aus machte
er mehrere Kunstreisen nach Bussland, Frankreich u. England, überall
die höchsten Auszeichnungen geniessend. Er starb den 17. Okt. 1837.
Von ihm existieren auch mehrere Messen, welche wohl massvoll im
Satze gehalten, aber grösstenteils zu lang sind; dann ein Graduale u.
ein Offertorium, welchen beiden es jedoch an kirchlichem Charakter
gebricht. Sein verdienstlichstes Werk ist die grosse Klavierschule, die
bei Haslinger in Wien verlegt ist.
J.
Jacopo von Bologna, ein italienischer Komponist des 14. Jhdts.
u. Zeitgenosse des Franc. Landino. In einem Codex der k. Bibliothek
zu Paris, welcher 199 Lieder zu 2 u. 3 Stimmen von Florentiner Ton-
künstlern dieser Zeit enthält, befinden sich auch einige Gesänge von
ihm, in der schwarzen Notierung aufgezeichnet.
Jacopone, auch Jacobns de Benedi ctis genannt, stammte aus
der adeligen Familie Benedetti in Todi im Spoletanischen. Er widmete
sich anfangs der Eechtskunde, ward aber durch den Tod seiner Fran^
Jacotin — Jannequin. 141
welche beim Einsturz eines Saales erschlagen wurde, so erschüttert,
dass er dem weltlichen Leben entsagte u. Franziskanermönch warde.
Als solcher trat er als Bussprediger auf u. hielt scharfe Strafpredigten,
selbst gegen Papst Bonifaz VllL, welcher ihn dafür in den Kerker
setzte. 1303 ward er wieder frei, starb aber schon 1306. Seine „Hymni
et prosae sacrae" sind öfter aufgelegt worden. Sein Name bleibt un-
vergänglich durch die Sequenz „Stabat mater," welche^ er im Kerker
gedichtet (nach Einigen auch mit der Melodie versehen) haben soll.
Jacoün, ein niederländischer Kontrapunktist aus dem Anfange des
16. Jhdts., gest. 24. März 1529, war um 1479 Kapellan an Notre Dame
zu Antwerpen. Im Verzeichnisse der Sänger in der päpstl. Kapelle
(Bausteine von F. X. Haberl II) kommt der Name Jacotin zweimal,
in den Jahren 1468 u. 1519 vor. 1510 erschienen 6stimm. Messen unter
seinem Namen; in mehreren Sammlungen finden sich Motetten und
Chansons von ihm. Messen von ihm finden sich in Msk. in Rom.
Jannaconi, Guiseppe, ein vortrefHlcher Komponist der römischen
Schule, war geb. um 1741 zu Eom. Anfangs von S. Rinaldini, einem
päpstlichen Kapellsänger in Gesang u. Komposition unterrichtet, kam
er später unter die Leitung des Gaetano Carpini, Kapellmeisters an
der Jesuitenkirche. Mit Pasch. Pisari vereinigt arbeitete er an der
Umschrift der Werke Palestrina's in Partitur, wobei er soviel Ver-
ständnis u. Talent an den Tag legte, dass Pisari ihn vor allen seinen
Kollegen würdig hielt, ihm die Tradition der römischen Schule u. mit
dieser jene Memoiren, welche ihm von seinen Vorgängern hinterlassen
worden waren, anzuvertrauen. So ward Jannaconi ein vollkommener
Meister in jeder Gattung des Styles, besonders entwickelte er im 8-
u. 16-stimm. Satze eine geniale Kraft. Unter seinen vielen Schülern
ist besonders J. Baini hervorzuheben, welcher von ihm auch viele.
Notizen, Manuskripte u. dgl. für sein Werk über Palestrina erhielt.
1811 wurde Jnnaconi als Zingarelli's Nachfolger Kp.-M. in St. Peter
im Vatikan. Am 16. März 1816 starb er infolge eines Schlaganfalls.
Die Santini'sche Sammlung in Rom besitzt viele Kirchenstücke von
ihm, auch Fetis in Brüssel, darunter 16-stimm. Messen u. 16— 24-stimm.
Kanons. In der Proske'schen Bibliothek zu Kegensburg finden sich von
ihm mehrere Motetten, zu 4 Stimmen, „Tenuisti manum" 'a 3 voc. in
serner Originalhandschrift mit der Jahrzahl 1794, ein „Te deum" zu
4 voc. u. ein ebenfalls von seiner Hand höchst zierlich geschriebener
Kanon.
Japneqain, Clement, ein berühmter französischer Kontra-^
punktist, unter der Kegierung Franz L lebend, hinterliess viele Kom-
positionen; von seinen Lebensumständen ist jedoch nichts bekannt.
In den Archiven der päpstlichen Kapelle* befinden sich Messen im
Manuskript von ihm, 1533 erschienen in Paris 4stimm. Motetten, zu
Venedig u* Paris zwei Sammlungen französ. Chansons. Besonder».
142 Janowka — Jeronimo.
berüfamt waren seine „Inventiones mnsicales/* Lyon 1544, eigentlich
Tongemälde zu 4 u. 5 Singstimmeni welche unter andern folgende Titel
führen: „Le^caqnet des femmes; le chant du rossignol; la chasse au
cerf, n. s. w/* Anch in mehreren Sammlungen des 16. Jhdts. findea
sich Arbeiten von ihm.
Janowka, Thomas Balthasar, geb. zu Battenberg in Böhmen
nm 1660, war Licentiat der Philosophie u. Organist za Prag, wo er
1701 das erste musikalische Wörterbuch der neuem Zeit herausgab mit
dem Titel: „Clavis et Thesaurus magnae artis musicae etc.^'
Janssen, N. A. ein holländischer Priester, war lange Zeit Orga-
nist in Löwen u. Gesanglehrer am erzbischöfl. Seminar in Mecheln.
Ausser mehreren K.-Kompositionen erschien von ihm „Les yrais prin-
cipe» du chant gr%orien" (Mecheln, 1845), deutsch bearbeitet von
J. E. B. Smeddink (Mainz 1846).
Jaspers, Carl, geb. 26. Juli 1835 zu Eees am Bhein, wo sein
Vater Organist u. Chordirektor war, zeigte in frühester Jugend schon
herrliche Geistesanlagen u. grosse Hinneigung zur Musik. 1858 zu
Münster zum Priester geweiht,, fungierte er als Kaplan zu Sonsbeck,
Münster u. Kevelaer. 1864 befiel ihn ein Kehlkopfleiden u. er wurde
als Kaplan nach Straelen ernannt, wo er sich um den Kirchengesang
mit grossem Eifer annahm. In diese Zeit fällt die Komposition seiner
ersten Messe für 4 gemischte Stimmen in G-dur; seine zweite Mess^
in F-dur wurde als Hauptvereinsgabe des Cäcilienvereins ausgegeben,
durch sie wurde er auch als Komponist in weiteren Kreisen bekannt
Ende 1881 stellte er noch eine lU* Messe fertig. Ausserdem schrieb
er noch viele kleinere Stücke, die meist nicht an die Öffentlichkeit
kamen. Von seinem langwierigen, harten Leiden erlöste ihn der Tod
d. 28. Juni 1882.
Jelensperger, Daniel, 1797 in der Nähe von Mtihlhausen geb.,
schon frühzeitig in der Musik unterrichtet, ward anfänglich in Mainz
und Ofifenbach in Noten -Steindruckereien angestellt. Zu ähnlicher
Beschäftigung kam er bald nach Paris. Dort begann er einige Zeit
nachher seine höheren musikalischen Studien mit solchem Erfolge, dass
er als Bepetitor u. dann als Professor-Adjunct am Konservatorium
angestellt wurde. 1830 erschien sein Werk „L'harmonie au commen-
cement du 19. siöcle et methode pour Tfetudier" zu Paris in Druck,
welches Häser in Leipzig in deutscher Übersetzung herausgab. Jelens-
perger übersetzte in*s Französische die Häser'sche Chorgesangschule
und Hummels Klavierschule. Gestorben ist er am 31. Mai J1831 zu
Mühlhausen.
Jeronimo, P. Francisco de, ein portugiesischer Hieronymitaner-
Mönch, geb. zu Evora 1692, Kp.-M. in seinem Kloster zu Belem,
schrieb viele 8 — 16'Stimmige Besponsorien, 8-stimm. Messen, Hymnen,
Psalmen, Motetten u. a. m.
Jesus — Johann Georg IT, 143
Jesus, Antonio de, aus Lissabon gebürtig, war Mönch u. von
1636 an bis zu seinem Tode, den 15. April 1682, Professor der Musik
an der Universität zu Ooimbra. Die Bibliothek zu Lissabon bewahrt
Kompositionen von ibm* — Bernardino de Jesus, aucb S e n a
genannt, geb. 1599 zu Lissabon, trat 1615 zu Vianna in den Franzis-
kanerorden, u. war als vorzüglicher Sänger u. Komponist auch von
König Johann lY. sebr geschätzt. Er starb den 10. April 1669; die
dortige Bibliothek bewahrt mehrere seiner Kirchenkompositionen. —
Gabriel de Jesus, ebenfalls ein Ordensgeistlicher, aus Leiria -
gebürtig um die Mitte des 17. Jhdts., wird gerühmt als Orgel- und
Harfenspieler wie als Komponist. Besonders werden 5 seiner Motetten
„Para as quinze Estaijones da via sagra etc." hervorgehoben.
Jngegnierl, Marco Antonio, geb. um 1545 zu Venedig, war
bereits 1576 Kp.-M. an der Kathedrale zu Cremona, in welcher Stellung
er wahrscheinlich bis zu seinem Tode, sicher bis 1591 verblieb. Er
war Lehrer des Gl. Monte verde u. gab in Druck: ein Buch 5- u. Sstimm.
Messen' (1573); ein Buch 5stimm. Messen (1587); 4 Bücher Madrigale
zu 4 u. 5 Stimmen (1578—1584); Sacrae cantiones 5stimmig (1576);
Sacrae cantiones, 7— 16stimm. (1589) u. Eesponsoria hebdomadae sanctae
(1581). Auch in Sammlungen finden sich einige Madrigale von ihm.
Joanelli, Pietro, ein ital. Kontrapunktist des 16. Jhdts., geb. zu
Gandino bei Bergamo. 1568 erschien von ihm zu Venedig eine Samm-
lung Motetten unter dem Titel „Novi atque Catholici Thesauri Musici
libri quinque, quo selectissimae planeque novae, nee unquam in lucem
editae cantiones sacrae, quas vulgo Moteta vocant, continentur 8, 7,
6, 5 ac 4 vocum, a praestantissimis ae hujus aetatis praecipuis Sym-
phoniacis compositae ... ad omnis generis instrumenta Musica acco-
modata.** (Venedig 1568.) Die Proske'sche Bibliothek besitzt von
diesem seltenen Werke, welches wegen der überaus grossen Reich-
haltigkeit u. der darin vertretenen alten Autoren besonders kostbar
ist, ein vollständiges u. prachtvolles illuminiertes Exemplar.
Joao, (Johann) IV. König von Portugal, geb. als Herzog von
Braganza 1604, lebte bis in sein 26. Jahr aus Neigung als Privatmann
ausschliesslich den Künsten u. Wissenschaften. Auch nach seiner
Thronbesteigung, am 1. Sept.^ 1640, ward er dieser seiner Neigung
nicht untreu. Ausser einigen musikalischen Abhandlungen komponierte
er unter anderm viele Motetten, von denen 1674 zwei in Druck er-
schienen; auch besass er die ausgezeichnetste u. vollständigste musi-
kalische Bibliothek in Portugal. Er starb am 6. Nov. 1656.
Johann Georg II., Kurfürst von Sachsen, geb. den 31. Mai 1613,
regierend von 1656—1680, beschäftigte sich viel mit Musik, namentlich
hat er viele Kirchenmusiken komponiert. Er starb zu Freiberg am
16. Aug. 1680.
r
144 Johannes Damascenus — Jomelli.
Johannes Damascenus, der hl., über dessen Geburts- n. Todes-
jahr nichts bekannt ist, wird als der letzte der griechischen Kirchen-
väter bezeichnet; in ihm erstand der alten Kirche noch einmal ein
gewaltiger Wortführer, da allenthalben im griech. Reiche ein Verfall
um sich griff. Darum erhielt er auch den ehrenden Beinamen
„Chrysorrhoas.'* Seine Thätigkeit fällt in die Zeit der Bilderstürmerei,
um 726 trat er als theologischer Schriftsteller u. Vertheidiger der
Bilder auf. In dem Kloster bei Jerusalem scheint er gestorben zu sein.
Er wird auch unter die hervorragendsten Hymnendichter der griech*
Kirche gezählt; zugleich wird von ihm gerühmt, dass er den litur-
gischen Gesang der griech. Kirche geordnet u. die byzantinische
Notenschrift reformiert habe.
Johann von Fulda, Mönch, lebte gegen Ende des 9. Jhdts. u.
war als Dichter u. Tonkünstler ein Schüler des Rhabanus Maums.
Er soll der erste gewesen sein, welcher in Deutschland Kirchengesänge
in Musik setzte.
Johann Langus, Mönch zu St. Gallen u. vortrefflicher Musiker
aus dem 10. Jhdt., versah mehrere von seinen Brüdern verfasste Prosen
u. Sequenzen mit ausgezeichneten Melodien. — Ein Mönch Johannes
zu St. Mathias bei Trier wird aus dem 11. Jhdt. auch gerühmt als
gelehrt in allen Fächern, besonders aber ausgezeichnet in der Musik;
er dichtete u. komponierte viele Gesänge u. Prosen.
Johann von Mantua, ein merkwürdiger musikalischer Schriftsteller
des 14. Jhdts., geh, zu Namur, wo er sich hauptsächlich im Gesänge
ausbildete. In Italien, wohin er frühzeitig kam, studierte er neben den
theologischen Wissenschaften auch die Musik unter Victorino von
Eeltri. Darauf trat er in ein Karthäuserkloster zu Mantua, woher
auch sein Beiname „Mantuanus Garthusius.'* Hier erschien um 1380
seine berühmte musikalische Abhandlung „Libellus musicalis de ritu
canendi etc.", worin er vom Choralge sänge, vom Monochord, von den
Konsonanzen, den Kirchentönen, den Tonzeichen, der Solmisation u.
vom Kontrapunkte handelt. Manuskripte davon finden sich im brittischen
Museum u. in der Vatikan. Bibliothek.
Jomelli, Nicolo, geb. den 10. Sept. 1714 zu Aversa im Neapo-
litanischen, wo er schon frühzeitig Musikunterricht erhielt, studierte
um 1730 am Konservatorium della Pietä in Neapel. 1740 wurde er
nach Eom berufen, wo er durch seine Opern die Römer ganz für sich
gewann. Doch ging er in selben Jahre noch nach Bologna, wo er
neben seiner Wirksamkeit für die Bühne die Ratschläge u. Belehrungen,
des P. Martini nicht unbenutzt liess. 1747 wurde er zum Direktor des
Konservatoriums degli Incurabili in Venedig ernannt, wo er auch,
mehrere doppelchörige Kirchenwerke schrieb. 1749 ward er Substitut
des Kp.-M. Bencini an der St. Peterskirche in Rom u. blieb hier bis^
zu seiner Berufong als Hofkapellmeister in Stuttgart 1754 durch den
Joseph — Jouve. 145
kunstsinnigen Herzog Carl von Württemberg, welche Stelle er mhm-
Yoll bis zur Auflösung der Hofkapelle 1766 bekleidete* Dann zog er
sich wieder nach Neapel u. Aversa zurück, wo er 25. Aug. 1774 starb.
Neben 44 Opern schrieb er an Eirchenwerken : mehrere Messen,
Psalmen, GraduaHen u. s. w., darunter ein doppelchöriges Dixit, Laudate,
Miserere, Magnificat, sein berühmtes Miserere für 2 Soprane u. Orchester,
ein Eequiem.
Joseph, (Joseph i) Georg, war um die Mitte des 17. Jhdts.
Eapellmüsiker des Fürstbischofs von Breslau. Er gab eine sehr ge-
rtUunte Sammlung geistlicher Lieder unter dem Titel „Heilige Seelen-
lust,'* (Breslau, 1668 und 1697) heraus.
Josqnln des Pros, auch Depröz, Jodocus de Prato oder
Pratensis, zuweilen auch Jossien genannt, gehört unter die
merkwürdigsten Männer seiner Zeit, u. doch haben wir trotz seiner
Berühmtheit nur sehr unzuverlässige Nachrichten über sein Geburts-
u. Todesjahr, sowie über seine Herkunft. Niederländer, Deutsche,
Franzosen u. Italiener stritten sich um die Ehre, ihn den Ihrigen zu
nennen. Vielerlei Untersuchungen ergaben: Josquin, geb. zuVermand
bei St. Quentin in der eigentiichen Picardie (also ein Niederländer)
um 1440, kam in seiner Jugend als Sängerknabe an das Collegiatstift
in St. Quentin; nach seinem Stimmenwechsel ging er in die Musikschule
Okenheim's (um 1544), um den Eontrapunkt zu studieren, worauf er
wieder nach St. Quentin zurückkehrte u. so lange dort blieb, bis er
unter Sixtus IV. (1471—1484) einen Kuf an die päpstliche Eapelle er-
hielt Daselbst entfaltete er solche Talente, dass Bahii von ihm sagt:
,Er war in kurzer Zeit das Ideal von ganz Europa geworden . . . Seine
Eompositionen verdrängten in den Eapellen bald alles, was vor ihm
da war." Von Eom ging er nach Cambrai u. wurde von Ludwig Xn.
Eönig von Frankreich (nicht vor 1498) zum ersten Sänger an seiner
Eapelle berufen. Er starb zu Cond6 am 27. Aug. 1521. Seine kontra^
punktischen Arbeiten waren meisterhaft u. wurden stets als Muster
anerkannt. Die päpstliche Eapelle bewahrt auch noch viele seiner
Manuskripte, z. B. mehr als 20 Messen, u. eine grosse Sammlung
Motetten. Die Proske'sche Bibliothek besitzt 9 Messen u. eine Menge
Motetten, Psalmen, (darunter den 24stimm. „Qui habitat in adjutorio")
u. di^ Codices, aus denen Proske eigenhändig diese Eompositionen in
Partitur brachte.
Joaye, EspritGustave, Archäologe, Eomponist u. musika-
lischer Schriftsteller, geb. am 1. Juni 1805 zu Buis (Dep. Drdme) seit
1839 Eanonikus an der Eathedrale zu Valence, gab folgende musika-
lische Werke heraus: „Etüde bist et philos. sur les principales §coles
de composition musicale en Europe de 1350 ä la premi^re moiti^ du
XVn. si^le" (Rennes, 1855); „Phüosophie du chant" (Rennes, 1855);
„Dictionnaire d'^sthetique chr^tienne ou th^orie du beau dans Tart ehret,
Kornmfiller, Lexikon. IL Bd. 10
146 Isaak — Judice.
rarchitecturei la mnsique etc/^ (Paris, 1856); „Lettres sur le moave-
ment litorg^que romain en France durant le XIK. siöcle** (Paris, 1858).
Überdies veröffentlichte er mehrere Artikel Aber gregporianischen
Choral u. dgl. in französischen Mosikzeitschriften, abgesehen von
Werken nnd Abhandinngen über andere Knnstgegenstände. Von seinen
Kompositionen sind einige dreistimmige Messen mit Orchester und
Orgel anzuführen.
Isaaky Heinrich, einer der ältesten u. tüchtigsten Kontra-
ponktisten Deutschlands, war aus Flandern gebürtig, Schüler Josqnin's.
Hochgeschätzt waren seine Kirchenkompositionen, von welchen GUreaa
rühmt, dass sie sich durch eine besondere Kraft u. Erhabenheit aus-
zeichnen, u. von einer so yortrefflichen Harmonie verschönert werden,
dass sie alles derzeitige überträfen. Bei den Italienern hiess er
gewöhnlich „Arrigo Tedesco/* Sein Euhm verbreitete sich auch in
Deutschland, so dass Kaiser Maximilian I. ihn zn seinem Kp.-M. er-
nannte. Von seinen Schülern ist der namhafteste Ludw. Senfl, der
auch sein Nachfolger wurde. Isaaks Todesjahr mag etwa 1517 sein,
da sein Testament v. 4. Dez. 1516 datiert ist. Seine Kompositionen
sind zahlreich, sie finden sich in mehreren Sammlungen, die Münchener
Bibliothek besitzt deren viele im Manuskript, die Proske'sche Bibliothek
in Begensburg neben anderen auch sein Werk „Ghoralis Constantini'*
a 4 voc. in drei Teilen (Nürnberg 1555).
Isidor von Sevilla, (Hispalis) war zu Carthagena gegen Ende
des 6. Jhdts. geboren. Im Jahre 600 folgte er seinem altern Bruder
Leander auf dem bischöflichen Sitze von Sevilla nach, den er bis zu
seinem Tode, den 4. April 636, einnahm. Schon von seinen Zeitgenossen
war er als der gelehrteste seines Jahrhunderts gepriesen; er umfasste
alle W^issenschaften, die man in seiner Zeit betrieb. Unter seinen
Werken zeichnet sich besonders der grosse compilatorische „Codex
Originum sive Etymologiarum, XX. libr.'^ aus, welcher auf die philo-
sophische u. theologische Bildung der folgenden Zeit einen grossen
Einfluss übte. Darin handehi die ersten 9 Kapitel des dritten Buches
von der Musik, u. zwar werden noch die griechischen Theoremen vor-
getragen. Gerbert führt diesen Traktat in seinen Script, ecd. I. p.
19 ff. auf.
Isnardi, Paolo, geb. zu Ferrara in der ersten Hälfte des 16.
Jhdts., war Mönch im Kloster Montecassino, dann Superior dieses
Klosters u. Kp.-M. an der Kathedrale zu Ferrara. Er starb in einem
Alter von 60 Jahren. Man kennt von ihm mehrere Sammlungen Messen,
Motetten, Psalmen, Falsibordoni u. s. w., die von 1561—1594 zu Venedig
im Druck erschienen.
Jadice, Cesarede, geb. den 28. Jan. 1607 zu Palermo, studierte
in seiner Jugend neben den Wissenschaften auch die Musik mit grossem
Fleisse. 1632 ward er Doktor u. 1650 Generalvisitator in Val di Note
Jnmentier — Justinus k Despons. 147
zu. Palermo, wo er auch am 13. September 1680 starb. Er komponierte
mehrere zwei- bis vierstimmige konzertierende Madrigalen, auch
Motetten n. 1666 ein Eeqniem zur Leichenfeier König Philipp IV.
Von seinen Madrigalen n. Motetten erschienen 1628 eine Sammlung
zu Messina, eine andre 1635 zu Palermo.
Jamentier, Bernard, geb. zu L^vas bei Chartres am 24. März
1749, war von seinen Eltern zum geistlichen Stande bestimmt, doch
widmete er sich der Musik, welche er unter Delalande, Kp.-M. zu
Chartres, studierte. In seinem 24. Jahre schon wurde er als Vorsteher
der Maitrise in St. Malo angestellt; 1776 kam er als Kp.-M. an das
k. Capitel von St. Quentin, woselbst er am 17. Dez. 1829 starb. Er
schrieb viele Eirchensachen, welche gertUimt werden, von denen aber
nichts im Druck erschien.
Jnmilhao, Pierre Benoit de, ein Benediktüiermönch aus der
Mauriner-Eöngregation, war im Jahre 1611 im Schlosse St. Jean de
Ligoure, Diözese Limoges, geboren. Nachdem er seine philosophischen
Studien vollendet hatte, trat er 1629 in das Benediktinerstift St. Bemi
in Bheims ein* Einen spätem kurzen Aufenthalt in Bom, wohin er
von seinen Obern geschickt worden, benutzte er besonders auch dazu,
unter dem Beistande der gelehrtesten Männer sich gründlich mit der
Liturgie bekannt zu machen, wodurch er sich beföhigte, nach seiner
Btlckkehr das Ceremoniale monasticum verbessert herauszugeben. Sein
Hauptverdienst aber ist die Abfassung eines Choralgesangbuches,
welches er eigentlich nur für die Kongregation bearbeitete, das aber
doch eine weitere Verbreitung fand, in Frankreich auch später eines
grossen Ansehens sich erfreute u. in neuester Zeit zu Paris wieder in
neuer Auflage erschien. In diesem Werke, welches den Titel trägt:
,Jia Science et la pratique du piain- chimt etc. par un Beligieux
Benedictin de la Congregation de S. Maur** (Paris, 1673), fasst er
alles zusammen, was auf die Theorie u. Praxis des Choralgesanges
Bezug hat, u. lehrt es in 8 Hauptstücken, von denen jedes wieder in
mehrere Unterabteilungen zerfällt Da er dem Werke seinen Namen
nicht beidrucken liess, versuchten es einige, die Autorschaft dem P.
Jacob de Clerc zuzuschreiben, was aber Martenne gründlich widerlegt
hat. Er bekleidete mehrere höhere Ämter seines Ordens, 1654 wurde
er zum Generalvisitator der Provinz Toulouse, bald darauf zum
Assistenten des P. Oenerals der Kongregation ernannt. 1660 begann
er zu kränkeln, erholte sich jedoch wieder, bis ihn 1682 eine neue
Krankheit befiel, welcher er nach kurzer Zeit im Kloster S. Germain
de Pros am 21. April desselben Jahres erlag.
Jnstiiias k I>espoiis, Karmelitermönch u. Organist zu Würzburg
von 1711—1723, gab heraus: „Chirologia Organico-Musica," ein Lehr-
buch des Orgelspiels, u. ,J£usikali8che Arbeit und. Kurzweil, d. i. kurze
und gute Begel der Componir- und Schlagkunst u. s. w.** In beiden
10*
"
148 Kaim — Elaiser.
Werken sind auch längere Kompositionen von ihm enthalten; die
Mehrzahl seiner Werke, die er seit 18 Jahren gearbeitet hatte, wurden
ihm aber, wie er in der Vorrede zu ersterem Bnche klagt, auf einer
Beise an der italienischen Grenze geranbt.
K.
Kalm, Adolph, geb. 15. Juni 1825 zu Schelklingen bei Ulm»
t 4. Ang. 1887 zn Biberach, genoss in seiner Jngend Mnsikonterricht
von Pfarrer Beihing in Schmiechen, welcher ihn später auch in die
Musiktheorie einführte. K. widmete sich dem Lehrfache u. erhielt 1848
die Unterlehrstelle in Biberach, woselbst er 1852 vom Stiftungsrate
zum Ohorregenten gewählt wurde. Dem Schulstande entsagend, be-
trachtete er es als seine wichtigste Aufgabe, seinen Chor, welcher bis
dahin auch ein Kind seiner Zeit war, auf ernstere kirchliche Bahnen
zu lenken. Die Idee des Gäcilienvereins ergriff er mit lebhaften
Interesse u. ward der eifrigste Beförderer desselben in Württemberg.
Von seinen Kompositionen erschienen ün Druck: Missa „Jesu Bedemptor,*'
Missa S. Anna, Missa S. Caecilia, Missa S. Paulina, Missa S. Henrici,
1 Te Deum, Vesperpsalmen xl Hymnen, 1 Domine salvum fac, und
mehrere weltliche Kompositionen.
Kammerlander, Carl, geb. den 30. April 1828 zu Weissenhom
in Schwaben, erlernte schon im elterlichen Hause tüchtig Musik, so
dass er während seiner Studien in Augsburg die Organistenstelle zu
St. Stephan 6 Jahre lang versehen konnte. Nach vollendeter dritter
(Jymnasialklasse wendete er sich ganz der Musik zu u. erhielt zuerst
gründlichen Unterricht vom Domorganisten C. Kempter. Dann studierte
er die besten Partituren, vorerst kirchlicher Musik, u. nahm an allen
musikalischen Produktionen den lebhaftesten Anteil. Die Anerkennung
seiner Kompositionen von Seite des KapeUmeisters C. L. Drobisch
(f 20. August 1854) ermutigte ihn, für den Studienchor St. Stephan
mehrere Psalmen u. Gradualien u. einige Vokalmessen mit Orgel-
begleitnng zu komponieren. 1853 wurde er zum Chordirigenten an der
Pfarrkirche St Max in Augsburg, am 14. Febr. 1867 als solcher zu
St. Moritz ernannt, seit 1871 Domkapellmeister. Von seinen Werken
seien ausser den genannten noch bemerkt: viele Lieder u. Balladen
mit Klavierbegleitung; Gesänge für Männerohöre; der XTTT. Psalm für
Gesang u. vollständiges Orchester; kleinere Kirchenmusiken u. a.
t 24. Aug. 1892.
Kaiser, ^. Isfrid, war um die Mitte des vorigen Jhdts. Mönch
in einem schwäbischen Kloster u. ward damals zu den bessern Kirchen-
komponisten gezählt. Mehrere Messen von ihm sind in Augsburg in
Druck erschienen.
Kauer — Keller. 149
Kaner, Ferdinand^ geb. den 8. Jan. 1751 in Elein-Thaya in
Mähren, versah schon im Knabenalter den Organistendienst bei den
Jesniten in Znaym. Später kam er nach Wien, studierte bei Heiden-
reich den Kontrapunkt u. war abwechselnd an mehreren Theatern als
Kp.-M. n. Kompositenr angestellt. Er starb den 13. April 1831 in
ärmlichen Umständen. Ausser vielen Bfihnen- u. Kammermusiken,
Schulen u. Übungen schrieb er noch über 20 Messen, mehrere Bequiems
u. kleinere Kirchensachen.
Keeky Johann, Mönch im Benediktinerkloster Tegemsee, um die
Mitte des 15. Jhdts., war geboren zu Gingen in der Diözese Augsburg
u. lehrte daselbst auch längere Zeit als Professor der Theologie.
Eüien musikalischen Traktat von ihm hat Gerbert in seinen Script,
eccl m. pag. 319—329 abgedruckt: es werden darin besonders die
geometrischen Proportionen der Musik abgehandelt.
Keinspeck, Michael, ein Tonkünstler des 15. Jhdts. aus Nürn-
berg, schrieb „Lilium musice plane,^* welches theoret. Werklein 1500
zu Augsburg durch Joh. Froschauer gedruckt erschien, u. 1506 zum
zweiten Male aufgelegt wurde. Die Noten sind in Holzschnitt aus-
geführt, n. es gehört das Werk zu den ältesten gedruckten musikalischen
Büchern.
Keller, Max, geb. 1770 zu Trostberg in Oberbayem, Sohn eines
Försters, erhielt schon frühzeitig Musikunterricht u. kam in seinem
10. Jahre als Singknabe in das benachbarte Benediktinerkloster Seeon,
wo er neben den gewöhnlichen Studiengegenständen auch Unterricht
im Orgelspiel u. Generalbass von seinem altem Bruder Joseph, der
daselbst Organist war, erhielt. Nach dessen Abgange versah der
18jährige Max den Organistendienst 10 Jahre lang, während welcher
Zeit er Mich. Haydn in Salzburg kennen lernte. Diesen besuchte er
öfter, um als Schüler seinen Unterricht in der Komposition zu gemessen.
Von Seeon kam er nach Burghausen u. von dort 1801 nach Altötting
als Kapellorganist, als welcher er bis 1851 wirkte. Hierauf pensioniert
lebte er noch 4 Jahre daselbst, u. starb, geziert mit dem ba3nischen
Ludwigsverdienstorden, am 16. Sept. 1855, 85 Jahre alt. Er schrieb
sehr vieles für die Kirche, einige grössere Messen, Requiem u.
Litaneien, dann deutsche Messen u. noch viele andere Kirchenmusiken
im leichten Style für kleinere u. Land-Chöre.
Keller, Michael, geb. den 29. Dez. 1800 in Oberelchingen bei
Ulm, hatte schon in seiner Heimat Musikunterricht genossen, welchen
er während seiner Studien in Augsburg unter Leitung des Domkapell-
meisters Bühler fortsetzte. Seine grossen Fortschritte Hessen ihn die
Musik als seinen Lebensberof ^v^hlen. Alsbald wurde e| Organist bei
St Georg, dann zu St. Ulrich, 1835 Gesanglehrer bei St. Stephan,
1837 Ghorregent daselbst, wo er die Auffühnmg älterer Kirchenwerke
z. B. von Palestrina u. a« betrieb. Hier machte er, ganz dem Kirchlich-
150 Kelz — Eempter.
Ernsten zugewendet, eine tüchtige Vorschnle dnrch fi&r die am
1. Okt 1839 ihm übertragene DomkapeUmeisterstelle, welcher er bis
an sein Lebensende, den 3. April 1865, vorstand. Sein Talent n. sein
beharrlicher Fleiss im Forschen, Denken, Versnchen, Prüfen der Werke
der besten Meister, gepaart mit tüchtigen kontrapnnktischen Stadien,
erwarben ihm anch als Komponist einen ansehnlichen Namen. Das
vorzüglichste seiner Werke ist das „Canticnm Zachariae," das allj&hrlich
im Dome zn Angsbnrg in der Oharwoche aufgeführt wurde; ausserdem
komponierte er noch viele Gradualien und Offertorien, Hymnen und
Antiphonen, Salve Begina (1840), Te Deum (1846), den Psalm „In exitu
Israel*' mit Instrumentalbegleitung u. a.
Kelz, Matthäus, ein Tonkünstler des 17. Jhdts., aus Bautzen
gebürtig, studierte Musik in Italien, ward dann Kantor in Stargard
(1626) u. einige Jahre später in Sorau. Wann er daselbst starb, ist
unbekannt. Man kennt von ihm zwei theoretische Werke: „Isagoge
musicae** u. „Tractatus de arte componendi," welche aber äusserst
selten anzutreffen sind; ausserdem erschienen von ihm noch mehrere
Gesang- u. Instrumental-Kompositionen.
Kempter, Carl, geb. den 17. Jan. 1819 zu Limbach, k. Ldgr.
Burgau in Schwaben, zeichnete sich schon in seinem 12. Lebensjahre
als gewandter Klavier- u. Orgelspieler aus. 1831 kam er nach Augs-
burg u. betrieb dort unter M. Kellers Leitung besonders Gesang,
Klavier- u. Orgelspiel nebst Harmoniestudien, unter Dominik Violin-
spiel. Durch gründliches Studium gediegener Werke der alten u.
neuen Zeit bildete er sich zu einem achtungswerten Komponisten
heran. 1837 wurde er Organist zu St. Ulrich, 1. Nov. 1839 im Dom,
1865 nach Kellers Tod übernahm er dessen Stelle als Domkp.-M.
Seine Schaffensthätigkeit war gross u. die Zahl seiner bisherigen
Kompositionen steigt hoch; er schrieb besonders reügiöse u. kirchliche
Werke, von denen die Oratorien „Johannes," „Maria,** „Die Hirten von
Bethlehem,** „Die Offenbarung des Herrn (3 Teile),** dann ungefähr
20 Messen, 4 Vespern, Litaneien, eine Sammlung verschiedener Kirchen-
Stücke unter dem Titel „Der Landchorregent** etc. erwähnt seien, dann
harmonisierte er auch die deutschen Kirchengesänge für die Diözese
Augsburg unter Beteiligung des Domvikars M. Griot (1859). Er starb
11. März 1871.
Kempter, Friedrich, Bruder des Vorhergehenden, geb. zu
Limbach den 17. Oktober 1810, ist seit 1841 Musiklehrer am Schul-
lehrerseminar in Lauingen u. veröffentlichte einen „Unterricht und
Übungen im ßeneralbass" eine „Auswahl systematisch geordneter
lüngierübungen u. Klavierstücke** u. „Materialien zur Erlernung eines
gediegenen Orgelspiels** (bei Böhm in Augsburg). Überdies kompo-
nierte er noch viele Kirchenstücke, Kantaten, Lieder u. s. w.
Kerl — Kerle. 151
Kerl, Johann Caspar von, geb. 1625 in Sachsen, erhielt
frühzeitig in Wien musikalischen Unterricht von dem Hofkapellmeister
Valentini; später bildete er sich anf Kosten Kaiser Ferdinands m. in
fiom unter Garissimi zu einem der berühmtesten Tonsetzer u, Orga-
nisten seiner Zeit aus. Bei der Krönung des Kaisers Leopold I. 1658
zu Frankfurt am Main riss der erzherzogliche Organist durch sein
wundervolles Orgelspiel u. eine von ihm komponierte feierliche Messe
alles zur Bewunderung hin, so dass der Kaiser ihn in den Adelsstand
erhob u. die Kurfürsten von Bayern u. der Pfalz ihn als Kp.-M. zu
gewinnen suchten. Kerl zog es vor, in bayrische Dienste zu treten
u. übernahm sogleich die Direktion der kurfürstlich bayrischen Hof-
kapelle, als Nachfolger des Budolph de Lassus. In München arbeitete
er mit grossem Erfolge sowohl für die Kirche, als für die Bühne; er
schrieb neben vielem Anderen kunstvoll gearbeitete Messen, Bequiem,
Motetten u. dgl. u. 3 Opern, in welchen er vorzüglich als eigentlicher
Ausbildner u. gleichsam Schöpfer des Becitativ's erscheint. Ausser
den von F^tis angegebenen Werken existiert noch in Manuskript ein
,,Bequiem a 5 voc, auctore J. C. Kerl, Ser. Ferd. Mariae, Elect.
Bavariae capellae Magistro. 1668." Allein die grosse Gunst, welche K.
bei seinexh Fürsten genoss, der ungeheure Beifall, mit welchem seine
Opern gegeben wurden, erregten die Eifersucht der hochmütigen ita-
lienischen Sänger, die es vom Anfange her nur mit geheimen Unwillen
geduldet hatten, dass ein Deutscher ihr Direktor war. Durch die des-
halb angefachten Zwistigkeiten sah sich der Kurfürst genötigt, um
sein Ansehen den Italienern gegenüber zu erhöhen, ihm den Titel eines
kurfürstlichen Bates zu erteilen. Aber auch dann liessen die Italiener
von ihren Jntrignen nicht ab, so dass endlich Kerl, der Plackereien
müde, nachdem er zuvor den Hochmut der auf ihre Geschicklichkeit
nur allzuviel vertrauenden Italiener tief gedemütigt hatte, im Jahre
1673 wieder nach Wien zurückging, u. dort als Domorganist bei St.
Stephan funktionierte. Er muss später wieder nach München gezogen
sein, da er daselbst, am 13. Febr. 1693 gestorben, unter dem Titel eines
kurfürstlichen HofkapeUmeisters begraben liegt. Man schreibt ihm
auch ein theoretisches Werk „Compendiose relazione sopra il Contra-
punto" (Manuskript) zu.
Kerle, Jakob von, in der ersten Hälfte des 16. Jhdts. zu Ypem
in Flandern geboren, war Kanonikus zu Cambrai. Er scheint in seiner
Jugend Italien besucht u. ungefähr 10 Jahre daselbst verlebt zuhaben;
auch wurden seine frühesten von 1562—1571 erschienenen Werke in
Venedig gedruckt. Dr. C. Proske stellt dagegen auf Grund des Titels
seiner Komposition „Preces speciales pro salubri generalis Concilii
successu etc. etc.** fest, dass Kerle in Diensten des Kardinal-Fürst-
bischofs von Augsburg, Otto von Trugsess gestanden u. wärend eines
mehrjährigen Aufenthaltes in Born ebendaselbst geblieben sei. Spätestens
152 Kette — Kiesewetter.
mnss er 1562 in des Kardmars Dienste getreten sein, da eben diese
Kompositionen ,,Preces^* 1562 in erster Auflage erschienen; sein Ver-
bleiben in dessen Diensten muss von längerer Zeit gevesen sein, da
die Dedicationen späterer Werke, so von 1575, noch von Aogsbnrg
ans datiert sind. Später ward er Kp.-M. des Kaisers Rudolph IL,
wann aber, l&sst sich nicht bestimmen. Seine Scala-Messe u. einigte
4ndere Messen widmete er einem Papst Gregor, wahrscheinUeh dem
Papst Gregor ^nr, Sein Todesjahr muss um 1583 fallen. Viele Werke
dieses Meisters smd in den vorztlglichsten Offizinen Italiens, Deutsch-
lands u. Belgiens gedruckt u. unter die besten Leistungen seiner Zeit
gezählt worden.
Kette, Albrecht, geb. 1726 unweit Schwarzenberg, erhielt voit
dem Hof- u. Domorganisten Bayer in Würzburg während seiner
Studienlaufbahn musikalischen Unterricht u. trat nach dessen Tode 1749
an dessen Stelle, welche er bis zu seinem Lebensende 1767 mit Ehren
bekleidete. Er komponierte yiele Kirchensachen, Orgelstücke u. dgL
Kienle, P. Ambrosius, geb. zu Laiz bei Sigmaringen (Hohen-
zollem) 8. Mai 1852, besuchte das Gymnasium letzterer Stadt u. trat
nach kurzer Zeit des akademischen Studiums 1873 in das Beaediktmer>
kloster Beuron. Durch den Kulturkampf 1875 mit seinen Ordensbrüdern
ausgetrieben, lebte er in Tyrol, 1880 kam er nach Prag (Emaus), dann
nach Steiermark (Sekkau) u. ist nun wieder in Beuron. Er hat sich
vornehmlich dem Studium des Chorals u. der kathol. Liturgie gewidmet,
beschäftigte sich längere Zeit mit den älteren Quellen der Ghoral-
geschichte, besonders Choral-Handschriften, die er auf verschiedenen
Beisen in Österreich, Deutschland u. Frankreich studierte. Als Lehrer
des Chorals beteiligte er sich bei kirchenmusikalischen Lehrknrsen,
besonders in Wien u. Salzburg. Veröffentlicht ist von ihm die deutsche
Übersetzung des klassischen Werkes „M61odies gr6goriennes von Dom.
Jos. Pothier (Toumay 1881) u. „Choralschule" (Preiburg, Herder 1884),
„Kleines kirchenmus. Handbuch" (ebenda 1893), ausserdem in Zeit-
schriften verschiedene Studien über Choral u. Liturgie.
Kieaewetter, Baphael Georg, weiland k. k. Österr. Hofirat,
Referendar im Hofkriegsrat u. Kanzleidirektor, ein ausgezeichneter
Musikschriftsteller u. vornehmlich Forscher im Gebiet der mittel-
alterlichen Tonkunst, war geb. den 29. August 1773 zu Holleschau
in Mähren, wo sein Vater praktischer Arzt war. Vorerst als Flöten-
spieler u. ausgezeichneter Sänger hoch angesehen, widmete er sich bald
dem wissenschafüichen Teile seiner Kunst u. studierte bei Albrechts-
berger den Generalbass u. einige Jahre nachher bei Hartmann den
Kontrapunkt. Seit 1816 hatte er eine Partiturensammlung alter Musik
angelegt, welche als ein Archiv für die harmonische Kunst, nicht
sowohl durch die Masse, als durch die Seltenheit der aufgebrachten
Proben in all^ Stylen u. allen Schulen in ihrer Art höchst merk-
würdig war. Die Resultate seiner Forschungen über die alte Musik
Eimmerling — Kirms. 153
legte er in Tortrefflichen Abhandlungen zmneist in der Leipziger
allgemeinen musikalischen Zeitung nieder. Als grössere Werke von
ihm sind zu nennen: „Geschichte der europäisch-abendländischen Musik,
d. i. unserer heutigen Musik/* Leipzig, Breitkopf & Härtel 1834 und
1846; „Die Verdienste der Niederländer um die Tonkunst** (eine von
der holländischen Akademie gekrönte Preisschrift u. 1828 in Amsterdam
erschienen); „Über die Musik der neueren Griechen nebst freien
Gedanken Aber altägyptische u. altgriechische Musik** 1838; ,,Schick8ale
u. Beschaffenheit des weltlichen Gesanges vom frühen Mittelalter bis
zur Erfindung des dramatischen Styls u. den Anfängen der Oper** 1841 ;
„Die Musik der Araber, nach Originalquellen dargestellt** 1842; „Guido
Ton Arezzo, sein Leben und Wirken** 1840; „Der neuen Aristoxener
zerstreute Aufsätze** 1846. Alle diese Werke sind bei Breitkopf & Härtel
in Leipzig erschienen. Auch die Herausgabe der Eandler'schen Be-
arbeitung des Lebens Palestrina*s von Baini besorgte er. Der verdienst-
volle Mann starb in Baden bei Wien am 1. Januar 1850.
Kimmerling, B o b e r t , geb. zu Wien am 8. Dez. 1737, trat 16
Jahre alt in's Benediktinerstift M5lk ein. Während seiner theologischen
Studien, die er in Wien machte, war Joseph Haydn sein Lehrer, bald
auch sein wärmster Freund. Nach seiner Ordination wurde er Chor-
direktor in seinem Stifte, welche Stelle er 16 Jahre lang bekleidete.
Er starb am 5. Dez. 1799, u. hinterlies s viele Eirchensachen, unter
denen eine doppelchörige Messe in C allen seinen Zeitgenossen als ein
Meisterstück galt
Kircher, Athanasius, ein gelehrter Jesuit, geb. zu Geias im
Fuldaischen am 2. Mai 1602, betrieb mit Eifer von Jugend auf
Physik, Mathematik, orientalische Sprachkunde u. Musik, letztere so-
wohl spekulativ als praktisch. Nachdem er eine Zeit lang zu Würz-
burg Physik u. Mathematik dociert hatte, ging er nach Avignon u.
von da nach Bom, wo er seine meisten Schriften herausgab, zu grossem
Ansehen gelangte u. am 28. Nov. 16S0 starb. Unter seinen Werken
handeln von der Musik: „Musurgia universalis,** Rom 1650, 2 Folio-
bände; „Oedipus aegyptiacus,** Rom 1652—54, 3 Bände; ,JPhonurgia
nova,** Kempten 1673. Seine Schrift^ sind aber nur mit Vorsicht
zu gebrauchen, da er auch viel Wunderliches u. Absurdes aufge-
nommen hat.
Kirms« CarlFerdinand, geb. zu Dresden den 20. Dez. 1824,
wurde in seinem 4. Lebensjahre infolge einer Augenentzündung blind.
Von 1832—41 Zögling des k. Blindeninstitutes zu Dresden, in den
letzten Jahren seines dortigen Aufenthaltes zugleich Musiklehrer u.
Dirigent eines Musikchors seiner Mitzöglinge, bildete er da seine
musikalischen Anlagen u. sein Kompositionstalent unter den besten
Lehrern aus u. gewann eine hohe Fertigkeit im Spiel des ViolonceU,
der Violin, Orgel, Kkvier u. a. Nach seinem Austritte aus dem
154 Eimberger.
Institate machte er Ennstreisen dnrch Franken, Schwaben n. Österreich.
Von 1848 an hielt er sich zu Donauwörth auf, wo er, bei seinem nn-
regelmässigen Lebenswandel in grosse Verlegenheit geraten, endlich
das Mitleid des dortigen Benefiziaten n. Ghorregenten P. Bampis
gewann, der ihn in sein Haus aufnahm u. auf seine sittliche Um-
gestaltung: vorteilhaft einwirkte* Von da an (1852) datiert sich nament-
lich die Entwicklung seines Genius im Gebiete der Komposition, Ton
da an begann für ihn mit einem regelmässigen Leben ein planmässiges
Arbeiten u. auch das Verständnis u. die richtige Aui^assung des
kirchlichen Lebens u. der kirchlichen Texte, zugleich mit dem Unter-
richte im katholischen Glauben, nachdem er wiederholt um Aufnahme
in die Kirche gebeten. Nahe daran, das kathol. Glaubensbekenntnis
öffentlich abzulegen» ereilte ihn plötzlich der Tod am 9. März 1854.
— Als Komponist leistete er Erstaunliches u. arbeitete mit ungeheurer
Leichtigkeit. Sein ganzer musikalischer Nachlass ging dnrch Kauf auf
Bampis über u. besteht überhaupt in 25 Manuskripten Kirchenmusik,
darunter 1 Te Deum, 2 Miserere (das eine 3stimmig), Ölbergandacht,
2 Litaneien, 2 kleine Sstimmige Messen, Bequiem nebst Libera, Vesper
in Es^ Gradualien u. Offertorien; dann Lieder u. einige Instrumental-
sätze. In Druck veröffentlichte Bampis 3 Messen (in C, F u. Es),
Vesper in D; Studien für Viplin (Berlin, Damköhler); femer mehrere
Lieder u. kleinere Kirchenstücke, unter diesen „Gradualien für die
Sonn- u. Festtage des Kircheigalires'* u. a. m. AUe Kirchenmusiken
wurden unter Mitwirkung seines Freundes u. Wohlthäters entworfen
u. komponiert. Sie sind durchweg im neuen Style gehalten u. wollen
nur „dazu beitragen, um allmählig einen Übergang zu bilden u. vor-
zubereiten auf den strengen Ernst der alten Kontrapunktisten u. des
röm. Chorals."
Kimberger, Job. Philipp, Theoretiker u. Kontrapunktist,
geb. den 24. April 1721 zu Saalfeld bei Budolstadt. In Sondershausen
bildete er sich zum geschickten VioUn- u. Orgelspieler aus, 1739 ging
er nach Leipzig u. genoss 2 Jahre lang den Unterricht Seb. Baches.
Nach einem mehijährigen Aufenthalte in Polen kam er in die Berliner
Hofkapelle u. erhielt dnrch Graun's Vermittlung die Kapellmeisterstelle
bei der Prinzessin Amalie. Er starb daselbst am 27. Juli 1783. Als
Tonsetzer war Kimberger äuisserst trocken u. steif, mehr Buhm erntete
er als theoretischer Schriftsteller. 1774— -76 veröffentlichte er „Die
Kunst des reinen Satzes," 2 Teile; 1781 „Grundsätze des General-
basses"; „Anleitung zur Singkomposition" 1782 u. a. Zu bedauern ist,
dass es der Darstellung seiner Ideen oft an der nötigen Klarheit
mangelt Die unter Kimberger's Namen conrsierenden , J)ie wahren
Grundsätze der Harmonie" Berlin 1773, sowie die meisten musikalischen
Artikel in Sulzer's „Theorie der schönen Künste'* sind von seinem
Schüler, dem Kp.-M. J. A. P. Schulz.
Klein — Kolb. 155
Klein, Bernhard, einer der bedeutenderen Komponisten des 19.
Jhdts., namentlich im Fache der Kirchenmusik, geb. den 6. Httrz 1793
zn Köln, genoss seit 1812 etliche Jahre den Bat u. gelegentlichen
Unterricht Cherabini^s in Paris u. sah sich fleissig in den Hosik-
schtttzen des Konserratorinms um. In seine Vaterstadt zurückgekehrt
ttbemahm er die Leitung des Domchors u. des damit verbundenen
Musikinstitutes, ward mit Thibeaut zu Heidelberg u. durch diesen
mit den italienischen Meisterwerken der Tonkunst bekannt u. bildete
sich lbl9 in Berlin vollends aus. Hier nahm er bald seinen bleibenden
Wohnsitz u. ward an der damals begründeten Organistenschule als
Lehrer des Generalbasses u. Kontrapunktes, sowie als Musikdirektor
u. Qesanglehrer an der Universität angestellt Er starb am 9. Sept.
1832. — Von seinen Kompositionen seien genannt: eine Messe in D,
ein 68timmiges Magnificat, 8 Hefte Psalmen, Hymnen u. Motetten für
Ifönnersümmen, einige Oratorien („Dido," „Jephta,** „David'*) u. a. m.
Id. seinen Arbeiten herrscht eine höchst edle Gesinnung u. poetisch
gehobene Auffassung u. Anschauung nebst freier Beherrschung u.
künstlerischer Vollendung auch der schwierigsten musikalischen
Formen, aber seine Gedanken haben nicht immer ein^ absoluten
musikalischen Wert u. hinreichende Eigentümlichkeit u. Frische der
Erfindung.
Klingenstein, Bernhard, um 1600 Musikdirektor zu Augsburg,
gehört unter die bessern Komponisten seiner Zeit. Von seinen Werken
sind gedruckt: „Trinodiarum sacr. Pars I." Dillingen 1605; „Sympho-
niarum Pars L 1, 2, 3—8 voc.** München 1607; „Bosetum Marianum,
33 Lobgesänge für 3 Stimmen", Mainz 1609.
SLnefel, Johann, geb. zu Lauban in der Oberlausitz, war in der
ersten Hälfte des 16. Jhdts. Kp.-M. des Kurfürsten von der Pfalz.
Gedruckt sind von seinen Werken: „XXXII Cantiones 5, 6 et 7 voc.**
Nürnberg 1571; „Cantus choralis musids numeris 5 voc inclusus'*
Nürnberg 1575; „Cantiones piae 5 et 6 voc." Nürnberg 1580; „Teutsche
Liedlein'' Frankfurt 1610.
Kolb, P. Carlmann, geb. zu Kösüam in Niederbayem 1703,
erhielt die Anfangsgründe in den Wissenschaften u. in der Musik als
Chorknabe im Benediktinerkloster Aspach. Weitere Ausbildung erhielt
er in Landshut, wo er so grosse Fortschritte im Orgelspiel machte,
dass er damals schon als Meister galt. 1723 trat er ins Kloster Aspach
selbst ein, 1724 legte er Profess ab, ward 1729 zum Priester geweiht
u. dann zum beständigen Organisten bestellt. Er starb zu München
den 15. Januar 1765. Von seinen Kompositionen ist bis jetzt durch
Druck nur der I. Teil seiner Praeambula, Versetten u. Cadenzen in den
8 Kirchentonarten (mit dem Haupttitel: Certamen Aonium, Augsburg
1733) bekannt geworden.
156 Kolberer *- Eoenig.
Kolberer, Gajetan, Mönch im Beoediktmerkloster Andeehs in
Oberbayem seit 1675, geb. zu Salzburg, gest. den 23. Apzil 1732,
komponierte vieles für die Kirche im kontrapnnktischen SI7I, nnter
anderm einen ganzen Cyklus Introitns, Qradoalien n. Offertorien des
ganzen Kirchenjahres, für 4 Singstimmen mit beziffertem Bass.
Koenen, Friedrich, geb. 30. April 1829 zu Bheinbach bei Bonn«
t 6. Juli 1887, erhielt seinen ersten Musikunterricht von seinem Vater,
der Lehrer war; den 4. Sept 1854 zum Priester geweiht, fand 6r zu
Köln im Sftngerchore des kathoL Gesellenvereins zuerst Gelegenheit,
für die Kirchenmusik thätig zu sein. 1862 ward er vom Kardinal
Yon Geissei nach Begensburg gesandt, um unter Leitung des Dom-
kapellmeisters J. Schrems u. des damaligen Seminar- Gesauglehrers
Fr. Witt sich speziell dem Studium der K.-Musik zu widmen. Nach
seiner Bückkehr von da wurde er Lehrer des liturg. Gesanges im
erzbisch. Priesterseminar zu Köln u. bald darauf als Ohordirigent in
der Domkirche angestellt. Anfänglich pflegte er fast ausschliesslich
die ältere K.-Musik Palestrina's u. seiner Zeitgenossen, später wandte
er sich neben dieser auch der neuesten sich herausbildenden K.-Musik
zu. Schon 1869 schloss er sich dem Oäcilieniroreine an, wurde in dessen
Beferentenkollegium aufgenommen u. 1873 zum ersten Vicepräses des
Vereins gewählt 1869 gründete er den Diözesan-Cäcilienyerein für
die Erzdiözese Köln, dessen Präses er bis zu seinem Tode ebenfalls
blieb, u. wirkte als solcher mit ausserordentlichem Erfolge. Am
2. Febr. 1879 wurde er zum Ehrenkanonikus an der Kathedrale zu
Palestrina ernannt. Als Komponist war er sehr thätig, das zuletzt
erschienene Werk trägt die Opus-Zahl 58; fast alle sind für kirchlichen
Gebrauch bestimmt, Messen (Missa Trium Begum, Missa tertii toni,
Missa S. CaecUiae, einige Messen für Männerchöre), 4stlmm. Cantiones
eacrae, Litaneien, 2- n. 3stimm. Kirchenlieder u. Gesänge für Frauen-
•chöre, Te Deum, Psalm XLI, Gradualien, Sequenzen u. Offertorien der
höchsten Festtage für Männerchor u. s. w., welche alle Aufhahme in
den Vereinskatalog fanden.
Koenig, Thaddaeus, geb. 22. Sept. 1846 zu Haiming bei Burg-
hausen als Sohn eines Lehrers, machte nach Absolviemng des Gym-
nasiums zu Metten 1865 seine philosophischen u. theologischen Studien
in ^ising u. wurde 1870 zum Priester geweiht. Nach kurzer seel-
sorglicher Thätigkeit ward er Chorregent in Laufen, seit 1873 wirkte
er in gleicher Eigenschaft in Traunstein u. befindet sich seit 1893
als Beneficiat in München. Den ersten musikalischen Unterricht erhielt
«r von seinem Vater u. empfing während seiner Studien vielfMhe
Anregung, grösstenteils bildete er sich aber durch Selbststudium zu
«inem achtungswttrdigen Dirigenten u. Tonsetzer. Von seinen Werken
Bind in Druck erschienen: 5 Instrumentalmessen, 1 Messe für zwei
Singstimmen u. Orgel, 2 Litaneien mit Orchester, die Motetten: „Tul
sunt coeli** u. „Veritas mea" mit Orchester, u. a. m*
Königsperger — Krenn. 157
KSoigsp^ger, Fr. Marianus, geb. den 4. Dez. 1708 znEoding
in der Oberpfalz, genoss den ersten Musikunterricht als Singknabe im
Benediktinerstifte Prtlfening bei Begensburg, wo er auch 1734 das
Ordenskleid naihm u. als Organist u. Ohordirektor des Stiftes fungierte.
Er genoss eines nicht unbedeutenden Bufes als Orgelspieler und
Komponist. Von seinen vielen Werken sind 24 in Augsburg im Druck
erschienen. Er starb am 10. Oktober 1769.
Kommliller, P. U 1 1 o , geb. 5. Jan. 1824 zu Straubing, genoss
von Jugend an Unterricht in der Musik, u. yeryoUkommnete sich darin
während seiner Lyzealstudien zu Regensburg unter Joh. Schrems u.
J. G. Mettenleiter. 1847 zum Priester geweiht diente er in der Seel-
sorge, 1857 trat er in das Benediktinerkloster Metten ein, wo er
nicht lange nach seiner Profess 1858 den Chorregentendienst übernahm.
Seine musikal. Schriften sind: „Der kathol. Eirchenchor** (Landshut
1868); „Die Musik beim liturg. Hochamte** (Bgsbg., Pustet 1871);
„Lexikon der kirchL Tonkunst** (2. Aufl. Bgsbg., Pawelek 1891); viele
Beferate in den Katalog des Cäcilienvereins u. viele Artikel u. Ab-
handlungen in Zeitschriften. Auch gab er einige kleine Kirchenmusik-
stücke in Druck.
Kothe, Bernhard, geb. 12. Mai 1821 zu Gröbnig in Schlesien,
besuchte das k. Institut für Kirchenmusik in Berlin u. genoss auch
den Unterricht von Dehn u. Marx daselbst; 1851 wurde er Kirchen-
musikdirektor u. Schulmusiklehrer in Oppeln, von wo er 1869 als
Seminarmusiklehrer nach Breslau ging. Von ihm erschienen Messen,
Motetten, mehrere Sammlungen kirchlicher Gesänge, eine Gesanglehre,
zwei sehr gute Sammlungen von Präludien in den alten u. neueren
Tonarten; femer gab er heraus: „Die Musik in der kathoL Kirche**
(Breslau 1862) u. einen trefflichen „Abriss der Musikgeschichte für
Lehrerseminarien** (1874); „Kleine Orgelbaulehre** (Leobschütz); eine
neue Bearbeitung (4. Aufl.) von „Die Orgel u. ihr Bau. Von Seidel.**
Für den Cäcilienverein war er stets sehr thätig u. seiner Bemühung
verdankt Breslau die Einführung desselben; er ist auch Beferent des all-
gemeinen Cäcilienvereins. Auch seine beiden Brüder Alois (geb. 3. Okt.
1828, gest 1868 als Seminar-Musiklehrer zu Breslau) und Wilhelm
(geb. 8. Januar 18B1, Sem.-Musiklehrer in Habelschwerdt) haben sich
durch Herausgabe kirchL Kompositionen u. Schulgesangswerke bekannt
gemacht
Krenn, Franz, geb. den 26. Febr. 1816 zu Dross in Nieder-
österreich, wo sein Vater Schullehrer u. ein tüchtiger Musiker war.
Den ersten Unterricht im Generalbass tu Orgelspiele erhielt er von
dem dortigen P&rrer Ambros Schindelberger, einem ausgezeichneten
Organisten, u. später von seinem Onkel Ignaz Heuritsch, einem Schüler
Preindl*s. Von 1834 an studierte er zu Wien bei Kapellmeister Ignaz
Bitter v. SeyMed die Komposition, welcher ihn so lieb gewann, dass
158 Kugelmann — Lachner.
er die unter seiner Leitung gearbeiteten Tonstticke allenthalben snr
AüffÜhrong emp&hl n. ihm sogar Eompositionsschüler zuwies. 1844
wurde er Organist in der Leopoldstädter Hauptpfarrkirche, drei Jahre
darnach Chorregent an der Mariahilferkirche, wo er sich hauptsächlich
die Pflege altkirchlicber klassischer Vokalmusik angelegen sein liess.
Gegenwärtig ist er (seit 1862) Kp.-M. an der k. k. Hofkirche zu
St Michael 1869 wurde er auch Professor der Harmonie am Konser-
vatorium der Gesellschaft der Musikfreunde; 1872 erhielt er vom hL
Vater den Sylvester - Orden. — Seine Kompositionen bestehen in:
2 Oratorien „die vier letzten Dinge" u. ,3enifiE^us," 1 Kantate,
15 Messen, 3 Eequiem, 3 Te Deum, Veni sancte Spiritus, mehrere
Gradualien, Offertorien, Hymnen, 3 Vespern, 1 Sinfonie, Quartetten,
Klavierstflcken, Liedern u. Chören, einer kleinen Orgelschule, einer
Gesangslehre fttr Volksschulen u. a. Im Drucke sind bereits 54 Werke
erschienen.
Kagelmann« Johann, ein Kontrapunktist des 16. Jhdts., lebte
zu Königsberg u. blühte um 1540, aus welchem Jahre sich noch
mehrere Kirchensachen seiner Komposition (in Augsburg gedruckt) auf
der Münchener Bibliothek befinden.
L.
Lachner, Franz, Generalmusikdirektor u. königl. bayerischer
Hofkapellmeister zu München, geb. den 2. April 1803 zu Bain, einem
Städtchen an der Donau in Bayern, f 20. Jan. 1890, erhielt den ersten
Musikunterricht im Seminar zu Neuburg von dem Rektor Eisenhofer.
Dem Musikstudium sich ganz widmend, begab er sich 1823 nach Wien,
wo er den Unterricht von Abb6 Stadler u. Simon Sechter genoss u.
1826 zum Kp.-M. am EÜmthnerthor-Theater ernannt wurde. 1834 kam
er in gleicher Stellung nach Mannheim, 1836 als Hofkapellmeister nach
München, u. ward zur Krönung seiner ausgezeichneten Verdienste
1852 zum Generalmusikdirektor befördert L. nimmt unter den Kom-
ponisten unsers Jahrhunderts eine besonders ehrenwerte Stellung ein;
seine Werke sind ausgezeichnet durch Klarheit u. Fluss der Melodien,
Schönheit der Form, gewandte Verarbeitung der Ideen, u. es ist ihm
eine vollkommene Beherrschung der musikalischen Technik eigen.
Neben zahlreichen weltlichen Kompositionen arbeitete er auch manchmal
für die Kirche. Von seinen kirchlichen Werken führen wir an: ein
grosses 4stimm. Miserere, ein grosses instrumentiertes Requiem, mehrere
Sstimm. Vokalmessen u. viele 4~6stimm. Messen, Gradualien u. Offer-
torien, auch eine 3stimm. Messe für Frauenstimmen.
Ladurner — Lalande. 159
Ladurner, Joseph Alois, geb. den 7. März 1769 zu Algund
bei Heran, machte seine Studien im Kloster Benediktbeuem, wo er
Auch Unterricht im Singen u. Elavierspielen erhielt. Von 1792 an
studierte er in München Philosophie u. Theologie u. genoss eine Zeit
lang den gründlichen kontrapunktischen Unterricht des Jos. Gratz.
1798 kam er nach Brixen, wurde im folgenden Jahre znm Priester
geweiht u. 1816 zum Eonsistorialrat u. Hofkaplan daselbst ernannt.
Er.starbrden 20. Februar 1851. Trotz seiner vielen Berufsgescbäfte
pflegte er doch eifrig die Tonkunst; ausser mehreren weltlichen Musiken
sind auchTeinige Eirchenstücke von ihm erschienen.
Lafage, Just-Adrian Lenoir de, ein verdienter Musikgelehrter
u. Schriftsteller, geb. 28. März 1801 zu Paris, gest. 8. März 1862 im
Irrenhause zu Charenton, Schüler von Peme u. Choren, widmete sich
zuerst dem Gesangnnterrichte, ging 1828, unterstützt durch ein Stipen-
dium, nach Italien u. erwarb sich bei Baini in Bom gründliche Kennt-
nisse im Style der römischen Schule u. im Choral. Nach seiner
Rückkehr 1829 wurde er Kp.-M. an der Kirche St. Etienne in Paris.
1833—36 ging er nochmals nach Italien u. Spanien u. durchforschte
die Bibliotheken u. Musikarchive dieser Länder: ebenso besuchte er
Auch Deutschland u. England. Dann w&xi er sich mit .Feuereifer auf
Komposition, theoretische u. didaktische Schriftstellerei u. suchte den
Choral u. die kontrapunktische Musik in Frankreich zu heben, doch
jnit wenig Erfolg. Das Übermass der Arbeiten veranlasste zuletzt bei
ihm eine Geistesstörung. Von seinen Schriften seien genannt: „Manuel
«omplet de musique vocale et instrumental" (1836 — 38, 6 Bände, von
Choren skizziert hinterlassen); „Histoire generale de la musique et de
la danse** (1844, 2 Bde.); „Miscellan6es musicales" (1844, Biographisches
über verschiedene Musiker); Biographische Notizen über Mattei,
ZingareUi, Baini, Donizetti u. a.; Essai de dipht6rographie musicale**;
^,Cours complet de plain-chant (1855—56, 2 Bde., sein Hauptwerk) u. a.
Für die Kirche komponierte er vieles. 1859 begründete er die Zeit-
schrift „Le plain-chant.*^
Lalande, Michel Bichard de, geb. den 15. Dez. 1657 zu Paris,
loun sehr Mhe als Chorknabe an die Kirche St. Germain-rAuxerrois,
wo sich der Musikdirektor Chaperon besonders um ihn annahm u. dem
talentvollen Knaben Unterricht im Gesänge, auf mehreren Instrumenten
XL in der Komposition erteilte. Später betrieb er mit grösstem Eifer
das Orgelspiel u. ward 1683 einer der vier königl. Kapellmeister.
Ludwig XIV., der ihn vorzüglich schätzte, trug die vier Kapellmeister-
steilen auf seine Person allein über, gab ihm reiche Pensionen u.
machte ihn zum Bitter des St. Michaelordens. Er starb am 18. Juni
1726, u. hinterliess den Buhm, der beste Kirchenkomponist seiner Zeit
.in Frankreich gewesen zu sein. Viele seiner Motetten (mit Orchester)
waren nachlseinem Tode noch sehr geschätzt
160 Lambillotte — Lanfranco.
Lambillotte, P. L o n i s , geb. den 27. März 1797 za Chaleroi im
Hennegati, trat 1825 in die Gesellschaft Jesu, wendete viele Jahre tiefen
Studiums (von 1842 ab) auf die Wiederherstellung des reinen Choral-
gesanges. Er machte viele Beisen zu diesem Zweck sowohl in Frank-
reich als nach England, Deutschland, Italien, u. verglich eine grosse:
Anzahl der ältesten handschriftliehen neumierten Antiphonarien. Mit
einem Aufwände grosser Gelehrsamkeit suchte er die Neumenschrift zu
entziffern, was ihm wohl teilweise gelang, aber doch nicht zur voll-
ständigen Enträtselung der so notierten Melodien fUhrte. Er gab 1851
zu Paris die Handschrift von St. Gallen im Facsimilie unter dem Titel:
„Antiphonaire de S. Gregoire" heraus u. fügte mehrere erläuternde
Abhandlungen hinzu. Er starb den 27. Febr. 1855 zu Vaugirard. Die
Fortsetzung seiner Arbeiten besorgte der Jesuit P. Dufour. Ausserdem
erschienen von ihm: „Mus6e des organistes celebres," Paris; „Esth^ti-
que, th^orie et pratique du chant gr6gorien restaur^,** nach L/s Tode
herausgegeben von Dufour, Paris 1855; ebenso „Methode pour Wen
ez^cuter le chant gr^gorien'* (Paris, 1857); „Quelques mots sur la
r6stauration du chant liturgique etc." (Paris, 1855); dann ein Vesper-
aleu. ein Graduale mit, doppelter (alter u. modemer) Notation
(Paris, 1856). In letzteren hatte er die Gesänge der im Laufe der
Jahrhunderte angewachsenen, unverhältnismässig ausgedehnten Jubilen
ziemlich entkleidet, was ihm von manchen französischen Kritikern
bitteren Tadel zuzog. Vor 1843 hatte er vieles für die Kirche kom»
poniert, was aber ohne Bedeutung ist.
Landi, Stefano, geb. zu Rom am Ende des 16. Jhdts., ward
1629 in das päpstliche Sängerkollegium aufgenommen; er starb um
1640. (Messen, Psalmen, Madrigalen u. a. m.)
Landino, Francesco, auch Francesco degli Organi
genannt wegen seines vorzüglichen Orgelspiels, geb. um 1325 zu Florenz^
wo er auch 4. Sept. 1397 starb, verlor in seiner Kindheit durch die
Blattern das Augenlicht, aber sein musikalisches Talent entwickelte sich
gleichwohl vortrefflich u. machte ihn zum Liebling u. zur musikalischen
Zierde seiner Vaterstadt. Seine Kompositionen, von denen F6tis einige:
auf der Pariser Bibliothek entdeckte, zeichnen sich vor denen seiner
Zeitgenossen durch harmonischen u. melodischen Beiz aus.
Lanfranco, Giov. Maria, geb. zu Terentio im Permesanischen»
war in der ersten Hälfte des 16. Jhdts. Kp.-M. zu Brescia, wo auch
sein sehr selten gewordenes u. geschätztes Buch: „Scintille deMusica,
che monstrano a leggere il Ganto fermo e figurato, gli accidenti della
Note misurate, le proportioni, i tuoni, il Gontrapunto e la divisione
del Monochorde, con la accordatura de varii instmmenti, deUa quäle
nasce un Modo, onde ciasoune per le stesso imparare potra le voci di
ut re mi fa sol." 1533 erschien. Er handelt darin in 4 Teilen den
Gesang u. dessen Figuren, den Mensuralgesang mit den Proportioneni
Lange — Lasso. 161
n. dgL, die 8 regnl&ren Töne, den Kontrapunkt o. die verschiedenen
Instrumente ab. Notenbeispiele finden sieh darin nicht.
Lange (Langius), Hieronymus Georg, aus Havelberg in
der Mark, lebte zu Ende des 16. Jhdts. in Breslau, zeichnete sich
durch gute musikalische Kenntnisse u. Fertigkeiten aus u. starb am
1. Mai 1587. (4— 8stimm. „Cantiones sacrae,** Nürnberg 1580 u. 1584).
Lapini, Carlo, geb. 1724 zu Siena, ein ausgezeichneter Musiker,
war von 1757 bis zu seinem Tode, den 28. Okt. 1802 Kp.-M. an der
Stiftskirche seiner Vaterstadt. (Viele Kirchensachen in Manuskr.)
Lappi, Pietro, geb. zu Florenz in der zweiten Hälfte des 16.
Jhdts., u. Kp.-M. an der Kirche St. Maria delle Grazie, gab von 1600
bis 1629 Messen, Motetten u. dgl. zu Venedig im Druck heraus.
La Rae, Pierre de, (Petrus Platensis), einer der hervor-
ragendsten niederländ. Kontrapunktisten des 15.— 16. Jhdts., Zeit-
genosse JosquinSf Schüler Okeghems, war ein vorzüglicher Meister in
allen kontrapimkt. Künsten. Seine Werke tragen den Stempel er-
habener Grösse, es mangelt ihnen aber auch nicht Wohlklang u.
Anmut. Gedruckt sind von ihm erhalten: ein Buch Messen, gedruckt
von Petrucci 1513; mehrere Messen sind in Mess-Sammlungen von
Petmcci aufgenommen. Im Manuskript sind solche auf der Brüsseler,
Mechliner Bibliothek, zu München u. im Archive der päpstl. Kapelle
in Born. Sein Geburts- u. Todesjahr sind unbekannt. In den Eech-
nungen des burgundischen Hofes kommt er 1477 u. 1497 als Sänger
in der Kapelle vor. 1501 erhielt er eine Präbende in Courtrai, 1510
leistet er Verzicht auf eine solche bei der St. Albinskirche in Namur*
Lasser, Joh. Bapt., Sänger u. Komponist, geb. zu Steinkirchen
in ünte^Österreich am 12. Aug. 1751, gest. als kurfürstlicher Hof-
u. Kammersänger in München den 21. Okt. 1805, hat sich durch seine
gediegene „Vollständige Anleitung zur Singkunst** (1798), sowie durch
viele Operetten einen Namen gemacht; er schrieb auch manches für
die Kirche.
Lasso, Orlando di (Boland de Lattre) war 1532 zu
Mens im Hennegau geboren. Seine Jugendjahre umgiebt ein sagen-
haftes, noch nicht aufgehelltes Dunkel. Er soll vorerst Singknabe an
der St. Nikolauskirche zu Mons gewesen sein u. durch seine herrliche
Stimme Aufsehen erregt haben. Sicherer ist, dass er sich grosser
Gönner erfreute u. besonders die Gunst des kunstsinnigen Feldherrn
Carls V., Ferdinand von Gonzaga, genoss, mit welchem er nach Italien
zog. In Mailand, Sizilien, Neapel u. Bom machte er nun seine Lehr-
u. Wandeijahre durch. Dieser Bildungsgang machte ihn mit allen
Stylgattungen dieser Epoche u. mit den besten Komponisten bekannt
n. befähigte den 2Qjährigen Jüngling 1552 mit seinen Leistungen an
die Öffentlichkeit sn treten. Auf seiner Bückreise von Bom nach
Antwerpen scheint er ein Buch 5stimm. Madrigale dem Verleger Ant.
KonuBi&ler, Lexikon, n. Bd. 11
162 Lasso.
Gardano (1555) überlassen zu haben; im gleichen Jahre erschien zu
Antwerpen ein Bach 4stinmi. Madrigale n. Chansons von ihm. Ende
des Jahres 1556 ward er vom bayr. Herzog Albrecht V. filr dessen
Hofkapelle in München gewonnen n. von 1562 an stand er dieser Kapelle
als Ep*-M. bis zn seinem Tode vor. Nun beginnt die glücklichste u.
frachtreichste Epoche seines Lebens; sein edler Sinn, sein freandliches,
einnehmendes Wesen, sowie seine Talente erwarben ihm bald die
Gunst des Hofes u. des Volkes, u. die ausgezeichneten Erfolge seiner
Wirksamkeit als Leiter einer der herrlichsten Kapellen Europa*s (sie
zählte an 90 Musiker, teilweise von hohem Bange u. bot die reichsten
Hilfsquellen dar; ein Chronist zählt 12 Bassisten, 15 Tenoristen,
13 Altisten, 16 Kapellknaben, 5 oder 6 Castraten, 30 Instrumentalisten
auf) als unermüdlicher weltberühmter Komponist in allen Gktttnngen
damaliger Musik verschafften seinem Namen nicht allein die einstimmige
Anerkennung der Künstler u. Kunstfreunde, sondern gewannen ihm
zugleich die Gunst der Grossen in solchem Grade, wie sich deren kein
Mitgenosse unsers Meisters rühmen durfte. Von 1560—1577 edierte er
die meisten seiner Werke, welche aUenthalben bewandert wurden,
besonders erregten seine Busspsalmen, wo er sich zar vollkommenen
Höhe eines Genie*s aufschwang, grosses u. wohlverdientes Au&ehen.
Man nannte ihn den Fürsten der Tonkanst, den Orpheus unter den
Musikern, den Dichter der Deutschen, u. die Auszeichnungen wie die
Gunst des Papstes, der Kaiser u. Könige vollendeten seinen Trinmph.
1571 reiste er auf Drängen des Musikers u. Verlegers Adr. le Boy
nach Paris, wo er von König Carl IX. hoch geehrt u. reichlich be-
schenkt wurde. 1574 begab er sich über Mantua nach Bom, wo ihn
Papst Gregor XQI., welchem er den 2. Band seines „Patrocinium
Musices'* dediziert hatte, zum Cavaliere ernannte. 1570 schon hatte
Kaiser Maximilian IL ihn mit allen seinen Nachkommen in den deutschen
Adelstand erhoben. Nach des Herzogs Albrecht V. Tode (1579) bewahrte
ihm dessen Nachfolger, Wilhelm V., mit welchem er bisher schon in
regem Briefwechsel stand, das gleiche Wohlwollen, ja erhöhte es noch.
Noch im hohen Alter lieferte er eine Menge Werke u. seine
Thätigkeit schien sich mit den Jahren neu zu beleben; da traf den
Meister plötzlich eine Geistesschwäche u. erdrückende Melancholie,
welche 14. Jnni 1594 seinem ruhmreichen Leben u. Wirken ein Ziel
setzte. Die Franziskaner in München begruben ihn in ihrer Kirche,
wo ein erhabenes Denkmal, mit lateinischen Versen seinen Böhm ver-
kündend, errichtet wnrde. Seine Kunst lebte in seinen Söhnen u.
Schülern noch lange fort, aber in seinen Werken ist er unsterblich
geworden. König Ludwig I. von Bayern errichtete der unvergänglichen
Grösse dieses Meisters ein ehrendes Prachtdenkmal.
„Orlandus de Lassus ist, wie Dr. Proske sagt, ein universeller
Geist. Keiner seiner Zeitgenossen besass eine solche Klarheit des
Lasso. 163
Willens, übte eine solche Herrschaft über alle IntjBntioneii der Kunst,
dass er stets mit sicherer Hand erfasste, was er für sein Tongebilde
bedurfte. Von dem ContemplatiYen der. Kirche bis zum heitersten
Wechsel profaner Gesangsweise fehlte ihm nie Zeit« Stimmung, n.
Erfolg. Gross im Lyrischen u. Epischen würde er am,gröS8ten im
Dramatischen geworden sein, wenn seine Zeit diese Musikgattnng
besessen hätte. Gross ia der Kirche und Welt hatte Lassus das
Nationale aller damaligen europäischen Husik dergestalt in sich auf-
genommen, dass es als ein charakteristisches Ganze in ihm ausgeprägt
lag, XL man das speziell Italienische, Niederländische, Deutsche oder
Französische nicht mehr nachzuweisen yermochte." Er adelte die
strengere u. ältere Weise der Niederländer durch die den italienischen
Meistern eigene ästhetische Schönheit u. Anmut u. half so mächtig
zur Vollendung des figurierten Kontrapunktes. Doch Hess ihn sein
Leben auf Beisen u. am Hofe, immerfort für Kirche u. Welt zugleich
beschäftigt, hinter jener hohen kirchlichen Strenge zurückbleiben, mit
welcher wir den grossen Meister des Südens bei fortschreitendem
Leben in immer geschlossenerem Kreise der Kirche an ihrem Mittel-
punkte dienen sehen. Will man die wahre Grösse des Meisters kennen
lernen, so muss man sein Meisterwerk, die Busspsalmen, einsehen u.
diese mächtigen Harmonieen, diesen grossartigen ausdrucksvollen Styl,
Toll Salbung u. religiöser Schönheiten betrachten, wo er Palestrina
gleich zu kommen scheint.
Als Komponist entwickelte er eine ungeheure Thätigkeit; nach
ungefährer Schätzung hat er 1572 kirchliche Stücke aller Gattung xu
765 profane (italienische, deutsche u. französische Gesänge, Madrigale
u- dgl.) geliefert. Seine sämtlichen Werke erscheinen jetzt in Partitur
in prachtvoller Ausstattung (redigiert von Dr. F. X. Haberl) bei
Breitkopf & Härtel in Leipzig. Das „Magnum opus musicum,"
welches erst nach Lasso's Tod von seinen Söhnen herausgegeben
wurde, füllt allein schon 10 Partiturbände. (Es existiert auch ein
Orgelbass (Basso continuo) zu diesem Motettenwerk, gefertigt von
Oasparus Vincentius, Organisten zu Würzburg, n. nach dessen
Tode von seinen Kindern 1625 herausgegeben). 1619 gab sein Sohn
Budolph 100 Magnificate seines Vaters heraus; 1597 erchienen von
ihm 50 Psalmen Davids zu 5 Stimmen; eine grosse Menge Messen
wurde teils gedruckt, teils sind sie in Manuskript in der Münchener
Bibliothek aufbewahrt; dort befindet sich auch die mit aller Pracht
der Kalligraphie, Miniaturmalerei tl dgl, geschmückt^ Abschrift seiner
aieben Busspsalmen. Ein möglichst vollständiges Verzeichnis seiner
gedruckten Werke hat B. Eitner als Beilage zum V. u. VX Jahr-
gang der „Monatshefte fär Musikgeschichte" gegeben.
Sein ältester Sohn Ferdinand wurde bald nach seiaes Vaters
Tode Kp.-M. bei der herzogL bayr. Kapelle in München u. starb am
11*
164 Lebeuf — Leo.
S7. Angnst 1609. Der zweite der Söhne Orlando's, Rudolph, Hof-
organist, war als Tonsetzer der hedeutendste unter Orlando's Nach-
kommen, o. Ton seinen Werken sind Messen, Motetten n* dgl im
Drucke o. Manuskript Toriianden. Er starb 1625.
Lebenf, & Beof.
Lechler, P. Benedict, geb. 1594 zu Füssen am Lech in Bayern,
gest. 18. Januar 1659, kam 1616 nach Admont in Steiermark, wo er
Vokal- u. Instrumentalmusik erlernte, wendete sich dann nach Erems-
mttnster, wo er vorerst Kammerdiener des Abtes u. Lautenist war;
1628 trat er durch die Profess in den Elosterverband. Im nämlichen
Jahre wurde er zum Chorregenten ernannt. Er schrieb vier Bände
Partituren teils von Werken italienischer Meister, teils von seinen
eigenen Kompositionen zusammen, welche noch im Archiv von Krema-
münster vorhanden siad. Seine eigenen Arbeiten bestehen in Messen,
Hymnen, Magnificat, Requiem von 4—8 Singstimmen teilweise mit
Instrumentalbegleitung.
Lechner, Leonhard, aus dem Etschthale gebtirtig, f 6. Sept.
1604, war eine Zeit lang in der Kantorei des Herzogs Wilhelm von
Bayern zu München angestellt, um 1570 Schullehrer in Nürnberg,
1584 Kp.-M. beim Grafen von Hohenzollem in Hechingen, 1586—90
Musikus u. Komponist am Hofe des Herzogs Ludwig von Württemberg.
Er schrieb Motetten zu 4—6 Stimmen, 5- u. 6stimm. Cantiones sacrae
u. Messen, viele deutsche Lieder zu 3—5 Stimmen.
Lederer, Joseph, regulierter Chorherr des Augustinerstiftes
St Michael zu Ulm, geb. zu Ziemetshausen in Württemberg 1733, gest.
im Oktober 1796, war gründlicher Musikkenner u. Künstler. Er schrieb
Mancherlei über Musik u. komponierte viele Kirchensachen.
hegvenzit Giovanni, geb. um 1625 zu Clusone in der Nähe von
Bergamo, war vorerst Kp.-M. zu Ferrara, ging um 1664 nach Venedig^
wo er 1672 Direktor des Konservatoriums der Mendicanti u. 1685
Kp.-M. an der St. Marcuskirche wurde. Er starb im Juli 1690 u.
wird unter die besten Meister seiner Zeit gerechnet.
Lenzi, Carlo, einer der ausgezeichnetsten Kirchenkomponisten»
Orgelspieler u. Gtesanglehrer des vorigen Jhdts., geb. den 11. Juli
1735 zu Azzone in der Provinz Bergamo, war Kp.-M. an der Kirche
St. Maria Magg. in Bergamo; 1800^ verlor er das Augenlicht n. starb
den 23. März 1803. Sein Nachfolger ward der berühmte Simon
Mayr.
Leo, Leonardo, geb. zu Neapel 1694, studierte vorerst unter
A. Scarlatti u. Fago zu Neapel, dann unter Pitoni zu Rom die Ton-
kunst u. schon 1717 erhielt er die Kapellmeisterstelle an der Kirdie
St. Maria della Solitaria zu Neapel; später wurde er Direktor des
Konservatoriums della Pietä, dann von dem von St Onofrio. Er ist
eines der Häupter der neapoütanischen Schule u. wirkte mit Durante
Leoni -— Lindpaintner. 165
TU 6. Greeo ztu Yeredlimg der Tonkunst. Unter seinen Schfllem
8ind besonders Jomelli n* P icdini zu nennen. Er starb mn 1744.
Allen seinen Kompositionen wohnt Wahrheit n. OrOsse der Empfindongr
XL edle Erhabenheit inne; sein Styl ist klar u. angemessen n. überall
zeigt sich die Meisterschaft in Beherrs^ung der Knnstmittel n. gd-
THssenhafte Ansarbeitnng. Neben yielen Opern schrieb er für die
Kirche Messen, Motetten, mehrere Dizit u« Magnificat, ein Miserere für
8 reale Stimmen n. a. m.
Leoni, Leone, ein italienischer Tonsetzer am Ende des 16. lu
Anfiang des 17. Jhdts.» war Kp.-M. an der Kathedrale zu Yicenza.
(Motetten, Psalmen, Madrigalen n. a.)
Liberati, Antonio» um 1630 zU'Foligno geboren, gest. um 1685
als Kp.-M. an der Kirche St. Maria dell'Anima in Bom, hinterliess
meist im Mannskript (weniges erschien im Drack) viele Madrigalen,
Psalmen, Oratorien; er arbeitete nach Palestrina'schen Grandsätzen
TL Traditionen. Auch als musikalischer Schriftsteller ist er bekannt;
in Manuskript existieren: ,^pitome istorieo della Musica" u. ,3ft^gnftglio
dello State del coro della eapeUa ponteficia/* u. im Druck erschienen:
^Lettera scritta dal Sign« A. Liberati in risposta ad una del. Sig*
Oyid. Persapegi*^ (1684) u. ,J[iettera sopfa un segnito di Quinte."
Lieliteiithal, Pr. Peter, Arzt, musikalischer Schriftsteller u»
Komponist, geb. 1780 zu Pressburg, liess sieh 1820 in Mailand nieder,
wo er 18. Aug. 1853 starb. Sein Hauptwerk ist „Dizionario e Biblio-
grafia della Musica/' 4 Bde., Mailand 1826.
LiBdner, Priedrich, geb. zuLignitz, kam als Sängerknabe in
•die Kapelle des Kurfürsten August in Dresden, welcher ihm die Mittel
Terschaffte, sich auf der Universität Leipzig in den Wissenschaften u.
in der Musik auszubilden^ 1574 kam er als Kantor an die Aegydien-
kirehe in Nürnberg. Von ihm dnd im Druck erschienen: „Cantiones
iwcrae,** 2 Teile, Nürnberg 1585 und 1588; fQnfsdmmige Messen,
1591; „Gemma musicalis," eine Sammlung yon 64 italienischen Madrid
galen, 1588—1590; „CoroUarium canüonum sacr/* 5, 6^ 7, 8 et plur.
Tooum, 1590.
Lindpaintner, Peter Joseph, geb. den 8. Dez. 1791 zu Koblenz,
kam in seiner frühesten Jugend nach Augsburg, wo er seine Studien-
laufbahn betrat u. vom Domkp.-M. Witzka Unterricht im KkTierspiel
u. Qeneralbass erhielt. Bei Winter in München machte er höhere
Kompositionsstudien u. übenahm 1812 die Stelle eines Musikdirektora
bei dem eben neu errichteten Hoftheater am Isarthor. Unterdessen
studierte er noch bei Grats den Kontrapunkt 1818 erhielt er den
Buf als Kp.-M. nach Stuttgart, als welcher er am 2L Aug. 1856 zu
Nonnenhem am Bodensee starb. 1840 Terlieh ihm der KOnig von
Württemberg bei Gelegenheit sdnes 25jährigen Dienstjubiläums zur
Aandieiiirong s eiair VeidieBste die Würde als Bitter des Ordens der
166 Lipowsky — Loebmann.
wfirttembergischen Krone. Lindpaintiier hat fast iä allen Ennst-
gfattnngen gearbeitet, n. die Zahl seiaer Kompositionen ist betrSchtlich.
Für die Kirche hat er geliefert: mehrere Te Denm, ein Stabat mater,
viele Psahnen, 6 Messen; einige Marienlieder fttr Frauenstimmen; dann
Oratorien. Überall zeigt er sich als tflchtig geschulten, fleissigen u.
sorgfältig arbeitenden Meister, wenn sich auch kein origineller nnd
tiefer (Benins in seinen Werken dokumentiert.
Lipowsky, Felix Jos. von, geb. 1764 zu Wiesensteig in
Schwaben, betrat Torörst die juridische Laufbahn, ward dann Professor
der Geschichte, bekleidete mehrere Ämter im Staatsdienste, zog sieb
1817 in die Buhe zurück u. starb als landständischer Archivar (seit 1819)
zu München 20. März 1842. Seine Werke betreffen fast sämtlich die
Geschichte Bayerns; 1810 veröffentlichte er ein bayr. Künstlerlexikon»
1811 (München) „das bayerische Musiklexikon." Er war auch ein
gediegener Musiker, gleidi seinem Vater.
Lipparino, Guglielmo, geb. zu Bologna, Augustinermanch o*
Domkp.-M. zu Como, blühte von 1609 bis 1637 u. es erschienen von ihm
Motetten, Litaneien, Kirchenkonzerte, Madrigalen u. a. m. im Druck.
Listenins, Nicolans, eia Tonlehrer des 16. Jhdts., geb. za
Brandenburg, gab 1533 zu Wittenberg bei Bhau „Budimenta musicae
in gratiam studiosae juventutis etc.** heraus, welches Werklein bis
1600 über 20 Auflagen erreichte. Spätere Auflagen führen den ein-
fachen Titel: „Musica N. Listenii etc.** Er behandelt in diesem inte-
ressanten Werklein die Elemente der Musik, den Gantus gregorianua
in ein- und mehrstimmigen Beispielen, dann die Mensuralmusik in
gedrängter Kürze. 1550 schrieb ein Christoph. Neoraens Biedensis
„Annotatiunculas aliquot** dazu.
Llflst, Franz, geb. 22. Okt. 1811 zu Baiding bei Oedenburg in
Ungarn, gest. 31. Juli 1886 in Bayreuth, hatte seiner Zeit den Buf de»
grössten Klavierspielers, auch als Komponist war er gefeiert. In
späteren Jahren interessierte er sich auch besonders für die katholische
K.-Musik u. schrieb mehrere Werke für die Kirche^ so die „Graner
Festmesse,** „Ungarische Krönungsmesse,** Missa choralis für gemischte
Stimmen u. Orgel, Bequiem für Männerstimmen u. Orgel, mehrere
Psalmen u. viele kleinere Kirchengesänge.
Lobo, Du arte, s. Lopez.
Loebmann, Johann Joseph, geb. 10^ Januar 1829 zu Schirgisfe-'
walde bei Bautzen (sächs. Oberlansitz), erhielt Mhzeitig tüchtigen
Musikunterricht, so dass er als l^ähriger Knabe schon die Orgel
spielen konnte. Von 1841—44 war er Zögling (Altist) des k. Kapellknaben«
Institutes zu Dresden unter dem k. Gesanglehrer Angelo Oiccarelli,
dem Hofkp.-M. Beissiger u. dem k. Musikdirektor Bastrelli. Auch Mer
betrieb er Yiolin- u. Klavierstndien fldssig fort. Von 1815-^ besuchte
er das k. Lehrerseminar in Bautzen, wo er unter den DomorganiBtea
Lodi — Lorente. 167
C. Ed. Hering jenen musikwissenschaftlichen Grnnd legte, auf welchem
er gedeihlich forthauen konnte. Als Lehrer in Seitendorf hei Zittau
angestellt, Hess er sich die Hehung der tief damiederliegenden K'Musik
eifrigst angelegen sein; ehenso in Ostritz, wo er 15 Jahre Kantor war.
1877 tthemahm er das Direktorat der kathoL Bürgerschule in Leipzig«
Ohwohl hier nicht zum kirchl. Chordienst verpflichtet, nahm er sich
doch der E.-Mu8ik an, gründete 1878 einen Cäcilienverein, mit welchem
ihm zahlreiche sehr gute Aufführungen gelangen. Li letzterer Zeit
zog er sich yon dessen Leitung zurück. Seine kirchlichen Kompo-
sitionen sind: Op. 1. Fuge mit Choral (im Töpferalhum); op. 2. Preis-
messe f&t 3 Männerstimmen mit ohiig. Orgel (Schott in Brüssel u.
Mainz); op. 3. Sechs leichte Fughetten u. 12 Versetten für Orgel
(ehenda); op. 4. Drei Motetten f. 4stimm. Männerchor (in „Musica
Sacra" v. Kothe); op. 5. Drei Motetten f. 4stimm. Chor (in „Caecilia"
von Kothe); op. 6. Zwei Gradualien u. zwei Offertorien für 2— 48timm.
Männerchor mit Orgel (Schott in Brüssel); op. 7. Missa in hon. S.
Caeciliae f. 4stimm. gemischten Chor mit ohlig. Orgel (ehenda); op. 8.
Missa in h. Ss. App. Petri et Pauli für 48timm. gemischten Chor mit
Orgel (Schott, Mainz); op. 9. Missa in hon. S. Mathildis, ehenso
(Begenshg., Pustet). Fast sämtliche Nummern sind in den Cäcil.-
Vereinskatalog aufgenommen.
Lodi, Demetrio, ein Camaldulensermönch, geh. zu Verona in
der zweiten Hälfte des 16. Jhdts., schrieh viele Kirchenwerke im Style
Oahrieli*s.
Löhle, Fr. Xaver, geh. den 3. Dez. 1792 zu Wiesensteig am
Fusse der rauhen Alp in Württemberg, war ein um die Gesangs-
verhältnisse Münchens sehr verdienter Sänger, welcher eine Central-
singschule daselbst errichtete, worin jährlich über 120 Zöglinge in drei
Kursen unterrichtet wurden. Er starb am 29. Jan. 1837. unter seine
Kompositionen zählen auch lateinische u. deutsch» Messen u. a. m.
Zu bemerken ist noch seine „Allgemeine Anleitung zu einer Elementar-
Musikschule, nach Pestalozzi'schen Grundsätzen.'* 4 Bde.
Lopez oder Lobo (Lupus), Duarte, einer der bedeutendsten
portugiesischen Tonmeister, war um 1600 Kapelldirektor an der
HospitaUdrche, dann an der Kathedrale zu Lissabon. L. kultivierte mit
Vorliebe den vielstimmigen Satz. (3 Bücher 4stimm. Magnifikats
(1605, 1611), je ein Buch 4--8stimm. u. 4— 6stimm. Messen (1621, 1639),
Liber processionum et stativuum (1607); ausserdem im Mskr. zu Lissa-
bon 8- u. mehrstimmige Messen, Antiphonen, Psalmen u. a.; ein theoret.
Werk „Opuscula musica" (1602).
Lorente, Andres, geb. 1631 zu Anchuelo in der Diözese Toledo,
studierte auf der Universität Alcala, ward Priester, bekleidete mehrere
Kirchenämter u. war auch Organist an der Hauptkirche St. Justo in
Toledo. Von seiner tiefen Musikkenntnis giebt sein Werk: „El Porque
168 Lorenzani — Luoohesi.
de la Musica en^qne se contieime los qnatros artefl de ella, canto elano,
canto de organo, contrapunto, y composicion. Dedicado a Maria
santissima, naestra avogada, y-senora, concebida sinmancha de pecado
Original etc, En Alcala de Henares, 1672.** Im lY. Teile desaelben
bringt er anch (4— 128timnuge Stücke, Imitationen u. Fngen. Nach
sßiner Angabe schrieb er anch ein Werk „De Organo/' welches sich
mit allen Instrumenten, hauptsächlich mit der Orgel, bescl^ftigt.
Lorencani, Paolo, geb. zu Born in der ersten Hälfte des 17.
^dts., in der Musik gebildet unter Orazio Benevoli, ward zuerst
Kp.-M. an der Jesuitenkirche in Bom, dann in Messina. Nachdem er
einige Zeit in Frankreich sich aufgehalten hatte, ging er nach Neapel
U. von da 1690 nach Bom als Ep.-M. an St. Peter. Er starb am
29. Okt. 1713.
Lossins, Lucas, geb. zu Vacha im Hessischen am 18. Okt 1508»
starb als Bektor zu Lüneburg am 8. Juli 1582» Er war einer der
gelehrtesten Musiker seiner Zeit. Sein verdienstlichstes Werk ist
„Psalmodia, hoc est, cantica sacra veteris ecclesiae selecta etc.'*
Nürnberg 1533; femer verfasste er einen Traktat über die Elemente
der Choral- u. Mensuralmusik unter dem Titel: „Erotemata musicae
practicae etc.*' Nürnberg 1563 (und in mehreren spätem Auflagen
erschienen), in dessen I. Teile er vom Chorale, im II. von der Mensoral«
musik handelt. Am Ende sind 6 mehrstimmige Gesänge von ver-
schiedenen Meistern, z. B. Bened. Ducis, Pet Tritonius u. a. angeführt.
Auch gab er ein Sammelwerk „Psalmodia h. e. cantica sacra veteris
ecclesiae selecta** (1552) heraus.
Lotti, Antonio, ein vorzüglicher Tonsetzer der venetianischen
Schule, war um 1665 zu Venedig (?) geboren, wo er anch unter Legrenzi
Beine musikalischen Studien machte. Von 1693 an diente er ate
Organist an der St. Marcuskirche zu Venedig, 1717—19 weilte er auf
besondere Einladung des Kurfürsten zu Dresden. 1736 ward er Kp.*M.
XL starb 5. Jan. 1740. Lotti war ebenso gross durch tiefe musikalische
Gelehrsamkeit, wie durch freie Schöpftmgskraft; Grossheit u. Adel
der Empfindung gehen bei ihm Hand in Hand mit der Innigkeit der-
selben, daher er auch in allen Stylen Meisterhaftes u. immer An-
gemessenes geleistet hat. Heutzutage sind allerdings nur seine Kirchen*
Sachen noch lebensfähig; doch sind seine profanen Werke, wenn sie
sich auch überlebt haben, noch von kunsthistorischem Werte. Von
seinen Kirchenkompositionen werden besonders zwei „OmeifixHS** zu
6 u. 8 Stimmen sehr hoch geschätzt Von 1719 an schrieb er nur
mehr Kirchenmusik; doch blieb alles Mskr., bis in neuerer Zeit einige
Hessen durch Drack veröftentlicht wurden.
Jiucchesi, Andrea, geb. den 28. Mai 1741 zu Motta im Frianl,
studierte bei Paolucci in Bologna u. Seratelli in Venedig den Kontra*
punkt u. die Kirchenkomposition, bei Cocchi in Neapel den Theaterstjl
1771 kam er als Kp.-M. in die Dienste des Kurfürsten von Köln.
LudoTioi — Lück. 169
Ludoyici, Tommaso, ein Deutscher von Geburt, Eontrapunktist
des 16. Jhdts., gab 1591 in Born heraus: „Hymni totius anni 4 vocum,
una cum VI Psalmis 8 vocum.**
Lnmpp) Leopold, geb. den 4. Jan. 1801 zu Baden, wurde 1825
an die Stelle seines Vaters als Professor u. Musiklehrer am Lyceum
zu Bastatt berufen. 1827 zum Dompräbendar in Freiburg ernannt,
hatte er zugleich den Oesangunterricht im Priesterseminar u. die
Leitung des Choralgesangs in der Domkirche zu besorgen, bis er 1838
die Domkapellmeisterstelle erhielt Von seinen Werken veröffentlichte
er: „Der Choralgesang nach dem Cultus der kathol. Kirche** (Freiburg
1837, 2. Aufl.), 7 deutsche Tierstimmige Messen, Melodien zum Frei-
burger Diözesangesangbuch, (Karlsruhe 1852, 2. Aufl.), Lieder, Orgel-
stücke u. a.
Lnsciniaci, Othmar (Nachtgall), geb. zwischen 1478—1480
zu Strassburg, machte seine Studien auf der Universität Heidelberg,
zuletzt in Wien, wo der berühmte Hofhaimer sein Lehrer in der Musik
war; zwischen 1511—1514 studierte er zu Paris Theologie u. Griechisch.
In der Folge bekleidete er den bescheidenen Posten eiaes Organisten
u. Vikars bei St. Thomas in Strassburg, welchen er kurz vor 1521
wieder verlor. 1525 erhielt er ein Kanonikat bei St. Moriz in Augs*
bürg, womit die Prädikatur u. die Verwaltung des Pfarramtes verbunden
war; die Beformationsbewegung vertrieb ihn 1528 aus Augsbuiig, n.
er zog nun nach Freiburg u. nach kurzem Aufenthalte daselbst nach
Strassburg, wo er 1536 starb. Ausser mehreren literar. Werken sind
von ihm bekannt: a) „Musicae inatitutiones Othmari Nachtigall
Argentini. Argentorati, 1515.** Gedruckt bei Joann. Knoblauch (ohne
Noten); b) ,J£usurgia sen praxis Musicae, illius primo, quae Listmmentis
agitur cer^ ratio, ab Ottmare Luscinio Argentino duobus libris
absoluta. — Ejusdem 0. Luscinii de Goncentus pol^phoni L e. ex
plurifarüs vocibus compositi, canonibus, Libri totidem. Argentorati,
apud Joann. Schottum. 1536.** F^tis bemerkt, dass es grosses Interesse
biete durch die Abbildungen u. Beschreibung der zu Ende des 15. u.
Anfang des 16. Jhdts. in Gebrauch stehenden Instrumente. Die erste
Abteilung dieses Doppelwerkes ist in Form eines Dialoges zwiBchen
Andr. Sylvanus u. Seb. Virdung gefasst; die zweite ist Oommentar, nicht
mehr Dialog. Eine zweite Auflage enchien zu Strassburg 1542.
Lück, Stephan, geb. d^n 9. Jan. 1806 zu Luis am BhelUt zum
Priester geweiht den 20. September 1828, 1849 Domkapitolar in Tri^,
firt&er Professor der Moraltheologie u. Direktor der Dom-Musikschule
in Trier, wirkte auf die Heranbildung tüchtiger Kirchenchöre auch üi
weiteren Kreisen durch ein Schriftehen: „Theoretisch-praküacln An-
leitung zur Herstelhmg eines würdigen Kirchengesanges'* (Trier 1856»
iMdd darauf 2. Aufl.); 1860 edierte er „Sammlung aosgezeiehnetex
Koapesitionea für die Kirche^ (2 Bde. Triw). f 4. Nov. 1883*
170 Mabillon — Maha.
M.
Mabillon, Jean, geb. den 23. Not. 1632 im Dorfe St. Pierremont
in der Diözese Hheims, trat 1654 in der Abtei St. Bemigios in den
Benediktinerorden, der ibn in die Beibe seiner gelehrtesten n. tüch-
tigsten Glieder zftblt. Nachdem er mehrere Ämter in den verschiedenen
Klöstern der Maorinercongregation verwaltet hatte, starb er den
27. Dez. 1707 in der Abtei St. Germain-des-PrÄs zu Paris. Seine Werke
geben vielen Anfschluss über die ältere E^chenmnsik n. enthalten
reiche Notizen sowohl historischen als archäologischen Inhalts; be-
sonders gehören hierher: „De litnrgia galUcana libri tres;" „Annales
ordinis S. Benedicti;*^ „Acta Sanctomm ordinis S. Benedicti.**
Machado, M a n o € 1 , zu Anfang des 17. Jhdts. Mnsiker in der
Kapelle des Königs von Portugal, war zu Lissabon geboren u. gehörte
zu den besten Kirch^nkomponisten seiner Zeit. (4- und Bstimmige
Kirchenstücke.) Er war ein Schüler des berühmten Duarte Lobo.
Maccheti, Teofilo, geb. um 1660 zu Bologna, war Kp.-M« am
Dom zu Pisa. Von ihm erschienen zu Bologna 1693: „Sacri concenti
di Sahni.*'
Macri, Paolo, geb. zu Bologna um die Mitte des 16. Jhdts.,
gab zu Venedig 1581 u. 1597 5stimmige Motetten u. 5— lOstimmige
Lamentationen heraus.
Madlseder, P. Nonnosus, geb. 1730 zu Meran, Benediktiner-
mönch zu Andechs seit 1750, f 3. April 1797, war ein theoretisch u.
praktisch sehr gebildeter Musiker, besonders vorzüglich im Orgelspiel.
Im Druck erschienen von ihm: Oifertoria XV a 4 voc. 2 Viol. (Clar.
vel com. ad lib.) cum dupl. Basso juxta Stylum noviss. (Augsbg. 1765);
Offertoria XV Op. 11. (1767); Vesperae solemnes. Op. IV. (St. Gallen 1771);
Miserere V et Stabat Mater L Op. m (1768).
Magalhaens, Filipe de, einer der vorzüglichsten u. fleissigsten
portugisischen Tonsetzer, war königl. Kp.-M. zu Lissabon in der ersten
Hälfte des 17. Jhdts. Die Lissaboner Bibliothek bewahrt eine ansehn-
liche Anzahl von Messen, Motetten u. dgl. von ihm; 1636 u. 1641
erschien auch manches davon in Druck.
Magni, 1) Benedetto, ein ital. Kirchenkomponist, von welchem
zu Venedig 1616 Motetten u. 8stimm. Messen gedruckt wurden.
2) Guiseppe M., geb. zu Foligno, war um 1700 Kp.-M. daselbst
XL galt für einen der bessern Meister seiner Zeit.
Mah«, Stephan, ein deutscher Kontrapunktist des 16. Jhdts.,
dessen Werke ihn zu den besten Meistern seiner Zeit rechnen lassen.
Sr war Sänger in der Kapelle des nachmaligen Kaisers Ferdinand I.
Sein Hauptwerk sind die in Joanelli's Thesaurus gedruckten grossen
Haillard — Marcello. 171
Lamentationen zn 4 Stimmen. Einzelne seiner Kompositionen finden
sich in der Forster'schen Motettensammlnng, bei Petrejns, Forkel; die
Münchner Bibliothek besitzt ein Magnificat von ihm in Mannskript n.
einige Kirchenstücke unter dem Titel „Officia,** anch in der Proske-
schen Bibliothek finden sich Werke von ihm.
Maillard, Jean, ein ^anzOsischer Komponist des 16. Jhdts.,
lebte wahrscheinlich zn Paris» wo 1561 ein Motettenwerk von ihm:
„XX Cantiones sacrae sen Motectae qnataor vocnm" erschien. Er
scheint als Tonsetzer eines guten Rufes genossen zu haben. Die
Proske'sche Bibliothek besitzt viele Kompositionen von ihm.
Majo, Giusepi^e di, geb. zu Neapel 1689, studierte die Musik
unter Aless. Scarlatti, 1727 erhielt er daselbst eine Kapellmeisterstelle
an einer Kirche. (8stimm. Dizit, 1 Miserere für 2 Soprane, Tenor,
2 Violinen u. Orgel, 4stimm. etc. Litaneien).
Sein Sohn Francesco di M, geb. 1745, war einer der vortreff-
lichsten Tonsetzer aus der neapolitanischen Schule. Er starb zu Born
schon 1774, 29 Jahre alt. Ausser vielen Opern schrieb er auch mehreres
für die KirchCt meistens mit Instrumentalbegleitung.
Manehicoiirt, Pierre, um 1510 zu Bethune (in Artois) geboren,
war Kanonikus in Arras, später Gesangmeister der Chorknaben an der
Kathedrale von Toumay. Um 1560 lebte er in Antwerpen. Von ihm
suid gedruckt : „Cantiones musicae*' Paris 1539; „Modulorum musicomm
etc*^ Paris 1545; „Missa 4 voc cui titulus: Quo abiit dilectus,^*
ebend. 156a
Manciniy C u r z i o , ein Tonsetzer der rOmischen Schule, war von
1589 bis 1591 Kp.-M an der Kirche St. Maria Maggiore zu Born u.
1607 an St. Johann im Lateran« Er hinterliess 32 vier- bis achtstimm.
Motetten im Mskr., u. 1608 erschienen 8stimm. Litaneien von ihm
in Druck.
Mangon, Johann, ein Kontrapunktist der niederlSndisdien Schule,
gest. 1587 in Aachen, war 1570—1577 Chordirigent der dortigen
Münsterkirche. Kompositionen von ihm sind in dem Archive des
Aachener Stiftskapitels aufbewahrt, unter anderm 20 Messen in einer
Sammlung, welche noch eine Messe von Pet. Chenemont u. eine von
Joh. Claux enthält. H. Böckeier hat eine „Missa in summis festis'^
u. als Beilagen zum „Gregoriusblatf* (1879. 1880) ein Magnificat u.
ein Salve Begina von Mangon veröffentlicht.
Maveello, Benedetto, einer der berühmtesten Meister der
alten venetianischen Schule, staamite aus einer der angesehensten
PatrizierfEunilien Venedigs u. wurde daselbst am 1. Aug. 1686 geboren.
Neben seiner wissenschaftliehen Ausbildung studierte er die Musik bei
dem berühmten Gasparini u. hOrte nie auf sie zu kultivieren, selbst
als er durch StaatsSmter u. Gesehilfte viel in Anspruch genommen
war. Zuerst Advokat, dann Batamitglied, fimgierte er soletzt als
172 Marehettos — Marensio.
Schstzmeisier in Biescia, wo er am 24. Juli 1739 starb. Das Werk,
welchem M. aki Komponist seinen hohen Bnhm verdankt, sind seine
50' Psalmen, deren Texte von Girol. Ascan. Ginstiniani bearbeitet
sind. M. zeigt sieh in ihnen als einen Tonsetzer, welcher durch etft'-
fache Erhabenheit n. Grösse musterhaft genannt werden mnss. Ausser
diesem Werke, das in Venedig in 2 Abteilungen sm je 4 FoKdbftaden
1724, 1726 u. 1727 erschien, hatte er sowohl für die Kirche als fttr
profane Zwecke noch mehreres komponiert.
Marehettua, dePadua, ein bertthmter Tonlehrer aus der zweiten
Hälfte des 13. u. dem Anfange des 14 Jhdts., war ans Padua gebürtig
u. hielt sich teils zu Verona, teils zu Cesena auf, soll auch in Neapel
einige Zeit gelebt u, musikalische Vorlesungen gehalten haben. Seine
Verdienste sind, dass er die Mensuralmusik weiter ausbilden half n-
die Lehre der Harmonie bedeutend forderte. Fitr letztere werden durch
ihn schon besondere Begeln gegeben; zum erstenmal finden whr bei
Marchettus (wie bei seinem Zeitgenossen Johann de Muris) die
sehr wichtige Regel, dass zwei yoUkommene Konsonanzen nicht in
gerader Bewegung aufeinander folgen sollen. Auch das Wesen der
Dissonanzen war ihm schon bekannte Seine Schriften: „Luoidadum in
arte musicae planae** u. „Pomerium in arte musicae mensuratae"
hat Gterbert in sein Werk „Seriptores de mue. ecd.'* U>m. JH, auf-
genommen.
Marenxio, L u c a , einer der bedeutendsten italienischen Kompo*
nisten des 16. Jhdts., war um die Mitte desselben zu Coccaglia unter-
halb Bresda geboren. Eine besondere Anmut der Stimme u. aus-
gezeichnete Musikanlagen führten ihn unter die Leitung äea Giovanni
Conti, Kp.-M. in Brescia, eines der kenntnisreichsten Musiker seiner
Zeit, wo er im Gesang u* in der Komposition die gründlichste Aus-
bildung erwarb. Seia lebhaftes Genie bewegte sich mit vorzüglichem
Erfolge im Madrigalenstyle, der edelsten Form damaliger Profanmusik
Mit wahrer Begeisterung wurde die erste Sammlung seiner Madrigale
aufgenommen u. hatte einen glänzenden Buf an den Hof des Königs
von Polen zur Folge. Das rauhe Klima jenes Landes bewii^te jedoch
seine baldige Bttekkehr nach Italien. In Born ward er zuerst (um 1584)
bei dem Kardinal dfEste, hierauf bei dem Kardinal Aldobrandini als
Kp.-M. angestellt u. zuletzt als Mitglied des päpstlichen Sänger*
kollegiums aufgenommen. Elex starb er den 22. August 1599. -^
Obwohl M. seinen Hauptmhm Madrigalen verdankt, welche ihm auch
den Beinamen „il dolce cigno (der süsse Schwan)** u. „il divino compo-
sitore (der güttliche Tonmeister)*' erwarben u. zugleich ein sehr einfluss»
reiches Verhähois auf das gesamte Musikwesen jener in einer wichtigen
Umgestaltung begriffenen Zeit übten, so behauptete er dennoch $k
Kirdheakomponist eine gleich ehrenvolle Stdkmg, n. die orlgiaeUe
YerweniMg seiner reichen Oeamtg- u. Sffiaktenmitfcel hinderten ih»
Mariani — Martini. 173
nichti sich durchaus als ächten Anhänger der römischen Schule zu
erweisen, zu deren würdigsten Meistern im reinen Kirchenstyle er stets
gerechnet wurde. Seine zahlreichen Kompositionen — Madrigalen,
Motetten, Antiphonen u. a. — erschienen von 1580 his 1616 zuerst in
Venedig im Druck.
Mariani, Giovanni Lorenz o, geb. zu Lucca 1737, Schüler
des Padre Martini in Bologna, war einer der gelehrtesten Musiker
seiner Zeit u. starb als Kp.-M. an der Kathedrale zu Savona 1793.
(Viele Kirchensachen, oft zu 6t 7, 8 realen Stimmen.)
Marpnrg, Friedrich Wilhelm, einer der grössten deutschen
Musiklitteratoren n. Theoretiker, war geb. am 1. Okt. 1718 zu See-
hausen in der Altmark, u. starb am 22. Mai 1798 zu Berlin als
Lotterie - Direktor u. mit dem Titel „Kriegsrat*' Seine Schriften
zerfallen in rein theoretische, in kritische u. historische, u. sind meist
ausgezeichnet durch Gründlichkeit u. Scharfsinn, sowie durch Lebendig-
keit u. Prägnanz der Darstellung, wobei man freilich oft den damals
bei polemischen u. kritischen Schriften gangbaren witzelnden u. groben
Ton übersehen muss. Von seiaen Schriften ragen hervor : „Handbuch beim
Generalbässen, der Komposition'' 3 Teule, Berlin, 1757—58; „Abhandlung
von der Fuge" Berlin 1753 und 54. 2 Teile; „Anleitung zur Sing-
komposition*' Berlin 1758; „Versuch über die musikalische Temperatur,"
Breslau 1776 u. v. a. Auch einige Kompositionen hinterliess er.
Marques, Antonio Lesbio, geb. zu Lissabon um 1660 u.
gest. daselbst am 1. Nov. 1709 als königl. portugiesischer Kp.-M., war
von seinen Landsleuten als tüchtiger Tonsetzer u. Literator gesc^ätzt^
Er hinterliess auch viele Kirchenkompositionen, welche aber Mskr.
geblieben sind.
Martliii, P. Giovanni Battista, der grösste Tongel^irte
des achtzehnten Jahrhunderts, überhaupt einer der gelehrtesten
Musiker, welche Italien hervorgebracht hat, geboren den 24. April
1706 zu Bologna, daselbst gestorben den 4. Oktober 1784, war der Sohn
eines Musikers; seine reissenden Fortschritte erschöpften bald den
Unterricht des Vaters, u. M. kam nun unter die Leitung P. Predieri's
für Gesang u. Klavier, den Kontrapunkt studierte er unter A. Biccieri.
Nachdem er seine klassische u. religiöse Bildung bei den PP. Ora-
torianem vollendet hatte, trat er 1721 in den Gonvent des hl. Franziscns
zu Bologna. Mit allem Eifer trieb er das Studium der Philosophie u.
Mathematik, namentlich aber zog ihn die Musik an. 1725, obwohl
erst 19 Jahre alt, hatte er schon so ausgebreitete Kenntnisse in seiner
Kunst, dass er zum Kp.-M, sein^ Ordenskirche ernannt wurde. Von
nun an weäkete er sich ganz der Tonkunst u* studierte, wenn ex nicht
komponierte, die Traktate der ahen n. neuen Musätheoretiker* Auf
Andrängen der Freunde der Musik u. mehrerer Künstler, entsohloss
er sich, Am Bologna eine Schule der Komposition zu eröfGaen.
174 MartinL
Zugethan den Traditionen der römischen Schule, befliess M, sich vor-
züglich, die Lehren dieser strengen n. herrlichen Schule fortzupflanzen.
Seine ausgezeichnete Methode u. die Besultate, die er an seinen
Schülern erzielte, n. seine grosse Gelehrsamkeit verschafften ihm u.
seiner Schule einen europäischen Euf. Man sah die berühmtesten
Tonsetzer sich bei ihm Bats erholen, man wählte ihn bei Eonkursen
zum Schiedsrichter, bei Streitfragen wendete man sich an ihn, u. er
hob gewöhnlich alle Zweifel Die Sanftheit seines Charakters, seine
Bescheidenheit, sein so freundlich entgegenkommendes Wesen u. seine
flchnelle Bereitwilligkeit in Beantwortung aller Fragen gewannen ihm
die Zuneigung Aller. Seine Sammlung von Büchern, Manuskripten u.
Musikalien jeder Gattung bildete eine Bibliothek, so zahlreich u. voll-
ständig, wie sie kein Musiker je besessen; 50 Jahre u. grosse Summen
Geldes hatte ihre Erwerbung gekostet; Bumey schätzte sie anf
17 000 Bände, sie füllte 4 Zinmier. Jetzt ist sie der Lyzeums-Bibliothek
zu Bologna einverleibt.
Unter den eifrigsten, ernstesten u. unausgesetzten Studien n.
Arbeiten erreichte er ein Alter von 78 Jahren. Gegen Ende seines
Lebens hatte M. wegen fortgesetzter Ejänklichkeit den P. Stanislans
Mattei, geb. 10. Febr. 1750 zu Bologna, gest. 17. Mai 1825 daselbst,
Mönch desselben Klosters n. einen seiner besten Schüler, zu seinem
Stellvertreter als Lehrer u. Chordirektor bestimmt. Obgleich von
flchmerzhaften Anfällen gequält, hörte er doch nicht zu arbeiten auf.
3 Bände seiner Musikgeschichte vollendete er, bei der Bedaktion des
vierten überraschte ihn der Tod.
Unter seinen Schülern sind die hervorragendsten: der ebengenannte
P. St. Mattei, P. Paolucci, Kp.-M. von Venedig, P. Sabattini,
Kp.-M. zu Padua, Butini in Florenz, Sarti u. Abb6 Ottani
in Turin.
Martini schrieb fOr die Kirche Messen u. Motetten, gewöhnlich
im alten Styl; sie wie &st alle seine Kompositionen sind steif und
trocken, wenn auch sehr gelehrt; seinen eigentlichen Buf hat er sich
als Musikgelehrter n. Schriftsteller erworben. Seine Hauptwerke sind:
1) „Storia della musica,** tom. I. Bologna 1757, tom. IL 1770, tom. m.
1781. Im ersten Band geht er bis Adam zurück, behandelt die Musik
bei den Hebräern, Chaldäem u. andern orientalischen Völkern u. bei
den Egyptem; der IL u. ni. verbreitet sich über die Musik der
Griechen. Leider erschien der IV. Band dazu nicht mehr; denn auch
Mattei, dem er die Materialien dazu hinterliess, gab ihn nicht heraus.
2) „Esemphire ossia saggio fondamentale pratico di eontrappunto sopta
il canto fermo,'* Bologna 1774*-75. 2 voL Der 1. Band bezieht sich
anf den Kontrapunkt über den Choral, der 2. behandelt den f^erten
Kontrapunkt. Darin befinden sich die besten Beispiele aus den Werken
von Palestrina, Porta, Morales, Animnccia u* a. In Anmerkongen
Marx — Mastiaux. 175
fügt er wertvolle Erklärungen u. gelehrte Andeutungen bei. 3) ,»£egole
per gli organisti per accompagnare il canto fermo," (Bologna) u. noch
mehrere kleinere Schriften.
Marx, Adolph Bernhard, geb. den 27. Nov. 1799 zu Halle,
Sohn eines Arztes, trieb schon frühzeitig Musik, im Generalbass unter-
wies ihn der berühmte Türk. Nachdem er einige Zeit der Juris-
prudenz gedient hatte u. als Beferendar nach Berlin versetzt worden
war, gab er dem iimem Drange nach u. weihte sich ganz der Ton-
kunst. Längere Zeit erteilte er musikalischen Unterricht, 1823 über-
nahm er die Redaktion der Berliner Musikzeitung, 1830 wurde er als
Professor der Musik an der Berliner Universität u. zwei Jahre darauf
als Musikdirektor an derselben angestellt. Die Universität Marburg
verlieh ihm das Doktordiplom. Als Lehrer wie als Schriftsteller ist
Marx ausserordentlich anregend u. geistvoll, doch liebt er alles in
die Breite zu ziehen und ästhetisierend manches über die prosaische
Wahrheit hinaufzuschrauben. Er starb am 17. Mai 1866. — Von
seinen Werken sind anzuführen: ,J)ie Kunst des Gesanges" Berlin,
1826; „Über Malerei in der Tonkunst,'* ebenda 1828; „Die Lehre von
der musikalischen Komposition,*^ 4 Bde., Leipzig 1837—1845
(L Teü 7. Aufl. 1868); „Allgemeine Musiklehre,** Leipzig, 1839
(8. Aufl. 1868); ,JiUdwig van Beethoven, Leben u. Schaffen,** 1859 u.a.
Viele Aufsätze lieferte er in musikal. Zeitschriften u. in Schilling's
„Universallexikon der Tonkunst.** Auch einige Oratorien u. andere
Musikstücke schrieb er.
Masi, 1) Feiice, geb. zu Pisa, trat Mhzeitig in denMinoriten-
orden, 1753 ward er Sänger der päpsü. Kapelle u. zuletzt Kp.-M. an
der Zwölf-Aposl^lkirche in Bom. Er starb am 5. April 1772 u. hinter-
liess viele Kirchensachen in Mskr.
2) Oiovanni M., in der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. Kp.-M. an
der Kirche S. Giacomo de* Spagnuoli zu Bom. (Messen, Motetten etc.)
Masini, Antonio, ein Tonsetzer der römischen Schule, geb.
1639, starb am 20. Sept. 1687 als Kp.-M. zu St. Peter im Vatican.
(Motetten, Psalmen.)
Massaini, Tiburzio, geb. zu CJremona in der ersten Hälfte des
16. Jhdts., Augustinermönch, war um 1592 Kp.-M. an der Kirche S. Maria
del Popolo in Bom, in welchem Jahre er nach Prag in die Dienste des
Kaisers Budolph 11. berufen wurde; bald jedoch kehrte er wieder nach
Bom zurück. (Motetten, Psahnen, mebrchörige Kirchenstücke.)
MassenziOi Domenico, geb. zu Bonciglione im Earchenstaate,
war zuletzt Kp.*M. am Professhause der Jesuiten in Bom. Von 1612
bis 1643 erschienen von ihm Motetten, Psalmen, Litaneien n. a. m. in
Bom im Druck.
Mastianx, Caspar Anton Freiherr von, geb. am 3. März
1766 zu Bonn, studierte daselbst u« in Köln, promovierte 1786 zu
176 Mattheson — Mayerl.
Heidelberg als Dr. Jur. u. erhielt im nftmliehen Jahre ein Ejunonikat zu
Angsbiirg. 1789 ward er zu Köln znm Priester geweiht, 1790 zu Born
zum Dr. Theol. befördert u. als Ehrenmitglied mehrerer Akademien
u. gelehrten Gesellschaften aufgenommen; seit 1797 fungierte er als
Domprediger zu Augsburg, bis nach Auflösung des Domkapitels 1803
die Bemfang als Landesdirektions-Bat ihn zuerst nach Ulm, dann
nach München fahrte ; hier ernannte ihn der König später zu seinem
wirkl. geheimen Bat. Bald musste er sich jedoch wegen geschwächter
Gesundheit Ton den öffentlichen Geschäften zurückziehen, u. beschäftigte
sich dann mit gelehrten Arbeiten sowohl im litterarischen als musi-
kalischen Fache. Eine der ersten Früchte dieser seiner Thätigkeit
war das „kathol. Gesangbuch** (3 Bde., München 1810); 1818 setzte
er die „kathol. Litteraturzeitung" (ehemals yon Felder redigiert)
fort u. erwarb sich mit noch anderen Schriften einen geachteten Namen.
An musikalischen Schriften seien erwähnt ausser obigem Qesangbuche :
„Vollständige Sammlung der besten alten u. neuen Melodien hierzu"
8 Hefte (Leipzig u. München 1812—19); „Über Choral u. Kirchen-
gesänge'* (München 1813): „G^esangbuch der Elementarschulen in
München" (Landshut 1817). Er war ein gewandter Komponist und
arbeitete auch einige Messen u. Motetten aus. Hochgeehrt starb er
an einem Schlagfluss am 12. Dez. 1828.
Mattheson, Johann, Litterator, berühmter musikalischer Schrift-
steller, auch Sänger, Komponist, Klavier- u. Orgelvirtuos, geb. zu
Hamburg den 28. Sept. 1681, gest. den 17. April 1764, war eine rüstige
Arbeitskraft; neben seinen Staatsgeschäften arbeitete er unendlich viel
für die Tonkunst durch Schriften u. Kompositionen. (Von seinen
Schriften sind 88 im Druck erschienen, beinahe zweimal soviel hat er
im Mskr. hinterlassen.) Von den Schriften sind zu nennen: „Das neu-
eröffiiete Orchester*' 1713; „Das beschützte Orchester** 1717; „Grosse
Generalbassschule'* 1730; „Der vollkommene Kapellmeister** 1739 u. v. a.
Dass es darin mit der Gründlichkeit nicht immer so bestellt ist,
wie es sein sollte, lässt sich denken; seine polemischen Schriften aber
stossen durch den groben, klotzigen Ton, wo oft der Gegner nur mit
Machtsprüchen niedergeworfen wird, ab, auch seine übrigen Schriften
ermangeln dessen nicht. Doch sind seine Schriften von höchstem
Werte für die Erforschung der Musikgeschichte seiner Zeit.
Maudnit, Jaques, ein franz. Tonkünstler, geb. den 16. Sept. 1557
zu Paris, gest. den 16. Aug. 1627 daselbst, bekleidete eine Stelle am
königl. Hofe u. hinterliess viele Kirchensachen.
Mayerl, Anton von, geb. zu Bozen, starb 1869 als Privatier zu
Innsbruck. Von Jugend auf mit der lebhaftesten Empfänglichkeit für
schöne Kunst begabt, wurde er in Brixen Schüler Ladumer's, welcher
ihn mit Strenge im Klavierspiel an Studium u. vollendete Genauigkeit
im Vortrage gewöhnte. Am meisten wirkte jedoch des Ästhetikers
Mayr -^ Mazzoochi. 177
Alois Flir Kunstbegeisterong auf ihn ein, Dentsehe, lateinische u.
griechische Litteratür, Musik vom Palestrinastyl bis zu Beethovens
Symphonien u. Liszt's Dichtungen beschäftigten seinen Künstlergeist
unablässig. Bald trat er auch selbst als Eompositeur auf — seine
ungewöhnliche Bescheidenheit hielt ihn aber stets in der Verborgenheit.
Was er in Italien durch eifrigstes Selbststudium, in München besonders
als Schüler von C. Ett gewonnen u. ersonnen, das verarbeitete er meist
in Bozen zu wahren Kunstwerken. Ein Miserere im Palestrinastyl, ein
solches als Oratorium mit Orchester, ein wunderschönes „Stabat mater^*
für Frauenstimmen u. Streichinstrumente (mit Klavierbegleitung im
Druck erschienen), ein grosses Oratorium „Der Fremdling auf Qolgatha,*'
u. der 6. Psalm f. Mezzosopran mit Klavier sind seine bedeutendsten
Werke — aber sämtlich Manuskript; klassische Buhe u. Formen-
sohönheit, fliessende, edle Durchführung u. hoher Gedankenadel zeichnen
diesen grössten, aber am wenigsten bekannten tirolisdien Meister aus,
der zugleich eine Menge von Schülern mit Liebe fär Musik, Litteratur
und schöne Kunst begeisterte.
Mayr, Simon, geb. zu Mendorf bei Ingolstadt in Bayern am
14. Juni 1763, eignete sich schon frühzeitig bei grossem Musiktalente
eine bedeutende Fertigkeit im Gesänge u. auf einigen Instrumenten an.
Nachdem er eiu paar Jahre auf der Universität Ingolstadt verlebt
hatte, beschloss er, sich ganz der Musik zu widmen. In Bergamo nahm
er bei Lenzi, später in Venedig bei Bertoni, Kp.-M. an der Markus-
kirche« Unterricht; das eigentliche Tonwissenschaftliche, den Kontra-
punkt u* dgl. eignete er sich mehr durch Selbststudium an. Anfangs
sduieb er nur Kirchenstttcke u. Oratorien, später arbeitete er lange
Zeit nur für die Bühne. 18Q2 wurde er als Kp.-M. an der Kirche
St. Maria Maggiore in Bergamo angestellt, welches Amt er bis an sein
Lebensende bekleidete. 1805 übernahm er das Direktorat der öffent-
lichen Musikschule in Bergamo u. stiftete 182^ mit mehreren Musikern
die MUnione filarmonico" zur Vervollkommnung der Musik, nachdem er
1809 eine milde Anstalt für erwerbsunfähige Musiker u. ihre Familien
gegründet hatte. Von 1816 an hörte er auf für die Bühne zu arbeiten.
Hochbetagt starb er am 2. Dez. 1845. Neben ungefähr 47 Opern,
9 Oratorien, 14 Kantaten u. andern weltlichen Stücken schrieb er noch
sehr viele Kirchenstücke mit u. ohne Instrumentalbegleitung; auch
mit musikalisch - theoretischen Arbeiten hatte er sich sehr viel be-
schäftigt.
MaxEOOchi, Domenico, ein Tonsetzer der römischen Schule,
Bechtsgelehrter, geb. zu X)ivita-Castellana am Ende des 16. Jhdts.,
brachte den grössten Teil seines Lebens in Bom zu. Gedruckt sind
von seinen Kompositionen Motetten, andere Kirchensachen u. Madrigalen.
Er war der erste, der sich der Crescendo- u. Decrescendo-Zeichen
bediente.
KonmaU«r, L«iikoB. II. Bd. 12
178 Mazzoni — Meister.
Ein jüngerer Brader von ihm, Virgilio M.^ war yon 1628—29
Kp.-M. an S. Johann im Lateran zu Born, daranf solcher zu S. Peter
im Vatikan u. starb 1646. Er etablierte eine Musik u. Gesangschule
in Born, soll in die Kirchenmusik einen etwas glänzenderen u. leben-
digeren Styl eingefOhrt u. auf einen regelmässigeren musikalischen
Bhjrthmus gesehen haben. (4- und dstimm. Motetten).
Maszoni, Antonio, geb. zu Bologna um 1725, ein Schüler
Predieri's, arbeitete hauptsächlich für die Bühne, bis er, nach längerem
Aufenthalte in Spanieut Bussland, Dänemark u. Schweden 1770 als
Kp.-M. an der Kirche S. Petronio in Bologna angestellt wurde, als
welcher er auch für die Kirche mehreres komponierte. Er starb im
letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts.
MeKerle, Abraham, geb. den 9. Febr. 1607 zu Wasserburg,
zeichnete sich durch tiefe musikalische Kenntnisse u« tüchtiges Orgel-
spiel aus. Zum Priester geweiht wurde er 1640 als Kp.-M. am Dome
zu Konstanz angestellt u. nachgehends wirkte er zu Salzburg. 1655
wurde er, vom Kaiser Ferdinand IIL in den Adelsstand erhoben,
Kanonikus zu Altötting, wo er am 29. Mai 1680 starb. Er hinterliess
an 1486 Kompositionen teils im Druck, teils in Mskr. („Anohora
salutis'' München 1664; ,^Ara musica seu tres tomi Offertoriomm**
von 1—10 Stimmen mit Instrumenten, Salzburg 1674; „Psalmodia**
München 1657 u. dgl.)
Meit Orazio, geb. zu Pisa 1719, ein Schüler des berühmten
Clari, wurde nach Beendigung seiner Studien Organist am Dome zu
Pisa u. 1763 Kp.-M. in Livomo, wo er 1787 starb. Er schrieb unter
anderm viele Kirchensachen*
Meibom, Markus, ein gelehrter Philolog, geb. 1626 zu Tönningen
in Schleswig, beschäftigte sich vorzüglich mit der Musik der Alten
u. gab 1652 zu Amsterdam „Antiquae musicae autores Septem Graece
et ktine'* 2 Bände, heraus. Er starb 1711 zu Utrecht u. hinterliess
noch einige andere Schriften über alte Musik.
Meister, Severin, geb. 23. Okt. 1818 zu Königstein am Taunus,
besuchte das Lehrerseminar zu Jdstein von 1835—37, wirkte von
1837-42 als Lehrgehilfe u. Organist in Montabaur, bis 1849 als Lehrer
in Wiesbaden u. seit November 1851 als Musiklehrer am Schullehrer-
seminar zu Montabaur bis zu seinem Tode, 30. Sept. 1881. Als Musik-
u. Qesanglebrer wirkte er sehr tüchtig, seine Orgelkompositionen haben
ihm einen wohlverdienten Buf erworben. Weit bekannt aber ist sein
Name geworden durch sein epochemachendes Werk „Das deutsche
Kirchenlied in seinen Singweisen^* (1862, Freiburg i. Br. bei Herder),
dessen zweiten Band zu voUenden ihm nicht mehr gegönnt war
(den 2. Band edierte W. Baümker (s. d.), welcher auch den 1. Band
umarbeitete.)
Melani — Mersenne. 179
MalanU Alessandro, geb. zu Pistoja, war 1660 Ep.-M. an
St. Petronio zu Bologna, 1667 in Born an der Kirche S. Maria
Maggiore, 1672 kam er als solcher an die von S. Lnigi de'Francesi.
(Viele Eirchensachen, besonders anch für 3 nnd 4 Chöre.)
Malgaz oder Melga^o, Diego Dias, ein portngis. Mönch, geb.
zu Cnbao den 11. April 1638, starb am 9. Mai 1700 als Kp.-M. an
der Kathedrale zn Eyora. Er hat im Mskr. geschätzte Eirchensachen
hinterlassen.
Melle oder Mal, Binaldns del, geb. zn Schlettstadt in Lothringen,
ein Eomponist des 16. Jhdts., war nm 1588 Mnsikns in Diensten des
Eurfürsten Ernst von Eöln n. Ep.-M., um 1595 Dom-Ep.-M. zu Sabina
im Eirchenstaate. (Sacrae cantiones, mehrere Bficher 6— dstimmiger
Motetten u. a.)
Mendelssohn-Bartholdy, J. L. Felix, geb. 3. Febr. 1809 in
Hamburg, gest. 4. Nov. 1847 zu Leipzig, zählt zu den ausgezeichnetsten
Eomponisten der Neuzeit, der mit schöpferischem Genius eine sehr
grosse Anzahl Werke jeder Musikgattung der Öffentlichkeit übergab.
Nach mehreren grossen Beisen durch Deutschland, England u. Italien
übernahm er 1833 die Stelle eines städtischen Musikdirektors zu
Düsseldorf, wo er auch in der katholischen Eirche dirigierte u. dabei
Anlass nahm, sich mit der alten klassischen Eirchenmusik bekannt zu
machen. Schon 1835 zog er nach Leipzig, übernahm die Direktion der
Gewandhauskonzerte u. verblieb daselbst bis zu seinem Tode, ohne
den Bemühungen Eönigs Friedrich Wilhelm IV., ihn nach Berlin zu
ziehen, statt zu geben. 1842 wurde er zum k« Generalmusikdirektor
ernannt. An ihm wird auch noch eine seltene Direktionsbegabung u.
eine umfassende musikalische Bildung gerühmt. Neben grossen Orchester*
werken, Oratorien, Opern u. a. sind besonders hervorzuheben seine
Orgelsonaten, Sprüche, Psalmen u. Motetten (deutsche Texte), Chöre
u. Lieder. Bemerkenswert sind noch seine Beisebriefe von 1830—32,
2 Bde. (1861), worin er auch treffliche Urteile über die Eirchenmusik
in Bom kund giebt.
Mendes, Manoäl, ein portug. Eomponist u« Musikschriftsteller,
geb. zu Evora um die Mitte des 16. Jhdts., starb als Ep.-M. daselbst.
Er hatte tüchtige Schüler gebildet u. verschiedene Eirchenstücke nebst
einem Traktate über Eirchengesang hinterlassen.
Mersenne, Maria, ein gelehrter Minoriten-Mönch, geb. zu Oyse
(im Maine) den 8. Sept. 1588, trat in diesen Orden 1611 u. kam dann
behufs seiner weitem Ausbildung nach Paris. Seine vorzüglichste
Thätigkeit widmete er umfassenden wissenschaftlichen Studien, haupt-
sächlich der Musik u. unternahm zu diesem Zwecke dreimal eine
Beise nach Italien. Er starb am 1. Sept 1648. Unter seinen Schriften
haben auf Musik Bezug: „La y6rit6 des Sciences** Paris 1625; „Trait6
de rharmonie universelle etc." Paris 1627; „Questions harmoniques**
12*
180 Morula — Mettenleiter.
1634; sein Hauptwerk ist: „Hannonie universelle, cont6nant la th^rie
et la pratiqne de la mnsiqiie etc/' Paris 1636, eine Fandgmbe der
MSgedehntesten Gelehnamkeit.
Menda« Tarqninio, geb. zn Bergamo, war am 1625 Ep.-M. an
der Kathedrale daselbst. (Motetten, Messen, Psalmen, Kantaten n. a.)
Memio, Claudio, ein berOhmter Organist u. Tonsetzer des
16. Jhdts., damals bekannter nnter dem Namen Claudio di Correggio,
seiner Vaterstadt, wo er 1533 geboren war, hatte von Donati musi-
kalischen Unterricht empfangen u. wurde 1557 Organist an der St.
Harkuskirohe in Venedig. 1586 trat er als Hoforganist in die Dienste
des Herzogs yon Parma, wo er am 4. Mai 1604 starb. (Messen,
Motetten, Madrigalen, Toccaten u. Bicercari fOr die Orgel etc«) Seine
Bedeutung liegt in seinen Orgelkompositionen.
Mettenleiter, Bernhard, geb. 25. April 1822 zu Wallerstein,
absolvierte die Lateinschule u. das k. Schullehrerseminar zu Dillingen
n. bildete sich in der Musik unter Anleitung seines Vaters u. seines
Onkels Joh. Georg M. zu Begensburg weiter aus, namentlich wurde
er durch dieselben in die ältere Kirchenmusik eingeführt. Nachdem
er Ton 1844 an als Lehrer u. Chorregent in Qünzburg u. Memmingen
gewirkt hatte, erhielt er 1856 die Stelle eines Stiftschorregenten u.
Musikdirektors am k. Gymnasium zu Kempten, wo er gegenwärtig
noch thätig ist. 1868 ward er in's Beferentenkollegium des Cäcilien-
yereins gewählt u. 1871 als Präses des DiOzesan-Oäcilienvereins Augs-
burg aufgestellt 1882 wurde ihm von Sr. Maj. dem König von Bayern
das Bitterkreuz 11. Kl. des k. Verdienst - Ordens vom hl. Michael
verliehen. Von seinen Kompositionen sind in Druck erschienen
(u. sämtlich in den Cädüen-Vereinskatalog aufgenommen): 8 Messen,
meistens mit Instrumentalbegleitung, 1 Bequiem, 1 Te Deum, 5 Vespern,
4 Pange lingua, marian. Antiphonen, 2 Charfreitagsmusiken; ausser
diesen speziell kirchlichen Werken noch 2 Cantaten u. Transskriptionen
vorzüglicher Tonwerke für das Harmonium. Auch schrieb er ein
Bflchlein ttber „die Behandlung der OrgeP* u. ein sehr gutes Lehrbuch
des Harmoniumspieles. In Mskr. existieren noch viele kirchliche u.
weltliche Kompositionen.
Mettenleiter, Dominik, Dr. Phil, et TheoL, Bruder des Joh.
Georg M., geb. am 20. Mai 1822 zu Thannhausen in Württemberg,
mit vorzüglichen musikalischen Anlagen ausgestattet, kam 1835 nach
Regensburg, wo er seine Studien fortsetzte u. den 15. Juli 1846 die
Priesterweihe empfing. Seit 1850 bekleidete er eine Vikariatsstelle am
Kollegiatstiffce zur alten Kapelle daselbst, welche Stelle er bis zu seinem
Tode inne hatte. Nachdem er schon als Gymnasiast durch sein Klavier-
u. Orgelspiel eine hervorragende Stellung eingenommen hatte u. an
der Hand seines Bruders u. des Kanonikus Dr. C. Proske in die
Tiefen der Musikwissenschaft u. die Kunst der alten Meister ein-
Mettenleiter. 181
gedrungen war, wendete er als Ghorvikar fast seine ganse Kraft u.
Zeit der Musik zu. Hit seinem Bruder arbeitete er das Orgelbnch
zum „Enchiridion Choräle" aus, komponierte selbst Motetten o. liedeTi
schrieb eine Unzahl yon musikalischen u. andern Artikeln in eine
Menge yon Zeitschriften u. stand mit allen bedeutenderen Männern
der Tonkunst in Deutschland in brieflichem Verkehre. Ungemein thätig
{auch die theologische und ascetische Litteratur bereicherte er mit
mehreren Werken) versagte er sich oft die notwendige Leibesbewegung
u. brachte dadurch seinen ohnehin schwächlichen Körper in einen
Schwächezustand, der alsbald sein Lebensende herbeiführte, den 2« Mai
1868. Ln Jahre 1864 erhielt er den ehrenyollen Auftrag, eine
Geschichte der Kirchenmusik in Bayern seit den ältesten Zeiten bis
zur Neuzeit zu bearbeiten, welches Werk leider in den Vorarbeiten
schon durch seinen Tod unterbrochen wurde. Doch konnte er von
diesen Vorarbeiten noch manches zum Druck befördern, so die „Musik-
geschichte der Stadt Begensburg" (Begensburg, Bössenecker 1866);
„Musikgeschichte der Oberpfalz" (Amberg, Pohl 1867); einiges ver-
öffentlichte er in der „Musica" (L und IL Heft. Brixen bei Weger,
1866, 1867) u* im „Orlando Lasso" (ebenda) Femer gab er heraus:
,,Fassliche u. praktische Grammatik der katholischen Kirchensprache*'
(Begensburg, Bössenecker 1865, eigentlich y. Th. Mssl, 2. Aufl. 1868),
„Vergangenheit, Gegenwart u. Zukunft der Musik" (ebenda), „Philomele,
musikalisches Taschenbuch'* (1866, 1868, Begensburg und Brixen),
„ Joh. G« Mettenleiter. Ein Künstlerbild" (Brixen 1866) u. „Carl Proske'*
(Begensburg 1868). Von seinen Kompositionen erschienen nur einige
Lieder (aus Chr. y. Schmid's Werken) in Druck; als Mskr. werdoi
namhaft gemacht: „Der Hymnus des hl. Casimir'* in 30 Gesängen zu
1^8 Stimmen, die sämtlichen Offertorien des kath. Kirchenjahres zu
4 Stimmen; 4 Motetten, ein kleines Oratorium: „Das Kreuz auf
Golgatha'* für Gesang u. Orchester.
Mettenleiter, Johann Georg, Sohn eines Schullehrers zu St.
Ulrich im Leonthal (Württemberg), geb. den 6. April 1812, zum Schul-
fache bestimmt, bildete sich seit 1824 unter Leitung seines Onkels,
fürstl. Wallerstein'schen Sekretärs u. Ghorregenten, in den deutschen
Lehrgegenständen u. praktischer Mudk, sowie in den Anfangsgründen
der lateinischen u. französischen Sprache, u. in dem lithographischen
Institute seines Onkels im Zeichnen aus. Am 27. Dez. 1832 yon einer
sehr gefährlichen Unterleibskrankheit befallen, aber doch wieder ge-
nesen, komponierte er zum Danke teils für Erhaltung seines Lebens,
teils für Befreiung von der Militärkonskription im Frülgahie 1833
die ersten 10 Textstrophen des „Stabat mater" für Gesang und
Instrumente. Im Jahre 1836 yon der fürstlicben Standesherrschaft
Wallerstein mit dem Bürgerrechte im Markte Wallerstein beehrt, ward
er noch im selben Jahre als bayrischer Staatsbürger aufgenommen,
182 Mettenleiter.
worauf er bis 5. Febr. 1837 im k. SchoUehrerseinmar zu Bamberg*
seine fernere Ansbildmig: mit yorzfiglichem Fleiüse verfolgte. Am
20. Febr. desselben Jahres ward er definitiv man Chorregenten an der
katholischen Stadtpfarrkirche St. Sebastian an Oettingen bestellt; zwei
Jahre spftter, 6. Okt 1839, ernannte ihn das EoUegiatstiftskapitel zn
U. L. Frau znr alten Kapelle in Begensbnrg znm Ghorregenten n.
Organisten an genannter Stiftskirche, in welcher Stellung es ihm ge-
lang, seiner Neignng, ins Verstftndnis der alten Kirchenmusik voll-
kommen einzudringen, zu gentigen. Besonders an der Hand des
Dr. Proske, des ausgezeichneten Musikgelehrten, entwickelte sich
Hettenleiter zum grossen Meister der Technik in kontrapunktischer
Kirchenmusik u. zum ganz besonderen Kenner des gregor. Chorals in
seiner ganzen Ausdehnung. Er besass aber auch grosse Kenntnis der
weltlichen Musik u. hatte in allen Kompositionsgattungen sich ak
Meister bewährt. Dankbar wird B^gensburg noch lange der vortreff-
lichen durch ihn bewerkstelligten Aufftihmng der klassischen Oratorien,
welche er gründlichst studiert hatte, gedenken, — so führte er auf: ä&s
Alexanderfest, Messias, die Makkabäer von Händel; David penitente
von Mozart; Klias und Paulus von Mendelssohn; das Weltgericht von
Schneider; die Schöpfung u. die vier Jahreszeiten von J. Haydn, neben
andern klassischen Pieren.
Im Febr. 1851 befiel ihn wiederholt eine lebensgefährliche Krank*
heit; aus Dankbarkeit für die Errettung komponierte er den 44. Psalm
für 5 Männerstimmen, welcher beim Sängerfest zu Passau seine erste
Aufführung iiuid. Vier Jahre vorher hatte er für das Sängerfest in
Begensbnrg den 95. Ps. fttr 6 Männerst. komponiert. Von seinen
fibrigenKompositionen— Motetten, geistl. Gesänge, Psalm „De profündis*'
— ist bisher nur eine Lieferung: „Cmx fidelis** 2ch5rig mit Posaunen
(Brixen bei Weger, 1868) im Druck erschienen. Sein bedeutendstes
Werk ist das unter den Auspizien des hochseligen Bischofs Valentin
von Begensbnrg edierte „Enchiridion Choräle," wozu die
Orgelbegleitung nur bis zum Commune Sanctorum gedieh. Ein für
Stndienanstalten eingerichteter Auszug des Enchiridion führt den Titel
„Manuale breve eantionum etc. Edidit J. G. Mettenleiter.^
Satisbonae. Pustet 1852.
Im Mai 1858 befiel ihn eine tödliche Unterleibskrankheit, welche
seinem Leben am 6* Oktbr. 1858 ein Ziel setzte. Seine Verdienste um
die Hebung der klrchl. Musik sind gross, er war der Erste, welcher mit
Dr. Proske ihre eigentliche Begeneration in Begensbnrg begann; seitdem
behauptete diese Stadt, namentlich der Domchor, der sich auch unter
seinem Einihisse umgestaltete^ einen der ersten Plätze in Bezug auf
katholische Kirchenmusik; viele Musiker, die unter seiner Leitung
standen, u. mehrere seiner Schüler trugen die Keime dessen, was
ihr Lehrer ausstreute, in weitere Kreise, u. wo die Werke der alten
Ketsch — Mitterer. 183
Tonmeister anf den katb. Chören, wenigstens in der Diözese Begensbnrg,
geehrt sind, kann man den Urspmng ihrer Pflege sehr hänfig auf
Mettenleiter znrückftlhren. Freundlich im Umgang, gefällig n. bereit,
jedermann die besten Aufschlüsse zu geben, war er in ganz Begensburg
angesehen u. beliebt
Metseh, P. Placidus, geb. 7. Jan. 1700 zu Wessobrun, Benedik-
tinermönch des Klosters Bott am Inn seit 1723, f 19. Juli 1778, war
ein vorzüglicher Organist, Er edierte im Stich: „Litigiosa digitomm
unio i. e. Praeambula organica cum fugis, Pars I et 11 " (Nürnberg
1759); „Organoedus ecdesiastico-aulicus, exhibens varios modulos"
(ebenda 1764).
MIchl, Joseph, geb. 1745 zu Nenmarkt in der Oberpfalz,
studierte im kurfürstlichen Seminar zu München die Wissenschaften, zu
Freising unter Gammerlocher zwei Jahre die Komposition, wurde dann
in München von Kurfürst Maximilian III. zum Eammerkomponisten
ernannt, u. lebte nach dessen Tode 1778 im Kloster Weihern, wo er
fleis^ig komponierte u. Kirchenmusiken dirigierte. 1803 kehrte er nach
Neumarkt zurück u. starb daselbst gegen 1810. Seine Kirchenwerke
sind jetzt verschollen.
Mieheli, B o m a n o , geb. zu Bom 1575, studierte die Tonkunst
unter Soriano u. Nanino u. erhielt nach seiner Priesterweihe eine
geistliche Pfründe an der Metropolitankirche zu Aquileja. 1625 kam
er als Kp.-M. an die Kirche S. Luigi de* Francesi.in Bom. Er wurde
über 84 Jahre alt. Seine Werke zeichnen sich durch eine stnpende
Kontrapunktik aus.
MilleTille, Alessandro, ein bedeutender Tonsetzer u. Organist
am Ende des 16. und Anfang des 17. Jhdts., war 1614 Kp.-M. zu
Volterra und später in Ferrara; dortselbst starb er 68 Jahre alt.
(7 Bücher 2-'68timm. Motetten, Sstimm. Messen, Psalmen, Litaneien,
Madrigale u. a.)
Mitterer, Ignaz, geb. 2. Febr. 1850 zu St Justina im Pnster-
thal, erhielt den ersten musikal. Unterricht von seinem Onkel, dem
Chorregenten Anton Mitterer daselbst, in Klavier- u. Orgelspiel unter-
richtete ihn der Pfarrer Bemh. Huber. Mit 12 Jahren kam er als
Singknabe in das Chorhermstift Neustift, wo er sich auf die Studien
vorbereitete u. schon im Komponieren sich versuchte. Wfthrend seiner
Studienzeit in Brixen (1363—75) war er in betreff musikal. Ausbildung
auf sich selbst angewiesen, studierte Harmonie u. komponierte sehr viel.
1867 lernte er den 1879 verstorbenen Karl Höllwarth kennen, welcher
ihn bezüglich der Kirchenmusik auf den rechten Weg brachte. Von
1868—71 leitete er den Gymnasialchor, von 1871—75 den Chor des
fürstbisoh. Priesterseminars. Nach der Priesterweihe, 26. Juli 1874,
versah er einen Seelsorgsposten, worauf ihn sein Bischof zur kirchen-
musikal. Ausbildung nach Begensburg sandte. Wiederum dann in
184 Mizler — Mohr.
der SeekKMTge yerwendet kam er 1881 als Kaplan in die Anima zu
Born; 1882 ward er als Dom-Ep*-H. nach Begensburg, 1885 als
Bomchormeister n. Chorregent nach Brixen bemfen, wo ihm andi
die Probstei von Ehrenbarg übertragen wnrde. An Kompositionen
erchienen im Druck: Sämtliche Besponsorien des tridnum saemm n*
fttr die Weihnachtsmette (Postet); 17 Messen, darunter Missa de Nativ.
6 vocum; de Ascensione, in Epiphania 5 voc. (Pawelek), primi toni
4 yoc. XL a.; Litaniae lauret. 5 toc. super cantum Brixiensem (Pustet);
die leichteren Stücke sind enthalten in der „Musica ecclesiastica," Ton
welchen ca. 63 Hefte bei Pawelek erschienen sind; eine Kantate
„Der Tod des grossen Pan** für Männerchor u.. Orchester (Leipzig,
Licht it Meyer); femer edierte er „Die wichtigsten kirchl Vorschriften
fär kathol. Kirchenmusik'* (Begsbg., Coppenrath, 1885), eine Prakt.
Ghorsingschule, ein instr. Te Deum, ein instr. Requiem, ISMagnificat,
eine 58timm. Festmesse etc., (alles bei Pawelek in Begensburg.)
Mister, Lorenz Christoph, geb. d. 25. Juli 1711 eu Heiden-
heim im Anspachischen, widmete sich neben eifrigem Betrieb der Musik
suerst der Theologie, dann der Jurisprudenz und Medizin, auch las
er von 1736 an zu Leipzig als Privatdozent über Mathematik, Philo-
sophie u. Musik, in welch letzterer Kunst er sich ausgebreitete Kennt-
nisse erworben hatte. 1738 errichtete er mit dem (trafen Lucohesini
und dem Kapellmeister Bttmler eine „Korrespondierende Societöt der
musikalischen Wissenschaften,'* deren Sekretär er wurde. Hierbei gab
er eine periodische Zeitschrift: „Neu eröfi&iete musikalische Bibliothek"
heraus, in der das Meiste von Mizler's Hand ist. 1739 edierte er:
„Anfangsgribide des (Generalbasses.*^ Später wurde er zu Erfürt
Doktor der Medizin, u. in Warschau erlangte er das Adelsdiplom, Ton
welcher Zeit er sich M. von Kolof nannte, u. die Ernennung zum
Ho&at, kgl. poln. Leibarzt u. Historiographen. Er starb daselbst im
März 1778. Ausser den genannten Schriften erschienen von ihm noch
einige Dissertationen über Musik u. dgl. Auch den Gradus ad Pamassum
Ton Fuz übersetzte er in's deutsche.
Mohri Joseph, geb. 10. Jan. 1834 zu Siegburg bei Bonn, trat
nach Vollendung seiner Gymnasialstudien in den Jesuitenorden ein,
dem er ungefähr 30 Jahre angehörte. Seit den sechziger Jahren war
seine Thätigkeit darauf gerichtet, den kirchlichen Volksgesang zu
heben u. neu zu beleben, u. in dieser Beziehung hat er sich die grössteii
Verdienste erworben. Die Werke, welche er zur Erreichung seines
Zweckes herausgab, fanden eine weite Verbreitung, das Gesangbüchlein
«,Gftcilia" erlebte 23 Auflagen, das ^Gantate'' sogar 42» das „Manuale
isantorum*' 9; ausser diesen erschienen noch: Laudate Dominum;
Katholisches Gebet- und (^sangbuch; Gesang* und Gtobetbüohleiii;
Anleitung zur kirchl. Psalmodie; die Pflege des Volksgesangs in der
Kirche. War er zuerst auf eigene Forschung u. Sichtung angewiesen,
Molitor — Monte. 185
80 ward ihm zuletzt eine mächtige Unterstützung durch die Werke
▼on Dr. W. Baümker u. P. Dreyes. M. schloss sich ihren Bestrebungen
an, u. die Frucht davon war das „Psälterlein/* welches er mit einem
^^Quellennachweis" begleitete, u. welches sofort von den Diözesen Basel
n. Freiburg angenommen wurde. Hiermit hat er ein möglichst voll-
kommenes kirchliches Volksgesangbuch geschaffen, geeignet, allmählich
eine Einheit des kirchl. Yolksgesanges in Deutschland anzubahnen.
M. starb zu München am 7. Febr. 1892.
Molitor, Johann Baptist, einer der rührigsten u. thätigsten
Männer auf dem Gebiete der Bestauration der kathol. Kirchenmusik,
geb. 14. Nov. 1834 zu Stadt Weil in Württemberg, ward zu Schwäbisch-
Gmünd zum Lehrer ausgebildet u. gehörte 6 Jahre dem Schulstande an.
Von früher Jugend an mit dem Choralgesange vertraut, widmete er
sich seit 1862 ganz der Kirchenmusik, ward Organist an der Abtei-
kirche zu Beuron, 1866 Chorregent u. Musiklehrer am Gymnasium zu
Sigmaringen, wo er vom sei. Fürsten Karl Anton von HohenzoUem
sehr geehrt ward, u. die Beform der K.-Musik in Sigmaringen u. in
ganz HohenzoUem mit vorzüglichem Erfolge durchführte. 1882 erhielt
M. einen Euf nach Konstanz als Organist u. Chordirektor am dortigen
Münster u. im folgenden Jahre übernahm er noch die Musiklehrerstelle am
dortigen Gymnasium. Mit gewohnter Energie nahm er auch dort (u. für
die ganze Umgegend) die Beform der K.-Musik auf. Konstanz verdankt
M. auch die neue (elektrische) Chororgel von Weigle in Stuttgart.
M.'s Kompositionen sind grösstenteils für Landchöre berechnet: 8 Messen
(Pustet), 18 feierliche Vespern (Coppenrath), Commune Sanctorum
(Einsiedelu, Benziger), Te Deum (Pustet), „Das Kirchenjahr" (Eichstädt,
KröU), Kirchliche Gesänge, 3 Hefte (Düsseldorf, Schwann), Sammlung
weltlicher Lieder (Coppenrath) u. s. w. M. bearbeitete das „Benedicite**
Gesangbuch für die Erzdiözese Freiburg (Pustet).
Molitor, P. Fidelis, geb. 13. Juni 1627 zu Wyl, seit 1645 im
Cisterzienser-Kloster Wettingen (Schweiz), f 3. Okt. 1685 zu Magdenau,
war gerühmt als Organist und Komponist. Er edierte: Pregustus
musicus sen 23 Cantiones a voce sola cum duobus Violinis . . . noviter
in lucem datae. (Konstanz 1659); Motettae plurium vocum (Innsbruck
1659), Cantiones sacrae a sola voce cum duobus instrumentis (ibid. 1664).
Monferato, N a d a 1 , ein Geistlicher u. von 1676—1685, in welch
letzterem Jahre er starb, Kp.-M. an der Markuskirohe zu Venedig.
(Motetten u. konzertierende Psalmen).
Monte, Philipp de, geb. 1521 zu Mens im Hennegau, ein Schüler
OrL Lasso's, wurde 1568 von Kaiser Maximilian 11. zum Kp.-M. u. von
Rudolph II. zum Kanonikus u. Thesaurarius an der Metropolitankirche
zu Oambray ernannt. Er zählt zu den grössten niederländischen
Kontrapnnktisten des 16. Jhdts.; Kirchengesänge, Messen u. Motetten
186 Monteverde — Morelot.
von ihm sind zu Venedig n. Antwerpen im Brack erschienen. Er
starb 4 Juli 1603 in Wien.
MoHteverdef Gl audio, geb. 1568 zu Gremona, war zuerst
(nm 1604) Kp.-M. zu Mantna, von 1613 an solcher an der St Markns-
kirche in Venedig bis zu seinem Tode 1643. Besonders berühmt war
er durch seine Madrigale, in denen er den Grund zu einer weitem
Entwicklung der Tonkunst legte. Er yersuchte darin neue Accord*
kombinationen, führte Dissonanzen frei ein, bahnte eine bessere Ver-
schmeLznng des Wortausdrucks mit dem musikalischen an u. versuchte
eine Sonderung der Stimmungen u. Affekte auch in musikalischer
Beziehung. So leitete er eine neue Epoche der Musik ein u. streute
fruchtbare Keime aus, welche sich in der Folge so herrlich entwickelten,
der kirchlichen Kunst jedoch keinen Vorteil einbrachten. Er schrieb
auch für die Kirche Vieles u. Gutes (Messen, Psalmen etc), aber
brachte bei manchen derartigen Stücken schon seine Neuerungen in
Anwendung. Über sein Leben u. Schaffen s. „Vierte^ahrsschrift f.
Musikwiss.** HI. 1887. p. 316.
Morales, Gristoforo, ein der unmittelbaren Vorzeit Palestrina's
angehöriger Meister, war zu Sevilla Anfangs des 16. Jhdts. geboren.
An der dortigen Kathedrale reifte er zu einer Zeit, wo die spanische
Musikbildung bereits einen hohen Standpunkt erreicht hatte, zu solcher
Meisterschaft heran, dass er sich nach Paris begab, daselbst eine
Sammlung kunstvoll gearbeiteter Messen veröffentlichte, hierauf sein
Ziel in Born verfolgte, wo er bereits 1540 in das sixtinische Sänger-
kollegium angenommen wurde und eines hohen Ansehens genoss.
Daselbst vollendete er die Mehrzahl seiner Kompositionen, welche im
Styl edel, würdevoll, oft von solcher Innigkeit n. Gtemütstiefe durch-
drungen, wie kaum bei einem andern Meister, an vielen Stellen die
später von Palestrina vollendete Beform des reinen Kirchenstyles
glücklich vorbereiteten. Sein Todesjahr ist nicht bekannt, wahrscheiiüich
starb er zu Born.
Morandi, Pietro, geb. 1761 zu Bologna, ein Schüler des P. Mar-
tini, war Kp.-M. zu Ancona (um 1812), u. komponierte viele Kirchen-
sachen.
Morelot, Stephan, geb. den 12. Jan. 1820 zu Dijon, machte
zuerst juristische u. musikalische Studien, ging dann nach Paris, wo
er die von Danjou 1845 gegründete „Bevue de la musique röligieuse
etc." mitredigierte; 1847 machte er eine musikalisch-wissenschaftliche
Beise nach Italien, deren Besultate in Goussemaker's „Histoire de
l*hai3nonie. au.moyen-äge" angenommen sind. Von 1848 an lebte er
teils in Paris, teils in Di^jon, ging 1858 nach Bom^ empfing dort die
Priesterweihe, wurde zum Ehrenmitglied der päpstlichen Akademie
^,Gäcilia*' ernannt u. kehrte nach einer Beise in den Orient wieder
nach D^'on zurück. Ausser vielen in verschiedene Zeitschriften ge-
Monton — Mozart. 187
lieferten Abhandlungen sind von ihm zu nennen: „Manuel de Psal-
modle en fkuz-bourdons ä 4 voix^* (Avignon 1855); ,J)e la mnsiqn&
en XV. si^cle. Notices snr nn manoscrit de la Bibliothöqne de Dyon**^
(Paris 1856) n. das yortreffliche Buch „Elements d*harmonie appliqn6s
4 Taccompagnement du plain-chant d'aprös les traditions des anciennes
6coles" (Paris 1861).
Monton, Jean, einer der tüchtigsten Eontraponktisten des 16.
Jhdts., ebenfalls ein Schüler Josqnin's, wird von einigen fOr einen
Franzoseii, von andern für einen Niederländer gehalten; er soll Ep.-M^
am Hofe des Königs Franz I. von Frankreich gewesen sein. Von seinen
Messen, Motetten n. dgl. wnrde vieles durch Druck veröffentlichtt
manches befindet sich noch in Mskr. im päpstl. Kapellarchiv, auf der
Münchener Bibliothek u. in der Proske'schen Bibliothek zu Eegensburg.
Er starb 30. Okt. 1522.
Moiart, Wolfgang Amadäus, war geb. den 27. Jan. 1756
zu Salzburg u. zeigte schon im zartesten Alter hohe musikalische
Begabung, die sich durch den sorgsamen Unterricht seines Vater» ->
Leopold Mozart, Hofhiusikus des Fürst-Erzbischofs von Salzburg,
zu den trefflichsten Leistungen entwickelte. Als Knabe von noch nicht
12 Jahren ward er auf den Eunstreisen, die sein Vater mit ihm unter*
nahm, als ein musikalisches Wunder angestaunt u. hochgeehrt. 176^
ward er zum Konzertmeister in Salzburg ernannt, aber trotz alle dem
unt^liess er nicht, tüchtige Kompositionsstudien u. Übungen zu
machen u. fort.zusetzen. Seine Kunstreisen nach Italien benutzte er
aber auch noch zur hohem Ausbildung in seiner Kunst, besonders als
es ihm gelang, das schon lang ersehnte Bom zu sehen. Nach
mancherlei herben Schicksalen kündete er dem Fürsterzbischofe von
Salzburg seine Dienste (1781), u. beschloss fortan in Wien zu bleiben;
1784 wurde er zum kaiserlichen Kammerkomponisten ernannt. Der
Tod entriss ihn aber schon bald der Kuust und dem Leben am
5. Dez. 1791. Es genügen diese wenigen Andeutungen aus des grossen
Meisters Leben, da ausführliche Biographien desselben überall zur
Hand oder doch leicht zu erhalten sind. Seine Werke, die nie altem,
da sie Schöpfungen eines unerreichten Oenie's sind, — Opem, Sinfo*
nien, Quartetten, Quintetten, Sonaten, Konzerte u. dgl. — brauchen
keiner weitem Er^^nung, da sie in unzähligen Exemplaren verbreitet
sind; von seinen Kirchenkompositionen aber etwas zu sagen, ist hier
geboten* Sowohl in Salzburg als in Wien schrieb er für die Kirche,
Messen, Offertorien, Litaneien, Eequiem. Sind auch viele Partien
davon von ftcht kirchlichem Geiste und tieflreligiüsem, Sinne dureli-,
weht, 80 kann ihnen, im Allgemeinen gesprochen, doch das I^rftdikat
von kirchlicher Musik nicht zugestanden werden. Die kleinem Sachen,
oft nur Gelegenheitsstttcke, tragen das Gepräge der Zeit etwas an
sich, gleichwohl stehen sie hoch über den Produkten fast aller seiner
188 Müller.
Zeitfi:enossen in Bezog auf Inhalt und Technik. In den gfrösseren
Werken aber macht sich auch die Bttcksicht auf Brayonisänger und
Sängerinnen geltend, nnd kOnnen sie schon desswegen nicht kirchlich
genannt werden; wer die grossen Soli z. B. in seinen Litaneien kennt,
wird daran keinen Augenblick zweifeln. Seine gertthmteste Schöpfimg,
das grosse Bequiem, Ton welchem aber nur die ersten 3 Stücke seiner
Meisterhand angehören, trägt wohl einen tiefkirchlichen Ernst an sich,
doch neben dem überwiegt die subjektive Ausprägung der Gefühle m
sehr, um das auszudrücken, was die Kirche bei der Feier des Gottes-
dienstes für ihre abgestorbenen Kinder denkt u. fählt. Wenn auch
bei der Verwirrung bezüglich der Begriffe von kirchlicher u. welt-
licher Musik lange Zeit der Mozart- u. Haydnstyl als das Kunstideal
auch für die Kirchenchöre angesehen wurde, so kommt man denn doch
so ziemlich zur Einsicht, dass kirchliche Musik ihr Ideal nicht darin
finden kann. Es geschieht dadurch dem Meister keine Verkürzung
an seinem Buhme; denn es ist nicht zu fordern, dass ein Mensch
Vorzügliches und Mustergiltiges in so verschiedenen Gebieten, wie
Welt und Kirche sind, leiste, zumal in einer Periode, wo cße ganze
Zeitströmung dem Irdischen zugewendet war \C die Kirchenmusik von
der Autorität sich immer mehr loslöste. Unter allen Mozart-Biographien
ragt die von Otto Jahn (1856—59, 4 Bde., 2. Aufl. 1867, 2 Bde.)
glänzend hervor.
Müller, D 0 n a t , geb. den 3. Jan. 1804 zu Biburg bei Augsbursr,
kam nach dem Tode seines Vaters im Herbste 1816 als Domkapellknabe
nach Augsburg, wo Fz. Bübler sich seiner annahm u. ihm die Aufhahme
in's Gymnasium bei St. Anna bewirkte, das er 8 Jahre lang besuchte.
Mit seinem 16. Jahre verliess er das Kapellhaus, war aber im Orgel-
spiel schon so weit vorgeschritten, dass P. Matth. Fischer, einer der
tüchtigsten Organisten seiner Zeit, ihm die Orgel der Kirche zu hl.
Kreuz anvertrauen konnte. Sich darin vervollkommend fing er 1822
an, unter Leitung Bühlers, seines Gönners, u. später unter Valentin
Eöder die Komposition zu studieren. Bald begann er auch Kompor
sitionen isu veröffentlichen, lateinische n. deutsche Messen. 1826 erhielt
er die Organistenstelle an St. Max, 1837 die Chordirektion bei St.
Georg, endlich 1839 dieselbe bei St Ulrich u. Afra in Augsburg. Von
seinen zahlreichen Werken seien noch benannt: 1 Te Deum, mehrere
Vespern, Singfngen, lat. Messen; Litaneien de Nomine Jesu; 1 Oratorium
^J)er Tod Jesu;** mehrere Gradoalien u. Offertorien für gemischten
Chor, mit u. olme Orgel; 6 Messen für 3 u. 4stimm. Chor; Lieder zu
Schauspielen; Opern; femer „Der katholische Schullehrer," 4 Bde.,
(Augsburg); „Büchlein von der Kirchenorgel;" „Lehre des einfachen
Figuralsatzes." Viel Verdienst erwarb er sich noch durch Errichtung
einer öffentlichen Singschule.
Muffat — Muris. 189
MnfPat, Georg, geb. um die Mitte des 17. Jhdts., studierte die
Mnsik 2U Paris unter Lnlli, war darauf Organist zu Strassburg u
wanderte, durch den Krieg vertrieben, nach Wien. Er scheint dann
eine Ansteüung als Organist in Salzburg bekommen zu haben, da er
sieh in der Dedikation seines Werkes „Armonico tributo" „Organist^
e ajutante di camera di S. A. Km«" (des Erzbischofs Max Gandolph,
Orafen von Kuenburg f 1687) nennt u, zugleich erwähnt, dass ihm
durch dessen Qunst die Beise nach Rom erm()glicht geworden. Zwischen
1687 u. 1690 kam er nach Passau, da im Taufbuch der Dompfarrei der
25. April 1690 als Geburts- u. Tauftag seines Sohnes Gottlieb
(Liebegott) eingetragen ist. 1695 ernannte ihn der Bischof J. Philipp
von Lamberg zum Kp.-M. u. Vorstand der Singknaben am Passauer
Dom, welche Stelle er bis zu seinem Tode — den 23. Febr. 1704 —
bekleidete. — Unter seinem Namen sind 2 Teile „Florilegium," Stücke
fUr 4—5 Violinen mit Basso cont. (Augsburg 1695, Passau 1698) ediert
Im zweiten Teile erzählt er die Hauptumstände seines' Lebens, Femer
erschien „Apparatus mus. organisticus'* 12 Toccaten für die Orgel
enthaltend, (Augsburg 1690), u. „Armonico tributo," 5 Kammersonaten
(Salzburg 1682). Ln Mskr. hinterliess er ein Werk, welches F6tis
„Becueil d*observations relatives ä la musique'* betitelt.
Sein Sohn Gottlieb M. kam nach des Vaters Tode nach Wien
u. wird von 1711—1717 unter den Hofscholaren genannt; daselbst
genoss er den Unterricht des bertthmten E.-Meisters Fux. Am 3. April
1717 wurde er zum Hoforganisten ernannt, welche Stellung er bis zu
seiner Pensionierung 1763 inne hatte. Er starb 10. Dez. 1770. Im
Druck veröffentlichte er „72 Versetl samt 12 Toccaten, 1726" und
„Gomponimenti Musicali per ü Cembalo" (Augsburg 1735), welche
beide Werke seine grosse Meisterschaft bezeugen.
MfiHStor, Joseph Joachim Bened ikt, in der ersten Hälfte
des vorigen Jhdts. Notar u. Musikdirektor zu Beichenhall in Ober-
bayem, gab 2 theoret. Werke heraus : „Musices instructio etc." und
„Scala Jacob ascendendo et descendendo etc." Auch komponierte er
mehreres fttr die Kirche.
MnriB, Johann de, einer der bertthmtesten Musiktheoretiker
des 14. Jhdts., von dessen näheren Lebensumständen man keine
Kenntnis hat, schrieb in seinem Greisenalter einen w^tläuflgen Traktat
Über die Musik „Speculum musicae" in sieben Büchern, worin er einen
ungeheueren Schatz von historischen u. musikalischen Kenntnissen
niedergelegt hat. Dr. Bob. Hirschfeld („Johann de Muris. Seine
Schriften und seine Bedeutung*' Leipzig, Breitkopf & Härtel 1884)
nennt das Werk eine Streitschrift gegen die ars nova, deren begei-
stertster Verfechter Philipp von Vitry war, u. sucht Muris' hohe Be-
deutnng darin, dass er bestrebt war, die Beinheit der Tonkunst u.
ihrer Praxis zu wahren u. der Übersttirzung der Neueren zu wehren^
190 Murschbauser — Naldini.
OoQssemaker veröffentlichte (Script, ü. 193-433) das VI. n. V^. Buch
dieses Werkes, welches sich auf der Pariser Nationalbibliothek in zwei
Handschriften vorfindet; von den übrigen giebt er blos das Inhalts-
verzeichnis. Alle übrigen bei Gerbert n. Conssemaker unter dem
Namen Johann de Muris edierten Traktate erweisen sich als nnächt.
Ob er mit dem als Professor an der Sorbonne verzeichneten Mathe-
matiker u. Astronomen Johann (Julianus) de Muris identisch ist, steht
sehr in Zweifel, da dieser als Musiktheoretiker nicht benannt wird;
so viel geht aus einer Notiz des Werkes selbst hervor, dass Job. de
Muris sich zur Zeit oder gegen Ende der Abfassung desselben, welches
wohl um 1321 vollendet worden sein mag, nicht in Paris befand.
Marachhaaser, A n t o Ui geb. um 1670 zu Zabem bei Strassburg,
gest. 1724 als £p.-M. an der Frauenkirche in München, Schüler Kerl's,
edierte: Octitonum novum Organum (1696), Vesper tinum latriae et
hyperduliae cultus (1700), Prototypen organicum (1707); Opus org.
tripartitum (1712); ein theoret Werk „Academia musico - poetica'*
(1721, nur I. Teü).
N.
Nägeli, Hans Georg, geb. 1768 zu Zürich, betrieb zu Bern
49eine musik. Ausbildung. 1792 legte er in seiner Vaterstadt eine
Musikalienhandlung an u. starb am 26. Dez. 1836. Als Komponist,
Theoretiker, Didaktiker u* Musikgelehrter stand er in hohem Ansehen;
besonders war er thätig fOr Verallgemeinerung der Gtesangskunst.
Seine vorzüglichsten theoret« Werke sind: „Gtesangbildungslehre nach
Pestalozzi*schen Grundsätzen** (Zürich 1810); „Vorlesungen über Musik
mit Berücksichtigung der Dilettanten'* (Stuttgart u. Tübingen 1826) u. a.
Nagiller, Matthäus, geb. den 24. Oktbr. 1815 zu Münster im
ünterinnthal, wendete sich von den wissenschaftlichen Studien ganz
der Musik zu. Er bildete sich von 1837 an als Zögling des Konser-
vatoriums in Wien unter Preyers Leitung für die Komposition
aus, u. zwar mit so günstigem Erfolge, dass er 1840 den ersten Preis
errang. Nachdem er mehrere Jahre in Paris u. Berlin zugebracht
hatte, weilte er von 1850—54 in Partschins bei Meran, wo er mehrere
Icleine Messen u. seine Missa solemnis komponierte. 1866 übernahm er
die Direktion des Musikvereins in Innsbruck, wo er 8. Juli 1874 starb.
Ausser den genannten Werken schrieb er noch Ouvertüren, Sinfonien,
Gesangschüre u. a.
Naldini, Sante, ein Tonsetzer der römischen Schule, geb. zu
Eom am 5. Febr. 1588, kam 1617 in das Kollegium der päpstlichen
Sänger u. starb am 10. Oktbr. 1660. Mehrere Motetten von ihm er-
Nanino — Naumann. 191
schienen 1620 zu Born in Drack; handschriftliche Arbeiten von ihm
bewahrt das sixtinische Archiv.
Nanino, Giovanni Maria, war 1540 zu Tivoli geboren,
erhielt zu Born die gründlichste Ausbildnng in der Mnsik u. trat dann
in seiner Vaterstadt eine Eapellmeisterstelle an. 1571 kam er nach
Born als Ep.-M der Hauptkirche S. Maria Magg. Zu dieser Zeit
eröfi&iete er an der Seite Palestrina's, dessen intimster Freund er war,
die nachmals so berühmt gewordene Schule für hohem Unterricht in
der Musik, das erste von einem Italiener gegründete Institut der Ton-
kunst in Bom. Nachdem N. seit 1575 £p.-M. an der Kirche S. Lnigi dei
Francesi gewesen, fand er 1577 Annahme in das Kollegium der päpst-
lichen Sänger. Er starb am II. März 1607. — N. muss als einer der
grOssten Musikgelehrten der römischen Schule betrachtet werden. Als
schaffender Künstler war er gleichsam ein Stern erster Grösse. Besass
auch sein Genius die reichen Schöpfongskräfte eines Palestrina nicht,
so verdienen doch seine Werke ihrer klassischen Ausprägung und
vollendet reinen Form willen unmittelbar den Schöpfungen Palestrina's
angereiht zu werden. Seine Kompositionen gehören unter das Schönste,
was noch heute in der päpstlichen Kapelle vorgetragen wird. Viele
seiner Werke wurden teils in eigenen Druckausgaben, teils in ge-
mischten Sammlungen italienischer u. niederländischer Herausgeber
veröffentlicht; das Meiste jedoch findet sich handschriftlich in römischen
Archiven hinterlegt.
Nanino, Bernardino, Neffe des Vorhergehenden, dessen Unter-
richt in der Musik er auch genoss, war zu Vallerano (um 1560?)
geboren. Er war namentlich an den Kirchen S. Luigi de'Francesi u.
S. Lorenzo in Damaso als Kp.-M. thäti^. Ganz von dem erhabenen Geiste
seines Zeitalters erfüllt, vermochte er seine Werke, die teils in Druck
veröffentlicht, teils in röndschen Archiven handschriftlich hinterlegt
sind, mit hohem Wohllaut in Melodie u. Harmonie, Fluss u. Bundung
der Modulation, rhythmischer Präcision u* vollendeter Beinheit des
Styles zu schmücken. — Von seinen Lebensumständen ist nichts weiter
bekannt Die meisten seiner Publikationen fallen in die Zeit von
1612— 1620-
Katiyidade, Joao de, portug. Mönch, geb. zu Torres, trat 1675
in den Franziskanerorden und starb 1709 zu Lissabon. Er hinter-
liess Kirchenwerke, welche von den Portugiesen als klassisch gerühmt
wurden.
Naumann, Gottlieb, geb. 17. April 1741 zu Blasewitz bei
Dresden, gest. 23. Okt. 1801 zu Dresden, studierte Musik bei Tartini
in Padua u. bei P. Martini in Bologna u. wurde 1764 zum kurfürstl.
Sachs. Hofkirchenkomponisten ernannt; von da stieg er zum Kammer-
komponisten, dann zum Kp.-M., endlich 1786 zum Oberkapellmeister auf.
Er war ein sehr fruchtbarer Komponist; neben Opern u. vielen andern
192 Nekes — Neukomm.
weltlichen Hnsikstftcken schrieb er auch eine Menge Messen» Psalmen
XL kleinere Kirchenstücke.
Nekes, Franz, geb. zn Essen a. d. Bnhr d. 18. Febr. 1844,
absolvierte daselbst das Gymnasium 1864| n. trat nach VoUendnng der
philosophischen n. theologischen Studien zu Münster n. Bonn in das
Priesterseminar zn Köhi, wo er 24. Aug. 1868 die Priesterweihe
empfing. Von 1871—1887 war er Vikar od. Pfarrverweser in Gerderath
bei Erkelenz u. Präses des von ihm gegründeten Bez.-Gäcil.-Vereins
für das Dekanat Erkelenz. In letzterm Jahre übernahm er die Stelle
eines Inspektors im Gregoriushause zu Aachen. In der Musik bildete
er sich durch eigenen Fleiss u. gewann seine Tüchtigkeit hauptsächlich
aus dem Anhören guter K-Musik n. aus dem Studium von Partituren.
N. veröffentlichte bis jetzt 12 Messen, 3 Te Deum, 2 lauret. Litaneien,
1 Regina coeli, 1 Ascendit Dens und mehrere Partien deutscher
Kirchengesänge.
Nerf, Philipp von, der hL, geb. 21. Juli 1515 zu Florenz,
1551 zu Born zum Priester geweiht, trat alsbald in die Bruderschaft
des hl. Hieronymus u. beschäftigte sich hauptsächlich mit dem Unter-
richte der Jugend. 1548 stiftete er die Bruderschaft der hl. Dreifaltigkeit.
Nach seiner Priesterweihe versammelte er Priester u. Kleriker öfters
in einem Betsaale (Oratorium) zu geistlichen Übungen und Unter-
redungen, u. vereinigte 1564 sich mit ihnen zu einer Gtemeinschafti
die er vom Orte der Zusammenkunft Oratorium nannte. So entstand
die geistliche Genossenschaft der Priester vom Oratorium, die sich
kurzweg Oratorianer nannten. Bei den religiösen Übungen bediente
man sich auch der Musik, und Animuccia war der Erste, welcher
Kompositionen für das Oratorium lieferte. Solcher Kompositionen
wurden 1650 u. 1670 zwei Sammlungen unter dem Namen „Laudi"
zu Bom veröffentlicht. Nach dem Tode Animuccia*s schrieb Palestrina
solche Stücke. Sie waren 4stimm., wurden bald als Solo, bald als Chor
vorgetragen, u. die jedesmalige Aufführung derselben bildete zwei Teile,
wovon der erste vor, der andere nach der Predigt stattfand. Aus
diesen religiösen Musiken entwickelte sich die nach ihnen benannte
Kunstform, das Oratorium; doch ist die dramatische Grundlage des
nachherigen Oratoriums älter als Neri; sie mag den frühem Mysterien
oder geistlichen Schauspielen des Mittelalters entnommen sein. Philipp
V. Neri starb zu Bom 26. Mai 1595.
Nenkomm, Sigismund, geb. am 10. Juli 1778 zu Salzburg, übte
schon frühzeitig die Musik auf allen Instrumenten, erhielt von Mich.
Haydn Kompositionsunterricht, und entschied sich erst, nachdem er
für seine wissenschaftliche Ausbildung eifrig gesorgt hatte, (1797) für
die Tonkunst als seinen Lebensberuf. Sofort ging er nach Wien u.
machte hier 7 Jahre höhere Kompositionsstudien unter Leitung Jos.
Haydn's, worauf er nach Petersburg reiste u. 1806 als Kp.-M. der
Kiok — Niedemeyer. 193
dentscheft Oper dcrtaelbst angestellt Tnurde. Im Jahve dttramf begab
«r sich nach Hoskau, Demtschland, Paris, Wien, BrasilieB, lissaboii,
iarolireiste Belgien, Holland, die Schweis, England a. d^ n. starb
am 3. April 1658 zn Paris. Tretz seiner Tielen Reisen komponierte
er Vieles: einige Opern, dann Kantaten, grosse Messen o. Te Denn,
mehrere 4 n. dstimm. Psalmen a capelia, einige Oratorien u. dgL
Er war kein blendendes Goiie, aber alle seine Werke tragen den
Stempel einer ecUen Empfindwig n. nngesnchten Natfirtichkeit, nie steigt
er nnter die Wtlrde der Knast herab, — ein würdiger Beprftsentant
der Wiener Schale in i^en ihren gnten Eigentttmlichkeiten, in toUcb-
deter Form n. fliessender Melodik, der bedentendste Scbfller Haydn's.
Seine Kompositionen erreichen die Zahl 2000.
mck, Wienand, geK 1831 zu Fritzlar, wo sein Vater NDrganist
war, ging 1846 nach Fulda u. widmete sich den Studien. Nachdem er
dann als Klavier- u. Orgelspielet, sowie als Komponist u. Chorleiter
mehrere Jahre th&tig gewesen, erhielt er 1856 einen Buf nach Hildes-
heim, wo er seitdem als Dommusik-Direktor und Oesanglehrer am
Gymnasinm segensreich wirkt. Für die Kirche schrieb er mehreres,
nnter anderm einige Messen u. eine Sammlung yon Motetten.
Nikel, Emil, geb. 12. Sept. 1851 zn Sohrau in Oberschlesieny
erhielt seinen ersten musikalischen Unterricht von seinem Vater, einem
Lehrer, wurde als 12jähriger Knabe Organist am Qleiwitzer Gymnasium,
studierte in Breslau Philosophie u. Theologie, u. empfing am 15. Juli
1877 die Priesterweihe in Prag. Als Stiftsvikar an der Alten Kapelle
in Begensburg besuchte er die daselbst bestehende Kirchenmusikschule
TL widmete sich eingehenderen kirchenmusikal. Studien, fungierte dann
als Studien- und Musikpräfekt im Aufsess^schen Studienseminar zu
Bamberg, wurde 1882 Domvikar zu Breslau, 1884 Oberkaplan in Zabrze
u. erster Vizepräses des Schlesischen Cäcilienvereins, u. seit September
1888 ist er thätig als k. Divisionspfarrer u. Beligionslehrer am Gym-
nasium sowie am Lehrerinnenseminar in Thom a. d. Weichsel. Von
seinen Werken erschienen bis jetzt: 4 Messen, 2 Bequiem, 4 Litaneien,
10 Marienlieder, 6 Vesperpsalmen, 8 Frohnleichnamsstationen; die
Samminngen: „Lauda Sion'* mit 150 Graduallen u. Offertorien, 120
Vesperhymnen, 120 Begrftbnisgesänge, 100 religiöse Gelegenheitslieder;
Veni Creator 8stimmig; Eoce Sacerdos; Kantate „Cäcilia's Gebet;"
der 95. Psalm für Mftnnerchor n. grosses Orchest»; 1 Streichquartett,
eine Fest-Ouvertüre, 6 M&rsche für Klavier oder Orchester, Orgel-
prälodien.
Mied«mefMr, Lonis, geb. zn Nyon, Kanton Waadt, d« 27. April
1802, erhielt von seinem Vater, einem Mnsiklehrer, den ersten musi-
kalischen Unterricht; 15 Jahre alt kam er nach Wien und bildete
sich nnter Moscheies im Klavierspiel, nnter Forster studierte er die
KonuBfiller, Lexikon, n. Bd. 13
194 Nisard — Normand..
Xomposition. Nach 2 Jahren ging er nach Born, bildete sich femar
im Kontrapunkt unter dem päpstlichen Ep.-M. Fioravante u. voll-
endete dann bei Zingarelli in Neapel seine musikalische Ausbildung.
Von da begab er sich nach Paris, wo er sich bald einen Ruf als
Musiklehrer u. Komponist erwarb. Da seine Opern keinen rechten
Anklang finden wollten, suchte er, nachdem er eine Zeit lang Direktion«-
geschäfte bei der „Soci6t6 des concerts spirituels," welche durch den
Eifer des Prinzen von Moskowa gegründet wurde, verrichtet hatte,
1848 eine Spezialschule für religiösen oder Kirchengesang, als Fort-
setzung der von Choron gestifteten, 1830 aber wieder eingegangenen
Kirchengesangschule zu gründen, und setzte 1853 seinen Plan in's
Werk. Dieser Schule war nun bis zu seinem Tode all seine Thätig-
keit u. Kraft gewidmet, tl er erreichte auch viel. Von da ab war
er nun mehr för die katholischen Kirchenchöre (obwohl er Protestant
war) thätig u. schrieb viele Messen u. andere Kirchenstücke. Um
die in Paris in den fünfziger Jahren begonnene Regeneration der
Kirchenmusik zu unterstützen, gründete er 1856 die zwei Jahre später
von Ortigue übernommene Zeitschrift „La Maitrise.** Leider setzte
der Tod schon am 13. März 1861 seiner Thätigkeit ein zu frühes Zieh
Als Mensch war er voll Güte u. Wohlwollen, offen, geraden Charakters,
ohne Hinterhalt, gesprächig, u. trotz mancher Eigenheiten wusste er
sich doch einen grossen Freundeskreis zu bewahren.
NiBsrd, Th., s. Normand.
NiverB, Guillaume Gabriel, ein französ. Geistlicher, geb. in
einem Dorfe bei Melun 1617, war 16^ Organist an der Kirche St.
Sulpice zu Paris und trat zwei Jahre darauf als Tenorsänger in die
königliche Kapelle. 1667 wurde er Hoforganist des Königs und dann
Musikmeister der Königin. Gestorben ist er im Anfange des vorigen
Jahrhunderts. Man hat von ihm einige theoretische Werke: ,Jia
gamme du Si etc.*' (Paris 1646); „Methode certaine pour apprendre le
plain-chant" (1667); „Dissertation sur le chant gr6gorien** (1683).
Femer gab er mehrere Gradualien u. Antiphonen heraus, sowie einige
Bücher Orgelstücke.
Normand, Theo du 1 Eleazar Kavier, Abb6, bekannt unter
dem falschen Namen Theodor Nisard, geb. den 27. Jan. 1812 zu
Quaregnon bei Mons im Hennegau, studierte zu Lille und besuchte
auch die Musikschule zu Douai. 1835 zu Toumai zum Priester ge-
weiht, beschäftigte er sich mit weitem Musikstudien u. gab 1840
„Manuel des organistes de la campagne" (Brüssel) u. eine Sammlung
Bomanzen heraus. 1842 trat er unter seinem Pseudonamen als Organist
an der St. Gervais-Kirche in Paris auf u. arbeitete seitdem als eif-
riger Musiklitterator. Von seinen Werken sind zu nennen: „Du plain-
chant parisien;" „La sdence et la pratique du plain-chant'* (diess
Notger. 195
Werk Jii]nülac*B bearbeitete er init Ledere, Ep.-M. an der St Gerrills-
Kirche gememschaftlich); „De la notation proportionelle dn moyeii'≥*^
„Etndes sur les anciennes notations mnsicales de TEurope;** 1854 er^
schien, mit Jos. d'Ortigne bearbeitet: „Dictionnaire * litnrgiqne, histo-
rique et pratiqne du plain-chant et de mnsique de T^glise an moyen-ftge
et dans les temps modernes,*' 1855 „Methode de plaint-chant," 1856
,,Etnde8 snr la restanration dn chant grdgorien an XIX. siöcle,*'
yji'accompagnement dn plain-chant snr Forgne'* nnd „Les vrais prin-
cipes de Taccompagnement dn piain -diant snr Torgne d'aprös les
maitres des XV. et XVI. sifecles" (Paris 1860), „Notice snr T A n t i -
phonaire bilingne de Montpellier** (Paris 1865), welches er
anfgeftmden n. wovon er eine getrene Copie für die Pariser Bibliothek
gefertigt hat; „Bibliographie dn plain-chant*' (Paris) n. a. m.
Kotker oder Notger, mit dem Beinamen Balbnlns, der Stammler,
nm 830 zn Schloss Heiligan (jetzt Elg) im Xanten Zürich von adeligen
Eltern geboren n. dem kaiserlichen Hanse verwandt, ward nm 842
dem Kloster St. Gallen znr Erziehnng nnd Bildnng übergeben nnd
zeichnete sich sowohl in den Wissenschaften, als an Innigkeit des
Gemütes n. gottseligem Sinne vor seinen Mitschülern ans. Als Mönch
desselben Klosters ward er eine grosse Zierde seines Ordens n. ragte
wie a]s vollkommener Mönch, so anch als gelehrter Mann, Dichter
nnd ansgezeichnetster Mnsiker seiner Zeit hervor. Im hohen Alter
istarb er den S, April 912 nnd wurde 1513 dnrch Papst Jnlins n. selig
gesprochen. Seine Verdienste nm die Eirchenmnsik sind sehr gross.
Das Kirchenlied n. der Ohoralgesang verdanken ihm vor allem ihre
Beinerhaltnng n. weitere Ansbildnng im Mittelalter. Das rOmische
Antiphonar, welches Bomanns ans Born mitgebracht hatte, war ihm
der kostbarste Schatz; darnach leitete er in St. Gallen den Choral-
gesang, lehrte ihn in den Schnlen n. bildete geübte Sftnger ans. Eine
Handschrift von ihm bewahrt noch die wahre Erklärung der den Nenmen
beigesetzten Buchstaben; sie findet sich abgedruckt in Gerbert's
„Script.** n. in Schnbiger's „Sängerschule von St. Gallen.** Als vor-
züglicher Beförderer nnd wohl anch Ghründer des Kirchenliedes in
Deutschland bewies er sich durch die Dichtung n. Komposition vieler
Hymnen n. Sequenzen, welche vor dem Evangelium der hl. Messe
durch viele Jahrhunderte hindurch in den Kirchen des Abendlandes
gesungen wurden (s. Sequenzen). Sein Gemüt war überaus zart
u. sein Gefühl so innig, dass jeder einzehne Gegenstand in der Natnr,
jeder Vorfall des Lebens ihn zn einem Liede begeistern konnte, zn
dem er Text n. Notensatz zugleich verfksste. Als er einst in der
Umgegend von St. Gallen sich erging nnd beim neuen Brückenbau
über das tiefe Martinstobel die Werklente auf dem Gerüste über dem
tiefen Abgrunde wie zwischen Leben n. Tod schwanken sah, legte
er seine Gefühle in dem berühmten „Media vita in morte sumns*^
13*
I9f Nadiu -^ Oberhoffer.
aiedar, da» Mehnali in gani Bsropa VafUfeitiuig fmd. — Auch mit
gelehrten Arbeit«! beidiäfligta sieh Ketker n. hinteriiess ehuge mAabt
Sdiriften.
Eis anderer Notger, mit dem Beinamen Labeo (der Gross-
lefidge) lebte etwas sp&ter in demselben Kloster St OaDen, starb 10^
n. hinterliess als eines der bedeutendsten Denkmale der ftltesten dent
Prosa die Paraphrase n. Erklftnmg der Psalmen; aneh ein mosika»
Hsoher Traktat in dentscber Spraehe, „Opnsenlnm theotisenm de mnsica,"
welches Gerbert in seine Sammlnng anf genommen hat, wird ihnt
zugeeignet.
Nnefmi» Johannes, geb. 1556 za G9rlitE, ward im Kloster
Banden in Schlesien MOnch, n. starb nm 162D als Abt zu Himmelwitz.
Er war als mnsikaL Theoretiker n. als Komponist seiner Zeit sehr
gesch&tzt. Mehrere seiner Kirchenwei^e erschienen im Dnick, auch
ein theor. Weiidein: „Mnsicae poeticae, sire de compositione cantus etc.*
Neisse 1613.
0.
Oberhoffer, Heinrich, geb. den d. Dez. 1824 zn Pfedzel bei
Trier, gest 29. Mai 1885 zn Luxemburg, eiiiielt den ersten Musik*
Unterricht von seioem Vater Gerhard 0., Lehrer u» Organisten daselbst,
u. bildete sich im Klavierspiel besonders unter W. Hermann in Trier
aus. Von 1842—44 besuchte er das Schullehr^fsoninar zu Brtthl, wo
er durch den verdienstTollen Töpler in die Theorie der Musik, Kompo^
sition n. in das Orgelspiel eingeführt wurden Nach seinem Austritt
aus dem Seminar wurde er Lehrer an der Knabenschule zu Schweick
a. d. Mosel, nach einem halben Jahre solcher an der Pfarrschule St.
Gervasius in Trier u. Organist daselbst, wo er 7 Jahre lang wirkte
u* seine Musikstudien fortsetzte. 1852 legte er beide Stellen nieder
n. lebte als Priyatmusiklehrer, bis er nach 4 Jahren die Stelle eines
Musiklehrers am kdnigL Schullehrerseminar in Luxemburg erinelt;
1861 wurde er zum wirklichen Professor der Musik in genannter
Anstalt ernannt Er dirigierte die 5 grossen Lehrergesangsfeste von
1849—55 u. hatte sich ausserdem mancher Auszeichnungen zu erfreuen:
seit 1862 ist Oberhoffer Vorstandsmitglied des Luxemburger christr
lichen Kunstvereins, im genannten Jahre erhielt er bei einem Konkurse
für kathoL Kirchenmusik zn Paris den zweiten Preis u. ward 1864
zum Mitglied der Akademie „Cfteilia*< in Bom ernannt Im Jahre 1862
gründete er die Zeitschrift „C&cilia*' für kathol. Kirchenmusik, deren
Eedakteur er bis 1872 blieb. An litterarischen Arbeiten yerOffentlichte
r
Obrecht — Odo. 197
«r dne „Hannoiiielehfe" (LnxraibiiTg bei Heintsö, 1860, 2. Aufl. 18^),
«ine „theoret-praktische Ohoralgesaagtschnle*' (Paderbom, 1862) mA
yenchiedene Anftätse in Zeitschriften. Kompositionen von ihm sind:
^Zwei Hefte yierst. Kirchengesäage,^ eum Teil eigene Eompoeatiogi
(Trier), Singübnngen (Eri^irt, Römer), mehrere Messen, Te Denm n.
die Psalmtöne fttr 4 Mftnnerst. (Luxemburg, HeintK6), Orgelstttobe
(Offenbach, Andr6), Lieder u. Männerchöre n, a. Auch das neue
Proprium u. das JE^ale der Luxemburger Diözese enthält mehrere
Ton Oberhoffer komponierte Choräle. Sein bedeutendstes Werk ist
^die Schule des kathol. Organisten'' (Trier 1869» 1883 4 Aufl.)
Obreehty s. Hobrecht.
Ockenheim, auch Okeghem und Oekeghem, bisher das Haupt
der sog. zweiten niederländischen Schule genannt, aus dem östlichen
Flandern stammend. Von seinen Lebensumständen weiss man wenig.
Sein Geburtsjahr mag zwischen 141% u 1420 fallen; 1443 erscheint er
«Is Sänger am Dome zu Antwerpen, 1461 als erster Eapellsänger des
Xönigs Carl VII. von Prankreich (Protokapellanus). Ludwig XI. selbst
scheint ihm die Stelle des Tr6sorier (Thesaurarius) an der Kapitel-
kirche des hl. Martin zu Tours lüs Bhrenauszeichnung u. einträgliche
Präbende verliehen zu haben. Um 1492 scheint er seine Stelle nieder-
gelegt u. die letzten Jamre seines Lebens (gest. zwischen 1512 n. 1525)
in Buhe zugebracht zu haben..— Bruchstücke aus seinen Kompositionen
sind in Glarean's Dekachord, Bumey's, Forkel's und Ambros' Musik-
geschichten, in Eiesewetter's Geschichte der europ.-abendl. Musik u. a.
mitgeteilt Die Proske'sche Bibliothek bewahrt von ihm die „Missa
«ujusvis toai" 4 Voc. u, „Cantiones sacrae V. Voc." („Gktude Maria Virgo,**
„Gabrielem Archang.,*' „Utrum tuum," „Erubescat Judaeus"), letzteres
Werk, wahrscheinlich ein Unikum, von Proske aus einem in der Biblio-
thek vorfindlichen handschriftlichen CJodex in Partitur geseloieben.
Odington, Walther, ein englischer Benediktinermönch des 13.^
Jhdts., war zuerst im Kloster Evesham in der Grafschaft Worcester,
dann zu Canterbury, wo er 1228 zum Erzbischof gewählt, aber vom
Papste nicht bestätigt wurde. Er ist einer der ältesten bekannten
Schriftsteller über Mensuralmusik, n. sein Traktat ,J)e speculatione
mnsicae" (in 6 Büchern) befindet sich im Mskr. auf der Bibliothek de»
Christ-Kollegiums zu Cambridge. Coussemaker veröffentlicbte ihn in
seinen „Scriptores de musica medii aevii" L
Odo, der hl., aus einer adligen französischen Familie stammend»
Kanonikus u. erster Sänger an der Kirche St. Martin m Tours 899,
trat später in das Kloster von Beaume in der Franche-Gomtö wai,
starb als Abt von Clugoy (927 erwählt) am 18. Nov. 942. Er war
mner der gelehrtesten und frömmsten Männer seiner Zeit und wurde
bald nach seinem Tode in die Zahl der Heiligen elngereilit^ Wie zu
198 OmithoparoboB — Ortlieb.
Toms, war er anoh im Kloster für den Eirchengesang sehr thätig, sachte
durch Anwendung von Bachstaben seinen Mönchen das Singen. za er*
leichtem a. hinterliess einen Ton Gerbert in seinen Scriptor. eccL
mns* Bd. L aa^enommenen ,J)ialogas de masica/.* Vier andere von
Gerbert anter dem Namen „Odo'^ aofgeführte Fragmente masikalischer
Traktate werden von F^tis als Odo nicht zagehOrig erklärt.
OmithoparchHS, Andreas, (zn deatsch „Vogelgesang") geb. za
Meiningen in der zweiten Hälfte des 15. Jhdts., ein mosik. Schrift-
steller, von dessen Lebensamständen man nichts weiss, als dass er
1516 zn Tübingen Magister der freien Künste war, grosse Beisen
gemacht n. aaf diesen aach mosik. Vorlesangen gehalten hat Aas
solchen Vorlesangen enstand das Bach: „Masicae activae Micrologas**^
4 libr. (Leipzig 1517), worin Vortreffliches über den Cantas planas,.
den Mensaralgesang, über die Accente a. den Kontrapankt enthalten ist;
es erlebte mehrere Aaflagen.
Ortiqae, Joseph Loais d', geb. den 22. Mai 1802 za Cavailloft
(Dep. Vaaclase) erlernte schon frühzeitig Masik; stadierte dann die
Bechte und fangierte als Advokat za Paris and als Bichter beim Tri-
'banale za Aix in der Provence. Bald ging er jedoch wieder nach Paris ^
wo er eine Anstellang als mns. Fetdlletonist bei der Zeitung „L&
Correspondent" erhielt. 1839 kam er wieder nach Paris, das er mit
Lammenais auf einige Zeit verlassen hatte, schrieb in viele Journale
musik« Artikel und erhielt 1839 die Musiklehrerstelle am College
Henri IV., sowie 1841 die Organistenstelle an der Kirche St. Thomas«.
Seitdem war er bis an sein Lebensende, 20. November 1866, in Artikeln
u. Schriften thätig für Hebung der katholischen Kirchenmusik. Von
seinen Schriften sind zu nennen: „La musique ä TEglise" (Paris
1862); „Sur la notation proportionelle du moyen-äge" (Paris 1847);
„Dictionnaire liturgique, historique et th6oretique de plain-chant et de
musique d'6glise, publik par M. Tabb^ Migne'' 1853; „Trait6 th^orique
et pratique de Taccompagnement du plain-chant" (Paris 1856) mit
Niedermeyer gemeinschaftlich u. a. m.
Ortiz, Diego, ein spanischer Komponist u. Theoretiker, in der
ersten Hälfte des 16. Jhdts. zu Toledo geboren, war Kp.-M. des Vize*
kOnigs von Neapel, u. hatte diese Stelle noch 1565 inne. Weiter ist
von den Lebensumständen dieses tüchtigen Meisters nichts bekannt.
Zu Venedig erschien von ihm 1565 eine Sammlung von Hymnen,
Psalmen, Antiphonen, Cantica etc. im Druck, u. 1553 zu Born das Werk:
^,Trattado de glosas sobre clausulos y otros generös de puntos en la
musica de violones etc.**
Ortlieb, Eduard, geb. den 16. Juli 1807 zu Obemdorf am Neckar
erhielt am 28. April 1834 die Priesterweihe u. war seit dem 27. Mai
1840 Pfarrer in Drackenstein (Diözese Bottenburg). Daselbst ward
Ortwein — Päcelli. 19»
es ihm bei einer Pftmrgemeijide von blos 300 Seelen möglich, die
Tonkmist, zu der er von je eine grosse Neigung hatte, recht zu
pflegen. Anfänglich waren es nur Versuche für Elaiier u. Orgel, die
er veröffentlichte; bald aber wandte er sich ganz dem kirchlichen
Gebiete u. der Hebung der damiederliegenden kirchlichen Musik zu.
Mit Fröhlich gründete er 1842 den Stuttgarter Eirchen-Musikvereiu^
so wie bald darauf die musikalische Verlagshandlung „Zum Haydn'^
in Stuttgart, wo viele gute Eirchenwerke in Druck ausgegeben wurden«
Zu gleichem Zwecke rief er das „Organ fttr kirchliche Tonkunst"
in's Leben, welches er 6 Jahre lang redigierte, u. wirkte segensreich
als Vorstand der musikal. Sektion des christl. Kunstvereins der Diözese
Bottenburg bis zu seinem Tode, welchen er in den letzten Tagen des
Jan. 1861 in dem sog. obem See in den kgl. Anlagen zu Stuttgart
fand. Von seinen Kompositionen sind bekannt: „Festgesänge für den
öffentlichen Morgengottesdienst** (op. 10), eine Messe für Gesang mit
Instrumentalbegleitung <op. 7), Messe für 4 Männerstimmen u. Orgel
(op. 2), „Der priesterliche Altargesang,** „Anweisung zum Präludieren,**
„Vokalmesse für gemischte Stimmen** (op. 8), „Über Altargesang,**
,,Alte Kirchenlieder für's kathol. Volk** (op. 13), „0 salutaris hostia,**
4 Fugen, op. 14 (sämtlich „Zum Haydn** in Stuttgart erschienen u. in
den Kirchenmusikverein aufgenommen).
Ortwein, P. Magnus, geb. 3. Nov. 1845 zu Lautsch, tarat 1869
in das Benediktinerkloster Marienberg (Tyrol), fungierte seit 1876 als
Ohordirektor am Gymnasium zu Meran u. ist seit mehreren Jahren
Bektor an demselben. Von seiner hohen Musikbildung zeugen besonders
3 Lieferungen östimmiger Gradualien (Begensbg. 1879, 1880, 1881) u.
das bedeutende Werk „Über Sprachgesang** (1883).
P.
Face, Vincenzo, geb. zu Assisi in der zweiten Hälfte des
16. Jhdts., war Kp.-M. an der Kathedrale zu Bieti. Von ihm erschien:
„Sacr. concentus, qui singulis, duabus, tribus, quatuor vocibu^
concinnuntur,** lib. Bomae 1617. (Einige Stücke mit begleitendem
Generalbasse.)
Paeelli, Asprilio, geb. 1570 zu Vasciano (Diözese Nami), war
znent Kp.*M. am Collegium german. zu Born, 1602 an der Basilika
des Vatikans; ein halbes Jahr später ging er nach Warschau a]s
Kp -M. des Königs Sigismund IIL, wo er am 4. Mai 1623 starb. —
In Frankfurt erschienen von ihm von 1604—1608 mehrere Bücher
900 Paisiello — Paleitrhia.
„OantionM flaoffae"' für 5— SO Stimineii, 4— 86timii. Motetten» Paalmoi
«. Madrigalen.
Pal«fe1k>, GioTanni, geb. den 9. Mai 1741 sn Tarent, studierte
anter Dnrante die Tonsetskunst in Neapel. 1777 war er in Diensten
der Kaiserin Katharina 11. von Enssland n. 8 Jahre später wnrde
et von Ferdinand TV. von Neapel znm Direktor der kgl. KapeUe er-
nannt. 1802 yertangte ihn Napoleon nach Paris, mn ihm seine Kapefie
einanrichten. Nach 8 Jahren kehrte er in seine vorige Stellung nach
Neapel snrflck n. starb daselbst am 5. Jnni 1816. Die Zahl seiner
Opern beträgt nngefEhr 100; anch an Kirchenmusiken, was Übrigens
seine starke Seite nicht war, zeigte er sich sehr fraehtbar, man nennt
Ton ihm ungef&hr 30 Messen, 40 Motetten, Te Denm, Beqniem,
Miserere u. a.
Paix, Jakob, einer der grössten Orgelspieler des 16. Jhdts., geb.
1556 zu Augsburg, war lange Zeit Organist zu Lauingen, wo er auch
zu Anfang des 17. Jhdts. starb. Man hat von ihm: „Ein schön nütz-
u. gebräuchlich Orgel-Tabulatur-Buch," (Lauingen, 1583; enthält 70
ausgewählte Gesänge der besten Meister, für die Orgel arrangiert);
„Selectae artificiosae et elegantes fngae 2, 3, 4 et plurium yoc. etc.'*
(Lauingen 1587); „Missae artificiosae et elegantes fugae etc.** (Lau-
ingen 1590) u. a.
Paleatrina, Giovanni Pierluigi oder Giov. Pietro
Aloisio da, auch II Prenestino oder Praenestinns genannt,
der berühmteste Meister der röm. Tonschule u. mit Recht von seinen
Zeitgenossen durch den Beinamen „Musicae princeps" („Fürst der
Tonkunst*') ausgezeichnet, war geboren im Jahre 1526 im Städtchen
Palestrina (dem alten Präneste), woher er auch seinen Namen führt.
1540 kam er nach Rom. 1551 erhielt P. seine erste Anstellung an der
Hauptkirche St. Peter als Lehrer der Ohorknaben mit dem Titel
„Kapellmeister.** 3 Jahre später yeröffentlichte er sein erstes Buch
Messen, welches deren vier a 4 yoc. u. eine a 5 yoc. enthält, u. worin
er bewies, wie sehr er die Kunstmittel seiner Zeit in seiner Gewalt
hatte u. mit welch tiefem Studium er in die Werke seiner Vorgänger
eindrang. Dies Werk scheint Aufsehen gemadit zu haben, weil er es
dem Papste Julius III. widmen durfte, welcher ihm dadurch lohnte,
dass er 1555 Palestrina unter die päpstl. Kapellsänger aufnahm, and
zwar ohne weitere Prüfung gegen sein erst angefertigtes motu proprio,
' /\ worin er die Aufnahme eines Kapellsängers yon einem Konkurs nad
\i^ / '* Scratinium abhängig machte. Julius DI. starb jedoch bald; aber auch
.^ «ein Nachfolger, yorher Kardinal Marcello Ceryino, auf to«en Yerai^
V' «^ lassung wahrscheinlich P« die als „Missa Papae Mareelli** so berttbmft
gewordene Messe komponiert hat, regierte nnr wenige Wochen. Destea
strenger Nachfolger, Paul IV., entliess am 30. Juli 1555 den Meister»
.0
\
Palestrina. 201
weil er yeifaeimtet war, was den Satzungen nidit entsi^eh, nebst
swei andern, ebenfalls yerheirateten Sängern ans dem Verbände der
päpstlichen Kapelle, jedoch ward ihm eine entsprecbende Pension. Im
Oktober schon erhielt P. die Ep.-M.-Stelle im Lateran, welches Amt
er nach Gjähriger mhmyoüer Thätigkeit (in diese Zeit fftUt anoh seine
wmidervoUste Eompoadtion, die „Improperia'O mit der gleichen Stelle
an der Kirche yon S. Maria maggiore yertanschte. An dieser Kirohe
yerblieb er 10 Jahre. 1571 kehrte er nach dem Tode Animnccia',
welcher seit 1555 sein Nachfolger in St. Peter gewesen war, anf
diesen Posten wieder snrttck n. wirkte als Kp.-H. an der Hanptkirche
Ton St. Peter bis sn seinem Tode, der am 2. Febr. I5d4 erfolgte.
1580 war seine Gemahlin Lnoretia gestorben, yon welcher er drm
Kinder hatte: Angelo, Bidolfo n. Jgino, u. er heiratete hierauf eine
reiche Witwe, wodnrdi er in den Stand gesetzt wnrde, seine Werke
im Drack erscheinen zu lassen. 1556 erhielt er yon P. Gregor XTTT.
den Auftrag, eine neue yereinfachte Ausgabe des Graduale romanum
zu besorgen. Er entledigte sich dessen mit aller Gewissenhaftigkeit
n. 1587 lag das Werk fast dmckfertig yor. Es wurde yon der
S.'IL O. approbiert, um das Jahr 1611 yon Feiice Anerio und Franc
Snriano im Auftrage des Kardinalpräfekten del Monte yoUends fOr
-den Druck fertig gemacht u. auf Befehl des Papstes Paul V. in der
medizäischen Druckerei ia den zwei bekannteh Foliobftnden 1614 und
1615 gedruckt
Eine umfassende Biographie P.'s besitzen wir yon J. Baini:
„Memorie storico-critiche della yita e deir opere di G. Pierluigi da
Palestrina." I. U. yol. Boma 1824, jedoch finden sich darin noch yiele
Unrichtigkeiten. F. S. Kandier übersetzte dies Werk in's Deutsche
(Leipzig 1834) n. C. y. Winterfeld bearbeitete darnach sein schätz*
bares Buch: „Joannes Pierluigi yon Palestrina. Seine Werke u. seine
Bedeutung für die Geschichte der Tonkunst.** Breslau 1832. Eine
möglichst kritisch bearbeitete Lebensgeschichte wird Dr. F. X. Habeii
liefern, welcher auch die Gesamtausgabe der Werke P.'s (mit Ausnahme
der 6 ersten Bände) redigierte. Dieselbe ist im Jahre 1894 yollendet
worden, umfasst 32 Partitnrbände u. ward yom Verieger (Fsma
Breitkopf & Härtel in Leipzig) prächtig ausgestattet.
Bei der immensen Prodnktionsfthigkeit Palestrina's müssen wir
besonders bewundem, dass er der hohen Aufgabe der kirchl. Tonkunst
nie untreu gewordm ist. In seinen ersten Wexken tritt die niederL
Kunst, deren Zögling er ist, noch mehr heryor; er hat sie zwar in
seinen besten Werken nie y^leugnet, aber wohl deren Styl dnrek
seiBen Geist yeredelt, und ihnen das Siegd inniger Frömmigkeit auf*>
gedrückt. Jede Härte weiss er in der Strenge zu yermdden, jede
Bieibmtg zwischen den manigfaltig sich durdihreuzeiiden Stimmen; nur
Wohlklang sollen sie eneugen, wo sie einander begegnen. Eben um
202 Palestrina.
jenes Elangreiehen seiner Gesttnge willen, ihrer Eettsehheit n* Heilige
keit wegen, welche jeden Schmnck abweiset, hat man ihn oft als den-
jenigen Meister bezeichnet, dessen Werke am reinsten das Gepräge
des Kirchlichen tragen. Überall, für die glänzenden lanten, wie für
die traurigen stillen Tage der Kirche, in einfach populärem, wie im
kunstvoll reichen Styl, stellt er eine mit dem Inhalte der Worte tief
Übereinstimmende kirchliche Musik hin. Man vermag nicht Worte zu
finden, um diese einzige Verbindung von majestätischer Strenge und
leichter milder Grazie, von ernster Kraft u. zarter Anmut, von Tiefe
n. wohlklingender Klarheit, von glänzender Erhabenheit u. stiller
Einfalt zu beschreiben, — was aber eigentlich die Grösse dieser
Kompositionen ausmacht u. der Beschreibung am meisten widersteht,
das ist der Adel u. die ruhige Frömmigkeit, welche über diese Werke
ausgegossen ist, u. die man anderwärts in gleichem Grade vergebens
suchen wird.
Diese seine Vorzüge als kirchlicher Meister gründen nicht so
fast in feinem Genie u. grosser Kunstfertigkeit, deren auch andere
sich erfreuten, vielmehr noch in seinem tief innigen zarten Gemüte^
das den kirchlichen Geist ganz in sich aufiiahm u. in seinem Leben
durchführte; an der Quelle des katholischen Lebens u. in den kirch-
lichsten Kreisen sich bewegend, nicht von irdischen Beizen u. welt-
lichem Getriebe wie das Leben eines Gabrieli u. Lasso umspannt^
vermochte sich sein Geist stets zu einer höheren hl. Schönheit auf-
zuschwingen u. seine Kunst zur einzigen zu machen. „Wenn man,
sagt Proske, das 16. Jhdt. das goldene Zeitalter der Kirchenmusik
genannt u. unter allen Kunstschulen die von Palestrina gegründete
römische Schule aufs Höchste bewundert hat, so findet sich doch
im Laufe des Jahrhunderts unter den grössten Erscheinungen Italien»
u. des übrigen Europa's keine, deren Genius so in alle Tiefen der
Kunst u. der Mysterien der Kirche eingeweiht gewesen wäre, um der
Erhabenheit unseres Meisters völlig ebenbürtig zur Seite zu stehen.
— Man hat Palestrina einen Reformator genannt. Er war es, jedoch
im konservativsten, ächtkatholischen Sinne, d. h. ein Reformator
nach Innen brach er nirgends mit dem Organismus seiner Kunst, drang
in dessen Tiefe wie keiner seiner Zeitgenossen, veredelte u. verklärte
ihn. Neue Bahnen nach Aussen eröf&iete er nicht, wohl aber neue
ungeahnte Zugänge in's innere unermessliche Labyrinth der Harmonie»
Während fast alle Mitgenossen, selbst die von der römischen Schule
ausgegangenen Künstler, dem Fortschritt huldigten, begnügte sich sein
Genius — der reichste u. fruchtbarste vor Allen — mit dem Hei%-
tume des Herkommens, und war auch hierin Vorbild der grössten
Meister späterer Perioden, denen die Verherrlichung des eigenen Geistes
mit rücksichtsvoller Hinnahme überlieferter Kunstformen ganz vereinbar
blieb. Dass Palestrina sein lebenlanges, nach Weite
PallaYioino — Parabosco. 203
und Tiefe nnermessliches Kunstschaffen dem reinen
Eirchenstyl gewidmet, begründet die wahre Grösse
seines Charakters/^ In solcher Beurteilung Palestrina's und
seiner Werke stimmen alle Kunstverständigen fiberein, u. wir haben
hier auch nur ein Besum6 solcher Urteile gegeben.
Pallavlciiio, Benedetto, berühmter Komponist, geb. in der
zweiten Hälfte des 16. Jhdts. zu Oremona, war Kp.-M. des Herzogs von
Mantua. Von 1591 — 1613 erschienen von ihm zu Venedig mehrere
Sammlungen Madrigalen und Cantiones sacrae.
PanoiiBicer, Leonhard, geb. 1494 zu Aschau in Oberösterreich,
gest. 3. Mai 1567 als Schulrektor zu Passau, war einer der vorzüg-
lichsten Kontrapunktisten seiner Zeit. Sein Werk: jJBcclesiasticarum
Cantionum 4, 5 et plurium vocum" Tom. L Nürnberg 1572, t. II. 1573,
t. in. 1576, et tom. IV. 1580, ist besonders bedeutend wegen der darin
gegebenen Falsobordoni.
Pane, Dominico del, ein Qeistlicher, geb. zu Bom in der
ersten Hälfte des 17. Jhdts., studierte die Komposition unter Abbatini,
wurde 1654 päpstl. Kapellsänger (Sopranist). In den sixtinischen
Archiven werden viele Kirchenkompositionen von ihm aufbewahrt; in
Bom erschien 1687 eine Sammlung von 4— Sstimm. Messen über Themen
aus Palestrina's Motetten.
Pany, Joseph, geb. den 23. Oktbr. 1794 zu Kohlmitzberg in
Österreich. Frühzeitig von seinem Vater in der Musik unterrichtet,
versuchte er sich bald in verschiedenen Kompositionen. Zum Lehrfach
bestimmt, gab er diesen Berof 1815 wieder auf u. widmete sich ganz
der Tonkunst, welche er in Wien unter Eybler studierte. Nach meh-
reren Kunstreisen Hess er sich in Mainz nieder, wo er am 7. Septbr.
1838 starb. Unter seinen Kompositionen finden sich auch einige
Kirchenmusikstücke (3 Messen, ein Bequiem, Gradualien).
Paolaoei, Giuseppe, geb. zu Siena 1727, trat zu Bologna in
den Minoritenorden und machte daselbst seine Musikstudien bei P.
Martini. Darauf wurde er Kp.-M. seines Ordens zu Venedig, Sinigaglia
u. Assisif wo er 1777 starb. Von seinen vielen Kirchenkompositionen
sind nur „Preces piae*' für 8 St. gedruckt; vortrefflich ist sein theor.
Werk: „Arte prattica di contrapunto dimostrata con esempi di vari
autori, e con osservazioni'* (Venedig, 1765—1772, 3 Bände), worin er
Stücke der Meister des 17. u. 18. Jhdts. bis in's kleinste Detail mit
grosser Gelehrsamkeit analysiert
Paraboseo, Girolamo, geb. zu Piacenza um 1510, hatte als
Dichter und Musiker, speziell als Orgelspieler, in Italien einen guten
Namen. 1551 wurde er Organist an der St. Markuskirche in Venedig,
0. starb als solcher 1557. (Motetten, Madrigale.)
d04 Paradeiser — - Paneoh.
Paradeiser, Mari an, geh. am 11. Okt. 1747 za Biedentihal bei
Molk, in welches Kloster er auch eintrat. Robert Eimmerling lebrte
ihn die Komposition. Er starb schon am 16. Nov. 1775 n. hinterliesa
n. a. auch gut gearbeitete Kirchenstacke.
Paaqiiini, Bernardo, berflhmter Orgelsideler, geb. 8. Dez. 1637
zu Massa di Valnevola (Toskana), Schüler Ton Cesti, war lange Organist
der Basüika S. Maria maggiore in Born n. später zugleich Kammer^
musiker des Prinzen Borghese. Er starb 22. Nov. 1710, ausgezeichnet
mit dem Titel „Organoedos Senatus populique Bomani.*' Er schrieb
mehrere Opern u. von ihm wurden 1704 einige Stöcke in einer Samm-
lung von Toccaten u. Suiten zu Amsterdam gedrudct. OrgelstOcke u.
ein Traktat über Kontrapunkt blieben Mskr.
Passarlni oder Passerini, Francesco, geb. zu Bologna,
Pranziskanermönch, wurde 1657 an der Kirche seines Ordens Kp.-M.;
1674 kam er als solcher nach Yiterbo, 6 Jahre später ward er wieder
nach Bologna zurückgerufen, wo er 1698 starb. (Kirchenstücke ver-
schiedener Art)
Pasterwits, Georg von, geh den 7. Juni 1730 zu Bierhütten
bei Passau, bekam seine Erziehung im Kloster Niederalteich, setzte
dann in Kremsmünster seine wissenschaftlichen und musikalischen
Studien fort u. trat in dieses Kloster 1751 selbst ein. In Salzburg
studierte er Theologie u. bildete sich unter dem Domkp.-M. Eberlin
zu einem tüchtigen Kontrapunktisten aus. Nachdem er einige Jahre
Professor u. von 1767 bis 82 auch Chordirektor gewesen, wurde er
1785 als Klosteradministrator nach Wien versetzt, wo er zehn Jahre
lang in freundschaftlichem Verkehre mit Mozart, Albrechtsberger n. a.
stand. Er schrieb vieles für die Kirche u. starb in seinem Kloster
am 26. Jan. 1803.
Paamanii, Conrad, aus edlem Geschlechte stammend, geb. zu
Nürnberg in der ersten Hälfte des 15. Jhdts., hatte sich, von Geburt
aus blind, schon in seiner Jugend eine grosse (Geschicklichkeit im
Spiele der Orgel, Laute n. anderer Instrumente erworben. Er stand
in hohem Ruhme durch sein Spiel u. wird als Erfinder der deutschea
Lautentabulatur genannt Er starb zu München den 25. Jan. 1473 o.
liegt in der Frauenkirche daselbst begraben. Neuestens hat man von
ihm ein dreistimmiges Lied u. eine Beihe von Orgelstttcken od. vielmehr
Orgelstadien au^efonden (Münchner Staatsbibl.)
Pavach, Eugen, geb. den 22. März 1758 (sein (Grabstein führt
unrichtig den 19. Mai an) zu Neumarkt in der Oberpfalz, wo sein Vatear
Magistratsdiener war, machte seine wissenschaftlichen Stadien zu
Neaburg, Eichstadt, Amberg und an der Universität Ingolstadt, und
widmete nebenbei grossen Fleiss der Musik. 1777 trat er in das
Cisterzienserkloster Walderbach, wo er seine musikalischen Kenatnisaa
PaTona — Pegado. 20&
XL Fertigkeiten noch mehr anshilden konnte. Bald wurde er CSiordirektor
seines Klosters a< hetrieh den musikalischen Unterricht der Zöglinge^
des Elosterseminars mit Eifer u. hestem Erfolge. Anch in der Kom-
position entwickelte er grosse Thfttigkeit^ von seinen vielen Kirchen-
werken, die seiner Zeit sehr geschätzt waren , erchienen mehrere im
Druck. Nach Aufhehong der hayr. Klöster wurde er Direktor des-
Studienseminars in Amberg, ging jedoch nach einem Jahre in seine:
Vaterstadt zurOck, wo er am 22. Febr. 1838 an einer Lungenlähmnng
verschied. Sein Grabstein nennt ihn Professor u. Jubelpriester.
Pavona, Petro Alessandro, blühte wahrscheinlich um 1770
SU Bologna u. war ein trefflicher Kontrapunktist u. Freund des.
kanonischen Satzes, worin er zwischen der älteren Strenge und dem
späteren flreien Style eine glfickliche Mitte hält. Sein Satz ist klar,
harmonisch, verständlich, fliessend» Mehr ist von ihm nicht bekannt;
die genannte Jahrzahl ist seinen zu Bologna 1770 gedruckten vier
kleineren 4stimm. Messen entnommen. Ein Exemplar davon bewahrt,
die Hauber'sche (nun Proske^sche) Bibliothek.
Peargall, Eobert Lucas of Willsbridge, geb. zu Cliston
in der Grafschaft Glocester am 14. März 17Ö5, aus einer altenglischen
Familie, zeigte schon frühzeitig ein hervorragendes Talent für Ton-
kunst, welches er durch ernstes Studium der Harmonie u. des Kontra-
punktes, namentlich durch Eingehen auf die Werke der alten Meister,
ausbildete. Wie er, Anglikaner, durch seine juridischen Kenntnisse
immer das Becht der Katholiken vertheidigte und durch mehrere
Schriften zur endlichen Emanzipation der Katholiken in England bei-
getragen, so lenkte sich sein Kunstsinn auch auf die katholische
Kirchenmusik und suchte ihre Beinherstellung nach Kräften zu be-
fördern. Seit 1828 lebte er in Mainz, seit 1845 aber auf dem alten
Stammschlosse der Blarer von Wartensee, das er angekauft und um-
gebaut hatte, immer der Dichtkunst, der Wissenschaft u. hL Tonkunst
dienend. Seine Innerlichkeit, zarte Frömmigkeit und sein hoch-
schwebender Sinn drängten ihn, in den Schoos der katholischen Kirche*
zurückzukehren, welchen Schritt er am 2. August 1856 unternahm«.
Doch schon 3 Tage später, am 5. August 1856, entriss ihn der Tod
dem irdischen Leben. — Nebst einigen Kirchenstücken („Salve Begina")'
u. anderen kleinen Tonstücken gab er auch eine Abhandlung über den
Kontrapunkt u. eine über das Madrigal heraus. Er bearbeitete auch
die Harmonisierung des Diözesangesangbuches von St. Gkkllen, welches-
za vollenden ihn der Tod hinderte (s. G. Greith).
Pegado, Beato Nunez, um 1600Kp.-M. suEvora in Portugal»,
und einer der besten Schüler des Pinheiro, wird von den Portugisen
KU ihren klassischen Komponisten gezählt. Mehrst Motetten von ihUL
bewahrt die Lissaboner Bibliothek.
206 Fellegrini — PeregrinoB.
Pellegrini, Vincenzo, geb; zu Pesaro in der 2. E^fte des 16,
Jhdts., war um 1620 Domkapellmeister zu Hailaud; er starb 1636.
(Messen, Motetten.)
Penna, L o r e n z o , geb. zu Bologna 1613, Earmelitermönch und
£p.-M, seiner Klosterkirche zu Parma, gest. zu Jmola 2^). Okt. 1693,
hatte seiner Zeit einen Buf als Komponist u. musikal. Schriftsteller.
Messen u. Psalmen von ihm wurden 1640 -1690 gedruckt; 1656 er-
schien zu Venedig eine Kompositionslehre „Li primi albori musicali
per li principianti della musica figurata** u. zu Modena 1689 „Direttorio
del canto fermo.**
Fentenrieder, Xaver, geb. den 6. Febr. 1813 zu Kaufbeuem,
bildete sich musikalisch vorzüglich unter Stunz zu München aus; 1833
wurde er als Hoforganist u. 1844 als Chordirektor an der Ludwigs-
pfarrkirche daselbst angestellt. £r geniesst auch den Kuf als tüchtiger
^esanglehrer. Neben einigen weltlichen Kompositionen (6 Konzert-
Ouvertüren, 2 Opern u. dgl.) schrieb er auch Vieles für die Kirche:
mehrere Messen, >.Cantica sacra, ein 8st. Te Deum, ffinf 4st. Hymnen
u. a. In allen seinen Kompositionen zeigt sich, neben schöner musi-
kalischer Erfindung, eine tüchtige Kenntnis des reinen Satzes u..der
menschlichen Stimme. Etliche Jahre vor seinem Tode wurde er von
einer Carosse überfahren, von welcher Zeit an seine Geistes- und
Körperkräfte erlahmten. Er starb im Irrenhause bei München den
17. Juü 1867.
Perandi, Marco Giuseppe, geb. zu Born, trat 1640 in die
Dienste des Kurfürsten von Sachsen, neben Heinr. Schütz, Albrici,
Bontempi u. Bernhard als Kp.-M. füngierend. Gestorben ist er 1670
u. man kennt von ihm eine llst. Messe nebst einer 7st. Motette.
Perego, C a m i 1 1 o , geb. zu Mailand in der ersten Hälfte des
16. Jhdts., war Priester u. stand sowohl als Dichter wie als Musiker in
hoher Achtung. 35 Jahre lang war er Lehrer der Chorknaben am Dom
zu Mailand. Er starb um 1574. Zu Venedig erschienen 1555 Madri-
galen von ihm u. nach seinem Tode kam sein berühmtes Werk:
,Jia Begola del canto fermo ambrosiano'* (Mailand 1622) heraus.
Peregrinns (Pseudonym ftir den wahren Namen Hupfauf)
Johann, geb. 1856 zu Schwaz in Tyrol, gest. 15. Okt 1889 zu Salz-
burg, kam,letwa 20 Jahre alt, als Bassist an den Domchor in Salzburg,
wo er unter der Leitung Santner's sich zum Kompositeur heranbildete.
Als der I. Domkp.-M. Otto Bach 1881 nach Wien übersiedelte u. der
n. Kapellmeister, Jellinek, starb, leitete Hupfanf allein einige Jahre
provisorisch den Domchor, bis er 1886 definitiv als Domchordirektor
Angestellt 1 wurde. Nach drei Jahren schon hatte der 'Chor selnrai
Verlust durch^den Tod zu betrauern. Er besass ein ausgezeichnetes
Musiktalent, wovon seine Kompositionen (Litaneien, Motetten, Messen
Pereira — PertL 207
n. a.) ZengmB geben.* Er schrieb anch eine „Geschiebte des Salzbnrger
Xapellhanses.''
Pereira, Marco Salvador, geb. zn Villa-Vicosa zu Ende des
16. Jhdts., £p.-M. des Königs von Portugal, gest. zu Lissabon 1655,
hat mannigfaltige geschätzte Kirchenkompositionen hinterlassen.
Fereyra, Tomaso, portugiesischer Jesuit u. Missionär, geb.
1645 zu San Martinso do Valle, gest. 1692 in Peking, kam 1680 nach
China, wo er am kaiserlichen Hofe grosses Ansehen genoss. Er war
auch ein guter Musiker, komponierte mancherlei u. hinterliess einen
Traktat: „Musica practica et speculativa" (4 Teile).
Pergolese, Giov. Battista, geb. den 4. Jan. 1710 zu Neapel,
studierte zuerst unter Ga^tano Greco, dann unter Durante u. Feo die
Musik. 1731 fährte er sein erstes grösseres Werk, das Oratorium
„S. Guglielmo d'Aquitania** mit grossem Beifall auf; dann folgten
mehrere Opern, eine lOstimm. Messe u. Vesper für zwei Orchester*
1735 kam er nach Bom, wo er aber nicht viel Bühnenglück hatte.
Verdriesslich kehrte er nach Neapel zurück u. besserte seinen Buf
durch sein „Dixif* u. „Laudate*' wieder heraus; wegen steigender
Kränklichkeit begab er sich nach Puzzuoli bei Neapel, wo er die
Kantate „Orfeo/* ein „Salve Begina^* u. für das Minoritenkloster San
Luigi sein berühmtes „Stabat Mater** komponierte. Am 17. April 1736
starb er schon, aber nach seinem Tode ward er erst auf allen Bühnen
u. in allen Kirchen Italiens gefeiert. In seinen Werken tritt mehr die
Weichheit u. Zartheit, als Ernst, Erhabenheit u. Feierlichkeit hervor,
was besonders von seinem „Stabat Mater" gilt, von dem Brendel sagt:
„Eine überaus herrliche, hinreissende Weichheit u. Zartheit ist darüber
ausgegossen; ebenso sehr aber mangelt Tiefe u. Energie; ... er ver-
dient kaum die Auszeichnung, welche ihm zu teil geworden.**
Perkhofer, Christoph, ein Tonsetzer aus dem Anfange des
17. Jhdts., war um 161^ Ghordirektor an der Frauenkirche in München«
Von ihm existieren 2 Foliobände (prächtig von seiner Hand geschrieben
u. mit den Jahrzahlen 1605 u. 1612 versehen), in welche er teils
eigene Kompositionen, teils fremde Arbeiten, z. B. eine Messe „super
Laudate Dominum** von Bogerius u. mehrere Magnificate (11. Band)
zu 4—6 Stimmen von Beinerius, Jac. Florius, G. Martinus, Ferd. und
Budolph Lassus u. a. zusammengetragen hatte«
Perotlnne, Magister, Kp.-M. an der Notre Dame-Kirche in Paris,
war einer der bedeutendsten Komponisten des 12. Jhdts.; ein Anonymus
IV. in Coussemaker's Scriptores, Bd. I. nennt ihn „den Grossen.**
PertI, Giacomo Antonio, geb. den 6. Juni 1661 zu Bologna,
begann schon im 18. Lebensjahre mit seinen Kompositionen öffentlich
hervorzutreten u. zwar mit solchem Erfolge, dass er 1681 als Mitglied
der Akademie filarmonica aufgenommen wurde. 1683 verliess er seine
Vaterstadt u. folgte einem Bufe nach Venedig; bald darauf trat er in
908 Pesoetti — Philipp von Caserta.
die Dienste des Orossherzogs von Toscaaa n. 1697 lUMsh Wien; Kaiser
Leopold ernannte ihn zum Hofrat. Gegen sein 70- Lebeosjalir kehrte
lar nach Bologna enrttck, wnrde Ep.-M. an der Kirehe S. Petronio
daselbst o. starb am 10. April 1756, 95 Jahre alt. Neben 17 Opem
u. Oratorien merkt F^tis von seinen Eirchenwerken an: I Dndt zu
4 Singsdmmen mit Instr^ 1 Beatos Tir, 1 Adoramns, 1 Cfedo, jedes
für 4 Singst., 2 Credo für 5 Singst., 1 Dies ixae für 3 yoc., 1 Laudernns
Deom nostnsn für 5 Singst^ dann sein erstes gedracktes Werk mit
tiem Titel: nOantate morali e spirituali a nna e dae Tod, con vu^ini
e senza, Bologna 1688."
Pescetti, GioT. Battista, geb. nm 1704 zn Venedig, war ein
Sdittler Lotti's; nachdem er einige Zeit in London zugebracht n. auch
^rt einige Opem u. ein Oratorium komponiert hatte, kehrte er 1762
wieder nach Venedig znrück, wo er als zweiter Organist an S. Markus
1766 starb* Seine Eirchenwerke sdlea noch schätzbarer als seine
Opem sein.
Pesenti, Martine, mn 1610 zu Venedig blind geboren, imd
gestorben 16i60, gab zu. Venedig Messen, Motetten n. a. in Drack.
Petit, Adrian, beigenannt Co clicns, um 1500 im Hennegan
geboren, kam sehr jung nach Frankreich n. studierte die Musik unter
Josqnin de Prds. Er machte Eeisen durch Italien und scheint in
seinem Vaterlande gestorben zu sein. Li yerschiedenen Sammlungen
finden sich Motetten seiner Komposition; auch existiert von ihm ein
Traktat: „Compendium musices ... de modo omate canendi, de regula
contrapuncti, de compositione.** (Nürnberg 1552).
Petz, Joh. Christoph, geb. zu München in der zweiten Hälfte
des 17. Jhdts., war zuerst daselbst als Hofmusikus angestellt, ging
dann nach Bonn als Kp.-M. des Kurfürsten von Köln u. wurde endlich
nach Stuttgart berufen, wo er 1716 starb. (Messen, Motetten, Psalmen,
Sonaten.)
Pevemage, Andreas, geb. zu Courtray 1543, erst Musikdirektor
an der Kollegiatkirche daselbst, trat später als Musiker an die
Kathedrale zu Antwerpen über, wo er am 30. Juli 1591 starb. Von
seinen zahlreichen u. ihrer Zeit geschätzten Kompositionen sind von
1574 — 1604 geistliche und weltliche Gesänge, Messen und Vespern
im Drack erschienen.
Pfleger, Angustin, um die Mitte des 17. Jhdts. kurfürstlich
sächsischer Kp.-M., dann 1665 Hofkp.-M. des Herzogs von Holstein-
Gottorp, zuletzt solcher in Schlackenwert in Böhmen, starb nm 1686.
Seine Kirohenkompositionen waren ihrer Zeit berühmt.
PhiUpp Ton Gaserta, ein Mensuralschriftsteller des 15. Jhdts ,
von dem auf der Bibliothek von Ferrara ein Traktat: „De diTersis
flgiffis notanun" sich befindet« (Gonssemaker, Script. IIL)
Philippe de Mons — Fiel. 209
Philippe de Mons, PhilippuB de Monte, ein berOhmter
niederländischer Tonsetzer ans Mechehi (od. yon Mons im Hennegan),
geb. 1521, war yon 1572 an Eanonikns nnd Thesanrarins an der
MetropoGtankirche zn Cambrai; 1594 finden wir ihn als Ghordirektor
der kaiserl. Kapelle zn Prag, in welche er schon znr Zeit Maximilians IL
eingetreten war ; er entsagte 1603 diesen Stellen. Viele Messen, Motetten,
Madrigalen n. a. yon ihm erschienen im Dmck, n. er nahm eine sehr
liohe Stelle als Tonsetzer ein. f 4 Jnli 1603 m Wien.
Philippe de Vitry, Philippus de Vitriaco, geb. in der
kleinen Stadt Vitry (im Depart Pas de Calais) lebte zu Anfang des
14. Jhdts.; yon ihm befindet sich anf der Pariser Bibliothek ein höchst
schätzenswerter Traktat: „Ars compositionis de motettis,** welcher
wahrscheinlich mit dem anf der yatikan. Bibliothek befindlichen: „Ars
contrapnncti secnndmn Philippmn de Vitriaco** identisch ist (Cousse-
maker Script, ni.)
Pliinot, Dominique, ein französischer Eontrapnnktist des
16. Jhdts. n. wahrscheinlich in Lyop geboren. Man weiss yon seinem
Leben nichts; yon seinen Werken sind Motetten, Psalmen u. Chansons
zn Venedig im Druck erschienen.
PiaziSy Le andre, geb. zu Segni in der ersten Hälfte des
18- Jhdts., wnrde 1775 unter die päpstlichen KapeUsänger aufgenommen
u. hat yiele geschätzte Kirchensachen hinterlassen, yon denen aber
nichts gedruckt ist.
Piccioli, Giacomo Antonio, ein Geistlicher u. bedeutender
Kontrapunktist gegen Ende des 16. Jhdts., war geb. zu Corbario im
Venetianischen und ein Schiller des Costanzo Porta. Viele Kirchen-
stücke yon ihm sind gedruckt, auch finden sich solche in Sammlungen.
Picerlif Sayerio, Dr. TheoL u. Minoritenmönch in Neapel,
geb. in den letzten Jahren des 16. Jhdts. zu Bieti, hinterliess drei
musikalische Traktate (Neapel 1630 u. 31).
Piel, Peter, geb. 12. August 1835 zu Kessenich (Kreis Bonn),
seit 1838 in KOln, trat mit 14 Jahren in den dortigen Präparandenkurs
ein, um sich auf das Lehrfach yorzubereiten, 1854 in das Schullehrer»
teminar zu Kempen, wo er in der Musik den Unterricht des trefilicben
Seminarlehrers A. Jepkens genoss, mit welchem er bis zu dessen Tode
1878 in innigster Freundschaft lebte. 1856 aus dem Seminar getreten,
ward er sogleich als Hil&lehrer in demselben angestellt, bis er 1868
an das neu gegründete kathoL Lehrerseminar zu Boppard berufen
wurde, woselbst er seit 1878 als erster Seminarlehrer u. seit 1887 als
kgl. Musikdirektor thätig ist. Seine Kirchenkompositionen sind samt«
lieh in den Cäcil.-Verein8katalog aufgenommen u. gehören zu den
besten, liturgisch, künstlerisch u. praktisch wertyollsten der Gegen-
wart; sie bestehen in 17 Messen (Missa „Veni S. Spiritus" für 3 gleiche
Stimmen (op. 5), Missa „Benedidte" für Männerstimmen (op. 7);
KofBBflU«r^ LoclkoD. n. Bd. 14
210 Piiton -- Fitoni.
„Leiohte Messe" £Qr istiinm. gemisekten Chor (op. 4), Huisa „Adoro te,'<
„in hon. Ss, App. Petri et Pauli," „Regina aagelornm," ,4n haau B.
y. M. Consolatricis" fttr 4- o. östimm. granischten Chor; Missa in hoiu
8. Joann. Bapt. u. in h. S. Olementis (op. 19 n. 57) für IOinnar<^or;
n. 8. w.); in Litaneien (op. 13 u. op. 54); Te Denm, op. 17; maiiaa.
Antiphonen fOr 4^88tinua(i. Mftnnerchor (op. 3); Magnificat in den aoht
Eirchentonarten für 4 Männerstimmen (op. 8); 13 latein. Kw-Qesänge
für 4stimm. gemischte Chor (op. 23); Vier Gesänge über litnrg. Texte
für zwei kombinierte Sstimm. Männer- od. Franenchöre (op. 60); ein
Yorspielbnch für die Orgel (op. 6); 90 K.-Gesänge mit Orgelbegldtang
u. Vor- n. Nachspielen (op. 40); viele Motetten in kirchenmiis. Zeit-
schriften n. Samminngen n. s. w.; ausserdem mehrere Qefte Sonaten
u. Märsche für Violin a. Pianoforte. 1889 gab er eine y<Hrtrefflidi6
„Harmonielehre*' heraas (Düsseldorf, L. Schwann, 2. Anfl. 1890).
Pi^ton, Loyset, firanzös. Eontrapimktist, geb. zn Ende des
15. Jhdts. zn Bemay in der Normandie. Kompositionen yon ihm
(Motetten, Psalmen, Chansons) finden sieh in mehreren Samndniigeii,
auch im Archiv der päpstl Kapelle.
Pietragraa, G a s p a r o , geb. zu Mailand zu Ende des 16. Jhdts.,
war zuerst Organist zu Monza, später wurde er Prior eines Klosters
in Canobbio. (Messen, Psalmen, Kirchenkonzerte etc.)
PineUna de Gerardis, Giov. Battista, geb. zu Genua um
1543, war von 1581 an kurze Zeit kurfürstlich sächsischer Kp.-M. in
Dresden, dann 1584 Mitglied der kais. Hof kapelle in Prag, wo er
15. Juni 1587 starb. (Messen, Madrigalen etc.)
Pinbeiro, J o a o , geb. zu Thomar in der Provinz Estremadura,
portugiesischer Geistlicher u. Komponist, gest. in der ersten Hälfte
des 17. Jhdts., war sehr hochgeschätzt als Tonsetzer; mehrere seiner
Kirchenkompositionen bewahrt die Lissaboner Bibliothek.
Pipelare, Mathias (nach Oinithoparchus« nicht Matthaeu8)i
belgischer Kontrapunktist des 15.— 16. Jhdts. I^ des Andreas de
Anti^uis „Missae XV." (1516) steht eine Messe von ihm, eine andere
„Forseulemenf ' befindet sich auf der Münchner Bibliothek; auch in
Sammlungen kommen ein Paar Stücke von ihm vor. Das Archiv der
päpstl. Kapelle bewahrt zwei Messen „Fors seulement" u. „L*homme
arm6."
Pisarl, Pas quäle, zu Bom um 1725 geb., studierte unter Biordi
päpstlichem Kapellsänger, Musik u. lebte sich so sehr in den Gheiat
Palestrina's hinein, dass ihn P. Martini den Palestrina des 18. Jhdta.
nannte. Er starb in ärmlichsten Verhältnissen im Jahre 1778.
Pitoni, Giuseppe Ottavio, geb. zu Bietti am 18. März 1657,
kam als Sängerknabe nach Bom u. hatte später Francesco Foggia
zum Lehrer der Tonsetzkunst. Schon in seinem 16. Jahre vermochte
er eine Kapellmeisterstelle in Bom, u. ein Jahr später dne sokhd m
Plaohy — Fokoc&y. 211
Aflsissi zn übemehmen. Palestrina's Werke spartierte er fleissig,
etadierte sie lasties, empfahl ein Gleiches seinen Sch^m o. hielt tureh
«ein ganzes Leh^ diese Bichtnng fest Bald nach Born znrüekgekdirt
wirkte er an vielen der angesehensten Kirchen als Ep.-M*, bis er
endlich 1719 die oberste Leitung des Mosikehois in der St. Petenh
kirche übemahm. Hier blieb er bis an sein Ende, 1. Febr. 1743. -^
Seine Werke sind zahllos. Er besass eine bewondernngswllrdige Fertig-
kdt n. Abstraktion im Komponieren, achrieb gleich ohne Partitur die
Stia^me im strengsten Styl eine nach der andern nieder. Seite dra-
ehörigen Messen n. Psalmen mit n. ohne Instromente belaufen sich
auf mehr als 40; mehr als 20 Messen etc. für 4 Chöre sind yorhanden,
«Ed endlich hat er for die vatikanische Basilika allein die ganze
Of&ciatnr der Messen u. Vespern für alle Tage u. Feste des Jahres
gearbeitet. — Ein Werk von hoher geschichtlicher Bedeutung hinter*
legte P. im Archiv der vatikanischen Hauptkirche unter dem Titel:
„Notizia de' contrappuntisti et compositori di musica, dagli anni delF
era cristiana 1000, fino al 1700/' welches Baini besonders für sein Werk
über Palestrina viel benützt hat. — P. hatte auch viele Schüler ge-
bildet, unter welchen obenan stehen die 3 Häupter der Neapolitanischen
Schule: Durante, Leo n. Feo. — Li der päpstlichen Kapelle werden
noch jetzt seine Werke gesungen u. bewundert, so besonders sein
16stimm. „Dizit," sein 6stimm. „Dies irae."
Plaeh7,,-Wenzeslaus, geb. am 4. Sept. 1785 zu Klopotowitz in
Mähren, bildete sich in Wien im freundschaftlichen Umgänge mit
Hummel, Förster u, dgl. in der Musik, u. bekam 1811 die Organisten*
stelle aa der Piaristenkirche daselbt. Ausser vielen Klaviersachen hat
er anch einige Kirchenstttcke in Druck gegeben. Er sarb am 7. Juli
1858 zu Prag.
Fiawen, P. Leopold de, Benediktinermönch im Kloster Zwie-
falten, geb. zu Innsbruck, war mriirere Jahre Schulvorstand u. starb
als Beichtvater zu Urspnngen 7. März 168^. Von ihm erschienen:
Sacrae Nymphae oder Dei et divorum laudes a 3, 4, 5 et 6 voc c.
instr. (Innsbruck 1659); Missae IV festivae et quatuor exequiatae.
Op. m. (Kempten 1672); Cantica a a, 4, 5 et 6 voc. c. instr. Op. IV.
(Ulm 1679).
Poegal, P. Peregrin, geb. 1. März 1711 zu Sandau in Böhmen,
trat 1735 in das Benediktinerkloster zu Neustadt am Main, wirkte
lange als Chorregent u. starb als Prior 15. Nov. 1788. Er war ein
Virtuos auf der OrgeL Von seinen Kompositionen sind gedruckt:
Antiphonale Mariannm (32 marian. Antiphonen) 4 voc. c. instr. Op. Vn.
(1763); IV Missae solemnes (gleiche Besetzung); IV Vesperae domini-
cales (ebenso).
Pokorny, Gotthard, geh« zu Böhmischbrod am 16. Nov. 1733,
war besonders tüchtig im Orgel- u. Violinspiel u. starb am 4. Aug.
14*
213 Pokroli — Porta.
1802 als Kp.-M. an der Petenkiiehe za Brfinn. (Messen, Yespem^
litaaeieB, Yiaün- xl Elanerkviiserte n. a. m.) — ISn anderer P. mit
dem Vomamen Stephan, geb. vm die lütte des Yorigen Jhdts. zn
Chnidim in Bdlimen, ToHendete seine mnsikaHsehe Ansbildnng in Prag
n. trat dann in den Angnstiner-Orden. um 1780 war er Organist an
der Angostinerkirche in Wien. Als Orgelspieler n. Kirehenkomponist
war er seiner Zeit selir angesehen.
PolaroU, Antonio, 1680 zu Venedig geb., ward 1740--I9 der
Nachfolger Lotti's an der Markuskirche in Venedig. Er starb 1750.
Ausser mehreren Opern schrieb er auch Kirchenkompositionen, welche
sich im Mannskripte in den Archiyen der Markoskirche befinden.
Ponsio, Pietro, geb. den 25. M&rz 1532 zn Parma, warnm 1570
Kp.-M. an der Kathedrale zu Bergamo, znletzt in Mailand, und
starb als solcher am 27. Dez. 1596. Gedmckt erschienen Yon ihm yon
1578—1596 zn Venedig Samminngen Yon Mess^i, Hymnen, Psalmen,
Motetten; auch theoretische Werke: „Baggionamenti di musica'*
(Parma 1588) u. „Dialogo ove si tratta della teorica e pratiea di
musica'' (Parma 1595, 1603).
Porpora, Nicold, geb. zu Neapel am 19. Aug. 1686, war Aless.
Scarlatti's Schüler u. that sich bald durch mehrere Kirchensachoi
hervor. Eine Zeit lang war er Professor an den Konservatorien S.
Onofrio u. an dem der Poveri di Oesü Gristo u. stiftete um diese Zeit
auch eine berfihmte Singschule. Er machte yerschiedene Beisen, kam
nach Wien, London u. blieb in diesen Städten stets mehrere Jahre^
um seine Opern zur Aufführung zu bringen. G^torben ist er in
dürftigen Verhältnissen zu Neapel im Febr. 1766. Sein Styl wird im
Allgemeinen als hoheitlich und ernst, aber mager in der Erfindung
bezeichnet.
Porta, Costanzo, ein berühmter Kontrapunktist des 16. Jhdts.»
wurde zu Cremona geboren, studierte Musik unter Hadr. Willaert zu
Venedig u. trat dann in den Franziskanerorden; er war Kp.-M. an der
Ordenskirche zu Padua, dann an der Kathedrale zu Osimo u. Bavenna,
u. endlich an der Casa santa zu Loretto, wo er 1601 starb« Er war
einer der gelehrtesten Musiker seiner Zeit u. sein Styl ist von grosser
Würde. Von 1555—1586 erschienen yon ihm zu Venedig yerschiedene
Sammlungen yon Messen u. Madrigalen in Druck, auch *in andefu
Sammlungen finden sich Stücke yon ihm. P. Martini besass ein theo*
retisches Werk yon P. : «Jstruzione di contrapunto.*' Besondere
Erwähnung verdienen seine „Musica in Ihtroit. Missarum, quae in
diebus Dominicis toto anno celebrantnr juxta morem s. Bom. Eccl.
V. Voc" u. ebenso die Introitus für die Festtage der Heiligen (Venedig^
1588 bei Ant. Gardane). — Ein anderer P., Francesco della,
geb. zu Mailand im Anfang des 17. Jhdts., starb als Organist an der
Kirche S* Antonio daselbst 1666. (Motetten, Psalmen, Bicercari).
Pothier — Praetorius. 213
Pothier, Dom Joseph Maria, geb. 7^ Dez. 1835 zu Bonzemont
(Lothzingen), wurde schon von seinem Vater, der Lehrer n. Kantor
Var, in den Ghoralgesang eingeführt; 1847 trat er ins kleine Seminar
seiner Diözese (St. Diez) n. ward 1858 vom damaligen Bischof von
St. Diez, Cayeroty nachherigen berühmten Eardinalerzbischöf yon Lyon
zum Priester geweiht 1859 ging er in das Benediktinerkloster
Solesmes (bei Le Mans), n. legte im Jahre darauf die Profess ab. Sein
Abt, Dom Prosper Gneranger« selbst ein tttchtiger Kenner der kirch-
lichen Arch&ologie, erkannte in ihm ein ausgesprochenes Talent für
Choral n. gab ihm den Auftrag, sich dessen Studium zu widmen, um
mit ihm an der Wiederherstellung des richtigen Choralgesanges bezw.
der ursprünglichen gregorianischen Melodien zu arbeiten. Zu diesem
Zwecke studierte P. in allen Bibliotheken Frankreichs u. besuchte
solche in Deutsehland, Belgien u. in der Schweiz; den daselbst ge-
sammelten Beichtum an Copien der bewährtesten Manuskripte ver-
arbeitete er in seiner Klosterzelle. Nach fast 20|jährigem Studium
konnte er dein Hauptwerk: „Liber gradualis^ (1883) yollendet in Druck
geben, nachdem^ er sein nicht weniger bedeutendes Werk: ,Jies m61odie8
gr6goriennes*' (Toumey 1880) als eine Choralgesanglehre vorausgeschickt
hatte. Er ist wohl der einflussreichste u. yerdienstvollste BeftJrderer
des Chorals in Frankreich. Ausserdem erschienen von ihm noch in
Druck: Processionale monast. 1873 u. 1887; La tradition dans la
notation du plain-chant 1882; De la „virga" dans les neumes 1882;
Une petite question de grammaire 1882; Cantus communes OMcii et
Missae 1884^ Hymni 1884; Offic. Ultimi tridui 1886; Offic. et Missa
pro defonctis 1886; Variae preces de mysteriis 1888; ausserdem viele
Artikel, Kompositionen fdr Officia in Zeitschriften, Off. propria für
Diözesen u. Klöster« Er hat auch an Pasquelie's Ausgabe von St.
Gertrud u. Mechtildis viel mitgearbeitet.
Praetoriaa, Michael, einer der bedeutendsten musikalischen
Schriftsteller des 16. u. 17. Jhdts. u. tüchtigste^ Komponisten, geb.
den 15. Febr. 1571 zu Kreuzberg in Thüringen, war zuerst Kp.-M.
zu Lüneburg, dann Hoforganist des Herzogs von Braunschweig und
endlich Kp.-M. desselben Fürsten zu Wolfenbüttel, wo er auch am
15. Febr. 1621, gerade 50 Jahre alt, starb. Das Werk, welches ihm
schon bei seinen Lebzeiten einen Weltruf verschaffte, u. das ihn für
alle spätem Zeiten der Kunstgeschichte merkwürdig u. unvergesslich
macht, ist sein „Syntagma musicum,** welches 1614 u, 1618 in 3 Quart-
bänden zu Wittenberg u. Wolfenbüttel erschien. Es ist ein für den
Forscher unerlässliches Quellenwerk über alte u. mittelalterliche Musik,
sowie über Musikzustände im 16. u. 17. Jhdt. Ausserdem sind noch
25 grössere Sammlungen seiner Kompositionen, Messen, Motetten,
Kirchenlieder u. dgl. gedruckt.
214 Pkassbei^er — Preyer.
Fntmgwgw, Balthasar, geb. ro Heraebiirg, war ssn Ende de»
15. Jhdts. ILantor sa BaseL Von ihm keimen urlr ein Werldeinr
,,Claxi88ima planae atqne ohoraüs interpretatio mnsicae, Dni« Halt.
PxBAspergii Mer^urgensifl" (Basel 1501).
PmniHier, W e n e e 1 , geb. den 18. Angnst 1744 zu Leitmeritz m
Böhmen, war snletzt Hnsikdirektor am stildtischen Theater n. an der
Kreozhermkirehe eh Prag. Gestorben ist er am 2. April 1B07. (Opern,
Ifiessen, Vespern, Offertorien n. a. m.)
Predieri, An^gelo, geb. zn Bologna 1^5, FranziskanermOnch,
ein tüchtiger Kompositionslehrer; sem berühmtester Schüler war
P. Martini Er starb zn Bologna 2SL Febr. 1731.
Preindl, Joseph, geb. zn Marbach in UnterOsterreich am
30. Jan. 1756, vollendete seine musikalischen Stadien zn Wien unter
Albrechtsbergers Leitung, welchem er anch 1809 im Amte als Ep.-M.
am St Stephansdome nachfolgte. Er geniesst eines Bnfes als gründ-
licher Tonsetzer, guter Klavier- n. Orgelspieler n. starb am 26. Okt.
1B23. Gedrackt sind von ihm Messen, Gradnalien, Offertorien n.
andere Kirchensachen, in deren Komposition er fiist durchgängig einen
edlen u. würdigen Styl (mit Ausnahme des der Wienerschule damaL
Zeit eigenen Figurenreichtums in den StrMchinstramenten) einzuhalten
wusste; einige weltiiche Musiken; dann ein nach seinem Tode von
SeyMed herausgegebenes theoretisches Werk: „Wiener Tonschule oder
Anweisung zum Generalbass, zur Harmonie, zum Kontarapunkt und
Fugensatz'' (Wien 1827, 2. Aufl. 1832).
Prents» Caspar» zn Ende des 16. Jhdts. Kp.-M. in Eichst&tt,
edierte „Alauda sacra, sive Psalnd per annum consueti & 4 Yoc. £ Conc.
2 VioL di Conc. ad lib. 3 dl Conc. ad IIb. 4 Bipien. ad. lib« Aul&ore
Casparo Prentz Berlachense Bojo . . . ." Op. I. (Begensburg, 1693).
Preyer, Gottfried, k. k. Vize-Hofkp.-M. u. Domkp.-M. an der
Haupt- u. Metropolitankirche von St Stephan in Wien, wurde den
15. März 1809 zu Hausbmn in Österreich geboren. Vi»! seinem
5. Lebensjahre an erhielt er von seinem Vater, Schullehrer u. Begens-
chori daselbst, Unterricht auf dem Klavier u. der Violin, später auch
im Gesänge u. Orgelspiel, in welch letzterem er gar bald so tüchtig
war, dass er von seinem zehnten Jahre an sehr häufig für alle Kirchen
der Umgegend zur Aushülfe an Festen verlangt wurde. Auch über-
nahm es der Pfarre Bohunowsky, ein ausgezeichneter Musiker, ihm
Unterricht auf allen Blasinstrumenten zu erteilen. Im 14 Jahre
sandte ihn sein Vater nach Wien, um sich zum Lehrfache vorzubereiten
u« in verschiedenen Sprachen, in der Musik u. in der Komposition^''
lehre auszubilden. Zu diesem Zwecke studierte er bei dem k. k»
ersten Hoforganisten Simon Sechter die Kompositionslehre vielseitig
mit unermüdlichem Fleisse, n. gab noch selbst Unterricht, um seinen
Unterhalt zu gewinnen. 1835 übernahm er die Organistenstelle an der
Printz — Proksoh. 815
öTangelisehen Eirohe, 1839 die ProftB&stur ftlr Hanaonie n. Kompo«
Position am Wiener Eonservatoriiun der Mnsik n. zugleich die Leitung
der Orchesterübnngen o. Konzerte der Zöglinge. Am 5. Milrz 1841
"mirde ihm die k. k* Hoforganistenstelle n. infolge seines grossen
heiftllig anfgenommenen Oratoriums „Noah" die Stelle eines k. k»
yize-Hofkapelhneisters, im folgenden Jahre das Direktoriat des Mnsik*
konseiratorinms zn teil. Den 28. Okt. 1853 wurde er endlich znm
Domkp.*M. an der Metropolitankirche zn St. Stephan ernannt* Unter
seinefi zahlreichen Kompositionen für die Kirche befinden i»ch: 13 Messen
(3 dayon erschienen im Druck), 2 Requiem, 3 Te Deum, 1 Vesper über
gregorian. Choräle, Tiele Gradualien, Offertorien, Hymnen, Motetten eto.,
die ganze griechische Liturgie Über Original-Chor&le in 6 Bänden, viele
Fugen, Präludien u. andere Orgelstttcke, das Oratorium „Noah** u. s. w.
An weltlichen Kompositionen erschienen 73 Nummern (Lieder, Chöre
n. a.); eine bei weitem grössere Anzahl ist noch Manuskript, so:
3 Opern, 3 Streichquartetten, 2 Sinfonien, Ouvertüren etc« etc.
Printi, Caspar Wolf gang, geb. am 10. Okt 1641 zu Wald-
thum in der Oberpfalz, ftmgierte nach Vollendung seiner Studien als
lutherischer Prädikant, trat dann in die pfiEtlzgräfliche Kapelle zu
Heidelberg, musste von da jedoch wegen Verwicklung in religiöse
Controversen bald fifichten, u. bereiste hierauf in Diensten eines reichen
Holländers Deutschland u. Italien. Nach mancherlei Schicksalen er>
hielt er 1665 die Kantorstelle zu Sorau, wo er am 13. Okt. 1717 starb.
Von seinen Kompositionen ist nichts erhalten worden, wohl aber von
seinen vielen musikalischen Schriften, z. B. „Historische Beschreibung
der edlen Sing- u. Klingkunst etc.", Dresden, 1690; dann sein Haupt-
werk: „Phrynis Mitilenaeus, oder satyrischer Komponist, welcher ver-
mittelst einer satyrischen Geschieht die Fehler der ungelehrten, selbst-
gewachsenen .... Komponisten höflich darstellt, und zugleich lehret,
wie ein musikalisches Werk rein, ohne Fehler, u. nach dem rechten
Grunde zu komponieren sei, wobei mancherlei musikalische Discurse,
als de Proportionibus, Variationibus, .... Variis Contrapunctis, von
unterschiedlicher Prolation des Textes u. dgl. . . gefanden werden.*'
Dresden u. Leipzig, 1696 (mit vielen Notenbeispielen).
Proksch, Joseph, geb. zu Beichenberg in Böhmen den 4. Aug.
1794, hatte das ünglttck, im 17. Jahre schon auf beiden Augen blind
zu werden, im Prager Blindeninstitut aber erlangte er eine tüchtige
musikaL Ausbildung. Nachdem er eine längere Kunstreise als Harfen-
spieler durch die österreichischen Staaten gemacht hatte, legte er sich
mit besonderm Eifer auf das Studium der Pädagogik und Musik-
wissenschaft. 1825 reiste er nach Berlin, um Logier*s ünterrichts-
system zu studieren, u. grftndete nach seiner Zurückkauft zu Reichen-
berg eine Musikbildungsanstalt, basiert auf das System gemeinsamen
Unterrichts. 1881 übergab er sie seinem Bruder, siedelte nach Prag
316 Proske.
Aber, grflndete daaelbst eine grossere derurtige Anstalt, als deren
Direktor er am 20. Dez. 1864 starb. Von ihm erschien 1858 zu Prag:
ein treffliches Werklein „Aphorismen über kath. Eirchenmiisik.*'
Proske, Carl, Dr., einer der grössten Mnsikgelehrten der Nea-
zeit nnd Bestanrator der kirchlichen Mnsik, war geb. zn Gräbnig ia
Prenssisch-Schlesien am 11. Febr. 1794, der einzige Sohn eines Guts-
besitzers. Frfihzeitig war sein Sinn schon dem Edleren tl Tieferen
in der Mnsik zngekehrt. Da der Vater seinem Wunsche, Theologie
zn studieren, entgegentrat, wendete er sich der Medizin zn, promoyierte
schon mit 18 Jahren in Wien nnd diente dann 1813 nnd 1814 als
Militärarzt mit solchem Eifer, dass er bald znm Begimentsarzt be-
fördert nnd mit dem kgL preussischen Armeedenkzeichen von 1813
geschmückt wurde. Nach seinem Austritte aus dem Militär erhielt
er das Amt eines Ereisphysikus zu Blöst an der polnischen Grenze,
das er bis 1822 mit aller Aufopferung versah. Da drängte sich sein
früherer Wunsch, Priester zu werden, stärker als je hervor, so dass
er alles verUess, 1822 nach Begensburg eilte u. unter der Leitung des
Bischofs Sailer sich zum Priester ausbildete» Am 11. April 1826
erhielt er die Priesterweihe, war Sailer*s Freund u. Beisegeföhrte, dann
Chorrikar u. 1830 Kanonikus an der alten Kapelle daselbst, in welcher
Stellung er bis an sein Lebensende verbliebe Seine Liebe zur ernsteren
Musik hatte durch seine Berufung zum Priestertume die Bichtung auf
die kirchliche Musik erhalten; den Ausartungen derselben zu steuern,
kannte er kein geeigneteres Mittel als die Bückkehr zur älteren
Kirchenmusik. Was er daher von seinen sonstigen priesterlichen
Geschäften erübrigte, das verwendete er von jetzt an mehr als 30 Jahre
hindurch unermüdet auf Erforschung, Ansammlung, Studium u. prak-
tische Einführung der grossen Meister kirchlicher Tonkunst, obwohl
er auch die Kunstschöpfongen der neuem Tonkunst nicht unberück-
sichtigt Hess. Mit den hervorragendsten Männern seiner Zeit, welche
gleich ihm den lange unbeachteten Schatz dieser hohem Musik wieder
zu heben bemüht waren, eng verbunden, suchte er der Vergessenheit
u. dem weitem Verderben alles zu entreissen, was ihm nur immer zur
Erreichung des Zieles, der Wiederbelebung kirchlicher Musik, zweck-
dienlich erschien. Hierbei kamen ihm nicht blos seine hQchst um-
fassenden Kenntnisse in der Geschichte der Musik u. seine ausgezeichnete
technische Bildung, sondem mehr noch die angebome Beschaffenheit
seines Geistes u. die zunächst nur dem Priester mögliche tiefere,
betrachtende Auffassung der Liturgie der Kirche bestens zu statten.
Viel hatte er seit einigen Jahren schon in Deutschland gesammelt;
nun untemahm er noch zwei Beisen nach Italien, durchforschte da
1834 u. 1835 die Bibliotheken von Bom, Assissi u. Neapel, 1837 von
Florenz, Pistoja u. Bologna, u. sammelte einen wertvollen Schatz von
kirchlichen Tonwerken aus dem 15., 16., 17. u. 18. Jhdt. an; das Meiste
Proske. 217
schrieb er mit eigener Haad. Nach seiner Bückkehr machte er sich
mit grossem Eifer daran, die Ausführung seines Planes in*s Werk zu
setzen. Hierzu fand er den trefflichsten Gehttlfen u. Mitarbeiter in
der Person des vom Bischof von Eichstätt, Graf Beisach, empfohlenen
J. G. Mettenleiter, i^elcher 1839 zum Organisten u. später zum
Chorregenten an der alten Kapelle ernannt wurde. Dieser führte aus,
was Proske an den gesammelten Schätzen an's Licht u. in's Leben
zu rufen für gut fand, ohne Bücksicht auf Widerspruch, mit aller
Sorgfalt u. Pietät; unter Proske^s Augen arbeitete er sein „Enchiridion"
aus u. war hinwieder diesem bei der Herausgabe seiner „Musica divina*'
behülflich. Beide ermüdeten nicht, auch die Forschungen fortzusetzen
u. Terborgene Musikschätze aufzusuchen u. an's Licht zu ziehen;
Proske setzte hohe Summen daran, die vortrefflichsten altem u. neuem
Musikwerke an sich zu bringen, so dass seine musikaüscbe Bibliothek
zu einer Beichhaltigkeit u. Ausdehnung gedieh, die wohl nur wenige
dieser Art aufweisen. Sie umfasst über 500 der wichtigsten theore-
tischen Werke über Musik älterer u. neuerer Zeit, verschiedener Sprachen
u. Länder, teils der eigentlichen Doctrin, teils der Geschichte, teils
den Hilfswissenschaften angehörig. Die Werke der praktischen Musik
sind in 5 Partien geschieden: a) die liturgischen Gesangbücher, sowohl
die, besten Ausgaben des Tregor. Gesanges u. Dracke u. Manuskripte
älterer Zeit, als auch die verschiedenen älteren u. neueren Sammlungen
des katholischen u. protestantischen Kirchenliedes; b) ein beträchtlicher
Teil der 1842 käuflich erworbenen Hauber'schen Bibliothek (von
München), eine höchst reichhaltige Sammlung älterer Kirchenmusik u.
geistlicher Oratorien berühmter Meister, letztere vielfach in den
Originalmanuskripten derselben; c) die eigene Sammlung in 150 grossen
u. starkgefällten Mappen meist von der Hand Proske's geschriebene
iPartituren älterer Meister, jedoch auch die besten Werke neuerer
Musik in Manuskripten oder Drackausgaben, zusammen Werke von
mehr als 600 Kompositeuren enthaltend; vielen liegt eine kurze
kritische Beurteilung P.'s bei; d) die vierte u. kostbarste Partie bildet
eine Sammlung, von ihm selbst genannt: „Antiquitates Musicae
celeberrimae,'* die seltensten Dmckausgaben u. Cod. Mskr. von mehr
als 1200 Werken der grössten Tonsetzer des 15., 16. u. 17. Jhdts.;
e) die fünfte Partie schliesst eine andere Sammlung von Drackwerken
derselben Gattung in sich, vom Jahre 1507 beginnend, mit Kompo«
sitionen von mehr als 700 altem Meistem. Bis an sein Ende setzte
er die Ausschreibung der Partituren fort, um sie fär den Gebrauch
vorzubereiten. Er erlebte noch die Freude, viele Freunde der altem
Musik u. die Anerkennung derselben in weiteren Kreisen als schöne
Fmcht seiner aufopfernden Bemühungen zu sehen, worunter die Auf-
nahme u. treffliche Pflege dieser Musik an der Domkirche zu Begensburg
am meisten hervorragt. In Anerkennung seiner Verdienste wurde P.
ai8 Qnadflieg — Qaeroa.
Tom Bischof Ignathis yon Senestr^y zum bisehOfl. geistL Bäte imd
ausserordentlichen Hitgliede des bischöfl. Ordinariates eniaost, yo»
Sr. Maj. dem Kanig Max ü. Ton Bayern mit dem Bitterkrena des
St Miehaelsordens geschmückt Der 20. Desbr. 1861 endete sein im
Dienste der Eirche hingeopfertes Leben. Seine Mnsikbibliothek ging
testamentarisch n. dnrch mitaidliehen Vertrag mit dem Hochw. Bischof
in den Besitz des bischöfl. StnMes n. der Kathedrale yon Begensbnrg
über. Seine erste Publikation war die Herausgabe einer 48timm. Messe
yon Alex. Scarlatti (Begensbg., J. G. Manz); 1850 edierte er die nMissa
papae Marcelli" in dreifacher Bearbeitung, der ursprünglichen 6stimm.
yon Palestrina, der 4stimm. yon Anerio n. der doppelchörigen yon
Snriano; 1B53 begann er sein grosses Sammelwerk ^Mnsica diyina^*^
heranszngeben. I Band: Messen (1853, neu ediert 1882 yon F. X. Haberl),
n. Bd. Motetten (1865), m. Bd. Psalmodia (1858), IV. Bd. über
Vespertinns (1864, nach seinem Tode yon Wesselaok herausgegeben).
1855 erschien „Selectns noyns Missamm*' 2 Bde. 16 4— 8etimm. Messen
der alten Meister enthaltend.
Q.
Qnadflieg, Jakob, geb. zu Breberen (Bheinpr., Bezirk Aachen) am
27. Ang. 1854, erhielt seine erste mnsikal. Anleitung durch seinen Bruder
sowie durch G. Radem&chers, den Herausgeber der Orgelbegleitung zum
Kölner Graduale, besuchte 1875 die neugegründete Eirchenmusikschule
in Regensburg, kam 1876 als Chordirigent u. Musiklehrer nach Holland
(Katwijk), trat 1878 in das Seminar zu Elton ein u. ist seit 1881 in
Elberfeld als Lehrer angestellt. Seit dem Jahre 1886 ist er auch als
Ghordirigent u. Organist an der dortigen Marienkirche tbSkiig. Er
yerOffentüchte 2 Messen; zahlreiche andere Kompositionen finden sich
als Beiträge zu Sammelwerken u. in yerschiedenen kirchenmusikalischen
Zeitschriften. Er besorgte auch die Harmonisierung der Choralgesftnge
der neuen Feste (Supplementum) sowie die mit mehr als 500 Choral-
yorspielen yersehene Neuauflage des „Organum comitans^ yon HaberL
Hanisch.
Qaagliati, Paolo, ein Tonsetzer der römischen Schule, soll um
1612 Kp.-M. an der Kirche St. Maria Maggiore zu Bom gewesen sein.
(8- u. 12stimm. Motetten.)
Queren, Simon de, oder a, war um die Mitte des 15. Jhdts. in
Brabant geboren u. wurde nachgehends Kp.-M. des Herzogs Ludwig
Sforza yon Mailand. Mit dessen Söhnen zog er nach Wien u. liess
daselbst 1509 einen kleinen Traktat: „Opusculum musices perquam
breyissimum de Gregoriana et figuratiya atque Contrapuncto simplice
percommode tractans" drucken; es ist eine der ältesten in Deutschland
gedruckten theoret Schriften. Eine zweite Auflage erschien 1518 zu
Landshut Auch erschienen yon ihm 1513 „Yigiliae cum Vesperis et
Ezequüs Mortuorum."
Baillard — Rameaa. 919
R.
Baillard, Fr., Abb4, geb. 1804 in Mostonneiitier bei Laiigites»
gel^trtet Theolog und Physiker zu Paris, daselbst gest Avg. oder
Sept. 1687, gab heraus: „Ezplication des nenmes** (1852); „Le ehant
Gt^gorien restanr^'* (1861); „H^oire snr la restatoratiün du chant
gr6gorien" (1862).
Baimendl, Pi e t r o , der gelehrteste itaUenisehe Musiker xmMats
Jhdts. n. vielleicht einer der grössten Eotttrapnnktisten aller Zeiten,
war gebi sn Rom am 20. Dez. 1786, gest 30. Okt. 1853 daselbst als
Kp.-M. an der St Peterskirche, studierte anf dem Eonserratorinm
della Pietä in Neapel die Musik, kam später nach Genua, wo er mit
seinen Werken Aufsehen erregte. — Nachdem er in Florenz u. Neapel
Ruhm auf der Btthne eingeerntet, wendete er sich zu seinem eigent*
linken BeruMelde, dem Kontrapunkt, worin er Unglaubliches leistete.
18 Jahre (1832^50) wirkte er so fort als Professor am Konservatorium
der Musik in Palermo. Seine Kompositionsthätigkeit war eine ausser»
ordentliche: 55 Opern, 21 Ballette, 7 Oratorium nebst einem 3fachen,
„Joseph** betitelt, und eine Unmasse anderer grösserer und kleinerer
Kirchensachen, daronter die 1^ Palmen 4r, 5— 8st im Palestrinastyl;
nach einem massigen Überschlag hat er in ungefähr 40 Jahren über
SXKX) Musikstttcke (nach den einzelnen Nummern gerechnet) geschrieben
ti. davon ein gutes Vierteil in den strengsten kontrapunktischen Formel.
Rameaa, Jean Philippe, bertthmter firanzös. Theoretiker u.
Komponist, geb. zu Dijon am 25. Sept 1683. 1717 kam er nach Paris,
welches er aber bald wegen Zwistigkeiten mit seinem Beschützer, dem
Organisten Marchand, wieder verliess. Eine Zeit lang hielt er sich in
Lille u. Olermont auf; in letzterer Stadt fing er an, sich mit der
Theorie der Tonkunst emstlieher zu beschäftigen, u. als Frucht seiner
Studien lless er 1722 zu Paris, welches er nun wieder zu seinem
Aufenthalte gewählt hatte, seinen „Trait6 de Tharmonie r6duite ä ses
prindpes naturels" drucken; 1726 gab er sein „Nouveau systöme de
musique thöorique^* heraus, seine zwei Hauptwerke, welche die Auf-
meriisamkeit der Musiker auf ihn lenkten u. seinen Ruf als Theoretiker
konsolidierten. Er schrieb auch Kantaten, Klaviersonaten u. etwa
20 Opern. Von dem Könige zum Kammerkomponisten ernannt, später
aneh geadelt u. mit dem St Michaelsorden geziert, starb B., bis zu
seinem letzten Atemzuge unermüdlich thätig, am 12. Septbr. 1764. —
Wenn auch von seinen theoretischen Systemen heutzutage wenig mehr
brauchbar ist, so kann ihm doch das Verdienst nicht abgesprochen
werden, die Harmonielehre überhaupt zuerst in ein geordnetes System
gebracht u. die Hauptregeln denelben auf eine gründliche Art ent-
wickelt zu haben. Er suchte die grosse Zahl möglicher Akkorde auf
eine beschränkte Zahl von Gnmdakkorden zurückzuführen, zunächst in
220 Ramofl de Fereja — Bastrelli.
derG«stalt der Lehre von der ümkehrnng der Akkorde, womit
er die Lehre yom Fnndamentalbasse verband u. die Beziehung
der emzehien Akkorde asu einander leicht kenntlich machte.
Bamos de Pereja, Bartholomeo, geb. mn 1440 znBaeza in
Andalusien, lehrte znerst in Sakmanca Musik and ging 1482 nach
Bologna, wo er noch 15dl lebte. Die Vorlesungen, die er zu Bologna
hielt, gab er in einem Buche ,J)e Musica Tractatns" (Bologna, 1482)
heraus, das er kurz darauf in zw^ter Auflage erscheinen liess, nach-
dem er die erste unterdrückt hatte.
BampiB, Pancratius, Sohn eines Schullehrers, geb. zu Bam-r
berg den 16. April 1813, absolvierte 1829 das dortige Gymnasium,
studierte Theologie u. ward 1836 zu^ Priester geweiht. Während
seiner Studienzeit betrieb er besonders Gesang u. Orgelspiel unter der
Leitung des dortigen Musiklehrers, G. Wtthr, eines Schülers von Mich.
Haydn. Nachdem er 10 Jahre lang üi der Seelsorge gewirkt hatte,
erhielt er die Ohorregentenstelle in Donauwörth, welche er 11 Jahre
lang inne hatte, u. wo er den blinden Virtuosen u. Komponisten Kirms
(s. d.) in sein Haus aufoahm u, bis zu dessen Tode bei sich behielt.
Im Juü 1857 ward er zum Domkp.-M. in Eichstätt «mannt f 29. April
1870. — Auf seine musikalische Bildung übte namentlich der Direktor
der Würzburger Musikschule, Fröhlich, mit dem er in steter Eorre*
spondenz stand, dann Eirms grossen Einfluss. Die meisten kirchlichen
Werke komponierte er im Verein mit letzteren. Ausser diesen gab er
als eigene Kompositionen 2 Messen (Missa 8. Udalrici a 4 yoc. cum
Org.; Missa Cunibert für 4 Singst, mit kleiner Instrumentalbegleitung),
„Trichordium sacrum," Messen, Requiem, Litaneien, Gradualien und
Offertorien auf verschiedene Feste, für 3 Männerstimmen enthaltend^
verschiedene Lieder heraus; dann sind Musiken zu kleinen Schauspielen^
ein Weihnachtsoratorium u. dgl. in Mskr. verbreitet
Baeelins, Andreas, geb. zu Hahnbach bei Amberg zwischen
1562—64, kam 1584 als Kantor und Lehrer an das Gymnasium zu
Begensburg u. wurde endlich 1600 kurfürstl. Kp.-M. zu Heidelberg, wo
er 6. Jan. 1602 starb. B. stand hoch als Gelehrter, Musiker, Schrift-
steller u. Lehrer. Von seinen musikaL-theoretischen Werken, von denen
Gerber 9 aufzählt, ist bis jetzt nur mehr eins bekannt „Hezachordum
seu quaestiones Musicae practicae" (Nürnberg, 1589). An Kompositionen
lieferte er Vieles: mehrere Sammlungen deutsche u. lateinische LiedeCt
Sprüche u. Eirchengesänge für 4, 6, 8 Stimmen, Psalmen u. dgL
(vgl. „M. Andr. Baselius" von Jos. Auer, Beilage zu den , Jlonatsheften
für Musikgeschichte" 1892.)
Rastrelli» Joseph, geb. den 13. April 1799 zu Dresden, zeich-
nete sich schon als Knabe im Violinspiel aus, 1814 begann er kontra-
punktische Studien bei P. Mattei zu Bologna. Nach 3 Jahren kehrte
er mit seinem Vater nach Dresden zurück u. diente als Violinist in
der Sachs. Hofkapelle. Die Komposition einiger Opern erwarb ihm
Rat^geber — Regnard. 221
die Gunst des Königs, der ihm die Mittel für eine zweite Reise zur
weitem Ansbildnng darbot. Nach seiner Bückkehr widmete er sich
nur mehr dem Oesangnnterricht u. der Komposition, namentlich für
die Kirche. 1828 erhielt er für 2 achtstimm. Psalmen, welche er für die
Bixtinische Kapelle komponierte, vom Papste den Orden des goldenen
Spornes; 1830 ward er Hofkp.-M. in Dresden. Er starb am 14. Nov. 1842.
Seine Werke offenbaren ein angenehmes Talent neben guten Stadien,
seine instrumentierten Kirchenwerke haben aber nicht viel Kirchlichkeit.
Batbgeber, P. Valentin, geb. 3. April 1682 zu Obereisbach,
ward 1708 Benediktinermönch im Kloster Banz in Oberfranken; er
starb 2. Juni 1750. B. war ein Äusserst geübter Violoncell- u. Orgel-
spieler u. fruchtbarer Komponist. Im Drucke erschienen von ihm
22 Werke (1721—1740 etwa) und bestehen in Messen, Offertorien,
Vespern, Antiphonen, Hymnen.
Ratti, Lorenzo, in der 2. Hälfte des 16« Jhdts. zu Perugia geb.,
war zuerst Kp.-M. zu Loretto, wo er in seinen besten Jahren 1630
starb. (Motetten, Litaneien, Madrigale.)
Bebello, Joao LoreuQO, geb. 1609 zu Oaminsa in Portugal,
war im Dienste des Hauses Braganza Musiker. Er galt als einer der
ausgezeichnetsten portugiesischen Komponisten, u. ist gestorben zu San
Amaro bei Lissabon 16. Not. 1661. (16stimm. Psalmen, Magnifikat u. s. w.)
RebeUo, Manoel, war aus Ayiz in der Provinz Trastagana
gebürtig u. um 1625 Kp.-M. zu Evora.
Von beideli befinden sich Kirchenwerke auf der Lissaboner Biblio-
thek, Ton ersterm erschien auch eine Sammlung Kirchenstücke zu Bom
1657 in Druck.
Regino, wahrscheinlich um 840 geb. zu Altrip am Bhein, wurde
892 Abt im Benediktinerkloster Prüm in der Diözese Trier. Durch
Intriguen aus demselben vertrieben, ging er nach Trier, wo er Abt
des Klosters St. Martin wurde. Er starb 915 u. wurde im Kloster
St. Maximin bei Trier begraben. Er hatte einen Namen als Gelehrter,
u. nahm sich auch der Musik sehr an, wovon ein, in den Script, eccl.
von Gterbert aufgeführter Traktat „Epistola de harmonica Institutionen*
(Bd. I. p. 230) Zeugnis giebt. Coussemaker edierte im 11. Bd. seiner Script,
dessen Tonarius als Facsimile einer Copie auf der Brüsseler Bibliothek.
Regia oder De Boi, Jean, ein um die Mitte des 15. Jhdts.
lebender berühmter Kontrapunktist, wahrscheinlich ein Belgier von
Geburt, Zeitgenosse von Okeghem, Busnois u. Caron. Mehrere Messen-
fhkgmente u. Motetten finden sich in verschiedenen Sammlungen, auch
sind einige Messen von ihm im p&pstl. Archiv.
Regnard, Jaques, geb. zu Douai um 1540, kam durch Orlandus
Lassus in den Dienst des Kurfürsten von Bayern; von München kam
er um 1575 nach Prag, wo er sp&ter zweiter kais. Kp.-M. wurde u.
wahrscheinlich 1600 starb. Von 1573 bis 1614 sind zahlreiche Kom-
positionen von ihm, Messen, Motetten u. a. erschienen.
233 Reioha — Raiaer.
JUUkk, Anton, gab. m Pnc aat 37. Febr. 1770^ stndiBite n
Bonn bei Boneai Obcin Josei^ Sekslia, dar d^rtselbit loiilBzstlieli
kSlnisdier Mniikdizektor war, die Musik mit so gntem Erfolge, d»M er
bald mit einer Sialmue Dffentlieh anffcreteii konnte^ 1799 begab er
noh nach Paris, bald jedoeh naeb Wien, wo er mit Haydn, Albreebta*-
berger, daUeri n. BeethoYen in IrenndsehaftHchitem ümgaai^ lebte n.
der Komposition n. dem Mnsiknntemchte oblag. 1806 gmg er wieder
naeb Paris, debfttierte mit einigen Opem o. erhielt, geaebtot als Ziebier
der Mnsik, als Nachfdger Mehnls, die Profisssiir des Kontrayqnkts
am nen organisierten Konsenratorinm. 1835 wurde er Bitter der
Ehrenlegion u. später Mitglied der Akademie. Doch sehon am 28. Mai
1836 starb er. — Seine hauptsächlichsten Werke sind neben bedeutenden
Instromental-Kompositionen: »Trait^ de Mäodie" (Paris 1814 n. 1832);
„Conrs de composition mnsicale" (Paris 1818); ^'^ihnM de haute
composition^ (2 Bde., Paris 182i-*26), dnrch Cxeniy in's Deutsche
übersetzt unter dem Titel: „Vollständiges Lehrbuch der musikalischen
Komposition etc." (Wien 1834) u. a. Als Lehrer zeiohpete ihn eine
s^ I»raktische Methode aus, seine Lehrbucher sind aber nieht ^Ki von
manchen Schwächen.
BeiUng, Franz Xaver, geb. den 17. Noy. 1804 zu Bottenburg
a. Neckar, war bis 1819 (Chorknabe im Dome daselbst. Nach seiner
Priesierweihe diente er in der Seelsorge, wendete sich von 1830 an
dem Studium der theoret. Musik zu, schrieb als Pfiurer zu Schmiechen
mehreres für die Kirche u. war besooders thätig für Verfoessenmg
des kirchlichen Männergesanges. 1842 schloss er sich, als Ortlieb n»
Fröhlich den Stuttgarter Kirchenmusikrerein gründeten, diesem an n.
beteiligte sich an dem tou Ortlieb gegründeten u. redigierten nO^^^^^
für kirchliche Tonkuist" mit vielen Artikeln, r- Von seinen K<mi*
Positionen ist bis jetzt noch nichts in Druck erschienen; von Chosalr
werken sind zu erwähnen« „Gesänge für den gewöhnlichen Morgenr
gottesdienst^* (mit Ortlieb bearbeitet), „Die solennen Präfationen mit
den Besponsorien*' (Ehingen 1857, 3. Aufl.); „Cantionale diori oder
gregor. Kirchengesänge zum Amt der hL Messe etc." (Ghuünd 1855) ,
jJProcessionale*' (Ehingen 1856); „Vesperale** Psalmen u. Hymnen 48t.
(Tübingen 1856.)
Reiner, Ambro sius, in der ersten Hälfte des 17. Jhdts. Organist,
später Kp^-M. des Erzherzogs Ferdinand Carl y^n Österreich (um 1650),
schrieb zahlreiche Motetten, Messen u. andere Kirchensachen mit u*
ohne Instrumentalbegleitung, von denen Manches im Druck, erschien*
Reiner, Jakob, geb. vor 1560 in Altdorf bei Weingarten,
(Württemberg), gest, 12. Aug. 1606 in Weingarten, besuchte die
Klosterschule daselbst, wurde Schüler des Orlandus Lassus in München,
dann Gtesanglehrer des Klosters Weingarten u. später Chordirektor;,
er war nicht Mönch, auch nicht Priester, sondern verheiratet. Von
Reissiger — E^SiigiiiB von Auzerre. 293
wnien Dradcwerken haben aioh manolie erhalten, so: „Liber eantaonuni
8aer/' (32 Metetten zn 5 n. 6 Stimmen, 1579; 1872 von 0. Diefsler in
Partitnr herMsgegeben); „Cantiea sive Mutetae^ 4r n. östimm. (1595);
,,Liber Hotettarom" (32 zn 6 n. 8 Stimmen 1600); sokhe zn 6 Stimmen
(1603); 5- n. 6stüiinL Messen (1604); 12 Magni&cats zu 8 Stimmen (1604);
n. s. w.; ausserdem noch vieles in Mskr. (s. Monatshefte 1 Mosik-
Gesch. m, 97.)
Reissiger» Carl Gottlieb, geb. am 31. Jan. 1798, zeigte schon
als Knabe ein yoitreffliches Mnsiktalent; in der Thomasschoie zu
Leipzig erhielt er durch Schicht einigen weitem Musikunterricht, so
dass er bald mit einigen kleineren Kompositionen sich bemerkUch
machte; darauf nahm sich Schicht seiner mehr an, u. dem Theologie-
Studium entsagend, wendete Reissiger sich dann nach Wien, um seine
musikal Studien fortzusetzen. Durch mehrere Opern verschaffte er
sich einen Buf u. begann dann durch Unterstützung des Königs von
Pzenssen Frankreich u. Italien zu seiner Ausbildung zu bereisen, in
Bom hielt er sich längere 2feit auf. 1825 trat er die Bückreise an
n. erhielt etwas nach 1826 die kgl. sächsische Kapellmeisterstelle zu
Dresden, als amtlicher Nachfolger Marschner's. In letzterer Zeit be<
schränkte sich Beissiger vorzüglich auf die Direktion der klassischen
Opern u. der kgL Kapelle in der kathol. Hofkirche. Er starb am
7. Nov. 1859. In der Komposition kathol. Kirchenmusik leistete er
manches Gute; er schrieb 12 Messen, 1 Bequiem, 20 Gradualien und
dgl, doch ohne den eigentlichen Kirchenstyl auszuprägen; vieles ist
gewöhnlichen Schlages oder artet in dramatische Musik aus. In Opern
hat er viel Glück gehabt Er besass eine ungemeine Leichtigkeit im
Komponieren, wozu eine reiche Erfindungsgabe und eine vollendete
Durchbildung viel beitrug.
Refssmann, August, geb. den 14. Nov. 1825 zu Frankenstein
in Schlesien, bildete sich in der Musik zu Breslau, wo er sich zum
Schulfach vorbereitete, u. betrieb in Weimar u. Halle kunsthistorische
Studien. Seit 1862 lebt er in Berlin. Von ihm sind in Druck erschienen
die Abhandlungen: „Von Bach bis Wagner*' (Berlin 1861) und „Das
deutsche Lied in seiner histor. Entwicklung** (Cassei 1861); dann eine
grosse Chorgesangschule, eine allgemeine Musiklehre u. eine allgemeine
Geschichte der Musik (3 Bde.). 1876 übernahm er die Bedaktion des
MendePschen „Musikal. Konversationslexikon** n. gab 1882 einen Auszug
desselben „Handlexikon der Tonkunst** heraus. Auch mehrere Kom-
positionen erschienen von ihm.
Remlgins von Anxerre, tenz. Bemi d' Auxerre, Ut. Bemi-
gius Antissiodorensis, geh; in der Burgund« Stadt Auxerre, um
die Mitte des 9. Jhdts., trat in das Benediktinerkloeter St Geimain
daselbst, kam später als Ldirer nach Bheims u. wirkte dort von 893
tris gegen Ende des 9. Jhdts., darauf ging er nach Paris als Lehrer
2U Bhan — Biooio.
der Theologie n. Rhetorik. Ausser mehreren Oommentarexi ttber Teile
der hl. Schrift, hinterliess er anch einen Commentar zu des Martianas
Capella Tractat „De Mnsica/' welchen Gerbert in seinen Script. eccL
I. Bd. pag. 63 abdnicken Hess.
Rhaa oder Rhaw, Georg, geb. 1488 zu Eisfeld in Franken, war
vorerst Kantor u. Musikdirektor in Leipzig (1518), nachgehends siedelte
er nach Wittenberg über, wo er ein Buchdnickerei-Geschäft übte; da-
selbst starb er am 6. Aug. 1548. Er geniesst nicht blos als Kompositenr,
sondern anch als didakt. Schriftsteller n. Dracker musikalischer Werke
einen guten Buf. 1518 edierte er: „Enchiridion musices ex variis
musicomm libris depromtum. Budibus hujus ariis tyronibus sane
frugiferum,^* worin er in zwei Teilen die Elemente der Musik (I.) u.
die Mensuralmusik (II.) lehrt. F6tis führt von ihm eine 12stimm.
Messe u* ein Te Deum (1519) an. Er machte sich als Buchdrucker
Terdient durch die Herausgabe mehrerer musikaL Werke, so der des
Martin Agricola und des Traktats „De Compositione cantus" von
Galliculus; femer durch Veranstaltung einer Sammlung alter 4stimm.
Gesänge, und einer solchen „Newe deutsche geistliche Ges&nge"
(Wittenberg 1544, 123 Nummern).
Bheinberger, Joseph Gabriel, geb. 17. Mftrz 1839 zu Vaduz
in Lichtenstein, Sohn eines fQrstL Bentmeisters, offenbarte sein hervor-
ragendes Talent schon sehr frühzeitig, indem er als siebeigähriger
Knabe Organistendienst versah u. im Komponieren sich versuchte. In
Feldkirch weiter ausgebildet, kam er 1851 nach München, wo er drei
Jahre am Konservatorium studierte, 1859 als Lehrer an dieser Anstalt,
1865—67 als Eepetitor der Hofoper angestellt wurde. 1867 ward er
zum kgl. Professor u. Inspektor der k. Musikschule (des ehemaligen
Konservatoriums) ernannt, 1877 zum kgL Hofkp.-M., als welchem ihm
besonders die Direktion des Hofkapellchors obliegt. B. ist einer der
bedeutendsten Komponisten der Jetztzeit. Ausser vielen Instmmental-
werken, einigen Opern, Chorwerken schrieb er als Meister auf der Orgel
9 Orgelsonaten, ein grosses Orgelkonzert, eine Orgelphantasie, 2 Stabat
Mater, 1 grosses Bequiem (op. 60), 3 Hefte Garmina saora, 2^ u. mehr-
stimmige Gesänge mit Orgel, eine zweichörige Messe, wofür ihn
Leo XTTT. mit dem Bitterkreuz des Gregoriusordens ehrte.
Bieei, Pasqnale, geh; 1733 zu Como, ein Weltpriester, studierte
die Musik unter dem maüändischen Kp.-M. Vignati u. wurde nach
mehreren grösseren Beisen Kp.-M« in seiner Vaterstadt, als welcher er
im Anfang des laufenden Jhdts. starb. (Mehrere Kirchensachen,
Quartetten, Klavierschule.)
Biccio, Antonio Teodoro, ein Kontrapunktist des 16. Jhdts.,
geb. um 1540 zu Brescia, war zuerst Kp.*M. zu Ferrara, dann kam er in
die kais. Kapelle nach Wien, später nach Dresden, u. wurde Protestonti
Riohafort — Biepel. 225
1579 ging er als Kp.-M. nach Königsberg n. starb wahrscheinlich in
Ansbach um 1599. (Messen, Motette, Madrigale n. a.)
Riohafort oder Richef ort, Jean, ein niederländ. Kontrapnnktist,
geb. um die zweite Hälfte des 15. Jhdts. u. Schüler Josquin*s, Kp.-M.
an der Ägydienkirche in Brügge, soll 1556 gestorben sein. Die kgl.
Bibliothek zu Brüssel u. das Archiv der pftpstl. Kapelle bewahren
Werke von ihm, u. auch in verschiedenen Sammlungen des 16. Jhdts.
finden sich solche.
Richter, Franz Xaver, geb. zu HOllischau iq Mähren am
1. Dez. 1709, war seit 1747 Domkp.-M. in Strassburg, wo er den
12. Sept. 1789 starb, den Euf eines gründlichen Lehrers u. Komponisten
hinterlassend. (Viele Kirchensachen und weltliche Musiken; Kompo-
sitionslehre.)
Ricieri, auch Ridieri u. Riccieri, Giovanni Antonio, geb.
23. Mai 1679 zu Venedig, versuchte sein Glück zuerst als Sänger,
dann wendete er sich der Komposition zu. Nach 6jährigem Aufenthalte
in Polen ging er nach Bologna u. gründete daselbst eine Musikschule»
aus welcher tüchtige Musiker hervorgingen. Er war auch einer der
Lehrer des berühmten P. Martini. Gestorben ist er 15. Mai 1746.
Mehrere Kirchensachen von ihm finden sich in Mskr. in italienischen
Bibliotheken u. Musikarchiven u. in der Proske*schen Bibliothek in
Begensburg,
Rieder, Ambrosius, geb. den 10. Okt 1771 zu Döblin bei
Wien, hatte schon als Knabe sich in der Musik hervorgethan, aber
seine volle Ausbildung erhielt er erst durch nähern Umgang mit Haydn,
Mozart u. Albrechtsberger. 1802 ward er Schullehrer u. Eegenschori
im Marktflecken Perchtoldsdorf bei Wien, in welcher Stellung er bis
an seinen Tod, den 19. Nov. 1855, thätig blieb. Er war ein vortrefflicher
Organist, tüchtiger Theoretiker u. fruchtbarer Komponist. (Messen,
Offertorien, Gradualien u. viele weltliche Musikwerke).
Rieder, Alois, gebürtig von Reineck in Tirol, zur Zeit Ohor-
regent in Bruneck, erweist sich als tüchtigen Organisten. Von seinen
Kompositionen sind 4 Tantum ergo, Asperges, 4 Offertorien für 4 Sing-
stimmen mit Orgel oder Streichquartett u. Hom (Weger in Brixen)
u. a. kleine Sachen in Druck erschienen; einige grössere Werke blieben
bis jetzt Manuskript.
Rieder, Joseph, Bruder des Vorigen, Priester u. z. Z. Chor-
regent in Klausen, schrieb sehr Vieles; gedruckt wurden 6 Ecce panis
für Orgel u- Singstimmen, dann eine sehr reichhaltige Gesangschule.
Riepel, Joseph, geb. 1708 zu Hörschlag, einem Dorfe in Ober-
österreich, ein Bierwirtssohn, besuchte in Gratz die lateinische Schule
u. beschäftigte sich nebenbei mit Musik, ohne jedoch einen eigent-
lichen Musikunterricht zu gemessen. Er war in mancherlei Stellungen
thätig, erst war er Schulmeister, dann diente er eine Zeit als Kammer-
KornmOller, Lexikon. IL Bd. 15
1
226 Rinck — Robert.
diener, in welcher Eigenschaft er bald das halbe Europa, Italien,
Türkei, Bosnien, Slavonien, Ungarn, Prankreich, Belgien u» s. w. durch-
reiste, wobei er stets der Musik die grösste Au^erksamkeit zuwendete.
Seine Durchbildung zum Musiker scheint er in Dresden erhalten zu,
haben. 1751 treffen wir ihn in der taxischen Hofkapelle zu Regensburg
angestellt. Seine weiteren Lebensschicksale sind unbekannt. Gestorben
ist er als Ep.-M. am fürstl. Tum und Taxischen Hofe, 74 Jahre alt,
am 23. Okt 1782. — Biepel ist einer der bedeutendsten Musikschrift-
steller des yergangenen Jahrhunderts, äeine Schriften bilden fast eine
kleine Bibliothek des musikalischen Wissens u. Könnens; 6 Foliobände
sind gedruckt, teils in Wien, teils in Augsburg, Ulm u. Begensburg,
1752 bis 1786. Fünf Teile der subtilsten musikalischen Untersuchungen
existieren im Mskr. Nicht minder thätig war er in der Komposition;
er hinterliess Werke aus fast allen Fächern der Tonkunst: 14 Passionen
für die hl. Woche; Gesänge bei der Frohnleichnamsprozession; Gradu-
alien und Ofiertorien für die Fastensonntage; 3 Messen, alles für
4 Singst., Orgel u. 3 Posaunen; mehrere Missae solem.; 4 Sinfonien,
2 Requiem, Vespern, Litaneien, Psalmen, Motetten, Stücke für yer-
schiedene Instrumente u. a. Die kirchlichen Kompositionen atmen
Frömmigkeit u. Ernst, durch eine gewisse Anmut versüsst, u. meister-
haft in der Form. Die obengenannten 5 Mskr. waren im Besitze des
Dr. Dominions Mettenleiter in Regensburg, die Kompositionen teils
in dessen Bibliothek, teils in der taxischen Musiksammlung auch als
Manuskript.
Rinck, Joh. Christian Heinrich, berühmter Organist, geb.
den 18. Febr. 1770 zu Elgersburg im Gothaischen, wurde 17ti0 Stadt-
organist in Giessen, 1813 Hoforganist u. später Kammermusikus in
Darmstadt. 1840 erhielt er das Ritterkreuz des hessischen Löwen-
ordens u. von der Universität das philosophische Doktordiplom. Er
starb den 7. Aug. 1846. Neben vielen Werken für sein Instrument,
worunter seine „Praktische Orgelschule" u. „Praktische Anweisungs-
schule" hervorzuheben sind, komponierte er auch Kirchenkantaten,
Messen, Motetten u. dgl. für die protestantische Kirche.
Ristorl, Giovanni Alberto, geb. zu Bologna 1692» arbeitete
anfangs nur für die Bühne, später mehr für die Kirche. Nachdem er
5 Jahre lang kaiserl. Kp.-M. in Petersburg gewesen, kam er nach
Dresden, wo er als Kirchenkomponist, 1750 auch als Kp.-M. angestellt
vmrde. t 7. Febr. 1753.
Robert, der Weise oder Fromme beigenannt, Sohn Hugo
Oapets, Königs von Frankreich, um 970 zu Orleans geb., seit 996
wirklicher König von Frankreich, als welcher er am 20, Juli 1031
starb, war auch Dichter und Musiker. Es werden ihm die Sequenz
„Yeni sancte Spiritus*' und der Hymnus „0 constantia martyrum'^
zugeschrieben.
Roohlitz — Rore. 227
KocblltE, Joh. Friedrich, geb. den 12. Febr. 1769 zu Leipzig,
«^chon von Jugend an der Musik zugethan, studierte erst Theologie,
wendete sich aber bald der Belletristik zu. Die Musik behandelte ei»
noch mit Vorliebe, u. er gründete 1798 die Leipziger allgem. musik.
Zeitung, deren Redaktion er bis 1818 fährte. 1809 wurde er zum
weimarischen Hofrat ernannt u. starb zu Leipzig am 16. Dez. 1842,
Von seinen Schriften ist besonders bemerkenswert: „Für Freunde der
Tonkunst** (4 Bde., Leipzig 1824-25, 1830 u. 32).
Rodio, E 0 c c 0 , geb. um 1550 in Calabrien, war ein gerühmter
Xontrapunktist u. Lehrer Italiens. 1589 yeröffentlichte er in zweiter
Ausgabe eine Sammlung seiner Kompositionen u. auch anderer Meister
dieses Jhdts., z. B. Villani, Bovio u. dgl, auch einen Band Messen (1580).
Ein didakt. Werk erschien von ihm 1609 zu Neapel „Hegole di musica,**
welches P. Martini sehr helobt hat, u. worin sich die Begeln für den
Oontrapunto-al mente genauer finden.
Röder, Fructuosus, geb. zu Simmershausen den 5. März 1747,
trat 1764 in den Benediktinerorden u. fungierte von 1770 bis 1773 als
Organist u. Musikdirektor am Dome zu Fulda. In diesem Jahre ward
€r nach Neusohl in Ungarn berufen, um eine geordnete Kirchenmusik
ciinzurichten. Bald jedoch nötigte ihn sein Gesundheitszustand, den
mildem Himmel Italiens aufzusuchen; er kam aber nicht mehr nach
Fulda zurück, denn schon 1789 starb er in einem Kloster bei Neapel.
Seine Kirchensachen waren früher sehr geschätzt.
Röder, GeorgValentin, geb. 1780 zu Rammungen in Unter-
franken, war während seiner Gymnasialstudien zu Münnerstadt Organist
an der Augustinerkirche daselbst, zu Würzburg, wo er die Universität
besuchte, wurde er von Kürzinger in der Komposition unterwiesen,
1805 bekam er ebenda eine Anstellung als Musiker in der kgl. Hof-
kapelle u. als Musikdirektor beim Theater. 1814 bei der Auflösung
der Hofkapelle wurde er pensioniert. Nun zog er sich in's Privatleben
zurück u. komponierte fleissig, bis er 1837 zum k. bayr. Hofmusik-
direktor ernannt wurde. Etliche Jahre darauf ward er Kp.-M. an der
hl. Kapelle zu Altötting, wo er am 30. Dez. 1848 starb. Er schrieb
vieles für die Kirche: Messen, Vespern, Offertorien, Requiems u. a.
Rog^one, Francesco, herzoglicher Kp.-M. an der Kirche S.
Ambrogio zu Mailand um 1620, gab 5stimm. Messen, Psalmen, Faux-
bourdons u. Motetten mit Orgelbass (1610), 4— 58timm. Messen und
Motetten (1624), Madrigalen u. a. heraus.
Rore, Cyprian de, oder vanRoor, ein berühmter nieder-
ländischer Kontrapunktist des 16. Jhdts., geb. wahrscheinlich zu Mecheln
1516, kam frühzeitig nach Italien u. bildete sich zu Venedig in der
Schule seines Landsmanns Willaert. 1559 wurde er, nachdem er
einige Zeit herzogl. Kapellmeister zu Ferrara gewesen u. auch in
Flandern sich aufgehalten, Vize - Kapellmeister zu St. Markus in
15*
328 Roselli — Sotter.
Venedig, 1563 nach Willaerts Tode erster Kp.-M. Bald darnach trat
er in die Dienste des Herzogs Ottavio Famese in Parma, starb aber
schon , 1565. Mehrere Samminngen von seinen Madrigalen, Messen,
Motetteil n. dgl. sind im Dmck erschienen; anch andere Sammelwerke
enthalten Arbeiten von ihm.
Roselli, Francesco, anch Bonssel Frangois, in Frankreich
geboren in der ersten Hälfte des 16. Jhdts., kam 1548 als Gesanglehrer
an die Kapelle Ginlia im Vatikan, verliess aber nach 2 Jahren Bom
n. kehrte erst 1572 dahin znrück, woranf er anch die Gesanglehrer-
stelle am Lateran bekleidete. Weiteres yon seinen Lebensumständen
ist nicht bekannt. Von seinen Werken ist wenig erhalten, einige
seiner Arbeiten wurden in mehreren Sammlungen, welche zu dieser
Zeit erschienen, veröffentlicht. Er gehört der römischen Schule an^
deren Geist er vollkommen begriffen hat n. scheint zu seiner Zeit in
grossem Ansehen gestanden zu sein.
BoBetti, Franz Anton, eigentlich Bös 1er geheissen, geb. 1750
zn Leitmeritz in Böhmen, studierte anfänglich Theologie, wendete sich
aber bald ausschliesslich der Musik zu. 1780 stand er in fürstlich
Oettingen-Wallerstein*schen Diensten, 1789 kam er als Hofkp.-M. nach
Schwerin, starb aber schon am 30. Juni 1792. Unter seinen zahlreichen
Werken finden sich auch mehrere Eirchensachen, die jetzt verschollen
sind; am bekanntesten war sein Oratorium „Der sterbende Jesns*^
(Wien 1786).
BosBario, Antonio de, geb. den 20. Juni 1682, Hieronymitaner-
Mönch zu Belem. Die Portugiesen schätzen ihn als einen ihrer gründ-
lichsten Kontrapunktisten.
Bossi, Francesco de, Kanonikus an der Metropolitankirche zn
Bari im Neapolitanischen, um 1680» machte sich durch Eirchenstücke,
welche 1688 zu Venedig in Druck erschienen, u. durch einige Opern bekannt.
BoBsi, Lorenzo, geb. 1760 zu Florenz, studierte in Neapel die
Komposition u. schrieb anfangs viele Kirchenwerke n. Kantaten, später
hauptsächlich Oper^.
Botter, Ludwig, geb. den 5. Sept. 1810 in Wien, bildete sein
Musiktalent, welches schon sehr früh hervortrat, während seiner wissen-
schaftlichen Studienlaufbahn durch eifrigste Benutzung der Müsse-
stunden hierfür, so dass er bald an Kompositionsversuche sich wagte
und nicht ungünstige Besultate erzielte. Daneben betrieb er unaus-
gesetzt Harmonie- und Kontrapunktstudien und eignete sich nach und
nach eine grosse Fertigkeit in den kontrapunktischen Künsten an.
Nachher der Musik sich ausschliesslich widmend, befasste er sich
längere Zeit mit Unterricht im Klavierspiele u. Generalbasse, — wurde
Organist und später Kp.-M. an der ehemaligen Jesuitenkirche zu
den neun Chören der Engel — Professor des Orgelspiels und General-
basses beim Wiener Kirchenmusikvereine — dann Supemumerariua
Rousseau — Buimonte. 329
und bald darauf wirklicher k. k. Hoforganist mit Beibekaltimg er-
wähnter Kapellmeisterstelle. Bei seiner Vorliebe fdr die Eirchenmnsik
XL, bei seiner nnermüdlichen Thätigkeit förderte er eine grosse Anzahl
von Kirchen- u. anderen Kompositionen zu Tage, welche allenthalben
Anerkennung fanden. Im Stich erschienen bisher ausser mehreren
Klayierpiecen u. a. 8 Messen, 12 Gradualien u. 9 Offertorien nebst
einigen kleineren Stücken (Wien, bei Qlöggl). Als Theoretiker zeigte
sich Botter durch Herausgabe seiner „Harmonologie" (Wien, bei Spina).
'Seine Bestrebungen u. Kirchenwerke fanden ehrende Anerkennung sowohl
von den kaiserl. Majestäten als von den kirchlichen Autoritäten, auch
von musikalischen Iiistituten, als Dommusikverein u. Mozarteum zu
Salzburg; der Pragerverein der Kunstfreunde für Kirchenmusik in
Böhmen, der Wiener- (P. P. Piaristen-) u. der Innsbrucker Musikyerein
ernannten denselben zum Ehrenmitgliede.
Ronssean, Jean Jaques, geb. zu Genf am 28. Juni 1712 u.
gest. am 3. Juli 1778 zu Ermenonville bei Paris, beschäftigte sich
neben der Philosophie u. Litteratur auch mit Musik; sein bekanntestes
Werk ist der „Dictionnaire de musique^^ (Genf 1767), welcher in kurzer
Zeit mehrere Auflagen erlebte u. neben vielem Schönen u. Guten auch
vieles Unzulängliche u. Unklare enthält.
Rovetta, Giovanni, geb. in Venedig zu Ende des 16. Jhdts.,
war anfangs Sänger an der S. Markuskirche daselbst und einer der
tüchtigsten Schüler Monteverde's. 1643 folgte er seinem Lehrer als
Kp.-M. an der S. Markuskirche nach u. starb als solcher im August 1668.
Verschiedene Sammlungen von Messen, Motetten, Psahnen, Madrigalen,
mit u. ohne Instrumentalbegleitung, sind von ihm zu Venedig in Druck
erschienen.
Roze, Abb6 Nicolas, geb. den 17. Jan. 1745 zu Bourg-Neuf
in der Diözese Chalons, komponierte schon als Chorknabe beim KoUegiat-
stifte Beaume. 1775 wurde er zum Kp.-M. an der Kirche des Innocents
zu Paris berufen, 1807 ward er Bibliothekar des Konservatoriums u.
starb am 30. Sept. 1819. Verschiedene Kirchensachen von ihm u* eine
„Methode de plain-chant" sind im Druck erschienen.
Rabino oder Robino, ein gebomer Franzose, war Lehrer der
^äpstl. Chorknaben zu Rom von 1539—1541 und kam in gleicher
Eigenschaft dann an die Kirche am Lateran, später an St. Maria
Maggiore. Pitoni nennt ihn einen vortrefflichen Sänger und guten
Kirchenkomponisten.
Ruflo, Vincenzo, Domkp.-M. in Mailand, später in seiner Vater-
stadt Verona, ein Zeitgenosse Palestrina's, war als Tonsetzer angesehen.
Von seinen vielen Werken erschienen mehrere Sammlungen Messen,
Motetten xl Madrigalen.
Rnimonte, Pedro de, ein spanischer Tonsetzer, geb. zu Sara-
gossa, war zu Anfang des 17. Jhdts. Kp.-M. des Erzherzogs Albertt
Statthalters der Niederlande. (Madrigale [1614] u. Kirchenstttcke.)
330 ^bbatini — S^bingeqr.
s.
Sabbatini, Galeazzo, geb. zu Pesaro im Anfange des 17. Jhdts.^
war Kp.-M. des Herzogs von Mirandola und hochangesehen als Theo-
retiker und Komponist. Ausser mehreren Sammlungen Litaneien und
anderen Kirchenstücken, Madrigalen u. dgl. (1636—1640) gah er auch
(Rom 1644) ein theor. Werk: „Begole facili e brevi per suonare sopra
ü basso continuo neirorgano etc." heraus.
Sabbatini, Luigi Antonio, geb. zu Alhano bei Rom 1739, trat
in den Franziskanerorden, u. studierte dann zu Bologna unter P»
Martini, später bei Valotti in Padua den Kontrapunkt. Er starb als
Kp-M. an der Kirche S. Antonio in Padua am 29. Jan. 1809. Er
komponierte vieles für die Kirche, steht aber höher als musikalischer
Schriftsteller. Seine vorzüglichsten Werke sind: „Gli elementi teorici
della musica^* (Rom 1789); „La vera idea delle musicali numeriche
segnature etc." (Venedig 1789); „Trattato sopra le Fughe Musicali"
(Venedig 1802). Er besorgte auch die 1801 in Venedig bewerkstelligte
Herausgabe der Psalmen des Benedetto Marcello.
Sabino, Ippolito, ein angesehener venetian. Komponist des
16. Jhdts., veröffentlichte von 1570—1586 verschiedene Sammlungen von
Madrigalen, Magnificaten u. a* Kirchenstücken.
Sacchi, Salvatore, in den ersten Jahren des 17. Jhdts. Kp.-M»
zu Toscanello, gab 1607 4- u. 5stimm. Messen in Druck.
Sacchini, Antonio Maria Gasparo, geb. zu Puzzuoli am
23. Juli 1734, studierte unter Durante zu Neapel Musik, 1768 bereits
durch mehrere Opern vorteilhaft bekannt geworden, ward ihm 1769 die
Stelle als Direktor des Konservatoriums dell'Ospedaletto zu Venedig
angeboten, welche er auch annahm u. bis 1771 behielt; er beschäftigte
sich da mit erfolgreichem Gesangunterrichte u. mit Arbeiten für Kirchj»
u. Theater. Hierauf reiste er durch Deutschland u. England, hielt sich
in London 10 Jahre lang auf u. ging dann nach Paris, wo er 7. Okt.
1786 starb. Ausser einer grossen Anzahl von Opern komponierte er
auch mehreres für die Kirche.
Sala, Nicolö, ein in Italien berühmter Kontrapunktist und
namentlich Tonlehrer, geb. in einem Städtchen bei Benevent 1732^
war ein Schüler Fago*s, u. mehr als 60 Jahre Lehrer u. Direktor am
Konservatorium della Pietä de' Turchini zu Neapel, wo er 1800 starb»
Bekannt sind von ihm einige Opern u. Kirchenatücke; besonders ge-
rühmt wird sein theoret. Werk: „Regole del contrappunto pratico'^
(Neapel, 1794).
Salbinger, Sigismund, um die Mitte des 16. Jhdis. in Augs-
burg lebend, ist bemerkenswert wegen dor Herausgabe der „OoncentuB
Saldanha — Sammartini. 331
4, 5, 6 et 8 Yoonm/^ (Augsburg 1545), einer Sammliuig yon Gesängen
vieler der angesehensten Tonsetzer damaliger Zeit Er selbst kompo-
nierte anch einiges.
Saldanha, Gonzales Mendes, ein Schüler des Dnarte Lobe,
geb. zn Lissabon, galt nm 1625 als einer der bedeutendsten Musiker
in Portugal. (Messen, Psalmen u. a.)
Säle, Franziskus, wahrscheinlich ein Belgier, war in der
iEweiten Hälfte des 16. «Thdts. Kp.-M. zu Hall in TyroL (Messen,
Motetten u. a.)
Salieri, Antonio, geb. den 19. Aug. 1750 zu Legnano im
Yenetianischen, kam durch Verwendung des Wiener Hofkapellmeisten
Gassmann 1766 nach Wien u. wurde durch diesen auch in die höhere
Tonkunst eingeführt; nach 4 Jahren schon konnte der eifrige Schüler
mit Opern öffentlich hervortreten. 1774 ward er seines Lehrers
Nachfolger als kais. Eammerkompositeur u. Direktor der ital. Oper.
Einige Male reiste er nach Paris, um von ihm gearbeitete Bühnen-
stücke zur Aufführung zu bringen; sonst blieb er zu Wien in seiner
Stellung als kais. Ksmmerkompositeur. 1790 wurde er auf sein An-
suchen wegen Gesundheitsrücksichten der Direktion der Oper enthoben,
welche er an seinen Schüler Jos. Weigl abgab. 1816 wurde er mit
der grossen Civil-Ehren-Medaille geschmückt, und am 7. Mai 1825
starb er, eine grosse Anzahl Opern, Kantaten, Messen, Motetten u. dgl.
hinterlassend. Melodieenreichtum, Formglätte u. yortreffliche Hand-
habung aller Kunstmittel wird an seinen Werken gerühmt, nidit aber
Tiefe der Gedanken.
Salinas, Francesco, geb. um 1512 zu Burgos in Spanien, er-
warb sich trotz fast gänzlichem Verluste des Augenlichtes ansehnliche
Kenntnisse besonders in der alten Musik, welche er durch einen
23jährigen Aufenthalt in Bom noch in hohem Grade vermehrte. Nach
seiner Bückkehr wurde er Professor an der Universität Salamanca
u. lehrte Musik, zu welchem Zweck er auch 1577 seine „Libri septem
de musica" in herrlichem Latein geschrieben herausgab, welches Werk
ein Zeugnis von seiner tiefen Musikkenntnis, seiner allseitigen Bildung
und seinem philosophischen Geiste ablegt. Er starb zu Salamanca im
Februar 1590.
Salomon, Elias, ein französ. ELleriker des 13. Jhdts., am Stifte
St. Aster im Perigord lebend, verfasste 1274 einen Traktat „De scientia
artis mnsicae,^^ welchen Gerbert in seine Script, eccl. (Bd. in. pag. 16)
aufgenommen hat.
Salulini, Paolo, geb. zu Siena 1709, Schüler P. Martini's zn
Bologna, wurde 1765 Domkp.-M. zu Siena, wo er am 29. Jan. 1780
starb. (Zahlreiche Kirchensaohen.)
Sammartfni, Pietro, Musiker des 17. Jhdts. am Hofe zu Floreni,
gab heraus: Motetti a sola voce (1635, 1638 2. Aufl.), Motetti a 2, 3,
333 Sanoes — SantinL
4 e 5 Yoci con le litanie della B. M. V. a 6 Yoci (1642), Motetti a
1 — 5 yoci (1643), Salmi a 8 voci concertati (1643), Salmi brevi a 4 voc
concert (1644).
Sances, Gioyanni Feiice, geb. zn Rom am Anfang des
17. Jlidts., ward 1655 zweiter n. etwas später erster Kp.-li. am kais.
Hofe zu Wien. (4stimm. Motetten (Venedig 1638), Salmi brevi a 4 yoci
concert.; Motetti a sola voce con basso continuo).
Santner, Carl, geb. 26. Januar 1819 zu Salzburg, f 19. April
1885 daselbst, genoss schon fHlhzeitig durch den Domkp.-M. J. Huetsch
Unterricht im Gesang, Klavier, Violine u. später im Generalbass u. in
der Harmonielehre. Nach Beendigung seiner wissenschaftlichen Studien
betrat er die Beamtenlaufbahn. Nachdem er in Linz mehrere Jahre
praktiziert hatte, ward er Vorstand der kais, Strafanstalt in Garsten,
von 1866 an an der von Suben. Hier benützte er die Musik auch als
Bildungs- u. Heilmittel bei Gefangenen u. nicht ohne Erfolg. 1870 in
Pension getreten, kehrte er nach Salzburg zurück u. übernahm die
Leitung des Kirchenchores zu St. Peter; bald gründete er auch den
Salzburger Cäcilienverein, als dessen Vorstand er beiläufig 10 Jahre
mit grossem Eifer u. aufs verdienstvollste wirkte. Er schrieb in dieser
Zeit hauptsächlich nur Kirchenmusik: mehrere Messen, Offertorien
n. 8. w., nachdem er in früheren Jahren fast nur weltliche Musik
(1 Oratorium, Kantaten, Lieder) komponiert hatte. Auch schrieb er
ein „Handbuch der Tonsetzkunst** u. „Winke über Figuration der
Violine.*' (cf. Witt, Fl. Bl. 1885. p. 4.)
Santarelli, Giuseppe, geb. zu Forli 1710, wurde 1749 als Sopran-
sänger in die päpstl. Kapelle aufgenommen u. galt für einen vorzüg-
lichen Kontrapunktisten. Er starb 1790 u. hinterliess auch ein theor.
Werk: ,J)ella musica del Santuario etc" (Bom 1764, zweiter Teil 1770)
u. „Lettere su i compositori per chiesa, a sulla modema musica sagra."
Santiago, Francisco, um 1590 zu Lissabon geb., ging als
Karmelitermönch nach Spanien u* starb 1646 als Domkp.-M. zu Sevilla.
(Viele gerühmte Kirchenstücke.)
Santini, Fortunato, Abbate, geb. zu Bom den 5. Juli 1778,
wurde 1801 Priester u. beschäftigte sich mit Vorliebe mit Musik; er
suchte alle älteren Kompositionen auf u. erwarb sich so eine äusserst
reichhaltige Bibliothek idter Musikwerke, welche unter andern Werke
von 700 italienischen Meistern allein enthält; 1820 veröffentlichte er
einen Katalog derselben. Er komponierte auch, doch nur Kirchen-
werke im älteren Styl. Sein Todesjahr ist nicht bekannt.
Santini, Geminiano, geb. zn Pesaro, 1754 als Supemumerar
in's Kollegium der päpstL Sänger aufgenommen, wird von Baini als
ein guter Tonsetzer genannt. Neben einigen Kirchenmusiken schrieb
er auch ein als Mskr. im päpstl. Kapellarchiv aufbewahrtes didaktisches
Werk „n compositore armonico.*'
Santuooi — Soaletta« 333
Santacci, Marco, Ep.-M. lu Kanonikas an der Kathedrale zu
Lucca, geb. 4. Juli 1762 zu Camajore (Toscana), Schüler von Fenaroli
in Neapel, gest. 1843 zu Lucca, komponierte vieles für die Kirche
tMessen, Motetten (auch eine IGstimmige), Psalmen, Orgelsonaten,
Yersetten u. a.)
Saratelli, Giuseppe, geb. 1714 zu Padua, wurde 1749 Ep.-M.
an der Markuskircbe zu Venedig u. Direktor des Konservatoriums dei
Mendicanti daselbst. Er starb 1762, verschiedene Kirchenkompositionen
hinterlassend.
Barti, Giuseppe, geb. zu Faenza am 28. Dez. 1729, studierte
die Komposition bei P. Martini zu Bologna u. wurde 1756 als Hofkp.-M.
u. Hofgesanglehrer nach Kopenhagen gerufen, wo er einige Jahre blieb.
1770 übernahm er die Direktion des Konservatoriums dell'Ospedaletto
zu Venedig; ein Konkurs für die Domkapellmeisterstelle in Mailand
gab ihm Gelegenheit, sein Talent für Kirchenmusik zu bewähren: er
besiegte alle seine Nebenbuhler u. erhielt die Stelle, in welcher er von
1779 bis 1784 für Kirche u. Bühne zugleich arbeitete. In letzterm
Jahre folgte er einem Bufe nach Petersburg als Kp.-M, wo er von der
Kaiserin Katharina II. mit grosser Auszeichnung behandelt u. in den
Adelstand erhoben wurde. Alter u. Gebrechlichkeit machten ihm ein
milderes Klima erwünschlich. 1802 reiste er nach Italien zurück, kam
aber nur bis Berlin, wo er am 28. Juli genannten Jahres starb. Er
gehörte zu den besten Komponisten seiner Zeit, wovon besonders seine
vielen Kirchensachen Zeugnis ablegen.
Saaveor, Joseph, berühmter Mathematiker u. Physiker, geb.
den 24. März 1653 zu la Fläche, gest. zu Paris am 9. Juli 1716,
legte zur Akustik als Wissenschaft den ersten Gmnd u. gab ihr auch
den Namen.
Savetta, Antonio, geh» zu Lodi, war Kp.-M. an der Incoronata
daselbst u. gab von 1610—1640 verschiedene Sammlungen von Madri-
galen, Messen, Motetten, Psalmen in Druck.
Sayioni, Mario, geb. zu Rom um 1615, war Altist der päpstL
Kapelle u. guter Komponist. (Motetten, £om 1650 u. 1660.)
Scacchi, Marco, geb. zu Bom gegen Ende des 16. Jhdts., ein
Schüler des Fei. Anerio, ging 1618 als Ep.-M. Siglsmunds HI. nach
Warschan, 1648 kehrte er nach Italien zurück u. starb zu Galese
im Eirchenstaate um 1680 in hohem Alter. (Madrigalen, Messen,
Motett u. a. m.)
Scaletta, 0 r a z i o , geb. zu Gremona in der zweiten Hälfte des
16. Jhdts., starb als Kp.-M. an der Kirche S. Antonio in Padua im
Jahre 1630. In Druck erschienen von ihm Madrigalen u. Kirchen-
stücke, auch 2 didaktische Werke: „Scala della musica per i princi-
panti" (Mailand 1599) und „Primo scaUno della scala di contrapunto*'
(Maüand 1622).
334 Soandelli — Soarlatti.
SeaadelU, Antonio, geb. zu Brescia 1517, kam 1556 als knrfürstL
sächsischer Kp.-M. nach Dresden n. starlii daselbst am 18. Jan. 1580.
Sacrlatti, Alessandro, Begründer der neapolitanischen Sch^le^
geb. 1659 zu Trapani in Sizilien, scheint seine ersten Studien in
Palermo gemacht zu haben, dann ging er nach Rom, wo er nnter
Garissimi oder doch wenigstens durch tieferes Studium der Werke
desselben seine Ausbildung vollendete. Durch geniale Schöpfangen in
allen Musikgattungen erhob er sich bald zu einem allgemein bewunderten
Tonsetzer, auch zeichnete er sich durch Virtuosität auf dem Klavichord
aus. Die Aufführung seiner ersten Oper fand zu Born im Palaste der
Königin Christine von Schweden statt, deren Kp.-M. er zweifelsohne
geworden ist. Nach dem Tode der Königin 1688 blieb er noch einige
Zeit in Born ohne Anstellung u. komponierte rastlos für die Kirche
u. Bühne, bis er als Kp.-M. an den kgl. Hof nach Neapel berufen
wurde. 1703 kehrte er nach Bom zurück, um die Musikleitung an der
Hauptkirche S. Maria Maggiore zu übernehmen, anfangs als Beihülfe
des alten Foggia, nach dessen Tode 1707 er wirklicher Kp.-M. wurde.
Schon Mher hatte auch Kardinal Ottoboni ihn zum Direktor seiner
Kapelle bestellt u. wahrscheinlich Scarlatti*s Erhebung zum Bitter vom
goldenen Sporn bewirkt. 1709 verzichtete er auf seine Stelle in Bom
u. kehrte nach Neapel an die Hofkapelle wieder zurück, wo er zugleich
die Oberleitung der drei Konservatorien übernahm. Damit gewann er
sowohl auf die Ausbildung der vorzüglichsten Künstler, als auch auf
die gesamte Bichtung dieser Institute u. den Geist der neapolitanischen
Schule den wichtigsten Einfluss. Unter seinen Schülern zeichneten sich
aus: Logroscino, Durante u. Hasse. Wie ausserordentlich thätig u.
wie fruchtbar sein Genie gewesen, ergiebt sich aus der Zahl seiner
Kompositionen, deren bis zum Jahre 1715 gezählt werden: 106 Opem^
mehrere Oratorien u. sehr viele Kirchenkompositionen (aller seiner
Messen allein sollen 200 sein). Er starb den 24. Oktober 1725. —
Scarlatti besass ein mächtiges Genie, verband mit der reichsten und
kühnsten Phantasie ein weitumfassendes Wissen, die stylistische Bein-
heit der römischen Schule u. eine in unermesslichen Arbeiten gereifte
Erfahrung. Seine oft Überraschende Modulation verletzt nie das Gehör
u. selbst die gewagteste Fortschreitung ist niemals stimmwidrig, eine
vorzugsweise den Italienern eigene Kunst, weil ihre musikalische
Erziehung wesentlich auf der Grundlage der Gesangsbildung beruht.
Er war im Opern- und Instmmentalsatze dem Neuen zugewendet und
selbst Beformator. Im Kirchlichen bekannte er sich unerschütterlich
zum Alten und wirkte nächst den römischen Zeitgenossen mit Lotti
in Venedig und Fuz in Wien am kräftigsten dahin, gegen die schon
weit gediehene Yerweltlichung und Mvole Neuemngssucht des ver-
flossenen Jahrhunderts die ächte Kirchenmusik in Ansehen und Praxis
zu erhalten.
Soarlatti — Sohaller. 835
Scarlatti, Domenico, Sohn des Yorhergehenden, geb. zu Neapel
1683 (nach einigen 1685), war der grOsste italien. Klayierspieler seiner
Zeit u. für den Kiayiersatz wahrhaft ein Erfinder; von seinen Klavier-
kompositionen besass Abb. Santini in Born allein 349 Sonaten.
Gebildet ward er teils von seinem Vater, teils von Gasparini in Rom
n. Bemardo Pasquini. Während seines Aufenthaltes in Born um 1709
machte er sich dnrch Kantaten u. Kirchensachen bekannt, woranf er
1715 Tommaso Baj's Nachfolger als Kp.-M. bei S. Peter im Vatikan
wurde, 1719 legte er diese Stelle wieder nieder u. nach mehrjährigem
Aufenthalte in London, Lissabon u. Mailand kehrte er 1754 wieder
nach Neapel zurück. Gestorben soll er sein als Hofklavierlehrer in
Madrid 1757.
Schacht, Theodor Freiherr von, geb. zu Strassburg 1748,
studierte die Komposition bei Jomelli in Stuttgart n. ward 1775
Intendant der Hofmusik u. Beisemarschall des Fürsten von Tum und
Taxis in Begensburg. 1806 legte er seine Stelle nieder und lebte
fortan in Wien ; 1825 war er noch am Leben. Er war ein unermüdlick
thätiger Mann u. seine Kompositionen sind fast Legion, er schrieb
für Kirche, Bühne u. Kammer; manches davon ist gedruckt, ein
grosser Teil befindet sich in der Taxischen Musiksammlung und in
Privatbibliotheken.
Schack, Benedict, geb. 1758 zu Mirowitz in Böhmen, betrieb
neben seinen wissenschaftlichen Studien auch die Musik fleissig; mehrere
Kompositionsversuche machten ihn vorteilhaft bekannt. Längere Zeit
diente er als Theatersänger. Mit Schikaneder kam er nach Salzburg,
dann nach Begensburg, wo er die Komposition fleissig übte u. nicht
blos Operetten u. a., sondern auch einige Kirchenwerke lieferte, 1796
ward er als Hofsänger nach München berufen, 1805 Hess er sich
pensionieren und starb daselbst den 11. Dez, 1826.
Schaller, Ferdinand, geb. den 30. März 1835 zu Waldershof
in der Oberpfalz, erhielt im Vaterhause durch seinen Bruder Joseph
einigen musikalischen Unterricht, der jedoch sehr ungenügend war.
Seine Musikanlagen fanden ihre systematische Ausbildung erst während
seiner Studienjahre im bischöfl. Knabenseminar zu Metten, wo er durch
die umsichtige Leitung des damaligen Direktors dieser Anstalt, P. Utto
Lang (nachmals Abtes des Klosters), Gesaug, Violin-, Klavier- u*
Orgelspiel erlernte, später in die Behandlung der Blasinstrumente u.
in die Harmonielehre eingeführt wurde. In seinem 16. Lebensjahre
versuchte er sich schon in der Komposition von vierstimmigen Liedern
und Messen. Gleichwohl war er auch im Studium stets unter den
£rsten. In der Oberklasse kam er zur weitem Ausbildung in der
Musik nach Begensburg in das Seminar St. Paul u. genoss einige Zeit
den Unterricht des hochverdienten J. G. Mettenleiter. Nach 3 Jahren
kam er als Convictor in's erzbischöfl. Klerikalseminar nach Freising
^36 Scheidt — Sohenk.
und übernahm dort die Leitung des Seminarchores. Er komponierte da
ftlr seine Mitalumnen eine 4Btimmige Messe, mehrere Marienlieder und
kleinere Piecen für h&usliche Produktionen, schrieb zwei 6stimmige
Vespern de Beata, eine 48timm. Messe für die Fastenzeit, eine instru-
mentierte Messe und mehrere Motetten. Nach seiner Ordination 1859
wirkte er fast 4 Jahre als Coadjutor in Mittenwald; dieser musikalische
und durch seine Geigenfabrikation berühmte Ort, sowie die Gross-
artigkeit der ganzen ihn umgebenden Natur regten Schaller zu neuem
tonkünstlerischen Wirken und Schaffen an. Ein 7stimm. Misereret
eine Messe für 4 Männerstimmen nebst Graduale u. Offertorium, zwei
instrumentierte Messen, ein 3stimm. Requiem u. anderes war die Frucht
seiner Thätigkeit. Nach Freising u. sp&ter in die Vorstadt Au be-
rufen, fand er neben seinen seelsorglichen Geschäften noch inmier Müsse,
der Komposition zu obliegen, bis er am 1. Oktbr. 1867 zum Präfekten
des neuerrichteten Domchor^Enabeninstitutes bei St Johann in München
ernannt wurde. Hier konnte er ganz seinem musikalischen Berufe sich
widmen. Von seinen Werken sind im Druck erschienen: 12 — 15 Messen,
wovon die bedeutendsten sind: die Missa ,,Sa]ye regina,** „Per signum
'crucis,^* „Quinti toni," dann 3 Sonntagsmessen; mehrere Requiem,
1 Te Deum, 14 Motetten de Comm. Sanct. 3 od. 4stimmig; sämtliche
Vesperpsalmen in Falsobordone sowie sämtliche Introitus, Gradualia,
Offertoria u. Gommun. für alle Sonn- u. Festtage u. s. w. Mskr. blieben
bis jetzt 5stimm. Offertorien für die Festtage des Kirchenjahres u. a.
Er starb d. 9. März 1884.
Scheidt oder Scheid, Samuel, geb. 1587 zu Halle, daselbst gest.
14. März 1654 als Ep.-M. des Administrators Christian Wilhelm, war
einer der berühmtesten Tonsetzer seiner Zeit, gewöhnlich einer der
drei berühmten oder grossen S (Schütz, Schein, Scheidt) genannt*
Gedruckt erschienen von seinen Werken: Geistliche Gesänge und
Konzerte, Orgelstücke (darunter besonders „Tabulatura nova" Hamburg
1624) Psalmen u. a.
Schein, Johann Hermann, einer der drei grossen S ' des
17. Jhdts., geb. den 20. Jan. 1586 zu Grünhain Sachsen, studierte in
Leipzig Theologie und Musik, kam 1615 als herzogl Kp.-M. nach
Weimar, 1616 aber nach Leipzig an Seth Oalvisius Stelle als Kantor
an der Thomasschule; daselbst starb er am 19. Nov. 1630. Gedruckt
erschienen von seinen Kompositionen viele geistliche und weltliche
Gesänge, geistliche Konzerte u. weltliche Stücke.
Schenk, Alois David, geb. zu Kaltem in Tyrol 4. Okt. 1839,
derzeit Dekan u. Stadtpfarrer in Klausen, wurde zuerst durch Anton
V. Mayrl mit der besseren Richtung der Kirchenmusik vertraut gemacht
u. gründete 1863 zu Gries bei Bozen im Verein mit AI. Rieder den
Südtiroler Kirchenmusik-Verein „Oäcilia,** nachdem schon firüher ein
solcher Verein angestrebt worden war. Er schrieb: 2 Missae breves
Soherzinger — Sohildkneoht. 23T
de Beqniem, Litaniae lanret., Te Denm, Miserere, Marienlieder, Predigt-
gesänge, Motetten, eine Beihe von ein- u. mehrstimmigen weltlichen
Liedern, meist Mskr. ; femer „Zwei wichtige Fragen der Mrchenmasik.
Reform" (2. Anfl. Regensbg, Pustet); ausserdem mehrere Aufsätze u*
Abhandlungen über E.-Mu8ik in Zeitschriften.
Schersinger, P. Cornel, Mönch des Cisterzienserklosters Lilien-
feld, war geboren 1814 zu Penzing bei Wien, f 8. Jan. 1876^ war ein.
fruchtreicher Komponist. Im Mskr. sind von ihm yorhanden: 17 grössere
XL kleinere Messen, 3 Bequiem, 17 Gradualien, 28 Offertorien u. y. a.
SchgrafPer, Jakob, geb. zu Bozen, starb daselbst als Pfarr-
orgamst im Jahre 1859. Zu Mailand ausgebildet blieb er der neueren,
italienischen Musik allzusehr zugethan, weshalb seinen yielen Kompo-
sitionen (Litaneien, Messen, Miserere, Tantum ergo u. s. w.) ein sehr
weltlich brillantes Wesen eigen ist, wodurch sie allerdings lange Zeit,
grosse Beliebtheit errangen.
Schicht, Johann Gottfried, geb. den 29. Sept. 1753 zu
Beichenau bei Zittau, beschäftigte sich schon frühzeitig mit Musik;
in Leipzig begann er das juridische Studium, wendete sich aber bald
ganz der Tonkunst zu. Längere Zeit diente er als Klayierspieler bei
den Gewandhauskonzerten in Leipzig u. trat 1785 nach Hiller's Ab*
gang in dessen Amt als Direktor dieser Konzerte ein. Nicht blos die
praktische Musik war es, welcher er seine Liebe u. Kraft zuwendete,,
auch das Studium der Theorie zog er in ausgedehnter Weise in seinen.
Bereich, wozu ihm Hiller's Freundschaft die lebendige Anweisung
darbot. Anfangs der achtziger Jahre galt er schon für einen gründ-
lichen Kontrapunktisten und gediegenen Tonsetzer. 1810 ward er
Kantor an der Thomasschule und Musikdirektor der beiden Leipziger
Hauptkirchen und wirkte in diesen Ämtern bis zu seinem Tode, welcher
am 16. Febr. 1823 erfolgte. Er hinterliess zahlreiche Kompositionen,^.
Oratorien, Kantaten, Psalmen u. a., auch ein theoret. Werk: „Grund-
regeln der Harmonie nach dem Verwechslungsystem*' (Leipzig).
Schiedermeier, Joseph Bernhard, gest. als Domorganist zu
Linz am 8. Jan. 1840, hat yiele Kirchensachen komponiert, die in ihrer
weltlichen Heiterkeit lange Zeit auf den Kirchenchören ihr Unwesen
trieben. Der grösste Teil derselben gehört unter das ünkirchlichste,
was je erzeugt worden ist.
Schildknecht, Joseph, geb. 4. Febr. 1861 zu St. Georgen
(St. Gallen), Sohn eines Lehrers, erhielt schon frühzeitig Klayier-
unterricht, ward yom Dom-Kp.-M. Stehle auch in die Harmonielehre
eingeführt u. frequentierte dann 1878—79 die kirchl. Musikschule in
Freiburg i. Br. Bis Ende des letzteren Jahres yersah er daselbst die
Stelle eines Domchorassistenten u. 2. Domorganisten; 1880 besuchte er
die Kirchenmusikschule in Begensburg. 1881 Chorregent u. Organist
in Bischofszeil, Ende dieses Jahres bis 1885 bekleidete er die Stelle
1238 Sohinn — Sohlett.
eines Seminar-Musiklehrers in Zug, worauf er in gleiche Stelle am
Inzemischen kathol. Lehrerseminar zu Hitzkirch eintrat, zugleich als
Organist u. Chorregent an der Pfarrkirche daseihst fungierend. ^Er
lieferte his jetzt mehrere gediegene musik. Artikel in verschiedene
Zeitschriften u. edierte 4 Messen für 2, 3, 4 Stimmen mit Orgelhegleitg.,
2 Bequiem; Organum concomitans zu den Gradualien, Traktus und
Sequenzen des Graduale rom.; 178 Recitationskadenzen f. d. Orgel n.
andere kleinere Kompositionen.
Schinn, Georg, geh. zu Sinzing hei Regenshurg am 14. Septhr.
1768, ergriff nach vollendeten Universitätsstudien die Musik als Lehens-
heruf, trat in die Kapelle des Fürstbischofs von £ichstädt als Flötist
ein u. machte dann Kompositionsstudien heim dortigen Domkp.-M.
Bachschmidt u. später bei Mich. Haydn. 1806 trat er in das Münchner
Hoforchester u. blieh hier his zu seinem Tode, den 18. Febr. 1833.
Von seinen Kirchenkompositionen waren mehrere weiter bekannt u.
geschätzt.
Schlecht, Raimund, geb. den 11. März 1811 zu Eichstädt, be-
suchte daselbst die 4 niedem Lateinklassen, absolvierte das Gynmasium
u. nachdem er 4 Jahre am Lyceum zu Regensburg studiert hatte,
ward er in*s Klerikalseminar zu Eichstädt aufgenommen, woselbst er
am 28. Aug. 1834 zum Priester geweiht wurde. Nachdem er einige
Zeit in Hollfeld als Hilfspriester gearbeitet hatte, trat er den 30. Jan.
1836 als Präfekt n. erster Lehrer in*s kgl. Schullehrerseminar zu Eich-
städt ein, 1838 den 13. Nov. ward er zum Inspektor u. Vorstand dieses
Instituts ernannt, 1870 pensioniert, f 24. März 1891. Von Jugend an
der Musik ergeben, eröf&iete ihm seine Stellung in einer Schullehrer^
bildungsanstalt einen bedeutenden Wirkungskreis, u. als gründlicher
Musiker, theoretisch u. praktisch gebildet, suchte er seine Zöglinge auf
eine höhere Stufe des mit ihrem künftigen Berufe so eng verbundenen
Musikbetriebes zu heben. Zu diesem Zwecke veranstaltete er die Heraus-
gabe mehrerer guter Werke: „Offic. inNativ. D. N. J. Ch. et Hebdomadae
Sctae*^ mit übersetzten deutschen Rubriken (Nördlingen 1844, 2. Aufl. 1850)
u. „Vesperae Breviarii Rom.** (ebenda 1852); eine „Auswahl deutscher
Kirchengesänge alter u. neuer Zeit,** harmonisiert u. mit Bemerken
versehen (Nördlingen 1848, 1849) 3 Hefte; Gradualia et Offertoria de
Oomm. Sanct'* (ebenda 1853). Ausserdem schrieb er noch viele gediegene
Artikel in musikalische u. pädagogische Zeitschriften.
Schlett, Joseph, geb. 17. Juli 1764 zu Wasserburg am Inn,
Btndierte einige Zeit Jurisprudenz, sah sich aber wegen unzureichender
Mittel genötigt, in München eine musikal. Anstellung zu suchen*
1794 ward er Organist u. Musiklehrer am Seminar, später Professor
an der Ritterakademie. Immer war er der Musik mit Liebe zugethan
u. hatte durch einige Kirchenkompositionen sich einen guten Namen
gemacht. Gestorben ist er am 26. Dez. 1836.
Schlier — Schneider. 239
Schlier, Johann, geb. den 22. Okt. 1792 zn Salzburg, erhielt von
Hieb. Haydn den ersten Unterricht im Generalbass; 1813 betrat er die
militärische Laufbahn, nal^ 1825 seinen Abschied und lebte fortan
in Salzburg der Tonkunst. Es sind von ihm mehrere Eirchenkompo-
müonen bekannt geworden.
Schmidt, Friedrich, geb. 5. März 1840 zu Hartefeld bei Sevelen
{Westfalen), erhielt 12. März 1864 die Priesterweihe u. wurde 17. Okt.
1866 zum Domchordirektor zu Münster ernannt. Seitdem wirkte er
eifrigst für Hebung u. Verbesserung der Kirchenmusik; in Druck ver-
•öffentlichte er zwei Messen (S Ludgeri u. de Nativitate D. N. J. Gh.),
ein Heft Motetten u. eine Litanei, ausserdem finden sich Kompositionen
Ton ihm in einigen Sammlungen. Seit langer Zeit auch Lektor der
Musikgeschichte an der k. Akademie zu Münster, ward er nach
Dr. Wittes Tod auf der Generalversammlung des Gäcilienvereins zum
Oeneralpräses gewählt (1889). 1890 ernannte ihn der helL Vater
Leo Xm. zum päpstlichen Ehrenkämmerer.
Schnabel, Joseph Ignaz, geb. am 24. Mai 1767 zu Naumburg
in Schlesien, übernahm nach absolviertem Gymnasium zu Breslau eine
Schulstelle im Dorfe Paritz bei Naumburg und begann hier die Kom-
position zu üben. 1797 hatte er das Glück, in Breslau als Organist
^tn St. Clara und Violinist auf dem Chore der St. Vincenzkirche an«
gestellt zu werden. Einflussreich für seine künstlerische Fortbildung
war sein freundschaftliches Verhältniss mit dem Musikdirektor Förster
und schon 1789 trat er mit drei Messen hervor, welche ihm die öfPentr
liehe Aufmerksamkeit erwarben» 1805 wurde er zum Domkapellmeister
in Breslau ernannt und 1812 erhielt er die Stelle als üniversitäts-
mnsikdirektor und Musiklehrer am kathol. Seminar. Unermüdlich und
wohlthätig wirkte er in diesen Ämtern bis zu seinem Tode, am
16. Juni 1831. Ausser einigen Kompositionen für Blasrastramente,
einigen Kantaten u. Liedern hat er eine sehr grosse Zahl von Kirchen-
sachen herausgegeben, von welchen viele noch jetzt geschätzt werden.
Wir finden vorzüglich in seinen Messen den Ausdruck einer ernsteren,
erhabneren, den heiligen Handlungen angemessneren Stimmung, als
diess in. den meisten Kirchenmusiken der Fall ist; er macht nicht
künstliche Musik um ihrer selbst willen, er komponiert mehr im
katholischen Bewusstseiu und mit Itücksichtnahme auf den kirchlichen
Charakter.
Schneider, Franz, geb. 1737 zu Pulkau in ünterösterreich, kam
auf Albrechtsberger's Empfehlung als zweiter Organist ins Kloster
Molk. Unter dieses Meisters Leitung bildete er sich in der Kompo-
sition noch weiter aus, wurde später dessen Nachfolger als erster
Organist und nachgehends auch zum Schuldirektor ernannt. Bei der
Verlegung des Gymnasiums von Molk nach St. Polten, zog er auch
dahin, versah nebenbei noch das Amt eines Chordirigenten und starb
S40 Solmeider — Sclmyder von Wartensee.
am 15. Febr. 1812. Er wird als ein grosser Meister auf der Orgel iu
als höchst gründlicher Tonsetzer gerühmt. Von seinen unzähligen
Kirchensachen ist nichts durch Druck veröffentlicht worden.
Schneider, Friedrich, der berühmte Tonsetzer, war geb. am
3. Jan. 1786 zu Altwaltersdorf bei Zittau. Sein Vater unterrichtete
ihn gründlich in der Musik und mit 8 Jahren vermochte er diesen im
Orgelspiel und ünterrichtgeben zu unterstützen. Im 9. Jahre machte
er die ersten Eompositionsversuche. Nachdem er die wissenschaftliche
Studienlaufbahn auf den Wunsch seines Vaters durchgemacht hatte>
wobei er auf der Universität Leipzig durch die Bekanntschaft mit
Bochlitz, Schicht u. a. sehr viel für die Musikbildung gewann, widmete
er sich ausschliesslich der Tonkunst. Von 1806 an bekleidete er die
Stelle eines Gesanglehrers, dann eines Organisten u. später die Stelle
eines Musikdirektors bei einer Schauspielergesellschaft, bis er 1812
Organist an der Thomaskirche in Leipzig wurde. Daselbst komponierte
er mehrere Vokalmessen und begann auch in der Komposition für
Männerquartett Gutes zu leisten. 1819 vollendete er sein berühmtes,
seinen grossen Kuf begründendes Oratorium „Das Weltgericht,*^ welche»
unzählige Aufführungen erlebte und auch die allgemeinste Aner-
kennung verdiente. 1821 berief ihn der Herzog von Dessau als Kp.-M.
und Organist an der Schlosskirche nach Dessau. Daselbst gründete er
1829 ein Musikinstitut, welches einen grossen Buf erlangte, ünermüdet
war er im Schaffen, Wirken und Lehren und keinen tüchtigeren
Dirigenten kannte man als ihn. Ausser mehreren didaktischen Schriften
erschienen 105 Werke: Oratorien („Das Weltgericht," „Die Sündfluth,"
„Das verlorene Paradies," „Christus, das Kind" u. a.), 2 Messen^
Psalmen u. dgl. im Druck, unzählige verblieben in Mskr. Überall ward
der würdige Meister geehrt u. ausgezeichnet durch Orden u. Doktor-
diplome. Sein Leben endete am 23. Nov. 1853.
Schneider, Ludwig, geb. den 15. Aug. 1806 zu Büdesheim,
gest. als Pfarrer zu Eibingen am 23. Jan. 1864, setzte, nachdem er in
früheren Jahren der modernen Kirchenmusik leidenschaftlich ergeben
war, seit 1849 alle seine Kraft daran, den gregorianischen Gesang in
möglichster Beinheit mit entsprechender Orgelbegleitung zurehabilitieren.
Welch tüchtiger Kontrapunktist er war, beweisen seine 2— 8stimmigen
Kompositionen, die er vor 1849 über bekannte lateinische Kirchenlieder
kontrapunktisch arbeitete u. in seiner Kirche aufführte. Seine Grund-
sätze über Choral u. seine Harmonisierung finden sich in dem 1866
von Fr. J. Mayer u. Erwin Schneider herausgegebenen „Gregorianische
Choralgesänge etc., harmonisiert von Ludwig Schneider" (Frankfarti
Hammacher).
Schnyder von Wartensee, Xaver, geb. zuLuzem am 18. April
1786, aus einem der ersten Patriziergeschlechte, übte sich in seiner
Jugend viel in der Musik, machte auch Kompositionsversuche ohne
Schöpf — Schreins. 241
weitere Anleitung, erst 1810, da er sich der Mnsik ganz sdienken
konnte, begann er Harmonielehre n. Komposition zu studieren, znerst
in Zürich, dann in Wien. 1816 wurde er als Lehrer in Pestalozzi's
Erziehungsanstalt zu Yverdun angestellt. Im folgenden Jahre ging er
nach Frankfurt a. M., wo er bis zu seinem Tode, den 27. August 1868,
mit Unterricht in der Tonsetzkunst, mit Komponieren u. Schriftstellerei
sich beschäftigte. Er zählt zu den bedeutendsten Kontrapunktisten
unserer Zeit.
Schöpf, Franz, geb. 1836 zu Girlan in Tyrol, gegenwärtig Stadt-
pfarrorganist in Bozen u. Vorstand des dortigen Cäcilia-Vereins, durch
Anton y. Mayrl zu eifrigem Studium der Musik angeleitet, schrieb viele
Kirchen werke, die besonders auf Landchören verbreitet sind; eines der
besten Werke ist sein Oratorium: „Abschied Jesu zu Bethanien" (ver-
legt bei Maülinger in Augsburg).
Schott, Caspar, geb. 1608 zu Königshofen bei Wtirzburg, trat
frühzeitig in den Jesuitenorden. Er wanderte dann nach Sicilien, wo
er seine Studien vollendete und hierauf mehrere Jahre Theologie und
Mathematik docierte. Nach Born berufen trat er in innigste Freund-
schaft mit Ath. Kircher, dem er viele Belehrung, namentlich auch in
musikal. Dingen verdankte. Nach SOjähriger Abwesenheit kam er
wieder nach Würzburg, wo er seine Schriften zur Herausgabe vor-
bereitete, u. am 22. Mai 1666 starb. Seinen „Oursus mathematicus,"
in 28 Bücher geteilt, begann er 1661 herauszugeben; das 25. Buch
„Organum mathematicum" betitelt, erschien erst 1668 zu Würzburg.
Darin handelt er von der Musik, ihrer Einteilung, ihren Systemen,
Geschlechtern, von der Melopoie oder Melodiebildtmg u. der praktischen
Behandlung des Kontrapunktes. In seiner „Mechanica hydraulico-
pneumatica" (Würzburg 1657) giebt er Anleitung zur Verfertigung von
musikalischen Automaten.
Schreiber, P. Johann, geb. 1716 zu Arth, trat 1738 in das
Gisterzienserkloster St. Ürban (Schweiz) u. war in der Musik sehr
thätig. Gedruckt erschienen von seinen Kompositionen: Op. I. Fasci-
culus Ariarum 24 gloriosae Virg. Mariae, quarum XII Duetto, XII Solo,
c. 2 Viol., Viola et dupl. Basso (Freiburg 1747); Op. 11. Missale Cisterc.
musicum, complectens VI Missas cum n Bequiem a 4 voc, 2 Viol.,
Viola, 2 Clarin. vel Com. (ibid 1747); Op. IH. adoratio Del per XV
Offertoria solemn. a 4 voc, 2 Viol. etc. Pars I. (St. Gallen 1754). f 1800.
Schrems, Joseph, geb. den 5. Okt. 1815 zu Warmensteinach in
der Oberpfalz, machte seine Studien im Seminar zu Amberg, wo er sich
als Violinspieler auszeichnete, ward am 5. Okt. 1838 zum Priester
geweiht u. 1840 zum Domkp.-M. u. Inspektor der Dompräbende in
Kegensburg ernannt. Er hob als ausgezeichneter Dirigent die Dom-
musik zu einem hohen Grade der Vollkommenheit, das grösste Ver-
dienst aber erwarb er sich als Bestaurator der älteren Kirchenmusik
Kornmlillpr, LeTlkon. IL Bd. 16
242 Schreyer — Schübiger.
auf dem Domchore n. reiht sich würdig den zwei grossen Bestanra-
toren Dr. Proske n. J. G. Mettenleiter an. Er war unstreitig einer
der tüchtigsten Kapellmeister, die je an dem Dome zn Begraislrarg
gewirkt haben. Das Mnsikalien-ArchiT dieses Chores ist durch ihn
ganz umgestaltet, sozusagen neugeschaffen worden, u. zwar in einem
Beichtume, der in Erstaunen setzt. Kaum ist in einer Kathedrale
von Frankreich, Italien u. Deutschland für das ganze kirchliche
Jahr eine solche Ffllle des gediegensten musikalischen Materials zum
praktischen Gebrauche aufgehäuft, wie das hier durch die uner-
müdliche Thätigkeit dieses strebsamen Mannes geschehen ist. Hierzu
bot ihm freilich auch die Proske'sche Bibliothek eine unerschöpfliche
Fundgrube. Sein Wirken blieb aber nicht auf den engen Kreis der
Stadt Begensburg eingeschränkt, seine Schüler machten die bei ihm
gewonnenen Kenntnisse iL Erfahrongen auch in weiter Feme nutzbar.
Er starb den 25. Okt. 1872.
Sehreyer, P. Gregor, geb. zu Kirchenpingarten (Oberpfalz) trat
1740 in das Benediktinerkloster Andechs, war ein trefflicher Organist,
Violinist u. Kompositeur. Im Druck erschienen von ihm 8 solenne
Messen (Augsbg. 1756); Sacrificium matutinum sen Missae VI breves
a 4 Toc. 2 Viol. 2 Olarinis yel Com. cum dupl. Basso (1763), Op. n.;
Sacrificium vesp. seu Vesperae VI cum Psalmis residuis (gleiche
Besetzung) Op. IIL (1766).
Schubert, Franz, der berühmte Liederkomponist, war geb. den
31. Jan. 1797 zu Wien, u. schon im Knabenalter trat sein Musiktalent
auffällig hervor. Nachdem er im k. k. Oonvicte zu Wien einige Jahre
studiert hatte, leistete er seinem Vater (in der Vorstadt Himmelpfort-
grund) 5 Jahre lang Schulgehilfendienste, immer nebenbei fieissig der
Musik obliegend. 1814 gab er seine erste grosse Messe heraus, welche
einiges Aufsehen erregte. Als Sing- u. Klaviermeister des Grafen
J. Esterhazy verblieb er, einige kleine Ausflüge abgerechnet, nun immer
in Wien bis zu seinem Tode, welcher schon am 19. November 1828
erfolgte. Er war eine der reichsten musikalischen Naturen, voll
Originalität in seinen Gedanken, unerschöpflich in der Erfindung; ob
dieser ünerschöpflichkeit u. diesem Schaffensdrang vernachlässigte er
nur zu oft die Feile seiner Werke u. die i^otwendige Architektonik.
Zumeist tritt er in seinem musikal. Wesen in die Fusstapfen Haydn's,
aber es regen sich in seinen Werken auch schon Keime der sog.
Zukunftsmusik. Ausser seinen vortrefflichen Liedern u. Kammermusik-
werken sind auch Kirchenmusiken bekannt, unter diesen 5 grössere
Messen.
Schabiger, P. Anselm, geb. den 5. März 1815 zuüznach, Kant.
St. Gkkllen, kam als fertiger Klavierspieler u. Altsänger in die Kloster-
schule nach Einsiedeln, in der Syntax machte er sich schon ohne weitere
Anleitung an die Komposition allerlei kleiner Stücke; diese u. alle
Sobnbiger. 343
Werke seiner Mheren Jahre hatten den Charakter des Gefälligen,
Galanten, Melodischen, wozn hesonders die italienischen, damals in
Einsiedeln belichten Kirchenmusiken beitragen. Vorerst hatte er an
Werktagen die Orgel zu spielen, 1835 zum Priester geweiht, wurde er
als Professor einer Gymnasialklasse verwendet, worauf er die Musik-
direktion übernahm. Nun komponierte er viel, besonders Messen mit
Orgelbegleitung u. dgl, auch einige Schultheater (Singspiele). Treff-
liche Musiker, welche unter den Oonyentaalen sich befanden, halfen
seine Musikbüdung zu vollenden. Zu gleicher Zeit, als die Marien-
lieder von Görres u. ihre Bearbeitung von Aiblinger erschienen, hatte
auch Schubiger eine Beihe solcher Lieder geschrieben, „Marienrosen*'
betitelt, bereits in 10. Auflage erschienen und in*s Französische über-
tragen u. nachgedruckt. Bald erschienen zwei andere Sammlungen
frommer Kirchenlieder: „Laudate Dominum" u. „Das Lob Gottes im
Munde der Unschuld," nachdem er früher schon ein Heft mit 6 Anti-
phonen vom hl. Sakramente für 4 Singstimmen veröffentlicht hatte.
Inzwischen wandte sich Schubiger immer mehr von der Komposition
und der neueren Musik ab und zu ernstem Studium der älteren Musik
hin, wozu ihm die handschriftlichen Schätze der Klosterbibliothek und
später auch andere Schweizerkloster wichtigen und bis jetzt wenig
benützten Stoff lieferten. Die Herausgabe des berühmten ältesten
Antiphonars von St. Gallen durch P. Lambilotte und die Ansichten
desselben über diess Werk veranlassten ihn, neue Untersuchungen
darüber anzustellen, deren Besultat die Unächtheit des als eine wahre
Abschrift des gregor. Antiphonars behaupteten Schriftstückes ergaben.
Er veröffentlichte solches in der zu Paris erschienenen „Revue" des
Th. Nisard und erregte dadurch einen wahren Sturm gegen sich, zumal
man in einigen DiOzesen Frankreichs schon angefangen hatte, die
Ghoralbücher nach Lambilotte's Grundsätzen neu aufzulegen. Er
schrieb noch mehrere Artikel in französische u. deutsche Musikblätter,
von denen besonders ein Aufsatz über einen Musiker des 12. Jhdts«,
Wipo mit Namen, welchen er als den Verfasser der Ostersequenz
„Victimae paschali" entdeckte, ihm bei französischen Musikautoritäten
gerechte Anerkennung verschaffte. Unterdessen setzte er seine Arbeit
an einem grossen Werke über die Neumen fort, fand aber keinen
Verleger für dasselbe. Endlich übernahm Benzinger in Einsiedeln
die Herausgabe wenigstens eines Teiles desselben, weicher die von
Bomanus gestiftete „Sängerschule in St. Gallen und ihre Geschichte
vom 8. bis 12. Jhdt" behandelt. Das wertvolle Buch erschien unter
diesem Titel i. J. 1858. Es wurde später in das Französische übersetzt
u. von Th. Nisard in der „Bevue musicale" mitgeteilt. 1873 gab Seh.
die Schrift „Die Pflege des Kirchengesanges u. der Kirchenmusik in
der deutschen kathol. Schweiz" heraus. Andere Abhandlungen von ihm
erschienen in musikalischen od. historischen Zeitschriften, namentlich
16*
244 Sohtirer — Schwarz.
m „Geschichtsfreund, Mitteilangen des histor. Vereins der fünf Orte,**
welcher Qesellschaft er seit 1875 als eifriges Mitglied angehörte. Am
6. Sept 1885 feierte er sein 50jähriges Jnbiläam der Ordensprofess.
Obschon an Körper n. G«ist vielfach leidend, war er doch noch be-
ständig mit musikalischen Kompositionen u. historischen Forschungen
bis nahe vor seinem Tode beschäftigt, welcher am 14. März 1888 eintrat.
Schürer, Adam, einer der besseren Kirchenkompositenre des
vorigen Jhdts., war in der kurfürstlichen Kapelle zu Dresden angestellt
und starb 1780 in hohem Alter.
Sehfits, Heinrich, (S a g i 1 1 a r i u s) war geb. zu Köstritz im
Voigtlande am 8: Okt. 1585, studierte anfänglich nach dem Willen seiner
Sltem Jurisprudenz, 1609 aber ging er, veranlasst u. unterstützt von
dem Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel, in dessen Kapelle er Sopran-
sänger gewesen, nach Venedig, um bei dem berühmten Meister Joh.
Gabrieli in der Musik sich auszubilden. Erst 1612 kehrte er wieder
nach Kassel zurück u. wurde bald darauf vom Kurfürsten von Sachsen
nach Dresden berufen, in dessen Dienste er als KapeUdirektor 1615
eintrat. Diese Kapelle regenerierte er vollständig u. hob sie zu einer
damals bewunderten Höhe. Ausser einigen Eeisen verblieb er in Dresden
bis zu seinem Tode den 6. Nov. 1672. Von seinen Werken sind viele
im Druck erschienen, so: 5st Madrigale, Oratorien, Motetten, Psalmen
Davids, Symphoniae sacrae, 3 Teile u. a. nu BochUtz sagt von ihm:
„Das Vorzüglichste, was seine und die frühere Zeit hervorgebracht,
hatte er sich zu eigen gemacht; aber er gab keinem Einzelnen sich
hin, und erhielt seinen Geist und Geschmack frei. ... Er gehörte zu
den originellsten und selbständigsten Meistern Deutschlands wäGrend
des 17. Jhdts. und ist als einer der entschiedensten Bepräsentanten
damaliger deutscher Musik anzusehen." Er zählte zu den drei grossen
S (Schütz, Schein, Scheidt).
Schuster, Joseph, geb. zu Dresden am 11. Aug. 1748, machte
mehrere Beisen nach Italien, um in der Musik höhere Vervollkomm-
nung zu erlangen, und wurde 1787 zum Hofkapellmeister in Dresden
ernannt, wo er auch am 24. Juli 1824 starb. Er komponierte vieles
für Bühne und Kirche, aber alles ohne tiefem Gehalt in leichtem
gefäUlgen StyL
Schwarz, Basilius, geb. den 28. Dez. 1777 zu Söflingen bei
Ulm, trat 18 Jahre alt in das Franziskanerkloster zu Augsburg, wo er
sich besonders im Orgelspiel ausbildete. Nach der Säkularisation der
bayr. Klöster 1803 ging er zu seinem Bruder in's Franziskanerkloster
nach Salzburg, wo er mit diesem abwechselnd den Organisten- und
Chorregentendienst neben der Seelsorge versah. Von 1802—1815
Prediger an der Hofkirche zu Salzburg, kehrte er 1820 wieder nach
Bayern zurück, war einige Zeit Kaplan und wurde 1824 zum zweiten
Inspektor des neuerrichteten SchuUehrerseminars zu Dillingen ernannt,.
Sohwarzkopf — Schweitzer. 245
wo er neben andern Lehrfö,chem auch Unterricht im Generalbass
erteilte. 1830 wurde er quiesciert, sammelte aber gleichwohl noch für
' die Seminarbibliothek gediegene Musikalien. 14 Jahre stand er darauf
der Kaplanei am Damenstifte in München vor, bis er 1844 sich in
gänzliche Ruhe begab u. nur für sich lebte. Er starb am 15. Okt. 1863.
An Werken von ihm sind bekannt geworden: „Unterricht im Choral-
gesang und Generalbass" (Augsburg, Böhm); „Über Anwendung der
Accorde, Übergänge, Materialien zum Präludieren;" 2 lat. Vespern;
Mess- u. andere Lieder; 56 grosse vierstimmige Chöre; zweist. Gesangs-
Übungen; 6 vier* u. 2 zweist. Requiem; 8 vierst. Gradualien u. a.
In 3 zweist. Messen führt er die nach seiner Meinung glückliche
Neuerung ein, zwischen die Worte Kyrie eleison u. die andern Mess-
texte Stücke aus dem Stufengebete, Pater noster etc. einzuflechten.
Schwarzkopf, Theodor, war seit 1697 Kp.-M. in Stuttgart u.
starb in den zwanziger Jahren des vorigen Jhdts. Im Druck erschien
von ihm eine Sammlung 4st. Messen, Psalmen etc. mit Instrumental-
begleitung und eine andere Sammlung 1 — 6st. Psalmen.
Schweitzer, Johann, geb. den 19. März 1831 zu Walldürn am
Odenwalde, f 2. Febr. 1882, genoss schon Mhzeitig guten Musik-
tmterricht, welcher während seiner Studienjahre zu Mannheim durch
den Einfluss seines Oheims, eines Hofmusikers am dortigen Theater^
eehr gefördert wurde. Dem Studium der Theologie sich widmend, Hess
er die Musik keineswegs bei Seite, sondern war sehr thätig durch
Gründung von Musikvereinen, Veranstaltung musikalischer Produktionen
u. Komposition verschiedener Sachen, als Alumnus schrieb er für's
erzbischöfl. Konvikt in Freiburg Messen, Motetten u. dgl. In Ansehung
seiner musikal. Thätigkeit wurde er nach der Priesterwdhe 1855 so-
gleich als Cooperator an die Metropolitankirche berufen mit der
Verpflichtung, dem Domkp.-M. Lumpp hilfreich zur Seite zu stehen.
1857 begab Seh. sich nach München, um im Kontrapunkt a. Orgelspiel
weitere Studien zu machen; insbesondere fand er dort an dem k.
Konservator Jul. Maier einen trefflichen Lehrer u. Katgeber, welcher
ihm die Schätze der k. Bibliothek ersohloss u. ihn in die Meisterwerke
der Alten einführte. Za gleichem Zwecke ging er 1859 nach Paris,
wo er neben Kontrapunkt u. Fuge auch den Choral studierte. 1860
ward er nach seiner Hückkehr zum erzbisch. Orgelbauinspektor ernannt.
Neben dem 1866 von ihm begründeten grossartigen Musikvereine
fcröffiiete er 1868 eine kirchliche M.usikschqle zur Heranbildung
von Organisten u. Chordirigenten. Obwohl er der höheren Komposition
vollständig Meister war, glaubte er doch, mit leichtausführbaren Werken
besonders die Landkirchen berücksichtigen, au das Vorhandene an-
knüpfen u. so allmählich zum Bessern überleiten zu sollen. Von seinen
.Kompositionen erschienen im Druck: einige Messen wie die „in hon.
S. Johannis,'* „in hon. S. Joseph!,'* „in hon. B. V. X." mit iuitramentaii»
246 Seohter — Seizas.
die Schntzengelmesse n. Einheit Jesa-Messe zu 3 oder 4 Singstunmen,
ein Beqniem u. s. w.
Sechter, Simon, geb. am 11. Okt. 1788 zu Friedberg in Böhmen,
widmete tdch anfangs dem Sehnliche, von 1804 an, in welchem Jahre
er nach Wien kam, ausschliesslich der Musik. Bei seiner Vorliebe für
den strengen Satz betrieb er emsig das Studium der Werke Hftndels,
Bach's, Mozarts u. a. und pflegte fleissig den Kontrapunkt. 1811 er-
hielt er die Stelle eines Musiklehrers am k. k. Blindeninstitute und
brachte es in der kontrapunktischen Schreibart, so weit, dass es wenige
ihm gleich thun konnten. Die Bekanntschaft mit Abb6 Stadler ver*
schaffte ihm die Beförderung zum zweiten und 1825 schon zum ersten
Hoforganisten. Von 1851 an war er auch Lehrer für Harmonie und
Komposition am Konservatorium der Musikfreunde. Sein arbeitsames
Leben schloss er am 10. Sept. 1867, den Buhm eines grossen Kontra-
punktisten hinterlassend. Von seinen zahlreichen Werken (worunter
neben weltlichen Kompositionen auch viele Kirchenstücke z. B. Messen,
Requiem, Gradualien u. s. w.) erschienen 80 Nummern in Druck,
welche genugsam, seine hohe Kompositionsfertigkeit bekunden; aber
unvergänglich macht seinen Namen sein grosses theoretisches Werk:
„Die Grundsätze der musikalischen Komposition*' (3 Bde. Leipzig bei
Breitkopf & Härtel 1853. 1854), Ober dessen Vorzfiglichkeit nur eine
Stimme ist Sein System, das er darin ausfahrt, üt von einer
Einfachheit, Klarheit und Konsequenz, die ihres Gleichen sucht Auch
Marpurg's Abhandlung von der Fuge arbeitete er um und ver-
mehrte sie.
Seeger, Joseph, geb. 21. März 1716 zu Bepin "bei Melnik in
Böhmen, kam zum Studium nach Prag, wo seine schöne Stimme u. seine
musikalischen Anlagen den Organisten Oemohorsky bestimmten, ihm
unentgeltlich Unterricht im Orgelspiel u. in der Tonsetzkunst zu geben.
Er wurde später an mehreren Kirchen Prag's als Organist angestellt;
Kaiser Joseph 11. wollte ihm eine gleiche Stelle in Wien geben, aber
das Dekret traf Seeger nicht mehr am Leben, er war am 22. April
1782 gestorben. Nicht blos als Orgelspieler genoss er einen bedeu-
tenden Buf, sondern auch als Kontrapunktist u. Lehrer der Theorie;
bedeutende Künstler zählen unter seine Schfller. Von seinen vielen
Werken — Kirchensachen aller Art u. Orgelstücke — blieben mit ein
paar Ausnahmen alle im Mskr*
Sehling, Joseph Anton, geb. um 1680 zu Teising in Böhmeni
studierte in Prag und starb daselbst als Sänger und Komponist beim
Grafen Morzin und als Musikdirektor an einigen Kirchen am 19. Sept
1756. Seine Kirchensachen waren einst geschätzt
Seixas, Jose Antonio Carlos, geb. 1704 zu Coimbra u. gest
1742 zu Lissabon als Organist, hinterliess im Mskr. 4- u. Sstimm. Messen»
ein 4-chöriges Te Deum, mehrstimmige Motetten u. Orgelstftcke.
j
Senfl — Shore- 247
Senfl, Ludwig, einer der grössten Tonmeister des 16. Jhdts,
geb. zu Basel 1492 oder 1493, erhielt in der kaiserl. Ejipelle, in der ei^
als Sopranist diente, von Heinrich Isaac Unterricht im Kontrapunkt
n. folgte seinem Lehrer im Amte nach (1515). Nach des Kaisers Max I«
Tode (1519) trat er in die Dienste des Herzogs Wilhelm yon Bayern
als Ep.-M., als welcher er um 1555 starb. In Tielen Sammelwerken
seiner Zeit finden sich Arbeiten yon ihm; ausserdem erschienen von
ihm: „Quinque salntationes D. N. J. Ch.*' (Motetten, Nürnberg, 1526);
Magnificat octo tonorum 4 yoc. (1537), Odae Horatii, 8 yoc. (1557);
„Varia carminum genera*' (Nttmberg, 1534). In der Münchner Hof-
bibliothek befindet sich ein Mannskript mit dem Titel: „Officia festorum
dierum aestivalium. Henrico Isaac et Ludoy. Senfl auctoribus. 1531,**
welches yon H. Isaac begonnen u. nach dessen Tode yon seinem
Schüler L. Senfl zu Ende geführt wurde.
Seydelmann, Franz, geb. zu Dresden am 8. Oktbr. 1748, wurde
1772 zum kurfürstl. Kirchen- u. Kammerkomponisten daselbst ernannt,
1787 zum Kp.-M., als welcher er am 23. Oktbr. 1806 starb. Ausser
mehreren Opern hat er auch bei 36 Messen u. andere Kirchensachen,
sowie Klayierstücke geschrieben.
Seydler, Ludwig Carl, geb. den 8. März 1810 in der Vorstadt
yon Qraz, St* Leonhard, seit 1837, bis zu welchem Jahre er dem
Schulfache sich gewidmet hatte, Domorganist zu Graz, galt für
einen sehr bedeutenden Orgelspieler, er komponierte mehrere Kirchen«*
Sachen, dann Lieder u. a., woyon manches im Druck erschienen ist;
auch in yerschiedene mnsikal. Zeitungen lieferte er Artikel. Er starb
10. Mai 1888.
Seyfried, Ignaz Bitter yon, geb. zu Wien am 15. Aug. 1776,
zeigte schon Mh grosse Musikanlagen; im Klayierspiel ward er yon
Mozart und Kozebuch gebildet. Erst nachdem er einige juridische
Studien gemacht hatte, wendete er sich mehr der Musik zu. In Wien
studierte er unter Albrechtsberger die Tonsetzkunst; 1797 erlangte er
eine Stellung als Kompositeur u. Kp.-M. beim Theater an der Wien,
wo er bis 1829 yerblieb u. eine ungemeine produktiye Thätigkeit
entwickelte in Schaffung yon Bühnenwerken jeder Gattung. Voa
1827 an lebte er als Priyatmann für seine Kunst, nur mehr für Kirche,
Kammer und Konzert thätig, sowie als Kompositionslehrerund Musik-
schriftsteller arbeitend. Er starb am 27. Aug. 1841 zu Wien. Im Druck
erschienen yiele Kirchenwerke, das Meiste dayon u. yon seinen übrigen
Kompositionen ist Mskr. geblieben. Als Schriftsteller zeigte er sich in
Umarbeitung mehrerer Musiklehrbücher, in Herausgabe sämtlicher
Schriften Albrechtsbergers u. dergl. In Anerkennung seiner Thätigkeit
wurde er yon yielen mnsikal Vereinen zum Mitglied ernannt.
Shore, John, Erfinder der Stimmgabel, starb 1783 als Lautenist
in der königl. englischen Kapelle.
248 Simonelli — Singer.
Simonelli, Matte o, ein bertthmter römischer Tonsetzer des
17. Jhdts., Schüler deJs Gregor Allegri n. des Oraz. Benevoli, war
päpstl. Kapellsänger u. Kp.-M. an einigen anderen Kirchen (von 1662
an). Er hinterliess Tiele Messen, Motetten, Psalmen n. a. im Mskr.,
welche ihm wegen der Würde n. einfachen Grösse ihres Styles den
Namen „Palestrina des 17. Jhdts.'^ eintrugen.
Singenberger, Johann Baptist, geb. 25. Mai 1848 in Kirch-
berg (Kanton St. Gallen in der Schweiz) machte seine Gymnasialstadien
in St. Georgen bei St. Gallen u. in Feldkiroh im Vorarlberg; in letzterer
Anstalt betrieb er die Musik eifrig u. machte auch Versuche in der
Komposition. 1868 trat er in das Noviziat der Jesuiten in Gorheim,
welches er jedoch 1870 wegen Kränklichkeit wieder verlassen musste.
Nach einem Jahre Studium an der Universität Innsbruck u. eben-
solangem Aufenthalte im Seminare zu Chur, wo er den Gesangnnterricht
n. den Chor leitete u. einen Cäcilienverein gründete, studierte er
1872—73 kirchliche Musik in Regensburg. Auf Empfehlung des
Dr. F. Witt ward er in letzterem Jahre nach Amerika berufen, um
in dem neugegründeten kathol. Lehrerseminare zu St. Franzis bei
Milwaukee Kirchenmusik nach den Grundsätzen des Cäcilien-Vereins
eu lehren u. einzurichten. Seit 13. April 1873 arbeitete er höchst
segensreich, wenn er auch stets mit ungewöhnlichen Schwierigkeiten
zu kämpfen hatte. 1873 noch gründete er den amerikanischen Cäcilien-
verein u. 1874 dessen Organ „Oäcilia," 1882 begann er auch die Zeit-
schrift „Echo'' (in englischer Sprache). In Anerkennung seiner so
grossen Bemühungen u. Verdienste um die kathol. Kirchenmusik in
Amerika ernannte ihn Papst Leo Xm. unterm 12. Sept. 1882 zum
Ritter des Ordens vom hl. Gregor d. Gr. Er komponierte viele Kirchen-
werke, Messen (von welchen 10 im Verlage von F. Pustet in Regensbg.
erschienen), Motetten u. andere K.-Gesänge, Falsobordoni u. s. w., sehr
vieles davon ist in den Musikbellagen zur „Gäcilia^ enthalten; er
schrieb auch „Short instructions in the art of singing plain-chant'' u.
eine vortreffliche „Theoretisch-praktische Harmoniumschule für kirch-
lichen Gebrauch" (Rgsbg., Pustet); „Adoro te," Orgelbuch zu Dreves
„0 Christ, hie merk/* u. ein solches zu Mohr*s Kantate u. s. w.
Singer, P. Petrus Ale, geb. den 18. Juli 1810 in Häselgehr,
Diözese Brixen, f 25. Jan. 1882, trat in den dreissiger Jahren in
den Franziskanerorden u. lebte zuletzt als Prov.-Definitor, Novizen-
meister u. Organist im Franziskanerkloster zu Salzburg. Von Jugend
auf in der Musik gebildet, pflegte er dieselbe mit Liebe auch im Orden
t. suchte in ihre Tiefen einzudringen. Als Ergebnis seines Studiums
erschien von ihm: „Metaphysische Blicke in die Tonwelt etc. Heraus-
gegeben von Georg Philipps. München 1847. Commiss. der lit-artist.
Anstalt," in welchem Werke die I. oder allgemeine Abhandlung mit
metaphysischen Betrachtungen über die Töne u. Accorde sich beschäftigt,
Skuhersky — Soriano. 249
die II. oder besondere eine eigentümliche, mehrfaches Interesse bietende
Harmonielehre enthält. Anch viele Kompositionen lieferte er, welche
aber einem hinter nns liegenden Geschmacke angehören. Zn einer
täglich von Freunden besuchten Persönlichkeit wurde er durch sein
Pansymphonikon, oin Pianoforte, verbunden mit einem Aeolodikon
oder Harmonium von vielen Begistem, worauf er mehrere Instrumente
ziemlich täuschend nachahmte. Dies Instrument baute er selbst.
Das grössere von ihm konstruierte Pansymphonikon enthält Violine,
Oboe, Fagott, Waldhorn, Klarinett, Violoncell u. s. w. bei einem
Umfang von 6^/2 Oktaven, es hat zwei Klaviaturen u. 40 Register,
darunter 22 Soloregister. Bei einer einzigen Taste tönen zehn singende
Stimmen u. neun Saitenklänge. Je nach der Kombination gleicht der
Klang des Instruments dem Ton einer Orgel oder eines Harmoniums
oder eines Blasinstrumentes u. s. w. S. war ein fertiger Orgelspieler.
Seine Kompositionen bestehen in 101 Messen, 600 Offertorien, ca.
30 grosse Litaneien u. s. w. f 25. Jan. 1882.
Skuhersky, Franz Zdenko, geb. 31. Juli 1830 zu Opocna in
Böhmen, studierte vorerst Medizin, besuchte nebenbei die Organisten-
Schule in Prag u. wendete sich schliesslich ganz der Musik zu. 1854
ward er Musikdirektor in Innsbruck, 1866 Direktor der Prager
Organistenschule, 1868 auch städtischer Chordirektor u. später Hof-
kapelldirektor. Neben einigen Opern schrieb er Orgelvorspiele in den
Kirchentonarten (Op. 45), Studien för die Orgel (Op. 13. 14), mehrere
Messen (Op. 22. 24. 42. 43) u. mehrere theoret. Werke („Musikalische
Formenlehre" 1879, „Kompositionslehre" 1881, „Theoret.-prakt. Orgel-
schule'* 1882) u. a. f 19. Aug. 1892 als Musikdirektor zu Budweis.
Smeddink, Joseph Carl Bernard, geb. 1812, gegenwärtig
Pfarrer zu Uedesheim bei Neuss, machte sich bekannt durch die Über-
setzung von „N. A. Janssens wahre Grundregeln des Gregorianischen
oder Ohoralgesanges" (Mainz, 1846); dann veröffentlichte er ein Schrift-
chen über die Knabenseminarien, worin er auch vom Ohoralgesange
redet, u. eine „Apologie des lateinischen Ohoralgesanges" (Düsseldorf,
1853); ausserdem lieferte er manche Aufsätze über den Kirchengesang
in seiner liturgischen Beziehung für die „Oäcilia" u. andere Blätter.
Soriano od. Sariano, Francesco, geb. zu Bom um 1547,
erhielt die Grundlagen seiner musikal. Bildung als Singknabe an der
lateraUv Hauptkirche unter Annibale Zoilo u. Barth. Roy, welche als
Tonsetzer einen guten Buf hatten. Die Ausbildung u. Vollendung
konnte er erst unter Palestrina u. G. M. Nanino gewinnen. 1581 war
«r schon Kp.-M. an der französischen Nationaikirche S. Luigi. Zwischen
1581—85 ward er nach Mantua berufen, kehrte jedoch in letzterem Jahre
wieder nach Bom zurück, wo er bis 1589 den Chor an S. Maria
Maggiore leitete. Von 1599 an war er Kp.-M. zu St. Johann im
Lateran, von 1603 an solcher zu St. Peter. Er starb 1620. Von seinen
250 Soto — Spohr.
Werken — Messen, Psalmen, Madrigale, Kanons n. a. erschienen Tiele
gedruckt. Seine Kompositionen sind reich an Qeist n. voll hohen
Schwunges, geadelt durch Beinheit des Styles und harmonischen
Wohlklang.
Soto, Francesco, geb. 1534 sn Langa in Spanien, kam 1562
in's Kollegium der p&pstl. Kapellsftnger, trat 1575 in die Oratorianer-
Kongregation des hL Philipp v. Neri u. starb als deren Musikdirektor
am 25. Sept. 1619. Er besorgte die Drucklegung des HL Bandes der
„Laudi spirituali" von Palestrina n. anderer Meister, u. gab 1591
noch eroen IV. Band heraus, worin sich auch Kompositionen yon ihm
befinden«
Spartaro oder Spadaro (Spadarius), Giovanni, geb. um
1460 zu Bologna und Schüler des Bamis de Pereja, war von 1512 bis zu
seinem Tode 1541 Kp.-M. an der Kirche San Petronio in Bologna u.
einer der grOssten Musikgelehrten seiner Zeit, wie aus seinem Werke:
„Tractato di musica," (Venedig 1531) hervorgeht.
Spiess, P. Meinrad, geb. 24 Aug. 1683 zu Honsolgen in
Schwaben, trat 1702 in die schwäbische Beichsabtei Jrsee ein, empfing
1708 die Priesterweihe u. wurde 1710 von seinem Abte nach München
gesandt, um unter dem kurfürstl. Kapellmeister Jos. Ant. Bemabei
sich zum vollkommenen Tonsetzer auszubilden. Nach seiner Bückkehr
1712 war er ungefähr bis 1750 Musikdirektor des Stiftes. Er bekleidete
auch andere Ämter in seinem Kloster u. starb 12. Juli 1761. Seit 1743
war er auch Mitglied der musikal. Akademie in Deutschland. Sein
vorzüglichstes Streben ging dahin, die Auswüchse, welche sich infolge
der blendenden weltlichen Musik auch in die Kirche eindrängten, zu
bekämpfen, davor zu warnen u. den guten Styl zu befördern. Er ver-
öffentlichte von seinen Kompositionen u. a.: 26 marian. Antiphonen,
eine Partie Vesperpsalmen, 7 Festmessen, ^2 Offertorien, 12 Sonaten
u. s. w. Sein Hauptwerk, welches auch jetzt noch Wert hat, ist:
„Tractatus musicus compositorio-practicus" (Augsburg, bei Lotter 1745).
Spohr, Ludwig, geb. zu Braunschweig den 5. April 1784, wählte
neben den wissenschaftlichen Studien die Musik, für welche er ein
vorzügliches Talent zeigte, zu seinem Berufe. Die hohe geistige
Bildung, die er sich erwarb, war nachgehends von bedeutendstem
Einflüsse auf sein musikalisches Schaffen u. hob ihn hoch über viele
Meister der Zeit Als Violinspieler Tüchtiges leistend, trat er bald
als Kammermusikus in die Dienste des Herzogs von Braunschweig u.
erwarb auf seinen bis 1830 sich erstreckenden Kunstreisen im Violin-
spiel einen solchen Buhm, wie er vor ihm noch keinem Violinvirtuosen
zu teü geworden war. 1805 ward er zu Gotha zum herzoglichen
Konzertmeister ernannt Um diese Zeit schrieb er mehrere grössere
Instrumentalkompositionen und fahr fort, angesehene Tonwerke zu
schaffen, so z. B. Konzerte für Violine und Klarinett, Quartetten,
Squaroialnpi — Stadler. 251
Oayertnren, ein grosses Oratorium „dfts jüngste Gericht** u. a. m.;
1814 erschien die erste grosse Sinfonie nnd das Oratorium „Das be*
freite Deutschland." Nach wiederholten länger dauernden Eunstreisen
durch England, Deutschland u. s. w. erging 1821 an ihn der Buf aLi
kurfarstlicher HofkapeUmeister nach Kassel. Nun liess er sich yiel
mehr noch die Bildung von Schalem im VioUnspiel u. die dramatische
Komposition angelegen sein; in letzterer Beziehung ragen besonders
die Opern „Zemire und Azor" und „Jessonda** hervor. Auch für die
Kirche war er thätig, er schrieb mehrere Messen, worunter eine sehr
schwierige Vokalmesse. Sein Hauptcharakterzug als Komponist ist ein
gewisser Adel und eine begeisternde Hoheit, in seinen geistlichen
Musiken legt er besonderes Gewicht auf die Gesangsmassen bei Ge-
diegenheit, weisem Masse und schöner Verteilung im Übrigen. Er
starb zu Kassel am 22. Oktober 1859.
Squaroialnpi» Antonio, auch „Antonio degli Organi" genannt
wegen seiner Geschicklichkeit auf der Orgel, wurde zu Florenz in der
zweiten Hälfte des 14 Jhdts. geb. u. starb 1430 (?) als Organist an der
Kathedrale zu Florenz, den Buhm des geschicktesten Künstlers auf
seinem Instrumente hinterlassend.
Stadelmayer, Johann, geb. zu Freising an der Isar um 1560»
war Kp.-M. des Kaisers Budolph u. 1612 zu Prag noch am Leben.
Von 1592 an erschienen von ihm zahlreiche Sammlungen von Messen,
Motetten, Psalmen u. a. im Druck. F6tiB führt 11 Sammlungen Messen,
Vespern u. Motetten an, denen noch beizufügen sind: „5 Missae 8 Tocum
cum duplici Basso ad Org. accomodato. Aug. Vind. 1610,'* u. „Missae
12 vocum cum triplici Basso ad Org. accomodato. Viennae 1618.**
Stadler, Maximilian, Abb6, geb. zu Melk in Unterösterreich
am 7. Aug. 1748, trat nach Beendigung seiner theologischen Studien
als Novize in's Kloster Melk, erhielt in seinem 24. Lebensjahre die
Priesterweihe u. stand dann verschiedenen Diensten in seinem Kloster
vor. Im Jahre 1786 wurde er von Kaiser Joseph, der sein treffliches
Klavier- und Orgelspiel kennen und schätzen gelernt hatte, zum
Comendatar-Abt der Abtei Lilienfeld und drei Jahre sp&ter von
Kremsmünster ernannt, lebte dann einige Zeit in Wien u. ward später
(1810) PfEurrer zu Böhmisch-Kraut. Jetzt wurde sein musikalisches
Talent erst durch Herausgabe einiger Kompositionen in weiteren Ejreisen
bekannt. 1815 zwangen ihn Gesundheitsrücksichten, die Pfarrei zu
resignieren, worauf er sich nach Wien in*s Privatleben zurückzog und
die Tonkunst, sowie deren Theorie und Geschichte noch eifirig pflegte
bis zu seinem Tode, den 8. Nov* 183^ Er war besonders als Organist
ausgezeichnet. -— Ausser einem Oratorium erschienen mehrere Messen,
ein Eequiem u. viele andere geistliche u. weltliche Tonstücke in Druck,
vieles ist auch Mskr. geblieben.
353 Steffani — Stehle.
Steflani, Agostino, geb. 1655 zu Castelfranco im Venetianischen,
-kam durch die Protektion eines dentscfaen Grafen nach München, wo
er neben theologfischen Stndien im Priesterseminar vom Jahre 1673 an
nnter Hercnles Bemabei in der Komposition sich ausbildete n. schon
1674 eine Sammlnngf gerühmter 8stimm. Psalmen heransgab. 1682 wurde
er neben Jos. Anton Bemabei Direktor der kurfürstl. Kammermusik.
Ein Antor nennt ihn den Rubens in der Musik u. sagt von ihm, dass
«r als Sänger u. Komponist beinahe so berühmt gewesen sei als sein
Lehrer. Seine Oper „Servio Tullio* (1685) trug seinen Ruhm durch
ganz Deutschland, «o dass ihm die schmeichelhaftesten Anträge zu
teil wurden. 1690 folgte er dem Rufe des Herzogs Ernst August nach
Hannover, wo er neben der Musik auch staatsrechtliche Studien machte
und seinem Herrn in diplomatischen Missionen nützlich ward; dieser
verschaffte ihm vom päpstlichen Stuhle den Titel eines apostolischen
Protonotars und eines Bischofs von Spiga in Westindien. Von nun an
erschienen seine Kompositionen nicht mehr unter seinem, sondern
unter dem seines Kopisten, Gr e go ri o Pi va' s Namen. 1710 legte er sein
Kapellmeisteramt in Hannover nieder, starb aber nicht daselbst, son-
dern auf einer Reise in Frankfurt am Main, im Jahre 1730.
Stehle, Johann Gustav Eduard, geb. 17. Febr. 1839 zu
Steinhausen, k. württemb. Oberamts Waldsee, das eine sehr schöne
Wallfahrtskirche mit prächtiger Orgel besitzt. Sein Vater, Lehrer
daselbst, gab ihm frühzeitig Unterricht in Orgel- u. Klavierspiel, so
dass er, 12 Jahre alt, seinen Vater auf der Orgel ersetzte u. auch schon
in Liederkompositiön sich versuchte. Zum Lehrfach bestimmt, errang
er im Schullehrerseminare zu Gmünd den ersten Musikpreis u. fand in
J. G. Mayer einen tüchtigen Lehrer. Im Schulamte thätig, betrieb er
die Musik fieissig, wendete sich aber später mehr der Orgel zu.
Zwischen 1858—62 erschienen seine ersten Kompositionen (Marienlieder t
deutsche Vesper); 1868 seine Preismesse „Salve Regina,*' welche seinen
Namen schnell in weiteren Kreisen bekannt machte. Dem Cäcilienverein
sich anschliessend edierte er darauf die Missa „Laetentur coeli'' und
„Jesu admirabilis.^ Im August 1869 übersiedelte er nach Rorschach
als Musikdirektor u. ward 5 Jahre später, als Nachfolger C. Greith's,
als Organist u. Kp.-M. an der bischöfl. Kathedrale in St. Gallen berufen,
wo er noch eifrig wirkt. Von seinen Vokalwerken seien folgende
genannt: Missa Jubilaei solemn. Op. 42. (für das sächsische Königshaus);
Missa Jubilaei solemn. Op. 46. (zum Witteisbacher Jubiläum); Missa
de Spiritu sancto, op. 14.; Missa „Alma redemptoris*' u. „Regina coeli";
Missa in hon. S. Infantis Jesu, vierstimmig mit Orgel; viele Motetten,
besonders „Domine Dens** 5stimmig u^ „Angelus Domini,*^ 5 Motetten
für 2stimm. gemischten Chor mit Orgel; Motettenbuoh fttr's ganze
Kirchenjahr; Gradualienbuöh; 3 Lamentationen fClr Männerchor. Das
Oratorium „Legende der hl. Cäcilia'' (Gedicht von W. Edelmann) fOr
Stehlin — Stein. 253
Soli, Chor n. Orchester, Op. 43. trag ihm 1884 die Württemberg, goldene
Medaille für Ennst n. Wissenschaft ein. Anch durch andere Dekora-
tionen u. Diplome wurde er ausgezeichnet. Besonders hervorragend
sind seine Konzert-Orgelkompositionen: Phantasie über ,,0 sanctissima**;
Phantasie über die Österreich. Kaiserhymne; „Saul** Tongemälde;
Trauermarsch aus der Götterdämmerung u. Bnmhildens Klage. In
mancherlei Sammlungen finden sich noch Orgelstücke von ihm.
Stehlin, Sebastian, geb. den 14. Febr. 1800 zu Niederhansen
bei Kenzingen in Baden, fand 1822 AuJbahme in der seit 1820 in Wien
eingeführten Bedemptoristen-Kongregation, aber auch Gelegenheit, mit
tieferem Musikstudium sich zu beschäftigen. Als Organist u. Begens«-
chori der Kongregationskirche wurde er mit den älteren und neueren
Kirchenmnsikwerken bekannt u. genoss überdiess die Bekanntschaft
mit musikalischen Notabilitäten Wien's, besonders mit Kiesewetter u.
Sechter. Je mehr er aber in die Tiefen der Tonkunst eindrang, desto
unzufriedener vnirde er einerseits mit der oft durch n. durch profanen
Kirchenmusik, — u. andrerseits mit dem gegen alle Naturgesetze
gesungenen u. gelehrten Choral Vor allem warf er sich nun auf das
Studium des Choralsystems u. gab 1842 die Abhandlung „Tonarten des
Choralgesanges'* zu Wien im Druck heraus. Ein ausführlicher Artikel
über Choral in der „Sion** u. in der Zeitschrift „Kunst u. Litteratur'^
folgten, fanden jedoch auch nur hin u. wieder günstige Aufnähmet
weshalb St. sich daran machte, die Naturgesetze im Tonreiche za
studieren u. die Tonerscheinungen durch Experimente zu erforschen.
Er hatte unzählige Experimente schon gesammelt, als das Jahr 1848
die Kongregation u. so auch ihn aus Wien vertrieb. Nach Auflösung
der Kongregation erhielt er von Erzherzog Maximilian Este die Ver-
waltung dessen Asphaltwerkes zu Seefeld in Tyrol, was ihn aber nicht
hinderte, seine musikalischen Studien fortzusetzen. 1852 gab er in
Innsbruck sein Buch „die Naturgesetze im Tonreiche" heraus, welches
überall verdiente Beachtung fand, und liess 1857 ebendaselbst die
Broschüre „die neueren Schicksale des alten Choralgesanges" u. 1859,
von wo er wieder in Wien als Beamter lebte, seine „Chorallehre*'
folgen. In der Wiener Musikzeitun^ trat er zum letzten Male für sein
System auf u. es scheint, dass er in Osterreich mehr Anhänger gewonnen
hat als anderwärts, wo man sich an die Lehren Guido's, Bemo's von
Eeichenau u. a. hält, mit denen St. in Widerspruch steht. Ausser den
genannten musikalischen Werken veröffentlichte er noch eine Anleitung
zur Behandlung u. Beurteilung einer Orgel.
Stein, AlbertGereon, geb. den 29. Sept. 1809 zu Köln, fand,
mit einer herrlichen Sopranstimme begabt, bald Verwendung auf dem
Kirchenchore des Jesuitengymnasiums, und an dem damaligen Dom-
kapellmeister Beruh. Maurer und dem verdienten Gesanglehrer Schogt
treffliche Lehrer; daneben erlernte er auch das Klavier und Orgelspid.
354 Stein.
und muBste als 12jäluriger Knabe schon die Stelle seines Lehrers anf
der Orgel vertreten. Nach seiner Priesterweihe 1833 arbeitete er in
der Seelsorge, bis er 1838 als Gesanglehrer am erzbischöfl. Priester-
seminar zu Köln angestellt wnrde; er wirkte als solcher in verdienst-
lichster Weise 25 Jahre lang. Durch geeignete Vorträge n. sorgföltig
geleitete Übimgen snchte er bei den Alumnen eine richtige Anschannng
von der Kirchenmusik zu fördern u. von da aus weiter hin in der
Erzdiözese zu verbreiten, insbesondere den guten Ghoralgesang zu
betreiben, welcher in der Kölner Diözese noch in steter Übung u. bei
dem Volke beliebt war. Er selbst betrieb fortwährend fleissiges Studium
des Chorals u. der älteren wie neueren Kirchenmusik u. benutzte jede
Gelegenheit, für Aufbesserung , der kathoL Kirchenmusik in Wort u.
That zu wirken. Von seinen Schriften u. Werken haben wir zu ver-
zeichnen: „Antiphonarium Goloniense in brevius coactum, continens
cantum Gregor, ad. Vesperas et ad Gomplet. ... et insuper cantus ad
processiones . . /* (Köln, 1846); „Kyriale sive Ordinarium Missae . . .
juxta usum Metropol. Eccl. Colon.*' (1850, Köln, bereits in 4. Auflage
erschienen); „Kölnisches Gesang« u. Andachtsbuch** (Köln bei Bachern,
1852, nun in 26 Auflagen verbreitet); „Orgelbegleitung hierzu** (Köln,
1853); das vortreffliche Büchlein „Die kathol. Kirchenmusik nach ihrer
Bestimmung u. ihrer dermaligeu Beschaffenheit dargestellt** (Köln« 1864);
vier Vorträge, welche St. über die kathol. Ejrchenmusik auf den General-
versammlungen der christlichen Kunstvereine zu Köln (1856 u. 1858)
u. zu Begensburg (1857) gehalten hat, siitd in den gedruckten Ver-
handlungen dieser Generalversammlungen erschienen. Schliesslich war
er auch ein Mitglied der zur Bearbeitung u* Herausgabe der römischen
Choralbücher für die Erzdiözese vom Kardinal -Erzbischof Johannes
V. G^issel niedergesetzten Kommission. — Seit 1863 war er Pfarrer zu
St. Ursula in Köln. Er starb den 10. Juni 1881.
Stein, Joseph, geb. den 17. April 1845 zu Königshain in der
Grafschaft Glatz, erhielt schon in früher Jugend Unterricht im Gesänge,
im Generalbass-, Orgel- u. Klavierspiel u* in mehreren Streich- und
Blasinstrumenten. Bedeutende Förderung fand er in der Musik
durch den Oberlehrer W. Kothe im Schullehrerseminare zu LiebenthaL
Nachdem er einige Jahre als Lehrer Dienste geleistet hatte, ward er
zur weiteren musikal. Ausbildung in das k. akademische Institut für
Kirchenmusik zu Berlin aufgenommen, wo er fast zwei Jahre hindurch
den Unterricht von Haupt, Jul. Schneider, Löschhom genoss u. sich
besonders nach den Werken von Dehn u. Bellermann bildete. 1873
wurde er an das neubegründete k. Schullehrerseminar zu Bosenberg
(Schlesien) als Seminar- u* Musiklehrer berufen, wo er noch wirkt. An
Kompositionen von ihm sind bis jetzt in Druck erschienen: 18 Messen,
teils für gemischten, teils für Männer-Chor, 4 Instrumentalmessen,
6 Bequiem, 7 Litaneien, 4 Hefte marian. Antiphonen, 3 Hefte Offor-
Stemmclius — Stoeoklin. 266
torieiii ein Satz Vesperpsalmen, ein Satz Frohnleichnamsstationen,
mehrere Motetten, Hymnen n. Orgelstücke in Sammelwerken. — Dessen
Sohn B r n n o , geb. 27. Jnni 1873 zn Bosenberg, gegenwärtig Lehrer an
der Grottowski'schen Erziehungsanstalt, edierte 4 Messen (op. 3. 4. 5. 7.)t
ein Taschenbüchlein für Orgelspieler n. 8 Offertorien für 2 Singstimmen
mit Orgel. Auf Grand einer Messe für Männerstimmen mit Orgel
erwarb er 1890 die Mitgliedschaft der k. Academia Filarmonica zu
Bologna.
Stemmelins, P. Gregor (Stemmele), Mönch der Benediktiner-
abtei Jrsee (Schwaben) f 16. Mai 1619, war ein tüchtiger Komponist.
Arbeiten von ihm finden sich noch in der Proske'schen Bibliothek zn
Regensburg in zwei Bänden, welche Falsobordoni zu 4 u. 6 Stimmen
von ihm u. Carl Andrea enthalten; femer in der Kreis- u. Stadtbibliothek
zu Augsburg mehrere Falsobordoni (1615), ein 5stimm. Motett u. wieder
ein Motett in deutscher Orgeltabulatur.
Sterkel, Johann Franz Xaver, geb. zu Würzburg am 3. Dez.
1750. Nach seiner Priesterweihe erhielt er in dem Stifte Neumünster
eine Anstellung als Vikar u. Organist zugleich, 1779 machte er eine
Beise nach Italien u. kehrte erst nach zwei Jahren wieder nach Mainz
zurück, worauf ihm der Kurfürst ein Kanonikat yerlieh u. 1793 ihn
zum Kp.-M. ernannte. Bei der Auflösung der Hofkapelle zog er sich
nach Würzburg zurück, bis er 1805 als Kp.-M. des Fürsten Primas
nach Begensburg kam. 1814 nötigten ihn die politischen Ereignisse,
nach Mainz zurückzukehren, wo er am 21. Okt. 1817 starb. Von
seinen weltlichen Kompositionen sind viele in Druck erschienen, die
Kirchenstücke blieben sämtlich Manuskript.
Stooker, Stephan, zuletzt Chorregent in Meran, veröffent-
lichte unter dem Namen „L. B. Est*' eine lange Beihe von Komposi-
tionen für Landchöre, die zu einer Zeit, wo eben der ärgste Zopf
unsere Chöre beherrschte, als bessere Erzeugnisse begrüsst u. sehr
verbreitet wurden. Heutzutage sind die meisten seiner Werke mit
vollstem Becht der Vergessenheit nahe, t 15. Febr. 1882.
Stoeoklin, P. Conrad, geb. 1. April 1813 zu Hochstetten in
der Schweiz, trat 1832 in den Orden des hl. Benedikt zu Einsiedeln,
+ 27. Jan. 1889. Er war ein guter Organist und sehr fruchtbarer
Komponist. Seine Werke, im Style seiner Zeit gearbeitet, bestehen in
10 kleineren u. grösseren Messen, 34 Motetten, Hymnen, Magnifikat
u. a. mit verschiedener Besetzung. Im Druck erschienen blos: eine
grosse Messe für 4 Stimmen u. Orgel (Einsiedeln), drei 3stimm. Messen
mit Orgel (Paris), eine 2stimm. Messe, 1 Salve Begina, ein Festhymnus.
Stoecklin, P. Leo, Bruder des Vorigen, geb. 1803 zu Hofstetten,
trat 1822 in das Benediktinerkloster M-ariastein (Schweiz), ward alsbald
Chorregent u. Schulrektor, 1867 zum Abte gewählt, f ^1* ^ebr. 1873.
Er war ein tüchtiger Organist und fruchtbarer Komponist, und sein
»Ö6 Strozzi — Tarditi.
Streben ging dahin, die dentschen Lieder n. andere nngehörige Gesänge
ans der Kirche zu verbannen, und mit seinen Kompositionen den
Organisten u. Sängern etwas- Würdigeres an die Hand zu geben. E2r
komponierte ungefähr 50 Messen mit verschiedener Besetzung, 60 Gra-
dualien u. Offertorien, mehrere Vespern u. s. w. Vieles davon ist
durch Druck verbreitet worden.
Strozzi, Bernardo, Komponist des 17. Jhdts., aus dem Franzis-
kanerorden; 1618 erschienen von ihm zu Venedig MotetteUi Messen»
Psalmen etc.
Stanz, Joseph Hartmann, geb. den 25. JnU 1793 zn Arles^
heim, Kanton Basel- Landschaft, empfing seine erste musikalische
Büdung in Strassburg, wo er in seinem 14 Jahre schon ein gut auf-
genommenes Te Deum komponierte. Bald darauf zog er mit seinem
Vater nach München, wo er durch besondere Protektion des Königs
Max I. den Kp.-M. Winter als Lehrer erhielt, 1815 genoss er noch zu
Wien den Unterricht Salieri's. 1818 wurde er Maestro der italienischen
Oper in München, 1823 Vizekp.-M. u. Vokaldirektor der Hofoper u. zwei
Jahre darauf nach Winter's Tod erster Kp.-M., 1836 trat er wegen
neuer Einrichtung der Direktion beim k. Hoftheater in Pension.
Nachdem er bisher mehr der weltlichen Musik seine Kräfte gewidmet
hatte, arbeitete er nun als Dirigent der Musik in der Allerheiligen-
Kapelle fast ausschliesslich für die Kirche im strengsten Styl (a capella),
in welchem er mehrere beachtenswerte Werke, Messen, Motetten, ein
5stimm. Eequiem u* a. komponierte. Fast alle diese Werke sind Mskr.
geblieben. Er starb am 18. Juni 1859.
Sweelinck, Jan Pieters, geb. 1562 zu Amsterdam, gest. 16. Okt.
1621, Schüler von Andr. Qabrieli in Venedig, war bereits 1590
Organist an der alten Kirche seiner Vaterstadt. Er komponierte vieles,
mehrstimmige Gesangswerke (Psalmen, Cantiones sacrae, Chansons),
u. Orgelstücke, ^von denen Bob. Eitner einige (Berlin, bei Simrock)
herausgegeben hat. Seine Bedeutung liegt in der Begründung der
eigentlichen Fugenbüdung, welche jedoch von seinen Nachfolgern un-
beachtet blieb und erst durch Seb. Bach weitere Entwicklung und
Vollendung erhielt. Er verwendete zuerst den doppelten Kontrapunkt
systematisch, nicht Mos sporadisch, wie es vor ihm geschah.
Unter S.'s Schüler zählen die grössten Organisten Norddeutschlands in
der ersten Hälfte des 17. Jhdts.
T.
Tarditi, Paolo, geb. zn Eom, war um 1620 Kp.-M. an der
Kirche S. Giacomo de^Spagnuoli daselbst u. lieferte geschätzte Sstimm.
Kirchenkompositionen. Ein anderer T. 0 r a z i o , war um die Mitte
Tartini — Thielen. 257
des 17. Jhdts. Kp«-M. za Faenza n. hat viele Sammltingen Messen,
Motetten, Psalmen u. dgl. durch den Dntck veröffentlicht.
Tartini, Ginseppe, einer der grössten Yiolinspieler des vorigen
Jhdts., anch berühmter Theoretiker n. Komponist. Geb. 12. April 1692
zu Pirano in Istrien, widmete er sich vorerst dem Jus n. nebenbei der
Musik, später wurde sie jedoch sein Lebensberuf. Er begründete ein
eigenes System der Harmonie „auf den dritten Klang,*' welches er in
dem „Trattato di musica secondo la vera scienza dell'armonia"
(Padua 1754) u. in „De' principi delParmonia musicale** (Padua 1767)
niederlegte. Er starb zu Padua am 16. Febr. 1770.
Tanx, Alois, geb. den 5. Okt. 1817 zu Baumgarten bei Franken-
stein in preuss. Schlesien und von Jugend auf mit fast allen Instru-
menten bekannt, versuchte sich im 12. Jahre schon mit der Anfertigung
kleiner Kirchenstücke. 1834 wurde dem strebsamen Jünglinge die
Aufnahme in das Prager Konservatorium bewirkt. Nach seinem Aus-
tritt aus dem Konservatorium versah er eine Musikdirektorstelle zu
Graz, dann zu Linz u. Salzburg. Li letzterer Stadt gewann er bald
den Kunstmäcen Dr. Hillenprandt, Hof- u. Gerichtsadvokaten, welcher
1841 den Dom-Musikverein mit dem Lehrinstitute des Mozarteums in's
Leben rief; T. wurde bei ersterem als Kp.-M., bei letzterem als
Direktor angestellt. »Diese Posten bekleidete er vom 1. Okt 1841 bis
zu seinem am 17. April 1861 erfolgten Ableben in ehrenvoller, den
musikalischen Euf Salzburgs neu begründender Weise (wie sich der
Verfasser seines Nekrologs ausdrückt). An Kirchenmusik schrieb T.:
eine Sstimm. Yokalmesse, 3 grosse instrumentierte Messen (in Es, F, B),
eine kleinere Figuralmesse in G, eine Yokalmesse mit Harmoniebegleitung,
eine Messe für 4 Männerstimmen, eine Yokalmesse für Doppelchor, ein
Eequiem, ein Te Deum, eine grosse Yesper, eine grosse u. eine kleinere
Litanei in 0; an Profanmusik: 3 grössere u. 3 kleinere Ouvertüren,
mehrere Streichquartette u. eine Festkantate.
Tayares, M a n o e 1 , geb. zu Portalegre in Portugal, blühte um
1625, war Kp.-M. zu Murcia in Spanien, später in Cuen^a, wo er auch
starb. Seine Kirchenkompositionen waren gerühmt.
Theoger, s. Dietger.
Thielen, Peter Heinrich, geb. 11. August 1839 zu Cranenburg
bei Gleve (preuss. Bheinprovinz) bildete sich, nachdem er in seiner
Jugend nur Elementarunterricht im Klavierspiel u. in der Harmonie-
lehre erhalten, im Orgelspiel, Theorie u. Komposition ganz autodidaktisch.
Vorerst mehrere Jahre Organist in seiner Vaterstadt, wirkt er seit
1874 als Organist u. Ghordirektor an der kathol. Pfarrkirche zu Goch
(preuss. Bheinprovinz). Von seinen zahlreichen Kompositionen, be-
stehend in ca. 30 Messen für 2—8 Stimmen, vielen Motetten, Hymnen,
Litaneien, Magnificat, Marienliedem u. s. w. für dieselbe Stimmenzahl,
einem Orgelkonzert, Orgelpräludien, Fugen — sind bisher durch den
Kornmfiller, Lexikon. H. Bd. 17
I
258 Tevo — Tigrini,
Druck yertfffentlicht; Magnificat V. toni für 4 Männerstiimnen n. Orgel
in Oberhoffer's ,,Caecilia" n. in „Mnsica sacra,^* verschiedene Motetten,
Leo-Hymne u. s. w. in „Fliegende Blätter/* „Musica sacra" n. ,,Cantas
sacri" y. Witt; 22 Motetten im „Oantnariam sacrom*' (Münster bei
H. Schöningh), Missa in hon. S. Antonii, Missa de Nativ. D. N. J* Chr.
(beide Messen vorläufig in Dr. Tratter's Ziffern-Edition); „Tu es Petrus*'
für 8stimm. Doppelchor, Orgel u. Posaunen (Begensbg., Fr. Pustet);
Missa in hon. S. Guilelmi für 3 Männerstimmen (Op. 8) u. Missa
solemnis für 6 gemischte Stimmen (Op. 9) (Freibg. i. Br., bei Herder);
Missa festiva 8 voc. Op. 15. (Bgsbg., Pustet). — Ausserdem sind noch
unveröffentlicht viele weltliche Lieder, Duette, deutsche Psalmen u. a.
Tevo, Zaccaria, geb. zu Sacco bei Roveredo 1656} ein Franzis-
kaner zu Venedig, Baccalaureus der Theologie u. Lehrer der Musik,
publizierte 1706 zu Venedig ein vortreffliches Werk, betitelt: ,)n Musico
Testore,** worin er das Hauptsächlichste dessen, was er lehrte, zusammen-
gefasst hat. Es zeigt von einer immensen Belesenheit u. einem hellen,
methodischen Geiste. In 4 Teilen behandelt das Buch die Musik im
Allgemeinen, ihre Elemente, die Harmonie u. die verschiedenen Arten
des Kontrapunktes.
Thomas de Aqnino, .beigenannt „Doctor angelicus** „der eng-
lische Lehrer,** geb. 1227 zu Aquino im Neapolit^ischen, trat in den
Dominikanerorden u. ward durch seine grosse Frömmigkeit 'u. tiefe
Gelehrsamkeit ein glänzendes Licht der Kirche. Er starb 7. März 1274
in einem Gisterzienserkloster bei Terracina, als er auf der Reise zum
Konzil zu Lyon begriffen war. 1236 trug ihm Papst Urban IV. auf,
das Officium für das Frohnleichnamsfest auszuarbeiten. Die hierzu
gefertigten Hymnen, besonders Pange lingua, Lauda Sion, Adoro te
mit ihren Melodien (die des Pange lingua ist älter) haben seinen
Namen auch für die Musikgeschichte bemerkenswert gemacht.
Thomas de S. Maria, ein Dominikanermönch, zu Madrid in der
zweiten Hälfte des 16. Jhdts. lebend, gab ein sehr seltenes u. gutes
theoretisches Werk: „Libro Llamado Arte de tanner Fantasia, assi para
Tecla como para Vihuela, y todo instrumento, en que se pudiere tanner
a tres, y a quatro vozes, y a mas . . .** (Valladolid, 1565. 2 T. in FoL)
heraus, wovon die Proske'sche Bibliothek in Eegensburg ein Exemplar
bewahrt.
Tigrini, Orazio, Kanonikus zu Arezzo, edierte 1588 (2. Aufl. 1602)
in Venedig ein sehr eingehendes u. weitgreifendes theoretisches Werk:
„Oompendio della Musica, nel quäle si tratta brevamente dell' arte del
contrapunto, diviso in 4 libri,** worin er sehr klar und verständlich
über die Intervalle, den einfachen Kontrapunkt, die Kirchen^töne und
die Kadenzen und die kontrapunktischen Formen, Imitation, Fuge etc.
handelt.
Tinctoris — Töpfer. 269
Tinctoris, Johannes, bertlhmter Theoretiker n. Mnsikschrift-
steller des 15. Jhdts., auch Komponist, war geb. zu Poperinghe in
Brabant 1434 oder 1435, studierte Theologie, Jurisprudenz u. Musik,
war auch Licentiat der Bechte u. Priester, u. kam im Mannesalter
nach Neapel, wo er eine öffentliche Musikschule gründete oder doch
wenigstens als Lehrer an einer solchen angestellt war. Gegen 1490
kehrte er in sein Vaterland zurück; er starb 1511 in Nivelles. Von
seinen theoretischen Schriften hat Ooussemaker im IV. Bd. seiner
Scriptores veröffentlicht: a) Ezpositio manus; b) Liber de natura et
proport. tonorum; c) Tractatus de notis et pausis; d) Tract. de regulär!
yalore not.; e) Liber imperfectionum not. musical.; f) Tract. altera-
tionum; g) Scriptum super punctis musices; h) Liber de arte contra-
puncti; i) Proportionale Musices; k) Diffinitorium Musicae; 1) Complexus
effectuum Musices. — Von seinen Kompositionen finden sich einige im
päpstL Kapellarchiy.
Tinel, Edgar, geb. 27. März 1854 zu Sinay in Ostflandem, trat
1863 als Schüler in das kgl. Konservatorium zu Brüssel u. trug 1873
den ersten Preis im Klavierspiele davon. Um diese Zeit versuchte er
sich auch in der Komposition u. machte darin bald solche Portschritte,
dass er 1877 den Bompreis durch seine Kantate „Die Bolandsglocke''
errang. Eifrig studierte er die Werke von Bach, Beethoven, Schu-
mann, Brahms und es erfolgten bald neue grössere Kompositiooen.
1881 ward er der Nachfolger des Gründers u. ersten Direktors der
Kirchenmusikschule in Mecheln, Lemmens. Als solcher wendet er sein
Augenmerk auch den altem Tonmeistern zu. In Deutschland wurde
sein Name besonders bekannt durch die Legende „Franziskus'* und
durch sein neuestes Kirchenwerk „Missa in hon. B. V. Mariae de
Lourdes** für östimmigen Chor.
Töpfer, Joh. Gottlob, geb. den 4. Dez. 1791 zu Niederrossla
bei Weimar, gest 8. Juni 1870 zu Weimar, bildete sich vorerst zum
Schuldienst, verliess aber auf den Bat seiner Gönner, welche in ihm
ein grosses Talent für Klavier- u. Orgelspiel erkannten, dieses Fach
u. wendete sich ganz der Musik zu. >amentlich zog ihn der Orgelbau
an u. sowohl in den Werkstätten der Orgelbauer als auf Beisen durch
mehrere Länder sammelte er sich ausgezeichnete Kenntnisse und die
reichsten Erfahrungen, dass er nunmehr in allem, was Orgelbau be-
trifft, allseitig als Autorität anerkannt wird. 1817 wurde er als
Professor der Musik am Schullehrerseminar in Weimar, 1830 als
Organist an der Stadtkirche daselbst angestellt. Er war ein vortreff-
licher Orgelvirtuose, komponierte mehreres für die Orgel n. besonders
geschätzt ist seine „Organistenschule," ein treffliches mu8ik.-theoretisches
Werk. Sein grösstes Verdienst besteht aber in dem; was er für den
Orgelbau geleistet hat: er stellte ein wissenschaftliches System, eine
neue Theorie der Orgelbaukunst auf, indem er die mathematischen u.
17*
260 Tomadini — Tuma.
physikaÜBchen Gesetze herbeizog. Sein System yeiSffentlichte er in
dem Werke: „Lehrbnch der Orgelbauknnst," 4 Teile nebst Atlas
(Weimar, Voigt 1856). Diess vorzügliche Werk wnrde 1888 in einer
neuen Bearbeitung von Max Allihn unter dem Titel „Die Theorie und
Praxis des Orgelbaues** mit 65 Tafeln (Weimar, Voigt) herausgegeben,
Toma^Uii, J a c o p o , geb. 24. Aug. 1820 in Gividale im Friaul,
ward von dem dortigen Stiftskp.-M, J. B. Oandotti in der Musik unter-
richtet, u. nach Vollendung seiner wissenschaftlichen Studien 184&
erhielt er die Priesterweihe. Sodann fungierte er als Vikar am Stifts-
kapitel zu Ciyidale, später als Beichtvater des ürsulinerinenklosters,
dazu als Direktor des kgL Museums, als Archivar u. Bibliothekar, bis
er 1877 ein Kanonikat daselbst erhielt Obwohl ihm Anträge zu
Eapellmeisterstellen von Venedig, Mailand u. Bom gemacht wurden»
zog er es doch vor, sich mit dem bescheidenen Amte eines Organisten
am Dome zu Gividale zu begnügen* Er starb 21. Januar 1883. —
Er komponierte sehr vieles (11 Messen, 11 Offertorien, 22 Motetten,
29 Psalmen, 38 Hymnen u. s. w.), das Meiste ist aber ungedruckt.
Dr. Witt sagt von ihm: „Er konnte im Palestrinastyl ganz gut
komponieren, aber er concedierte dem Zeitgeiste zu viel.** Dem
Kongresse von Arezzo 1882 sendete er noch eine Theorie der Begleitung
des Chorals ein.
Tomasctaek, Johann Wenzel, geb. zu Skutsch in Böhmen am
17. April 1774, betrieb in seinem Knabenalter den Gesang und das
Elavierspiel schon mit Vorliebe, zu Prag studierte er Philosophie und
Jurisprudenz und brachte durch musikalisches Unterrichtgeben seinen
Lebensunterhalt auf. Nachdem er mehrere Jahre als Hofkomponist
dem Grafen Gg. v. Bouquoy gedient u. indessen zu hoher Meisterschaft
in der Tonkunst sich emporgearbeitet hatte, gründete er in Prag einen
eigenen Hausstand und lebte fortan der Musik bis an sein Lebensende,
den 3. April 1850. An seinen Kompositionen wird eine schwungvolle«
edle und reichströmende Erfindung mit musterhafter Arbeit gerühmt.
Neben mannigfaltigen weltlichen Kompositionen schrieb er für die
Kirche mehrere Bequiems, Messen u. a.
Tomasi, B 1 a s i o , guter Orgelspieler und Komponist, lebte za
Anfang des 17. Jhdts. zu Comachio im Perrarischen i^ schrieb besonders
viele und gute Madrigalen und Motetten ftir 2— 5 Stimmen und Kirchen-
konzerte von 1—8 Stimmen«
Tomkins, Thomas, ein angesehener englischer Kontrapunktist,
geb. um 1580, war ein Schüler des Will. Bird und zuletzt Sänger und
Organist. an der königl. Kapelle; 1607 wurde er von der Universität
Oxford zum Baccalaureus der Musik ernannt. Gestorben ist er als
Organist an der Kathedrale zu Worcester.
Tnma oder Thnma, Franz, geb. zu Kosteletz in Böhmen am
2. Okt. 1704, genoss in Wien den musikalischen Unterricht des Kapell-
meisters Pux u. trat 1741 als Kp.-M. in die Dienste der verwitweten
Türk — Ugolini. 261
Xaiserm Elisabeth. 1768 zog er sich in das Prämonstra^nser-Kloster
Geras zurück, nach sechs Jahren ging er wieder nach Wien n. mietete
sich bei den barmherzigen Brüdern ein, starb aber bald nach seiner
Ankunft 4. Febr. 1774. Seine Kompositionen, zumeist für die Kirche,
waren sehr geschätzt u. ihre Zahl erreicht eine hohe Nummer.
Tfirk, Daniel Gottlob, geb. zn Claussnitz bei Chemnitz am
10. Aug. 1756, bekam schon frühzeitig von seinem Vater Unterricht
in der Musik, später zu Dresden von Homüius und als er 1772 die
Uniyersität Leipzig bezog, nahm sich seiner Hiller väterlich an. 1779
ward er Universitäts-Musikdirektor zu Halle, 1787 Organist an der
Liebfrauenkirche daselbst. 1808 wurde er als Musikprofessor an dieser
Universität angestellt, nachdem er die philosophische Doktorwürde er-
halten hatte. Er starb am 26. Aug. 1813. — Von seinen Kompositionen
sind ein Oratorium, viele Lieder und Ellavierstücke gedruckt. Dann
gab er 1789 eine grosse Klavierschule heraus; 1791 die bekannte, bis jetzt
in vielen Auflagen erschienene „Kurze Anweisung zum Generalbass*-
spielen"; 1787 „Von den wichtigsten Pflichten eines Organisten^' u. a.
Tarini, Gregorio, geb. um 1560 zu Brescia, genoss einen grossen
Buf als Sänger und Zinkenist und starb 1600 zn Prag als Kammer-
musikus des Kaisers Budolph 11. Gedruckt erschienen von ihm einige
Sammlungen geistlicher und weltlicher Gesänge: „Gantiones admodum
devotae, cum aliquot Psalmis Davidis ... ad 4 voc. aequ/* (Venedig,
1589); „II primo libro di canzonette a 4 voc." (Nürnberg, 1597);
„Teutsche Lieder nach Art der welschen Villanellen mit 4 Stimmen"
(Frankfurt, 1610). — Sein Sohn und Schüler Francesco T., 1590 zu
Brescia geb., ward frühzeitig von Kaiser Budolph zum Hoforganisten
ernannt und suchte durch Besuch von Bom u. Venedig sich im Orgel-
spiel noch weiter auszubilden. Er starb 1656 als Organist an der
Kathedrale seiner Vaterstadt. Gedruckt sind von ihm Messen, Motetten,
Madrigalen mit und ohne Instrumentalbegleitung.
U.
Ügolini, Vincenzo, ein trefflicher Komponist der römischen
Schule, geb. zu Perugia, kam Mhzeitig nach Bom, bildete sich unter
Bemard Nanino's Leitung, worauf er 1603 Kp.-M. an S. Maria Maggiore
daselbst, 1609 an der Kathedrale zu Benevent wurde. 1615 kehrte er
wieder nach Bom zurück, wo er zuerst an S. Luigi de*Francesi, u.
von 1620 ab an der St. Peterskirche im Vatikan als Kp.-M. fungierte
bis zu seinem Tode 1626. Zu seinen Schülern gehört unter andern der
berühmte Graz. Benevoli. In der Zeit von 1614—1624 sind verschiedene
Sammlungen von Messen, Motetten, Psalmen und Madrigalen von ihm
im Druck erschienen.
262 Uttendal — Valotti.
Üttendal (auch Utenthal) Alexander, ein gediegener Meister
des 16. Jhdts., ein Niederländer, von dessen Lebensumständen sehr
wenig bekannt ist Er beschäftigte sich schon von Jngend anf gerne
mit Musik u. stand später in Diensten des Erzherzogs Ferdinand zu
Innsbruck, wo er 8. Mai 1581 starb. Er nimmt unter den deutschen
Komponisten des 16. Jhdts. eine ansehnliche Stelle ein; seine Werke
atmen sämtlich durch u. durch acht kirchlichen Geist, überall findet
die gewählte Tonart sich streng ausgeprägt, überall erscheint er bei
der reichsten Gedankenfülle doch klar und yerständlich. Seine uns be-
kannten Werke sind alle in Nürnberg gedruckt: „Septem Psalmi
poenitent.'^ 1570; „Sacrarum Cantionum, libri duo** 1571, 1573; „Tres
Missae et Magnificat" 1573. Ein besonderer Vorzug dieses Meisters
ist es, dass er in Bezeichnung der Semitonien sehr genau gewesen,
u. dass daher alle seine Werke einen sichern Anhaltspunkt für die
Anwendung der ErhÖhungs- u, Erniedrigungszeichen jener Meister des
goldenen Zeitalters bieten, welche in der Notation derselben weniger
strikte gewesen u. deren Gebrauch dem geübten u. in die Tonarten
eingeweihten Sänger überlassen haben.
V.
Yalentini, Giovanni, ein Komponist aus der zweiten Hälfte des
16. Jhdts., war zuerst in Diensten des Königs Sigismund DI. von Polen
n. wurde 1615 kaiserlicher Hoforganist in Wien. Er starb um 1630.
Verschiedene Sammlungen mehrstimmiger Motetten u. a. erschienen im
Druck; handschriftlich hinterliess er viele Kirchensachen, darunter
einige für 24 Stimmen (6 Chöre).
Yalentini, Pier Francesco, ein römischer Edelmann, geb. in
der zweiten Hälfte des 16. Jhdts., genoss den Musikunterricht des
Giov. Maria Nanino zu Eom u. wurde einer der gelehrtesten Ton-
künstler der römischen Schule. Er starb zu Eom 1654. (Motetten,
Litaneien, Madrigalen, Canons etc.)
Valotti, P. Francesco Antonio, gelehrter Kontrapunktist n.
Theoretiker, auch fleissiger Kirchenkomponist u. guter Orgelspieler,
geb. zu Vercelli in Piemont am 11. Juni 1697, wo er frühzeitig eine
musikalische Bildung erhielt. Nachdem er in den Franziskanerorden
getreten u. die Theologie absolviert hatte, sendeten ihn seine Obern
in Berücksichtigung seines unzweifelhaften musikalischen Berufes nach
Padua zu Padre Cagliari zur weiteren Ausbildung. Mit allem Eifer
betrieb nun der 25jährige Valotti das Musikstudium, wurde nachgehendfl
Organist an der Kirche S. Antonio u. endlich Nachfolger seines Lehres
als Kp.-M. an genannter Kirche. Diese Stelle bekleidete er bis zn
Vecchi — Verdelot 263
seinem am 16. Jan. 1780 erfolg^ten Tode. Er schrieb eine ausser*
ordentliche Anzahl Eirchenwerke, welche sich durch Gelehrsamkeit
auszeichnen, von denen aber wenige im Druck erschienen sind. Auch
ein theoretisches Werk begann er: „Della scienza teorica e pratica
della modema musica," von welchem nur ein Band — Padua 1779 —
erschienen ist. Abbö Vogler nennt ihn ,,den ersten Theoretiker in
Europa** u. hat sein System der Musik (Umkehrung def Akkorde) auf
das Ton Yalotti gegründet, der es seit 50 Jahren bearbeitete, aber
nicht damit zu Ende kam.
Yecchi, nach Einigen Yecchio, Orfeo, geb. zu Mailand 1540,
gest. 1613, war daselbst Geistlicher u. Kp.-M. an der Kirche S. Maria
della Scala. Im Druck erschienen von ihm zahlreiche Messen, Motetten
u. Psalmen. — Ein anderer V., Lorenzo, geb. 1566 in Bologna, war
ebenfalls Priester u. Kp.-M. an der Kathedrale seiner Vaterstadt. Er
komponierte mehreres für die Kirche, wovon Messen u. Motetten 1605
u. 1607 zu Venedig in Druck erschienen.
Vecchi, Orazio, war zu Modena in der ersten Hälfte des 16. Jhdts.
geboren. Seine musikalische Bildung erhielt er in Venedig, kehrte
jedoch früh in sein Vaterland zurück, blieb unausgesetzt daselbst, wurde
Kp.-M. des Herzogs von Modena u. starb daselbst hochbetagt am
19. Sept. 1605. Gleich andern Meistern jener Zeit schrieb er für Kirche
u. profanen Gebrauch in allen damals üblichen Musikgattungen; die
allgemeine Aufmerksamkeit aber erregte er durch eine Art komischer
Oper unter dem Titel „L*Amphipamasso, commedia armonica,** welche
1594 in Modena aufgeführt und später in Venedig gedruckt wurde.
Irrig hat man dieses Werk ein musikalisches Drama, wohl gar die
älteste Oper genannt, obwohl der Dialog nur im Text liegt, die Musik
aber im Madrigalenstyl (5stimmig) gehalten ist, und nichts von dem,
was die eigentliche Oper begründete, als Monodie und Becitativ, wie
bei den Werken der Florentiner Peri, Caccini u. a. sich vorfindet. Wenn
gleich sein Buhm hauptsächlich auf seinen weltlichen Kompositionen
fusst, so verdienen auch seine geistlichen Tonwerke, Messen, worunter
besonders eine Sstimmige „Missa in Besurrectionem Domini,** Motetten
u. a. grosse Beachtuug; viele derselben sind durch Gediegenheit und
acht kirchlichen Ausdruck, überhaupt durch treues Festhalten am reinen
Kirchenstyle ausgezeichnet.
Vento, J V 0 de, spanischer Abkunft, war in der zweiten Hälfte
des 16. Jhdts* in Diensten des herzoglich bayr. Hofes, von 1568 bis
etwa 1593 Organist zu München; von ihm erschienen mehrere Motetten-
sammlungen (1569, 1574, 1570) u. mehrere Bücher „Neue teutsehe
Lieder** zu 4--6 Stimmen.
Verdelot, Philipp, ein alter berühmter niederländischer Kontra-
punktist, lebte längere Zeit in Italien u. starb um 1560. In mehreren
Sammlungen aus der ersten Hälfte des 16. Jhdts., die in Paris erschienen,
264 Yiadana — Yicentino.
finden sich Gesäuge; auch die Münchner Bibliothek bewahrt eine
Sammlung von Madrigalen von ihm,
Viadana, Ludovico, dessen eigentlicher Familienname LudoTico
Grossi ist, war zu Yiadana bei Oremona, wahrscheinlich 1564 geboren^
Oostanzo Porta soll sein Lehrer gewesen sein. 30 Jahre alt, finden
wir ihn als £p.-M. an der Domkirche S. Pietro zu Mantua, wo er bis
1609 verblieb.» Mit Beginn des Jahres 1596 trat er in den Franzis-
kanerorden u. erteilte den Klerikern der Domkirche Unterricht inoi
cantus firmus. 1597 hielt er sich vorübergehend in Bom auf, wo er
auch die Jdee zu seinen Goncerti ecclesiastici fasste, deren erstes Heft
1602 in Venedig erschien. Eine Sammlung von 1613 (Frankfurt bei
Nie. Stein) umfasst die drei Büch€\r — 100 Concertl Hierzu gab er
auch eine bemerkenswerte Anweisung zu deren Gebrauch (s. Eirchenmuq.
Jahrbuch v. F. X. Haberl, 1889). 1609 war er Domkp.-M. in Concordia,
1612 in Fano, dann in Bom; 1615 Definitor seines Ordens zu Perugia;
er starb 2. Mai 1645 in Gualtieri am Po im dortigen Franziskanern
kloster. Nach 1612 erschien keine Publikation von ihm. Von seinen
Werken erschienen im Druck: Canzonette a 4 voc. (1590), solche
ä 3 voci (1594), Vespertina Psalmodia 5 voc (1595), Missa 4 voc.
Lib. I. (1596), Falsibordoni a 5 voc. (1596), Completorium roman. 8 voc
(1597), Motetta festorum 8 voc. (1597), Ofacium Defonctomm (1600),
Oento Concerti a 1^4 voc. con ü Basso continuo (1602), Psalmi ad
Vesp. 5 voc. (1604), Litaniae a 3—12 voci (1607), OMcium et Missa
Defiinct. 5 voc. (1604), Completorium romanum 8 voc. (1606), Concerti
eccl. Lib. U. (1607), Sinfonie a 8 voc. stroment (1610), Salmi e 2 Magni-
ficat a 4 voc. (1608), Completorium rom. 4 voc (1609), Lamentationes
et Besponsoria pro maj. hebd. 4 voc (1609), Concerti libr. III. (1609),
Salmi a 4 chori (1612), Falsibordoni a 4 e 8 voc (1612), 24 Credo a
canto fermo (1619). Seine Kompositionen müssen beliebt gewesen sein,
weil einige derselben mehrmals neu aufgelegt wurden. Er wird irr-
tümlich als der Erfinder des Generalbasses angesehen; doch dieser war
schon vor ihm bekannt. Sein grosses Werk ist, dass er 1-, 2- und
3stimmige (besänge mit fortwährender Begleitung der Orgel (Basso
continuo) in die Kirche einführte. F. X. Haberl sagt von Viadana:
„Er wird zu aUen Zeiten als feinfühliger Eirchenkomponist, als eifriger
Beförderer guten u. besseren Geschmacks, aki fieissiger u. begeisterte
Vorkämpfer des kirchl. Eunstgesanges gerühmt werden müssen, wenn
auch als sicher gelten kann, dass seine Werke bereits in das Stadium
der absteigenden Bewegung fallen, nachdem der Culmlnationspunkt der
vokalen Polyphonie in Palestrina's Werken erreicht war."
Vicentino, Nicolo, geb. 1511 zu Vicenza, ein Geistlicher, stu-
dierte Musik unter Willaert u. ward später Ep.-M. am Hofe zu Ferrara.
Um die Mitte des 16. Jhdts. zog er mit dem Kardinal HippolytTon
^ste nach Boqi, wo er wahrscheinUch auch starb. Er war einer
Victoria. 265
der gelehrtesten Musiker seiner Zeit und suchte besonders die Ton-
geschlechter der alten Griechen für die Musik seiner Zeit nutzbar zu
machen. Seine unfruchtbaren Bemühungen legte er in einem theore-
tischen Werke: „L'antica musica ridotta alla modemä pratica etc."
(Born 1555) und in einer Sammlung 5stimmiger Madrigalen (Venedig
1555) nieder.
Victoria oder Vittoria, Tomaso Ludovico de, ein spanischer
Priester, geb. zu Avila, wahrscheinlich um 1540, gest. um 1608 zu
Born, scheint früh nach Bom gekommen zu sein, wo damals die
spanischen Künstler in hohem Ansehen standen. Unter diesen scheinen
zwei, Escobedo u. Morales, die sich eines hohen Buhmes erfreuten,
einen bedeutenden Einfluss auf die gründliche Ausbildung des jungen
Vittoria geübt zu haben. Noch entscheidender auf seine Kunstrichtung
aber wirkte der Umgang mit Palestrina u. dem älteren Nanino, welche
an der Spitze der neugegründeten römischen Schule standen, der sich
Vittoria bald auf das Entschiedenste anschloss. Seine gediegenen
Arbeiten blieben in Bom nicht unbeachtet, so dass er 1573 als Kp.-M.
am Gollegium germanicum, zwei Jahre später in gleicher Eigenschaft
an der S. Apollinariskirche angestellt wurde. Viele seiner Kompositionen
fanden sogar Au&ahme in die päpstliche Kapelle u. gehören bis auf
den heutigen Tag zu dem Vorzüglichsten, was in derselben zur Auf«
lührung gelangt. Unter seinen zahlreichen Werken zeichnet sich eiQCs
seiner spätesten, wenn nicht das letzte, rühmlichst aus, nämlich das
6stimmige Officium Mortuorum, welches er als kaiserlicher
Kapellan 1605 schrieb u. zu Madrid für die Exequien der Kaiserin
drucken liess, u. das wohl zu dem Erhabensten gehört, was je für die
Kirche geschaffen worden ist. Über diesen Meister lässt sich 0. Proske
also vernehmen: „In Vittoria finden sich die edelsten Eigenschaften
spanischer n. römischer Kunst vereinigt. Von allen Angehörigen der
römischen Schule hat nächst Palestrina keiner so sehr auf vollendete
Beinheit des Kirchenstyles geachtet, als Vittoria; ja es lag in seinem
Wesen, das Liturgisch- Objective, Typische noch inniger fest-
zuhalten, als selbst Palestrina nötig fand. Dennoch fehlte ihm nicht
eine reiche Originalität u. subjektive Ausdrucksweise, so dass er bei
grösster Mässigung im Gebrauch seiner Kunstmittel stets eigentümlich,
von jedem Zeitgenossen unterscheidbar u. in allen unter sich noch so
wesentlich abweichenden Kompositionen gleich erkennbar bleibt. Ohne
der Klarheit seiner Melodien u. Harmonien den mindesten Eintrag zu
thun, prägt sich in seinen Gesängen eine ernste, hocherhabene Mystik
aus, welche der reinsten Frömmigkeit des Gemütes, das nur heilige
Gefühle der Andacht ohne alle Beimischung weltlicher Eindrücke zu
atmen scheint, entsprungen ist u. ihn unfähig macht, andere als geist-
liche Kompositionen zu schaffen. Wärme u. lebendige Selbstauffassung,
Milde u. Zartheit, innigster Fluss der kunstreichsten und strengsten
866 ViotorinuB — Vogel.
O'
Tonsätze, endlich ein hoher feierlicher Aufschwung n. die würdevollste
Majestät vereinigen sich in diesem priesterlichen Spanier zu einem
Bilde, das vom Sternenhimmel der Vorzeit wunderbar zu uns herüber-
leuchtet."
Yictorfnns, Georg, geb. um die Mitte des 16. Jhdts. zu Huld-
schön in Bayern u. gest. 1624 zu München als £p.-M. an der MichaelisF-
hofkirche daselbst« war seiner Zeit als Kirchenkomponist geschätzt n.
hat auch mehrere Sammlungen von Litaneien u. andern Kirchenstücken
in Druck gegeben.
Vilhalya, Antonio Eodriguez, geb. bei Fronteira in Portugal,
studierte um 1625 Musik bei Manoel Bebello, wurde nachgehends
Kp.-M. an der Kathedrale in Lissabon u. dann zu Evora, wo er auch
starb. Seine Kirchensachen waren geschätzt.
Vinci, P i e t r 0 , geb. 1540 zu Nicosia in Sicilien, war Kp.-M. an
San Maria Maggiore zu Bergamo; gest. 1584 zu Palermo. Er edierte
mehrere Bücher Motetten zu 4-6 Stimmen, ein Buch 5— Sstimm.
Messen u. mehrere Bücher Madrigale.
Viotta, Johann Joseph, geb. d. 14. Jan. 1814 zu Amsterdam,
studierte neben der Medizin auch fleissig Musik u. wurde später Vor.
stand der Soci6t6 musicale des Pays-Bas in Amsterdam und Ehren-
mitglied vieler musikalischen Gesellschaften in Holland. Er starb am
6. Febr. 1859. Unter andern Kompositionen veröffentlichte er viele
Kirchenmusikwerke, von denen besonders eine 4stimmige Messe, ein
Salve Eegina, 6 Motetten und ein Eequiem zu 3 Stimmen gerühmt
werden.
Vitry, Philipp von, einem berühmten Geschlechte der Champagne
entstammend, ward zwischen 1285 — ^95 geboren. Seine Jugend brachte
er in der Auvergne zu, kam dann in die Dienste Karls des Schönen,
später in die Philipps aus dem Hause Valois u. darauf in die des
Herzogs Johann von der Normandie. Um 1350 verweilte er am
päpstlichen Hofe zu Avignon, wurde bald darauf Bischof von Meaux
u. starb 1361. Er war ein bedeutender Mensuraltheoretiker u. hat die
Theorie u. Praxis wesentlich gefördert. Insbesondere verhalf er dem
zweiteiligen Bhythmus zur Geltung, brachte noch kleinere Notenwerte,
als bisher üblich war, zu ausgedehnterer Anwendung u. Hess für die
Konsonanzen noch mehr das UrteU des Ohres zu. Diese „ars nova"
fand besonders in dem streng konservativen Johannes de Muris einen
unbeugsamen Gegner. Coussemaker veröffentlichte in seinen „Scrip-
tores" in. einige Traktate von ihm. (Vgl. „Monatshefte für Musik*
geschichte" 1890. S. 141 ff.)
Vog^el, Cajetan, geb. um 1750 zu Konoged in Böhmen, genoss
den ersten gründlichem Musikunterricht als Singknabe im Jesuiten-
kollegium zu Breslau, studierte zu Prag Theologie und zugleich bei
Habermann die Komposition und trat dann in den' Orden der Serviten.
Vogler. 267
12 Jahre lang wirkte er als Chordirektor an der St Michaelshofkirche
in Prag, erhielt nach Aufhebung seines Ordens die Predigerstelle an
der Dreifaltigkeitskirche u. starb dbn 27. August 1794. (Messen,
Vespern u. andere Kirchenstücke nebst weltlichen Tonstücken.)
Vogler, Georg Joseph, Abb6, scharfsinniger Theoretiker, be-
deutender Klavier- und Orgelspieler und verdienstvoller Komponist, geb.
zu Würzburg den 15. Juni 1749, studierte bei den Jesuiten zu Würz-
burg und Bamberg, nebenbei mit fleissiger Musikübung beschäftigt.
1771 kam er nach Mannheim, wo er die Gunst des Kurfürsten Carl
Theodor gewann, der ihn behufs der musikalischen Ausbildung zu
P. Martini nach Bologna schickte, welchen er jedoch bald verliess und
nach Padua zu Valotti zog. Nach einem halben Jahre ging er nach
£om, wo er zum Priester geweiht seine Musikstudien bei Misliweczek
fortsetzte u. es dahin brachtet dass er zum Mitglied der Gesellschaft der
Arkadier und vom Papste zum Bitter des goldenen Spornes, zum Proto-
notar und Kämmerer ernannt wurde. 1775 kehrte er nach Mannheim
zurück, wurde daselbst Hofkaplan, errichtete eine Musikschule fßr Her-
stellung eines gründlichen Gesang- und Musikunterrichtes, und erhielt
1777 neben Holzbauer die zweite Kapellmeisterstelle. Mit dem pfälzi-
schen Hofe ging er 1779 nach München, wo die herzoglich bayrische
und die kurfürstliche (Mannheimer) Kapelle in eine, in ihrer Art einzig
dastehende vereinigt wurden; erstere hatten die ausgezeichnetsten
Gesangkräfte, letztere ein unübertreffliches Orchester. Da die Musiker
bei dieser Vereinigung nach ihrem Alter eingereiht wurden, so erhielt
Holzbauer als der älteste die Oberleitung, Vogler als der jüngste ward
dritter Kapellmeister. Doch fand er hier keine erfreulichere Stellung,
als er in Mannheim hatte, auch hier musste er unter fortwährenden
Anfeindungen leben. Den Anstoss gab hier wie dort die Behandlung
der Musik und Musiklehre, sowie in München besonders die Kirchen-
musik. Bei seinem scharfen und klaren Verstände und der grossen
Energie seines Charakters hielt er an dem, was er einmal als gut und
schön erkannt hatte, unerschütterlich fest und unterliess es auch nicht,
die Fehler seiner Gegner oft in bitterster Weise an den Pranger zu
stellen. Abgesehen von der Verfechtung seines neuen Harmoniesystems,
das er durch Valotti kennen gelernt und ausgebildet hatte und womit
er fast alle älteren Musiker vor den Kopf stiess (1776 gab er sein
Musiksystem heraus und erlangte erst 5 Jahre später die Gutheissung
der Akademie der Wissenschaften in Paris und der königl. Gesellschaft
in London), eiferte er besonders gegen die Herabwürdigung der Kirchen-
musik. Damit das berühmte Orchester Beschäftigung erhielt und Ge.
legenheit, sich zu zeigen, musste jede Vokalkomposition, natürlich auch
Kirchensachen, instrumentiert werden. So hatte man es schon, wiewohl
in besserer Weise, seit mehr als einem Jahrhundert mit den kontra-
punktischen Werken des 16. Jhdts. gethan, indem man zu ihnen erst
268 Vogler.
einen Basso contmao, zum Überflass später noch Yiolon o* 3 Posi^iineii
setzte. Als die reichere Instmmentierang des yoiigen Jhdts. angewendet
wurde, ward der Choral in den Hintergrond gedrängt, nnd der gross-
artige polyphone reine Gesang verstonunte; diese zwei Style, von denen
jeder für sich die Herrschaft zn führen geeignet war, konnten sich,
nicht vereinigen, einer von ihnen musste nnter solchen Umständen
weichen; Palestrina kannte man kaum mehr dem Namen nach nnd
alle die Schätze nnd Meisterwerke, welche das herzogliche MnsikarchiT
in sich barg, waren bald ganz vergessen. Die Ghoralmelodieen des
Gradaale nnd Offertorium konnte man nicht mehr brauchen, — man
ersetzte sie durch pure Instrumentalstttcke, Symphonien genannt,
welche weniger in Deutschland, als in Italien bei dem lebhaften Volks«
Charakter bald zu Konzertstttcken wurden. Beisende Virtuosen liessen
sich dabei, wie jetzt bei den Morgen- nnd Abendkonzerten, hören.
Gegen solchen Unfug trat der junge enthusiastische Vogler seit seiner
Bttckkehr von Bom rücksichtslos auf, nachdem er die Erhabenheit der
Werke eines Allegri, ßai, Palestrina, Marcello, Pitoni u- a. gehört und
ihren Wert so erkannt hatte, dass er aussprach: „Diese veralten nicht,
sie werden nach 100 Jahren noch sein, was sie vor 200 Jahren schon
waren! Warum wollen die heutigen Kapellmeister nicht mehr ohne
Instrumente Kirchenmusik setzen, warum führen bei ihnen nur laufende
Geigen die Sprache, warum giebt man den Blasinstrumenten so sehr
den Vorzug, dass sie das Wort führen und die Singstimmen nur
Zuhörer sind?" So dachte er, so sprach er, demgemäss handelte er und
fand unter seinen Zunftgenossen, welche meist Instrumental-Virtuosen
waren, nur Gegner. Seine Stellung war so schwierig, dass, wollte er
nur einigermassen wirken, er den eitlen Instfumentalisten zu Willen
leben und für ihre Instrumente schreiben musste; er that es, aber ging
auch hierin seine eigenen Wege. Endlich, da er nirgends durchdrang,
übrigens auch schlecht besoldet war, verliess er 1783 den bayerischen
Dienst und ging, nachdem er Frankreich, England, Spanien, Griechen-
land und Afrika bereist und überall sich mit den nationalen Musik-
zuständen bekannt gemacht hatte, nach Schweden, wo ihn König Gustav
(1786) woldwoUendst aufaahm. In demselben Jahre wurde er zum königl«
Kp.-M. in Stockholm ernannt und erfand daselbst das Orchestrion,
mit welchem Instrumente er von 1789 ab auf Beisen ging und sich
darauf und auf der Orgel in Holland, England und Süddeutschland
hören liess. 1799 verliess er Stockholm, wo er teils für die Bühne
mit wenig Erfolg gearbeitet, teils mit Vollendung seines Ghoralsystems
(1800 in Stockholm herausgegeben) u. der harmonischen Bearbeitung des
schwedischen Gesangbuches sich beschäftigt hatte. Nach einem Besuche
von Altena und Berlin begab er sich nach Prag, hielt an der Universität
musikalische Vorlesungen und blieb daselbst von 1800 bis 1803. In
letzterem Jahre finden wir ihn in Wien eine Oper zur Aufführung
Vogel. 269
bringen; darauf wendete er sich nach 2jähriger Eeise nach Darmstadt,
woMq er als Hofkapellmeister mit dem Titel geheimer geistlicher Bat
berufen wurde. Hier ward er auch mit dem Bitterkreuze des Verdienst-
ordens geschmückt und bildete seine zwei berühmtesten Schüler, Weber
u. Meyerbeer. Am 6. Mai 1814 schied er aus dem irdischen Dasein. —
Von seinen musikalisch-theoretischen Schriften seien hervorgehoben:
„Mannheimer Tonschule"; „Choralsystem*' (Kopenhagen 1800); „Hand-
buch zur Harmonielehre und für den Gteneralbass etc.** (Prag 1802);
„System für den Fugenbau'*; „Über Choral und Kirchengesänge**
(München 1814) u. a. Auch an Kompositionen war er recht firuchtbar:
Messen, Vespern, andere Kirchenstücke; einige Opern, Orchesterscu^hen,
Stücke für Klavier, Orgel u. dgl. Sein scharfer Geist war auch auf
dem Gebiete der Orgelbaukunst thätig; er stellte am Ende des vorigen
Jhdts. sein sogen. Simplifikationssystem (Vereinfachungssystem)
auf, welches hauptsächlich darin bestand, dass sämtliche Begister
auf einem sehr engen Baume zusammengedrängt wurden, wodurch die
Windführung allerdings eine bedeutende Vereinfachung erfuhr; dann
verwarf es die Mixturen, Tertien u. a., sowie auch die spielerischen
Stimmen (er selbst war ein Meister im Begistrieren); die Pfeifen wurden
in der Beihenfolge der Töne in der chromatischen Scala eingesetzt,
und aller äusserer Zierrat und alle Prachtentfaltung durch glänzende
Prospektpfeifen verworfen. Hatte er auch nicht in Allem das Bechte
getroffen, so wirkte er doch viel auf rationelleren Betrieb des Orgel-
baues ein. — Nicht leicht hat ein Musikgelehrter und Musiker so
vielen Widerspruch von einer Seite, gegenüber den Lobpreisungen
von der andern erfahren, als Vogler; vieles kommt freilich auch auf
Bechnung seines starren, energischen Charakters u. seines ehrgeizigen
und hervordrängeuden Wesens, womit er seine Gegner angriff und aut
das, was er mit seinem System unvereinbar fand, und auf manchen
Schlendrian losstürmte. Otto Jahn sagt von ihm: „Vogler war ohne
Zweifel eine ungewöhnliche und bedeutende Natur; er besass musika-
lisches Talent, Verstand und Scharfsinn, und verband mit vielseitiger
Beweglichkeit Energie des Willens, so dass er in Kunst u. Wissen-
schaft Erhebliches erreichte, so weit das Technische — im weitem
Sinne gefasst — reicht. Aber wahre Schöpferkraft fehlte ihm, und
dem Denker trat der Künstler und dem Künstler der Denker in den
Weg. So kam es, dass er zu einer reflektierten Technik seine Zuflucht
nimmt u. in seinen Werken häufig teils eine Häufung rein sinnlicher
Effekte, teils ein Spiel mit raffinierten Schwierigkeiten theoretisch-
musikalischer Art hervortritt." Gleichwohl blieb wenigstens seine
theoretische Thätigkeit nicht ohne guten Einfluss auf die Musiklehre
u., dass sie systematischer u. vernünftiger betrieben wurde, dazu hatte
sie teilweise auch durch ihn den Anstoss erhalten. Seine Bemühungen
gingen zunächst dahin, alles Überflüssige aus der musikal. Theotie zu
270 Vogt — Waelrent.
yerbannen, alles Wesentüche darin aber zu erschöpfen nnd aof festen
Grand zu bauen. Er deckte viele Widersprüche auf, stärzte dadurch
die herkömmliche Generalbasslehre und führte durch sein ümwendungs-
System zu einer vollständigeren und richtigeren Kenntnis der Harmonie.
Li seinem Choralsystem hat er die alten Eirchentonarten wieder za
Ehren gebracht und eine ihrem Wesen entsprechende harmonische Be-
handlung der Choräle gelehrt gegenüber den eigenmächtigen Verfahren,
das selbst Bach bei vielen Chorälen sich erlaubt hatte,
Vogt, P. Mauritius, geb. 30. Juni 1669 zu Eönigshof in Böhmen,
trat 1692 in das Cisterzienserkloster zu Prag, u. starb zu Plass den
17. Aug. 1730. Erfahren in theoret. u. praktischer Musik schrieb er
das damals sehr geschätzte Werk „Conclave thesauri magnae artis
musicae" (Prag 1719), worin er sich über alle Teile der Musikwissen-
schaft verbreitet. Im Mskr. hinterliess er eine Sammlung Orgelfugen:
„Vertumnus vanitatis musicae in XXXT. fugis delusus."
Yolckmar, Wilhelm, Dr., geb. am 26. Dez. 1812 zu Hersfeld,
absolvierte in Einteln das Gymnasium und wurde 1835 als Musiklehrer
am Seminar in Homburg angestellt. Er hat sich durch Herausgabe
vieler Orgelsachen bekannt gemacht, f 27. Aug. 1887.
Yalpias, Melchior, geb. 1560 zu Wasungen bei Henneberg,
ward 1600 Kantor in Weimar, wo er auch im Jahre 1616 starb. Er
gab mehrere Sammlungen Kirchengesänge heraus und hat auch eine
lateinisch-deutsche Ausgabe des „Compendium musices" von Heinrich
Paber besorgt (1610).
W.
Waelder, Johann Gualbert, geb. den 6. Juli 1809 zu Beuren
in Schwaben, widmete sich dem Lehrfach und wirkte seit 1844 als
Lehrer und Kantor in Langenerringen. Ausser verschiedenen Schulen
für Orgel, Violine, Viola und Violoncello hat er „100 ausgesetzte
Generalbassbeispiele,** eine „Generalbasslehre,'* eine „Abhandlung über
das Wesen und die Behandlung der Orgel" (bei Böhm in Augsburg),
eine „Gesangschule'' und mehrere Kirchenkompositionen veröffentlicht«
In seinen „Mitteilungen aus dem Tagebuche eines Lehrers** wird viel
Musikalisches besprochen. Er starb am 6. Juli 1868.
Waelrent, Hubert, geb. zu Ath in Belgien 1517 (nach Andern
zu Arras), ein ausgezeichneter Tonsetzer des 16. Jhdts., kam in seiner
Jugend nach Venedig, wo er unter seiaem Landsmanne Willaert die
Musik studierte. 1547 gründete er eine Musikschule zu Antwerpen u.
Waelrant — Weber. 271
^tarb daselbst am 19. Nov. 1595. Zu Venedig u. Antwerpen erschienen
Ton ihm mehrere Sammlungen von Motetten u. Ganzonen; auch soll
er als der Erste die Sylbe si den 6 Quidonischen Sylben beigefägt
haben.
Wagner, P. Godhard, geb. 1679 zu Erding, seit 1700 Mönch
im Bened.-Kloster Tegemsee, f 1738, edierte bei D. Walther in Augs-
burg: „Musikalischer Hofgarten der ttbergebenedeiten Himmelskönigin
u. s. w.'* (100 Arien für Sopran u. Alt mit Generalbass) 1717; dann
nMarianischer Schwan** etwa 80 Arien; „Marianischer Springbrunn,'*
31 Arien; „Marian. Jmmlein** 52 Arien f. 4 gemischte Stimmen und
Instrumente. Im ersteren Werke kündigte er noch an: 4 Messen,
6 Litaneien, 8 marian. Antiphonen, 1 Miserere, 1 Stabat Mater,
1 Te Deum.
Wanhall oder Vanhall, Johann, geb. zu Neu-Nechanitz in Böhmen
am 12. Mai 1739, war der Sprössling einer holländischen Emigranten-
familie. Frühzeitig erhielt er schon Musikunterricht u. mit 18 Jahren
eine Organisten- u. Chorregentenstelle in einem böhmischen Städtchen*
Nachdem er in Wien einige Zeit verlebt, bildete er sich auf einer Beise
nach Italien vollends aus, so dass er in Eom mit zwei Opern reüssierte.
Er kehrte dann wieder nach Wien zurück, komponierte aber bald
Ausschliesslich nur für die Kirche. Er starb am 26. Aug. 1813. Er
war ausnehmend fruchtbar sowohl an Kirchenstücken als an profanen
Werken; viele erschienen in Druck, eine grössere Masse aber blieb in
Manuskript. So sehr seine Werke anfangs beliebt waren, so sind sie
doch jetzt der Vergessenheit ganz anheim gefallen.
Warren, Joseph, geb. d. 20. März 1804, studierte frühzeitig die
Musik, 1820 war er bereits Dirigent einer Musikgesellschaft, für die
er mehrere Tonwerke schrieb; 1833 wurde er Organist n. Chordirektor
der Marienkapelle zu Chelsea u. komponierte in dieser SteUung viele
Kirchenwerke, Messen, Offertorien u. dgl. Auch veröffentlichte er einige
Werke für die Orgel u. besorgte 1842 eine neue Ausgabe der „Falas**
von Hilton, u. Boyce's „Cathedral Music'* 3 Bde. in Fol.
Weber, Friedrich Dionys, geb. 1771 zu Welchau in Böhmen,
in seiner Jugend schon in der Musik wohl unterrichtet, betrieb auf der
Universität Prag theologische, juridische und philosophische Studien,
widmete sich aber bald ganz der Musik, welche er als Autodidact und
unterstützt von den Batschlägen des Abb6 Vogler mit solchem Eifer
studierte, dass er in Kürze der Zeit als ein ausgezeichneter Theoretiker
und guter Komponist angesehen wurde. Als 1810 das Konservatorium
in Prag errichtet ward, ernannte man ihn, da er den ganzen Plan dazu
ausgearbeitet hatte, zum Direktor desselben, als welcher er am 25. Dez.
1842 starb. Er hinterUess Messen, Kantaten u. a.; auch theoretische
Werke.
272 Weber — Weigl.
Weber, Gottfried, geb. am 1. März 1779 zu Freinsheim in der
Bheinpfalz, widmete sich der Kechtswissenschaffc imd starb als gross-
herzoglich hessischer Generalprokorator am 21. Sept. 1839 zu Kreuz-
nach, nachdem er noch Bitter des Ludwigsordens, Ehrendoktor der
Universität Giessen und Ehrenmitglied vieler musikalischer Gesell-
schaften und Vereine geworden war. — Theoretisches Musikstudinni
betrieb er autodidaktisch erst während seines Aufenthaltes zu Mann«
heim (1802—1814), arbeitete sich durch alle Lehrbücher und Systeme
hindurch und erprobte die Grundsätze an den klassischen Werken^
Hierzu fügte er selbständige Forschungen und veröffentlichte seine
Bemühungen in dem vortrefflichen Werke „Versuch einer geordneteir
Theorie der Tonsetzkunst" (3 Bde. 1817—20, Mainz; spätere Auflagen
wurden auf 4 Bde. vermehrt), wodurch er sich das Verdienst erwarb,
Ordnung in das bisherige Chaos der Harmonielehre gebracht zu haben*
Viele andere kleinere Werke, die er herausgab, sind eigentlich nur
Auszüge aus dem grossem Werke; ausserdem schrieb er zahlreiche
Aufsätze und Abhandlungen in musikalische Zeitschriften, u. besonder»
in die von ihm in den ersten 80 Heften redigierte „Gäcilia.** Als
Tonsetzer hat er weniger Verdienst (Eirchensachen und weltliche
Tonstücke).
Weigl, Johann Baptist, geb. den 26. März 1783 zu Hahnbach
in der Oberpfalz, studierte im Benediktinerkloster Prüfening bei Begens
bürg, wo er hauptsächlich, durch den Abt Kormann in wissenschaft-
licher Beziehung viel gewann und auch in der Musik eine hohe Stufe
der Ausbildung erreichte. Während seines Noviziates ward das Kloster
säkularisiert und W. war genötigt, in Amberg seine theologischen
Studien zu vollenden. Im Jahre 1806 zum Priester geweiht, war er nur
kurze Zeit in der Seelsorge und wurde darauf schnell nach einander
als Professor des Gymnasiums, dann des Lyceums nach Amberg und
endlich als Professor der Kirchengeschichte und des Kirchenrechtes als
Bektor an das Lyceum zu Begensburg berufen. Hier lag ihm zugleich
das Amt eines Inspektors des Seminars zu St. Paul und die Leitung
des Studienchores ob. In dieser Zeit war er namentlich in der Musik
sehr thätig und vielerlei Kirchenkompositionen wurden von ihm bekannt;
doch sind sie jetzt alle fast vergessen. 1837 wurde er zum Mitglied
des Domkapitels in Begensburg ernannt und starb nach allseitig ver»
dienstlichem Wirken am 5. Juli 1852.
Weigl, Joseph, geb. zu Eisenstadt in Ungarn am 28. März 1766^
bekundete Mhzeitig ein grosses musikalisches Talent, welches durch
den Unterricht Albrechtsbergers in der Tonsetzkunst zu hohem Grade
entwickelt wurde. Sein Vater hatte ihn zwar zum juridischen Fache
bestimmt, doch auf Verwendung Salieri's, dessen Schüler nun W. wurde,
liess eir den Sohn seiner musikalischen Neigung folgen. 1700 wurde W.
m
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gel
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Weichlin — Wilhelm. 273
■^ ^ Salieri^s Nachfolger als wirkliclier Kapellmeister der Oper bis 1825,
^ trat dann als zweiter Kapellmeister zur k. k. Hofkapelle über nnd
^^ arbeitete seitdem nur mehr för die Kirche. Er starb am 3. Febr. 1846.
^ Unter seinen zahlreichen Opern n. Operetten ist die „Schweizerfamilie"
^^ die bekannteste und berühmteste; ausserdem hinterliess er eine grosse
£bb Anzidil anderer weltlicher Kompositionen verschiedenster Gattung, sowie
^ mehrere Messen und andere Kirchenstücke.
Weichlin, P. Boman, geb. zu Linz, Conventual des Bened.-
Stiftes Lambach, war ein tüchtiger Kompositeur. 1687 schrieb er eine
Messe ,3ectorum cordium" zu 15 Stimmen und in der Folge noch
mehrere. 1702 erschien sein Opus 11. zu Ulm in Druck, betitelt
„Pamassus ecclesiastico-musicus cum VII Missis a 4 et 5 voc* concert.
et 5 instmmentis concert." Leider ist von seinen Mskr. in Lambach
^ nichts mehr vorhanden.
. Werner, P. Benedict, geb. 8. Dez. 1748 zu Dietfurt, hatte
frühzeitig sich tüchtige Musikkenntnisse erworben und während seiner
. ' höheren Studien zu Ingolstadt schon mehrere kirchliche Komposi-
, tionen geliefert. 1767 trat er in das Benediktinerstift Weltenburg,
1786 ward er zum Abte gewählt, nach der Säkularisation 1803 lebte
er zu München, wo er 20. Okt. 1830 starb. Er bearbeitete eine
^ Geschichte seines Klosters und eine umfangreiche allgemeine Musik-
8 ', geschichte in latein. Sprache; das Mskr. hiervon bewahrt die Münchner
)' I BibHothek (C. 1. 1494—1513).
^ Wert, Giaches de, (Jakob van), ein niederländ. Kontra-
punktist, welcher schon als Knabe nach Italien kam. 1565 ward er
Kp.-M. des Herzogs von Mantua, u. erhielt in diesem Jahre Urlaub,
um in seine Heimat zu gehen. Auf der Bückreise befand er sich 1566
zu Augsburg u. scheint im Herbst dieses Jahres wieder in Mantua
eingetroffen zu sein. 1568 ward er vom Herzog Alfonso Gonzaga nach
Novellara zur Aushilfe für einige Zeit erbeten. Am Hofe zu Mantua
hatte er viele Verdriesslichkeiten u. Intriguen von Seiten der ital.
Musiker zu erleiden. Er war ein sehr fruchtbarer und geschätzter
Komponist u. es wurde 1580 ihm ,4n Anerkennung seiner langen und
treuen Dienste" das Bürgerrecht von Mantua „auf ewige Zeiten" und
zugleich seinen Nachkommen erteUt. 1597 starb er daselbst. Von
seinen Werken wurden (in mehreren Auflagen) gedruckt: 11 Bücher
5stimm. Madrigale; ein solches zu 4 u. eins zu 5 Stimmen, 3 Bücher
Motetten zu 5 n. 6 Stimmen, 1 Buch Kanzonetten.
Wilhelm, vorher Mönch im Kloster St. Emmeram zu Begensburg,
seit 1069 bis zu seinem Tode am 5. JuH 1091 Abt des Klosters Hirschau,
hob durch seine Weisheit und Gelehrsamkeit das Kloster zu grossem
Buhme. Unter ihm blühte auch die Musik sehr, er selbst war in der
Tonkunst wohl erfahren und klärte vieles, was in ihr noch vor ihm
KonunfiUer, Lexikon. II. Bd. 18
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274 Willaert — Wütberger.
dunkel war, auf. Auch kunstgerechte Verbesserongen der kirchlichen
Gesangbücher nahm er vor und hinterliess ein musikalisch-theoretisches
Werk „De Musica/* abgedruckt ist es in der Gerbert'schen Sammlung.
Willaert, Hadrian, geb. um 1490 zu Brügge in Flandern, war
ein Schüler von Jean Mouton. 1516 kam er nach Bom, verliess es
jedoch bald wieder, und nachdem er bis 1526 Kp.-M. des Königs
Ludwig n. von Böhmen und Ungarn gewesen, zog er nach Venedig,
wo er am 12. Dez. 1527 Ep.-M. an der Markuskirche ward. Sein
Tod föllt in das Jahr 1562, den 7. Dez. Er ward der Gründer der
sogen, yenetianischen Schule, und von seinen Schülern zeich-
neten sich aus: Cyprian de Bore, welcher sein Nachfolger wurde, Nicolo
Vincentino, Costanzo Porta, Zarlino. Im Druck erschienen von ihm
zahlreiche Sammlungen von Motetten, Psalmen, Messen, Canzonen u. dgl.
Er wird als ein fleissiger, denkender und sorgfältiger Kompositeur
gerühmt und sein Hauptverdienst, wie C. y. Winterfeld anmerkt, besteht
in der Art und Weise der Behandlung des kunstreichen Psalmengesanges;
er Hess die Stimmen in zwei oder mehrere Chöre auseinandergehen
und abwechselnd singen; es standen nicht mehr blosse Stimmen, son-
dern Stimmkörper gegenüber, welche wesentlich auf die Entfaltung
eigentlicher Harmonie Einfluss hatten; der Gesang hatte nach dem
Psalmenton sich zu richten und das Wort erhielt wieder mehr Be-
rechtigung und AnteU.
Wütberger, 1) August, geb. 1850 zu Sobemheim a. d. Nahe
(Bheinproyinz), yon seinem Vater, welcher Lehrer und Organist wari
schon frühzeitig zur Musik herangezogen, trat 1868 in das Lehrer-
seminar zu Boppard, woselbst er unter Leitung des Seminarlehrers
P. Piel grosse Fortschritte in der Musik machte. Nach zweijähriger
Wirksamkeit im Elementarschuldienste wurde er als Musiklehrer an die
Prä^randenanstalt in Oolmar i. Elsass berufen. Von 1876—80 als
Gesanglehrer am Gymnasium und an der höheren Töchterschule zu
Saargemttnd thätig, wurde er 1880 als Musiklehrer am Lehrerseminar
zu Münstermaifeld angestellt u. 1884 an das Seminar zu Brühl yersetzt.
Seine yeröffentlichten Kompositionen gehören fast ausschliesslich der
kirchenmusikalischen Litteratur an: Messen, Motetten, Te Deum,
deutsche Kirchenlieder, Sammlungen yon K.-Gesängen, alles meistens
für Männerstimmen; dann noch ein Orgelbuch mit K.-Liedem nebst
Vor- u. Nachspielen. Er war besonders bestrebt, den kirchl. Männer-
chören ziemlich leichtes aber streng kirchliches Material an die Hand
zu geben. Seit 1887 ist er auch in's Beferenten- Kollegium des
CäciUenyereius berufen. 2) Heinrich, Bruder des Vorigen, geb. 1841
zu Sobemheim, genoss seine weitere Fortbildung in der Musik im
Schullehrerseminar zu Brühl durch Töpler. Erst 1865, als er nach
Goblenz kam, konnte er sich in ausgiebigerem Masse der Musik, sowohl
der weltlichen als der geistlichen, widmen. Nachdem er yon 1872—86
Winkler, 275
in den Seminarien zu Colmar n. Schlettstadt als Mneiklehrer gewirkt
hatte, ward er in letzterem Jahre als solcher wieder nach Colmar be-
rufen. Von seinen Kompositionen veröffentlichte W., ausser mehreren
weltlichen Liedern mit Elayierbegleitung u. Gesängen für Männerchdre,
an kirchlicher Musik: ein ,J)omine, salvum fac'* für 5 Männerstimmen,
2 Motettensammlungen u. 1 Messe für gemischten Chor; 2 Messen für
4stimm. u. 3 Messen für Sstimm. Männerchor; 1 Messe für 2 gemischte
Stinunen u. Orgel; 1 Sammlung Motetten für Sstimm. u. 1 solche von
lat. u. deutsch. K.-Qesängen für 4stimm. M.-Chor; Orgelbegleitung zu
den geistl. Liedern des Normallehrplans f. d. kathol. Schulen im Elsass,
u. zu den Vespern des Strassburger Vesperale; ausserdem kleinere
Stücke in verschiedene Sammlungen; in den elsässischen Schul-Zeitungen
u. in der „Cäcilia" musikalische Aufsätze.
Winkler, Max Joseph, geb. 1810 zu Waldstetten in Schwaben,
gest. 20. Juni 1884 zu Bosenheim, entwickelte schon frühzeitig ent-
schiedene Musikanlagen, welche alsbald sein Vater, Schullehrer daselbst,
zu kultivieren begann; im Gesang, Klavier-, Orgel- und Partiturspiel
machte der Knabe erfreuliche Fortschritte* Mit 11 Jahren kam er zum
Studieren nach Augsburg, wo er zugleich Singknabe bei St. Moritz
und hl. Kreuz unter P. Mathias Fischer wurde, der ein bedeutender
Organist war. Allmählich machte sich W. auch an's Komponieren,
alles fiel aber natürlich — ohne Anleitung — schlecht genug aus.
Erst durch Lesen in der musikalischen Zeitschrift „Oaecilia*^ ging ihm
ein besseres Licht über Musik auf, und gründlichen Unterricht erhielt
er erst nach seinem Eintritt in das Schullehrerseminar in Dillingen
durch Basil. Schwarz. Einzelne gelungene Stücke machten den Inspektor
auf sein Talent aufmerksam, der ihn dann zum Studium guter Werke
aufinunterte. Nach einiger Zeit kam er an die Stelle des verstorbenen
Ohorregenten Jäger in Günzburg, wo sein praktisches Wirken begann
— 7 Jahre lang, und wo er sich tiefen Studien des Kontrapunktes
nach den Werken Albrechtsberger's, Weber's, Preindrs u. a. hingab;
Günzburg wurde für ihn eine gute Schule für's Dirigieren, Arrangieren,
Einstudieren. 1837 erhielt er die Chorregentenstelle an der Dompfarr-
kirche zu Eichstädt u. bald darauf die Musiklehrerstelle am k. Schul-
lehrerseminar, sowie die Chordirektion zu St. Walburg. Hier konnte
«r nun vielseitig und in ausgedehnterem Masse seine musikalische
Wirksamkeit entfalten, und er that es auch. Mit dem dortigen
Seminarpräfekten Zeheter, seinem nachmaligen Schwiegervater, be-
arbeitete er die „Generalbass- und Harmonielehre" (Nördlingen, 1840),
welche bereits in zweiter Auflage, von Winkler allein umgearbeitet,
erschienen ist. Seine Kompositionen fanden von Kennern die vollste
Anerkennung. Er verschmäht namentlich in seinen Kirchenwerken
Süsslichkeiten u. andere neue Kunststücke der Kirchenmusikfabrikanten,
und tritt immer einfach, klar, aber doch kunstvoll auf, seine Stimm-
18*
276 Winter — Witt.
ftUming ist jederzeit sehr ^t und ergiebt sich bei aller Korrektheit
stets ungezwungen. Von seinen Kompositionen seien genannt: 2 Mesen,
3 Ölbergsgesänge, Litaneien, Gradualien n. a»; ferner das Melodram
„Erdenflach und Himmelssegen/' einige Streichquartette u. a.
Winter, Peter v., geb. 1754 zu Mannheim, arbeitete sich durch
eigenes Studium in die Anfänge der Tonsetzkunst hinein und erhielt
erst 1783 durch Salieri in Wien eine grOndliche Anleitung. 1778 ging
er mit den übrigen Mitgliedern der kurpfälzischen Hofkapelle, der er
angehorte, nach München. 1788 wurde er an Vogler's Stelle Kp.-M.
Er arbeitete nun fast immer für die Bühne und genoss eines grossen
Euhmes. 1814 wurde er bei Gelegenheit seines 50jährigen Dienst-
jubiläums zum Bitter des Givilyerdienstordens der bayr. Krone ernannt.
Sein Todestag ist der 17. Okt. 1825. Unter der grossen Zahl seiner
Kompositionen — Opern, Ouvertüren, Kantaten, Lieder u. dgl. finden
sich auch yiele Kirchensachen; der Erwähnung verdient noch seine
klassisch zu nennende „Gtesangschule'' (3 Teile).
Winterfeld, Carl Georg August Vivigens von, geb. am
28. Jan. 1784 zu Berlin, war längere Zeit Appellationsgerichtspräsident
in Breslau, woselbst er das Institut für Kirchenmusik in's Leben rief
und leitete, und ward 1832 Obertribunalrat in Berlin, 1847 trat er
wegen GehOrsschwäche aus dem Staatsdienst und starb am 19. Febr.
1852. Er war einer der ausgezeichnetsten Kenner älterer Tonkunst
und vorzüglicher musikalischer Schriftsteller. Von seinen Werken sind
hervorzuheben: „Johannes Pierluigi von Palestrina'^ (Breslau 1832);
„Johannes Gabriel! und sein Zeitalter*' (sein Hauptwerk) 2 Bände und
1 Notenheft (Berlin, 1834); „Der evangelische Kirchengesang etc."
(Leipzig, 3 Teile 1843—47) u. a. m.
Wipo, der Autor der herrlichen Ostersequenz „Victimae paschali"
war ein Zeitgenosse Hermann's von Beichenau, aus Burgund gebürtig,
und lebte als Priester und Hofkaplan unter den deutschen Kaisern
Konrad 11. und Heinrich UI. Seine Blütezeit fällt in die Jahre 1024
bis 1050. Er war nicht blos ein für seine Zeit gründlicher Musiker,
sondern auch ein in den Wissenschaften sehr erfahrener Mann.
Witt, Franz Xaver, geb. den 9. Febr. 1834 zu Walderbach in
der Oberpfalz, gest. 2. Dez. 1888 in Landshut, machte seine wissen-
schaftlichen und theologischen Studien zu Begensburg, wo er lüs
Sänger in die Dompräbende aufgenommen wurde und unter dem
verdienstvollen Domkapellmeister Joh. Schrems die ältere Kirchenmusik
kennen lernte. Den 11. Juni 1856 zum Priester geweiht, arbeitete er
einige Jahre in der Seelsorge, ward dann als Chorallehrer in's
Klerikerseminar zu Begensburg berufen, in welcher Stellung er dem
tiefem Studium der alten Meister, begünstigt durch die Proske*sche
Bibliothek, sich hingab, Unterricht im Kontrapunkt erteilte und mit
Witt. 277
mehreren Kompositionen im strengen Styl in die Öftentlichkeit trat.
1865 übernahm W. die Stelle eines Präses der marianischen Kongre-
gation, seit Juni 1867 wirkte er als Inspektor des Stndienseminars
za St. Emmeran und Chordirektor der gleichbenannten Pfarrkirche in
Begensbnrg, welche Stelle er 1869 mit einem Beneficimn in Stadtamhof
rertauschte. Vom 1. Okt. 1870 bis 1. Okt. 1871 wirkte er als Dom-
kapellmeister in Eichstadt; 1873 übernahm er die Pfarrei Schatzhofen,
deren Pastoriemng er jedoch nach zwei Jahren wegen Gesnndheits*
TÜcksichten durch einen Vikar verwalten liess; er selbst zog sich nach
Landshut zurück u. lebte daselbst in grosser Zurückgezogenheit bis zu
seinem Tode. — Was ihm seine hohe Bedeutung giebt, das ist seine
grossartige Wirksamkeit für die Reform der tiefgesunkenen kathol.
Kirchenmusik. Schon 1865 kündigte er seine Bestrebungen nach dieser
Bichtnng hin an durch die Broschüre „Der Zustand der kathol. Kirchen«
musik in Altbayem u. s. w.^^ u. bereitete ihnen noch mehr Boden durch
die Gründung der Zeitschriften „Fliegende Blätter" (1866) u. „Musica
Sacra" (1868). Bei der Generalversammlung der kathol. Vereine
Deutschlands zu Innsbruck (1867) stellte er den Antrag auf Gründung
«ines „Cäcilienvereins" zur Hebung der kathol. Kirchenmusik, fand
aber keine Unterstützung. Da ging er auf eigene Faust daran, durch
Erlassung eines Aufrufes Mitglieder zu gewinnen, was so gut gelang,
dass der Oäcilienverein zu Stande kam u. 1868 in Bamberg seine
erste, konstituierende Versammlung abhalten konnte. In kürzester Zeit
zählte er mehrere Tausend Mitglieder aus allen Teilen Deutschlands
u. breitete sich besonders weiter aus, als der Verein die Anerkennung der
kirchlichen Oberbirten u. durch päpstliches Breve vom 16. Dez. 1870
auch die Begutachtung des hl. Stuhles fand; zugleich ward dem
Oäcilienverein ein Kardinal als Protektor bestellt u. Witt zum General-
präses ernannt. Mit reichen Geistesgaben ausgestattet u. mit grosser
Energie, vermochte W. staunenswerte Erfolge seiner Bestrebungen zu
erringen, aber die unermüdete Thätigkeit u. die Kämpfe, die er durch-
zufechten hatte, untergruben bald seine Gesundheit u. nach einem
vieljährigen Siechtum machte ein Herzschlag seinem Leben u. seinem
Wirken ein Ende. Um sein verdienstvolles Wirken zu ehren, verlieh
ihm schon unterm 2. Sept. 1873 Papst Pius den Titel „Doktor der
Philosophie" u. der Kardinal de Lucca, erster Protektor des Gäcillen-
Vereins, ernannte ihn 2. Febr. 1880 zum Ehrenkanonikus an der
Kathedrale zu Palestrina. — Ausser der genannten Broschüre schrieb
W. noch: „Gestatten die liturgischen Gesetze beim Hochamte Deutsch
zu singen?" (1873); „Das k. bayr. Kultusministerium, die bayr. Ab-
geordneten-Kammer u. der Cäciüenverein." (1886); „Fliegende Blätter^^
1866—88) u. „Musica sacra" (1868-88), worin die kathol. Kirchen-
musik nach allen Richtungen besprochen ist, sehr wertvolle Schriften.
Ausserdem schrieb er noch viele Aufsätze in verschiedene Zeitschriften«)
378 Wittasek — Wollersheim.
Als Komponist war er ttberans frachtbar, in den Beilagen zu den
„Fliegenden Blättern*' n. der „Mnsica sacra" allein lieferte er 10 Messen,
2 Beqniem, an 100 Gradnalien, 163 Offertorien, 3 Litaneien, 2 Sequenzen,
1 Stabat Mater, 1 Improperia, mehrere Hymnen, Vespern n. Psalmen;
femer erschienen von ihm in Dmck: 3 Messen n. 14 Motetten fär
48timm. Männer- n. gemischten Chor (1863); „Cantns sacri** fUr gleiche^
n. gemischte Stimmen (1864, 1865) 3 Hefte (neue Ausgabe u. Bearbeitung*
für 2— Sstimmigen Männerchor 1888) 156 Nummern enthaltend; eine
Preismesse für Männerstimmen u. Orgel (Luxemburg 1865); „Missa>
„Exnltet** u. 1 Bequiem fttr 2 Singstimmen u. Orgel (1865); dann noch
18 Messen von 2—5 Stimmen, 2 Bequiem, 3 Litaneien für 4, 5 und
6 Stimmen; er edierte auch mehrere Messen von Ett, namentlich
3 achtstimmige, teilweise umgearbeitet; Tiele Kirchenstücke schrieb er für
mehrere Sammlungen; yiele weltliche Lieder; die Kantate „Pergolese";
das Orgelbuch zum Ordinarium Missae (4. Aufl. 1886).
WittaBek, Job. Nepomuk August, geb. zu Horzin in Böhmen
am 22. Febr. 1770, studierte zu Prag bei Kotzeluch die Komposition,
wurde später Konzert^ und Musikmeister und Kanzleisekretär beim
Grafen Nostiz. 1814, nachdem er als Klayierrirtuos und Komponist zu
grossem Ansehen gekommen, ward er seines Lehrers Nachfolger am
St. Veitsdome als Kapellmeister. Er starb am 7. Dez. 1839. Von seinen
Kompositionen ist wenig gedruckt, mehr bekannt ist ein Bequiem.
•
Wolf, Joseph, Domorganist und XJniversitäts-Musikdirektor in
Breslau, geb. zu Tschirmkau bei Leobschütz in Schlesien, widmete sich
zuerst dem Lehrfache, später der Musik und war nach Schnabels Tode
unbestritten die erste musikalische Autorität in Breslau. Er starb 1842.
Wolf, Gyrill M., geb. zu Mttglitz in Mähren im Jahre 1825,
Sohn eines Schullehrers, genoss schon in frühester Jugend Unterricht
im Gesang, Klavier- und Orgelspiel. Nachdem er zu Olmtitz 7 Klassen
studiert hatte, widmete er sich ganz der Musik. In Wien von dem
Hofkapellmeister Gottf. Preyer in der Komposition gebildet, erhielt er
1847 die Organistenstelle bei St Leopold und 1860 die Kapellmeister-
stelle an der Dominikaner- und k. k. Universitätskirche, die er noch
jetzt bekleidet Er schrieb 6 Messen und yiele Einlagen, wovon die
erste Messe in D (vierstimm, u. Orchester), 4 Einlagen als Offertorient
2 Chöre mit Orchester bei Wessely in Wien im Druck erschienen sind.
Wollersheim, Theodor, geb. 1806, gest am 3. Febr. 1865 als
Pfarrer zu Jüchen in der Erzdiözese Köln, ein Mann von klarem Ver-
stände und gründlicher theologische^ und philosophischer Bildung,
wendete sich erst als Priester der kirchlichen Musik, vorzüglich dem
Ohoralgesange mit aller Kraft zu. In dieser Absicht studierte er
namentlich die von Gerbert edierten „Scriptores de musica sacra" in
einer Weise durch, wie Wenige, und legte seine gewonnenen Resultate
Wüllner — Zaoconi. 279
in dem Bnche: ,,TheoTetisch-praktisch6 Anweisung zur Erlernung des
Gregorianischen oder Choralgesanges** (Paderborn, 1865 in dritter von
Pf. Stein in Köln besorgter Auflage erschienen) nieder. Ausserdem
veröffentlichte er noch „Die Eeform des Gregor. Gesanges** (Paderborn,
1860) und eine kleine „Melodiensammlung** zu dem von ihm heraus-
gegebenen Gebetbucho „Der himmlische Palmgarten.** W. war auch
bei der Herausgabe der neuen Komischen Choralbücher f{lr die Erz-
diözese Köln beteiligt.
Wüllner, Franz, hochverdienter Musikpädagog u. ausgezeichneter
Dirigent, ist geb. 28. Jan. 1832 zu Münster in Westphalen, machte
seine Musikstudien zu Frankfurt a. M., Berlin u. Brüssel. 1854 Hess
er sich in München nieder, 1856 ward er Klavierlehrer an der k.
Musikschule, 1858 städtischer Musikdirektor in Aachen, 1865 Kp.-M.
der k. Vokalkapelle in München. 1867 übernahm er die Leitung der
Chorgesangsklassen der k. Musikschule, 1869 als Nachfolger Bülow^s
die Direktion der Hofoper u. der Akademiekonzerte; 1870 wurde er
zum ersten Hofkp.-M. u. 1875 zum k. Professor ernannt. 1877 ging er
nach Dresden als k. Hofkp.-M. u. artistischer Direktor des Konser-
vatoriums, 1882 ernannte ihn die Münchner Universität zum Dr. phil.
hon. c, 1884 ward er als Nachfolger Ferd. Hiller's als Direktor des
Konservatoriums nach Köln berufen. Er schrieb vieles: Kantaten,
Kammermusiken, Lieder, zwei Messen, Motetten, ein Miserere fOr
Doppelchor, ein Stabat Mater für Doppelchor u. a. Vorzüglich sind seine
„Chorübungen der Münchner Musikschule** (München, Th. Ackermann).
Z.
Zaccari oder Zaccariis, auch Zactaariis, Cäsar de, war um die
Mitte des 16. Jhdts. in Cremona geb., später in der Münchener Hof-
kapelle als Sänger angestellt und zuletzt in die Dienste des Grafen von
Fürstenberg getreten. Weiteres ist von seinen Lebensumständen nicht
bekannt. Seine Werke zeigen, dass er ungewöhnliche Anlagen besessen
und in guter Schule die Ausbildung derselben gewonnen habe. Seine
Melodie ist durchaus stimmgerecht und natürlich, die Harmonie rein
und fliessend. Von seinen Werken erschien , Jntonationes Vespertinarum
precum unacum singulomm Tonorum Psalmodüs, quae vulgo Falso-
bordoni dicuntur, 4 vocum. Praeterea Hymni 5 voc." zu Mönchen 1594
im Drucke.
Zacconi, Ludovico, geb. zu Pesaro um die Mitte des 16. Jhdts.,
Augustinerchorherr, war vorerst Chordirektor seines Klosters zu Venedig,
trat dann in Dienste des Erzherzogs Carl zu Wien und schliesslich
280 Zach — Zarlino.
in die Münchner Hofkapelle. 1619 kehrte er nach Venedig zurück.
Seine „Pratica di musica'' (L T. Venedig 1592, n. 1622), eine Art
Mnsiklehre, gehört unter di^ hesten musikalisch-theoretischen Schriften
Italiens in dieser Zeit.
Zach, Johann, geb. um 1705 zu Gzelakowicz in Böhmen, war
anfangs an mehreren Kirchen Prag's als Organist thätig, ging dann
nach Mainz, wo er kurfürstlicher Kapellmeister wurde und sich zu
grossem Ansehen als Theoretiker und Komponist aufschwang. Im
Zustande gestörten Geistes starb er 1773 zu Bruchsal in Baden. Unter
seine vielen Kompositionen zählen auch viele Kirchenwerke, welche seit
lange ganz in Vergessenheit verfallen sind.
Zangl, Joseph Gregor, geb. den 12. März 1821 zu Steinach
in Tirol, fand erst während der Universitätsstudien in Innsbruck
Gelegenheit, seine musikalischen Anlagen auszubilden. Im Jahre 1846
zum Priester geweiht, erhielt er bald darauf die Organistenstelle am
Dome zu Brixen und geniesst als gediegener Orgelspieler in Tirol
grosses Ansehen. In dieser Stellung war es ihm gegönnt, sich eifrig
dem musikalischen Studium und der Komposition zu widmen. Von ihm
sind mehrere Kompositionen: Orgelstücke, Messen, Marienlieder u.dgl.
(grösstenteils bei Böhm in Augsburg) im Druck erschienen, auch schrieb
er ein „Handbuch für den römischen Choralgesang zum Gebrauch für
Organisten*' (Brixen, bei A. Weger, 1865). Im Jahre 1865 wurde ihm von
der päpstlichen Musikakademie di S. Cecilia in Eom das Diplom als
„Maestro compositore onorario" zugesendet.
Zanotti, Giovanni Galisto (Abbate), geb. um 1740 zu Bologna,
studierte die Komposition unter P. Martini und wurde Kapellmeister an
S. Petronio zu Bologna, daselbst starb er 1817. Als Kirchenkomponist war
er sehr angesehen, seine Werke sind aber Manuskript geblieben.
Zarlino, Giuseppe, geb. 22. März 1517 zu Chioggia bei Venedig,
war Priester u. betrieb seine musikalischen Studien unter H. Willaert.
Nach dem Tode Gyprians de Bore wurde er Kapellmeister an der
Markuskirche zu Venedig, welche Stelle er bis zu seinem Tode, 14. Febr.
1590, inne hatte. Weniger hat er sich durch Kompositionen hervor-
gethan, welche zwar von seinen Zeitgenossen sehr gerühmt, aber von
Baini, Winterfeld u. a. als trocken u. steif bezeichnet werden; sein
höchstes Ansehen erwarb er als Theoretiker durch seine „Istituzioni
harmoniche" (Venedig 1558, neue Auflagen 1562, 1573), welches Werk
fast 200 Jahre lang die Hauptquelle war, aus der die nachfolgenden
Theoretiker schöpften, und welches besonders darum merkwürdig ist,
weil es zum ersten Male die Kegeln des doppelten Kontrapunkts ent-
hält. Andere minder bedeutende Schriften Zarlino's sind: „Dimostra-
zioni harmoniche^' (Venedig 1571 und 1575) und „Supplementi musicali^*
(Venedig, 1588).
Zeiler — Zingarelli. 281
Zeiler, P. 6 a 1 1 n s , geb. 11. Mai 1705 zu Kempten, trat 1722 in
das Benediktinerkloster St. Mang zu Füssen u. zeichnete sich durch seine
musik. Tüchtigkeit so aus, dass er unter die besten Kirchenkomponisten
seiner Zeit gerechnet wurde. 1750 zum Abte erwählt, starb er schon
7. Jan. 1755. Von seinen gedruckten Werken kennt man: Op. V.
„Ganticum bipartitum Marianum, XU Magnificat/* (Augsbg. 1737);
„Latria musica Deo encharistico sacra" (20 eucharistische Gesänge,
48timm. mit Instr. Augsbg. 1739.) Op. VI.; ausserdem „Dulia harmonica*'
1732 und „Besponsoria ad Lamentationes hebd. sacrae"; „Oithara
Mariana" (Augsburg, 1734), „XXX deutsche Arien" (ebenda 1736),
,XVI Antiphonae" (1740).
Zelenka, Johann Dismas, geb. 1681 zu Lannowicz (Böhmen),
Yfsa ein Schüler von Fux und Lotti. Von seinen Kompositionen besitzt
die katholische Hofkirche in Dresden 15 Messen, 3 Eequiem, 2 Te Deum,
2 Miserere, 6 Litaneien, 86 Psalmen u. dgl., und er wird als ein vor-
züglicher Tonsetzer seiner Zeit gerühmt.
Ziani, Pietro Andrea, ein venetianischer Komponist, war von
1668 — 1677 zweiter Organist an der St. Markuskirche zu Venedig und
ging dann als Kp.-M. der Kaiserin Eleonore (Gemahlin Leopolds I.)
nach Wien, wo er 1711 starb (nach andern starb er in Neapel). Er
schrieb neben vieler weltlicher Musik auch Kirchensachen, von denen eine
Sammlung 5stimmiger Psalmen 1659 zu Venedig in Druck erschien.
Ziegler, Johann Bapt., Kp.-M. in Wien, erhielt seine erste
,musikalische Bildung als Chorknabe in dem Konvikte bei St. Stephan
vom Domkapellmeister Preindl. 1829 wurde er als Eegenschori an der
landesfürstlichen Pfarrkirche St. Johann angestellt, wo er bis 1846
verblieb, in welchem Jahre er als Kapellmeister an die Schottenkirche
übertrat. Im Musikarchive des Schottenstiftes sind bis jetzt folgende
Werke von ihm hinterlegt: 14 Messen, 1 Bequiem, 80 Einlagen als
Gradualien und Offertorien; Improperia für die hl. Charwoche, viele
Psalmen, Antiphonen, Traktus, Sequenzen. Als Gesanglehrer am k. k.
Gymnasium des Theresianums und des Schottenstiftes, sowie an den
beiden k. k. Bealschulen in Wien schrieb Z. 1858 eine „Gtesangschule
für die Mittelschulen Österreichs** in 3 Heften, von denen bereits eine
zweite Auflage erschienen ist. Von seinen Elirchenkompositionen ist
noch keine durch Druck veröffentlicht worden.
Zingarelll, Nicolo Antonio, geb. zu Neapel am 4. April 1752,
erhielt seinen ersten Musikunterricht auf dem Konservatorium di
Loretto, wagte sich bald an die Komposition von Opern, deren er eine
sehr grosse Anzahl lieferte. Nachdem er in Mailand und Loretto
Kp.-M. gewesen, kam er 1804 als solcher an Guglielmi's Stelle an
S. Peter im Vatican zu Bom (bis 1811). Napoleon führte ihn gefangen
nach Paris, und nach seiner Bückkehr 1812 ging er nach Neapel, wo
er auch als Kp.-M. an der Kathedrale am 5. Mai 1837 starb. Er schrieb
282 Zoilo — Zwyssig.
eine nngehenre Anzahl Kirchenstücke, deren grösster Teil von sehr
geringer Qualität ist.
Zoilo, A n n i b a 1 e , war in der ersten Hälfte des 16. Jhdts. zu
Eom geboren nnd erhielt 1561 eine Anstellung als Kapellmeister an
der Lateranensischen Hanptkirche; am 5. Juli 1570 wurde er in das
Kollegium der päpstlichen Sänger aufgenommen. Von seinen weiteren
Lebensschicksalen und der Zeit seines Todes ist nichts bekannt. In den
Archiven der päpstlichen Kapelle befinden sich Messen, Besponsorien
nnd andere Kirchensachen seiner Komposition, sowie auch in ver-
schiedenen Sammlungen. Er wird unter die bedeutendsten Meister
seiner Zeit gezählt.
Zncbino, Gregorio, geb. zu Brescia, blühte um 1600 als cassi-
nensischer Mönch im Kloster S. Georg zu Venedig durch seine hervor^
ragenden Kenntnisse in der Musik, auch als Organist war er sehr be-
rühmt. Seine damals sehr hochgeschätzten theoretischen Werke scheinen
gänzlich verloren gegangen zu sein; dagegen sind uns mehrere seiner
Kompositionen teils im Druck, teils im Manuskript erhalten worden.
Im Druck erschienen: „Missa quatuor voc. decantanda cum nonnullis
Psalmis integris, divisis, Falsibordonibus, Magnificat et Litaniis B. M.**
(Venedig, 1615); „Promtuarium harmonicum etc." (Venedig, 1616);
„Harmonia sacra,** Motetten von 8 — 16 Stimmen ; auch die Münchner
Hofbibliothek und die Proske*sche Bibliothek besitzen einige Stücke
in Manuskript.
Zwyssig, P. Gerold, Benediktiner des Stiftes Muri (Gries bei
Bozen), geb. den 9. Mai 1807 zu Bauen in der Schweiz, gelehrter
Musikforscher, besonders im Choral bewandert, auch Komponist, besass
eine wertvolle Bibliothek der besten Kompositionen und Studienwerke.
Von seinen im Druck erschienenen Werken ist nur eines bekannt:
„IV. Antiphonae Marianae a 4 voc. aequid." (Brixen, bei A. Weger),
t 18. Nov. 1874.
Nachtrag.
BedoB le Celles (Zusatz), der gelehrte Mauriner, war nm 1706
zu Canx bei B6ziere geb., trat 1762 zu Dourade (Toulouse) in den
Benediktinerorden, ward 1758 korrespondierendes Mitglied der k.
Akademie u. begann 1760 die Herausgabe seines berühmten Werkes
,Ji'art du facteür d' Orgues** (Paris), f 25. Nov. 1779.
Bmiiner, Eduard, geb. 10. März 1843 zu Pischelsdorf in
Steiermark, Sohn eines Lehrers, ward frühzeitig im Gesang und im
Klavierspiel unterrichtet. Anfänglich widmete er sich dem Lehrer-
berufe; erst 1867 ward es ihm gegönnt, seiner Neigung zu folgen,
nämlich ganz der Musik zu leben — er nahm die Organistenstelle in
Leoben an. Nach zwei Jahren ward er Chorregent an der Stadtpfarre
St. Leonhard u. seit 1870 wirkt er als solcher an der Propstei-Haupt-
und Pfarrkirche in Brück. Infolge eines Besuches von Begensburg
lernte B. die wahre Kirchenmusik kennen; begeistert davon vernichtete
er alle bisher von ihm komponierten Kirchenwerke und ging daran,
einen tüchtigen Sängerchor heranzubilden. Später konnte er auch eine
kurze Zeit lang die Kirchenmusikschule in Begensburg besuchen..
Ausser 75 weltlichen Kompositionen in früheren Jahren edierte er
8 Messen, 4 Requiem, 12 Offerte ilen, 2 Litaneien mit je 4 Antiphonen,
8 Weihnachts- u. 8 Marienlieder (sämtliche bei Pawelek in Begensburg);
vieles andere ist noch Manuskript.
Griesbacher, Peter, geb. 25. März 1864 zu Egglham (Nieder-
bayem), machte seine humanistischen u. theologischen Studien zu Passau,
nach deren Vollendung er 1886 die Priesterweihe empfing. Während seiner
Studienzeit hatte er immer Gelegenheit, Werke der alten Meister zu
hören u. als Sänger auf dem Domchore mitzuwirken; als Kandidat der
Theologie suchte er durch Selbststudium in theoretischen Schriften u.
in den Partituren der „Alten" sein sehr gutes Musiktalent auszubilden.
Nach seiner Priesterweihe arbeitete er mehrere Jahre in der Seelsorge,
bis ein schweres Leiden ihn zwang, einen Buheposten zu suchen.
Seitdem wendete er sich ausschliesslich der Musik zu. Seit 1. Okt 1894
versieht er den Posten eines Musikpräfekten am k. Studienseminare
von St. Emmeram u. St. Paul u. zugleich eines Ohordirigenten an der
Stadtpfarrkirche St. Bupert u. an der Kirche zu St. Paul in Begens-
burg. Ediert sind von seinen Werken: (bei Pawelek in Bgsbg.)
Missa „Jam sol recedit" 4 voc; Missa VIII. in hon. S. Antonii fQr
4 Männerstimmen, Op. 11; Te Deum 5 voc. (Op. 12); Missa in hon.
B. V. M. de Lburdes, 2 voc. c. Org. (Op. 2); Missa in hon. Ss. Bosarii,
4 voc. aequ.; Missa in hon. Ss. Gordis Jesu, 3 voc. aequ. c. Org. —
(Bei Hirmer in Straubing) Missa in hon. S. Gaeciliae, 2 voc. c. Org.; Missa
in h. „Matris dolorosae,** 5 voc; ausserdem noch manches in Sammelwerken.
284 Guilmant — Lemmens.
Gnilmant, Alexander, geb. 12. Mftrz 1837 zn Bonlogne snr
mer, Schüler des belgischen Orgelmeisters Lemmens, zeichnete sich
schon flühzeitig als gewandter Orgelspieler ans. 1871 wurde er als
Organist an der Kirche St. Trinit^ zn Paris angestellt. Auf seinen
Konzertreisen in England, Italien n. Bossland machte er grosses Aufsehen.
Seine Kompositionen für die Orgel werden als geistvoU gerühmt.
Katschtlialer, Johan Bapt., geb. 29. Mai 1832 zu Hippach
im Zillerthale, Sohn eines Schnllehrers, 1856 in Salzburg zum Priescer
geweiht, 1862 zum Dr. theol. promoviert, war bis 1880 Professor der
Theologie zu Salzburg, dann zu Innsbruck; alsdann als Domherr nach
Salzburg berufen, übernahm er auch die Direktion des f.-erzbisch.
Priesterseminars daselbst, welchem er jetzt noch vorsteht. Im Dezember
1890 ward er zum Weihbischofe erwählt, zugleich bekleidet er die
Würde des Dompropstes. Hit der Bestauration der kathol. Kirchen-
musik wurde er schon 1851 bekannt, konnte aber erst, seit er Priester-
hausdirektor ward (1882), energischer für dieselbe wirken, insbesondere,
als er auch zum Präses des Salzburger Diözesan-Cäcilienvereins gewählt
wurde. 1886 gründete er die „Kirchenmusikalische Vierteljahrsschrift*'
(Salzbg., M. Hittermüller), 1893 gab er eine „Kurze Geschichte der
Kirchenmusik'* (Regensbg., A. Coppenrath) heraus, welche jetzt in der
„Musica Sacra** von Mailand in ital. Übersetzung erscheint. Auch einige
kleine Gelegenheitsstücke komponierte er, wovon das in unzähligen
Exemplaren verbreitete „Leolied" das bekannteste ist. Seiner Bemühung
ist auch die Einführung der offiziellen Choralbücher im Salzburgischen,
sowie des Diözesan-Gesangbuches „Alleluja** zu verdanken.
Krans, P. Lambert, geb. 17. Sept 1728 zu Pfireimd in der
Oberpfalz, f 27. Nov. 1790, trat 1746 in das Benediktinerkloster Metten,
1752 zum Priester geweiht, war er nacheinander Chorregent, Pfarrer
u. Prior, 1770 wurde er zum Abte daselbst gewählt. Er war ein sehr
guter Musiker u. fleissiger Komponist. Im Druck erschienen von ihm:
Vm Missae (Augsburg 1760); XII Symphoniae (ebenda 1762);
Vin Litaniae lauret unacum VIII Tantum ergo (ebenda 1764), sämtlich
mit Instrumentalbegleitung. Auch ein Caeremoniale monasticum be-
arbeitete er; dann schrieb er mehrere Singspiele u. a.
Lemnoieiis, Nicolas Jaques, geb. 3. Jan. 1823 zu Zoerle-
Parwijs in Belgien, f 30. Jan. 1881 auf Schloss Linterport bei Mecheln,
studierte Musik am Brüsseler Konservatorium unter F6tis und ward
1849 daselbst Professor des Orgelspiels. 1879 eröffoete er zu Mecheln
eine Schule für Organisten u. Chordirektoren. Er schrieb eine grössere
Anzahl von Orgelkompositionen, eine grosse Orgelschule, eine Anleitung,
den gregor. Choral zu begleiten, verschiedene kirchliche Gesangs-
werke u. a. Ihm gebührt auch das Verdienst, das Orgelspiel in
Belgien u. Frankreich wieder auf edlere Bahnen geleitet zu haben.
Die bedeutendsten Organisten dortselbst zählen zu seinen Schülern.
Modlmayr — Schlecht. 285
Modlmayr, Joseph, geb. 28. Ang. 1858 zu Giggenhausen
(Oberbayem) ward nach vollendeten Stadien zn Freising 1882 zmn
Priester geweiht u. versieht seit Dezember 1886 das Amt eines Beicht-
vaters im Kloster der Benediktinerinnen anf FrauenwOrth im Chiemsee.
Schon während seiner Studienjahre betrieb er eifrig Musik u. suchte
sich reiche theoretische Kenntnisse u. praktische Fertigkeiten darin zu
erwerben. Diese konnte er als Kooperator u. kann sie noch mehr u.
besser in seiner jetzigen Stellung verwerten. Bis jetzt veröffentlichte
er im Druck: 5 Hefte „Kathol. Kirchengesänge" teils für gemischten
teils für Männerchor; Hymnus „Te Deum" u. „Veni" für Männerchor;
Gesänge z. Eh. des hhl. Sakramentes f&r Männerstimmen; Benedictus-
Messe für 3stimm. Frauenchor mit Orgel; Litania lauret für 4 Frauen-
stimmen; 25 Gradualia de Gomm. Sanct. 4 voc. (Begensbg., H. Fawelek);
„Die Kirche Christi,*^ Festgesang fär einstimm. Chor, Männerquartett
u. Pfte; mehrere Beiträge für musikal. Zeitschriften u. Sammlungen;
einige weltliche Kompositionen.
Schlecht, Baimund. (Zusatz). Sein vorzüglichstes Werk ist:
„Geschichte der Kirchenmusik" (Regensbg., A. Coppenrath 1871) mit
sehr vielen wertvollen Beispielen aus älterer Zeit.
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anderer Liedersammiunaen, die immer ufieder das alltägliche bieten, sind diese
Werke XMsammerMestellt, sie unterscheiden sich von anderen vorteilhaft dadurch,
dass sie eine Putte meist wertvoller Originale bieten, die geeignet sind, xu
bilden und anxuregen und neue Liebe und Freude xwr Qesangshmst xm weiiken.
Man sühf es allen Werken auf den ersten Blick an, doss sie aus sach- und fach-
kundiger Hand hervorgingen und das» die Herren Herausgeber ehrlieh bemüM
waren, teaetlich und nuMikaiisch vom besten das Beste ausxuufählen und
XU einem Ctesangsmaterial xu vereinigen, dcu Oberall einer dankbaren Aufnahme
suher sein dürfte.
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VMlig niAlfrod CoppeirKh (H. Pawalik), RogiMbirg.
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' Musikdirektor Kothe. Allen Oesanglehrem an Chymnasien ete, möge das
Repertorium auf das angelegentlichste empfohlen sein, sie vferden dem Herrn
Herausgeber Dank, wä/rmaten Dank wissen, fwr das ihnen xu UnterrüMs-
xwecken gebotene iiberaus reiche und wertvolle Material. Der Band enihöU 50
der schönsten und mrkungsvoUsten Chöre kiasstscher Mtisik.
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ihre früheren VeröffentUchungen bewiesen, dass sie berufen sind Kwr PfUge
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