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Full text of "Mithra. Ein Beitrag zur Mythengeschichte des Orients"

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Abbandliingen 

Kunde  des  Morgenlandes 


herausgegeben  von  der 


Deutschen  Morgenländischen  Gesellschaft 


unter  der  verantwortlichen  Kedaction 


des  Prof.  Dr.  Hermann  Brockhaus. 


Erster  Band. 


-00>I»<00- 


Leipzig  1859 

in   Comraission   bei   F.  A.  Brock  haus. 


AUG24  1964' 

'9  2><f22 


Inhalt. 


N^?     1.     Mithra.     Ein   Beilrag    zur   Mythengeschichte    des  Orients  von 
Dr.  Friedrich   Windischmann. 

„  2.  Al-Kindi  genannt  „der  Philosoph  der  Araber*'.  Ein  Vorbild 
seiner  Zeit  und  seines  Volkes.     Von  Dr.   G.  Flügel, 

„  3.  Die  fünf  Gäthä's  oder  Sammlungen  von  Liedern  und  Sprüchen 
Zarathustra's,  seiner  Jünger  und  Nachfolger.  Herausge- 
geben, übersetzt  und  erklärt  von  Dr.  Marlin  Haug.  Erste 
Abtheilung.  Die  erste  Sammlung  (G  ä  t  h  ä  a  h  u  n  a  v  a  i  t  i)  ent- 
haltend. 

„  4.  lieber  das  Catrunjaya  Mähätmyam.  Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  der  Jaina.     Von  Älbrecht  Weler. 

„  5.  Ueber  das  Verhältniss  der  drei  syrischen  Briefe  des  Ignatios  zu 
den  übrigen  Recensionen  der  Ignatianischen  Literatur.  Von 
Dr.  theol.  Richard  Adelberl  Lipsius. 


I 


MITHRA. 


Ein 


Beitrag  zur  Mythengeschichte  des  Orients 


Dr.  Friedrich  Windisciimann. 


Leipzig  1857 

in  Commission  bei  F.  A.  Brocidiaus. 


Abltandliiiigeii 


der 


Deutschen   Morgenländischen  Gesellschaft. 


I.    Band 

M.  1. 


WS' 


Vorwort. 

li  achstehende  Uebersefzung  und  Erklärung  des  Opfergebe- 
tes an  Mithra  giebt  der  Verfasser  nur  in  der  Absicht  heraus, 
um  die  Renner  des  Zend  zur  kritischen  Sichtung  der  dar- 
gebotenen Deutungen  zu  veranlassen,  den  Nichtkennern  aber 
eine,  wie  mir  scheint,  etwas  richtigere  Vorstellung  von  die- 
sem Gebete  zu  verschaffen,  als  die  überaus  freie  und  uncorrec- 
te  Version  Anquetii's  bieten  kann.  Denn  wenn  ich  mir  auch 
nur  zu  gut  bewusst  bin,  dass  kein  Abschnitt  meiner  Interpre- 
tation ohne  wesentliche  Verbesserungen  bleiben  wird,  so  ist 
doch  hoffentlich  der  Inhalt  richtig  getroffen.  Finden  die  Ren- 
ner manches  neu  und  überzeugend  erklärt,  so  wird  die« 
meine  nicht  geringe  Mühe  lohnen;  habe  ich  vielfach  geirrt, 
so  kann  es  für  die  Wissenschaft  den  Nutzen  haben,  dass 
Andere  nicht  auf  dieselben  Irrwege  gerathen.  Es  gehört 
freilich  Selbstüberwindung  dazu,  eine  Arbeit  zu  veröffent- 
lichen ,  von  der  man  weiss,  dass  sie  mehr  des  Tadels  als  des 
Lobes  werth  ist;  allein  Prof,  SpiegePs  freundlicher  und  sach- 
kundigster Rath  ermuthigte  den  Verfasser ;  bei  dem  noch  so 
jungen  Studium  des  Zend  wird  wohl  kein  Beitrag  zurückge- 
wiesen werden. 

Mit  der  Veröffentlichung  des  wichtigsten  Documentes 
des  Mithracultus  eine  neue  Zusammenstellung  der  Nachrichten 
des  classischen  und  christlichen  Alterthums  über  denselben 
zu  verbinden,  war  wohl  von  selbst  geboten.  Möge  durch 
die  absichtlich  in  gedrängtester  Weise  versuchte  Gruppirung 
des  Materials  einige  Rlarheit  in  das  Gewirr  dieser  Zeugnisse 
gekommen  sein !  Dass  ich  Vorgänger,  wie  a  Turre,  Zoega> 
Eichhorn  dankbar  benutzt  habe,  versteht  sich  von  selbst; 
leider  ist  das  Verständniss  des  Mithracultus  durch  die  Masse 
derer,  die  gelegentlich  oder  eigens  darüber  geschrieben  haben, 
nicht  sehr  gefördert  worden. 


IV  Vorwort. 

Der  Monumente  und  Inschriften  des  Mithra,  die  an  so 
\ielen  Orten  gefunden  worden  sind,  habe  ich  nur  im  Vorü- 
bergehen erwähnt.  Es  würde  eine  sehr  verdienstliche  Ar- 
beit sein,  sie  alle  in  chronologischer  und  geographischer 
Ordnung  zu  sammeln  und  nach  den  nunmehr  gewonnenen 
sicheren  Anhaltspunkten  zu  erklären.  Dazu  gehört  aber  Au- 
topsie und  tieferes  Eingehen  in  die  Kunstgeschichte;  das 
Resultat  wäre  höchst  interessant  für  letztere,  und  zur  Auf- 
hellung der  religiösen  Zustände  des  römischen  Kaiserreiches ; 
unsere  Kenntniss  aber  von  der  ursprünglichen  Bedeutung 
Mithra's  und  seiner  Festgeheimnisse  würde  meines  Erachtens 
dadurch  keine  grosse  Erweiterung  gewinnen. 

München  am  26.  Februar  1857. 


Dr.  Windischmaon. 


Inhalt. 

Seite 

I.  Uebersetzung  des  Opfergebetes  an  Milhra  (Mihir  YashtJ    .     .  l 

II.  Erklärung  des  Textes 18 

III.  Vergleichung   des    Milhra   der   Urtexte    mit    den    Nachrichten 

der  Alten 52 

IV.  Beigabe  über  Gayö-maratha  und  QaosyaQ 73 

Nachträge .  88 


M  i  t  h  r  a. 

Ein  Beitrag  zur  Mythengeschiclite  des  Orients. 

Von 
Dr.  Friedrlcli  l^Vindi  seit  mann. 


I. 

Uebersetzung  des  Opfergebetes  an  Mithra  (Mihir  Yasht), 

öefriedigung  des  Ahura  Mazda  —  Gute  Reinigkeit. —  Ich  bekenne 
als  zarathustrischer  Mazdayagna,  der  den  Daeva's  entgeg-en  und 
der  Lehre  des  Ahura  zugethan  ist,  zum  Opfer,  zur  Ehre,  zur 
Befriedigung  und  zum  Lobe  Mithra's  des  weitflurigen  ,  tausend- 
ohrigen,  zehntausendaugigen,  des  mit  Namen  genannten  Yazata's, 
und  des  Räma-Qagtra  zur  Befriedigung,  zum  Opfer,  zur  Ehre, 
zur  Befriedigung,  zum  Loh. 

I. 

1.  Es  sprach  Ahura  Mazda  zum  heiligen  Zarathustra:  Als 
Mithra  den  weitflurigen  ich  geschaffen,  o  Heiliger,  da  habe  ich 
ihn  geschaffen  so  gross  anzubeten,  so  gross  zu  verehren,  wie 
mich  selbst,  den  Ahura  Mazda. 

2.  Es  tödtet  das  ganze  Land  der  mörderische  Mithratrüger, 
o  Heiliger;  wie  hundert  Schlangen  soviel  Reine  schlägt  er.  Den 
Mithra  schlage  nicht,  o  Heiliger,  nicht  jenen,  den  du  vom  Frevler 
fragst,  noch  den  von  dem  Reinen,  der  eignen  Lehre  zugethanen. 
Denn  beiden  ist  Mithra,  dem  Frevler  und  dem   Reinen. 

3.  Schnelle  Pferde  giebt  Mithra  der  weitflurige  denen  ,  die 
den  Mithra  nicht  trügen ;  den  gradesten  Weg  giebt  das  Feuer 
des  Ahura  Mazda  denen,  die  den  Mithra  nicht  trügen.  Der  Rei- 
nen gute,  starke,  heilige  Genien  geben  berühmte  Nachkommen- 
schaft denen,  welche  den  Mithra  nicht  trügen. 

4.  Durch  seinen  Reichthum  und  seine  Gnade  will  ich  ihm 
opfern  mit  hörbarem  Opfer  dem  weitflurigen  Mithra.  Mit  Spenden 
opfern  wir  Mithra  dem  Sitz  der  Freude  und  des  Heils  für  die 
arischen  Länder. 

5.  Herbei  komme  er  uns  zum  Schutz;  herbei  komme  er  uns 
zur  Befreiung;    hernei  komme  er  uns  zur  Freude;    herbei  komme 

Abhandl.  derDMG.  I,   1.  ,  1 


/ 


2  Windischman,  über  Mühra. 

er  uns  zur  Erbarmung  ;  herbei  komme  er  uns  zur  Heilung;  Lerbei 
komme  er  uns  zum  Sieg;  herbei  komme  er  uns  zum  Wohl;  herbei 
komme  er  uns  zur  Reinigung  der  gewaltige,  starke,  anzubetende, 
zu  ehrende,  nicht  betrogene  stets  in  der  bekörperteu  Welt  Mithra 
der  weitflurige. 

6.  Ihm  dem  mächtigen  Yazata,  dem  starken,  unter  den  Ge- 
schöpfen heilbringendsten,  dem  Mithra  will  ich  opfern  mit  Spenden ; 
ihn  will  ich  umgehen  mit  Lob  und  Preis ;  ihm  will  ich  opfern 
mit  hörbarem  Opfer  Mithra  dem  weitflurigen.  Mit  Spenden  opfern 
wir  Mithra  dem  weitflurigen.  —  Haoma  mit  Milch.  (Folgt  das 
Gebet:  y^ng  he  hatäm). 

II. 

7.  Mithra  dem  weitflurigen  opfern  wir,  dem  wahrredenden,  wei- 
sen, tausendohrigen,  wohlgebildeten,  zehntausend-augigen,  hohen, 
auf  breiter  Warte  stehenden,  starken,  schlaflosen,  wachsamen. 

8.  Dem  opfern  die  Länderherrn  in  Arezahi  daherschreitend 
gen  die  verwundungdrohenden  Heere,  gen  die  zusammenkom- 
menden Kampfreihen  zwischen  den  Läoderschlachten. 

9.  Wo  sie  zuerst  ihm  opfern,  hin  zum  Bekenntniss  eifrigen 
Gemüth  aus  herzlich  gläubigem  Geiste,  da  steigt  Mithra  der 
weitflurige  herab  mit  dem  siegreichen  Wind ,  mit  dem  Fluch  des 
Weisen.  Durch  seinen  Reichthum  etc.  (hier  wifd  der  Ab- 
schnitt 4  — ^6  wiederholt.) 

Hl. 

10.  Mithra  dem  weitflurigen  etc.  —  schlaflosen,  wachsamen, 
(wie  oben  7.) 

IL  Dem  opfern  die  Krieger  auf  den  Rücken  der  Pferde 
Stärke  erflehend  für  die  Gebundenen  (die  Pferde),  Festigkeit  für 
die  Leiber,  volle  Besiegung  der  Hassenden,  Niederschlagen  der 
Schlechtgeistigen ,  Zusammenvernichtung  der  Feinde,  der  Gegner, 
der  Hassenden.     Durch  seinen  Reichthum  etc. 

IV. 

12.  Mithra  dem  weitflurigen   —  schlaflosen ,  wachsamen. 

13.  Der  erste  geistige  Yazata,  der  über  die  Hara  steigt 
voraus  vor  der  unsterblichen  Sonne,  der  Rosse  lenkenden;  der 
zuerst  goldengestaltig  die  schönen  Gipfel  ergreift;  von  dort  be- 
schaut er  den  ganzen   Ariersitz  der  heilbringendste. 

14.  Wo  Rosselenkende  Herrscher  treffliche  Schaaren  regieren  ; 
wo  hohe,  weidereiche,  wasserreiche  Berge  dem  Rinde  Nahrung 
mehren;  wo  tiefe,  breitfluthige  Seeen  liegen;  wo  breite,  schiff"- 
bare  Gewässer  mit  Schwall    hervorbrechen ,    auf  Iskata  und   Pou-_ 


ruta;  auf  Mouru,   Haroyu  und  Gap ;  auf  Cughdha  una  Qimza; 
15.     gen    Arezahi    und    ^avahi,    gen  Fradadhafsu    und  Vida- 


Windischmann  ,  üher  Mühra.  3 

dhaflu,  gen  Vourubaresti  und  Vouru^aresti ,  gen  jenes  Karsvare 
Qaniratha  das  glänzende,  den  Sitz  der  Rinder,  den  WoLnpIatz 
der  Rinder  den  heilenden,  schaute  Mithra  der  starke  herab. 

16.  Der  in  allen  Karsvare's  ein  geistiger  Yazata  daherfährt 
Gnade  verleihend;  der  in  allen  Karsvare's  ein  geistiger  Yazata 
daherfährt  Herrschaft  verleihend ;  denen  vermehrt  er  den  Sieg, 
welche  ihm  gut,  verständig  und  rein  mit  Spenden  voropfern. 
Durch  seinen  Reichthum  etc. 


17.  Mithra  dem  weitflurigen  —  schlaflosen,  wachsamen,  der 
von  Niemanden  betrogen  (verletzt)  ist,  nicht  von  des  Hauses 
Bausherrn ,  nicht  von  des  Dorfes  Dorfherrn,  der  Stadt  Stadtherrn, 
des  Landes  Landesherrn. 

18.  Wenn  ihn  aber  trügt  (verletzt)  entweder  des  Hauses  Haus- 
herr, oder  des  Dorfes  Dorfherr,  oder  der  Stadt  Stadtherr,  oder  des 
Landes  Landesherr,  da  zerstört  sofort  Mithra  ergrimmt  und  erzürnt 
das  Haus  oder  das  Dorf  oder  die  Stadt  oder  Land  oder  der  Häuser 
Hausherrn,  oder  der  Dörfer  Dorfherrn,  oder  der  Städte  Stadtherrn 
oder  der  Länder  Landesherrn  oder  der  Länder  Vorgesetzte. 

19.  Von  jenem  Ort  (jener  Seite)  geht  heraus  Mithra  er- 
grimmt und  erzürnt,  an  welchem  der  Orte  Mithratrug  ist,  noch 
kehrt  er  zornig  wieder  zurück. 

20.  Die  von  den  Mithratrügern  die  schnellsten  (behendesten) 
sind,  erreichen  schiffend  (schwimmend)  das  Ziel  nicht,  reitend 
kommen  sie  nicht  fort,  fahrend  gelangen  sie  nicht  an.  Umsonst 
fährt  die  Lanze,  welche  der  Gegenmithra  wirft,  um  der  sünd- 
haften Sprüche  willen,  welche  der  Gegenmithra  vollbringt  (wirkt). 

21.  Wenn  er  auch  einen  guten  Wurf  wirft  und  den  Leib 
erreicht,  doch  verwundet  er  ihn  nicht,  um  der  sündhaften  Sprüche 
willen,  welche  der  Gegenmithra  wirkt.  Der  Wind  trägt  jene 
Lanze ,  welche  der  Gegenmithra  wirft,  um  der  sündhaften  Sprüche 
willen,  welche  der  Gegenmithra  wirkt.  Durch  seinen  Reich- 
thum etc. 

VI. 

22.  Mithra  den  weitflurigen  —  schlaflosen,  wachsamen. 
Der  unbetrogen  den  Menschen  weg  aus  der  Angst  trägt,  weg 
aus  dem  Verderben  trägt. 

23.  Weg  von  der  Angst,  weg  von  den  Aengsten,  o  Mithra 
trage  uns  unbetrogen ;  du  trägst  dadurch  auf  der  mithratrügenden 
Menschen  eignen  Leib  Schrecken  hin.  Weg  von  ihren  Armen 
die  Kraft  trägst  du  Mithra  ergrimmt  und  mächtig;  weg  von  den 
Füssen  die  Stärke;  weg  von  den  Augen  die  Sehkraft,  weg  von 
den  Ohren  das  Gehör. 

24.  Nicht  erreicht  den  der  wohlgeschärften  Lanze,  des  vorbei- 
fliegenden Pfeiles  Wurf,  welchem  hingewendet  zum  Gemüth  Mithra 

1* 


4  Windischmann ,  über  Mühra. 

zum  Schutze  kommt,  der  Zehntausendspäher,  der  starke,  allwis- 
sende, unbeirrte.     Durch  seinen  Reichthum  etc. 

VII. 

25.  Mithra  den  weitflurigen  —  schlaflosen ,  wachsamen,  den 
Herrn,  den  Beschützer,  den  kraftvollen,  g-esetznützenden ,  weisen, 
ehremächtig-en ,  hohen,  durch  Reinheit  lieblicben,  im  heiligen  Wort 
lebenden,  armkräftigen  Krieger. 

26.  Den  Schädelschläger  der  Daeva's,  den  Vernichter  der 
Strafbaren ,  den  Bestrafer  der  mithratrügenden  Menschen ,  den 
Zusammenbrenner  der  Pairika's.  Der  unbetrogen  das  Land  zu 
höchster  Macht  bringt;  der  unbetrogen  das  Land  zum  höchsten 
Siege  bringt. 

27.  Der  vom  gottlosen  Lande  die  gradesten  (Wege)  weg- 
trägt, die  Gnade  (das  Glück)  hindert,  den  Sieg  wegträgt,  sie 
ohne  Schutzwehr  ausforscht,  zehntausend  Tödter  herbeischafft, 
der  Zehntausendspäher,  der  starke,  der  allwissende,  unbeirrte. 
Durch  seinen   Reichthum  etc. 

VIII. 

28.  Mithra  den  weitflurigen  —  schlaflosen ,  wachsamen,  der 
die  Säulen  erhält  (festigt)  der  hochgeformeten  (barezimita)  Woh- 
nung und  dieselbe  fest  und  unbeweglich  (ewig)  macht;  dann  giebt 
er  dieser  Wohnung  Schaaren  von  Rindern  und  Menschen ,  in  wel- 
chen (Wohnungen)  er  befriedigt  ist;  die  andern  zerstört  er,  in 
welchen   er  erzürnt  ist, 

29.  Heil  und  Bester  o  Mithra  bist  du  den  Ländern ,  Heil 
und  Bester  o  Mithra  bist  du  den  Menschen;  Du  hast  Macht  über 
Frieden  und  Nichtfrieden  der  Länder. 

30.  Du  machst  Wohnungen  frauenberühmt,  wagenberühmt, 
aus  welchen  der  Schmutz  herausgebracht  und  auf  welche  der  Gie- 
bel (das  Dach)  gesetzt  ist.  Du  machst  fraueuberübmt,  wagen- 
berühmt, schmutzgereinigt,  giebelbedeckt  die  Wohnung  Barezimita, 
wenn  dir  mit  namengenauntem  Opfer,  mit  geziemender  Rede 
opfert,  spendebringend,  der  Reine. 

31.  Mit  namengenanntem  Opfer,  mit  geziemender  Rede,  o 
starker  Mithra!  will  ich  Dir  opfern  mit  Spenden.  Mit  namenge- 
nanntcm  Opfer,  mit  geziemender  Rede,  o  heilbringendster  Mithra! 
will  ich  Dir  opfern  mit  Spenden.  Mit  namengenanntem  Opfer, 
mit  geziemender  Rede,  o  unbeirrter  Mithra!  will  ich  Dir  opfern 
mit  Spenden. 

32.  Höre  o  Mithra  unser  Opfer;  sei  gnädig  (befriedigt) 
unserm  Opfer;  stehe  bei  unserm  Opfer,  komme  her  zu  unsern 
Spenden,  komme  zu  ihnen,  ^  nachdem  sie  geopfert  sind ;  trage  sie 
hin  zum  Sammel-Orte  (Cinvat),  lege  sie  nieder  am  Loborte 
(Gar6-nmdna). 


Windischmann,  über  Milhra,  5 

33.  Gieb  uns  diese  Gabe,  um  die  wir  Dieb  anflehen,  starker 
Vergelter  der  gegebenen  Lebren :  Ueberfluss ,  Maebt  und  Sieg, 
Wobifabrt  und  Reinheit,  Woblberübmtheit  und  Tapferkeit,  Grösse 
und  Heiligkeitsverkündung  und  den  aburagegebenen  Sieg  und 
die  tödtende  üeberlegenheit  der  büchsten  Reinheit  (Asa  vabista) 
und  den  ünteriebt  des  heiligen  Wortes  (mätbra  gpenta). 

34.  Damit  wir  die  wohlwollend  und  freundlich  Gesinnten  aus- 
breitend (mehrend)  und  wohlwollend  machend  tödten  alle  Feinde. 
Damit  wir  die  wohlwollend  und  freundlich  Gesinnten  ausbreitend  und 
wohlwollend  machend  tÖdten  alle  Scblechtgeistigen;  damit  wir  die 
wohlwollend  und  freundlich  Gesinnten  ausbreitend  und  wohlwollend 
machend  tödten  alle  Hasser,  und  allen  Hass  vernichten  der  Men- 
schen und  der  Daeva's,  der  Zauberer  und  Pairika's ,  der  Ge- 
waltthätigen ,  Blinden  und  Tauben.     Durch  seinen  Reichthum  etc. 

IX. 

35.  Mithra  den  weitflurigen  —  schlaflosen,  wachsamen,  den 
schuldräcbenden,  schaarenfindenden  (oder:  durchdringenden),  den 
mit  tausend  Kräften  begabten ,  macbtübenden ,  mächtigen,  allwis- 
senden. 

36.  Der  das  Schlachtfeld  hervorgehen  lässt,  der  auf  dem 
Schlachtfeld  dasteht;  der  auf  dem  Schlacbtfelde  dastehend  die 
Reihen  vernichtet;  es  beben  alle  Enden  der  auf  das  Schlachtfeld  ge- 
stürzten Reihe,  und  die  Mitte  macht  er  erzittern  der  verwundung- 
drohenden Kriegschaar. 

37.  Gegen  sie  bringt  er  mächtig  Verderben  und  Schrecken; 
weg  fegt  er  die  Köpfe  der  mithratrügenden  Menschen ;  vorbei 
fährt  er  an  den  Köpfen  der   mithratrügenden  Menschen. 

38.  Gräulich  sind  die  Häuser,  der  Nachkommenschaft  ent- 
behrend die  Wobnungen ,  in  welche  die  Mitbratrüger  wohnen  und 
die  wahrhaft  die  Reinen  tödtenden  Frevler.  Gräulich  geht  die 
klauenfolgende  Kuh  auf  dem  Irrweg,  welche  durch  die  Lasten 
der  mithratrügenden  Menschen  erdrückt  ist;  die  auf  ihrem  Wageo 
befindlichea  stehen  thränenvergiessend,  die  zum  Munde  hinab- 
fliessen. 

39.  Die  Pfeile  derselben  scbnellbefiedert,  vom  wohlgespann- 
ten Bogen  durch  die  Sehne  geschnellt  hinfahrend  treffen  nur  die 
Luft  (treffen  das  Ziel  nicht),  dieweil  ergrimmt,  erzürnt  und  nicht 
begütigt  Mithra  naht  der  weitflurige.  Die  Lanzen  derselben  wobl- 
geschärft,  spitz  und  langschaftig,  hinfahrend  von  den  Armen 
treffen  nur  die  Luft,  dieweil  ergrimmt,  erzürnt  und  nicht  begütigt 
Mithra  naht  der  weitflurige.  Die  steinernen  (metallenen)  Scbleu- 
dergeschosse  hinfahrend  von  den  Armen  treffen  nur  die  Luft, 
dieweil  ergrimmt,  erzürnt  und  nicht  begütigt  Mithra  naht  der 
weitflurige. 

40.  Die  Schwerter  derselben  ,  die  woblzugcrichteten,  welche 


ß  Windischmann,  über  Mühra. 

niederschlag-en  uuf  die  Köpfe  der  Menschen,  schlagen  in  die 
Luft,  dieweil  ergrimmt,  erzürnt  und  nicht  begütigt  Mithra  naht 
der  wcitflurige.  Die  Keulen  derselben,  die  wohlbeschlagenen, 
welche  niederschmettern  auf  die  Köpfe  der  Menschen,  schlagen 
in  die  Luft,  dieweil  ergrimmt,  erzürnt  und  nicht  begütigt  Mithra 
naht  der  weitflurige. 

4L  Mithra  erschreckt  von  vorn,  Rasnu  erschreckt  von 
hinten,  ^raosa  der  reine  hilft  tödten  von  allen  Seiten;  gegenüber 
den  rettenden  Yazata's  leeren  sich  die  Kampfreihen ,  dieweil  er- 
grimmt, erzürnt  und  nicht  begütigt  Mithra  naht  der  weitflurige. 

42.  So  sprechen  sie  zu  Mithra  dem  weitflurigen :  o  Mithra 
weitfluriger!  Diese  unsere  Kampfrosse  werden  von  Mithra  weg- 
geführt ;  diese  unsere  starken  Arme  (und)  Schwerter  werden  von 
Mithra  vernichtet. 

43.  Hierauf  fegt  sie  Mithra  fort  der  weitflurige ,  zu  fünfzig 
sie  tödtend  und  zu  hunderten ,  zu  hundert  sie  tödtend  und  zu 
tauseuden,  zu  tausend  sie  tödtend  und  zu  zehntausenden,  zu  zehn- 
tausend sie  tödtend  und  ohne  Zahl,  dieweil  ergrimmt,  erzürnt 
und  nicht  begütigt  Mithra  naht  der  weitflurige.  Durch  seinen 
Reichthum  etc. 

X. 

44.  Mithra  —  den  wachsamen,  dessen  Wohnung  erdebreit  hin- 
gesetzt ist  in  der  bekörperten  Welt,  gross,  unbeengt,  glänzend, 
in  die  Breite  weites   Heim  darbietend. 

45.  Dessen  acht  (?)  Freunde  auf  allen  Bergen  und  auf  allen 
Warten  als  Späher  sitzen  des  Mithra,  den  Mithratrüger  erspähend, 
auf  jene  hinschauend,  auf  jene  hin  sinnend,  welche  zuerst  (alle) 
den  Mithra  trügen*,  und  jenen  Pfad  bewachend,  welchen  wünschen 
die  Mithratrüger  und  die  wahrhaft  reinetödtenden  Frevler. 

46.  Jene  bewachend,  hinten  bewachend,  vorne  bewachend, 
ein  Späher  und  Durchschauer  unbeirrt  naht  Mithra  der  weitflurige 
dem,  welchem  zum  begehrenden  Gemüth  Mithra  zur  Hülfe  kommt, 
der  Zehntausendspäher,  der  starke,  allwissende,  unbeirrte.  Durch 
seinen  Reichthum  etc. 


XI. 

47.  Mithra  —  den  wachsamen,  den  berühmten,  zornvollen 
fahren  breithufige  Rosse  gen  die  verwundungdrohenden  Heere, 
gen  die  zusammeustossenden  Kampfreihen  zwischen  den  Länder- 
scblachten. 

48.  Wenn  aber  Mithra  vorfährt  gen  die  verwundungdrohenden 
Heere,  gen  die  zusammeustossenden  Kampfreihen,  zwischen  den 
Länderschlachten,  da  macht  er  der  mithratrügenden  Männer  Hände 
kraftlos,  da  umdeckt  er  ihr  Gesicht,  da  macht  er  harthörig  ihre 


Windischmann,  über  Mühra.  7 

Ohren,  itire  Füsse  erhält  er  nicht,  er  ist  nicht  ein  Bestärker  jener 
Länder,  jener  Kämpfer,  welche  mit  Uehelwollen  trägt  Mithra  der 
weitfiurige.     Durch  seinen  Reichthum  etc. 

XIJ. 

49.  50.  Mithra  —  den  wachsamen,  welchem  eine  Wohnung 
bereitet  hat  der  Schöpfer  Ahura- Mazda  über  der  hohen  Harä, 
der  vielbestiegenen,  glänzenden;  wo  nicht  Nacht  ist,  nicht  Fin- 
sterniss,  nicht  kalter  Wind,  nicht  heisser,  nicht  vieltodte  Fäulniss, 
nicht  dämonengeschaffener  Schmutz,  noch  Dünste  steigen  auf  an 
der  hohen  Haraiti. 

51.  Welche  (Wohnung)  gemacht  haben  die  Amesha-^penta's 
alle  einträchtig  mit  der  Sonne  zum  bekennend -begehrenden  Ge- 
müth  aus  herzlich  -  glaubendem  Geiste.  Welcher  die  ganze  be- 
körperte  Welt  anschaut  von  der  hohen  Haraiti  herab. 

52.  Wenn  dann  der  schlechtgeistige  (schlechtschaffende)  her- 
vorläuft, der  sündewirkende  mit  schnellem  Schritte,  schnell  schirrt 
dann  den  Wagen  Mithra  der  weitflurige  und  ^raosa  der  reine, 
starke,  und  Nairyo  -  panha  der  Rufer  schlägt  ihn  reihengeschlagen 
oder  machtgeschlagen.     Durch  seinen  Reichthum  etc. 

xin. 

53.  Mithra  —  den  wachsamen,  der  fürwahr  mit  aufgehobenen 
Händen  wehruft  zu  Ahura -Mazda,  so  sprechend: 

54.  Ich  bin  aller  Geschöpfe  wohlthätiger  Beschützer,  ich 
bin  aller  Geschöpfe  wohlthätiger  Erhalter;  und  dennoch  opfern 
mir  nicht  die  Menschen  mit  namengenanntem  Opfer,  wie  sie  den 
andern  Yazata's  mit  namengenanntem  Opfer  opfern. 

55.  Denn  wenn  mir  die  Menschen  mit  namengenanntem  Op- 
fer opferten,  wie  sie  den  andern  Yazata's  mit  namengenanntem 
Opfer  opfern,  fort  von  dem  schnellen  (momentanen),  vergänglichen 
bcgränzten  Zeitalter  würde  ich  schreiten,  zum  eignen,  dauernden, 
unsterblichen,  unbegränzten  Leben  hin   würde  ich  gehen. 

56 — 59.  Mit  namengenanntem  Opfer  und  geziemender  Rede 
opfert  Dir  der  spendebringende  Reine.  Mit  naraengenanntem  Op- 
fer und  geziemender  Rede,  o  starker  Mithra!  will  ich  Dir  opfern 
—  Blinden  und  Tauben  (hier  wird  der  Abschnitt  31—34  incl. 
wiederholt.) 

XIV. 

60.  Mithra  —  den  wachsamen;  dessen  Ruhm  gut  ist,  gut 
der  Körper,  gut  der  Preis,  schaltend  über  Gaben,  schaltend  über 
Fluren,  nicht  verletzend  den  Bauer,  der  da  schaltet  über  seine 
Stätte  unbedrängt,  wohlwissend;  der  Zehntausendspäher,  der 
starke,  allwissende,  unbeirrte. 


3  Windischmann,  über  Miihra, 

XV. 

61.  Mithra  —  den  wachsamen,  aufrecht  auf  den  Füssen  ste- 
henden, bewaffneten,  den  Späher,  den  tüchtigen,  weisen,  wasser- 
mehrenden,  rufgehörten,  der  das  Wasser  strömen,  die  Bäume 
wachsen  lässt,  der  die  Furche  richtet,  den  durchdringenden, 
kräftebegabten,  unbeirrten,  vielkräftigen,  gesetzkundigen. 

62.  Der  nicht  einem  der  mithra -trügenden  Menschen  Kraft 
giebt,  noch  Stärke:  der  nicht  einem  der  mithra  -  trügenden  Men- 
schen  Gnade  giebt,  noch  Lohn. 

63.  Weg  von  ihren  Armen  die  Kraft  trägst  du  Mithra  er- 
grimmt —  unbeirrte  (wie  23  —  24.) 

XVI. 

64.  Mithra  —  den  wachsamen ,  in  welchem  das  Verständniss 
der  reinen,  breithin  nützenden  Lehre  das  grosse,  mächtige  nie- 
dergelegt ist;  in  welchem  der  Same  ausgebreitet  ist  auf  die  sie- 
ben Karsvare's. 

65.  Der  da  ist  der  Schnellen  schneller,  der  Bittenden  Bitten- 
der, der  Tüchtigen  Tüchtiger,  der  Weisen  Weiser,  der  da  ist 
Friedengeber,  Segengeber,  Heerdegeber,  Reichgeber,  Sohngeber, 
Lebengeber,  Heilgeber,  Reinheitgeber. 

66.  Welchem  folgt  die  gute  Reinheit  (Asi)  und  Parendi 
mit  leichtem  Wagen,  und  die  gewaltige  Männerbedeckung  (Tap- 
ferkeit) und  die  gewaltige  Königsgnade  (Majestät)  und  der  ge- 
waltige Himmel,  der  selbstgesetzte,  und  der  gewaltige  Fluch  des 
Weisen,  und  die  gewaltigen  Genien  der  Reinen,  und  die  Ver- 
sammlung der  vielen  reinen  Mazda -yagna's.  Durch  seinen  Reich- 
thum  etc. 

xvn. 

67.  Mithra  —  den  wachsamen ,  der  mit  geistbereitetem, 
hochräderigem  Wagen  vorfährt  vom  Karsvare  Arezahi  hin  zum 
Karsvare  Qaniratha  dem  glänzenden ,  die  passenden  Räder  ge- 
folgt von  der  mazda  -  geschaffenen  Gnade  und  von  dem  ahura- 
geschaffenen  Sieg. 

68.  Dessen  Wagen  mitergreift  die  gute  Reinheit,  die  hohe; 
dessen  Weg  die  mazda -yagnische  Lehre  sänftiglich  bereitet.  Den 
Renner  geistige,  falbe,  glänzende,  vorschauende,  heilige,  wissende, 
schnell  geistergleich  führen,  dieweil  des  Weisen  Fluch  gutge- 
räumten  (Weg)  fürwahr  räumt. 

69.  Vor  welchem  zittern  alle  geistigen  Daeva's  und  die 
Frevler  aus  Varena.  Nicht  mögen  wir  hier  des  ergrimmten  Herrn 
Wucht  begegnen,  der  tausendwuchtig  dem  Feind  entgegengeht, 
der  Zehntausendspäher,  der  starke,  allwissende,  unbeirrte.  Durch 
dessen  Reichthum  etc. 


Windischmann,  über  Miihra. 


XVllI, 


70.  Mithra  —  den  wachsamen ;  vor  welchem  vorausfährt  der 
ahura -  geschaffene  Sieg  in  Gestalt  eines  Ebers,  eines  sich  ent- 
gegenwerfenden, scharfhauerigen,  männlichen,  scharfklauigen,  auf 
einmal  erschlagenden,  eines  Ebers,  eines  fetten,  ergrimmten,  an- 
gesichttriefendeu,  tüchtigen,  mit  Füssen,  Händen,  Waffen,  Schweif 
und  Backen  von  Erz. 

71.  Der  hervorstürzt  vom  Gegner  gefolgt  mit  Wuth  mit  der 
Männerwehr  (Tapferkeit),  und  hundertweise  (oder:  verwundend) 
niederschlägt  die  Gegner,  und  nicht  rastet  mordend  und  den 
Mord  nicht  endet,  bis  er  niederschlägt  das  Mark,  die  Seele  des 
Lebens,  das  Mark,  die  Grundlage  des  Bewusstseins  (lebendigen 
Organismus). 

72.  Auf  einmal  zerreisst  er  alle,  der  auf  einmal  Knochen 
und  Haare  und  Hirn  und  Blut  der  mithratrügenden  Menschen  von 
der  Erde  aus  Befleckung  verbreiten  macht.  Durch  seineu  Reich- 
thum  etc. 

XIX. 

73.  Mithra  —  den  wachsamen ,  der  fürwahr  mit  ausge- 
streckten   Händen    die  Stimme    erhebend   jammert,   so    sprechend: 

74.  Ahura- Mazda,  heiligster  Geist,  Schöpfer  der  bekÖrperten 
Lebendigen ,  Reinen !  Wenn  mir  die  Menschen  mit  namenge- 
nanntem Opfer  opferten ,  wie  sie  den  andern  Yazata's  mit  namen- 
genanntem Opfer  opfern,  fort  von  dem  schnellen,  vergänglichen, 
begränzten  Zeitalter  würde  ich  schreiten;  zum  eignen,  dauernden, 
unsterblichen,  unbegränzten  Leben  hin  würde  ich  gehen. 

75.  Seien  wir  Dir  Felderbeschützer,  nicht  seien  wir  Dir 
Felderverderber  (leerer) ,  nicht  Hausverderber,  nicht  Dorfverderber, 
nicht  Stadtverderber,  nicht  Landverderber,  noch  dass  uns  der  ge- 
waltige Arm  niederschlüge  vor  den  Hassenden. 

76.  Du  dieser  Hassenden,  Du  dieser  Hasserfüllten  Hass 
zerstöre ,  zerstöre  die  Tödter  der  Reinen ;  mit  schönen  Rossen 
begabt  bist  Du,  mit  schönem  Wagen,  im  Kampfe  (Opfer,  Rufe) 
glücklich  bist  Du  und  stark. 

77.  An  rufe  ich  Dich  zur  Hülfe  mit  vielen  Opfern  von  Spen- 
den und  mit  gutem  Opfer,  mit  vieler  Darbringung  von  Spenden 
und  mit  guter  Darbringung ,  damit  Du  umfriedest  mit  langer  üm- 
frieduDg  die  reichtbumgesegnete  Wohlfahrt. 

78.  Du  beschützest  jene  Länder,  welche  sich  um  das  Wohl- 
wollen bemühen  des  weitflurigen  Mitbra;  Du  zerstörst  jene  Länder, 
welche  ruchlos  sind.  An  rufe  ich  Dich  zur  Hülfe,  und  her  komme 
er  uns  zur  Hülfe  der  gewaltige,  überstarke,  opfer-  und  preis- 
würdige Mithra,  der  reiche  Landesherr.  Durch  seinen  Reich- 
thum  etc. 


10  Windisdmann ,  über  Mühra, 


XX. 


79.  Mitlira  —  den  waclisameti ,  der  Ralnu  Wohnuug-  ge- 
setzt hat;  dem  Rasnu  zu  lang^em  Gefolge  (langer  Genossenschaft) 
dargebracht  hat  die (?) 

80.  Du  bist  der  Wohnung  Schützer ,  Beschützer  bist  Du  der 
Nichttrüger;  Du  bist  des  Verkehres  Herr,  der  Erhalter  der  Nicht- 
trüger.  Denn  zu  Dir  hat  er  den  besten  Genossen  gesetzt  und 
den  ahuragegebenen  Sieg,  in  welchem  liegen  die  Mithratrüger, 
die  auf  ihre  Empörung  geschlagenen  früheren  Menschen  (??). 
Durch  seinen  Reichthum  etc. 

XXI. 

81.  Mithra  —  den  wachsamen,  der  Rasnu  Wohnung  gesetzt 
hat,  dem  Rasnu  zu  langem  Gefolge  dargebracht  hat  die 

82.  Dem  tausend  Kräfte  geschaffen  hat  Ahura- Mazda,  zehn- 
tausend Augen  zum  Sehen.  Hierauf  mit  diesen  Augen  und  mit 
diesen  Kräften  erspäht  er  den  Mithrafeindlichen  und  Mithratrüger. 
Hierauf  mit  diesen  Augen  und  mit  diesen  Kräften  ist  unbeirrt 
Mithra  der  Zehntausendspäher,  der  starke,  allwissende,  unbeirrte. 
Durch  seinen  Reichthum  etc. 

xxn. 

83.  Mithra  —  den  wachsamen ,  welchen  des  Landes  Landes- 
herr fürwahr  mit  erhobenen  Händen  anruft  um  Hülfe;  welchen 
der  Stadt  Stadtherr  fürwahr  mit  erhobenen  Händen  anruft  um  Hülfe. 

84.  Welchen  des  Dorfes  Dorflierr  fürwahr  mit  erhobenen 
Händen  anruft  um  Hülle;  welchen  des  Hauses  Hausherr  fürwahr 
mit  erhobenen  Händen  anruft  um  Hülfe.  Den  die  Thürgeherinn, 
vom  Topf  gefolgt,  fürwahr  mit  erhobenen  Händen  anruft  um 
Hülfe;  den  der  Arme,  welcher  der  reinen  Lehre  zugethän  ist, 
abgewiesen  in  seinen  Gerichten,  fürwahr  mit  erhobenen  Händen 
anruft  um  Hülfe. 

85.  Dessen  (des  Armen)  Stimme  des  Jammers  hinauf  zu  je- 
nen Lichtern  steigt,  herab  um  diese  Erde  geht,  hin  durch  die 
sieben  Karsvare's  geht ,  mag  er  laut  die  Stimme  erheben  oder 
ins  Ohr. 

86.  Die  in  die  Irre  geführte  fürwahr  ruft  (ihn)  mit  erho- 
benen Händen  zu  Hülfe,  nach  dem  Stalle  sich  sehnend:  Wann 
wird  uns  der  Mann  zum  Stalle  gelangen  machen  hinterherfahrend, 
Mithra  der  weitflurige?  Wann  wird  er  uns  hinbringen  auf  den 
Weg  der  Reinen  die  in  das  Haus  des  Drukhs  geführte? 

87.  Hierauf  wem  begütigt  ist  Mithra  der  weitllurige,  dem 
kommt  er  zu  Hülfe;  hierauf  wem  erzürnt  ist  Mithra  der  weit- 
llurige, dem  zerstört  er  Haus  und  Dorf  und  Stadt  und  Land  und 
des  Landes  Ruhm.     Durch  seinen  Reichthum  etc. 


Windischmann,  über  Milhra.  H 


XXIII. 


88.  Mithra  —  den  wachsamen ;  welchem  opferte  Haoma,  der 
über  die  Erde  hervorspriesst,  der  heilkräftige,  reine,  herrschende, 
g-oldaugige,  auf  dem  höchsten  Gipfel,  auf  dem  Berg  Haraiti, 
welcher  Hukairya  mit  Namen  genannt  wird ;  dem  unbefleckten  der 
unbefleckte,  vor  unbefleckten  Opfer- Reisern ,  vor  unbefleckter 
Spende,  vor  unbefleckten  Worten. 

89.  Welchen  zum  Priester  aufstellte  der  reine  Ahura-Mazda 
schnellopfernd,  mit  hohen  Gliedern.  Es  opferte  der  schnellopfernde, 
hochgliederige  Priester  mit  hoher  Stimme ;  er  ein  Priester  (Rufer) 
dem  Ahura-Mazda  ein  Priester  der  Amesa  -  ^penta's.  Seine 
Stimme  stieg  hinauf  zu  jenen  Lichtern,  herab  ging  sie  um  diese 
Erde,  hindurch  ging  sie  zu  allen  sieben  Karsvare's. 

90.  Der  zuerst  die  Haoma -schalen  aufstellte,  die  sternge- 
schmückten, geistbereiteten,  auf  dem  Berg  Haraiti.  Es  segnete 
Ahura-Mazda,  es  segneten  die  Amesa - ppenta's  seinen  wohl- 
gewachsenen Körper,  dem  die  rosselenkende  Sonne  von  ferne 
Lob  erweckt  (verkündet). 

91.  Lob  dem  weitflurigen  Mithra,  dem  tausendohrigen,  zehn- 
tausendaugigen.  Opferwürdig  und  preiswürdig  bist  Du;  opfer- 
würdig und  preiswürdig  seiest  Du  in  den  Häusern  der  Menschen. 
Heil  sei  jenem  Mann,  der  Dir  fürwahr  opfert,  Holz  in  der  Hand, 
Opferreiser  in  der  Hand,  Milch  (Fleisch)  in  der  Hand,  Schalen 
in  der  Hand,  mit  gewaschenen  Händen,  mit  (zwei)  gewaschenen 
Schalen ,  auf  ausgebreitetem  Opferreis ;  bei  aufgestelltem  Haoma, 
bei  hergesagtem  (hörbar  gemachtem)  Ahuna  -  Vairya. 

92.  Durch  diese  Lehre  werden  verkündigt  (bekannt,  verehrt) 
Ahura-Mazda  der  Reine,  Vohu-Manö,  die  beste  Reinheit  (Asem- 
vahistem),  Khsathra -Vairya,  ^penta- Armaiti,  Haurvatat  und  Ame- 
retät,  verkündet  die  Amesa-ppenta's  durch  seinen  Segen  der 
Lehre.  Ihm  bringe  der  wohlthätige  Mazda  die  Meisterschaft  der 
Lebendigen,  welche  Dich  sehen  sollen  unter  den  Geschöpfen  als 
Herrn  und  Meister  der  Lebendigen ,  als  besten  Reiniger  dieser 
Geschöpfe. 

93.  Sodann  in  beiden  Welten,  in  beiden  Welten  schütze 
uns,  o  weitfluriger  Mithra,  in  dieser  Welt  der  bekörperten,  und 
welche  da  ist  die  geistige;  vor  dem  bösen  Tod,  vor  dem  bösen 
Aesma,  vor  den  bösen  Heeren,  welche  die  grausige  Fahne  er- 
heben möchten,  vor  den  Anläufen  des  Aesma,  welche  Aesma 
der  schlechtgeistige  anlaufen  machen  könnte,  mit  Vidhatus,  dem 
dämonengeschaffenen. 

94.  Dann  gieb  uns  Du,  o  weitfluriger  Mithra!  Stärke  für 
die  Gebundenen,  Festigkeit  den  Leibern,  Ueberwältigung  der 
Hassenden,  Niederschlagen  der  Schlechtgeistigen,  Zusammenver- 
nichtung der  Feinde,  der  Gegner,  der  Hassenden.  Durch  seinen 
Reichthum   etc. 


\2  Windischmann,  über  Milhra. 


XXIV. 


95.  Mithra  —  den  wachsamen,  der  erdebreit  umschreitet 
nach  Sonnenaufg^ang-  und  berührt  die  zwei  Enden  dieser  bepfadeten, 
runden,  weitgedehnten  Erde;  Alles  dies  beschaut  er,  was  zwischen 
Erde  und  Himmel  ist. 

95.  Eine  Keule  in  der  Hand  haltend  mit  hundert  Warzen 
versehen ,  mit  hundert  Schneiden,  vorwuchtig,  männerniederschmet- 
ternd, am  Griffe  mit  Erz  beschlagen,  dem  mächtigen,  goldenen, 
die  mächtigste  der  Waffen,  die  siegreichste  der  Waffen. 

87.  Vor  welchem  zittert  Anro  -  Mainyus ,  der  vieltödtende 
(todvolle) ,  vor  welchem  zittert  Aesma  der  schlechtgeistige,  kör- 
perzerstörende;  vor  welchem  zittert  Busyägta,  die  langhändige; 
vor  welchem  zittern  alle  geistigen  Daeva's  und  die  Frevler  aus 
Varena. 

98.  Nicht  mögen  wir  Mithra  des  weitflurigen,  ergrimmten 
Wucht  begegnen;  nicht  möge  ergrimmt  auf  uns  dreinschlagen 
Mithra  der  weitflurige,  der  als  der  mächtigste  der  Yazata's,  der 
kräftigste  der  Yazata's,  der  energischeste  der  Yazata's,  der 
schnellste  der  Yazata's,  der  erzsiegreichste  der  Yazata's  einher- 
wandelt  auf  dieser  Erde  Mithra  der  weitflurige.  Durch  seinen 
Reichthum  etc. 


XXV. 

99.  Mithra  —  den  wachsamen ;  vor  welchem  zittern  alle 
geistigen  Daeva's  und  die  Frevler  aus  Varena.  Vorfährt  der 
Länderherr  Mithra  der  weitflurige  am  rechten  Ende  dieser  Erde, 
der  bepfadeten,  runden,  weitgedehnten. 

100.  Auf  seiner  rechten  Seite  fährt  der  gute  ^raosa,  der 
Reine;  auf  seiner  linken  Seite  fährt  Rasnu,  der  hohe,  mächtige; 
auf  allen  Seiten  fahren  die  Gewässer,  die  Bäume  und  die  Genien 
der  Reinen. 

101.  Gegen  sie  gewalthabend  gleicherweise  trägt  er  die 
gradebefiederten  Pfeile.  Wenn  er  dann  dort  vorüberkommt  fah- 
rend, wo  gegenmithrische  Länder  sind,  da  schlägt  er  zuerst  die 
Keule  nieder  auf  Ross  und  Reiter,  zusammen  zitternd  macht  er 
beben  beide  Ross  und  Reiter.     Durch  seinen  Reichthum  etc. 


XXVI. 

102.  Mithra  —  den  wachsamen ,  den  mit  falben  Rossen, 
mit  scharfer  Lanze,  mit  langem  Schaft,  mit  schwingendem  Pfeil 
versehenen,  das  Unsichtbare  treffenden,  lieblichredenden  Krieger. 

103.  Den  zum  Beschützer  und  Umfrieder  Ahura- Mazda  ge- 
schaffen hat  der  ganzen  lebendigen  Natur.  Der  Beschützer  ist 
und  Umfrieder  der  ganzeu  lebendigen  Natur.     Der   uneingeschlä- 


Windischmann,  über  Mithra,  13 

fert  mit    der  WaflFe   beschützt    des  Mazda  Geschöpfe,    der   unein- 
geschläfert  mit  der  Waffe  vertheidigt   des  Mazda  Geschöpfe. 

XXVIl. 

104.  Mithra  —  den  wachsamen ;  dessen  lange  Arme  hervor- 
greifen, die  mithramächtigen,  was  im  östlichen  Hindu  ist,  und 
was  im  westlichen  nahen  (dienstbaren),  was  in  der  Tiefe  der 
Ranhä   (des   Oceans) ,  und  was  in   der  Mitte  dieser  Erde. 

105.  Du  o  Mithra  weitergreifend  umstrecke  die  Hände': 
der  Ruchlose  durch  die  Gerechtigkeit  erreicht  (vernichtet)  ist 
unruhig  (traurig)  in  seinem  Gemüthe.  So  denkt  der  Ruchlose : 
nicht  alle  diese  ünthaten ,  nicht  all  diesen  Betrug  sieht  Mithra 
auf  der  Erde. 

106.  Aber  ich  denke  in  meinem  Sinn:  nicht  denkt  ein  Mensch 
hundertfach  lebendig-  (irdisch-)  kräftig  bösen  Gedanken,  wie  Mithra 
geisteskräftig  guten  Gedanken  denkt.  Nicht  spricht  ein  Mensch 
hundertfach  irdischkräftig  böses  Wort,  wie  Mithra  geisteskräftig 
gutes  Wort  spricj^;;  nicht  wirkt  ein  Mensch  hundertfach  irdisch- 
kräftig böses  Werk,  wie  Mithra  geisteskräftig  gutes  Werk  wirkt, 

107.  Nicht  folgt  einem  lebendigen  Menschen  hundertfach 
grösserer  heller  Verstand,  wie  Mithra  dem  geistigen  heller  Ver- 
stand. Nicht  hört  ein  Mensch  hundertfach  irdischkräftig  mit  sei- 
nen Ohren,  wie  Mithra  der  geistige  mit  den  Ohren  hörend,  tau- 
sendkräftig, jeden  Trügenden  sieht.  Mächtig  wandelt  Mithra 
einher,  gewaltig  an  Herrschaft  fährt  er,  und  richtet  schauend 
von  fern  reine  Blicke  mit  den  Augen. 

108.  Wer  wird  mir  opfern,  wer  mich  trügen?  wer  mit  gutem 
Opfer,  wer  mit  schlechtem  Opfer  wird  mich  als  einen  Yazata 
achten  (als  solchen  anrufen)  ?  wem  soll  ich  Reichthum  und  Gnade, 
wem  des  Leibes  Festigkeit  ich  ertheilen  vermögend,  wem  soll 
üeberfluss  nahrungsvollen  ich  ertheilen  vermögend;  wem  soll  ich 
berühmte  Nachkommenschaft  gerne  segnen? 

109.  Wem  die  gewaltige  Herrschaft,  die  selbstbefestigte, 
voUschaarige,  ohne  dass  er  in  seinem  Sinn  daran  denkt,  soll  ich 
geben  die  beste,  der  des  Feindes,  des  Nebenbuhlers  Schädel 
schlägt,  der  Held,  der  tödtende,  nicht  getödtete.  Der  niederstellt 
(einsetzt)  zur  Verkündigung  (Erfüllung)  eine  praosja  (?) ;  sogleich 
wie  sie  eingesetzt  ist,  wird  sie  erfüllt  (verbreitet),  wenn  er 
sie  ergrimmt  einsetzt,  so  erfreut  sie  des  erzürnten  und  unbe- 
sänftlgten  Gemüth  zur  Wohlbesänftigung  des  Mithra. 

110.  Wem  soll  ich  Krankheit  und  Tod,  wem  Mangel,  nah- 
rungslosen ich  ertheilen  vermögend,  wem  soll  ich  berühmte  Nach- 
kommenschaft mit  Zusammenschlag  niederschlagen? 

111.  Wem  die  gewaltige  Herrschaft,  die  selbstbefestigte, 
voUschaarige,  ohne  dass  er  in  seinem  Sinn  daran  denkt,  soll 
ich    wegnehmen    die    beste,    der    des   Feindes,    des    Nebenbuhlers 


h 


14  Windischmann,  über  Milhra. 

Schädel  schlägt,  der  Held,  der  tö'dtet,  nicht  getÖdtet.  Der  ein- 
setzt zur  Verkündigung  eine  ^raosya;  sogleich  wie  sie  eingesetzt 
ist,  wird  sie  erfüllt;  wenn  er  sie  ergrimmt  einsetzt  erschreckt 
sie  des  besänftigten  und  nichterzürnten  Gemüth  zur  Nichtbesänf- 
tigung  des  Mithra.     Durch  seinen  Reichthum  etc. 

XXVIII. 

112.  Mithra  —  den  wachsamen,  mit  silbernem  Helm  (?)  und 
goldenem  Panzer,  den  geschossetödtenden,  mächtigen,  tüchtigen, 
Dorfherrn  und  Krieger.  Mannichfach  sind  des  Mithra  Wege, 
wenn  er  zu  diesem  Land  herschreitet,  wo  er  wohlwollend  (wohl- 
behandelt oder  wohlberitten?)    reitet  die  tiefen  Pfade  zur  Flur. 

113.  Darauf  geht  sein  Vieh  und  Mann  nach  Wunsch  hervor. 
Dann  komme  er  uns  zu  Hülfe,  o  Mithra,  hoher  Herr,  wann  hoch 
erhebt  das  Geschoss  die  Stimme,  und  der  Pferde  Nüstern  schnau- 
ben,  die  Geschosse  schwirren,  die  Sehnen  schnellen  die  scharfen 
knöchernen  Pfeile.  Dann  fallen  die  Söhne  der  schwer -opfernden 
geschlagen  kopfüber. 

114.  Dann  gieb  uns  Du  o  weitfluriger  Mithra!  —  der  Has- 
senden (wie  oben  94-).     Durch  seinen  Reichthum   etc. 

XXIX. 

115.  Mithra  —  den  wachsamen.  0  Mithra  weitfluriger! 
Meister  des  Hauses,  des  Dorfes,  der  Stadt,  des  Landes,  der 
Zarathustraversammlung ! 

116.  Zwanzigfach  ist  der  Mithra  zwischen  Freunden,  Schul- 
terraagen.  Dreissigfach  zwischen  Handelsleuten.  Vierzigfach  zwi- 
schen Zusammenlebenden.  Fünfzigfach  zwischen  Mann  und  Frau. 
Sechzigfach  zwischen  Mitschülern  (Opfergenossen?).  Siebzigfach 
zwischen  Schüler  und  Lehrer.  Achtzigfach  zwischen  Schwieger- 
sohn und  Schwiegereltern.     Neunzigfach  zwischen  Brüdern. 

117.  Hundertalterig  zwischen  Vater  und  Sohn.  Tausendal- 
terig  zwischen  Ländern.  Zehntausendalterig  ist  der  Mithra  der 
mazda-ya^nischen   Lehre  —  — 

118.  Mit  untengesetztem  Lobe  möge  ich  gelangen  zu  oben- 
gesetztem. Wie  diese  Sonne  über  der  hohen  Hara  hervorgeht  und 
um  sie  fährt,  so  möge  auch  ich  o  Heiliger  mit  untengesetztem 
Lob  gelangen  zu  obengesetztem  hinüber  über  des  bösen  x4nra- 
Mainyu  Gelüste.     Durch  seinen   Reichthum  etc. 

XXX. 

119.  Mithra  —  den  wachsamen.  Dem  Mithra  opfre,  o  Hei- 
liger, sage  es  den  Schülern.  Es  sollen  Dir  opfern  die  Mazda- 
yaQna's  mit  einem  Paar  Vieh,  Zugthiere,  mit  einem  Paar  flie- 
gender Vögel ,  welche  beflügelt  daher  fahren. 


Windischmann,  über  Milhra.  15 

120.  Mithra  ist  aller  reinen  Mazdaya^na's  Erheber  und  Wir- 
ker (von  allen  reinen  Mazdayagna's  zu  erbeben  und  zu  loben?), 
Haoma  der  ang-ekündigte  und  verkündig-te ,  welchen  die  Priester 
verkünden  und  opfern  sollen.  Der  reine  Mann  soll  von  den  gerei- 
uig-ten  Spenden  vorkosten,  der  da  macht,  wenn  er  opfert,  dass 
Mitbra  der  weitflurig-e  besänftigt  und  unerzürnt  sei. 

121.  Es  fragte  ibn  Zaratbustra:  wie  o  Abura- Mazda  soll 
der  reine  Mann  von  den  gereinigten  Spenden  vorkosten ,  der  da 
macbt,  wenn  opfert,  dass  Mitbra  der  weitflurige  besänftigt  und 
unerzürnt  sei. 

122.  Hierauf  spracb  Abura -Mazda:  Drei  Tage  und  drei 
Näcbte  sollen  sie  den  Leib  waschen,  dreissig  Upazanana's  büssen 
zum  Opfer  und  Preis  Mitbra's  des  weitflurigen.  Zwei  Tage  und 
zwei  Näcbte  sollen  sie  den  Leib  waschen,  zwanzig  üpazanana's 
büssen  zum  Opfer  und  Preis  Mitbra's  des  weitflurigen.  Nicht 
soll  mir  jemand  von  diesen  Spenden  vorkosten ,  der  nicht  der 
Opferhymnen  kundig  ist  (alle  Meister?). 

XXXI. 

123.  Mitbra  —  den  wachsamen,  i;velchem  opferte  Ahura- 
Mazda  auf  dem  glänzenden  Garö-Nmana. 

124.  Mit  erhobenen  Armen  fährt  zur  Unsterblichkeit  hin 
Mithra  der  weitflurige  vom  glänzenden  Garö-Nmäna  aus,  auf  schö- 
nem Wagen  gefahren,  dem  gleich  festen,  allgestaltigen,  goldenen. 

125.  An  diesem  Wagen  fahren  (ziehen)  vier  weisse  Renner 
von  gleicher  Farbe,  Geistesspeise  essend,  ohne  Krankheit;  ihre 
Vorderhufen  mit  Gold  beschlagen,  die  hinteren  mit  Silber;  alle 
sind  sie  angespannt  an  die  Deichsel,  die  nach  oben  gekrümmte, 
die  gebunden  ist  mit  gespaltenen,  woblgemachten,  dicken  Klam- 
mern von  Metall. 

126.  Auf  seiner  rechten  Seite  fährt  Rasnu  der  gradeste 
(gerechteste),  heiligste,  aufgewachsenste ;  auf  seiner  linken  Seite 
fährt  er  die  gerechteste  Unterweisung,  die  spendentragende,  reine, 
mit  weissen  Kleidern  angethan,  weiss:  ein  Gleicbniss  der  maz- 
dayagnischen   Lehre. 

127.  Nach  fährt  der  starke  Fluch  des  Weisen  im  Körper 
eines  Ebers,  eines  sich  entgegenwerfenden,  scharfbauerigen,  männ- 
lichen, scharfklauigen,  auf  einmal  erschlagenden,  eines  Ebers,  eines 
fetten,  ergrimmten,  angesichttriefenden,  tüchtigen,  gebundenen 
und  bis  zum  Ende  fahrenden.  Zunächst  ihm  fuhr  das  Feuer, 
das  angezündete,  die  gewaltige  königliche  Gnade  (Majestät). 

128.  Es  steht  als  Schutz  des  Wagens  des  weitflurigen  Mi- 
tbra ein  Tausend  Bogen  von  Knochen,  deren  Sehnen  aus  Sehnen 
der  Rinder  woblgemacht  sind;  geisterstark  fahren  sie  bin,  gei- 
sterstark fallen  sie  auf  den  Schädel  der  Daeva's. 

129.  Es  steht  als  Schutz    des  Wagens  des   weitflurigen  Mi- 


1^  Windischmann,  über  Milhra. 

thra  ein  Tausend  Pfeile  die  mit  Kahrkd^afedern  befiedert,  mit 
goldenen  Spitzen ,  hörnernem  Schaft  und  Auszweigungen  von 
Knochen  und  Eisen  wohlgemacht  sind;  geisterstark  fahren  sie 
hin,  geisterstark  fallen  sie  auf  den  Schädel  der  Daeva's. 

130.  Es  steht  als  Schutz  des  Wagens  des  weitflurigeu  Mithra 
ein  Tausend  Lanzen  mit  scharfer  Spitze  wohlgemacht;  geister- 
stark fahren  sie  hin,  geisterstark  fallen  sie  auf  den  Schädel  der 
Daeva's.  Fs  steht  als  Schutz  des  Wagens  des  weitflurigeu  Mi- 
thra ein  Tausend  Wurfscheiben  von  Kupfer,  zweigeschärft,  wohl- 
gemacht; geisterstark  fahren  sie  hin,  geisterstark  fallen  sie  auf 
den  Schädel  der  Daeva's. 

131.  Es  steht  als  Schutz  des  Wagens  des  weitflurigen  Mi- 
thra ein  Tausend  Schwerter,  zweischneidig,  wohlgemacht;  gei- 
sterstark fahren  sie  hin,  geisterstark  fallen  sie  auf  den  Schädel 
der  Daeva's.  Es  steht  als  Schutz  des  Wagens  des  weitflurigen 
Mithra  ein  Tausend  Keulen  von  Erz  wohlgemacht;  geisterstark 
fahren  sie  hin,  geisterstark  fallen  sie  auf  den  Schädel  der  Daeva's. 

132.  Es  steht  als  Schutz  des  Wagens  des  weitflurigen  Mi- 
thra der  schöne  wohlbeschlagene  Keil  mit  hundert  Warzen,  mit 
hundert  Schneiden,  männerniederschmetternd,  am  mächtigen  gol- 
denen Griff  mit  Erz  begossen,  die  prächtigste  der  Waffen,  die 
siegreichste  der  Waffen ;  geisterstark  fahren  sie  hin,  geisterstark 
fallen  sie  auf  den  Schädel  der  Daeva's. 

133.  Nach  dem  Schlagen  der  Daeva's,  nach  dem  Niederschla- 
gen der  mithratrügenden  Menschen  fährt  hervor  Mithra  der  weit- 
flurige  durch  Arezahi-^avahi,  durch  Fradadhafsu,  Vidadhafsu,  durch 
Vourubaresti  und  Vouru^aresti ,  durch  das  Karsvare's  Qaniratha 
das  glänzende. 

134.  Vor  ihm  zittert  fürwahr  Anro-Mainyu  der  todvolle, 
vor  ihm  zittert  fürwahr  Aesma  der  schlechtgeistige,  leibver- 
derbende; vor  ihm  zittert  fürwahr  BusyäQta  die  langhändige; 
vor  ihm  zittern  fürwahr  alle  geistigen  Daeva's  und  die  Frevler 
aus  Varena. 

135.  Nicht  mögen  wir  Mithra  des  weitflurigen  etc.  (wie  oben 
98),     Durch  seinen  Reichthum  etc. 

XXXII. 

136.  Mithra  —  den  wachsamen,  dem  falbe  Renner  ange- 
schirrt am  Wagen  laufen,  der  ein  goldenes  Rad  hat  und  die 
Speichen  ganz  glänzend. 

137.  Wenn  man  ihm  Spenden  bringt  zu  seiner  Wohnung, 
Heil  dem  anrufenden  Manne,  so  sprach  Ahura-Mazda  zum  reinen 
Zarathustra,  dem  ein  reiner,  im  Geist  frommer,  im  heiligen  Wort 
lebender  Priester  bei  ausgebreiteten  Opferreisern  mit  der  Rede 
Mithra's  opfert;  schnell  kommt  diesem  anrufenden  Manne  Mithra 
zur  Wohnung  herbei. 


Windischmann,  über  Milhra.  17 

138.  Wenn  er  ihn  bittet,  so  g-eschieht  nach  seinem  Lob  dem 
Lober,  nach  seinem  Lob  dem  Anrufenden.  Wehe  dem  anrufenden 
Mann,  so  sprach  Ahura- Mazda  zum  reinen  Zarathustra,  dem  ein 
unreiner  unfrommer,  nicht  im  h.  Wort  lebender  Priester  hin- 
ter dem  Opferreis  aufsteht,  wenn  er  auch  volle  Reiser  ausstreut 
und  lang-es  Opfer  opfert. 

139.  Nicht  beg-ütig^t  er  den  Ahura- Mazda,  nicht  die  andern 
Amesa-^penta's,  nicht  Mithra  den  weitflurig^en.  Der  den  Mazda  g-e- 
ring-  schätzt,  gering  die  andern  Amesa- ^penta's ,  gering  Mithra 
den  weitflurigen,  gering  das  Gesetz  und  Rasnu  und  die  Wahrheit 
(Arstat) ,  welche  die  Lebendigen  fördert  und  mehrt.  Durch  sei- 
nen Reichthum  etc. 

XXXIII. 

140.  Mithra  —  den  wachsamen.  Ich  will  dem  Mithra  opfern, 
o  heiliger,  dem  im  Guten  tüchtigen,  geistigen,  vorzüglichen,  ge- 
duldigen, der  ohne  Lüge  ist,  dem  oben  wohnenden,  kräftigen, 
tüchtigen  Krieger. 

141.  Dem  von  siegreicher  wohlgebildeter  Waffe  gefolgt  aus 
der  Finsterniss  wachenden,  unbeirrten.  Er  ist  der  Kräftigen  kräf- 
tigster, der  Starken  stärkster,  der  Götter  gross  verständigster, 
von  siegreicher  Gnade  (Majestät)  gefolgt,  tausendohrig,  zehn- 
tausendaugig,  der  Zehntausendspäher,  der  starke,  allwissende,  un- 
beirrte.     Durch  seinen  Reichthum  etc. 

XXXIV. 

142.  Mithra  —  den  wachsamen.  Der  als  erster  Verkünder  stark 
mehrt  des  heiligen  Geistes  Geschöpfe,  wohlgeschaffen,  der  grösste 
Yazata,  wenn  er  den  Leib  erleuchtet  wie  der  Mond  selbst  leuchtet. 

143.  Dessen  Antlitz  strahlt,  wie  das  des  Sternes  Tistrya; 
dessen  Wagen  mitergreift,  der  nicht  Irrende,  Erste,  o  heiliger,  wie 
die  schönsten  Geschöpfe  mit  Glanz  dem  leuchtenden  Yazata  bereitete 
ihn  der  Schöpfer  der  heilig-geistige  den  sterngeschmückten,  geist- 
gebildeten (Wagen)  der  Zehntausendseher,  der  starke,  allwis- 
sende, unbeirrte. 

XXXV. 

144.  Mithra  —  den  wachsamen;  dem  Mithra,  der  bei  dem 
Land  ist  opfern  wir;  dem  Mithra,  der  innerhalb  des  Landes  ist, 
opfern  wir;  dem  Mithra,  der  am  Lande  ist,  opfern  wir;  dem  Mi- 
thra, der  über  dem  Lande  ist,  opfern  wir;  dem  Mithra,  der  un- 
ter dem  Lande  ist,  opfern  wir;  dem  Mithra,  der  um  das  Land 
ist,  opfern  wir;  dem  Mithra,    der  auf  dem  Land  ist,  opfern  wir. 

145.  Den  freundlichen  (Mithra)  Herrn  den  hohen,  unvergäng- 
lichen, reinen,   opfern  wir;   den  Sternen,  dem  Mond,  der  Sonne, 

Abhaadl.  der  DMG.  1,1.  2 


I 


Jg  fVindischmann ,  über  Milhra. 

auf  opferreisgebenden   Bäumen   dem  Mithra   aller  Länder  Länder- 
berrn  opfern  wir.     Durch  seinen  Reiclithum  etc. 

146.  Wie  der  Herr  zu  ehren  etc.  Opfer  und  Preis  und  Kraft 
und  Stärke  erbete  ich  des  weitflurigen  Mithra,  des  tausendohri- 
gen,  zehntauseudaugigen,  namengenannten  Yazata's  und  des  Ra- 
ma-Qäqtra.  —  Gute  Reinheit  etc.    —  Ihm  ist  Reichthum  etc. 


II. 

Erklärung  des  Textes. 

Der  Eingang  dieses  Hymnus  ist  der  bei  den  übrigen  Yasht's 
gewöhnliche;  nur  wird  hier  Mithra's  Name  mit  seinen  häufigsten 
Epitheta's  eingeschoben.  Ueberden  Beinamen  vourugaoyaoitis, 
der  von  Mithra  fast  unzertrennlich  ist,  kann  kein  Zweifel  mehr 
sein.  Das  einfache  gaoyaoiti  in  der  Bedeutung:  Flur  :=  Sskr. 
gavyüti  kommt  z.  B.  Ya^na  I,  16  vor;  vouru  =  Sskr.  uru  Gr. 
iVQv^;  urugavyüti  heisst  in  den  Veda's:  weite  Fluren  besitzend; 
s.  Böhtlingk  u.  Roth  s.  v.  Neben  Mithra  ist  wie  Visp.  I,  7.  als  sein 
Genosse  Räma  Qa^tra  genannt,  auf  welchen  ein  eigner  Hymnus 
(Ram-Yasht)  vorhanden  ist,  der  ihn  mit  der  Luft  identificirt  und 
sein  Wesen  besonders  an  der  Stelle    43  —  45  auseinandersetzt. 

1. 

1.  yö^nyata  und  vahmyata  (vergl.  Tir  Y.  50)  sind  wohl 
als  apocopirte  Instrumentale  von.  Femininen  auf  ta  (s.  Bopp  vergl. 
Gramm,    p.   1166.)  zu  fassen. 

2.  drukhs  und  die  damit  zusammenhängenden  Verbalformen 
sind  hier  und  anderswo  mit  dem  stammverwandten  trügen  über- 
setzt, obgleich  der  Sinn  des  letzteren  nicht  überall  ganz  genau 
passt.  Ahd.  triokan  decipere;  altn.  draugr  umbra  mortui,  Sskr.  druh 
Trug,  Bosheit,  auch  personificirt,  wie  die  Drukhs;  s.  Kuhn  Zeitschr. 
f.  vergl.  Sprachf.  I,  p.  196.  199.  Diefenhach  Vergl.  Wörterb.  der 
goth.  Sprache  H,  p.  642  sq.  Auch  die  Veda's  kennen  druh  in  Bezug 
auf  Mithra  Rigv.  II,  1,  2,  9. 

^ano  yo  miträvarunävabhidhrugapo  navämsuno- 
ty  aksnayadhruk  svayam  sayaksmam  hrdayeni  dhatta 
dpa  yadi in  hötrabhir  rtävä.  Bemerkenswerth  ist  hier  der 
ächtzendische  Gegensatz  von  dhruk  und  rtavä  (asava).  —  p  ere^  a- 
örih^  vergl.  paonhe  Tir  Y.  1.  ny  ägaö rih e  Zam.  Y. 48.  50.  Der 
Sinn  der  Stelle  scheint  mir  zu  sein,  dass  Mithra  d.  i.  Treue, 
Wahrheit  gelten  müsse  Reinen  wie  Gottlosen  gegenüber,  vayaö 
ist  eine  der  verschiedenen  zendischen  Formen  für  Sskr.  ubhau. 


Windischmann  y  ühQr  Milhra.  19 

3.  a^na  als  Adjectiv  zu  frazainti  kommt  öfter  vor;  so 
unten  108,  Farv.  Y.  134.  Zam  Y.  75.  Aslit.  Y.  5.  Yagn.  LXVIII, 
5.;  mit  manö  Visp.  XI.  3.  Farv.  Y,  74;  mit  urväno  Farv.  Y. 
40;  mitkliratu  unten  107.  Gegensatz  von  ä^nahe  khrathw6 
und  g-aosö-crütahe  Sirozah  1,  29.  Hapt.  Y.  1.  Yagn.  XXII, 
25.  Anquetil  übersetzt  ä^na  mit  distingue;  es  heisst  offenkundig-, 
berühmt. 

4.  Die  Instrumentale  raya  qarenanhaca  sind  entweder 
als  Bezeichnung  des  Mittels  zu  fassen,  wodurch  das  Opfer  statt- 
findet: vermÖg-e  seines  Reichthums  etc.,  oder:  um  seines  Reich- 
thums  willen.  qaren6  g-iebt  Weslergaard  (Ind.  Stud.  III,  p.  412) 
mit:  Glück,  während  Spiegel  (ebendas.)  die  Bedeutung:  Glanz, 
Majestät  festhält.  Es  ist  die  von  Ahura  herrührende  Gnade  und 
Herrlichkeit,  deren  z.-B.  Yima  durch  seinen  Fall  beraubt  wird.  Es 
giebt  ein  doppeltes  qareno,  welches  beides  von  Ahura  kommt: 
kava^m  und  aqaretem  Zam  Y.  o.;  über  ersteres  handeln  die 
Abschnitte  des  Zamyad  Yasht  II — VII  incl. ;  über  das  zweite 
VIII — X  incl.,  während  XI  —  XVI  wiederum  sich  auf  das  erste 
beziehen;  aqaretem  scheint  mir  das  nicht  mittheilbare  zu  be- 
deuten. Die  Wurzel  qar  Z3=  Sskr.  svar  in  der  Bedeutung  von  Se- 
ligkeit (dagegen  svar  Himmel  =  hvare)  liegt  im  lateinischen 
sors,  sortis,  welches  sich  zu  qarena,  qaretem  verhält,  wie 
soror  zu  qanha.  —  rama-sayanem  und  husayanem  sind 
Tir  Y.  2  auch  Epitheta  des  Tistrya;  sayanem  kommt  in  meh- 
reren Compositis  im  ersten  Fargard  vor:  ^ughdhö-sayanem 
5;  dujako-sayanem  10;  vehrkanö-sayanem  12.;  unten 
13.  airy  6- s  ayanem  ;  15.  gava-s  ayanem.  In  diesen  Zusam- 
mensetzungen hat  sayanem  den  Sinn  von  Wohnsitz,  Platz,  in 
welchem  sich  der  erste  Theil  des  Compositums  findet.  Es  ist 
offenbar  mit  siti  oder  skiti  eines  Stammes;  daher  denn  auch  ana- 
log unserer  Stelle  Ya^n.  LXVIII ,  14.  huskiti  rämö-skiti 
daregho-skiti.  Nur  steht  hier  nicht  rämö- sayanem,  sondern 
rama-sayanem,  wie  es  scheint  ohne  Variante.  Der  Sinn  dürfte  sein: 
der  in  den  arischen  Ländern  gute  Wohnplätze  bereitet. 

5.  ravö  bildet  den  Gegensatz  zu  äzö  Yagn,  VIII,  8.  und 
bedeutet  Freiheit,  Leichtigkeit;  es  gehört  etymologisch  zu  Sskr. 
laghu  lat.  levis,  Gr.  gtia,  guöwg.  ravö  in  Compositis  Visp.  VII, 
2.  —  »marjdikäi  vergl.  marjdikem  thrayo-drighüm 
Hapt.  Y.  7.  den  Barmherzigen,  welchen  der  Bettler  ernährt.  — 
havanbai  s.  unten  33.  Unsere  Stelleist  bebandelt  von  Burnouf 
Y.  Not.  p.  XXVII.  —  Die  Prädicate:  ughrö  aiwithürö  hat 
Mithra  mit  den  Fravsi's  gemeinsam;  letzteres  erklärt  Neriosengk 
mit  adhika-^akti. 

6.  vantaca  im  Zusammenhalt  mit  nemanha  scheint  Instru- 
mental. An  den  Stellen  Ya^n.  XV,  1  u.  2.  LXIX,  1.  LXX,  1.  passt 
fler  Instrumental  ebenfalls.  Das  Compositum  vanta-bereti  findet 


20  Windischmann,  üher  Milhra. 

sich  Ya^ii.  LIX,  p.  528.  V.  L.  Ueber  den  Sinn  ist  wobl  kein 
Zweifel;  es  heisst:  Lob;  vafita  Ab.  Y,  34  kann  das  aber  nicht 
bedeuten. 

II. 

7.  vyäkhanem  vergl.  vyäkhaine  Bahr.  Y.  46. —  perethu- 
va^dhayanem  könnte  den  breit  d.  i.  weithin  verkündenden  be- 
deuten ;  besser  aber :  den  mit  breiter  Warte  versehenen  oder  da- 
rauf stehenden.  Aehnlich  baevare-vaedhayanem  Farg-.  XVIII, 
28  als  Beiwort  zu  nmanem,  wo  Spiegel  vaödh.  mit  Warte  über- 
setzt; ib.  7.  vaödhistem  als  Prädicat  des  Schöpfers,  was  Sp. 
mit:  den  weisesten  giebt.     Die  Stelle  wiederholt  sich  Nyaish  1,  6. 

8.  arezahi.  Ist  es  Locativ,  wie  vaegahi?  Oder  der  Name 
des  Keswar's?  vergl.  zu  36.  khrvisyeitis  unten  36.  das  Masc. 
khrvisyantah^ ;  es  ist  ein  part.  fut.  von  khrvi,  welches  in  dem 
Compositum  khrvi-dru  oft  vorkommt,  ra^maoyo  unten  47.  Ram. 
Y.  49.  Ab.  Y.  68.  (wo  Westerg-,  ra^möyo  giebt) ;  daneben  ra^- 
mö  unten  52.  rag  man  ö  (Acc.  plur.)  Bahr.  Y.  62.  unten  36.  41. 
(Genit.  ?)  Farv.  Y.  39.  rag  man  am  Bahr.  Y.  63.  rasta  ragmana 
Bahr.  Y.  47.  dual.  Wir  haben  daher  wohl  eine  doppelte  Form 
anzunehmen:  rag  man  und  ragmi,  von  welch  letzterm  rag- 
maoyö  der  Plural  mit  der  Einschiebung-  von  ao  zwischen  den 
Labial  und  y  ist,  was  sich  zwischen  v  und  y  Öfters  im  Zend 
wiederholt.  Die  Verwandtschaft  mit  Sskr.  ragmi  Strahl  ist  evi- 
dent, die  Bedeutung-  aber  verschieden;  denn  unser  Wort  heisst: 
Schlachtreihe;  vergl.  Armen,  u.  Neupers.  razm  Schlacht. —  pa- 
peretane  Intensivform  von  pr,  die  gedrängten  Schaaren.  Sskr. 
prtana  Heer. 

9.  Die  Formel :  fraoret-frakhsni  avi  mano  zarazdä- 
töitanhuyat  haca  findet  sich  grade  so  unten  51.  Farv.  Y. 
47.  92.  Visp.  XIV,  2.  (wiederholt  p.  365,  395,  426,  448,  496, 
551.  Vend.  lith.)  Yasht  fr.  I,  3.  Es  fragt  sich  zuerst,  auf  wel- 
ches Subject  sich  die  Phrase  bezieht;  ob  auf  die  Betenden,  wie 
hier,  Farv.  Y.  47  und  Yasht  fr.  I,  3.  am  nächsten  liegt,  oder 
auf  den  begütigten  Gott,  wie  unten  51.  Farv.  Y.  92  auf  die 
Amesa-^penta's,  Visp.  XIV,  2,  wie  es  scheint,  auf  Ahura;  fra- 
khsni  avi  mano  unten  24,  46.  könnte  auf  yahmai  und  auf 
Mithragehen.  Es  wird  sich  dies  nicht  so  leicht  entscheiden  las- 
sen. Ebenso  schwierig  sind  die  einzelnen  Worte,  fraoret  Yagn. 
XXX,  5.  LI1I,2.  Das  Substantiv  fr  aoretim  Yagn.  XIII,8.  (fraoi- 
ritim  Visp.  HI,  4.),  die  Verba  fraorenta  Mih.  Y.  92.  Y.  LVII, 
24.  fraorenaeta  Farg.  XIX.  init.  fraorenata  Farv.  Y.  89. 
—  sind  Ableitungen  von  jenem  fravar,  wovon  fravaran^  ich 
will  bekennen  die  am  öftesten  vorkommende  Form  ist.  fraoret 
scheint  einen  adverbialen  Sinn  zu  haben ,  ursprünglich  aber  Parti- 
cipium  zu  sein;    eine    ähnliche    Form  ist    das    vedische    dravat; 


Windischmann,  über  MUhra.  21 

s.  Benfey  Glossar  z.  Saiua-Vetla  s.  v.  dru.  —  frakhsni  oder 
frakhsni  kommt  noch  Zam.  Y.  48,  50.  vor  an  einer  g-leiclifalls 
dunkelen  Stelle,  wo  es  jedocL  so  viel  als  sichtbar,  vor  den  Au- 
gen bedeuten  könnte:  als  sichtbar  (hingewendet  gegen)  vor  dem 
ausgestrecktgehendeu  die  Schlange  furchtbar  wurde.  Sskr.  pra 
und  aksi  Auge  (freilich  zendisch  asi)  oder  soviel  als  pränc 
nach  vorn  gewendet.  Ist  es  von  fra  -f-  (Sskr.  aks)  abzuleiten, 
oder  von  einer  eignen  Wurzel  frakhs,  etwa  einer  Nebenform 
von  pereg?  Dafür  könnte  Ya^n.  XLIV,  7.  angeführt  werden, 
wo  die  Hss.  zwischen  frakhsne  und  frakhsni  schwanken;  da- 
neben das  Öfter  vorkommende  frasna  oder  fra^na.  Beide 
Wörter:  fra  o  re  t- fr  a  k  h  s  ni  bilden  nach  Weslergaard  ein  Com- 
positum, welches  zunächst  mit  mano  zu  verbinden  ist.  avi  man  6 
fasst  W.  nicht  als  Zusammensetsung,  etwa  wie  avi-mithris; 
oder,  wenn  wir  avi  mit  Sskr.  avi  geneigt  vergleichen  dürften, 
im  Sinne:  geneigten  Gemüthes;  sondern  er  scheint  avi  als  die 
Präposition  zu  nehmen,  welche  immer  die  Bedeutung:  nach  etwas 
hin,   gegen  etwas  hat. 

zarazdätöit.  Dieses  Substantiv  kommt  vor Yagn.  XLIII,  11. 
zarazdaitis.  Yagn.  XXII,  25  zarazdatöis  Sirozah  I,  29.  (als 
Eigenname  Farv.  Y.  115.)  zarazdatae  Visp.  XV,  2.  Daneben 
das  Adjectiv  zarazdaitim  als  Epitheton  von  mäthrem  gpentem  und 
im  Gegensatz  zu  vaedhim  Ya^n.  XXV,  6.  Ferner  zarazda 
Ya^n.  XXXI,  1.  atcit  aeibyo  vahista  yöi  zarazda~  aii- 
hen  mazdäi;  ib.  12.  zarazdaca,  wo  es  Spiegel  (nach  brief- 
licher Mittheilung)  nach  der  Tradition  mit  Herz  übersetzt.  Der 
Superlativ  zarazdatema  Farv.  Y.  25,  36.  (zarzdistö  Ya^n. 
LIII,  7?).  Höchst  merkwürdig  ist  das  verbale  zara^ca  ddt 
Äshi  Y.  46.  Es  bittet  hier  Zarathustra,  dass  Hutao^a  die  zara- 
thustrische  Lehre  zaragca  dat  apae  ca  aotät,  welche  Worte 
sich  Gosh  Y.  26  wiederholen;  aotat  ist  das  zu  dem  Neutrum 
avag  gehörige  Verbum ;  vergl.  Farv.  Y.  146.  avebis  aomana. 
Der  Sinn  ist  wohl:  Hutaoga  möge  die  Lehre  selbst  aufnehmen 
und  weiter  verbreiten.  Wir  haben  also  hier  eine  Composition  mit 
da  =  dha,  wie  bei  yaojda.  Wäre  ein  Wechsel  von  Zend.  z  mit 
Sskr.  Q  nachweisbar,  so  würde  zarazda  dem  Sskr.  graddhd 
entsprechen.  Da  mir  jedoch  für  diesen  Wechsel  nur  der  üeber- 
gang  von  i;  in  p  in  Compositis  von  zema  bekannt  ist  (z.  B. 
khrüjdi^manam  Farg.  IX,  11.),  so  scheint  mir  Spiegel' s  Ab- 
leitung von  zarad  =  hrd  Herz  richtiger.  Jedenfalls  heisst  z  a- 
razd  äti  die  innerlich  gläubige  Ucberzeugung,  zarazda  gläubig. 
Benfey  s  I,  p.  21.  vorgetragene  Erklärung  von  Sskr.  bar  ah  Zorn, 
Flamme  passt  durchaus  nicht  auf  die  angeführten  Texte,  welche 
alle  mit  zarazda  etwas  Gutes  prädiciren.  Ebenso  wenig  ist 
Ilaug's  (D.M.G.  VIH,  p.  757.)  Zusammenstellung  von  zarem  mit 
Sskr.  gr  für  unser  Wort  anwendbar.  Zu  anhuyat  vefgl.  Ya^n. 
111,  4.    IV,  1.    VII,  4.    anhuyum  (wiederholt  Yatjn' LIX,  p.  529, 


22  Windischman,  über  MUhra. 

530,  533,  534.  V.  lith.)  Farv.  Y.  46.  auhuyat,  wo  es  ein 
Wurfgesciloss  zu  bedeuten  scheint,  was  natürlich  nicht  auf  unsere 
Stelle  passt,  Spiegel  nimmt  es  als  Abi.  von  an  hu  Ort.  Mir 
scheint  es  von  an  hu  =  Sskr.  asu  Lebenskraft,  Geist  abzuleiten 
zu  sein  und  lebendig-,  geistig-  zu  bedeuten.  Anquelü's  Uebersetzung 
(II,  p.  206)  lautet:  si  on  lui  fait  izeschne  avec  ferveur,  qu'on 
l'invoque  plusieurs  fois,  et  qu'  avec  purete  de  coeur  on  celebre 
(l'jescht  en  son  honneur)  etant  pres  du  feu ,  alors  Mithra,  qui 
rend  fertiles  les  terres  incultes,  prononcera  la  victoire,  seconde 
du  Peuple  d'en  haut.  Unten  51  hat  er  die  Worte  ganz  ausge- 
lassen; Farv.  Y.  47.  (Carde  XII)  übersetzt  er:  les  forts,  purs 
et  excellens  Ferouers  des  Saints  se  hateront  (de  secourir)  celui, 
qui  leur  fait  bien  izeschne,  ils  feront  couler  l'abondance  sur  ce- 
lui, qui  pur  de  coeur  pratique  (la  Loi)  dans  le  monde  pres  du 
feu;  Farv.  92.  ist  die  Phrase  bis  zur  völligen  Unkenntlichkeit 
verwischt;  Visp.  XIV,  1.  übersetzt  Anquelil  (I,  2.  p.  176.):  je  leur 
fais  izeschne,  je  remplis  mes  fonctions  avec  purete  du  coeur. 
An  unserer  Stelle  sind  die  Worte :  etant  pres  du  feu  und  Farv. 
Y.  47.  pres  du  feu  ein  komisches  Missverständniss  des  Wortes 
ätarathra  dort;  zarazdatoit  anhuyat  haca  ist  mit:  avec  pu- 
rete du  coeur  wiedergegeben,  was  beweist,  dass  Anquetil  oder 
seine  Färsen  in  zarazdati  den  Begriff:  Herz  fanden;  den  Be- 
griff purete  suchte  er  wahrscheinlich  in  anhuyat,  wobei  er  an- 
derswo Yagn.  III,  4.  I,  2.  p.  98.  an  Welt  denkt:  les  chets  qui 
marchent  dans  ce  monde.  —  Beides  hat  er  Farv.  Y.  47.  in :  qui 
pur  de  coeur  pratique  (la  Loi)  dans  le  monde  vereinigt.  Den 
Worten:  fraoret-frakhsni  avi  mano  entspricht  hier :  que  l'on 
l'invoque  plusieurs  fois  —  Visp.  XIV,  1.  je  remplis  mes  fonctions 
Farv.  Y.  47.  gar  nur:  pratique;  denn:  ils  feront  couler  l'abondance 
soll  wahrscheinlich  fraoiriginte  wiedergeben.  Man  sieht 
hieraus ,  wie  wenig  Hülfe  uns  Anquetil's  Uebersetzung  an  so 
scbvierigen   Stellen  darbietet. 

Nach  vorstehender  Analyse  kann  meine  Uebersetzung  der 
dunkeln  Worte  nur  eine  conjecturale  sein.  —  fraoiri^yeiti 
dasselbe  Farg.  VIII,  104.  IX,  40.  fraoiri^ydit  Farg.  XIV,  16. 
fraoiri^ente  Farv.  Y.  47.  fraoirigistao  Farv.  Y.  25, 
3G.  fraoirisaiti  Yasht  fr.  I,  17.  fraoirigimna  Visp.  XII,  5. 
avö-irigyat;  Ab.  Y.  62.  (hinabfalle)  av6-irithe fitem  Din 
Y.  10.  airistem  Ab.  Y.  65.  (nicht  fallend?)  Als  Bedeutung  er- 
giebt  sich  für  fraoirig  (fra  ava  und  die  Wurzel  irig,  irith) 
herabsteigen,  herabsteigen  machen,  niederlegen.  Farg.  VIII,  104. 
übersetzt  es  Spiegel  mit:  zuwege  bringen;  Farg,  IX,  40.  mit  ver- 
unreinigen;  Farg.  XIV,  16.  mit  machen. —  Statt  verethragand 
und  upamanö  bietet  Farv,  Y.  47.  das  regelmässige  verethra- 
^*ana  und  upamana,  während  gleich  darauf  48  in  den  Hss. 
wieder  verethraganö  und  upamanö  erscheint.  Solche  Stellen 
sind    instructiv,    um    das    allmäliche    Eindringen    ungrammatischer 


WiftdUchmann ,  über  Mühra.  23 

Formea  in  die  Zendtexte  unschiiulich  zumachen.  Dainois  u  p  u- 
inano  ist  eine  dunkle  ullegorisclie  Abstraction  im  zaratliustrisclien 
System;  es  scheint  den  Fluch  zu  bedeuten,  der  im  Geist  des 
Weisen  sich  erzeugt. 

111. 

11.  baresaesu.  Da  die  Wurzel  bar  die  Bedeutung:  reiten 
hat  (bäsärem  Ya^n.  XI,  2.  ist  wohl  =  bhartr  mit  der  bekannten 
Umwandlung  von  rt  in  s) ,  so  könnte  baresa  mit  Rill  gegeben 
werden,  wofern  sa  als  Ableitungssylbe  gelten  darf.  In  derselben 
Phrase  kommt  es  vor  Aban  Y.  53.  b  a  i  e  s  n  a  Rashn.  Y.  24.  Da- 
gegen findet  sich  Tir  Y.  21.  in  der  Beschreibung  des  dämonischen 
Pferdes  das  Prädicat:  kaourvo-baresahe,  wo  baresa  eher 
einen  Theil  des  Pferdes  zu  bezeichnen  scheint :  etwa  den  Rücken ; 
dann  wäre  es  mit  bares  Berg  zu  vergleichen. 

hitaeibyo.  Das  Wort  hita  ist  von  Burnouf  Etud.  p.  271, 
wie  mir  scheint,  nicht  glücklich  behandelt  wordeur^^Es  kommt 
in  derselben  Verbindung  vor  (unten  94.  Ab.  Y.  53.  Ya^n.  LVIf, 
26.;  in  ähnlicher  Ya^n.  IX,  22.  hitahe  Bahr.  Y.  13.  hitäm 
Farv.  Y.  100.  Zam.  Y.  86.  In  den  Compositis  hitä^pem  Zam. 
Y.  41.  mäthro -hitahe  tan  V 6  Afrig.  HI,  5,  7.  hito-hizvao 
Yagn,  LXV,  9).  Wäre  es  mit  Sskr.  sita  weiss  identisch,  so 
könnten  hier  die  Schimmel  darunter  verstanden  werden,  auf  wel- 
chen die  Reiter  sitzen.  Allein  diese  Bedeutung  passt  nicht  zu 
den  Stellen  Farv.  Y.  100,  Zam.  Y.  86.  Afrig.  111,  5,  7.  u.  Yagn. 
LXV,  9.  Es  ist  daher  eher  an  Sskr.  sita  ligatus  zu  denken 
und  unter  den  Gebundenen  oder  Festen  sind  entweder  die  gezü- 
gelten  Pferde  oder  die  Zügel  selbst  zu  verstehen;  hit6-hizvao 
heisst  mit  gebundener  Zunge  d.  i.  wohl:  leise  sprechend.  Dass  die 
Reiter  Kraft  für  die  Pferde  erflehen,  ergiebt  sich  auch  aus  Ya^n. 
XI,  2.  pouru^pakhstim.  Die  Wurzel  gvac  ^vaüc  bedeutet 
nach  Rolh  Nirukta  p.  23.  sich  spalten;  sonst  wird  für  gvafic  oder 
^vafi^  nur  die  allgemeine  Bedeutung  ire  angegeben.  Das  Wort 
muss  einen  den  folgenden  Substantiven  anpassenden  Sinn  haben. 
Die  Stelle  von  pouru-Qp.  an  wiederholt  sich  Visht.  Y.  25. 

bathräniväitim  von  hathra  und  niväiti:  die  Zusam- 
menerschlagung.  nivaiti  von  van;  das  a  ersetzt  das  ausgefal- 
lene n,  wie  in  caräiti.  Das  einfache  niväiti  s  kommt  vor 
Ya^n.  X,  16,  wo  es  Neriosengb  mit  nidanam  oder  vibhakti 
giebt;  d.  i.  Belohnung;  in  diesem  Sinne  scheint  es  von  van  in 
der  Bedeutung  oflferre,  dare  herzukommen.  —  hameretha  be- 
deutet den  Gegner  im  Kampf  hamerena;  vergl.  hamerenAt 
Farv.  Y.  31.  und  hamarana  in  der  Inschrift  von  Bisitun.  Der 
Singular  h  a  m  e  r  c  t  h  ä  i  unten  69.  h  a  m  e  r  e  t  h  ä  t  und  h  a  m  e  r  e- 
the  71.  hamerethem  AshiY.  12,  wo  wiederum  die  Verbindung 
mit  dusmainyüm    zu  bemerken   ist;    hamareth^  Farv.  Y,  33 


/ 


/ 


24  Windischmann,  über  Mühra. 

wo  wahrscheinlich  hamerethe  zu  lesen,  aurvathanäm  von 
urvatha  Genosse,  Freund  mit  dem  a  privatiyum  gebildet;  ur- 
vatha  kommt  von  urva  Seele. 

IV. 

13.  bar  am.  Der  heilige  Berg,  über  welchem  Sonne,  Mond 
und  Sterne  aufgehen  (unten  118.  Farg.  XXI,  5,  9,  13);  auf  wel- 
chem sich  Mithra's  paradiesischer  Wohnsitz  befindet  (unten  50. 
Rashn.  Y.  23.),  und  ebenso  der  ^raosa's  (Yagn.  LVII,  21);  wo- 
hin Haoma  gesetzt  wird  (Ya^n.  X,  10.  LVII,  19.);  am  Fusse 
(upabde)  der  Hara  wohnt  der  Stammvater  Haosyanhö  (Ab.  Y. 
21.  Gosh  Y.  3.  Ashi  Y.  24.  Ram  Y.  7.,  wo  statt  upabde  upa 
taerem,  welch  letzteres  ich  mit  Sskr.  tira  zusammenhalte;  vgl. 
le  Mont  Tireh,  Bund.  II,  p.  357.  p.  364.);  über  ihre  Höhen  stei- 
gen die  Seelen  der  guten  Verstorbenen  hinüber  und  über  die 
Brücke  Cinvat  (Farg.  XIX,  30).  Das  gewöhnliche  Prädicat  der 
Harä  ist  berezaiti  (unten  50,  118.  Farg.  XIX,  30.  XXI,  5, 
9,  13.  Rashn.  Y.  23.)  Neben  der  Form  hara  kommt  aber  auch 
haraiti  Gen.  haraithyö  vor;  unten  50,  51,  88,  90.  Yagn. 
LVII,  19,  21.  Gosh  Y.  17.  Ashi  Y.  37.,  zu  welchem  denn  das 
Prädicat  barezayaö  gesetzt  wird,  wahrscheinlich  um  den  Gleich- 
klang haraithyö  berezaithyo  zu  vermeiden.  Zam.  Y.  1. 
findet  sich  haraiti  bares  Ashi  Y.  24.  harayaö  berezo. 
Ya^n.  XLII,  3.  haraithyaö  barezö.  Es  scheinen  mir  drei 
Formen  angenommen  werden  zu  müssen:  bares  Gen.  berez6 
genau  unser  5er^;  barezasLoc.  barezahi;  barezat  bareza 
oder  barezanha  Adj.  hoch.  Arm.  bartsr.  Eine  erweiterte 
Form  von  bares  ist  baresnu.  Aus  hara  bares  oder  hara 
berezaiti  entstand  das  persische  a  1  b  u  r  z. 

Das  Nebeneinandervorkommen  (Ter  Formen  harä  und  ha- 
raiti dürfte  dafür  sprechen,  dass  das  VTort  ein  ursprünglich 
iranisches  ist.  Bloss  desswegen,  weil  sich  bis  jetzt  keine  gewisse 
indogermanische  Analogie  dieses  Berges  und  des  Wortes  harä 
gefunden  hat,  an  Entlehnung  des  Semitischen  har  zu  denken, 
ist  voreilig.  Eine  Vergleichung  mit  elXr] ,  eXt] ,  uXia  ist  doch 
wenigstens  denkbar,  ä^naoiti  Farg.  XIX,  30.  ä^noit  Ab.  Y. 
65.  Dagegen  asnaoiti  unten  85.  asnaot  89.  ava-asnaoiti 
24.  fräsnaoiti  Farg.  V,  28  sqq.  fräa'^navät  Farg.  XVI,  7. 
Die  Bedeutung  ist  überall  so  ziemlich  dieselbe;  ägnaoiti  dürfte 
mit  Sskr.  agnoti  und  der  Präp.  ä  zu  erklären  sein;  dagegen 
asnaoiti  zu  aksnoti  permeare  gehören,  wenn  nicht  eine  ur- 
sprüngliche Identität  der  Wurzeln  anzunehmen  ist. 

zaranyo-pigö  hat  Burnouf  Comm.  s.  1.  Y.  Not.  p.  LXV 
und  LXXVl  mit  baresnava  verbunden  und  mit  goldspitzig  wie- 
dergegeben ;  auch  hat  er  vorgeschlagen  statt  p  i  g  ö  p  e  g  6  zu  le- 
sen und  dann    zaranyö-pegö    im  Sinn:  mit  goldner  Kette  ver- 


Windischmann,  über  Milhra.  25 

sehen,  auf  Mithra  zu  beziehen.  Wenn  eine  Textänderungf  erlaubt 
wäre,  so  würde  eher  an  zaranyö-pae^d  zu  denken  sein;  h  i- 
ranyape^as  kommt  nämlich  in  den  Veda's  vor,  wesshalb  Rosen 
zu  Rig"v.  Ij  6,  3.  unsere  Stelle  übersetzt:  qui  primus  auream  for- 
mam  habens  pulcra  cucumina. 

ddidhaiti  Sskr.  dhyai  Gr.  &eaofint,  Zam.  Y.  94.  ho 
didhat  khratus-doithrabya  „er  wird  mit  Geistesaugen  se- 
hen" giebt  Wurzel  und  Derivat;  vergl.  übrigens  Bopp  Vergl. 
Gramm,  p.   1143. 

14.  ürao=Sskr.  vra  Haufen,  Truppe,  wesshalb  die  Va- 
riante vrao  zu  beachten  ist.  paoiris  entweder  die  ältesten, 
ersten,  oder  die  vortrefflichsten,  thatairyo  (wahrsch.  acc.  plur. 
V.  thatairi  mit  fradhayen  zu  verbinden)  kommt  nur  an  dieser 
Stelle  vor;  der  Form  nach  erinnert  es  an  takhairya  Farg.  VIII, 
93.  (von  tac  vergl.  Spiegel  Uebers.  p.  155.)  und  an  vigpa- 
taurvairi  Farv.  Y.  142.  was  dem  Sskr.  fem.  rtavari  neben 
rtcivan  entspricht;  thatairi  setzt  eine  Wurzel  tat  voraus,  wel- 
che ich  Ab.  Y.  15.  tatao  apo  Tir  Y.  47.  linde;  die  Aspiration 
rührt  von  dem  folgenden  r  und  ist  noch  um  eine  Sylbe  weiter 
zurückgegangen,  als  in  takhairya.  thatairyo  muss  Weide, 
Nahrung  bedeuten;  tataö  apo  scheinen  mir  die  nährenden  Was- 
ser zu  sein.  Wäre  eine  Conjectur  erlaubt,  so  würde  ich  thrä 
tairyo  vorschlagen.  Mit  der  Lesart  khäthrö,  die  Burnouf  zu 
erklären  sucht  (Not.  p.  LXXXI),  ist  nichts  zu  machen.  —  afentö 
Farv.  Y.  9.  apentaö  mit  der  Variante  äfefito;  äfentem  Farv. 
Y.  54,  —  k  h  s  a  o  d  a  n  h  a  Sskr.  k  s  o  d  a  h  unter  den  u  d  a  k  a  n  a- 
mani  Nigh.  I,  12.  der  Strom,  der  Schwall  des  Wassers,  von 
ksud  conterere.    Ya^n.  XLII,  6.  apäm  f  r  a  kh  s  ao  g  trem. 

thwakhsent^  Sskr.  tvaks  frangere ,  comminuere.  Ab.  Y. 
65.  von  schneller  Bewegung  gebraucht;  daher  thwakhsisto 
unten  98.  Von  den  folgenden  sieben  Namen  arischer  Provinzen, 
die  wahrscheinlich  als  Parallele  zu  den  sieben  Keswars  genannt 
sind,  finden  sich  mourüm  Farg.  I,  6.  haroyüm  ib.  9.  Inscr. 
Bisit.I,  16.  Harai  va  Nakshi  R.  22.  gao  m  Farg. I,  5.  gugdhem 
ib.  5.  —  qäirizem  Insc.  Bisit.  I,  16.  uwarazmiya  derselbe 
Name  Nakshi  Rust.  23.  neben  pughda  Chowaresm  s.  Burnouf 
Y.  Not.  p.  CVIII.  pourutem  ib.  p.  CI.  In  aiskatem  ist  ai 
oder  ä  wohl  Präposition  und  skata  oder  iskata  der  Name  der 
Provinz.  Yagn.  X,  11.  skyata  upairigaena  könnte  dazuge- 
halten werden,  womit  jedenfalls  der  Berg  iskata  upairigaena 
Zam  Y.  3.  identisch  ist. 

15.  Es  folgeu  hierauf  die  Namen  der  siebet 
zwar  paarweise  gestellt,  wie  sie  auch  unten 
Y.  9  sqq.  Farg.  XIX,  39.  enumerirt  sind.  Q,, 
allein,  weil  es  die  Mitte  biWet,  um  welche  sich  die  übrigen  sechs 
gruppiren;  zu  seiner  Seite  arezahi  und  gavahi  nach  Westen 
und  Osten,    vourubaresti    und  vouru^arcsti    nach  Norden, 


;ieben  Keswar's    und        / 
i    (67)    133.    Rashn.      / 
ftanirathem    steht    / 


28  Windischmann,  über  Milhra. 

fradadhafsu  und  vidadhafsu  nach  Süden;  verg-I.  ßundeli.  II, 
p.  365.  Vor  karsvare  kommt  der  gen.  sing,  karsvane  (statt 
karsvano)  Visp.  X,  1  vor  mit  der  Var.  karsvana,  überhaupt 
eine  merkwürdige  Stelle  für  den  Gebrauch  des  Zend  bei  Copula- 
tiv-Compositis  jedes  einzelne  Glied  in  der  Mehrzahl  zu  decli- 
niren.  Der  acc.  plur.  lautet  karsvän  wie  da  man  Zam.  Y.  10. 
Ab.  Y.  5.  Yagn.  LXI,  5.  (wo  haca  mit  yais  construirt  ist);  denn 
yäis  ist  ebenfalls  acc,  da  avi  diesen  Casus  regiert;  noch  deut- 
licher Ab.  Y.  30.  Ram.  Y.  20,  yatha  azem  amasyäkerena- 
vani  viQpäis  ave  karsvän  yais  hapta,  wo  karsvän  von 
kerenaväni  regiert  ist,  wenn  nicht  avi  zu  lesen  ist  wie  Ab. 
Y.  5.  und  Tir.  Y.  34.  avi  agao  avi  söithraö  avi  karsvän 
yäis  hapta,  wo  karsvän  yäis  ebenfalls  der  Acc.  sein  muss ; 
ib.  40.  hapta  karsvän.  Mih.  Y.  64.  vigpäis  avi  karsvän 
yais  hapta;  dasselbe  Farv.  Y.  94.  Zam.  Y.  82.  Yatjn.  XIX,  16. 
kais  he  afgman  Orm.  Y.  vigpdis  ayänca  khsafnagca. 
Yasht  fr.  II,  9.  yatha  dam  an  graestais  ist  wohl  als  Nom. 
zu  fassen;  ebenso  khrafgtrdis  zdijdistais  Farg.  VII,  2. 
Dagegen  daeväiscn  khrafgtrais  masyäisca  Acc.  Yagn.  XIX, 
2.  In  diesen  Formen  auf  ais  Instrumentale  suchen  zu  wollen, 
wird  vergeblich  sein.  Neben  dem  Locativ  karsvöhu  erscheint 
auch  karsvöhva  Ahur.  Y.  3. 

16.  Da  karsvare  Neutrum  ist,  so  ist  auch  vi^pähu  als 
Neutrum  zu  betrachten;  sonst  vi^paesü  Yagn.  XII,  5.  wenn  han- 
^amanaesü  Neutrum  ist.  —  g ü n a  o i t i  ist  ana^  Xtyofj^evov, 
Wahrscheinlich  ist  es  in  Wurzel  und  Bedeutung  guiia  (Z.  gaona). 
Die  Sskr.  Wurzel  guvati  güna  liegt  dem  Z.  gütha  Koth  zu 
Grunde,  vidus  vergl.  vidus-gathem  vidus-yagnem  Farg. 
XVIII,  51.  vidhusa  mit  der  Var.  vidus a  Farv.  Y.  146.  vidus 
Yagn.  XXVIII,  5.  vidus  asa  Ya^n.  XLV ,  8.  viduse  Yagn. 
XXX,  1.    LI,  8.   LV,  3.   Visp.  XXI,  3. 


V. 

18.  frasa  als  Präposition:  fr  asa  fraya  vahistem  ä 
ah  um  Farg.  VII,  52.  XVIII,  29.  frasa  frayauta  Yagn.  X,  14. 
19.  Farg.  V,  11.  ist  diese  Präp.  mit  padaSibya  construirt; 
frasa  frayöit  Farg.  VI,  27.  frasa- tacöit  Farg.  VIII,  100. 
fr asa-fratacayat;  Ab.  Y.  78.  frasa  mit  fr athan^ay ei ti; 
Zam.  Y.  47.  mit  häm-razayata  Bahr.  Y.  37.  frasa  aeiti. 
Die  Bedeutung  ist:  fort,  hervor,  über  analog  dem  Gr.  nQoGoo, 
nQooöM  vorwärts,  Lat.  porro;  im  Huzvaresch  scheint  frac  zu  ent- 
sprechen ;  s.  Spiegel,  Gramm,  des  Huzv.  p.  98.  Neben  der  Prä- 
position findet  sich  das  Adjectiv  frasa  in  der  Bedeutung^  neu, 
frisch  Zam.  Y.  10,  11,  19,  89.  Farg.  I,  21.  Yagn.  XXX,  9."^  fra- 
^ötemem  Ny.  I,  2.    frasö-carethräm  Zam.   Y.  22.  Farv.  Y. 


Windischmann,  über  Mithra,  27 

17.  fras6-karein  Bahr.  Y.  28,  und  in  dem  Worte  frasö- 
kereti  Auferstehung-.  Präposition  und  Adjectiv  können  als  iden- 
tisch betrachtet  werden;  denn  aus  dem  BegriflF:  vorwärts,  hervor 
konnte  sich  der  weitere:  vorg-ehend,  neu,  frisch  entwickeln.  Das 
althd.  frise  recens  Hesse  sich  auch  vergleichen;  Diefenbach  I,  p.  401. 

upa^cinday^iti  ein  sich  Öfter  wiederholendes  Wort ;  unten 
28.;  mit  fra  unten  78.  Farv.  Y.  33,  39.  Das  einfache  gcind 
Bahr.  Y.  62.  Farv.  Y.  31.  unten  42,  76.  Die  Identität  mit  Sskr. 
chid,   Lat.  scindere  ist  nicht  zu  bezweifeln. 

g-rantö  erzürnt.  Sskr.  saing-räma  Schlacht,  Goth.  g-ram- 
jän,  Nhd.  Gram,  fratemadhatö  wie  paradhato ;  die  vor- 
nehmsten. Der  Nominativ  ist  auffallend,  üebrig-ens  vergl.  Farv. 
Y.  95.  wo  sich  fratematato  daqyunam  findet,  was  dort 
Accusativ  sein  muss. 

19.  naemai  Seite,  Theil ;  vgl.  oben  13.  paurva-na^mdt 
a^pacat  Sskr.  ^vac  ire  mit  der  Präp.  a:  er  kehrt  nicht  wieder, 
Oder  ist  a^pacit  mit  einer  Hs.  zu  lesen  und  mit  den  meisten 
paiti  (welches  bloss  als  Correctur  von  paiti  eingeschaltet  scheint): 
noch  schützt  er  zornig  die  Pferde? 

20.  vazyägtara  vehementiores ;  die  schnell  daherfahren. 
apay^inti  eine E,mendsition  Weslergaard' s ;  apayeiti  21.  Bahr. Y. 
20,  57.  AshiY.  19.  apayßmi  Ab.  Y.  42.  apaya  Tir  Y.  43.  (?) 
Mih.  Y.  105.  Din  Y.  2.  frapay  e  mi  Ab.  Y.  63.  paiti-apayat 
Tir  Y.  38.  apaeta  apay^mi  Ram  Y.  43.  Die  Bedeutung:  er- 
reichen, erlangen  ist  wohl  ausser  Zweifel.  —  fragtanvaiiti. 
Möglich,  dass  q  euphonisch  eingeschoben,  oder  frag  für  frag 
steht,  sonach  tan  als  Wurzel  zu  betrachten  ist.  Oder  gtan 
müsste  =  Sskr.  stan  sonare  genommen  werden,  wogegen  jedoch 
die  Conjugation  spricht.  —  framanyente  Ya^n.  LXVIII,  13. 
Farg.  VII,  57.  XIX,  43.  (framanyata-vimanyata  von  Anro- 
Majnyus).  Din  Y.  3.  framanyäi.  Die  Bedeutung:  denken,  Vor- 
sorgen passt  auf  unsere  Stelle  nicht;  ihr  Sinn  muss  vielmehr 
sein :  beim  Fahren  halten  sie  nicht  aus  ,  gelangen  nicht  ans  Ziel. 
—  apasa.  Von  Sskr.  paksa  Flügel,  ohne  Flügel  d.  i.  ohne  Schnell- 
kraft? Oder  ist  zu  trennen:  apa-sa?  Oder  dürfte  man  an  Sskr. 
prta  occupatus  praefectus  denken  und  apasa  als:  nutzlos,  zweck- 
los, fassen?  Das  Wort  findet  sich  noch  Bahr.  Y.  46.  vom  gezückten 
Schwerte  gebraucht,  dessen  Kraft  gebrochen  wird,  a  v  i  -  m  i  t  h  r  i  s 
der  Gegen  -  Mithra.  frena  als  Präposition  gebraucht  Farg.  V,  4, 
7,  59.  wegen,  vor.  Da  mathra  wohl  nirgends  einfach  Rede  oder 
Wort  bedeutet,  so  sind  unten  aghanäm  mathranäm  Zauber- 
sprüche zu  verstehen. 

21.  rdsayaent^  sie  verwunden  ihn  nicht;  vergl.  Ya^n. 
XLIX,  3.  LI,  9.,  wo  rasayanhö  den  Gegensatz  von  gavayö 
bildet. 


28  Windischmann,  über  Milhra. 


VI. 


22.  az anhat  Sskr.  aiibas  Sünde,  Unglück,  Lat.  angi, 
angus-tus  (verg-I.  ang-uis  =  azi,  lingua  =  bizvä)  Goth.  agg"- 
vus.     Diefenbach  I,  p.  4.     Verg-I.  Farg-.  XVI II,   10. 

2.3.  ana  ist  z.  B.  Ab.  Y.  91.  Yagn.  II,  1.  X,  19.  LXV,  14. 
LXVIII,  7.  Farg.  XIX,  9.  Instrumental,  wie  es  scbeint  aucb  Farg. 

V,  5.:  die  Stellen  Farg.  XVIII,  26.  XXI.  6,  10.  sind  nicbt  klar. 
Hier  möcbte  icb  es  als  neutr.  pl.  fassen  und  auf  das  vorberge- 
bende  azo  und  itbyego  bezieben.  Den  Feinden  wird  das  ge- 
wünscht, wovon  Mitbra  seine  Treuen  befreien  soll.  —  ava-ba- 
rabi  ist  der  Gegensatz  von  apa-barabi  Gosb  Y.  9. —  tbwyäm 
ist  vielleicht  gleich  dem  Vedischen  tüyaih  schnell;  vergl.  jedoch 
unten  37.  Farv.  Y.  20.  thwayanbatäm  Farg.  II,  23.  tbwyä- 
^teraaesu  (Sp.  furchtbar) ,  aus  welcher  Stelle  ein  Substantivum 
mit  der  Bedeutung :  Furcht  zu  vermutben  ist.  Da  im  Huzvaresch 
9  dem  zendischen  tb  entspricht  {Spiegel  Hüzv.  Gramm,  p.  50.)  so 
möchte  ich  ^amkan  (Bund.  III,  4.)  bierherziehn ,  was  Neriosengh 
mit  bbayainkara  übersetzt;  Sp.  ib.  p.  127.  —  qa^pai- 
thyaö^e  tanvo.  Das  Adjectiv  qaepaithya  oder  qäpaithya  (die 
Lesarten  wechseln)  findet  sich  in  den  Formen  qapaitbim  Ab.  Y. 
62,  63.  qapaithyat  Yagn.  XXXI,  21.  qaöpaithe  Ashi  Y.  5. 
Farv.  Y.  66-;  Zara.  Y.  95.    Yasht  fr.  II,  11.     qaepaithya    Farg. 

VI,  46;  qapaitbina  Din  Y.  3.  (wenn  dies  hierhergehört:  es 
bedeutet  an  der  Stelle  soviel  wie  wegsam).  Der  Sinn  ist  überall ; 
eigen ,  und  es  scheint  eine  Zusammensetzung  von  qä  oder  qaö 
und  paithya  =  Sskr.  pathya:  angemessen,  passend  zu  sein.  Oder 
ist  pse  pte  in  Lat.  i-pse  suapte  analog?  —  khsayamno  manch- 
mal neben  kbsayäg  gestellt  (unten  35)  drückt  die  Fähigkeit 
aus,  etwas  zu  thun ,  während  kbsayäg  die  wirkliche  Ausübung 
der  Macht  bezeichnet.  —  ^ükem  die  Sehkraft  Bahr.  Y.  33.  Din. 
Y.  13.,  wo  daneben  giikayaö  von  güka  Sskr.  the  awn  of  bar- 
ley  steht.     Der  Stamm  ist  wohl   ^uc  glänzen. 

24.  arstois  arsti  fem.  Sskr.  rsti  oder  risti  Speer.  Statt 
usaos  oder  usaos,  was  alle  Hss.  bieten  ist  wohl  isaos  zu 
lesen ;  s.  unten  39. 

para-pathwato.  Ob  hierin  die  Wurzel  pat  fliegen,  oder 
eine  Ableitung  von  patho  Weg  zu  suchen  ist,  steht  dahin;  er- 
steres  ist  mir  wahrscheinlicher :  patbwatö  ist  eine  Form  wie 
qanvat.  Der  Sinn  ist  der  des  Gr.  naQunhof.iai  vorüberfliegen, 
sanamayd  hat  W.  aus  einer  Hs.  gegeben;  sanamaoyo  oder 
snamanöyo  sind  gleich  beglaubigt.  Da  das  Wort  nur  hier  vor- 
kömmt, so  ist  es  schwer,  die  Ableitung  zu  eruiren :  es  muss  aber 
nach  dem  Zusammenhang  etwa  Wurf  bedeuten ;  vielleicht  hängt 
es  mit  der  Wurzel  gnath  ferire  zusammen.  —  adhaoyamno  un- 
betrogen,  von  dav  betrügen;  so  heisst  Abura  adhavis  Orm.  Y. 
14.   adabbda  ist  in  den  Veden   ebenfalls  Prädicat  der  Götter. 


% 


Windischmann,  über  Milhra.  29 


VII. 

25.  Mithra  hat  hier  das  Prädicat  ah  u  rem,  wie  auch 
apäm  napao  Zam  Y.  51.  gufrem  verg-I.  gufraT  Epitheton 
der  Fravasi's  Farv.  Y.  30.  gufrahe  Zam  Y.  *5i  des  Sees; 
Farv.  XXI,  13  der  Sterne;  Farg-.  I,  21  der  Wohnsitze.  Hang 
zu  letztrer  Stelle,  will  es  von  guh  sprechen  ahleiten  und  mit: 
berühmt  erklären.  Allein  die  Ableitung  von  gup  beschützen 
liegt  weit  näher  nnd  passt  besser  auf  die  schützenden  Genien, 
den  schützenden  d.  i.  tiefen  See  etc.  dato-gaökem  der  durchs 
Gesetz  nützt,  oder  das  Gesetz  fördert.  —  vyäkhnem  unten  61 
und  65  vyakhnanäm  vyäkhnö;  Ab.  Y.  73.  vyäkhna.  Da- 
gegen vyakhand  Farv.  Y.  16,  52.;  vyäkhanayao  ib.  134. 
Zam  Y.  75.  v  y  a  k  h  a  i  n  e  Bahr.  Y.  46.  vyäkhanem  oben  7 ;  v  y  a- 
khananäm  Ny.  III,  10.  vyäkhana  Farg.  XXII,  7.  als  Epitheton 
des  Nairyö-^anha.  vyakhamö  Farv.  Y.  16.  vyAkhma  Yagn. 
LVII,12.'  Das  Zeitwort  vyakhmanyeiti  TirY.  15, 17,  19;  vya- 
khmainyata  Zam.  Y.  43,  Entweder  gehört  es  zuSskr.  vyanak  ti 
manifestare,  vyakta  manifestus,  oder  zu  khya  mit  vya  enar- 
rare,  wo  aber  das  Wegfallen  des  y  unerklärt  wäre.  In  dem 
Zeitwort  ist  eine  Composition  mit  man  anzunehmen;  vyakhna 
heisst  der  durch  Rede  sich  manifestirende  Weise,  woher  sich  denn 
auch  Neriosengh's  Glosse  (Burnouf  Etudes  p.  53)  erklärt:  kila  yö 
uttamaih  stutim  haiig amanam  ca  ^änati  kartum.  Das 
viyaka  der  Bisitun-Inschrift  (I,  64)  gehört  auch  hierher.  Die  oben 
citirte  Stelle  Farv.  Y.  16.  ist  höchst  merkwürdig  nicht  bloss  durch 
Nebeneinanderstellung  von  vyäkhano  und  vyäkhamo  (vyakhmano?), 
sondern  durch  ihren  historischen  Inhalt;  denn  es  wird  dort  erzählt, 
dass  durch  die  Macht  der  Genien  der  Mann  geboren  wird,  der 
weise,  weise  denkende,  der  das  Gesprochene  wohl  hört,  der  da 
ist  im  Geist  vertieft  (katö  vergraben),  der  Naoidyanho  des  Gau- 
tama  vor  dieser  Befragung  herbeikömmt.  Ich  lese  mit  zwei  Hss. 
näoidhy.  und  vergleiche  den  Vedischen  gautamasya  nodhasa  Rigv. 
1,  58.  p.  525.  Indische  Studien  III,  p.  222,  welcher  Verfasser 
eines  Hymnus  ist.  Vermuthlich  ist  hier  jener  Brahmane  gemeint, 
den  Anquetil  Tschengrahatsch  nennt,  und  der  sich  zur  Lehre  Za- 
rathustra's  bekannte.  Merkwürdig  wäre  es,  einen  vedischen  Hymnen- 
Dichter  in  diesem  durch  Sprache  und  manche  mythologische  Tradi- 
tion den  Veden  verwandtem  Kreis  zarathustrischer  Schriften  zu  ßnden. 
—  Qendanhem  Ist  dies  ein.  Xty.  (von  derselben  Wurzel  genda- 
yanha  Visp.  VIII,  1.  wo  aber  Wesleryaard  gadayaiiha  liest)  mit 
Sskr.  ^ad  =r  Gr.  xud  zu  vergleichen,  worüber  Rolh  Nirukta  p.  83 
handelt?  oder  dürfte  »Sskr.  gardhas  Stärke  hierhergezogen  wer- 
den?— hunarem  Ab.  Y.  91  (Farg.  XIII,  18,  19.);  infr.  102;  Tir 
Y.  13.  hun  airy  ao  nci  m  und  hunairyaonco,  wo  ich  im 
letzten  Theile  väc  vermuthe.  hunaravaiti  Farg.  XIX,  30.  Yagn, 
L,  8.  [hunaretata      Hiermit   ist   zu    vergleichen  Sskr.    sünrtä 


30  Windischmann,  über  Milhra. 

Lieblichkeit  Rig-  V.  I,  121,  14.  wo  es  Sayana  mit  priyasatyat- 
m  i  k  a  v  a  k  erklärt ;  s  ii  n  a  r  i  Beiname  der  MorgenrÖthe ;  s.  Benfey 
Glossar  z.  Sama-V.  s.v. —  tanu-mathrem  ein  Epitheton  prao- 
^a's  Ya^u.  III,  20;  IV,  23;  VII,  20;  LVII,  1,  33;  Farg.  XVIII, 
14;  Serosh  Y.  18.  wie  denn  auch  die  folgenden  Prädicate  sich 
bei  diesem  Yazata  finden  Yagn.  LVII,  34.  Den  Sinn  des  Wortes 
hat  Burnouf  mit:  celui  qui  a  la  parole  pour  corps,  oder  lui  dont 
la  parole  est  le  corps  zu  deuten  gesucht;  Neriosengh  giebt  es  mit 
bhaktigila;  es  könnte  auch  bedeuten,  der  mit  seinem  Körper 
die  mäthra's  hervorbringt. 

26.  akatarem  mit  den  Varianten  akutarem  und  kata- 
rem.  Wären  wir  über  den  Sinn  von  ^raosyanäm  sicher,  und 
könnten  wir  darunter  Gute  verstehen,  so  Hesse  sich  akatarem 
erklären:  der  über  das  Unheil  hinüberbringt,  wie  umgekehrt  aka- 
tasem  Farg.  XIX,  43:  der  Uebeles  schaflFt.  Allein  ^raosya, 
(es  ist  kaum  erlaubt  a^raosyanam  zu  corrigiren),  welches  nur  noch 
unten  109  (graosyam)  vorkömmt,  kann  in  diesem  Zusammeuhang- 
nur  üebeles  bedeuten;  vielleicht:  die  zu  strafenden,  wenn  wir 
an  ^raoso-carana  denken;  ein  Daroudj  Sreoschek  kommt  im 
Afrin  Haft  Amschaspand  vor  Anq.  II,  p.  77.  akatarem  scheint 
mir  von  kan  graben  mit  der  Präpos.  a  herzuleiten  zu  sein  und 
den  Begraber  d.  i.  Vernichter  zu  bedeuten,  acaetarem  von  ci 
-)-  a:  den  Bestrafer,  hamae^tärem  Asht.  Y.  1.  Farg.  X,  17, 
den  Zusammenbrenner  v.  Sskr.  idh,  wovon  auch  a^gma  Brennholz 
=  Sskr.  idhma;  istya  Ziegel?  Farg.  VIII,  8, 

27.  räkhsäithyad  Dieses  schwierige  Wort  wiederholt  sich 
unten  78  rakhsyeitis  ebenfalls  als  Epitheton  des  Landes ;  der  Ge- 
gensatz hier  und  dort  zeigt,  dass  es  soviel  als  gottlos,  raithra- 
feindlich  bedeuten  muss ;  ebenso  Yagn.  XII,  4  dregvata  räkh- 
syaüta^  Es  ist  unstreitig  von  derselben  Wurzel  abzuleiten  wie 
Sskr.  raksas  Unhold. 

avarethao  bis  apivaiti.  An  pivati  oder  p  a  v  i  t  i  Fäul- 
niss  (Farg.  V,  27;  VI,  30)  ist  nicht  zu  denken.  Westergaard  xer- 
muthet  apavataiti  wie  Farg.  IX,  2  apavatäite;  Yagn.  IX, 
25  apavatahe,  wo  W.  apavatahi  corrigiren  will.  Den  Sinn 
des  Wortes  hat  Burnouf  Etud.  p.  328  sqq.  behandelt;  es  heisst: 
erkennen,  wissen,  Neriosengh  giebt  es  mit:  madhyain  ^anäti. 
Mir  scheint  es  mit  Gr.  er  in  f§eTaC,(o :  ausforschen ,  untersuchen 
vergleichbar:  i^tTai^to&ai  erfunden  werden.  —  avarethao  ohne 
Schutzwehr;  vergl,  v  ar  ath  ö  Farv.  Y.  71. —  ghenanam  (wofür 
die  Hss.  auch  ghenänao  oder  g  e  n  a  n  a  o  bieten)  von  g  e  n  ä  oder 
ghena  Weib  (Rig.  V.  II,  31,  4)  abgeleitet,  passt  nicht  in  den 
Zusammenhang.  Wir  haben  daher  eine  Ableitung  von  ghna  töd- 
tend  anzunehmen,  wie  ja  baevare  in  der  bekannten  Formel  unter 
43  auch  mit  ghna  verbunden  ist:  ba^vareghnai;  ich  übersetze 
hier:  zehntausend  von  Tödtern  oder  Todtschlägen.  nigirinaoiti 
Farg.  XIV,  6  sqq.  wo  es    Spiegel  mit:  übergeben  übersetzt;  Farg. 


n 


Windischmann,  über  Mithra.  31 

Hl,  20.  V,  62  ni^ipinuyÄt;  ni^i  rinaota  Farv.  Y.  34.  ni  gri- 
navalii  Ab.  Y.  87.  Mit  Sskr.  ^rnati  scindere  lässt  sich  das 
Wort  schwer  vermitteln;  rriioti  wird  im  Zend  ^urunaoiti 
unten  107.  Y.  fr.  II,  41.  Der  Sinn  von:  herbeischaffen  scheint 
mir  auf  alle  Stellen  zu  passen. 

VIII. 

28.  ^tunad  unten  71  gtün6;  berezi-Qtünera  Visht. 
Y.  9.  gatö-gtüuem  Farg.  XVIII,  28;  hazanrö-^t  iln  em  Ab. 
Y.  101;  Yagn.  LVII,  21.  Sskr.  sthüna  in  s  ah  a  sra  sthü  na 
RigfV.  II,  41,  5  (vom  Wohnsitze  Mithra's  und  Varuna's ) ;  es 
wird  also  auch  hier  ^tünao  zu  lesen  sein, —  ^tawrao  ist  ent- 
weder mit  Sskr.  sthavira  fest,  oder  mit  Sskr.  stambh  befe- 
stigen zusammenzuhalten;  der  Sinn  bleibt  derselbe.  —  aithyao 
die  Neg-ation  von  ithya  vergäng*lich,  welches  im  ersten  Theil  des 
Compositums  ithye^aiiha  erscheint;  äithya  ist  =  Sskr.  nitya,  was 
ich  auch  als  vorn  apocopirt  betrachte  für  an-itya.  berezimi- 
t a h e  der  Name  eines  Ortes  ;  b e r e z i  hoch ;  vergl.  barezimanäm 
Visp.  XIX,  2.  berezi-gtünem  Vist.  Y.  9.  mita  findet  sich  in 
framita  Ram  Y.  12;  Zam  Y.  29.  vimita  Ab.  Y.  93;  Farg.  II, 
29.  Die  Bedeutung  muss  sein:  hochgebildet,  oder  wenn  wir  an 
bareg  Berg  denken  dürfen,  berggebildet,  vielleicht  die  berggebil- 
dete oder  hochgemachte  Hohle  des  Mithra.  Doch  scheint  eher  eine 
Menschenwohnung  gemeint  zu  sein. 

29.  akö  hat  den  Sinn  von  üebel  Yagn.  XII,  4  akö-dabis 
XLVII,  4.  akö  dregväitß. XXXIII,  2.  akem  dregväite  LI, 
8.  aköyä  dregväite  XLIIl,  5.  akem  akai  neben  vanuhim 
asim  vaiihave  XXXII,  3,  5.  akat  mananho,  aka  mananhä, 
aka^ca  mainyus;  Farg.  XIX,  4.  aka  man  an  ha;  Zam.  Y. 
46,  96.  akem  manö  Yagn.  XLV,  1.  akavarana;  XL  VI,  11. 
akais  skyao  tha  n  ai  s  XLIX,  11.  akais  anarethais  LIX, 
31.  mävd  ^amyat  akät  asö  LI,  6.  akat  asyö  Zam.  Y.  95. 
as-akäm  dru^em  Yagn.  XXX,  3  vahyö  akemca,  an  welch 
letztrer  Stelle  übrigens  die  gute  Bedeutung  annehmbar  ist,  welche 
Anquetil  in  seiner  üebersetzung  wiedergiebt.  Möglich  dass  es 
dem  Gr.  xaxoq  entspricht,  wie  amare  =  Sskr.  kam.  Dass  von 
Mithra  gesagt  sein  sollte:  du  bist  Uebel  und  Bester,  ist  bei  der 
Anschauungsweise  des  Zarathustra  kaum  möglich;  auch  die  Deu- 
tung :  gegen  das  üebel  der  Beste  ist  bedenklich.  Vielleicht  dürfen 
wir  ein  zweites  aka  annehmen  =  Gr.  uxog  Heilung,  akhsti 
Visp.  XI,  16  Ram  1.  akhsta  Diu  Y.  3,  19.  anäkhsta  Ardib. 
Y.  8.  die  Bedeutung  ist  wohl:  Friede. 

30.  Die  Adjectiva  ^rao  gfenao  und  ^r  aor  ath  ao  (^raoge- 
nem  und  ^raorathem)  enthalten  in  ihrem  zweiten  Theil  die 
Worte  gena  Frau  (vedisch  gna  s.  oben  und  Ya^n.  XXXVIII,  1 
(Farg.  XI,  9)  XLVl,   10;  ghenad  Visp.  III,  4.)   und    ratha,  im 


32  Windischmann,  über  Milhra, 

ersten  grao  =  Gr.  xlto  in  Compositis ;  sie  bedeuten  frauenbe- 
rühmt  und  wag-enberülimt;  verg^l.  grutoratba  Rig-  V.  II,  122, 
7.  Ein  weiteres  Compositum  mit  grao  ist  graotanvö  Farv. 
Y.  40.  Äsbi  Y.  11;  Y.  fr.  II,  9.  —  nistaretö-^payao  ist  ein 
schwieriges  Wort;  nis  -f-  tr  bedeutet  im  Sskr.  transgredi, 
perpeti,  evadere;  nistarana  means  of  success,  g"oing-  out  or 
forth,  Crossing-  over;  nistaretö  wäre  nach  dieser  Ableitung-  ge- 
bildet wie  vitaretö  in  vitareto-tanus  Farg-.  II,  37.  nis- 
tara  heisst  Farg-.  XVII.  7  (Spiegel:  unterhalb)  und  Ya^n.  LVII, 
21.  äusserlich.  Es  konnte  aber  auch  getrennt  werden :  ni-staretö 
(freilich  hat  gtar  =  Gr.  GTOQtvvv^i  L.  sternere  palatales  g:  frag- 
taretem  Farg-.  III,  15  und  anderswo;  allein  nach  Präpositionen 
auf  i  verwandelt  sich  das  folgende  g  in  s;  s.  unten  nistayata.) 
Den  Sinn  vermag  ich  nicht  zu  bestimmen  und  übersetze  bloss  con- 
jectural.  Das  Verbum  gpayeiti  unten  37,  Farg.  III,  41  Farg. 
VIII,  29.  mit  fra  unten  43,  mit  aipi  Bahr.  Y.  13,  mit  apa  Zam. 
Y.  56.  bedeutet:  entfernen,  wegfegen,  wesshalb  gpayo  das  zu  ent- 
fernende, der  Kehricht  sein  könnte;  oder  von  Sskr.  gvi  tumere : 
der  Schwall.  —  nidhato-nidhätem  im  Sinn  von:  niedergelegt 
Farg.  II,  29.  Was  das  Niedergelegte  hier  sein  soll  (vielleicht 
das  Dach?)  ist  mir  nicht  klar,  barezistem  Farg.  II,  28,  36.  von 
den  Bäumen;  ib.  22  von  den  Bergen  Farg.  VI,  45  barezista- 
^svaca  paiti  gatusva  Yagn.  LVII,  21.  bareziste  paiti 
barezahi  Yagn.  XXXVI,  6.  L VIII,  8.  barezistem  barezima- 
nam.  An  der  Bedeutung:  höchst  ist  nicht  zu  zweifeln.  Möglich 
dass  zu  erklären  ist:  das  Zelt,  auf  welches  ein  barezistem,  d.  h. 
ein  Dach,  eine  Spitze  gesetzt  ist.  magitao  ist  mir  unklar  vergl. 
magitö  Bahr.  Y.  41.  magitäm  Ab.  Y.  3. 

31.  Bemerkeuswerth  ist  die  Wiederholung  desselben  Satzes 
nur  mit  jedesmaliger  Aenderung  des  Epithetons  des  Mithra,  der 
zuerst  stark  (güra),  heilbringendster  (gevista),  dann  unbeirrt 
(adhaoyamna)  heisst. 

32  a h i s  a  eine  Imperativform  auf  s  a  wie yazaesaframru- 
isa  unten  119.  Die  Wurzel  ist  ganz  verschwunden,  nur  die 
Reduplicationssylbe  ist  geblieben,  paiti-viganuha  Ab.  Y.  95. 
An  andern  Stellen  hat  vig  gradezu  die  Bedeutung  von  sein  Farv. 
Y.  71,  73,  99.  Zam.  Y.  85.  Farg.  II,  3.  —  Dass  cinmanö 
hier  nichts  anderes  sein  könne,  als  die  Brücke  Cinvat  geht  aus 
der  Zusammenstellung  mit  gar 6- nm  an e  hervor. —  dagva  Sskr. 
datsva  vergl.  Bopp  Vergl.  Gr.  p.  998.;  ich  glaube  jedoch,  dass 
es  hier  von  der  Wurzel  dha  abzuleiten  ist.  Das  t  vor  sva  ging 
in  9  über  und  desswegen  fiel  der  folgende  Sibilant  aus.  Der  Plu- 
ral  dagta  Yagn.  LXVIII,  21. 

33.  urvaiti  Farg.  IV,  3,  4.  urvaitya  Spiegel  Uebers.  p. 
93.  u  r  V  a  i  t  i  s  Tir.  Y.  40.  neben  avö-urvaitis;  urvätöis 
Yagn.  XL  VI,  5.  Das  Wort  urvata  (Yagn.  XXX,  11;  XXXI, 
1,  23;   XXXIV,  8.  XLIV,   15.)  ist  davon    zu  unterscheiden,    was 


Windischmann,  ubpr  MUhra.  33 

nach  Hang  (Z.  d.  D.M.G.  VIII,  p.  756.)  Lehre,  üeberlieferung- 
bedeutet,  während  derselbe  urvati  mit:  Genossenschaft  erklärt; 
allein  Serosh  Y.  14.  (wo  übrig^ens  urvaitis  steht)  kann  dieser  Sinn 
unmög-lich  g-elten,  es  ist  vielmehr  von  Sskr.  arv,  urv  laedere, 
occidere  abzuleiten,  was  freilich  nicht  beleg-t  ist.  Ich  möchte 
hier  und  Ser.  Y.  I.  c.  urvaiti  im  Sinn  von  Rächer  nehmen.  Zu 
^ravaiihäm  verg-1.  Ya^n.  LIV,  2.  Visp.  XII,  3.  part.  parst6 
^ravanhem  Farg-.  XVIII,  51.  —  Zuerst  kommen  vier  Paar  von 
Geg-enständen,  um  welche  gebeten  wird,  dann  drei  einzelne,  istim 
unten  108.;  Tir.  Y.  15;  istis  Ab.  Y.  26,  98;  Zamy.  Y.  32;  isti- 
vantem  Mab.  Y.  5.  Der  Gegensatz:  ainistim  (äistim  ?)  unten 
110.  Es  bedeutet  die  Fülle,  den  Ueberfluss ;  Sskr.  is  Gedeihen, 
Wohlstand.  —  havanhum  kommt  in  dieser  Form  nicht  mehr 
vor;  Yagn.  LXXI,  11.  bietet  eine  Hs.  havanhum;  havanhu- 
däm  Farg.  XVIII,  6.  mit  der  Variante  havanho-däm.  Da- 
gegen havanhäi  oben  8.  Visp.  V,  1.  XI,  20;  Yagn.  XI,  10. 
XIV,  1.  LXVIII,  4;  havanhö  unten  65.  havanhem  Ashi  Y.  22. 
havanh^  Yagn.  LXVIII,  2.  LXII,  6.  havaiiha  Yagn.  LV,  3. 
An  den  meisten  Stellen  ist  hav.  mit  asavagta  verbunden.  Zu- 
nächst läge  wohl  die  Ableitung  von  su  generare;  allein  Ya^n. 
LXII,  6,  (LXVIII,  4.).  wo  ha  van  he  neben  urune  steht,  an  der 
zweiten  Stelle  im  Gegensatz  zu  fradatliäi  gaethanam,  zwingt 
einen  allgemeinern  Sinn:  Wohlergehen,  Heil,  anzunehmen;  das  passt 
auch  auf  Farg.  XVIII,  6.,  wo  zu  übersetzen  ist:  der  aus  Aengsten 
erlöst  und  Freiheit  giebt  und  an  der  Brücke  Cinvat  Heil  giebt.  — 
h  u  r  u  n  i  m  hurunyäi  Visp.  V,  I .  XI,  20.  h  u  r  u  n  y  ä  i  Ya^n.  LXVIII, 
2.  Das  Wort  scheint  mir  zusammengesetzt  aus  hu  und  uru  oder  ur- 
van.  Ich  übersetze  es  vermuthungsweise  mit:  Tapferkeit.  Oder 
soll  es:  weite  Ausbreitung  heissen  ?  <^pan6  in  Verbindung  mit 
mä^tim  kommtauch  Yagn.  IX,  22  vor,  wo  die  Glosse  Neriosengh's 
(Burnouf  Etudes  p.  287.)  nirväna^nänam  offenbar  zu  gpänö 
gehört,  mahat-tväm  aber  zu  ma^tim.  —  vanaifitim  upara- 
tätem  ein  oft  vorkommender  Begriff  des  zaräthustrischen  Sy- 
stems, regelmässig  neben  Verethraghna  genannt:  Ya^n.  I,  6.  II, 
6.  LVII,  34.  in  ähnlicher  Verbindung,  aus  welcher  namentlich 
die  von  mir  gewählte  Uebersetzung  gerechtfertigt  werden  kann. 

34.  humanaiiho  ivfievtig;  ich  habe  versucht  humänänho 
und  främananhö  als  Accusative  zu  fassen,  was  einen  passen- 
den Gegensatz  zu  den  zu  vernichtenden  Feinden  bilden  dürfte; 
beim  Nominativ  ergäben  sich  fast  unerträgliche  Tautologien.  Im 
Sanskr.  bedeutet  p r  a m  a n a h  glücklich,  erfreut.  Zu  haomanan- 
hamna  vergl.  Atharv.  Ved.  I,  35,  1.  sumanasyamänah.  —  ba- 
re the  die  Parallele  mit  dusmainyüs  macht  für  dieses  verein- 
zelt dastehende  Wort  den  Sinn:  Feind  gewiss.  Ich  vermuthe  je- 
doch, dass  hämerethe  (vergl,  oben  11.)  zu  lesen  ist;  auch 
scheint  vor  viQpäo  tbaösä'o  etwa  viQp^  tbisyantö  ausge- 
fallen zu  sein;    weil  sonst    taurvayama    ohne  Object    wäre.  — 

Abhandl.  der  DMG.  1,1.  3 


fuh 


^4  Windischmann,  über  Milhra. 

Zu   kaoyäni   karafnamca  vergl.  \agn.  XL  VI,  11.    karapano 
kävayagca  und  das  Armenische    khoul    ev  kuir  Elis.  II,  p.  41. 

IX. 

.S5.  arenat-caesem  vielleicht  g-Ieicli  Sskr.  rn  acit  rnam- 
caya  schuldabrechnend,  bestrafend;  nur  steht  die  Form  arenat 
entg-eg-en.  vindat-gpädhem  gpddha  eine  Schaar  Bahr.  Y. 
43,  58. 

36.  arezein  ist  mit  are^ö  Preis,  Lohn  nicht  zu  verwech 
sein,  obgleich  die  Mspte  beide  confundiren.  Das  Wort  kommt 
vor  Yacn.  LVII,  12.  yö  vi^paeibyö  haca  arezaöibyö  va- 
vanvao  paiti-g-agaiti  Farv.  Y.  107.  yö  a^g-atö  arezya- 
yaö  havaeibya  bazubya  tanuye  ravö  aesistö.  An  beiden 
Stellen  muss  es  etwas  auf  den  Kampf,  die  Schlacht  bezüg-liches 
zeichnen:  Schlachtfeld  wäre  wohl  passend,  wenn  frasävayeiti 
nicht  entg-egenstände  (verg-1. Tir.  Y.  9.)  wozu  arezem  als  Accusativ 
gehört;  übrigens  ist  Farg.  II,  11  in  Betracht  zu  ziehen.  Das 
Armenische  erzri  Erde  klingt  an;  ebenso  der  Name  des  Kars- 
yare  Arezahi,  welcher  zunächt  an  Sskr.  ragasi  die  beiden 
Welten  erinnert.  —  yaozenti  kommt  in  ähnliche  Verbindung  vor: 
Tir.  Y.  31.  Ab.  Y.  4.  38.  unten  111.  yaozayeiti  der  Gegen- 
satz von  ramayeiti;  vergl.  Bahr.  Y.  62.  yaozaintis  Farv. 
Y.  95.  Die  Ableitung  von  yu^  will  für  den  Sinn  nicht  passen, 
der  etwa:  erschrecken,  weichen  sein  muss.  Statt  khraoiiha- 
yeiti  ist  wohl  t  h  r  a  o  li  h  ay  e  i  t  i  von  Sskr.  tras  zu  lesen:  er 
macht  erzittern;  s.  unten  41,  Zur  ganzen  Stelle  vergl.  Farv. 
Y.  39. 

37.  aithim  vielleicht  mit  Sskr.  antya  zusammenzuhalten? 
äithis  Yagn.  XLVIII,  9. 

38.  khrumaö  Farv.  Y.  38.  vergl.  vikhrüme fitem  Farg. 
IV,  30.  khrürera  unten  93  und  anderswo.  Es  muss  hier  den 
Sinn:  unglücklich,  gräulich  haben,  sitayo  Häuser,  Familien; 
Burnouf  C.  s.  1.  Y.  p.  276.  Benfey  Glossar  z.  Sama-Veda  s.  v. 
ksiti.  Das  Zeitwort  sky^inti  ist  dieselbe  Wurzel;  k  ist  blosses 
fulcrum,  wie  denn  auch  neben  siti  oder  siti  skiti  vorkömmt;  vergl. 
Y.  fr.  II,  16.  —  khrümim  ist  auffallend;  man  würde  khrü- 
ma  im  erwarten.  Oder  ist  es  als  Adverbium  zu  nehmen? —  cari- 
rahäkhs.  Der  zweite  Theil  dieses  Wortes  ist  klar;  es  ist  die 
Wurzel  hac:  folgen,  welche  auch  in  andern  ähnlichen  Composi- 
tis  erscheint;  so  änushakhs  Yagn.  XXXI,  12;  asanhacim 
Yagn.  XLI,  3.;  gairi-sacö  Tir  Y  .36  (die  bergkletternden  An- 
tilopen: auruna  von  der  Farbe).  Zam.  Y.  66  (dem  Berg  folgend). 
Den  ersten  Theil  canra  erklärt  Spiegel  mit:  Klaue.  In  der  be- 
kannten Aufzählung  der  Herrn  der  Geschöpfe  Visp.  I,  1.;  II,  1.; 
Yaijn.  LXXI,  9  steht  neben  ratav6  f rap ter egatäm  (die 
Herrn  der  Beflügelten;    vergl.   Gr.   nTegv'^)   und  ratavö  rava^- 


Windischmann,  über  Milhra.  35 

carataiu  (die  Herrn  der  leichtg-elienden) :  ratav6  caiira-liä- 
cäm  die  Herrn  der  den  Klauen  folgenden,  d.  i.  wegen  ihrer  ge- 
spaltenen Klauen  langsam  und  schwergehenden  Thiere,  dem  Sinne 
nach  etwa  des  Gr.  iDiinovg  als  Prädicat  der  Rinder.  —  varai- 
thim  pantam  azaiti  Farg.  III,  11.  gäm  varatäm  azaiti 
Farg.  V,  37.  —  darenähu  erkläre  ich  durch:  Tragen,  Lasten, 
frazarsta  ist  nicht  von  hrs  sich  freuen,  sondern  von  dhrs 
niederdrücken  abzuleiten.  —  raithya  kommt  Ashi  Y.  17  vor, 
wo  es  wahrscheinlich:  zu  Wagen,  im  Wagen  befindlich  bedeutet, 
Sskr.  rathya,  was  mit  rathe  hita  erklärt  wird;  s.  Benfey 
Gloss.  s.  V.  —  a^ru  azäno  Thränen  vergiessend;  der  Nom. 
sing,  in  adverbieller  Bedeutung  mit  dem  Plural  des  Verbums  ver- 
bunden, wie  unten  84  ugtana-za^to  mit  dem  feminin,  anu 
zafand  takahe  ist  bezüglich  der  Construction  schwierig;  anu 
regiert  gewöhnlich  den  Accusativ;  auch  ist  nicht  klar,  ob  z  a- 
fanö  ein  Genitiv  ist  von  einem  Neutrum  zafan  Mund,  oder  No- 
minativ, der  mit  dem  folgenden  takahe  ein  Compositum  bilden 
müsste;  dann  wäre  zu  übersetzen:  in  Folge    des  Mundfliessens. 

39.  erezifya-parna  Sskr.  rgipya  wird  mit:  aufstrebend 
im  Flug  erklärt;  s.  Böhllingk  u.  Rolh  s.  v.  Zur  ganzen  Stelle 
vergl,  Roth  Nirukta  p.  58.  asemanö-vidho  und  gleich  darauf 
asemanö-vidhd  und  asemand-^anö  mit  den  Varianten 
asemö,  asemnd,  asimno  ist  dunkel.  Könnte  a  als  a  priva- 
tivum  gefasst  werden,  so  müsste  semanö  oder  semano  etwa: 
Ziel  bedeuten ,  wofür  ich  aber  keine  Parallele  aus  verwandten 
Sprachen  nachweisen  kann;  a^mano  im  Sinne  von:  Luft  wäre 
das  nächstliegende;  allein  es  muss  dabei  auffallend  erscheinen, 
dass  die  Abschreiber  dieses  geläufige  Wort  missverstanden  und 
grade  hier  allein  falsch  geschrieben  haben  sollten.  —  fradakh- 
sanya  Schleudersteine;  s.  die  Schilderung  der  Waffen  des  Krie- 
gers Farg.  XIV,  9  und  Farg.  XVII,  10.  Sie  werden  zarstva 
genannt;  das  Adjectiv  zarstväenis  kommt  Farg.  VI,  46;  VII, 
75;  VIII,  8 — 10  in  der  Aufzählung  nach  den  bessern  Metallnamen 
vor;  Spiegel  übersetzt  es  mit:  steinern,  was  sich  durch  die  Ver- 
gleichung  mit  Sskr.  drsat  Stein  rechtfertigen  könnte.  Aber  um 
steinerne  Schleudergeschosse  zu  bezeichnen,  steht  Farg.  XVH, 
l^agna  fradak  hs  any  a.  Ich  glaube,  dass  zarstva  ein  gerin- 
ges Metall  bedeutet;  auch  die  Römer  hatten  metallene  Schleuderge- 
schosse, auf  welchen  sich  oft  Imprecationen  oder  Schimpfwortc 
befinden. 

40.  kareta  das  kurze  persische  Schwert  oder  Seitenmesser: 
uyivaxrjQ  s.  Brissonius  de  Regno  Pers.  Hl,  8.  nighraire  vergl. 
aörihairö  45.  Ich  glaube,  dass  nighnairö  zu  lesen  ist.  ga- 
rahu   anderswo  gara  Kopf  =  Gr.  xaga. 

41.  hämvaiti  (vergl.  oben  hathr a-nivaiti)  scheint  mir 
für  hämvanaiti  zustehen.  Oder  soll  es  von  va  wehen  kommen? 
—  Da  Farg.  V,  8,  paiti-raöcayÄiti    vorkommt,    was  Spiegel 

3* 


3ß  Windischmann,  über  Milhra 

mit:  bespülen  giebt,  was  mir  aber:  ausspülen,  auswerfen  zu  be- 
deuten scheint,  so  liesse  sich  auch  hier  paiti  mit  raecayeiuti  ver- 
binden: die  rettenden  Yazata's  werfen  die  Kainpfreihen  auseinander, 
entleeren  sie.  Wegen  des  folg-enden  aber,  das  eher  den  Nominativ 
fordert,  habe  ich  anders  übersetzt. 

43.  pancagag-hnai  etc.  Diese  sich  öfter  wiederholende 
Formel  ist  dem  Sinne  nach  klar,  den  ich  etwas  freier  wiederg-e- 
g-eben  habe;  dagegen  ist  die  grammatische  Erklärung  schwieriger, 
mag  man  ghnai  und  ghnäi^ca  nun  als  Dative  fassen,  oder  als 
neutrische  Accusative  des  Plurals;  für  den  Dativ  spricht  \agn. 
X,  6. 

X. 

44.  zem-frathö  so  breit  wie  die  Erde,  frathö  Farg. 
XIX,  19.  Farv.Y.  32.  (baesaza  hacimnao  zam-frathan- 
ha  dänu-dra^ariha  hvare-barezaiiha  sind  die  drei  Aus- 
dehnungen: Breite,  Länge  ufra  Hohe  genannt;  zu  dann  vergl. 
das  vedische  dhanvan  trocknes  Land,  Steppe,  oder  auch  Luft. 
—  maethanem  Wohnort,  wo  man  zusammenkommt,  von  mit 
oder  mith;  mithnatu  oder  mitänatu  Yagn.  X,  L  neben  m  i- 
tayatu,  was  Neriosengh  mit  nivasati  kila  abhyägato  bhavati  er- 
klärt. Wie  irrig  daher  Anquelü  in  maethanem  den  Begriff  des 
Mittlers  findet,  erhellt  von  selbst,  mithnäiti  oben  39,  40. 
mazat  anazo  ist  eine,  wie  mir  dünkt,  glückliche  Emendation 
Weslergaaras.  Auffallend  bleibt  nur  das  lange  a  fast  aller  Hss., 
die  m  a  z  ä  d  a  oder  m  a  z  ä  t  oder  m  a  z  d  ä  t  a  bieten.  p  e  r  e  t  h  u 
aipi  ebenso  Tir.  Y.  40.  Es  scheint:  in  die  Breite  zu  bedeuten, 
dareghemcit  aipi  zrvanem  Zam.  Y.  26.  avat  aipi  Farg. 
VI,  10.  Zam.  Y.  7.  vouru-astem  ist  dunkel;  astam  heisst 
im  Vedischen:  Heimath;  vielleicht  könnte  das  Compositum:  ein 
weites   Heim  darbietend  bedeuten. 

45.  asta  ratayö.  Das  erste  dieser  Worte  als  Zahl  zu 
fassen,  ist  wohl  das  nächstliegende;  ausserdem  hat  asta  die  Be- 
deutung: Genosse  Zam.  Y.  48.  rätayo  ist  entweder  das  Plu- 
ral des  Feminins  rati,  das  in  den  Veda's  die  Opferspende  oder 
Gabe  bedeutet;  dann  passt  aber  das  Folgende  nicht  wohl  dazu; 
oder  es  heisst:  Geber,  Freund  wie  Rigv.  l,  29,  4.  wo  r^- 
yah  vom  Scholiasten  mit:  dänagila  bandhavö  erklärt  wird.  Dann 
fragt  sich:  wer  sind  diese  acht  Genossen?  Vielleicht  die  unten  66 
aufgezählten,  wo  nur  hathrakd  nicht  klar  ist.  —  higpögemna  und 
liismarenta  sind  Desiderativen  von  gpag  urd  smar,  welch  letzte- 
res gewöhnlich  das  s  abwirft;  nach  aiwi  und  paiti  aber  bleibt 
es;  vergl.  Bahr.  Y.  34;  Ab.  Y  11,  123;  unten  86;  Tir  Y.  5,  41, 
48.  —  higpögentem  findet  sich  Tir  Y.  36,  wo  wahrscheinlich 
higpögenti  zu  lesen  ist.  —  avd  Acc.  plur.  Tir  Y.  12.  Farv. 
Y.  60.  —  Statt  igenti  mit  der  Variante  a^eßti  ist  vielleicht 
^ageiiti  zu  lesen. 


Windischmann,  üb  ei-  Milhra.  37 

46.  Zupa^capavao  purö  p  a  v  a  o  verg-l.  Atliarv.  V.  VIII, 
3,  20.  vidha^ta  iielimc  ich  als  noinen  actionis  von  vi-di  sehen: 
der  Durchschauer. 

XI. 

47.  zaranuDianem.  Als  Epitheton  des  Vogels  kahrkäga 
kommt  zarenumainis  Bahr.  Y.  33;  Din  Y.  13  vor.  zarenu- 
m  a  t  i  Zara.  Y.  67.  zarenumantem  Ny.  1 ,  8 :  x^fr.  Zart.  4 ; 
Vist.  Y.  4.  Die  letzteren  Stellen  sind  hesonders  schwierig-,  da 
ein  hestimmtes  Wesen  mit  diesem  Namen  hezeichnet  zu  sein  scheint. 
Hängt  das  Wort  mit  Sskr.  hrniya  Scham,  Bescheidenheit,  oder 
mit  hrnijate  zusammen?  ich  ühersetze  nach  letzterem,  jedoch  mit 
Bedenken.  —  ^afaonhö  etymologisch  und  dem  Sinn  nach  unser: 
Huf,  Sskr.  gapha  vergl.  Diefenhach  Goth.  Wörterb.  II,  p.  545. 

48.  apaQ  (vergl.  apäm  Yagn.  X,  I;  Farv.  Y.  91)  giebt  dem 
folgenden  Zeitwort  darezayeiti  die  Bedeutung  des  Gegentheils : 
kraftlos  machen:  wie  sogleich;  apagaosayeiti  taub  machen, 
wenn  nicht  darez.  den  Sinn  von:  steifmachen  hat;  vergl,  Orm.  Y. 
28  (und  damit  Atharv.  V.  IV,  3,  3.)  und  zum  Ganzen  Ya^n. 
IX,  28.  gava  ist  der  terminus  proprius  für  die  Hand  bei  bösen 
Geschöpfen.  —  daema  der  Blick  Bahr.  Y.  12,  56,  63.  —  duj- 
berentö  baraiti  der  Gegensatz  von  huberetd  baraiti  un- 
ten 112.  huberetam  barat  Ram  Y.  40;  his  huberetao  ba- 
rat  Farv.  Y.  18.  Bisitun- Inschrift  I,  21.  giebt  dieselbe  Phrase: 
u  bar  tarn  abaram.  Es  ist  daher  hier  zu  übersetzen:  wenn  Mi- 
thra  mit  üebelwollen  erträgt,  Vergleiche  im  Gr.  den  Gegensatz 
von  ev(f>OQla  und  dvg(fOQia, 

XH. 

50.  Der  Wohnsitz  Mithra's  wird  wie  das  Paradies  (Rashn. 
Y,  23)  und  wie  die  Zeit  Yima's  geschildert,  pöuru-fraour- 
va^QyTm  —  fraourvae^ayäti  unten 86;  hufraourvaegö  Ab. 
Y.  13J.;  fraourva^gay^ni  Gosh  Y.  31;  Ashi  Y.  51.  afra- 
ourvitjvat  Farv.  Y.  26.  Das  einfache  urvaeg  Zam  Y.  82; 
Rashn.  Y.  25;  Farv.  Y.  58,  89;  Ab.  Y.  131;  Bahr.  Y.  29;  Tir 
Y.  35;  Y.  fr.  I,  15;  p ai  r  i- u rva e gay at i  Bahr.  Y.  56;  vi- 
urvi^yät  Farg.  XIX,  7.;  vi-urvi^tim  Y.  fr.  II,  17.  Farg. 
^III,  81.  ham-urvi^yaönhö  Farg.  IH,  32  ;ä  iwi -urvaega- 
yariuha  Ashi  Y.  15;  ni-urvaegyäni  Ashi  Y.  57 ;  ava- 
ourvae^ayeiti  Farg.  IV,  22.  Auf  alle  diese  Stellen  passt 
die  Bedeutung  des  ins  weite  Gehens,  der  Bewegung,  die  auch 
dem  Sskr.  urusy  zu  Grunde  liegt.  Hier  scheint  mir  das  Epitlie- 
ton  des  Berges  Hara:  den  von  Vielen  zu  besteigenden  zu  bedeu- 
ten, weil  die  Seelen  der  Frommen  über  ihn  hinaufsteigen. 

51.  hväre- hazaos  a  in  Genossenschaft  mit  der  Sonne; 
Sskr.  sa^osa  Rigv.  1,  43,  3. 


5§  Windischmann,  über  Milhra 

52.  fradvaraiti  thwasa  schnell;  vergl.  Farv.  Y.  39.  — 
niayaos  mit  den  Varianten  mäyus  und  maus,  ein  schwieriges 
Wort,  theils  weil  es  ungewiss  ist,  ob  yö  mayaos  eine  Appo- 
sition zu  nairyö»ganhas  bildet,  oder  ob  mayaos  ein  Genitiv  ist, 
der  etwa  von  vadhem  regiert  wird,  welch  letzteres  aber  kritisch 
bezweifelt  werden  kann;  theils  weil  das  Wort  mayaos  in  dieser 
Form  nicht  vorkommt;  denn  raayabyö  Yägn.  X,  12  und  maya 
Ya^n.  XLIII,  2  gehören  zu  Sskr.  maya.  Ist  vielleicht  mü  s  Ya^n. 
XVI ,  8  und  Ya^n.  LXVIII ,  8.  (vergl.  Farg.  XI ,  9  müidhi)  hier- 
herzuziehen ,  nach  Anquetil  der  Name  eines  weiblichen  Unholden, 
wie  avänhaö  zeigt?  maus  wäre  dann  der  Genitiv  von  müs.  Oder 
ist  mayu  der  Täuscher,  Betrüger?  Sskr.  mayu  Galle,  zugleich 
aber  in  der  vedischen  Sprache  eine  Bezeichnung  für  Laute,  z.  B. 
das  Blöcken  des  Rindes  Ätharv.  V.  IX,  26,  6,  7.;  ferner  ma- 
yuka  klein  Nigh.  III,  2  will  ich  nur  anführen.  Ist  mit  einer  Hs. 
mayus  zu  lesen  und  ein  Epitheton  des  Genius  Nairyo^aiiha  an- 
zunehmen, so  könnte  man  übersetzen:  der  Schreier  in  der 
Schlacht.  Statt  vadhem,  wie  Westergaard  giebt,  könnte  auch  va 
dem  gelesen  werden. 

XIII. 

53.  hvap6  Sskr.  svapas  Nirukt.  p.  129.  Abän  Y.  85;  Yagn. 
X,  10  hvapao,  wo  es  Neriosengh  mit  ksamaluh  übersetzt;  un- 
ten 92  mit  der  Variante  hvapao.  —  Die  Klage  Mithra's ,  dass  er 
nicht  mit  nämengenanntem  Opfer  verehrt  werde ,  wie  die  anderen 
Yazata's,  deutet  wohl  auf  eine  Zeit  hin,  wo  der  Mithracultus  noch 
nicht  allgemein  und  den  übrigen  Culten  ebenbürtig  war. 

55.  Eine  der  schwierigsten  Stellen  der  Zendbücher,  die  sich 
unten  74  und  Tir  Y.  11  mit  geringen  Varianten  wiederholt.  Ver- 
suchen wir  zuerst  eine  Analyse  der  einzelnen  Worte:  fra  ist 
durch  Tmese  von  s  u  s  u  y  u  m  getrennt ;  parallel  dazu  ist  u  p  a  -  g  a  g  h- 
myäm;  denn  es  ist  wohl  zu  lesen:  up  a  athwär  s  tah  e,  wie  K.  15. 
Tir  Y.  11  und  unten  74  giebt.  Oder  noch  besser  athwarstahe 
upa.  üebrigens  kommt  upa  auch  in  Verbindung  mit  thwere^  vor 
Farg.  VIII,  10;  XVII,  2.  Xlll,  32.  Das  Subject  sind  nicht 
etwa  die  Menschen,  sondern  Mithra  selbst,  wie  die  erste  Person 
beweist,  wenn  nicht,  wie  etwa  aus  Tir  Y.  24  geschlossen  werden 
könnte,  die  Endung  am  auch  für  die  3.  Person  des  Plurals  gel- 
ten kann.  —  nuruyö  asavaoyo  müssen  wie  thwarstahe  Ge- 
nitiv? sein,  die  von  fra  abhängen,  nuru  ist  ein  Adjectiv,  wel- 
ches wahrscheinlich  mit  dem  Adverbium  nürem  schnell,  augen- 
blicklich, jetzt,  eines  Stammes  ist;  letzteres  kommt  vor  Ab. 
Y.  63;  Bahr.  Y.  54,  55,  56;  Yagn.  XXXI,  7;  LXII,  6;  ebenso 
nur  am  Tir  Y.  15,  23.  Farv.  Y.  53;  vergl.  Sskr.  nü- 
nam  im  Sinne  von  idanim.  —  nurem  kommt  vor  Ab.  Y.  50; 
Zam.  Y.  77.     Ist  Ardib.  Y.  4  wo  neben  uruyö  die  Variante  nai- 


Windischmann,  über  Milhra.  39 

ryö  steht,  ebenfalls  iiuruyo  zu  lesen?  —  asavaoyö  kommt  noch 
Farv.  Y.  86  vor  als  Apposition  zu  gtaoyo,  und  ist  dort  offenbar  Ge- 
nitiv; ebenso  passt  Ardib.  Y.  4,  ein  Genitiv  am  besten.  Da  wie 
wir  schon  wissen,  ao  zwischen  die  Endung-  yd  und  asav  ^einge- 
schoben ist  (veigl.  ragmaoyo),  so  haben  wir  ein  Adjectiväsä- 
vi  vorauszusetzen,  für  welches  ich  den  Sinn:  vergäng-lich  verrau- 
the.  Doch  lassen  die  Varianten  Ardib.  Y.  4  etwa  auch  ein  initi- 
ales khs  annehmen,  thwarstahe  ist  ein  mit  zrvän  Zeit  öfter 
verbundenes  Adjectiv;  vergl.  thwarstai  zriine  Ab.  Y.  129. 
frathwarstem  zrvänem  Farv.  Y.  56.  —  zrii  ayu  hier  und 
74  eine  Art  Indeclinabile ;  dag-eg-en  Tir.  Y.  zrüäyat;  man  würde 
zrüäyaot  oder  ayaos  erwarten.  ayü  Ya^n.  XXXI,  20. 
ayu  s  unten  117  (so  ist  zu  corrig-iren)  ayaos  Tir  Y.  14.  — 
Nun  beginnen  Gegensätze  zum  Vorhergehenden,  und  zwar  qah^ 
gayehe  zu  zrü-äyu,  qanvatö  zu  nuruyö,  amesahe  zu 
asaväoyd  und  a thwarstahe  zu  thwarstahe.  Das  Wort 
qanvatd  findet  sich  ebenso  als  Epitheton  zu  gayehe  Yagn.  IX, 
1,  wo  es  Neriosengh  mit  sundarakrtena  übersetzt;  als  Bezeich- 
nung eines  Berges  Tir  Y~.  6,  37,  38;  als  Epitheton  des  Himmels 
Farg.  XIX,  35;  Visp.  VII.  4;  Yagn.  XXV,  p.  112.  V.  L.;  Farv. 
Y.  96;  Y.  fr.  II,  37.  qanvaitisca  verezö  Ardib.  Y.  1  was  mit 
Yagn.  XVI,  7  zu  vergleichen  ist:  qanvaitis  asahe  verezö 
yazamaid^  yahu  irigtanäm,  urvänd  säyante  yao  asa- 
onäm  fravasayö,  an  welcher  Stelle  Neriosengh  (Uurnouf  Etud. 
p.  125)  ^ubhakrtim  punyakrtim  übersetzt;  es  sind  die  ewig 
dauernden  guten  Werke,  in  welchen  die  Seelen  ruhen.  Dasselbe 
wiederholt  sich  Visp.  XIX,  2.  —  qanvat  hat,  wie  ich  wegen 
des  Gegensatzes  zu  nuruyö  glaube,  die  Bedeutung:  beständig, 
ewig.  Die  Ableitung  des  Wortes  ist  dunkel.  Sskr,  svan  tö- 
nen findet  sich  wieder  in  qanat  Ab.  Y.  130;  Gosh  Y.  2;  Ashi 
Y.  1,7.  —  Wenn  nach  vorstehender  Erklärung  die  Stelle  ein 
Voranschreiten  Mithra's  von  zeitlicher  Existenz  zu  ewiger  prädi- 
cirt,  so  ist  ihre  hohe  Wichtigkeit  für  mithrische  Lehre  von  selbst 
einleuchtend. 


XIV. 

60.  Dieser  Abschnitt  leidet  an  offenbaren  Corruptelen ;  p  a  o- 
gravanhem  ist  wohl  nur  Druckfehler  statt:  hao  gravanhem.  ^ — 
Die  Composita  mit  vagö  (vagö-khsathrö  Yagn.  IX,  17,  25; 
LVII,  24;  unten  113  Zam.  Y.  11.  vagö-yaona  Farv.  Y.  34) 
drücken  aus,  dass  einer  befähigt  sei  nach  eigenem  Willen  das  im 
zweiten  Theil  des  Compositums  Enthaltene  auszuüben,  oder  da- 
rauf einzuwirken.  —  ataurvayö  muss ,  wenn  es  acht  ist  (da  es 
zwei  Hss.  auslassen)  die  folgenden  Accusative  regieren.  —  Statt 
vagö  yao  näi  inatäm  ist  wohl  zu  lesen :  vagö-yaonem  a  i- 
nitem  was  durch  Farv.  Y.  34  bestätigt  werden  dürfte,     yaonera 


40  Windisrhmann ,  üher  Mühra. 

heisst  Aufenthaltsort;  Ardib.  Y.  4.  ainita  ist  die  Negation  von 
intta,  dessen  Wurzel  in  im  vSskr.  drängen,  treiben  heisst;  davon 
Z.  aenö  und  Sskr.  enas ;  ainita  heisst  daher:  nicht  verg-ewaltig-t. 
Gehören  auch  die  Accusative  vor  ataurvayd  zu  diesem?  Sind  va- 
co-yaonem  und  a  i  n  i  t  e  m  und  h  u  d  h  a  ö  nh  e  m  Apposita  zu  v  a  q- 
trim?  Die  Uebersetzung  dieses  Abschnittes  kann  nur  eine  eon- 
jecturale  sein. 

XV. 

61.  eredhwö-z  an  g-em  den  auf  denFüssen  stehenden;  vergL 
Zam.  Y.  39.  —  Statt  frat-apem  ist  wohl  fratat-apem  zu 
lesen;  frÄtat  Farv.  Y.  14^  53;  Farg.  II,  26.  Tir  Y.  41.  Zu 
zavanö-grütem  vergl.  havanö-^rütah  Vaj.  Sanhit.  IX,  16, 
was  der  Scholiast  erklärt:  havauam  ahvänam  ^rnvantiti. 

XVI. 

64.  vyäni  oben  61  vyänem;  vyanaya  Yagn.  XLIV,  7. 
vyag  und  vyänö  Farv.  Y.  34.  Hang  Zendstudien  (Z.  d.  D.  M. 
G.  VIII,  p.  771)  erklärt  vyana  mit  Weisheit.  Es  heisst  wohl 
zunächst  Durchdringung  und  sodann  Kenntniss.  —  frakayäi 
vergl.  Ab.  Y.  1;  Farv.  Y.  4.  —  Statt  yahi  ist  wohl  yahmi  zu 
lesen. 

65.  aredrö  Yagn.  XLIII,  3;  XLVI,  16;  XLVIII,  8j 
L,  4;  LX;  1;  Ab.  Y.  19;  Gosh.  Y.  5;,  Ram  Y.  1,  21  (als 
Epitheton  des  Opfrers);  Farv.  Y.  32,  75  (als  Epitheton  der  Fra- 
vasi's).  Da  die  Sskr.  Wurzel  ard  auch  die  Bedeutung  biUen  hat, 
so  könnte  aredro  den  Betenden  bedeuten,  was  wohl  auf  einige 
der  angeführten  Stellen  passt,  aber  nicht  auf  alle;  ich  übersetze 
es  mit:  begehrend.  —  äzüiti  Rashn.  Y.  3.  Farg.  XIII,  53. 
Ya^n.  XXXVllI,  2  neben  i  j  a. 

66.  p  are  ndica  raoratha  einer  der  dunkelsten  BegriflFe  des 
zäräthustrischen  Systems,  Yagn.  Xlll,  1  kommt  pareüdi  als  Appo> 
sition  zu  daena  vor;  dagegen  XXXVIII,  2  als  ein  besonderes  We- 
sen;  Visp.  VII,  2.  päre ndica  raoratha  Vist.  Y.  8.  —  ha- 
t  h  r  ä  k  ö  ist  gebildet  wie  fraka.  Die  üebersetzung  ist  nur  Vermuthung. 

XVII. 

67.  vdsä  ist  der  Instrumental.  —  Da  hacimnö  mit  den 
folgenden  Instrumentalen  zu  verbinden  ist ,  so  muss  cakhra  wohl 
als  Plural  genommen  werden :  in  Bezug  auf  die  Räder.  —  68. 
qiti  kommt  noch  vor  Ya^n.  XXX,  11;  qitäog  Khord.  Y.  1. ; 
es  ist  aus  su  -|-  viti  zu  erklären,  welch  letzteres  im  Sskr.  Gehen, 
Bewegung  bedeutet,  in  den  Veda's  Opfermal  (?),  Instrum.  viti; 
vergl.  Benfey  Glossar  s.  v.     Ich  übersetze  conjectural  mit :  placide. 

68.  raokhsna  fradere^ra  Tir  Y.  2.  Farv.  Y.  81 ;  Farg. 


Windischmann,  über  Milhra  41 

XXII,  1,  wo  Spiegel  g-länzend  und  sehenswürdig-  übersetzt.  — 
agaya  durch  Schnelligkeit.  —  mainiva^anhö  Yagn.  LVII,  27. 
Sing-ular  mainivagaö  Tir  Y.  6,  37.  Dag-eg^en  mainya- 
vagaö  unten  128  Der  Sinn  ist  J  die  Pferde  laufen  mit  geister- 
hafter Schnelligkeit,  iriuakhti  Sskr.  ric.  Der  Gegensatz  pai- 
ti-irinakhti  Bahr.  Y.  47. 

69.  värenya  die  im  var enem  befindlichen  Gottlosen,  d.h. 
in  jener  Gegend,  wo  Thraetaona  geboren  wurde.  —  moi  tu  we- 
der ich  noch  du  passen  zu  ^a^a^ma;  vielleicht  ist  mdit  d.  i.  mä  -j- 
it  (wie  noit)  zu  lesen,  vaeghai  Sskr.  vega  Eile,  Strom;  es 
ist  das  mächtige  Einherstürmen  des  Gottes  gemeint. 

XVIII. 

70.  Die  Beschreibung  des  Verethraghna  unter  der  Gestalt 
eines  Ebers  wiederholt  sich  Bahr.  Y.  15;  unten  127  wird  der 
Fluch  mit  diesem  Bilde  dargestellt.  —  paiti-eren6  hat  hier 
und  dort  die  Variante  paeterenö;  wahrscheinlich:  der  sich  ent- 
gegen wirft  von  rnöti.  —  agürahe  kommt  Ya^n.  XXIX,  9  in 
einer  offenbar  hierher  nicht  passenden  Bedeutung  vor.  Dagegen  t  i  j  i- 
Qrvahe  Bahr.  Y.  25,  was  wohl  mit  schärfen  Klauen  bedeutet 
(vergl.  Zam.  Y.  43.  Bahr.  Y.  7);  ich  vermuthe  dass  auch  hier  so 
gelesen  werden  muss.  —  änu-pöithwahe  von  Anquetil  richtig 
mit:  gras  übersetzt;  Sskr.  py  ai  Part,  pina  pinguescere.  — 
parsvänikahe  Sskr.  anika  x4ngesicht.  parsuyaö  ist  Tir  Y. 
42;  Ya^n.  LXVIli ,  6  Epitheton  des  Wassers,  von  Sskr.  pars 
madeficri,  prs  spargere,  irrigare;  es  ist  damit  das  Regenwasser 
gemeint.  —  ayanho  ist  wohl  überall  im  Sinn  von:  Erz  zu  neh- 
men, dumahe  Tir  Y.  21  (dümahe)  Farg.  XIH,  34.  Schweif  von 
Sskr.  dhu  agitare,  wovon  dhüma  Rauch.  —  paitis-qarenö 
Wange  Farg.  III,   14. 

71.  ^ti^a  ist  schwierig.  Unten  106  kommt  gate-aogo  mit 
den  Varianten  gtejjnd  gte  vor;  sollte  dieses  gte  auch  hier  anzu- 
nehmen sein,  so  dass  der  Sinn  wäre:  Hunderttödter?  Oder  ist  gtiga 
von  einer  Wurzel  Qti^=:Lat.  stig,  sting  instigare,  distinguere, 
njiy  In  Gl  i^Wy  orly^a? —  merezu  Sskr.  mar  gü  das  Mark.  Der  No- 
minativ ^tüno  ist  auffallend,  khaö  Farv.  Y.  14.  Bahr.  Y.  29.  Wird 
auf  diese  Stelle  von  Neriosengh  angespielt  ( Burnouf  Etudes  p.  117.r( 

72.  hakat  Farg.  VIII,  70,  71,  IX,  25,  26;  XVIII,  16, 
24,  55,  59;  XXII,  3;  es  heisst:  auf  einmal,  zugleich.  —  ag- 
tegca  vergl.  Farg.  VI,  8.  m  a^  tare  ghan  agca  Gehirn;  Sskr. 
mastaka  Schädel;  mastiska  Gehirn.  Das  sonst  nicht  mehr 
vorkommende  Wort  ist  gebildet  wie  fra^paregha   \aQn.  X,  6, 

XIX. 

73.  avaruit  scheint  mir  von  ava  und  ri  zu  kommen, 
welch  letzteres  im  Sskr.  mugire  bedeutet. 


42  Windischmann,  über  Milhra. 

75.  s.  panö  und  s.  iricö  g-laube  ich  in  passivem  Sinn 
nehmen  zu  müssen ;  es  könnte  freilich  auch  heissen :  feldbeschützend, 
feldleerend. 

76.  zavanö-Qva.  Ebenso  Zam.  Y.  52.  zavano^üm  als 
Beiname  des  Meergottes.  Ny.  III,  II.  zavand-gavö.  Verg-1. 
oben  z  avanö-grütem.  Ist  zavanö  Ruf,  oder  hier  gleich  Sskr. 
havana  Kampf?  Rig.  V.  I,  102,  10,  wo  der  Scholiast  hava- 
nösu  mit  yud  dharth  amäh  van  ^su  erklärt.  Der  zweite  Theil 
des  Wortes  gehört  znr  Wurzel  ^u  (^avas);  vergl.  Ya^n. 
XXXIX,  3,  wo  yavae^vö  wohl  die  immer  glücklichen,  nützen- 
den bedeutet. 

77.  daregha  aiwi-sayana  fasse  ich  als  Instrumental. 
Für  aiwi-sayamna  gebe  ich  nur  eine  muthmassliche  üebersetz- 
ung.  —  bereghmya  kommt  meines  Wissens  nur  an  dieser  Stelle 
vor;  die  Wurzel  bere^  heisst  wohl  segnen,  saetem  bedeutet 
in  den  Worten:  saetavatö  und  asaetai  Farg.  IV,  47.  (cf 
44.)  Geld  oder  Reichthum;  vergl.  Asht.  Y.   1. 

78.  avaqyäi  vergl.  Yagn.  LVIH,  7.  Es  scheint  mir  nur 
die  ältere  Form  für  avanhe  zu  sein. 

XX. 

79.  Wenn  nicht  statt  rasnus  rasnaos  gelesen  werden  darf, 
so  müsste  es  als  Adjectiv  zu  Mithra  gezogen  werden.  —  dare- 
ghai  hakhedhräi  vergl.  unten  81;  Ashi  Y.  6;  dareghd- 
h akhedrayana  Gosh  Y.  1;  dareghaeibyö  hakhedr ae i by ö 
Farv.  Y.  30 ;  h  a  k  h  e  d  r  e  m  unten  80  ;  h  a  k  h  e  d  r  e  m  y  at  a  ^  t  i 
hakhedranäm  vahistem  antare  maörihemca  hvareca 
Khur.  Y.  5.  hakhedra  Vist.  Y.  10.  Ich  glaube,  dass  hakhe- 
drem  Freundschaft,  Genossenschaft  oder  Begleitung  heisst.  — 
Für  frabavara  bieten  die  Hss.  unten  81  frabaevare  (wenn  ich  W.s 
Varianten  richtig  verstehe);  vermuthlich  ist  frabawara  oder  fra- 
bawre  (?)  zu  lesen.  —  Was  manav aintim  sei,  weiss  ich  nicht 
zu  errathen;  es  kommt  sonst  nicht  vor,  Ist  etwa  maniva fitem 
zu  lesen?  vergl.  Yagn.  XIX,  9.  mainivad  Farv.  Y.  76.  Im 
Armenischen  findet  sich  das  Adverbium  manav  an  t  in  der  Bedeu- 
tung: mehr,  überdiess. 

80.  varezanahe  vergl.  Farg.  XV,  17.  ^air^  varezänÄ 
was  mir  übrigens  dunkel  ist.  varezänai  Ashi  Y.  46.;  vare- 
zana  unten  116.  Es  ist  schwer  den  bestimmten  Begriff  zu  er- 
mitteln; ich  habe  den  allgemeinen:  Verkehr  gewählt,  göire  mit 
den  Varianten  ^öiri,  soire,  görai  kommt  meines  Wissesis 
nicht  weiter  vor.  Aehnlich  klingende  Formen  sind:  gäiri  Bahr. 
Y.  57;  9Üirim  Bahr.  Y.  20.  (;,aire  Farg.  III,  8.  VII,  45  sqq., 
welches  Leichnam  zu  bedeuten  scheint  und  allenfalls  mit  Sskr. 
^arira  verglichen  werden  kann.  Dagegen  ^aire  Yagn.  XXXV, 
8    muss    einen    andern    Sinn     haben.       Ebenso    gaer^    oder   ^aire 


Windischmann,  über  MUhra.  43 

Farg".  XV,  17,  20.;  doch  liesse  sich  diess  noch  mit  der  Bedeutung-.* 
Körper  vermitteln.  Meine  üebersetzung-  beruht  auf  einer  sehr 
g-ewiig-ten  Conjectur.  die  göire  für  eine  dem  Sskr.  gerate  ja- 
cent  analoge  Form  hält. —  vithisi  erinnert  an  vithwigö  F'arv. 
Y.  20.  vithus  und  vithus  avaiti  Farg.  IV,  54,  55.  vithus- 
aebya^  Visp.  VI,  l.  vithusam  Farg.  I,  6.;  wo  sich  die  Va- 
riante vithisäm  findet.  —  vithus  i  Din.  Y.  15.  Die  F>klärung, 
die  Haug  (das  erste  Kap.  des  Vendidad  p.  28)  hiervon  giebt, 
scheint  mir  sehr  gewagt. 

XXI. 

82.  yaokhstinäm  vergl.  Tir.  Y.  45.;  oben  35,  61;  ya- 
okhstivantem  oben  61;  Tir.  Y.  8,  49;  Mali.  Y.  5;  Rashn. 
Y.  1;  Zam.  Y.  9.  y  ao  kh  sti  vaiti  Farg.  XIX,  30.  yaokhsti- 
vatäm  Farg.  XX,  1.  Neriosengh  giebt  Ya^n.  IX,  8  hazarira- 
yaokhstim  mit  sahasra-pranidhim;  letzeres  Wort  scheint 
Anstrengung,  Thätigkeit  zu  bedeuten.  —  vidoithre  vergl.  oben 
46.  vidhaeta.  —  mithrö-zyäm  vergl.  Yacn.  LXI ,  3,  wo 
offenbar  etwas  Schlimmes  gemeint  ist.  Im  Atharva-Veda  kommt 
das  Compositum  brahma^ya  vor;  die  Stelle  ist  mir  leider  entfallen. 

XXII. 

84.  u^tanazastö  mit  aufgehobenen  Händen  auch  in  der 
Vedasprache  vorfindlich  Rigv.  III,  14,  5.  uttänahastä.  Der 
Nominativ  auf  ö  ist  adverbiell  neben  ein  Femininum  gestellt;  denn 
das  muss  dväcina  -  hacimna  sein.  Ersteres  Wort  kommt  so 
geschrieben  nicht  mehr  vor;  es  scheint  mir  aber  gleich  daväg- 
cinä  Ya^n.  XXXI,  10  (neben  da^vacina  Yagn.  XXX,  6,), 
Der  zweite  Theil  des  Wortes:  cina  dient  zur  Bildung  von  Ad- 
jectivconipositen  wie  z.  B.  tathro-cina  im  Finstern  schleichend 
Farg.  XIII,  47.  dvä  nehme  ich  =  dvar  Thüre  —  die  an  die 
Thüren  Gehende  ist  die  Bettlerin,  d^vgoxönog;  vergl.  Farg-.  III, 
29  histahi  anyehe  dvare.  Oder  sollte  dvd  mit  dav  dabh  be- 
trügen zusammenhängen?  —  pithö  kommt  nicht  mehr  vor;  eine 
Hs.  bietet  pitha.  Ist  etwa  pithwa  zu  lesen  von  pitu  Topf 
oder  Speise;  (vergl.  Yagn.  IX,  II.)?  Oder  pithwe  der  Speise 
folgend?  oder  pithra  vom  Vater  gefolgt?  —  Eür  dareghu- 
scit  ist  wohl  drighu^cit  zu  lesen,  wie  sich  aus  den  Varianten 
und  der  Vergleichung  anderer  Stellen  ergiebt;  drighus  verhält 
sich  zu  driwis  wie  laghu  zu  levis.  —  apayato  scheint  mir 
nicht  mit  dem  oben  besprochenen  apayeiti  zusammenzustellen,  son- 
dern mit  apa  -|-  yata  von  yam  zu  erklären:  der  in  seinen  Ge- 
richten abgewiesene. 

85.  gerezanahe  vergl.  oben  53;  Farv.  Y.  157;  Ashi  Y. 
57;  Zam.  Y.  80.  Unverkennbar  ist  der  Gegensatz  von  nemaiiha 
und  gaosa;    ersteres   scheint  das    laute  Erheben    der  Stimme    zu 


44  Windischmann  ,  über  Milhra. 

bezeichnen,  letzteres  das  ins  Ohr  sprechen,  vacim  auch  unten  113 
mit  barat  verbunden,  wie  Farg-.  IIJ,  11;  Ya^n.  XXXI,  12;  L,  6 ; 
LXX,  4";  Farg.  XVIII,   15,  23,  29;  väcim  allein  Farg-.  XllI,  40. 

86.  yä  ist  auffallend;  nach  dem  Vorhergehenden  würde  yim 
erwartet;  auch  ist  kein  ausg-edrücktes  Subject  da,  welches  aber 
unstreitig  die  in  die  Irre  gerathene  Kuh  ist  vergl.  oben  38.  Viel- 
leicht ist  zu  lesen:  yim  gaus. —  gavaithim  muss  etwas  auf 
die  Kuh  bezügliches  sein,  etwa  der  Stall?  kapo  mit  den  Va- 
rianten kapa  und  kapha  (kafem  Bahr.  Y.  13)  ist  unklar; 
am  nächsten  läge  die  Correctur  kädha  nö;  allein  das  hätten 
die  Abschreiber  nicht  so  leicht  verderbt.  —  asahe  paiti  paii- 
täm  vergl.  das  vedische :  rtasya  pantha  Böhllingk  Sanskr. 
Wörterb.  p.  1048.  —  vae^menda.  Vergl.  Sskr.  va^Qman 
Haus,  vielleicht  mit  Nebenbeziehung  auf  ve^ya,  ein  schlechtes 
Haus.  Das  schliessende  da  ist  meines  Erachtens  das  Gr.  öe  in 
oly.ovöe.  Die  Kuh  ist  in  die  Irre  geführt  und  in  das  Haus  der 
Drukh's;  von  dort  befreit  sie  Mithra  (boum  abactor)  und  führt  sie 
auf  den  rechten  Weg  und  zum  Stalle  zurück.  Ueber  den  Raub 
der  Kuh,  die  von  Indra  befreit  wird,  vergl.  Rosen  zu  Rigv.  1,  6,  5. 

XXHl. 

88.  frasmis  kommt  ausschliesslich  als  Beiwort  Haoma's 
vor:  Yagn.  X,  21  (wo  es  Neriosengh  nicht  übersetzt);  XLll,  5; 
LVII,  19;  Tir.  Y.  33;  Gosh  Y.  17;  Ashi  Y.  37.  Verwandt 
dürfte  frasmö  in  hü-frasmo-daitim  sein  unten  95;  Yagn.  LVll, 
10,  16;  Ab.  Y.  91.  Es  wäre  möglich,  dass  in  sma  Sskr.  ksmä 
Erde  steckt  und  däss  frasmö  frasmis  über  der  Erde  erschei- 
nend, hervorspriessend  heisst. 

89.  berezi-gäthrem.  Dürfte  berezi-gathem  gelesen  werden 
(vergl.  vidus-gathem  Farg.  XVIII),  so  Hesse  es  sich  übersetzen: 
der  die  Gäthä's  mit  lauter  Stimme  singt.  Doch  findet  sich  auch 
gathrö  Farv.  Y.  105,  was  dem  Sskr.  gatra  Glied  analog  sein 
dürfte.  —  h  6  statt  y  e  u  g  h  e. 

90.  Bei  yo  ist  es  zweifelhaft,  ob  es  auf  Haoma  oder  Mi- 
thra geht.  —  beregayat  unten  108.  parä-bere^aydni; 
Farg.  Vll,  52.  beregayaönti  —  beregaem;  berekhdhäm 
Y.  fr.  II,  14;  berekhdaö  Ashi  Y.  7.  Die  Bedeutung  segnen 
wird  auf  diese  Stellen  passen,  kehrpö  ist  der  Genitiv  von  ke- 
refs,  womit  yeüghao  und  huraodhayaö    zu  verbinden  sind. 

92.  Vergl.  Yagn.  LVll,  24,  25,  wo  ganz  dasselbe  von  f raosa 
prädicirt  ist.  fraorenta  oder  getrennt  frä-vareuta  würde  den 
passendsten  Sinn  geben,  wenn  es  passivisch  genommen  werden 
dürfte:  Ahura  und  die  Amesa - ppenta's  werden  verkündet  durch 
diese  Lehre. 

93.  vaeibya.  Im  Zend  fällt  das  u  des  Sskr.  ubhau  ebenso 
ab,  wie  im  Gothischen;  s.  Diefenbach  Wörterb.  d.  goth.  Spr.  I,  p. 


Windüchmann ,  über  Mühra.  45 

256.  va  unten  95.  Gosli  Y.  10;  Ab.  Y.  131.  Zam.  Y.  29.  vaya 
101.  Der  Geg-ensatz  zwisclien  ahu  a^tvant  und  manahyö  macht 
es  klar,  dass  erstere  so  oft  vorkommende  Phrase  die  bekörperte 
Welt  oder  eig-entlich  die  knochig-e,  nach  dem  festesten  Theil  des 
leiblichen  Org-anismus  ausdrückt.  Auch  die  Veda's  kennen  diese 
Antithese:  Rig-v.  I,  164,  4  wird  asthvantam  dem  anastha  g"eg-en- 
überg-estellt,  welclie  beide  Worte  vom  Scholiasten  mit  sagariram 
und  a^arirä  erklärt  werden,  aesmo  erscheint  hier,  wie  Ya^n. 
LVll,  25  in  Beg-Ieitangf  des  Todes  und  jener  dämonischen  Kraft, 
welche  die  Auflösung  des  Leibes  bewirkt;  er  selbst  ist  ein  Uaupt- 
repräsentant  der  zerstörenden  Gewalt  des  Ariro  -  Mainyus.  Sein 
Name,  der  bald  ae^mo,  bald  aesmö  g*eschrieben  wird,  bedeutet 
entweder  den  Brenner  von  idh ,  oder  den  Anstreber,  Treiber,  den 
Beg^ierlichen  von  is ;  verg-1.  Farv.  Y.  66,  107.  Er  kommt  in  allen 
Theilen  des  Zendavesta,  auch  in  den  Gätha's  vor.  —  draome- 
byö  (draomohu  Farv.  Y.  57.)  und  dravayat  g-ehören  zu  der 
Wurzel  dru  laedere  oder  currere  im  Causativ  dravayati;  vergl. 
Gr.  ÖQOfxoQ.  Es  ist  von  den  Anläufen  des  Bösen  zu  verstehen.  — 
vidätaot  vergl.  Farv.  Y.  11;  unstreitig-  mit  dem  vidhötus 
Farg-.  V,  8  identisch. 

XXIV. 

96.  drajemnö    verg-l.  Farg-.  XIX,  4;    Ab.  Y.   11,   123.    Gr. 

dgaoau)  y  ÖQay^a.  —  fravaeg-hem.  Dessen  Wucht  nach  vorne 
fällt,  überwuchtig,  nyaöncem  unten  132.  Farg.  XIX,  46  über- 
setzt Spiegel  nyaönco  mit:  schlecht.  Farg.  V,  12.  VJII,  9.,  zu 
welcher  Stelle  Spiegel  (p.  106)  richtig  bemerkt,  dass  das  Wort 
eigentlich:  abwärts  heisse;  es  ist  dem  Sskr.  nyakta:  niederge- 
bogen, nyaca  niedrig  verwandt,  und  kann  Farg.  V,  12  kaum 
die  Dämonen  bezeichnen.  Möglich,  dass  eine  Composition  ni-avänc 
zu  Grunde  liegt.  —  Die  Genitive  amavato  und  zaranyehe 
müssen  wohl  mit  zarois  construirt  werden;  ich  vermuthe,  dass 
dieses  einen  Theil  der  Keule  bedeutet,  etwa  den  Griff:  ich  leite 
es  von  hr  nehmen  ab;  vergl.  zasta,  hasta  und  ^eiQ ,  die  alle 
von  hr  kommen. 

97.  büsyä^ta  ein  weiblicher  Dämon  der  Trägheit  und  Schlaf- 
sucht, dessen  Name  vom  Partie.  Fut.  büsyäg  abgeleitet  die  Zu- 
künftigkeit heisst,  d.  h.  die  Trägheit,  die  Alles  morgen  und  nicht 
heute  thut. 

98.  ag- vere  thraga^te  mo  der  erzsiegreichste,  erinnert  an 
den  so  oft  vorkommenden  Deus  invictus  Mithra  der  lateinischen 
Inschriften  der  Kaiserzeit. 

XXV. 

100.    vairya^tärem    ist    eine    schöne  Parallele    zu   Griecli. 


4ß  Windischmann,  über  Mühra, 

101.  avi-m  ith  ranyao.  Ist  avi - mitliryao  oder  mithrayo 
zu  lesen? 

XXVI. 

102.  Zwischen  arstim  und  arstä^m  (vergl,  x4shi  Y.  12.) 
muss  ein  Unterschied  sein;  die  üebersetzung-  versucht  ihn  auszu- 
drücken, khsviwi  halte  ich  für  gleich  dem  Ahd.  sveib  vibratio ; 
vergl.  Tir.  Y.  6,  37.  Äshi  Y.  7-  Ab.  Y.  130.  Farv.  Y.  37.  — 
parö-kevidhem  ist  dunkel;  es  kommt  nur  hier  und  an  der 
Parallelstelle  Ashi  Y.  12  vor.  Ist  vielleicht  zu  lesen:  paroka- 
vidhem  und  der  erste  Theil  mit  Sskr.  paröksa  unsichtbar  zu 
vergleichen:  der  auch  das  unsichtbare  triiFt.  —  hunairyaon- 
cim  verbirgt  im  letzten  Theil  väcim:  der  freundlichredende. 

103.  fravois  setzt  den  Nominativ  fravi  voraus;  vergl. 
Yagn.  LVII,  15.  Vielleicht  ist  dabei  an  Goth.  fraiv  Same,  Ge- 
schlecht zu  denken,  anavarihabdemnö.  Da  sich  Y.  fr.  I,  11. 
avaiiuhabdemnö  und  avanhabdaeta  Farg.  IV,  45  findet, 
welches  gleich  Sskr  avasvap  einschlafen  bedeutet;  so  ist  auch 
hier  anavariuhabdemnö  zu  lesen,  was  vortrefflich  in  den  Zu- 
sammenhang passt. 

XXVII. 

104.  nighne  Yagn.  X,  2  (?) ;  LVII,  29  mit  der  Variante 
naghne.  Im  Sskr.  heisst  nighna  gelehrig,  abhängig,  dienstbar, 
daosataire  vergl.  Farg.  I,  19,  welche  Stelle  beweist,  dass 
auch  hier  hindvö  zu  ergänzen  ist.  —  vStatt  ganake  ist  wohl 
^anke  in  der  Tiefe  zu  lesen;  s.  Rashu.  Y.  19.  vimaidhim 
ib.  21. 

105.  nasto,  welches  ich  gleich  Sskr.  nasta  nehme,  könnte 
vielleicht  mit  razista  ein  Compositum  bilden:  wo  die  Gerechtigkeit 
abhanden  gekommen  ist;  wäre  dann  razista  mit  anuhya  zu  ver- 
binden, dessen  Sinn  mir  ebenfalls  ungewiss  ist?  asatö  findet 
sich  auch  Zam.  Y.  34.  Die  Deutung:  unruhig,  unbefriedigt  wird 
nicht  weit  vom  Ziel  treffen,  apisma  kommt  nur  noch  Farg. 
XIII,  47  vor,  wo  es  Spiegel  (p.  199)  mit:  unzubereitet  übersetzt. 
Es  könnte  hier  wie  dort  von  ksmä  oder  zema  Erde  abgeleitet 
werden  und :  auf  der  Erde  bedeuten  (apisma-  qarö  er  isst  auf 
der  Erde,  wie  der  Dieb  seine  Nahrung  am  Boden  liegend  ver- 
zehrt) ;  so  nigmahe  Farg.  IX,  9.  Freilich  ist  der  Wechsel  von 
^  und  s  und  api  statt  aipi  bedenklich. 

106.  Wie  vorhin  die  Antithese  von  agtvant  und  manahyo,  so 
hiervon  gaethyö  und  mainyavö,  die  sich  sehr  oft  wiederholt. 
—  ^ate  mit  den  Varianten  gte  und  gte  lässt  zunächst  an  gata 
hundert  denken ;  möglich  aber  auch ,  dass  ^ti  -  aogö  zu  lesen  ist : 
mit  geschaffener  Kraft  begabt,    wie   ^ti-dhäta    gegenüber  qa- 


Windischmann,  über  Milhra.  47 

dhäta  Ftirg-.  II,  40.  Dageg-pii  spricht  aber  rate  macyao  107, 
was  nur  hundertmal  grösser  bedeuten  kann. 

107.  dru^intem  statt  dru^ayantem  oder  dru^yantem ;  so 
azaresintem  amaresintem  Zam.  Y.  11.  üebrigens  vergl. 
dru^aiti  Farg-.  IV,   10  neben  drujaiti  ib.    11   und  unten   drujät. 

108.  u^a.  Weslergaard  will  ug  lesen;  vielleicht  uge;  als 
Schreibfehler  für  die  Präposition  kommt  es  im  lithographirten 
Vendidad  p.  205,  250,  330  vor.  Ist  es  aber  die  Präposition  nicht, 
so  könnte  es  mit  vag  wollen  zusammeng-ehalten  werden  und  uga 
etwa:   gern,  freiwillig  bedeuten. 

109.  qanirakhtem    leitet   man    wohl    am    leichtesten    von 
Sskr^^k  können  ab :    das  durch  sich   mächtige  Reich.      Zu    dem  ^^^ji 
in    k^^^rai    liegenden    Subject    sind,     wie    es    scheint,    die    fol-       Jr  ^  f9* 
genden    Genitive     zu    construiren ;     denn     sonst     lässt    sich     kein  ' 
geordneter  Sinn  eruiren.     cathrac    ist  von  einem  Nom.   Qathar 
abzuleiten;    vergl.  Sskr.    ^atru,    catayati    tödten.     Dieser  Ge- 
nitiv hängt  entweder  von  khsathrem-vahistem   ab,   oder  von 
kameredho  —   vanatö-avanemnahe    der    tÖdtet   und  nicht 

getödtet  wird,  eine  öfters  gebrauchte  Formel.  Die  grösste  Schwie- 
rigkeit dieses  Paragraphen  liegt  in  dem  uns  unbekannten  Wort 
(^raosya.  Hängt  es  mit  craosö  in  er.  carana  zusammen  und 
bezeichnet  es  etwa  eine  Strafart?  Oder  ist  es  eine  auf  den  Ya- 
zata  ^r^osa  bezügliche  Person  oder  Sache  ?  Gleich  unklar  ist 
der  Sinn  von  keretee  und  kiryete,  welche  offenbar  correspon- 
diren.  kereti  kommt  sonst  nur  in  den  Compositis  vohu-ke- 
reti,  fraso-kereti,  yarnö-kereti  (Yacn.  LVII,  22;  Farg. 
111,  31)  vor,  auf  welche  Sskr.  krti  passen  würde,  dem  ich  Gr. 
xQiaig  an  die  Seite  stelle,  kereti  könnte  aber  auch  gleich  Sskr. 
kirti  sein,  welches:  Kunde,  Erwähnung  bedeutet,  und  erst  ab- 
geleitet: Ruhm.  —  mithra  vor  mano  etc.  ist  kaum  zu  ha  nistata 
gehörig.  Auch  der  Gegensatz  in  111  bringt  kein  Licht  für  diese 
verzweifelte  Stelle. 

110.  aini Stirn.  Das  Gegentheil  von  istim.  Warum  nicht 
aistim?  —  hathra  ^aiti  möchte  ich  zu  einem  Compositum 
verbinden  und  als  Adverbium  fassen. 

XXVIII. 

112.  frasnem  mit  der  Variante  fra^nem  kann  hier  nicht 
wohl  den  Sinn:  Frage  haben,  es  muss  vielmehr  eine  Waffe  oder 
ein  Rüstzeug  bedeuten.  Ebenso  värethmanem,  was  sich  Se- 
rosh  Y.  2.  und  YaQn.  LIl ,  2.  findet,  wie  es  scheint  im  Sinne 
von  Abwehr.  In  astraiihadhem  ist  der  erste  Theil  gleich 
Sskr.  astram  Geschoss,  der  zweite  die  Wurzel  sädh,  welche 
nicht  bloss  vollenden,  sondern  auch  tödten  heisst.  —  ^afraö 
ein  gewöhnliches  Epitheton  der  Gewässer  Ab.  Y.  49. ;  Tir.  Y.  ' 
8,  46;  Gosh  Y.  18;  Ashi  Y.  38;  Bahr.  Y.  29;    Din  Y.  7,  Zam 


48  Windischmann,  ücer  Milhra. 

Y.  51.     Farg.  XIX,  42,     Der    Sinn:    lief   scheint    mir    durch    die 
Vergleichung-  mit  Sskr.  gabhira  gewiss. 

113.  Qrifa  halte  ich  zusammen  mit  Sskr.  cipra,  wovon 
Säyana  zu  Rigv.  II,  33,  5.  p.  577  sagt:  ^ipre  hanü  nasik^ 
vä;  es  sind  die  Nüstern  der  Pferde,  welche  schnauben:  Sskr. 
ksubh  erscliüttert,  erschreckt  werden,  kahvän  von  Sskr.  kac 
sonum  edere ,  wobei  mir  nur  v  vor  der  Endung  dunkel  bleibt, 
nivaithyan  Hesse  sich  mit  Sskr.  vyath  vergleichen.  Oder  ist 
es  eine  Nebenform  von  vä  oder  van?  —  gouru  ist  wohl  = 
garu  oder  guru,  gravis;  deren  Opfer  widerwärtig  sind.  Yacn. 
IX,  28.  findet  sich  garamautam,  wofür  vielleicht  garuman- 
täm  oder  gouru-mantäm  zu  lesen  ist.  paithyaönti  vergl. 
Farg.  V,  62.;  XVIII.  76.  —  fra-vare^a.  D«ftletzt^jj|||pil  des 
Wortes  bedeutet:  Haar;  vergl.  oben  72.  Bahr.  Y.  29,  31. ;  DinY.7, 
10;  Ab.  Y.  77;  Farg.  VI,  7.  Visp.  X,  2  ist  varagäi  haorao- 
anharezanai,  wohl  das  Haarsieb,  durch  welches  der  Haomasaft 
filtrirt  wird.  Es  ist  das  Armenische  vars  Haar.  Soll  es  heissen: 
die  Haare  voraus,   Kopfüber?  oder:  so  zahlreich  wie  die  Haare? 

XXIX. 

'*'   115.    Darf  ratavö   als   Vocativ  genommen  werden? 

116.  hasa  oder  hasa  scheint  Farg.  XVIII,  26.  Yacn.  LXII, 
8.  LXV,  6  mit  hakha  Freund  identisch  zusein;  hasämca  Yacn. 
LXVIII,  12  in  ähnlicher  Verbindung,  wie  hier,  cupti  bedeutet  die 
Schulter;  dareiiga  mit  der  Var.  dhareiiga  klingt  zunächst  an 
daregha  lang  an;  allein  die  Aspiration  ist  entgegen.  Ist  die 
Ableitung  von  draj :  halten,  ergreifen  zulässig?  Der  Sinn  von 
Sskr.  dhrang  ire  ist  leider  nicht  näher  bestimmt;  davon  dhra- 
gir  der  Lauf  Nir.  XII,  27.  Wer  sind  die  schulterlangen  oder 
schulterhaltenden  Freunde?  vielleicht  die  Schultermagen  des  deut- 
schen Rechtes,  d.  i.  Geschwisterkinder,  varezana  s,  oben  und 
Ya^n.  LXV,  6.  Möglich,  dass  es  eines  Stammes  ist  mit  bara- 
zanti  Ab.  Y.  129.  was  unstreitig  dem  Armenischen  varts  Lohn, 
Preis  entspricht.  —  Was  hadhö-gaetha  meint,  ist  ungewiss; 
ein  ähnliches  Compositum  ist  hadho-zätäi  Khord.  Y.  10; 
Bahr.  Y.  46.  —  huyaghna  kommt  nur  hier  vor  mit  der  Va- 
riante huyaöghna.  Ich  halte  es  für  ein  Compositum,  dessen 
Sinn:  Mann  und  Frau  ist,  und  identificire  den  ersten  Theil  mit 
dem  N.  Pers.  sui  Mann;  huya  kommt  von  su  erzeugen.  —  h  a- 
vista  giebt  AnqueiUmlt:  disciple;  vergl.  Ya(;n.  LXVIII,  12.  Ich 
vermuthe,  dass  die  Mitschüler,  die  mit  einander  unterrichteten  ge- 
meint sind,  aethra  oder  aethrya  jist  der  Schüler,  aethra- 
paiti  der  Lehrer;  vergl.  unten  119;  Farg.  IV,  45;  Yac^n.  LXV, 
9;  LXVHl,  12;  Farv.  Y.  97. 

Dadurch,  dass  Anquelil  den  zwanzigfachen  Mithra  auf  den  vor- 
hergehenden Satz  bezieht,  entsteht  eine  Confusion  in  den  Zahlen; 
bei  näherer  Vergleichung  ergiebt  sich,  dass  sie  alle  verschoben  sind. 


Windischmann,  übtr  Milhra.  49 

117,  Ist  wohl  hazanrayus  und  ba^varayus  zu  lesen. 
Das  Folgende  von  ava  —  ve  reth  ragli nah  e  ist  mir  unverständ- 
lich. 

118.  nemanha,  was  Farg*.  IV  so  grosse  Schwierigkeiten 
macht,  kehrt  auch  hier  wieder.  Der  Gegensatz  von  adhara- 
däta  und  upara-däta  erklärt  sich  vielleicht,  wenn  wir  unter 
data  Gericht  verstehen:  im  Gericht  unterliegend,  im  Gericht  die 
Oberhand  behaltend.  Aber  dann  ist  der  Casus  anstössig.  Oder 
ist  nemanha  mit  adhara-data  zu  verbinden  und  in  dem  ge- 
wöhnlichen Sinn:  Lob  zu  nehmen?  Dann  könnte  interpretirt  wer- 
den: mit  untengesetztem  Lob  möge  ich  gelangen  zu  obengesetz- 
tem, d.  h.  zu  überirdischem.  Diese  ganze  Steile  über  Mithra  als 
Schützer  der  Wahrheit  und  des  Rechts  im  bürgerlichen  Verkehr 
ist  dem  Eingang  des  vierten  Fargards  analog,  auch  dort  erstrckt 
sich  der  mithrö   danhumazd  auf  tausend. 


XXX. 

119  perenino  eine  Form  wie  kainind,  yavinö  Hapt. 
Y,  8.  Es  beginnt  hier  ein  fragmentarisches  Gespräch  zwischen 
Ahura  und Zarathustra ;  vergl.  121.  Ineredhwacakerethwäca 
hat  Anquelil  irrthümlich  den  Begriff:  parole  gefunden,  da  eredhwä- 
ca  kerethwa-ca  zu  trennen  und  Duale  anzunehmen  sind,  wie  Ab.  Y. 
34.  gavanhavaca  erenaväca  die  beiden  den  nützenden  und 
tapfern.  Die  hier  gemeinten  sind  meines  Erachtens  Mithra  und 
Haoma,  welche  bei  der  Auferstehung  wirken.  Oder  ist  eredh.  etc. 
eine  Art  von  Dvandva- Adjectiv,  das  sich  allein  auf  Mithra  be- 
zieht? eredhwö  heisst  in  den  Compositis  er  ed  hwo- zanga 
Farg.  V,  9;  er  edhw  o -dr  a  f  sa  Farg.  1,7;  eredhwa^nai- 
thisa  Yagn.  LVII,  16  (mit  der  Variante  erethwa)  erhoben,  auf- 
recht. Daneben  ist  jedoch  auch  eretö-kerethana  als  Prädicat 
der  Schöpfungsperiode  hama^path-maedhem  Yagn.  XVII,  p, 
73.  V.  L.  vorfindlich,  und  der  Beiname  des  ^aosyag  agtvat- 
ereto.  —  Zu  avisto  und  aiwivistö  vergl.  Visp.  IX,  3. 
Welche  Opferhandlungen  damit  gemeint  sind,  ist  schwer  zu  be- 
stimmen. —  -upäzananäm  das  bekannte  Wort  für  eine  Busse, 
die  uns  aber  leider  nicht  klar  ist;  das  dazugehörige  Nomen  upä- 
zaiti  Yagn,  X,  7  muss  nach  dem  Zusammenhang  etwas  Gutes 
ausdrücken.  —  p  airi-a  kay  an  ta  sonst  nicht  mehr  vorkömmlich, 
vielleicht  ist  die  Wurzel  mit  ci  identisch.  Vergleiche  jedoch  c  i- 
kayen  (cikaen)  Farg.   XV,  22  sqq. 

XXXI. 

124.  paiti  amerekhtim  möchte  wohl  im  Zusammenhalt 
mit  oben  55  auf  das  Voranschreiten  Mithra's  zur  höheren  Unsterb- 
lichkeit   zu    beziehen    sein.      Sein   Ausgang    ist   vom    leuchtenden 

Abhandl.  der  DMG.  I,   1.  4 


50  IVindischmann ,  über  MUhra. 

Garo-ninanu,  wie  anderswo  die  Wege  der  Götter  von  dort  herab 
rao  khsnäoiilid  genannt  werden  Farv.  Y.  84.;  Zain.  Y.  17. 
Statt  vavazaneui  ist  wohl  vavazanö  zu  lesen. 

125.  Für  9paötita  vermuthet  Weslergaard  gpaeta;  allein 
ersteres  findet  sich  auch  Bahr.  Y.  13.;  Rani.  Y,  31.  —  anao- 
laotiho;  aoso  Krankheit  Farg.  XIX,  3.;  aosanhao  Farg.  II, 
6.  —  para-gafaonho  die  Vorderhufen  im  Gegenhalt  zu  apara. 
Zu  paitis-inukhta  vergl.  Ab.  Y.  78.  zaranya  aothra  pai- 
tismukhta  —  häm-igämca  Sskr.  isa  die  Deichsel.  Von 
den  folgenden  Worten:  gimämca  gim  öi  thr  ämca  —  ba^täin 
ist  es  wahrscheinlich,  dass  sie  Epitheta  zu  ig  am  bilden;  gima, 
welches  sich  Ya^n.  IX,  30  als  Beiwort  der  Schlange  findet,  er- 
innert an  Gr.  aifiog  nach  oben  gerichtet,  nach  oben  gekrümmt. 
Sskr.  gimi,  gimivan  mag  stammverwandt  sein,  jedoch  sind  die 
Bedeutungen  auseinander  liegend.  Bei  gimöithra  ist  mir  die 
Modification  des  Sinnes  des  einfachen  gima  nicht  klar.  —  Die 
folgenden  drei  Worte  scheinen  mir  alle  Appositionen  zu  aka  zu 
sein,  welches  zu  Sskr.  anka  Haken,  Klammer  zu  halten  ist. 
dereta  erklärt  Spiegel  Avesta  p,  131  mit:  geschnitten,  gespalten 
von  dr.  In  u  p  air  igpata  befremdet  das  schliessende  a;  es  ist  von 
gvi  turgere  abzuleiten,  wie  gigpemna  Ab.  Y.  127.  Oder  ist 
aa  Gr.  andw  zu  denken?  khsathrem  vairim  drückt  appositiv 
aus,  dass  jener  Beschlag  der  Deichsel  von  Metall  ist. 

126.  Der  Accusativ  razistam  cigtam  ist  vielleicht  so  zu 
erklären,  dass  während  der  männliche  Genosse  Mithra's  den  Wa- 
gen selbst  mitlenkt,  letzterer  den  weiblichen  Genius  fährt.  Statt 
vanuhaita  vermuthe  ich  vanh ata  oder  vanhaitim;  das  zweite 
9paeta  ist  wahrscheinlich  zu  streichen,  upamanem  nehme  ich 
hier  im  Sinn  von   Sskr.  upamana  Aehnlichkeit,  Gleichniss. 

127.  Zu  den  schon  oben  erklärten  Prädicaten  des  Ebers 
kommen  hier:  yükhdhahe  und  päiri-väzahe.  Ersteres  gram- 
matisch wohl  mit  yükhta  identisch  (Farg.  VIF, 41  neben  yükhtem 
die  Variante  yükhdhem);  allein  der  Sinn  muss  hier  ein  modifi- 
cirter  sein,  päire  bedeutet  Zam.  Y.  1:  Seite,  Ende;  paire- 
V  ä  z  a  h  ^  V  so  wäre  dann  zu  lesen)  könnte  daher  der  bis  zum  Ende  fort- 
stürzende heissen.  Oder  pairi  ist  dem  Sskr.  pari. gleich,  wel- 
ches in  mehreren  Compositis  am  Anfang  erscheint,  nikhsta 
zunächst  oder  zuniedrigst?  —  yö  nach  ughrem  ist  störend;  mög- 
lich, dass  einige  Worte  ausgefallen  sind,  von  welchen  ughrem 
kavaem  qareno  abhängt. 

128.  Schwierig  ist  zunächst  aom  man  würde  eine  den  Ge- 
nitiv väsahö  regierende  Präposition  erwarten.  Das  Pronomen 
kann  es  nicht  wohl  sein;  ich  halte  es  daher  für  ein  von  av  schützen 
abgeleitetes  Neutrum,  statt  avem.  —  thanvare  oder  thnavare 
Farg.  XIV.  XVI II  unter  den  Waffen  des  Kriegers  aufgezählt. 
Roth  Nirukt.  p.  58  will  thanvaretan  mit:  Bogenschütze  erklä- 
ren; allein    der    Zusammenhang    fordert   den    Namen    einer    Waffe. 


Windischmann,  über  Mithra,  51 

Für  gavagnah^  bietet  eine  Hs.  da^vayagna  ;  ist  zu  le- 
sen: agti  yo  daevayagnali^  wie  liaomö  yö  g-ava  (oder  es 
könnte  corrig-irt  werden:  agti  yö  g-ava  gnavya)?  Der  Sinn 
des  Ganzen  giebt  die  üebersetzung,  wobei  ich  freilich  das  Ge- 
wagte der  Construction  anerkennen  muss.  Dagegen  lässt  sich 
aber  einwenden,  dass  agti  kaum  Masculin  sein  kann.  Dass  man 
aus  Hörn  Bog-en  machte,  bezeugt  Homer  II.  iV,   105. 

129.  zafra.  Der  Mund  (Zam.  Y.  50)  bezeichnet  hier  wohl 
die  Spitze  des  Pfeils,  grvi-gtaya  mit  hörnenem  Schaft,  agti 
ayaiihaena  fasse  ich  als  Dvandva :  Die  Pfeile  wohlgemacht  mit 
beinernem  und  erzenem  gparegha;  fragparegha  kommt  Yagn. 
X,  5  im  Sinne  von  Zweig  vor;  wahrscheinlich  sind  hier  die  Wie- 
derhaken und  Auszweigungen  der  Pfeilspitze   gemeint. 

130.  baröithra.  Da  die  Wurzel  bar  im  Zend  nicht  bloss 
die  Bedeutung:  tragen  hat,  sondern  auch:  schneiden  (vergl.  Spiegel 
Indische  Studien  Hl,  p.  406),  so  halte  ich  bardithra  für  die 
scharfe  Spitze  der  Lanze.  Oder  wenn  bar  =  ßaXXo)  gesetzt  werden 
könnte,  ßlij&gov.  —  cakusauam  Orm.  Y.  18  cakavd  (wess- 
halb  Weslergaard  auch  hier  cakunam  vermuthet)  nach  Änquetil 
une  piece  de  bois  herissee  de  clous.  Sskr.  cakra  a  discus,  or 
sharp  circular  missile  weapon;  der  griechische  dia}iOQ.  —  hao- 
gafna^ninam  von  Kupfer  oder  Stahl  Farg.  VH,  75;  VIH,  90; 
Spiegel  p.  155.  An  beiden  Stellen  folgt  unser  Wort  in  der  Auf- 
zählung nach  Gold,  Silber  und  Erz. 

131.  däranäm  Sskr.  dhärä  die  scharfe  Spitze  des  Schweif 
tes. 

132.  hunivikhtcm  vergl.  Khursh.  Y.  5. 

133.  ^ainti  und  nighninti  sind  Substantive,  die  von 
pac;ca  regiert  werden,  wie  pagca  vitakhti  vafrahö  nach 
dem  Schmelzen  des  Schnees   Farg.  H ,   24. 

XXXH. 

136.  agänagca.  Sollen  damit  etwa  die  Speichen  des  Ra- 
des gemeint  sein?     Die  Stelle  ist  kritisch  unsicher. 

137.  mainyai  (vergl.  unten  138)  muss  einen  Begriff  aus- 
drücken, der  sowohl  vom  Guten,  als  vom  Bösen  prädicirt  werden 
kann.  Aehnlich  ist  nur:  manaeibyö  mit  der  Var.  manyaSibyo 
Yagn.  XII,  3. 

138.  yänem  bedeutet  Ashi  Y.  26;  Din.  Y.  6.  Farg.  XIX,  6 
die  erbetene  Gabe,  gaiihem  Farg.  IV,  55;  es  wird  vom  folg-en- 
den  anu  regiert.  Kann  gagträi  als:  der  Lofcer  interpretirt  wer- 
den?—  Zwischen  paiti  baregman  137  und  pagca  baregma 
hier  ist  eine  Antithese. 

XXXIII. 

140.    Die  Worte  gpitama    vanheus  passen    wenig    in    den 


4 


52  Windischmann ,  üher  Milhra. 

Zusammenhang,  ag-lirim  der  vorzüglichste  vergl.  Farg.  VII, 
41,  —  amithwem  Sskr.  mithya  unwahr,  Z.  mitha  in  mi- 
thaokhta  Zam.  Y.  96.  mithö  ib.  95.  Lat.  mentiri ;  Gr.  f.id- 
Ti]Vf  (.laxaioq. 

141.    tamanhadha    wie    qafnadha   Y.  fr.  I,  11,   13.    eine 


öfters  vorkommende  Erweiterung  des  Ablativs  ;  das  Umgekehrte  der 
Endung  aat.  Die  Accusative  ^aghaurüm  etc.  scheinen  fast  aus 
dem  vorigen  Satz  hierhi 
nigen  Stellen ,  wo  das 
für  Gott  gebraucht  ist. 


li<naung  aai.  t»ie  ^ccusaiive  gagiicturuiu  eic.  Bcueiiieu  last  aus 
dem  vorigen  Satz  hierher  verirrt.  —  baghanam.  Eine  der  we- 
nigen Stellen ,  wo  das  in  den  Keilinschriften  vorkommende  bagha 


XXXIV. 

142.  Wenn  gürem  substantivisch  gebraucht  ist,  so  wäre 
wohl  die  Lesart  dam  an  am  vorzuziehen;  es  könnte  aber  auch 
adverbiell  stehen.  —  hvaraokhsno  ist  in  hvä  etwa  hvare  ent- 
halten? —  barazaiti  vergl.  Ab.  Y.  129.,  wo  das  Verbum  einen 
andern  Sinn  hat.  —  Das  Folgende  ist  offenbar  verdorben.  Ich 
vermuthe,  dass  statt  yazai  yazatai  zu  lesen  und  hämtastem 
und  die  folgenden  Accusative  auf  vasem  zurüchzubeziehen  sind; 
yö  dadhvao  gpento  mainyus  scheijit  mir  zu  adhavis  zu  ge- 
hören und  hierher  verschoben  zu  sein;  vielleicht  ist  es  auch  nur 
eine  Glosse. 

XXXV. 

144.  Dieser  Paragraph  ist  eine  der  Upanischaden  würdige 
Spielerei,  die  aber  die  Bedeutung  der  verschiedenen  Präpositio- 
nen veranschaulicht. 


*  EH. 

Vergleichung  des  Mlthra  der  Urtexte  mit  den  Nachrichten  der  Alten. 

Nachdem  uns  nunmehr  der  Text  des  Opfergebetes  verständ- 
lich geworden  ist,  werden  wir  uns  auch  jenes  Bild  von  Mithra 
vergegenwärtigen  können,  das  seinen  ältesten  Verehrern  in  Bak- 
trien,  Persien  und  Medien  vorschwebte.  Es  hat  zwei  Seiten: 
eine  physikalische  und  eine  moralische.  Nach  ersterer  ist  er  das 
geschaffene  (denn  Ahura  hat  ihn  hervorgebracht  Mih.  Y.  1.;,  alles 
durchdringende,  alles  belebende  Licht  und  zwar  in  seinem  Unterschied 
von  Sonne,  Mond  und  Gestirnen  aufgefasst.  (Mih.  Y.  145.  Khursh. 
Nyaish.  6.)  Denn  er  geht  der  Sonne  voraus  und  erleuchtet  zuerst 
die  Gipfel  der  Berge  (Mih.  Y.   13),     Nicht  Nacht,    noch    Finster- 


Windischmann,  über  Milkra.  53 

niss,  noch  kalte  und  glühende  Winde,  nicht  Fäulniss  und  Schmutz 
und  keine  Dünste  sind  iu  der  Wohnung  des  Mithra  auf  der 
hohen  Hara  (Mih.  Y.  50).  Das  Licht,  wie  es  Alles  sichthar 
macht,  wird  aber  auch  selbst  als  sehend  dargestellt;  daher  die 
so  oft  wiederkehrende  Bezeichnung  des  IVlithra  als  mit  zehntau- 
send Augen  begabt,  als  Zehntausend -Späher  (die  Erklärung  der 
Parsen  davon  s.  bei  Spiegel  Huzv.  Gramm,  p.  87).  Hieran  knüpfte 
sich  von  selbst  die  Personification  der  göttlichen  Allgegenwart  und 
Allwissenheit  in  Mithra,  welchem  desshalb  die  Prädicate:  allwissend, 
unbeirrt,  weise,  durchdringend,  und  zur  weiteren  Symbolisirung  der 
Omniscienz  tausend  Ohren  beigelegt  werden  (Mih.  Y.  o ,  7).  Er  ist 
darum  der  schlaflose,  wachsame  (Mih.  Y.  7)  Zeuge  aller  Gedan- 
ken, Worte  und  Werke  (Mih.  Y.  105  —  107),  und  somit  auch 
Repräsentant  der  Wahrheit,  Gerechtigkeit  und  Treue,  der  Hort 
des  mazdayagnischen  Gesetzes  und  sein  Rächer  (Mih.  Y.  33). 
und  hier  vorzüglich  hat  die  moralische  Qualität  Mithra's  ihren 
Spielraum;  er,  die  personificirte  Wahrheit  und  Treue,  muss  zwi- 
schen den  verschiedenen  Ständen ,  Menschen  und  Ländern  beste- 
hen (Mih.  Y.  115  —  118.),  ja  er  muss  selbst  dem  Gottlosen  gelten 
(Mih.  Y.  2);  er  ist  der  von  allen  um  Hülfe  Angerufene,  besonders 
auch  von  den  Armen  und  Unterdrückten  und  von  den  in  die  Irre  ge- 
führten Rindern  (Mih.  Y,  83 — 8).  Er  ist  der  Wahrer  alles  Verkehrs 
unter  den  Menschen  (Mih.  Y.  80).  Wer  Mithra,  die  Wahrheit  und 
Treue,  verletzt,  Menschen  oder  Länder,  die  gehen  elendiglich 
zu  Grund  und  erfahren  die  ganze  Furchtbarkeit  des  ergrimmten 
Gottes.  Denn  dieser  fährt  als  ein  Krieger  einher  auf  gewaltigem 
Schlachtwagen  ,  mit  goldnem  Helm  und  silbernem  Panzer  und  mit 
allen  Gattungen  von  Waflfen  gerüstet,  von  den  ihm  homogenen  Ge- 
nien der  Gerechtigkeit  (Rasnu) ,  des  Sieges  (Verethraghna),  des 
Fluches  (Damöis  upamana),  der  Reinheit  (Asi),  der  heiligen  Lehre 
begleitet.  Als  Repräsentant  des  Lichtes  und  der  Wahrheit  ist  er  per 
eminentiam  der  Vernichter  der  Dämonen  und  ihres  Einflusses  in 
der  Natur  und  auf  dem  moralischen  Gebiete,  und  seine  Verehrer 
participiren  daher  an  diesem  Vernichtungskrieg,  wesshalb  er  sie  in 
den  Schlachten  schützt  und  die  Geschosse  der  Gegner  an  ihnen 
fruchtlos  abprallen  lässt. 

Da  aber  Mithra  geschaffen  ist,  und  trotz  aller  Erhabenheit 
nicht  das  unendliche  Licht  selbst,  nicht  die  ewige  Wahrheit  selbst, 
so  geht  er  einer  Verklärung  entgegen,  einem  unsterblichen  Leben, 
wohin  er  seine  Verehrer  wohl  mit  sich  führend  gedacht  wurde. 
Er  ist  daher  ein  Schutz  in  beiden  Welten  (Mih.  Y.  93).  Nach 
zaratliustrischer  Lehre  steigen  die  Seelen  der  Gerechten  über  den 
Berg  Hara  zum  Himmel  empor  (Farg.  XIX,  30)  und  gehen  also 
durch  Mithra's  Wohnung.  Der  Gott  wurde  daher  in  nächste  Ver- 
bindung mit  Tod  und  Unsterblichkeit  gesetzt.  Es  scheint  auch  sehr 
wahrscheinlich,  dass  dem  Mithra  in  Verbindung  mit  Rasnu  das  Ge- 
richt über   die  Todten,    welches    an    der    Cinvatbrücke  stattfindet. 


54  il'indischmann ,  über   Mühra. 

zugeschrieben    wurde,    wie  Anquelii  1,  2.  p.   131.  behauptet,    ob- 
gleich mir  kein  Text  gegenwärtig  ist  zur  Bestätigung. 

Ist  nun  Mithra  ein  Gebilde  des  zarathustrischen  Systems,  oder 
ist  er  ein  altarischer  Gott?  Ich  glaube  beides  bejahen  zu  sollen. 
Für  letzteres  haben  wir  den  Beweis  in  den  Hymnen  des  Veda's, 
in  welchen  Mitra  der  Sohn  der  Aditi  ^),  des  unendlichen  Raumes, 
Äditya,  und  daher  auch  mit  der  Sonne  parallel,  fast  immer  in  un- 
zertrennlicher Verbindung  mit  Varuna  (Uranos)  als  ein  Wesen  vor- 
kommt, das  einer  schon  vergehenden  Götterperiode  anzugehören 
scheint  und  einen  Theil  seiner  Wirksamkeit  an  Indra  verloren  hat. 
Jene  trefflichen  Forscher,  welchen  die  Veda's  und  ihre  Commenta- 
toren  vollständig  vorliegen,  werden  uns  über  diesen  vedischen  Mitra 
belehren.  Soviel  ist  aber  aus  den  mir  zugänglichen  Texten  gewiss, 
dass  auch  in  den  Veda's  Mitra  das  Licht  ist,  während  V^aruna 
als  die  Luft,  der  Himmel,  besonders  der  nächtliche,  zu  fassen  ist. 
Der  ünzertrennlichkeit  Mitra's  und  Varuna's ,  der  Könige,  die  auf 
herrlichen  Wagen  daherfahren  (Rigv,  J,  122,  7,  15.)  analog  ist 
die  Verbindung  Mithra's  mit  Vayu  in  den  Zendtexten.  Andere 
Aehnlichkeiten  habe  ich  im  Commentar  und  weiter  unten  berührt. 
Auch  die  späten  Scholiasten  der  Veda's  hatten  eine  im  Ganzen 
richtige  Vorstellung  von  Mitra  und  Varuna,  wenn  sie  dieselben 
als  ahorätrabhimänidevatä  bezeichnen  (Sayana  z.  Rigv.  I,  136, 
1.)  Jedoch  fasst  derselbe  z.  Rigv.  I,  151,  3.  auch  Mitra  als 
Feuer  (wie  unten  Firmicurs;  vergl.  Rigv.  111,  5,  4.)  und 
Varuna    als  Sonne.     Von  der  Beziehung  Mitra's    und   Varuna's    zu 

/   /        den  Kühen  giebt  derselbe   Hymnus  des  Rigveda  Zeugniss  v.   5.  8. 

l)  vergl.  1,  71  9;  1,  122,  7;  153.  Beiden  wird  die  Wahrhaftig- 
keit und  der  Schutz  gegen  die  f^üge»  zugeschrieben  (R.  V.  I,  152, 
1.)  Die  Allwissenheit  aber  und  das  Amt  eines  Zeugen  und  Richters 
für  alle  Thaten  der  Menschen  ist  in  den  Veda's  mehr  ein  Attribut 
des  Varuna,  vergl.  Rigv.  II,  28.  I,  24,  25.  und  die  schöne  Stelle 
im  Atharva  ')  IV,  16,  1  sq.  Jedoch  auch  Rigv.  III,  59,  1.  sieht 
Mitra  ohne  Zucken  der  Augen  auf  die  Menschen  herab.  Neben 
Mitra  und  Varuna  erg^cheint  ^Aryaman  als  dritter  (Rigv.  I,  36,  4; 
^lRT7~^T^rTT:r7T907THBr^;T4r^^  II,   27.)  der  als 

Sonne  aufgefasst  wird,  und  zwar  in  der  Eigenschaft  des  Trennens 
des  Tages  von  der  Nacht,  (aryamähöratravibhagasya  kartä).  Sein 
Name  bedeutet  Gefährte,  Freund  und  auch  er  kommt  in  den  Zend- 
texten vor  (s.  Spiegel  zum  22.  Fargard  p.  266).  Wenn  es  also  ge- 
wiss ist,  dass  die  zarathustrische  Reform  den  Mithra  als  alten 
Nationalgott  der  Arier  vorfand,  so  ist  es  ebenso  unzweifelhaft, 
dass  jenes  Bild,  welches  die  Zendtexte  darbieten,  so  viele  Ver- 
gleichungspunkte es    auch    mit    den    Veda's    hat,    dennoch   wesent- 


1)  Sind  die  acht  Söhne  der  Aditi  etwa  Mih.  Y.  45.  zu  suchen  ? 

2)  Die  Späher  des   Varuna  v.  4     haben  die    auffallendste  Aehnlichkeit  mit 
deneii  des  Mithra  Mih.  Y.  45. 


fVindischmann  ,  über  Mühra.  55 

lieh  die  Färbung  des  theologischen  Systems  an  sich  trägt;  Mitlira 
ist  aus  einem  Volksgott  ein  Ausdruck  zarathustrischer  Ideen  vom 
Verhältniss  des  geschaflPenen  Lichtes    und    der    irdischen   Wahrheit 
zum  höchsten  Schöpfer  geworden.  —   Das  wichtigste  Document,  aus 
welchem    wir    die    wahre    Kenntniss    dessen,    was    die    alten    Per- 
ser und  Meder  von  Mithra  glaubten,    zu  schöpfen  haben,  wird  uns 
nunmehr    ein   sicherer    Führer   durch  das  Labyrinth    der    Nachrich- 
ten des  classischen  Alterthums  über  ihn  sein,    zu    deren    Betra^^h- 
tung  wir  fortschreiten,    wobei  wir   vor  Allem   jene,    die  vor   dem 
Eindringen  des    Mithracultus    in    den    Occident    überliefert   worden 
sind,     als    die    achteren    und    zuverlässigeren    den     späteren,     aus 
der  Periode  der  römischen  Religionsmengerei    herrührenden    unbe- 
dingt vorziehen   müssen.     Die  Zeit  des  Erscheinens  des  Mithracul- 
tus   im  Abendland  'ist  uns  aber   genau    überliefert  von  Plutarch  *) 
wo  er  von  den  cilicischen  Seeräubern  erzählt:  sie  hätten  auf  dem 
Olymp  fremde  Opfer  dargebracht  und  geheime  Einweihungen  geweiht, 
von  welchen  die  des  Mithra,  von   ihnen   früher  gezeigt,    auch    bis 
jetzt  sich  erhalten  haben.    Es  ist  dies  ungefähr  70  v.  Chr.  zu  setzen. 
Die  vor   dieses  Jahr  fallenden  Notizen    über  Mithra   sind   spärlich, 
aber  um  so  wichtiger.     Dass  zu  Herodol's  Zeit  Mithracultus  in  Per- 
sien und  Medien  bestand,  würde  schon  der  Umstand  beweisen,  dass 
bei  ihm  die  Namen  MirgaöaTfjg  (I,  110).  uud  in  der  Zeit  des  Cyrus 
MiTQoßuTfjg   (111,    120    sq.)    vorkommen,    die    er  von  der  weibli- 
chen Mitra  abgeleitet  haben  mag^ij^bei  der  Mangel  der  Aspira- 
tion des  T  bemerkenswerth  ist)*,  di^aber  gewiss  von  Mithra  her- 
rühren.    Die  bekannte  Stelle  I,   131  über  die  Mitra,    mit   welcher 
Herodot   unstreitig  die  Anähita  meinte,   welche  hier    als    Mithrani 
aufgefasst  ist,  setzt  den  männlichen  Mithra  voraus;  wie  wir  denn 
in  der  susischen  Inschrift  des  Artaxerxes  II.,  welche  Norris  (Journal 
of  the  royal  As.  Soc.  XV,  p.  159.)  veröffentlicht  hat,  Anähita  neben 
Mithra  genannt   finden.     Eine    andere    Inschrift    desselben    Königs 
stellt   Mithra    mit   Auramazda     zusammen    (Benfey    Keilinschriften 
p.  67.)  und  giebt  ihm  den  Namen  baga,  den  wir    oben  auch  im 
Zendtexte  von  ihm  gebraucht  fanden".     Wir  haben  also  neben  dem 
indirecten  Zeugnisse  Herodot's  unwiderlegliche  monumentale  Beur- 
kundung darüber,  dass  im  fünften  Jahrhundert  vor  Christus  Mithra 
in  Persien  und  Medien  verehrt  wurde. 

Dasselbe  zeigt  uns  Xenophon,  ^)  wenn  er  den  Namen  des 
Mithra  als  Schwur  gebrauchen  lässt,  was  nicht  blos  das  Ansehen 
beweist,  in  welchem  der  Gott  zu  Xenophon's  Zeit  bei  den  Persern 
stand,  sondern  auch  ganz  besonders  zu  ihm  als  zum  Genius  der 
Wahrhaftigkeit  und  Treue    passt.     Es   ist  desshalb  auch    der    spä- 

1)  Vita  Pomp.  c.  24.  Sivm  Sa  &voias  k'd'vov  avrol  ras  iv  W.vfinM, 
Hat  reXerde  rivne  ano^^rJTOvs  iriXovv ,  o>v  i]  xov  Mi&QOv  nai  /u,exQt 
Sev^o  Siaoco^arat.  xaraSeix&aTaa  itQOTSQOv  vn    ixsivcov. 

2)  Cyrop.  VITI,   5,  53.    Ma  riv  Mid'Qrjv.     Oec.  IV,  24.  ufivvfii  oot  rov 


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5ß  Windischmann,  über  Milhra. 

ter  Plularch  im  Reclit,  wenn  er  Artaxerxes  denselben  Schwur  in 
den  Mund  lee^t,  und  Darius  den  Eunuchen  beschwören  lässt,  um 
des  grossen  Lichtes  Mithra's  willen  die  Wahrheit  zu  reden  ^). 
Dass  das  grosse  Licht  Mithra's  nicht  zwingt,  eine  Verwechslung 
mit  der  Sonne  anzunehmen,  ist  klar,  da  ja  Mithra  grade  das 
Licht,  nicht  die  Sonne  ist. 

Die  bei  weitem  kostbarste  Nachricht  des   Alterthums   über  ]VIi- 
thr»    hat  uns    derselbe  Plularch   ^)    aufbewahrt,    wenn    er  bei  der 
Auseinandersetzung  des  zarathustrischen  Systems  sagt,    Zoroaster 
habe  den  einen  der  Götter  Oromazes ,   den   andern  Areimanios  ge- 
nannt, und  dabei  behauptet,  ersterer  gleiche  unter  den  sinnlichen  Din- 
gen am  meisten  dem  Licht,    der  andere  aber  der  Finsterniss    und 
Unwissenheit,  der  mittlere  zwischen  beiden  sei  aber  Mithra,  wesshalb 
die  Perser  denn  auch  Mithra  den  Mittler  nennen.'    Vor  Allem  glaube 
ich    annehmen    zu    dürfen,    dass    Plularch    hier    aus    jener    Quelle 
schöpfte,  welche  er  selbst    c.    47    bezüglich    des   zarathustrischen 
Systems    citirt,    nämlich    aus   Theopomp  (378  —  305  v.  Chr.),    der 
im   achten    Buch    seiner    philippischen    Geschichte    über    die    Ma- 
gier    handelte  ;      vergl.     Diogenes    Laerlius    prooem.    2.       Diesem 
Schriftsteller    lag    also    ungefähr    das    vor,    was    wir    noch    heute 
im  Bundehesch    c.  1    lesen ,    dass    Ormuzd    im   anfangslosen     Licht 
und   in   der  Allwissenheit  wohne ,   Ahriman    aber  in  der  anfangslo- 
sen Finsterniss  und  Unwissenheit,    und  dass  zwischen  beiden    ein 
leerer  Raum   sei,    den    man  J^^nennt,  wo   das   Vermischen  statt- 
findet   {Spiegel    Zeitschr.    de^Tjeutschen    morg.    G.    XI,    p.    102). 
Tai  ist   wie    Spiegel    nachgewiesen    hat,   vayu    upar  6-kairya , 
die  Luft,  die  in  den  Höhen  wirkt,  welche,  wie  der   Rani    Yasht 
(1)  beweist,  mit  Räma- Qagtra  identisch  ist;  letzterer  aber  ist  der 
unzertrennliche   Genosse  Mithra's,   indem   das   Licht  zum   nächsten 
Substrat  die  Luft  hat.     Wir  haben  also  jenes  Vai  ganz  eigentlich 
als  Sitz  des  geschaffenen  Lichtes  zu  betrachten,  dessen  Personifica- 
tion  Mithra  ist.     Das  Wort,  womit  im  Huzwareschtexte  die  Vermi- 
schung bezeic^.net  wird  (gumicesn    pars,    gumezasn    von    der 
Wurzel  gumekhtan)  wird  von  Neriosengh  mit  sammigrata  über- 
setzt; vergl.   Spiegel  1.  c.    und  bezüglich    des    Präfixes    gu    Huzw. 
Gramm,  p.  96,    12L      Sein  Stamm  mic,   mez  scheint  mir  mit  mig 
in    micvane  Farg.  XIX,  35   einerlei;  welches  Spiegel    zu    dieser 
Stelle  mit  mith,  maethana  ganz  richtig    zusammengestellt  und 
damit  auch  den  Namen  M  ithr  a  erläutert  hat.      Ist  dies  begründet, 
wie  ich  nicht  zweifle,  und    bedeutet    Mithra    den    Verbinder,    was 
zum  Sskr.  mitra  Freund  trefflich  passt,    so   sehen  wir    zugleich. 


1)  Artax.  c.  4.  N^  rov  Mid'Qav,  Alexand.  c.  30.  sind  ^loi  aeßofisveg 
Mid'QOv  re   tpcäi  fieya  xai  Se^iav  ßaaikeiov, 

%)  De  Is.  et  Os.  c.  46.  Ovros  ovv  ixdXei  rov  fiev  'S2^0fiä^rjv,  rov  d' 
^Aosifidviov  f  xai  ngogaTtscpaCvexo  rov  (liv  äoixivai  (pairi  fidXiara  rc5v 
atod'rjrcov  ,  rov  S"  MfinaXiv  oxorco  xai  dyvoiq  •  fiioov  5'  dficpolv  rov  Mi~ 
S'qriv  elvai'  dio  xai  Mid'Q'qv  Ile^aai  rov  fisoirr}v  6vo/u,d^ovat. 


^  ,  ^fMtuit'f'  "itmeti)  /-  Ä,/S^ 


Windischmann,  über  Milhra.  57 

wie  g-enau  Theopomp  über  die  Bedeutung  des  Namen  unterrichtet 
war,  wenn  er  ihn  mit  (xtaivriQ  übersetzt.  Aber  Mithra  ist  nicht 
bloss  als  geschaffenes  Licht  das  Mittlere,  der  Verbinder  zwischen 
anfangslosem  Licht  und  anfangsloser  Finsterniss ,  sondern  auch 
Repräsentant  der  Wahrheit,  Treue  und  Gerechtigkeit  unter  den 
Menschen ,  ein  Mittler  im  menschlichen  Leben ,  der  allen  Verkehr 
wahrt  und  vermittelt.  Als  geschaffenes  Licht  endlich  vermittelt  er 
auch  das  Verhältniss  der  Geschöpfe  und  des  Menschen  insbesondere 
zu  Ahura  Mazda ^   dem  im  unnahbaren   Lichte  wohnenden. 

Duris,  ein  jüngerer  Zeitgenosse  Theopomp  s  (von  340 — 276  v. 
Chr.)  giebt  uns  im  siebenten  Buch  seiner  Geschichten  ^)  eine 
Notiz  über  das  Fest  des  Mithra,  dass  es  (nämlich  bei  den  Per- 
sern) dem  König  an  einem  Tage  gestattet  sei,  sich  zu  berau- 
schen ,  an  welchem  sie  dem  Mithra  opfern.  Allein  an  diesem 
Feste  tanze  auch  der  König,  sonst  aber  Niemand  in  Asien,  son- 
dern alle  enthielten  sich  an  diesem  Tag  des  Tanzes.  Es  erhellt 
daraus,  wie  heilig  der  Cultus  des  Mithra  gehalten  wurde.  I^etz- 
terer  hat  in  den  Zendtexten  nicht  bloss  eine  Tageszeit,  in  welcher 
er  angerufen  wird,  die  zwischen  Morgendämmerung  und  Mittag, 
sondern  auch  den  ihm  geheiligten  sechszehnten  Monatstag,  wie  der 
alte  Kalender  Ya^na  XVI,  3  beweist^  und  einen  eignen  Monat,  den 
siebenten  (vergl.  Benfey  Monatsnamen  p.  57).  Der  sechzehnte  Tag 
des  Monates  Mithra  aber  ist  der  Tag  des  von  Duris  erwähnten 
Festes  Miliragän  ,  welches  nach  Hyde  de  rel.  vet.  Persar.  p.  245. 
sechs  Tage  hindurch  gefeiert  wurde.  Die  neueren  persisch  -  ara- 
bischen Schriftsteller  geben  als  Gründe  ~)  dieses  Festes  an,  dass 
an  diesem  Tage  Gott  die  Erde  geschaflFen  und  die  Körper  für  die 
Geister  gebildet  habe,  oder  sie  knüpfen  an  ihn  den  Sieg  Feridun's 
über  Zohak;  auch  beschreiben  sie  einige  Züge  dieser  Feierlich- 
keit: wie  der  König  an  diesem  Tag  mit  dem  Oel  Ban  gesalbt, 
ein  feines  und  buntes  Gewand  angethan  und  die  Cidaris  aufge- 
setzt habe ,  über  der  ein  Bild  des  Sonnenrundes  zu  sehen  war. 
Der  Oberste  der  Mobeds  habe  ihm  eine  Schüssel  gebracht,  auf 
welcher  sich  Citronen,  Zucker,  Lotus,  Quitten,  Sysiphen,  Aepfel 
und  weisse  Trauben  und  sieben  Beeren  Myrten  befunden;  worüber 
er  murmelte.  Ardeschir  und  Nuschirvan  hatten  an  diesem  Feste 
Kleider  unter   das    Volk   vertheilen    lassen.     Das    Darbringen    von 


/• 


1)  Bei  Äthenaeus  X,  p.  434.  e.  Krtjoins  de  itag^  ^IvSols  fr^atv  ovx  e^elvai 
tc^  ßaaiXsi  /ued'vad'fjvaf  naQo.  Si  Ile^aaig  reo  ßaatXel  s(piexai  fie&voxB- 
ad'ai  fiiq  rjfiEQa,  iv  r;  d'vovoi  reo  Mi&QT]'  yQa^Ei  Se  ovreos  nsQl  rovrov 
Jovgig  ev  rrj  ißSo/ur]  rtov  lorogicSv  iv  fiovr]  rcov  ioqreov  rcov  ayofidvcov 
vnb  neqadiv  reo  Mid'gr]  ßaoiXsvs  fied'voxerai  xai  rö  Ilegaixdv  ^^;ifetTaf 
reJov  St  Xomeav  ovSsis  xara  rrjv  ^AaCav,  aXXa  navrei  anixovrai  xaret  rrjv 
^lus'gav  ravrrjv  rrji  oq^V^^^^S»  Vergl.  Müller  Fragm.  Hist.  Graec.  11 ,  p. 
472  sq. 

2)  Der  wahre  Grund  des  Festes  ist  wohl  Bundehesch  XV,  p,  33,  l.  9.  ed. 
Westerg.  zu  suchen ,  wo  gesagt  ist ,  dass  am  Tage  Mithra  des  Monats  Mithra 
aus  dem  Samen  Gaiomart's   die  ersten  Menschen    entstanden. 


58  Windischmann,  über  Milhra. 

allerlei  Blumen,  Früchten,  besonders  Datteln,  Granaten,  Reis, 
wohlriechenden  Körnern  ist  acht  magisch ;  vergl.  Anquetil  (Usages 
T.  II,  p.  534).  Von  diesem  Mithrafeste  redet  Straho  ^),  wenn  er 
erzählt,  der  Satrap  Armeniens  habe  dem  Perserkönig  alljährlich 
zwanzigtausend  Füllen  zu  dem  Mithrafeste  geschickt. 

Mag  Curtius ,  dessen  Stjl  der  besten  Zeit  keine  Unehre 
macht,  in  was  immer  für  ein  Jahrhundert  gehören,  seine  Notiz  ' ), 
dass  neben  der  Sonne  und  dem  Feuer  Mithra  angerufen  worden  sei, 
beweist,  dass  die  spätere  Identification  Mithra's  mit  der  Sonne 
ihm  noch  fremd  war,  während  schon  Slrabo  ^),  wo  er  mit  ofifen- 
barer  Beziehung  auf  Herodot  von  der  Religion  der  Perser  spricht, 
den  Vater  der  Geschichte  interpolirt  und  von  Helios  sagt,  die 
Perser  nannten  ihn  Mithra.  Von  da  an  wird  die  Verwechslung 
eine  allgemeine  und  auf  den  höchst  zahlreichen  Monumenten  des 
Mithracultus,  die  in  allen  Gegenden  des  römischen  Reiches  zu 
Tage  gekommen  sind,  ist:  Deo  Soli  invicto  Mithrae  zur 
unabänderlichen  Formel  geworden.  Nur  einmal  (Gruler  p.  22, 
No.  12)  findet  sich:  D.  1.  M.  e  t  Soli  socio  Sac. ,  wo  zwar 
Philipp  a  Turre  (Monum.  vet.  Antii  p.  178.)  Deae  Jsidi  ma- 
tri  ergänzen  will,  Muratori  (zu  Paulin,  adv.  Pag.  v.  110.  p. 
703)  aber  Deo  invicto  Mithrae,  indem  er  mit  vollem  Recht 
den  Unterschied  dieses  Gottes  von  der  Sonne  hervorhebt.  Auch 
bei  andern  ist  das  Bewusstsein  dieses  Unterschiedes  noch  nicht 
verloren  gegangen;  so  wenn  Nicelas  *)  sagt:  einige  hielten  den 
Mithra  für  die  Sonne,  andere  für  das  Feuer,  andere  für  eine  be- 
sondere Potenz.  Oder  wenn  Firmicus  Malernus  (de  error,  prof.  rel. 
c.  5)  an  einer  unten  näher  zu  erörternden  Stelle  Mithra  für  eine  männ- 
liche Personification  des  Feuers  hält.  Aber  das  ist  nur  vereinzelt ; 
der  Cultus  und  die  Schriftsteller  im  Allgemeinen  kannten  in  den 
nachchristlichen  Zeiten  die  Bedeutung  des  Mithra  nicht,  und  es  darf 
uns  also  nicht  wundern ,  wenn  die  Darstellung  der  Mithraischen 
Monumente,  während  sie  kaum  einen  Anklang  an  Aechtzarathust- 
risches  enthalten,  zumeist  nur  Symbole  des  Sonnenlaufes  und  der 
davon  abhängigen  Befruchtung  und  des  Hinsterbens  der  Natur  sind. 
Besonders  gilt  dies  von  dem  bekannten  borghesischen  Relief  und 
den  ihm  ähnlichen  Bildwerken,  welche  den  Hauptgegenstand  der 
früheren  Untersuchungen  über  Mithra  bildeten,  und  auch  allerdings 
geeignet  sind,  uns  die  Begriffe  der  Späteren  über  ihn  augen- 
scheinlich zu  machen ;  die  vielbesprochene  Inschrift  auf  dem  von 
Mithra  getödteten  Stier    (eine    unzarathustrische   Vorstellung,    die 


1)  XT,  p.  530.  Kai  6  oarodnv«  rfjs  'Aoueviag  tc5  Ile^arj  xaz'  erog 
SiOfivQiovi  na'Xovs  roTs  MiO^Qaxivois  ene/uney.  Toup  emendirt:  Mi&Qtatcol«, 
Grosscurt  Mi&Qa'Cxols,  Vielleicht  hatle  Strabo  schon  eine  dem  neuerep  Mih- 
ragan  entsprechende  Form ,  vor  Augen  und  schrieb  Mid'Qaxdvoci. 

2)  IV.  48,   12.     Solem  et  Mithren  sacrumque  et  aeternum  invocans  ignem. 

3)  XV,  p.  732.    c.    rijucaai  Se  xni  "Hliov  ,  ov  xalovai  Mid'Qijv. 

4)  in  Stelit.      JNaz.   1. 


Windischmann,  über  Milhra.  59 

man  am  alierwenig-sten  mit  dem  Urstier  der  Zendtexte  hätte  ver- 
mischen sollen,  der  bekanntlich  durch  Ahriman  stirbt)  NAiVlA 
SEBESIO  findet,  wie  mir  scheint,  aus  den  Zendtexten  keine 
Erklärung-,  wenigstens  bezüglich  des  zweiten  Wortes,  wenn 
nicht  gewaltsame  Aenderungen  gemacht  werden  wollten.  In  den 
noch  weiter  anzuführenden  Stellen  der  Alten  werden  sich  meh- 
rere Belege  der  Auffassung  des  Mithra  als  Sonne  .finden;  ich 
will  hier  nur  noch  solche  folgen  lassen,  die  sich  später  nicht  ein- 
reihen. 

Archelaus  ' )  Bischof  von  Cascar  in  Mesopotamien  (um  277 
n.  Chr.)  in  seiner  Disputation  mit  Manes,  die  ursprünglich  syrisch 
abgefasst,  schon  zu  Hieronymus  Zeit  griechisch  übersetzt  war, 
und  von  der  wir  nur  eine  alte  lateinische  Version  besitzen,  zwei- 
felt nicht  an  der  Einheit  Mithra's  und  der  Sonne. 

Öer  sogenannte  Dionysius  der  Areopagit  ~)  bezeugt,  die  Ma- 
gier feierten  eines  dreifachen  Mithra's  oder  SonnengoUes  Anden- 
ken. Turre  am  angeführten  Orte  (p.  196)  will  diesen  dreiffichen 
Mithra  von  den  drei  Zeichen  des  Thierkreises  verstehen,  die  in 
jede  Jahreszeit  fallen,  oder  von  den  drei  Zeiten,  oder  es  könne 
eine  Götterdreiheit  damit  gemeint  sein,  wie  Liber,  Apollo  und 
Sonne  bei  Arnobius,  oder  Sonne,  Mithra  und  Feuer  bei  Curtius 
(a.  a.  0.).  Wir  lassen  es  einstweilen  dahingestellt,  da  wir  nicht 
wissen,  ob  dieser  dreifache  Mithra  eine  ächte  und  alte,  oder  eine 
moderne  aus  der  Identification  mit  der  Sonne  herrührende  Vor- 
stellung ist.  Bei  Hieronymus  ^)  finden  wir  die  Kunde  von  einer 
auf  die  Identität  der  Sonne  und  des  Mithra  gegründeten  Zahlen- 
und  Buchstabenmystik,  wonach  der  Name  Mithra's  in  der  Form 
MEWPA2  die  Zahl  365  enthält  und  den  Sonnenlauf  bedeutet. 
Desshalb  vereinigt  eine  Gemme  die  Namen  Mithra's  {Mi&Qu^)  und 
Abraxas ;  vergl.   ICopp  Palaeogr.  crit.  III,  §.  455. 

Paulinus  von  Nola  in  einem ,  wie  mein  Freund  Buse  in  seiner 
trefflichen  Monographie    (Paulin    Bischof  v.  Nola  I,   p.  267.)    an- 


1)  Ziicagni  Monum.  vet.  eccies.  p.  63.  Barbare  sacerdos  Mithrae  et  col- 
lusor ,  Solem  tantum  colis  Mithram ,  locorum  niysticorum  illuminatorem ,  ut 
opinaris,  et  conscium,  hoc  est  quod  apud  eos  ludis  et  tanquam  elegans  mimus 
peragis  mysteria. 

2}  Ep.  VII.  2.  fidXiara  f/ev  ovv  rovxo  ratg  Tlegadiv  teQarixnts  ^/uipe- 
QBTai  (prifiaiiy  xal  stasri  Mdyoi  xd  fiviqfioovva  rov  TocnXaoiov  Ml&qov 
xeXovOLV,  •'^'^mmßmmt^ 

Die  Beziehung  des  dreifachen  Mithra  auf  das  Rückgehn  der  Sonne  bei 
König  Hiskias  Krankheit  beweist,  dass  Dionysius  Mithra  und  Sonne  identificirt, 
wie  auch  sein  Commentator  Pachymeres  bemerkt.  Ich  mache  übrigens  bezüg- 
lich des  dreifachen  Mithra  auf  die  Stelle  Sayana's  zu  Kigv.  I,  136,  2  aufnicrk- 
sam  ,  wo  der  eine  Gott  als  Mitra  Varuna  und  Aryaman   (Sonne)  erscheint. 

3)  In  Amos  c.  3.  ßasilidcs  omnipotentem  Deum  portentoso  nomine  appcllat 
Abraxas  et  eundem  secunduin  Graecas  litteras  et  annui  cursus  numerum  dicit 
in  Soüs  circulo  contineri ,  quem  Ethnici  sub  eodem  numero  litterarum  vocant 
Mithram,  et  Iberae  ioeptiae  in  Balsamo  Barbeloque  mirantur. 


f 


00  Windischmarin ,  über  Mühra. 

nimmt,    394  v.   Chr.  geschriebenen  Gedichte    adversus    paganos  v. 
110.  (p.  703.  ed.  Murat.)  greift  den  Mithradienst  mit  Wärme  an: 

Quae  nox  est  animi  ?  quae  sunt  improvida  corda? 
Quod  colitur  nihil  est,  et  sacra  cruenta  geruntur. 
Quid  quod  et  Invictum  spelaea  sub  atra  recondunt, 
ftuaeque  tegunt  tenebris ,  audent  hunc  dicere  solem. 
Quis*colit   occulte  lucem  sidusque  supernum 
Celet  in  infernis ,  nisi  rerum   caussa  malarum. 

Was  mit  den  sacra  cruenta  gemeint  ist,  werden  wir  unten  sehen. 

Der  späte  Mariianus  Capella  ^)  (aus  dem  d.  Jahrhundert  nach 
Chr.)  sagt  in  einer  Anrede  an  die  Sonne,  dass  die  barbarischen 
Culte  sie  Mitlira  nannten.  Hesychius  endlich  glossirt:  Mi&gag 
b   ij'/uog  nagd  Utgouig'   Mi&(jf]g  b   ngcojog  iv  IHgaaig  &e6g. 

Wir  würden  den  Occidentalen  Unrecht  thun,  wenn  wir  g-laub- 
ten  :  sie  hätten  Mithra  zur  Sonne  gemacht;  nein  sie  überkamen 
diese  Vorstellung  aus  dem  Orient,  und  wir  finden  ebensogut  in 
den  Armenischen  Quellen,  z.  B.  bei  Elisaeus  (Hist.  Vart.  p.  292. 
ed  Venet.) :  die  Sonne  sei  wegen  ihrer  gleichmässig  vertheilenden 
Freigebigkeit  und  gerechten  Austheilung  der  Gott  Mithra  genannt 
worden;  eine  Stelle,  die  zugleich  auf  den  moralischen  Begriff 
des  Mithra  ganz  richtig  hinweist.  Ja  wir  müssen  sogar  zuge- 
stehen, dass  Mithra,  der  Sonnengott,  im  Orient  schon  in  ziem- 
liches  Alter  hinaufreicht. 

x4uf  den  Münzen  Kanerki's,  eines  indoscjthischen  Königs  um 
die  Zeit  Christi,  findet  sich  abwechselnd  dieselbe  Figur  mit  Strah- 
lennimbus als  Mithra  und  Helios  bezeichnet;  vergl.  Lassen  Ind. 
Alt.  II,  p.  837.  Der  genannte  vortreffliche  Gelehrte  meint  die 
Umgestaltung  des  Mithra  zum  Sonnengott  schon  in  dem  Mihir 
Yasht  finden  zu  können,  und  hält  die  Zeit  von  Artaxerxes  dem 
zweiten  an  für  die  Periode ,  wo  sie  eintrat.  Allein  das  Opfer- 
gebet, wie  es  jetzt  vorliegt,  unterscheidet  Mithra  aufs  deutlichste 
von  der  Sonne,  und  der  Umstand,  dass  Artaxerxes  II.  auf  seinen 
Inschriften  Mithra  nennt,  beweist  an  und  für  sich  nicht,  dass  er 
ihn  zum  Hauptgott  gestempelt  habe.  Aber  gewiss  ist  es  richtig, 
dass  das  einseitige  Hervortreten  Mithra's  als  Sonnengott  in  die 
letzten  Jahrhunderte  vor  Christi  Geburt  zu  setzen  ist,  und  dass 
der  Mihir -Yasht  insofern  hier  in  Betracht  kommt,  als  er  wieder- 
holt von  dem  Wunsche  des  Gottes:  mit  namengenanntem  Opfer 
angebeteT*zu*  werden,  redet,  und  dadurch  eine  Mehrung  oder  Neue- 
rung seines  Cultus  andeutet.  Wir  werden  jedoch  ebendarum  den 
Hymnus  nicht  unter  die  Zeit  der  Achämeniden  herunter  setzen 
können.     Die  unstreitig  älteren   Gatha's  erwähnen  Mithra  nicht. 

Unter  den   entstellten    oder    missverstandenen  Zügen    der  Mi- 


1)  iV,   §.    190.    ed.    Kopp.      Dissona    sacra    Mithram   Ditemque    ferumque 
Typhonem. 


Windischmann,  über  Milhra,  61 

tliralelire,  welche  die  spätere  Zeit  uns  darbietet,  nimmt  die  Tra- 
dition vom  Ursprung-  des  Gottes  die  erste  Stelle  ein.  Der  älteste 
meines  Wissens,  der  Mitlira  aus  den  Felsen  geboren  nennt,  rst 
Juslinus  in  seinem  Dialog  mit  Trypho  (um  160  n.  Cbr.)  ^):  „wenn 
die,  welche  die  Mysterien  des  Mithra  überliefern,  sagen,  er  sei 
aus  Felsen  geboren  und  wenn  sie  den  Ort,  wo  die  Weihe  der 
ihm  Glaubenden  vorgenommen  wird,  Hohle  nennen,  so  ist  diess 
nur  eine  Nachahmung  jener  Prophezeiung  Daniel's  von  dem  Stein,  der 
ohne  Menschenhände  aus  dem  grossen  Berg  geschnitten  worden,  und 
des  Jesaias  (XXXIII,  13 — 19),  wo  es  in  einer  auf  Christus  den 
Herrn  gehenden  Rede  heisst:  „er  werde  wohnen  in  der  hohen*  Höhle 
des  festen  Felsens."  Die  Nachahmung  der  Worte  des  Jesaias,  wel- 
che Juslinus  meint,  bezieht  sich  aber  nicht  bloss  auf  die  dixaiongu- 
'^la ,  die  auch  in  den  mithrischen  Mysterien  eingeschärft  wurde, 
sondern  auch  auf  die  Stelle:  „Brod  wird  ihm  gegeben  werden, 
und  sein  Wasser  ist  treu"  wie  wir  weiter  sehen  werden.  An  der 
Stelle  p.  266.  sieht  der  Apologet  Christi  Geburt  in  der  Höhle 
durch  die  Höhle  des  Mithra  nachgeäfft.  Ein  christlicher  Dichter 
des  dritten  Jahrhunderts,  Commodianus  2),  sagt  in  seinem  Buche 
Instructiones  im  13.  Unterrichte:  Invictus  de  petra  natus,  si  Dens 
habetur.  Nunc  ergo  retro  vos  de  istis  date  priorem,  Vicit  petra 
deum,  quaerendus  est  petrae  creator.  Vincere  ist  hier  im  Sinne 
von  älter  sein  gebraucht  und  der  Dichter  will  sagen :  wenn  der 
felsgeborne  Unbesiegte  für  Gott  gehalten  werde,  so  sei  der  Fels 
älter  als  er,  der  Schöpfer  des  Felsens  aber  älter  und  mächtiger 
als  beide. 

Hieronymus  ^)  erwähnt  der  Fabeln  der  Heiden,  welche  Mithra 
und  Erichthonius  aus  Felsen  oder  Erde  durch  die  blosse  Brunst 
der  Wollust  erzeugt  werden  lassen.  Und  der  späte  Johannes 
Lydus  *)  (Mitte  des    6.  Jahrhunderts)    giebt  dem  Mithra  das   Prä- 


1)  Dial.  c.  Tryph.  70  (T.  11,  p.  336.  ed.  Otto).  Vrav  3i  oi  xa  rov  Mld-^ov 
fivoxrjQia  TtaQnSiSövres  Xäycooiv  ix  nixQai  yeyevi^od-at  avrbv  xai  a7cr,Xaiov 
xaXcooi  rov  rönov ,  ev&a  fjuvelv  rovs  neid'Ofievovs  avrcp  nagaSiSovoiv 
ivxav&a  ov/^i  t6  siQfjfievov  vtco  Javi^X,  ort  Xid'os  ävev  xeiqoöv  iTfiri&rj 
«I  oqovs  fzeyäXov,  {te^ifiriod'ai  avrovs  sniOTa/uat,  xal  xa  VTt"  ^Hoatov 
bfioitos,  ov  xai  xovg  Xoyovg  ndvxas  /ue/utfiT/oaad'ai  änsxsiQrjaav  '  Jixnio- 
nga^ias  yaQ  Xöyovs  tcal  naq'  ixeivois  Xdyead'ai  ixexvnaavzo  (vergl.  weiter 
78.  p.  266.  elncov  Sta  xovs  Xoyovg  ixsivovs  xovg  xa  Mid'Qa  fivaxrjQia  na- 
QaScSovxag  iv  xonco  inixaXovfiivca  nag^  avxolg  anrjXnCqt  juvsTod'ai  vti* 
avxcöv^  —  In  der  ersten  Stelle  sind  die  Worte:  xai  xä  vn^  'Haatov  eine 
nach  Mnranus  und  Thirlhfs  Vorgang  gemachte  Verbesserung  Otto''s, 

2)  Instruct.  ed.  Rigallius  und  in  der  Ausgabe  des  Minucius  von  Oehter 
abgedruckt. 

3)  Adv.  Jovin.  I.  (Opp.  IV ,  2.  p.  149.)  Narrant  et  gentilium  fabulae 
Mithram  et  Erichthonium  vel  ni  lapide  vel  ni  terra  de  solo  aestu  libidinis 
esse  creatos. 

4)  de  Mens.  III,  p.  43,  I.  21.  ed.  Bonn,  o&ev  xai  'Eaxiav  tt^o  ndvxaiv 
(faivovxai  xifir,aavxeg  '^PcnfiaXoi,  oigneQ  xov  nexQoyevrj  Mid'Qav  01  UeQoai 
8iä  xo  xov  nvQog  xevxgov. 


()2  Windischmann,  über  Milhra. 

dicat  niTQoytvrj't;  und   sagt,   dass  die  Perser  ihn    wegen    des   Cen- 
trums des  Feuers  verehrt  hätten. 

Ich  schalte  gleich  hier,  wo  von  Mithra's  Ursprung  die  Rede 
ist,  die  ganz  vereinzelte  Notiz  des  armenischen  Geschichtschreibers 
Elisaeus  ein,  welcher  (p.  52.  u.  58.  ed.  Ven.)  angiebt:  Mihr  der 
Gott  sei  von  einem  Weibe  geboren,  wenn  Jemand  mit  seiner  Ge- 
härerin  sich  verbinde ;  einer  der  Weisen  der  Magier  habe  gesagt, 
dass  Mihr  der  Gott  muttergeboren  sei,  und  von  Menschen  stamme, 
und  dass  er  ein  König  göttlichen  Geschlechtes  sei,  und  ein  vor- 
trefflicher Beistand  der  siebenzahligen  Götter  (Ahura  -  Mazda's  und 
der  sechs  Amesa  -  fpenta's).  Später  werden  wir  sehen ,  in  wie 
weit  auch  dies  einen  Anhaltspunkt  in  den  Urtexten  hat. 

In  engster  Verbindung  mit  der  Lehre  vom  felsengebornen 
Mithra  steht  die  Feier  seiner  Mysterien  in  Höhlen.  Die  Belege 
dazu  finden  sich  nicht  blos  in  den  zahlreichen  Monumenten ,  wo 
die  Höhle  abgebildet  ist,  und  den  Inschriften,  die  von  errichteten 
Speläen  Zeugniss  geben  (vergl.  Gruter  p.  33  et  34) ,  sondern 
auch  in  einer  Reihe  schon  angeführter  oder  noch  anzuführender 
Stellen  der  Alten.  Porphyrius  ( im  3.  Jahrhundert  n.  Chr. )  in 
seinem  für  diese  Sache  besonders  wichtigen  Buche  de  antro  njm- 
pharum  ^)  überliefert:  die  Perser  weiheten  das  Hinabsteigen  der 
Seelen  (in  die  Welt)  und  ihr  wiederum  Herauskommen  mystisch 
darstellend,  den  Mysten  an  einem  Orte  ein,  den  sie  Höhle  nennen. 
Zuerst  habe,  wie  Eubulus  sagt,  Zoroaster  eine  natürliche  mit 
Blumen  und  Quellen  versehene  Höhle  in  den  benachbarten  Bergen 
Persiens  eingeweiht  zu  Ehren  des  Schöpfers  und  Vaters  Aller, 
des  Mithra,  und  diese  Höhle  sei  ein  Bild  gewesen  der  Welt,  die 
Mithra  geschaffen ;  ihr  Inneres  aber  habe  in  symmetrischen  Ab- 
ständen ein  Sinnbild  dargeboten  der  kosmischen  Elemente  und 
Klimate.  Nach  diesem  Zoroaster  sei  es  auch  bei  den  Andern 
herrschend  geworden  in  theils  natürlichen,  theils  künstlich  ge- 
machten Schlüften  und  Höhlen  die  Weihe  zu  ertheilen.  Und  in 
Kürze  ebendaselbst  ^):  „überall,  wo  man  Mithra  kenne,  mache 
man  den  Gott  durch  eine  Höhle  gnädig. " 

Wie    hier    Zoroaster    den  Mithracultus    in   Höhlen    eingeführt 


1)  De  antro  nymph.  c.  6.  p.  7.  ed.  van  Goens.  Ovrat  xai  Ile^aai  iriv 
eis  xdrco  xd&oSov  rcov  xpv/^döv  aal  näXiv  e^oSov  fivaraycoyovvisg ,  reXovai 
rbv  fxvorriv  y  eTtovo/udoavres  OTitjXaiov  rönov'  n^cora  fiiv ,  cos  £(pV  Ev- 
ßovXos ,  ZojQodoTQOv  avToyves  omqXaLOv  iv  loXi  nhfjoiov  öqeoi  ta7s  IleQ- 
aiSos  dvO-rjQov  xai  nrjyds  e'xov  dvteQCÖaavTOS  eis  ri/u,rjy  rov  Ttdvrcov  noirj- 
tov  xal  naxQOS  Mid'qov,  sixova  ^eoovros  avrcp  rov  OTtrjXaiov  rov  xoafiGv, 
ov  6  Mid'Qas  iSfj/uiov^yTjas  •  rcov  oe  evrds  xard  ovfifidr^ovs  aTtoordoeis 
avfißoXa  (peQovrtov  rcov  icoouixcov  arpiXBicov  xal  »Xifiärcav»  Merd  Se  rov- 
rov  rov  Zofoodar^T]v  XQarrjoavroe  xai  Ttaqd  roTe  dlXois  Si'  dvrQaiv  xai 
anrjXaicov  e'tr^   ovv  avrowvcvv,    eirs  x^f-oonoirircov  ras  teXerds  dnoSiSovai» 

2)  c.  20. 


Windischmann,  über  Milhra.  63 

haben  soll,  so  wird  von  ihm  selbst  gesagt  *),  er  habe  aus  Liebe 
zur  Weisheit  und  Gerechtigkeit  sich  von  den  Menschen  getrennt 
und  allein  auf  einem  Berg  gelebt.  Möglich,  dass  diess  die  Oert- 
lichkeit  ist,  welche  der  Urtext  selbst  kennt  Farg.  XIX,  4.,  wo 
dare^ja  paiti  zbarahi  nmanahe  pourus-agpahe  im 
Zusammenhalt  mit  Bundehesch  p.  53,  5.  und  p.  58,  5  eine  an  der 
Krümmung  (zbaras  =  Sskr.  hvaras)  oder  Höhe  des  Flusses 
darega  ( Bundeh.  giebt  dara^a)  gelegene  Wohnung  bedeutet) 
wo  Zarathustra  den   Kampf  mit  dem  bösen   Geiste  hatte. 

Fragt  es  sich  nun ,  welchen  Anhaltspunkt  diese  Doctrinen 
von  dem  Felsengeborensein  Mithra's  und  von  seiner  Höhle  in  den 
ächten  zarathustrischen  Schriften  haben ,  so  glaube  ich  auf  die 
im  Yasht  13,  44,  50,  51  enthaltenen  Schilderungen  vom  Erschei- 
nen Mithra's  auf  den  Bergspitzen,  von  seiner  weiten ,  von  Ahura- 
Mazda  und  den  Amesa- ^penta's  gescha£Penen  Wohnung  auf  der 
glänzenden  Berghöhe  Hara  hindeuten  zu  sollen.  Das  Licht  er- 
scheint zuerst  vor  der  Sonne  auf  den  höchsten  Berggipfeln ;  der 
mythologische  kindliche  Ausdruck  dafür  ist:  es  wohne  in  der 
Höhle  des  Berges,  werde  vom  Berg  geboren;  ist  nun  überdiess 
der  Name  des  Berges  ein  weiblicher  wie  hara  berezaiti,  so 
knüpfte  sich  daran  um  so  leichter  die  Vorstellung  des  Geborenseins 
aus  dem  Felsen,  und  sie  ist  insofern  nicht  unberechtigt,  als  ja 
die  Zendtexte  den  Yazata  als  einen  geschaffenen  bezeichnen  (Mih. 
Y.  1.) ,  der  von  einer  zeitlichen  Existenz  hinweg  zu  ewiger  Ver- 
klärung hinüberschreitet  (Mih.  Y.  55,  74,  124).  Daher  erklärt 
sich  denn  auch,  was  die  armenischen  Nachrichten  von  einem  weib- 
gebornen  Mithra  wissen ;  es  scheint  mir  eine  V  ermengung  der 
Idee  von  dem  geschaffenen,  erzeugten  Mithra  mit  der  des  paosyä^ 
zu  sein ,  der  allerdings  von  einem  Weibe  geboren  werden  soll ; 
die  Stelle  des  Elisaeus  (p.  52.)  erinnert  vielleicht  an  Bundehesch 
p.  80,  11. 

Auch  die  indische  Tradition  kennt  die  Wohnungen  Mitra's; 
so  ist  Säraa-Veda  II,  4,  1,  1,  2  von  dem  Soma  die  Rede,  der 
in  sadandsu  des  Mitra  sich  niederlässt,  Rigv.  I,  152,  4  u.  5  ist 
das  Haus  des  Mitra  und  Varuna  genannt,  und  es  wird  dasselbe 
ungefähr  so  beschrieben,  wie  in  den  zarathustrischen  Texten;  so 
Rigv.  Ilj  41,  4  u.  5:  „Dieser  Soma  ist  euch  gepresst  Mitra  und 
Varuna  ihr  Wahrheitmehrer!  Hört  meinen  Ruf,  ihr  unbetrüglichen 
Könige  im  festen ,  höchsten  Haus  dem  tausendsäuligen  sitzet  ihr." 

Die  Höhle  des  Mithra  hat  also  ihren  Ursprung  im  hohen 
Alterthum;  ihre  Deutung  dürfte  aber  auch  durch  die  Etymologie 
Erläuterung    erhalten.     Mithra    heisst  in    den  Zendtexten    oft    der 


2)  Dio  Chrysost.  Grat.  Borysth.  ed.  Mor.  p.  448.  '^Ov  {Zcoq.)  IleQaat 
Xeyovoiv  k'^can  oo(pias  xai  SixaioovvTjg  aTtoxoJ^r/oavra  rc5v  aXXtov  xn-d"^ 
avrov  iv  oqei  ttvi  ^fjv.  PHnius  H.  N.  VI.  42.  Tradunt  Zoroaslrem  in  de- 
sertis  oaseu  vixisse  anuis  vigiiiti  ita   lemperatu ,  ut  vctustatein  non  sentiret. 


§4  Windischmann,  über  Milhra. 

Späher,  von  ^pag  spähen,  schauen,  Sskr.  pag  Lat.  spec-io, 
Gr.  OHonetv ,  welch  letzteres  durch  Verwandlung-  des  p  nach  s  in 
X,  und  durch  Ueberg^ang-  des  9  in  tt  (vergl.  a^^va  und  "Innog)  zu 
erklären  ist;  vergfl.  Kuhn  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  IV,  p.  10). 
Nun  bemerkt  aber  schon  Ulpian  bezüglich  auf  das  Lat.  specus,  es 
sei:  locus  unde  despicitur,  und  die  Zusammengehörigkeit  von  specio, 
specula,  speculari  einerseits  und  von  specus,  spelunca  (für  speculun- 
ca)  andrerseits,  von  Gr.  axontiVy  axoneKog^  oxoniu  und  aniog,  ontj- 
Aa/01',  anijXvy'i,  ontXdq,  aneXog  scheint  mir  zweifellos.  Die  Höhle 
desMithra  wurde  daher  zugleich  als  die  Warte  gedacht,  von  welcher 
herab  er  Alles  sieht  und  ausforscht;  vergl.  Mih.  Y.   13,  45. 

Sie  ist  aber  auch  der  Schauplatz  einer  That  des  Mithra,  von 
welcher  die  späteren  Quellen  mancherlei  berichten ,  nämlich  des 
Raubes  der  Rinder.  Abgesehen  von  monumentalen  Darstellungen 
dieses  Mythus  ist  der  älteste  Zeuge  aus  dem  classischen  Alterthum 
Statins  (zur  Zeit  Domitian's)  ^),  der  Phöbus  anredet: 

Adsis  o  memor  hospitii  Junoniaque  arva 
Dexter  ames,  seu  te  roseum  Titana  vocari 
Gentis  Achaemeniae  ritu,  seu  praestet  Osirin 
Frugiferum ,  seu  Persei  sub  rupibus  antri 
Indignata  s^qui  torquentem  cornua  Mithram. 

Deutlicher  der  schon  oben  angeführte  Commodianus  an  der  bezeich- 
neten Stelle : 

Insuper  et  furem  adhuc  depingitis  esse, 
Cum  si  Dens  esset  unquam  non  furto  vivebat. 
Terrenus  utique  fuit  et  monstrivora  natura 
Vrtebatque  boves  alienos  semper  in  antris 
Sicut  et  Cacus  Vulcani  filius  ille. 

Die  physikalische  Umdeutung  des  Raubes  finden  wir  bei  Por- 
phyrius  ^),  der  die  Nachtgleiche  zwischen  Widder  und  Stier  als 
den  eigentlichen  Sitz  des  Mithra,   den  Stier   als    den    der  Aphro- 


1)  Thebaid.  I,  716.  —  Lutatius  sagt  zu  der  Stelle:  Sol  apud  Adiamenios  (?) 
Titan ,  apud  Assyrios  Osiris  ,  apud  Persas ,  ubi  in  antro  colitur,  Mithras  vo- 
calur.  Und  weiter :  Persae  in  spelaeis  coli  Solera  primi  invenisse  dicuntur.  Et 
hie  Sol  proprio  nomine  vocatur  Mithra ,  quique  eclipsim  patitur ,  ideoque  intra 
antrum  colitur.  Est  enim  in  spelaeo  Persico  habitu,  leonis  vultu  cum  tiara 
utrisque  manibus  bovis  cornua  comprimens,  quae  interpretatio  ad  lunam  dicitur. 
Nam  indignata  sequi  fratrem  occurrit  illi  et  lumen  subtexit.  Sol  enim  lunam 
minorem  potentia  sua  et  humiliorem  docens  taurum  insidens  cornibus  torquet, 
quibus  dictis  Statins  lunam  bicornen  intelligi  voluit.  Die  Beschreibung  passt 
vollkommen  auf  die  Monumente,  z.  B.  das  berühmte  borghesische  Relief;  sie  be- 
w^eist  zugleich,  wie  man  von  der  ursprünglichen  Bedeutung  dieses  Rinderraubes 
abwich  in  Folge  der  Auffassung  des  Mithra  als  Sonne.  So  Porphyrius  an  der 
gleich  folgenden  Stelle. 

1)  De  antro  nymph.  c.  18.  Kai  ßovxXonos  ■&edg  6  rijv  yivEOiv  Xelrj- 
S'OTWi  dxovcov  (?).  c.  23.  Tep  p.sv  ovv  Mld'Qq  olxsiav  xad'idgav  rr)v 
xata  ras   iorjfiEQiai   vnsxa^ai'  •    Sio    xQiov  fiev    tpi^ei    a^rjtov    QtoSiov    rr^v 


Windischmann,  über  Milhra.  65 

dite  beseichnet  und  den  Raub  als  die  geheime  Forderung  der 
Genesis  des  Alls  erklärt. 

Eine  der  wichtigsten  Stellen  über  den  Rinderraub  ist  die  des 
Julius  Firmicus  Maternus  ^),  der  nach  Bursians  (praef.  p.  VI)  Ver- 
muthung  sein  Buch  de  errore  profanaruin  religiouum  ira  Jahre  347 
n.  Chr.  schrieb.  Es  ist  augenfällig,  dass  er  Unzarathustrisches 
seiner  Darstellung  einmischte;  denn  eine  Schlangengöttin  passt 
nicht  ins  System;  es  ist  die  Isis,  die  mit  Mithra  verquickt  wurde, 
wie  a  Turre  richtig  gesehen  (1.  c.  p.  186).  Oder  die  fackeltra- 
gende dreiköpfige  Göttin  auf  den  Agathoklesmünzen;  vergl.  Lassen 
Ind.  Alt.  II,  p.  291,  welche  die  drei  Phasen  des  Mondes  symboli- 
sirt,  die  in  den  Zendtexten  neben  dem  Mond  selbst  verehrt  werden; 
vergl.  Mab  Y.  4.  Möglich,  dass  dem  Firmicus  als  weibliche  Göttin 
neben  xMithra,  die  Mitra  des  Herodot,  die  Anahita  der  Zendtexte 
vorschwebte.  Auf  Mithra  aber  und  Anahita  passt  das  Feuer  nicht; 
wenn  nicht  an  des  letztern  Verwandtschaft  mit  dem  Lichte  ge- 
dacht werden  darf,  und  bei  Anahita  an  jenes  Feuer,  welches  nach 
vedischen  Vorstellungen  im  Wasser  verborgen  ist.  Der  Prophet, 
dessen  griechischen  Vers  Firmicus  citirt,  ist  wohl  ein  pseudozo- 
roastrischer  Schriftsteller,  wie  sich  deren  in  der  spätem  Zeit  im 
Occident  mehrere  hervorthaten ;  z.  B.  der  Verfasser  der  dnoxd- 
"kvxjji^  ZcüQodoTQOV  bei  Porphyrius  (Vita  Plot.  c.   16.) 

So  gewiss  es  nun  ist,  dass  die  von  den  Spätem  beliebte 
Interpretation  des  Rinderraubes  unrichtig  ist,  so  gewiss  ist  es 
andrerseits,  dass  der  Raub  selbst,  oder  vielmehr  die  Befreiung 
der  von  den  Dämonen  geraubten  Kühe  ein  acht- zarathustrischer 
Zug  ist,  der  in  den  Kreis  der  ältesten  arischen  Mythen  gehört. 
Meine  Deutung  der  Stelle  Mih.  Y.  86  und  ihre  Vergleichung  mit 
ähnlichen  der  Veda's  (s.  Rosen  au  dem  angef.  Orte  und  Rigv.  1. 
65,    1.)   und    der    classischen    Mythologie    (vergl.    Preller   Griech. 


fidxcciQav ,  eTtoxsTrai  8e  ravQco  yi(pQO§irTjs'  (os  xal  6  raiJQOs  {ravoovt) 
SrjfiiovQyös  ojv  b  Mi&Qag ,  'nal  yevsoecag  SsanozTjs  *  xara  tov  iotjfieQivbv 
8e  riranxai  xvxXov  *  iv   a^iare^ä  Se  zä  vözia. 

1)  De  error,  profan,  relig.  c.  5,  Persae  et  Magi  omaes ,  qui  Persicae 
regioais  incolunt  fiaes,  ignem  praeferunt  et  omnibus  elementis  ignem  putant 
debere  praeponi.  Hi  itaque  igaem  in  duas  distribuunt  potestates,  naturam  ejus 
ad  utrumque  sexurnttransferentes  et  viri  et  feminae  simulacro  ignis  substautiam 
deputantes :  et  mulierem  quidera  tritbrmi  vultu  constituunt  monstrosis  eam  ser- 
pentibus  illigantes,  Quod  ide<f  faciunt ,  nc  ab  auctore  suo  diabolo  aliqua  ra- 
tione  dissentiaot,  sed^t  dea  sua  serpentibus  pulLulans  niaculosis  diaboli  in- 
sigoibus  adornetur.  Virum  vero  abactorem  boum  colentes  sacra  ejus  ad  ignis 
transferunt  potcütatein ,  sicut  propheta  ejus  tradidit  nobis  dicens :  Mvoxa  ßoo- 
tcXoTtirig,  vis  Si^ie  naxQOS  dyavov,  Hunc  Mitbram  dicunt ,  sacra  vero  ejus 
in  speluncis  abditis  tradunt,  ut  semper  obscuro  tcnebrarum  squalore  demersi  gra- 
tiam  splendidi  ac  sereni  luminis  vitent.  0  dira  numinis  consecratio !  o  nefariae 
legis  fugienda  commenta !  deum  esse  credis ,  cuius  de  sceleribus  confiteris. 
Wower  giebt  den  griechischen  Vers  foigendermaassen :  Mixräßco  /uvardicv  ö 
xXoniris  ovvSexe  narQOS  dyavov.  Scaliger:  Mvxrjxao  ßoos  fivorai,  KvxXa 
ßooxXoniTje  avpaeiSsre  n*  a,    Oehler :  Mvaxai  ßooxXoTtirji'  awaeiSaze  n,  d. 

Abhandl.  der  DMG.  1,1.  5 


^Q  Windischmann,  über  Milhra. 

Mytii.  II,  p.  141  über  die  Rinder  des  Geryoneus)  setzt  dies  in 
klares  Licht.  Welclie  Deutung  den  geraubten  Kühen  zu  gehen 
sei,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Es  übiigt  uns  noch ,  über  die  Mysterien  des  Mithra  zu  spre- 
chen. Sie  waren,  wie  schon  erwähnt,  um  70  v.  Chr.  Geburt 
ins  Abendland  gedrungen,  und  wurden  dort  mit  jener  Leidenschaft 
für  das  Exotische  und  Geheimnissvolle  aufgenommen ,  welche  dem 
Untergang  des  Heidentbums  als  letztes  Aufflammen  seines  \or 
der  Sonne  des  Christenthums  erbleichenden  Lichtes  vorausging. 
Mitbra  war  in  der  Kaiserzeit  ein  so  beliebter  Gott,  dass  Dio 
Cassius  ^)  dem  König  Tiridates  bei  seiner  Krönung  zu  Rom  die 
Worte  an  Nero  in  den  Mund  legen  konnte:  er  sei  zu  ihm  ge- 
kommen, um  ihn  wie  Mithra  anzubeten.  Die  orientalischen  Mode- 
religionen persiflirt  Lucian  (120  —  200  n.  Chr.)  ~),  wenn  er  die 
Götter  fragen  lässt,  woher  der  medische  Mithra  hereingerollt  wor- 
den sei  mit  seinem  Nationalrocke  und  seiner  Tiara,  der  nicht 
einmal  griechisch  rede  und  es  nicht  verstehe ,  wenn  man  ihm 
zutrinke  —  eine  Anspielung  auf  die  barbarischen  Namen  und 
Wörter,  welche  bei  seinem  Culte  vorkommen.  Oder  wenn  der 
Satiriker  ^)  die  schönen,  aber  ärmlichen  hellenischen  Götter 
den  kostbaren ,  goldenen  der  Barbaren  gegenüberstellt.  Zu  Ha- 
drian's  Zeiten  war  der  Cult  so  ausgebreitet,  dass  der  Schriftsteller 
Pallas  ein  eignes  umfangreiches  Bucb  über  Mithra  abfasste ,  wie 
Porphyrius  *)  berichtet,  welches  aber  durch  seine  Einmischung  der 
Lebre  von  der  Seelenwanderung  in  die  von  Mithra  kein  günstiges 
Vorurtheil  für  die  Kritik  seines  Urhebers  erregt.  Die  weitere 
Stelle  des  Pallas,  we\che  Porphyrius  ^)  citirt,  beweist,  dass  ersterer 
zwiscben  Hadrian  und  der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts  nach  Christo 
geschrieben  haben   muss. 

Ob  Eubulus,  den  Porphyrius  an  der  oben  angeführten  Stelle 
erwähnt  (de  antro  nymph.  c.  6),  und  auf  welchen  im  Zusammenhalt 


1)  LXIII,  p.  1029.  ed.  Reimar.  Kat  rjld'ov  xe  tzqos  os  rov  ijuor  S'sdv, 
nQOSXvvriacov  ob  cos  xal  rov  Mid'qav  xai  eao/tiat  rovro  oxc  av  av  im- 
nXoöoriq'  ov  ya-Q  fioi  xai  fxolqa  sl  xai  rv^V* 

2)  Deor.  coocil.  (LXXIV)  c.  9.  14W  6  "Ams  ye,  a  Zev ,  xai  6  Ko- 
Qvßas  xai  6  ^aßdl^ios  nöd'ev  rjfiiv  BTtEiaxvxXrjd'ijaav  ovroi,  r,  b  Mi&qrjs 
ixeXvos  b  ßl^Soe  o  xdv  xdv8vv  xai  t^v  ridqav ,  ov8a  ikXri^it,(ov  rfj  ^on^fj, 
a»ST£  ov8'   t^v  TiQoni^  Tts  ^vvir^ai; 

3)  Jup.  tragoed.  c.  8.  'H  Bevdii  Si  avTrj  xai  b''ivovßis  ixeivoai  xai 
naQ^  avTÖv  6  "Arris  aai  6  Mi&qrjs  xai  6  Mrjv  oXot  ölöxQvaoi,  xai  ßaoBls 
xai  nolvrifATiroi  cos  dXr}&(Ss> 

4)  de  Abstin.  IV,  16.  p.  351.  d>v  rr/r  alrtav  anoStSovs  IldXXas  iv  roXs 
itBQi  rov  Mi&Qa  xr^v  xoiv^v ,  tprjat,  cpoQav  oXead'ai  cbs  tvqos  x^v  ^(oSiaxov 
xvxXov  dnoxeivBiv  xfjv  8s  dXrjd'iviiv  VTtoXrjyjiv  xai  dxQiß-fj  neqi  xcov  dv~ 
d'QOiTCivoJv  ifjvxcov  aivixxead'ai ,  «s  TtaproSanals  7t6QiB%Bod'ai  ocofiaoi 
Xsyovaiv. 

5)  De  Abstin.  II,  56.  p.  202.  xaxaXvd'ijvai  8s  ras  dvd'QOjnod'valas 
o^eSov  xds  na^d  ndai  frjoi  IldXXas  ,  6  aQiara  xd  nsQi  xcov  xov  Ml&Qa 
avvayaycov  fivaxrjqicov ,  än^  ^A8Qiavov  xov  avtoxodxooos. 


Windischmann ,  über  Milhra.  67 

mit  Hieronymus,  ^)  der  offenbar  Porphyrius  vor  Augen  hatte,  auch 
die  weitere  Stelle  2)  im  Buch  von  der  Enthaltsamkeit  zu  bezie- 
hen ist,  mit  dem  gedachten  Pallas  einer  sei,  oder  Müllers  Ver- 
muthung  (fragm.  Hist.  Gr.  II,  26),  welche  den  Eubulus  mit  Bolus 
Mendesius,  dem  Fälscher  demokritischer  Schriften  unter  den  er- 
sten Ptolemäern,  identiiicirt,  Platz  greife,  darüber  ist  es  schwer 
klar  zu  werden.  Den  Verlust  eines  Schriftstellers  über  Mithra 
aus  der  Zeit  der  Ptolemäer  hätten  wir  allerdings  zu  beklagen. 

Die  plastischen  Denkmäler  und  die  Inscliriften  beweisen  die 
weite  Ausbreitung  des  Mithradienstes  in  dieser  Zeit,  und  ebenso 
die  sogleich  anzuführenden  Stellen  der  christlichen  Apologeten. 
Von  Commodus  ist  uns  bei  Lampridius  ^)  überliefert,  dass  er  die 
mithrischen  Geheimnisse  mit  Mord  befleckt  habe.  Unter  Septimius 
Severus  gab  es  Priester  Invicti  Mithrae  domus  augustanae  (Marin. 
Monum.  dei  frat  Arv.  p.  529).  Noch  358  n.  Chr.  finden  wir 
mithrische  Festfeier  (Gruter  p.  1087).  Dass  sich  der  enthusiasti- 
sche Sonnendiener  Julian  der  Abtrünnige  mit  Vorliebe  dem  Mi- 
thracult  zuwendete  und  darin  wahrscheinlich  eine  durch  den  Erfolg 
als  ohnmächtig  erwiesene  Waife  gegen  das  Christenthum  suchte, 
kann  uns  nur  natürlich  scheinen.  So  sehen  wir  denn  den  Schön- 
redner Himerius  *)  um  362  n.  Chr.  in  die  mithrischen  Mysterien 
zu  Constantinopel  eingeweiht  werden,  und  seine  Rede  bei  dieser 
Feier  mit  Mithra's ,  der  Sonne,  Namen  und  einem  Complimente 
an  Julian  beginnen.  Der  Kaiser  selbst  aber  bezeugt  (Grat.  IV, 
p.  155) ,  dass  er  der  Sonne  Mithra  neue  Kampfspiele  eingeweiht 
habe,  und  spricht  in  seinen  Caesares  ^)  mit  Salbung  von  seiner 
Andacht  zu  Mithra,  wobei  nur  die  Worte  über  die  Wirksamkeit 
des  Gottes  nach  dem  Tode  beachtungswerth  sind.  Aber  nur  kurz 
war    die    Freude   dieses  erneuerten  Mithradienstes.      Schon  377   n. 


1)  Adv.  Jovin.  I.  (Opp  IV,  2.  p.  206.)  Eubulus  quoque,  qui  liistoriam 
Mithrae  multis  voluminibus  explicavit,  narrat  apud  Persas  tria  geiiera  magorum, 
quorum  primos ,  qui  sint  doctissimi  et  eloquentissimi,  excepta  farina  et  olere 
niliil  amplius  in  cibo  sumere. 

2)  De  Abstin.  IV,  16.  p.  349.  Ji/]oi]vto  Ss  ovtoi  (udyoi)  sig  yerrj 
rqia,  dii  (f>T]ai  ^vfißoyXos  o  tisq  rfjv  lov  Mid'Qa  lorogCav  iv  nolloXi 
ßißliois  dvaygatpas*  tbv  ol  n^coroi  xai  loyiioratoi  ovr'  eo&iovaip  SfiipV' 
%ov  X,  T.  X*     Es  ist  zu  lesen  :  EvßovXos  6  xfjv  TteQl  rov  Mid'Qa  x,  r.   k. 

3)  Lnmprid.  Commod.  c.  9.  Sacra  Mithriaca  liomicidio  vero  polluit,  quam 
illic  aliquid  ad  speciery  tinioris  vel  dici  vel  fingi  soleat.  Vergl.  Salmasius  ad 
Hist.  Aug.  p.  394,  382.  und  Gruter  p.  1066. 

4)  Orat.  VII,  2.  p.  510  ed.  Weriisdorf.  'Illtco  Mid'Qa  xpvxr,v  xad'ä^nv- 
reg  xal  ßaailel  rep  yilcp  &eole  ■^Srj  Siot  dscop  ovyyevöfierot,  ^iqe  riva 
rc^  TS  ßaoiXeX  xai  ttj  noXei  Xoyov  avil  XdfinaSoi  ävdxpcofiBV. 

5)  Caes.  p.  32.  ed«.  Heusinger,  ^oi  Se ,  tiqos  sfje  Xiycov  b  'E^fi^g,  Se- 
SoJxa  rov  naräQn  Mi&Qav  iniyvcüvai'  av  Ss  avjov  iiov  ivxoXcäv  k'xov, 
neXa/ia  xal  oq^ov  dofaXij ,  ^(Jüvii  re  asavxf^  TtaQaoy.evd^tov ,  xal  rjvixa 
dv  ivTsvd'ev  djtievai  Ser]  fietd  rr^e  dyn{frjfi  eXniSog  Tjyefiova  d-FOv  PVfiev^ 
xad'tarde  asavrt^. 

5* 


I 


0g  Windischmann,  über  Milhra. 

Chr.  Hess  der  praefectus  urbi  Gracchus  das  Mithrische  Speläon 
zerstören,  wie  Hirronymus  •)  bezeugt;  ja  unter  Julian  selbst 
konnte  es,  wie  Pholius  erzählt  ^),  Georg  Bischof  von  Alexandrien 
wagen,  einen  alten,  schon  baufälligen  hellenischen  Tempel,  in 
welchem  vor  Zeiten  die  Hellenen  die  Mysterien  des  Mithra  gefeiert, 
Männer,  Kinder  und  Weiber  geopfert  und  aus  ihren  Eingeweiden 
prophezeit  hatten  ,  zu  reinigen  ,  und  als  christliche  Kirche  herzu- 
stellen, bei  welcher  Reinigung  sich  viele  Schädel  der  Ermordeten 
gefunden  haben  sollen,  was  einige  unbesonnene  Christen  benützten, 
die  mithrischen  Mysterien  zu  travestiren  und  die  Schädel  zum 
Spotte  herumzutragen.  Das  Wagniss  hatte  übrigens  traurige  Fol- 
gen für  Georg:  bei  einem  Volksauflauf  wurde  er  getödtet,  sein 
Leichnam  auf  einem  Kamel  in  der  Stadt  herumgeschleppt,  und 
seine  Gebeine  mit  Thierkadavern  vermischt  und  verbrannt  ^). 

Bemerkenswerth  ist  auch  hier  die  Behauptung,  dass  mit  den 
mithrischen  Mysterien  Menschenopfer  verbunden  gewesen  seien. 

Gehen  wir  nun  zum  Inhalte  und  zur  Beschaffenheit  dieser 
Mysterien  über,  so  berichtet  Suidas  ")  offenbar  aus  älteren  Quellen: 
die  Perser  hielten  Mithra  für  die  Sonne  und  brachten  ihm  viele 
Opfer  dar;  es  könne  Niemand  in  seine  Mysterien  eingeweiht  wer- 
den ohne  gewisse  Stufen  der  Strafen  durchgemacht  und  sich  heilig 
und  leidenschaftslos   bewiesen  zu  haben. 

üeber  diese  Strafen  spricht  der  h.  Gregorius  v.  Nazianz  ^ ),  wo 
er  dem  abtrünnigen  Julian  vorwirft,  dass  er  die  Mysterien  der 
Heiligen  verachte,  während  er  für  die  Feinen  des  Heidenthums 
und  seiner  Mysterien  schwärme ,  und  wenn  er  die  an  dem  ehr- 
würdigen Marcus    verübten   Grausamkeiten    mit    denen    der  Mithra- 


1)  Ad  Laetam  Ep.  LVII.  Ante  paucos  annos  propinqiius  vester  Gracchus 
nobilitatein  patritiain  nomine  sonaus,  quum  praefecturam  gereret  urbanam,  nonne 
specum  Mithrae  et  omnia  portentosa  smmlacra,  quibus  corax,  gryphus  ,  Miles, 
Leo  Perses  ,  Helios  ßromius  pater  initiantur,  subvertit,  fregit,  excussit. 

2)  Bibl.  285.  p.  483.  B.  ed.  Bekker.  reco^yios  §'  ö  ev  Ifke^arS^elq 
vaov  '^EXXrjvixbv  rjSrj  xarTj^eiTtto/uevov  ,  di/  co  rö  naXaior  oi  "ElXr,vss  re- 
Xexas  äxiXovv  rc^  Mid'qq  ■d'vovres  tb  är§Qas  xal  ndldas  xal  yvraixas  aal 
ToTs  OTtXdyxrois  avrcor  fxavrsvofievoi  y  rovrov  avaxa&ai^eiv  inefieXelro 
ini  tqJ  avoiüodofirjaai  evxx'^qiov*  dvana^atQOfisvov  de  BVQTjxai  noXXd 
XQavia  rcov  dvrjQtjfievoJv ,  ital  rwv  X^torinvcör  ol  ^rjXcorai  ixTCOfiTCsvovxES 
rä  rcov  '^EXXrjvcov  /uvoxi]Qia  sii  yiXcoxa  rcp  Srjfic^  xal  ^Xe-vtiv  rä  xQcivia 
TiQodyovai. 

3)  Chronic.  Pasch.  I,  p.  546.  ed.  Bonn  ;  Socrates  H.  E.  IIT,  2. ;  Sozo- 
menus  V,  7.    Philostorgius  VII,  2. 

4)  s.  V.  Mid'QOv.  MCd'Qav  vofiit,ovoiv  slvai  ol  IHgoai  xbv  ^Xcov,  xal 
tovxcp  d'vovai  TtoXXds  d'voias  •  ovx  av  ovv  sie  avxbv  Svvrjoaixö  xis  xeXso- 
d'fjvai,  El  fii]  dtd  xivcov  ßnd'ficüv  naQsXd'cbv  rc5v  xoXdoetov  Seilet  eavxov 
oaior  xal  dna&rj.     Vergl.  Küster  zur  Srelle. 

5)  Orat.  Stelit.  I,  in  Jul.  p.  77.  ed.  Col.  fi  xal  ras  ev  Mid'QOv 
ßaadvovs  xal  xavosis  (xoXdoEis)  ivdixovs  xde  juvaxixdg.  ib.  p.  89.  nn^a 
rcov  d^icoi  ev  Mid'QOv  xavxa  xoXat,ofiiva)v.  Or.  XXXIX.  p.  626.  ovSs 
Mid'QOv  xoXaoii  k'vdixoi  xaxd  xcöt-  fivETo&ai  xd  xotavxa  dve^oftivcov. 


Windischmann,  über  Milhra.  ^9- 

Mysterien  vergleicht.  Zu  der  ersten  Stelle  bemerkt  Elias  von 
Kreta  (T.  II,  p.  325.) :  Jam  vero  Mitlirum  nonnulli  Soleni  esse 
dicunt,  in  cujus  etiain  Lonoreni  festa  celebrabantur  ac  praesertim 
apud  Chaldaeos.  Et  quidein  si  qui  ipsius  sacris  initiandi  erant, 
per  duodeciin  cruciatus  ducebantur,  ninürum  per  ignein,  per  frigus, 
per  famem,  per  sitim,  per  flagra,  per  itineris  inolestiain  aliaque 
id  genus.  Justos  autein  hujusmodi  cruciatus  dicit,  propterea  quod 
iis  digni  erant,  qui  hujusmodi  sacra  obibaut;  mysticos  autem,  ut 
ipsi  existimabaut.  Dasselbe  wiederholt  er  zur  zweiten  und  Ni- 
cetas  zur  dritten.  Und  Nonnus  zu  der  Orat.  Stelit.  ib.  II,  p.  501. 
Hie  Mithra  apud  Persas  sol  esse  cxistimutur,  eique  victimas  im- 
molant,  ac  sacra  quaedam  in  ipsius  honorem  faciunt.  Nullus  porro 
ipsius  sacris  initiari  potest,  nisi  primo  per  quosdam  suppliciorum 
gradus  transivit ;  sunt  autem  tormentornm  gradus  LXXX  partim  re- 
missiores,  partim  intentiores.  Primum  enim  levioribus  suppliciis, 
deinde  acrioribus  afßciuntur;  atque  ita  post  decursa  omnia  tormenta 
ipsius  sacris  imbuuutur.  Igni  quippe  et  aqua  et  hujusmodi  supplicio- 
rum generibus  excruciantur.  ib.  p.  510  sq.  Persae  Mithram  solem 
esse  existimant  eique  raulta  sacrificia  offerunt,  quibusdamque  ipsius 
sacris  initiautur,  ad  quae  nemo  admittitur,  nisi  qui  prius  tormento- 
rnm genera  pertulerit  pietatisque  suae  fortitudinisque  animi  in  per- 
ferendis  doloribus  specimen  dederit.  Ajunt  autem  LXXX  esse 
cruciatuum  genera,  per  quae  certo  ordine  ei  qui  initiandus  est, 
necessario  transeundum  est.  Verbi  causa  primum  ei  diebus  multis 
aperienda  est  aqua.  Deinde  necessario  ipsi  faciendum  est,  ut  se  in 
ignem  conjiciat;  postea  in  solitudine  versari  sibique  ipsi  inediam 
imperare  necesse  habet;  atque  ita  ad  alia  pergere,  quousqueLXXX 
ut  diximus  suppliciorum  generibus  defunctus  fuerit.  Quibus  si  su- 
pervixerit,  tum  demum  sacris  Mitbriacis  initiatur.  —  Nachrichten 
von  vSchriftstellern  des  11.  u.  12.  Jahrhunderts  klingen  freilich  ver- 
dächtig; es   scheint  aber,  dass  sie  ältere  Quellen  vor  sich  hatten. 

Schon  oben  sahen  wir  aus  Lampridius ,  dass  mit  den  Myste- 
rien Schrecknisse  verbunden  waren,  die  selbst  bis  zu  wirklichem 
Mord  ausarteten.  Sie  sollten  den  Krieger  des  Mithra  stählen, 
wie  Terlullian  *)  ausführlicher  entwickelt.  Ausser  diesen  prüfen- 
den Strafen  und  Schrecknissen  oder  vielleicht  in  ihnen  scheinen 
verschiedene  Grade  der  Mysterien  bestanden  zu  haben,  die  nach 
Thieren  bezeichnet  wurden,    wie    derselbe    Terlullian'^)    andeutet, 


1)  De  Corona  c.  15.  Erubescite  coramilitones  ejus  (Christi)  jam  non  ab 
ipso  judicandi,  sed  ab  aliquo  Mithrae  milite,  qui  cum  initiatur  in  spelaeo ,  in 
castris  vere  tcnebrarum,  coronam  interposito  gladio  sibi  oblatam,  quasi  mimum 
martyrii,  debinc  capiti  suo  aceommodatam  monetär  obvia  manu  e  capite  pel- 
lere  et  in  humerum ,  si  forte  transferre  ,  dicens  Mithram  esse  coronam  suaui. 
Atque  exinde  nunquam  coronatur,  idque  in  Signum  habet  ad  probationeni  sui, 
sicubi  temptatus  fuerit  de  sacramento,  statimque  creditur  Mithrae  miles,  si  de- 
jecerit  coronam ,  si  eam  in  Deo  suo  esse  dixerit. 

2)  Advers.  Marc.  I,  13.  Sicut  aridae  et  ardentis  naturae  sacramenta  lea- 
ncs  Mithrae  philusophautur. 


70  Windisclimann ,  über  Mühia. 

wenn  er  vbn  F^öwen  des  Mitlira  redet.  Klarer  Porphyr ius  0?  ^^^ 
diese  Thiernumeii  und  Tliierg-estalten  der  Eing-eweiliten  mit  der 
Lehre  von  der  Seelenwanderung  verknüpft:  die  Mysten  seien  Lö- 
wen g-enannt  worden,  die  Frauen  Hyänen,  die  Diener  Raben  (sie 
kommen  auf  den  Monumenten  vor),  die  Väter  Adler  und  Haliichte, 
und  der  in  den  Grad  der  Leontiker  Eing^eweiLte  werde  mit  allerlei 
Thierj2;-estalten   bekleidet. 

Hieraus  schöpfte  Hieronymus  ^),  wenn  er  von  den  ung-eheuer- 
liclien  Bildern  spricht,  mit  welchen  die  verschiedenen  Grade  ein- 
g-eweiht  werden.  Daher  finden  wir  denn  auch  auf  mithriscben 
Inschriften  Persica,  Heliaca,  Gryphios  genannt  (Gruler  p.  1087), 
ferner  einen  pater  et  hierocorax  D.  S.  J.  M,  (p.  27)  und  sacra 
hierocoracica. 

Die  christlichen  Apologeten  haben  uns  aber  auch  noch  an- 
derweitige höchst  schätzbare  Notizen  über  das,  was  bei  den  Mi- 
thra- Mysterien  vorging,  aufbewahrt.  So  der  h.  Juslinus  ^),  nach 
welchem  in  denselben  Brod  und  ein  Wasserbecher  mit  einigen 
dazu  piissenden  Reden  bei  der  Weihe  des  Einzuführenden  aufge- 
setzt wurden.  Aelinliches  bestätigt  Terluüian  *),  der  in  den  My- 
sterien eine  Art  Firmung  durch  Bezeichnung  der  Stirne  und  eine 
Darbringung  von  Brod  fand  und  eine  Abbildung  der  Auferstehung. 
Den  Gebrauch  des  Wassers  in  denselben  bezeugt  auch  Porphyrius  ^): 
die  Mischgefässe  seien  Symbol  der  Quellen,  wesshalb  denn  auch 
bei  Mithra  das  Mischgefäss  aufgestellt  werde.  In  der  That  ünden 
sich  auf  den  mithriscben  Denkmälern  diese  Wassergefässe  abge- 
bildet. Derselbe  Schriftsteller  giebt  uns  noch  einen  andern  inte- 
ressanten Zug  der  Mysterien  ^):  es  werde  denen,  welche  in  die 
Leontika  eingeweiht  werden,   statt  des  Wassers  Honig   zum  Wa- 


1)  De  Abstin.  IV,  16.  p.  350.  Kai  yaQ  Böyfxa  navxtov  eoxi  rc3v  TCQOtTiov  xrjv 
fiETSfU^vxcttoiv  alvat'  o  xai  iutpaiveiv  soixaoiv  iv rols  xov  MiifQa  fivaxij^iois  ' 
r^v  yäg  xotvoxrjxa  rjfioiv  xr)v  ngos  ra  ^coa  alvixxöfievot  Sia  xcöv  ^cäcov  f]fiäi 
firivveiv  etcöd'aaiv,  cog  rovg  fiev  fiexixovxas  x(5v\  avxcov  oqyLwv  fivoxag  Xeov- 
xas  i<aleTv ,  xäs  8t  yvvaixag  vaivas,  xovg  Se  vnrjQexovvrag  y.öqay.ag'  ini 
T£  xcov  naxsQOJv  (?)  *  dsxol  yaQ  xal  isQaxsg  ovxoi  TtQogayoQsvoi'xaf  o  xe 
xa    Xeovrixä  TcaQaXafißävcov   jcsQixid'sxat  navroSanag   'Qcöcov  fioofäg. 

%)  Ad  Laetam  7.  Portentosa  siinulacra ,  quibus  corax,  gryphus ,  miles, 
leo ,  Perses,  Helios ,  Bromius ,  Pater  initiaatur. 

3)  Apol.  I.  (T.  I,  p.  268.  ed.  Otto)  "Oueq  xal  iv  xoXg  xov  Mi&Qa  fivaxrj- 
Qioig  TiaQtScoxüv  yivsod'ac  fitfirjodfiBVOt  ot  tiovtjqoI  Sai/uoveg '  oxi  yaQ 
oLQxog  Kai  tcox^qiov  vSaxog  xi&sxat  £v  xaXg  xov  fivoftivov  xeXsxaXg  fisx' 
imXoycov  xivMv  ,   rj  inCaxaod's  rj  fiad'eiv  Svvaad'e. 

4)  De  praescr.  haeret.  c.  40.  Et  si  adhuc  memini  Mithra  signat  illic  in 
frontibus  milites  suos ;  celebrat  et  panis  oblationem  et  imaginem  resurrectionis 
inducit  et  sub  gladio  redimit  coronam. 

5)  De  antr.  nymph.  c.  17.  xwv  ftev  nQaxtJQcov  0VfxßoXov  xcov  nr^ycüv 
ffEQOVxoiV  xa&tog  naoa  xoJ  Mid'Qq  6  xQarrjo  avxi  xrjg  Ttrjyf/g  xexaxxat, 
xcov  o    aftfOQsoJv,   £V  olg  xa  a-Ko  xcov  nriycav  a.Qvö^sd'a. 

6)  ib.  c.  15.  "Oxav  fiev  ovv  xoZg  xa.  Xeovxixä  fivovfie'voig  sig  xds  x^^' 
Qag  ävS-'  vSarog  usli  viifjaad'at  ey^dwoi  xad'aQng  exeiv  xag  ^^Toag 
naqayyeXXovaiv     änö     navioe    XvnrjQOv    xai     ßXaTtxixov     xai    fivoaQov . 


Windischmann,  über  Milhra.  71 

sehen  auf  die  Hände  gegossen  und  sie  dabei  ermalint,  die  Hände 
rein  zu  halten  von  allem  traurigen,  schädlichen  und  abscheulichen  ; 
iftid  sie  bringen  dem  Mysten  die  dem  reinigenden  Feuer  eigen- 
thümliche  Waschung  dar,  das  Wasser  als  dem  Feuer  feindlich 
vermeidend;  sie  reinigen  aber  auch  die  Zunge  mit  Honig  von 
aller  Sünde.  Was  dieser  Honig  bedeute,  erörtert  Porphyrius  ^) 
weiter:  wenn  dem  Perser  (dem  in  den  Grad  der  Persika  einzu- 
weihenden, nicht  Mithra,  wie  einige  Erklärer  meinen)  Honig  ge- 
bracht werde  als  dem  Bewahrer  der  Früchte  (vielleicht  ist  statt 
xagntov  vexQwv  zu  lesen),  so  werde  eben  damit  diese  Eigenschaft 
des  Bewahrens  symbolisirt;  wesshalb  einige  meinen,  Nektar  und 
Ambrosia,  welche  der  Dichter  in  die  Nasen  träufeln  lasse,  da- 
mit die  Gestorbenen  nicht  faulen^  sei  als  Honig  zu  verstehen,  da 
der  Honig  Götterspeise  sei. 

Am  Schlüsse  stehe  eine  Notiz  über  die  Mithra -Mysterien, 
welche  uns  Origenes  ^)  aus  Celsus  (zu  Hadrian's  Zeit)  erhalten  hat. 
„  Es  sei  in  diesen  Mysterien  eine  symbolische  Darstellung  der  zwei 
Umläufe  am  Himmel,  der  Fixsterne  nämlich  und  der  Wandelsterne 
und  des  Durchganges  der  Seele  durch  dieselben.  Dieses  Symbol 
sei  eine  hochthorige  (ist  vielleicht  euTunvXog  zu  lesen?)  Stiege; 
das  achte  Thor  sei  über  ihr.  Das  erste  Thor  sei  von  Blei ,  das 
zweite  von  Zinn,  das  dritte  von  Erz,  das  vierte  von  Eisen,  das 
fünfte  von  Mischmetall ,  das  sechste  von  Silber ,  das  siebente  von 
Gold.  Das  erste  Thor  widmen  sie  dem  Kronos ,  durch  das  Blei 
die  Langsamkeit  des  Gestirnes  bezeichnend,  das  zweite  der  Aphro- 
dite, ihr  das  Glänzende  und  Weiche  des  Zinnes  vergleichend ;  das 


xai  cos  /nvorrj  Ha&aQxixov  ovros  rov  Ttv^og  otxela  vlnrqa  nQOsayovot, 
naQatir}oä^£voi  xb  vScop  coi  noXsf.iovv  reo  tcvqI*  xad'alQovot  Se  yai  x^v 
yXcüooav  xco  fieXixi  and  navxos  afiaQxotXov, 

4)  ib.  c.  16.  "ÖTrtv  de  xco  IleQOTi  TCQOidyaioi  fiilt  cos  fvXnxt  yaQncov 
xb  (pvXay.xi'nlv  iv  ovfißöXc^  ti&svxai  •  od'ev  xives  rj^tovv  xb  vixxa^  xai 
xriv  a/ußQoaiav f  rjv  xaxa  qivcov  ordnet  6  noirjx^s  sis  xb  /ni}  aajiTJvai  xovs 
xed'vrivoxas ,  rb  fidXi  ixSexeod'ai,  ■decov  r^Ofr/s  örxos  xov  fiiXixos.  Die 
homerische  Stelle ,  auf  welche  hier  angespielt  ist ,    findet  sich  II.  XIX,  38. 

5)  adv.  Geis.  VI,  22,  p.  336  ed.  Lommalzsch.  Atvixxexai  xavxa  xai 
6  neQOcöv  Xöyos  ,  xai  r/  xov  MCd'QOv  xsXexrj  naQ^  avxols  eoxiv.  "Eaxi  ynQ 
XI  iv  avxy  ovfjißoXov  xcov  Svo  xcJöv  iv  ovQavc^  TteQtodcov  f  xrjs  xe  ocTtXa- 
vovs  xai  xfjs  eis  xovs  TtXavrjxas  av  ysysvrj/uivrjs  xai  xfjs  Sc^  avxcjov  xfjs 
xffvxfje  Sis^öSov,  Tol6v8e  Se  xb  ovfißoXov  xXifia^  vxplnvXoSy  ini  Sa  avxfj 
nvXrj  bySoTj.  ^H  nqcöxri  xcov  nvXcov  fioXißSov  rj  SevxeQa  xaaaixegov ,  r) 
xqixrj  x^^^^ov ,  rj  xexaQxrj  oiStjqov  ,  rj  Ttiftnxi]  xeQaoxov  vOfiiofiaxos ,  rj 
k'xxi]  dpyv^ov ,  ;^ov(;ov  J'  rj  eßSö/ur],  Trjv  ttocoxtjv  xi&evxai  Kqovov  ,  xcp 
fioXCßSoj  xexfirjQiovfievoi  xrjv  ßQaSvxijxa  rov  doxe^os'  xi]v  devxsQav  l//(pQO- 
Sixrjs ,  naQnßdXXovxes  avxfj  xb  cpaiS^ov  xe  xai  fiaXaxbv  xov  xaoaixsQOV 
xTJv  XQi'xTjv  rov  JibSi  i^v  X"-^^oßdxriv  xai  oxeQQaV  xr^v  xexd^xrjv  'E^fiov' 
xX'iitiova  yd(j  k'gycov  dndvxcov  xai  ;^ö?7//«t<ö't^?^  xai  noXvxfirjxov  elvai  xov 
de  oiSrjQov  xai  rov  '^Eqfirjv  '  rf,v  nifjinrrjv  "Aqbos  ,  rfjv  in  xov  xQÜfiaxos 
dvcöfiaXdv  XB  xai  noixiX^v  i'xxrjv  oeXrjvrjs  xijv  aQyvQav  eßS6f^ir]v  r^Xiou 
XTJv  xQvofjv ,  fiifiovfxevot  xdg  ;u(><)ae  avxcüv.  'E^rjs  i^exd^ei  xr^v  airiav  xrjs 
ovxco  xarF.iXsy^iei'r]s  rd^eco:;  rcoi^  dorigcov ,  SrjXovfiivrji  Sin  ov/tißoXuor  iv 
xole  br6/u,aot  xrjs  Xomfjs  vXrjs  (I.  nvXi^s^. 


•^2  Windischmann,  über  Mithra, 

dritte  dem  Zeus ,  das  erzene  und  feste ;  das  vierte  dem  Hermes, 
denn  aller  Werke  Dulder  und  Besorger  und  voller  Mühen  sei  das 
Eisen  und  Hermes;  das  fünfte  dem  Ares,  das  durch  die  Mischung 
unregelmässige  und  bunte;  das  sechste  silberne  dem  Mond;  das 
siebente  goldene  der  Sonne,  die  Farben  derselben  nachahmend. 
Hierauf  erforscht  er  (Celsus)  die  Ursache  dieser  Anordnung  der 
Sterne,  die  symbolisch  angezeigt  sei  in  den  Namen  des  noch 
übrigen  Thores."  üeber  diese  Zusammenstellung  des  Metalls  mit 
den  Gestirnen  und  den  Wochentagen  vergl.  Kopp  (Palaeogr.  crit. 
III,  §.  309.)  AnquelU  (T.  I,  2.  Vie  de  Zoroastre  p.  28)  will  darin 
eine  Anspielung  auf  die  mehreren  Himmel  annehmen,  welche  die 
persische  Theologie  kennt.  Aehnliche  Aufzählungen  der  Metalle 
kommen  in  den  Zendtexten  öfters  vor;  vergl.  Farg.  VII,  74.;  aber 
eine  Parallele  der  Metalle  mit  den  Gestirnen  findet  sich  nicht. 

Wenn  dieser  letzte  Zug  der  Mithra-Mjsterien  in  den  Urtexten 
I     keine    Bestätigung    hat,    so    lässt    sich    dagegen     gar    Vieles    von 
^'     dem,  was  die  Alten   über  sie  berichteten,   als  acht  erweisen.     Vor 
\      allem  sind  die  Mysterien  selbst  unstreitig  aus  dem  Hauptfeste  des 
Mithra,    welches  wir    oben    kennen    gelernt   haben,    und    aus    dem 
während    des    Jahres    regelmässigen    Opferdienste    des  Gottes    ent- 
sprungen,  dessen  Gebetsformel  uns  in  ächter  Form  vorliegt;  solche 
(    Gebete    und    Ermahnungen    waren    nach  Justin    mit   den  Mysterien 
verbunden.     Dass   dem  Mithracultus  gewisse  Waschungen  und  Büs- 
sungen  vorausgingen,  beweist  Mih.  Y.    122.  Vielleicht  gehört  auch 
die    dunkle    Stelle     109    hierher.      Dass    der     Mithrageweihte    als 
Krieger  betrachtet  und  durch  Schrecken  gestählt  wurde,  ist  überein- 
stimmend mit  dem  Texte,  wo  Mithra  selbst  mit  allen  Waffen   ge- 
rüstet   als    Krieger     daherfährt    und    die    Dämonen   und    Gottlosen 
schreckt  und  zu  Grunde  richtet.      Wasser  und  Wassergefässe  sind 
ein  Hauptbestandtheil  des  zarathustrischen  Cultus  überhaupt;  vergl. 
Anquelil  Usages  T.  II,  p.  533  sq.      Das  Brod,  welches  in  den  Myste- 
rien geopfert  wird,  sind  die  Darun's ,    die  kleinen  ßrode,  welche 
noch  heute  der  Färse    darbringt,  und  die  unter  dem  Namen  draono 
in  den  Texten  vorkommen  (Yagn.  XI,  4,  5.).     Der  Honig  wird  als 
Opfergabe  in  den  Texten  nur  Farg.  VIII,  22  erwähnt,  wo  myazdem 
die  Prädicate  gaomeutem  madhumantem   hat.    Spiegel  übersetzt  letz- 
teres: mit  Wein.  Farg.  XIV^,   17.    ebenso    madheus  und  Farg.  V, 
52  sqq.  madhu.    Möglich,  dass  es  in  der  ursprünglichen  Bedeutung 
genommen  werden  darf,  welche  von  den  andern  Stellen  wenigstens 
nicht   ausgeschlossen    ist;     dass    beim    myazda    Wein    dargebracht 
wurde ,  bezweifle   ich  sehr. 

So  sehen  wir  also,  dass  auch  den  späten  und  mannichfach  ver- 
fälschten Nachrichten  über  die  Mithra-Mysterien  gar  viel  Aechtes  zu 
Grunde  liegt,  und  dass  Idee  und  Cultus  dieses  Gottes  über  ein  Jahr- 
tausend sich  im  Ganzen  wohl  erhalten  habe,  wenn  auch  im  Einzelnen 
Modificationen  und  Beimischungen  fremdartiger  Dinge  stattfanden. 


Windischmann,  über  Mithra.  73 

IV. 

Beigabe  über  Gayu  -  iiiaratha  und  CaosyäQ. 

Es  wurde  oben  die  Vermuthung-  geäussert,  die  armenische 
Tradition  über  einen  vom  Weibe  gebornen  Mithra  sei  vielleicht 
aus  einer  Verwechslung  oder  Verbindung  der  Lehre  über  diesen 
Yazata  mit  jener  von  ^aosyag,  dem  zukünftigen  Heiler,  entstan- 
den. Theils  um  diese  Conjectur  als  einigermassen  begründet  zu 
erweisen,  folgt  hier  eine  möglichst  kurze  Darstellung  dessen,  was 
die  Texte  über  ^aosyä^  bieten,  und  namentlich  über  seine  Geburt 
von  einem  Weibe;  theils  aber  auch  wegen  der.  nahen  Verwandt- 
schaft, in  welcher  die  Unsterblichkeitsmysterien  des  Mithra  mit 
der  Doctrin  von  der  Auferstehung  durch  paosyäg  gestanden  sein 
mögen.  Um  aber  die  Stellung  des  letztern  im  zarathustrischen 
System  zu  begreifen ,  ist  es  nothwendig,  auch  die  Texte  des  Zend- 
avesta  über  Gayo-maratha  den  Urmenschen  zu  betrachten.  Es 
werden  nämlich  der  Urmensch  einerseits  und  ^osyäg  andrerseits 
als  die  Anfangs-  und_  Endpunktejes  MenscTien'ge'scTirecTTteF'  und 
seiner  Geschic^fe  bezeichnet;  aus  des  ersteren  Leib  und  Samen 
gehen  alle  Menschen  hervor,  sind  aber  durch  die  am  Urmenschen 
und  seinen  Nachfolgern  geübte  Gewalt  des  Dämons  dem  Tod  und 
der  Verwesung  unterthan;  der  zweite  erhält  seinen  Leib  aus  diesem 
vom  Urmenschen  herstammenden  Generationsprocess ,  aber  auf 
ausserordentliche  Weise  durch  Zarathustra's  Samen  aus  einer  Jung- 
frau, welche  die  Allüberwindende  genannt  wird;  er  hebt  den  Fluch  / 
des  Dämons,  stellt  die  Leiber  aus  der  Verwesung  wieder  her  und  ) 
bewirkt  die  Auferstehung. 

Die  Stellen,  welche  Gayö-maratha  mit  ^aosyä^  verbinden, 
sind  folgende:  Ya^n.  XXVI,  5  et  10  haca  gayat  marathnat 
ä  ^aosyantät  ver e thraghnat.  „Von  Gayö-maratha  an  bis 
auf  den  ^aosyäg"  d.  i.  von  der  Schöpfung  bis  zur  Auferstehung. 
Dasselbe  wiederholt  sich  Farv.  Y.   145. 

Der  Urmensch  wird  auch  öfters  in  Verbindung  mit  dem  Ur- 
stier genannt  '"l;  so  Ya^n.  XIII,  7.  geuQca  hudhaonhö  gaye- 
qyacämarathnö  asaonofravasim  yazamai (W*  ||iHfcyiH'ufr# 
an  den  Genius  des  gutwissenden  Stiers  und  des  reinen  sterblichen 
Lebens."  Yagn.  XXVI,  5.  geus  hudhaonhö  urvanem  yaza- 
maide;  gayehe  marathnö  asaonö  fravasim  yazamai  de 
,,wir  rufen  an  die  Seele  des  gutwissenden  Stiers  (Gosurun) ;  wir 
rufen  an  den  Genius  des  reinen  sterblichen  Lebens."  Abgekürzt 
heisst  es  Yagn.  LXVIII,  22.  nemo  geus  nemo  gayehe  „Preis 
dem  Stier,    Preis    dem  Leben."     Visp.    XXI,   2.    avi    geus    avi 


1)  Wie  ^aosyä?  bei  der  Auferstehung  mit  dem  Stier  Hazayosch  oder  Ha- 
dayavesch  verbunden  wird  ,  vergl.  Bund.  XXXI,  p.  75,  8.  XIX,  p  45,  1.  10. 
Er  heisst  auch  (;ar9aok.  XV,  p.  37,  16. 


74  Windischmann,  über  Milhra 

gayelid  „dem  Stier,  dem  Leben  (wünschen  wir  Opfer)."  Ga- 
y^qya  oder  die  jüng-ere  Form  gayelie  ist  der  Genitiv  von  ^aj^ 
Leben,  welche  Bedeutung"  des  Wortes  durch  Stellen  wie  la^nT 
XLI,  3.,  LI,  19.;  Farg-.  II,  4L;  Yagn.  LXXI,  15  (wo  Zarathus'tra 
aufg-efordert  wird,  die  betr.  Worte  beim  letzten  Ausg^ang^  des  Le- 
bens d.  i.  beim  Tode  zu  sprechen)  ausser  Zweifel.  Leider  findet 
sich  der  Name  des  Urmenschen  nicht  im  Nominativ;  der  Genitiv 
marathnö  lässt  ein  Thema  marathan  voraussetzen,  welches 
im  Nominativ  nach  der  Analogie  von  asava  maratha  lauten  muss. 
Die  Wortbildung-  ist  wie    pairi^athno  Visp.  IX,   2. 

Eine  weitere  Bezeichnung-  des  Urmenschen  ist  die  „des  reinen 
Mannes"  per  eminentiam.  Yagn.  XIT,  7.;  XIX,  2.  parag-äni  — 
para  narem  asavanem.  Dem  entsprechend  heisst  im  Bunde- 
liesch  der  Urmensch  g-abra  i  aharuban  III,  p.  8,  1.  7,  13.  Weil 
aber  der  Ur stier  (gaus  hudhao)  und  der  Urmensch  (na  asaya^ 
am  Anfang-  der  Schöpfung-  nebeneinander  g-eschafFen  wurden,  so 
stehen  sie  denn  auch  häufig-  als  Gattung-sbeg-rifFe  sich  zur  Seite, 
ohne  dass  dabei  eine  directe  Beziehung-  auf  die  Urtypen  stattfindet; 
vergl.  Visp.  XI,  3;  Farg-,  V,  37.  Gayo- maratha  allein  kommt 
vor  Yagn.  XXIII,  2  ayege  y^sti  afravasi  g-ayehß  ma- 
rathnö, wo  der  Urmensch  an  der  Spitze  aller  Bekenner  des  wah- 
ren Glaubens  in   der  Vorzeit  steht. 

Auch  in  den  Yasht's  kommt  Gayö -maratha  vor.  Nachdem 
Farv.  Y.  86  von  dem  Genius  des  ürstiers  und  des  Urmenschen 
die  Rede  war  (yamca  (fravasim)  geus  yämca  g-ayehe) 
heisst  es  weiter:  87.  g-ayehe  marathnö  aiaono  fravasim 
yazamaide  yd  paoiryo  ahurai  mazdäi  mana^ca  g-usta 
gagnao^ca  yahmat  haca  fräthweregat  nafd  airyanäm 
daqyunäm  cithrem  airyanäm  daqyunäm  „Des  Gayd- ma- 
ratha, des  reinen,  Genius  rufen  wir  an,  der  zuerst  dem  Ahura 
Mazda  den  Gedanken  (so  ist  mana^  wohl  zu  fassen)  hörte  und 
die  Gebote;  aus  welchem  er  (Ahura)  gebildet  hat  das  Geschlecht 
der  arischen  Länder,  den  Samen  der  arischen  Länder."  Damit 
ist  zu  verbinden  Tir.  Y.  13,  14.  Da  erscheint  der  Stern  Tistrya 
^^^  in  den  ersten  zehn  Nächten  „in  der  Gestalt  eines  Mannes,  eines 
/       /  Jjipfzehn jährten .   glänzenden,  weissaugigen,  hohen,  angreifenden, 

^        '  V  c!  f  riVTl^S^^^Ti  o  h  1 1  n  li      fCkAanA  an  «      »rrwTi      /Iaivi      Alfoi«     irrio      nur»      OT^cfo      iVlann      lof 


Starken,  lieblich  redenden;  von  dem  Alter  wie  der  erste  Mann  ist 
er  herbeikommend ;  von  dem  Alter  wie  der  erste  Mann  ist  er  an- 
greifend ;  von  dem  Alter  wie  der  erste  Mann  nimmt  er  den  graden 
Weg."  (nars  kehrpa  panca-da^aiihö  khsaetahe  gpiti- 
doithrahe  berezatö  avi-amahe  amavatö  hunairyaoncd 
tat  ayaos  yatha  paoirim  virem  avi-yäö  bavaiti  tat 
ayaos  yatha  paoirim  virem  avi-amö  aeiti  tat  ayaos 
yatha  paoirim  virem  ere  z  usäm  adagte.  Die  letzten  Worte 
sind  mir  dunkel;  zu  avi-amd  vergl.  Sskr.  abhi -j-  am  anstürmen, 
angreifen). 

Vergleichen  wir  nun  mit  diesen  Urtexten  die  Stellen  des  Bun- 


Windüchmann ,  über  Milhra.  75 

deliesch  über  Glayö- marutlia,  so  finden  wir  eine  fast  buchstäbliche 
Beziehung-  auf  erstere.  Bundeh.  XXIV,  p.  57,  6  (Anq.  II,  p.  397) 
ist  von  den  Ratava's  (Ersten,  Meistern)  der  Geschöpfe  die  Rede, 
und  da  heisst-^s^^nn:  „als  der  erste  des  Menschengeschlechtes 
wurde  Gayomart  gebildet  glänzend,  weissaugig ,  welcher  ins  Wasser 
schaut."  Bund,  lil,  p.  10,  1.  14.  ,,V«r  dem  Kommen  (des  Ahriman) 
zu  Gayomart  brachte  Aliura  für  den  Gayomart  das  Khei  *■ )  hervor 
und  als  Ahura  dieses  Khei  geschaflPen,  in  der  Geslall  eines  Jüng- 
lings von  fünfzehn  Jahren  eines  glärkzenden  trat  da  Gayomart  aus 
dem  Khei  hervor."  Das  AJ^ter  von  fünfzehn  J^a|u^i  ist  in  den  M 
Urtexten  das  typische'^I'föriiialaiter  des  Paradieses,  v^rgi.  '  Ya^n.  ▼ 
JX,  5.  "^^ — — >  / 

Das  Wasser,  in  welches  Gayomart  schaut,  ist  wohl  eben 
jenes  Khei;  ich  zweifle  nicht,  dass  auch  dieser  Zug-  des  Wasser- 
schaueiis^t  ist,  obgleich  unsere  Urtexte  (dem  Verfasser  des  Bun- 
dehesch  lagen  gewiss  noch  andere  vor)  davon  nichts  erwähnen. 
Bund.  IV,  p.  12,  1.  steigt  Gayomart  beim  Tode  des  Urstiers  an 
seiner  rechten  Seite  hervor  ^ ).  Es  ist  mir  nicht  g-anz  klar,  ob 
hiemit  ein  Entstehen  des  Menschen  erst  nach  dem  Tod  des  Ur- 
stiers angedeutet  sein  soll,  während  doch  anderswo  beide  als  coe- 
xistent  g-edacht  sind. 

Aber  noch  anderes  höclist  Bedeutsames  über  Gayomart  ent- 
hält Bundehesch.  Aus  Furcht  vor  dem  reinen  Menschen  (Gayomart) 
liegt  Ahriman  3000  Jahre  niederg-estreckt  da,  und  trotz  der  Auf- 
forderung der  Dämonen,  Ahura  zu  bekriegen,  wagt  er  es  nicht. 
Endlich  nach  den  3000  Jahren ,  kommt  der  gottlose  (Darvand) 
Gabi,  der  Geist  der  Unreinigkeit ;  er  ermuthigt  Ahriman  und  ver- 
spricht den  reinen  Menschen  zu  vernichten.  Ahriman  küsst  erfreut 
den  Dämon,  und  giebt  ihm  zum  Lohn  eine  Gabe  zu  wünschen. 
Gabi  wünscht  den  Leib  eines  Jünglings  von  fünfzehn  Jahren,  des- 
sen er  sich  bemeistert.  Wie  nun  Ahriman  durch  Gabi  den  Gayo- 
mart getödtet,  davon  ist  nichts  weiteres  gesagt;  die  früheren 
Versuche  ihn  durch  Boschasp  (Busyagta)  p.  10,  1.  7.  und  Astuiad 
p.  11,2  rA^tovidhötus)  zu  tödten  waren  umsonst;  Gayomart  lebte 
die  ihm  bestimmten  rliminriQ  Jahre  nach  dem  Kommen  des  Ahri- 
man; erst  dann  starb  er,  und  sagte  sterbend,  dass  aus  seinem 
Samen  alle  Menschen  gebildet  werden.  Der  Dämon  Gabi  kommt 
auch  in  den  Urtexten  vor;    vergl.  Ardib.  Y.  9.    Farg.  XVIII,  58. 


1)  Vergl.  Haug  über  die  Pehlevi  -  Sprache  p.  42.  Leider  ist  es  ungewiss 
wie  der  Name    gelesen    werden   muss;    doch    scheint  er   im  Zusammenhalt   mit 

Bund.  XXI,  p.  54,  2.    und  p.  53,    19.  dem    neupersischen  y*p^  Speichel  oder 

-»«>  Schweiss  identisch. 

2)  Spiegel  Huzw.  Gr.  p.  115  übersetzt:  „als  der  einzig  geschaffene  Stier 
starb ,  fiel  er  auf  die  i-echle  Haud. "  Er  scheint  also  der  Stelle  eine  ganz 
andere  Deutung  zu  geben. 


^ 


76  Windüchmann  ,  über  Mühra. 

\a911.  IX.  32.  Die  (iahika's  sind  gewissermassen  seine  Bekör- 
perungen.  Dass  aus  dem  ürmeusclien  alle  Menschen  gebildet 
wurden,  kaben  wir  schon  aus  Farv.  Y.  87.  gesehen,  und  es  wird 
durch  Minokhard  (Spiegel  Parsi  -  Gramm,  p.  166.)  bestätigt,  wo 
noch  zwei  weitere  Züge  beigefügt  sind,  dass  tJayomart  Azur 
(Arzur)  getödtet  habe,  und  dass  die  Metalle  aus  seinem  Körper 
geschaffen  wurden,  die  ich  nicht  weiter  erklären  kann.  Der  Name 
Arzur  klingt  eines  Theils  an  den  des  Berges  Erezuro  Zam.  Y. 
2  arcür  Bund.  XII,  p.  23,  9  an,  anderntheils  an  erezusäm  Tir. 
Y.  14  an.  DenProcess  dieser  Bildung  schildert  Bundehesch  XV, 
p.  33,*T.  *5f  TTi  einem  ausdrücklichen  Citat  aus  den  Din  d.  i.  den 
heiligen  Büchern.  Gayomart  in  seinem  Sterben  gab  Samen ;  dieser 
Samen  wurde,  gereinigt  durch  das  Licht  der  Sonne,  zu  zwei 
Theilen  von  Nairyo-^anha  und  zu  einem  von  fpefita- armaiti 
bewahrt.  Nach  vierzig  Jahren  (vergl.  Farg.  II,  40)  entspringt 
in  der  Gestalt  der  Pflanze  Reivas  eine  Säule  von  fünfzehn  Jah- 
ren mit  fünfzehn  Blättern  am  Tage  Mithra  des  Monats  Mithra 
aus  der  Erde ;  aus  dieser  entwickelt  sich  dann  das  Menschen- 
paar Meschia  und  Meschianeh  ' ) ,  deren  weitere  Geschichte  nicht 
hierher  gehört. 

Die  Parallele  dieses  Entstehens  des  ersten  Menschenpaars  aus 
dem  Samen  des  sterbenden  Lebens  (Gayo-maratha),  der  von  Nairyö- 
Qanha  und  ppeuta - armaiti  bewahrt  wird,  mit  dem  Entstehen  des 
paosyäg  aus  dem  von  demselben  Yazata  und  der  Anahita  bewahr- 
ten Samen  des  Zaratbustra,  welches  wir  unten  kennen  lernen 
werden ,  ist  augenfällig  und  beweist  die  Zusammengehörigkeit  bei- 
der Vorstellungen. 

Dunkel  bleibt  aber  immer  noch  ,  warum  Gayomart  stirbt,  und 
wie  Ahriman  und  Gabi  seinep  Tod  bewirken.  Es  scheint  mir  hier 
eine  theosophische  Vorstellung  zu  Grunde  zu  liegen.  Der  Ur- 
mensch wurde  androgyn  gedacht;  die  Theilung  in  Geschlechter 
geht  aus  dem  Verlangen  des  Urmenschen  nach  einem  sich  selbst 
gleichen  Gegenstande  hervor.  Dies  benützt  Gabi  der  Geist  der 
Unzucht;  er  nimmt  den  Körper  eines  fünfzebnjäbrigen  Jünglings 
an.  Gayomart  schaut  in  das  Wasser  Khej^.  aus  welchem  er  her- 
vorgestiegen;  er  sieht  dort  das  Trugbild  aes  Gabi  und  dadurch 
bekommt  letzterer  Gewalt  über  ihn.  Es  ist  wahr,  dass  Einiges 
in  diesem  Bilde  von  mir  ergänzt  ist ;  allein  ich  wüsste  nicht,  wie 
anders  die  Räthsel  des  Bundehesch  gelöst  werden  könnten.  Die 
ähnlichen  Vorstellungen  der  Rabbinen  von  einem  androgynen  Ur- 
menschen erwähne  ich  nur  im  Vorübergehen. 


1)  Gayomart  mit  seiner  weiteren  Entwickelung  Meschia  und  Meschianeh 
ist  der  Urmensch  in  der  theosophischen  Form  des  zarathustrischen  Systems; 
Yiraa  ist  der  Urmensch  der  rtUen  arischen  Sage ,  welcher  aber  nach  dem  Sy- 
stem eine  andere  Stellung  bekommen  musste ,  obgleich  auch  hier  noch  der 
paradiesische  Zustand  so  hell  hervorleuchtet.  Haosyaiihö  dagegen  ist  der  Ur- 
vater des  baktrischen  Stammes. 


i 


Windischmann  ,  über  Milhra.  77 

Dass  dieser  theosophische  Mythus  alt  ist,  davon  haljen  wir 
einen  höchst  willkommenen  und  zugleich  üherraschenden  Beweis 
in  der  griechischen  Mythologie;  ich  meine  die  Sage  von  Narkis- 
sos  ').  Sie  tritt  zwar  in  der  classischen  f^itteratur  erst  spät  auf; 
denn  meines  Wissens  ist  Ovid  (Met.  III,  346  sqq.)  der  erste,  der 
sie  behandelt.  Aber  so  sehr  er  es  verstanden ,  durch  seine  ge- 
schmeidigen und  lieblichen  Verse  das  Ganze  in  eine  blosse  ero- 
tische Fabel  zu  verwandeln  und  die  Spuren  uralter  Sage  zu  ver- 
wischen (die  Nymphe  Echo  scheint  er  willkürlich  hinein  verwebt 
zu  haben),  so  blitzt  letztere  doch  überall  hervor.  Pausanias,  der  ^ 
(180  n.  Chr.)  uns  mit  seiner  prosaischen  Trockenheit  den  Mythus  - 
erzählt,  wie  er  zu  Thespiä  am  Helikon  im  Volksmund  lebte,  ist 
uns  ein  weit  schätzenswertherer  Zeuge,  theils  weil  er  die  Sage 
in  ursprünglicherer  Form  erhalten  hat,  theils  weil  er  sie  ausdrück- 
lich als  Localtradition  von  Thespiä  bezeichnet,  was  ein  Beweis 
für  ihr  hohes  Alter  ist. 

Er  erzählt  (IX,  31,  7):  „im  Land  der  Thespier  am  Helikon 
sei  die  Quelle  des  Narkissos  und  der  Sage  nach  habe  Narkissos 
in  dieses  Wasser  geschaut,  und  nicht  wissend,  dass  er  seinen 
eignen  Schatten  gesehen,  habe  er  sich  ohne  es  zu  merken,  in 
sich  selbst  verliebt,  und  durch  diese  Liebe  sei  ihm  an  der  Quelle 
der  Tod  geworden.  Das  ist  aber,  wie  der  ehrliche  Pausanias 
meint,  gar  albern,  dass  Jemand,  der  schon  solches  Alter  erreicht 
hat,  wie  von  der  Liebe  gefangen  werde  und  nicht  mehr  unter- 
scheiden könne,  was  Mensch  und  was  des  Menschen  Schatten  sei. 
Es  giebt  aber  noch  eine  andere  Sage  von  ihm ,  weniger  bekannt 
als  die  erstere ,  jedoch  ebenfalls  erzählt,  Narkissos  habe  eine 
Zwillingsschwester  gehabt  in  allem  Andern  ihm  gleich  an  Gestalt; 
und  beide  hätten  auch  gleichen  Haarwuchs  gehabt  und  ähnliche 
Kleidung  angezogen,  und  seien  auch  mit  einander  auf  die  Jagd 
gegangen.  Narkissos  sei  aber  in  die  Schwester  verliebt  gewesen, 
und  als  das  Mädchen  gestorben,  an  die  Quelle  gegangen,  wohl 
wissend,  dass  er  seinen  eignen  Schatten  sehe,  sei  es  ihm  eine 
Erleichterung  der  Liebe  gewesen,  indem  er  nicht  seinen  eignen 
»Schatten,  sondern  das  Bild  der  Schwester  zu  sehen  wähnte.  Die 
Blume  Narkissos  aber  hat  die  Erde  auch  erzeugt,  wie  mir  (Pau- 
sanias) scheint,  wenn  wir  aus  den  Liedern  Pamphos  etwas  schlies- 
sen  dürfen.  Denn  dieser,  der  viele  Jahre  früher  lebte,  als  Nar- 
kissos von  Thespiä,  sagt,  dass  Kora  der  Demeter  Tochter  geraubt 
worden  sei,  als  sie  spielte  und  Blumen  sammelte;  sie  sei  aber  geraubt 


1)  Kreuzer  IV,  p.  166.  und  mein  Freund  Lasaulx  (Studien  des  class. 
Alterth.  p.  351.)  haben  das  Richtige  über  ihn  geahnt;  auch  lihwk  Relig.  der 
Hell.  I,  p.  XXVII ;  II,  p.  301.  Schon  die  Alten  sahen  in  dem  Sinken  des 
Narkissos  in  den  Fluss  den  Ursprung  der  Generation.  Anonym,  de  Incred.  c.  9. 
Opusc.  myth.  ed.  Gale  p.  88.  Lasaulce  hat  bezüglich  der  Bedeutung  des 
Blickens  in  das  Wasser  mit  Recht  auf  Manu  IV  ,  38.  und  Ya^iiyavalkya  III, 
279  hingewiesen. 


Ni^^ 


78  JVindischmann ,  üter  Milhra. 

worden  nicht  durch  Veilchen  betrogen,  sondern  durch  Narkissen." 
Der  trockene  Pausanias ,  der  gar  den  Narkissos  für  eine  histo- 
rische Person  nimmt  und  nach  Pamphos  setzt,  weiss  natürlich 
mit  der  Sage  nichts  zu  maciien,  und  liat  keine  Ahnung  davon, 
dass  er  zwei  uralte  orientalische  Mythen  erzählt,  deren  einer  uns 
in  altbaktrischer  Version  von  Gayomart  dem  ins  Wasser  blickenden, 
aus  dessen  Samen  die  Blume  Reivas  hervorspriesst,  erhalten  ist; 
die  andere  von  Yama  und  seiner  Schwester  im  Alharva-  Veda  XV 111, 
1.  (vergl.  Rolh  Zöitschr.  der  D.  M.  G.  IV,  p.  426  sqq.),  die  aber 
^  auch  im  Hinblick  auf  Bundeh.  XXXII,  p.  77,  1.  6.  und  XXIII, 
p.  56,  1.    13  dem  iranischen  Kreise  bekannt  gewesen  ist. 

Es  übrigt  noch  auf  einige  Parallelen  des  griechischen  und 
des  baktrischen  Mythus  hinzuweisen.  Eltern  des  Narkissos  sind  der 
FIuss  Kephissos  und  die  Nymphe  Leirioessa,  oder  Leiriope,  die 
lilienfarbige  oder  zarte;  er  ist  also  ein  dem  Wasser  entsprungenes 
Wesen,  wie  Gayomart  dem  Wasser  entsteigt.  In  der  Schilderung 
dieses  Wassers  bei  Ovid  (Met.  III,  407)  sind  Züge  eines  ürwas- 
sers  eingewebt.  Narkissos  ist  bei  Ovid  eins  über  fünfzehn  Jahre 
alt  (351).  Die  Beschreibung  der  Blume  Narkissos,  die  an  der 
Stelle  der  Leiche  des  Jünglings  entspriesst,  wenn  sie  mit  jener 
der  Narkissosstaude  im  homerischen  Hymnus  auf  die  Demeter  v. 
8  verbunden  wird,  erinnert  aufs  lebhafteste  an  die  Pflanze  Reivas; 
beide  sind  Symbol  derselben  Sache:  des  Untergangs  des  Lebens 
im  Tode  und  des  Wiedererwachens  derselben  in  der  Generation. 
Desshalb  ist  der  Narkissos  der  Kranz  der  grossen  Göttinnen. 

Doch  wir  kehren  zu  Gayömaratha  zurück.  Wenn  die  aus 
ihm  entsprungene  Reihe  der  Geschlechter  vollendet  ist,  wenn  der 
andere  Endpunkt  in  (^aosyäg  erscheint,  dann  wird  Gayd-maratha 
sich  bei  der  Auferstehung  zuerst  erheben  (Bundeh.  XXXI,  p.  72, 
11).  Und  hiermit  sind  wir  bei  der  Untersuchung  über  ^aosyäg 
angelangt.  Um  den  richtigen  Begriff  dieses  vielbesprochenen  We- 
sens zu  erhalten,  müssen  wir  vor  Allem  die  Texte  unterscheiden, 
in  welchen  derselbe  als  einzelne,  bcsiimmle  Person  erscheint,  und 
jene  welche  von  einer  Gattung  von  Menschen  handeln,  denen  die- 
ser Name  beigelegt  wird.  Was  die  erste  Reihe  von  Stellen  be- 
trifft, so  können  Texte  wie  Yagn.  XL VIII,  9.  vidyat  gaos- 
kyägyathähöi  asis  anhat  „es  wisse  der  faos.  wie  ihm 
Reinheit  sei"  und  Visht.  Y.  15.  narem  asavanem  vidhus- 
asem  gaosyantem  „den  reinen  Mann,  der  Reinheit  findet,  den 
^aos. , "  obgleich  sie  von  einem  paosyäg  im  Singular  reden ,  doch 
nicht  auf  eine  Person  bezogen  werden;  sie  sind  Bezeichnung  des 
Gattungsbegriffes.  Am  prägnantesten  wird  Person  und  Zeit  des 
^aosyäg  an  jenen  Stellen  hervorgehoben,  wo  er  als  der  Endpunkt 
des  menschlichen  Geschlechtes  bezeichnet  wird  (Farv.  Y.  145; 
Yagn.  XXVI,  10;  LIX,  27;  s.  oben).  An  letzterer  wird  gleich  hin- 
zugefügt: gaoskyantem  verethraganem  yazamaid^  »wir 
rufen  an  den    siegreichen  ^. "     Das  Epitheton :    siegreich  ist ,    wie 


Windischmarm ,  über  Mühra  79 

wir  weiter  sehen  werden ,  ein  beständiges  des  Heilers ,  des  be- 
fruchtenden Retters  des  menschlichen  Geschlechtes  aus  der  Ver- 
wesung zur  Auferstehung  und  zur  Unsterblichkeit.  Ein  höchst 
wichtiger  Text  zur  Erklärung  des  Namens  des  paosya^  ist 
Farv.  Y.  129.  Es  folgt  dort  unmittelbar  auf  die  schon  früher 
HO  und  117  zweimal  dagewesene  Anrufung  des  Genius  des  Agt- 
vat-eretö,  welcher  eben  der  ^'aosyäg  ist:  yd  anhat  gaosyäQ 
verethraga  näma  a^tvat-eretagca  nama  avatha  gao- 
s  y  ä  ^  y  a  t  h  a  v  i  g  p  e  m  a  h  ü  m  a  (;  t  v  a  n  t  e  m  g  ä  v  a  y  ä  t  avatha 
agtvat-eretö  yatha  agtvad  ha  ustanavao  agtvat-ithye- 
g  an  he  in  paitistät  paitistätee  bizaugrö-cithrayao 
drugd  paitistätee  asava-karstahö  tbaesanhd.  „Der 
da  ist  paosyäg  der  vSiegreiche  mit  Namen  und  A^tvat-ereto 
mit  Namen;  desswegen  ^aosyäg  (Heiler),  weil  er  die  ganze 
bekörperte  Welt  heilen  wird  (bekräftigen,  befruchten,  ihr  Nutzen 
bringen  wird);  desswegen  Agtvat-eretö  (Erheber  der  Körper, 
oder  Körper -erhoben)  weil  er  bekörpert  seiend  und  lebendig  dem 
Zerstörer  der  ßekörperten  widerstehen  wird,  zum  Widerstand  gegen 
die  zweifüssersamige  Drukhs,  zum  Widerstand  gegen  den  die 
Reinen  vergewaltigenden  Hass. "  Die  Wurzel  gav  oder  gu,  von 
welcher  gävayät  das  Causativ  ist,  liegt  dem  Zendischen  gavas, 
gevista,  dem  Sskr.  gavas  zu  Grunde.  Dass  die  Wurzel  gavati 
im  Sskr.  sich  nicht  findet,  bezeugt  Nirukla  11,  2.  p.  20.  gavatir 
gatikarma  kambö^ösveva  bhasyate;  vikäram  asya- 
ryesu  bhäsante  gava  iti.  Die  Verbal wurzel  wird  hier  den 
Kamböga's  ^)  zugeschrieben,  während  das  Sanskrit  das  Nomen  hat. 

Die  Wurzel  gu  wird  als  dem  Nomen  paosyäg  zu  Grunde  lie- 
gend noch  weiter  bezeugt  Yagn.  LV,  4.  wo  es  heisst:  pathräi 
asah^  gaethanäm  harethräi  asah^  gaethanam  Quyam- 
nanam  ca  gaosyautäraca  „zum  Schutz  der  reinen  F^ebendigen, 
zur  Erhaltung  der  reinen  Lebendigen,  der  geheilten  und  heilen- 
werdenden." Hier  ist  der  Gegensatz  zwischen  dem  Participium 
pass.  guyamnanäm  und  dem  Partie,  fut.  gaosyantam  sehr 
lehrreich:  es  giebt  Lebendige,  die  geheilt,  befruchtet  und  belebt 
werden,  und  es  giebt  solche,  welche  einst  diese  Heilung  hervor- 
bringen. Sonach  bedeutet  faosyäg  den  Heilen-  oder  Nützen-, 
Befruchtenwerdenden.  Die  sehr  häufig  wiederkehrende  Variante 
gaoskyäg  erklärt  sich  entweder  dadurch,  dass  dem  Zend  die 
Verbindung  sy  unbequem  war  und  ein  k  als  fulcrum  eingeschoben 
wurde,  wie  sich  neben  usi  auch  uski,  neben  masyö  maskyö  findet; 
oder  sk  ist  Futurbildung  wie  die  lat.  Formen  auf  sco.  Die 
Wurzel  gav    oder  gu    entspricht,    wie    ich    glaube,    Gr.    xvw   und 


1)  Ueber  sie  vergl.  Weher  Ind.  Studien  I ,  p.  144.  Die  Identität  ihres 
!\amens  mit  dem  des  Kambyses  (Kabugiya)  beweist,  dass  ihre  Sprache  dem 
altpersischen  und  baktrisehen  verwandt  war.  Ich  verdanke  diese  Bemerkung 
Webers  mündliclier  Mittheilung. 


gQ  Windischmann ,  über  Mühra. 

^aosyay  ist  daher  ein  xv'igxmv  ,  xvrjacov  y  der  zukünftig-e  Befruch- 
ter und  Beleher  jener,  die  dem  Tod  und  der  Verwesung  verfallen 
sind. 

Doch  wir  kehren  zum  Texte  zurück :  h "  scheint  mir  das 
Particip  von  as  zu  sein;  eretö  findet  sicli  leider  ausser  in  dieser 
Verbindung  nur  noch  im  Worte:  ereto-kerethna  einem  Epi- 
theton der  Periode  hama^path-raaedhaya,  der  Schöpfungsperiode 
des  Menschen;  Visp.  I,  2,  wo  Weslergaard  aretö-kerethnahe 
giebt,  während  eine  Hs.  eretö  bietet;  so  Visp.  II ,  2.  eretd 
Farg.  V,  59  und  eretim  VII,  13  mit  den  Varianten  irito  und 
iritim  scheint  anderswohin  zu  gehören,  ebenso  die  verschiedenen 
Formen  von  areta  und  aretha.  Ich  möchte  unser  eretö  von  Sskr. 
ar  riiöti  ableiten,  welches  den  Sinn  erheben,  aufregen  etc.  hat, 
und  wovon  Sskr.  arati  Diener,  Ordner  kommt,  faosyäg  thut  das 
Gegentheil  von  dem,  was  der  Dämon  thut,  den  er  bekämpft;  die» 
ser  vernichtet  die  Bekörperten ;  er  erhebt  und  belebt  sie.  Der 
Dämon,  von  dem  hier  die  Rede  ist,  ist  wahrscheinlich  der  anderswo 
(vergl.  Farv.  Y.  130)  vorkommende  Daeva  ithye^ö  raarsaonem, 
von  welchem  Farg.  XIX,  1  handelt  und  der  auch  dort  auf  die 
Zerstörung  des  Leibes  des  Zarathustra  ausgeht.  —  Die  zweifüsser- 
samige  Drukhs  erinnert  an  Ardib.  Y.  7,  wo  neben  bizangrö- 
cithra  aji-cithra  (Schlangensamen)  aufgezählt  ist.  Zu  bi- 
zangra  vergl.  Ab.  Y.  89;  Farg.  XII,  22.  V,  35.  und  Bumouf 
Etud.  p.  253.  Die  Drukhs  ist  ebenfalls  der  böse  Geist  der  Ver- 
wesung. —  asava-karstahe  ist  auffallend;  es  wiederholt  sich 
indessen  oben  105,  während  an  den  Compositis:  aji-karstahö 
131;  aesmö-karstahe  138;  gadhö-karstahe  136;  ^agtö- 
karstahe  135;  nafyö-karstahe  120  der  erste  Fbeil  etwas 
Schlimmes  oder  das  bezeichnet,  wovon  die  böse  Wirkung  aus- 
geht, karsta  ist  gleich  Sskr.  krsta,  welches  auch  vergewaltigt, 
gepeinigt  bedeuten  kann.  Soll  es  im  activen  Sinn:  den  Reinen 
peinigend  heissen? 

Nachdem  uns  so  der  Name  des  paosyä^  und  durch  ihn  auch 
seine  Thätigkeit  klar  geworden  ist,  gehen  wir  zu  dem  über,  was 
uns  Texte  und  Tradition  über  sein  Erscheinen  überliefern. 

^aosyäg  wird  nach  der  ausdrücklichen  Lehre  des  Bunde- 
hesch  ein  Sohn  Zarathustra's  genannt  und  zwar  Sohn  auf  nicht 
natürliche  Weise.  Dreimal,  so  heisst  es  (Bundeh.  XXXIII,  p.  80, 
7)  nahte  Zarathustra  der  Hvövi  und  jedesmal  fiel  der  Same  auf 
die  Erde:  der  Yazata  Nairyö-^anha  bewahrte  ihn  und  vertraute 
ihn  der  Obhut  der  Yazata  Anähita  bis  zur  Zeit,  wo  er  (der  Same) 
sich  der  Mutter  vermischen  wird.  9999  Myriaden  Fravasi's  der 
Reinen  wachen  über  diesen  Samen.  Es  könnte  scheinen  als  sei 
dies  eine  Extravaganz  späterer  orientalischer  Phantasie.  Allein 
die  Urtexte  bestätigen  Hvövi  als  Gattin  des  Zarathustra  (Farv. 
Y.  139),  und  wenn  es  auch  zweifelhaft  ist,  ob  die  Stelle  Farv. 
Y.  98.  thrimithwatö    ^pitamahe   asaonö    fravasim    ya- 


Windischmann,  über  Milhra.  81 

zamuidd  das  lieisst,  was  Anquelil  meint:  Je  fais  izescline  au 
Saint  Feröuer  des  trois  (^outtes)  de  semence  de  Sapetman  (Zo- 
roastre) ,  oder  ob  die  aparazäta's  Farv.  Y.  127  die  postumi  des 
Zarathustra  sind  *),  so  lässt  die  weitere  Stelle  (Farv.  Y.  62) 
keinen  Zweifel  zu,  wo  ausdrücklich  g-esag-t  ist:  „wir  opfern  den 
guten ,  starken  heiligen  Fravasi's  der  Reinen ,  welche  jenen  Sa- 
men bewachen  des  reinen  Zarathustra,  neun  und  neunzig  und  neun- 
hundert und  neuntausend  und  neunzig  mal  (?)  zehntausend."'  Ebenso 
ist  es  ein  alterthümlicher  Zug ,  dass  Anähita  den  Keim  bewahrt, 
von  welcher  so  oft  gesagt  wird,  dass  sie  die  Samen  aller  Männer 
reinigt  (Ab.  Y.  2). 

Der  Ort,  wo  ^aosyä^  geboren  werden  wird,  ist  vor  Allem 
das  Karsvare  Qaniratha  (Bund.  XI,  p.  21,  8);  in  diesem  aber  ein 
gewisses  Wasser,  über  welches  die  Urtexte  wiederholt  sprechen. 
Farg.  XIX,  5.  ^anani  pairikam  yäm  khnäthaiti  yahmai 
u^zayaite  ^aosyäg  verethraga  haca  apat  kä^aoyat 
usagtarat  haca  naemat  usagtaraeibyö  haca  naema^i- 
byo  „ich  will  tödten  die  Pairika  Knäthaiti,  bis  geboren  wird 
^aosyäQ  der  Siegreiche  aus  dem  Wasser  Kagvi,  von  der  östlichen 
Gegend,  von  den  Östlichen  Gegenden"  (Vergl.  Spiegel  Abb.  p.  63). 
Was  den  Namen  des  Wassers  betrifft,  so  bieten  die  Hss.  kägao- 
ydt,  kägaosyat  und  käguyat.  Aehnlich  klingend  ist  kägö- 
tafedhra  Zam.  Y.  3.  Unstreitig  liegt  das  Adjectiv  kagu  klein 
zu  Grunde;  vergl.  Bahr.  Y.  17.  Tir.  Y.  29.  Comparativ  kagyan- 
häm  Farg.  V,  24.  Superlativ  kagistahe  Farg.  VI,  10.  Das 
Sskr.  käniyäng.  kanistha  hat  den  Nasal  erhalten.  Das  Femininum 
von  kagu  kägu  lautet  kagvi,  und  käguyat  oder  kägaoyät 
verhält  sich  dazu  wie  areduyaö  zu  ardvi.  Die  Ursache  dieses 
Namens  des  kleinen  Sees  giebt  uns  Bundehesch  an  (XIII,  p.  27, 
I.  15)  wo  es  heisst,  dass  der  See  Kaiangiä  in  Sistan  der  kleinste 
der  Zare's  sei,  vergl.  auch  XX,  p.  53,  1.  10.,  wo  der  Name 
transscribirt  ist.  Dass  aber  die  Tradition  diesen  See  mit  dem 
Farg.  XIX,  5  gemeinten  identificire,  geht  aus  der  Huzvaresch- 
üebersetzung  letzterer  Stelle  hervor,  und  Deslur-Darab  bei  Ann. 
I,  2.  p.  413  hat  sonach  Recht,  während  das,  was  Anquelil  von 
Ragha  einmischt,  ganz  irrig  ist.  Der  See  Zahreh  in  Sistan  hat 
dreissig  Meilen  im  Umfang;  in  seiner  MitfeTfegt  ein  Scliloss  Ru- 
stam's  und  sein  Wasser  soll  brakisch  sein ;  s.  Hitler  Geogr.  VIII, 
p.  153.  Bund.  XXI,  p.  55,  1.  3  ist  wiederum  von  diesem  See 
kayage  ap  die  Rede,  welcher  der  Ort  des  Samens  der  Keanier-  sei 
(so  Anquelil).  Von  diesem  Wasser  heisst  es :  dasselbe  habe  zuerst 
keine  Khrafstra's,    Schlangen  und  Kröten   gehabt  und  es    sei    das 


1)  Ich  übergehe  hier  absichtlich  die  Frage  über  die  beiden  Oscheder  als 
Vorgänger  des  (^aosyäg,  da  mir  kein  alter  Text  bekannt  ist,  welcher  sie  er- 
wähnt. Oder  sollten  sie  in  den  beiden  A^tvat  -  ereta's  angedeutet  sein ,  die 
Farv.  Y.  110  und  117  dem  letzterwähnten  ib.  129  vorausgehen? 

Abhandl.  der  DMG.  1,1.  a 


\ 


f 


g2  Windischmann,  über  Milhra. 

süsseste  ulier  Zure's  g-ewesen.  Es  sei  aber  bitter  geworden  we- 
gen der  Nähe  der  Fäulniss ,  und  diese  Bitterkeit  und  Fäulniss 
werde  bis  zur  Auferstehung  dauern.  Dieselbe  Localität  für  den 
Ausgang  des  ^aosyä^  giebt  Zara.  Y.  92.  an:  yat  agtvat-eretö 
frakbstäite  liaca  apat  kaguyät  a^to  mazdaö  ahurah^ 
viQpH-taurvayao  puthrd  vaedhim  va^^öyimvarethra- 
ghnim.  „Wenn  der  KÖrpererbeber  bervorscbreiten  wird  aus  dem 
Wasser  Kä^vi,  der  Genosse  Abura-Mazda's,  der  Sobn  der  Vi^pa- 
taurvi(a)  die  siegreiche  Kunde  verkündend."  agtö  heisst  wie  Zara. 
Y.  46  beweist:  Helfer,  Genosse.  Sehr  schwierig  ist  vaedhim 
vae^o;  ich  habe  die  Vermutbung  gewagt,  statt  va^^ö  vaedhö 
zu  lesen ;  wird  vaegö  beibehalten,  so  muss  es  wohl  als  Accusativ 
zu  frakhs.  gezogen  werden:  er  geht  in  das  zu  verkündende 
Vaeg6  (das  iranische  ürland)  das  siegreiche.  Zu  vaedhim  vergl. 
Siroz.  11,  29.  An  v  a  i  d  h  i  m  in  der  Bedeutung  Fluss  könnte  auch 
gedacht  werden,  wenn  es  Hss.  böten,  vergl.  F'arg.  V.  5.  XIV,  12. 
vaidhim  mit  den  Var.  vaidhim,  vaedhim.  Noch  an  einer 
dritten  Stelle  kommt  kä^u  vor  Zam.  Y.  66.  zrayö  yat  kägüm; 
ob  aber  hier  derselbe  See  gemeint  und  eine  Anspielung  auf  pao- 
syäg  enthalten  ist,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 

Wie  sich  die  alten  ßaktrer  den  Process  der  Entstehung  des 
^aosyäg  dachten,  darüber  liegen  keine  Texte  vor.  Aus  dem  schon 
Gesagten  ist  es  aber  wahrscheinlich,  dass  der  Keim  als  im  Wasser 
des  Sees  liegend  gedacht  wurde  und  dass  man  annahm ,  die  Mut- 
ter des  ^aosyäg  werde  durch  ein  Bad  im  See  davon  befruchtet 
werden  (Anq.  Vie  de  Zor.  I,  2.  p.  45),  wie  man  auch  Hvdvi 
durch  ein  Bad  das  germen  verlieren  Hess  (Anq.  Notic.  p.  XXXVIII), 
was  aber  zur  angeführten  Stelle  des  Bundehesch  nicht  passt. 

Der  soeben  erklärte  Text  des  Zamy.  Y.  nennt  uns  den  Na- 
men der  Mutter  des  künftigen  Heilers.  Dasselbe  thut  ausführlicher 
und  nachdrücklicher  Farv.  Y.  142.  In  diesem  höchst  merkwürdigen 
Opfergebete  nämlich  ist  nach  Aufzählung  aller  Genien  der  Männer 
von  139  an  auch  eine  Anrufung  der  Genien  berühmter  und  heiliger 
Frauen.  Zuerst  kommen  die  verheiratheten ;  z.  B.  die  Frauen 
Zarathustra's,  Vista^pa's  etc.  Dann  von  141  un verheiratheten,  meist 
mit  dem  Prädicat  kanya  Jungfrau.  Ihre  Reihe  schliesst  die  Mutter 
des  ^aosyäQ ,  graue  wie  dieser  die  Reihe  der  Männer  vom  Anfang 
der  Welt  bis  zum  Ende  abgränzt.  Da  heisst  es  denn  142:  kan- 
yaö  eredat-fedhryö  asaonyao  fravasim  yazamaid^ 
ya  vi  gpa  -  taurvair  ica  näma  avatha  vi^p  a- ta  u  r  vair  i 
yatha  ha  tem  zizanät  y6  vi^pa  taurvayat  daeväatca 
tba^saömasyäatcä  paitistatee  ^ae-karstah^  tba^san- 
ho  „Der  Jungfrau  Gedeihe  -  glücklich  (oder:  den  Vater  gedeihen 
machend)  der  reinen  Genius  opfern  wir,  welche  die  Alles  überwin- 
dende (vernichtende)  heisst;  desswegen  alles  vernichtend ,  weil  sie 
den  gebären  wird ,  der  allen  Hass  von  Seiten  der  Dämonen  und 
der  Menschen  vernichtet,    zum  Widerstand  gegen  den    Gabi  gezo- 


Windischmann,  über  Mithra.  83 

geneii  Hass.  "  Ere  d  at-fe  dliri  ist  hier  als  der  eig-entliche  Nanie 
der  Mutter  des  ^aosyäg  angegeben;  sein  zweiter  Theil  fedhri 
könnte  =  Sskr.  bhadra  glücklich,  heilbringend  sein;  aber  auch, 
wie  mich  Spiegel  belehrt  liat,  pita  darin  stecken;  Avie  sich  napat 
und  nafedhro  verhalten,  so  dürften  fedhri  und  pita  neben- 
einander stehen;  eredat  halte  ich  mit  Sskr.  ardh  gedeihen,  för- 
dern zusammen.  —  taurvairi  ist  auffallend  neben  dem  Genitiv 
taurvayao,  den  wir  soeben  sahen;  es  ist  analog  Sskr.  Femi- 
ninformen wie  rtävairi  neben  rtävan.  Die  Wurzel  turv, 
thurv  hat  im  Sskr.  die  Bedeutung:  ferire,  occidere ;  dieselbe  passt 
für  Bahr.  Y.  4;  Tir.  Y.  8,  39;  Asht.  Y.  2;  Ram,  Y.  56;  Mih.  Y. 
34,  60;  Farv.  Y.  38,  78.  Die  Ablative  daevaatca  und  mas- 
yaatca  drücken  die  Seite  aus,  von  wannen  jener  Hass  kommt; 
vergl.  Farv.  Y.  89;  Ab.  Y".  15.  —  Jch  habe  statt  gae-karstahe 
die  Vermuthung  gahi-karstahe  gewagt,  einmal  weil  die  Composita 
mit  karsta  gewöhnlich  im  ersten  Theil  die  schlimme  Quelle  aus- 
drücken, aus  welcher  der  Hass  oder  Angriff  fliesst;  dann  weil  es 
sehr  gut  ins  System  passen  würde,  wenn  paosyäQ  jenes  üebel 
hebt,  das  am  Anfang  von  Gabi  gegen  Gayö-maratha  verursacht 
worden  ist,  wie  wir  oben  sahen.  Allein  es  ist  nicht  zu  vergessen, 
dass  gae  auch  Leben  bedeuten  kann;  vergl.  Farv.  Y.  11,  22,  28  — 
es  müsste  denn  ^ae-karstahe  etwa  mit  leben -verletzt  übersetzt 
werden,  wogegen  sich  aber  viel  einwenden  lässt. 

Es  ist  also  die  Aufgabe  des  paosyäg,  den  auf  das  mensch- 
liche Leben  durch  die  aus  der  Sünde  stammende  Verwesung  ge- 
richteten Hass  der  Dämonen  zu  bekämpfen  und  die  dem  Tod  ver- 
fallenen Bekörperterl  neu  zu  befruchten,  zu  beleben  und  zur  Auf- 
erstehung zu  bereiten.  Diese  Thätigkeit  wird  uns  an  der  wich- 
tigen Stelle  Zam.  Y.  89  —  96  geschildert.  Es  ist  dort  von  der 
Majestät  (Gnade,  Glück)  die  Rede,  „welche  folgte  ^^osyäg  dem 
Siegreichen  und  den  andern  Freunden,  wenn  er  machen  wird  die 
frische  Welt,  die  nicht  alternde,  unsterbliche,  unverwesliche,  nicht 
faulende ,  immer  lebende ,  immer  glückliche,  freiherrschende,  wenn 
die  Todten  auferstehn  und  die  Unsterblichkeit  der  Lebenden  kommt, 
die  da  nach  Wunsch  (aus  Gnade)  giebt  (setzt)  eine  frische  Welt.'' 
(yat  upanhacat  ^aosyafitem  verethra^anem  uta  an- 
yaö^cit  hakhayo  yat  kerenavät  frasem  ahum  azare- 
sintem  ämaresi  fitem  a  fr  ithya  fitem  apuyantem  yävaö- 
^fm  yavaÖQÜra  va^ö-khsathrem  yat  irigta  paiti  u^e- 
histän  ^agat  ^uyö  amerekhtis  dathaiti  frasem  va^na 
ähüm).  Letztere  Worte  kehren  wieder  Zam.  Y.  11,  19,  22; 
Ya^n.  LV,  6.  Es  folgt  hierauf  die  schon  erklärte  Stelle  92,  an 
welche  sich  dann  von  yim  barat  täkhmo  thra^taono  —  93 
^a^semno  ein  offenbar  den  Zusammenhang  störendes  und  in  un- 
correcter  Sprache  redigirtes  Einschiebsel  schliesst.  Denn  wenn 
auch  zugegeben  werden  wollte,  dass  dru^em  nijbarat  asahö 
haca  ga^thäby6  sich  trotz  des  Futurums  auf  Vista^pa  bezichen 

6* 


■n. 


84  Windischmann,  über  Milhra. 

könne  (vergl.  Farv.  Y.  99 ;  Zam.  Y,  85) ,  so  kann  doch  das  Fol- 
gende nicLt  auf  ihn  gehen.  Denn  so  hoch  auch  die  Texte  den 
Vjstä^pa  stellen,  so  ist  doch  das  von  hö  didhat  an  Gesagte 
oflFenbar  auf  paosyä^  allein  passend:  „Er  wird  mit  den  beiden 
Geistesaugen  blicken  auf  alle  Geschöpfe,  entgegenschauen  wird 
er  der  bössamigen  Unholdin  ^).  Die  ganze  bekörperte  Welt  wird 
er  mit  des  Segens  (Gedeihens)  Äugen  'anschauen,  und  blickend 
wird  er  unsterblich  machen  alles  bekörperte  Leben.  Seine,  des 
siegreichen  Agtvat-ereta,  Freunde  gehen  hervor,  gutdenkend,  gut- 
redend,  guthandelnd,  guter  Lehre  und  nicht  falschredend  mit  ihrer 
eignen  Zunge.  Vor  ihnen  wird  sich  beugen  A^sma  mit  verwun- 
dender Waffe,  der  böskräftige.  Er  (faosyäg)  wird  tödten  die  gar 
schlimme  Drukhs,  die  bössamige,  finstere.  Es  tödtet  das  schlimme 
Gemüth  (Ako-manö);  das  gute  Gemiith  (Vöhu-manö)  tödtet  es; 
es  tödtet  die  falsche  Rede ;  die  wahre  Rede  tödtet  sie ;  es  wird 
tödten  Haurvatät  und  Ameretät  -)  beide  Hunger  und  Durst;  es 
wird  tödten  Haurvatät  und  Ameretät  den  sündhaften  Hunger  und 
Durst;  es  wird  sich  beugen  der  böse  Werke  wirkende  Anrö-Main- 
yus   ohnmächtig.  " 

Eine  weitere  Stelle  über  ^aosya^  Visht.  Y.  30  ist  mir  leider 
unklar  geblieben ,  da  der  Text  dieses  Yasht  corrupt  und  die  Spra- 
che verdorben  ist. 

Die  bisher  angeführten  Texte  tlmn  es  unwiderleglich  dar, 
dass  ^aosyä^  ein  künftiger  Bewirker  der  Auferstehung  ist.  Sämmt- 
liche  auf  die  Thätigkeit  desselben  bezügliche  Verba  stehen  im 
zendischen  Futurum ,  d.  h.  da  dieser  Dialect  das  Futurum  des 
Sanskrit  ausser  im  Particip  nicht  zu  kennen  scheint,  in  jenem 
Modus,  welchen  die  indischen  Grammatiker  Let  nennen  ^). 

Fragen  wir,  wer  die  oben  benannten  Freunde  des  ^aosyäg 
sind,  die  hei  der  Auferstehung  mitwirken,  so  können  theils  aus 
dem  Text  selber  Vohumano,  Haurvatät  und  Ameretät  genommen 
werden  (seltsam,  dass  als  Gegensatz  der  Lüge  nicht  Mithra  ge- 
nannt ist) ,  theils  nennt  die  Tradition  als  Helfer  und  Genossen 
bei  der  Wiederbelebung  den  Häoma,  welcher  nach  Mino-khard 
(Spiegel  Parsi- Gramm,  p.   170,   172),  „der  Zubereiter  der  Leicb- 


1)  Paesiso  giebt  W.  nach  K.  12;  pa9cai9u  D.  pasäce^ö  Khl. 
Ich  vermuthe:  paesacyo  =  Sskr.  pifäci  a  female  imp.  Rigv.  II,  133,  5. 
Es  ist  die  Drukhs  der  Verwesung,  die  ^aosyäf  bekämpft  und  die  bei  der  Auf- 
erstehung vernichtet  wird;  vergl.  Zam.   Y.  12. 

2)  Vielleicht  sind  die  Worte  haurvaÖ9ca  und  ameretaofca  an  der 
ersten  Stelle  zu  streichen  und  zu  übersetzen:  es  werde  tödten  beide  Hunger 
und  Durst. 

3)  An  der  mehrfach  besprochenen  Stelle  Farg.  II,  22 — 24  sind  die  Verba 
ebenfalls  in  diesem  Modus  als  Futura  zu  fassen  und  die  Parsen  haben  Reclit, 
wenn  sie  hier  eine  Prophezeiung  des  Malkoschan  sehen,  abdaca  scheint 
mir  im  Vergleich  mit  bibdais  thribdais  Tir.  Y.  55  als  a  priv.  und  pada 
zu  fassen  zu  sein  und  den  Zustand  des  Landes  zu  bedeuten,  wenn  man  wegen 
Ueberschwemmung  keinen  Fuss  darauf  setzen  kann. 


s 

i 


Windischmann,  über  Miihra,  85 

name  ist,  durch  den  sie  die  Leichoame  bereiten  und  den  zukünf- 
tig-en  Körper  maclien,  in  welchem  man  aufersteht."  Hüm  i  ri^t 
arägtar  ')  ke  ri^t  padas  virä^nt  u  tan  i  pa^ün  padas 
kunent  ku  ragt  e^tet.  Neriosengh  übersetzt :  hümagca  ya 
^.abä  s  ammarg-äyita  yöna  gabam  sammar^  ayau  ti  va- 
pugca  paQcätyain  kuryat^  kva  uditah  tisthati.  Das 
Wort  Qaba  für  Leichnam  kommt  auch  vor  bei  Sayana  z.  Rig'v« 
11,  133,  l.  Auf  diese  Wirkung"  des  Haoma  spielen  an  Yagn.  IX, 
16;  X,  8,  14;  XI,  10;  und  Haoma  wird  desshalb  eine  eig-ne  Arz- 
neiwissenschaft zugeschrieben ,  welche  der  des  Aesma  entg-egen- 
wirkt;  Haoma  tödtet  ebenfalls  die  Drukhs  (Yagn.  IX,  18).  Es 
ist  daher  gewiss  alterthümlich,  wenn  Bundehesch  XXXI,  p.  75, 
I,  9.  gesagt  ist,  paosyäg  werde  vom  weissen  Haoma  allen  Men- 
schen geben  und  diese  würden  dadurch  für  immerdar  unsterblich. 

Allein  nicht  bloss  diese  überirdischen  Wesen  sind  die  Freunde 
des  faosyäQ,  sondern  auch  Menschen.  Bundeh  XXXI,  p.  74,  5 
heisst  es,  dass  ihm  fünfzehn  reine  Männer  und  fünfzehn  reine 
Frauen  zu  Hülfe  kommen  werden.  Ebendaselbst  XXX,  p.  69,  6. 
werden  Heroen  aufgezählt,  die  noch  leben  und  bei  der  Auferste- 
hung dem  paosyäQ  zur  Hülfe  kommen  werden.  Ihre  Namen  sind 
leider  darch  die  Transscription  entstellt;  einer,  den  Anquetil  Esche- 
vand  Sohn  des  Porodakhschtä  nennt,  findet  sich  als  asavazdan- 
hö  pourudakhstayanahö  Farv.  Y.  112;  vergl.  Ab.  Y.  72. 
asävazdaö  puthro  pourudakhstdis.  Endlich  wird  im  Mi' 
nokhard  (Sp.  p.  161)  als  Genosse  des  Caosyäg  Kai-Qasraw  ge- 
nannt und  „die  welche  die  Auferstehung  und  den  folgenden  Kör- 
per machen."  Und  weiter  (ib.  p.  167)  wird  als  der  zweite  Nutzen 
Gaiomärt's  angegeben,  „dass  die  Menschen  und  die  Farvers  derer, 
welche  den  Frashegard  machen,  die  heiligen  Männer  und  Frauen, 
aus  seinem  Leibe  geschaffen  wurden. " 

Diese  Lehre  von  den  Freunden  des  ^aosya^  leitet  uns  von 
selbst  zu  jenen  Texten  hinüber,  wo  von  Ueilern  (gaosyantö)  in 
der  Mehrzahl  die  Rede  ist.  Farv.  Y.  38  werden  als  Schützlinge 
der  Genien  genannt:  y6i  takhma  ^aosyantö  y6i  takhma 
verethrä^and  „die  starken  Heiler,  die  starken  Sieger"  und 
ebendaselbst  ist  74  ganz  allgemein  von  den  Genien  der  ^^aosyaü- 
ta's  die  Rede.  Visp.  III,  5;  Ya^n.  XIII,  3.  amesegca  gpentc 
^aoskyafitagca  dähiste  ars-vacagtemä  aiwyamatemS 
äs-khräqanutemä  niazist^.  „Die  Amesa  -  fpentä's  und  die 
^aosyanta's,  die  freigebigsten,  wahrredendsten,  kräftigsten,  intel- 
ligentesten (?) ,  grössten."  Yägn.  XLVIII,  12.  at  toi  anhen 
^aoskyantd     daqyunam    yoi    khsnüm     vdhu-mananha 


1)  ara^tär  könnte  man  zu  Sskr.  ra  ras  ziehen,  ebenso  viräenj,  wenn 
nicht  ersteres  mit  a-rudh  zn  identißciren  ist.  Ob  araönti  Fragm.  IV,  p.  332. 
ed.  VV.  hierher  gehört,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden. 


3^  Windischmann,  über  Mühra, 

hacaoute  „die  sind  die  Heiler  der  Länder,  welche  das  Wohl- 
gefallen Vohuinano's  folgten." 

Von  den  Intellig-enzen  dieser  Heiler  redet  Ya^n.  XL  VI,  3 ; 
von  ihrem  berühmten  (klaren)  Sinn  (Gedanken)  Visp.  XI,  3.  ag- 
naca  manao  asaonäm,  ägnaca  manad  gaoskyantam; 
von  ihrer  Lehre  Ya^n.  XXXIV,  13;  ihre  Intelligenzen  treibt  Asi 
an  Ashi  Y.  2.  ya  vigpanäm  Qaosjantäm  frasa  khrathwa 
fräth  an^ayeiti;  im  Allgemeinen  ist  von  ^aosyanta's  die  Rede 
Yagn.  XLV,  IL    Visp.  XXII,   1. 

Wenn  es  diese  Stellen  zweifelhaft  lassen,  wann  diese  Heiler 
leben ,  so  gebraucht  Visp.  V,  1 ;  XI,  20  (etwas  abgekürzt  Ya^n. 
XIV,  L)  von  ihnen  das  Pronomen  der  ersten  Person  in  der  Mehr- 
zahl:  ahmakem  havanhäicaratufritayeca  asava^taica 
verethraghnyaica  hurunyaica  yat^aoskyäntäm  asao- 
näm „uns  zum  Wohl,  zur  Befriedigung,  zur  Reinheit,  zum  Sieg 
und  zum  Ruhm  den  reinen  Heilern."  Hier  werden  also  die  Heiler 
als  die  in  der  Gegenwart  lebenden  bezeichnet,  welche  das  Opfer 
darbringen.  Visp. XI,  13.  yenghe  vaem  mahi  yöi  ^aoskyan- 
tö  daqyunäm  „an  welchem  (Orte)  wir  sind  die  Heiler  der  Län- 
der."  Ya^n.  XX,  3.  khsmavdya  —  yat  ^aosyautaebyö 
5, euch  den  Heilern.*'  Am  bezeichnendsten  schildert  aber  diese 
Heiler  Yagn.  LXX,  4.  yatha  ijd  vacim  nasima  yatha  vä 
^aoskyanto daqyunäm guyamnaväcim  bareut^  buyama 
gaoskyantd  buyama  verethra^and  buyama  ahurah^ 
mazdaö  frya  väzista  agtayö  ')  yöi  narö  asavano  hu- 
mätäis  mainimna  hükhtais  mrvatd  hvarstais  verez- 
yautö.  „Dass  wir  die  Segensrede  erlangen,  oder  dass  wir  Heiler 
der  Länder  geheilt  (von)  dem  Redenden  (die  Heilrede  verkündend  1) 
Heiler  seien,  Siegreiche  seien,  des  Ahura- Mazda  Freunde  und 
Genossen  seien,  reine  Männer  gute  Gedanken  denkend,  gute  Worte 
redend ,  gute  Werke  wirkend. "  Die  Eigenschaft  eines  paosyäg 
kann  also  durch  heiligen  Wandel  erlangt  werden ;  und  wenn  daher 
auch  die  gegenwärtig  Lebenden  in  dieser  Hoffnung  ^aosyanta's 
genannt  werden,  so  sind  doch  die  Heiler  in  der  Regel  als  zu- 
künftige aufgefasst.  So  Visp.  XI,  7  (yaö  iririthusäm  asao- 
näm yaogca  ^vantäm  asaonäm  yaögca  naräm  azata- 
näm  frasd-carethräm  gaosyantäm),  wo  die  Genien  an- 
gerufen werden  der  verstorbenen  Reinen,  der  lebenden  Reinen  und 
der  noch  nicht  gebornen  hervorwandelnden  (oder  die  Auferstehung 
bewirkenden)  Heiler.  Dieselbe  Stelle  wiederholt  sich  Yac^n.  XXIV, 
5;  XXVI,  6  und  Farv.  Y.  17,  wo  gesagt  wird,  dass  jene  Genien 
die  stärksten  seien,  welche  den  Männern  der  ersten  Lehre  (den 
Urvätern)  angehören  oder  die    der  noch    ungebornen  Männer ,    der 


1)  Diese  Redensart  kömmt  öfter  vor  Ya(?n.  XllI,  2.  XXXI,  22;  dagegen 
XLVI,  11;  XLIX,  11;  Farg.  VIII,  107;  XIV,  18.  dru^ö  nman^  baithyä 
anhen  a^tayö. 


Windischmann,  über  Milhra.  87 

^aosyanta's.  Hier  stehen  letztere  im  Gegensatz  gegen  die  Alten 
und  gGg^n  die  Lebenden  und  werden  ausdrücklich  als  Zukünftige 
bezeichnet.  Endlich  YaQn.  IX,  2  wird  Zarathustra  aufgefordert 
den  Haoma  auszupressen  und  zu  preisen:  yathä  mä  aparacit 
caosya  ntö  ^tavan  ,, damit  (oder:  wie)  mich  die  nachfolgenden 
Heiler  preisen.  "  (Neriosengh  :  pagcat). 

Aber  auch  die  Vergangenheit  hat  ihre  ^aosyanta's,  wie  aus 
Yagn.  XII,  7.  folgt:  „Von  welchem  Bekenntniss  Zarathustra  war, 
von  welchem  Bekenntniss  König  Vistagpa,  von  welchem  Bekenntniss 
Frasaostra,  Gama^pa,  von  welchem  Bekenntniss  jeder  der  pao- 
syanta's  der  wahrhaftig  handelnden,  reinen,  von  diesem  Bekennt- 
niss und  dieser  Lehre  bin  ich." 

Die  paosyanta's  sind  also  die  Reinen  aller  Zeiten  ,  der  Ver- 
gangenheit, Gegenwart  und  Zukunft  und  es  wird  ihnen  dieselbe 
Thätigkeit  zugeschrieben,  wie  dem  ^aosyäg  xar^  ^^o/'rjv;  vergl. 
Zam.  Y.  22,  wo  ihnen  die  Schöpfung  der  neuen  Welt  ganz  mit 
denselben  Worten  beigelegt  wird  wie  dem  Heiler  89,  ja  wie  dem 
Ahura  (ib.  11)  und  den  Amesa-^penta's  (19)  selber;  vergl.  auch 
Visp.  II,  5  gaosyaiitö  yenghe  sky  aothnais  gäeth  ao  asa 
frädente,  wo  nur  der  Zusammenhang  nicht  klar  ist. 


IVaeliträ^e. 

Zu  p.  38,  52.  Das  von  der  Bewegung-  aLrimanischer  Ge- 
schöpfe beständig  gebrauchte  dvar  laufen  ist  gleich  Sskr.  hvr 
curvum  esse.  Daher  zbaras  vergl.  p.  63;  zbaretha  Fuss 
ebenfalls  von  ahrimanischen  Wesen  gebraucht,  und  daneben  dva- 
rethra  Serosh  Y.  2.  zbar entern  Ram.  Y.  50.  51.  Der  Wechsel 
zwischen  d  und  z  ist  aus  Altpers.  adam  =  Zend.  azem  bekannt. 
So  scheint  mir  auch  zöizdista  von  Sskr.  dih  beflecken  digdha, 
deha  herzuleiten. 

Zu  p.  46,  102.  parö-kevidhem.  Oppert  (Z.  d.  D.  M.  G. 
XI,  p.  135.)  hat  das  Wort  tigrakhaudä  in  der  Inschrift  von 
Naksi - Rustam  mit:  pfeilkundig  übersetzt,  und  khauda  für  eine 
Zusammenziehung  von  khvavida  erklärt,  was  die  arische  Form 
für  Sskr.  k  6  vi  da  sei.  Diese  Erklärung  scheint  mir  sehr  pro- 
blematisch; möglich  ist  es  indessen,  dass  unser  kevidha  (bei 
der  bekannten  Ersetzung  von  ö  durch  e)  dem  Sskr.  kdvida  ent- 
spricht. Ich  bemerke  im  Vorübergehen  zu  Oppert's  Erklärung  von 
yaunä  takabara,  dass  letzteres  Wort  das  Armenische  thagavor 
Kronträger,  König  ist,  dass  aber  dieses  taka  oder  thag  mit  dagha 
Schweif  (Tir.  Y.  21)  nichts  zu  thun  hat;  letzteres  halte  ich  zu 
Gothisch  tagl  Engl,  tail  vergl.  Diefenhach  Goth.  Wörterb.  11. 
p.  650. 

Zu  p.  49,  119.  Die  Stelle  Ab.  Y.  34.  wiederholt  sich  Gosh 
Y.  14;  Ram.  Y.  24;  Ashi  Y.  34.  Die  Nachkommen  des  Thra6- 
taona,  die  hier  gemeint  sind,  dürften  ^aosyäg  und  Hugrava  sein. 

Zu  p.  62  u.  63.  Bei  der  Stelle  des  Elisäus  ist  mir  eine 
andere  Eznik's  nicht  gegenwärtig  gewesen  (p.  138.  ed.  V.) :  „Als 
(Ahriman)  sah,  dass  Ormuzd  schöne  Geschöpfe  gemacht  hatte 
und  das  Licht  nicht  zu  schaflFen  wusste,  da  berieth  er  mit  den 
Dev's :  was  nützt  es  dem  Ormuzd ,  dass  er  so  schöne  Geschöpfe 
gemacht  hat,  und  dass  sie  in  Finsterniss  sind,  weil  er  nicht  ver- 
stand das  Licht  zu  machen.  Wäre  er  weise,  so  würde  er  zur 
Mutter  gehen  und  die  Sonne  würde  sein  Sohn,  und  er  würde  mit 
der  Schwester  sich  verbinden  und  den  Mond  erzeugen.  Und  er 
gab  Befehl  dass  Niemand  das  Geheimniss  offenbare.  Als  dies  die 
Dev  Mahmi  hörte,  ging  sie  sogleich  zu  Ormuzd  und  offenbarte 
ihm  das  Geheimniss. '^  Hier  wird  also  die  Entstehung  des  Lich- 
tes einem  Umgang  Ormuzd's  mit  seiner  (des  0.)  Mutter  zuge- 
schrieben. Und  so  lässt  sich  auch  die  Stelle  des  Elisäus  ver- 
stehen: „wenn  Jemand  sich  mit  seiner  Mutter  verbindet."  Wer 
diese  Mutter  des  Ormuzd  sein  soll,  weiss  ich  nicht.  So  gewiss 
diese  armenischen  Nachrichten  viel  spätere  Fabelei  enthalten,  so 
gewiss  finden  sich  aber  auch  schon  in  den  Zendtexten  mythologi- 


Windischmann,  über  Milhra.  89 

sireude  Ansätze.  So  wenn  von  den  Weibern  Abura's  die  Rede 
ist  (YaQn.  XXXVIH,  l),  so  die  Ahurani  AhurahS  (Ya<;n. 
LXVIII.),  so  wenn  (Aslii  Y.  2)  Ali  die  Tochter  des  Aliura  und 
die  Schwester  der  Amesa  -  ppenta's  beisst. 

Zu  p.  72.  Die  Parailelisirnng  der  Planeten  mit  Metallen 
kommt  aucb  bei  Ya^navalkya  vor  I,  295  sqq.  „Sonne,  Mond, 
Sohn  der  Erde  (Mars),  Sohn  des  Mondes  (Merkur),  Vrihaspati  (Jupi- 
ter), ^ukra  (Venus),  ^anai^cara  (der  lang-sam  g-ebende  Saturn),  Rahu 
und  Ketu  sind  die  Planeten.  Die  Planeten  sind  der  Reibe  nach 
zu  verfertigen  aus  Kupfer,  Krystall,  rotbem  Sandelbolz,  zwei 
aus  Gold,  aus  Silber,  aus  Eisen,  Blei  und  Zinn."  Wir  werden 
nicht  irre  geben,  wenn  wir  Krystall  und  Sandelbolz  auf  Räbu 
und  Ketu  bezieben.  An  die  Stelle  des  Miscbmetalles  ist  Gold 
getreten,  welcbes  zweimal  gesetzt  ist. 

Zu  p.  75.  Ich  babe  über  die  Stelle  des  Bundebescb  Spiegel 
befragt,  der  so  gütig  war,  mir  seine  Ansiebten  mitzutbeilen. 
Auch  er  nimmt  Kbei  für  Sch^y^eiss  und  übersetzt  Bund.  p.  10,  14. 
„  Bevor  er  (Abpfman)  zum  Gayomart  kam ,  brachte  Ormuzd  das 
Kbei  zu  Gayomart  hinzu.  In  soviel  Zeit  als  man  ein  Gebet  aus- 
spricht, schuf  Abriman  dieses  Khei  in  den  Körper  eines  Mannes, 
eines  jungen,  fünfzehnjährigen,  leucbtenden,  grossen.  Als  Gayo- 
mart aus  dem'Kliei  entstand"  etc.  Die  Worte  vacact  vac  bält 
Spiegel  sehr  glücklich  mit  vararra  varast^(Stiin  ^  Visp.  Xlir.  2. 
zusammen.  Meine  üebersetzun'gVon  Jiund.  p.  57,  1.  5.:  „der  ins 
Wasser  schaut"  billigt  er  nicht,  weil  er  nicbt  mia  Wasser,  son- 
dern mas  gross  liest.  Allein  icb  glaube,  dass  Weslergaard's  Fac- 
simile,  in  welchem  leider  der  letzte  Zug  des  betr.  Buchstabens 
nicbt  ganz  deutlich  ist,  im  Schlussstricb  jene  ErbÖhung  bat,  welcbe 
a  ausdrückt.  Mir  scbeint  das  betr.  Wort  ähnlicher  demselben  p, 
10,  1.  9.  als  dem  andern  mas  gross  p.  36,  I.  19  und  anderswo. 
„Der  sich  nacb  Grossem  umsiebt"  bietet  keinen  recbten  Sinn. 
Anquelil  übersetzt:  ayant  des  yeux  avec  lesquels  il  regardait  en 
baut.  Das  wäre  etwa  das  Zendische  parö  -  dregvanö.  Tir  Y.  5. 
—  Die  Schöpfung  des  Kbei  und  des  Gayomart  aus  diesem  ist 
mir  nocb  sehr  rathselhaft.  Ist  an  den  Schaum  zu  denken,  aus 
welchem  Aphrodite  entsteht  Hesiod,  Theog.  191.? 

Zu  derselben  Seite,  diahi  kann  aucb  Feminin  sein, 
was  mir  wegen  Bundebescb  p.  9,  1.  8  angenommen  werden  zu 
müssen  scheint. 

Z  u  p.  79.  Durch  Müllers  Auseinandersetzung  über  die  Stelle 
des  Nirukta  (Z.  d.  D.M.  G.  VII,  p.  373.)  bin  icb  bezüglich  mei- 
ner Erklärung  zweifelhaft  geworden. 


Correctureu. 

p.  2,  13;  p.  7,  50;  p.  14,  118;  p.  24,  13;  p.  37  fin.  ist  das  Dehnungs- 
zeichen auf  der  Endsylbe  von  Hara  zu  tilgen.  Ebenso  das  einigemal  vor- 
kommende auf  der  Endsylbe  des  Namens  Ahura-mazda.  Ebenso  p.  13, 
105  auf  dem  Namen  Ranha.  —  p.  19,  1.  5  lies  9rutahe;  l.  8.  1.  qare- 
nanha ;  l.  42  l.  Fravasi's.  —  p.  29,  1.  37  1.  verwandten.  —  p.  49 ,  1.  22 
ist  den  nach  beiden  zu  streichen. —  p.  61.  not.  3.  1.  zweimal  statt:  ni  1. 
in.  not.  4.  statt:  'Eariav  1.  'Eaxiav.  —  p.  64,  1.  27.  statt:  Vrtehat- 
que  1.  Vertebatque;  ebendas.  not.  1.  1.  9.  bicomem ;  ebendas.  ist  die 
weitere  Note  mit  2  zu  bezeichnen  und  statt :  rrjv  zu  lesen  x-f}v,  —  p.  66. 
not.  4.  statt:  anoBiSovi  1.  otnoSiSovs.  —  p.  68,  1.  19.  statt:  brachten 
l.  brächten." 'ebend^.  1.  24  statt:  Mysterien  1.  Martyrien.  —  p.  80, 
I.  26.  statt  an  1.  in. 


Leipzig,  Druck  von  W.  Vogel,  Sohn. 


Al-Kindi 


genannt 


„der  Philosoph  der  Araber", 


Ein  Vorbild  seiner  Zeit  und  seines  Vollies. 


Von 


Dr.  G.  Flügel. 


Leipzig  1857 

Commission  bei  F.  A.  Brockhaus. 


Abbandluugeii 


der 


Deutschen   Morgenländischen  Gesellschaft. 


■•    9  a   n   d 

M.  2. 


Al-Kindi 

genannt 

,,der  Philosoph  der  Araber", 

Ein  Vorbild  seiner  Zeit  und  seines  Vollies. 

Von 
Dr.    O.    F  1  A  s  e  1. 


Unter  den  Gelehrten  und  Schriftstellern  des  arabischen  Chalifats 
in  seiner  grössten  Blüthe  d.  i.  von  der  Mitte  des  zweiten  Jahr- 
hunderts bis  g-eg-en  die  des  dritten  =  ungefähr  750  —  850  n.  Chr. 
ragt  kein  Zweiter  durch  Selbständigkeit,  Vielseitigkeit  und  reges, 
beharrliches  Streben  in  Erforschung  wahrer  Erkenntniss  und  Ver- 
breitung derselben  in  so  hohem  Grade  hervor  als  der  seinem  Rufe 
nach  schon  frühzeitig  im  Abendlande  vielbekannte  Kindi,  dem  bereits 
seine  Zeitgenossen  vorzugsweise  das  Prädicat  der  Philosoph 
der  Araber  v-ytil  o^^-ö  beilegten.  Dieser  in  den  Augen  des 
strengen  Muslim  an  sich  etwas  verdächtige  Ehrenname,  wie  schon 
die  Wahl  des  aus  der  Fremde  entlehnten  Wortes  ^„j^aJIaä  andeu- 
tet, macht  uns  zugleich  bemerkbar,  wie  die  Art  seiner  Philosophie 
nicht  in  dem  Bereich  einheimischer  nationaler  Wissenschaft  wur- 
zelte, sondern  Stoff  und  Methode  aus  den  sogenannten  alten 
d.  i.  vorzugsweise  griechischen  Theorien  entlehnte  und  auf  ihnen 
beruhte;  ja  man  gestand  in  dieser  Hinsicht  ganz  offen  zu,  wie 
aus  dem  Bericht  Ihn  al-Kufti's  über  ihn  hervorgeht,  dass  es  im 
Islam  keinen  zweiten  Gelehrten  gebe ,  der  durch  sein  Studium  und 
die  Kenntniss  der  philosophischen  Wissenschaften  mehr  Berühmt- 
heit erlangt  hätte  als  Ja'^küb  al  -  Kindi.  Und  in  der  That  war 
Kindi  kein  Gelehrter,  wie  ihn  sich  der  Muslim  für  seine  Doctrin 
wünschte ;  wohl  aber  ist  er  berechtigt,  diese  Bezeichnung  im  vol- 
len Sinne  des  Wortes  anerkannt  zu  sehen  und  zu  behaupten,  wenn 
wir  ihn  nach  dem  Massstabe  unseres  Begriffs  von  Gelehrsamkeit 
beurtheilen.  Zählte  ihn  doch  der  berühmte  Arzt,  Naturforscher 
und  Mathematiker  Hieronymus  Cardanus  (starb  1576)  in  seiner 
Schrift  De  subtilitate  zu  den  zwölf  bis  zu  seiner  Zeit  auf  der 
Abhandl.  der  DMG.  E,  2.  1 


2  Flügel,  über  AI- Kindt. 

Welt  bekannt  gewordenen  gewaltigsten  Geistern,  und  der  überaus 
gelehrte  spanische  Exjesuit  Andres  ( gestorben  zu  Rom  1817 ) 
nennt  ihn  in  seinem  Werke  Dell'  origine  e  progressi  d'egni  lette- 
ratura  geradezu  den  Thaies  und  Pythagoras  der  Muslimen 
und  kann  für  seine  Anerkennung  der  Grösse  des  Mannes  nicht 
Ausdrücke  genug  finden  ^). 

Es  gilt  nun  unsere  obige  Anschauung  so  vollständig  als  mög- 
lich durch  folgende  Schilderung  zu  rechtfertigen,  in  der  wir  uns 
vor  Allem  an  den  Fi  brist  halten  als  die  zuverlässigste,  reichste 
und  reinste  Quelle,  aus  der  alle  spätem  Schriftsteller  das  We- 
sentlichste wie  über  den  Mann  selbst  so  über  seine  Schriften  — 
über  letztere  fast  ausschliesslich  —  entlehnten.  Nächst  ihr  be- 
nutzen wir  Ihn  Useibia  in  seinen  Classen  der  Aerzte  und  Ihn 
al-K^uftiin  seiner  Geschichte  der  Philosophen,  ohne  andere  Quel- 
len, wie  sie  uns  zugänglich  sind,  auszuschliessen  2). 

Abu  Jüsuf  Ja'küb  Bin  Jshäk  Bin  as-Sabbah  Bin  'Imrän  Bin 
Jsmä'il  Bin  Muhammad  Bin  al-As'at  Bin  Keis  al-Kindi  (^jclXaJCJ?) 
Bin  Ma'^di  Karib  Bin  Mu  awija  Bin  d^abala  Bin  'Adi  Bin  Rabfa 
Bin  al-Harit  ^)  Bin  Mu  awija  al  -  akbar  der  Grossere  oder  Ael- 
tere  *)  Bin  al-Harit  al-asgar  der  Kleinere  oder  Jüngere  ^)  Bin 
Mu  awija    Bin  al-Härit  al- akbar    Bin  Mu  awija  ^)    Bin  Kinda  '' ) 


1)  Vgl.  auch  De  -  Rossi  im  Dizionario  storico  degli  autori  arabi  S.  30  flg. 

2)  Als  ich  vor  nun  20  Jahren  die  kurze  Biographie  Kindi's  für  die  Ersch- 
Grubersche  Encyclopadie  (2te  Section  Bd.  XIV,  S.  69  flg.)  schrieb ,  fasste 
ich  bereits  den  Entschluss,  das  Sein  und  Wirken  des  Mannes  später  einer 
umfassendem  Darstellung  zu  unterwerfen.  In  dieser  Absicht  bestärkte  mich 
noch  mehr  die  sehr  verschiedenartige  Beurtheilung,  die  ihm  bis  in  die  neueste 
Zeit  in  allen  Geschichten  der  Philosophie ,  Mathematik  und  Literatur  über- 
haupt zu  Theil  geworden  ist.  Zwar  wird  überall  das  Bedeutende  seiner  Er- 
scheinung anerkannt,  nirgends  aber  im  Ganzen  und  Grossen  hervorgehoben 
oder  in  einem  Gesammtbild  zur  Anschauung  gebracht.  —  Dass  oft  genug  sein 
Einfluss  auf  Philosophie ,  Mathematik  (vgl.  z.  B.  Montucla) ,  Medicin  u.  s.  w. 
unterschätzt  wird ,  mag  darin  entschuldigende  Erklärung  finden ,  dass  uns  von 
seinen  Schriften  nur  das  Wenigste  erhalten,  noch  weniger  aber  durch  den 
Druck  bekannt  geworden  ist,  und  hier  wiederum  nur  in  schlechter  Ueber- 
setzung,  nirgends  im  Original  Etwas  vorliegt.  Doch  haben  spätere  Schrift- 
steller ihn  vielfach  benutzt.  Andere  Gründe  seiner  verschiedenen  Beurtheilung 
schon  unter  seinen  Zeitgenossen  werden  wir  später  kennen  lernen.  —  Lake- 
macher's  Dissertatio  de  Alkendi  Arabum  philosophorum  celeberrimo  (Helmstadü 
1719.  16  S.  kl.  Quart),  auf  die  man  sich  noch  immer  bis  in  unsere  Tage 
herab  beruft,  ist  höchst  unschuldig  und  stellt  nur  die  zu  seiner  Zeit  gedruckt 
vorhandenen  spärlichen  Notizen  zusammen.  Für  vorliegende  Abhandlung  war 
sie  nicht  vom  geringsten  Nutzen. 

3)  Bin  al-Härit  ist  ein  Zusatz  von  Nawawi  im  Biographical  Dictionarv 
S.   160.  '      "  1  J 

4)  al- akbar  fehlt  ebenda. 

5)  al-asgar  Zusatz  von  Ibn  Abi  Useibra  und  Nawawi. 

6)  Bin  al-Härit  al- akbar  Bin  Mu  awija  ebenfalls  Zusatz  von  Ibn  Abi 
UseibFa  und  Nawawi  zum  Fihrist. 

7)  Bin  Kinda  fehlt  bei  Nawawi.  S.  die  Etymologie  und  den  Ursprung 
dieses  Namens  bei  Ibn  Dureid  p.  218.  und  Nawawi. 


I 


Flügel,  über  Al-Kindi.  3 

Bin  Taur  Bin  Muratti'  «)  Bin  Mu  äwija  »)  Bin  Taur  Bin  'üfeir  '  o) 
Bin  'Adi  Bin  al-  Harit  Bin  Murra  Bin  Udad  Bin  Zeid  Bin  al - 
Hameisa*^  '  ' )  Bin  Zeid  Bin  Kahlan  Bin  Saba  Bin  Jas^ub  Bin 
Ja*^rub  Bin  Kahtan  —  ist  der  Name  Kindi's  und  seine  Genealogie, 
soweit  diese  die  Quellen  zurückführen. 

Unter  seinen  nähern  und  nächsten  Vorältern  vom  Vater  an, 
der  unter  den  Chalifen  al-Mahdi  (158—169  =  775  —  785) 
und  al-Rasid  (170—  193  =  786  —  809)  die  Statthalterschaft 
oder  das  Emirat  von  Kufa  verwaltete,  tritt  uns  sein  Ahnherr  im 
sechsten  Grade  al-  As'at  ^")  entg-eg-en.  Dieser  kam  als  einer 
der  Fürsten  oder  sogenannten  Könige  des  Stammes  Kinda  (q^ 
iiJjS  tiSTjX«)  im  J.  10.  der  Flucht  mit  70  (nach  Andern  mit  60) 
Reitern  seines  Stammes  zum  Propheten  Muhammad,  wurde  dessen 
Gefährte  und  starb  63  Jahr  alt.  Er  wird  als  Herrscher  sämmt- 
licher  Stämme  Kinda's  genannt  wie  sein  Vater  Keis,  welchen 
der  Dichter  A'^sa  *  ^)  in  vier  langen  Kasiden  besang,  deren 
Anfang  Ihn  al-Kufti  aufbewahrt  hat  ^*),  von  denen  aber  keine  mit 
der  von  de  Sacy  herausgegebenen  identisch  ist.  —  Ma'di  Karib, 
der  Vater  des  Keis,  erhielt  von  seinem  Vater  Mu'^awija  Bin  Ga- 
bala  die  von  ihm  behauptete  Herrschaft  in  der  Provinz  Hadramaut 
über  die  Kinder  Harit's  des  Jüngern,  die  einen  Zweig  des  Stam- 
mes Kinda  bildeten.  —  Mu  awija,  der  Sohn  al-Harit's  des  Aeltern, 
al- Harit  der  Aeltere  selbst,  dessen  Vater  Mu  awija  und  der  Ahn- 
herr Taur  waren  Könige  des  Stammes  Ma'^add  (vÄ*>o)  und  hatten 
ihren  Sitz  im  festen  Schlosse  Musakkar  in  Bahrein,  von  wo  aus 
sie  Bahrein  selbst  und  Jemäma  beherrschten. 

Mit  dem  zweideutigen  Uebergange  Asat's  zum  Islam  und 
der  darauf  erfolgten  Unterwerfung  des  Stammes  Kinda  und  seiner 
Abzweigungen,    die    vorher    mehr    oder    weniger    unter    persischer 


8)  Ihn  Abi  üseibfa  und  Andere  falsch  %^j^  ^J.     S.  Ihn  ^jluteiba  S.  52 
und  vorzüglich  Nawawi. 

9)  Bin  Mu  äwija  Zusatz  von  Nawawi. 

lO;)  Bin  Taur  (Ihn  Abi  Useibi'a:  Kinda)   Bin  'Ufeir   Zusatz   von    Beiden. 
Nawawi  fügt  al-Kindi  (s.  Anra.  7)  hinzu. 

11)  Statt  y.M«A,»„g,Jt  bei  Tbn  Abi  Useibi'a  w^SjC  ^^yi  w^.^^A?  qJ. 

12)  Vgl.  A  biograph.  Diction.  of  Persons ,    who  knew  Mohammed  by^  Ibn 
Hajar  in  Bibl.  Tndica  Fase.  II,  S.  97. 

13)  ,tf"^t.     S.  de  Sacy's  Chrestomathie  II,    S.  to.. 

14)  Die  Anfänge  derselben  heissen : 

3.  I;L^!  J-J  jTcr  c>w«^j'i.  —   4.  ^^^   ^\   "^^  j^^\,  — 

Auch    Ibn    Abi  Useibi'a    hat   die   Aufnahme   dieser   Anfänge  fiir  wichtig  genug 
gehalten. 

1* 


4  Flügel,  über  Äl-Kindt. 

Oberlierrlichkeit  standen,  begann  unfehlbar  die  Zerstreuung-  dieser 
Stämme  und  ihrer  Fürsten,  denen  theilweise  auch  im  neuen  Staate 
eine  hervorrag-ende  Stellung  zu  Theil  wurde.  So  erzählt  uns 
Nawawi  (S.  160  —  161)  von  As  at  ausführlicher  Folgendes.  Er 
kehrte,  nachdem  er  mit  seinen  70  Reitern  den  Islam  angenom- 
men, nach  Jemen  zurück,  fiel  aber  mit  Andern  nach  dem  Tode 
des  Propheten  wiederum  ab  —  namentlich  wird  von  den  Banü 
Kinda  in  Hadramaut  erwähnt,  dass  sie  hauptsächlich  wegen  der 
Armensteuer  sich  dem  neuen  Joche  entzogen,  —  so  dass  Abu 
Bakr  die  Haustruppen  ^j  J^jl^)  zu  ihrer  Unterwerfung  nach  Jemen 
absandte.  A^at  an  der  Spitze  der  Abtrünnigen  war,  da  er  eine 
Niederlage  voraus  sah,  verrätherisch  genug,  die  Festung  Nugeir 
gegen  die  Zusicherung  der  Erhaltung  des  Lebens  und  Eigenthums 
für  sich  und  die  Seinigen  dem  Gegner  Muhagir  Ihn  ümeija  zu 
öffnen,  während  er  seine  Stammgenossen,  Männer,  Frauen  und  Kin- 
der, dem  Mord  und  der  Sklaverei  preisgab.  Hierauf  als  Gefange- 
ner vor  den  Chalifen  geführt,  nahm  er  von  Neuem  den  Islam  an, 
bat  um  Erhaltung  seines  Lebens  und  zugleich  um  des  Chalifen 
Tochter.  Abu  Bakr  schenkte  ihm  wirklich  die  Freiheit  und  gab 
ihm  auch  seine  Tochter  zur  Frau,  die  die  Mutter  des  Muhammad, 
des  Ahnherrn  Kindi's  im  fünften  Gliede  wurde  *■  ^ ).  Hierauf  nahm 
Asa't  an  dem  Treffen  am  Flusse  Jarmük  (Hieromax,  jetzt  Sarfat 
Mandür)  in  Syrien  ^^)  gegen  die  Griechen  (23.  Aug.  634),  ein 
Jahr  oder  etwas  später  bei  Kadesia  gegen  die  Perser,  bei  der 
Hauptstadt  Madäin  636,  bei  Galüla,  in  Irak  von  Bagdad  aus  auf 
dem  Wege  nach  Chorasan  gelegen,  bei  Nehawend,  einer  kleinen 
Stadt  südlich  von  Hamadän  im  J.  20  (641)  Theil,  wohnte  dann 
in  Kufa,  stellte  sich  im  Treffen  in  der  Ebene  von  Siffin  nicht 
weit  von  Rakka  (Juli  657)  in  die  Reihen  *^Ali's,  den  er  in 
schändlichem  Verrath  als  einer  seiner  heimlichen  Hauptgegner  den 
Kampf  einzustellen  nöthigt,  und  wohnte  der  Verhandlung  der  bei- 
den Schiedsrichter  bei.  Ob  ihn  der  Chalife  'ütman  zum  Statt- 
halter von.  Adarbei^an,  dessen  Unterwerfung  ihm  zugeschrieben 
wird,  gemacht  habe,  lassen  wir  einstweilen  dahingestellt,  und  er- 
wähnen nur  noch,  dass  Hasan,  ^Ali's  Sohn,  eine  seiner  Töchter 
heirathete.  As'at  starb  in  Kufa,  wo  er  sich,  wie  überhaupt 
die  Banü  Kinda,  niedergelassen  hatte,  40  Nächte  nach  Ermordung 
des  Chalifen  'Ali  oder  später  im  J.  42  =  662  '').  —  Der  Sohn 
desselben,  der  obenerwähnte  Muhammad,  war  dem  Hause  'Ali's, 
wie  es  scheint,  eben  so  wenig  treu  zugethan  wie  der  Vater. 
Wir  finden    ihn    als   Hauptmann  unter  dem    Statthalter  von    Kufa, 


15)  Nach    Andern    war   As'at  schon  vorher  Schwager  des  Abu  Bakr.  — 
Nawawi  macht  ihn  zum  Eidam. 

16)  S.  The  Fotooh  al-Sham  S.   195. 

17)  Diese  specielle  Angabe  seines  Todesjahres   zeigt,    dass    er   in    einem 
Alter  von  ungefähr  30  Jahren  zuerst  den  Islam  annahm. 


J 


Flügel,  über  Al-Kindl.  5 

'Cbeidalläb,  der  den  ümeijaden  Jazid  gegen  den  Prätendenten 
Husein,  'Ali's  Sohn,  vertheidig-te.  Später  empörte  er  sich  geg-en 
Muchtär  in  Kufa ,  musste  nach  Basra  fliehen  und  fiel  im  Treffen 
bei  Harurä  67  (686  —  87)  nicht  weit  von  Kufa.  Ein  Sohn  die- 
ses Muhammad  ist  '^Abd-ar-rahmän,  der  bekannte  Empörer  gegen 
den  berüchtigten  Statthalter  Hag^ag  und  die  ümeijaden,  der  sich 
Fürst  der  Gläubigen  nannte,  ganze  Länderstrecken  eroberte  und 
Schlachten  lieferte,  bis  er  85  (704  oder  705)  dem  Haggä^  un- 
terlag und  seinen  Tod  fand.  —  Auf  diese  Weise  setzte  der 
Stamm  Kinda  das  Handwerk  der  Empörung  und  des  Verräths 
ununterbrochen  fort,  und  Reiske  berichtet  ^^),  dass  Nuweiri  eine 
ganze  Reihe  ähnlicher  Treulosigkeiten  des  Vaters ,  Grossvaters, 
ürgrossvaters  und  Urältervaters  dieses  'Abd-ar-rahmän  erzähle. 

Aus  dieser  Vorgeschichte  Kindi's  geht  nach  vielen  Seiten 
hin  hervor,  dass  er  aus  fürstlicher  Familie  abstammte  und  dass 
auch  im  Chalifate  wenigstens  einige  seiner  Vorfahren  durch  eine 
höhere  Stellung  rechtlich  und  widerrechtlich  sich  für  ihre  frühere 
Herrlichkeit  entschädigt  sahen  oder  zu  entschädigen  suchten.  Da- 
raus ferner,  dass  in  dem  von  'ümar  (637)  neugegründeten  Kufa 
vielleicht  freiwillig,  vielleicht  gezwungen  —  wie  ja  auch  die  Ju- 
den Arabiens  dahin  gewiesen  waren  —  die  Banü  Kinda  sich  nie- 
dergelassen hatten,  erklärt  sich  wohl  auch ,  wie  der  Vater  Kindi's 
zum  Statthalter  oder  Emir  dieser  in  Folge  der  verschiedenartig 
zusammengeworfenen  Einwohnerschaft  sehr  unruhigen  und  zum 
Aufstand  geneigten  Stadt  ernannt  wurde.  Doch  scheint  es  nicht, 
dass  unser  Philosoph  Kufa  zu  seiner  Geburtsstätte  hatte ,  da  Ihn 
Abi  üseibi'a  nach  der  Angabe  von  Abu  Däüd  Suleimän  Bin  Hassan 
Ibn  (jul^ul  ihn  einen  Basrenser  (j^^aq^J  nennt,  sein  Grossvater 
Sabbäli  *®)  aber,  der  verschiedene  Statthalterschaften  (oL'^j)  für 
die  Haschimiten  (die  Aliden  oder  Abbasiden )  verwaltete,  sich 
in  Basra  niedergelassen  hatte  und  daselbst  auch  sein  Staatsgut 
(NÄJiA/to)  besass.  Von  Basra  aus  begab  sich  Kindi,  über  dessen 
Geburtsjahr  wie  über  seine  Kindheit  und  erste  Erziehung  bis  jetzt 
alle  Quellen  schweigen  —  warum,  werden  wir  später  sehen  — 
seiner  weitern  Ausbildung  wegen  nach  Bagdad.  Wir  erfahren 
aber  ebensowenig,  wer  hier  seine  Lehrer  waren ;  nur  soviel  dür- 
fen wir  als  sicher  annehmen ,  dass  er  mit  den  christlichen  des 
Griechischen  kundigen  Uebersetzern  griechischer  Werke,  an  deren 
Thätigkeit  er  selbst  bedeutenden  Antheil  nahm,  lebhaften  Verkehr 
unterhielt.  Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  er  „der  Treffliche 
seiner  Zeit  und    der   Einzige  seines    Jahrhundertes " ,    von  Hause 


18)  S.  Anmerk.  »u  Annal.  Moslem.  I,   S.  105. 

19)  §abbah  nemlich,  wenn  wir  h^X:^   hier   in   dieser  engen  und  eigent- 
lichen Bedeutung  auffassen  dürfen. 


Q  Flügel ,  über  AI  •  Kindi. 

aus  in  g-ünstiger  Stellung-,  dabei  geistig  hochbegabt  und  durch 
die  Vorliebe  seiner  Zeit  für  wissenschaftliche  Forschung  getra- 
gen, scheint,  einmal  durch  die  Beschäftigung  mit  griechischen  ^ ") 
Slustern  in  den  Kreis  höherer  Wissenschaften  eingeführt,  sehr 
bald  die  beengenden  Fesseln  der  dogmatischen  Abgeschlossenheit 
des  Islam  von  sich  geworfen  und  einem  freiem  Denken  und  mehr 
selbständiger  geistiger  Bewegung  sich  hingegeben  zu  haben.  Der- 
selbe Ibn  Gulgul  sagt  in  dieser  Hinsicht  geradezu,  dass  es  im 
ganzen  Islam  keinen  Philosophen  gebe,  der  in  seinen  Schriften 
dem  Aristoteles  so  nachphilosophire  wie  Kindi.  Er  habe  viele 
philosophische  Schriften  übersetzt  und  deren  Schwierigkeiten  durch 
ausführlichere  Entwickelung  beseitigt. 

Dass  Kindi  in  Folge  seines  Wissens  am  Hofe  von  Bagdad 
und  bei  den  dortigen  Grossen  eine  bedeutende  Stellung  einnahm, 
deuten  die  einheimischen  Schriftsteller  ganz  einfach  mit  den  Wor- 
ten an,  dass  er  im  Dienst  der  Könige  stand  und  der  Gegenstand 
seiner  Beschäftigung  mit  ihnen  die  Literatur  war  (ts^Uf  i»iA5>5 
V'O'^t  ^^..äLij).  Unter  den  Chalifen  und  ChalifensÖhnen,  die  ihn 
vorzugsweise  begünstigten,  werden  Ma'mün  (198  —  218  =  813  — 
833j,  dessen  Bruder  Mu  tasim  (833  —  842),  Ahmad,  einer  der  acht 
Söhne  des  Mu  tasim,  dem  er  ganz  besonders  zugethan  gewesen 
TM  sein  scheint  ^'),  und  Mutawakkil  (232  —  247  ==847  —  861) 
speciell  genannt.  Doch  mochte  die  Gunst  durch  neidische  Neben- 
buhler und  verleumderische  Einflüsterungen  mannigfachen  Wandlun- 
gen ausgesetzt  sein. 

Wenn  uns  schon  diese  wenigen  indirecten  Zeugnisse  über 
Kindi  nicht  gleichgiltig  lassen,  so  zeigt  doch  nichts  den  Umfang 
seines  Wissens  und  den  ungewöhnlichen  Gang  seiner  Studien  und 
Bildung  so  zuverlässig  als  seine  Schriften,  die  uns  sorgfältiger 
aufgezählt  werden  als  sie  erhalten  sind  und  das  sonstige  Schwei- 
gen über  die  Lebensumstände  des  Mannes  erwarten  lässt.  Wir 
theilen  sie  in  selbständige  d.  h.  von  ihm  selbst  verfasste, 
und  abhängige  oder  solche,  die  sich  uns  als  Uebersetzungen, 
Commentare  oder  Umschreibungen  griechischer  Originale  darstel- 
len. Hier  waren  es  Hippocrates,  Plato,  Alexander  Aphrodisiensis, 
Porphyrius  und  vorzugsweise  Aristoteles,  unter  den  Mathematikern 
Euclides,  Hypsicles,  Autolycus  und  Ptolemaeus,  die  er  so  bear- 
beitete, dass  er  es  im  Ganzen  weniger  auf  wörtliche  Uebersetzun- 
gen als  auf  Entwickelung  des  in  diesen  Schriften  herrschenden 
Geistes  und  ihrer  Schwierigkeiten  absah.     Und  in  der  That  blieb 


20)  Was  man  von  seiner  Bekanntschaft  mit  persischen  und  indischen 
Schriften  und  seiner  Kenntniss  dieser  Sprachen  erzählt,  lautet  zu  allgemein 
und  unsicher,  als  dass  sich  auf  bestimmte  Ergebnisse  in  dieser  Richtung  hin- 
weisen liesse.  Doch  verfolgen  mehrere  seiner  Abhandlungen  wissenschaftliche 
Fragen,  die  auch  in  Persien  und  Indien  ihre  Vertreter  haben. 

21)  Vgl.  unten  die  mehrfach  an   ihn  gerichteten  Schriften. 


Flügel,  über  Al-Kindi.^  7 

auch  den  üebersetzem  mehrfach  nichts  anderes  übrig,  wenn  sie 
den  muslimischen  Araber  in  so  völlig*  fremde  Ideen  einfuhren 
und  sie  seinem  Sinne  verständlich  machen  wollten.  Oft  verrathen 
schon  die  Titel  diese  Tendenz.  So  überschrieb  er  seine  Schrift, 
die  sich  mit  Hippocrates  beschäftigte:  Die  Arzneilehre  des  Hip- 
poerates,  aus  dem  Werke  Plato's  über  die  Politik  nahm  er  die 
harmonischen  Zahlen  heraus,  die  darin  erwähnt  werden,  und  un- 
terwarf sie  seinen  Untersuchungen,  und  während  er  das  Ziel, 
welches  Euclides  in  seinen  Schriften  sich  vorgesteckt  hatte,  d.  h, 
die  Aufgabe,  welche  er  zu  lösen  suchte ^  in  einer  besondern  Ab- 
handlung entwickelte,  verfolgte  er  in  zwei  andern  Schriften  eine 
Verbesserung  der  Elemente  ((j^aX-JISJ  «.^aöI) ,  und  zwar  abge- 
sondert so,  dass  er  die  ersten  13  von  Euclides  selbst  herrühren- 
den Bücher  und  dann  Buch  14.  und  15.,  die  gewöhnlich  dem 
Alexandriner  Hypsicles  zugeschrieben  werden,  getrennt  behandelte. 
Zugleich  verfasste  er  eine  Abhandlung  über  des  Euclides  Ele- 
mente der  Optik.  —  Ebenso  gab  er  in  einer  verbesserten  Re- 
cension  die  arabische  üebersetzung  von  des  Hypsicles  Schrift 
UbqI  Ttöv  (^(jüSiwv  avaq)OQa.g  (liber  anaphoricus  s.  de  ascensionibus 
signorum  coelestium),  welche  zuerst  Kusta  Bin  Lukä  besorgt  hatte, 
heraus.  Ein  Gleiches  that  er  mit  der  von  des  Autolycus  Schrift 
Tlegl  xtvovfuvTjg  o(p(xiQag  (de  sphaera  mota)  unter  Ma'mün  verfass- 
ten  arabischen  üebersetzung.  Von  seiner  Üebersetzung  des  Pto- 
lemäischen  Werkes  BtßXia,  tj  ytwyQacpiy.rjg  icpi^yi^aetog  (La5L*S.  <^lxS' 
(j»j^t  O^  Hjy^jLi\  ^3)  wird  geradezu  von  den  Einen  gerühmt,  dass 
sie  durch  Genauigkeit  sich  auszeichne,  während  Andere  das  Ge- 
gentheil  behaupten.  —  Den  Almagest  des  Ptolemäus  unterwarf  er 
einer  Prüfung  dadurch,  das  er  ein  Werk  über  dessen  künstliche 
Behandlung  der  Himmelskugel  und  der  Bewegung  der  Planeten 
um  die  Erde  verfasste. 

unter  den  Philosophen  des  Alterthums  wandte  er,  wie 
schon  bemerkt,  seine  Thätigkeit  dem  Studium  des  Aristoteles, 
der  für  die  Muhammedaner  der  Vater  der  Philosophie  wurde,  in 
umfassender  Weise  zu,  immer  aber  so,  dass  er  bei  Behandlung 
seiner  Schriften  nirgends  eine  gewisse  Selbständigkeit  verläug- 
nete  ^  2  j.  Da  ihm  nicht  vergönnt  war,  für  die  richtige  Auffas- 
sung der  altgriechischen  Philosophie  Hilfe  in  den  Quellen  aus  der 
Zeit  des  Plato  und  Aristoteles  selbst  zu  suchen,  ihm  mithin  wie 
auch  den  christlichen  üebersetzern  neben  ihm  nur  die  Erklärungen 
aus  der  Schule  der  Neu-Platoniker  zugänglich  waren,  diese  aber 
die  ursprünglichen  Theorien  jedes  einzelnen  der  beiden  Philoso- 
phen in  einander  geworfen  und  durch  eigene  Ansichten  getrübt 
und  verwirrt  hatten,  so  dürfen  wir  annehmen,  dass  auch    Rindi's 


^'^)  Vgl.    Essai    sur   les    Ecoles   pbilos.    chez  les  Arabes   uar  Sohmöldors 
S.  130  flg. 


8  Flügel,  über  AI- Kindl. 

philosopliiscbe  Schriften  vielfach  die  Spuren  der  neu -platonischen 
Schule  an  sich  trugen.  Wie  weit  hier  bei  alledem  seine  ihm  ei- 
genthümliche  Forschung  vorgegangen  sei,  Hesse  sich  freilich  nur 
aus  den  Schriften  selbst  nachweisen ;  allein  nach  seinen  anderwei- 
tigen Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  Mathematik,  Astrono- 
mie, Seelenkunde  u.  s.  w.  müssen  wir  dieselbe  immer  in  einem 
nicht  unbedeutenden  Grade  voraussetzen,  zumal  die  Speculation 
den  Arabern  Lieblingssache  war  und  diese  sich  auf  allen  Gebie- 
ten des  Wissens  versuchte,  daher  selbst  ihre  medicinischen  Werke 
die  Spuren  griechischer  Philosophie  an  sich  tragen.  Auch  mach- 
ten ihm  von  dieser  Seite  her  seine  Nachfolger  keinen  Vorwurf, 
da  ihnen  allen  die  alexandrinische  Schule  als  Muster  vorleuchtete, 
wohl  aber  zog  ihm  seine  Neigung  zu  mathematischer  Gliederung 
auch  in  den  philosophischen  Schriften  den  Tadel  zu  grosser  Spitz- 
findigkeit zu  2  3^^  die  mehr  in  der  Methode  als  in  der  Sache 
selbst  zu   suchen  sein  mag. 

Zunächst  kennen  wir  von  Kindi  eine  Abhandlung  über  die 
Reihenfolge  der  aristotelischen  Schriften  d.  h.  allem  Anschein 
nach  darüber,  in  welcher  Ordnung  sie  zu  lesen  sind;  dann  eine  Ue- 
bersetzung  des  Buches  v  aus  dem  Werke  Ttov  fiträ  tu  (pvaixd  ^*), 
einen  Commentar  zu  den  Analytica  priora,  ebenso  zu  den 
Analytica  posteriora  oder  Apodictica,  eine  Schrift  über  den  Zweck, 
den  Aristoteles  seinen  Kategorien,  aus  denen  Kindi  überdiess  ei- 
nen Auszug  verfasste,  zu  Grunde  legte.  Ferner  arbeitete  er  ei- 
nen Auszug  der  Schrift  IJegl  egf^rjvuag  aus  und  einen  Commentar 
zu  den  Büchern  de  sophisticis  elenchis.  Die  Schrift  De  arte  poe- 
tica  schmolz  er  in  ein  kurzes  Compendium  zusammen  und  schrieb 
einen  Commentar  zu  der  fälschlich  dem  Aristoteles  beigelegten 
Schrift  die  Apologie.  —  Als  hierher  gehörig  gedenken  wir 
endlich  noch  seines  Commentars  zu  des  Alexander  Aphrodisiensis 
Schrift  De  arte  rhetorica,  des  Auszugs,  den  er  aus  der  Schrift 
De  arte  poetica  von  demselben  Exegeten  des  Aristoteles  verfasste, 
und  seiner  Abkürzung  der  Isagoge  des  Porphyrius. 

Alle  diese  Arbeiten  mussten  als  vorzüglich  gelungen  betrach- 
tet werden,  da  ihn  der  bekannte  Astronom  Abu  Ma'^sar,  der,  wie 
wir  sehen  werden,  aus  seinem  heftigsten  Gegner  sein  Anhänger 
und  Schüler  wurde,  unter  die  vier  gewandtesten  und  geistreich- 
sten arabischen  Üebersetzer  griechischer  Schriften  im  Islam  (^1«^^». 
*^*w^t  ^  ».♦Ä^jÄÜ)  rechnet  ^s)^  ujqJ  i„  der  That,  sie  würden    al- 


23)  Vgl.  Ibn  Rosd  (Averrhoes)   in    der   lateinischen    Uebersetzung  seiner 
Kullijat  (Coiliget)  Buch  5.  Cap.  58. 

25)  Als  solche  bezeichnet   er    Iluneio    Bin  Ishak ,   Ja'  küb    Bin    Ishäk    al  - 
Kindl,  Tabit  Bin  Kurra  al-IIarräni  und  'Umar  Bin  al-Farruchän  at-Tabari. 


Flügel,  über  Al-Kindi.  9 

lein  hinreichen,  die  Lebensdauer  eines  tüchtig-en  Gelehrten  aus- 
zufüllen und  seinen  Namen  der  Nachwelt  zu  überliefern.  Dennoch 
enthalten  sie  nur  wenig-  bedeutende  Proben  seiner  anderweitig^en 
schriftstellerischen  Thätigkeit  g^egenüber, 

Fragen  wir  hier  zuerst,  inwiefern  Kindi  neben  der  Bearbei- 
tung- aristotelischer  Schriften,  durch  welche  er  ebenso  wie 
durch  seine  mathematischen  üebertrag-ungen  sich  den  Ruf  eines 
erprobten  Kritikers  und  Kenners  des  Griechischen  erwarb,  selb- 
ständig das  Feld  der  Philosophie  bebaute,  so  begegnen  wir 
ihm  vielfach  als  Encyclopädiker  -  ß).  Indem  er  den  Satz  an  die 
Spitze  stellte  und  lebhaft  verfocht,  dass  das  Studium  der  Phi- 
losophie nur  vermittelst  der  mathematischen  Wissenschaften  ge- 
sichert werden  könne,  brachte  er  ihn  von  der  Logik  an  bis  zur 
Erörterung  metaphysischer  Fragen  zu  voller  Geltung,  warnte 
vor  den  Fallstricken  der  Sophisten  und  scheute  sich  nirgends  vor 
Kampf,  wenn  dieser  der  von  ihm  erkannten  Wahrheit  galt.  — 
Unter  gewisser  Beschränkung  gehören  auch    seine  politischen 

Schriften  (oLu«Lu«il  iuXi')  hieher,  die  bei  den  Morgenländern  mit 
den  ethischen  Hand  in  Hand  gehen ,  daher  sich  auch  bei  ihnen 
ein  ganz  besonderer  Zweig  hier  einschlagender  Literatur  unter  der 
Benennung  Königsethik  ausgebildet  hat.  Demnach  finden  wir 
auch  bei  Kindi  unter  den  die  politischen  überschriebenen  Schrif- 
ten über  die  Regierungskunst  und  die  Verwaltung  des  Staates 
Abhandlungen  zur  Beseitigung  der  Schwierigkeiten  auf  dem  We- 
ge zur  Tugend,  zur  Entfernung  der  Traurigkeit,  über  Aufmun- 
terung zur  Tugend  und  vor  Allem  über  die  Tugendhaftigkeit  des 
Socrates  und  dessen  Aussprüche  und  Dialogen,  ja  selbst  über 
die  Umstände,  die  seinen  Tod  begleiteten. 

Auch  in  seinen  arithmetischen  Schriften  blieb  er  nicht  bei 
den  strengen  Grenzen  dieser  Wissenschaft  stehen,  sondern  er  un- 
terwarf die  Zahl  an  sich  in  ihrer  verschiedenen  Anwendung  mehr- 
seitigen Forschungen.  Schon  oben  wurde  angedeutet,  dass  die 
in  der  Politik  des  Plato  (Buch  7  )  erwähnten  Zahlen  seine  beson- 
dere ^Aufmerksamkeit  auf  sich  zogen;  aber  ebenso  untersuchte 
er  ihre  Zusammensetzung  und  erörterte  die  Lehre  von  der  Ein- 
heit Gottes  hinsichtlich  der  Zahl  und  den  Gebrauch  und  Einfluss, 
der  den  Zahlen  bei  Deutung  von  Weissagungen  (z.  B.  beim  Fal- 
stechen),  talismanisch  oder  magisch,  und  bei  ihrer  Anwendung  zu 
allerhand  Kunststücken  beigelegt  wurde. 

In  der  Sphärologie  suchte  er  die  Kugelgestalt  der  Welt- 
körper als  die  uranfangliche  nachzuweisen  und  das  Wesen  der- 
selben (geometrisch)  zu  erörtern. 

26)  Hier  wie  in  den  folgenden  Abschnitten  der  einzelnen  Wissenschaften 
ist  es  nur  auf  kurze  Andeutungen  abgesehen.  Für  weitere  Belehrung  ver- 
weisen wir  auf  das  folgende  nach  Möglichkeit  vollständige  Verzeichniss  seiner 
Schriften. 


IQ  Flügel,  über  Al-Kindi. 

Die  Theorie  der  Musik,  für  deren  Praxis  er  Schüler 
ausbildete,  verfolg-te  er  nach  ihren  Elementen  bis  zu  ihren  höch- 
sten Aufgaben,  von  den  einzelneu  Tönen  bis  zur  Kunst  der  Com- 
position  und  entwickelte  seine  Ansichten  über  Tact  und  Harmonie. 

Seine  astronomischen  Schriften  befassen  sich  mit  der  Be- 
schaflfenheit  der  Planeten  wie  der  Fixsterne,  ihrem  Einfluss  auf 
unsere  Erde,  ihren  Kreisbahnen,  ihrer  Verschiedenheit,  ihrer  Stellung, 
und  da  er  den  Fragen  seiner  zur  Astrologie  geneigten  Zeitgenos- 
sen und  der  auf  diese  Neigung  gegründeten  Bochschätzung  alles 
dessen,  was  sich  auf  sie  bezog  ~^),  nicht  entgehen  konnte,  Hess 
er  sich  auf  Construction  von  Horoskopen  ein  und  belehrte  über 
die  Dauer  des  Menschenalters,  sicher  aber  nicht  nach  Principien 
der  Horoskopie,  die  ihm  nur  zur  Einkleidung  willkommen  sein 
mochte ,  um  seinen  Lehren  Eingang  zu  verschaffen,  sondern  nach 
den  Gesetzen  der  Natur,  wie  schon  seine  Vergleichung  der  Berich- 
te über  das  Lebensalter  der  Menschen  in  früherer  Zeit  mit  den 
Erscheinungen  der  Gegenwart  uns  andeutet.  ■ —  Jene  astronomi- 
schen Untersuchungen  streiften  vielfach  in  die  Optik  über.  Die 
Projection  der  Strahlen,  ihr  Lauf  und  ihre  Wirkungen  gaben  ihm 
zu  Einzelschriften  Veranlassung.  Auf  seine  Abhandlung  über  des 
Euclides  Elemente  der  Optik  wurde  bereits  oben  hingewiesen, 
und  es  sei  nur  noch  bemerkt,  dass  ihm  Roger  Baco  den  ersten 
Rang  in  der  Wissenschaft  der  Perspective  nach  Ptolemäus  an- 
weist. 

Ebenso  beschäftigten  ihn  die  Luft-  und  Himmelserschei- 
nungen (Meteorologie)  vielfach.  Zunächst  geht  er  hier  auf  die 
Ursachen  ein,  wodurch  das  Entstehen  und  Vergehen  der  Dinge 
in  dieser  sublunarischen  Welt  bedingt  ist,  indem  er  ihre  Grund- 
stoffe untersucht,  und  wie  er  nach  den  anderwärts  gegebenen 
Andeutungen  den  Begriff  des  Raumes  soweit  möglich,  natürlich  nur 
negativ,  zu  versinnlichen  sucht,  so  unterzieht  er  hier  die  Zeit  in 
ihrer  Dauer  und  in  ihren  grössern  und  kleinern  Abschnitten,  die 
Veränderlichkeit  derselben  nach  den  verschiedenen  Jahreszeiten  und 
der  dadurch  herbeigeführten  Verschiedenheit  der  dem  Jahre  eigen- 
thümlichen  Eigenschaften ,  die  Gleichheit  und  Ungleichheit  der 
Stunden  seiner  Forschung,  und  wendet  sich  den  zum  Theil  durch 
die  Zeit  bedingten  Lufterscheinungen  zu,  beleuchtet  die  Ursache 
der  Kälte  der  obern  Luftschicht  und  des  grössern  Wärmegrades 
in  der  Nähe  der  Erde,  ferner  der  Winter  -  Kälte,  des  Nebels,  der 
glänzenden  Meteore,  bespricht  die  Cometen  und  das  Sichtbarwer- 
den einzelner  Sterne  auf  kurze  Zeit  und  ihr  Verschwinden ,  end- 
lich noch  ganz  besonders  das  im  J.  222  (837)  beobachtete  grosse 
Phänomen  d.  i.  den  nach  chinesischen  von  Pingr^  berechneten 
Beobachtungen    im  J.    837    erschienenen    Cometen.     Vgl.    Olbers, 


27)  S.  darüber  später  unter  Sterndeutekurist. 


Flügel ,  über  AI  -  Kindt  \  1 

Abhandlung  über  die  —  Methode  die  Bahn  eines  Cometen  zu 
berechnen.     2.  Ausg.  S.  205. 

Wenden  wir  uns  mit  einem  Rückblick  den  geometrischen 
Arbeiten  zu,  die  wir  oben  kennen  lernten  und  die  das  ganze 
in  jener  Zeit  bebaute  Gebiet  der  Geometrie  nach  Vorgang  des 
Euclides  zum  Gegenstand  hatten,  so  finden  wir  auch  hier,  dass 
der  Verfasser  sich  damit  nicht  begnügte.  Er  bearbeitete  vielmehr 
eine  Reihe  einzelner  Lehrsätze  umfassend  in  besondern  Schriften, 
über  die  das  Nähere  später  in  der  namentlichen  Aufzählung  der- 
selben nachzusehen  ist.  Nebenbei  werden  eine  Reihe  von  mathe- 
matischen Instrumenten  erwähnt,  die  er  entweder  in  ihrer  Construc- 
tion  und  Anwendung  verbesserte  oder  neu  herstellte.  Wir  ma- 
chen hier  insbesondere  auf  diejenigen  aufmerksam,  die  bestimmt 
waren  die  Entfernungen  der  Himmelskörper  von  einander  aufzufin- 
den, sowie  die  Entfernung  der  unserm  Auge  sichtbaren  Körper  zu 
erkennen.  Während  er  z.  B.  eine  Schrift  über  diese  Entfernungen 
und  die  Entfernung  des  Mittelpunctes  des  Mondes  von  der  Erde 
verfasste,  vergass  er  die  letztere  als  das  Nähere  nicht,  ermittelte 
die  Zwischenräume  des  einen  der  (sieben)  Klima's  von  dem  an- 
dern, suchte  die  Entfernung  der  Gipfel  der  Berge  zu  bestimmen, 
schrieb  Abhandlungen  über  die  bewohnten  Theile  der  Erde,  und 
ging  so  von  der  mathematischen  Geographie  zur  topo- 
graphischen über. 

Noch  sondert  derFihrist  eine  eigene  Classe  Schriften  über  den 
Himmelskreis  Ud^\  ab,  die  füglich  mit  den  astronomischen 
vereinigt  werden  konnten.  Zugleich  reihen  sich  hier  abermals 
meteorologische  Abhandlungen  an  solche  an,  in  denen  der  Him- 
melskreis an  sich  nach  Dimension,  Beschaffenheit,  Gestalt,  Ver- 
schiedenheit der  Kreise,  Farbe  u.  s.  w.  weiterer  Forschung  un- 
terliegt. —  Die  Theorie  des  Lichtes  und  der  Finsterniss  und 
der  Anblick  des  Himmels  von  verschiedenen  Punkten  geht  Hand 
in  Hand  mit  einer  Streitschrift  gegen  die  Manichäer,  die  beson- 
dere Lehrsätze  über    die  Bildungsstoffe    des    Himmels    aufstellen. 

Die  wenig  strenge  Gliederung  der  einzelnen  Wissenschafts- 
zweige und  die  dadurch  herbeigeführte  Trennung  verwandterund 
Vereinigung  verschiedener  Gegenstände  hat  ferner  ausser  den  bereits 
angedeuteten  in  die  Astrologie  streifenden  Schriften  ein  eigenes 
Capitel  über  Sterndeutekunst  geschaffen,  dem  wir,  soll  die 
überkommene  wenig  systematische  Anordnung  nicht  ganz  bei  Sei- 
te gesetzt  werden ,  unsere  besondere  Aufmerksamkeit  nicht  ent- 
ziehen können.  Wir  bemerkten  bereits,  dass  ihr  Verfasser  die- 
ser unwissenschaftlichen  Richtung  und  dem  an  astrologischen 
Einflüssen  mit  aller  Energie  festhaltenden  Aberglauben  seines 
Volkes  eine  höhere  Ansicht  von  den  Eigenschaften  der  Himmels- 
körper entgegen  zu  stellen  wusste  und  zwar  die  hergebrachte 
Form  und  Methode  nicht  ganz  entfernt  hielt,  sie  aber    in    seinem 


\  2  Flügel ,  tiher  Äl  -  Kindl. 

Sinne  umg-e staltete.  Dass  er  dessenung-eachtet  den  Tbeurg-en  und 
Magiern  und  zwar  in  einem  eminenten  Sinne  beig-ezählt  wurde,  darf 
uns  nicht  befremden,  da  selbst  Aristoteles  und  Ptolemäus  —  Kindi 
natürlich  nicht  ausgenommen  —  zu  den  novem  judices  in  judiciis 
astrorum  gerechnet  werden  (Nicoll  S.  273.  c).  Die  Grundsätze 
der  Neu-PIatouiker,  die  die  Lehren  aller  Philosophen  in  ein  System 
zu  vereinigen  suchten  und  deren  Ansichten  er  sich  nicht  entschla- 
gen konnte,  waren  ganz  geeignet,  in  ihrer  Anwendung  auf  natur- 
historische  Untersuchungen  Verdacht  in  obigem  Sinne  zu  erregen. 
Ein  individueller  Vorwurf  aber  erwächst  daraus  keineswegs.  Die 
alexandrinische  Schule  beherrschte  in  jener  Zeit  alle  denkendea 
Köpfe  und  die  muslimischen  insbesondere,  denen  jener  Synkretis- 
mus vortrefflich  zusagte,  indem  er  dem  Hange  zur  Speculation 
in  der  durch  den  Islam  bedingten  Sphäre  allseitig  Stoff  zuführte 
und  dessen  Ausbeutung  und  Anwendung  auf  einheimische  Theo- 
rien möglich  machte.  Dazu  kam,  dass  Kindi  im  Laufe  seiner 
Forschungen  vielfach  auf  neue  Entdeckungen  geführt  werden  muss- 
te,  die  bei  der  allgemeinen  Unkenntniss  der  Gesetze  und  Kräfte 
der  Natur  als  zauberisches  Erzeugniss  geheimer,  der  Verbindung 
mit  Geistern  oder  der  übersinnlichen  Welt  zugeschriebener  Wir- 
kung von  der  Menge  angestaunt,  von  den  Unterrichtetem  aus  Neid 
und  Glaubenseifer  verketzert  wurden. 

Zuerst  spricht  Kindi  von  den  Geheimnissen,  welche  die  Vor- 
begriffe der  Erkenntniss  im  Allgemeinen  und  insbesondere  die 
Dinge  umgeben,  die  zur  Erkenntniss  der  zukünftigen  Ereignisse 
führen,  erläutert  das,  was  man  Vorhersagungen  nennt,  und  wel- 
ches die  Dinge  sind,  die  man  vorhersagt,  und  den  Begriff  der 
Kunst,  die  Himmelskörper  zu  Schlüssen  auf  zukünftige  Ereignisse 
zu  benutzen.  Er  bringt  die  Astrologie  in  Lehrsätze,  weist  nach, 
wer  wirklich  ein  Astrolog  sei  und  darf  selbst  vom  Nutzen  der 
Astrologie  sprechen,  sicherlich  insofern,  als  sie  der  entsprechen- 
de Weg  war  die  Erkenntniss  astronomischer  Lehrsätze  mehr 
zu  popularisiren.  —  Die  Constellation  der  Gestirne,  inwiefern 
sie  Glück  oder  Unglück  verkündet,  die  Tagewählerei,  die  Horo- 
skopie,  alles  Brennpuncte  astrologischen  Wissens,  verschmäht  er 
zur  Vermittelung  von  Prophezeihungen  nicht,  und  selbst  die  Son- 
nen- und  Mondfinsternisse  schliesst  er  von  diesem  Apparat  bewun- 
derter höherer  Weisheit  nicht  aus;  allein  wir  dürfen  annehmen, 
dass  jene  Weissagungen  auf  wissenschaftlichem  Grunde  ruhten, 
indem  aus  natürlichen  Ursachen  natürliche  Wirkungen  abgeleitet 
wurden,  ja  vielleicht  ist  es  gerade  diese  hervorragende  Eigen- 
thümlichkeit,  die  unserm  Philosophen  noch  heute  bei  den  Muham- 
medanern   den  Ruf  als  eines  der  grössten  Astrologen  sichert. 

Schon  oben  ward  angedeutet,  dass  Kindi  in  einer  besondern 
Schrift  die  Manichäer  bekämpfte.  Sie  gehört  zu  einer  grössern 
Anzahl  von  Abhandlungen,  die  die  Aufschrift  führen :  Die  Pole- 
mischen.    Neben  ihr  wird  eine  Streitschrift    gegen    die    Duali- 


Flügel y  über  AI- Kindi,  13 

sten  oder  Anhäng-er  von  zwei  Principien,  ferner  die  schon  ange- 
führte gegen  die  Trugschlüsse  der  Sopliisten  und  eine  gegen  die 
HäretiJi^er  erwähnt.  In  andern  Abhandlungen  vertheidigt  er  die 
Einheit  Gottes,  lehrt  die  Wahrhaftigkeit  der  Gesandten  Gottes 
(d.  h.  dass  sie  wirklich  Gottgesandte  seien) ,  stellt  Gott  als  das 
erste  und  vollkommenste  handelnde  Princip  hin  und  bespricht  den 
freien  Willen  des  Menschen.  Zugleich  sucht  er  mehrfach  falsche 
Vorstellungen  über  die  mit  dem  Insdaseintreten  der  erschaflPenen 
Körper  verbundene  Beschaffenheit  derselben  nachzuweisen,  läugnet 
die  Annahme,  dass  es  etwas   Untheilbares  gebe  u.  s.  w. 

Eine  andere  nicht  unbedeutende  Anzahl  von  Schriftwerken 
umfasst  der  Abschnitt,  der  seine  üeberschrift  von  den  Arten 
(p\yi\)  der  einzelnen  Dinge  entlehnt.  Hier  finden  sich  Untersu- 
chungen über  die  heterogensten  Fragen  vereinigt,  von  denen  wir 
folgende  erwähnen:  üeber  die  verschiedenen  Edelsteine,  ihre  Fund- 
orte, Eigenschaften  und  Werthverhältnisse ,  über  das  Glas  und 
seinen  Glanz,  über  Tinten-  und  Farbenstoffe,  über  die  Eigen- 
schaften des  guten  und  schlechten  Eisens  (speciell  über  die  Schwer- 
ter), über  die  Tauben,  das  Ausbrüten  der  Eier,  die  Bienen,  Ge- 
würze, Brennspiegel,  selbst  über  die  Bereitung  der  Speisen  und 
die  Kunst  F'lecke  auszumachen,  die  von  arabischen  Encyclopädi- 
kern  als  besondere  Wissenschaft  behandelt  wird,  kurz  eine  Reihe 
von  Belehrungen  recht  practischer  Art  zu  allgemeiner  Anwendung 
im  alltäglichen  Leben.  Daneben  erscheinen  Erörterungen  über  al- 
lerhand physikalische  Erscheinungen,  über  Ebbe  und  Fluth,  über 
das  Schwimmen  und  Untersinken  der  Körper,  über  das  Entstehen 
der  Dünste  in  der  Erde,  die  Erschütterungen  erzeugen,  über  die 
Ursachen  des  Blitzes,  Donners,  Schnees,  der  Kälte  und  des  Re- 
gens ^^).  Auch  auf  die  Nichtigkeit  der  Goldmacherkunst  weist 
Kindi  hin  und  zeigt  die  Mittel  und  Wege,  durch  deren  Hilfe  der 
Taschenkünstler  seine  Künste  ausführt. 

Zwei  Abhandlungen  in  diesem  Abschnitt  —  um  anderer  nicht 
zu  gedenken  —  führen  uns  endlich  abermals  auf  ganz  neue  bis- 
her noch  nicht  berührte  Gebiete,  die  erste  über  die  Pferde  und  die 
Tbierarzneikunde  auf  das  Feld  der  Medicin,  die  zweite  ein  Send- 
schreiben an  Johannes  den  Sohn  des  Masüjah  über  die  Seele  und 
deren  Thätigkeiten,  auf  das  der  Psychologie.  An  beide  reiht 
sich  eine  nicht  unerhebliche  Anzahl  Schriften  in  besondern  Ab- 
theilungen an.  In  Behandlung  dieser  Wissenschaften  schlug  Kindi 
seinen  eigenen  Weg  ein,  der  uns  wiederholt  zeigt,  wie  er  selbst 
seinen  Satz,  dass  das  Studium  der  Philosophie  nur  mit  Hilfe  mathe- 
matischer Grundlage  gedeihen  könne,  auch  bei  den  genannten 
Wissenschaften  zur  Geltung  brachte.  Wenn  bei  den  Arabern  die 
Philosophie  überhaupt  mit  der  Medicin  Hand  in  Hand  ging,  so 


28)  Vgl.  oben  den  Abschnitt  über  Meteorologie. 


14  Flügel,  über  At-Kindi, 

kam  bei  Kindi  nocli  hinzu,  dass  er  „zuerst  die  Lehre  von  der  geo- 
metrischen Proportion  und  von  der  musikalischen  Harmonie"  auf 
die  Grade  der  Arzneimittel  anwandte,  eine  Theorie,  die  sich  viele 
Jahrhunderte  lang-  erhielt  ^s),  doch  nennt  ihn  weder  der  Fihrist 
noch  Ihn  Abi  üseibi'a  unter  den  Uebersetzern  griechischer  Aerz- 
te.  —  Seine  den  Hippokrates  betreflfende  Schrift  wurde  bereits 
oben  erwähnt.  In  einer  andern  Abhandlung  wies  er  auf  den  gro- 
ssen Nutzen  der  Arzneikunde  hin,  und,  wie  es  scheint,  lag  ihm 
neben  der  Therapeutik  vorzüglich  die  Diätetik  am  Herzen.  Er 
kommt  hier  auf  die  Speisen  zurück,  zeigt  die  Verderblichkeit  ge- 
wisser Nahrungsmittel,  bespricht  die  Lebensordnung  des  Gesun- 
den, empfiehlt  das  Räuchern  gegen  die  Ansteckungsstoffe  in  der 
Luft  und  giebt  Mittel  schädliche  Ausdünstungen  unschädlich  zu 
machen.  Anderweitig  belehrt  er  über  die  verschiedene  Einthei- 
lung  der  Fieber,  über  die  Ursachen  der  Krisen  bei  hitzigen  Krank- 
heiten ,  über  die  Beschaffenheit  des  Gehirns ,  über  Purgirmittel, 
Gegengifte,  die  Elephantiasis,  den  Biss  toller  Hunde,  die  Ver- 
schleimung, den  Mageuschmerz ,  die  Gicht  und  Verhärtung  der 
Milz. 

Unter  den  psychologischen  Fragen  —  um  nur  einige 
zu  erwähnen  —  behandelt  er  zunächst  die  allgemeine,  was  die 
Seele  ihrer  Substanz  nach  sei,  sucht  zu  beweisen,  dass  sie  früher 
vorhanden  sei  als  sie  in  die  Sinnenwelt  eintrete,  und  hebt  unter 
ihren  Thätigkeiten  den  Traum  und  die  Räthsel  der  Liebe  hervor. 

Ueberblicken  wir  jetzt  das  ungeheure  Gebiet  menschlichen 
Wissens,  das  Kindi  in  den  Kreis  seiner  schriftstellerischen  Thä- 
tigkeit  hineinzog,  so  müssen  wir  gestehen,  dass  im  Allgemeinen 
sich  kaum  eine  Spur  findet,  die  in  Hinblick  auf  den  Zustand  der 
Wissenschaft  seines  Zeitalters  ihn  uns  als  Muhammedaner  ver- 
riethe,  wie  wir  uns  einen  solchen  und  selbst  den  gelehrtesten 
unter  ihnen  vorzustellen  gewohnt  sind.  Sein  gewaltiger  Geist 
weist  ihm  einen  Ehrenplatz  in  jeder  gebildeten  Nation  an,  und 
gerade  daraus  erklärt  sich  die  Erscheinung,  dass  die  Nachrichten 
über  denselben  bei  seinen  Landsleuten  so  spärlich  fliessen.  Wie 
möchte  der  orthodoxe  Muslim  ihn  in  die  Reihe  der  Männer  stel- 
len, die  in  ihren  wissenschaftlichen  Bestrebungen  für  Verherr- 
lichung ihrer  in  strengster  Lehrbestimmung  sich  bewegenden  Re- 
ligion ihm  allein  berechtigt  erscheinen,  an  dem  Himmel  einheimi- 
scher Gelehrsamkeit  zu  glänzen?  Alles  Andere  gilt  ihm  ja  eben 
nur  soviel  als  es  dieser  jedwede  Wissenschaft  beherrschende  Dog- 
matismus zulässt  und  sich  für  seine  Zwecke  eignet,  daher  es 
z.  B.  für  einen  Astronomen  genügt,  die  kanonischen  Gebetstunden 
und  die  Lage  von  Mekka  bestimmen  zu  können.  —  Dazu  kommt, 
dass  mit  und   alsbald  nach   Kindi's  Zeitalter    die    ernsten  Studien 


29)  S.  Ausführlicheres  darüber  nebst  einem  Beispiel  bei  Sprengel  in  dem 
Versuch  einer  pragmat.  Geschichte  der  Arzneikunde  Th.  %.  S.  308. 


Flügel,  über  Al-Kindi,  15 

der  exacten  Wissenschaften  mehr  und  mehr  in  Verfall  geriethen 
und  sich  ausnahmsweise  nur  da  noch  Geltung*  verschafften,  wo 
es  Fürsten  gah ,  die  ihren  VVerth  zu  schätzen  wussten  und  sie 
weiter  auszubilden  suchten. 

Wenn  schon  das  Erwähnte  hinreicht  Kindi  sattsam  zu  ver- 
dächtigen ^0),  so  dürfen  wir  einen  zweiten  ebenso  wichtigen  Grund 
nicht  ausser  Acht  lassen,  den  nemlich ,  dass  sein  Wissen  den 
Neid  und  die  Verfolgung-ssucht  aller  derer  erregte,  die  sich  auf 
gleichem  Gebiet  geltend  zu  machen  suchten.  Alle  die  Erzählungen, 
die  die  Schriftsteller  fast  ausschliesslich  und  als  Uauptmomente 
ihrer  biographischen  Skizze  des  Mannes  überliefern,  haben  ent- 
weder die  Ausbrüche  dieses  Neides  zum  Gegenstande,  oder  ent- 
halten wenigstens  Proben  der  gröbsten  Parteilichkeit,  die  —  zum 
Ruhme  der  Nation  sei  es  gesagt  —  auch  immer  wieder  ihre 
Gegner  fanden  und  den  Verfolgten  siegreich  aus  dem  Kampfe 
hervorgehen  Hessen. 

Schon  früher  deutete  ich  die  Berichte  an,  die  aus  Abu  Ma'sar, 
einem  der  Hauptfeinde  Kindi's,  seinen  Vertheidiger  und  Schüler 
machten.  Der  Fihrist  sagt  nur,  dass  Abu  Ma'sar  Ga*^far  Bin  Mu- 
hammad al-Balchi  anfänglich  zu  den  Traditionskundigen  gehörte. 
Derselbe  begab  sich  in  seinem  Glaubenseifer  aus  einer  Ursache, 
die  d' Herbelot  erzählt,  neben  der  aber  noch  andere  Motive  sich 
voraussetzen  lassen ,  aus  seiner  Vaterstadt  nach  Bagdad ,  wo  er 
in  seinem  Hasse  gegen  Kindi  soweit  ging,  dass  er  das  gemeine 
Volk  gegen  ihn  erbitterte  und  allerhand  Schimpf  um  seiner  phi- 
losophischen Studien  willen  auf  ihn  häufte.  Kindi  suchte  in  der 
Wissenschaft  allein  seine  Waffen ;  er  stellte  heimlich  Jemand  an, 
der  dem  Abu  Ma'^sar  das  Studium  der  Arithmetik  und  Geometrie  als 
ein  treflFliches  empfahl.  Abu  Ma'sar  ging  darauf  ein,  hatte  aber  noch 
keine  vollkommene  Kenntniss  dieser  beiden  Wissenschaften  erlangt, 
als  er  sich  auch  schon  der  Sterndeuterei  zuwandte.  Die  Beschäf- 
tigung mit  derselben  drängte  alsbald  seine  böse  Gesinnung  gegen 
Kindi  in  den  Hintergrund,  da  ihn  seine  Speculation  darüber  in 
die  Sphäre  der  Wissenschaften  einführte,  die  Kindi  so  meister- 
haft vertrat. 

Ebenso  glänzend  bestand  Kindi  die  Angriffe,  die  nach  der 
Erzählung  des  Abu  Öafar  Ahmad  Bin  Jüsuf  Bin  Ibrahim  in  sei- 
nem Buche  Husn  al-*^ukbä  nach  dem  Zeugnisse  des  Arithmeti- 
kers Abu  Kämil  $^u^a  Bin  Asiam  die^  Gebrüder  Ahmad  und  Mu- 
hammad, die  Söhne  des  Müsä  Bin  Sakir  unter  der  Regierung 
und  gewissermassen  vor  den  Augen  des  Mutawakkil  gegen  ihn 
richteten,    und    die    Ihn    Abi    Useibfa   mittheilt    und    de    Sacy  ^') 

30)  Vgl.  Not.  Miscelt.  zur  Porta  Mosis  op.  et  studio  Pocockü  p.  236 : 
Sic  enim  apud  Epitomatorein  Yafei  leginius  AI  Fnrahius  AI  Cendi  et  Ebn  SiiM 
f^r*"^^  S  (^^••-fr*^  De  religione  suspecti  sunt ,  ut  gravius  ab  aüis  dicta 
taceam. 

31)  Abdollat.  p.  487. 


1 6  Flügel ,  über  AI-  Kindt. 

kurz  andeutet.  Diese  beiden,  übrigens  in  den  mathematischen 
Wissenschaften,  vorzüglich  in  der  Mechanik  nicht  unbewanderten 
Männer  hatten  mit  Hilfe  des  Juden  Sind  Bin  'Ali  und  allerhand 
niedriger  Ränke  es  dahin  gebracht,  dass  der  Chalif  ihn  schlagen 
Hess  ^2)  und  den  beiden  Brüdern  erlaubte,  sich  der  sämmtlichen 
Bücher  in  seinem  Hause  zu  bemächtigen,  die  sie  zu  einer  beson- 
dern Bibliothek  (^Äjtji>),  die  des  Kindi  (x^vAi^Ji)  genannt,  verei- 
nigten. Allein  das  Graben  des  Canals  (j4i)}  der  Ga'farische  ^  ^) 
genannt,  brachte  die  beiden  Brüder  in  Ungnade.  Sie  wurden 
genöthigt  ihm  seine  Bücher  zurückzugeben  und  entgingen  ihrem 
weitern  Schicksale  nur  durch  die  zwei  Monate  nachher  erfolgte 
Ermordung  des  Chalifen. 

Noch  andere  Gegner  griffen  ihn  von  Seiten  seiner  Methode 
an.  So  kann  AbuMkäsim  Sa  id  Bin  Ahmad  Bin  Sa  id  der  Richter 
von  Cordova  in  seiner  Schrift  ,,Die  Classen  der  Nationen*'  ^'*) 
da,  wo  er  auf  die  Werke  Kindi's  zu  sprechen  kommt,  zwar  nicht 
läugnen,  dass  seine  logischen  Schriften  von  aller  Welt  gern 
gekauft  würden,  allein,  fügt  er  hinzu,  der  aus  ihnen  für  die 
Wissenschaften  zu  gewinnende  Nutzen  sei  gering,  da  sie  von  der 
analytischen  Methode  ^^),  welche  allein  den  Weg  zeige  bei  allen 
üntersuchungsgegenständen  das  Wahre  vom  Falschen  zu  unter- 
scheiden, ganz  absehen.  Kindi  halte  einzig  an  der  Synthese 
(w*j^-3)  fest,  von  der  nur  ein  beschränkter  Theil  wegen  der 
Sätze,  die  jeder  zu  gewinnenden  und  unserm  Wissen  zuzuführen- 
den üeberzeugung  (slXaÄt:  oLo^AiIU)  vorauszuschicken  wären,  Nu- 
tzen ziehe.  Allein  die  vorauszuschickenden  Sätze  jedes  Untersu- 
chungsgegenstandes würden  nur  durch  die  Analyse  gefunden, 
und  er  wisse  nicht,  was  Kindi  von  der  Anwendung  dieser  Me- 
thode abgehalten  habe,  ob  ünterschätzung  ihres  Werthes  oder 
irgend  eine  Absicht  sie  den  Menschen  vorzuenthalten.  In  jedem 
Falle  sei  es  eine  Beeinträchtigung  (^j*afii)j  ausserdem  zeigten 
sich  in  den  vielen  Schriften  Kindi's  über  eine  grosse  Anzahl 
Wissenschaften  seine  verderblichen  individuellen  Ansichten  und 
seine  von  der  Wahrheit  entfernten  Doctrinen,  wozu  Andere  den 
Mangel  an  schlagenden  Beweisen  fügten,  an  deren  Statt  er  Red- 
ner und  Dichter  sprechen  lasse.  Speciell  wies  man  auf  seine 
Schrift  über  die  Einheitslehre  hin,  in  der  er  nach  der  Methode 
der  Logiker  seine  Untersuchung  führe,    ganz    so    wie    in    seinem 


3{i)  Im  Wiener  Exemplar  io-o ,  er  Hess  ihn  nicht  vor  sich  (s.  Amari's 
Bibl.  ar.  sie.  ov| ,  9  u.  10)  statt  JOy-o ,  wie  de  Sacy  im  Pariser  gelesen  zu 
haben  scheint. 

33)  Mutawakkil,  dem  dieser  Canal  ungeheure  Summen  kostete,  hiess  Ga'far. 

34)  S.  Ha^i  Chalfa  IV,  nr.  7884. 

35)  Jw^i^JI  SLäUo.     Vgl.  I^agi  Ch.  I ,  S    86.  und  II,  S.  205. 


Flügel,  über  Äl'Kindi.  17 

Werke  zur  Begründung-  des  PropLetentbums.  —  Geg-en  die  erste 
Anschauung-  des  Richters  von  Cordova  tritt  nun  Ihn  Abi  Useibfa 
auf  mit  der  Behauptung,  dass  ihr  ein  bober  Grad  von  Partei- 
lichkeit zu  Grunde  lieg-e,  indem  sie  ohne  Ursache  das  Wissen 
Kindi's  herabsetze  und  die  Menschen  von  dem  Studium  seiner 
Schriften  und  dem  daraus  zu  gewinnenden  Nutzen  abziehe. 

Wie  weit  die  Abneigung  und  der  Hass  sogar  unter  Pri- 
vatpersonen gegen  Kindi  verbreitet  war,  schildert  uns  Ihn  al- 
Kufti  in  einer  andern  mehrfach  belehrenden  Erzählung.  Uner- 
wartet wurde  der  Sohn  eines  sehr  reichen  Kaufmanns  von  Bag- 
dad, der  aus  heiligem  Eifer  unsern  Philosophen  überall  für  einen 
Ungläubigen  erklärte,  von  einer  Apoplexie  befallen,  die  ihm  nicht 
nur  die  Glieder  lähmte,  sondern  auch  Sprache  und  Bewusstsein 
raubte.  Als  selbst  die  Kunst  der  grössten  Aerzte  versagte,  konnte 
er  allein  von  der  Noth  gezwungen  und  nur  mit  höchstem  Wider- 
streben sich  entschliessen,  dem  Rathe  seiner  Freunde  nachzugeben, 
die  ihm  Kindi,  der  in  seiner  Nähe  wohnte,  als  den  einzigen  Retter 
seines  Kindes  empfahlen.  Durch  Mittelspersonen  an  das  Kranken- 
bett gerufen  und  über  den  Zustand  des  Knaben  belehrt,  gab  Kindi 
wirklich  allein  durch  Musik,  die  in  vorgeschriebener  Abwechslung 
seine  Schüler  in  dieser  Kunst  ununterbrochen  in  der  Nähe  des 
Leidenden  aufführen  mussten,  demselben  Bewegung,  Bewusstsein 
und  Sprache  zurück  und  stellte  ihn  endlich  völlig  her. 

Zur  Beurtheilung  der  Stellung,  die  man  Kindi  im  Orient 
anwies,  dürfen  wir  schliesslich  nicht  unbemerkt  lassen,  dass  Ihn 
Ja*^küb  an-Nadim,  der  Verfasser  des  Fibrist,  ihn    den  Naturphilo- 

phen  (Physikern  ^joju^  »jLw^^s)  der  Griechen  wie  Ariston,  Theon 
u.  s.  w.  und  den  Erklärern  logischer  Schriften  einreiht,  und  zwar, 
wie  er  sagt,  weil  er  ihm  gern  so  zeitig  als  möglich  seinen  Platz 
in  der  Wissenschaft  anweisen  wolle.  Doch  ist  schon  an  und  für 
sich  diese  Zusammenstellung  nicht  eben  eine  Empfehlung  für  Kindi, 
da  die  Muhammedaner  die  Naturalisten  als  eine  verwerfliche  Secte 
darzustellen  gewohnt  sind  ^-^j.  In  jedem  Falle  gab  seine  philo- 
sophische Richtung  den  Hauptanhalt  zu  dieser  Gruppirung. 

In  diesen  Erscheinungen  zusammengenommen,  die  wie  be- 
merkt hinlänglich  das  Schweigen  einheimischer  Quellen  erklären, 
müssen  wir  auch  den  Grund  davon  suchen,  dass  wir  bis  jetzt  nicht 
einmal  das  Todesjahr  Kindi's  wissen,  was  bei  der  Art  und  Weise 
orientalischer  Biographen ,  die  die  Zeit  der  Geburt  eines  Mannes 
wenig  kümmert,  während  sie  die  Bestimmung  des  Todesjahres 
als  eine  ihrer  Hauptaufgaben  betrachten ,  um  so  auffälliger  ist. 
Abu  Ma"^sar  nennt  uns  zwar  die  Ursache  seines  Todes:  einen  of- 
fenen  Schaden  '')  am   Knie,  der  ihm  heftigen  Nervenschmerz  zu- 


36)  Vgl.  Ha^i  Ch.  I,  S.  64.  und  III,  S.  183, 

37)  A^ ,  rohes ,   wildes  Fleisch ,  der  Brand  ? 
Abhandl.  der  DMG.  1,2. 


18  Flügel y  über  AI' Kindi» 

zog  und,  als  dieser  in  Kopf  und  Gehirn  drang,  seinem  Leben 
ein  Knde  machte,  das  Jahr  aber,  in  welchem  dieses  geschah,  er- 
wähnt er  nicht  ^^).  Dagegen  trägt  man  sich  mit  einem  angeb- 
lichen Testamente  von  ihm,  voller  Denksprüche  und  guter  Leh- 
ren, unter  ihnen  speciell  an  seinen  Sohn  Abu'l-'abbäs  gerichtete, 
ganz  ähnlich  den  Testamenten  von  Lokman,  Aristoteles  und  An- 
dern. Mehrere  dieser  Sprüche  sind  der  Art,  dass  einheimische 
Berichterstatter  den  Ausspruch  des  Ibn  Abi  Jaküb  an-Nadim,  Kindi 
sei  geizig  gewesen,  durch  ihren  Inhalt  bestätigt  finden. 

Fassen  wir  die  Andeutungen  zusammen,  die  uns  über  die 
Lebenszeit  Kiudi's  zu  Gebote  stehen,  so  ergiebt  sich  zunächst 
aus  der  Erzählung  seiner  Verfolgung  durch  die  Söhne  des  Müsa, 
dass  er  die  Ermordung  des  Chalifen  Mutawakkil  im  J.  247=861 
überlebte.  Ferner  aber,  da  er  Zeitgenosse  des  Kosta  Bin  Lüka 
war,  dieser  aber  von  250  (864)  an  uns  bekannt  wird  3^),  so  ist 
sicher  auch  das  Jahr  864  nicht  der  äusserste  Termin  seines  Le- 
bens, zumal  Abu  Ma'sar,  der  nicht  als  Jüngling  mit  ihm  bekannt 
wurde,  ebenfalls  erst  272  (885  —  886)  obwohl  über  100  Jahr 
alt  starb. 

Eine  andere  aufgeworfene  Frage  betrifft  die  Meinung  oder 
wir  dürfen  sagen  ^ie  zuerst  von  d'Herbelot  ausgehende  Behaup- 
tung, dass  Kindi  seiner  Geburt  und  Religion  nach  ein  Jude  ge- 
wesen sei  —  eine  Annahme ,  die  gewiss  nur  in  irgend  einer  Ver- 
wechslung unsers  Kindi  mit  einer  andern  denselben  Namen  füh- 
renden Persönlichkeit  ihren  Grund  hat.  Schon  de  Sacy  wider- 
legte diese  Ansicht,  für  tlie  sich  nirgends  ein  nur  irgend  gewich- 
tiges Zeugniss  findet,  wohl  aber  überall  für  das  Gegentheil.  Au- 
sser den  von  de  Sacy  angeführten  Gründen  möchten  bei  obiger 
Voraussetzung  folgende  Fragen  schwer  zu  beantworten  sein.  Wie 
konnte  ihn  der  muhammedanische  Kaufmann  des  Unglaubens  oder 
der  Gottlosigkeit  beschuldigen  (^xftXb),  wenn  er  keinen  Muham- 
medaner  vor  sich  hatte  ?  Welche  Berechtigung  hätte  die  Bezeich- 
nung „der  Philosoph  der  Araber"?  Wie  konnte  ihn  der  Epito- 
mator  des  Jafi^i  mit  Faräbi  und  Ihn  Sina  zusammenstellen?  Wie 
sich  aus  seiner  Genealogie  ein  Beweis  führen  lassen?  Zwar 
wissen  -wir,  dass  jüdische  Stämme  aus  Arabien  nach  Kufa  ver- 
setzt wurden,  wo  auch  ein  grosser  Theil  des  Stammes  Kinda 
sich  niederliess,  so  dass  selbst  ein  Quartier  der  Stadt  den  Namen 
Kinda  erhielt;  aber  nirgends  wird  erwähnt,  dass  die  Banü  Kinda 
jüdischer  Abkunft  waren.  Auch  würde  der  Vater  unsers  Kindi 
sicher  nicht  Gouverneur  dieser  Stadt  geworden  sein,  wäre  er 
jüdischen  Glaubens  gewesen,    noch  weniger  aber  sein  Enkel  den 


38)  Auch  de  Sacy  (Abdollat.   S.  487)  klagt   über  das  Stillschweigen  an- 
derer Quellen ,  denen  wir  Dahabi  und  Sujüti  beifügen. 

39)  S.  Abulfarag.  Hist.  Dynast.  S.  274. 


Flügel,  über  Al-Kindi.  19 

Namen  AbuM-abbäs  erhalten  haben.  Es  scheint  somit  kaum  der 
Mühe  werth,  dieser  Frage  weiter  nachzugehen,  und  wir  sehen  es 
De-Rossi  und  Wolf  gern  nach,  wenn  sie  unter  Anführung  d'Her- 
belot's  auch  in  dieser  Hinsicht  seine  Meinung  theilten. 

Finden  wir  über  Rindi's  häusliche  und  Familien-Verhältnisse 
nichts  weiter  erwähnt,  so  nennt  uns  doch  Ihn  Abi  Ja*^küb  an- 
IVadim   einige  seiner  Schüler,  die  er  aber  zugleich  seine  Bücher- 

abschreiber  {^^j^i^j^)  sein  lässt  oder  die  er  doch  wenigstens  mit 
ihnen  zusammenstellt,  unter  ihnen  namentlich  Husnaweih,  Nifta- 
weih,  Salamaweih  und  andere  nach  dieser  Form  genannte,  denen 
Ibn  al-Kufti  einen  Ruhmaweih  beifügt,  Namen,  die  Kindi  aus  Lieb- 
haberei oder  aus  irgend  einem  andern  Grunde  ihifen  nach  diesem 
allgemeinen  Zuschnitt  beilegte.  Doch  scheinen  diese  sämmtlich 
mehr  in  einem  abhängigen  Verhältnisse  zu  ihm  oder  in  seinen 
Diensten  gestanden  zu  haben,  als  selbständige  Schüler  gewesen 
zu  sein,  unter  diese  zählt  derselbe  Schriftsteller  ausser  Abu 
Ma'sar  als  bedeutendsten  den  Abu'l-'abbasj  Ahmad  Bin  Muhammad 
Bin  Marwan  as-Sarachsi,  gewöhnlich  Ahmad  Bin  ut-Tajjib  ge- 
nannt, den  wir  selbst  wieder  als  ausgezeichneten  Philosophen, 
Arzt  und  Schriftsteller  und  als  Lehrer  des  Chalifen  Mu  tadid  ken- 
nen *°).  Ihn  Abi  Ja'küb  an-Nadim  sagt  zwar  von  ihm,  sein  Wis- 
sen sei  grösser  gewesen  als  sein  Verstand,  doch  führt  er  von 
ihm  eine  grosse  Reihe  wichtiger  Schriften  auf  und  erzählt  auch 
die  Ursache  seiner  Ermordung. 

Die  Verketzerung  Kindi's  als  eines  ungläubigen  Philosophen, 
die  seinem  Zeitalter  folgende  Periode  schlafferer  und  beengterer 
Wissenschaftlichkeit,  die  das  selbständige  Forschen  und  die  ern- 
steren das  Nachdenken  bedingenden  Studien  mied  und  die  Abnahme 
Von  Gelehrten,  die  Kindi  und  seiner  Darstellung  folgen  konnten  — 
diese  und  ähnliche  Ursachen,  die  dem  Verlangen  nach  Abschrif- 
ten seiner  Werke  entgegentraten,  lassen  es  leicht  erklären,  dass 
von  seinen  so  vielen  Schriften  so  wenig  auf  uns  gekommen  ist, 
ein  Schicksal,  das  er  übrigens  mit  vielen  andern  tüchtigen,  frucht- 
baren und  echtmuhammedanischen  Schriftstellern  seiner  und  der 
ihm  nächsten  Zeit  vor-  und  nachher  theilt.  Noch  am  meisten  sind 
uns  Exemplare  seiner  mathematischen,  astronomischen  und  philo- 
sophischen Schriften,  welche  ihren  Boden  in  den  griechischen 
Originalen  hatten,  erhalten.  Ausserdem  dürfen  wir  den  Einfluss 
nicht  verkennen,  den  seine  Lehren  auf  den  fernem  Gang  und  die 
Behandlung  der  einzelnen  von  ihm  bearbeiteten  Wissenschaften 
übte  und  die  Benutzung  seiner  Schriften  in  den  Werken  späterer 
Schriftsteller  ahnen  lässt. 

Den  sichersten  Massstab  zu  einer   Beurtheilung    aller    dieser 


40)  Vgl.  Wüstenfeld's   Gesch.  der  Arab.  Aerzte  S.  33.   nr.  80. 

2* 


20  Flügel,  über  Al-Kindi. 

Verhältnisse  bietet  uns  die  Aufzählung  der  Schriften  Kindi's,  bei 
welcher  wir  ganz  der  Reihe  und  Anordnung  folgen ,  wie  sie  uns 
Ibn  Abi  Ja'küb  an-Nadim  in  seinem  Fihrist  überliefert  hat,  und 
so,  dass  wir  die  Uebersetzung  *^)  vorausgehen  und  dieser  das 
Original  folgen  lassen.  Einige  Zusätze  werden  ausdrücklich  be- 
zeichnet. 

f.     Die  philosophischen  Werke. 

1.  Das  Buch  der  ersten  Philosophie  über  das  was  nicht 
über  die  (Vorkenntnisse  der)  physischen  Dinge  und  die  Lehre  von 
der  Einheit  (Gottes)  hinausgeht  *-). 

2.  Das  Buch  der  tiefer  eingehenden  Philosophie,  der  logi- 
schen und  verwickelten  Lehrsätze  und  dessen  was  über  die  phy- 
sischen Dinge  (als  gewöhnliche  Erscheinungen)  hinausgeht. 

3.  Abhandlung  darüber,  dass  die  Philosophie  nur  durch  die 
Kenntniss  der  mathematischen  Wissenschaften  erworben  werden 
kann.     (Vgl.  nr.   133). 

4.  Anregung  zum  Studium  der  Philosophie. 

5.  Abhandlung  über  die  Menge  der  Schriften  des  Aristoteles 
und  was  beim  Studium  der  Philosophie  von  denselben  durchaus 
nicht  entbehrt  werden  kann,  ihre  Reihenfolge  bei  diesem  Studium 
und  die  von  ihm  (Aristoteles)  bei  Abfassung  derselben  verfolgten 
höchsten  Zwecke  (Ideen). 

6.  Abhandlung  über  den  von  Aristoteles  bei  Aufstellung  der 
Kategorien  zu  Grunde  gelegten  Zweck  und  die  ihnen  zugewie- 
sene Bestimmung. 

7.  Abhandlung  über  die  Theile  der  menschlichen  Erkennt- 
niss. 

8.  Abhandlung  über  das  Wesen  der  Wissenschaft  und  ihi»e 
Theile. 


41)  Die  Richtigkeit  der  Uebersetzung  des  einen  und  andern  Artikels  lässt 
sprachliche  und  sachliche  Bedenken  ührig,  zu  deren  Beseitigung  jeder  Beitrag 
auf  das  dankbarste  von  mir  anerkannt  werden  wird.  Die  richtige  Auffassung 
der  Titel,  die  nur  zu  oft  als  rhetorische  Kunstslücke  von  Abschreibern  falsch 
oder  gar  nicht  verstanden  und  vielfach  verstümmelt  überliefert  worden  sind, 
überdiess  den  Inhalt  des  Werkes  selbst  häufig  am  wenigsten  bestimmt  andeu- 
ten oder  der  Einsicht  in  denselben  durch  Kürze,  Zweideutigkeit  und  Anwen- 
dung technischer  noch  nicht  hinlänglich  oder  gar  nicht  bekannter  Ausdrücke 
zu  geringen  Anhalt  bieten ,  gehört  nun  einmal  zu  den  mancherlei  fraglichen 
Dingen,  deren  Lösung  nur  mit  dem  weitern  Fortschritt  der  Wissenschaft,  im 
vorliegenden  Falle  vielleicht  nur  durch  nähere  Andeutungen  oder  Auffindung 
der  Schriften  erfolgen  kann.  —  Was  Casiri  I,  S.  353  flg.  aus  Ihn  al-^jlufti 
mittheilte ,  bedarf  vielfach  der  Vervollständigung  und  Läuterung. 

42)  Vgl.  des  Aristoteles  Schrift  n^corijs  ydooofias  ßißX.  iS.,  später 
Ta  fiexa  rä  (pvaixn  genannt.  —  Die  physischen  Dinge  selbst  sind  in  dieser 
Schrift  noch  nicht  das  Object  der  Besprechung.  Die  erste  Philosophie  ist  die 
theoretische,  die  Wissenschaft  des  Dinges  als  Ding,  der  erhabenste  Theü  der 
Metaphysik. 


Flügel,  über  AI- Kindt  21 

9.  Die  grössere  Abhandlung  über  das  von  ihm  (Kindi)  auf- 
gestellte wissenschaftliche   Mass. 

10.  Die  abgekürzte  Abhandlung  über  das  wissenschaftliche 
Mass. 

11.  Abhandlung  darüber,  dass  alle  Handlungen  des  Schöpfers 
gerecht  und  frei  von  jedem   Eingriff  einer  Gewalt  seien. 

12.  Abhandlung  über  das  Wesen  der  unendlichen  Dinge  und 
welcher  Art  das  Unendliche  beizurechnen  sei. 

13.  Abhandlung  zur  klaren  Auseinandersetzung,  dass  der 
Weltkörper  unmöglich  endlos  sein  könne  und  dass  die  Unendlich- 
keit nur  der  schöpferischen  Kraft  zukomme. 

14.  Abhandlung  über  die  einwirkenden  und  dieser  Einwir- 
kung ausgesetzten  physischen  ursprünglichen  oder  elementaren 
Dinge. 

15.  Abhandlung  über  die  Bezeichnungen  *^)  der  allgemei- 
nen intellectuellen  Begriffe. 

16.  Abhandlung  über  Fragen,  die  an  Kindi  über  den  Nu- 
tzen der  mathematischen  Wissenschaften  gerichtet  wurden. 

17.  Abhandlung  zu  Erforschung  des  Ausspruchs  dessen  der 
behauptet,  dass  die  physischen  Dinge  in  einem  Act  durch  die 
nothwendig  bedingende  Ursache  der  erschaffenden  Kraft  entstan- 
den seien. 

18.  Abhandlung  über  die  Anfänge  der  durch  die  Sinne  wahr- 
nehmbaren Dinge. 

19.  Abhandlung  über  die  gegenseitige  Verbindung  in  den 
Künsten,  wodurch  sie  sich  einander  unterstützen  **j. 

20.  Abhandlung  über  den  Entwurf  von  Zuschriften  an  die 
Chalifen  und  die  Vezire. 

21.  Abhandlung  über  die  Eintheilung  des   Canon. 

22.  Abhandlung  über  das  Wesen  der  Vernunft  und  die  klare 
Entwickelung  dessen  was  sie  ist. 

23.  [Abhandlung  über  das  eigentliche,  erste  und  vollkom- 
mene Agens  und  über  das  unvollkommene  nur  bildlich  gedachte  *^). 

24.  Schreiben  an  den  Chalifen  Ma'mün  über  die  Ursache 
und  die  Wirkung. 

25.  Auszug  der  Isagoge  des  Porphyrius]. 

II.     Die  logischen  Schriften. 

26.  Abhandlung  über  die  Einleitung  zur  Logik  mit  der 
Aufgabe  den  Gegenstand  zu  erschöpfen  *6). 


43)  Bei  Ihn  al-Kufti  ot^UÄc!  d.  i.  Beziehungen. 

44)  Vgl.  oLclJükoJ^  9:J^y£^  rexvdiv  ovvayo^y^, 

45)  Die  in  [  ]  eingeschlossenen  Schriften  sind  Zusätze  des  Ihn  Abi  Usei- 
bi'a.  —  Dieselbe  Abhandlung  auch  im  Fihrist.     S.  nr.  172. 

46)  Dafür  Ihn  Abi   Useibi'a:  Zahlreiche  Lehrsätze  über  die  Logik. 


22  Flügel,  über  Al-Kindi. 

27.  Zusammeng-ezogene  und  kurzgefasste  Abliaiidlung-  über 
die  Einleitung-  zur  Log-ik. 

28.  Abhandlung-  über  die  zehn  Kategorien. 

29.  Abhandlung  zur  klaren  Entwickelung  des  Ausspruchs 
des  Ptolemaeus  zu  Anfange  seines  Almagest  über  das  was  Aris- 
toteles in  den  Analyticis   sagt. 

30.  Abhandlung,  wie  man  sich  vor  den  Fallstricken  der  So- 
phisten zu  bewahren  hat  '*^). 

31.  Kurze  und  zusammengedrängte  Abhandlung  über  den  lo- 
gischen Beweis. 

32.  Abhandlung  über  die  fünf  Worte  oder  Kategoreme  (Prä- 
dicabilien)  ^«). 

33.  Abhandlung  über  (des  Aristoteles  Schrift)  (Dvöikt}  axQO- 
uGig  (Physica  auscultatio   oder  Doctrina  naturalis). 

34.  Abhandlung  über  die  Anwendung  eines  Werkzeuges  (oder 
Hilfsmittels)  zur  Gewinnung  der  allgemeinen  Begriffe  (oder  Grund- 
sätze). 

III.     Die  arithmetischen  Schriften. 

35.  Fünf  Bücher  Einleitung  in  die  Arithmetik. 

36.  Sendschreiben  [an  Ahmad  Sohn  des  Chalifen  Mutasim] 
über  die  Anwendung  des  indischen    Rechensystems.     Vier  Bücher. 

37.  Abhandlung  zur  klaren  Auseinandersetzung  über  die  har- 
monischen Zahlen,  welche   Plato  in  seiner  Politik  erwähnt. 

38.  Abhandlung  über  die  Zusammensetzung  der  Zahlen. 

39.  Abhandlung  über  die  Lehre  von  der  Einheit  in  Anse- 
hung der  Zahl. 

40.  Abhandlung  über  die  Kunst  die  verborgene  und  ver- 
steckte Zahl  zu  ermitteln. 

41.  Abhandlung  über  die  Weissagungen  (aus  dem  Gesänge 
oder  Flug  der  Vögel  u.  s.  w.)  und  das  Fälstechen,  insoweit  die 
Zahl  dabei  betheiligt  ist  *9). 

42.  Abhandlung  über  die  Linien  und  das  Multipliciren  mit 
der  Zahl  der  Gerstenkörner. 

43.  Abhandlung  über  die  relative  Quantität. 


47)  Dieselbe  Schrift  nr.  169. 

48)  d.  i.  1.  TtSQi  yerovg  2.  TtSQl  e'iSovs  3.  Ttegl  Stay>OQäs  4.  tzsqI  tSiov 
5.  TtEQl  ovfißeßrjxöros.  Vgl.  des  Porphyrius  EtaaYcoyrj  [eis  ras  l4QiaxoxeXov6 
naxrjyoQiasl  Ttsgl  räiv  Ttivxe  (pcovcov  (de  quinque  vocibus  s.  ia  categorias 
Aristotelis  introductio)  d.  i.  Die  Porphyrianischen  Prädicabilien  oder  die  fünf 
Namen,  die  jeder  der  zehn  Kategorien  beigelegt  werden. 

49)  Vergl.    yägi  Ch.  IV,  S.  346. 


Flügel,  über  Al-ICindi.  23 

44.  Abhandlung  über  die  äussern  Erscheinungen  ^^)  der 
Proportionen  und  Zeiten. 

45.  Abhandlung  über  die  Kunststücke  mit  Zahlen  und  die 
Anweisung  Andern  das  Geheime  dieser  Kunststücke  nicht  sicht- 
bar werden  zu  lassen. 

IV.  Schriften  über  die  Kugel. 

46.  Abhandlung  darüber  dass  die  Welt  und  Alles  was  in 
ihr  ist  (die  Weltkörper)  von  runder  Gestalt  sei. 

47.  Abhandlung  zur  klaren  Entwickelung  des  Satzes  dass 
alle  uranfänglichen  Substanzen  und  die  entferntesten  Körper  nur 
kugelförmig  gewesen   sind. 

48.  Abhandlung  darüber  dass  die  Kugel  die  grÖsste  der 
Körper  -  Figuren  und  der  Kreis  grösser  als  alle  (ebenen)  Figuren 
sei. 

49.  Abhandlung  über  die  sphärischen  Figuren. 

50.  Abhandlung  über  die  Construction  des  Scheitelpunctes 
(Azimuth,  Zenith)  auf  einer  Kugel. 

51.  Abhandlung  darüber  dass  die  Fläche  des  Meerwassers 
kugelrund  sei. 

52.  Abhandlung  über  die  Beschreibung  der  Kugel  als  Flä- 
che (de  planisphaerio). 

53.  Abhandlung  über  die  Herstellung  und  Anwendung  der 
Ringkugel  mit  sechs  Ringen  (sphaera  armillaris). 

V.  Schriften  über  die  Musik. 

54.  Grössere  Abhandlung  über  die  Composition. 

55.  üeber  die  Vertheilung  der  musikalischen  Töne  (nach  ihrer 
Stärke,  Dauer  u.  s.  w.),  die  die  natürlichen  Eigenschaften  der  im 
hohem  Aufschwung  befindlichen  Individuen  anzeigen,  und  über  die 
Conformität  (Harmonie)  der  Composition. 

56.  Abhandlung  über  die  Einführung  zur  musikalischen  Kunst 
d.  i.  über  ihre  Elemente. 

57.  Abhandlung  über  den  Rhythmus  oder  musikalischen  Tact. 

58.  Abhandlung  über  die  Geschichte  der  Kunst  der  Com- 
position. 

59.  Abhandlung  über  die  dichterische  Kunst  (Poetik). 

60.  Abhandlung  über  die  Geschichte  der  Kunst  der  Musik. 

61.  [Compcndium  der  Musik  über  die  Composition  der  mu- 
sikalischen Töne  und  die  Kunst  des  Lautenspiels,  verfasst  füi- 
Ahmad  den  Sohn   des   Mu  tasim]. 


50)  Eig.   Formen,  Eigenschaften.     Man  könnte  auch  an  \.^fiXs>  Verschie- 
denheiten, Widersprüche    denken. 


24  Flügel,  iiber  Al-Kind(. 

VI.     Werke  über  die  Astronomie. 

62.  Abhandlung"  darüber  dass  die  Wandlungen  des  Mondes  nicht 
genau  berechnet,  sondern  nur  annähernd  bestimmt  werden  können. 

63.  Abhandlung  über  Fragen,  die  man  an  Rindi  über  die 
die  Sterne  betreffenden  Dinge  richtete. 

64.  Abhandlung  zur  Beantwortung  physikalischer  Fragen  über 
Beschaffenheiten  von  Gestirnen  (in  Ansehung  ihrer  Kräfte  u.  s.  w.). 

65.  Abhandlung  über  die  Projection  der  Strahlen. 

66.  Abhandlung  über  die  beiden  Jahreszeiten  (Sommer  und 
Winter). 

67.  Abhandlung  darüber  welche  Himmelszeichen  und  Sterne 
jeder  Gegend  eigenthümlich  sind. 

68.  Abhandlung  über  die  an  Kindi  gerichtete  Frage  über 
die  Verschiedenheit,  die  in  den  Gestaltungen  der  Horoskope  sich 
darstellt  s»). 

69.  Abhandlung  über  das  was  von  den  Lebensaltern  der 
Menschen  in  der  frühern  Zeit  erzählt  wird  und  die  Verschieden- 
heit derselben  in  der  Gegenwart. 

70.  Abhandlung  über  die  richtige  Herstellung  der  Modelle  der 
Horoskope  und  zur  Auffindung  des  Herrn  der  Geburtsstunde,  der 
nur  auf  einen  kleinen  Theil  der  Lebenszeit  (  Xs^),  und  des  Herrn, 
der  auf  die  ganze  Lebensdauer  ( in  Folge  der  Constellation 
bei  der  Geburt)  seine  Herrschaft  ausübt  (|Je>LX5^)  ^ -). 

7L  Abhandlung  zur  Verdeutlichung  der  Ursache  des  Um- 
laufes (revolution,   Rücklaufes?)  der  Gestirne. 

72.  Abhandlung  über  die  deutliche  Darstellung  der  Verschie- 
denheit, welche  an  den  einzelnen  Himmelskörpern  sichtbar  ist  [nach 
Ibn  Abi  Useibfa:  über  den  deutlichen  Beweis,  dass  die  Verschie- 
denheit, welche  an  den  einzelnen  Himmelskörpern  sichtbar  ist, 
nicht  die  Ursache  ihrer  ursprünglichen  Beschaffenheit  ist]. 

73.  Abhandlung  über  die  wahrnehmbare  schnellere  Bewe- 
gung der  Gestirne,  wenn  sie  sich  am  Horizonte  befinden,  und  ihre 
langsamere  Bewegung,   so   oft  sie  in  die   Höhe  steigen. 

74.  Abhandlung  über  die  Strahlenbrechnungeu. 

75.  Abhandlung  über  den  Unterschied  zwischen  dem  Laufe 
und  der   Wirkung  der  Strählen. 

76.  Abhandlung  über  die  Ursachen  der  Stellungen  der  Gestirne. 


51)  Eig.  der  Dinge,  denen  die  Verschiedenheit  in  den  Gestaltungen  der 
Horoskope  zustösst. 

52)  Schriften  dieser  Art  giebt  es  mehrere  bei  den  Arabern  z.  B.  von 
yasan  Bin  Sahl,  Abu  Ma'sar,  der  i^X^iA^i^  vLä5',  ^^i^^  V^^  und 
oL>^^Jf  ^^  «JdI^üJI  »-jUS'  herausgab,  und  Andern.  Veranlassung  dazu 
gaben  die  läTioxeXeofiara  des  Dorötheus  Sidonius,  die  ins  Arabische  übersetzt 
wurden.  S.  Fabric.  Bibl.  IV,  S.  152.,  Salmasius  de  annis  climactericis  S. 
384  flg.  und  Wenrich,  de  auctor.  Graec.  version.     S.  293, 


Flügel,  über  Al-Kindi.  25 

77.  Abhandlung  (über  die  Ursachen  der  Kräfte)  *  ^ )  in  Be- 
zug- auf  die  einzelnen  Himmelskörper,  genannt  Glück  und  Un- 
glück 5*). 

78.  Abhandlung  über  die  Ursachen  der  den  einzelnen  Him- 
melskörpern beigelegten  Kräfte,  die  den  Regen  anzeigen. 

79.  Abhandlung  über  die  Ursichen    der    Lufterscheinungen. 

80.  Abhandlung  über  die  Ursache,  warum  es  an  einigen 
Orten  fast  gar  nicht  regnet. 

81.  [Sendschreiben  an  seinen  Schüler  ...  ^^)  über  die 
Geheimnisse  der  Gestirne  und  die  Belehrung  über  die  Anfänge 
(Prinzipien)  ihrer  Wirkungen. 

82.  Abhandlung  über  die  wahrnehmbare  Ursache  des  Hofes 
an  der  Sonne,  dem  Monde,  den  Gestirnen  und  den  glänzenden 
Lichtern  d.  i.  Sonne  und  Mond  ^6), 

83.  Abhandlung  über  die  Berechnung  desselben  in  Bezug 
auf  seinen  Tod  ^  ^ ) ,  ohne  die  in  der  Natur  begründete  Anzahl 
der  Jahre,  nemlich  hundert  und  zwanzig,  zu  vollenden. 

84.  Vortrag  über  die  Kohlen  ^^j. 

85.  Abhandlung  über  die  ijrestirne]. 

VH.     Schriften  über  die  Geometrie. 

86.  Abhandlung  über  die  Aufgaben  (höchsten  Ideen) ,  die 
Euclides  bei  Abfassung  seines  Werkes  zu   erreichen  suchte. 

87.  Abhandlung  über  die  Verbesserung  des  Werkes  des  Eu- 
clides. 

88.  Abhandlung  über  die  Parallaxen  (d.  i.  über  die  Elemente 
der  Optik  des  Euclides). 

89.  Abhandlung  über  das  was  die  Alten  von  einem  jeden 
einzelnen  der  fünf  (geometrischen)  Körper  den  ursprünglichen 
Substanzen  beilegten  ^^). 

90.  Abhandlung  über  das  nähere  Verstandniss  des  Ausspruchs 


53)  Hier  fehlen  im  Text  wahrscheinlich  die  Worte  {^^^  J*Iä  i3' 

54)  Vgl.  Pocock.  Spec.  ed.  White  S.   134  flg. 

55)  Unstreitig  ein  verstümmelter  Eigenname  eines  seiner  Schüler  (»«Äa^^aj) 
und  zwar  {jt*aj^ö  ^  den  der  Fihrist  lA^^  ^i  uX«»^  nennt. 

56)  Eine  Tautologie,  wenn  es  eine  solche  ist,  für  die  ich  keine  Erklä- 
rung habe.  —  Vielfach  leiden  die  aus  dem  Wiener  Manuscript  entlehnten  Ar- 
tikel des  Ihn  Abi  Useibi^a  an  Incorrectheiten. 

57)  Auch  hier  ist  der  Text  durchaus  incorrect  und  die  Uebersetzung 
problematisch. 

58)  Statt  O^j^i  würde  ich  lieber  8y^4.:v(  lesen  d.»i.  eine  Sammlung 
der  Aussprüche  der  Menschen  über  die  Horoskope.  Ein  Werk  unter  diesem 
Titel  gab  auch  Abu  Ma'sar  heraus.  Wenigstens  würde  ein  solches  hier  mehr 
am  Platze  sein. 

59)  Vgl.  Catal.  codd.  mss.  orr.  Bibl.   Bodl.  S.  259.  Col.  1. 


2^  Flügel,  über  Äl-Kindi. 

•• 

des  ArcLimedes  über  die  Bestimmung  der  den  Kreis  in  zwei  glei- 
cbe  Hälften  theilenden  geraden  Linie  (Diameter)  von  seiner  Peri- 
pherie  aus. 

91.  Abhandlung  über  die  Beschreibung  der  Figur  der  Me- 
diallinien ^^). 

92.  Abhandlung  über  4as  nähere  Verständniss  der  Sehne 
des  Kreises. 

93.  Abhandlung  über  das  nähere  Verständniss  der  Sehne 
der  Neun  (des  Neunecks?). 

94.  Abhandlung  über  die  Dimension  einer  Halle. 

95.  Abhandlung  über  die  Eintheilung  des  Dreiecks  und  Vier- 
ecks und  deren  Beschreibung. 

96.  Abhandlung  über  die  Art  und  Weise,  wie  ein  Kreis  zu 
beschreiben  ist  gleich  der  Fläche  eines  gegebenen  Cylinders, 

97.  Abhandlung  über  den  Auf-  und  Niedergang  der  Gestirne. 
Geometrisch. 

98.  Abhandlung  über  die  Theilung  des  Kreises  in  drei  Theile. 

99.  Abhandlung  über  die  Verbesserung  des  vierzehnten  und 
fünfzehnten  Buches  des  Euclides.*^ 

100.  Abhandlung  über  die  geometrischen  Beweise  der  vor- 
kommenden sphärischen  Berechnungen. 

101.  Abhandlung  zur  Berichtigung  der  Lehre  des  Hypsicles 
über  die  Aufgänge  (Ascensionen)  der  Bilder  des  Thierkreises. 

102.  Abhandlung  über  die  Parallaxen  des  Spiegels. 

103.  Abhandlung  über  die  geometrische  Construction  des 
Astrolabium. 

104.  Abhandlung  über  die  geometrische  Auffindung  der  Mit- 
tagslinie und  des  Punctes  am  Horizonte  wo  Mekka  liegt. 

105.  Abhandlung  über  die  Construction  der  Sonnenuhr  ^  ' ) 
vermittelst  der  Geometrie. 

106.  Abhandlung  darüber  dass  die  Construction  der  Son- 
nenuhr auf  einer  Platte,  die  auf  der  dem  Horizont  parallelen  E- 
bene  senkrecht  steht,  jeder  andern  Sonnenuhr  vorzuziehen  ist 
(Nie.  p.   106  . 

107.  Abhandlung  über  die  geometrische  Auffindung  der  Stun- 
den (d.  i.  der  Sonnenuhr)  auf  einer  Halbkugel. 

108.,  Abhandlung  über  die  aus  dem  Vogelfluge  zu  gewin- 
nenden Anzeichen  über  zukünftige  Dinge. 

109.  [Lehrsätze  über  die  Kürze  und  Länge  der  Tage  und 
anderer  Zeittheile. 

110.  Abhandlung  über  die  Proportionen  der  Zeit  d.  h.  über 


60)  Vgl.  Arab.  Uebers.  des  Euclides  S.  231  flg. 

61)  &^Li>»,  f^^j  ^^S-  Marmor,  und  weil  man  marmorne  Platten  gern 
zu  Sonnenuhren  benutzte,  «die  Sonnenuhr  selbst,  für  welche  ur.  106.  oLftLM*J^ 
eig.  die  Stunden  gesetzt  ist,  weil  sie  aus  dem  Verzeichnen  der  Stunden  be- 
steht. 


Flügel,  übei'  Al-Kindt  27 

die  nach  den  Jahreszeiten    veränderlichen    Verhältnisse    der    Zeit- 
eintheilung-. 

111.  Vortrag  über  die  Zahl. 

112.  Vortrag  über  die  Brennspiegel]. 

VIll.     Schriften  über  den  Himmelskreis. 

113.  Abhandlung  über  die  Unmöglichkeit  die  Dimension  des 
äussersten  HiÄmelskreises,  der  die  übrigen  Himmelskreise  lenkt 
und  in  Ordnung  hält  ®  - ) ,  aufzufinden  (ihn  geometrisch  zu  messen). 

114.  Abhandlung  darüber  dass  die  natürliche  Beschaffenheit 
des  Himmelskreises  von  den  natürlichen  Beschaffenheiten  der  vier 
Elemente  verschieden  und  dass  er  ein  fünfter  Grundstoff  ^^)  sei. 

115.  Abhandlung  über  die  Phänomene  des  Himmels. 

116.  Abhandlung  über  die  entfernteste  Welt. 

117.  Abhandlung  darüber  dass  der  entfernteste  Körper  sei- 
nen Schöpfer  anbetet. 

118.  Widerlegung  der  Manichäer  in  Betreff  der  zehn  Lehr- 
sätze über  die  Bildungsstoffe  des  Himmels. 

119.  Abhandlung  über  die  Gestalten  (der  Himmel). 

120.  Abhandlung  darüber  dass  der  Weltkörper  unmöglich 
endlos  sein  kann. 

121.  Abhandlung  über  die  Anblicke  des  Himmels  (von  ver- 
schiedenen  Standpuncten  aus). 

122.  Abhandlung  darüber  dass  der  entfernteste  Körper 
unmöglich  gekrümmt  sei. 

123.  Abhandlung  über  des  Ptolemaeus  künstliche  Constru- 
ction   des   Himmels  (d.  h.  über  seinen  Almagest). 

124.  Abhandlung  über  die  Grenze  des  Weltkörpers. 

125.  Abhandlung  über  die  Beschaffenheit  des  Himmelskrei- 
ses und  der  mit  ihm  nothwendig  verbundenen  in  der  Richtung 
des   Himmelsgewölbes  wahrnehmbaren  blauen  Farbe®*). 

126.  Abhandlung  über  die  Beschaffenheit  des  Körpers,  der 
in  seinem  Innern  die  Farben  enthält,  die  von  den  vier  Elementen 
kommen. 

127.  Abhandlung  über  den  Lauf  und  die  Bewegung  des  fe- 
sten Körpers  (des  Himmels)  und  die  Beschaffenheit  der  Arten  des 
Lichtes  und  der  Finsterniss. 

128.  Abhandlung  über  die   gegebenen  Grössen. 

129.  [Abhandlung  über  die  Zusammensetzung  (und  gegen- 
seitige Beziehung)  der  Himmelskreise. 


6^)  Statt  jJ<^^^  vielleicht  jA*-^-»-^^  zu  lesen.     In  jedem  Falle  ist  das  \m 


mum  mobile,  die  erste  hewegrende  Kraft  gemeint. 

63)  arab.  RäjuI?. 

64)  S.  Uri  sllOO.  DCCCLXXVII.  13°. 


28  Flügel,  über  Äl-Kindi. 

130.  Abhandlung-  über  die  in  (aus?  q^  statt  ^k,)  der  Höhe 
herabfallenden  Körper  und  die  raschere  Bewegung  des  einen  vor 
dem  andern. 

131.  Abhandlung  über  die  Operation  mit  dem  das  Allge- 
meine (Gami'a)  genannten  astronomischen  Instrumente. 

132.  Abhandlung  über  die  x4rt  und  Weise  der  hin  und  her- 
irrenden Planeten  ^^). 

133.  Abhandlung  darüber  dass  zum  Studium  ^r  Philosophie 
kein  Weg  führe  ausser  vermittelst  der  mathematischen  Wissen- 
schaften ^^)]. 

IX.     Schriften  über  die  Medicin. 

134.  [Buch  über  die  geistige  Medicin  ®^)]. 

135.  Abhandlung  über  die  Heilkunde  des   Hippokrates. 

136.  Abhandlung  über  die  verderblichen  Nahrungs-  und  Heil- 
mittel. 

137.  Abhandlung  über  die  die  Luft  von  ansteckenden  Krank- 
heitsstoffen reinigenden  Räuchermittel. 

138.  Abhandlung  über  die  die  schädlichen  Gerüche  vertrei- 
benden Heilmittel. 

139.  Abhandlung  über  die  Art  und  Weise  der  Herstellung 
der  Purgirmittel  und  das  Entziehen  der  Säfte. 

140.  Abhandlung  über  die  Ursache  der  Ergiessung  des  Blu- 
tes. 

141.  Abhandlung  über  die  Gegengifte. 

142.  Abhandlung  über  die  Lebensordnung  des  Gesunden. 

143.  Abhandlung  über  die  Ursache  der  Crisen  der  hitzigen 
Krankheiten. 

144.  Abhandlung  über  die  wesentliche  Beschaffenheit  des 
Hauptgliedes  vom  Menschen  und  die  deutliche  Entwicklung  der 
bessern  Theile  desselben  ß^). 

145.  Abhandlung  über  die  Beschaffenheit  des  Gehirns. 

146.  Abhandlung  über  die  Ursache  der  Elephantiasis  und 
ihre  Heilmittel. 

147.  Abhandlung  über  den  Biss  des  tollen  Hundes. 

148.  Abhandlung  über  die  vom  Schleime  herrührenden  Zu- 
fälle und  die  Ursache  des  plötzlichen  Todes. 


65)  Ueberall  ist  hier  das  Ptolemäische  System  als  zu  Grunde  gelegt  zu 
denken.     In  ihm  ist  des  Schwankenden  sehr  viel  über  den  Lauf  der  Planeten. 

66)  S.  dieselbe  Abhandlung  nr.  3. 

67)  Zusatz  aus  Ibn  al-]Kufti. 

68)  Eine  mehrfach  verderbte  Stelle.  Da  später  unter  den  psychologi- 
schen Schriften  (nr.  185)  das  Hauptglied  oder  der  Haupttheil  des  Menschen 
abermals  erwähnt  wird,  so  scheint  |j**äaJ|  zu  lesen  zu  sein ,  was  auch  A.  B. 
C.    ü.    haben.     Ausserdem  könnte  man   an  ijf^^  denken. 


Flügel,  über  AI- Kindl  29 

149.  Abhandlung  über  den  Mag"enschmerz  und  die  Glieder- 
krankbeit  (Gicht). 

150.  Sendschreiben  an  einen  Mann  über  eine  Krankheit, 
über  die  er  bei  ihm  geklagt  hatte. 

151.  Abhandlung  über  die  verschiedenen  Eintheilungen  der 
Fieber. 

152.  Abhandlung  über  die  Heilung  der  von  den  galligen 
Zufällen  verhärteten  Milz. 

153.  Abhandlung  über  die  Körper  der  Thiere  im  Zustande 
der  Verderbniss, 

154.  Abhandlung  über  die  Grösse  des  Nutzens  der  Arznei- 
kunde. 

155.  Abhandlung  über  das  Verändern  der  Speisen. 

156.  Abhandlung  über  die  künstliche  Bereitung  von  Spei- 
sen ohne  ihre  Grundstoffe   (hier  näher  zu  besprechen)  ^^). 

157.  Abhandlung  über  die  Dispensatorien. 

X.     Schriften  über  die  S  tern  d  e  u  tekun  st. 

158.  Abhandlung  über  die  Vorkenntnisse  vermittelst  der  ein- 
zelnen Himmelskörper  auf  die  Lehrsätze  einen  Schluss  zu  ziehen 
(d.  h.  diese  kennen  zu  lernen  und  zu   beweisen), 

159.  Abhandlung  über  die  Einleitung  in  die  Astrologie,  nach 
den  Lehrsätzen   geordnet. 

160.  Die  erste,  zweite  und  dritte  Abhandlung  zur  Astrolo- 
gie vermittelst  verschiedener  Eintheilungen. 

161.  Abhandlung  über  die  Prophezeiungen  aus  den  Con- 
stellationen  der  beiden  Unglückssterne  (Saturn  und  Mars)  in  dem 
Himmelszcichen   (des  Krebses). 

162.  Abhandlung  über  den  Umfang  des  Nutzens  der  Tage- 
wählerei. 

163.  Abhandlung  über  den  Umfang  des  Nutzens  der  Stern- 
deutekunst und  wie  der  Mann  beschaffen  sein  muss,  den  man  mit 
Recht  einen  Astrologen  nennt. 

164.  Kurzgefasste  Abhandlung  über  die  positiven  Bestim- 
mungen der  Horoskope. 

165.  Abhandlung  über  den  Wechsel  der  Jahre  der  Horo- 
skope (d.  i.  der  Stufenjahre  des  Menschenalters). 

166.  Abhandlung  über  die  Kunst  vermittelst  der  Sonnen- 
und  Mondfinsternisse  die  Weltbegebenheiten  '°)  vorherzuwissen. 


69)  Dasselbe  Werk  nr.  243. 

70)  Andere :  y^  Oo[^>  die  VeränderuDgen  der  Luft  und  des  Himmels 


vorherzubesUmmen . 


30  Flügel,  über  Al-Kindi. 

XL     Die  polemischen  Schriften. 

167.  x4bhandlung  zur  Widerlegung  der  Manichäer  ^i). 

168.  Abhandlung  zur  Widerlegung  der  Dualisten  oder  An- 
hänger von  zwei  Principien. 

169.  Abhandlung  wie  man  sich  vor  den  Fallstricken  der 
Sophisten  zu  verwahren  hat  ^2). 

170.  Abhandlung  zur  Vernichtung  der  Lehrsätze  der  Hä- 
retiker (Mulhida). 

171.  Abhandlung  über  die  Bestätigung  der  Gottgesandten 
als  solche. 

172.  Abhandlung  über  das  wirkliche,  erste  und  vollkommene 
Agens  (Gott)  und  über  das  zweite  nur  bildlich  gedachte  Agens  '^). 

173.  Abhandlung  über  das  Vermögen  des  Menschen  freiwil- 
lig zu  handeln  und  die  Zeit  des  Eintritts  desselben. 

174.  Abhandlung  zur  Widerlegung  derjenigen  die  da  mei- 
nen, dass  die  Körper  in  ihrer  Existenz  in  der  Luft  Stützpuncte 
hätten. 

175.  Abhandlung  über  die  Nichtigkeit  der  Lehre  derer  die 
da  meinen,  dass  zwischen  der  durch  die  natürliche  Beschaffenheit 
begründeten  und  der  zufälligen  Bewegung  Ruhe  eintrete. 

176.  Abhandlung  darüber  dass  es  ein  eitler  Glaube  sei, 
dass  der  Körper  in  dem  Augenblicke,  wo  er  aus  dem  Nichts  ins 
Dasein  tritt,  weder  ruhig  noch  bewegt  sei. 

177.  Abhandlung  über  die  Lehre  von  der  Einheit  Gottes 
mit  Erklärungen  (von  Koranstellen). 

178.  Abhandlung  über  die  Nichtigkeit  der  Lehre  derer  die 
da  glauben,  dass  es  etwas  üntheilbares  gebe. 

179.  Abhandlung  über  die  Substanzen  der  Körper. 

180.  Abhandlung  über  die  Anfänge  des  Körpers  ^*). 

181.  Abhandlung  über  die  verschiedenen  Ansichten  der  Re- 
ligionsparteien in  Bezug  auf  die  Lehre  von  der  Einheit  Gottes 
und  dass  sie  —  die  Bekenner  einer  Religion  —  in  Bezug  auf 
die  Lehre  von  der  Einheit  Gottes  an  sich  übereinstimmen,  wäh- 
rend jeder  Einzelne  in  seiner  Meinung  von  der  des  Andern  ab- 
weicht. 

182.  Abhandlung  über  die  Lobpreisung. 

183.  .Abhandlung  über  den  Beweis. 

XII.     Schriften  über  die  Seele. 

184.  Abhandlung  darüber  dass  die  Seele  eine  einfache,  un- 
vergängliche,  auf  die  Körper  einwirkende  Substanz  sei. 


71)  Vgl.  nr.  118. 

72)  Dasselbe  Werk  nr.  30. 

73)  Dieselbe  Schrift  nr.  23. 

74)  Andere:  über  die  zuerst  entstandenen  Körper. 


Flügel,  über  Äl-Kindt  31 

185.  Abhandlung-  über  das  Wesen  des  Menschen  und  den 
Baupttheil  desselben  ^  ^). 

186.  Abhandlung  über  das  wovon  die  Seele  Bewusstsein 
hat  und  dass  sie  in  der  Welt  des  Verstandes  vorhanden  sei ,  be- 
vor sie  in  die  Sinnenwelt  eintrete. 

187.  Abhandlung  über  die  Beschaffenheit  der  üebereinstim- 
mung  der  Philosophen  in  Bezug  auf  die  Räthsel  der  Liebe. 

188.  Abhandlung  über  die  Ursache  des  Schlafes  und  des 
Traumes  und  über  das  was  die  Seele  geheimnissvoll  anzeigt. 

XIII.     Die  politischen  Schriften. 

189.  Die  grössere  Abhandlung-  über  die  Regierungskunst. 

190.  Abhandlung  über  die  Beseitigung  der  Schwierigkeiten 
auf  dem  Wege  zur  Tugend. 

191.  Abhandlung  über  die  Entfernung  der  Traurigkeit. 

192.  Abhandlung  über  die  Verwaltung  des  vStaates, 

193.  Abhandlung  über  die  Ethik. 

194.  Abhandlung  über  die  Aufmunterung  zur  Tugend. 

195.  Abhandlung  über  die  Kunde  von  der  Tugendhaftigkeit 
des  Socrates. 

196.  Abhandlung  über  die  Aussprüche  des  Socrates. 

197.  Abhandlung  über  ein  zwischen  Socrates  und  Archige- 
nes  (Aeschines?)  gepflogenes  Zwiegespräch  ^^). 

198.  Abhandlung  über  die  den  Tod  des  Socrates  beglei- 
tenden Umstände.  ^ 

199.  Abhandlung  über  den  Vorfall  zwischen  Socrates  und 
den  Harraniern  ^^). 

200.  Abhandlung  über  das  Wesen  des  Vorstandes. 

XIV.     Schriften    über    die  Luft-  und  Himmels- 
erscheinungen (Meteorologie). 

201.  Abhandlung  zur  deutlichem  Entwickelung  der  Ursache, 
die  zunächst  das  Entstehen  und  Vergehen  in  den  dem  Untergange 
ausgesetzten  vorhandenen   Dingen  bewirkt. 

202.  Abhandlung  über  die  Ursache,  um  deretwillen  behaup- 


75)  Vgl.   nr.  144. 

76)  Archigenes  steht  im  Text ;  es  scheint  aber  des  Socrates  Schüler  A^ 
schines  geme?üt  zu  sein 

77)  Unstreitig  sind  hier  die  hartnäckigen  Ankläger  und  Gegner  des  So- 
crates geineint.  Ist  (jVjAiL^-  wirklich  &A.*M.i  von  iM^t^  (""^  "i^^l^t  von 
qIj^-)  j  so  würde  diese    Bezeichnung   ein    schlagender   Beweis    sein    für   die 

allgemeine  Bedeutung  Heiden,  die  man  dem  Worte  Harranier  beilegte. 


32  Flügel  y  über  Al-Kindi. 

tet  wird,  dass  das  Feuer,  die  Luft,  das  Wasser  und  die  Erde 
Grundstoffe  für  alle  dem  Untergänge  ausgesetzten  vorhandenen 
Dinge  sind ,  und  dass  diese  und  andere  Dinge  sich  eines  in  das 
andere  verändern. 

203.  Abhandlung  über  die  Verschiedenartigkeit  der  Zeiten, 
in  denen  die  Kräfte  der  vier  ersten  Beschaffenheiten  (der  Grund- 
stoffe) sich  kund  thun. 

204.  Abhandlung  über  die  (nach  den  verschiedenen  Jahres- 
zeiten verschiedenen)  Proportionen  der  Zeit. 

205.  Abhandlung  über  die  Ursache  der  Verschiedenheit  der 
specifischen  Eigenthümlichkeiten  des  Jahres  (ob  nass ,  trocken 
u.  s.  w.). 

206.  Abhandlung  über  das  Wesen  der  Zeit  (im  Allgemeinen), 
des  (längern  oder  kürzern)  Zeitraums  und  des  ewigen  Kreislau- 
fes der  Zeit  (oder  der  bestimmten,  der  unbestimmten  und  der 
unendlichen  Zeit). 

207.  Abhandlung  über  die  Ursache,  um  deretwillen  die 
obere  Luftschicht  kalt  ist,  während  was  der  Erde  nahe  ist 
warm  ist. 

208.  Abhandlung  über  die  Lufterscheinungen. 

209.  Abhandlung  über  das  glänzende  Meteor,  welches  in 
der  Luft  erscheint  und  Sternschnuppe  —  kaukab  —  genannt 
wird, 

210.  Abhandlung  über  den  Cometen. 

21L  Abhandlung  über  den  Stern,  welcher  mehrere  Tage 
so  erscheint,  dass  er  beobachtet  werden  J^ann,  bis  er  verschwindet. 

212.  Abhandlung  über  die  Ursache  der  Kälte,  welche  man 
Alteweiber- Kälte  (d.  i.  Nachkälte)  nennt. 

213.  Abhandlung  über  die  Ursache  des  Entstehens  des  Ne- 
bels und  die  mit  ihm  zusammenhängenden  Erscheinungen,  die 
ihm  während  seiner  verschiedenen  Dauer  zustossen. 

214.  Abhandlung  über  das  im  J.  222  der  Fl.  (837  Chr.) 
beobachtete  grosse  Phänomen. 

XV.     Schriften,   die  über  die  Entfernungen  handeln. 

215.  [Schriften  über  das  Instrument,  mit  Hilfe  dessen  die 
Entfernungen  und  die  Körper  aufgefunden  werden  ^  ^]. 

216.  Abhandlung  über  die  Entfernungen  der  Klimata  von 
einander. 

217.  Abhandlung  über  die  bewohnten  Gegenden. 

218.  Abhandlung  über  das  bewohnte  Viertheil  der  Erde. 

219.  Abhaijdlung  über  das,  was  wir  von  den  Entfernungen 
der  Körper  von  einander  wissen. 


78)  Zusatz  des  Ibn  al  -  ^ufti. 


Flügel,  über  AI- Kinät  33 

220.  Abhandlung  über  Auffindung-  der  Entfernung  des  Cen- 
trum  des  Mondes  von  der  Erde. 

221.  Abhandlung  über  Erfindung  und  Construction  eines 
Instrumentes,  wodurch  die  Entfernungen  der  Körper  von  einan- 
der aufgefunden  werden. 

222.  Abhandlung  über  die  Construction  eines  Instrumentes, 
durch  welches  die  Entfernung  der  unsern  Augen  sichtbaren  Kör- 
per erkannt  wird. 

223.  Abhandlung  über  die  Kenntniss  der  Entfernungen  der 
Gipfel  der  Berge  (Höhenmessung). 

224.  [Sendschreiben  an  Ahmad  Bin  Muhammad  al  -  Churasani 
über  die  metaphysischen  Dinge  und  die  Aufklärung  über  die  äus- 
sersten  Punkte  des  Weltkörpers]. 

XVI.     Schriften  über  die  Vorbegriffe. 

225.  Abhandlung  über  die  Geheimnisse  der  VorbegrifFe  der 
Erkenntniss. 

226.  Abhandlung  über  die  Vorbegrifi'e  der  Dinge,  die  zur 
Erkenntniss  der  (zukünftigen)  Ereignisse  führen. 

227.  Abhandlung  über  die  Vorkenntnisse  zur  Kunde  (der 
zukünftigen  Dinge). 

228.  Abhandlung  über  die  Vorkenntnisse  der  Vorhersagun- 
gen  (d.  i.  der  Dinge,  die  man   vorhersagt). 

229.  Abhandlung  über  die  Vorbegriffe  der  Kenntniss  mit 
Hilfe  der  himmlischen  Einzelkörper  Schlüsse  (auf  zukünftige 
Dinge)  zu  ziehen. 

XVII.     Schriften,   die  sich  mit  den  Arten   der 
Dinge  beschäftigen. 

230.  Abhandlung  über  die  verschiedenen  Arten  der  kostbaren 
Edelsteine  und  ähnlicher  Dinge. 

231.  Abhandlung  über  die  verschiedenen  Arten  Steine  [die 
Edelsteine,  ihre  Fundorte,  die  guten  und  schlechten  Edelsteine 
und  die  Preise  derselben], 

232.  Abhandlung  über  das  Glänzen  des  Glases. 

233.  Abhandlung  über  das  was  färbt  (rohe  Farbestöffe, 
z.  B.  Pflanzen  und  Mineralien),  so  dass  es  eine  Farbe  (einen 
färbenden  Grundstoff)  liefert. 

234.  Abhandlung  über  die  verschiedenen  Arten  der  Schwer- 
ter (Klingen)  und  des  Eisens  [der  guten  Klingen  und  der  Orte, 
von  denen  sie  den  Namen  führen]. 

235.  Sendschreiben  [an  Ahmad  den  Sohn  des  Chalifen 
Mu  tasimbilläh]  über  das  was  auf  die  Klingen  und  das  Eisen  zU 

Abhandl.  der  DMG.  1,2.  3 


34  Flügel,  über  Al-Kindl 

streichen    ist,     damit    sie     keine    Scharten    bekommen    und    nicht 
stumpf  werden. 

236.  Abhandlung  über  den    zahmen  Vogel    (d.  i.  die  Brief- 
taube). 

237.  Abhandlung  über  die  Zähmung  der  Tauben. 

238.  Abhandlung  über  das  ^Ausbrüten  der  Eier. 

239.  Abhandlung  über  die  verschiedenen    Arten  der    Bienen 
und   ihre  edlen  Eigenschaften. 

240.  Abhandlung  über  di«  Construction  des  klagenden  (eig. 
bellenden)   Kruges  ^  ^). 

241.  Abhandlung  über  das  Gewürz  und  dessen  verschiedene 
Arten. 

242.  Abhandlung  über  die  Destillation  der  Gewürze. 

243.  Abhandlung  über    die    künstliche  Bereitung  von  Spei- 
sen,  ohne  deren  Grundstoffe  (hier  zu  besprechen)  «o). 

244.  Abhandlung  über  die  Namenlogogriphen, 

245.  Warnung,    die    auf   die    Trugkünste    der  Alchymisten 
aufmerksam  macht. 

246.  Abhandlung  über  die  beiden  mit  den  Sinnen  wahrnehm- 
baren Erscheinungen  im  Wasser  (Fluth  und  Ebbe). 

247.  Abhandlung  über  Fluth  und  Ebbe  «'). 

248.  Abhandlung  über   die   Grundregeln  der  Gaukelkünste. 

249.  Die  grosse  Abhandlung    über    das    (theilweise)    ünter- 
getauchtsein  der  Körper  beim  Schwimmen  ^^). 

250.  Abhandlung  über  die  untersinkenden   Körper. 

251.  Abhandlung  über  die  Construction  der  Brennspiegel. 

252.  Abhandlung  über  die  von  dem  Spiegel  erzeugte  Gluth 
(Brennp'unct  des  Spiegels?). 

253.  Abhandlung  über  die    Stimme.     Drei    Theile,    ein    er- 
ster, zweiter  und  dritter. 

254.  Abhandlung  über  die  kleinern  Reptilien    mit   quecksil- 
berartigen (?)  Abbildungen. 

255.  Abhandlung  über  die  Art  des  Entstehens  der  Dünste  im 
Innern  der  Erde,  die  viele  Erschütterungen  und  Furcht  erzeugen. 

256.  Abhandlung  zur  Beantwortung  von    vierzehn    physika- 
lischen Fragen,  die  einer  von  Kindi's  Freunden  ihm  vorgelegt  hatte. 

257.  Abhandlung  zur  Beantwortung  von  drei  an  ihn  gerich- 
teten Fragen. 


79)  Unstreitig  ist  hiermit  ein  pneumatisches  Gefäss  gemeint. 

80)  S.  dasselbe  Werk  nr.  156. 

81)  S.  Uri  S.   190.  DCCCLXXVII.     12°,     9  Bl.     fol. 

82)  Eig.  tauchende  d.  h.  untersinkende  und  wieder  in  die  Höbe  kommen- 
de Körper.     In  die  Hydrostatik  gehörend. 


Flügel,  über  Al-Kindt  35 

258.  Abhandlung  über  die  Geschichte  des  schweigsamen 
falschen  Philosophen. 

259.  Abhandlung  über  die  Ursache  des  Donnerns ,  des  Bli- 
tzens,  des  Schnees,  der  Kälte,  der  Donnerschläge  und  des  Re- 
gens. 

260.  Abhandlung  über  die  Nichtigkeit  der  Anmassung  de- 
rer, die  sich  des  Besitzes  der  Kunst  Gold  und  Silber  zu  machen 
rühmen,  und  über  ihre  Betrügereien. 

261.  [Abhandlung  über  die  Pferde  und   die  Thierarzneikun- 

de]  «3). 

262.  Abhandlung  über  die  Rechtschaffenheit. 

263.  Abhandlung  zur  Erläuterung  davon,  dass  die  Verschie- 
denheit, welche  an  den  himmlischen  Einzelkörpern  bemerkbar  ist, 
nicht  die  Ursache  der  ursprünglichen  Beschaffenheiten  ist,  wie  diese 
die  Ursache  jener  Verschiedenheit  an  den  Dingen  sind,  die  dem 
Entstehen  und  Vergehen  unterworfen  sind. 

264.  [Abhandlung  über  die  Kunst  die  Flecken  von  den  Klei- 
dern und  andern  Dingen  zu  entfernen. 

265.  Sendschreiben  an  Johannes  den  Sohn  des  Masüyah 
über  die  Seele  und  ihre  Thätigkeiten]  s*). 


83)  Zusatz  von  zwei  Handschriften  des  Ihn  al-^ufti. 

84)  Zum  deutlichem  Verständniss  der  Stelle  S.  4.  „und  wohnte  der 
Verhandlung  der  beiden  Schiedsrichter  bei"  verweise  ich  auf  Ann.  muslem. 
I,  S.  320  flg.,  wo  die  Veranlassung,  der  Verlauf  und  das  Ergebniss  dieser 
Verhandlung  erzählt  ist  und  die  beiden  Schiedsrichter  genannt  werden ,  und 
auf  Nawawi  S.  161.  —  Ebenso  erscheint  zu  den  Worten  ö>-XiAfiÄ  oLeiXiU 
S.  16.  und  deren  dort  gegebener  zu  enger  Fassung  die]  Bemerkung  nicht  über- 
flüssig, dass  der  Sinn  des  Satzes  allgemeiner  so  zu  nehmen  ist:  Nur  der 
könne  die  synthetische  Methode  mit  Nutzen  anwenden,  der  es  mit  Glau- 
benssätzen d.  h.  Sätzen  empirisch  -  dogmatischer  Natur ,  zu  thun  habe ;  die 
Sätze  jedwedes  erst  durch  die  Speculation  und  Forschung  zu  construirenden 
Wissenschaftsobjectes  hingegen  seien  nur  durch  die  Analyse  auffindbar. 


35  Finget y  über  AI- Kindi, 


3)  ^y  U^  2)  iüoUxXf^  JUÄiaAll  JoU.l\5  »Jl^fcXii  iCft.JLÄJ|  ZJ\jS    Y 


7)  ^^^j:^)!  ^t  ^Im^i  3ür  V 


^^4.Jl*Ji  10)  ig^UÄ^  ^  9)  jIä:1.  2ücJU^  ^ür  I, 

i^jo^j.^  ^  jvAc  L«iy  s^i  jo^  ^_5^ui  jUa?  ji  ^  üür  il 

«J  Na^i  ^ 

A.  bezeichnet  das  MS.  des  *L^C±L  .^^^Lj  in  der  Wiener  Hofbibliothek 
A.  F.  (d.  i.  Alter  Fonds)  nr.  195(105),  B.  das  des  gemischten  Fonds 
Mxt.  nr.  49.,  C.  den  Text  Casiri's  I,  S.  357  —  360.,  D.,  das  Leydner 
Manuscript,  H.  das  Wiener  MS.  des  c^^j^^  N.  F.  (Neuer  Fonds) 
nr.  412.,  L.  das  Leydner  MS.,  V.  das  Wiener  Mxt.  nr.  187.,  U.  das 
Wiener  MS.  des  Ibn  Abi  Useibi'a.  Die  Abschrift  des  Artikels  aus 
diesem  MS.  verdanke  ich  der  Gefälligkeit  des  Herrn  Dr.  Behrnauer, 

1)  A.  M.  C.  D.  oLAft>*».JlÄJf .  —  2)  V.  »otoLÄxIi .  —  3)  U.  V.  Uütj. 
—  4)  U.  %^[ij\,  V.  oLyöyi.  —  5)  Statt  dieses  Titels  hat  U.  voll- 
ständiger :  Uc  J^i^AO^'  ^S,  ä-aJI  J-^^.  L'*_5  (J^^J-^^^  w*^  ^tV^  v3  8.JL^^ 

Lg^i  »>j:ö\jC.\^  L4AAJyj^  L^A^  »jlc  t»^3  ^^  ^J^  ^  U.*  gA^Uil .  —  6)  V. 
0^5j.ä*I^  _  7)  H.  ^"^1 ,  L.  ^^M^J  ^t ,  V.  ^^^^^^ .  Auch  ^^^S  scheint 
zweifelhaft.  —  8)  So  immer  im  Fihrist  statt  des  spätem  &a^w  ,  um  die 
Ableitung  der  Nisbe  von  e\^  zu  unterscheiden.  —  9)  L.  V.  (^jaXJj  ,  — 
10)  H.  (j^UftXl.  -     11)  L.  V.  (^Ail. 


i 


Flügel,  über  Al-Kinäi.  37 


^Ui  15)  ^MCi  icliu^t  *u^:^  ^i  ij^aXI  1^)  iß  vi>.^^  i  vL^  iv 

V 

16)  Juv^  iUÄ^jJj  JJI3I  ^  'J^    |^ 

oUUaJf  ^  17)  Uiyi  ^5  »jciL«^  n 

»JLfi  &ilj^l^  J^t  &ajU  v5  »äIU^    t'P 


18)  &Ldb4l  »^ 

20)  j^  jyüi  ^Uaa^l.  19)  ^^^üLuxi  j^Ait  vJ  äxju^  Zä^  n 


12)  U.  V.  J^^l .  —  13)  A.  B.  C.  oI^UäcJ  .  —  U)  iß  fehlt  in  A. 
B.  L.  V.  —  15)  B.  JJUj,  H.  V.  Jw*A^.  —  16)  nr.  18.  nur  in  H.  — 
17)  H.  vjüydf.  —  18)  A.  B.  C.  D.  oLä^äII.  —  19)  Statt  —  U^ 
JaiakA  U.iOiM^  ^5  8^JuU^.  —  20)  A.  B.  C.  0.  j^x^tj  statt 
Ä-o  JjiÜi  c\JuX^\i.  —  21)  A.  B.  C.  D.  yeüJ^S  statt  ^UaÄ:>Li  ^ftJaili 
jL^I^.  ~  22)  L.  V.  ByMjiJl,  auch  richtig,  je  nachdem  Jj.JU  oder  RJ^Ä/« 
als  Singular  angenommen  wird. 


38  Flügel,  über  Äl-Kindi. 

27)  j^;^  aj^^  aJr^ii  S  ^^^^j  vL^  '^ 


30)  aliUjJI^  suAAMjiil  UiJl^l  ^  if^L.j  öx?  ff 


:^3)  Hier  schiebt  H.  ein  :  s-**^t  jU*:>l  v5  »JCJLamj  vl^  d  «nd  L.  hat 
^^Luu^l  3.  _  24)  A.  D.  ^^  La^=>Lj>  statt  JjJj  er*'*  ""  ^^^  "* 
C;vJLLM.3^f .  ^  26)  ü.  otjJjAtl  jw^aJ  a&^^^JI  J^A^^i-t  ^^U-^l  statt 
aM^i-l  olyö^JJl.   —     27)  A.  B.  C.  £*i>^,   H.  5^L^{.  —    28)  ü.  ^\ 

til^M.\  %^JüS  ^5  j^a^ääH  ^  (^^1  statt  JL;0:*-t  ^ .  —  29)  H.  V.  jA«^L 
—    30)  A.  B.  C.  H.  icIiUjJt  w-^a^^aJ}  j  statt  iUi\^ß^  Wam-äJI  UUi^  j. 


i 


Flügel,  über  Al-KindL  39 


ij^^lyoLjtJI  ^^  ^j^  y-^J  Sil    33)  ^   BLjL,:j)|   ^  iuJU^  O^X?    fv 

^,Jäs^\  äyUif^  äI*j^^  JIXä^I  j^LcI  B^JÜt  ^1  ^5  iOiU^  Ijj^   f A 

34)  Jl^-tjJl  ^^^  ^^ 


OUfijUM^II      »AAJ' 


v«ftAJLxJI  ^3  ^yS^S  iodLv^  vl^  öf 
^^\  ^  iOüLw^  3Lär  ov 


31)  U.  J^l .  —   32)  H.  fügt  die  incorreclen  Worte  bei :  J>^l^jJ<  vjLä5' 
,^^:^l  iuL^i  ^5  if^Ji  ^j^.   _     33)  L.  V.  Ja.    -     34)   H.   JL^a^^j 

&l3tM*»^(.  —     34  a)  Die  Worte  KcUo  ^  —  v.äxJUJI  fehlen  in  L.  und  V. 
—    34  b)  H.  L.  V.  *lj*AJL 


^(H  Flügel  y  über  Al-Kindi. 


IM  *  


I 


35)  Ä.  B.  C.  \).  vJLüJ^Ä^Li .  —     36)  JoLa^x»  fehlt  in  L.  V.  U.  —  .  37) 
ü.   u3^Jixi>:^i  ^/9.    —     38)  Ihn    Abi    üseibfa    fiigt  hinzu:    8.J-C  c;^-mw^ 


Flügel,  über  Äl- Kindi.  41 

&Z*^.^|  ^p\  40)  JJU:  ^  ^u,  U^    vi 

öj>L*.«  «l:;v4i  x^iUii  (joIää:^)!  jf  w^wii  . . .  NxiUw^  :j^  vv 

JUctjlf  j^oU  ^aU,;^  ^^.^uJl^r^l  ^  «uLJb  v^^o  JläJL^]  aj 

v-^f^5üf^  ^1^  (j^^^^Äi;  o^iJL^jf  ^^x,  ^^i'  jcji  iduii  ^  ^üü^  ,j. 

^^  vg  (5^1  ^^«t^l  J^  2^Ur  ^^0  !0>  ^  «OIcXäi:!  ^3  iüL^  ^r 

Ot^f    ^    ^     Af 


j^JS^I  42)  ^Ur  41)  ^1^1  ^  ^U^  ^^   ^c| 

39)  H.  jAAM^t ,    L.  jA^( .    _     40)  Jic  fehlt  in   A.  B.  C.  D.  L.  V 
U.    >^c.  -     41)  H.   L.  V.  o^fy:^  -     42)  u.  v-^xT. 


^2  Flügel,  über  Al-Kindi. 


44)  ^J^^Ji\  JXä  J.^  ^  43)  j,xJU^  v^  f  i 

45)  ^^^  ^^  ^p^-  ^  ^>ÜLM^  Z^  ir 

46)  ^lyjl  iCj5>U^  3  iOJU^  vlxS'   If 

47)  U«JU^j  ^y;^  e^Iilf  1^-^.^,83  ^  NOiL.^  vLä^  Iö 

X3U  C^  ^\  ^Ja/*J  48)  iC^^Lw^  »ylo  J^c  »»tV^  (3  ».xiU«,  v-jLä^   11 

^^  ö^xi^  %^H^\Mj,  ö>Ä^  &«yt  xiLäl^  ^XaoI  ^  ^ÄJ^  ÖÜF  11 

49)  oULmI^I  ^y>  owytj  U  &Ir>LM.U  ^Sj^S  i  *.>^^^  vLäJ'   i.. 

50)  jcIjOäJI 

^^LmJI  J.C  w*.AaAj  Ä^rSa*ö  Jx  oLcLJI  51)  J,.^  ^  ^ÄJU.  ujUi'   |.1 

K>ww(-U.4JU  by  ^ÄAoi  J.C  oLcLmJI  _|y^VÄ/^l  ^5  äJL^    t.v 

43)  Die  Stelle  ».-äJLa«,  —  w»«*«.-»  L#^J  fehlt  in  L.  V.  —  44)  U. 
^jN^ix^ydl.  —  45)  A.  B.  C.  f-*-^l,  D.  j-.M«JI.  —  46)  H.  L.  V. 
Üi^^j,  B.  C.  oLa-JL^-JÜ.  -  47)  H.  L.  V.  L^JL^,  A.  B.  C.  D.  ^ft^ 
y^ .  —    48)  H.  'sp.jL^'JiA .  —    49)  H.  oULm«^|  ,    V.  v^^M^f .  —     50) 

L.  U.  ÄA^i .  —     51)  H.  -.t^Ä^I.  —     5;^)  L.  jli,  V.  yj:^. 


I 


Flügel,  über  AI- Kindi.  43 

Uyc^  ^1^-31  &>L^^  i  JJLw^]  1.1 


s«^"^!  yoU*if  ^LLJ  JwiiL^  ki^Oftil  aütAxI^  j^i  ^  ÄÄiU;  vti?  tff  ^ 

^JlÄif  53)  oL^Ü?  3  i^ÄJlwj  CJÜ7  ffö 


(j^_^;w^cs^l  (^J>;j,jX!l  ^Xfl  ,^^1^  (^UJt  sCjoU  3  io:JLw,  vt^  "'ö 

^U^Jf  &4>  56)  ^ 

^>oU*j;  ^y.  ^ty^  &cLL^  >Ui  ^j^\  xajU  ^  euju^  vi^  i»'*! 


&*y,:ül 


53)  ol^LL  L.  V.  —     54)  So  in  allen  Handschriften.  —     55)  H.  ^,  V. 
^1.    -     56)   H.  J. 


44  Flügel,  über  Al-Kindi. 

58)  oL^»:i  ^5  ^xJL^^  v^^  \^^ 
Ua«a  L^AiMu  Uu^j  ^i*J|  ^  &LjL4Jf  rLr^^^  ^  ^^^;  5^- 


oLÄIb^l   &AÄf 


ti5ÜL«:i  x^l^^l^  ^IcUJt  ^5  ^xJLw.^  l^Jür  in 

61)  5^3^:i  gji^^i  ^  60)  iUft^Äii  jo^v^^i  ^  *äJLw^  Jür  irA 
^,iu>:iJi  62)  ^iJ^t^  xpjo^f  jL^^i  xliiAr  j  ääILw^  wur  n 

J.AJI  e^fti  &L  ^5  ^ÄJ^,  v-iUJ'    \f, 
^y^\  63)  iCj^l  ^  ääJU^  v^    il^i 

64)  äJUi  oi5i^^;  CT^^^  '^Ji^*^  i  vtx?  if r 

'  66)  ^U^l  ^ 

57)  V.  ^i'LJf,  dasselbe  als  Randglosse  in  H.,  U.  y UJ| .  —  58)  U. 
oUIaiil,  V.  oULUXf.  _  59)  Von  hier  an  bis  nr.  220.  in  U.  eine 
grosse  Lücke.  —  60)  H.  &Ait«m ,  L.  auilÄll ,  V.  JWiAAtl.  —  61)  H.  L. 
V.  &JJ>^I.  -  62)  Vi.  J>0^\^.  —  63)  H.  J^Aji^t,  L.  V.  Ä^iUl.  —  64) 
H.   V.   b-jUj.    _     65)  H.    V.   (ji^,   L.  (j^.   —     66)  H.  . .»Lmo^I  ,   L. 


Flügel,  über  Äl-Kindi.  45 

Jjxlf  &x:Uo  ÄXiLU  ^Oiä  ^  ääIU,  Cto"  löf 

LP^Laä  yLC  ^  71)  x^{  K*Jwo  ^5  »JiiLw^  vl^    föl 
72)  ^ypb^/Jl  j  vi^    töv 


oU*uc5^:ij|  naäT 


j^a^Uäj  j*L3C>:^(  juUaoJi  icüLütj  juiUiij  74)icj^-^u;:ju^;3ü?  n. 

76)  ^^  ^  75)  ^^^<:;xJ(  JJ^iJo  ^  NXiU^  ÜJC?    Ilf 


67)  H.  ÄÄAÄ^Ij,  L.  iu:AÄ*«tj,  V.  «uaJU-I^.  —  68)  H.  i^oL^I ,  L. 
NI^Ul,  A.  B.  C.  D.  'sij\J'\.  —  69)  H.  V.  ^_^L^i.  —  70)  V.  yt^OCi ,  C. 
ji±^  iCx^o .  —  71)  H.  }f^\ .  —  72)  Diese  Numer  nur  in  A.  B.  C.  D., 
in  L.  und  V.  gar  nichts,  in  H.  s.jtJo)i^  (Lücke)  A*J  ^5  äXILv^  V^-  — 
73)  A.  ^JJÜ,  B.  C.  D.  H.  iUvXÄJ.  —  74)  V.  i^^t .  ~  75)  H.  L.  V. 
e;y*^".  —    76)  A.   B.   C.   D.   ^lly^JI  -^. 


4g       '  Flügel,  über  Äl-Kindu 


77)  ,^U^ru«L  U-^Wi 


oUjj^i  juxr 


XjoUl  ^  u>^t  ^  näJUv^  vLxi'  tiv 
Kayüi  J.C  SjJi  J  ^x3U^  ;äi?  fix 

80)  iCuliaM.3^1  ^Ai>  ^^^  (j^l/^^t  ^5  ^XJ^,  SÄÖ?  Ili 
^.^X^^If  JoU^  81)  ^j^  ^  ^xJU^  sJjCT  Iv. 
j.X^|  j*^c  Jw;^i  o^AAAj  i3  »ÄiU^  vLä5"  (vi 

jLilj  J,LiJt  J^UJI^  ^LäJI  J^^^I  ^^I  >LäJI  ^  ^^äJU,  vüT  |vh 
^it  ^  L«Äay>  ^  rlr^  iD^  r^'J  er"  vi^  ^^^^  ^  ^^S  "^^^  ^^^ 

82)  oLÄSy 


QJ.X*«  KaÄ)j*J[j 


84)  oljA.*MÄÄi  83)  ^Xjp-yJI  i5  ».äJLw^  vl^^    |vv 
1/^  ^  t*jÄ-  qI  ^j  ^^  J5.3  ^^^  ^i  ^ÄJUJ  v'-*^  ivA 


77)  ^Lft:^U-:iJLi.  —  78)  A.  B.  C.  D.  ^Ui\ .  —  79)  A.  B.  C.  D. 
^i  vi;0|^>.  _  80)  H.  (^j  LLaw^Sj^J!  .  _  81)  D.  H.  u^afii.  —  82) 
H.  L.  oLjtSjj",  B.  für  den  ganzen  Titel:  ^^  J-c  3ß^  (•[y^'^^  ^  V^*^ 
i^jA\  j  j^k-i.  —     83)  A.  C.  olJwA£>j.xJI.  —    84)  H.  ol^iUjU . 


J 


Flügel,  über  Al-Kindt.  47 

87)  Ocv?w;ÜI  ^  i^\^j  TJ^  \^ 


jyy>  88)  ^-fj,  ^c  Ja^A^j  jPj^  ^j^axJt  ^^f  ^3  ääJU,  v-jLÄr   Uf 
iOvo  (jM^yt  j.A:a*J|^  ^U^i^l  RajLo  ^5  aüüLw«,  ^jU^  (aö 

;j^Aii  iu  89)  ^^^  Uj  ü^yi^  |._^^ji  äL  ^  ^xJU;  ':jjs  Iaa 


90)  'U^J\  ^  ^yS^\  ioJLv^  u:^  IaI 

85)  C.  D.  ,.L*^^(.    —     86)  H.  iüSJU>.   —      87)  H.  Ju.^V*Xfl ,    L. 
Ous^ul! ,   V.  l\-c^UII  .     Auch  a-fc.^UÄi|  ist  sicher  verdorben.  —    88)  A. 
D.  ylO,  H.  ß\^.  —    89)  B.  ^>S ,  V.  yo^.  —     90)  V.  JC^UmJI  . 
Abhandl.  der  DMG.  1,2.  4 


40  Flügel,  über  Al-Kindi, 

93)  JJUJI^  J  NaJU^  CÄ^  t^,. 


oLl3|Js.5»"^l  ÄAÄ5' 


J  .^L^lj  ^^JOJ  x.Ä/Ji  ^Uit  ^ii  o«^  ^^"^^^  ^  ^S  "^^  ''•^ 


iCju^l  95)  ^^^  vjX:i>f  &Ifi  ^  *xJL^^  vS?   ^*ö 

j^j.i\^  96)  ^^1^  ^UjJt  &ajU  ^5  ääJL^  Üä^  M 

y^  U  ^j^^Uoj  ^1  J^^    97)  o^  L^  ^^j  icljj^  j  jjjJL^  v-.Ui'    f^.v 

91)  So  alle  Handschriften  des  Fihrist,  die  des  *L^si|  ^.s^  dagegen 
sämmtlich  ä^^L^),  was,  wenn  ^J^\  vor  OjJ^  hinzugedacht  wird,  in  der 
Regel  zu  setzen  wäre.  —     92)  H.  jj*oL^^U*»#ptj ,  A.  B.  C.  D.  L.  (j**.j|^.t^, 

V.  j^\y^j\^.    —     93)  V.    tXSÄif^o.   —     94)  A.   B.   C.    D.    oUjÜCJI 
ol^X^^Uit.   —     95)  ^yi^  fehlt  in  L.  V.  —    96)  H.  jJ^^^  ,    L.  Y,  j^My , 

-    97)  H.  1^^,  L.  iJ>y ,  A.  J.fi^t^:^l  ^^,  C.  fj^^* . 


Flügel,  über  Al-Kindi.  49 

L5y  J^,^  ^1  ^^  98)  ^JJt  ^-^^t  ^  iOjL^  ^E?    f^.i 

1 00)  20-i3^(  ^  äJ  &j-^^i  vL^M-^tj  vjU*iaJi  ^^y  äIc  ^j  *xJ^  vLät  Y\r 


101)  ^^^jJi  ^  ^f  j^y,  o^  ^!r^^-^^  i  2^^  v^  m 

JU^I  102)  J.JL3  oU;l  ioyuo  ^  ääJLw^  CÄxT    f^f^r 


oLL«^XÄÄil   »^ 


MjSiS    9^0^  ^SjmS  ^  ääJL.^   Vl^   ''»'O 


98)  V.  ^^Ji^^*^!.  —  99)  L.  8A/£»j^j4ib.  —  100)  Die  Worte 
iu*L33l  ^  ijj  fehlen  in  L.  V.  —  iOl)  Hier  hört  die  Lücke  in  U.  auf.  — 
102)  (.i5U5. 

4* 


50  Flügel  y  über  Äl-Kindi» 

103)  ^\o.s>-%  My,i\  ^oji3  i  i^xju^  Z^^  m 


oüftl^^l    iuÄi' 


105)  ^^c^  -j^;^!  ^\^\  ^yf  3  ^xJLv;  vUr  rr. 

'^^A^^  L«i0U^j  j^J^^j]  »l;^-^^    ^^^)  e.^^5  Ä  »^^S  V^   ^^^ 

uy  jL2x^  107)  j^^  u^  ioJU^  ZÄ^  \rr 

jjCi*  ^j  (JiÄ3  108)  :iJ  ^^::>  Li^x^Jlj 

109)  ^^:^i  ^Lkii  j  i^JUj  Uü?  i^n 
^U^i  110)  ^^  ^  ^oüLm^  3ü?  i^rv 

111)  ^UJI  ^Jusif  J^  ^5  ^iJ^,  v^  »"^ 
11?)  juifyl^  ^1  i  ^ücJU^  ;;u?  I^f  I 


103)  U.  V.  ciulOJ^^I^.  —  lO/i)  A.  B.  C.  D.  S^JiÄ^%.  —  105)  U. 
»LxÄ'ilj.  __  106)  U.  vii^.  —  107)  L.  V.  ^Aop..  —  108)  H.  ^  statt 
^  (5^.  —  109)  V.  ^MU^^I.  —  HO)  B.  C.  goj4.3,  D.  H.  gJ^  .  - 
111)  A.  B.  C.  U.  ^tAAaJf,   H.  ^1^1.  —     11?)  U.  i^ilj^^. 


Flügel ,  über  AI  •  Kindi.  5 1 


•Ui  j  NAajUJi  j.i^:iii  ^  115)  B^^i  j,;:j^  ujur  i^fi 
ci^i^Jj^jii  117)  ^r 

> 


^tj  s-ÄßlyaJIj  JyJlj  gsJliJt^  öri-^b  ^ß;it  l^L  ^3  iUjL*«^  CÄ!x5^   M 


113)  A.  B.  C.  D.  L^yoUcj.  ~  114)  U.  J-^t  vl(;i  •  —  115)  V. 
^jjA<]^  —  116)  H.  ^.  —  117)  A.  D.  oyir,  ß.  C.  V.  B^.  —  118) 
Dieser  Titel  nur  in  H.     Er  ist  auch  hier  fremd. 


52  Flügel,  über  Al-Kindi. 

^  ti5ü3  121)  5vL  ^  US-  i^^t  oLLioCJI  120)  gL  g^  &JUJI 


So  der  Fihrist  und  ihm  nach  die  andern  uns  bis  jetzt  bekannten 
Quellen,  denen  vielleicht  noch  diese  oder  jene  Schrift  Kindi's  ent- 
gangen sein  konnte,  deren  Auffindung  wir  der  Zukunft  überlassen 
müssen.  —  Zweifelhaft  bleibt  es,  ob  ein  Bericht  über  die  religiösen 
Gebräuche  (jmW)  bei  den  Indiern,  den  der  Verfasser  des  Fihrist  in 
den  zweiten  Abschnitt  des  neunten  Buches  aufgenommen  hat,  von 
Kindi  selbst  herrührt  oder  von  irgend  einem  andern  Schriftsteller. 
Ihn  Abi  Ja'küb  an-Nadim  sagt  daselbst  nur,  er  habe  seinen  Be- 
richt aus  einem  Buche  entlehnt,  in  dem  die  Religionsparteien  (JJLo) 
und  die  religiösen  Gebräuche  der  Indier  beschrieben  würden,  und 
das  mitgetheilte  Capitel  aus  einem  Exemplare  copirt,  das  an  ei- 
nem Freitage  3.  Muharram  249  (26.  Febr.  863)  geschrieben  (d.  h. 
in  Abschrift  vollendet  worden)  sei.  Er  wisse  nicht,  wem  die 
Autorschaft  dieses  Berichtes  zukomme,  das  Buch  sei,  wie  ihn  des- 
sen Anblick  überzeuge,  von  der  Hand  des  Ja'küb  Bin  Ishak  al- 
Kindi  Buchstabe  für  Buchstabe  geschrieben,  und  es  laute  der 
wörtliche  Bericht  seines  Verfassers,  wie  nun  folgt  —    ^). 

Da  bereits  Ibn  Abi  Ja'küb  an-Nadim  zu  keiner  Gewissheit 
über  den  Verfasser  gelangte,  so  bleibt  auch  uns  derselbe  Zwei- 
fel übrig,  wenn  wir  nicht  den  ganz  materiellen  Grund  gelten  las- 
sen wollen,  dass  Kindi,  der,  wie  S.  19.  bemerkt,  eine  Anzahl 
Abschreiber  in  seinem  Dienst  hatte,  schwerlich  sich  Bücher  per- 
sönlich copirte,  woher  die  Annahme  nicht  ganz  fern  liegt,  dass, 
da  das  Buch  von  Anfang  bis  Ende  von  seiner  Hand  geschrieben 
war ,  er  auch  der  Verfasser  desselben  gewesen  sein  möge  2). 


I 


119)  A.  B.  Xixs  ^1  ^3.  —     120)  H.  L.  V.  &aJLc.  —     121)  V.  »An. 

1)  Auf  dieselbe  Stelle  machte  bereits  Reinaud  in  seinem  Memoire  geo- 
graphique,  historique  et  scientifique  sup  l'Inde  S.  23.  mit  den  Worten  aufmerk- 
sam: 11  (c'est  -  ä  -  dire  ,  l'auteur  du  Kitab  al- fihrist)  a  mis  ä  contribution  un 
ecrit  qui  etait  de  la  main  du  celebre  philosophe  Alkendi.  —  Reinaud  kommt 
im  Verlauf  seines  Memoire  wiederholt  auf  diesen  Bericht  zurück.  Vgl.  S.  288  flg. 
290.  292.  293  flg. 

2)  Reinaud  hält  an  der  blossen  Abschrift  fest.    Vgl.  S.  289. 


Flügel,  über  Al-KindL  53 

Was  sich  von  seinen  medicinischen  Schriften  in  den  euro- 
päischen Bibliotheken  nach  gedruckten  Verzeichnissen  findet,  ist 
von  Wüstenfeld  in  der  Geschichte  der  Arabischen  Aerzte  erwähnt, 
mehrerlei  Mathematisches  und  Astronomisches  von  üri  und  Nicoll, 
Anderes  ist  von  der  VeröfFentlichung-  der  Pariser  Cataloge  zu 
erwarten.  —  Im  Druck  erschien  wiederholt  seine  Schrift  De  me- 
dicamentis  compositis  ^),  und  eine  andere  De  pluviis  imbribus  et 
ventis;  ac  aeris  mutatione  *).  Ausserdem  wurden  durch  Gerar- 
dus  Cremonensis  lateinisch  übersetzt  sein  Liber  de  somno  et  vi- 
sione  ^)  und  De  ratione,  nicht  zu  verwechseln  mit  der  Schrift  De 
intellectu  ^)j  und  endlich  verzeichnet  Libri  ')  unter  den  persi- 
schen —  wahrscheinlich  eine  üebersetzung-  —  für  die  Veröffent- 
lichung- durch  die  Druckerei  der  Medici  in  Rom  vorbereiteten 
Werke  Alchindi  astronomica. 

unstreitig  ist  der  Nachtheil,  den  die  Wissenschaft  durch  den 
Verlust  eines  grossen  Theils  seiner  Werke  erfahren  hat,  grösser 
als  der  anerkannt  bedeutende  Gewinn,  den  die  erhaltenen  Schrif- 
ten der  Nachwelt  sicherten.  Gehen  wir  noch  einmal  die  einzel- 
nen Wissenschaftszweige  im  Geiste  durch,  wie  viel  begegnet  uns 
nicht,  worüber  weitere  Belehrung  aus  jener  Zeit  nach  vielen  Sei- 
ten hin  höchst  willkommen  sein  würde.  Ich  erinnere  beispiels- 
weise an  die  Abhandlung  nr.  214.  (S.  32.  vgl.  mit  S.  10.)  über 
den  im  J.  222  (837)  erschienenen  Cometen,  für  dessen  Berech- 
nung und  nähere  Kenntniss  sich  hier  eine  ganz  neue  und  beson- 
dere Quelle  aufthut.  —  üeberdiess  haben  sich  eigenthümliche  An- 
sichten überall  in  seinen  Schriften  geltend  gemacht.  Einen  Beleg 
auch  dafür  gewährt  uns  derselbe  Fihrist,  der  im  zweiten  Abschnitt 
des  siebenten  Buches  da  wo  er  weitläufig  von  Euclides  spricht, 
auch  des  Kindi  Schrift  über  die  Aufgabe,  die  Euclides  bei  Ab- 
fassung seines  Werkes  zu  lösen  suchte  ( s.  nr.  86.  S,  25. ), 
folgende  Stelle  aushebt:  „AI -Kindi  erwähnt  in  genannter  Ab- 
handlung)  dass  dieses  Buch  (die  Elemente  des  Euclides)  ein  Mann 
mit  Namen  xlpollonius  ^)  der  Zimmermann  (.L^UJt,  bezeichnender : 


3)  Vgl.  Wüstenfeld  a.  a.  0.  S.  22,  und  oben  nr.   157. 

4)  Venetiis  1507.  Ex  officina  Petri  Liechtenstein.  Klein  4.  18  Seiten  zu 
zwei  Columnen  und  ein  Titelblatt.     Vgl.  oben  nr.  78.  und  259. 

5)  S.  Recherches  critiques  sur  Tage  et  l'origine  des  traductions  latines 
d'Aristote.     Nouv.  edit.  par  Charles  Jourdain  S.   123. 

6)  Wenigstens  nach  Jourdain   a.  a.  0.    S.  123  (8*»)  und  320  flg. 

7)  S.  Hist.  des  sciences  mathematiques  en  Italic  I,  S.  246. 

8)  Der  Fihrist  schreibt  hier  ^j**.-a_a— l_ij ,  er  kennt  jedoch  die  Form 
(j«^j^^J^I ,  die  bei  ihm  mit  (jMyXjM  wechselt,  sehr  gut,  ein  neuer  Beweis, 
dass  die  Entscheidungsgründe ,  ob  die  Form  (j*»LjuIj  ^  {j/*yJuli  u.  s.  w.  den 
IVamen  Pliuius  oder  Apollonius  bezeiciine,  noch  von  wo  anders  hergeholt 
werden  müssen,  als  von  der   einer   unkritischen    Willkür   unterworfenen    oder 


54  Flügel,  über   Al-Kindi. 

der    Geometer)    verfasst    und     dasselbe    in    fünfzehn    Paragraphe 

geordnet  Labe  (^jÄ  ^.ixc  'iLw.^r>  k^j  »il).  Nachdem  nun  lange 
Zeit  seit  seiner  Abfassung  verflossen  war,  so  dass  man  dasselbe 
völlig  ausser  Acht  gelassen  hatte  (J^^-^ili) ,  fand  sich  einer  der 
Herrscher  von  Alexandrien  zum  Studium  der  Geometrie  hingezogen. 
Derselbe  lebte  zur  Zeit  des  Euclides,  dem  er  das  Buch  neu  zu 
redigiren  und  zu  erläutern  befahl.  Das  that  Euclides,  und  so 
wurde  ihm  die  Autorschaft  desselben  beigelegt»  Später  fand  Hy- 
psicles,  der  Schüler  des  Euclides,  zwei  Bücher  auf,  das  14te  und 
15te,  die  er  jenem  Fürsten  darbrachte.  Sie  wurden  dem  Werke 
beigefügt.     Alles  diess  trug  sich  in  Alexandrien  zu". 

Wir  scheiden  von  unserm  Philosophen,  der  eine  Zierde  je- 
der Akademie  gewesen  sein  würde,  mit  der  Bemerkung,  dass 
er  sich  trösten  möge,  wenn  die  philosophischen  Mystiker  des 
Orients  z.  B.  Ghazzäli,  der  Farabi  und  Ihn  Sinä,  oft  freilich 
nur  tadelnd,  gern  im  Munde  führt,  ihn  um  seiner  wissenschaft- 
lichen Nüchternheit  willen,  die  ihm  auch  die  Beschäftigung  mit 
den  zu  mystischen  Grübeleien  verführenden  Neu  -  Piatonikern  nicht 
rauben  konnte,  nicht  einmal  zu  nennen  für  werth  halten,  ein 
Schicksal,  dem  selbst  die  Brüder  der  Reinheit  (t]Jua}\  rj^t^O  ^^^^^ 
auf  so  rühmliche  Weise  entgangen  sind. 


verstümmelten  Transscription  dieser  Namen  bei  den  Arabern.  —  Vgl.  Ha^i 
Ch.  VII ,  S.  645,  —  S.  ausserdem  über  ApoUonius  Cas.  I ,  S.  384  flg.  und 
Wenrich  a.  a.  0.  S.  198  flg.,  wozu  ich  bemerke,  dass  weder  der  Fihrist  noch 
Ihn  al-Kufti  mit  irgend  einem  Worte  die  Lebenszeit  des  Apoilonius  näher 
berührt.  Der  Fihrist  sagt  gar  nichts,  bestätigt  aber  indirect  die  Angabe  des 
Ibn  al-Kufti,  der  ihn  älter  sein  lässt  als  Euclides.  S.  dagegen  was  Wenrich 
nach  der  Historia  Dynastiarum,  die  vereinzelt  dasteht,  a.  a.  0.  mittheilt. 
Auf  Erörterung  der  chronologischen  Frage  in  Betreff  der  Lebenszeit  des  Eu- 
clides und  ApoUonius  kann  ich  hier  nicht  weiter  eingehen. 


Leipzig,  Druck  von  W.  Vogel,   Sohn. 


Die 
Gäthä's    des    Zarathustra 


Erste  Abtheilung. 


Die  fünf  Oath^s 

oder 

Sammlungen  von  Liedern  und  Sprüchen 
Zarathustra's^ 

seiner  Jünger  und  Nachfolger. 


Herausgegeben,    übersetzt    und    erklärt 


Dr.  Martin  Haug, 

Privatdoceuten  der  orientalischen  Sprachen  an  der  Universität  Bonn. 


Erste  Abtheilung. 

Die   erste   Sammlung    (Gäthä    ahunavaiti)    enthaltend. 


Leipzig  1858 

in  Commission  bei  F.  A.  Brock  haus. 


^m  ^111 


Abhandlniig^eii 


der 


Deutschen  Morgenländischen  Gesellschaft. 


I.    Band. 


Sr.   Excellenz 

dem  Königlich-Preussischen  Wirklichen  Geheimenrathe 

Freiherrn   von    Bunsen 


als  ein  Zeichen 
inniger  Verehrung  und  Dankbarkeit 

g  e  w  i  d  m  e  t 

von  ileiii 

\'  0  I  r  a  s  s  e  r . 


V  o  r  w  o  r  t 


Lxx  den  dunkelsten  und  schwierigsten  Gegenständen  der  orien- 
talischen Alterthumsforschung  gehört  unstreitig  der  Zend- 
awesta,  das  angebliche  Werk  Zoroaster's.  Die  Schwierigkeiten 
liegen  nicht  bloss  in  der  Sprache,  zu  der  es  bis  jetzt  weder 
Grammatik  noch  Lexikon  giebt,  sondern  namentlich  auch  in 
dem  fragmentarischen  Zustande  der  einzelnen  Stücke  und  ihren 
grossen  Altersunterschieden.  Man  denke  sich  einzelne  Psal- 
men, einige  alte  Lieder,  wie  das  Deborahlied ,  einige  Stücke 
der  Propheten,  einige  Gesetze  des  Pentateuch,  sodann  grössere 
Stücke  der  Mischnah  und  Gemara  zu  einem  Ganzen  vereinigt, 
so  hat  man  eine  ungefähre  Vorstellung  von  der  Beschaffenheit 
des  Zendawesta.  Diese  grosse  Verschiedenheit  deutet  indess 
schon  der  Name  an,  der  richtiger  in  Awesta-Zend  umge- 
stellt werden  sollte.  Awesta  ist  die  Offenbarung,  die  eigent- 
liche heilige  Schrift,  Zend  dagegen  die  Auslegung  derselben, 
zu  welcher  noch  weitere  Ausdeutungen  ,  P  ä  z  e  n  d  genannt, 
kamen.  Diese  drei  verschiedenen  Arten  der  Litteratur  finden 
wir  in  den  uns  unter  dem  Namen  Zendawesta  überkommenen 
Schriften  der  Parsen  vereinigt.  Daher  ist  die  nächste  Auf- 
gabe der  Kritik,  diese  drei  dem  Alter  nach  so  verschiedenen 
Arten  des  religiösen  Schriftthums  der  Iränier  zu  scheiden,  was 
am  deutlichsten  und  besten  bei  dem  Gesetzbuche ,  dem  soge- 
nannten Vendidäd,  durchzuführen  ist.  Die  ganze  Sammlung  die- 
ser religiösen  Urkunden  ist  in  der  Sprache  des  alten  Baktriens, 
die  man  bis  jetzt  ganz  falsch  Zend  genannt  hat,  geschrieben; 
man  nennt  sie  weit  richtiger  baktrisch.  Von  ihr  treffen 
wir  zwei  Dialekte,  die  weit  mehr  der  Zeit  als  dem  Orte  nach 
verschieden   sind.     In   dem   altern  Dialekt   sind  nur  noch   sehr 


VIII  Vorwort. 

wenig  Stücke  vorhanden ;  weitaus  der  grösste  Theil  des  Zend- 
awesta  ist  in  dem  Jüngern  Dialekt  geschrieben. 

Das  Bedeutendste  und  Umfangreichste,  was  uns  in  dem 
altern  Dialekt  erhalten  ist ,  sind  fünf  kleine  Sammlungen  von 
Liedern,  Liederversen  und  einzelnen  Sprüchen,  Gäthä's  genannt, 
die  wir  im  jetzigen  Zendawesta  mit  einer  Sammlung  zum  Theil 
sehr  später  Gebete,  dem  sogenannten  Jacna  oder  Izeshne, 
vereinigt  finden;  sie  bilden  dort  die  Capitel  28—34;  43 — 46;  47 
— 50;  51;  53.  Obschon  die  ungemeine  Wichtigkeit  dieser  Stücke 
aus  den  spätem  Büchern  des  Zendawesta,  in  denen  sie  oft  als 
heiliges  göttliches  Wort  angeführt  sind,  Jedem  auf  den  ersten 
Blick  einleuchten  musste,  so  war  doch  bis  jetzt  von  Niemand 
eine  Erklärung  versucht  worden.  Anquetil's  Uebersetzung  kann 
nicht  gerechnet  werden ;  denn  sie  verdient  diesen  Namen  wenig- 
stens in  Betreff  dieser  altern  Stücke  sicherlich  nicht,  da  sie  ohne 
alle  Kenntniss  der  Grammatik  und  ohne  näheres  Verständniss 
der  Wortbedeutungen  meist  nur  durch  blosses  Rathen  nach  den 
höchst  unzuverlässigen  Angaben  der  P^rsenpriester  gemacht 
wurde;  keine  Zeile  ist  auch  nur  einigermassen  richtig  übersetzt. 
Burnouf,  dessen  Verdienste  für  den  Anfang  einer  richtigen 
Erkenntniss  des  Zendawesta  sonst  so  ausgezeichnet  sind  ,  hat 
nie  diese  Stücke  einer  Untersuchung  unterzogen;  er  wusste 
weder,  dass  sie  in  einem  abweichenden  Dialekt  verfasst  sind, 
noch  dass  sie  wirkliche  Verse  enthalten.  Der  Erste,  welcher  an 
gewissen  äusseren ,  leicht  auffallenden  Eigen thümlichkeiten  die 
Verschiedenheit  des  Dialekts  erkannte,  war  Spiegel;  die  Erklä- 
rung auch  nur  eines  einzigen  Stückes  versuchte  er  indess  bis  jetzt 
nicht.  Bei  dem  Mangel  einer  auf  sorgfältige  Vergleichung  nament- 
lich der  ältesten  und  wichtigsten  Handschriften  des  Jacna  sich 
stützenden  Ausgabe  des  Grundtextes,  war  es  Andern,  die  nicht 
im  Besitz  des  nöthigen  kritischen  Materials  waren,  nicht  wohl 
möglich,  in  diesem  noch  ganz  dunkeln  Gebiete  den  ersten  Schritt 
zu  wagen.  Diesem  üebelstande  half  Westergaard's  Ausgabe  des 
Zendawesta  ab,  deren  erstes  den  Jacna  enthaltendes  Heft  im  Herbst 
1852  erschien.  Dadurch  wurde  es  mir  mögUch,  das  Studium 
dieser  wichtigen  Urkunden,  wozu  ich  schon  vor  11  Jahren,  noch 
vor  Bezug  der  Universität,  den  festen  Entschluss  gefasst  hatte, 
ernstlich  und  mit  Aussicht  auf  einigen  Erfolg  zu  beginnen.  Die 
ersten  schwachen  Versuche ,  in  dieses  Dunkel  einzudringen, 
sandte  ich  im  Jahre  1853  an  die  Redaction  der  Zeitschrift  der 
Deutschen  Morgenländischen  Gesellschaft,  und  ich  muss  dem  treff- 


Vorwort.  IX 

liehen  Redacteur  derselben,  Herrn  Professor  Brock  haus,  vielen 
Dank  wissen,  dass  er  sie  damals,  zu  einer  Zeit,  wo  ich  mit 
Widerwärtigkeiten  aller  Art  zu  kämpfen  hatte,  die  Viele  für  im- 
mer von  so  schwierigen  Studien  zurückgeschreckt  haben  wür- 
den, aufnahm;  denn  eine  Verweigerung  hätte  mir  leicht  auch 
allen  Muth  rauben  können,  der  bei  derartigen  Arbeiten  das  erste 
und  unumgänglichste  Erforderniss  ist.  Seit  1853  setzte  ich  die 
schwierige  Arbeit  fort,  wobei  ich  mich  namentlich  der  Aufmun- 
terung meines  hochverehrten  Lehrers,  des  Herrn  Professors  Ewald, 
zu  erfreuen  hatte,  und  jetzt,  nach  fünf  Jahren  der  mühseligsten 
Forschung,  sehe  ich  dieselbe  so  weit  gefördert,  dass  ich  einen 
die  Gathä's  nach  allen  Seiten  umfassenden  Erklärungsversuch 
hiemit  veröffentlichen  kann.  Ich  will  nun  im  Nachfolgenden  kurz 
Rechenschaft  über  meine  Methode  und  Hilfsmittel  geben. 

Um  in  den  Sinn  dieser  alten  Urkunden  einzudringen,  deren 
Verständniss  schon  seit  vielen  Jahrhunderten  verloren  gegangen, 
schlug  ich  folgenden  Weg  ein.  Ich  sammelte  zunächst  wo  mög- 
hch  alle  Wörter  des  Zendawesta  mit  Angabe  der  Stellen,  soweit 
diess  nicht  schon  in  dem  Index  der  Brockhaus'schen  Ausgabe 
des  Vendidad-sade  geschehen  war,  und  suchte  dann  aus  der 
Vergleichung  der  Parallelstellen  den  Sinn  eines  Worts  zu  erschlies- 
sen;  aber  weil  derselben  meist  zu  wenige  sind  und  der  Zusam- 
menhang der  einzelnen  Worte  in  ihnen  oft  schwer  zu  erkennen 
ist,  so  konnte  ich  auf  diesem  Wege  kaum  ein  halbes  Verständ- 
niss gewinnen.  Glaubte  ich  so  der  Bedeutung  eines  Worts  oder 
einer  Form  auf  die  Spur  gekommen  zu  seyn,  so  versuchte  ich 
eine  Ableitung  und  zwar  zunächst  aus  dem  Baktrischen  selbst. 
Konnte  die  aus  der  Vergleichung  der  Parallelstellen  erschlossene 
Bedeutung  durch  eine  regelrechte  Etymologie  begründet  werden, 
so  schien  mir  das  Resultat  schon  weit  sicherer,  aber  doch  nicht 
immer  sicher  genug,  um  mich  dabei  beruhigen  zu  können.  Ich 
suchte  weitere  Hilfe  in  den  Liedern  des  Rigweda,  die  ebenso  alt 
wie  die  Gäthä's  und  in  einer  nur  dialektisch  verschiedenen 
Sprache  abgefasst  sind.  Sie  sind  für  diese  Untersuchungen  so 
wichtig,  dass  ohne  eine  eingehende  Benutzung  derselben  ein  wirk- 
liches Verständniss  der  Gäthä's  ein  Ding  der  Unmöglichkeit  seyn 
würde.  Aber  das  Verständniss  dieser  Hymnen  ist,  wenn  auch 
lange  nicht  so  schwierig  als  das  der  GäthA's,  keineswegs  auf 
eine  sonderlich  leichte  Art  zu  gewinnen.  Auch  hier  muss  man 
sich  vor  allem  zu  dem  mühseligen  Sammeln  von  Stellen  ent- 
schliessen,   da  es  noch  kein  vollständiges  Wörterbuch  oder  Re- 


X  Vorwort. 

gister  zu  dem  Rigweda  giebt.  Bei  diesem  zeitraubenden  Geschäft 
hatte  ich  mich  der  Hilfe  meines  lieben  Freundes,  Gottlob  Wil- 
helm Hermann,  Stadtvikars  in  Wildbad,  eines  trefflichen  Sans- 
kritkenners, zu  erfreuen,  der  mir  ein  Glossar  zum  ersten,  zwei- 
ten, dritten  und  siebenten  Buche  des  Rigweda  anfertigte.  Ich 
spreche  ihm  hiemit  öfTentlich  meinen  besten  Dank  für  seine 
viele  Mühe  aus.  Die  Bedeutung  der  Wedaworte  suchte  ich  auf 
dieselbe  Weise,  wie  bei  den  GäthA's,  durch  Vergleichung  der 
einzelnen  Stellen  und  durch  Etymologie  zu  ermitteln ;  so  weit 
das  neue  Petersburger  Sanskritwörterbuch  vorliegt,  konnte  ich 
dieses  hiezu  benutzen.  Indess  blieb  ich  beim  Weda  nicht 
allein  stehen,  sondern  sah  mich  auch  in  den  leider  nur  sehr 
geringen  Ueberresten  der  Sprache  der  ersten  Keilschriftgattung, 
gewöhnlich  altpersisch  genannt  (richtiger  ist  der  Name  arisch, 
wie  sie  in  der  turänischen  Uebersetzung  der  Bisutuninschrift 
heisst) ,  sowie  in  den  jüngeren ,  dem  Baktrischen  nächstver- 
wandten Sprachen,  dem  Pärst  {Mittelpersisch)  und  dem  Neu- 
persischen  und  Armenischen  um.  Die  Rücksichtnahme 
auf  die  Sprachen  der  iranischen  Familie  war  um  so  nothwen- 
diger,  als  sie  mit  den  beiden  Dialekten  des  Zendawesta  eine 
eigene ,  von  dem  Sanskrit  geschiedene  Sprachfamilie  bilden, 
welche  die  Wortbedeutungen  oft  merklich  geändert  hat.  Die 
Benutzung  der  neuern  Sprachen  dieser  Familie  für  die  Erklärung 
des  Zendawesta  hat  indess  grosse  Schwierigkeit,  da  die  altern 
grammatischen  Formen  in  ihnen  bis  auf  einen  unbedeutenden 
und  fast  unkenntlich  gewordenen  Rest  verloren  gegangen  sind, 
und  die  Gestalt  der  einzelnen  Worte,  deren  sich  glücklicherweise 
noch  eine  grosse  Anzahl  gerettet  hat,  oft  so  verstümmelt  ist, 
dass  kaum  ein  sicherer  Schluss  auf  ihren  Ursprung  gemacht 
werden  kann.  Noch  mehr  Vorsicht  erheischt  das  Armenische, 
das  nur  ein  Anhängsel  der  iranischen  Famihe  ist ,  aber  öfter 
recht  gute  Dienste  leisten  kann. 

Nachdem  ich  auf  diesem  mühevollen  Wege  der  Vergleichung 
und  sprachlicher  Combinationen  zu  wiederholten  Malen  die  Gathä's 
durchgegangen  hatte  und  schon  zu  einem  grossen  Theil  meiner 
in  dieser  Schrift  dargelegten  Ergebnisse  gelangt  war,  kam  ich 
endlich  im  Herbst  1856  auch  in  den  Besitz  der  traditionellen 
Hilfsmittel.  Bei  meinem  mir  durch  Se.  Excellenz,  Freiherrn  von 
Bunsen,  meinen  hochverehrten  Gönner,  ermöglichten  Aufenthalt 
zu  Paris  copirte  ich  den  die  Gathä's  umfassenden  Theil  der 
Sanskritübersetzung  des  Jacna,  die  den  Namen  Neriosengh's  führt, 


Vorwort.  XI 

nach  der  Burnouf  sehen  Handschrift.  Die  übrigen  auf  der  Biblio- 
thöque  imperiale  vorhandenen  Abschriften  waren  so  verdorben, 
dass  fast  gar  kein  Gebrauch  davon  geaiacht  werden  Itonnte. 
Auch  die  Burnouf 'sehe  war  noch  fehlerhaft  genug;,  daher  war  es 
mir  nicht  möglich,  eine  fehlerfreie  Copie  zu  erhalten;  denn  nach 
blossen  Conjecturen  wollte  ich  den  Text  nicht  verändern;  ausser- 
dem habe  ich  die  orthographischen  Eigenthümlichkeiten  in  Betreff 
der  euphonischen  Gesetze,  weil  sie  öfter  fast  durchgängig  sind, 
beibehalten.  Dieses  neue  Hilfsmittel,  das  indess  nicht  immer  leicht 
zu  verstehen  ist,  suchte  ich  theils  für  meine  weitern  Forschungen 
auszubeuten,  theils  zur  Berichtigung  der  schon  gemachten  zu  be- 
nutzen. Ich  fand  aber  sehr  bald,  dass  dieser  Uebersetzer  (oder 
diese  Uebersetzer),  der  vor  6 — 800  Jahren  gelebt  haben  mag, 
durchaus  kein  richtiges  Verständniss  dieser  uralten  Stücke  hatte, 
und  dass  bloss  mit  seiner  Hilfe  nie  auch  nur  ein  einziger  Vers 
richtig  erklärt  werden  könnte.  Es  ist  weder  genaue  Kenntniss 
der  Grammatik ,  noch  der  einzelnen  Wortbedeutungen  bei  ihm 
zu  suchen,  denn  er  hatte  weder  eine  sichere  Tradition,  noch 
verstand  er  sich  auf  eine  gesunde  Etymologie;  Verwechslung 
von  Casus  und  Verbalpersonen,  monströse  Wortableitungen  (wie 
anäis,  Instrum.  plur.  eines  Pronomens  ana,  also  durch  diese, 
von  i,  gehen,  -H  a  privat.)  sind  bei  ihm  ganz  gewöhnlich. 
Seine  üebersetzung  ist  meist  streng  wörtlich  und  daher  im 
Zusammenhang  häuüg  gar  nicht  zu  verstehen;  überall  sind  durch 
das  Wörtchen  kila  eingeleitete  Erklärungen  eingestreut,  die  oft 
als  aus  der  spätem  parsischen  Anschauung  erwachsen  Vorstel- 
lungen in  diese  alten  Texte  hineintragen,  die  ihnen  nachweislich 
ganz  fremd  sind.  Da  dieselbe  auf  der  Pehlewi-  oder  Huzüresch- 
version  beruht,  deren  ich  nicht  habhaft  werden  konnte,  so  kann 
sie  erst,  wenn  diese  gedruckt  vorliegt,  ganz  richtig  beurtheilt 
werden.  Dessenungeachtet  brachte  sie  mir  vielen  Gewinn,  wenn 
auch  sehr  selten  in  positiver,  doch  sehr  häufig  in  negativer  Be- 
ziehung. Ehe  ich  in  den  Besitz  Neriosengh's  gelangte,  war  ich 
ganz  allein  auf  meine  eigenen  Combinationen  angewiesen  und 
hatte  aus  diesen  die  mir  am  richtigsten  scheinende  auszuwählen. 
Sowie  er  mir  aber  zur  Hand  war,  hatte  ich  doch  einen  Vor- 
gänger, dessen  Deutung  mich  zu  weiterer  Untersuchung  reizte, 
indem  ich  ihn  zu  widerlegen  und  eine  andere  Erklärung  zu  be- 
gründen suchte,  und  durch  den  ich  auf  diese  Weise  häufig  zu 
neuen  und  glücklichern  Combinationen  geführt  wurde.  Da  von 
seiner  Üebersetzung  der  Gathä's  noch  gar  nichts  gedruckt  ist. 


XII  Vorwort. 

so  hielt  ich  es  nicht  für  unpassend,  grössere  und  kleinere  Stellen 
daraus  im  Commentar  mitzutheilen  und  theilweise  zu  übersetzen. 

Die  vorliegende  Schrift,  deren  erster  Theil  jetzt  der  Oeftent- 
keit  übergeben  wird,  enthält  nun  die  vielfach  gesichteten  und 
geläuterten  Resultate  meiner  jahrelangen  anhaltenden  Forschun- 
gen auf  diesem  Gebiete.  Wie  sehr  ich  bemüht  war ,  meine 
Arbeit  selbst  zu  verbessern,  kann  Jeder  leicht  an  einer  Verglei- 
chung  meiner  ersten  Aufsätze  über  das  44.  Capitel  (Zeitschrift 
der  D.  M.  G.  1853)  mit  der  jetzigen  Behandlung  dieses  schwie- 
rigen Stückes  sehen.  Ich  konnte  oft  nur  nach  langen  Irrgängen 
und  nach  wiederholten  Versuchen  in  den  Sinn  eines  Wortes  oder 
eines  Verses  eindringen;  ich  scheute  vor  keiner  Mühe  zurück, 
da  ich  vor  allem  einen  Grund  zur  richtigen  Erkenntniss  dieser 
hochwichtigen  Ueberreste  einer  grauen  Vorzeit  legen  wollte.  Bei 
diesem  Streben  fand  ich  aber  bald,  dass,  um  ein  wirkliches 
Verständniss  zu  erzielen ,  man  nicht  bloss  einzelne  Worte  und 
Formen  erklären,  sondern  auch  sowohl  den  Sinn  und  Zusam- 
menhang der  einzelnen  Verse  unter  sich,  als  auch  grösserer 
Stücke  ergründen  müsse.  Dieser  Theil  der  Arbeit  war  noch 
schwieriger,  als  der  rein  spracMiche,  da  die  Verse  häufig  gar 
nicht  miteinander  zusammenhängen ,  sondern  nur  Bruchstücke 
verloren  gegangener  Lieder  sind.  Bei  manchen  wird  der  eigent- 
liche Sinn  vielleicht  für  immer  dunkel  bleiben;  auf  viele  werden 
spätere  Forschungen  auch  Anderer  noch  weiter  Licht  werfen. 
Die  Resultate  meiner  eigenen  Bemühungen  in  dieser  Hinsicht 
sind  in  den  Specialeinleitungen  zu  jedem  Stück  niedergelegt  und 
weiter  in  die  Einleitung  zum  Ganzen  übergegangen. 

Den  Urtext  habe  ich,  um  die  Schrift  nicht  zu  vertheuern, 
in  lateinische  Buchstaben  umschrieben ;  das  Nähere  über  die  Um- 
schreibung wird  die  Grammatik  bringen.  Bei  der  Herstellung 
des  Textes  legte  ich  die  vortreffliche  Ausgabe  Westergaard's  zu 
Grunde,  der  mit  Recht  dem  alten  Kopenhagener  Codex  5.  den 
entschiedensten  Vorzug  gegeben ;  ausserdem  benutzte  ich  die 
ßrockhaus'sche  Ausgabe  mit  den  Varianten  der  Bombayer  Edi- 
tion, die  von  Westergaard  so  gut  wie  gar  nicht  berücksichtigt 
wurden;  dieselbe  ist  durch  Bf.,  die  Varianten  sind  durch  Bb.  be- 
zeichnet. Von  blossen  Conjecturen,  zu  denen  in  einem  so  dunkeln 
Gebiet  die  Versuchung  sehr  nahe  hegt,  suchte  ich  mich  möglichst 
fern  zu  halten.  Meine  Aenderungen,  über  die  jedesmal  im  Com- 
mentar Rechenschaft  gegeben  ist,  stützen  sich  meist  auf  handschrift- 
liche Autorität,  in  welcher  Beziehung  ich  aber  leider  zum  grössten 


Vorwort.  XIII 

Theil  nur  auf  die  wenigen  kargen  kritischen  Noten  der  Wester- 
gaard'schen  Ausgabe  bescliränkt  war.  Der  Zustand  der  Texte 
des  Jacna  ist  indess  ein  entschieden  besserer,  als  der  der  übri- 
gen Theile  des  Zendawesta,  und  in  dieser  Beziehung  wenigstens 
ist  die  Forschung  etwas  erleichtert.  Das  Metrum  der  Verse  ist 
öfter  gestört  und  bietet  zu  einer  kritischen  Textesconstitution  nur 
geringe  Hilfe,  Um  das  Studium  zu  erleichtern,  hielt  ich  es  nicht 
für  unpassend,  dem  Urtext  eine  wörtliche  lateinische  Ueber- 
setzung  gegenüber  zu  stellen.  In  der  deutschen  Uebersetzung 
erlaubte  ich  mir  etwas  mehr  Freiheit,  aber  es  war  mir  einer- 
seits bei  dem  so  fragmentarischen  Zustand  des  Ganzen,  anderer- 
seits bei  den  so  neuen,  in  den  Gäthä's  enthaltenen  Ideen  nicht 
wohl  möglich,  eine  gut  lesbare  zu  liefern;  ich  hätte  zu  viel  um- 
schreiben müssen.  Aus  diesem  Grunde  schien  mir  noch  eine 
besondere  Paraphrase  nothwendig,  die  ich  in  der  Einleitung  zu 
jedem  einzelnen  Stücke  gegeben  habe.  Mit  Hilfe  dieser  wird 
Jeder  die  GMhä's  ebenso  weit  verstehen  lernen  können,  als  ich 
sie  selbst  verstehe.  Alles  Kritische  und  Philologische  ist  in  den 
Commentar,  die  eigentliche  Grundlage  der  ganzen  Arbeit,  ver- 
wiesen. Eine  besondere  Abhandlung,  die  dem  zweiten  Heft  bei- 
gegeben wird,  verbreitet  sich  über  Namen  und  Stellung  der 
Gathä's  im  Zendawesta  ,  Beschaffenheit  und  Anordnung  dieser 
Sammlungen,  Sprache  und  Metrum,  Dichter  und  Zeitalter,  sowie 
über  Zarathustra's  Person,  seine  ersten  Jünger,  seine  Lehre  und 
ihr  Verhältniss  zum  Volksglauben.  Da  aus  ihr  die  letzten  und 
für  die  Entstehung  und  erste  Ausbildung  der  Zarathustrischen 
Religion  wichtigsten  Resultate  am  leichtesten  ersehen  werden 
können,  so  halte  ich  es  nicht  für  unpassend,  dieselben  hier  am 
Eingange  kurz  zusammenzustellen;  die  Beweise  dafür  sind  dort 
nachzulesen. 

Die  fünf  GäthA's  sind  fünf  kleine,  an  Umfang  verschiedene 
Sammlungen  alter  Lieder,  Liederverse  und  metrischer  Sprüche, 
in  einem  von  der  gewöhnlichen  Sprache  des  Zendawesta  abwei- 
chenden altern  Dialekte  verfasst,  der  sich  als  gleich  alt  und 
aufs  nächste  verwandt  mit  der  Sprache  der  wedischen  Lieder- 
sammlungen erweist ;  ebenso  finden  wir  im  Wesentlichen  die 
wedischen  Metra  wieder.  Sie  sind  weitaus  die  ältesten,  wich- 
tigsten und  bedeutendsten  Stücke  des  Zendawesta.  Einige 
der  Lieder  haben  unzweifelhaft  Zarathustra  selbst  zum  Verfasser; 
so  z.  B.  die  Capitcl  30.  32  aus  der  ersten  Sammlung ;  am  mei- 
sten echt   Zarathustrisches   enthält  die    zweite :    die   vierte   und 


XIV  Vorwort. 

fünfte  dagegen  nichts.  Die  übrigen  Stücke  sind  von  seinen  Jün- 
gern und  zum  Theil  von  noch  spätem  Nachfolgern;  vielleicht 
finden  sich  auch  Verse  von  Vorgängern  Zarathustra's.  Zur  an- 
nähernden Bestimmung  des  Zeitalters  ihrer  Abfassung  und  somit 
von  Zarathustra's  Auftreten  lassen  sich  folgende  Thatsachen  er- 
mitteln: 1)  Der  Ackerbau  war  damals  erst  im  Entstehen  be- 
griffen und  noch  eine  ganz  neue  Sitte.  2)  Mit  derselben  oder 
kurz  vor  ihr  war  auch  eine  neue,  ihr  feindliche  Religion  aufge- 
kommen, die  Verehrung  des  Indra  und  seiner  Götterschaaren, 
die,  von  dem  berauschenden  und  betäubenden  Somatrank  be- 
gleitet, einen  wilden ,  kriegerischen  Charakter  hatte  und  den 
friedlichen  alt-arischen  Feuerdienst,  wie  er  von  den  Caoskjantö 
gepflegt  wurde,  sowie  den  alten  Glauben  an  gute  Genien  des 
Lebens  in  den  Hintergrund  zu  drängen  suchte.  3)  Diese  neuen 
Elemente  erzeugten  einen  gewaltigen  und  blutigen  Kampf  unter 
den  alten  Ariern,  der  in  bürgerlicher  Beziehung  zwischen  Acker- 
bauern und  Nomaden,  in  rehgiöser  aber  zwischen  den  Anhän- 
gern der  alten  und  der  neuen  Rehgion  geführt  wurde.  Die 
Ackerbauer  bheben  dem  alten  Glauben  treu,  die  Nomaden  da- 
gegen huldigten  dem  neuen  Göt-terdienst.  4)  Der  bekämpfte 
Bruderstamm  sind  die  wedischen  Inder  vor  der  Auswanderung 
ins  Gangesland.  Die  Priester  der  bekämpften  Götter  heissen 
Kavi's,  ein  älterer  Name  als  Brähmana,  und  werden  als  Ur- 
heber alles  Trugs  und  Verderbens  geschildert.  5)  Der  Weda 
kennt  diesen  Kampf,  diese  Anfeindung  des  Indra  und  seines 
Somatranks  ebenfalls;  die  Feinde  heissen  Kaveri  oder  Ka- 
väsakha,  d.  i.  Anhänger  des  Kavä,  welches  Wort  aus  dem 
ominösen  Kavi ,  das  seit  Alters  Ehrenname  der  vornehmsten 
iranischen  Geschlechter  war,  von  den  Anhängern  Zarathustra's 
absichtlich  so  umgeändert  wurde.  6)  Der  Hauptführer  und 
Prophet  der  Ackerbauer  und  Anhänger  des  Feuerdienstes, 
der  eifrigste  Bekämpfer  des  Götterdienstes,  war  Zarathustra. 
7)  Unter  dem  volksthümlich  verderbten  Namen  G'aradashti 
ist  er  im  Weda  erwähnt,  aber  dort  schon  eine  halb  verklun- 
gene  Persönhchkeit.  Die  muthmassliche  Schätzung  seines  Zeit- 
alters führt  auf  2000  vor  Christo.  Seine  Heimat  war  Baktrien. 
Er  gehörte  der  Famiüe  der  Haöcat-acpa's  an,  die  bei  den  irani- 
schen Stämmen  das  Richteramt  verwaltet  zu  haben  scheint.  Er 
tritt  auf  Befehl  Ahura-mazda's  auf,  dessen  Offenbarungen  er 
hörte;  der  von  ihm  für  dieselben  gebrauchte  Ausdruck  Craosha, 
d.i.  das  Hören,   wurde  sehr  früh  personifizirt  und  als  Genius 


Vorwort.  XV 

gefasst.  Zarathustra  verkündet  auch  die  Sprüche  des  Erdgeistes, 
ist  Dolmetscher  seiner  Geheimnisse  und  predigt  den  Ackerbau. 
Aber  er  wollte  nicht  bloss  diese  neue  Sitte  und  den  alten  Feuer- 
dienst erhalten,  sondern  er  suchte  den  Volksglauben  auch  zu 
läutern  und  zu  vergeistigen.  Die  Vorstellung  von  guten  wohl- 
thätigen  Geistern,  den  Ahura's  mazda's,  d.  i  den  Lebendigen, 
Weisen,  brachte  er  mehr  auf  eine  Einheit,  d.  h.  auf  einen 
Ahura-mazda,  wobei  ihm  der  Volksglaube  an  einen  weissen 
Geist  (cpeiito  mainjus)  zu  Hilfe  kam.  Das  wesentlich  Neue 
indess,  wodurch  er  der  iranischen  Rehgion  auch  ein  ganz  neues 
und  unterscheidendes  Gepräge  gab  und  dadurch  ein  eigentlicher 
Religionsstifter,  so  gut  wie  Buddha,  wurde,  war  die  rein 
philosophische  Lehre  von  zwei  Urkräften,  Seyn  und  Nicht- 
seyn,  Anfang  und  Ende,  die  sich  namentlich  in  der  Dreiheit 
von  Gedanken,  Wort  und  That  als  Wahres  und  Gutes,  so- 
wie als  Lüge  und  Böses  offenbaren,  die  strenge  Scheidung  des 
physischen  und  geistigen  Lebens,  der  ursprünglichen 
angeborenen  Weisheit  und  der  menschlichen  Erfah- 
rungsweisheit. Das  Princip  des  Seyns  war  indess  anfänglich 
durchaus  nicht  identisch  mit  Ahura-mazda,  sondern  ist  als  VphA_ 
manö,  guter  Sinn,  später  einer  der  himmlischen  Geister  ge- 
worden. Während  Zarathustra  die  Volksvorstellungen  von  guten 
Geistern  und  insbesondere  die  von  einem  weissen  Geist  läu- 
terte und  daraus  den  Begriff  eines  persönlichen  Gottes,  Ahura- 
mazda,  bildete,  that  er  nicht  dasselbe  mit  dem  Volksglauben  an 
böse  Geister  und  insbesondere  an  einen  schwarzen  Geist 
(atirö  mainjus).  Er  suchte  in  Betreff  des  Bösen  die  Personifica- 
tion  möglichst  zu  vermeiden  und  bewegte  sich  meist  nur  in  ab- 
stracten  Begriffen,  wie  nichtiger  Sinn,  Nichts,  Nichtseyn, 
Lüge,  Verläumdung  u.  s.  w.;  Ahriman,  der  leibhaftige  Teufel 
und  Fürst  der  Finsterniss,  der  Gegner  Ahura-mazda's  von  Ur- 
beginn,  ist  erst  ein  Gebilde  der  Nachfolger  Zarathustra's,  her- 
vorgegangen aus  dem  Volksglauben  an  einen  schwarzen  Geist 
und  dem  Zarathustrischen  Grundprincip  des  Nicht  seyns.  Die 
Verehrung  und  Personification  von  blossen  Begriffen,  welche  eine 
Haupteigenthümlichkeit  des  P^rsismus  bildet,  hat  ihren 
Ursprung  in  der  Philosophie  des  Stifters. 

Die  sprachlichen  Resultate  werden  in  einer  kleinen ,  den 
altern  Dialekt  behandelnden  Grammatik  und  in  einem  Glossar 
übersichtlich  zusammengestellt.  Das  zweite  Heft  ist  vollendet 
und  kann  in  Bälde  folgen. 


<1 

• 


XVI  Vorwort. 

Ist  CS  mir  nun  gelungen,  einige  Lichtstrahlen  in  diese  dun- 
keln ,  aus  einer  viertausendjährigen  Vergangenheit  geretteten 
Bruchstücke  der  echten  Lieder  Zarathustra's,  seiner  Jünger  und 
ersten  Nachfolger  zu  werfen  und  zum  erstenmal  wirklich  die 
Siegel  zu  brechen,  mit  denen  sie  seit  mehreren  Jahrtausenden 
verschlossen  waren,  so  bin  ich  reichlich  entschädigt  für  die  un- 
sägliche Mühe  und  die  grossen  Opfer,  die  ich  der  Sache  bringen 
musste.  Weit  entfernt,  zu  meinen,  dass  die  Erklärung  dieser 
Stücke  schon  bis  auf  einen  gewissen  Grad  zum  Abschluss  ge- 
bracht sey,  weiss  ich  recht  wohl,  wie  viel  hier  noch  zu  thun 
ist  und  wie  vieles  von  meinen  Resultaten  noch  vervollständigt 
und  berichtigt  werden  muss;  aber  einige  Erleichterung  wird 
meine  Arbeit  hoffenthch  Jedem  gewähren,  der  sich  in  dieses 
Gebiet  wagen  will;  denn  ich  glaube  doch  etwas  mehr  als  eine 
Sammlung  von  blossen  Einfällen  und  etymologischen  Spielereien 
gegeben  zu  haben.  Zu  tadeln  ist  sicher  Vieles,  aber  das  Besser- 
machen ist  hier  eine  etwas  schwere  Kunst,  sowie  es  sich  über 
einzelne  Worte  hinauserstreckt. 

Möge  diese  Arbeit,  der,  der  Natur  der  Sache  nach,  noch 
^el  Härten  und  Mängel  ankleben,  als  Beitrag  zu  einer  richtigen 
Würdigung  der  Zarathustrischen  Religion  eine  wohlwollende 
Aufnahme  finden! 

Heidelberg,  den  16.  April  1858. 

Der  Verfasser. 


(Erfte  Sammlung, 


Gäthä    ahunayaiti 

Ja^na  capp.  28 — 34. 


Abhandl.  der  DMG.    I,  3. 


/ 


I. 

Gäthä    ahunavaiti. 

(Japia  capp.  28 — 34.) 

1.     (28.) 

1.  Jdmm  mano  jdnim  vaco  jdnim  slijaothnem  ashaonu 
Zarathustrahe.      Frd  ameshd  gpentd  gdthdo  geurvdiji. 

Nemo  vB  gdthdo  ashaoms. 

2.  Ahjd  jdgd  nemanhd  u^tdnaza^tö  rafedhrahjd 

Manjeus  Mazddo  paourvim  ^pentahjd  ashd  vi^peilg  skjaothnd 
VanhBus  khratum  mananho  jd  khshnmshd  geiiscd  urvdnem. 


Je  vdo  Mazdd  ahurd  pairi-ga^di  vohii  mananhd 
Maibjo  ddvoi  ahvdo  a^tvata^cä  hjatcd  mananho 
Ajaptd  ashdt  hacd  jdis  rapentö  daidit  qdihre. 


4.    Je  vdo  Ashd  ufjdni  mana^cd  vohü  apaourvim 

Mazddmcd  ahurem  jaeibjo  Khshathremcd  agzaonvamnem 
Varedaiti  Armaitis  d  moi  rafedhrdi  zaveiig-ga^atd. 


5.  Je  urvdnem  men-gairim  vohü  dade  hathrd  mananhd 
Ashiscd  skjaothananäm  vidus-Mazddo  ahurahjd 
Javat  igdi  tavdcd  avat  kh^di  aeshe   ashahjd. 

6.  Ashd  kat  thwd  daret^dni  mana^cd  vohü  vaedimno- 
gdtümcd  ahurdi  gevütdi  ^raoshem  Mazddi 

And  mäthrd  mazütem  vduroimaidi  khraf^trd  hizvd. 


I. 

Carmen  quod  ahunavaiti  dicitur. 

1.     (28.) 

1.  Manifestata  cogitatio,  manifestata  vox,  manifestata  actio  ve- 
racis  Zarathiistrae.     Praecinuerunt  Immortales  Sancti  carmina. 

Laus  vobis,  carmina  veracia! 

2.  Hujus  adorare-velim  laude  erectas-manus-habens  fortunae  (ad 
haue  fortunam  adipiscendam)  Spiritus  Sapientis  primum  sancti 
Vera  omnia  facta,  bonae  intelligentiam  mentis  :  quae  colam 
terraeque     animam. 

3.  Qui  vos-duos,  Sapiens  vive!  circumibo  (venerabor)  bona  mente 
mihi  donationi  (ut  mihi  detur)  duarum-vitarum  et  existentis  et 
ejus,  quae  est  mentis ;  comparanda  Veri  causa  (Veritatis  ope) 
ea  sunt  quibus  tenentes  (studentes)  donabat  suum-ignem-ha- 
bens. 

4.  Qui  vos-duos.  Verum  praedicem,  Mentemque  bonam,  non-pri- 
mum,  Sapientemque  vivum,  cum  quibus,  et  Regnum  nondum- 
adoratum,  defendens  Pietas  ad  me  fortunae  (auxilio)  voca- 
tione-veniat. 

5.  Qui  animam  terrae  mente-laudem-habentem  bona  facio  simul- 
cum  mente  Veritatesque  actionum  gnari-Sapientis  vivi;  quam- 
diu  colam  vos  poteroque  tamdiu  ero  in-investigatione  Veri. 

6.  Vere!  quid  (quomodo)  te  videre-volo  Mentemque  bonara  ape- 
rientem-viamque  vivo  fortissimo  ^raoshem  Sapienti!  lUo  car- 
mine  maximum  propulsemus  carnem-devorantes  Daemones  lin- 
gual dicto. 

1* 


[  Hang,  die   Gdthas  des  Zarathtistra.   I. 

7.  Vohü  giiidi  mananhd  ddidl  asha-ddo  daregdjü 

Ereshväis  tu  ukhdhdis  Mazdd  Zarathustrdi  aogonhvat  rafeno 
Ahmaibjdcd  ahiird  jd  daibishvato  dabaeshdo  taurvajdmd. 

8.  Ddidi  Ashd  tarn  ashim  vanheus  djaptd  mananho 
Ddidl  tu  Armaiti   Vistdgpdi  tshem  maibjdcd 

Ddo^-tü  Mazdd  khshajdcd  jd  ve  mdthrd  ^revimd  rdddo. 

9.  Vahistem  thwd  vahistd  jem  Ashd  vahistd  hazaoshem 
Ahurem  jd^d  vdunus  naroi  Frashaostrdi  maibjdcd 
Jaeibja^cd  it  rdonhanhoi  vigpdi  jave  vanheus  mananho. 

10.     Andis  vaonait   Ahurd-mazdd   Ashemcd  jdndis  zaranaemd 
Managcd  hjat  vahistem  joi  ve  joithemd  da^emB  ^tütäm 
Jüzem  zevistajdonho  isho  khshathremcd  gavanhdm. 


11.  At  jeng  Ashdafcd  voigtd  vanheuscd  ddtheng  Mananho 
Erethweng  Mazdd  ahurd  aeibjo  perend  dpandis  kdmem 
At  ve  khshmaibjd  ag-ünd  vaedd  qarethjd  vaifitjd  gravdo. 


12.    Je  dis  ashem  nipdonhe  managcd  vohü  javaetdite 

Tvem  Mazdd  ahurd  fr 6  md  gishd  thwahmdt  vaocanhe 
Majijeus  hacd  thwd  ee  donhd  jdis  d  anhus  paourujo  bavat. 


2.    (29.) 

1.  Khshmaibjd  geus  urvd   gerezdd   kahmdi  md    thwarozdum    ke   md 

tashat 
A  md  aeshemo  hazagcd  remo-dhushd  jd  darescd  taviscd 
Nöit  moi  vdgtd  khshmat  anjo  athd  moi  gdgtd  vohil-vdgtrjd. 

2.  Ada  tashd  geus  peregat  Ashem  kathd  toi  gavoi  ratus 
Hjat  Mm  ddtd  khshajanto  hadd  vdgtrd  gaoddjo  thwakhsho 
Kern  hoi  ustd-ahurem  je  dregvodibis  aeshemem  vdddjoit. 

3.  Ahmdi  ashd  noit  garegd  advaesho  gavoi  paiti-mravat 
Avaeshäm  nöit  viduje  jd  shavaite  ddreng  ereshvdonho 
Hdtäm  hvo  aogisto  jahmdi  zaveiig  gimd  keredushd. 

4.  Mazddo     gaqdre  mairisto  jd  zi  vdverezoi  pairi  cithtt 
Daevdiscd  mashjdiscd  jdcd  vareshaite  aipi  cithit 
Hvo  viciro  ahurd  athä  nB  aiihat  jathd  hvo  vagat. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.  5 

7.  Bona  veni  inerite  da  veri-dationes  in-longum-aevuiii  validis  tu 
verbis  Sapiens!  Zarathustrae  robore-praeditum  auxilium  no- 
bisque  vive!  quae  (ut)  osoris  odia  vincainns. 

8.  Da  Vere!  hanc  veritatein,  bonae  lucra  mentis;  da  tu  Pietas! 
Vistä9pae  rem-familiarem  mihique;  des  tu  Sapiens  domineque 
quae  (ut)  vestrum  carmina  audiamus  eflficacia. 

9.  Optimum  te  optime!  quem  Vero  optimo  conjunctum  vivum 
venerabor  opem-desiderans  Frashaostrae  mihique  et  quibus 
illud  praebeo   omni  saeculo  bonae  Mentis. 

10.  Ulis  opum-adipiscendarum-causa  Vivum-Sapientem-duos  Verum 
precibus  incitemus  Mentemque  illam  optimam  et  orrmem  qui 
vestrum  est,  qualis  decas  laudantium  sü;  vos  estü  vocati- 
bona-praebentes,  alimenta  possessionemque  fortunarum. 

11.  Ita  quas  e-Veroque  scis  bonaque  leges  Mente,  promptas  Sapiens 
vive!  iis  complebo  adipiscendis  cupiditatem  quum  vestrum  vo- 
bis  proprias  omnino-nullas  scio  ad-alimenta-pertinentes,  ad-for- 

,  tunas-pertinentes  auditiones. 

12.  Cui  bis  verum  protegendum  est  mensque  bona  omni-tempori, 
tu-ipse  Sapiens  vive!  potissimum  me  doce  tuo  dicere  ex-animo 
per-te  quo  (id  est)  ore,  in  quibus  vita  prima  fuerit. 


2.     (29.) 

1.  Vobis  terrae  anima  questa-est:  cui  me  creavistis?  qui  me  for- 
mavit?  Ad  me  impetus  roburque  feriens-jaculans  est  quorum- 
uterque  audensque  potensque.  Non  mihi  percutiet  (adjuvabit) 
quam-vos  alius  neque  ita  indicabit  bona  ad-agricolas-pertinentia 

2.  Deinceps  creator  terrae  interrogavit  Verum:  quomodo  tibi  terrae 
ratio?  quum  eam  pro  creavistis,  dominantes!  simul  pascua  tanquam 
bovum-nutritum  formando.  Quem  ei  adjuvantem-Vivum  crea- 
vistis qui  a  mendacibus  factum  impetum  propulsaret? 

3.  Huic  Vera  non  relinquens,  nuHum-odium-habens  terrae  rt^spon- 
dit:  illarum-rerum  non  gnarus-sum  quae  possidenti  ignes  simt 
sublimes;  (sublimium?)  omnium-quicunque-sunt  ille-ipse  fortis- 
simus,  cui  invocatum  adeam  semel. 

4.  Sapiens  indicans  scicntissimus  quae  enim  pro  operato  exco- 
gitavit  contra-devasque  horainesque  et  quae  pro  operaturo  ex- 
cogitavit.  Ille-ipse  disccrnens^ivus;  itaque  erga-nos  sit  quo- 
modo ille-ipse  velit. 


Uaug,  die  Gäthd's  des  Zarathiistra.  I. 

5.  At  väo  iigtdndis  ahvdo  zagtdis  frenemnd  ahurdi  d 
Me  iirvd  geiiscd  aydo  jjat  Mazdäm  dvaidi  feragdbjö 
Noit  erezigjoi  fragjditis  noit  fshujafite  dregva^u  pairi. 

6.  At  evaocaf  ahuro  Mazddo  vidvdo  vafüs  vjdnajd 
Noit  aevd-ahü-vigto  naedd  ratus  ashdtcit  hacd 

At  zi  thwd  fshujaiitaecd  vd^trjdicd  thworestd  tatashd. 


7.  Tem  dzütois  ahuro  mäthrem  tashaf  Ashd  hazaosho 
Mazddo  gavoi  khshvidemcd  hvo  urushaeibjo  gpento  ^d^njd 
Kagte  vohü  mananhd  je  i  ddjdt  eedvd  maretaeibjo. 

8.  Aem  moi  idd  vigto  je  ne  aevo  ^d^ndo  güshatd 
Zarathustro  ^pitdmö  hvo  ne  mazdd  vasti  ashdicd 
Carekarethrd  ^rdvajaiihe  hjat  hoi  hudemem  djdi  vakhedhrahjd, 

9.  Atcd  geus  tirvd  rao^td  je  anishem  khshänmene  rddem 
Vdcim  neres  a^ürahjd  jem  d  va^emi  ishd-khshathrem 
Kadd  javd  hvo  anhat  je  hoi  dadat  zagtavat  avö. 

10.  Juzem  aeibjo  ahurd  aogo  ddtd  Ashd  khshathremcd 
Avat  vohü  mananhd  jd  hushitis  rdmdmcd  ddt 
Azemcit  ahjd  Mazdd  thwäm  menhi  paourvim  vaedem. 

11.  Kudd  ashem  vohucd  khshathremcd  at  mdmashd 
Juzem  Mazdd  frdkhshnene  mazoi  magdi  d  paiti-zdnatd 
Ahurd  rlü  ndo  avare  ehmd  rdtois  jushmdvatdm. 


3.     (30.) 

1.  At  td  vakhshjd  ishento  jd  mazdd  *thd  hjatcit  vidushe 
(^taotdcd  ahurdi  je^njdcd  vanheus  mananhd 
Humdzdrd  ashd  jecd  jd  raocebis  daregatd  urvdzd. 

2.  ^raotd  geus  dis  vahistd  avaenatd  gucd  mananhd 
A  varendo  vicithahjd  ndrem  narem  qaqjdi  ta?iuje 
Pard  maze  jdonho  ahmdi  ne  ^azdjdi  baodanto  paiti. 

3.  At  td  maijijü  paoaruje  jdjema  qafnd  a^rvdtem' 
Manahicd  vacahicd  skjadfhanoi  hi  vahjo  akemöd 
'jdo^cd  huddonho  eres  vishjdtd  noit  duzddonho. 


Haiigy  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.  7 

5.  At  vestrum  sublatis  vilarum-duarum-causa  manibus  precantes- 
duae  ^unt  ad  viviim,  mea  anima  terraeque  indelebilis  anirna; 
ut  Sapientein  in-uträque  adjuvantibus  homiuibm,  nee  rectum- 
amanti  porro-existentia  nee  opulenti  inter  mendaces  sit! 

6.  Sic  dixit  vivus  Sapiens  scieos  telam  (poesin)  cum-arte-tex- 
toria  :  „non-unam-vitam-possidens  neque  dominus  de  vero 
quoillRque  erat;  itaqiie  enim  te  opulentique  agricolacque  crea- 
Jü»r  formavit." 

7.  Hüne  invocationis  vivus  cantum  fecit  Vero  conjunctus  Sapiens 
terrae  sexque  ille-ipse  regionibus  sanctus  praedieandus;  quis- 
iste  bona  mente  qui  id  det  tempore  hominibus  ? 

8.  nie  mihi  hie  proprius  est  (hunc  possideo)  qui  nostrum  solus 
voces  audiebat,  Zarathustra  sanctissimus ;  ille-ipse  nostrum 
cognitiones  vult  Veroque  perfieienda  palam-facere;  quä-de- 
causä  ei  bonum-spiritum  dabo  artis-oratoriae. 

9.  Atque  terrae  anima  flevit  quae  inopem  eoriim  quorum-largitio- 
optatur  feci  vocem  viri  imbeeillis  ad-quem  opto  opum-posses- 
sionem!  Quando  tempore  ille-ipse  erit  qui  ei  dederit  manibus- 
faetum  auxilium? 

10.  Vos  his  Vivel  habitaculura  datis  Vere!  possessionemque  illam 
bona  mente  quae  (possessione)  amoenitates  voluptatemque  dat. 
Ego-quid  hujus  Sapiens!  te  cogitem  primum  possessorem! 

11.  Ubi  Verum  bonamque  Mentem  Possessionemque  sie  amplifi- 
eem?  Vos  Sapiens!  sapientiä  pro  magna  magnitudine  pro- 
misistis  Vive!  nune  nobis-duobus  auxilium  hoc-illud  largitionis 
vestrae. 


3.     (30.) 

1.  Ita  haec  dieam,  venientes!  quae  sapientiä  (res  sapientes)  tune 
quaeeunque  scienti  laudabiliaque  vivo  venerabiliaque  bonae 
mentis  sint;  valde-felicia  vera  precar  quorum  luminibus  eon- 
spiciendi  ortus  sunt. 

2.  Audite  terrae  animam  illis;  optima  videatis  flammas  mente! 
secundum  optiones  (religiones)  ad  distinguendum  et  mulierem 
et  virum  sibi  ipsi;  antiquitus  magni!  qui  huie  nobis  ad-consen- 
tiendum  expergefaeti  estis. 

3.  Ita  hi-duo  Spiritus  primi  qui  gemini  sponte-agentcs  esse  audiuntur 
in  menteque  voeeque  et  actione,  haee-duo,  melius  pravumque ; 
inter-hos-duos  e/igiYe,bonum-facientes  sitis  non  malum-facientes. 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I. 

Atcd  hjat  td  hem  mainjü  ga^aetem  paourvim  da%de 
Gaemcd  agjditimcd  jathdcd  anhat  apemem  anhiis 
Acisto  dregvatäm  at  ashaone  vahistem  mano. 

Ajdo  manivdo  varatd  je  dregvdo  acistd-verezjo 

Ashem  mainjus  ^penisto  je  khraozdisteiig  ageno  vagte 

Jaecd  khshnaoshen  ahurem  haithjdis  skjaothandis  fraoret  Mazddm. 


Ajdo  nölt  eres  vishjdtd  daevdcina  jjat  is  ddebaoma 
Peregmautng  upd-gagat  jjat  verendtd  acistem  mano 
At  aeshemem  hendvdrentd  ja  bänajen  ahu  maretdno. 


7.  Ahmdicd  khshathrd  gagat  mananhd  vohu  ashdcd 
At  kehrpem  iitajüitis  daddt  Armaitis  dnmd 
Aeshäm  toi  d  anhat  jathd  ajanhd  dddndis  paourvö. 

8.  Atcd  jadd  aeshäm  kaend  gamaiti  aenanhäm 

At  Mazdd  taibjo  khshathrem  vohu  mananhd  vdividdiie 
Aeibjo  gagti  ahurd  joi  ashd  daden  zagtajo  drugem. 


9.    Atcd  toi  vaem  qjdma  joi  im  frashem  kerenaon   ahum 
Mazddogcd  ahurdonho  dmojagtrd  barand  ashdcd 
Hjat  hathrd  mando  bavat  jathrd  cigtis  anhat  maethd. 

10.  Ada  ZI  avd  drugo  avo  bavaiti  gkendö  gpajathrahjd 
At  agistd  jaogante  d  hushitois  vanheus  manaiiho 
Mazddo  ashaqjdcd  joi  zazente  vanhdo  gravahi. 

11.  Jjat  td  urvdtd  gashathd  jd  Mazddo  daddt  mashjdohho 
Qiticd  eneiti  jjatcd  dregem  dregvodebjo  ras  ho 
^avacd  ashavabjo  at  aipi  tdis  anhaiti  ustd. 


wrej  maza 


4,     (31.) 

1.  Td  ve  urvdtd  marento  agustd  vacdo  genhdmahi 

Aeibjo  joi  urvdtdis  drixgo  ashahjd  gaethdo  vi-marencaite 
Atcit  aeibjo  vahistd  joi  zarazddo  anhen  Mazddi. 

2.  Jezi  dis  nöit  urvdne  advdo  aibi-derestd  vaqjdo 
At  vdo  vigpeiig  djoi  jathd  ratüm  ahuro  vaedd 
Mazddo  ajdo  ägajdo  jd  ashdt  hacd  gvdmahi. 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.  9 

4.  Atque  ex-hoc  hi-duo  unä  spiritus  conveniunt,  primum  creant, 
existentiamque  non-existentiamque,  et  ut  sit  ultimum;  vita  ne- 
quissiraa  mendacium,  at  veraci  optima  mens. 

5.  Horum-duorum  spirituum  unxLm  eligite  qui  (quorum  alter)  men- 
dax,  nequissima-perpetrans,  alter  \  er  um- faciens  spiritus  san- 
ctissimus;  qui  durissimos  lapides  flagitat,  et  qui  venerantur  vi- 
vum  essentialibus  actionibus  religiöse  Sapientem. 

6.  Horum-duorum  non  re-verä  sitis;  Daeva  aliquis  quoniam  eos 
infringebamus  in-consulentes-inter-se  irrupit  dicens  immo  eli- 
gite nequissimam  meutern.  Tum  in-impetum  congregati  sunt 
Daevae  contra  quas  praedicabant  vitas-duas  prophetae. 

7.  Huicque  cum-possessione  venit  mente  bona  veroque,  et  cor- 
pus aeterna  creavit  Ärmaitis,  animus  horum  in  te  erat  ut  tem- 
poris-cursu  in  creationibus  primus. 

8.  Tumque  quum  horum  aliquo  venit  malorum,  tunc  Sapiens !  tibi 
(a  te)  possessio  bona  mente  obtinetur,  bis  in-vituperatione 
(castigatione)  vive!  qui  vera  reddunt  manuum-duarum  (pro- 
missa)  mendacium  (Süge). 

9.  Atque  illi  nos  simus  qui  hanc  continuam  efficiunt  vitam;  Sa- 
pientesque  vivi  efficiunt  promoventia  auxilia  veraque;  etenim 
ibi  mente-praeditus  solet-esse  ubi  prudentia  est  domi. 

10.  Haec  enim  illa  mendacii  auxilium  est,  diruptio  deletoris.  Et 
perfecta  conjunguntur  in  pulchra-habitatione  bonae  mentis  Sa- 
pientis  Verique  qui  noti-sunt  boni  in-fama. 

11.  Idcirco  haec  dicta  perficite  quae  Sapiens  dedit  hominibus  spon- 
teque  efflat  idcircoque  perniciem  mendacibus  damnum,  utilita- 
tes  veracibus;  et  in  his  erit  salus. 


4.    (31.) 

1.  Haec  vestrum  eflfata  dicentes  inaudita  verba  indicamus  iis  qui 
efFatis  mendacii  veritatis  praedia  destruenti  sunt;  at-quaecun- 
que  iis  optima  qui  corde-addicti  sunt  Sapienti. 

2.  Si  his  non  efflanti-dicta  in-viis-duabus  pugnatum  est  (provi- 
sum  est?)  vestris!  tum  ad  vos  omnes  ibo,  quum  legem  vi- 
vus  seit  Sapiens  harum-duarum  partium  qua  ex  perpetuitate 
(perpetuo)  vivimus. 


10  Haug,  die  Gdiha's  des  Zarathiistra.  I. 

3.  Jäm  däo  mainjü  dthräcd  ashdcd  cois  rd7i6ibjd  khshnütem 
Jjat  urvdtem  cazdonnhvadebjo  tat  ne  Mazda  vMva7i6i  vaocd 
Hizvd  thwahjd  donho  ja  gvardd  vi^jieng  vdurajd. 

4.  Jadd  ashem  zevim  anhen  Mazddogcd  ahurdonho 
Ashicd  Armditi  vahistd  ishagd  mananhd 

Maibjo  hhshaihrem  aogofighvat  jehjd  varedd  vanaemd  drugem. 

Ö.     Tat  moi  vtcidjdi  vaocd  jjat  moi  ashd  ddtd  vahjo 

Viduje  vohü  mananhd  mencd  daidjdi  jehjd  md  ereshes 
Tdcit  Mazdd  ahiird  jd  noit  vd  anhat  ahhaiti  vd. 


6.  Ahmdi  anhat  vahistem  je  moi  vidvdo  vaocat  haithim 
Mäthrem  jim  Haurvatdto  Ashahjd  Ameretdtagcd 
Mazddi  avat  khshathrem  jjat  hol  vohü  vahhshat  mananhd. 

7.  Jagtd  mantd  pourujo  raocebis  roithwen  qdthrd 

Hvo  khrathwd  dämis  ashem  jd  ddrajat  vahistem  mano 
Td  Mazdd  mainjd  xihhshjo  je  d  nuremcit  ahurd  hämo. 


8.  At  thwd  menhi  jmourvim  Mazdd  jazum  ^toi  mananhd 
Vanhens  patarem  mananhd  hjat  thwd  hem  cashmaini  hengrabem 
Haithim  ashahjd  ddmim  anheus  ahurem  skjaothanaeshü. 

9.  Thwoi  af  Armaitis  thwe  d  geus  tashd  a^-khratus 
Mainjü  Mazdd  ahurd  hjat  aqjdi  daddo  pathäm 
Vd^trjdt  vd  dite  je  vd  noit  anhat  vd^trjo. 

10.  At  hi  ajdo  fravaretd  vdgtrim  aqjdi  fshujantem 
Ahurem  ashavanem  vanheus  fshenghi  mananho 

Noit  Mazdd  avd^trjo  daevägcind  humaretois  bakhstd. 

11.  Hjat  ne  Mazdd  paourvim  gaethdo^cd  tasho  daendogcd 
Thwd  mananhd  khratüscd  jjat  agtvantem  daddo  ustdnem 
Jjat  skjaothandcd  ^enghägcd.     Jathrd  vareneng  va^do  ddite, 


12.  Athrd  vdcem  baraiti  mithahvacdo  vd  ereshvacdo  vd 
Vidvdo  vd  evidvdo  vd  ahjd  zarezddcd  mananhdcd 
Anus-hahhs  Armaitis  mainjü  pere^aite  jathrd  maethd. 

13.  Jd  fra^d  dvishjd  jd  vd  mazdd  peregaitö  tajd 

Je  vd  ka^eus  aenanho  d  mazistäm  ajamaite  bügem 

Td  cashmeng  thwi^rd  harn  aibi  ashd  aibi  vaaiahi  vi^pd. 


Hang,  die  Gclthas  des  Zaruthiidra.  /.  11 

3.  Quam  dedisti  Spiritus!  igneque  perpetuitateque,  ei  cujus  lignis- 
ad-ignem-eliciendum-destinatis  oblationem?  Quod  dictum  re- 
velationem-divinam-habentibus,  hoc  nobis  Sapiens!  ad-sciendum 
loquere!  lingua  tui  oris  qua  viventes  omnes  protegas! 

4.  Quando  Verum  invocandum-est  et  quum  irivocandi  sunt  Sapien- 
tes  vivi,  efFunde,  Ärmaiti^  optima  praebe  mente  mihi  posses- 
sionem  potentia-praeditara,  cujus  auxilio  deleamus  mendacium! 

5.  Hoc  mihi  ad  cognoscendum  die  quo  mihi  vera  data  tanquam 
melius  (optimum)  possideo  bona  mente,  et  ad  commonefacien- 
dura  cujus  me  rectitudinis  (me  monere  quae  rectitudo  sit)  •,  haec- 
omnia  Sapiens  vive !  quae  non  vel  erat  vel  erit. 

6.  Ei  erat  optimum,  qui  mihi  sciens  dixit  verax  Carmen  quod  in- 
columitatis,  veritatis  immortalitatisque  est,  Sapienti  illud  reg- 
num  (potentia)  quod  eo  bona  dicere-potest  mente. 

7.  Qui-haec  cogitavit  primus,  luminibus  coelestihus  multitudinem 
suo-igne,  ille-ipse  intellectu  creans  verum  quo  fecit-ut-tenea- 
tur  optima  mens.  Haec  Sapiens  Spiritus !  crescere-fecisti  qui 
in  omni-tempore  vive !  tu  idem  eris. 

8.  Sic  te  cogitabam  primum  Sapiens!  altum  naturae  mente,  bo- 
nae  patrem  mentis  quum  te  simul  oculo  concepi,  essentiale 
veritatis,  creatorem  vitae,  vivum  in  actionibus. 

9.  In  te  erat  Armaitis  (terra),  iu  te  terrae  formator  valde-intelli- 
gens,  Spiritus!  Sapiens  vive!  quum  ei  fecisti  viam,  ab  agricola 
vel  venit  ad  eum  qui  vel  non  erat  agricola. 

10.  Ita  haec  inter-^os-duos  eligit  agricolam  sibi  divitem,  vivum 
veracem,  bonae  opulentiam  mentis;  ne.  Sapiens!  non-agricola 
deos-quosque-colens  evangelii  particeps-^it/ 

11.  Id  nobis  Sapiens!  primum  praediaque  creasti  meditationesque, 
te  (tua)  mente  intelligentiasque  itaque  existentem  fecisti  mun- 
dum  itaque  actioues  (ceremonias)  carminaque.  Ubi  optiones 
vir-liber  facit, 

12.  Ibi  vocem  fert  vel  falsum-loquens  vel  rectum-loquens  vel  sciens 
vel  nesciens  ejus  (sui)  cordeque  menteque;  ex-ordine  inter- 
rogat  Armaitis  spiritus-duos  ubi  domi  sunt. 

13.  Quae  caetera  (porro)  raanifestanda  sunt  vel  quae  sapientia 
(res  sapientes)  interrogat-sibi  illic  vel  qui  in  parvo  damno 
maximam  sibi-comparat  voluptatem,  haec  oculos  (oculis)  splen- 
dens!  custos  circa  Vere!  circumspicis  omnia!** 


12  Haug,  die  Gdthas  des  Zarathiistra.  I. 

14.  Tä  thwä  peregd  ahurä  ja  zi  diti  gmghaticd 
Jäo  ishudo  dadente  ddthranäm  hacd  ashaono 

Jdogcd  Maadd  dregvödebjo  jathd  tdo  ai'ihen  heukeretd  hjat, 

15.  Peregd  avat  jd  mainis  je  dregvdite  khshathrem  hunditi 
Dus-skjaothandi  ahurd  je  noü  gjotüin  hanare  vina^ti 
Vdgtrjehjd  aenanhu  pageus  virdatcd  adrugajaütu. 


16.  Pere^d  avat  jathd  hvo  je  huddnus  demdnahjd  khshathrem 
Shoithrahjd  vd  daqjeus  vd  ashd  fradathdi  agperezatd 
Thwdväg  Mazdd  ahurd  jadd  hvo  anhat  jd-skjaothanagcd. 

17.  Katdrem  ashavd  vd  dregvdo  vd  verenvaite  mazjo 
Vtdvdo  vidushe  tnraotü  md  evtdvdo  aipide-bdvajat 
Zdi  ne  Mazdd  ahurd  vanheus  fradakhstd   mananho. 

18.  Md  eis  at  ve  dregvato  mäthrä^cd  giistd  ^dgndo^cd 

Ä  zi  demdnem  vi^em  vd  shoithrem  vd  daqjüm  vd  dddt 
Dusitdcd  marakaecd  athd  is  ^dzdüm  ^naithishd. 

19.  Gustd  je  maiitd  ashem  ahübis  oidvdo  ahurd 
Erezukhdhdi  vacatihdm  khshajamano  hizvo-va^o 
Thwd  dthrd  gukhrd  Mazdd  vanhdu  viddtd  ränajdo. 

20.  Je  ddjdt  ashavanem  divamnem  hol  aparem  khshajo 
Daregem  djü  temanhö  dusqarethem  avaStd  '^  vaco 

Tem  vdo  ahüm  dregvanto  skjaothandis  qdis  daend  naeshat. 

21.  Mazddo  daddt  ahurd  haurvato  ameretdta^cd 
Bürois  d  ashaqjdcd  qdpaithjdt  khshathrahjd    ^aro 

Vanheus  vazdvare  mananho  je  hoi  mainjd  skjaothandiscd  urvatho. 


22.     Cithrd  i  huddonhe  jathand  vaedemndi  mananhd 

Vohu  hm  khshathrd  ashem  vacanhd  skjaothandcd  hapti 
Hvo  toi  Mazda  ahurd  vdzisto  anhaiti  a^tis. 


5.     (32.) 

1.    Aqjdcd  qaetus  jd^at  ahjd  verezenem  mat  airjamnd 

Ahjd  daevd  mahmi  manoi  ahurahjd  iirvdzem  d  Mazddo 
Thwoi  ddidonho  donhdmd  teng  ddrajo  joi  vdo  daibishenti. 


Hang,  die  Gatha's  des  Zarathustra.  I.  13 

14.  Haec  te  interrogem  vive!  quae  enim  veniunt  venientque  quae 
preces  conduntur  ab  creatoribus  veracis  (veracibus)  et  quae 
Sapiens!  a  mendacibus,  ut  hae  sint  pertectae  ita! 

15.  Interrogem  illud,  quae  cogitatio  ejus  sit  qui  mendaci  posses- 
sionem  impertit,  mala-perpetranti  vive!  et  quae  cogitatio  ejus 
sit  qui  non  vitara  ullum  (ullo  modo)  destruit  agricolae  damno 
in-pecore  viroque  (virisque),  non-Mendacium-colentis. 

16.  Interrogem  illud,  quomodo  ille-ipse  qui  bonis-donis-praeditus 
domus  dominus  vel  agri  vel  provinciae  veritati-propagandae 
studuit,  tibi-addictus  Sapiens,  vive!  quando  ille-ipse  erat  et 
quae-perpetrans  erat. 

17.  Utrum  (uter)  veraxve  mendaxve  docet  majus?  Sciens  scienti 
dicat,  ne  nesciens  velamen-faciat  (celet);  esto  nobis  Sapiens 
vive!  bonae  confirmator  mentis. 

18.  Ne  quis  ita  vestrum  mendacis  carminaque  audiat  legesque, 
quoniam  domum  vicumve  agrumve  provinciamve  tradidit  per- 
niceique  exitioque.     Itaque  eos  interficite  gladio! 

19.  Audiat  qui  cogitavit  veritatem  cum-vitis-duabus  sciens,  vive! 
recte-dictam  vocum  possidens  linguae-arbitrium,  a-te  igne  ru- 
bente Sapiens!  bono  posito  in-lignis-duobus-ad-ignem-elicien- 
dum-destinatis. 

20.  Qui  faciat  veracem  mentientem,  ei  alienum  imperium,  per- 
longum  aevo,  caliginis  male-splendens  (male-sonans)  abiit  ver- 
bum;  hanc  •v*e»trunÄluoriim  vitam  delentes  actionibus  suis  re- 
ligio eradicet! 

21.  Sapiens  dedit  vivus  incolumitates  immortalitatesque  in  multi- 
tudine  perpetuitateque  (multas  perpetuasque)  e-sww-bonis,  pos- 
sessionis custos,  bonae  lucrum  mentis  ei  qui  illi  animo  actio- 
nibusque  amicus  erat. 

22.  Cognita  haec  sunt  bonum-facienti  simulac  possidenti  mente  bo- 
num.  Ille-ipse,  rex!  veritatem  verbo  actioneque  colit,  ille-ipse 
tibi  sapiens  vive!  optime-vehens  (ducens)  erit  res. 


5.    (32.) 

1.  Ejusque  domesticus  veneratus  est  Sapientem  ejus  servus  cum 
diente,  bujus,  Daevae!  in  mea  mente  vivi  adortiis  Sapientis; 
in-te  (tui)  missi  simus;  eos  capias  qui  vo^TIlWÄderunt, 


14  Hang,  die  Gathas  des  Zarathustra.  I. 

2.  Aeibjo  Mazddo  ahuro  gdremno  vohü  mananha 
Khshathrdt  hacd  paiti-mraot  ashd  hus-hakhd  qenvdtd 
(^pefitam  ve  Armaitm  vanuhhi  varemaide  ha  ne  anhat. 

3.  At  jus  daevd  vi^pdonho  ahdf  mananho  ^td  äithrem 
Ja^cd  vdo  mas  jazaite  drüga^cd  imirimatoiscd  saomäm 
Aipi  daibitd7id  jdis  a^nUhim  bümjdo  haptaithe. 


4.  Jdt  jus  td  fra-mimathd  jd  mashjd  acistd  daütö 
VahhshenU  daevo-ziistd  vaüheus  gizdjamnd  mananha 
Mazddo  ahiirahjd  khrateus  na^janto  ashdafcd. 

5.  Td  debnaotd  mashim  hugjdtois  ameretdta^cd 

Jjat  vdo  akd  mananha  jeng  daeveng  aka^cd  mainjus 
Akd  skjaothanem-vacanhd  jd  fracina^  dregvantem  khshajo. 

6.  Paouru  a&ndo  endkhstd  jdis  ^rdvajeite  jezi  tdis  athd 
Hdtd  mardne   ahurd  vahistd  voi^td  mananha 
Thwahmi  vi  Mazda  kkshathrdi  ashaecd  ^engho   vidäm. 

7.  Aesham  aenanhäm  naecif  vidvdo  dgoi  hddrojd 
Jd  gojd  ^mghaite  jdis  ^rdvi  qaend  ajanhd 

J aesham  tu  ahurd  irikhtem  Mazda  vaedisto  ahi. 


8.  Aesham  aenanhäm   Vivanhushö  ^rdvi  Jima^cif 

Je  mashjeng  cikhshnusho  ahmdkeng  gdus  baga  qdremno 
Aeshämcit  d  ahmt  thwahmi  Mazda  mcittioi  cupi. 

9.  Dus^agtis  gravdo  morendat  hvo  gjdteus  ^enhandis  khratüm 
Apo  md  istim  apajafitd  berekhdhäm  hditim  vanheus  mananho 
Td  ukhdhd  manjfMs  mahjd  Mazdd  Ashdicd  jushmaibjd  gereze. 


10.  Hvo  mdnd  ^ravao  morendat  je  acistem  vaenanhe  aogedd 
Gäm  ashibjd  hvarecd  jagcd  ddtheiig  dregvato  daddt 
Ja^cd  vdgtrd  vivdpat  jagcd  vadare  voizdat  ashdune. 

11.  Anhviscd  anhva^cd  apajeiti  raekhnanho  vaedem 

Taecit  md  morendan  gjotum  joi  dregvato  mazibis  ciköiteres 
Joi  vahistdt  ashaono  Mazdd  rdreshjän  mananho, 

12.  Jd  rdonhajen  gravanhd  vahistdt  skjaothandt  maretdno 

Aeibjo  Mazddo  akd  mraot  joi  geus  morenden  urvdkhs-ukhti  gjötiim 
Jdis   GrejmAashdt  varatd  karapd   khshathremcd  ishanäm  drugem. 


Haus:,  (h'e  Gdthas  des  Zarathiistra.  I.  15 


"bJ 


2.  His  Sapiens  vivus  protegens  bona  mente  „per  possessionem" 
respondit,  „Vero  pulchre-sequente  lucente  sanctam  vestrum 
Pietatem  bonain  eligimus,  haec  nobis  sit!" 

3.  Sic  vos  Daevae!  omnes  e-mala  mente  estis  orta  varietas;  et 
qui  vestrum-duoruin  magnus  colit  mendaciique  fallaciaeque  So- 
mam,  praeterea  insidias  quibus  famosi-esse-audiinini  terrae  in- 
septem-regionibus. 

4.  Ex-quo  vos  haec  excogitavistis  quae  homines  pessima  facien- 
tes  loquuntur  Daevis-grata,  bona  privata  mente,  Sapientis  vivi 
ex-intellectii  pereuntes  veritateque  sunt. 

5.  Eo  defraudatis  horainem  bonä-naturä  immortalitateque  nempe 
vestrum-duorum  mala  mente,  et  eorum  qui  Daevae  sunt  et  ejus- 
que  malus  Spiritus,  mala  actione-et-voce  qua  potissimum-col- 
iecta  est  in-mendacem  opulentia. 

6.  Multa  damna  facere-studuistis!  quibus  (quorum  causa)  si  pre- 
ces-fiunt,  his  fiant  ita:  quae-re-vera-sunt  dicam  vive!  optima 
scis  mente;  in  te  Sapiens!  in-regno  veritateque  laudem  posui. 

7.  Horum  damnorum  nullum  (in  nullo),  sciens  in-acie  castrorum- 
duorum  quae  auxilia  sint  clamat,  in  quibus  (quorum)  esse  au- 
ditus-est  suo  ipsius  modo:  quorum  tu  vive!  depulsionis  Sa- 
piens! scientissimus  es. 

8.  Horum  raalorum  Vivanghuides  esse  audiebatur  Jimus-quoque, 
qui  homines  donis-veneratus  nostras  terrae  (vaccae)  partes  il- 
lustrans  est,  in  his-etiam  ego-sum,  te  Sapiens!  judice  quoque. 

9.  Mala-verba— proferens  auditiones  perturbat  ipse  existentiae  ma- 
ledicendo  intelligentiam.  Ne  fortunam  auferant  excelsam  rea- 
lem bonae  mentis!  Haec  dicta  spiritus  mei  Sapienti  Veroque 
vobis!  exclamo. 

10.  llle-ipse  ne  auditiones  perturbet  qui  nequissimum  ad-videndum 
dixit,  terram  nequitiis  soleraque  implevit  et  qui  leges  mendaces 
dedit  et  qui  agros  detondit  quique  detrimentum  intulit  veraci. 

11.  Viventis  vitarum-duarumque  aufert  thesauri  possessionem.  Hi- 
cunque  ne  perturbent  existentiam  qui  mendacis  inter-magnos 
apparentes  sunt,  qui  optimae  veraci  Sapiens!  nocere-student 
menti. 

12.  Qua  donaverunt  auditione  ex-optimä  actione  prophetae!  His 
Sapiens  mala  dixit  qui  terrae  perturbant  edictum-dicendo  exis- 
tentiam, quibus  Grehma  pugnans  contra-verum  se-circumdedit 
sacrificuUis  daemonum,  regnumque  adeuntium  ad-mendacium. 


Iß  Haug,  die  Gäthd's  des  Zaratkustra.  I. 

13.  Jd  khshathrd  Grehmo  hisha^at  acistakjd  demäne  mananho 
Aiiheus  marekhtärd  ahjd  jaecd  Mazda  gtgerezat  käme 
Thwahjd  mathrdno  dütemje  is  pdt  daregat  ashahjd. 

14.  Ahjd   Grehmo  d  hoithwoi  m  kdvajagcit  khratus  ni  dadaf 
Varecd  hicd  fradivd  hjdt  vigeftid  dregvafitem  avo 
Hjatcd  gdus  gaidjdi  mraoi  je  duraoshem  gaocajat  avo. 


15.  Audis  d  ve  nindgd  jd  karapotdogcd  kevitdaogcd 
Avdis  aipi  jeiig  daifiti  noit  gjdteus  khshajamneng  vago 
Toi  dbjd  bairjdofite  vanheus  d  demdne  mananho. 

16.  Hamem  tat  vahistdcit  je  ush-uruje  gjagcit  dahmajdi 
Khshajäg  Mazdd  ahurd  jehjd  md  dithiscit  dvaethd 
Jjat  aenanhe  dregvato  eed  nü  ishjeng  afthajd. 


6.     (33.) 

1.  Jathd  dis  ithd  vareshaite  jd  ddtd  anheus  paourjehjd 
Ratüs  skjaothand  razistd  dregvataecd  jjafcd  ashaone 
Jehjdcd  hem'm  jdgaite  mithahjd  jdcd  hoi  d  erezvd. 

2.  At  je  akem  dregvdite  vacanhd  vd  at  vd  mananhd 
Zagtoibjd  vd  vareshaiti  vanhdu  vd  cöithaite  agtim 
Toi  vdrdi  rddenti  ahurahjd  zaoshe  Mazddo. 

3.  Je  ashdune  vahisto  qaetil  vd  atvd  verezejijo 
Airjamnd  vd  ahurd  vidäg  vd  thwakhshanhd  gavoi 
At  hvo  ashahjd  anhat  vanheuscd  vdgtre  mananho. 

4.  Je  thwat  Mazdd  agrustim  akemcd  mano  jazdi  apd 
Qaeteuscd  taramaitim  verezenahjdcd  nazdistäm  dr%gem 
Airjamanagcd  nadento  geuscd  vdgtrdt  acistem  mafdum. 

5.  Jagte  vigpe-mazistem  Qraoshem  zhajd  avanhdne 
Apänö  darego-gjditim  d  khshathrem  vanheus  mananho 
Ashdt  d  erezüs  patho  jaeshü  Mazddo  ahuro  shaeiti. 

6.  Je  zaotd  ashd  erezus  hvo  manjeus  d  vahistdt  kajd 
Ahmdt  avd  mananhd  jd  verezjeidjdi  maiitd  vdgtrjd 
Td  toi  izjd  ahurd  Mazdd  darstoisöd  hem-parstoiscd. 


Haiigy  die  Gdtkas  des  Zarathustra.  L  17 

13.  Quas  possessiones  Grehma  tradidit  pessiraae  habitacnlo  mentis, 
vitae  occisoris  hiijus,  in-quäque  Sapiens!  contumeliä-affecit  cii- 
piditate  tui  vatis  legatiouem  qui  eos  propiilset  ab-impetu  veri. 

14.  Hujus  Grehma  in  vinculis  sit!  expuhi  vates-quicunque  daemo- 
num,  intelligentia  abolet  artes  magicas  quasque  antiquitus 
traditas  qniim  veniunt  ad-mendacem  auxilium  (auxilio).  Ita- 
que  terra  vincere  dicebatiir,  quae  malum-propellens  inflamma- 
vit  auxilium. 

15.  Ulis  in  vobis  delebo  quae  sacrificia-daemonum  vaticiniaque!  — 
Auxiliis  quoque  quos  faciunt  non  existentiae  possessores  libere, 
hi  ab  iis  feruntur  bonae  in  habitaculum  Mentis. 

16.  Omne  hoc  optimo-cuique  qui  late-splendenti  adjacens  est  sa- 
crificio  (qui  id  perficit)  regnans,  Sapiens  vive!  cujus  me  ad- 
rem-omnino  misisti;  itaque  perniciei  mendaces  quoad  nunc 
adeundos  faciam ! 


6.     (33.) 

1.  Sicut  his  ita  perficienti  quae  datae  sunt,  vitae  primae  leges, 
actiones  justissimas,  mendacique  accidit  et  quod  veraci ;  cujusque 
totam-rem  colenti  fallaciae  et  ei  illa  quae  in  eä  recta. 

2.  Sic  qui  maliim  mendaci  voceve  vel  mente,  manibusve  per- 
ficit vel  ope-boni  cognoscit  non-existentiam  :  hi  propugnaculo 
agunt,  vivi  in-gratia  Sapientis! 

3.  Qui  veraci  optimus  domesticorum-duorum  vel  servorum-duorum 
clientum-duorum-ve  vel  viva  sciens  laborando  terrae  :  sie  hie 
Veri  erit  bonaeque  in-campo  Mentis. 

4.  Qui  a  te  Sapiens!  inobedientiam  malamque  meutern  deprecar 
domesticique  impietatem  servique  proximum  mendacium  clien- 
tisque  adhaerentis  terraeque  a-campo  pessimam   cogitationem. 

5.  Qui  tibi  omnium-maximum  (^raoshem  invocabo  ut  sit  propulsori 
diripientis  longam-existentiam  in  regno  bonae  Mentis,  Veri  in 
rectis  viis  in-quibus  Sapiens  vivus  habitat. 

6.  Qui  invocavit  vera  rectus,  ille-ipse  Spiritus  optimi  in  essentia; 

ex  hoc  illä  mente  est  praeditus  qua  colere    cogitavit    agrestia, 
haec  tui  venerabor  vive  Sapiens!  e-visuque  colloquioque. 

Abhandl.  der  DMG.     I,  3.  2 


lg  Hang,  die   Gdthas  des  Zarathustra.   1. 

7.    Ä  md  didüjn  vahistd  d  qaethjdcd  Mazdd  darei^atacd 
Ashd  vohü  mananhd  ja  ^Tiije  pare  magaono 
Avis  ndo  afitare  hentü  nemaqaitis  ciihrdo  rdtajn. 

S.    Fro  moi  fravoizdum  arethd  td  jd  vohü  shavdi  mananhd 
Jagneni  Mazdd  khshmdvato  at  vd  ashd  ^taomjd  vacdo 
Ddtd  ve  ameretdta^cd  utajüiti  haurvatdo  draono. 

9.    At  toi  Mazdd  tem  maiiy'üm  ashaokhshajantjdo  garedjcjdo 
Qdthrd  maethd  mdjd  vahistd  baretü  mananhd 
AJdo  droi  hd-kurenem  jajdo  hacaifite  urvdnö. 


10.  Vigpdo  gtoi  hugitajo  jdo  zi  donhare  jdo^cd  henti 
Jdogcd  Mazdd  bavainti  thwahmi  his  zaoshe  dbakhshohod 
Vohü  ukhshjd  mananhd  khshathrd  ashdcd  ustd  tanüm. 

11.  Je  gevisto  ahuro  Mazddo^cd  Armaitisöd 

Ashemcd  frddat-gaethein  Maiia^cd  vohü  Khshathremcd 
^raotd  moi  marezddtd  moi  dddi  kahjdicit  paiti. 

12.  U^  moi  uzdreshvd  ahurd  Armaiti  tevishim  da^vd 
^penistd  mairijü  Mazdd  vanhujd  zavo-ddd 
Ashd  hazo  emavat  vohü  mananhd  fgeratüm. 

13.  Rafedhrdi  vouru-cashdne   doishi  moi  jd  ve  abifrd 
Td  khshathrahjd  ahurd  jd  vanheus  ashis  mananho 
Fro  gpeiitd  Armaite  ashd  daendo  fradakhshajd. 

14.  At  rdtäm  Zarathustro  tanva^cit  qaqjdo  ustanem 
Dadditi  paurvatdtem  mananha^cd  vanheus  mazdd 
Skjaothanahjd  ashd  jdcd  ukhdhaijjdcd  (;raoshem  khshathremcd. 


7.     (34.) 

1.    Jd  skjaothand  jd  vacanhd  jd  jagnd  ameretatdtem 

Ashemcd  taeibjö  ddonhd  Mazdd  khshathremcd  haurvatdto 
Aeshäm  toi  ahurd  ehmd  paourutemdis  dagte. 

2»    Atca  i  toi  mananhd  mainjeuscd  vanheus  vigpd  ddtd 
Cpentaqjdcd  neres  skjaothand  jehjd  urvd  ashd  hacaite 
Pairi  gaethe  khshmdvato  vahme  Mazdd  garöibis  ^tütäm. 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.  19 

7.  Ad  me  ite  optimae  ad  me  propriaeque,  Sapiens!  conspiciendae 
veritates  bona  mente !  qua  audior  coram  magno-adjutore.  Palam 
nos-duos  inter  fiant  ad-venerationem-pertinentes  diversi  modi ! 

8.  Provenite  mihi!  provenite  res  tales  !  quae  bona  illi-ipsi  inente  sunt, 
cultus  Sapiens !  vestrum  et  verae  laudatoriae  voces.  Date  vestrum 
et  immortalitates  aeternas-duas  et  incolumitates,  vigorem. 

9.  Ita  tibi  Sapiens !  hunc  spiritum  veritate-augentium-duarum  vi- 
rium  per-totum-annum-efficacium  siio-igne,  loco,  origine,  opti- 
mae indole  mentis.  —  harura-duarum  in-prpmptu  praeparatio 
est  quas-duas  sequuntur  animi. 

10.  Omnes  in-mundo  bonae-res  quae  enim  erant  et-quae  Sapiens! 
erunt,  tuä  eas  gratiä  largire;  bona  äuge  mente  possessiones 
veritatesque,  salute  corpus! 

11.  Qui  fortissimus  vivus  Sapiensque  Pietasque  et  Verum  convallans- 
praedia  Mensque  bona  Possessioque  estis:  audite  me  felicem- 
reddite  me  in  ^)  opere  qnocunque! 

12.  Mihi  assurge-te  viva  Armaiti,  vigorem  da  sanctissime  Spiritus 
Sapiens!  bona  precum-oblatione,' da  mihiYerel  robur vehemens, 
bona  mente  opulentiae-legem. 

13.  Saluti  late  spectanti  curas  mihi,  ea  veritate  quae  vos  implevit, 
illä  veritate  possessionis  vivä  quae  bonae  veritas  est  mentis; 
corrobora  sancta  Pietas  vera!  carmina  corrobora! 

14.  Ita  e  nwmero-sacrificantium  Zarathustra,  ut  corporis-cujuscun- 
que  proprii  natura  maneat,  dat  primordium  et  qiädem  mentis 
bonae  sapientiam,  actionis  veritates  et  quae  similia  verbique 
auditionem  possessionemque. 


7.     (34.) 

1.  Qua  actione  qua  voce  qua  veneratione  immortalitatem  verita- 
temque  his  praebeas  Sapiens!  possessionemque  incolumitatis  : 
harum  rerum  tibi  vive!  hoc-illud  plurimum  datur    (datum  est). 

2.  Itaque  haec  tibi  mente  spiritusque  boni  omnia  data  sanctique 
viri  actione,  cujus  animus  veritates  sequitur;  in  habitatione 
vesträ  amplificatio  Sapiens!  cantibus  laudantium  est 


^  pro  paiti. 

2* 


20  Hang,  die   Gdthd's  des  Zarathiistra.   I. 

3.     At  toi  mjazdem  a/nirä  nemafihä  ashdicd  dämä 

Gaethäo  vi^pdo  d  khshathröi  jdo  vohü  thraostd  mananhd 
Aröi  ZI  huddonho  vigpdis  Mazda  khshmdvacü  gavö. 


At  toi  dtarem  ahurd  aogonhvantem  ashd  ugemahi 
Allstem  emavantem  ^toi-rapefitem  cithrd-avanhem 
At  Mazda  daibishjante  zagtdgtdis  derestd-aenanhem. 


5.    Kat  ve  khshathrem  kd  istis  skjaothandis  Mazda  jathd   vaokhemi 
Ashd  vohü  mananhd  thrdjoidjdi  drigüm  Jüshmdkem 
Pare  vdo  vigpdis  pare  vaokhemd  daevdiscd  khrafytrd  mashjdiscd. 


6.  Jezi  athd  ^td  haithhi  Mazdd  Ashd  vohü  mananhd 
At  tat  moi  dakhstem  ddtd  ahjd  anheus  vi^pd  maethd 
Jathd  vdo  jazemna^cd  urvdidjdo  ^tava^  ajeni  paiti. 

7.  Kuthrd  toi  aredrd  Mazdd  joi  vanheus  vaedemnd  mananhd 
(^enghüs  raekhndo  agpencit  ^ddrdcit  cakhrajo  ushi-urü 
Naecim   tem  anjem  jüshmat  vaedd  ashd  athd  ndo  thrdzdüm. 

8.  Tdis  ZI  ndo  skjaothandis  hjante  Jaeshü  af  pairi  pourubjo  ithjego 
JJat  agaogjdo  ndidjdonhem  thwahjd  Mazdd  ä^td  urvdtahjd 

Joi  noit  ashem  mainjantd  aeibjo  düire  vohü  a^mano. 


9.    Joi  gpentäm  Armaitim  thwahjd  Mazdd  berekhdhäm  vidusho 
Bus-skjaothand  avazazat  vanheus  evigti  mananhd 
Aeibjo  mash  ashd  ^azdat  javat  ahmat  aurund  khraftgtrd. 


10.    Ahjd  vanhüus  mananhd  skjaothand  vaocat  garebam  hukhratus 
^peiitämcd  Armaitim  dämim  vidvdo  hathdm  ashahjd 
Tdcd  vi^pd  ahurd  thwahmi  Mazdd  khshathröi  d  vojathrd. 


11.    At  toi  übe  haurvdo^cd  qarethdi  d  ameretatdo^cd 

Vanheus  khshathrd  mananhd   ashd  mat  drmaitis  vakhst 
Utajuiti  tevishi  tdis  d  Mazdd  vtdvaeshdm  thwdi  ahi. 


12.    Kat  toi  rdzare  kat  vashi  kat  vd  ^tutd  kat  vd  jagnahjd 
(^rüidjdi  Mazdd  frdvaocd  jd  ve  ddjdt  ashis  rdshnäm 
^ishd  ndo  ashd  pathd  vanheus  qaeteng  mananhd. 


Hang,  die  Gdfhas  des  Zarathustra.  L  21 

3.  Ita  tibi  sacrificium  vive!  laude  Veroque  damus  in  habitatio- 
nibus  Omnibus  quas  bona  construxisti  mente.  In-promptu  enim 
estote  bonum-facientes!  in-omnibus  rebus  Sapiens!  quae-ves- 
irum-simt  salus  est. 

4.  Sic  tibi  ignem  vive!  robustuni  vere!  desideramus,  incolumem, 
potentem,  mundum-adjuvantem,  varia-auxilia-/ere7ifem,  sie  tibi 
Sapiens!  delenti  telis-a-inanibus-missis  eitm-qui-commisit-pec- 
catum. 

5.  Quid  vestrum  regnum?  qiiae  fortunae  actionibus  comparatae  Sa- 
piens! ut  loquar  veritates  bona  mente  ad-triplicem-faciendam 
trinitatem  vestram?  Jam-dudum  vobis  duobus  in-omnes,  jam- 
dudum  loquebamur  in  daemones,  in-carnem-vorantes,  homi- 
nesque. 

6.  Si  nunc  estis  re-vera  Sapiens!  Vere!  praediti  bona  mente: 
sie  hoc  mihi  robur  date  hujus  vitae  omni  loco,  quoniam  vos- 
duos  venerans  praedicationi  vestrae  laudansque  obviam  ire-volo. 

7.  Ubi  ii  prospiciens  Sapiens!  qui  bonae  mentis  possessa  mentis 
indicant  bona;  caligo-quaecunque  oppressio-quaecunque  effi- 
cis-ut-fiat  manifesta-Iate.  Nulhim  hunc  aliiim  praeter-vos  nosco 
Vera!  Nunc  nos-duos  servate! 

8.  His  enim  nostris  actionibus  terror-injicitur  iis  in-quibus  erat 
in  multos  pernicies ;  itaque  affligas  cogna'tiim  inimicum  tui  Sa- 
piens! angore  edicti:  ,,qui  non  verum  cogitant,  iis  in-remoto 
loco  habitatio  est  a-Iucente  coelo". 

9.  Qui,  quamquam  sanctam  Pietatem  tuae  mentis  Sapiens!  excelsam 
scientes  sunt,  malas-actiones  progignendo  addicti  sunt  bonae 
ignorantiä  mentis:  iis  magnus  dejicit  veritates  quoniam  ex- 
hoc  discurrentes  daemoneÄ-carnem-vorantes  nascuntur. 

10.  Hujus  bonae  mentis  actiones  dixit  fructum  esse  valde-intelli- 
gens  sanctamque  Pietatem  creaturas-habentem  sciens  substan- 
tiam  veritatis  esse  dixit;  eaque  omnia  vive!  in  tuo  Sapiens! 
regno  sunt  quae-moventur. 

11.  Sic  tibi  ambae  incolumitatesque  in  splendorem  immortalitates- 
que  sunt;  bonae  regno  mentis  Vero  cum  Pietas  crescit;  sem- 
piternae  vires-duae  in  his  sunt;  Sapiens!  possidentium  eas  in 
te  es. 

12.  Quid  tibi  arcanum  est?  quid  concupiscis?  quidve  laudantis 
quidve  venerationis  est?  Audiri  Sapiens!  die  ea  quae  ves- 
trum faciant  veritates  custodum.  Doce  nos  vere!  vias  bonae 
a-te-ipso-calcatas  mentis. 


22  Hang,  die   Gdthd's  des  Zarathustra.   I. 

13.  Tem  advdnem  ahurd  jem  mui  mraos  vanheus  manaiiho 
Daendo  ^aoshjantäm  jd  hü-keretd  ashdtcit  urvdkhshat 
Hjat  civistd  huddobjo  mizdem  Mazdd  jehjd  tu  ddthrem. 


14.  Tat  ZI  Mazdd  vairim  a^tvaite   ustdndi  ddtd 

Vanheus  skjaothand  mananho  Joi  zi  geus  verezPjie  azjdö 
Khshmdkäm  hucigtim  ahurd  khrateus  ashd  frddö  verezmd. 

15.  Mazdd  at  moi  vahistd  gravdogcd  skjaothandcd  vaocd 
Td  tu  vohü  mananhd  ashdcd  ishudem  0üt6 

Khshmdkd  khshathrd  ahurd  frashem  vagnd    haithjem   ddo   ahüm. 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.   I.  23 

13.  Haec  via  vivc!  quam  mihi  dixisti  bonae  mentis,  sunt  dicta 
«acerdofwm-ignem-inflammantium  qiiae  bene-facta  e-veritate- 
quäque  enata-simt.  Etcnim  praebitum-est  bonum  perficienti- 
biis  praemium  Sapiens!  cujus  tu  es  dator. 

14.  Hoc  enim  Sapiens!  propugnaculum  existenti  mundo  dedistis, 
bonae  actiones  mentis;  iis  qui  enim  terrae  culturä  indelebilis 
occupati  sunt,  vestram  bonam-sapientiam  dedistis;  vive !  intelli- 
gentiae  veram  tuitus-es  culturam. 

15.  Sapiens!  sie  mihi  optimas  auditionesque  actionesque  die  illas, 
tu  bona  mente  veräque  die  precationem  laudantis;  vestro  reguo 
vive!  continuam   gratiä  tud  praesentem  fecisti  vitam. 


2)eiit[d}e  Ueberfel^img  ber  ®at^a  at)imaDaiti. 


1.     (28.) 

1.  5)ev  geoffenSartc  (Sebanfe,  baS  geoffenfcarte  Sßort,  bie 
geoffenBarte  X^at  beg  ttja^r^aftigen  ßaxat^u\ixa,  — 
3)te  unjievbUc^en  ^eiligen  fangen  bte  l^ieber  öor. 


5lnBetung  euc^,  i^r  tüa^r^aftigen  Siebet! 

2.  ^^  ^eb  em^or  in  5lnba^t  meine  ^änDe  unb  öcre:^rc  guerfi  aUe 
Wai^xen  SBerfe  beö  njeifen  ^fjeiligen  ©eifteg  unb  beg  frommen  @in= 
neö  ^injic^t,  um  biefeS  ©lüda  t^eil^aftig  §u  n^erben.  Smen  355ev= 
fen  unb  bec  @eele  ber  (Erbe  n?iU  ic^  mein  ®e6et  barbringen. 

3.  ?^rommen  @innö  tcitt  ic^  mid)  eud^  na^en,  SBeifer!  Sebenbiger! 
mit  ber  aSitte,  mir  baö  irbifc^e  unb  baö  geiftige  :^eben  ju  »erleid 
t)en.  5)urd^  3Öa^v:^eit  finb  biefe  @üter  ju  erlangen,  bie  ber 
(Selbfileuc^tenbe  ben  banad^  (Strebenben  i^entt 

4.  (Suc^  beibe  h^itt  i^  rüt;men,  bic^,  2Ba^r:^eit,  unb  bic^,  ben  guten 
@inn,  jum  ^lüeitenj  ben  lebenbigen  SBeifen  unb  ben  Oiei(^tf;um, 
ben  i^  noc|  nidjt  angefleht;  mit  biefen  fomme  bie  5lrmaiti  ((Sr= 
geben^eit),  bie  üor  bem  SSöfen  fc^ü^t,  auf  meinen  Otuf  meinem 
^nl  i)ex. 

5.  Mün  ©eift  berfünbet  Sob  ber  ^eele  ber  ^rbe  unb  bem  guten 
(Sinn,  unb  ben  2Ba^v:^eiten  ber  ^eiligen  Söerfe  beä  funbigen  3Bei= 
fen,  bea  Menbigen.  äßie  lang  bie  ^raft  mir  reicht  eud^  gu  üer= 
et)ren,  fü  lang  bleib  i^  beim  (Suchen  naci^  ber  äBa:^r:^eit. 

6.  3Öa:^rer!  ujie  vermag  ic^  bic^  ^u  flauen  unb  ben  guten  (Sinn, 
unb  ßraof^a,  ber  bem  allerftärfften,  bem  lebenbigen  SÖeifen,  bie 
SBege  ba:^nt.  Wo^U  biefer  (S^ruc^,  "oon  unferm  ^unb  gefpro= 
^en,  bie  \?  erb  erblichen  ©efc^ö^fe  ijcrtreiben! 


Haug,  die  Gathas  des  Zarathiistra.  I.  25 

7.  ^omm  mit  bcm  guten  @inn,  öevtei:^  beö  Sauren  ©aBeii  für 
lange  ßeit,  burc^  beine  mächtigen  2Borte,  SBeifer!  SSerleil)  bem  3«- 
ratf)nfira  beine  jtavfe  J^ilfe  unb  au6  unö,  baf  n}ir  beö  f^einbeö 
Eingriffe  befiegen. 

8.  @ie6,  Saurer!  biefc  2Ba^r(;eit,  beö  guten  ©inneö  ®ütev.  ®ieb 
bu,  5(rmaiti,  bem  S3iflac^a  unb  aud^  mir  SSermÖgen.  Sa^  bu  aBei= 
fer!  bu  Äönig!  unä  eure  glü(!6ringenben  (S^jrüc^c  öcrnet)men. 

9.  ^'i^,  ben  33ejien,  Sefter!  mit  bem  :6ejten  2öa!^ren,  bicf;,  ben  l*e- 
Benbigen!  n>iÜ  i6)  üere^renj  «i^ilfe  tt)ün[^  ic^  für  ^^raf^aoftra  unb 
mid^  unb  für  2)ie,  benen  "iiu  für  aUe  ß^it  beö  guten  Sinnet 
^raft  »erleiden  magft. 

10.  Um  ©d^a^e  ^u  gen?innen  feuern  tnir  euci^  an  mit  unfern  (^tUiin, 
ben  leSenbtgen  Reifen  unb  ben  nja^ren  unb  ben  Bellen  (Sinn  fo- 
nne  jeben,  ber  eurem  S^ieici^c  angeprt,  in  weld^er  klaffe  ber  l;imm= 
lif($en  :^ofcfänger  er  auc!^  fei).  5(uf  unfern  9tuf  i)erleit;t  i^r  ®ü- 
ter,  0Za^rung  unb  ?dt\\%  üon  SKac^t. 


11.  5£)u  fennji,  leBenbiger  Sßeifer!  bie  Bereite  öor^anbenen  @efe|e  beä 
SBal^ren  unb  beg  guten  ©inneS^  Befrieöigen  Voi\i  ic|  meine  £uft, 
fie  5u  erlangen;  öon  euren  eigenen  (S^rü(!^en,  bie  ^ur  D'^a^rung,  §u 
©ütern  üeri^elfen  Unmn,  fenne  i(!§  nod^  gar  feine. 

12.  5£)u  felBjl,  ber  bu  burd^  biefc  ©efe^c  bag  SBa'^re  unb  ben  guten 
(Sinn  Befci^üfeejl  cirigUcfi,  bu  leBenbiger  SÖeifer!  le^r  mid^  boc^ 
bur(^  beinen  ®eifi  öerüinbigen,  burc^  njeffen  3}iunbe,  burd^  tuen 
über^au^t  baö  erfie  iSeBen  Befielt. 


2.     (290 

1.  3^1  ^^^  ^'i^f  Ißitt  bie  ^rbfeele:  i^'ür  nien  fc^uft  i^r  mic|,  mer  fd^uf 
mid^?  @egen  mid)  ftürmt  bie  ©ehjalt  unb  bie  Otoi^^eit  an  mit 
^ü()n^eit  unb  mit  ^i\.6:}i.  9fliemanb  anberg,  alö  i()r,  fd^Iägt  fte 
mir  gurücf,  niemanb  fonjl  üerfünbet,  trag  bem  l^anbmann  frommt. 

2.  ®a  fragte  ber  ^ilbner  ber  @rbe  bag  2öa^re:  traä  t)afl  bu  für  ein 
@efe|  für  bie  (Erbe  gegeben,  alö  il;r  fie  fd^ufet,  i^r  «^errfc^er,  bag 
fte  jletä  baö  S3ieB  ernähre  burd^  i^re^luren?  Söelc^en  l^eBenbigen 
fd^ufet  i^r  ju  i^rer  <§ilfe,  ber  ben  öon  ben  l^ügnern  »erfuc^ten 
Angriff  aBgume^ren  öermag? 

3.  3)iefer  ^rbfeele  anthjortete  ber  baä  SBo^re  nie  ijerlaflfenbe,  ber  fei= 
nin  «§a^  ^egenbe:  5lüer  jener  5Dinge,  bie  bem  .§errn  ber  er^aBe= 
nen  Seuer  gehören,  Bin  \i)  unfunbig;  öon  alten,  bie  fmb,  ifl  jener 
ber  ©tärffle,  bem  ic^  mi^  einmal  mit  5tnBetung  nal;en  nuK. 


26  Hang,  die   Gdthas  des  Zarathustra.   I. 

4.  ^er  SBeife  ifi  ber  ©iprec^er;  er  mi^  am  Bejien  §u  öer!ünbigcn, 
waä  er  für  ben,  ber  gemttft  i)at  gegen  JDaeöaö  unb  6öfe  3JJenfct)en, 
unb  für  2)en,  ber  irirfen  h?irb,  erfonnen.  @r,  ber  SeBenbige,  \mii 
^u  unterfc^eiDen.  (gr  möge  ba:^er  gegen  ung  [eön,  wie  eö  t(;m  ge= 
fäUt. 

5.  9}?it  aufgebotenen  «^änben  Bittet  meine  unb  ber  @rbe  un^erjiör^ 
Bare  <Seele  tregen  eurer  Beiber  ^eBen,  ba§  bie,  bic  ben  SÖetfen  in 
3Sern)ir!Uci^ung  ber  Beiben  ^eBen  unterjiü^en,  foiDie  bie  bag  Oted^tc 
£ieBenben,  unb  bie  2Sermi3genben,  öom  SßeiterleBen  unter  ben  £üg= 
nern  Befreit  «»erben. 

6.  5llfo  fprad^  nun  ber  leBenbigc  Söeifc,  ber  baö  ®efe|  unb  bie 
^ici^tfunft  fennt.  ,,^ein  «§err  auc^  nur  eineä  l&eBeng,  nod)  ein 
^err  bes  3öa^ren  n^ar  ba;  ba^er  f^uf  bic^  ber  ©d^ö^fer  für  ben 
3Sermögenben  unb  ben  ^anbmann," 

7.  ,  2)iefcö  ^ieb  ber  ©ere^rung  bic^tetc   ber   leBenbige  SÖeife   im  SSer^ 

ein  mit  bem  SÖa^ren  für  bie  ßrbe;  in  ben  fec^ö  ©egenben  ber 
(Srbe  ift  eö  ^eilig  ju  )3reifen.  2Öen  i)aft  bu  guten  ©eifleö,  ber 
eö  gur  ßdt  ben  9)lenfd^en  geBe? 

8.  9lur  einen  ^a&e  i^,  ber  unfere  OJeben  ^örte,   nämlid^   ben  ^ocb 
:^eiUgen   3öt^t(?ufira;   biefer   irilC   unfere  n^eifen  ©^rüc^c  unb  bie 
tiom  5CBat)ren  gu  üotlBringenben  ^()aten  Begannt   ma^en.     ^al;er 
wili  i^  i^m  ber  Olebefunft  *^tnne:^mlic!^feit  i?erlei^n. 


9.    3)a  njeintc  bie   ^rbfeele:    baö  ©eBet  beg  fc^tt)acf;en  3)2anne0   um 

erttjünfc^te  ©üter   Iic§    ic^  uuert;ijrt,   bem  n^ünfd^e   ic^   je^t   ^efi^ 

toon  ©ütern.     SBann  mirb  ber  erfd^einen,  ber   i^m   t^ätige   «i^ilfe 
fc^affe?                        ________ 

10.  ^hx  geBt  biefen  2Öo^nung,  l^eBenbiger!  unb  mit  gutem  (Sinn  je= 
nen  33efi^,  SKa^rer'  ber  5(nne:Bntlidpfeiten  unb  ©enüffe  geiuä^rt. 
3c|  n)iU  bi(^,  SBeifer,  aU  feinen  erften  S3eft^er  anbäc^tig  öer= 
e:^ren. 

11.  2Ö0  foK  icl)  baä  SÖa'^re,  ben  guten  (Sinn,  ben  33efi|  nun  üer^ 
:^errlic^en?  5H  2Beifer!  l^eBenbiger!  oerf^rac^t  ^um  (Srfennen  beö 
großen  @utö  un§  Beiben  geratte  bie  ^^ilfe  eurer  @^enbe. 


4 


Haugy  die   Gäthd's  des  Zarathudra.   I.  27 

3.      (30.) 

1.  SSerfiinbigcn  njiK  ic^  \z%t,  i^x  0la^enben!  bic  ircifen  @:|3rüc^e  beS 
5tl(tüeifen,  bte  SoBcöIieber  bcö  Scbenbigen  unb  bie  5lnBetungen  beä 
guten  ©eifieö,  bie  (;errli(^en  2Öaf^rI;eiten,  beren  5tufgang  Bei  ben 
B^Iammen  fid^  fc^auen  läft. 

2.  «öorc^t  beö^alb  auf  bie  (§rbfeele  (Urfiier),  fd^aut  an  bie  f^cuerjira^^ 
len  mit  frömmfiem  (Sinn,  ^in  Seber,  SRann  n?ie  SSeiB,  ifi  ju 
[Reiben  nac^  feinem  ©lauBen.  3^r  @eh?altigen  »on  5(Iterö  :^er, 
ermad^i  unb  jiimmt  un§  Bei! 

3.  SSon  2(nBeginn  gieBt  eä  ein  3i^iÜing§:^aar,  ^n^ei  ©eifier,  jeber 
öon  eigener  $^^tig!eit}  fie  finb  ba0  ®\xXt  unb  baö  SBöfe  in  ©t- 
banfen,  SCBort  unb  %^(d.    QBä^It  unter  Beiben,  feib  gut,  nic^tBöö! 

Unb  biefe  piti  ©eijier  Begegnen  fi^  unb  fc^affen  bag  (grjie  Qr^ 
bif^e),  ba6  @et)n  unb  0lic^tfei)n,  unb  baS  :^et^te  (©eiftige);  ben 
l^ügnern  njirb  baä  fc|limmfie  2)afei?n;  bem  3Bal)r^aftigen  baö  Befie. 

5.  SSon  biefen  Beiben  @ei|iern  njä^lt  einen,  entrt>eber  ben  lügnerif^en, 
baö  (5c|Iimmpe  öoüBringenben,  ober  ben  iral^ren  l^eiligften  @eifl. 
aöer  jenen  irä^lt,  ern?ä^(t  ba0  :^ärtej!e  j^ooö,  trer  biefen,  öcrel^rt 
ben  5l^uramajba  gläuBig  unb  in  S23a^r:^eit  bur$  feine  %^aUx\.. 

6.  5)iefen  Beiben  fÖnnet  i^r  nid^t  bienen.  Srgenb  nn  Bßfer  ®ti%- 
bie  /Dir  öernid^ten  irotten,  üBerfäKt  bie  fic^  ^eratl^enben  unb 
fprid^t:  „Sßä^It  ben  fc^lec^tejien  ©inn."  2)ann  f^aaren  Ti^^  biefe 
©eijier  jum  Qlngriff  gegen  bie  Beiben  l^eBen,  bie  bie  ^ro^l^eten 
laut  üerfünbigten. 

7.  Unb  biefem  irbifc^en  !i?eBen  fam  5(rmaiti  mit  irbifd^er  9)Zac^t,  ber 
SGBai^r^eit  unb  bem  guten  @inn  ^u  «^itfej  fie,  bie  @tt)ige,  f(|uf  bie 
^örpertrelt,  ber  @eiji  aBer  ijl  Bei  2)ir,  2Öetfer!  in  ber  ßeit  baö 
(Erflc  Bei  ben  (S^ö^fungen. 

8.  SCBann  ber  @eifl  in  irgenb  mel^eö  UeBel  fommt,  fo  h?irb  öon  btr, 
0  aöeifer!  irbifd^er  SSefi^  neBfl  gutem  (Sinn  »erliefen;  aBer  5)ic 
firaft  er,  beren  33erfpre^en  ^üge,  nic^t  äÖa^r^eit  ifl. 

9.  <So  laft  uns  bcnn  alö  gorter^atter  bicfeö  ScBenö  njirfen,  beffen 
cifrigpe  unb  ttja^re  gorbcrer  bie  leBenbigen  SSeifen  felbfl  ftnb. 
„i)ort  nur  iji  ber  SSerfiänbige,  voo  bie  Sinfic^t  tuol^nt." 

10.  ©erabe  fte  ifl  bie  redete  J&ilfe  gegen  baö  33öfe,  fie  ifi  bie  3er|iü= 
rung  beö  33erberBerä.  3Sot(fommene8  mo^nt  nur  in  bem  fd^önen 
«§au0  beö  guten  @innS,  beö  SÖeifen  unb  beg  5ÖaT;ren,  bie  alö  gut 
Berühmt  fmb. 


28  Haag,  die  Gdthas  des  Zarathustra.    I.  '         « 

11.  \UU  m^  bie  Se^ren,  ijon  «0?ajba'ö  eigenem  DJZunb  gef^roc^en,  bie 
er  beit  aJZenfd^en  ga6,  ben  Lügnern  ^um  @cl)aben,  gur  ©ernt^tung, 
t>em  Sä>a(;r^ßfttgen   jum  ^eil.     3n  i^nen  ru^?t  bnö  @lücf. 


4.     (31.) 

1.  3nbem  ixnr  biefe  eure  ©^rüd^e  öerfünbigen,  fprec^en  nur  iinSe- 
fannte  SBorte  für  ^ie  auö,  ireldje  bem  burd^  feine  Higenfpriid)e 
bie  reinen  :^anbgüter  S3erbcr6enben  angeC;ören.  5tlleö  @ute  ntirb 
2)enen  ju  %^ü\,  bie  mit  vi^erj  unb  ©eele  bem  Sl^uramajba  er= 
geBen  finb. 


SBenn  (;iebur(^  nic^t  für  ben  33er!ünbtger  fceiber  3öege  geforgt 
hjirb,  fo  mu§  ici^  ju  euc^  Witn  ge^en  (um  mid^  §u  erfunbigen), 
njeil  ber  lebenbige  SBeife  baä  ®efe§  hjo^l  fennt  unb  bie  Sortbauer 
ber  Reiben  ^^eilc,  burc^  ^ie  tr»ir  leben. 


3.  SBem  tuurbe  baä  ®lücf  ^u  ^^eil,  bag  bu  feinen  Diei6^i?Ijern  an= 
l;altenbeö  ^euer  gabeft,  ®eifi  9)la^ba?  3BeI(^en  ©^rud)  bie  ^en^ 
ner  ber  göttUd^en  Offenbarung  befi|en,  ben  lag  unä  nnffen,  SÖei= 
[er!  burd^  beinen  eignen  9)?unb,  mit  bem  bu  aüe  Sebenben  be= 
f^ü^efi. 


SÖann  bie  SÖa^r^eit  unb  bie  lebenbigen  SBeifen  auf  ben  Oiuf  er= 
f(|einen,  fo  fijjenbe  *2(rmaiti  mir  mit  bem  befien  @inn  ein  mäc^ti= 
geö  33eft^t^um,  burc|  beffen  ^ilfe  lüir  bie  ^üge  ijernic^ten  mögen. 


5.  @ag  mir  btefeg,  um  ju  ernennen,  njel(|  ^o^eg  @ut  i^  'm  ben  mir 
Verliehenen  SÖa^r^eiten  burc^  ben  guten  (Sinn  befi|e,  unb  um  mic^ 
IM  erinnern  an  baö  ©erabe  (Olic^tige),  foiuie  an  aUeö  2)a6,  leben- 
biger  Söeifer!  \t)aö  nic^t  toax,  no(^  fein  n^irb  (bag  Unrid}tige, 
Salf^e). 

6.  ^cr  ^atte  baö  Sepe,  ber  alö  2Biffenber  mir  bas  hjirflic^e  l^ieb 
beg  Sßo^ljianbeö,  ber  SÖa^r^eit  unb  ber  Unfterblid^feit  öerfün:; 
bigte.  3)er  SSeife  l)at  jene  9J?ac^t,  bag  er  e§  burc^  feinen  guten 
@inn  ijerfünbigen  fann. 

7.  ®er,  iveld^er  burc^  fein  eigene^  Sid^t  ber  «i^immel^li^ter  9)? enge 
uranfänglid^  erfanb,  ber  fc&afft  burd§  feine  (Sinftd^t  baö  SBa^re, 
iDoburd^  befielet  ber  gute  ©inn.  ®ieg  läffeft  bu  gebeil;en,  n^eifer 
@cifi!  ber  bu  berfelbc  bletbji  gu  aller  ^di. 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.   I.  29 

8.  ^i^  ba^t  i^  aU  ben  Urerflen,  35eifer!  alö  ben  ^o^en  in  ber 
^latnr  irie  im  ©eifte,  aU  ben  SSatcr  be0  guten  (Stnneö,  ba  id^ 
bid^  mit  Qlugen  fc^autc  alö  ber  ilßa^r^eit  SBefen^eit,  aW  be§  ^e^ 
Benö  (Sd^ö^jfer,  alä  ben  J^eSenbigen  in  beinen  «i^anblungen. 

9.  3tt  2)ir  ru^tc  bie  (^eilige  ßrbe,   in  ?Dii  ber  ^oc^ijerftänbige  SSil&ner 
.  beg  ©rbleibeS,  lebenbiger  @eifi,  SJ^ajba!    5(uf  bem  i^on  bir  ange= 

nnefenen  33}eg  fommt  fie  »om  ^anbmann  ^er  unb   ge^t  an  bem 
üorfcei,  ber  feiner  ij!. 

10.  (Sic  wäfflt  ftc^  unter  Beiben  ben  O^eic^en,  :^eBenbigen,  2iÖa^rl;aftlgen, 
bie  Olei^t^ümer  be3  guten  ©inneö;  fein  OHci^tbebauer  beö  ^anbeS, 
ber  irgenbn)el(^e  ®ü|en  öere^rt,  fott  5(nt§eil  an  ber  froren  Jlunbc 
I;a6en,  3Beifer! 

11.  5)u  fcßuff!  guerji,  o  SBeifer!  unfere  Sanbgüter  unb  erfanneft  bie 
@)3rüc^e  burc^  beinen  ®eifi  unb  bie  (Srfenntniffe;  babur^  erfc^ufeft 
bu  bie  SÖelt  biefe6  S)afeinä,  baburtf)  bie  (;eiUgen  ^anblungen  unb 
bie  hieben. 

12.  2So  bem  freien  Mann  bie  SÖa^l  frei  fte^t,  ba  Bringt  fein  SÖort 
ber  :Bügenrebner  n»ie  ber  3[Ba^r^eitrebner,  b'er  SBiffenbe  n?ie  ber 
UnnjiffenDe  nad)  feinem  ^erg  unb  (Sinn  ^erbor.  5Dcr  ^n^e  na^ 
fragt  5(rmaiti  Beibe  ©eifier,  tvo  if)u  .^eimat^  ift. 


13.  SÖaö  fonfl  für  anberc  ^inge  ^u  offenBaren  finb,  ober  trelci^c  2öei0= 
freiten  bort  erfragt  n^erben,  ober  n)0  (Einer  bur^  fleinen  @d^aben 
fic^  ben  größten  ©enuf  üerfc^aft,  biefeö  5ltteö  erfd^ouft  bu  alö 
SBä(^ter  mit  beinen  gtänjenbcn  ^tugen,  SÖal^rer! 

14.  2)ieä  mit  idi)  bic^  fragen,  l^eBenbiger!  für  je|t  unb  für  bie  3«= 
fünft,  n?ie  bie  ©eBete,  bie  öon  ben  nja^ri^aftigen  (S(^ö:^fern  unb 
n?elc^e  öon  ben  Lügnern  gegeben  finb,  gebid^tet  njurbcn. 

15.  ^ieö  n)[ü  id)  fragen,  n?aä  bie  ©efinnung  5)effen  fei,  ber  bem  Hg= 
ner,  bem  SSoÜBringer  beö  (Sd^Ied^ten  S3eft|  berlei^t,  SeBenbiger !  unb 
hjaö  bie  ©efinnung  Neffen  ift,  ber  baö  :^eben  beöjenigen  i^anb^ 
mannö,  n^elc^er  bie  ^üge  nic^t  oere:^rt,  auf  feine  SBeife  an  33ie^ 
ober  3)2enfc^en  berieft. 

16.  ^ieg  n?iÜ  iä;)  fragen,  hjie  ber  reid^  begabte  ^err  beS  'i^aufeö,  ber 
©egenb  ober  ber  ^roöinj  bie  SCöa^r^eit  ju  verbreiten  firebte,  njenn 
er  bir,  lebenbiger  üöeifer!  ergeben  tvat  unb  it»a0  er  ti)at. 


17.  ^ef)xt  ber  SÖa^r^aftigc  ober  ber  Higner  baö  ©röf^cre?  ber  SÖiffenbe 
fagc  eg  bem  0iid^tnn|fenben;  ber  9lid^tnjiffenbe  möge  eS  nid)t  öer:; 
bergen ;  fei  un8,  tebenoiger  SBcifer !  dn  (Stärf er  M  guten  (SinnÖ ! 


30  Haugp  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I. 

18.  Jteinei*  "oon  euc^  ^öre  auf  bie  lieber  unb  ©eBote  beö  Hgnerö;  bcnn 
v^auö  unb  ^orf,  @egenb  unb  ^Jroöinj  ftürjt  er  in  Unglütf  unb 
a?erber6en.     ©a^er  tobtet  biefe  Hgnev  mit  bem  ©c^ttjcrte! 

19.  2(6cr  ber  Sßiffenbe,  irel^er  nur  an  bie  2Öa^rt)eit  unb  bie  beiben 
;^eBen  backte,  Setenbiger!  bcffen  ßmQc  frei  fici^  Bewegt,  :^i3re  auf 
bie  richtigen  3Borte,  bie  bur(^  bein  glänjenbes  gutes  ^euer,  baö 
in  ben  OteiB^öIjern  rul;t,  ijerfünbet  rcerben,  SCöeifer! 

20.  Sßer  ben  2öa^rf)aftigen  gum  l^ügner  ma^t,  ber  !ommt  unter 
frembe  ^errfc^aft  lange  ßdt,  bem  rt)irb  baö  üble  SBort  „ing  5)un= 
fei"!  öerfünbigt.  3)er  ©lauBe  foK  ^te,  ireldpe  burd^  i^re  «§anb= 
lungen  euer  :&e6en  jerjlören,  ausrotten! 


21.  ^er  leBenbige  SBeife,  ber  SBäc^ter  beö  a3eftt3tl)um0,  oertte^  auö  ber 
gülte  feiner  @üter  2Öot)lftanb  unb  Unj^erSIic&feit  in  reid^em  59k^ 
unb  i)on  eujiger  5)auer,  beö  guten  ©inneS  ®Iücf  5)em,  ber  burcf) 
©efinnung  unb  burc^  Z^aUn  fi^  aU  feinen  ^reunb  BeaneS, 

22.  5Dieö  ijl  6efannt  bem  ®ute6  $$!^uenben,  Ujie  bem  ©utgefinnten. 
@erabc  ^cr  öere^rt,  o  «fönig!  bie  2Öa^r^eit  in  SÖort  unb  %i)cit, 
gerabe  ;I)er  iji  bir,  leBeuDiger  SKeifer!  ber  bejie  ^örbVrer. 


5.     (32.) 

1.  ©ein  Qtnöertüanbter,  fein  .^nec^t  unb  @d)u|genoffe,  Betet  an  na6) 
meinem  ©inn,  iC;r  ^Daeöa'ä^  Beim  5lufgang  biefeg  ÜÖeifen  (beg 
^yeuerg).  3)eine  33oten  luotien  n^ir  fei^n,  5D'?a§ba!  :^alt  bie  feji, 
bie  eud)  Raffen. 

2.  liefen  antiDortete  ber  leBenbige  Sßeife,  ber  bur^  ben  guten  @inn 
©^u|  gemä^^rt:  beg  33efi|t^um§  n)egen  mahlen  n?ir  bur^  t5ie 
2ßa^r:^eit,  unfere  fci^öne,  glänjenbe  ^Begleiterin,  eure  gute  ^^eiligc 
(SrgeBenl^ eit,  fte  fott  un§  fei^n! 


3.  Sl)r  S)aeöa'g  allefammt  fei)b  nur  gar  mannigfache  5lu§geBurten 
beg  fc^le^ten  (Sinneg,  fon^ie  ber  @ro^e,  ber  eurer  :^üge  unb  eurer 
^äuf^ung  Olaufc^tran!  für  :^od^:^etUg  :^ält,  unb  eure  ^rugfünpe, 
bur(^  bie  i^r  in  allen  ^^eilen  ber  (Srbe  fo  n?o^l  Begannt  fei^b. 

4.  ^aburci^  erfanbet  i^>r  all  baä  ©c^le^te,  baS  bie  9)^enfc^en  t^un 
unb  reben,  baS  ^ttjar  ben  5Daeöa'0  angenet)m,  aBer  allen  guten  ©in? 
neg  Baar  ijl,  unb  beg^alB  buri^  beä  leBenbigen  Seifen  ^infic^t 
unb  bie  SÖa^rl^eit  ju  ©runbe  ge^en. 


I 


Hang,  die  Gdthas  des  Znrathistra.   1.  31 

5.  @o  betrügt  it)x  beit  2)^ettfd)en  um  fein  gute§  5£)afei)n  wnb  feine 
UnfierbUc^feit  burc^  euren  fc^Iec^ten  ©inn  —  fott?o^I  burd^  ben 
ber  3)aeöa'ö  aU  ben  beö  fd^Iec^ten  ©eijieä  —  burc^  f^led^te  '^l^at 
unb  f^le^teö  SÖort,  ttjoburcf)  ber  l^üqner  9J?ac^t  fic^  fammelt. 


6.  SSiele  Uebel  fud)tet  i^r  ju  ftiften.  Söitt  man  um  i^re  Olbtt^et^r 
Bitten,  fo  gef^e^e  eä  bur(|  biefe  @e6ete.  5Die  njirfli^en  SBorte, 
bie  bu  njeifefi  mit  gutem  i^inn,  will  ii)  f^rec^en.  deinem  diei^ 
«nb  beiner  2öa^rt)eit  bringe  i^  ^oh  bar,  lebenbiger  SBeifer! 

7.  ©egen  feineö  biefer  Uebel  fann  ber  SOBiffenbc  beim  ^am^f  ber  bei= 
ben  .§eere  ^ilfe  öerfünben,  ba  er  fie  felbft  auf  eigene  SÖeife  er= 
fahren.     ^f)vt  5lbJt)e^r  fennfi  bu,  lebenbiger  Söeifer !  am  bejien. 

8.  ^can  f)bxt,  ouc^  Sima,  beg  SSiöangI;üat  (So^n,  nmr  öon  bicfen 
Ueb«In  nic^t  öerfc^ont,  er,  ber  bie  9Jfenfd^en  bur^  feine  @alm  be= 
glütfte  unb  unfere  2:^eile  ber  @rbe  mit  feinem  ^i^U  erfüllte.  5tu(^ 
i(^  bin  in  i^nen,  nac^  beiner  ^ntfd^eibung,  SBeifer! 


9.    SCßer   böfe  SÖorte  f^ric^t  »erhjirrt  bie  O^ieben,  inbem   er  fd^mä^t 
beg  ^afe*[)n§  2öeiö^eit.     9^ic^t  füKen  fie  baä  ^o\)e,   trirflid^e  ®nt 
beS  guten  @inneö  unö  rauben.     5Diefe  SBorte  meineö  eigenen  ®ei= 
'  ^eg  rufe  i^  tuä),  bem  SBeifen  unb  bem  Sßa^ren,  laut  gu. 

10.  Sener  foK  nic^t  bie  D^teben  öern^irren,  ber  gegen  bie  (Srbe  unb  bie 
(Sonne  burc^  feine  (S^Ie(^tigfeiten  baö  (Sd^lecfctej^e  rcaö  gu  fe:^en 
auäf^jrad^,  ber  bie  lügnerifd^en  ©efe^e  gab,  ber  bie  gelber  üer= 
iüüflet  unb  bem  3ßa^r:^aftigen  (Sd^aben  jufügt. 

11.  3)en  33efi|  beg  @c^a|eö  ber  beiben  ^eben  unt)  beg  93elebten  nimmt 
er  tt>eg.  5lber  2)ie,  njelcl}e  al0  bie  ©ro^en  beö  Hgnerö  erfci^einen, 
n?eld^e,  Söeifer!  bem  bejien  @eift,  bem  n^a^r^aftigen,  ^u  frfjaben 
trauten,  foden  baö  ^afei^n  nic^t  öertoirren. 


12.  5D?it  biefer  3tebe  mögen  unö  bie  ^ro^^eten  ber  bej^en  %^at  falber 
befc^enfen!  ©egen  2)ie  f^jrac^  ber  SÖ3eife  jd^Umme  3Öorte,  bie  ber 
^rbe  5)afe\)n  bur(|  i^rc  ßauberf^^rüd^e  üernjirren,  üon  benen  ©re^^ma, 
ber  ^riejier  ber  ®Ö|en,  umgeben  ijl  in  feinem  »Jtam:pf  gegen  baö 
aöa^rc,  unb  ber  Äönig  ber  Hgenfreunbe. 

13.  2)iefe  93eft|t^ümer  überlieferte  ©re^ma  bem  aBo^nfi^  bcö  fd^Ie^= 
teilen  (Sinnä,  beö  SJiorberö  biefeg  Menö;  na6)  alfer  ^nft  f^mä^t 
er  bcineö  ^ro^^eten  (Beübung,  ber  ibren  ^^ngriffen  ©inl^alt  t^un 
ttjiU. 


32  Haug,  die   GdthiVs  des  Zarathustra.   I. 

14.  3n  feinen  S3anben  fet)  @re^ma!  SSertrieBen  foKen  tvevben  ieglid)e 
®ü^ettpxopf)dcnl  5)ie  ©tnfic^t  üerm^tet  jegti^e  ßauBerfünfte  auQ 
altcx  3^i^f  ^o¥^  ^^^  ^ügnerä  ^ilfc  fam.  3)er  ^"rbe  fd^rieB  man 
ben  @teg  ju,  njeil  fie  bie  baö  Uebel  abmet^venbe  flamme  jum 
(Sd^u|e  anjünbete. 


15.  5)urc^  btefe  (@^rü^e)  tvitt  ic^  unter  eu^  bie  ©ö^cno^fer  nnb 
Oxafd  ijerni^ten.  3)ie,  irelc^e  fie  (bie  3)Ja^l)a'g)  buvc^  i^rc  ^ilfe 
nid}t  ju  freien  «Ferren  beö  .1)afe!9n0  maÄen,  iuerben  öon  il^nen 
gum  .^o^nfiie  be§  guten  @inneö  getragen. 


16.  5111  baö  irirb  bem  93epen  ju  ^:^eil,  ber  baS  njeit  ()in  Ieu(^tenbe 
D^fer  öoKjie:^t,  ai§  ^errfc^er,  leBenbiger  SBeifer !  ^u  lüelc^em  3^^"*^^^ 
bu  mic^  üBer^au)3t  fanbteji;  baburd)  nntt  ic^  für  icp  bie  l^ügner 
inö  SSerberBen  fiür^en. 


6.     (33.) 

1.  Sie  eg  3)em  :^ierburc^  bie  @efe|e  beS  erften  !2eBeng,  bie  geredete- 
fien  ^anblungen  3}olXiringenben  ergebt,  tüie  bem  S^ügner,  unb  une 
bem  Söat^r^aftigen,  trie  2)em,  ber  lauter  5:rug  I;egt,  unb  ®em, 
ber  baö   5lufrid)tigc   will   Qmtl  ic^  nun  üerfünbigen). 

2.  2Ber  bem  Hgner  in  SÖort,  ober  ©eftnnung,  ober  %f)at  Uebleg 
gufügt,  burc^  be§  Outen  ^'üfe  bie  (Bc^ledjtigfeit  erfennt,  3)er 
lüirft  jum  ^6)n^i  (gegen  baö  S3öfe)  n^o^IgefäUig  bem  leljens 
bigen  SBeifen. 

3.  SBelc^er  tion  ^tvd  5(noern)anbtett,  ober  gn?ei  ^m^tm,  ober  jtrei  (B^up 
genoffen  bem  2ßa:^r{;aftigen  aW  ber  SSefle  gilt,  ober  ireld)cr  baö 
:S^cBenbige  erfennenb,  bie  (Erbe  Bearbeitet,  ber  rt)ivb  in  bem  ©eftlöe 
beö  SQBal^ren  unb  beä  guten  ©inneg'  fei^n. 

4.  93on  bir,  SBeifer,  wiU  id)  ben  Unge^orfam  unb  ben  fci^Ied^ten  (Sinn 
burc^  @eBet  aStrenben,  unb  bie  2öiberf^änftig!eit  beS  5tnüern>anbten 
unb  bie  näd^fiüern?anbte  :i^tige  beö  ^ned^tö  unb  bie  beö  ange()örigen 
(Sd^u^genoffen  unb  öon  ber  @rbe  ^lux  bie  öerber6Iic!&|le  @e= 
jtnnung. 

5.  5llö  beinen  Reifer  gegen  ®en,  ber  baö  lange  5)afet)n  im  0ieid^c 
beö  guten  @inne0  jerfiÖrt  auf  ben  richtigen  $faben,  wo  ber  le= 
Benbige  Sßeife  njo^nt,  njiU  ici^  ben  altergröften  (Eraof(;a  anrufen. 


I 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.  33 

6.  iSßev  Qufridjttg  bie  SSa^r^citm  anruft,  ber  f)at  beg  Bepen  ©eipcö 
SBefen^eit;  ba(;er  ifi  ev  mit  jenem  ©inn  Uc^aht,  ba^  er  ben  5^cinb= 
bau  ju  forbern  benft.  3)tefen  iriU  id)  l;oc^e^ren,  lebeubicjer  ilBeifer! 
in  i^olge  beiner  Offenbarung  unb  betner  SD?ittt?eiInng. 

7.  v^ommt  ^u  mir,  bcjte  eigene  aßat)rt;eiten,  bie  ju  erfdjauen  fmb 
burc^  ben  guten  (Sinn,  Reifer!  bur^  tt>eld^en  i6)  befannt  bin  öor 
bem  großen  J&elfer.  Unter  unö  beiben  foUen  bie  mannigfai^en 
SÖeifen  ber  QSere^rung  offenbar  tuerbcn. 

8.  Jtommt  ^er  ju  mir,  fommt  ^er  gu  mir,  il;r  ^o^en  5)inge,  bie 
jener  fetbf^  (ßu)  burc^  ben  guten  (Sinn  befi^t,  eure  *2(nbetung, 
SBeifcr!  unb  bie  irabrm  :^obeön?orte!  33erlei:^t  eurer  Unflerblid); 
täten  unb  eureö  S33ü^ljianl)eö  ^auer  immerbar. 

9.  5Diefe  beiben  .Gräfte,  bie  ben  ©eifi  an  ilÖa^r^eit  fi?rbcrn,  bie  boS 
gange  ^af)x  I;inburd^  tüirfen,  burd^  it)r  eigene^  j^nin,  burci^  i^ren 
Ort,  Urfprung  unb  beä  beften  (Sinnes  Söefen,  bencn  bie  (Seeleu 
folgen,  —  bie  finb  in  beiner  33ereitfd;aft ,  Sßeifer! 

10.  5(t{e  guten  3)inge  in  ber  SBelt,  bie  njaren,  finb  unb  fein  n?erben, 
SBeifer!  öerlei^e  itnö  burd^  beine  ©nabe.  9)?e^re  burc^  ben  guten 
@inn  bie  SSefilt^^ümer  unb  bie  SÖa^r^eiten,  ftärfe  ben  «för^er 
bur(^  2ßo{;Ierge(;en ! 


11.  S)er  ftärffie  !^ebenbige  unb  ber  SSeife,  bie  (Ergebenheit  tinb  baö 
HÖa^re,  baö  bie  l^anbgüter  [c^ü|t,  ber  gute  (Sinn  unb  baö  ^e^ 
fi|t^um,  —  i^r  aUe  ^oret  mid^  unb  mac^t  mi^  glütfli^  in  jeg: 
li^em  3Berf. 


12.  Sr^^ebe  bid^,  lebenbige  5(rmaiti!  gieb  mir  ^raft,  t)eiltgfier  ©eift 
9)?ajba!  trenn  id^  bir  bie  guten  ®(Uk  barbringe,  gieb  mir,  2Bat); 
rcr!   ber  @tärfe  9}Jacfjt,-  beS  S^eic^t^umS  ©efe^   bur^  ben   gutm 


@inn, 


13.  f5ür  mein  SBo^l  forgfi  bu,  ivenn  i^  tveit^in  bli(fe  burc^  bie  aßat;r= 
^eit,  bie  eud)  erfüKt^  jene  lebenbige,  bie  bem  33efi^t(;um  unb  beiu 
guten  (Sinne  eigen  ifi.  ©ieb  0lad^bru(f  ben  ^eiligen  (Sprüchen, 
l^eilige,  h?a^)re  2(rmaiti! 


14.  Unter  ben  33ere^rern  ifi  eö  Börat^wfirfl.  ber  ben  ©runb  fd)afft, 
nämlid)  beö  guten  (Sinneä  ^ei&1)eit,  ber  vi^anblung  2öat;r^eiten 
unb  anbere  folc^e  2)inge,  fon^ie  beä  2ßorte0  Ueberlieferung  unb  baö 
S3efi|t^um ,  bamit  eineö  jeben  äßefenö  eigent^ümlid^eö  2)afei^n 
bleibe. 


Abhandl.  der  DMG,     I,  3. 


34  Hang,  die   Gäthas  des  Zarathustra.   I. 

7.     (34) 

1.  5(tt  bie  ^anblungen,  SBortc  iinb  93ere^rungen,  burd^  bie  bu  Uu= 
jJerWic^feit  unb  Sßa^r:^eit  unb  ben  SSefi^  beS  2öo:^Ij!anbeg  biefen 
»evletf;^,  aöelfer!  Befi|efl  bu  gcrabe  im  vcici^jien  SD^Jo^e,  ^i^cBenbigcv ! 

2.  ^if^  ö^fö  i|^  bir  bwr^  be6  guten  Oetf^eö  @inn  unb  burd^  beS 
tauigen  ^?anneö  «^anblung,  beffcn  «Seele  ben  2©a^r(;elten  folgt, 
üedie^en.  3n  eurer  äöoi^nung,  Söetfer!  erfd;aUen  ber  ^otfänger 
iHeber. 

3.  5)ir,  ^^eBenbtger !  Bringen  n.nr  D^fer  mit  ^ofc^reiS  unb  bcm  SBa^:: 
ren  in  atien  ben  SBo^nungen,  \>u  \i)x  burcfe  guten  @inn  erljautet. 
©eib  bereit,  i^r  @uteg  ©(^affenben!  3n  attem,  tonö  eud^  gebort, 
ifl  ^eit,  SBelfer! 

4.  9^ad)  beinern  fiarfen  Seuer,  Menbiger!  3Öa^rer!  fielet  unfer  (Sinn, 
nac^  bem  öoÜfräftigen,  mäd^tigen,  ber  Schöpfung  nü^enben  burd) 
feine  mannigfachen  «^ilfömittel;  für  bi^,  ber  bu  mit  Den  ©efdioffen 
beiner  ^änbe  bie  ^reöler  i3ernid)te|!,  »ere^ren  n)ir  eä. 

5.  SÖel^eö  ift  euer  Otei(^?  üÖel^e  ©lücfggüter  iuerben  bxird^  bie  from^ 
men  ©ebräuc^e  enrorBen,  SÖeifer!  wenn  ic^  mit  gutem  Sinne  bie 
SCßa^r^eiten  ijerfiinbige,  um  eure  ^vei^eit  ju  ijerbreifa^en?  Sci^on 
lange  rebeten  tüir  eurethjitien  (:?e6enbiger !  Reifer!)  gegen  bie  böfen 
©eiftcr,  bie  f^leifc^freffer  unb  bie  (bßfen)  9Jienf^en. 

6.  äÖenn  il;r  nun,  SÖeifer!  SBa^rer!  nürflicb  mit  gutem  Sinne  6e= 
gabt  feib,  fo  mad^t  mir  biefea  (baö  irbifc^e)  :&e6en  allerorten 
ftarf,  ttjeil  id^  mit  )2ob  unb  ^retö  cuc^  beibcn  entgegen  fommen  njiÜ. 


7.  3Bo  finb  bie,  görbcrer  SDZajba!  bie  anzeigen  beö  guten  Sinncö 
©üter,  bie  fie  (bie  i^einbe)  in  S3efi|  genommen?  St'glid^e  bunHe 
%i)(i{,  jeglidje  Unterbrütfung  mögeft  bu  an  baö  l^elljie  ^i6:)t  Brin= 
gen.  deinen  anbern  fenne  id^,  alö  eud^,  SBa^re!  füiiiti  je^t  unä 
beibe. 

8.  5)urc^  biefe  unfere  ^anblungcn  irerben  bie  erfd^rectt,  bie  ^iütn 
mit  3?n'berben  bro^^ten^  ben  na^öerujanbten  ^einb  mögeft  bu  burd^ 
beinen  5lu0fpru(^,  SBeifer!  ängjtigen:  „bie  nic^t  baö  SBa^re  bens 
fen,  bereu  ^o^nung  liegt  \mxi  öom  leuc^tenben  Fimmel  entfernt". 


9.  3Öer,  obfd^on  er  fennt  bie  ^eilige,  :^o^e  5(rmaiti,  SBeifer!  bod^  j^ur 
Sörbcrung  fd^led^ter  %i:)akn  ^ilft,  a\x^  5D?ifad^tung  beö  guten  Sin= 
neö:  bem  nimmt  ber  ®roße  bie  SÖa^r^eiten  ^innjeg,  n)eil  burd^ 
feine  ^anblungen  bie  ]^in=  unb  ^errennenben  fteifd^frejfenben  3)a-' 
monen  erzeugt  Vtjerben. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  L  35 

10.  5)cr  ^oci^öerftänbigc  fagte,  bie  3^^ateit  guten  ©inneS  feien  bie 
^rud^t,  unb  ber  SÖiffenbc  nannte  bie  l;eilige  5(rmaiti,  bie  rei(|  an 
@c^Ö:j3fungen  ifi,  ber  SBa^v^eit  2Befen^eit.  Unb  atteö  ba6  Belegt 
in  beinern  Oteicl)e  ficf),  ^eBenbiger,  SBeifer! 

11.  SSeibe,  bie  UnfterBlic^feit  fonjo^l  alö  ber  2ßot;lfianb ,  gef;ören  ju 
beinern  ©lanje.  ^urd^  beö  guten  (Sinneö  «§errt'd{)aft  nmdjö  mit 
bem  aCßa^ren  bie  ^römmigfeit.  3«  biefen  ruf;en  jene  beiben  »Gräfte, 
SÖcifer!     3)enen  gel^örfi  bu  an,  bie  fie  burd^  bic^  Beft^en. 


I 


12.  SScIc^eS  ijt  bein  ©e^eimni^?  SBaS  bein  aSegel^r?  SBag  i|t  ®ad^e 
beä  ^ü6)3reiferg  ?  3Baö  gehört  gur  SSeret)rung?  93er!imbige  laut, 
na^  man  eö  t;öre,  SBeifer!  maö  eure,  ber  äöäd)ter,  SSa^ri^eiten 
fd^afft.  ^e^re  un0,  Söa^rer!  bie  ijon  bir  geBa^nten  SBege  beö 
guten  (&inneg. 

13.  2)iefer  SÖeg  beö  guten  @inne0 ,  ben  bu  mir  nanntcfl,  fmb  ber 
f5euer:^iriefter  f^öngeBilbete,  a\x^  lauter  3Öa^r(;eit  hervorgegangene 
(&))rü(^e.  £)enn  ben  ©uteö  ^^^uenben  n)irb  ein  !(^ot;n  verliei^en, 
SBeifer!  unb  bu  fciji  beffen  ©eBer. 

14.  5t(0  (Sd^u|n?e^r  gaBt  i^r  ber  irbifd^en  S®elt,  HÖeifer!  beö  guten 
(Sinneö  %iiak\\.  2)enen,  n^el^e  ber  S3e6auung  ber  unijergänglidjen 
(Erbe  fid^  n>ibmen,  üerliet^t  i^r  eure  gute  ßinfi^t.  2)u  ^a^  ber 
(Sinfi(|t  hja^re  2ßirfung  geförbert,  SeSenbiger! 

15.  SGÖeifer!  fag  mir  jene  Bej^en  Oteben  unb  %^aUn ,  fag  mir  mit 
gutem,  nja^rem  ^mn  beö  SoBpreiferö  ©eBet.  ^urc^  beine  i^err= 
fd^aft  fc^ufjt  bu  in  ©naben  jietige  3)auer  bem  njirfUd^en  :2efeen, 
Menbiger! 


3* 


I 


Commentar  zur  Gäthä  ahuiiavaiti. 

Jaf.  capp.  28  —  34. 

Während  die  übrigen  vier  Gdthd's  nach  ihren  Wortanfängen  be- 
nannt sind,  z.  B.  die  zweite  ustavaiti  nach  dem  Anfangsworte  usta 
(43,  1),  hat  diese  erste  von  dem  Gebete  jathd  ahü  vairjo  (Honover 
der  Pärsen)  ihren  Namen.  Wir  finden  dieses  heiligste  Gebet  am 
Ende  des  27.,  unmittelbar  vorhergehenden  Capitels.  Es  fragt  sich 
nun ,  ob  diese  Gäthd  in  einem  Zusammenhange  mit  dem  Gebete 
steht.  Das  27.  Capitel  ist  eine  Lobpreisung  des  jathd  ahü  vairjo 
folgenden  Inhalts :  „Diess  ist  das  grösste  von  allen,  um  zu  schaffen 
das  Leben  und  das  Gesetz,  das  lebendige,  weise,  zur  Vernichtung  des 
Änro  mainjus,  des  anlaufenden,  zur  Vernichtung  des  verderblichen 
Aeshma,  zur  Vernichtung  der  Mäzänischen  Daeva's,  zur  Vernichtung- 
aller  Varenischen  Daeva's ,  der  anlaufenden ;  zur  Förderung  des 
Ahura-mazda ,  des  reichen,  glänzenden;  zur  Förderung  der  Amesha 
^penta's ;  zur  Förderung  des  Sternes  Tistrja,  des  reichen,  glänzen- 
den; zur  Förderung  des  reinen  Mannes;  zur  Förderung  aller  reinen 
Geschöpfe  des  heiligen  Geistes".  Nun  sind  drei  Gebete  angeführt, 
und  zwar  jathd  ahü  vairjo,  mazdd  at  moi  (Ja9.  34,  15)  und  d  air- 
jemd  ishjo  (Ja^.  54,  1).  Dann  wird  so  fortgefahren:  „Durch  Homa 
werden  beschützt  Mazda,  Khshathra,  Asha,  die  Herren,  der  gute 
^raosha,  der  mit  Macht  den  Asha  begleitet  und  Die,  welche  hier 
dein  seyn  mögen.  Die  dabei  wirkenden  guten  Kräfte  des  Ahuna 
vairja,  des  fortgehörten  in  Reinheit,  preisen  wir,  (die  Kräfte)  der 
in  Reinheit  vollzogenen  Auspressung  und  der  mit  Wahrheit  gespro- 
chenen Worte:  „dann  sollen  sie  uns  die  wirksamsten  (am  meisten 
Glück  bringenden)  seyn"  ^).  Nun  folgen  Verse  aus  dem  33.  Capitel 
des  Jagna  (v.  11  — 14),  dann  das  Glaubensbekenntniss:  Ich  bekenne 
mich  als  Mazdaja^ner  etc.  Unmittelbar  hieran  schliesst  sich  das 
jathd  ahü  vairjo,  aber  hier  ist  es  vollständig  erhalten  und  zählt  21 
Worte,  die  in  der  Entwicklung  des  Pärsismus  eine  so  grosse  Rolfe 
spielen.     Diesem  Gebet  folgt  ashfm  vohü,  das  zweite  der  heiligsten 


*)   Diese  Worte:    AUul  zi  ne   luimäjölarä  (iiihcii   fj^ehoreii   der  Sprache 
nach  ganz  dem  Cälhä-Bhlekte  an,  kommen  aber  sonst  nicht  weiter  vor. 


38  Hang,  die  Gäthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28. 

Gebete,  ebenfalls  vollständig.  Nun  kommen  die  gewöhnlichen  An- 
rufungen: „Das  Ahutia  vairja  beten  wir  an,  die  beste,  trefflichste 
Wahrheit,  die  unsterbliche,  heihge,  beten  wir  an."  Zuletzt  stehen 
die  Anfangsworte  des  dritten  der  heiligsten  Gebete:  jenhe  hdtäm. 

Dieses  Capitel  zerfällt  augenscheinlich  in  drei  Theile,  die  unter 
sich  zwar  in  keinem  engen  unmittelbaren  Zusammenhange  stehen, 
aber  doch  einige  Beziehungen  zu  einander  haben.  In  dem  ersten 
Theile,  v.  1  —  5,  sind  die  Wirkungen  der  Recitirung  des  heiligsten 
Gebets  im  Einzelnen  beschrieben;  im  zweiten,  v.  6 — 12,  sind  nicht 
bloss  die  Wirkungen  des  Ähiuia  vairjö  allein,  sondern  auch  die  an- 
derer heiliger  Worte  und  die  des  ausgepressten  Homasaftes  im  All- 
gemeinen gepriesen.  Das  Ganze  scheint  so  eine  passende  Einlei- 
tung zu  den  nun  folgenden  Gäthd's  zu  bilden,  indem  es  die  hohe 
Kraft  und  Wirkung  heiUger  Gebete,  namentlich  die  des  allerheilig- 
sten,  hervorhebt.  Die  Ueberschrift  von  c.  28,  die  Westergaard  irr- 
thümlich  als  ersten  Vers  der  Gdthd  bezeichnet,  ^)  schliesst  sich  ent- 
weder als  Nachschrift  an  den  dritten  Theil  von  c.  27  an,  oder  ist 
Ueberschrift  für  alle  Gäthd's,  oder  nur  für  die  Gdthd  ahunavaiti. 
S.  darüber  weiter  zu  v.  1. 

Capitel    28. 

Dieses  Stück,  das  die  erste  Liedersammlung  (Gdthd  ahunavaiti) 
eröffnet,  lässt  sich  ausser  der  Ueberschrift  v.  1  (siehe  darüber  den 
Commentar)  in  drei  Theile  zerlegen:  a)  2  —  6;  h)  7 — 10;  c)  11. 
12.  Die  jetzige  Gestalt  haben  wenigstens-  die  zwei  ersten  durch 
einen  spätem  Bearbeiter  erhalten,  der  beide  zusammenfügte;  der 
dritte  steht  in  keinem  nähern  Zusammenhange  mit  den  beiden  er- 
sten und  scheint  nur  durch  einen  blossen  Sammler  angehängt  zu 
seyn.  Der  Grundgedanke  der  beiden  ersten  Theile,  die  jetzt  zu 
einem  Ganzen  verschmolzen  sind,  ist  eine  Anrufung  und  Lobprei- 
sung der  höchsten  Genien,  des  Ahura-mazda  oder  des  lebendigen 
Weisen,  des  Vohu-manö  oder  guten  Sinnes,  der  Armaiti  oder  der 
Frömmigkeit  und  Ergebenheit,  des  Asha  oder  des  Wahren,  Wirk- 
lichen, Dauernden,  des  Khshathra  oder  des  Reichthums  und  Besitzes, 
sowie  des  Geus  urvd  oder  der  Erdseele  (s.  zu  29),  und  des  Qraosha 
oder  des  Genius  der  Ueberlieferung ,  um  die  Verleihung  irdischer 
und  geistiger  Güter.  Dabei  ist  auffallend,  dass  zwei  sonst  häufig 
genannte  Genien,  Ameretdt,  d.  i.  Unsterblichkeit,  und  Haurvatdt,  d.  i. 
Ganzheit,  Unversehrtheit,  Wohlstand,  übergangen  sind. 

a)  2  —  6.  Der  Dichter  verehrt  die  wahren  Thaten  und  Hand- 
lungen des  heiligen  Geistes  Ahura-mazda  und  des  guten  Sinnes  Ein- 
sicht und  die  Erdseele,    d.  h,  er  vollzieht  die  heiligen,  von  Ahura- 


')  Ich  bin  ihm  in  dieser  Bezeichnung  nur  desswegen  gefolgt,  um  keine 
Störung  in  die  Citate,  was  höchst  lästig  ist,  zu  bringen,  habe  aber  den 
Charakter  des  Verses  als  einer  Ueberschrift  angedeutet. 


Haug,  die  Gdthä's  des  Zarathustrn.  I.    Cap.  28.  39 

magda  angeordneten  Handlungen,  die  dem  Feuerdienst  gelten,  folgt 
allen  Satzungen  des  höchsten  Geistes,  und  strebt  zugleich  nach  der 
wahren  frommen  Gesinnung  und  der  Einsicht,  um  jene  Handlungen 
würdig  vollziehen  und  des  höchsten  Glückes,  nach  dem  jeder  Wahr- 
haftige und  Fromme  streben  muss,  nämlich  des  ungestörten  Besitzes 
des  leiblichen  sowohl  als  des  geistigen  Lebens  theilhaftig  zu  wer- 
den (2).  Nur  durch  die  Wahrheit,  das  Wirkliche  und  Dauernde, 
d.  h.  die  eifrige,  unverdrossene  Pflege  des  Feuerdienstes  und  alles 
Guten,  nach  den  vom  höchsten  Gott  gegebenen  Gesetzen  sind  diese 
Güter  zu  erlangen,  in  deren  alleinigem  Besitz  der  Urquell  alles 
Lichts,  Ahura-mazda,  ist  (3).  Die  Wahrheit  und  der  damit  ver- 
bundene gute  Sinn  haben  in  der  Anrufung  gleich  die  zweite  Stelle, 
d.  h.  sie  sollen  gleich  nach  Ahura-mazda,  dem  v.  2  die  erste  An- 
rufung galt ,  angerufen  werden.  An  diese  beiden  schliesst  sich 
Khshathra,  der  Reichthum,  an,  dessen  in  den  vorhergehenden 
Yersen  noch  nicht  gedacht  wurde  und  der  daher  der  noch  nicht 
angerufene  heisst.  Alle  diese  Genien  sind  von  der  Armaüi,  der 
personifizirten  Frömmigkeit  und  Ergebenheit  der  Menschen  (zugleich 
Genie  der  Erdej  begleitet,  die  vor  allem  Bösen  schützt,  wenn  sie 
gerufen  wird  (4).  Diese  Lobpreisungen  sollen  aber  nicht  bloss  den 
höchsten  Genien  gelten,  sondern  auch  der  Erdseele,  die  die  Erde 
bildete,  sowie  allem,  was  das  Leben  fördert  in  Folge  der  von 
Ahura-mazda  angeordneten  Handlungen.  Ja  der  Dichter  ist  so  be- 
geistert, dass  er  nie  im  Lobpreisen  dieser  guten  Geister  zu  ermüden 
und  stets  das  Wahre,  dem  Ahura-mazda  Wohlgefällige  zu  suchen 
verspricht  (5).  Aber  er  will  das  Wahre  nicht  bloss  suchen,  — 
in  seiner  Gottbegeisterung  will  er  es  wie  die  Seher  der  Vorzeit  in 
leiblicher  Gestalt  schauen,  ebenso  den  guten  Sinn  und  den  Schutz- 
geist ^raosha,  die  personifizirte  Tradition,  der  dem  Ahura-mazda 
die  Wege  bahnt,  d.  h.  durch  dessen  Vermittlung  der  höchste  Gott 
allein  auf  Welt  und  Menschen  wirken  kann  (6).  Hiermit  schliesst 
der  erste  Theil  des  Stücks,  der  sonach  ein  Loblied  enthält. 

Wer  der  Verfasser  des  Liedes  sey  und  aus  welcher  Zeit  es 
stamme,  ob  aus  der  zarathustrischen  oder  einer  frühern  oder  spä- 
tem, lässt  sich,  wie  bei  vielen  andern,  kaum  bestimmen.  Der  ganze 
Inhalt  des  Liedes,  sowie  der  Umstand,  dass  es  mit  Sprüchen,  die 
sicher  aus  der  zarathustrischen  Zeit  stammen ,  vereinigt  wurde, 
scheint  mir  wenigstens  zu  beweisen,  dass  es  nicht  nach  Zarathustra, 
sondern  entweder  von  ihm  selbst  oder  von  einem  seiner  Genossen, 
oder  sogar  von  einem  frühern  Propheten  verfasst  ist.  Der  Wunsch, 
den  wahren  Gott  selbst  zu  schauen,  die  ausdrückliche  Versicherung, 
so  lang  das  Leben  reiche,  der  Wahrheit  treu  zu  bleiben,  lässt  den 
Dichter  als  einen  gottbegeisterten  Seher  und  Propheten  erkennen; 
die  Anrufung  und  Lobpreisung  der  Erdseele  (v.  2.  5)  scheint  be- 
stimmter auf  Zarathustra  z»i  weisen,  da  er  Cap.  29  als  Verkündiger 
eines  der  Erdseele  vom  höchsten  Gott  gewordenen  Orakelspruchs 
erscheint   und  sich  auf  einen  solchen    (30,  2)    auch  wirklich  beruft. 


40  Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28. 

Aber  der  Mangel  aller  Polemik  gegen  die  Abgötterei  und  gegen  die 
Lügner,  die  in  keinem  wirklich  zarathustrischen  Stück  vermisst  wird 
und  die  hier  leicht  anzubringen  gewesen  wäre,  scheint  mir  gegen 
die  zarathustrische  Abfassung  des  Liedes  zu  sprechen,  und  die  An- 
rufung der  höchsten  Genien,  die  sicher  schon  vor  Zarathustra  ver- 
ehrt wurden,  wie  die  ganze  Entwicklungsgeschichte  der  iranischen 
Religion  zeigt,  beweist  wenigstens  nichts  für  dieselbe.  Auch  der 
Umstand,  dass  von  den  beiden  Leben  (dem  irdischen  und  geistigen) 
die  Rede  ist  (3),  was  sonst  eine  der  Grundanschauungen  Zarathu- 
stra's  war,  ist  kein  strenger  Beweis  dafür,  weil  30,  6  diese  Lehre 
als  eine  von  den  Propheten  überhaupt,  nicht  von  Zarathustra  allein, 
verkündigte  erscheint.  Sonach  haben  wir  gar  keinen  verlässigen 
Grund,  das  Stück  Zarathustra  selbst  zuzusprechen.  Weil  nirgends 
eine  deutliche  Einwirkung  der  neuen  zarathustrischen  Ideen,  des 
scharfen  Gegensatzes  von  gut  und  bös,  zu  erkennen  ist,  so  möchte 
ich  dieses  einfache  Lied ,  das  ebensogut  im  Weda  als  im  Zend- 
awesta  stehen  könnte,  einem  vorzarathustrischen  Dichter  zuweisen. 

b)  7  — 10.  An  dieses  Loblied  schloss  ein  späterer  Bearbeiter 
drei  Manthra's  oder  heilige  Sprüche  an.  Eingeleitet  wurden  diesel- 
ben durch  den  Schlusssatz  von  v.  6:  „Möchte  dieses  Manthra,  von 
unserm  Mund  gesprochen,  die  verderblichen  Geschöpfe,  die  Khraf^tra's 
(Kharfester,  eigentlich  Fleischfresser)  vertreiben".  Dieser  Satz  steht 
in  gar  keiner  Verbindung  mit  dem  übrigen  Theil  des  sechsten  Ver- 
ses, und  bezieht  sich,  streng  genommen,  eigentUch  nur  auf  den  fol- 
genden siebenten  Vers;  denn  es  ist  nur  von  einem  Manihra  die 
Rede,  während  drei  folgen,  und  dann  stimmt  der  v.  6  angegebene 
Zweck  des  Spruches:  „die  verderblichen  Geschöpfe  zu  vertreiben" 
genau  mit  dem  Schlüsse  von  v.  7:  „dass  wir  des  Feindes  Angriffe 
besiegen",  während  weder  v.  8  noch  9  davon  die  Rede  ist.  Da- 
her vermuthe  ich,  dass  er  ursprünglich  zum  siebenten  Vers  als  Ein- 
leitung gehörte  und  nicht  vom  Bearbeiter  herrührt.  Beidemal,  im 
Schlusssatz  von  6  und  7,  spricht  der  Dichter  in  der  ersten  Person 
der  Mehrzahl:  „wir  mögen  vertreiben"  und  „Zarathustra  und  uns". 
Der  V.  7  enthaltene  Spruch  hat  indess  eine  so  merkwürdige  Aehn- 
lichkeit  in  Inhalt  und  Form  mit  den  zwei  folgenden  in  8  und  9, 
dass  eine  Verwandtschaft  und  Zusammengehörigkeit  kaum  geläugnet 
werden  kann.  Diese  drei  Verse,  in  denen  die  höchsten  Genien  um 
Hilfe  gegen  die  Feinde  (7,  9),  um  Vermögen  und  Mittheilung  wirk- 
samer Gebete  angefleht  werden,  sind  besonders  wichtig  und  merk- 
würdig durch  die  in  ihnen  vorkommenden  Eigennamen :  Zarathustra, 
Vistd^pa  und  Frashaostra,  zu  denen  sich  als  vierter  noch  der  Dich- 
ter gesellt.  Dieser  spricht  in  der  ersten  Person  von  sich  und  kann, 
dem  ganzen  Zusammenhange  nach,  nur  einer  der  nächsten  Freunde 
Zarathustra's  seyn;  ich  vermuthe  G'dmdgpa^  weil  dieser  sonst  neben 
Frashaostra  und  Vistdcpa  genannte  Freund  Zarathustra's  und  Beför- 
derer seiner  Lehre  hier  nicht  mit  Namen  aufgeführt  ist,  wie  die 
zwei  andern.     Ob  indess  v.  7  ganz  denselben  Verfasser  hat,  wie  8 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  L    Cap.  28,   1.  41 

lind  9,  könnte  fraglich  seyn.  Dass  sie  trotz  der  grossen  Aehnlich- 
keit  ursprünglich  nicht  neben  einander  standen,  sondern  erst  durch 
den  Bearbeiter  des  verwandten  Inhalts  wegen  hieher  gezogen  wur- 
den, scheint  mir  der  Schhisssatz  von  v.  6,  der  nur  auf  das  nächst- 
folgende Manthra  v.  7  geht,  zu  beweisen.  Beachtenswerth  ist  auch, 
dass  der  Dichter  v.  7  von  sich  in  der  ersten  Person  pkirahs  (uns), 
v.  8  und  9  dagegen  in  der  ersten  Person  sing,  (mir  und  mich) 
redet.  Der  zehnte  Vers  stand  ursprünglich  mit  diesen  drei  Man- 
thra's  in  keiner  Verbindung,  sondern  wurde  vom  Bearbeiter  hieher 
gesetzt,  um  den  beiden  verbundenen  Theilen  einen  würdigen  Schluss 
zu  geben.  Er  giebt  den  Zweck  und  die  Absicht  jener  Lobpreisun- 
gen und  des  Sprechens  dieser  heiligen  Sprüche  näher  an.  Alle  die 
hohen  Genien,  der  lebendige  Weise,  das  Wahre,  der  gute 
Sinn  und  jeder,  der  unter  die  himmlischen  Sänger  gehört,  d.  h. 
jeder  höhere  Geist,  der  im  Garo - demdna  (eigentlich  Liederwohnung, 
der  Gorotman  der  Pärsen)  oder  Paradies  verweilt,  sollen  durch  diese 
Verse  zur  Gewährung  erbetener  Güter  angetrieben  werden,  wie  im 
Weda  Indra  durch  der  Menschen  Gebete  zur  Besiegung  des  Feindes 
und  Erbeutung  der  Schätze  angestachelt  wird. 

c)  11.  12  sind  nicht  vom  Bearbeiter,  sondern  nur  vom  Samm- 
ler hinzugefügt  und  stehen  in  keinem  rechten  Zusammenhange  mit 
dem  Vorhergehenden.  Sie  enthalten  den  Wunsch  und  die  Bitte  an 
Ahura-mazda  um  Mittheilung  der  ewigen  Gesetze  des  Wahren, 
Wirklichen  (der  irdischen,  leiblichen  Welt)  und  des  guten  Sinnes 
(der  geistigen  Welt)  und  der  wirksamen  Reden  und  Sprüche,  deren 
der  Dichter  noch  gar  keine  zu  kennen  beklagt  (11).  Aber  die 
Kenntniss  dieser  Gesetze  genügt  dem  forschenden  Geiste  des  Sehers 
noch  nicht,  er  möchte  auch  den  Urheber  derselben  kennen  lernen, 
er  möchte  wissen,  wer  alle  diese  herrlichen  Schöpfungen  (das  erste 
Leben)  durch  sein   Wort  ins  Leben  rief  (12). 

Da  in  diesen  Versen  die  acht  zarathustrische  Anschauungsweise 
zu  erkennen  ist,  wonach  Ahura-mazda  eigentlich  als  der  einzige 
wirkliche  Gott  aus  der  Zahl  der  himmlischen  Geister  hervortritt, 
so  trage  ich  kein  Bedenken,  beide  dem  Zarathustra  selbst  zuzu- 
schreiben. 

« 

Vers  1.  Es  sind  eigentlich  zwei  Ueberschriften :  ya7i?m  vacö — • 
geurvdin  und  nemo  ve  gdthdo  ashaonis.  Letztere  findet  sich  vor  allen 
andern  Gdthd's  (s.  capp.  43.  47.  51.  53).  Da  die  Gdthd  ahunavaiti 
somit  schon  ihre  besondere  Ueberschrift  hat ,  so  nehmen  wir  am 
tuglichsten  an,  dass  die  erste  Ueberschrift:  jdnm  maiiö,  auf  alle 
Gdthd's  gehe.  Sollte  es  aber  nicht  auch  Nachschrift  zu  /athd  ahü 
vairjd  seyn?  Das  Meiste  hängt  von  der  richtigen  Erklärung  des 
jdnim  ab,  das  wir  hier  etwas  weiter  besprechen  wollen.  Es  ist  eine 
Adjectivbildung  von  jdna  mit  ja  und  steht  für  jdnjam  (neutr.).  Die- 
ses ^a/m  ist  einfaches  Abstractiun  der  Wurzel  /a,  gehen,  und  findet 
sich  auch  schon  im  Weda  in   der  einfachen  Bedeutung  Weg  neben 


42  Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,   1. 

pathah,  namentlich  in  dem  Compositum  devajana,  Götterpfad,  Rv.  I,  72, 
7.  Vli,  76,  2;  vgl.  Nirukt.  6,  8.  In  den  alten  Liedern  finden  wir 
das  Wort  nur  einmal  und  zwar  v.  10  unsers  Capitels  im  Instrum.  pl. 
jdnäis.  Oefter  begegnen  wir  dem  Worte  in  den  spätem  Stücken, 
namentlich  in  den  Jeschts.  J.  68 ,  21 :  gaidhimndo  no  jüzem  da^ta 
khshajamndo  raesca  qarenagca  dpo  dagta  no  tem  jdnem  j6  jüshmat 
paro  fravi^to,  angerufen,  ihr  Wasser,  gebt  uns  Reichthum  und  Glanz, 
gebt  uns  das  Glück,  das  durch  euch  früher  (von  andern)  erworbeu 
wurde.  J.  65,  11:  dpo  jdnem  v6  jd^dini  mazdontem  tem  me  ddjata 
jenhe  dditi  paiti  vanho  ni^rüta  anaiwidrukhti  dpo  istun  vö  gaidhjdmi 
pouru -  ^aredhdm  amavaitim  frazafitimca  qdparäm  ^).  O  Wasser,  ich 
bitte  um  euren  jdna,  gebt  ihn  mir,  dessen  Wesen  ist  als  gut  be- 
kannt, untrüglich;  ihr  Wasser,  euer  Gut,  das  mannigfache,  und  die 
Nachkommenschaft,  die  sich  selbst  fortpflanzt.  J.  9,  19 — 21 :  imem 
thwäm  paoirim  jdnem  haoma  gaidirjemi  düraosha  vahistem  ahüm;  — 
imem  thwäm  bitim  jdnem  gaidhjemi  drvatdtem  tanvo ;  imem  thritim 
jdnem  gaidhjemi  —  daregho  =  gitim  etc.  Um  diesen  ersten  jdna 
bitte  ich  dich,  um  das  beste  Leben;  um  diesen  zweiten,  die  Ge- 
sundheit des  Körpers;  um  diesen  dritten,  um  langes  Daseyu  etc. 
Jt.  17,  26.  35.  39.  43.  52  kehrt  stets  die  Phrase  vindat  tem  jdnem 
wieder,  nachdem  es  in  den  vorhergehenden  Versen  jedesmal  hiess: 
dat  him  gaidhjat  avat  djaptem  dazdi  me  ashis  vanuhi.  Da  rief  sie 
(eam)  an  (irgend  ein  Held  der  Vorzeit  ist  der  Anrufende,  Jima, 
Thraetaona  etc.):  Lass  mich,  gute  Asid,  dieses  erreichen,  dass  ich 
(Paradhdta  Haoshjanh)  nicht  erschreckt  mich  beuge  vor  den  Daeva's, 
oder  dass  ich  (^Jima)  reich  werde  an  Heerden,  inid  Unsterblichkeit 
den  Geschöpfen  des  Ahura-mazda  bringen  möge,  oder  dass  ich 
(Thraetaona)  besiegen  möge  die  verderbliche  Schlange  Äzidahdka. 
Jene  darauf  folgende  Phrase :  vindat  tem  jdnem  scheint  nach  der  vor- 
hergegangenen Bitte  heissen  zu  sollen :  diese  Bittgewährung  erlangte 
er,  oder  diese  Bitte  wurde  ihm  gewährt.  Eine  ähnliche  Fügung 
haben  wir  Vend.  19,  6.  Westerg.  Hier  sagt  die  Drukhs  zum  Za- 
rathustra :  apagtavanuha  vanuhim  daenäm  mdzdaja^nim  vinddi  jdnem 
jatha  vindat  Vadhaghano  danhupaitis ,  verfluche  den  guten  Mäzda- 
ja9nischen  Glauben ;  du  erlangst  den  jdna,  welchen  erlangte  Vadha- 
ghano, der  Landesherr  (Fürst).  Jt.  24 ,  8 :  jüzemcit  qareno  bakhsha- 
jata  dpa  da^ta  no  tem  jdnem,  ihr  Wasser,  schenkt  uns  den  Glanz, 
gebt  uns  dies  Glück.  Jt.  10,  138:  jezi-sc  jdndt  havaiti  ganhemcit 
anu  ^a^trdi  ^anhemcit  mainjdi  —  uiti  mraot  ahuro  mazddo,  wenn  ihm 


')  Von  den  Fravashi's  Jt.  13,  32  zwischen  den  Prädikaten  qd/.hravaitis 
(selbstleuchtend)  und  baishazjdo  (heilbringend),  von  der  Aslii  vanuhi  Jt.  13, 
157,  von  der  Erde  Ja^.  10,  14  neben  barethri  (Trägerin),  von  der  glänzenden, 
starken  Wohnung  Ahura-mazda' s  3&^.  2,  14  gebraucht.  Der  Ableitung 
nach  ist  qdpara  aus  qa  =  sva  -f-  apara,  i.  e.  alius  zusammengesetzt,  d.  i. 
sich  selbst  zum  Andern  habend,  ein  Gegenbild  von  sich  habend  (passt  sehr 
gut  für  die  Fravashi's)  oder  auch  sich  selbst  zum  Andern  machend,  d.  i. 
erzeugend;  in  diesem  Sinne  gleich  qadha. 


Hang,  die  Gdt/ias  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  1.  43 

wegen  des  Jana  ein  Tadel  wird  ,  so  will  ich  auf  einen  Tadel  fiir 
den  Tadler  denken,  Vernichtung  will  ich  diesem  Mann  ersinnen,  so 
spricht  Ahura-mazda.  (Hier  ist  ^aTia  so  viel  als  Gang,  Lauf,  im 
Gegensatz  zu  maethana  v.  137.)  Jt.  16,  6:  jcini  (razistam  ci^täm 
daendm)  Jdzata  Zarathuströ  humatahe  paiti  mananhS  hükhtahe  paiti 
vacaiiho  hvarstahe  paiti  skjaothnahe  avaheca  paiti Jdnahe,  Jatha  he  dathat 
etc.,  welche  (die  richtigste  erkannte  Lehre,  als  Personification  ge- 
dacht) Zarathustra  verehrte  mit  gutgesinntem  Geist,  gutgesproche- 
nem Wort,  gutgethaner  Handlung  und  mit  jenem  Jdna-y  dass  sie 
ihm  geben  solle  Kraft  für  den  Gang,  Hörbarkeit  dem  Gehörgang, 
Stärke  den  Armen  etc.  Es  fragt  sich^  worauf  avahe  paiti  jdnaM 
hier  bezogen  werden  soll ,  ob  auf  das  sogleich  folgende  jatha  he 
dathat  oder  auf  die  Verse  1 — 3,  die  eine  eigentliche  Anrufung  der 
Daend  (Personification  des  Glaubens)  enthalten.  Am  besten  bezieht 
man  es  gerade  auf  dieses  Gebet  zurück;  dann  heisst  es  „mit  jenem 
Gebet",  oder  besser,  da  jenes  Gebet  ein  Glücksgebet  ist,  „mit 
jenem  Glücksgebet".  Jt.  14,  3  haben  wir  einen  Superlativ  jdna- 
vagtemö  von  Jdnavat  zwischen  qarenanha^temo  und  ^aokava^temo  von 
Verethraghna  (Behrdm)  gebraucht.  Das  Wort  finden  wir  auch  in 
der  ersten  Gattung  der  Keilinschriften,  im  Medischen:  L  H  21, 
aita  jdnem  gadijdmi  Äuramazddm  hadd  vithibish  bagibish ,  um  diese 
Gnade  flehe  ich  den  Auramazda  mit  den  einheimischen  Göttern  an. 
Man  kann  h\er  jdna  nicht  mit  „Glück"  übersetzen,  wie  bisher  ge- 
wöhnlich geschehen  ist ,  da  im  Vorhergehenden  von  gar  keinem 
Glück,  sondern  von  Beschützung  vor  Misswachs  und  andern  Übeln 
Dingen  die  Rede  ist 5  das  aita,  dieses,  weist  zu  bestimmt  auf  das 
Vorhergehende  hin.  Im  Neupersischen  findet  sich  jdn,  dem  fol- 
gende Bedeutungen  zugeschrieben  werden:  eine 'zusammenhangs- 
lose, unverständliche  Sprache,  Träumerei  eines  Fana- 
tikers, Faselei  eines  Verrückten,  Verzückung.  Da  dieses 
fdn  den  Lauten  nach  ganz  identisch  mit  dem  altern  jdna  ist,  so 
haben  wir  vorerst  keinen  genügenden  Grund,  den  Zusammenhang 
beider  oder  ihre  wirkliche  Identität  zu  bezweifeln.  Aber  wie  kön- 
nen wir  die  Bedeutungen  vermitteln?  oder  ist  vielleicht  die  neuper- 
sische Bedeutung  die  einzig  richtige?  Letztere  enthält  den  Begriff 
von  begeisterten  Worten,  die  im  Zustande  der  Entzückung  gespro- 
chen werden,  also  etwa  den  eines  Orakelspruchs.  Dass  dem 
fdiia  eine  ähnliche  Bedeutung  zukommen  kann  ,  geht  deutlich  aus 
der  oben  angeführten  Stelle  Ja9.  9,  19 — 21  hervor.  Hier  ist  von 
verschiedenen  jdna'sy  die  Homa  verleiht,  die  Rede.  Homa  ist  aber 
bekannthch  ganz  der  Wedische  Soma,  ein  berauschendes  Getränk, 
bereitet  aus  dem  ausgepressten  Saft  einer  Asclepiasart  und  saurer 
Milch,  das  die  Priester  und  Seher  an  heiliger  Stätte  tranken  und 
dadurch  in  einen  Zustand  der  Ekstase  versetzt  wurden,  in  dem  sie, 
wie  die  Pythia,  allerhand  unverständliche  Worte  murmelten.  Dieser 
Zustand  der  Entrückung  und  Entzückung,  der  heiligen  Begeisterung, 
der  sich  wohl  im  Hin-  und  Herwandeln,  oder  in  irgend  einer  eigen- 


44  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathmtra.  I.    Cap.  28,   1. 

thiimlichen  Bewegimg  zu  erkennen  gab  ,  ist  der  jdna  oder  Gang. 
Da  aber  mit  diesem  Zustande  das  Gefühl  höchster  Seligkeit  verbun- 
den war,  so  konnte  jma  in  den  Begriff  Glück,  Wonne  über- 
gehen. Diese  etwas  allgemeine  Bedeutung  darf  aber  dem  Worte 
nicht  in  allen  Stellen  beigelegt  werden;  so  wäre  sie  J.  9,  19  —  21 
etwas  zu  vag;  hier  scheint  es  den  Sinn  einer  geheimnisvollen 
höhern  Kraft  zu  haben,  die  nicht  bloss  Gesundheit  und  langes 
Leben,  sondern  auch  Sieg  über  die  Feinde  verleiht;  der  gleiche  Sinn 
muss  dem  Wort  in  Jesht  17  beigelegt  werden.  Alles  Ausserordent- 
liche, das  die  Helden  der  Vorzeit  gewirkt^  wie  Jima,  Thraetaona, 
Uaoshjanh  etc.,  wird  von  diesem  jdna  abgeleitet.  Diese  hohe  Kraft 
wurde  ihnen  aber  von  Ahiira-mazda  nur  in  Folge  ihrer  Gebete  ge- 
oflfenbart.  Zu  beachten  ist,  dass  dieselben  Wirkungen,  die  sonst 
dem  jd7ia  zugeschrieben  werden,  im  19.  Jescht  (sogenannten  Zam- 
j  ad -Jesht)  dejn  qareno,  Glanz,  beigelegt  werden;  dass  in  Jt.  24,  8 
neben  Jdnem  dieses  qareno ,  und  Jt.  14,  3  neben  dem  Adj.  qarenan- 
hat,  glänzend,  jf*a?müai  steht.  Hierausfolgt  mit  einiger  Sicherheit, 
dass  beide,  qareno  und  ^*a/m,  verwandte  Begriffe  bezeichnen;  der 
Unterschied  scheint  nur  der  zu  seyn  ,  dass  qareno  die  äussere  Er- 
scheinung jener  geheimnissvollen  Wunderkraft,  jdna  dagegen  diese 
selbst  bezeichnet.  Neben  dem  Begriff  einer  geheimnissvollen  Wun- 
derkraft hat  das  Wort  aber  auch  den  eines  geheimen  Spruchs, 
eines  Orakels,  welche  Bedeutung  klar  aus  dem  Neupersischen  folgt. 
Letztere  ist  in  unserm  Capitel  v.  10  die  sicherste,  wenn  man  nicht 
die  von  Bitte,  welche  aber  zu  wenig  Gewähr  hat,  vorziehen  sollte; 
unter  diesen  Orakelsprüchen  sind  dann  die  unmittelbar  vorhergehen- 
den Verse  7  —  9  zu  verstehen.  Nerios.  hat  für  jdndis  hier  subhena 
(für  <^uhhena),  mit  dem  Glücklichen,  Schönen.  Ebenso  deutet  er  das 
Adject.  jdnim  in  unserer  Ueberschrift ;  er  hat  ^ohhana-mandh,  mit 
glücklicher,  schöner  Gesinnung.  Diese  Deutung  ist  aber,  wie  aus 
vorstehender  Untersuchung  hervorgeht,  eine  etwas  zu  allgemeine 
und  ist  für  unsere  Ueberschrift  nicht  wohl  anwendbar.  Was  soll 
denn  der  Glücksgedanke  und  das  Glückswort  und  die  Glücks- 
handlung Zarathustra's  seyn?  Einer  solchen  Anschauung  begeg- 
nen wir  nirgends  weiter  im  Zendawesta.  Da  sich  eine  Beziehung 
des  janim  der  Ueberschrift  zu  den  jdndis  des  zehnten  Verses  kaum 
verkennen  lässt,  so  müssen  wir  demselben  die  gleiche  Bedeutung 
beilegen.  Somit  verstehe  ich  unter  jdnim  mano  den  in  der  Ent- 
zückung dem  Zarathustra  geoffenbarten  heiligen  Gedanken,  unter 
jdnim  vaco  das  ihm  in  diesem  Zustande  mitgetheilte  heilige  Wort,  und 
unter  jdnim  skjaothnem  die  von  ihm  in  heiliger  Begeisterung  vollbrachte 
That.  Dass  diese  Bezeichnung  etwas  ausserordentlich  Heiliges  in 
sich  begreift,  sieht  Jeder  leicht.  Daher  liegt  auch  der  Gedanke  nahe, 
dass  diese  Worte  nicht  Ueberschrift,  sondern  Nachschrift  zum  vor- 
hergehenden Capitel  seyen  als  eine  Beschreibung  des  Ahuna  vairja. 
Aber  gegen  diese  Annahme  spricht  der  Umstand^  dass  c.  27  nicht 
mit  jenem  heiligsten  Gebete  schliesst,  sondern  dass  ihm  noch  andere 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  /.    Cap.  28,  1.  45 

Gebete  folgen.  Da  unmittelbar  nach  unserer  Ueberschrift  die  Worte 
stehen:  die  Ameshä  ^pentä  sangen  die  Gdthas  vor,  so  können  wir 
sie  gut  auf  die  Gäthd's  beziehen.  Nur  lässt  sich  nicht  mit  Sicher- 
heit bestimmen,  ob  sie  bloss  auf  die  Gdthd  ahunavaiti  capp.  28  — 
34  oder  auf  alle  Gdthd's  sich  bezieht.  Dass  sie  wenigstens  nicht 
bloss  auf  unser  Capitel  (28)  beschränkt  ist,  wie  man  ans  jdndis 
V.  10  vermuthen  könnte,  geht  daraus  hervor,  dass  die  Formel,  die 
alle  fünf  Gdthd's  einleitet:  nemo  ve  gdthdo  ashaoms,  nach  ihr  steht. 
Wenn  sie  sich  nur  auf  unser  Capitel  bezöge,  so  müsste  das  Umge- 
kehrte der  Fall  seyn.  Das  Wahrscheinlichste  ist  mir ,  wenn  sich 
auch  eine  Beziehung  auf  die  Verse  7 — 9  unsers  Capitels  nicht  ver- 
kennen lässt,  dass  die  Worte  von  jdnim  —  geurvdin  der  gemein- 
schaftliche Titel  aller  Gdthd's  als  der  heiligsten  Erzeugnisse  der  alten 
religiösen  Poesie  sind.  —  Geurvdin.  Westergaard  corrigirt  die  hand- 
schriftlichen Lesarten  in  geurvdni,  was  eine  erste  Person  sing,  im- 
perativi  seyn  würde.  Diese  Schreibung,  welche  indess  vom  Sinn 
und  Zusammenhang  nicht  gefordert  wird,  ist,  da  sie  sich  auf  gar 
keine  handschriftliche  Lesart  stützt,  wohl  zu  verwerfen.  Die  Mss. 
bilden  hier  zwei  Gruppen;  die  eine  fasst  das  Wort  als  eine  Verbal- 
form (K.  5.  P.  6.  K.  11.  Bb.),  die  andere  als  einen  Accusativ  sing. 
(K.  4.  K.  6.  Bf.).  Letztere  Lesung  ge  urvdnem  (K.  4.)  oder  geur- 
vdnem  (Bf.  K.  6.)  ist  entschieden  irrig;  denn  einen  Accusativ  des 
bekannten  geus  urvd,  woran  am  nächsten  zu  denken  wäre,  können 
wir  in  unserm  Satze  mit  nichten  unterbringen.  Die  Worte  frd  — 
geur^  bilden  einen  Satz  für  sich;  sie  würden  desshalb  ein  Verbum 
verlangen,  von  dem  jener  Accusativ  abhängig  wäre;  dieses  aber 
wäre  so  nicht  zu  finden.  Auch  zugegeben,  dass  ein  Verbum  ohne 
viel  Schwierigkeit  supplirt  werden  könnte,  so  würde  geus  urvd  hier 
keinen  Sinn  geben.  Die  Abschreiber  haben  geurvdnem  verbessert, 
weil  ihnen  die  ältere  Form  geurvdin  unverständlich  war.  Die  rich- 
tige Lesung  ist  aus  der  ersten  Gruppe  zu  ermitteln ;  den  von  Wester- 
gaard in  der  Note  namhaft  gemachten  Lesarten  ist  noch  die  der 
Bombay  er  Ausgabe  geurvdin  beizufügen.  Die  Handschriften  dieser 
Gruppe  schliessen  mit  n,  nur  P.  6.  hat  noch  ein  a  nach  ?i.  K.  5. 
ge  urvdin,  Bb.  geurvdin,  P.  6.  geurvdina,  K.  11.  geurvdon.  Unter 
diesen  verdient  die  Lesung  der  Bombayer  Ausgabe  und  des  K.  5, 
unstreitig  den  Vorzug;  die  P.  6.  Hesse  sich  nöthigenfalls  auch  er- 
klären, hat  aber  zu  wenig  handschriftliche  Autorität.  Vor  dem  n, 
mit  dem  die  meisten  schliessen,  haben  drei  ein  ?,  nur  eine  hat  ein 
o;  schon  nach  der  Vergleichung  der  Handschriften  hat  demnach  die 
Lesung  geurvdin  die  meiste  Autorität.  Suchen  wir  nun  diese  Form 
zu  erklären.  Zunächst  denkt  man  an  eine  Verbalform  der  Wurzel 
gerew,  Wed.  grbh,  greifen,  die  uns  im  jungem  baktrischen  Dia- 
lekte so  unendhch  oft  begegnet.  Als  davon  vorkommende  Formen 
mache  ich  folgende  namhaft:  gerewnditi  (9te  Conj.)  Jt.  10,  13. 
gerewjeiti  Jt.  24,  30.  gerewjaite  ibid.  geurvajat  5,  65.  geurvajdt 
(Conj.)  8,  60.    geurvaj öit  (0\)f.)  S,  6d.  14,51.   geurvaj an  11,  6.    ge- 


46         Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathiistra.  I.    Cap.  28,  1.  2. 

rewnän,  10,  93;  geurvaja  (imper.)  Ja9.  9,  28.  Nach  diesen  Formen 
könnte  geurväin  ganz  leicht  das  Imperfect  (3.  Pers.  plur.)  der  Wur- 
zel gerew  seyn.  Aber  zwei  Gründe  sprechen  gegen  diese  Erklärung: 
1)  das  Wedische  gfbh  (für  garhh)  hat  im  Liederdialekt  nicht  die 
Form  gerew,  sondern  grab,  z.  B.  J.  31,  9  hengrabem;  2)  würde 
„greifen"  keinen  nur  halb  erträglichen  Sinn  geben,  da  man  nach 
dieser  Ableitung  übersetzen  müsste:  Die  Amesha  ^pentas  ergriffen 
die  Lieder.  So  kämen  wir  zu  einer  ganz  sonderbaren  Vorstellung. 
Wir  dürfen  uns  desshalb  durch  die  Form,  die  so  gar  schön  zu  ge- 
urvajat,  geurvajän  stimmt,  und  durch  Neriosengh,  der  samgagrdha 
„er  ergriff"  übersetzt,  nicht  irre  machen  lassen,  uns  nach  einer  bes- 
sern Erklärung  umzusehen.  Ich  führe  es  auf  die  Wurzel  gf  (gar), 
singen,  lobsingen,  zurück,  die  uns  im  Weda  in  zwei  Hauptformen 
entgegentritt,  als  gr  und  gr  (gar).  Sie  hat  auch  im  Baktrischen 
ihre  Verzweigungen;  hieher  gehört  garoibis  (Instrument,  plur.)  von 
gara,  Lied,  J.  34,  2.  mengairim  28,  5.  garo-demdna,  Ort  der  Lob- 
preisung, gewöhnlich  Name  des  Paradieses;  aus  dem  jungem  Dia- 
lekt vergleiche  gereute  Visp.  4,  1;  das  Causat.  gdrajemi  Nj.  6,  2. 
Ein  Nomen  garu  findet  sich  als  Accus,  plur.  grva^^ca  J.  9,  26:  dat 
anhS  ahi  aiwjdgto  bareshnus  paiti  gairindm  drdganhe  aiwidhditisca 
grvagca  mäthrahe,  dann  sitzest  du  darauf  (auf  der  Decke)  auf  den 
Höhen  der  Berge,  um  festzuhalten  die  Opfergaben  ^)  und  die  Lob- 
preisungen des  Mäthra.  An  dieser  Stelle  schreibt  Westerg.  graü^ca 
nach  dem  Kopenhagener  Cod.  5;  die  richtige  Lesart  nach  den  an- 
dern Mss.  ist  garü^ca  oder  grvagca,  beides  Accus,  plur.  von  einer 
Form  auf  u,  also  garu.  Dieses  ist  ein  Abstractum  —  der  Zusam- 
menhang verlangt  ein  solches  —  und  heisst  das  Singen  oder  die 
Lobpreisung.  Das  geurvdin  unserer  Ueberschrift  nun  ist  eine 
Denominativbildung  von  diesem  garu  mit  der  Endung  aj.  Das  erste 
a  wurde  wegen  des  folgenden  rv  zu  au,  vgl.  haurva  für  harva  =  sarva, 
alles.  Dieses  au  änderte  sich  sofort  weiter  in  eu  entweder  durch 
Einfluss  des  folgenden  i  oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  es  ist  eine 
Dehnung  des  au.  Geurvdin  ist  3.  Pers.  plur.  imperf.  act.  und  steht 
für  geurvdjan. 

V.  2.  Hier  macht  die  Construction  Schwierigkeiten.  Wir  haben 
eine  Reihe  Genitive,  deren  Nomen  regens  sich  nicht  sogleich  sicher 
erkennen  lässt.  Viel  hängt  von  der  Erklärung  des  rafedhrahjd  ab. 
Die  Tradition  giebt  das  Wort  stets  durch  Freude  (Nerios.  dnanda, 


0  Die  Bumoufsche  Erklärung  des  ahoi-dhäiti  durch:  celui  qui  parle, 
ist,  weil  bloss  gerathen,  entschieden  zu  verwerfen.  Es  heisst  eigentlich  die 
Umgebung,  man  vgl.  Afrig.  1,  13  das  Verb.  aiwi-daidhUa,  er  soll  um- 
fassen, umarmen;  Jt.  13,  45  raokhshni-aiividhdta,  lichtumgeben; 
aiwiddna  Jt.  8,  18.  14,  9  Decke  oder  Schabracke  eines  Pferdes.  An 
unserer  Stelle  kann  aiwidhditi  nur  auf  die  Opfergaben  gehen,  die  ringsum 
auf  den  Tisch  gelegt  sind. 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  2.  47 

Pehlewiübers.  des  Vend.  Farg.  20,  26.  Sp.  rdmesn),  ebenso  wie  das 
verwandte  rafnanh ,  welcher  Erklärung  beim  letztern  Worte  auch 
Burnouf  unbedenklich  gefolgt  ist.  Diese  Deutung  lässt  sich  indess  weder 
durch  den  Sinn  der  Parallelstellen,  noch  durch  Etymologie  beweisen. 
Rafedhra  findet  sich  nur  in  den  Gdthd's  und  dem  uralten  Airjema- 
Gebet  (J.  54),  und  ist  ein  dem  Liederdialekt  eigenthümliches  Wort. 
Als  Wurzel  bietet  sich  zunächst  rap  dar,  dem  wir  einigemal  in  den 
altern  Stücken  begegnen;  Ja9.  41,  4:  rapöüca  tu  ne  daregemca  ustdcd 
hdtäm  huda^teind,  und  du  mögest  uns  verleihen  langes  (Leben,  wie 
aus  dem  Zusammenhang  klar  ist)  und  die  allerbesten  Glücksgüter, 
oder:  du  mögest  uns  beglücken  (helfen)  lange  und  mit  den  aller- 
besten Gütern.  Wichtig  ist  Ja9.  70,  1,  wo  wir  das  Partie,  praes. 
rapentem  (Acc.)  neben  dadhvdonhem  und  tarshvdonhem  ^)  von  Ahura- 
mazda  gebraucht  finden.  Da  diese  beiden  schaffend  und  bil- 
dend heissen,  so  sind  wir  befugt,  dem  rapentem  eine  ähnliche  Be- 
deutung zuzuschreiben,  jedenfalls  eine,  die  sich  auf  die  Kraftäusse- 
rung  des  höchsten  Geistes  gegenüber  der  Welt  bezieht;  ich  ver- 
muthe  helfend,  schützend.  Diesen  Sinn  hat  gewiss  der  Impe- 
rativ arapd  J.  49,  1,  hilf  mir!  Auch  dem  zusammengesetzten  ^toi- 
rapentem  J.  34,  4,  einem  Beiwort  des  Feuers,  ist  dieselbe  Bedeu- 
tung zuzuschreiben:  der  Welt  nützend,  helfend,  wie  das  un- 
mittelbar folgende  Prädikat  cithrd-avanhem,  dem  Sichtbaren  (d.  i. 
der  Welt)  helfend  zeigt.  In  51,  18  ist  rapen  (Nom.  part.  praes.) 
von  dem  Menschen  in  Beziehung  auf  Gott  gesagt  und  mit  dem 
Genitiv  tava,  deiner,  construirt;  hier  hat  es  den  Sinn:  halten, 
fassen,  festhalten.  Denselben  legeich  dem  rapento  v.  3  unsers 
Capitels  bei.  Diese  Bedeutung  fassen,  halten,  ist  wohl  die  ur- 
sprüngHche  der  Wurzel  rap;  sie  stimmt  ganz  mit  dem  Wedischen 
rahh,  das,  in  Verbindung  mit  der  Präposition  a,  ergreifen,  fas- 
sen heisst,  Rv.  I,  24,  5;  lll,  53,  2,  mit  sam  erlangen,  gewin- 
nen, I,  53,  4.  5;  ebenso,  nur  etwas  stärker,  abhi-sam-rabh ,  III, 
29,  13;  rabhas,  eigentl.  Ergreifung,  von  der  Wirkung  des  Soma 
Rv.  I,  82,  6,  der  den  Trinkenden  seiner  Sinne  beraubt  (hier  also 
Berauschung);  rabhasvat,  mit  Beute  (eigentl.  mit  Ergriffenem)  be- 
laden, Rv.  I,  9,  6.  Im  Neupersischen  entspricht  nibüdan,  rauben, 
lat.  rapio;  im  Griech.  ist  Xaßpo^,  heftig  (vom  Sturmwind),  hieher 
zu  ziehen;  ebenso  die  W.  AAB  in  XafxßavM.  Suchen  wir  nun  die 
Bedeutung  des  von  dieser  Wurzel  abgeleiteten  rafedhra  zu  bestim- 
men. Seiner  Ableitung  durch  die  Endung  dhra  =  skr.  tra  gemäss, 
ist  es  ein  Nomen  abstractum:  die  Ergreifung,  Erfassung,  dann 
der  ergriffene,  festgehaltene  Theil,  woraus  der  Sinn  An- 
theil,  Loos,  Glück,  Hilfe  fliesst.     Dass  diese  letztere  Bedeutung 


')  Die  Wurzel  tarsh  ist  identisch  mit  fhwercQ,  die  auch  zu  thruQ  wird. 
Als  Urform  ist  tvarksh  anzusehen.  An  tarshna,  Durst,  Jt.  17,  30,  oder 
tars,  sich  fürchten,  kann  nicht  gedacht  werden. 


48  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   I.    Cap.  28,  2. 

dem  Worte  wirklich  inne  wohnt,  beweist  nicht  nur  das  derselben 
Wurzel  entstammende  und  dem  Sinne  nach  fast  identische  rafnanh, 
das  gewöhnlich  neben  avanhy  Hilfe,  Schutz,  Jt.  13,  1.  19.  sich 
findet,  sondern  auch  der  deutliche  Zusammenhang  aller  Stellen,  in 
denen  es  vorkommt  (s.  das  GL).  An  unserer  Stelle  nun  bezieht 
sich  das  ahjd  rafedhrahjd,  dieses  Glück,  auf  die  v.  3  genannat 
Verleihung  der  beiden  Leben ,  des  irdischen  und  geistigen.  Men 
verbindet  es  am  besten  mit  u^tdnazagto:  die  Hand  aufgehoben,  d.i. 
betend,  nach  diesem  Glücksgut.  Nemanhd  hat  eine  rein  adverbiale 
Bedeutung,  mit  Andacht,  mit  Lobpreis.  Paourvim  ist  kein  von 
■fd^d  abhängiger  Accusativ,  wie  man  vermuthen  könnte,  sondern  ein 
Adverbium:  zuerst,  was  durch  apaourvm,  nicht  zuerst,  nach 
dem  ersten,  v.  4  hinlänglich  bewiesen  wird.  Ashd  —  skjaothnd  sind 
von  jd^d  abhängige  Accusative  (neutr.  pl.),  sie  selbst  regieren  die 
Genitive  mairijeus  mazddo  (dieses  kann  nur  eine  Genitivform  hier 
seyn,  wie  öfter)  ^peiitahjd.  Bei  vi^peüg,  das  in  jedem  Falle  Accu- 
sativ plur.  ist,  sind  zwei  Fassungen  möglich;  es  kann  Mascul.  = 
omnes  und  Neutr.  =  omnia  seyn.  Die  Accusative  auf  eng  gehören 
zwar  gewöhnhch  den  männlichen  Themen  auf  a  an;  aber  an  unse- 
rer Stelle  kommen  wir  bei  dieser  Annahme  in  grosses  Gedränge. 
Man  könnte  höchstens  an  die  Amesha-^penta's  denken,  aber  dazu  ist 
im  ganzen  Capitel  kein  hinlänglicher  Grund  vorhanden.  Zudem  ist 
der  Parallelismus  von  manjeus  —  sljaothnd  und  khratüm  mananho 
wohl  zu  beachten.  Dieser  schliesst  eine  gesonderte  Fassung  des 
vigpeng  als  omnes  aus.  So  können  wir  dieses  nur  als  Accus,  plur. 
neutr.  fassen  und  mit  a^A«  —  skjaothnd,  alle  wahrhaften  Thaten, 
verbinden.  —  Khshnmshd  ist  erste  Person  Aoristi  sing,  des  Optativs 
med.  der  W.  khshnu  (s.  d.  Gramm.),  anbeten,  verehren.  Das 
Relativ  Ja  (Accus,  plur.  neutr.)  bezieht  sich  auf  ashd  —  skjaothnd  und 
khratüm  zurück. 

Nerios.  übersetzt  den  Vers  folgendermassen :  asja  samihe  na- 
maskaranena  [asfa  üi  Hormizdasja  svddhinam  prasddam  samihe;  kila 
jdh  svdmini  uttame  karomi]  utthdnahastah  pramodena  adfg'asja  ma- 
hd^imninah  pürvam  sarvam  pfthulatojd  punjam  vigveshu  karmasu  [kila 
karmasarvam  gdthdbhih  kdijarn];  uttamasjaca  buddhjd  manasah  [nair- 
jasagniki-(?)biiddhjd]  jd  satkdrjitri  gos-manah  [praijatnam  go-pagü- 
ndm  parigndnatajd  kurute;  dvivdram  vacjo  Gugasta  oder  Gugaspa]. 
Durch  dessen  Verehrung  erflehe  ich  [dessen,  d.  i.  des  Ormuzd,  freie 
Gnade  erflehe  ich,  das  thue  ich  beim  höchsten  Herrn]  mit  aufge- 
hobener Hand  aus  Freude  über  den  unsichtbaren  grossen  Weisen 
alles  frühere  Reine  durch  Macht  in  allen  Handlungen  [alle  Handlungen 
sind  durch  die  Gdthd's  zu  vollbringen]  und  durch  die  Erkenntniss 
des  höchsten  Geistes  [durch  die  Erkenntniss  Nairjoganha's] ,  welche 
gastlich  aufnimmt  (ehrt)  die  Kuhseele,  d.  i.  den  Goshurun  [er 
bemüht  sich  um  die  Erkenntniss  von  Vieh  und  Rindern;  zweimal 
ist  Gustasp  zu  nennen].  Dass  diese  Uebersetzung  im  Allgemeinen 
den  richtigen  Sinn  des  Verses   nicht  triflit,    liegt  auf  der  Hand  und 


Haug,  die  Gdtka's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  3.  49 

braucht,  nachdem  eine  wirkliche  philologische  Erklärung  gegeben  ist, 
nicht  weiter  widerlegt  zu  werden. 

V.  3.  Mazda  ahurd  sind  hier  im  Duale  verbunden;  vdo  ist  Dual 
des  Pronomens  der  zweiten  Person  im  Cas.  obliq.  —  Maibjo  — 
qdthre  Ner. :  mahjam  he  dejdt  (dadjdt?)  ubhajor  bhuvanajor  Jac  ^fshthi- 
matd?h  Jacca  paralokhidm  di<p)arjam  puiijdt  samjogi  [kila  me  samfddha- 
tvam  sasadhjdpdrata  (tvam)  prdpjaiii  dehi]  jad  dnandavariie  ddsjati 
subhdni  \_'jo  jagaddndm  uttamandmca  änandam  karoti  tasmdi  jat 
samfddhatvam  subhdni  ddsjati  (i)  tan  me  dehi]  ,  mir  möge  er  den 
Besitz  dieser  beiden  Welten,  der  der  (irdischen)  Schöpfungen  und 
der  überirdischen  durch  das  Reine  vereinigt  geben  [mich  lasse  das 
Glück,  das  eine  Folge  der  Vollbringung  des  Guten  ist,  erreichen]; 
im  Lande  der  Freude  wird  er  Glückliches  verleihen  [welcher  die 
Freude  der  Jazata's  und  der  höchsten  —  Geister ,  d.  i.  Amesha 
^penta  —  macht,  was  diesem  für  ein  Wohlstand,  für  Güter  verliehen 
werden,  diese  verleihe  mir].  Die  Uebersetzung  des  ddvoi  durch 
geben  scheint  richtig  zu  seyn;  ich  war  schon  vor  Einsicht  Nerio- 
sengh's  darauf  gekommen.  Aber  eine  direkte  Ableitung  von  der 
Wurzel  da,  geben,  hat  etymologische  Schwierigkeiten.  Dem  Zu- 
sammenhang nach  ist  ddvoi  sowohl  hier  als  J.  44,  14  und  51,  9 
ein  Infinitiv;  hiezu  stimmt  auch  die  Form,  die  sich  als  Dativ  eines 
Verbalnomens  kund  giebt.  Von  da  haben  wir  nur  die  Infinitive 
daidjdi  J.  51,  20;  dazdjdi  J.  35,  4,  aber  keinen,  der  ddvoi  lau- 
tet. Diese  Bildung  würde  nothwendig  ein  Suffix  va  voraussetzen, 
dem  wir  aber  nirgends  in  der  Infinitivbildung  begegnen.  So  bleibt 
uns  nur  übrig ,  eine  Wurzel  du  anzunehmen ,  von  der  ddva  ein 
ganz  regelrechtes  Nomen  abstractum  seyn  würde.  Dieses  existirt 
nun  im  Baktrischen,  wird  aber  in  den  spätem  Zendschriften  ge- 
wöhnlich vom  Sprechen  der  bösen  Geister  gebraucht.  Dass  wir 
diese  Bedeutung  hier  und  an  den  übrigen  Stellen  der  Gdthd's 
nicht  brauchen  können ,  leuchtet  ein.  Am  besten  zieht  man  ddva 
zu  düta,  Bote,  eigentlich  der  Gesandte,  im  Baktrischen  und  Sans- 
krit. So  kommen  wir  auf  eine  Wurzel  du  des  Sinnes  senden, 
schicken  oder  begleiten,  die  zwar  als  Verbum  finit.  weder  im 
Sanskrit  noch  im  Baktrischen  gebräuchlich  ist,  auf  deren  wirkhche 
Existenz  aber  Derivata  mit  Bestimmtheit  schliessen  lassen,  wie  das 
eben  erwähnte  düta,  Bote,  sowie  das  wcdische  duvas ,  eigentlich 
Botendienst,  dann  Geleite,  namentlich  feierliches  (Rv.  I,  4,  5; 
14,  1),  und  das  dabei  übliche  Ehrengeschenk.  So  steht  es  von 
den  Gaben,  welche  die  Menschen  den  Göttern  darbringen,  Rv.  I, 
36,  14:  vidd  deveshu  no  duvah,  bringe  (Agni)  zu  den  Göttern  un- 
sere Ehrengabe.  Das  Verbum  denomin.  duvasjati  heisst  verehren 
(durch  Gaben)  I,  78,  2,  und  geht  endlich  geradezu  in  die  Bedeu- 
tung schenken  über  Rv.  1,  119,  10.  Mit  der  zu  Grunde  liegen- 
den Wurzel  du  ist  vielleicht  wohl  das  neupersische  davidan^  laufen, 
Abhandl.  der  DMG.    1,3.  4 


50         Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  1.    Cap.  28,  3.  4. 

rennen,  in  Verbindung  zu  bringen.  Im  Ja^na  nun  hat  das  Nom. 
abstr.  ddva  sicher  die  Bedeutung  das  Verleihen,  Gewähren,  die 
von  Sendung  ist  weniger  gesichert.  Dass  Derivata  der  bespro- 
chenen Wurzel  du  diese  Bedeutung  haben  können,  zeigen  die  an- 
geführten Wedawörter  genügend.  An  das  im  Weda  vorkommende 
ddvarif  gebend,  schenkend  (von  dd-^-van)  kann  der  Form  wegen 
nicht  gedacht  werden.  —  Ähvdo  ist  Genit.  dualis  von  ahu,  Leben, 
aber  nicht  von  ddvQi  abhängig,  wie  man  meinen  könnte,  sondern 
von  djaiptd.  Erreichtes,  Gewonnenes,  das  wieder  als  Accusativ 
von  dem  Infinitiv  ddvoi  regiert  ist.  So  verbindet  schon  Nerios.  ganz 
richtig.  Weniger  glücklich  ist  Nerios.  in  der  Fassung  des  letzten 
Sätzchens  jdis  —  qdihre.  Rapento  (s.  zu  v.  2)  muss  hier  Accusat. 
plur.  masc,  nicht  ein  Locativ  seyn,  wie  Nerios.  will;  ebenso  wenig 
ist  qdthre  ein  Accus,  plur.  neutr.  im  Sinne  von  subhdni,  „die  glück- 
lichen Dinge",  sondern  nothwendig  ein  Nom.  sing,  masc,  für  qdthrö 
stehend.  (Ueber  die  Aenderung  des  o  in  c  s.  die  Gramm.)  Es  ist 
aus  qa==sva  und  dthra  (dtar),  Feuer,  zusammengesetzt,  heisst  also: 
der  sein  eigenes  Licht  hat,  d.i.  der  selbtleuchtende.  Hierunter 
kann  einmal  das  eigene  innere  Licht  des  Menschen,  der  Verstand 
oder  die  Vernunft,  dann  aber  auch  das  Urlicht,  das  die  Leucht- 
kraft in  sich  selbst  hat,  d.  i.  Gott,  verstanden  werden.  Letztere 
Bedeutung  hat  es  sicher  an  unserer  Stelle  und  50,  5 :  Ja  ndo  qdthre 
ddjdt.  Da  die  andern  Stellen,  wie  43,  2;  53,  6,  ein  neutrales  Thema 
qdthrem  voraussetzen ,  so  könnte  man  versucht  seyn ,  in  qdthre  das 
Gleiche  zu  sehen,  indem  es,  wie  vace  =  vaco  für  vacanh,  so  für 
qdthranh  stände.  Aber  die  Existenz  eines  solchen  Thema's  lässt 
sich  nicht  weiter  nachweisen.  Dass  qdthre,  wie  schon  seiner  Bedeu- 
tung nach  sehr  wahrscheinhch  ist,  wirkHch  von  Ahura-mazda  und 
höhern  Genien  gebraucht  wird,  zeigen  die  Prädikate  vi^pa-qdthra, 
der  alles  Licht  selbst  hat,  pouru - qdthra ,  der  viel  eigenes 
Licht  hat,  qdthravdo,  mit  eigenem  Licht  begabt,  die  Jt.  1,  14 
als  Namen  des  Ahura-mazda  aufgeführt  werden;  vgl.  vi^po -  qdthrem 
Ja9.  9,  19  von  dem  Äsha-vahista  und  qdthravaitis  von  den  Frava- 
schi's  Jt.  13,  32. 

V.  4.  Je  —  apaourvm  Nerios.:  Jadi  jushmdkam  he  A^avahüta 
hi  dharma  svddhino  ^smi  manasagca  uttamasja  prathamasja  [as^a  pra- 
thamatvam  idamjad  amarebhjo  mahattarehhjah  prathamam  gahdjiö  ^datta; 
kila  cet  svddhinatajd  jushmdkam  tishthdmi],  wenn  ich  von  euch,  Asha- 
vahüta,  Gerechtigkeit  —  nur  Uebersetzung  des  eben  genannten 
Namens  —  unabhängig  bin  und  von  dem  höchsten  ersten  Geiste 
[seine  Erstlingsschaft  ist  die  ,  dass  er  für  die  grossesten  Unsterb- 
lichen (Amesha  ^penta)  zuerst  die  Welten  schuf;  wenn  ich  in 
Unabhängigkeit  von  euch  stände  (soll  den  Sinn  des  Satzes  erklä- 
ren)]. Dass  diese  Uebersetzung  eine  ganz  verfehlte  ist,  lässt  sich 
leicht  zeigen.     Dem  ufjdni  (erste  Person  Imper.  sing,  von  uf=vap^ 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  4.  51 

wird  die  Bedeutung  svddhmo  ^)  ^smi,  ich  bin  unabhängig,  beige- 
legt, wonach  der  Uebersetzer  das  Wort  als  erste  Person  sing,  eines 
Verb,  intransit.  fasste.  Nur  hier  ist  noch  etwas  von  richtiger  An- 
sicht zu  verspüren;  die  dem  Worte  beigelegte  Bedeutung  ist  aber 
sicher  falsch.  Aus  der  Parallelstelle  43,  8,  wo  uf/d  mit  ^taomi, 
ich  preise,  zusammensteht,  folgt  mit  Bestimmtheit,  dass  es  eine 
ähnliche  Bedeutung,  verehren,  anbeten,  haben  müsse.  Nerios. 
hat  daselbst  stotavjo  ^si  svi(svd)dhinajitavj6  ^si,  du  bist  zu  loben  und 
als  Selbstständiger  —  Herr  —  zu  betrachten.  Jt.  13,  21,  steht 
ufjemi  neben  gtaorni,  ich  preise,  und  zbajemi,  ich  rufe  an;  ebenso 
13,',  49.  Im  Weda  entspricht  vip,  Lobpreiser,  Weiser,  Rv.  lll,  3, 
1.  7  fsukratur  vipdm,  der  Wohlverständige  unter  den  Weisen,  von 
Agni);  10,  5  (vipdm  gjotinshi  bibhrate,  dem  die  Lichter  der  Weisen 
Tragenden,  d.  i.  Agni),  und  seine  so  unendlich  oft  vorkommenden 
Ableitungen  vip-ra,  weise,  und  vipag-cit,  der  die  Lieder  kennt. 
Da  im  Weda  fast  alle  Weisheit  nur  in  der  Liederdichtung  zum  Lob- 
preis der  Götter  besteht,  so  sind  wir  befugt,  bei  vip  diesen  Begrifi" 
anzunehmen,  der  ohnediess  auch  der  traditionelle  ist.  —  Das  apaour- 
vim  wird  von  Nerios.  unbedenklich  durch  prathamam  wiedergegeben, 
als  ob  das  a  privat,  gar  nicht  vorhanden  wäre.  Es  steht  in  deut- 
lichem Gegensatz  zu  paouwim  v.  2  und  heisst  wohl  so  viel  als  nach 
dem  ersten,  d.  i.  zu  zweit.  —  Jaeibjo —  agzaonvamnem  Nerios.: 
jebhjo  rdgjamcd  amalja-dhdtulabdhjd  mülagca;  \kila  md  (me)  arthini- 
tvam  sasthulataram'] ,  welchen  die  Herrschaft  und  eine  ursprünglich 
erlangte  fleckenlose  Natur  ist  [mein  heftigstes  Verlangen].  Am  mei- 
sten Schwierigkeit  hat  das  octt.  Xsyojjl.  agzaonvamnem;  woraus  die 
weitläufige  Umschreibung  des  Worts  von  Nerios.  geflossen  ist,  lässt 
sich  schwer  ermitteln;  er  hat  wohl  getrennt  agzao  navamnem  gelesen, 
wie  K.  5.  Man  kann  sich  über  die  Ableitung  des  Worts  in  allen 
möglichen  Vermuthungen  ergehen,  z.  B.  an  kshan ,  vernichten, 
denken  und  es  mit  unvergänglich  übersetzen,  aber  fast  immer 
werden  einige  grammatische  und  lexikalische  Schwierigkeiten  übrig 
bleiben.  Die  richtige  Erklärung  lässt  sich  nur  finden,  wenn  wir  die 
genauen  Beziehungen  unseres  Verses  zu  v.  2  zu  Hilfe  nehmen.  Das 
einzige  Wort ,  das  dort  eine  Beziehung  zu  ihm  haben  kann ,  ist 
kh^hnvishd  von  der  Wurzel  khshnü.  Diese  kann  durch  die  Medial- 
Passivendung  mna  (mana)  ein  Partie,  khshnumna  oder  besser  khshnva- 
mna  (vgl.  divamna  von  der  Wurzel  div  J.  31,  20)  bilden.  Tritt  vor 
dieses  das  a  priv. ,  so  kann  leicht  eine  Erweichung  der  harten  Con- 
sonantengruppe  khsh  in  die  entsprechenden  weichen  Laute  gz  ver- 
mittelst Rückwirkung  des  weichen  v  eintreten,  wie  diese  Enschei- 
nung  der  Gäthädialekt  ja   in  sehr  vielen  Fällen    zeigt,    vgl.  azdübia 


^)  Dieses  Wort  hat  keine  andere  Bedeutung  im  Sanskrit;  Verehrer, 
Anbeter  würde  gut  in  den  Zusammenhang  der  Worte  Neriosengh's  passen, 
aber  dem  svddhina  ist  dieser  Sinn  fremd,  man  müsste  es  nur  von  sva  und 
dem  iranischen  rffn,  Glauben,  im  Sinne  ,, der  selbst  glaubt"  ableiten  wollen. 

4* 


52  Haug,  die  Gäthd's  des  Zarathustra.    I.   Cap.  28,  4. 

für  a^tebis  von  afti  n.  s.  w.  So  bekommen  wir  die  Form  agzn- 
vnmnem;  da  aber  die  Gruppe  gznv  etwas  schwer  auszusprechen  ist, 
so  drängt  sich  unwillkührlich  ein  kurzer  Vokal  ein ,  und  zwar  o, 
der  wegen  des  v  am  nächsten  liegt.  Auf  diese  Weise  ist  agzaon- 
vamnem  entstanden.  Da  khshnu  Einen  durch  Gaben  verehren 
und  damit  zufrieden  stellen,  dann  im  Allgemeinen  verehren, 
huldigen  heisst,  so  ist  die  Bedeutung  des  agzaonvamnem  nicht 
verehrend,  keine  Gaben  darbringend.  Die  Construction 
anlangend ,  so  scheint  es  in  adjectivischem  Sinne  mit  khshathrem 
verbunden  werden  zu  müssen;  aber  dieser  Verbindung  steht  das 
gewichtige  Bedenken  entgegen,  dass  dem  hhshathra  nie  ein  die- 
sem nur  entfernt  ähnliches  Prädikat  beigelegt  wird,  das  überdiess 
hier  gar  keinen  Sinn  hätte.  Ein  solches  Prädikat  wäre  um  so  auf- 
fallender, als  keiner  der  übrigen  Amesha-^peiita's,  die  hier  genannt 
sind,  andere  als  die  gewöhnlichsten  Prädikate  hat;  das  gebräuch- 
lichste Beiwort  des  khshaihra  ist  sonst  vairja.  Ich  fasse  agzaon- 
vamnem daher  adverbicd  mit  demselben  Rechte  ,  mit  dem  paourvim 
V.  2  und  apaourvim  in  unserem  Verse  so  gefasst  werden  muss.  Das 
jaeibjo  ist  nach  khshathrem  zu  stellen  und  leitet  den  Satz  ein,  des- 
sen Verbum  varedaiti  ist  (solche  Verschränkungen  sind  in  dem  Lie- 
derdialekt nicht  ungewöhnlich);  sein  Adverbium  ist  agza".  Das  Sub- 
ject  des  Satzes  ist  Armaüis.  (Ueber  den  Sinn  s.  weiter  unten  und 
die  Paraphrase.)  —  Die  Worte  varedaiti  Armaitis  giebt  Nerios.  durch 
vrddhiddjd^ca  Spinddr maddjdh  prthivjd  asjd^ca  dadisvddhinö  ^smi,  und 
der  Wachsthum  gebenden  Spindarmat  der  Erde  [und  ihrer  Geschöpfe 
bin  ich  Herr  ?],  wonach  varedaiti  als  ein  Adjectivum  zu  fassen  wäre. 
Zur  Vergleichung  und  Ableitung  bietet  sich  das  sanskritische  vfdh 
(für  vwrdh) ,  wachsen,  von  selbst  dar;  aber  man  wird  schwerlich 
an  allen  Stellen,  wo  varedh  oder  vared  und  seine  Derivate  sich  fin- 
den, mit  der  Bedeutung  wachsen,  mehren,  auskommen.  Zudem 
bleibt  auffallend,  dass  das  Neupersische  in  dem  lautlich  genau  ent- 
sprechenden gard  oder  gird  diese  Bedeutung  gar  nicht  kennt.  Für 
wachsen,  gedeihen,  hat  das  Baktrische  andere  Wörter,  wie 
vahsh  und  fshu.  In  den  Gäthä's  scheint  es  besser  zu  seyn,  vared 
als  eine  Erweiterung  der  Wurzel  var,  umgeben,  bedecken,  an- 
zusehen und  mit  schützen  zu  übersetzen.  Diese  Bedeutung  wird 
durch  wardanam  der  medischen  Inschriften,  Stadt,  Burg,  neupers. 
gard  in  fine  compos.,  und  gird,  Kreis,  rund,  unterstützt.  An  die 
sanskr.  Wurzel  vft  (vart),  lat.  vertere,  darf  bei  gird,  Kreis,  nicht 
gedacht  werden,  da  diese  Wurzel  dem  Baktrischen  ganz  fremd  ist. 
Man  hat  fälschlich  das  Verbum  gardidan,  wenden,  drehen,  dann 
allgemeiner  wenden,  vom  sanskr.  vft  abgeleitet;  aber  dieses  ist 
ein  Denominativ  von  gird,  rund.  Dieses  Wort  nun  wird  am  besten 
auf  das  baktrische  vareta,  ein  Part,  von  var,  umgeben,  zurückge- 
führt. Ein  deutlicher  Beweis,  dass  der  Wurzel  vared  eine  gleiche 
Bedeutung  beigelegt  werden  darf,  ist  das  so  häufige  Compositum 
varedaf-gaetha,   das  nicht  gut  durch  „die  Gaetha's  mehrend"  über- 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  4.  5.         53 

setzt  werden  kann,  da  vfdh,  wachsen,  im  Sanskrit  gewöhnlich  in- 
transitiv ist.  Einen  sehr  guten  Sinn  giebt  dagegen  „die  Gaetha's 
bewahrend,  sie  schützend'* ;  ja  man  kann  noch  genauer  „die  Gaetha'x 
umhegend,  rings  umzäunend"  übersetzen,  da  die  Gaethas  einge- 
friedigte Besitzstücke  waren.  Denselben  Sinn  hat  das  Causativ  va- 
redhajeni  im  Anfange  des  2.  Farg.  des  Vendidad  (s.  zu  44,  10).  — 
A  —  ga^atd  Nerios.:  tan  me  dnande  dmantraneca  samprdpnuvanta 
[jadi  jushmakam  ahhimamtrjdmi  tan  me  dnande  prdpiiuvaiitu] ,  dieses 
mögen  sie  bei  meiner  Freude  und  Anrufung  erlangen  [wenn  ich  zu 
euch  bete,  so  mögen  sie  dieses  bei  meiner  Freude  erlangen].  Zaveng 
ist  in  dieser  Uebersetzung  ganz  in  Parallele  mit  rafedhrdi  gesetzt, 
was  der  verschiedenen  Casus  wegen  nicht  geht;  es  ist  ein  Accus, 
plur.  eines  Thema*'s  zava,  das  nur  von  zu  =  hü  (hve),  rufen,  kom- 
men kann.  Am  nächsten  liegt  die  Verbindung  desselben  mit  dem 
Verbum  varedaiti;  aber  die  Parallelstelle  zaveng  gimd  29,  3  (Nerios. 
dkaranena  prdpnoti)  weist  auf  eine  engere  Verbindung  des  zaveng 
mit  dem  Verbum  ga^  hin,  denn  gim  =  gam,  gam,  hat  dieselbe  Be- 
deutung, gehen,  wie  gag^  und  kann  an  dieser  Stelle  nur  ?iy\{  zaveng 
bezogen  werden.  Aber  ga^ ,  gam  können  als  intransitive  Verben 
keinen  Accusativ  regieren;  daher  müssen  wir  entweder  den  Casus 
in  zaveng  anders  erklären  oder  als  adverbialen  Ausdruck  fassen. 
Letzteres  ziehe  ich  vor ;  so  fasse  ich  den  ganzen  Ausdruck  als : 
rufen  gehen  oder  beten  gehen,  vgl.  zarem  cardni,  ich  will  lob- 
singen gehen,  J.  44,  17.  Der  Form  nach  könnte  ga^atd  eine  dritte 
Pers.  sing,  imperf.  medii  seyn;  aber  diese  ist  sonst  nicht  gebräuch- 
lich, und  ausserdem  könnten  wir  ein  Verbum  finitum,  wenn  varedaiti 
als  solches  gefasst  werden  muss,  im  Satze  nicht  mehr  unterbringen. 
Bei  dieser  Fassung  des  varedaiti  wäre  der  Dativ  jaeibfo  nicht  wohl 
zu  erklären,  da  dieses  Verbum  nie  einen  Dativ  regiert.  Wohl  ist 
diess  aber  bei  gim,  mit  dem  ga^  fast  identisch  ist,  der  Fall  29,  3 : 
jahmdi  —  gimdi.  Aus  diesem  Grunde  fühle  ich  mich  bewogen, 
ga^atd  als  das  Verbum  finit.  des  Satzes  anzusehen  und  varedaiti  als 
Partie,  praes.  femin.  von  vared  zu  nehmen.  Armaitis  ist  dann  aber 
hier  nicht  die  Erde,  sondern,  wie  öfter,  die  Herzensgeneigt- 
heit, Andacht,  Frömmigkeit. 

V.  5.  Mengairim  —  mananhd  Nerios.:  dtmane  garoihamdne  (mano) 
uttamasja  dijate  sahatajd  manasah,  der  Seele  wird  in  dem  Paradies 
(das  Paradies?)  durch  die  Gemeinschaft  des  höchsten  Geistes  ver- 
liehen. Für  die  Worte:  mefi  gairim  hat  die  Uebersetzung  nur  Ga- 
rothman,  wonach  sie  entweder  beide  zusammengelesen  oder  mefi  gar 
nicht  wiedergegeben  hat.  Die  Mss.  lesen  die  Worte  meistens  ge- 
trennt; darnach  schreibt  auch  Westergaard.  Die  Bombayer  Ausgabe, 
sowie  die  Burnouf'sche  lesen  sie  zusammen,  was  Westerg.  nicht  ein- 
mal angiebt.  Der  erste  Theil  wird  bald  men  K.  6.,  bald  meän  K.  9., 
oder  auch  getrennt  me  an  K.  4.,  der  zweite  von  P.  6.  gairi  und 
den  meisten  anderen  Codd.  gaire  gelesen.     Zuerst  fragt  es  sich,  ob 


54  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  5. 

inen  und  gairim  zusammenzulesen  oder  als  gesonderte  Wörter  zu 
schreiben  sind.  Trennt  man  sie,  so  kann  mm  nur  der  Genitiv  des 
Pronomens  der  ersten  Person  für  mana  seyn;  das  w  wäre  dann 
Aniisvdra  n  geworden  und  das  schliessende  a  weggefallen,  sodass  es 
ganz  die  neupersische  Form  man,  mcn  hätte.  Aber  solches  Weg- 
fallen der  Schlussvokale  kennt  das  Baktrische  nicht.  Zudem  würde 
es  auch  als  Wort  für  sich  gar  keinen  rechten  Sinn  geben.  Man 
müsste  nämlich  danach  übersetzen  :  „  der  ich  mache  meine  Seele 
preisend  zugleich  mit  dem  guten  Geiste",  was  nur  so  viel  heissen 
könnte,  als  „der  ich  selbst  mit  guter  Gesinnung  Lobpreis  darbringe", 
sodass  „meine  Seele"  nur  so  viel  hiesse,  als  ich  selbst.  Diese 
Ausdrucksweise,  so  natürlich  sie  auch  ist,  erinnert  zu  sehr  an  die 
semitische  Art,  die  Reflexivität  zu  bezeichnen,  als  dass  wir  sie  dem 
Baktrischen ,  das  diesen  Sprachgebrauch  so  wenig  kennt  als  das 
Sanskrit,  ohne  Weiteres  zuweisen  dürfen.  Urvan  bezeichnet  nur  die 
Seele  als  belebendes  Princip  des  Körpers,  dann  auch  den  Schutz- 
geist. Soll  der  Begriff  eigen,  selbst,  ausgedrückt  werden,  so 
bedient  man  sich  des  qa  ==  sva.  Schon  aus  diesem  Grunde  ist  die 
Lesung  men  gairim  zu  verwerfen ;  denn  etwas  Anderes  als  mana  = 
mei  könnte  es  nicht  seyn;  an  einen  nominalen  Gebrauch  der  nack- 
ten Wurzel  man,  denken,  darf  nicht  gedacht  werden.  So  müssen 
wir  mengainm  als  ein  Wort  lesen  und  als  Accusativ  eines  Thema's 
mengairja  oder  mengairi  erklären.  Dieses  ist  eine  Zusammensetzung 
der  Wurzeln  man,  denken,  und  gar,  gere,  lob  singen.  Dass  die 
Wurzel  man  öfter  solche  Verbindungen  eingeht,  zeigen  men-dd  31, 
5;  53,  5,  und  mefig  - jierethd  48,  2;  ihre  Verwandlung  in  men  ist 
häufig  im  Liederdialekte,  vgl.  namentlich  m'enhdi  in  Cap.  43.  Im 
Weda  entspricht  diesem  Compositum  ziemlich  genau  das  Wort  su- 
marngala,  das  Rv.  II,  42,  1 — 3  als  Prädikat  des  Vogels  ^akuni 
neben  kanikradat ,  schreiend,  und  bhadra-vddi,  glückliches 
redend.  I,  113,  12  ist  es  von  der  Morgenröthe  gebraucht,  und 
kann  hier  wie  dort  Glück,  Heil  verkündend  übersetzt  were-len, 
denn  diess  wird  ja  gerade  von  der  Ushds  erwartet.  An  unserer 
Stelle  ist  mengairim  adverbial  zu  fassen  im  Sinne  von  „in  Gedan- 
ken und  Wort  oder  Lied".  —  Äshiscd  —  ahurahjd  Nerios. :  sat- 
kdrinica  karmakrttdm  vettrndm  mahdgndninjd  svdminah  [kila  satkdram 
tasmdl  kurute  jasja  jugjate  karttum  jo  vettd  hhavati  dinjd  Hormizdasja]. 
Vidus  ist  demnach  hier  als  Nom.  actoris  vettd,  der  Wisser,  Ken- 
ner, genommen.  Dass  es  der  Wurzel  vid,  wissen,  entstammt, 
lässt  sich  weder  hier  noch  in  der  Parallelstelle  45,  8  verkennen. 
Aber  die  Form  macht  einige  Schwierigkeit.  Man  kann  es  der  Stel- 
lung und  Verbindung  nach  nur  für  einen  Nomin.  sing,  halten;  statt 
vidus  sollten  wir  aber  vidvdo,  das  häufig  genug  vorkommt,  erwar- 
ten, da  an  ein  neutrales  Nomen  der  Endung  -us,  wie  vapus ,  nicht 
gedacht  werden  kann,  weil  weder  Weda  noch  Zendawesta  ein  sol- 
ches kennt.  Erwünschte  Hilfe  bieten  die  wedischen  Wörter  vidush- 
kavi,  eine  Bezeichnung  Agni's  Rv.  I,  71,   10,  und  Indra's  VII,   18,  2, 


Hang,  die  Gäthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  5.  55 

sowie  vidushtharah  ebenfalls  von  Agni  I,  31,  14;  105,  13,  und  Indra 
II,  16,  14,  sowie  von  dem  hotar  (Priester)  II,  3,  7  gebraucht.  Die- 
ses vidush  in  vidush-kavi  kann  nur  die  kürzere  thematische  Form 
für  vidvas  seyn,  wie  sie  das  Compositum  verlangt;  das  Ganze  heisst 
„kundiger  Seher";  vidushthara  ist  nur  die  Comparativ- Superlativ- 
bildung von  vidvas.  So  ist  auch  im  Ja9na  das  vidus  nur  als  ein 
kürzeres,  in  Zusammensetzungen  gebräuchliches  Thema  zu  betrach- 
ten, und  nur  auf  diese  Weise  erhält  das  Wort  auch  seine  rechte 
Beziehung  zu  den  höchsten  Geistern;  diese  sind  die  wissenden 
und  erkennenden,  und  namentlich  Ahura-mazda  ist  xax'  sJoX'*!^ 
der  vidvdo.  Wollte  man  es  als  Nominativ  fassen,  so  hätte  dies» 
nicht  nur  grammatische,  sondern  auch  Sinnschwierigkeiten,  da  der 
Dichter  des  Liedes  sich  sonst  nie  „der  Wissende"  nennt;  er  muss 
ja  erst  Belehrung  und  Weisheit  vom  höchsten  Gott  empfangen,  wie 
c.  44  so  schön  ausführt.  Ich  verbinde  somit  vidus  -  mazddo  und  J. 
45,  8  vidiis-ashd,  der  wissende  Mazda,  d.  i.  der  weise  Mazda,  der 
wissende  Asha.  —  Der  Accusativ  ashis  ist  noch  von  dem  Verbum 
dade  abhängig. —  Javat  —  ashahjd  l!^enos.:  jdvantim  jdcajitum  galcto 
^smi  tdvantim  Jdcajeja  cajidm  (canas)  punjasja,  wie  lange  ich  im  Stande 
bin  zu  bitten,  so  lange  will  ich  um  die  Nahrung  (Ernährung)  des 
Reinen  bitten.  Das  tavdcd  ist  ganz  richtig  durch  gakto  ^smi,  „ich 
bin  im  Stande"  wiedergegeben,  da  an  tava  ==  tui  nicht  gedacht 
werden  kann,  s.  das  Gloss.  s.  v.  tu,  können,  vermögen.  Das 
khgdi  ist  zwar  richtig  als  eine  erste  Person  sing,  optat.  (genauer 
Voluntativ)  gefasst,  aber  die  Ableitung  ist  eine  falsche;  es  ist  nicht 
so  viel  als  i^di,  da  es  mit  nichten  auf  die  Wurzel  ja^  zurückgeführt 
werden  kann,  sondern  es  ist  eine  eigenthümliche  dialektische  Form 
des  Verbums  as,  seyn,  und  steht  zunächst  für  hi^di,  vgl.  kh^td  für 
higtd,  stehen,  khshmdkam  für  hishmdkam,  Dass  von  as  sich  durch 
Rediiplication  eine  solche  Form  zu  bilden  vermag,  kann  nicht  be- 
anstandet werden,  wenn  man  bedenkt,  dass  es  sein  anlautendes  a, 
wie  auch  im  Sanskrit,  oft  genug  verliert,  sodass  nur  «,  g  übrig 
bleibt,  woran  sich  dann  unmittelbar  die  Endungen  hängen,  man  vgl. 
das  Part,  praes.  gas,  seyend,  J.  46,  19;  dass  die  Reduplications- 
sylbe  das  h,  und  nicht  etwa  g  haben  muss,  ist  durchgängig  Gesetz, 
man  vgl.  hishazat  von  shaz,  histemno  von  gtd,  hismarentö  (Jt.  10,  45) 
von  smar.  —  Dem  aeshe  ist  die  Bedeutung  Nahrung  beigelegt, 
was  etymologisch  nicht  schwer  zu  rechtfertigen  war,  da  ish  als 
Wort  für  Speise,  Labung,  oft  genug  im  Weda  vorkommt,  und 
sich  auch  im  Zendawesta  nachweisen  lässt;  so  ziehe  ich  das  ishem 
J.  38,  2  hieher,  ebenso  v.  8  unsers  Capitels  (s.  dazu  u.  das  Gl.). 
Aber  der  Umstand,  dass  die  gunirte  Form  esha  im  Sanskrit  nie 
diese  Bedeutung  hat,  muss  den  Forscher  etwas  stutzig  machen,  der 
Tradition  hier  ohne  Weiteres  zu  folgen,  um  so  mehr,  da  wir  so 
keinen  erträglichen  Sinn  bekämen.  Was  sollte  „ich  will  in  der  Nah- 
rung des  Reinen  bleiben  oder  seyn"  denn  eigentlich  heissen?  Da- 
gegen  giebt   die  wedische  Bedeutung   des    esha  =  aesha,    das  nur 


56  Haag,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  6. 

ein  Abstractum  der  im  Ja9na  oft  genug  vorkommenden  Wurzel  ish, 
kommen,  verlangen  (s.  zu  30,  1)  ist,  einen  sehr  guten  Sinn; 
es  heisst  das  Suchen  (eigentl.  Kommen  zu  — ),  Wahl. 

V.  6.  Ashd  —  vaedinmo  Nerios. :  he  agavahista  he  dharma  kadd 
tvdm  pagdmi  manasa  uttamasja  vetrtajd  Ashavahista,  o  Gerechtigkeit, 
wann  sehe  ich  dich  durch  die  Kennerschaft  des  höchsten  Geistes? 
Kat  kann  nicht  so  viel  als  kadd,  wann,  seyn;  es  ist  deutlich  das 
Neutrum  des  Relativums  ka,  vgl.  34,  5  kat  khshathrem,  34,  12  kat 
rdzare.  Aber  mit  dem  absoluten  Interrogativ  was?  lässt  sich  an 
unserer  Steile  nicht  viel  anfangen,  da  die  Construction  grosse  Schwie- 
rigkeiten hätte.  Die  Verbalform  dare^dni  als  erste  Person  des  Im- 
perativs lässt  sich  in  einem  Fragesatz  nicht  gut  erklären,  da  sie 
eine  energische  Willensforderung,  ich  will  sehen,  ausspricht.  Da- 
gegen hebt  sich  diese  Schwierigkeit,  wenn  wir  kat  hier  enklitisch 
fassen,  wie  ja  das  Neutrum  des  Interrogativs  fast  in  allen  Sprachen 
und  insbesondere  auch  kirn  im  Weda  gebraucht  ist,  und  durch  ja, 
wohl,  übersetzen  oder  als  Wörtchen  des  Aufrufs  nehmen,  „was 
will  ich  sehen",  d.  i.  wie  will  ich  sehen,  wie  gern  will  ich  sehen. 
Die  Bedeutung  wie  hat  es  deutUch  in  48,  2.  Die  letztere  Fassung 
ist  wohl  die  beste,  da  kat,  wenn  es  Enklitikum  wäre,  sich  nur  auf 
Ashd  beziehen  könnte,  was  ganz  unpassend  seyn  würde.  Da  es  sich 
aber  auf  das  Schauen  beziehen  muss,  so  müsste  es  als  Enklitikum 
hinter  dare^dni  stehen.  Die  Accusative  thwd,  7nana^ca,  gdtum  sind 
sämmtlich  von  daregdni  abhängig.  Vaedemno  ist  gar  kein  selbst- 
ständiges Wort,  wie  Westerg.  nach  seiner  Schreibung  meint,  son- 
dern mit  gdtum  zusammen  zu  lesen,  sodass  wir  ein  Adjectiv  vae- 
demno-gdtu  bekommen,  das  zum  Substantiv  ^raosha  gehört.  Nur 
auf  diese  Weise  kann  des  letztern  Stellung  im  Satze  eine  genügende 
Erklärung  finden.  Jenes  Prädikat  lässt  sich  sicher  mit  Hilfe  des 
Weda  erklären.  Vor  Allem  darf  vaedemno  nicht  von  vid,  wissen, 
sondern  muss  von  vid,  vind,  gewinnen,  finden,  abgeleitet  wer- 
den. Ebenso  hat  gdtu  nicht  die  spätere  Bedeutung  Ort  (Nerios. 
sthdna,  Ort),  wie  hamja  gdtvo  allerorts,  überall,  Jt.  13,  50.  56. 
57,  vgl.  gdtu  Jt.  15,  2,  oder  die  von  Platz,  Sitz,  wie  gtaretagca 
gdtas,  ausgebreiteter  Sitz  (wahrscheinlich  Teppich),  Jt.  17,  7  und 
10  (gdtus  paiti  donhenti,  sie  sitzen  auf  dem  Platze,  Teppich),  son- 
dern die  alte  wedische:  Gang,  Pfad,  Weg.  Dieses  Wort  ist  oft 
mit  dem  Verbum  vid,  viud,  finden,  gewinnen,  construirt,  z.  B. 
Rv.  VII,  13,  3:  vimda  gdtum,  finde  den  Weg  (von  Agni),  in  dem- 
selben Sinne  auch  mit  kr,  VII,  64,  5:  jatrd  cakrur  amftd  gdtum 
asmdi,  wo  die  Unsterblichen  ihm  einen  Weg  machten;  vgl.  I,  71, 
2;  72,  2  (von  den  Angirasiden,  die  den  Menschen  den  Weg  zum 
Himmel  weisen),  und  mit  rad,  spalten,  bahnen,  VII,  47,  4, 
aradad  gdtum  ürmm,  er  bahnte  (Surja)  den  Weg  durch  das  Ge- 
woge.  Wichtig  ist  das  Compositum  vidad-gdtu,  den  Weg  oder 
Pfad  findend,  von  Ag7ii  gesagt  Rv.  I,  96,  4,  fast  identisch  mit 


Haug,  die  Gdihd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,   6.  7.         57 

imserm  vaedemnö-gdtu ;  häufiger  ist  die  Umkehrung  der  beiden  Theilc 
des  Compositums  gdtuvid  Rv.  1,  51,  3;  von  Indra  105,  15;  von 
Agni  III,  62,  13;  von  Soma,  Pfadfinder,  Wegweiser.  Der 
Umstand,  dass  die  Redeweise  noit  gdtavo  vinden  pagvagca  etc.  Vend. 
2,  16,  17.  Westerg.  nur  heissen  kann:  „nicht  fanden  Raum,  Platz, 
die  Rinder  etc."  könnte  uns  leicht  verführen,  auch  an  unserer  Stelle 
die  Bedeutung  Ort,  Platz,  zu  Grunde  zu  legen.  Aber  was  soll 
das  Prädikat  „Ort-fmdend"  bei  (^raosha  bedeuten?  Dieser  Genius 
verkündigte  nach  dem  ihm  gewidmeten  Jescht  (J.  57  und  Jt.  11) 
zuerst  den  Mäzdaja9nischen  Glauben ,  er  sang  zuerst  die  Gdthd*s, 
streute  zuerst  die  heilige  Streu  etc. ,  sodass  er  als  Gründer  des 
ganzen  Cultus  gilt,  wie  Agni  in  den  wedischen  Hymnen.  Somit  ist 
er  ein  Mittler  zwischen  den  höchsten  Geistern ,  namentlich  dem 
Ahiira-mazda,  und  den  Menschen,  indem  er  diesen  den  Weg  nach 
oben  und  dem  höchsten  Gott  den  Weg  zu  den  Menschen  weist, 
gerade  wie  Agni  im  Weda  diess  thut,  der  wegen  dieser  Thätigkeit 
gdtu-vidy  Wegweiser,  heisst.  Aus  diesen  Gründen  ist  die  Deu- 
tung „Ort -findend"  nicht  stichhaltig,  die  von  „Pfad -findend  oder 
Weg-weisend"  aber  allein  passend.  —  Vdiiroimaidi  —  hizvd  Nerios. : 
ja  prabhodhadd  buddhigaddja  gihvajd  [jo  buddhigado  bhavati  tasja 
lämcit  idam  eva  utkhhthataram  jad  adhjajanam  kiirute],  welche  Erkennt- 
niss  giebt  dem  Verstandesdummen  durch  die  Zunge  (wer  am  Ver- 
stände dumm  ist,  dem  giebt  er  gerade  den  allerbesten  Unterricht). 
Nerios.  leitete  vduroimaidi  (s.  das  Gl.  s.  v.  var)  von  vere-nu,  leh- 
ren, ab.  Diess  ist  aber  entschieden  falsch;  denn  die  Khraf^tra's, 
worunter  nur  die  spätem  Kharfesters  zu  verstehen  sind,  können  nicht 
belehrt  werden,  so  wenig  als  Ahriman,  sondern  man  muss  sie  durch 
heilige  Sprüche  abwehren. 

V.  7.  Vohü  —  daregdjtl  Nerios.:  uttamasja  prdptim  manaso  dehi 
he  dharmaddtim  dirghd^ivdm,  gieb  des  höchsten  Geistes  Erreichung, 
die  langdauernde  Schöpfung  der  Gerechtigkeit.  Das  Wort  daregdju, 
langlebender,  scheint  der  Construction  nach  als  Vocativ  gefasst 
und  auf  Mazda  bezogen  werden  zu  müssen.  Aber  dieses  Prädikat 
ist  für  Mazda  wenig  angemessen;  es  könnte  etwa  den  Begriff  „ewig" 
ausdrücken,  den  die  alten  Völker  von  dem  des  langen  Lebens  oder 
der  langen  Zeitdauer  ableiteten.  Gerade  aus  dem  zweiten  Theil 
unsers  Wortes  dju,  das  ursprünglich  wohl  Geschlecht  bedeutete 
(W.  ja  in  joni,  Mutterschooss,  juvan,  Jüngling)  hat  sich  in  vielen 
arischen  Sprachen  der  Ausdruck  für  Ewigkeit  entwickelt,  so  griech. 
atov,  lat.  aevum,  aeternus  für  aeviternus,  goth.  afvs,  nhd.  ewig. 
Aber  die  Vergleichung  von  daregem  dju  (31,  20),  lang  an  Zeit, 
führt  auf  die  adverbiale  Fassung  in  langer  oder  auf  lange  Zeit. 
Anfänglich  hielt  ich  daregdju  für  einen  Dual  des  Sinnes  „die  zwei 
Jangen  Leben",  aber  das  unmittelbar  vorhergehende  ashd-ddo,  das 
dann  nur  als  Adjectiv  gefasst  werden  könnte ,  verbietet  diess.  — 
Ereshvdis  —  rafeno  Nerios. :  saijdbhis  tvdm  vdgbhir  mahdgndnin  Za- 


58         Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  7.  8. 

rathustro  ^ham  balavattamdt  Gustdspdt  pramodajdmiy  mit  wahren  Wor- 
ten erfreue  ich,  Zarathustra,  dich,  Mazda,  wegen  des  sehr  starken 
Gustasp  (seinetwegen).  Für  dabaishdo,  wie  W.  nach  K.  5.  schreibt, 
ist  dabaishdo  zu  schreiben.  Die  meisten  Mss.  bieten  ae  für  ai. 
Westergaard  selbst  vermuthet  auch  in  der  Note  diese  Schreibweise. 
Dieses  dabaeshdo  steht  für  das  im  jungem  Dialekt  gewöhnliche  tbae- 
shdo;  eine  Form  dabaishdo  ist  gar  nicht  zulässig.  Das  ai,  welches 
im  Baktrischen  gewöhnlich  Folge  der  Einwirkung  eines  i  ist  und 
durchaus  nicht  einem  sanskritischen  e  oder  gar  di  entspricht,  könnte 
hier  gar  nicht  erklärt  werden.  Die  Wurzel  \&t  dvish,  hassen;  diese 
lautet  im  Jüngern  Baktrischen  gewöhnlich  tbish;  im  Liederdialekte 
ist  die  Doppelconsonanz  dv  entweder  beibehalten,  z.  B.  dvaeshanhd, 
oder  aufgelöst  durch  Einschiebung  eines  kurzen  Vokals  dabish^  was 
nach  den  Lautgesetzen  daibish  werden  muss.  Diese  vollere  Form 
hat  durchgängig  das  Verbum.  Davon  wird  durch  Gunirung  ein  Sub- 
stantiv dvaeshanh,  Hass,  Feindschaft,  gebildet,  von  dem  wir  die 
Formen  dvaeshanhd  (Instr.)  und  dvaeshdo  (Nom.  acc.  plur.)  haben; 
letzteres  kann  mit  aufgelöster  Doppelconsonanz  nur  dabaeshdo  lau- 
ten; ungunirt  ergäbe  sich  die  Form  daibishdo,  aber  nie  ein  dabaishdo. 

V.  8.  Ddidi  —  mananho  Nerios. :  dehi  he  dharma  tarn  bhahtim 
jam  uttamasja  dpjatajd  manasah  [kila  mdm  bhakti^ilam  evam  kuru  jathd 
me  samfddhatvam].  Gieb,  Gerechtigkeit,  dieses  Glück  dadurch,  dass 
der  höchste  Geist  erreicht  werden  kann.  Ashi  ist  aber  nicht  so  viel 
als  „  Glück " ,  sondern  heisst  Wahrheit ;  djaptd  ist  nicht  als  In- 
strumental zu  fassen,  sondern  für  einen  Accus,  plur.  neutr.  zu  hal- 
ten; vgl.  V.  3.  —  Baidi  —  maibjdcd  Nerios.:  dehi  tvam  sampürna- 
mdnase  pffhivjdm  Gustdspdt  icchdm  madijebhjagca  [kila  dcdrjdndm 
dcdrjatvam  mahjam  dehi  ^ishjebhjo  ^pi  madijebhjah].  Für  aeshem,  wie 
Westerg.  nach  mehreren  Handschriften  schreibt,  ist  ishem  nach  K.  4. 
und  Bb.  und  Bf.  zu  lesen.  Aesha,  Gang,  Nachforschung,  wo- 
von wir  V.  5  den  Locativ  aeshe  hatten,  giebt  hier  keinen  Sinn;  wohl 
aber  wA,  das  mit  dem  v/edischen  ish  ganz  identisch  ist.  Nerios. 
hat  icchd,  Wunsch,  Verlangen,  aber  mit  dieser  Bedeutung  kom- 
men wir  ebensowenig  aus.  J.  38,  2  steht  der  Accus,  ishem  unter 
lauter  Wörtern,  die  sich  auf  Verehrung,  Gottesdienst,  bezie- 
hen und  zwar  zunächst  zwischen  ashim  und  dzüitim  (Anbetung), 
Hier  darf  es  aber  ja  nicht  mit  iz  von  ja^  verwechselt  werden,  wo- 
von wir  gleich  zu  Anfang  des  Verses  den  Accus,  plur.  izdo  haben. 
Im  Weda  bezeichnet  ish  die  den  Göttern  dargebrachte  Spende, 
welche  Bedeutung  dem  Wort  an  der  angeführten  Stelle  beigelegt 
werden  kann.  Der  Umstand,  dass  in  unserem  Vers  ishem  in  einem 
Satze  steht,  der  dem  das  ashim  enthaltenden  unmittelbar  folgt,  und 
beide  Sätze  einen  innern  Zusammenhang  haben,  könnte  leicht  ver- 
leiten, dem  ishem  hier  dieselbe  Bedeutung  wie  J.  38,  2  beizulegen. 
Aber  der  Sinn  sträubt  sich  gegen  diese  Fassung.  Dagegen  ist  eine 
andere  Bedeutung  des  Worts:  „Gedeihen,  Gelingen"  Rv.  I,  180,  2 


Haug,  die   Gdthd's  des  Zarathustra.   L     Cup.  28,  8.  59 

hier  ganz  passend,  namentlich  da  es  auf  das  Gelingen  von  Zara- 
thustra's  grosser  That  bezogen  werden  kann;  oder  es  kann  auch 
die  Kraft^(Rv.  II,  22,  4  neben  ürgam)  bedeuten,  um  die  der  Pro- 
phet die  Armaiti  anruft.  Letztere  Deutung  ist  vorzuziehen.  —  Das 
maihjdcd  übersetzt  Nerios.  durch  madijebhjah,  den  Meinigen,  und 
erklärt  es  durch  mahjam  ^ishjebhjo  ^pi  madijebhjah,  mir  und  meinen 
Schülern.  Aber  das  maibja  kann  unmöglich  den  Begriff  „meinig" 
tragen,  da  dieser  durch  mdvat  ausgedrückt  wird,  auch  nicht  etwa 
uns  heissen,  was  nur  durch  ahmaibja  ausgedrückt  wird,  sondern 
muss  mir  bedeuten.  Die  Endung  bjd,  die  sonst  dem  Dativ  plur. 
eigen  ist,  darf  hier  nicht  irre  machen.  Wie  das  Sanskrit  zwei  For- 
men für  mir  hat,  eine  vollere  mahjam  und  eine  kürzere  wie,  so  auch 
der  Liederdialekt  maibja  und  moi.  Das  sanskritische  mahjam  ist 
eine  Schwächung  aus  mabhjam  und  hiermit  ist  maibja  identisch ;  dass 
der  Dativ  sing,  des  persönlichen  Pronomens  die  Endung  bja  gehabt 
hat,  zeigen  die  latein.  Dative  tibi,  sibi  (mihi  ist  nur  Schwächung 
aus  mihi)   deutlich.  ^) 

Ddo^tü  —  rdddo  Nerios. :  dehi  sfotrn  mahdgndnin  pdrthivdt  je  vo 
vdnim  vaktdro  racandddtdrah  [kila  cet  vo  vdnim  ^ishjanti  pravarttamd- 
ndmca  hirvaiiti].  Ddo^tü  löst  Nerios.  falsch  in  ddo  und  ^tü  auf,  als 
ob  dieses  die  Wurzel  ftu,  loben,  wäre;  eine  Fassung,  die  weder 
einen  Sinn  giebt ,  noch  sich  grammatisch  irgendwie  rechtfertigen 
lässt.  Es  ist  vielmehr  in  ddog  und  tu  aufzulösen ,  und  ist  gerade 
so  viel  als  ddo  tu,  du  mögest  geben.  Ueber  die  Einschiebung 
des  ^  vor  Enklitika  wie  ca,  tu  (yqI.  jeng-^tü,  quos  tu  J.  46,  14), 
s.  die  Grammatik.  Khshajd  nimmt  Nerios.  als  Ablativ  eines  Nomens 
(pdrthivdt),  des  Sinnes  „Herrscher";  es  ist  Vocativ  von  khshaja, 
Herrscher,  und  steht  dem  Mazda  ganz  parallel,  der  öfter  vage- 
lihshajäq,  „von  selbst  herrschend"  J.  43,  1  genannt  wird.  Ein  Im- 
perativ, zu  welcher  Annahme  ddo  leicht  verführt,  kann  es  nicht  seyn, 
da  der  folgende  Relativsatz  nicht  davon  abhängig  gemacht  werden 
kann.  Dieser  hängt  vielmehr  allein  von  ddo  ab.  Die  Uebersetzung 
des  ^revimd,  wie  schon  Westerg.  ganz  richtig  schreibt,  durch  vaktd- 
rah,  Sprecher,  ist  ungenau;  es  ist  die  erste  Person  plur.  optat. 
der  Wurzel  frw,  hören.  Das  Causale  davon,  ^rdvaj,  hören  las- 
sen, verkündigen,  gäbe  einen  bessern  Sinn,  aber  aus  den  hand- 
schriftHchen  Lesarten  lässt  sich  diese  Form  schlechterdings  nicht  ge- 
winnen. Das  letzte  Wort  rdddo  ist  durch  racandddtdrah,  „die  Ordnung 
gebenden"  übersetzt,  welcher  Uebersetzung  ohne  Zweifel  die  Ablei- 
tung von  rdz,  gerade  seyn,  ordnen,  und  da,  geben,  zu  Grunde 
liegt.     Aber  diese  Erklärung  ist  ganz  verfehlt.     Es  ist  vielmehr  auf 


0  Die  russischen  Formen  tiebja,  deiner,  dich,  siebja,  seiner,  sich, 
tiebje,  dir,  siebje,  sich,  dürfen  nicht,  so  gross  die  Aehnlichkeit  auch  schei- 
nen mag,  zur  Vergleichung  herbeigezogen  werden.  Sie  sind  aus  dem  alten 
Genitiv  tava  und  der  Form  sva  durch  Anhängung  der  Endung  ja  hervor- 
gegangen; vgl.  mienja,  meiner,  aus  mana -^  ja. 


60         Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  8.  9. 

rddatih  zurückzuführen  und  hievon  nur  der  Nom.  acc.  plur.  Es  ist 
identisch  mit  dem  wedischen  rddhas,  Spende,  Gabe,  Rv.  I,  9,  5. 
17,  7.  22y  7,  öfter  mit  gfndti,  er  lobt,  singt  ein  Loblied,  verbun- 
den 54,  7,  wo  es  sich  mehr  auf  das  Lied,  als  auf  die  dargebrachte 
Spende  beziehen  muss;  in  I,  15,  5  hrdhmandd  indra  rddhasah  piba 
somam  hat  es  die  Bedeutung  Bereitung.  Die  Grundbedeutung, 
wie  sie  aus  der  Wurzel  rddh  sich  ergiebt,  ist  Werk,  Bereitetes, 
namentlich  vom  Opfer  oder  Lied.  Denselben  Sinn  hat  auch  rddha 
in  der  Fügung  rddhdndm  pati,  Herr  der  Thaten,  thatenreicher,  von 
Indra  Rv.  1,  30,  5.  IK,  51,  10.  Die  Wurzel  rddh  heisst  im  Sans- 
krit vollenden,  fertig  machen,  so  Rv.  I,  41,  7  kathd  rddhdma 
stomam,  wie  wollen  wir  das  Loblied  vollenden?  Namentlich  in  For- 
meln des  Jagurveda  tan  me  rddhjatdm,  diess  werde  von  mir  glück- 
lich vollbracht,  Jv.  1,  5.  Rv.  70,  40  arddhi,  es  ist  vollbracht.  120, 
1  kd  rddhaddhotrdy  welches  Opfer  gelingt?  Im  Baktrischen  treffen 
wir  zwei  Wurzeln  rad,  rddh ,  die  nicht  zu  verwechseln  sind.  Die 
eine  findet  sich  nur  in  den  Gdthd's  J.  29,  9.  33,  2  (s.  das  Gloss.), 
und  hat  den  Sinn  machen,  schaffen,  vollbringen,  stimmt  also 
im  Wesentlichen  mit  der  Sanskritischen  Bedeutung  j  die  andere  lässt 
sich  in  den  Jeschts  nachweisen  und  hat  die  Bedeutung  „spalten, 
bahnen",  vom  Weg,  worin  sich  unschwer  das  wedische  rad,  öffnen 
(von  Wegen)  erkennen  lässt;  so  Jt.  10,  68:  jenhe  vdshem  haftge- 
rewnditi  ashis  vanuhi  ja  berezaiti  jenhe  daena  mazdajagnis  qithi  patho 
rddhaüi,  dessen  (Mithra's)  Wagen  die  gute  glänzende  Äshi  anfasst, 
dessen  Wege  der  Mazdaja^nische  Glaube  bahnt.  Hieher  gehört  auch 
awa-rada  der  Nakshi- Rüstern -InschriÜ,  das  „vergehe  dich  nicht", 
d.  1.  weiche  nicht  ab  von  der  rechten  Bahn,  heissen  muss.  Um  nun 
auf  das  Subst.  rddanh,  das  den  Gdthd's  eigen  ist,  zu  kommen,  so 
kann  ihm  füglich  die  Bedeutung  Werk  beigelegt  werden;  nament- 
lich bezieht  es  sich  auf  die  fertigen  Orakelsprüche  und  Lie- 
der, wie  hier  und  J.  46,  17.  Der  Construction  nach  sind  jd 
mäthrd  rdddo  abhängig  von  ^revirnd.  Am  besten  wird  indess  eine 
relativische  Attraction  angenommen,  sodass  mäthrd  rdddo  eigentlich 
zu  ddo  gehören.  Das  ve  ist  mit  rdddo  zu  verbinden,  „die  Lieder, 
eure  Werke". 

V.  9.  Vahistem  —  hazaoshem  Nerios.:  utkfshthatdm  te  utkrshthata- 
rdm  aparasmdt  kasmdccit  cet  sadhjdpdratajd  dini  anu^ilajdmah,  wenn 
wir  deiner  Vollkommenheit,  die  vollkommener  als  irgend  eine  andere 
ist,  durch  Vollbringung  des  Guten  (der  Pflicht)  im  Glauben  nach- 
streben. Schwierigkeit  macht  das  doppelte  vahistd;  das  zweite  ge- 
hört offenbar  zu  asha,  ob  auch  das  erste,  ist  fraglich.  Nerios.  fasst 
dieses  als  Comparativ,  aber  hiezu  ist  gar  kein  Grund  vorhanden; 
es  kann  nur  Superlativ  seyn.  Am  einfachsten  wird  es  als  Vocativ 
genommen:  „o  Bester!"  und  auf  den  Ähura-mazda  bezogen.  Für 
Jim,  wie  Westerg.  schreibt,  wird  mit  K.  4.  6.  besserem  gelesen, 
da  der  Vokal  e  hier  in  dieser  Form  im  Liederdialekt  gewöhnUch  ist. 


Haug,  die  Gdtha's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  9.  61 

Hazaoshem  ist  kein  Verbum,  wie  es  Nerios.  fasst,  sondern  ein  No- 
men ==  skr.  sagosha,  vereint,  und  nur  ein  stärkerer  Ausdruck  für 
hadd,  mit;  vgl.   29,  7.  51,  20. 

Vduims  erklärt  Nerios.  durch  ^iskjatd,  Schülerschaft,  in  der 
Glosse  (in  der  Uebersetznng  hat  er  an  der  Stelle  des  vdunus  asani- 
^itaja  oder  -gitaja,  was  unverständlich  ist).  Es  ist  a7U.  Xey.  Am 
nächsten  liegt  lautlich  das  wedische  vanus,  denn  du,  steht  nur  durch 
Einfluss  des  folgenden  us,  vgl.  haurva  für  harva,  alles,  und  d  für 
a  ist  im  Gäthädialekt  häufig,  z.  B.  hdma  für  hama==sama;  aber 
die  Bedeutung  dieses  Wortes  will  nicht  recht  in  den  Zusammenhang 
unsers  Verses  passen.  Es  bedeutet  fast  durchgängig  Feind  Rv. 
VII,  21,  9.  25,  3.  (gahi  vadhar  vanusho  martjasja)  38,  5.  83,  5- 
97,  9;  in  111,  27,  11  (ftasja  joge  vanushah)  muss  es  Holz  =  vana 
heissen.  Seine  Wurzel  van  hat  mannigfache  Bedeutungen ,  die 
schwerlich  auf  nur  eine  Urwurzel  zurückzuführen  sind.  Die  Be- 
deutung vernichten,  zerstören,  schon  im  Weda  vorkommend 
(Rv.  II,  20,  2.  VII,  21,  9),  ist  fast  die  häufigste  für  das  Verbum 
im  Baktrischen,  die  auch  im  Slawischen  und  Armenischen,  sowie  im 
Germanischen  {han,  morden,  in  der  Edda)  und  im  Griechischen 
(96vo^)  erhalten  ist.  Von  dieser  leitet  sich  auch  das  Subst.  vana 
J.  44,  15  (Nerios.  pdrihitvam,  Herrschaft),  Herr,  Besitzer, 
eigentl.  Sieger  (man  vgl.  hshi,  vernichten  und  herrschen)  ab, 
das  im  Neupers.  zu  hdn,  Herr,  Haupt,  geworden  ist.  Neben  der 
Bedeutung  zerstören,  mit  der  die  von  gewinnen  (Rv.  I,  48, 
11.  70,  1)  zusammenhängen  kann,  finden  wir  im  Weda  die  von 
annehmen,  gewogen  seyn  (I,  31,  13  vanoshi,  II,  30,  6)  und 
die  von  geben,  spenden  (II,  5,  7.  VII,  17,  5;  namentlich  in 
der  Phrase:  td  deveshu  vanatho  vdrjdni  VII,  2,  7,  diese  Güter  gebt 
ihr  unter  die  Götter,  theilt  sie  ihnen  aus,  vgl.  T,  15,  8).  Das  Sub- 
stantiv vana  heisst  zwar  im  Weda  gewöhnlich  Holz  (VII,  1,  9  steht 
es  neben  dame,  im  Hause,  und  scheint  Wohnung  aus  Holz  zu 
bedeuten) ;  dagegen  in  I,  24,  7 :  abudhne  rdgd  Varuno  vanasjordhvam 
stüpam  dadate,  muss  es  das  Himmelsgewölbe  bedeuten,  das  als 
ein  Dach  von  Holz  aufgefasst  zu  seyn  scheint;  in  Rv.  I,  70,  5 
goshu  pragastim  vaneshu  dhishe ,  in  die  Kühe  legst  du  Ruhm,  in  die 
Ställe  (d.  i.  du  machst  sie  schön  und  ansehnlich) ,  muss  es  eine 
ähnliche  Bedeutung,  die  eines  hölzernen  Daches  oder  Stalles,  haben; 
mit  „erwünscht,  erfleht"  oder  einfacher  „angenehm"  kommt  man 
hier  nicht  aus,  da  sich  das  Substantiv  vana  gegen  solche  Fassungen 
sträubt.  Das  Substantiv  vani  dagegen  hat  in  vasu  vani  VII,  1,  23 
deutlich  den  Sinn  von  Spende;  davon  ist  der  Superlativ  vanishtha, 
der  Spendendste,  Gabenreichste  VII,  10,  2.  18,  1.  Ausser  der  Be- 
deutung zerstören  lässt  sich  im  Baktrischen  auch  die  von  an- 
nehmen, gewogen  seyn,  nachweisen,  so  J.  39,  2:  jaeshäm  (näm- 
lich den  Seelen,  Fravaschi's)  vahehis  daendo  vanainti  vd  vinhen  vd 
vaonare  vd,  von  welchen  die  besten  die  Gesetze  annahmen  und  an- 
nehmen werden.     Die  Bedeutung   beschützen,    die  Burnouf   an- 


62  Hang,  die  Gdthas  des  Zaraihustra.  I.    Cap.  28,  8. 

giebt,  lässt  sich  nirgends,  weder  im  Zendawesta,  noch  im  Weda 
nachweisen.  Das  Substantiv  vanta  J.  51,  20,  das  Nerios.  nicht  un- 
passend durch  sähdjjamat ,  freundschaftlich,  wiedergiebt ,  ist 
ohne  Zweifel  auf  diese  Wurzel  zurückzufuhren  und  muss  dem  Zu- 
sammenhange nach  so  viel  als  Verehrer  bedeuten;  aber  dahin  ge- 
hört auch  das  Adjectivum  vainija  v.  11  unsers  Capitels,  das  Nerios. 
seltsamerweise  durch  vastrdni ,  Kleider,  übersetzt  (er  Hess  sich 
durch  das  unmittelbar  vorhergehende  qarethja,  worunter  er  Speise 
versteht,  verleiten),  während  es  verehrungswürdig,  preiswür- 
dig bedeuten  muss.  Als  Abstractum  ist  vanta  Ji.  10,  6  neben  ne- 
manhd  gebraucht.  In  Jt.  5,  34.  9,  14.  17,  10  ist  es  so  viel  als 
Sieger  (Skr.  vanta  Rv.  VII ,  8,  3).  Vantu  Vend.  3,  25.  W.  ist 
Freund,  Gönner.  Das  bekannte  Prädikat  Jima's  hväthwa  für 
hiiväthwa  heisst  von  grossem  Wohlstand,  Ueberfluss,  da 
väthwd  öfter  den  Worten  fshaojii,  Reichthum,  Jt.  19,  32.  5,  26 
und  isti,  Gut,  Vermögen,  Jt.  8,  15.  17.  19  parallel  steht.  ^) 
Die  neupersischen  Lexika  kennen  ein  vaiid,  Preis;  ausserdem  haben 
sie  die  Glosse,  vandd  heisse  im  Zend  und  Päzend  Wunsch,  Ver- 
langen. Um  auf  das  vdunus  vmsers  Verses  zurückzukommen,  so 
können  wir  ihm  füglich  die  Bedeutung  wünschend,  verlangend 
beilegen ,  welcher  Sinn  vom  Zusammenhange  verlangt  wird.  Man 
führt  es  am  besten  auf  van,  annehmen,  gewogen  seyn,  zurück, 
woraus  leicht  die  Bedeutung  wünschen  hervorgehen  konnte. 

Jaeibja^ca  —  mananho  Nerios. :  tehhjas  tato  dahshanibhava  sadäiva 
jat  sarvam  uttamena  manasa;  kila  Pherao^rdja  ^ishjebhja^ca  Phera- 
^ao^rasja  jdvat  vapuh  pd^cjdnjam  sub/iaih  tebhjah  kuru.  Daher  schenke 
diesen  immer  alles,  was  durch  den  besten  Geist  (entsteht);  nämlich 
dem  Fraschaostra  und  den  Schülern  des  Fraschaostra  mache,  so 
lange  sie  leben,  eine  Gestalt  (Ansehen),  die  für  Zukunft  und  sonst 
schön  ist  (jetzt  und  immer).  Rdonhanhoi  wird  von  Nerios.  als  Im- 
perativ gefasst.  Diess  ist  aber  der  Form  nach  nicht  möglich,  es 
kann  nur  eine  zweite  Person  sing,  praes.  medü  seyn.     Westergaard 


')  Die  Bedeutung  „Heer de",  die  Burnouf  nach  der  Tradition  dem 
Worte  giebt  (die  Pehlewiübersetzung  hat  für  hväthwa  ^'ai'is  mit  guten 
Heerden),  ist  kaum  zu  beweisen.  Diesen  Sinn  kann  es  höchstens  in  Jt. 
18,  5  haben,  wo  es  dem  agpäo  parallel  steht.  Ganz  entsclüeden  spricht 
gegen  diese  Bedeutung  Jt.  9,  9 :  azem  fshaoni  väthwa  avabaräni  avi  mazddo 
dämähjö,  ich  will  Reichthum  und  Ueberfluss  (Fülle)  zil  den  Geschöpfen 
des  Ahura-mazda  bringen,  wo  „Heerden"  geradezu  ein  Unsinn  wäre.  Als 
Gegensatz  tritt  shudhem  tarshnemca,  Hunger  und  Durst,  hervor,  woraus 
klar  hervorgeht,  dass  es  Fülle  an  Nahrungsmitteln  bedeuten  muss.  Ich  leite 
es  von  vana,  Holz,  mittelst  der  Abstractendung  thwa  (auch  im  Zendawesta) 
ab,  sodass  es  eigentlich  Baum,  Wald,  heisst.  In  übertragener  Bedeutung 
heisst  es  dann  Fülle,  Ueberfluss,  Menge,  gerade  Wie  Silva :  Mit  dieser 
kommt  man  fast  überall  aus  (Jt.  2,  8.  10,  28.  13,  52.  17,  29  u.  s.  w.),  so 
dass  es  gar  nicht  nöthig  ist ,  dem  Worte  auch  noch  die  Bedeutungen  Schutz 
und  Versammlung  beizulegen,  wie  Burnouf  thut. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  9.  10.        63 

schreibt  nach  K.  4.  rdonhdonhoi;  K.  9.  hat  rdonhanhe,  K.  5.  rdon- 
hanhoit;  die  meisten  haben  indess  eine  kürzere  Form,  rdonhoi  K.  6. 
P.  6.  Bf.,  und  rdonho  K.  11.  Bb.  lieber  die  richtige  Lesart  kön- 
nen nur  die  sonst  gebräuchlichen  Formen  der  Wurzel  und  der  Zu- 
sammenhang entscheiden.  Von  rdonh  finden  wir  in  den  Gdthd's  nur 
noch  rdojihajen  32,  12  (als  erste  Person  pliir.  imperf.  causat.),  und 
im  Jüngern  Ja9na  12,  3  rdonhe  als  erste  Person  praes.  medii.  Als 
Wurzelform  dürfen  wir  füglich  rdonh  annehmen,  das  nur  eine  Er- 
weiterung der  wedischen  Wurzel  rd,  geben,  spenden,  ist,  von 
der  schon  derWeda  häufig  Formen  mit  *  (rds  =  rdonh),  so  rdsate, 
rdsan  und  VIT,  34,  22  aufzuweisen  hat.  An  unserer  Stelle  nun  ist 
eine  zweite  Person  nöthig;  diese  kann,  regelmässig  gebildet,  nar 
rdonhanhe  heissen;  6i  ist  geradezu  soviel  als  e  in  den  Gdthd's;  die 
Form  rdonhdonhoi,  die  Westerg.  nach  einem  Codex  aufgenommen 
hat,  könnte  nur  eine  Conjuuctivform  seyn;  aber  da  einerseits  diese 
Form  hier  gar  nicht  nothwendig  ist  und  sie  sogar  die  Stelle  des 
Conjunctivs  vertreten  kann  und  zudem  nur  durch  eine  Handschrift 
beglaubigt  ist^  so  ziehe  ich  die  Lesung  rdonhanhoi  entschieden  vor. 
Rdonhe  liesse  sich  nicht  gut  rechtfertigen ,  wohl  aber  rdonho  als 
zweite  Person  sing,  imperf.  —  Der  Genitiv  vanheus  mananhö  kann 
nicht  von  vigpdi  jave  abhängig  gemacht  werden,  da  „für  alle  Dauer 
des  guten  Geistes"  sinnlos  seyn  würde;  er  hängt  entweder  von  it 
ab,  das  den  Sinn  von  was,  etwas,  haben  kann,  „etwas  vom  besten 
Geiste",  oder,  wenn  it,  als  unmittelbar  an  jaeibja^ca  sich  anschlies- 
send, nur  den  Relativbegriflf  hervorhebt  und  verallgemeinert,  ist  ein 
Genitivus  partitivus  unmittelbar  vom  Verbum  regiert;  „du  verleihst 
vom  guten  Geiste".     Letztere  Fassung  ist  vorzuziehen. 

V.  10.  A7idis  —  zaranaemd  Nerios. :  andgamtd  jushmdsu  na  svd- 
min  mahdgndnin ;  [kila  gfhitagurvvdde^dt  vapur  jajd  na  bhavdmi] 
dharmamca  subhena  na  bodhaje  [kila  tat  subham  na  samihe  jat  dhar- 
masja  bodhdkaram  bhavati].  Diese  üebersetzung  ist,  wie  Jeder  leicht 
sehen  kann,  ganz  verkehrt.  Audis  kann  nicht  andgamtd,  „Einer, 
der  nicht  herzukommt",  heissen ,  welcher  Erklärung  die  tolle 
Etymologie  von  a-f-z,  gehen,  mit  dem  a  privat,  zu  Grunde  liegt, 
sondern  es  ist  Pronomen  demonstr.  (Instrum.  pl.)  von  ana,  jener. 
Für  vdo  noit  der  meisten  Handschriften,  worauf  sich  auch  die  Üeber- 
setzung Nerios.  jushmdsu  na  gründet ,  ist  mit  dem  Kopenhagener 
Cod.  5  vaonoit  zu  lesen.  Jene  Lesung  ergäbe  den  Sinn:  nicht  wol- 
len wir  auch  Ahura-mazda  mit  den  Sprüchen  (Offenbarungen)  prei- 
sen, was  hier  geradezu  ein  Unsinn  seyn  würde.  Einen  um  so 
passendem  Sinn  gicbt  aber  die  Lesung  vaonoit,  die  überdiess  kaum 
aus  so  bekannten  Worten  wie  vdo  und  noit  hervorgegangen  seyn 
könnte,  da  wir  gewöhnlich  nur  bei  seltenern  Wörtern  und  Formen 
beträchtliche  Schwankungen  in  den  Lesarten  finden.  Vaanöit  ist 
OLK.  Xsy.,  konnte  desswegen  später  auch  sehr  leicht  missverstanden 
und  in  die  lautlich  fast  gleichen  bekannten  Worte  vdo  noit  aufgelöst 


64  Hang,  die  Gdthd's  des  Zaratimstra.  J.    Cap.  28,  10. 

werden.  Der  Form  nach  ist  es  ein  regelrechter  Ablativ  eines  Thema's 
vaoni,  worin  unschwer  das  wedische  vani  zu  erkennen  ist,  für  wel- 
ches p.  61  die  Bedeutung  Gabe,  Spende  (Gottes  an  die  Men- 
schen) nachgewiesen  wurde.  Diese  giebt  hier  einen  vollkommen 
ausreichenden  Sinn.  —  Zaranaema  ist  der  Form  nach  deutlich  eine 
erste  Person  plur.  optat.  Nerios.  giebt  es  durch  bodhaje,  ich  er- 
wecke, welche  Erklärung  wohl  auf  einer  Ableitung  von  gdgere, 
erwachen,  SYeipo,  beruht.  Sie  ist  aber  nicht  richtig,  da  für  die 
Wurzel  zar  oder  zaran  dieser  Sinn  durch  nichts  bewiesen  werden 
kann.  Lautlich  am  nächsten  steht  das  wedische  hhi  für  kam,  zür- 
nen, hauptsächlich  vom  Zürnen  des  Varima,  dessen  Zorn  sich  durch 
Krankheiten  offenbart,  gebraucht  (Rv.  I,  25,  2  hfnäna,  VIT,  86,  2. 
3.  104,  14.  II,  33,  15).  In  den  spätem  Stücken  des  Zendawesta 
trefifen  wir  zarnumat  (Jt.  19,  67.  24,  4.  Nj.  1,  8.  Frag.  5,  1), 
zarnumana  (Jt.  10,  47.  11,  5),  zarnumainis  (Jt.  14,  33.  16,  13. 
Prädikat  des  Vogels  kahrkd^a),  die,  ebenso  wie  zaretö  Jt.  11,  5  und 
zazardno  J.  9,  30.  Jt.  11,  5,  auf  diese  Wurzel  zurückzuführen  sind^ 
wenn  auch  die  Bedeutung  zürnend,  grollend,  nirgends  recht 
passen  will.  Sie  sind  sowohl  von  bösen  (Jt.  11,  5  neben  drvdoy 
bös,  schlecht;  J.  9,  30  neben  hhrshvjeitisy  grausam),  wie  von  guten 
Wesen  (Jt.  10,  47  ist  Mithra  zaranumano  genannt,  Nj.  1,  8  neben 
^ürem,  stark,  Held)  gebraucht  und  daher  voces  mediae,  gerade  wie 
die  Ableitungen  von  khraozda  =  skr.  hrudh,  zürnen.  Man  muss 
ihnen,  wie  diesen,  die  Bedeutung  „anstürmend,  auffahrend,  gewal- 
tig" geben,  um  überall  einen  genügenden  Sinn  zu  gewinnen.  Die 
Grundbedeutung  der  namentlich  in  den  iranischen  und  slawischen 
Sprachen  so  fruchtbaren  Wurzel  zar  =  har,  ghar  (der  Urwurzel 
von  hrn)y  ist  die  des  Glühens  (vom  Feuer),  noch  erhalten  im  lit- 
thauischen  zeru,  glühen,  zarija,  glühende  Kohlen,  russisch  zary, 
Hitze,  Gluth,  skr.  gharma,  Hitze;  übertragen  auf  das  Geistige, 
heisst  sie  zürnen,  wütlien,  so  skr.  hfn,  vgl.  russ.  zlöy  das  Böse, 
Uebel;  baktr.  zarnumat,  heftig,  gewaltig;  von  der  Bedeutung 
des  Glühens  kommt  die  „gelb  oder  grün"  als  Bezeichnung  der 
Farbe,  skr.  hari,  die  gelben  Sonnenrosse  des  Indra,  harit,  gelb, 
neupers.  zard  =  zaretö  im  Baktrischen  grün,  litth.  zelu,  grünen, 
zalas,  grün,  russ.  zelendt,  grün,  zieltüij,  gelb,  zlato,  Gold,  ger- 
man.  gelb,  Gold,  yellow.  An  die  Bedeutung  grün  werden  knüpft 
sich  die  von  sprossen,  hervorkeimen,  griech.  '^aXXo,  litth. 
at-zeluy  aufschiessen ,  aufwachsen,  at-zala,  Schössling  =  ^aXXo(;, 
altslaw.  zlaky,  Pflanze.  Hieraus  sieht  man  klar,  dass  die  Bedeu- 
tung des  Glühens  auf  die  mannigfachste  und  lebendigste  Weise 
übertragen  werden  konnte.  So  gebrauchten  sie  die  Baktrier  auch 
im  Sinne  „leidenschaftlich,  erhitzt,  eifrig".  An  unserer  Stelle  nun, 
die  allein  eine  Verbalform  dieser  Wurzel  aufzeigt ,  lässt  sich  die 
Bedeutung  zürnen  durchaus  nicht  anwenden.  Dagegen  giebt  die 
von  „anfeuern"  einen  guten  Sinn,  wenn  man  bedenkt,  dass  nach 
alt-arischem  Glauben,  wie  er  uns  im  Weda  vorliegt,  die  Götter  erst 


Haug,  die   Gdthas  des  Zarathustra,  I.    Cap.  2S,   10.  65 

durch  Somaspende  und  Loblieder  von  den  Menschen  zur  Hilfe  an- 
gestachelt werden  müssen.  Da  aber  diese  Anschauung  dem  Zara- 
thustrismus  nicht  mehr  geläufig  ist,  so  können  wir' der  alten  Phrase 
„Gott  anfeuern  zur  Hilfe"  nur  den  Sinn  „ihn  inständig  darum  bit- 
ten" beilegen.  An  die  Wurzel  gar,  lobsingen,  kann  nicht  ge- 
dacht werden,  da  an  unserer  Stelle  ein  weit  stärkerer  Begriff  ver- 
langt wird. 

Joi  —  ^tütdm  Nerios.  :  jo  jushmdkam  piüijo  jaciti  da^astotf- 
bhjah;  kila  Husandaram  Husedaramäham  (^aogiogämca  sa7n  pra^iiatve 
jushmdkam  diiajati,  welcher  Reine  von  euch  für  die  zehn  Lobsänger 
bittet,  nämlich  den  Husandar  (Oshederbämi),  Oshedarmah  und  So- 
siosh  durch  Befragung  mit  euch  herbeiführt.  Sonach  versteht  die 
Tradition  unter  den  „Lobsängern''  die  drei  grossen  Propheten, 
welche  am  Ende  der  Tage  erwartet  werden.  Ueber  die  Zehnzahl 
giebt  sie  keinen  Aufschluss,  ja  sie  steht,  weil  sie  nur  drei  angiebt, 
in  direktem  Widerspruch  mit  dem  Text.  Zudem  ist  der  Sinn  un- 
klar und  ganz  unrichtig.  Schwierigkeit  macht  dageme.  Ich  schreibe 
so  für  das  dagame  der  Handschriften,  das  auch  Westergaard  in  den 
Text  aufgenommen  hat.  Dageme  könnte  nur  der  Locativ  von  da- 
gema  =  decimus  seyn,  ein  Casus,  der  sich  schlechterdings  in  unserm 
Sätzchen  nicht  unterbringen  lässt;  das  Pronominaladjectiv  joühemd 
=s  skr.  jatama  (6i==ie  nur  wegen  des  jj  verlangt,  da  es  im  Nume- 
rus gar  nicht  mit  joi  =  qui  (pl.)  stimmt,  eine  Beziehung ;  denn  als 
Neutrum  liesse  es  sich  nicht  gut  erklären,  weil  es  dem  Masculinum 
joi  parallel  steht.  Wenn  joithemd  aber  kein  Nom.  neutr.  plur.  ist, 
so  kann  es  nur  ein  Femin.  sing.  seyn.  Dageme  nun  steht  in  offen- 
barer Beziehung  zu  diesem  joithemd;  als  Locativ  „in  dem  zehnten" 
giebt  es  auf  alle  Fälle  keinen  Sinn.  Daher  nehme  ich  an,  dageme 
stehe  für  dagemi  und  heisse  so  viel  als  „Dekade";  der  Gebrauch 
des  Feminins  der  Ordinalia  mit  Auslassung  des  Substantivs  ist  aus 
dem  Sanskrit  bekannt.  Die  Schreibung  dageme  für  dageme  konnte 
um  so  leichter  entstehen,  als  e  und  e  in  den  Handschriften  so  oft 
verwechselt  werden;  das  e  ist  gewöhnlich  eine  spätere  Correktur 
des  missverstandenen  e  (s.  zu  34,  2),  und  dieses  steht  oft  genug 
an  der  Stelle  eines  t  Neben  dieser  Erklärung  wäre  noch  eine  an- 
dere zulässig.  Man  könnte  nämlich  joithemd  mit  dageme  zu  einem 
Compositum  verbinden;  im  letztern  Falle  stände  dageme  =  dagemo. 
Der  Sinn  würde  im  Ganzen  der  gleiche  seyn,  wie  bei  der  ersten 
Fassung;  aber  dieses  Compositum  ist  zu  ungewöhnlich,  als  dass  wir 
es  so  ohne  Weiteres  annehmen  können.  Das  letzte  Wort  gtütdm 
machte  mir  viel  Kopfbrechens.  Zuletzt  ergab  sich  mir  unter  Ver- 
gleichung  von  J.  34,  2  als  sicher,  dass  es  kein  Dual  Verbi,  wie  es 
sich  dem  ersten  Blick  kund  giebt,  seyn  könne,  sondern  ein  Genit. 
plur.  des  Part,  gtavat,  lobpreisend,  sey.  Es  steht  für  gtavatäm; 
die  Verkürzung  konnte  um  so  leichter  eintreten,  da  die  Endung  am 
eine  starke  ist,  die  den  Ton  auf  sich  zieht.  Zunächst  stand  gtva- 
Abbandl.  der  DMG.     1.3.  5 


66  Haug,  die  Gäthas  des  Zarathustra.   1.    Cap.  28,   10. 

täm,  dieses  konnte  sich  zu  ^tütam  zusammenziehen  (man  vgl.  hüro, 
Genitiv  von  hvare,    Sonne);    Zusammenziehungen  der  Art  sind  in- 
des« aus  der  Participialdeklination  des  Sanskrit  bekannt  genug.    Ein 
sicherer  Beweis  unserer  Erklärung  ist  indess,  dass  der  Genit.  sing. 
^tüto  lautet,  so  J.  34,  12.  15,  wo  keine  andere  Erklärung  zidässig 
ist.     So  ergiebt  sich   ein  schöner  Parallelisnius   jöi  ve    und  jolthemd 
da^emi  ^tütäm.      Das  ve   geht   auf  die  Ahura's,    ebenso   das  ^tütäniy 
wie   deutlich   aus  J.  34,    2    erhellt.      Die  höchsten  Geister  sind  die 
Lobpreiser  vor  allem;  ihr  Ort  ist  ja  die  Wohnung  des  Lobgesangs 
fgarö-demdnaj.     Eine    unverkennbare   Beziehung    auf  unsere  Stelle 
liegt  in  den  räthselhaften ,   von  Haoma  ausgesagten  Worten   J.  11, 
9  :   j6   no    aevo    at    te    uje    thrdjoidjdi    türahe    menddidjdi   khshvidem 
haptdzdjdi  nava   da^eme   (e)  joi  ve  jaethmd.     Diese  Worte  sind  um 
so  merkwürdiger,  als  sie  ihrer  Sprache  nach  dem  Liederdialekt  an- 
gehören.    Sie  sind  wohl  so    zu  übersetzen:    der  (Haoma)   uns  nur 
einer  ist,  aber  dir  (ist  es,  steht  es  zu)  zwei  zu  drei,  vier  zu  fünf, 
sechs   zu  sieben ,    acht   zu  neun   zu  machen ,    welche   von  euch   (es 
seyen),    was  für  eine  Dekade   (es  sey).     Da^eme  darf  hier,    schon 
weil  es  in  der  ganzen  Zahlenreihe  das  einzige  Ordinale  ist,  nicht 
mit  nava  verbunden  werden;    es  muss  entweder  „der  zehnte"  (da- 
^emö)  heissen,  welche  Beziehung  grammatische  Schwierigkeiten  hätte, 
oder  mit  jaethmd  verbunden  werden,  was  das  Einfachste  ist.   Wahr- 
scheinlich wurde  in  diesem  Verse,  der  wohl  aus  einer  verloren  ge- 
gangenen Gdthd  stammt,  das  da^eme,  das  ursprünglich  hinter  juithemd 
stand,  wie  unser  Vers  (10)  zeigt,  missverständlich  zu  Jiava  gesetzt, 
um  die  ununterbrochene  Zahlenreihe  von  1 — 10  zu  haben.    Ob  der 
Vers  ursprünglich  auf  den  Haoma  sich  bezog,  ist  sehr  fraglich;  die 
ersten  Worte :  j6  no  aevo  gehören  der  jungem  Sprache  an  und  sind 
vielleicht    dem    alten  Verse   zugesetzt.     Er  bezog    sich   ursprünglich 
auf  Ahura's  Schöpfermacht^  der  Eines  aus  dem  Andern  hervorgehen 
lässt.    Gerechnet  wurde  nach  Dekaden.   Die  Zehnzahl  war  eine  runde 
Zahl  allgemeiner  Bedeutung.   So  heissen  die  Worte:  welche  Dekade 
der  Lobpreiser,  nur  wie  viel  Lobpreiser  (Selige)  es  seyn  mögen. 
—  Jüzem  —  gavanhäm  Nerios. :   jushmdkam   abhildshakebhjo  jdcaiiajä 
rdgjamca  Idbhamattamam,  den  Verlangenden  (etwas)  durch  eure  Bitte 
(und  zwar)  die  gewinnreichste  Herrschaft.     Das  abhildshakebhjo   be- 
zieht sich  deutlich  auf  stutfbhjah  zurück.     Wenn  auch  beidemale  die 
Casus  falsch    gefasst  sind,    so  findet  doch    eine  unverkennbare  Be- 
ziehung des  zevistajdonho   zu  jöi  —  gtutdm  Statt.     Es  bestimmt   die 
Art  der  Wirkung  der  seligen  Geister  näher  und  ist  sonach  nur  eine 
Apposition.     Die  Schreibung  zevistajdonho  ist,    obschon  das  Metrum 
hier  ein  fünfsylbiges  Wort  verlangt,   schwerlich  richtig,    da  sie  sich 
grammatisch  nicht  gut  begründen  lässt.      K.  4.   und  Bb.  haben  ze- 
vistjdofthö ,    Bf.    zevigtjdonho ;     diese    sind    entschieden    vorzuziehen. 
Auch   in  der  Parallelstelle  50,  7,   wo  wir  den  Acc.  plur.  zevistajeng 
haben,    weichen    die  Lesarten   ähnlich   ab.      Siehe  weiter   über  das 


Haug,  die  Gdthas  des  Zaraihnstra.   I.    Cap.  28,   10,   11.       07 

zu  Grunde  liegende  zevisija  oder  zevistija  (aber  nicht  zemstaja)  zu 
50,  7.  An  unserer  Stelle  sind  die  Äccusative  isho  khshathremca  dem 
Sinne  nach  von  zevisijdonhu,  „die  Güter  der  Anrufung  habend",  indem 
sie  diese  Güter  näher  bestimmen,  abhängig.  Der  Gen.  konnte  nicht 
gut  stehen,  da  zevistja  kein  eigentliches  Nomen  act.  ist;  in  solchen 
Fällen  ist  der  Acc.  der  passendste  Casus  zur  Angabe  des  allgemeinen 
Inhalts  einer  Sache.  Für  aesho,  wie  Westerg.  schreibt,  ist  sicher 
üho  zu  lesen,  wie  K.  4.  hat.  Aesha  (siehe  zu  5)  würde  hier  gar 
keinen  Sinn  geben,  zudem  würde  der  Casus  (Nom.  sing.)  einige 
Schwierigkeit  machen.  Dass  aber  nur  tsho  als  Acc.  plur.  von  ish, 
Nahrung,  Reichthum,  Besitz,  die  einzig  richtige  Lesung  seyn 
könne,  zeigt  schon  die  enge  Verbindung  mit  dem  sinnverwandten 
khshathrem;  man  vergleiche  ferner  das  Compositum  ishd-khshathrem, 
29,  9. 

V.  11.  At  jeng  —  mananho  Nerios.:  evam  je  dharmasja  vetidrah 
uttamasjaca  ddter  manasah ;  kila  je  satjatajd  sadhjdpdratajdca  vet- 
tdro  gdtdh  samtig  welche  die  Kenner  der  Gerechtigkeit  und  des 
höchsten  Geistes  von  der  Schöpfung  an  sind,  d.  i.  welche  durch 
Wahrljaftigkeit  und  Vollbringung  des  Guten  als  Wisser  geboren  sind. 
Vüi^td  ist  hier  kein  Nomen  actoris  „der  Wisser'',  sondern  deutlich 
die  zweite  Person  Perf.  sing,  von  vid,  wissen  ==  ota'^a,  so  ähnlich 
das  voi^td  auch  dem  skr.  vettd  sehen  mag.  Der  Accusativyr%  — 
ddthmg  und  der  Zusammenhang  verlangen  durchaus  ein  Verbum. 
Ddtheng  ist  deutlich  auf  jeng  zu  beziehen,  und  durchaus  kein  Ge- 
nitiv-Ablativ, wie  Nerios.  will,  sondern  der  Accus,  pl.  eines  Thema's 
ddtha.  Auch  kann  es  nicht  die,  „welche  geboren  sind",  bedeuten, 
wie  es  Nerios.  nach  der  Glosse  versteht.  Unter  den  ddtheng  sind 
keine  Personen,  sondern  Sachen  gemeint,  wie  deutlich  aus  32,  10: 
je  ddtheng  dregvatö  dadat ,  der  die  lügnerischen  Dätha's 
schuf,  und  51,  5  folgt.  Wir  können  unter  ihnen  nur  die  Schö- 
pfungen, die  Wesenheiten,  verstehen,  und  zwar  zunächst  die 
guten,  dann  weiter  die  Gesetze  und  Rechte;  ihnen  stehen  die 
Adätha's  J.  46,  15.  17,  die  NichtWesenheiten,  entgegen,  wor- 
unter alles  Trügerische  und  Falsche  zu  verstehen  ist,  man  vergl. 
gjditi  und  agjditi  in  ähnlicher  Bedeutung.  Dem  Jüngern  Dialekt  ist 
das  Wort  in  diesem  Sinne  unbekannt;  dagegen  fehlt  dem  altern 
das  spätere  so  häufige  dditi  und  dditja.  Die  Worte  von  erethweng 
—  kdmem  beschreiben  sie  näher.  Nerios.  übersetzt  hier:  di  kahela- 
jdma  (falsche  Schreibung  für  he  kaljdnd)  mahd^ndnin  svdmin  tebhjah 
purnam  paricinohi  kdmani;  kila  samihitena  pibhath  tebhjah  kuru,  o  Glück- 
licher, Ahura-mazda  erfülle  diesen  den  Wunsch  ganz,  d.  i.  gieb 
ihnen  Glück  in  dem  Erbetenen.  Erethweng  ist  hier  als  Vocativ  ge- 
fasst  und  auf  Ahura-mazda  bezogen.  Diess  ist  aber  rein  unmög- 
lich; es  ist  ein  Accus,  plur.  und  muss  mit  ddtheng  verbunden  wer- 
den.    Obschon  erethwa,  wofür  auch  eredhwa  geschrieben  wird,  ganz 

5* 


68  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  28,  11. 

das  sanskritische  ürdhva,  erhoben,  emporgerichtet  ist,  so  hat 
es  hier,  wie  auch  J.  46,  13,  nicht  diese  Bedeutung.  Es  hat  viel- 
mehr den  Sinn  von  bereit,  fertig,  in  Bereitschaft.  Man  vgl. 
Jt.  13,  76:  fravashajo  jäo  tadha  eredhwdo  histenti,  die  Fravaschi's, 
die  dort  bereit  stehen;  ferner  das  Prädikat  eredhwo-zanga  (mit  er- 
hobenem Fusse)  neben  Beiwörtern  wie  aqafiia,  aqafnja,  schlaflos, 
und  gagaurväo,  wachsam,  Jt.  10,  61.  19,  39,  wo  es  nur  „bereit, 
gerichtet,  gerüstet"  bedeuten  kann.  Nur  wenn  wir  es  so  fassen, 
gewinnen  wir  den  guten  Sinn:  die  fertigen  Gesetze  oder 
Satzungen,  d.  h.  die  bereits  von  Asha  und  Vohu-mano  fertig  ge- 
machten. Dass  Asha  Gesetze  und  Sprüche  macht,  ist  29,  7  aus- 
drücklich gesagt.  Perenä  wird  von  Nerios.  als  Adject.  gleich  imrna 
genommen,  was  es  der  Form  nach  auch  gut  seyn  könnte,  aber  der 
Sinn  sträubt  sich  entschieden  gegen  diese  Fassung.  Dieser  verlangt 
ein«  Verbalform,  und  von  allen  Wörtern  des  Sätzchens:  aeihjo  — 
kdmem  lässt  nur  perend  eine  solche  Erklärung  zu.  Es  ist  erste  Per- 
son sing.  Conjunct.  oder  Voluntat.  In  der  Deutung  des  äpandis 
durch  pancindhi,  sammle  rings  herum,  erkenne  an,  ist  noch 
eine  dunkle  Erinnerung  au  den  richtigen  Sinn  erhalten.  Nur  ist 
es  kein  Imperativ,  sondern  ein  Instrum.  plur.  eines  sonst  nie  mehr 
vorkommenden  Thema's  dpana.  Dieses  darf  ja  nicht  mit  dpentdo  Jt. 
13,  9.  dfefitem  8,  35.  13,  54.  dfeMo  10,  14,  die  sämmtlich  auf  dfs, 
Wasser,  zurückzuführen  sind  und  wasserreich  bedeuten,  zusam- 
mengebracht werden.  Wir  können  es  nur  auf  die  Wurzel  dp,  er- 
reichen, zurückführen,  sodass  es  die  Erreichung,  Gewinnung 
heisst,  obschon  der  Umstand,  dass  Wurzel  dp  im  Baktrischen  durch- 
gängig die  Form  ajdp  hat,  einiges  Bedenken  erregen  könnte.  Aber 
es  ist  kaum  eine  andere  Ableitung  möglich,  will  man  es  nicht  etwa 
auf  die  Präposition  apa,  wovon  wir  apan ,  „der  Wegnehmende" 
haben,  zurückführen.  Aber  das  d  im  Anfange  würde  einige  Schwie- 
rigkeit machen.  Der  Sinn  „Wegnahme"  passt  indess  weniger  als 
der  von  Gewinnung.  Die  Construction  anlangend,  so  muss  aeihjo 
unmittelbar  mit  kdmem ,  „das  Verlangen  nach  ihnen",  und  dpandis 
mit  perend,  „ich  will  den  Wunsch  erfüllen  durch  ihre  Erlangung" 
verbunden  werden.  —  At  —  ^ravdo  Nerios. :  evamca  Izishner  anala- 
salabhatdm  bdghdni  fbhdgdni)  vastrdnica  vadanena,  und  so  denen, 
die  durch  Verkünden  des  Izeshne  fleissig  Güter  und  Kleider  em- 
pfangen. Diese  wunderhche  Uebersetzung  beruht  theils  auf  andern 
Lesarten ,  theils  auf  gänzlicher  Verdrehung  und  Missdeutung  der 
Worte.  Für  ve  wurde  ca  gelesen,  eine  Lesung,  die  einen  bessern 
Sinn  giebt  und  einfacher  ist,  als  die  der  Handschriften.  Aber,  als 
zu  wenig  beglaubigt,  dürfen  wir  sie  nicht  aufnehmen,  Izeshne  für 
khshmaibjd  =  vobis  beruht  auf  reinem  Missverständniss;  von  einer 
Lesung  ja^na  findet  sich  nirgends  eine  Spur.  Woher  die  Deutung 
des  schwierigen  agüitd  durch  unermüdet,  rasch  genommen  ist, 
lässt  sich  nicht  genau  bestimmen;  vielleicht  Hegt  eine  Ableitung  von 


Haugj  die  Gdtha's  des  Zaratkustra.   1.    Cap.  28,   11,  12.       69 

d^u,  schnell,  zu  Grunde.  Das  Idbhatdm  entspricht  dem  vaeda,  das 
sonach  von  vid,  erlangen,  abgeleitet  ist.  Diese  Erklärung  kann 
richtig  seyn,  jedoch  ist  sie  nicht  nothwendig;  wissen  giebt  auch 
einen  guten  Sinn.  Dagegen  ist  die  Erklärung  des  a^ünd  entschie- 
den irrig.  Nur  die  strengste  Beachtung  des  Zusammenhangs  un- 
seres Verses  und  die  genaueste  philologische  Betrachtung  jedes  ein- 
zelnen Wortes  ist  im  Stande,  dieses  Räthsel  sicher  zu  lösen.  Ich 
dachte  zuerst  an  eine  Ableitung  von  der  Wurzel  fu,  nützen,  aber 
die  Form  Hesse  sich  grammatisch  nicht  gut  hievon  ableiten  und 
gäbe  obendrein  keinen  erträglichen  Sinn.  Dann  mühte  ich  mich 
lange  mit  agpm  J.  34,  7.  45,  9  ab,  wähnend,  es  sey  ein  Instrumen- 
tal davon  und  heisse  feindlich.  Da  aber  qarethjd  und  vaifitjä  nur 
gezwungen  in  Einklang  mit  dieser  Deutung  gebracht  werden  konn- 
ten, verliess  ich  sie.  Als  einzig  richtige  fand  sich  nach  reiflicher 
Erwägung  a^-md  zu  theilen,  a^  für  die  bekannte  Verstärkungs- 
partikel zu  nehmen  und  uua  mit  dem  sanskritischen  wia,  zu  klein, 
zu  wenig,  fehlend  zu  identifiziren ,  sodass  das  Wort  allzu- 
wenig oder  ganz  mangelnd,  d.i.  gar  kein,  heisst.  Diese  Deu- 
tung, die  den  besten  Sinn  giebt,  wird  auch  dadurch  bestätigt,  dass 
una  im  Baktrischen  sich  wirklich  auch  sonst  findet.  Vend.  22,  5. 
12,  18:  (dfriti)  ja  unem  perenem  kerenaoiti  perenemcit  vighzdrajeiti, 
die  das  Mangelhabende  füllt  und  alles  Volle  ableitet  (fortströmen 
lässt).  Das  Subst.  fem.  und  Ja9.  10,  15  heisst  Ende,  Aufhören, 
Vernichtung;  Haoma  sagt  hier  von  sich:  avanharezdmi  ganjois 
ündm  mairjajdoy  ich  entlasse  (bewirke)  das  Ende  des  verderblichen 
Weibes  (der  Drukhs).  Unser  ag-und  nun  ist  syntaktisch  Adjectiv 
zu  ^ravdo,  gerade  wie  qarethjd  und  vaintjd.  Diese  beiden  drücken 
verwandte  Begriffe  aus;  das  erste  ist  auf  qaretha,  Speise,  Nah- 
rung im  Allgemeinen  zurückzuführen  und  heisst  „das  zur  Nahrung 
Gehörige,  darauf  Bezügliche";  an  qar,  glänzen,  kann  nicht  ge- 
dacht werden.  Vaintjd  ist  nicht  von  van,  zerstören,  abzuleiten, 
sondern  von  van^  erlangen,  gewinnen  (s.  zu  v.  10);  es  ist  vom 
Part,  vanta,  gewonnen,  durch  Ja  gebildet,  wie  ddifjd  von  ddta. 
Beide  drücken  ungefähr  dieselben  Begriffe,  wie  isho  khshathremca 
^avanhäm  im  vorigen  Verse  aus.  Dem  ^ravdoj  Sprüche,  Ver- 
kündigungen, entspricht  im  ersten  Satze  ddthefig.  —  Die  zwei 
Pronomina  der  zweiten  Person  plur.  ve  khshmaihjd  scheinen  einige 
Schwierigkeit  zu  machen;  diese  verschwindet  aber,  wenn  man  beide 
auf  ^ravdo  bezieht:  eure  Sprüche  für  euch,  d.  i.  die  Sprüche 
und  Lehren,  die  ihr,  Mazda's,  nur  für  euch  bestimmt  habt.  Am 
besten  giebt  man  sie  durch  „eure  eigenen". 

V.  12.  Nipdonhe  (Nerios. :  pdlajdmi,  in  der  Glosse  rahhdm- 
karomi)  lässt  eine  zweifache  Auffassung  zu;  es  ist  entweder  zweite 
Person  sing,  praes.  medii  oder  der  Dativ  eines  Nomens  auf  anh  ==3 
as  im  Sanskrit,  der  die  Stelle  eines  Infinitivs  vertritt,  wie  aus  dem 
Weda  bekannt   genug  ist.     An  unserer  Stelle   scheint  \für  den  Sinn 


70  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathiistra.  I.    Cap.  28,  12. 

eine  zweite  Person  besser  zu  passen ;  aber  das  gleich  folgende 
ebenso  gebildete  vaocanhe ,  das  entschieden  Infinitiv  ist,  spricht 
dagegen;  ebenso  nipdonhe  49,  10,  wo  es  Infinitiv  seyn  muss.  Zu- 
dem wäre  die  Bildung  für  eine  zweite  Person  praes.  etwas  auffal- 
lend ;  man  erwartete  nipdhi.  An  eine  erste  Person  sing.  _,  wie 
Nerios.  annimmt,  ist  nicht  zu  denken;  sie  wäre  hier  und  49,  10 
völlig  widersinnig.  So  nimmt  man  es  am  besten  als  Infinitiv  und 
verbindet  es  mit  je  —  tvem,  der  du  zum  Beschützen  (bist),  d.  i.  der 
du  beschützen  sollst,  wodurch  der  Begriff  eines  latein.  Part.  fut. 
pass.  ausgedrückt  wird.  —  Tvem  steht  für  tu  im.  Dass  es  zwei- 
sylbig  gesprochen  wurde,  geht  aus  Mnehrern  handschriftlichen  Les- 
arten hervor.  47,  3  hat  Bf.  tuem,  ebenso  Bb.  48,  2  tüem  Bf., 
tüim  Bb.  46,  19  Bf.  tüuem,  Bb.  tüem.  Hier  hat  Bf.  ivem,  Bb. 
tüim.  Der  alte  Kopenhagener  Codex  5  hat  an  allen  Stellen  tvim. 
Es  ist  zunächst  nicht  das  Sanskr.  tvairiy  denn  dann  sollte  es  bloss 
tvem  heissen;  das  e  ==  i  hat  hier  keine  phonetische  Ursache,  wie 
in  Jem  =2Jam  (e  für  a  durch  Einfluss  des  j) ;  daher  können  wir  das 
em  hier  nur  für  das  bekannte  verstärkende  Enklitikum  im  nehmen,  und 
ihm  den  Sinn  des  griech.  ys  beilegen.  Für  du  reicht  sonst  das  einfache 
tUr  aus.  —  Mcmjeus  —  bavat  Nerios.:  adrg'a  tvatto  mukhena  sphutdja 
antar  bküvane  j^^^^^^^^  babküva;  td?h  shhtim  me  brühi.  Unsichtbarer, 
mit  deinem  Munde  offenbare  (was)  in  der  Welt  zuerst  entstand; 
diese  Schöpfung  verkünde  mir.  Die  Uebersetzung  des  donhd  durch 
Mund,  Gesicht  ist  ganz  richtig;  31,  3  haben  wir  deutlich  den 
Genitiv  donhd ,  Thema  donh  ==:  ds ,  Mund,  im  Weda,  latein.  os. 
Der  Instrumental  dsd,  dem  donhd  vollkommen  entspricht,  wird  im 
Weda  oft  adverbialiter  persönlich,  leibhaftig,  gegenwärtig 
(s.  das  Petersburger  Sanskritwörterbuch,  I,  735).  Hier  braucht 
indess  diese  Bedeutung  nicht  angewandt  zu  werden,  sondern  es  hat 
die  ursprüngliche  „mit  dem  Munde".  Thwd  ist  Instrumental  von 
tu,  du,  und  durch  das  Relativum  mit  donhd  verbunden.  Dieses  hat 
hier  die  eigenthümliche  Gestalt  ee,  was  gleich  je  =^  jd,  qui,  seyn 
kann.  Dass  sich  die  Sylbe  je  zu  e  verkürzen  kann ,  zeigen  viele 
Beispiele  im  Gäthädialekt,  te  für  tje  ==  tju,  ugen  =  u^jan.  Die 
Einschiebung  des  e  nach  e,  eine  Art  hebräischen  Schwa's,  um  die 
Sylbe  zu  trennen,  findet  in  den  Gdthd's  stets  Statt,  wenn  das  Re- 
lativ zweisylbig  gelesen  werden  soll;  so  29,  7  eedvd  =jd  vd;  32, 
16  eed  nü  inr  ja  nUj  vgl.  47,  2;  eed  du  J.  35,  6  fiir  jd  du  (welche 
zwei,  beide).  Gerade  wegen  dieses  Einschiebsels  e  wird  man 
besser  thun,  anzunehmen,  ee  donhd  stehe  für  ^a  donhd,  sodass  die 
beiden  d  zusammengeflossen  wären.  Der  Sinn  bleibt  der  gleiche: 
durch  dich,  nämlich  den  Mund,  d.  i.  durch  deinen  eigenen  Mund. 
—  Jdis  bezieht  sich  auf  dis  und  somit  auf  ^ravdo  zurück.  Nerios. 
scheint  dvis,  offenbar,  gelesen  zu  haben,  was  aber  sinnlos  ist. 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zaraihustra.  I.    Cap.  29.  71 

Capitel    29. 

Der  Haupttheil  dieses  Capitels,  v.  1 — 8,  enthält  ein  Lied  merk- 
Aviirdigen  Inhalts,  das  in  der  ganzen  Sammlung  vereinzelt  dasteht. 
Es  schildert  die  Entstehung  und  den  Ursprung  eines  alten  Orakel- 
spruches (6),  der  auf  Verlangen  des  Geus  urvd,  der  Erdseele,  von 
Ahura-mazda  und  dem  Asha  (Wahren)  ertheilt  wird  und  dessen 
Ueberbringer  an  die  Menschen  Zarathustra  seyn  soll.  Dass  Geus 
uwd  (Goshürün  der  Pärsen)  nicht  mit  Stier-  oder  Kuhseele,  wie 
gewöhnlich  geschieht,  sondern  mit  Erdseele  zu  übersetzen  ist, 
scheint  mir  aus  allen  Stellen  der  Gdthd's ,  in  denen  sein  gedacht 
wird,  zu  folgen.  Keine  einzige  Stelle  beweist,  dass  dem  gdo,  geus 
die  Bedeutung  Kuh  oder  Stier  gegeben  werden  müsse.  Sie  hat 
das  Prädikat  azi,  unvergänglich  (29,  5.  44,  6),  was  auf  Kuh 
nicht  passt,  aber  auf  die  Erde;  sie  wird  bearbeitet  (34,  14),  was 
von  der  Erde,  aber  nicht  von  der  Kuh  gesagt  vi^erden  kann;  33,4 
ist  von  Fluren  des  geits,  d.  i.  der  Erde,  die  Rede,  und  32,  10 
gäm  (Acc.)  neben  hvare,  Sonne,  Himmel  genannt,  wo  es  nur 
Erde  bedeuten  kann.  Die  Verwechslung  von  Kuh  und  Erde  lag 
indess  nahe  genug,  da  gdo  der  älteste  Name  für  Erde  und  Kuh 
zugleich  ist  Sicherlich  ist  es  aber  keine  gewöhnliche  Bezeichnung 
der  Erde  (diese  ist  zdo),  sondern  eine  mythologische,  wonach  die 
Erde  als  lebendiges  Wesen  unter  dem  Bilde  einer  Kuh  gedacht 
wurde.  Dieselbe  Anschauung  liegt  dem  wedischen  Mythus  von  den 
Ribhu's  zu  Grunde,  welche  die  Kuh,  d.  i.  die  Erde,  zertheilteu. 
Der  geus  urvct  nun  ist  die  Seele  des  geus  oder  der  Erde,  worun- 
ter nur  die  die  Erde  durchdringende  Lebens-  und  Schöpferkraft 
verstanden  werden  kann;  daher  kommt  es  auch,  dass  das  aus  geus 
urvd  verstümmelte  neupersische  gewher  die  Bedeutung  Natur,  Ur- 
sprung hat.  Die  Verehrung  dieser  Erdseele,  die  sich  im  Weda 
noch  nicht  nachweisen  lässt,  scheint  mit  der  Einführung  des  Acker- 
baues, der  hauptsächlich  von  Zarathustra  und  seinen  Genossen  em- 
pfohlen wird,  zusammenzuhängen;  aber  der  Begriff  ist  gewiss  vor- 
zarathustrisch,  da  alles  eigentlich  Mythische  den  neuen,  von  Zara- 
thustra verkündeten  Ideen  nicht  bloss  fern  liegt,  sondern  von  ihm 
möghchst  gemieden  oder  gar  vernichtet  wurde.  Gehen  wir  nun  zum 
Inhalt  des  interessanten  Stückes  über,  das  die  Form  eines  Gesprä- 
ches hat. 

Die  Erdseele  klagt  bei  den  himmlischen  Geistern  über  die  ihr 
zugefügten  Gewaltthaten  und  Rohheiten,  worunter  wohl  Zerstörung 
von  Saatfeldern,  Abhauen  von  Bäumen  und  Aehnliches  zu  verstehen 
ist,  und  erkennt  jene  Geister  als  die  alleinigen  Helfer  gegen  die 
Zerstörer  an,  an  deren  Hilfe  sie  aber,  weil  sie  zu  lange  ausblieb, 
irre  geworden  war.  Sie  will  daher  wissen,  für  wen  sie  eigentlich 
geschaffen  sey  und  wer  sie  geschaffen  habe,  d.h.  was  ihre  eigent- 
liche Bestimmung  sey,  wem  sie  zu  dienen  habe,  und  wer  ihr  die- 
selbe  angewiesen    habe   (1).     Dieser   an    die   himmlischen   Geister 


72  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29. 

überhaupt  gerichteten  Klage  schliesst  sich  eine  Frage  der  Erdseele, 
die  hier  den  Namen  geus  tashd,  Erdbildner,  führt,  an  den  Asha, 
das  Wahre,  Wirkliche,  an,  welches  Gesetz  der  Erde  bei  ihrer 
Schöpfung  gegeben  worden  sey  und  welcher  Lebendige,  d.  i.  wel- 
cher höhere  Geist,  sie  vor  den  AngriJBfen  der  Lügner,  d.  i.  der  Un- 
gläubigen, der  Götzendiener,  die  den  Feldbau  verachten,  zu  schützen 
bestimmt  sey  (2).  Der  Genius  des  Wahren,  Gesetzmässigen,  selbst 
von  Ahura-mazda  abhängig,  bekennt,  es  nicht  zu  wissen,  und  weist 
den  Frager  an  diesen,  als  den  stärksten  und  mächtigsten  der  himm- 
lischen Geister,  und  erbietet  sich,  diesem  einmal  wieder  ehrfurchts- 
voll zu  nahen,  um  der  Erdseele  die  gewünschte  Antwort  geben  zu 
können  (3).  Ahura-mazda,  als  der  eigentliche  Sprecher  und  Offen- 
barer, kenne  die  wirksamsten  Sprüche  gegen  die  bösen  Geister  für 
die  Gegenwart  und  Zukunft.  Seiner  hohen  Einsicht  dürfe  man  da- 
her getrost  die  Entscheidung  jener  Frage  überlassen  (4).  Nun 
bricht  Asha  das  Gespräch  mit  dem  geus  urvd  ab,  und  wendet  sich 
mit  der  Bitte  für  sich  und  den  geus  urvd  an  Ahura-mazda,  dass  die 
Frommen,  Rechtschaffenen  und  Vermögenden  (d.  i.  die  Landbebauer) 
vom  Weiterleben  unter  den  Lügnern,  d.  i.  den  Götzendienern  und 
Nomaden,  erlöst  werden  möchten  (5).  Hierauf  erfolgt  ein  Aus- 
spruch Ahura-mazda's  auf  jene  Fragen:  „Da  kein  Gesetz  des  einen, 
d,  i.  ersten ,  irdischen  Lebens  und  der  wirklichen  fortdauernden 
Welt  dagewesen,  so  habe  der  Schöpfer  für  den  Landmann,  der  die 
Erde  bebaut,  den  Asha,  d.  i.  das  Wahre  (unter  dich  ist  nicht 
geus  urvd,  sondern  ashd  zu  verstehen),  dazu  bestimmt,  Helfer  und 
Förderer  der  Menschen  und  alles  Guten  zu  seyn  (6);  er  ist  also 
jener  Lebendige  (ahura),  nach  dem  die  Erdseele  fragte  (in  v.  2). 
Sonach  ist  dieser  Spruch  nur  eine  Antwort  auf  die  im  zweiten  Verse 
enthaltene  Frage.  Dieser  Orakelspruch,  der  eine  unverkennbare 
Aehnlichkeit  mit  dem  heiligsten  Gebet  der  Färsen,  dem  jathd  ahü 
vairjo,  hat,  das  wahrscheinlich  erst  daraus  entstanden  ist,  wurde  von 
Ahura-mazda  im  Verein  mit  Asha  gegeben,  und  soll  in  allen  sechs 
Gegenden,  d.  i.  auf  der  ganzen  Erde,  als  ein  göttlich  geoffenbarter 
verbreitet  werden;  diess  kann  nur  durch  einen  Menschen  geschehen 
(7).  Da  unter  allen  Sterblichen  dem  Zarathustra  allein  die  heiligen 
Sprüche  des  höchsten  Gottes  bekannt  sind,  will  ihn  auch  Ahura- 
mazda  zum  Ueberbringer  dieses  Spruches  an  die  Menschen  machen, 
und  ihm  zu  diesem  Zwecke  die  gute  Gabe  der  Redekunst  ver- 
leihen (8). 

Hiemit  schliesst  die  Unterredung.  Der  neunte  Vers  hat  keinen 
rechten  Zusammenhang  mit  dem  Vorhergehenden,  obschon  in  ihm 
ebenfalls  von  den  Klagen  des  geus  urvd  die  Rede  ist,  der  ängstlich 
nach  einem  Beschützer  und  Helfer  des  Schwachen  fragt.  Der  Samm- 
ler schloss  diesen  Vers,  der  wohl  einem  andern  Klagliede  der  Erd- 
seele entnommen  war,  seines  verwandten  Inhalts  wegen  hier  an. 

Dass  Zarathustra  selbst  nicht  der  Verfasser  des  ganzen  Liedes 
seyn  kann,  geht  aus  v.  7  klar  hervor,  wo  ihm  das  Prädikat  ^pitama, 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29,  1.  73 

hochheilig,  beigelegt  wird.  Ja  es  ist  fraglich,  ob  es  nur  von 
einem  der  Genossen  Zarathustra's,  wie  28,  7  herrührt,  wo  jenes 
Prädikat  noch  fehlt.  Dieses  Prädikat  weist  entschieden  auf  eine 
spätere  Zeit ,  in  der  der  Religionsstifter  bereits  zu  einer  heiligen 
Person  geworden  war,  wie  denn  auch  später  dieses  Prädikat  ge- 
radezu ein  stehendes  wird.  Aber  der  Kernpunkt  des  ganzen  Lie- 
des, jener  Ausspruch  des  Ahura-mazda  (6),  ist  sicher  alt  und  rührt 
entweder  von  Zarathustra  selbst  her  oder  geht  in  noch  frühere  Zei- 
ten zurück.  Letzteres  möchte  ich  aus  30,  2  schliessen ,  wo  der 
Sprecher,  der  dort  nur  Zarathustra  selbst  seyn  kann,  auf  die  der 
Erdseele  gewordenen  Offenbarungen  als  etwas  Bekanntes  hinweist. 
Jedenfalls  stand  der  Spruch  im  höchsten  Ansehen ;  daher  bildete 
sich  auch  in  einer  spätem  Zeit  das  heiligste  Gebet  der  Pärsen 
daraus.  Wenn  Zarathustra  als  der  Vermittler  und  Ueberbringer  des 
Spruches  an  die  Menschen  genannt  wird ,  so  folgt  daraus  noch 
nicht,  dass  er  auch  der  Verfasser  ist,  sondern  bloss,  dass  die  darin 
enthaltene  Wahrheit:  „der  Landmann  muss  geschützt  und  der  Land- 
bau gefördert  werden",  vou  Zarathustra  verkündigt  wurde.  Diese 
Anschauung  ist  aber  gewiss  älter  als  Zarathustra,  da  wir  keine 
sichern  Beweise  haben,  dass  gerade  Zarathustra  zuerst  die  Tränier 
vom  Nomadenleben  zum  Ackerbau  geführt  habe.  Es  ist  sogar  sehr 
unwahrscheinlich ,  da  eine  solche  durchgreifende  Aenderung  der 
Lebensweise  eines  ganzen  Volks  nicht  wohl  das  Werk  nur  eines 
Mannes  seyn  kann.  Gewiss  war  zur  Zeit  Zarathustra's  der  Acker- 
bau unter  vielen  Kämpfen  gegen  die  herumziehenden  stammver- 
wandten Nomaden  schon  vielfach  in  Aufnahme  gekommen;  er  knüpfte 
an  dieses  neue  Element  nur  seine  religiösen  Ideen  und  suchte  da- 
her dasselbe  auf  alle  Weise  zu  fördern.  Für  diesen  Zweck  waren 
ihm  Sprüche  alter  Weisen,  in  denen  der  Ackerbau  empfohlen  und 
ihm  Schutz  verheissen  war,  von  grossem  Werth,  da  er  sich  auf  sie 
berufen  konnte. 

Der  10.  und  11.  Vers  sind  rein  zufällig  hieher  gekommen,  da 
sie  mit  dem  übrigen  Inhalte  des  Capitels  in  gar  keinem  Zusammen- 
hange stehen.  Beide  hängen  auch  unter  sich  nicht  zusammen.  Der 
Dichter  des  10.  Verses  verehrt  den  Ahura-mazda  als  den  Besitzer 
und  Geber  irdischer  Glücksgüter.  Wegen  des  ganz  allgemeinen 
Inhalts  lässt  sich  kein  Schluss  auf  den  Verfasser  machen.  Auf  be- 
stimmtere Verhältnisse  weist  der  11.  Vers,  wo  der  Dichter  den 
Ahura-mazda  an  sein  Versprechen  mahnt,  ihm  und  seinem  Genossen 
(uns  beiden)  Hilfe  angedeihen  zu  lassen,  bei  dem  Streben,  das 
grosse  Gut  zu  erkennen,  ^a  das  grosse  Gut  (maga)  die  von 
Zarathustra  verkündigte  I^hre  ist ,  so  vermuthe  ich  Zarathustra 
selbst  als  Verfasser  des  Verses.  Uns  beiden  bezieht  sich  auf  ihn 
und  seinen  Freund    Vtstaqm. 

V.l.  Khshmaibjd — tashat  Nerios. :  jushmdsu  gopa^ündm  dtmd 
kramdati  [deheshu  svdminah]:    kasmdi  avmrmüö  ^smi  [svdditum  dhar- 


74  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29,  1. 

tumca];  kasmdi  ghatito  ^smi  [kila  kasmäi  pradatto  ^smi] ,  in  euch 
schreit  die  Seele  des  Viehs  und  der  Rinder  (nämlich  in  den  Kör- 
pern des  Herrn):  fiir  wen  bin  ich  nicht  bereitet  [um  zu  beglücken 
und  zu  unterstützen];  für  wen  bin  ich  gebildet?  [wem  bin  ich  hin- 
gegeben?] Dass  gerezdd  er  schrie  heisst,  wie  Nerios.  übersetzt, 
lässt  sich  nicht  bezweifeln.  Es  ist  3.  Person  sing,  imperf.  medii 
der  Wurzel  gerez  =  skr.  garg,  brüllen.  Die  Bedeutung  des  davon 
stammenden  neupersischen  giristan,  weinen,  lässt  sich  im  Zend- 
awesta  nicht  sicher  nachweisen.  Es  heisst  vielmehr  laut  rufen, 
Jt.  10,  54  von  Mithra:  j6  bddha  u^tdnazagto  gerezaüi  ahurdi  mazddi 
uiti  aogano:  azem  vigpanarn  ddmandm  nipdta,  der  ja  mit  aufgehobe- 
ner Hand  dem  Ähura-mazda  laut  zuruft:  ich  bin  der  Beschützer 
aller  Geschöpfe.  Jt.  17,  56  —  58:  gerezäm  gerezaüi,  sie  (die  As/d) 
lässt  den  lauten  Ruf  erschallen;  10,  85:  jenhe  vdkhs  gerezdnahe  wf 
ava  raocdo  ashnaoiti,  dessen  (Mithra's)  Stimme,  wenn  er  laut  ruft, 
empor  zu  den  Sternen  dringt.  Falsch  ist  von  Nerios.  das  md  = 
me  als  Negation  gefasst;  die  2.  Person  plur.  in  thwarozdüm  ist  von 
ihm  ebenfalls  nicht  beachtet.  —  Ä  md  —  taviscd  Nerios. :  sa  mdm 
kopdluh  [jah  krodhena  nihanti^,  hafhica  [jö  hathdt  harati],  irshjdlak 
[jah  apramdnam  vadhjati^,  dbddhajati  sarvatrdgiidja  (?),  ddrajitdca 
stena^ca  jo  me  givavighdtam  kurute  ja^ca  mdm  corajati,  der  auf  mich 
Zornige  [der  aus  Zorn  tödtet]  und  der  Räuber  [der  mit  Gewalt 
nimmt],  der  Neidische  [der  ohne  Ursache  tödtet]  widerstrebt  überall 
dem  Befehl  und  der  Zerstörer  und  der  Dieb  [der  mir  das  Leben 
nimmt  und  der  mich  stiehlt].  Der  Sinn  der  schwierigen  Worte  ist 
hier  zwar  gar  nicht  getroffen,  aber  einige  Einzelnheiten  verdienen 
etwas  Beachtung.  Äeshemu  ist  als  Concretum  im  Sinne  von  der 
Zornige,  Rachsüchtige  gefasst.  Dieser  Fassung  kommt  der 
spätere  Gebrauch  des  Wortes  als  Name  eines  bösen  Geistes  zu 
Hilfe.  Die  Gdthas  aber  kennen,  wie  überhaupt  keine  besondern 
Dämonennamen,  diese  Bedeutung  des  Wortes  durchaus  nicht.  Seine 
Ableitung  von  der  Wurzel  ish  -{-  Suff,  ma  mittelst  der  Gunirung 
ist  ganz  klar.  Man  darf  ihr  aber  nicht  den  Sinn  von  wünschen, 
verlangen  beilegen  und  demnach  aeshema  als  Begierde  erklären, 
weil  einerseits  diese  Wurzel  in  den  Gdthd's  gewöhnlich  nicht  diese 
Bedeutung  hat  (s.  zu  30,  1),  andrerseits  dieser  Name  für  einen 
Dämon,  da  er  nicht  den  Begriff  bös  in  sich  schliesst,  nicht  recht 
passen  würde.  Zudem  spricht  auch  die  Verbindung  des  aeshema 
mit  hazaiih,  Gewalt,  und  mit  remaj^chlag  (so  hier  und  48,  7. 
49,  4,  und  namentlich  29,  2)  ent^teden  dagegen.  Wir  müssen 
ims  an  die  häufigste  Bedeutung  des  ^,  kommen,  gehen  zu, 
auf  etwas  los,  halten  und  aeshema^fij^e'm  davon  gebildetes  Ab- 
stractura  der  Bedeutung  Lauf  (.gegen  -einen),  Angriff  nehmen. 
Dass  dieser  Begriff  nachher  leicht  zjihi  Namen  eines  bösen  Geistes 
werden  konnte,  zeigt  das  später  so  häufige  drvdo  (das  darvand  der 
Pärsen),  eigentlich  Läufer,  einer  der  Namen  Ahriman's.  Ebenso 
wie  aeshemo  hat  auch  haza^(cd)  =  skr.  sahas  nur  abstracte  Bedeu- 


Haug,  die  Gdtlias  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29,   1.  75 

tiing,  wie  auch  aus  33,  12  leicht  ersehen  werden  kann.  Von  der 
grössten  Schwierigkeit  ist  das  folgende  Wort.  Westergaard  schreibt 
es  nach  K.  5.  ähushujd;  die  andern  Codd.  weichen  ab,  K.  4.  dhi- 
shdjd,  K.  11.  dhishajd,  Bf.  dhmthjd,  Bb.  ahesdhjd.  Ist  die  Lesung 
von  K.  5.  richtig,  so  kann  das  Wort  fast  nur  als  erste  Person  sing. 
Volunt.  eines  desiderativen  Denominativs  von  ahn,  Leben,  ange- 
sehen werden  und  hiesse  sonach:  „ich  will  leben".  Aber  diese  Be- 
deutung giebt  keinen  recht  erträglichen  Sinn ,  selbst  wenn  man 
dares  =3  drg,  sehen  (Sonne  sehen  =  leben),  und  tavis  =  tvish, 
glänzen,  nimmt,  da  kein  genauerer  Zusammenhang  weder  mit  den 
unmittelbar  vorhergehenden  Worten,  die  vollkommen  klar  sind,  noch 
mit  dem  folgenden  Satze  sich  herstellen  Hesse.  Wir  müssen  dess- 
wegen  die  ohnehin  nur  gering  beglaubigte  Lesung  dhushujd  auf- 
geben. Die  übrigen  Mss.  stimmen  für  eine  Lesung  dhishdjd  oder 
didshajd.  Der  Sinn  und  Zusammenhang  scheint  ein  Verbum  finit. 
zu  fordern,  aber  als  solches  kann  dhishdjd  nur  eine  erste  Person 
sing,  conjunct.  seyn.  Eine  erste  Person  jedoch  widerstrebt  dem  gan- 
zen Zusammenhang;  ein  Part.  fut.  pass. ,  was  dhishjd  leicht  seyn 
könnte,  ist  ebenfalls  unpassend,  abgesehen  von  der  Nichtüberein- 
stimmung der  Genera.  So  bleibt  uns  nur  übrig ,  an  den  Casus 
eines  Nomens  zu  denken.  Am  leichtesten  lässt  sich  nach  den  Mss. 
der  Instrumental  sing,  eines  Femin.  auf  d  gewinnen;  lesen  wir  näm- 
lich dhishajd,  so  ist  diess  der  regelrechte  Instrumental  eines  Thema's 
dhishd.  Hiebei  wollen  wir  stehen  bleiben,  da  sich  nur  so  eine  wirk- 
lich befriedigende  Erklärung  erzielen  lässt.  Dieses  Wort  nun  lässt 
sich  mehrfach  ableiten.  Ztmächst  denkt  man  an  die  Wurzel  «A=» 
ds,  sitzen,  wovon  dhisa  (2.  Person  sing,  optat.  J.  68,  9.  Jt.  10, 
32)  kommt.  Da  aber  die  Bedeutung  dieser  Wurzel  zu  wenig  mit 
den  andern  Worten  stimmt ,  so  können  wir  sie  nicht  annehmen. 
Nach  langer  reiflicher  Erwägung  fand  ich  für  das  Gerathenste,  un- 
ser dhishd  mit  dem  in  den  spätem  Schriften  öfter  vorkommenden 
dhitis  in  Verbindung  zu  bringen.  Jt.  10,  50.  steht  es  zwischen 
akhtis ,  Dunkelheit  (eine  vox  media,  wie  das  damit  identische 
wedische  aktUj  Licht,  Strahl  und  Dunkelheit,  Nacht;  Strahl 
heisst  es  deutlich  J.  36,  1),  und  dnnmän,  Nebel,  wonach  es  so 
viel  als  Finstcrniss,  Dunkel  heissen  muss.  Vcnd.  11,  9  ff.  W. 
perene  dhiiim  jd  diti  dtarem  dpem  zum  gäm  iirvardoy  ich  will  zerstö- 
ren die  Ahiti,  die  sich  an  das  Feuer,  an  das  Wasser,  an  die  Erde, 
an  die  Bäume  macht,  hat  es  fast  dieselbe  Bedeutung;  es  bezeichnet 
eine  Trübung  der  vier  reinen  Dinge,  aber  Schmutz  schlechthin, 
wie  Spiegel  annimmt,  kann  es  nicht  heissen.  Auch  Vend,  5,  27, 
wo  jd  aktica  pavitica  dhitica  eine  nähere  Beschreibung  der  Na9us 
ist,  reicht  die  Deutung  Trübung,  Dunkel,  aus.  Der  Ableitung 
nach  ist  es  mit  dem  wedischen  asita,  schwarz,  dunkel,  zusam- 
menzubringen, wie  schon  von  Benfey  und  Spiegel  geschehen  ist, 
obschon  Windischmanu  (die  persische  Anahita,  p.  28)  diese  Etymo- 
logie bestreitet.     Das  d   im  Anfange    darf  nicht   irre  machen;    dass 


76  Haugy  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29,   1. 

es  auch  nur  eine  Dehnung  aus  a  seyn  kann,  zeigt  ätar,  Feuer  = 
skr.  athar,  in  atharvan,  baktr.  dthrava,  deutlich.  Das  asita  selbst  ist 
eine  Participialbildung;  dass  das  t  nicht  stammhaft  ist,  sieht  man  am 
Fem.  asiknt,  die  schwarze  (aus  asi-\~kani,  Mädchen,  zusammen- 
gezogen, derartige  Feraininbildungen  sind  aus  verschiedenen  Spra- 
chen bekannt  genug;  vgl.  noch  jjalikni,  Fem.  von  palita,  grau,  alt, 
Rv.  5,  2,  4).  Sonach  haben  wir  ein  Wort  asi ,  das  den  Begriff 
dunkel  tragen  kann.  Hievon  nun  ist  unser  ähishd  eine  Abstract- 
bildung  wie  dhitis,  und  heisst  Dunkelheit,  Finsterniss.  Da  jene 
dhitis  immer  unter  den  bösen  Mächten  aufgezählt  ist  und  an  unse- 
rer Stelle  gerade  von  lauter  solchen  die  Rede  ist ,  so  bringt  sie 
keine  Störung  in  den  Zusammenhang.  Doch  vollkommen  befriedi- 
gend ist  sie  nicht,  da  zwischen  remo,  Schlag,  «md  Dunkel  kein 
rechter  innerer  Zusammenhang  Statt  hat.  Um  diesen  zu  gewinnen, 
kam  ich  auf  den  Gedanken,  dhishdjd  als  richtige  Lesart  anzuneh- 
men, aber  es  in  dhishd  Ja  zu  trennen,  und  remo  mit  dhishd  zu  einem 
Compositum  zu  verbinden.  Remo- dhishd  ist  dann  der  Form  nach 
ein  Nominat.  dualis  und  bezieht  sich  als  Prädikat  auf  aeshemo  ha- 
zagcd  zurück ;  jd  darescd  taviscd  ist  dann  nur  nähere  Erklärung. 
Als  Thema  für  dhishd  ist  dhisha  anzunehmen,  das  von  der  Wurzel 
as,  werfen,  schleudern  abzuleiten  ist,  und  die  desiderative  Be- 
deutung (wegen  des  «)  schleudern  wollen  hat;  besser  wird  dann 
freilich  dhushd  gelesen,  was  nach  K.  5.  leicht  möglich  ist,  da  wir 
von  der  Wurzel  van  J.  28,  9  die  Desiderativbildung  vdunus  (eben- 
falls mit  Dehnung  des  a)  haben.  Die  Bedeutung  dieses  dhisha  oder 
dhush  ist  somit  wurfbegierig.  Da  rema  s«:icher  Schlag  (s.  zu 
48,  7),  auch  Schläger  bedeutet,  so  gewinnen  wir  den  trefflichen 
Sinn:  Aeshema  und  Hazanh  sind  nach  mir  schlagen  und  werfen  wol- 
lende, d.  i,  wollen  nach  mir  schlagen  und  werfen.  Jd  ist  dann 
der  Dual  des  Relativs  und  bezieht  sich  auf  Aeshema  und  Hazanh 
zurück,  welchen  die  durch  das  Relativ  angeknüpften  beiden  Begriffe 
dares  und  tavis  entsprechen.  Dares  kann  nur  das  Sanskritische  dhfsh, 
angreifen,  kühn  seyn,  wagen,  seyn  und  entspricht  vollkommen 
dem  aeshemo,  Lauf  oder  Angriff.  Tavis  ist  sicher  von  dersel- 
ben Wurzel,  wie  das  häufige  tevishi,  Kraft,  Macht,  nämlich  von 
tUy  stark  seyn.  Da  wir  aber  nirgends  ein  Nomen  tavis  finden, 
sondern  nur  tavisha  und  tavishd  (im  Weda),  welche  beide  nicht  wohl 
aus  dem  Neutrum  tavas  entstanden  seyn  können,  so  thun  wir  am 
besten,  tavis  als  eine  Wurzelerweiterung  von  tu  zu  fassen;  Bildun- 
gen dieser  Art  sind  im  Baktrischen  ja  nicht  selten.  Es  entspricht 
genau  dem  hazanh,  Macht,  Gewalt.  Beide  Worte  dares  und  tavis 
können  aber  als  reine  unflectirte  Wurzelformen  keine  Abstractbedeu- 
tung  haben,  sondern  müssen  im  Sinne  eines  Part,  praes.  gefasst 
werden,  in  welcher  Bedeutung  die  nackte  Wurzel  in  fine  composi- 
torum  im  Sanskrit  und  Baktrischen  oft  genug  sich  findet.  Dieser 
zweiten  Erklärung  des  Satzes  ist  wohl,  weil  sie  nach  allen  Seiten 
die  befriedigendste  ist,    der  Vorzug  vor  der  andern   zu  geben.  — 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29,  1.  2.  77 

Ndit  —  vägtrjd  Nerios.:  na  mdm  pdlajitd  jushmdd  anjah  evam  inadar- 
iharn  sammdrgajati  uttamam  gopa^ükam;  api  na  giidne  jasmdt  subham 
(gu")  jathd  bhavadbhjah,  kein  Anderer,  der  mich  beschützt ,  als  ihr,  lässt 
meinetwegen  erglänzen  das  Beste  für  Vieh  undRinder;  ich  weiss  nirgends 
woher  (etwas  so)  Heilbringendes,  wie  ihr  es  habt.  —  Für  das  vdgtrd 
der  Mss.  hat  W.  gewiss  richtig  vdgid  geschrieben;  die  Analogie  des 
g(igtd,  sowie  anjo  miisste  darauf  führen.  Auch  Nerios.  hat  es  als 
Nomin,  sing,  des  Nomen  actoris  gefasst.  Ableitung  lässt  es  eine 
mehrfache  zu,  von  vad,  sprechen,  und  vadh,  schlagen.  Da  das 
Verbum  vdddjoü  im  folgenden  Verse  nur  schlagen  heissen  kann 
und  27,  13  am  Schlüsse  des  ahü  vairjo  das  Substantiv  vdgtdrem 
(Acc.)  in  dem  deutlichen  Sinne  der  Schläger  steht,  so  ziehe  ich 
letztere  Ableitung  unbedingt  vor.  Ein  Schläger  mir  ist  ein  Schlä- 
ger für  mich,  d.  i.  Helfer,  Erretter.  Hiemit  stimmt  im  Allge- 
meinen auch  die  Tradition,  die  pdlajitd,  Beschützer,  hat;  sie  scheint 
an  eine  Ableitung  von  paitis,  Herr,  W.  jp«,  beschützen,  gedacht  zu 
haben.  Vohü  ist  mit  vdgtrjd  zu  einem  Compositum  zu  verbinden 
und  das  Ganze  von  gägtd  abhängig  zu  machen,  das  als  Nom.  act. 
des  Verbums  gdg  noch  eine  Verbalbedeutung  haben  und  den  Acc. 
regieren  kann  und  sogar  muss,  wenn  es,  wie  im  Sanskrit  häufig  ist, 
das  Futurum  periphrasticum  ausdrückt.  Die  Futurbedeutung  ist  aber 
sowohl  bei  gägtd  als  vdgtd  ganz  am  Platze. 

V.  2.  Ädd  —  ratus  Nerios. :  evam  ghafajitd  gopagündm  Hormizddd 
apracchat  dharmam  kas  te  gopagündm  guruh,  so  fragte  der  Bildner 
des  Viehs  und  der  Rinder  den  Ahura-mazda  nach  der  (seiner)  An- 
ordnung: wer  ist  der  Herr  deines  Viehs  und  der  Rinder?  Ahura- 
mazda  ist  hier  eingesetzt.  Kathd  kann  nicht  durch  wer  wiederge- 
geben werden,  wenn  schon  Nerios.  bei  dieser  Fassung  einen  guten 
Sinn  gewinnt.  Es  kann  nur  wie,  auf  welche  Art  heissen.  So 
fällt  auch  die  Deutung  des  ratus  durch  guruh,  Meister,  Herr.  Es 
muss  die  ursprüngliche  Abstractbedeutung  Gesetz,  Vorschrift, 
eigentl.  regelmässiger  Gang,  haben,  die  leicht  in  den  Sinn  von  Ver- 
hältniss  (vgl.  ratio)  übergehen  kann.  —  Hjat  —  thwakhshö  Nerios.: 
jas  tebhjo  ddtd  svdmina(h?)  sahagocdrena  gosfshthavjavasdjinam;  kila 
gocdra  (m)  daddti  tebhjah  pa(^ushdtaramca  (?)  daddti  jo  gopagun 
pradvarjati.  Am  meisten  Schwierigkeiten  bietet  die  Verbindung  und 
Fassung  von  ddtd.  Nerios.  umschreibt  es  bloss  und  erklärt  es  in 
der  Glosse  durch  daddti.  Eine  dritte  Person  sing,  ist  aber  hier 
dem  Zusammenhange  nach  nicht  statthaft,  sondern  höchstens  eine 
zweite  plur.  Eine  zweite  Person  plur.  imperat.  Hesse  sich  am  leich- 
testen erklären,  aber  sie  stimmt  nicht  zum  Zusammenhange.  Dass 
es  aber  auch  eine  zweite  Person  plur.  imperf.  (oder  auch  praes.) 
seyn  kann,  zeigt  v.  10  deutlich.  So  schwierig  diese  Fassung  auf 
den  ersten  Anblick  scheint,  so  geht  sie  doch,  wenn  man  UhshajaTito 
als  Nom.  plur.  oder  besser  Voc.  plur.  von  khshajäg  nimmt.  Dieser 
Plural  bezieht  sich  dann  auf  die  Amesha-gpefita's,  von  denen  im  un- 


78         Hang,  die  GAthas  des  Zarathustra.   I.    Cap.  29,  2.  3. 

mittelbar  vorhergehenden  Satze  zwar  nur  einer  (Asha)  genannt  ist, 
die  aber  leicht  aus  dem  Zusammenhange  des  Ganzen  verstanden 
werden  können.  Die  Worte  von  hadd  —  thwakhsho  beschreiben,  zu 
was  die  Erde  geschaffen  ist,  und  sind  eng  mit  htm,  das  auf  gavoi 
zurückgeht,  zu  verbinden.  Gaoddjo  lässt  sich  mehrfach  erklären. 
Zuerst  dachte  ich  an  eine  zweite  Person  sing,  imperf.  eines  Deno- 
minativs gaodd,  das  wie  jaozdd,  reinigen,  jav6-dd,  Korn  machen, 
d.  i.  erndten  (s.  Zeitschrift  der  Deutsch.  Morgenl.  Gesellsch.,  VIII, 
754,  nt.  1),  gebildet,  mit  Kühen  segnen  heissen  könnte.  Aber 
die  syntaktische  Verbindung  hat  Schwierigkeit.  Eine  näherliegende 
und  richtigere  Erklärung  lässt  sich  durch  Vergieichung  von  gavaca 
dajaca  Vend.  1 ,  4  gewinnen.  Hier  bezeichnet  daja  deutlich  eine 
Art  von  Vieh,  wahrscheinlich  das  junge,  noch  säugende  oder 
vielleicht  auch  das  weibliche  (vgl.  'ä'YjXl)«^).  Die  Wurzel  ist  sicher 
dhdi,  säugen.  Sonach  wäre  gaoddjo  eine  Art  Bvandva ,  das  mit 
„Kühe  und  Kälber"  übersetzt  werden  kann.  Aber  man  sollte  fast 
den  Dual  erwarten,  was  ddjo  nicht  seyn  kann.  Desswegen  halte  ich 
es  für  besser,  dem  ddjo  die  Bedeutung  des  lautlich  damit  vollkom- 
men identischen  wedischen  dhdjas  zu  geben.  Es  findet  sich  meist 
im  Dativ  dhdjase  Rv.  I,  72,  9.  94,  12.  II,  17,  2,  und  heisst  zur 
Nahrung,  Unterhaltung.  Agni  ist  der  vigvadhdjdh ,  der  All- 
ernährer, I,  73,  3.  Seine  ursprüngliche  Bedeutung  ist  das  Säugen, 
die  Säugung,  die  ihm  I,  72,  9:  mdtd  pidrdir  aditir  dhdjase  wirk- 
lich beigelegt  werden  kann.  Nach  dieser  Deutung  heisst  gaoddjo 
die  Ernährung^  Unterhaltung  des  Viehs.  Grammatisch  ist 
es  als  Adjectiv  von  thwakhshanh,  Bildung,  Formation,  zu  neh- 
men. —  Kern  —  vdddjoit  Nerios. :  kas  teshdm  subhasja  svdmi  j6  dur- 
gatimatdm  dmarshasja  fdlatdm  datte;  kila  jo  durgatimatam  anjdjam 
nihanti,  wer  ist  ihr  Glücksherr,  der  den  Grimm  der  Schlechten  in 
Verwirrung  bringt  (stört),  d.  i.  der  die  Unart  der  Schlechten  ver- 
nichtet? Ustd  wird  am  besten  mit  ahurem  zu  einem  Compositum 
verbunden,  wie  schon  Westerg.  gethan  hat.  Das  Verbum  ist  im 
ersten  Satze  ausgelassen;  man  muss  ddtd  aus  dem  vorhergehenden 
ergänzen,  was  ohne  alle  Schwierigkeit  geht. 

V.  3.  Nerios.  übersetzt  diesen  höchst  schwierigen  Vers  so :  tasmai 
dharmo  na  svdmine  aduhhhakartrtajd  gopagun  aduhkhakartftajd  svdmi 
tasja  nigraham  kurute\  teshdm  na  vettd  ^smi  je  andnanddh  parisphu- 
idi^ca  ^satjdgca  [kila  nagraddho  —  richtiger  nigraddho  =  nigrahito  — 
jah  dtmani  kah  kijdn  iti  na  gdndsi-ti-];  satdm  samhalavattamo  jah 
akdranena  prdpnoti  kartftve  kimcit  [akdrajanti  jat  kdrjarh  punjam  kiiru 
karotica],  diesem  (dem  Aeshema  im  vorigen  Verse),  nicht  dem  Herrn 
(Ahura),  thut  Asha  der  Herr  Einhalt,  dass  er  dem  Vieh  und  Rin- 
dern nicht fnehr  schadet;  ich  weiss  nichts  von  denen,  die  gottlos, 
gemein  und  lügenhaft  sind  [abgewiesen  ist  Der,  der  bei  sich  selbst 
nicht  erkennt,  wie  gering  er  ist];  der  Stärkste  von  Allen  ist  Der, 
welcher  bei  der  Anrufung  durch  seine  That  etwas  erreicht  [sie  rufen 


Hang,  die  Gdihas  des  Zaraihustra.  I.    Cap.  29,  3.  79 

herbei,  was  geschehen  soll:  thiie  das  Reine,  und  er  thut  es].  Das 
schwierige  ^aregd  kann  mit  Nerios.  nicht  wohl  als  „Herr"  erklärt 
werden  ,  da  diese  Bedeutung  weder  zum  Sinn  des  Ganzen  passt, 
noch  sich  etymologisch  rechtfertigen  lässt.  Er  hat  gewiss  an  ^ara, 
Haupt,  gedacht.  Sollte  es  diesem  entstammen,  so  könnte  es  nur 
ein  Compositum  seyn,  aber  in  diesem  Falle  dürfte  es  nicht  ^are-gd, 
sondern  müsste  ^aro-gd  oder  ^ara-gä,  was  der  „Haupttödtende" 
hiesse,  lauten.  Die  Wurzel  ^dr ,  wandeln,  schützen  (Skr.  9?, 
^arma),  giebt  ebenfalls  keinen  genügenden  Sinn.  Das  Richtigste  ist 
wohl,  ^aregd  als  eine  Nominalbildung  der  Wurzel  ^areg  zu  fassen, 
die  mit  dem  Sanskritischen  sfg  (sarg),  entlassen,  fortschicken 
identisch  seyn  muss.  In  der  jungem  Sprache  lautet  sie  zwar  harez, 
woraus  im  Neupers.  hashtan,  verlassen,  geworden  ist;  in  den 
Gdthd's  treflfen  wir  aber  diese  Form  nicht.  Dass  der  Zischlaut  * 
im  Anlaut  nicht  immer  in  A  übergeht,  sondern  sich  auch  in  das  nah- 
verwandte g  verwandeln  kann,  zeigt  das  gäg  =  skr.  sant  (von  as, 
seyn)  deutlich.  Der  Form  nach  ist  es  ein  Verbaladjectiv  und  steht 
für  garegdo.  Ashd  ist  ein  davon  abhängiger  Accusaliv.  Ädvaeshö, 
eigentl.  Nicht -Hass,  d.  i.  ohne  Hass,  kann  nicht  gut  mit  paiti- 
mravat  verbunden  werden;  es  gehört  zu  7i6ü  garegd.  —  Shavaiti 
wird  von  Nerios.  durch  andnanddh,  freudelos  oder  gottlos,  wie- 
dergegeben. Diese  Deutung  beruht  sicher  auf  einem  groben  Miss- 
verständnisse, da  sie  dem  ganzen  Zusammenhange  widerstrebt  und 
zudem  ganz  ungrammatisch  ist,  weil  shavaüe  nie  ein  Nora.  pl.  seyn 
kann.  Verwandt  damit  ist  sicher  shavdi  J.  33,  8,  was  Nerios.  durch 
praticarati,  entgegengehen,  übersetzt.  Diese  Uebersetzung  könnte 
uns  auf  eine  Identification  mit  dem  neupers.  shudan,  gehen,  dann 
seyn,  fuhren;  aber  die  Wurzel  davon  lautete  früher  shju  (skr.  cjiC), 
wie  die  Keilschriften  zeigen.  Indess  auch  zugegeben,  das  ursprüng- 
liche /  wäre  schon  im  ältesten  iranischen  Dialekt  ausgefallen,  so 
würden  wir  durch  die  Deutung  „gehen"  nirgends  einen  erträg- 
lichen Sinn  gewinnen.  Dasselbe  ist  bei  einer  Zurückführung  auf 
die  Wurzel  gxi,  nützen,  der  Fall,  deren  9  zudem  nie  in  sh  über- 
geht. Die  Form  anlangend,  so  scheint  shavaüe  eine  dritte  Person 
sing,  indic.  praes.  medii  zu  seyn.  Da  aber  das  Subject  im  Plural 
steht,  so  ist  diese  Fassung  nicht  zulässig.  Wir  können  es  nur  als 
Dativ  einer  Form  shavat  nehmen.  Vor  allem  handelt  es  sich  um 
das  anlautende  sh,  das  weder  im  Sanskrit  noch  im  Baktrischen  ein 
gewöhnlicher  Anlaut  ist.  Wir  wissen,  dass  dieser  Laut  unter  ge- 
wissen Bedingungen  aus  s  entsteht;  letzteres  geht  im  Baktrischen, 
namentlich  im  Anlaut,  gewöhnlich  in  h  über,  kann  aber,  wenn  das 
vorhergehende  Wort  vokalisch  auslautet  und  das  mit  s  anlautende 
enger  mit  jenem  verbunden  ist,  bleiben  oder  sh  werden,  so  z,  B. 
j4zi  s4  oder  she  für  he.  Dieser  Fall  trifft  nun  sowohl  bei  shavaüe 
als  shavdi  33,  8  ein,  indem  ersterem  jd,  letzterem  vohü  unmittelbar 
vorangeht.  So  steht  unser  shavaüe  für  havaiti  und  zur  Erklärung 
dieses  Worts  bietet  der  jüngere  Dialekt  Hilfe,     Hier  haben  wir  öfter 


80         Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  1.    Cap.  29,  3.  4. 

hava,  das  sicher  suus,  sein  eigen,  bedeutet  und  ohne  Zweifel 
eine  Erweiterung  von  skr.  sva,  das  im  Baktrischen  zu  hva  und  qa 
geworden  ist,  s.  den  Nora,  havo  Jt.  22,  1.  19.  Gen.  havahe  Jt.  8, 
15.  Dat.  haväi,  fem.  havajdi  Jt.  13,  33.  66.  Instrum.  pl.  havdis  Jt. 
10,  84.  Dat.  havaeibja  13,  107.  Hievon  kann  sich  durch  Anhän- 
giing  von  ant  eine  Participialform  havant  bilden;  Jt.  17,  9  begeg- 
nen wir  deren  Nora.  pl.  havanto,  das  deutlich  zu  eigen  habend, 
besitzend  heisst  und  die  vorhergehenden  Nomina  im  Accusative 
regiert.  Von  dieser  Form  nun  ist  unser  shavaite  der  Dativ  sing, 
und  regiert  den  Acc.  pl.  ddreng.  Dieses  Wort,  so  schwierig  es  auf 
den  ersten  Anblick  auch  dem  Forscher  scheinen  mag,  ist  nur  der 
Acc.  pl.  von  dthar,  Feuer,  und  steht  für  dthräg^  welche  regelrechte 
Form  vor  angehängtem  ca  noch  erhalten  ist.  Sonst  wird  das  äg 
zu  mg  und  dann  treten  die  Gesetze  der  Lauterweichung  in  Kraft, 
sodass  aus  th  d  wird  und  wir  ddrejlg  für  äthrefig  haben.  Schwie- 
rigkeit macht  die  syntaktische  Beziehung  des  ereshvdonhu.  Diese 
Form  ist  nämlich  deutlich  ein  Nora,  plur.,  aber  dieser  Casus  lässt 
sich  in  unserem  Satze  nicht  gut  erklären.  Man  könnte  ihn  nur  als 
Vocativ  nehmen,  aber  dieser  Ausruf  im  Plural  wäre  im  Munde  des 
Redenden,  des  Asha,  unpassend,  da  der  Angeredete,  der  Geus  urvä, 
nur  einer  ist.  Möglich  wäre,  dass  der  Ausruf  vom  Dichter  ein- 
geschaltet ist  und  sich  auf  die  hohen  und  vornehmen  Zuhörer 
seiner  Reden  und  Sprüche  bezieht.  Doch  da  diese  Annahme  zu 
unwahrscheinlich  ist,  so  halte  ich  für  besser,  den  Vocativ  fallen  zu 
lassen  und  eine  Casusverwechslung  anzunehmen,  wonach  hier  der 
Nominativ  statt  des  Accusativ  ^eht  und  ereshvdonho,  die  hohen,  er- 
habenen, das  Beiwort  der  ddreng,  Feuer,  ist.  Noch  ist  eine  an- 
dere Fassung  möglich ,  nämlich  das  ereshvdonho  eng  mit  den  folgen- 
den Worten  hdtdm  hvo  aogisto  zu  verbinden.  Es  wäre  dann  der 
absolute  Nominativ:  die  Hohen  (was  die  Hohen,  d.  i.  die  Amesha 
^peTita's,  anbetrifft),  so  ist  er  ihr  Allerstärkster.  Ueber  die  Be- 
deutung s.  zu  44,  9.  —  Keredushd  ist  der  Form  nach  Instrumental 
sing,  einer  Bildung  keredvo  oder  keredvdo.  Ich  kann  darin  nur  das 
wedische  kfttvas  sehen,  das  ganz  unser  mal  bei  Zählungen  ist. 
Rv.  III,  18,  4  bhuri-kfttüas ,  oftmals;  54,  1  ^a^at-krttvas,  jedes- 
mal, immer.  An  unserer  Stelle  kann  es,  da  kein  Zahlwort  oder 
etwas  dem  Aehnliches  dabei  steht,  nur  einmal  heissen,  was  gut  in 
den  Zusammenhang  passt. 

V.  4.  Nerios. :  mahdgndnindm  vacasdm  ganena  [für  ganana']  dka- 
rali  [kila  pdpena  piinjenaca  sarnkhjdih  kurute];  Jdnica  dcdritdm  pür- 
vamcid  devdigca  manushjdigca ;  jdnica  dcdrishjanti  pagcdd  ete  devd  ma- 
nushjäja  [nikrshthasamkhjdK];  asja  vivektu  svdminah  [svdmi  jah  kdrjaih 
punjam  vivinakti];  evam  vajam  smaJi  jathd  asja  kdmah  [kila  asmdkam 
api  samitam  (thitam)  tat  jad  asja].  Der  Mazda-Worte  giebt  es  eine 
grosse  Zahl  [er  überdenkt  den  Frevel  und  das  Reine] ,  sowohl  was 
von  den  Daeva's  und  Menschen  schon  früher  beobachtet  wurde,  als 


r 


Hang,  die  Gäthd's  des  Zarathustra.  1.    Cap.  29,  4.  5.  81 

worin  später  diese  Daeva's  den  Menschen  wandeln  lassen  wollen 
[nur  Böses  sinnend];  von  diesem  Herrn  sondere  er  (der  Böse,  die- 
ses) ab  [der  Herr,  welcher  das  reine  Ding  absondert];  so  sind  wir, 
wie  es  sein  Wunsch  ist  [das  uns  Erwünschte  ist  das,  was  ihm  er- 
wünscht ist].  (^aqäre  ist  gewiss  im  Allgemeinen  richtig  durch  va- 
casdm  ==  vocum  wiedergegeben,  da  die  AVurzel  nur  ^dh ,  sagen, 
verkünden,  seyn  kann.  Die  Form  allein  ist  etwas  fraglich.  Man 
vermuthet  zunächst  eine  Adjectivbildung  durch  ra ;  aber  dann  wäre 
der  Bindevokal  a  etwas  auffallend.  Besser  ist  es,  an  ein  neutrales 
Substantiv  der  Bildung  wie  avare  =  avanb ,  rdzaril  =>  rdzanh  zu 
denken,  worauf  der  Plural  ^dqeni,  verba,  J.  53,  5  leicht  führen  kann. 
Aber  das  ä  der  vorletzten  Sylbe  macht  einige  Schwierigkeit ,  da 
nach  den  Analogieen  ^aqare  und  nicht  ^aqdre  zu  erwarten  wäre. 
Immerhin  ist  es  indess  auch  möglich,  dass  ^aqare  für  ^dqare  ver- 
schrieben ist;  auf  ein  d  in  der  ersten  Sylbe  kann  nicht  bloss  die 
Verbalform  ^d/uf,  sondern  auch  der  Plural  ^dqcni  führen.  Aber  da 
es  als  Substantiv  an  unserer  Stelle  kein  Verbum  hätte,  so  halte  ich 
es  für  das  Richtigste,  ^aqdre  für  ein  aus  ^aqare,  Wort,  Rede,  ge- 
bildetes xAdjectiv  zu  halten,  wie  aus  nianas  mands  entsteht.  So  ist 
es  als  „der  Sprechende",  d.  i.  Verkündiger,  ein  in  den  Zusam- 
menhang gut  passendes  Beiwort  von  Mazdäo.  —  Vdverezoi  wird  von 
Nerios.  als  Partie,  perf.  pass.,  und  vareshaite  als  dritte  Person  pl. 
futuri  gefasst.  Der  Zeitunterschied  ist  ganz  richtig  angegeben;  nur 
die  Bildungen  sind  unrichtig  erklärt.  Beide  Formen  sind  nämlich 
Dative  sing.,  ersteres  von  vdverez,  dem  reinen  Perfectstamm  von 
verez,  und  letzteres  von  dem  Partie.  Aorist,  (oder  Futur.)  act.  va-  \ 
reshat  (für  varekhshaf,  W.  verez).  Hass  vdvarez  wirklich  der  Perfect-  \ 
stamm  von  verez  ist,  zeigt  das  Part.  perf.  act.  vdvareziishe ,  dem 
gewirkt  habenden,  Jt.  13,  88  ganz  deutlich.  Vgl.  auch  J.  35,  2 
verezjamajidmcd  vdverezanandmcd,  was  gewirkt  wird  und  was  gewirkt 
worden  ist.  Ueber  den  Aor.  zum  Ausdruck  des  Fut.  s.  d.  Gram- 
matik. Dem  vdverez  muss,  wie  dem  vareshat,  die  Bedeutung  eines 
activen  Particips  beigelegt  werden,  welche  der  nackt  gebrauchten 
Wurzel  im  Sanskrit  wie  im  Baktrischen  ja  oft  genug  zukommt. 
Was  die  Construction  anlangt,  so  sind  beide  Dative  von  den  Prä- 
positionen pairi  und  aipi  abhängig.  Westergaard  schreibt  die  beiden 
letztern  mit  dem  Verbum  cithit  zusammen.  Da  sie  aber  den  Ver- 
balbegrifi"  nicht  modificiren  —  wenigstens  kann  ich  nichts  davon 
entdecken  — ,  sondern  dieser  beidemal  derselbe  ist,  so  ist  es  bes- 
ser, mit  K.  4.  P.  6.  pairi  und  aipi  als  besondere  Worte  zu  schrei- 
ben. Beide»  kann  die  Bedeutung  für  beigelegt  werden,  vgl.  pairi 
34,  8  und  aipi  30,  11.  Sie  können  indess  auch  als  über  =  de 
gefasst  werden. 

V  5.  Nerios.:  evamvadbhjah  Jazaddh  utthdnahastena  vjavasdja(i)- 
tajd  prabravimi   svdmine   tat    [läla    amarehhjo    mahattarehhjah    kdrjdja 
Abhandl.  der  DMG.     I,  3.  6 


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82  Haag,  die   Gdthas  des  Zarathustra.   I.     Cap.  29,  5. 

njdjdjaca  Hormizdasja  imrabhutataram  prabravimi]  me  dtmano  g-o^ca 
a^tndnwjdh  [agtndmni  trivdrshiki  go  f?jj;  je  mahdgndnine  samdehijam 
prcchanti  [kila  Jena  samdigdhah  samti  tat  sarvam  je  Hormizddja  ■punah 
punah  vfcchanti];  na  satjagivena  prakrshthd  hdnir(?)naca  vfddhikarttiih 
[kila  eteshdm  prakrshtd  hdnir  md  bhüjdt],  durgatind  vindjuto  ^sja  bhu- 
jdd  eva.  Für  solche  Dinge,  Jazata's  l  verkündige  ich  dieses  mit  auf- 
gehobener Hand  mit  Eifer,  dem  Herrn  [den  Unsterblichen,  Grossen, 
der  That  und  Führung  des  Ormuzd  verkündige  ich  das  grösste 
Lob]  meiner  Seele  und  der  Kuh,  die  Azi  heisst  [Agi  heisst  eine 
dreijährige  Kuh] ;  die  den  Grossen,  Weisen  um  Zweifelhaftes  fragen 
[in  alle  dem,  worin  sie  in  Ungewissheit  sind,  immer  wieder  den 
Ormuzd  fragen];  nicht  soll  gänzliche  Verlassenheit  des  in  der  Wahr- 
heit Lebenden  Statt  haben,  noch  soll  der  das  Gedeihen  (der  Erde) 
Fördernde  [sie  sollen  nicht  gänzlich  verlassen  werden]  mit  dem 
Schlechten  zusammen  seyn;  er  sey  getrennt  von  ihm.  —  Vdo  zieht 
Nerios.  mit  dem  vorhergehenden  at  zu  einem  Wort  zusammen. 
Ein  solches  atvdo  im  Sinne  von  „solcher"  wäre  wohl  bildbar,  würde 
aber  an  unserer  Stelle  gar  keinen  guten  Sinn  geben.  Wir  müssen 
bei  der  gewöhnlichen  Bedeutung  des  vdo  als  Gen.  dual,  des  Pronom. 
der  zweiten  Person  bleiben.  Da  es  dem  Zusammenhange  nach  nicht 
auf  Ahura-mazda  oder  ein  anderes  Paar  der  Amesha-^penta's  be- 
zogen werden  kann,  so  bleibt  nur  die  Verbindung  mit  dem  Genit. 
dual,  ahvdo,  der  beiden  Leben,  übrig.  Es  ist  eine  Anrede  an 
diese  beiden  höchsten  Güter  der  Zarathustrischen  Religion.  Die 
Genitive  hängen  von  ugtdndis  iagtdis  ab.  —  Frenemnd  fasse  ich  als 
Dual  (Part,  praes.  med.  von_/r?  =  pri,  lieben)  und  beziehe  es 
auf  me  urvd  geuscd  azjdo,  j^meme  »eele  und  die  der  unvergänglichen 
Erde".  (Ueber  azjdo,  Gen.  von  azi,  s.  das  Gloss.)  —  Dvaidi  deutet 
Nerios.  durch  „Zweifelhaftes,  Ungewisses".  Richtig  ist  diese  Ueber- 
setzung  zwar  nicht;  aber  es  liegt  ihr  eine  richtige  Etymologie  zu 
Grunde,  indem  dem  Uebersetzer  sicherlich  dva,  zwei,  woraus  die 
Bedeutung  des  „Zweifels"  sich  ungezwungen  ergiebt,  vorschwebte. 
Wegen  des  unmittelbar  vorhergehenden  Accusativs  mazdäm  könnte 
man  in  dvaidi  eine  Verbalform  und  zwar  die  zweite  Person  imperat. 
sing,  vermuthen.  Aber  abgesehen  davon ,  dass  eine  solche  keine 
rechte  Stelle  in  unserm  Satze  hätte,  spricht  schon  die  Form  gegen 
eine  solche  Annahme,  da  sich  von  dva  ohne  die  Endung  dj  nicht 
wohl  eine  Verbalform  bilden  könnte.  An  die  Ableitung  von  du, 
gehen,  sprechen,  kann  schon  aus  formellem  Grunde  ebenfalls 
nicht  gedacht  werden.  Das  Richtigste  ist  ohne  Zweifel,  dvaidi  ent- 
weder als  Adverbium  gleich  dvidhd,  zweifach,  oder  als  Locativ 
sing,  eines  Thema's  dvad  zu  nehmen.  Dass  von  Zahlwörtern  solche 
Formen  im  Gäthädialekt  bildbar  sind,  zeigt  khshvidem  6  (für  khshve- 
dem)  und  menda  5  (in  der  Tnfinitivform  meTi  -  ddi -  djdi) ,  dessen  d 
nicht  etwa  dem  t  in  ttsvits  gleich  seyn  und  also  an  der  Stelle  des  c 
von  panca  stehen  könnte,  da  ein  solcher  Lautübergang  im  Baktri- 
schen    unerhört   ist.      Die    Bedeutung    eines    solchen   Thema's    dvad 


Hang,  die   Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29,  5,   6.  83 

oder  dvada  ist  zunächst  zweifach,  was  aber  leicht  den  Sinn  von 
beide  annehmen  kann.  Dvaidi  ist  sonach  in  beiden  und  bezieht 
sich  auf  die  beiden  Leben  zurück.  —  Fera^dbjö  kann  nicht  auf 
die  Wurzel  pereg,  fragen,  zurückgeführt  werden,  was  keinen  Sinn 
gäbe,  sondern  ist  von  fra^a,  frasha  (s.  zu  30,  9)  abzuleiten.  Von 
diesem  Worte,  da  es  die  Bedeutung  „vorwärts  treibend",  d.  i. 
fördernd  hat,  ist  auch  der  Accusativ  mazdäm  abhängig. 

Y.  6.  Nerios.  :  e\}am  mukhena  avocat  svami  rnahd/^ndm  vidUd 
vindgasja  vipiddhi(er)  [idam  kimcit  vigiidja  abravit:  jad  ja  anjdjo  jah 
Aharmandt,  tasja  updjo  ^sti];  na  evam  svdmibhfsh(th)jasja;  [kila  eta- 
smin  kasmim^cü  sthdtie  updjain  karttum  na  gakjate,  iti  hetoh  jatah  svd- 
minaih  svdmitvena  nd  ^dadhai]  nddaddnasja  gurutTi  jmnjdt  jathd  kathd- 
cit;  [kila  gurumca  evam  jathd  jugjate  grhitum  nd  gfhianti];  evam  jat 
tvam  vfddhikartteca  kdrjakartteca  vinirmatajo  nd  ^si  ghatitaväcd  nd  ^si 
[kila  tasmdi  ju  vjavasdji  pramdnica  pradatto  nd  ^si].  So  sprach  öffent- 
lich der  Herr,  der  grosse  Weise,  der  die  Vernichtung  (des  Bösen) 
besitzt,  die  Reinigung  [alles  dieses  erkennend,  sprach  er:  gegen 
jeden  Ungerechten,  der  von  Ahriman  stammt,  giebt  es  eine  Hilfe], 
die  Vernichtung  dessen,  der  dem  Herrn  nicht  dient  [er  kann 
an  keinem  Orte  hier  Zutritt  haben,  weil  er  dem  Herrn  die  Herr- 
schaft nicht  gab],  der  nicht  sich  holt  (nimmt,  wählt)  den  Herrn 
durch  das  Reine  irgendwie  [den  Herrn  ergreifen  sie  nicht  so,  wie 
sie  es  thun  sollen] ;  so  bist  du  nicht  unter  den  zwei  Geschaffenen, 
dem,  der  das  Wachsthum  fördert,  und  dem,  der  die  Pflicht  erfüllt,  noch 
bist  du  durch's  Wort  gebildet  [dem,  der  wirkt  und  Ansehen  hat,  bist  du 
nicht  hingegeben].  Das  e,  welches  Nerios.  durch  mukhena  übersetzt, 
lässt  eine  zweifache  Deutung  zu;  entweder  ist  es  das  enklitische  ?, 
dem  wir  öfter  begegnen,  oder  als  Augment  gleich  a  zum  folgenden 
vaocat  zu  betrachten.  Letztere  Annahme  verdient  entschieden  den 
Vorzug  1)  weil  jenes  i  sonst  nie  durch  e  geschrieben,  2)  anlauten- 
des a  aber  oft  in  e  verwandelt  wird ,  so  das  a  des  Augments  in 
endkhstd  32,  6;  vgl.  evidvdo  für  «m'd",  emavat  für  ama^.  —  Die  Er- 
klärung des  vafüs  durch  vindga,  Vernichtung  (ebenso  in  48,  9  vind- 
^ana}  lässt  sich  weder  aus  dem  Zusammenhange,  noch  auf  etymo 
logischem  Wege  begründen.  Man  vermuthet  darin  zunächst  das 
wedische  vapiis,  Gestalt,  Schönheit;  aber  hierdurch  lä§st  sich 
weder  hier  noch  48,  9  ein  passender  Sinn  gewinnen.  Was  sollte 
denn  „der  die  Gestalt  Wissende"  oder  „er  möge  die  Gestalt  des 
guten  Geistes  kennen"  eigentlich  heissen?  Zudem  findet  sich  die- 
ses Wort  sonst  nirgends  im  Zendawesta.  Das  Sicherste  ist,  vaftis 
mit  dem  Verbum  ufjdni  (s.  zu  28,  4),  das  eine  Wurzel  vaf,  vap 
haben  muss ,  zusammenzubringen  und  mit  Loblied,  Hymnus, 
eigentl.  Bildung,  Dichtung,  zu  übersetzen.  Dazu  stimmt  auch 
vortrefflich  vidvdo  und  vidjdt.  Der  Form  nach  ist  es  Neutr.  sing.; 
als  Accus,  pl.   lässt  es  sich   nicht  gut  erklären.     Es  kann  nun  zwar 

6* 


84  Haug,  die  GdtM's  des  Zarathust^ra.  I.    Cap.  29,  6. 

mit  dem  wedischen  vapiis  ursprünglich  identisch  seyn,  aber  seine 
Bedeutung  ist  sicher  verschieden.  — ■  In  der  Uebersetzung  des  vjdnajd 
durch  vi^uddhi ,  Reinigung ,  Läuterung ,  lässt  sich  kein  Rest  von 
Wahrheit  entdecken.  Man  ist  versucht,  es  durch  vi-jdna,  Weg- 
gang, oder  als  von  vi,  gehen,  abgeleitet  durch  Gang,  Weg,  zu 
erklären;  allein  näher  betrachtet,  erweist  sich  keine  dieser  Ableitun- 
gen als  stichhaltig.  Es  findet  sich  nur  noch  J.  44,  7  und  zwar  in 
der  gleichen  Form  vjdnajd,  die  nur  Instrumental  eines  Thema's  vjdiid 
seyn  kann,  sodass  man  versucht  ist,  ihm  adverbiale  Bedeutung  zu 
geben.  Vjd^io  Jt.  13,  35  gehört  wohl  nicht  hieher,  da  es  ein  von 
vi  abgeleitetes  mediales  Particip  ist.  Eine  Verkürzung  aus  dem  spä- 
ter so  häufigen  vjdkhiia,  angesehen,  offenbar  (nicht  weise,  wie 
Burnouf  will),  lässt  sich,  wenn  sie  auch  wohl  denkbar  wäre,  nicht 
gut  annehmen,  da  der  Gäthädialekt  dem  Jüngern  gegenüber  immer 
die  altern  Formen  zeigt.  Am  besten  führt  man  das  Wort  auf  die 
wedische  Wurzel  vje,  weben  (wovon  ein  Part,  praes.  fem.  vjanti, 
Imperf.  avjat),  zurück  und  fasst  es  entweder  als  Part,  praes.  med. 
fem.  oder  als  Nom.  abstr.,  sodass  vjdnajd  mit  der  Weberin  oder 
mit  der  Webung  heisst.  Diese  Deutung  mag  auf  den  ersten  Blick 
sonderbar  scheinen;  wenn  man  aber  bedenkt,  dass  vafiis  ursprüng- 
lich selbst  nur  Gewebe  (yjd^OiCvQ,  weben)  heisst  und  dass  das  Dich- 
ten von  Liedern  als  ein  Weben  angeschaut  wird ,  so  versteht  sich 
die  Sache  leicht.  Der  Ausdruck:  „der  das  Gewebe  mit  der  Weberin 
kennt",  war  wohl  ein  Sprüchwort,  das  den  Sinn  hatte:  wer  Alles 
weiss,  nicht  bloss  das  Werk,  sondern  auch  seinen  Urheber  kennt. 
Hier  bezieht  es  sich  jedenfalls  auf  die  Lieder  und  ihre  Dichtung.  — 
Die  folgenden  Worte  enthalten  einen  Orakelspruch.  Zwischen  noit 
■ — hacd  und  dem  Anfang  des  «Aw  vairjo  (J.  27,  13)  ist  eine  Ver- 
wandtschaft unverkennbar.  Wir  haben  zwei  sich  genau  entspre- 
chende Satzglieder:  vi^to  —  ratus,  aevd  ahü — ashdfcit  hacd.  Aevd 
ahü  lassen  sich  nicht  als  Nominative  fassen,  wie  man  auf  den  ersten 
Blick  geneigt  seyn  könnte  —  das  s  dürfte  nicht  fehlen  — ,  son- 
dern sie  müssen  entweder  Instrumentale  sing,  seyn  oder  mit  vi^to  zu 
einem  Compositum  verbunden  werden.  Letzteres  ist  vorzuziehen, 
da  bei  der  ersten  Fassung  die  syntaktische  Stellung  des  vi^to  kaum 
erklärt  werden  könnte.  Das  aevd  kann  nur  als  Zahlwort  einer 
oder  einzig  (s.  aevo  v.  8)  gefasst  werden,  da  das  sanskritische 
eva,  so,  auf  diese  Weise ,  dem  Baktrischen  fremd  ist.  Vigto  ist 
hier  nicht  Partie,  pass.  von  vid,  wissen,  sondern  von  vid,  be- 
sitzen, und  hat  active,  nicht  passive  Bedeutung.  Dass  das  Part, 
auf  ta  auch  die  active  Bedeutung  annehmen  könne ,  zeigt  merato, 
verkündigend,  beretö,  tragend,  Vend.  2;  ein  Gebrauch,  der  im  Pärsi 
und  Neupersischen  häufig  genug  ist,  vergleiche  vareto  45,  1.  —  Das 
hacd  =  ex,  de,  mit  dem  Ablativ  ist  eine  umständUchere  Ausdrucks- 
weise des  Genitivs,  die  schon  an  sich  leicht  genug  verständlich 
ist,  durch  den  genitivischen  Gebrauch  des  daraus  verstümmelten  az 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathuntra.  I.    Cap.  29,  7.  85 

des    Pärsi   und    az    des   Neupersischen    sich    aber    auch    als    iranisch 
erweist. 


V.  7.  Nerios.:  Tat  mahattamatvam  svdmi  mänthrijam  aghuiajat 
punjena  sahasamghatitdja  (tajd);  [kila  tarn  prasadam  jam  Ävistdvdk 
samhhavan  iasmdi  daddii  Jena  kdrjam  pmijamca  krtam  asti];  makagnani 
gopa^ün  vikd^ajati  hhettfhhju  mahatrdmsi  ^ikshüebhjah  kas  ie  uttama- 
mano  jo  dvitajam  daddti  mukhtna  adhjajanakarehhjah  [kila  jo  dvitajam 
Avista  Avistdrthamca  vidjdrtidhhjo  gndpajati].  Diesen  Höhepunkt  der 
Lieder  schuf  (dichtete)  der  Herr  mit  dem  Asha,  in  gemeinsamer 
Schöpfung  [diese  Gnade  verlieh  der  Verkünder  des  Avista  dem,  von 
welchem  die  Pflicht  und  das  Reine  gethan  wurde];  der  grosse  Weise 
verleiht  Kühe  und  Rinder  denen,  die  unterscheiden,  grosse  Dinge 
den  Unterrichteten;  wen  hast  du^  bester  Geist,  der  das  Doppelte 
öflentlich  denen,  die  sich  dein  Studium  der  heiligen  Bücher  widmen, 
gebe?  [der  das  Doppelte,  den  Avista  und  seinen  Sinn,  den  Wiss- 
begierigen mittheilt]. 

Die  Worte  von  khshvidem  —  ^d^njd  sind  von  Nerios.  sehr  un- 
geschickt erklärt.  Khshvidem  ist,  wie  mit  Sicherheit  aus  J.  11,  9 
hervorgeht,  so  viel  als  später  khshvas ,  sechs,  nicht  sechsfach, 
wie  man  wegen  des  angehängten  dem  vermuthen  kann.  Es  fragt 
sich  nun  hauptsächlich,  auf  welches  Wort  des  Satzes  dieses  Zahl- 
wort bezogen  werden  soll.  Bedenkt  man  die  Siebenzahl  der  Amesha- 
^peiita's,  so  ist  man  leicht  geneigt,  es  auf  diese  zu  beziehen.  In 
diesem  Falle  müsste  iirushaeibjo  jene  hohen  Genien  bedeuten ,  oder 
khshvidem- ^peiito  verbunden  und  durch  „sechsmal  heilig"  erklärt  wer- 
den. Keine  dieser  Annahmen  ist  aber  statthaft.  Urushaeibjo  steht 
deutlich  dem  gavoi,  Erde,  parallel,  diese  wird  aber  sonst  nie  den 
Amesha-gpeiitas  gleichgestellt,  was  hier  ohnediess  auch  gar  keinen 
Sinn  hätte.  Ausserdem  lässt  sich  durch  die  Etymologie  aus  urusha 
kein  passendes  Prädikat  für  diese  Genien  gewinnen.  Urusha  kann 
nicht  auf  das  wedische  arusha,  glänzend,  röthlich,  zurückgeführt 
werden,  da  dieses  Wort  sonst  im  Zendawesta  aiirusha  lautet.  An 
nie,  leuchten,  kann  lautlicher  Schwierigkeiten  wegen  auch  nicht 
gedacht  werden.  Einzig  zulässig  ist  eine  Ableitung  von  wrw,  weit. 
Wenn  nun  auch  das  Sanskrit  keine  Bildung  uru-sha  kennt,  so  ist 
eine  solche  dem  Baktrischen  nicht  fremd,  man  vgl.  frasha  von  fra. 
Die  Bedeutung  kann  nur  Weite,  Raum,  d.  i.  auf  die  Erde  be- 
zogen, Gegend,  seyn.  Khshvidem  ist  nun  mit  urushaeibjo  zu  ver- 
binden und  heisst  „den  sechs  Gegenden".  Diese  Redeweise  scheint 
auf  den  ersten  Anblick  ganz  fremdartig;  aber  sie  findet  im  Weda 
ihre  sichere  Bestätigung.  Hier  ist  öfter  von  den  6  urvis  (Fem.  von 
uru),  6  Räumen  oder  Gegenden  die  Rede.  So  Rv.  6,  47,  3 :  ajam 
shal  urvir  mimita,  dieser  schuf  die  sechs  Gegenden  (s.  weitere  Stel- 
len im  Petersburger  Sanskritlcxikon,  I,  p.  1000).  Diese  6  Räume 
sind    oben  und    unten    und  die  vier  Himmelsgegenden.  —   Eünige 


86         Haug,  die  Gäthns  des  Zarathiistra.  I.    Cap.  29,   7.  8. 

Schwierigkeit  macht  das  eedvd,  das  Nerios.  durch  mukhena  übersetzt, 
als  ob  es  für  donhd,  i.  e.  ore,  stände.  Westerg.  schreibt  e  e  d  vd, 
was  sicher  falsch  ist,  da  sich  mit  diesen  Wörtchen  nichts  anfangen 
lässt.  Dass  e  e  d  nur  für  jd  stehe,  habe  ich  bereits  zu  28,  12  ge- 
zeigt. Wollte  man  vd  als  besonderes  Wörtchen  fassen  ,  so  hiesse 
jd  vd  vel  qua,  was  aber  syntaktisch  nicht  gut  erklärt  werden  könnte. 
So  bleibt  nur  übrig,  jdvd  als  ein  Wort  zu  lesen.  Diese  Form  muss 
mit  java,  Dauer,  Zeit,  von  dem  wir  v.  9  unsers  Capitels  und  49, 
1  den  Instrum.  javd  ganz  adverbialiter  gesetzt  finden,  zusammen- 
hängen oder  damit  identisch  seyn.  Ich  nehme  es  ebenfalls  als  In- 
strumental ,  das  d  kann  bei  der  gedehnten  und  gezogenen  Aus- 
sprache des  Worts  leicht  aus  a  entstanden  seyn.  So  heisst  es,  da 
Instrumental  und  Locativ  in  der  Wedasprache  noch  oft  genug  zu- 
sammenfallen (vgl.  divd,  am  Himmel),  zur  Zeit,  was  so  viel  als 
zur  rechten  Zeit  bedeuten  kann. 

V.  8.  Aem  —  vii^to  Nerios. :  ajam  me  eudm  ddtim  alabhata  goru- 
pdm.  Dieser  nahm  in  Besitz  meine  Schöpfung,  die  einer  Kuh  Ge- 
stalt hat  (geiis  urvdj.  Vigto  ist  hier  nicht  von  vid,  wissen,  sondern 
von  vid,  gewinnen,  besitzen,  abgeleitet.  Diese  Herleitung  ver- 
dient auch  wirklich  den  Vorzug,  schon  weil  vi^to  v.  6  ebenso  ge- 
fasst  werden  musste,  dann,  weil  es,  würde  man  vid,  wissen,  zu 
Grunde  legen,  nur  so  viel  als  „bekannt'^  heissen  könnte,  eine  Be- 
deutung, die  aber  nach  dem  hohen  Sinne,  den  der  Begriff  wissen 
in  den  Gdthd's  durchgängig  hat,  dem  Wort  kaum  beigelegt  werden 
darf.  Man  hätte  für  „bekannt"  ^ruto  oder  i^rdvi  (vgl.  J.  32,  8)  zu 
erwarten.  „Von  mir  ist  dieser  gewonnen,  erlangt"  heisst  so  viel: 
„diesen  habe  ich,  dieser  ist  mir  da."  —  Hvo  —  fravq/a/lÄe  Nerios. : 
asdii  asmdkam  mahdgndnindm  kdmarh  dharmasjaca  updjahartftvmhca 
samuddhirati;  kila  asmdiva  rocate  jad  dinih  pravartamdnd  bhavati  upd- 
jamca  drügasja  kathajati.  Dieser  verkündet  unsere,  des  grossen  Wei- 
sens,  Liebe  imd  der  Gerechtigkeit  und  die  Hilfeleistung.  —  Einige 
Schwierigkeit  macht  mazdd.  Als  Vocativ  kann  es  nicht  gefasst  wer- 
den, weil  Ahura-mazda  selbst  in  unserm  Vers  der  Redende  ist.  Man 
vermuthet  leicht,  es  stehe  dem  ashdi  parallel  und  sey  in  den  Dativ 
mazddi  zu  corrigiren.  Aber  „uns,  dem  Mazda  und  dem  Asha", 
würde  im  Munde  Mazda's  selbst  etwas  sonderbar  klingen,  man  hätte 
nur  „uns  und  dem  Asha"  (vgl.  28,  7 — 9)  zu  erwarten.  So  bleibt, 
um  den  nöthigen  Parallelismus  zwischen  ne  mazdd  und  ashdi  careka- 
rethrd  zu  gewinnen,  nur  die  Annahme  übrig,  mazdd  sey  ein  Nentr. 
plur.  von  einem  sing,  mazda ,  was  eine  ältere  und  kürzere  Form 
des  dem  mazddo  zu  Grunde  liegenden  mazdanh  seyn  kann.  Aber 
es  Hesse  sich  auch  als  Neutr.  plur.  von  mazddo  selbst,  das  eigent- 
lich ein  Adjectiv  ist,  rechtfertigen.  Es  heisst  „weise  Gedanken" 
und  steht  dem  carekarethrd ,  einer  reduplizirten  Nominalbildung  von 
kere ,  machen,  des  Sinnes  „Ausführung,  Vollendung",  parallel, 
wie   ne,  das  sich  auf  die  Mazda's  überhaupt  bezieht,  dem   Asha.  — 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.   I.    Cup.  29,  8.  9.  87 

^rdvajanhe  ist  Infinitiv  und  mit  vasti  zu  verbinden.  —  iJjat  —  va- 
hhedhrahjd  Nerios.:  jadj  asmdica  supadatvam  ddsjati  vacasd,  wenn  er 
diesen  durch  das  Wort  eine  gute  Anleitung  geben  wird.  Hwf/emem, 
wofür  K.  4.  hudemtm  bietet,  ist  ein  oltz.  Xey.  Zunächst  denkt  man 
an  eine  Ableitung  von  der  Wurzel  dd,  geben,  schaffen,  -{-  hu, 
wovon  hudama  ein  Superlativ  „am  meisten  Gutes  schaffend"  seyn 
könnte.  Aber  der  Umstand,  dass  von  hu-dd  oder  su-dd  sich  weder 
im  Zendawesta  noch  im  Weda  eine  derartige  Bildung  nachweisen 
lässt  (nur  huddo,  huddnu,  hudd^tema  u.  a.  sind  bekannt),  macht  diese 
Ableitung,  obschon  sich  durch  sie  ein  erträglicher  Sinn  gewinnen 
lässt,  bedenkhch.  Richtiger  ist  die  Ableitung  von  der  Wurzel  dhmd, 
wehen,  blasen;  dass  diese  im  Iranischen  wirklich  vorkommt,  be- 
weist das  neupers.  dam,  Athem,  Luft,  L^ben;  damidan,  wehen. 
So  ist  hudema  das  starke  Wehen,  von  der  Rede  gesagt,  das  Be- 
geisterung weckende  Redefeuer.  Man  vgl.  Rv.  III,  30,  10:  prdvaii 
vdmh  puruhutam  dhamaiitth,  es  halfen  dem  Vielgernfenen  (Indra)  die 
blasenden  Stimmen;  I,  85,  10:  dhamanto  vdnaifi  Marutah,  die  einen 
Ton  blasenden  Marut's.  Durch  dieses  Blasen  werden  die  Feinde 
verscheucht  Rv.  I,  117,  21.  Nach  dieser  Bedeutung  des  hudemem 
ist  auch  die  von  vakhedhrahjd  zu  bestimmen.  Dieses  heisst  nicht 
einfach  Rede,  sondern  muss  schon  seiner  Ableitung  durch  Suffix 
d/ira  =  tra  (von  vac ,  reden)  gemäss  Werkzeug  der  Rede, 
d.  i.  Stimme,  bedeuten,  und  steht  so  dem  wedischen  vdni  ganz 
parallel. 

V.  9.  Nerios.:  evamca  gopa^ündm  dtmd  kramdati  jah  ajdcakah 
dnandam  adakshandddtena  \^jad  asja  pari  vapuh  sampimmm  dakshan- 
jam  ajdcaka^ca  a^aktitajd];  vdcam  nardndm  sddhanatdji  [jad  dinih 
sapurnani  pravartati] ,  jas  iasmdi  ipsijitdjdcajüdrdgjam  [  tasmdi  Zara- 
thustrdja]  kalham  ddtih  kaddcit  sd  asti  [kila  sakulah  kaddcit  prd- 
pnoti]  jo  asmdi  ddsjati  ^aktitajd  sdhdjjam  [^asmdi  Zarathustrdja\ 
Und  so  weint  die  Seele  des  Viehs  und  der  Rinder,  da  sie  nicht 
um  Gedeihen  anflehen  kann,  weil  ihr  die  Macht  dazu  nicht  gegeben 
ist  [um  das  Glückliche,  rings  um  ihre  volle  Gestalt  fleht  sie  nicht 
aus  Unvermögen],  der  das  Wort  der  Männer  vollbringende  [dass 
der  Glaube  erfüllt  werde]  ist  der,  welcher  diesem  die  Herrschaft 
herbeiwünscht,  erfleht  [diesem  Zarathustra];  wie  findet  diese  Sache 
irgend  einmal  Statt?  [wann  kommt  irgend  einmal  die  Zeit],  dass 
einer  diesem  [Zarathustra]  aus  Machtvollkommenheit  Hilfe  geben 
wird?  —  Für  anaeshem ,  wie  alle  Codd.  schreiben,  wird  besser 
anishem  gelesen.  Die  Verwechslung  von  ishem  und  aneshem ,  die 
schon  an  sich  leicht  denkbar  ist,  findet  öfter  Statt  (s.  zu  28,  8). 
Aesha,  das  Verlangen,  Suchen  (s.  28,  5)  giebt  hier  gar  keinen 
Sinn;  dagegen  passt  ish^  Nahrung,  Gedeihen,  um  so  besser, 
namentlich  wenn  man  das  ishd-khshathrem  im  folgenden  Satze  er- 
wägt. —  Khshänmenc  ist  der  Locativ  eines  medialen  Particips.  Am 
nächsten  liegend  scheint  die  Sanskritwurzel  kshaiiy  tödten,  aber  sie 


88     Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29,  9.   10.   11. 

giebt  keinen  Sinn.  An  khshi,  wohnen,  herrschen,  kann  nicht 
wohl  gedacht  werden ,  denn  von  dieser  Wurzel  lautet  das  Partie, 
jned.  hhshajamno.  Dagegen  lässt  es  sich  genügend  aus  der  Wurzel 
hart  =  san,  spenden,  erklären  und  zwar  als  eine  Reduplication, 
odass  khshän  für  hishän  steht,  vgl.  khshmd  für  hishmd,  khgdi  28,  5 
für  higdi.  Reduplicirte  Formen  der  Wurzel  sali  sind  überdies«  im 
Weda  häufig  genug,  so  Partie,  sishdsat  Rv.  I,  17,  8:  sishdsantishu 
dhishvd,  vgl.  den  Aor.  III,  31,  9:  asishdsaii,  das  Adj.  sishdsit  l,  102, 
6.  Allen  liegt  aber  die  desiderative  Bedeutung :  eine  Gabe  wün- 
schen, erflehen,  nicht  geben  wollen,  zu  Grunde.  Diese  Be- 
deutung ist  auch  an  unserer  Stelle  vollkommen  anwendbar.  —  Das 
folgende  vdcim  ist  als  Accus,  mit  anaeshem  zu  verbinden. 


V.  10.  Äogo  giebt  Nerios.  durch  sdhdjjam,  Freundschaft. 
Man  identiözirt  das  Wort  zunächst  mit  aoganh.  Stärke,  so  dass 
nur  g  für  g  stände.  Aber  da  ein  solcher  Uebergang  des  g  in  g- 
bei  aoganh  und  seinen  Derivaten  sonst  nicht  vorkommt,  so  ist  diese 
Ableitung  etwas  bedenklich.  Zudem  giebt  Stärke  hier  ebenso- 
wenig einen  ganz  zutreffenden  Sinn,  als  Jt.  13,  20  dieselbe  für  das 
mit  aogo  identische  aogare  (vgl.  avo  und  avare^  passt.  Es  steht 
dort  parallel  mit  khshathrem  und  agtvdo  anhus.  Ich  sehe  darin  das 
wedische  okas,  Heimath,  bleibende  Stätte;  die  Schwächung  des 
k  zu  g  ist  gar  nicht  auffallend,  wenn  man  aogedd  für  aokhta  be- 
denkt, wo  nur  die  Vocale  die  Schwächung  herbeigeführt  haben  kön- 
nen. Zu  dieser  Bedeutung  stimmt  auch  hushitis  und  rdmäm  hn  Fol- 
genden sehr  gut.  —  Das  Relativ  ja  giebt  nur  als  Instrumental  gefasst 
einen  guten  Sinn,  kann  sich  aber  nicht  auf  vohu  mananhd  zurück- 
beziehen, sondern  muss  von  avat  abhängig  gemacht  werden.  —  Das 
Subject  zu  ddt  ist  vohu-mand.  —  Für  ititnhe,  wie  Westerg.  hat,  ist 
mit  K.  6,  9  in  Bezug  auf  die  Parallelstellen  31,  8.  43,  5.  7.  9  etc. 
menhi  zu  schreiben.  —  Ahjd  ist  von  vaedem,  das  aber  keine  Verbal- 
form, sondern  der  Accusativ  eines  Nomens  vaeda  ist  (vgl.  32,  11), 
abhängig  zu  machen ,  und  bezieht  sich  auf  aogu  oder  khshathrem 
zurück.  Nerios.  ist  an  dieser  Stelle  etwas  verdorben  und  bietet 
überdiess  nichts  Erhebliches. 

V.  11.  Nerios.:  kvaddnam  Ashavahistd  Gvahmana  ^aharevaragca 
evam  mahjam  prdpsjati  [kila  punjam  uttamamca  manordgjamca  sapra- 
sddajii(h)  sthdne  asti  jah  evarh  mahjain  prdpsjati^;  ,/'^'«"«  mahdgndnin 
prabhütataram  mahattamena  uttamatvena  prasddajati  [kila  tena  nir- 
malatame(na)  uttamatvena  mahjam  prasddam  kuru];  svdmin  iha  asmd- 
kam  asmabhjam  dakshina  (?)  tvattah,  d.  i.  wo  lässt  mich  Ashavahista, 
Bahman  und  Shahriver  etwas  erreichen?  [nämlich  das  Reine,  der 
beste  Geist  und  die  Herrschaft  —  Erklärung  der  drei  eben  genann- 
ten Namen  — ;  der  ist  wohlwollend  an  einem  Orte,  der  mich  so 
etwas  erreichen  lässt];    ihr   (d.  i.   von  euch,  Ämesha- ^peiita's),    der 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29,  11.  89 

grosse  Weise  erzeigt  durch  seine  grösste  Güte  das  meiste  Wohl- 
wollen [durch  diese  lauterste  Güte  erweise  mir  Gnade]-,  hier  unser 
Herr^  (sey)  uns  Glück  durch  dich ! 

Mdmashd.  Westerg.  schreibt  nach  den  Codices  ma  mashd,  ver- 
muthet  aber  mdmashd  als  die  richtige  Lesung,  ohne  sich  näher  dar- 
über auszusprechen.  Anfänglich  dachte  ich  an  eine  Aenderung  des 
md  mashd  in  amashd,  was  nur  eine  andere  Form  für  das  bekannte 
amesha  wäre ;  diess  gäbe  auch  einen  guten  Sinn  ,  da  die  Namen 
mehrerer  Amesha- ^penta's  unmittelbar  vorher  genannt  worden  sind: 
aber  der  Umstand,  dass  alle  Handschriften  constant  in  der  ersten  Sylbe 
md  nicht  etwa  bloss  d  oder  a  haben ,  zusammengehalten  mit  der 
Beobachtung,  dass  der  Gesammtname  Amesha- ^pefita's  für  die  höch- 
sten Genien  des  Ahura-mazda-Glmihens  in  den  Gdthd's  noch  nicht 
vorkommt,  nöthigen  uns,  von  dieser  Annahme  abzjigehen.  Trennt 
man  indess^  wie  die  Handschriften,  so  dürfte  schwer  zu  sagen  seyn, 
was  es  eigentlich  bedeutet;  7/1«  könnte  nur  entweder  der  Accusativ 
des  Pronomens  erster  Person  oder  die  Prohibitivpartikel  =  griech. 
{jLiq  seyn;  mashd  kann  für  martd,  wie  für  makhsha  stehen;  martd 
lässt  wiederum  zwei  Ableitungen  zu,  von  mar,  sprechen,  verkün- 
digen (skr.  smf),  und  mar^  sterben  (skr.  mr);  makhshd  dagegen 
könnte  nur  der  Wurzel  mag'A  =  skr.  mah,  gross,  zugewiesen  wer- 
den. Nun  fragt  es  sich  vor  allem,  ob  dieses  mashd  ein  Verbum 
oder  Nomen  oder  auch  ein  anderer  Redetheil  sey.  Fasst  man  es 
als  ein  Nomen,  so  kann  weder  md  =  [jltJ,  noch  md  =  me  Statt 
haben;  der  Sinn,  der  sich  so  ergeben  würde,  wäre  indess  ein  un- 
passender, wollte  man  nicht,  wie  oben  vermuthet  wurde,  das  Ganze 
in  amashd  umändern.  Nimmt  man  es  aber  im  Sinne  eines  Verbums 
—  und  diese  Fassung  scheint  die  ganze  Construction  des  Satzes 
zu  verlangen  — ,  so  kann  es  eine  zweite  Person  plur.  praes.  von 
mar,  aber  auch  eine  erste  Person  sing,  conjunctivi  (Voluntativ)  von 
magh  seyn.  Für  beide  Fälle  passt  nun  md  =  [Jlt]  nicht;  der  un- 
mittelbar vorhergehende  Satz  ist  ein  mit  kudd  eingeleiteter  Frage- 
satz, dem  bis  dahin  ein  Verbum  fehlt;  durch  ein  md  martd,  spreche 
nicht!"  würde  der  unverkennbare  Zusammenhang  mit  dem  folgen- 
den Satze  zerrissen;  sollte  aber  mashd  =  makhshd  seyn  und  „ich 
will  gross  seyn"  oder  „ich  will  gross  machen"  bedeuten,  so  wäre, 
von  dem  unpassenden  Sinn  abgesehen,  nicht  zu  begreifen,  wie  die 
erste  Person  conjunctivi,  der  Voluntativ,  die  Prohibitivpartikel  md, 
statt  der  einfachen  Negation  noit,  bei  sich  haben  sollte.  Ebenso- 
wenig giebt  md  =  me,  mich,  gefasst,  einen  genügenden  Sinn. 
Daher  bleibt  nichts  Anderes  übrig,  als  md  mit  mashd  zusammenzu- 
lesen und  das  Ganze  als  ein  reduplicirtes  Perfectuin  oder  Intensivuui 
zu  nehmen.  Die  Ableitung  betreffend,  so  ist  die  Zurückführung  auf 
magh,  „gross  seyn",  die  wahrscheinlichste;  mdmashd  steht  dann 
für  mdmakhshd  und  ist  kein  reduplicirtes  Präteritum,  sondern  ein  In- 
tensiv  mit   causativer  Bedeutung   (wie  häufig),   und  zwar   die  erste 


90  Haugy  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29,   11. 

Person  des  Voluntativs.  —  Ganz  in  Parallele  mit  mdmashd  steht 
■paiti-zänatd.  Westergaard  verbindet  die  Präposition  paüi  nicht,  wie 
er  sonst  bei  mit  Präpositionen  zusammengesetzten  Verbis  thut,  mit 
zdnatd.  Sie  ist  aber  hier  nicht  wohl  vom  Verbum  zu  trennen;  es 
wäre  sonst  schwer  zu  sagen ,  worauf  sie  sich  bezöge ,  denn  zu 
frdkhshnene  würde  sie  nicht  stimmen,  und  mazoi  magdi  ist  bereits 
mit  d  versehen;  zudem  kommt  wirkHch  die  Verbindung  paüi-zan 
im  Zendawesta  vor;  nur  ist  ihre  ganz  spezielle  Bedeutung  kaum  zu 
ermitteln.  Jt.  13,  50.  73.  finden  wir  paiti-zandt  neben  den  Wör- 
tern ufjdt,  frhidtj  die  „er  lobe,  preise"  bedeuten,  wonach  ihm  eine 
ähnliche  Bedeutung  zuzukommen  scheint.  Ebenso  steht  das  Part, 
pass.  paiti-zanta  in  Jt.  8,  43.  47.  11,  20.  15,  36  Wörtern  parallel, 
die  verehrt,  angebetet,  bedeuten;  so  in  8,  43  (von  Tistrja  ge- 
sagt) jezi  aem  bavaiti  jasto  khshnuto  fritho  (besser  frito)  paiti-zantuy 
wenn  dieser  verehrt,  angebetet,  geliebt  (gepriesen),  anerkannt  wird. 
Ja9.  60,  2  finden  wir  ein  Substantiv  paiti-zantiy  im  Plural  paiti-zaii- 
taja^cä  neben  hhshnutagca  (für  khshnütaja^ca)  und  ashajagca,  dem 
Sinn  nach  etwa  Verehrung  bedeutend.  Auch  in  Jt.  13,  46 
U  naro  paiti - zdnenti  hat  das  Verbum,  wenn  man  den  vorhergehen- 
den und  den  nachfolgenden  Satz  vergleicht ,  die  Bedeutung  von 
verehren  oder  durch  Verehrung  anerkennen.  Diese  Bedeu- 
tung kann  indess,  wie  eine  Analyse  dieses  zusammengesetzten  Ver- 
bums und  die  Vergleichung  des  Sanskrit  zeigen,  nicht  die  ursprüng- 
liche seyn;  auch  das  bekannte  Wort  Pdzend,  welches  nur  aus  paiti- 
zanti  erklärt  werden  kann  (s.  Zeitschrift  d.  D.  Morgenl.  Ges.,  IX, 
698)  weist  auf  einen  andern  ursprünglichen  Sinn  hin.  Zan~h  paiti 
bedeutet  wörtlich  eigentlich  dagegen  wissen,  erkennen  {<m  zan 
=  gmi,  zeugen,  oder  zan  =  han,  schlagen,  kann  hier  nicht  ge- 
dacht werden),  wie  patikdra  im  Medischen  Gegenbild  (von  jmti 
^  kar)  ist;  das  ist  wohl  von  Menschen  in  Beziehung  auf  die  Götter 
gesagt,  danken  (man  vergleiche  unser  erkenntlich,  im  Sinne  von 
dankbar);  aber  es  kann  auch  dazu  wissen,  dabei  wissen, 
d.  i.  sich  erinnern ,  seyn.  Im  Sanskrit  heisst  das  entsprechende 
prati-gnd  gedenken,  sich  erinnern  und  versprechen.  An 
unserer  Stelle  nun  fasst  man  das  Wort  wohl  am  besten  in  diesem 
sanskritischen  Sinne  von  gedenken  oder  versprechen.  Mit 
paiti- zdnatd  ist  frdkhshnene  zu  verbinden  (s.  zu  43,  12).  —  Unter 
mazoi  magdi  d,  „zu  dem  grossen  Werke"  oder  wörtlich  „zu  der 
grossen  Grösse"  ist  nur  das  grosse  Werk  Zarathustra's ,  seine  neue 
Lehre,  zu  verstehen,  vgl.  51,  11.  46,  14.  —  Für  iihido  der  mei- 
sten Handschriften  trennt  K.  5.  ni  ndo ,  welcher  X^esung  Westerg. 
folgt;  Bf.  imd  Bb.  haben  nundo.  Schon  aus  dem  Umstände,  dass 
nur  eine  Handschrift  trennt,  scheint  die  Lesung  ni.  ndo.  verdächtig; 
doch  ehe  über  die  richtige  Lesart  entschieden  werden  kann,  müs- 
sen avare  und  ehmd  besprochen  werden.  Identificiren  wir  avare, 
das  scheinbar  gleich  avaro  steht,  mit  Sanskrit  avara,  so  erhalten 
wir   den  Begriff  „der  Untere,    der  Niedrige",    welcher   in  unserm 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  29,   11.  91 

Satze  indess  schwer  unterzubringen  ist.  Zudem  ist  dieses  avara 
dem  Zend  weiter  kein  geläufiges  Wort.  Aber  avare  steht  wohl 
für  avare ,  wie  auch  Bb.  liest ,  und  ist  identisch  mit  dem  sans- 
kritischen avas,  Hilfe;  diese  Neutralendung  as  wurde  im  Zend, 
namentlich  im  Gäthädialekt ,  oft  zu  are;  man  vergleiche  da^vare^ 
vazdvare,  vadare  u.  s.  w.  Die  Dehnung  des  e  zu  e  erfolgte  hier 
wahrscheinlich  desshalb,  weil  die  Cäsur*  unsers  Verses  gerade  auf 
die  Sylbe  re  fällt ;  indess  finden  sich  derartige  Dehnungen  auch 
sonst,  z.  B.  32,  10  vadare  für  vadare  (skr.  vadhas,  Schlag).  Für 
ehmä  liest  Bf.  zwar  jahmd  und  Bb.  ahtnäi ,  aber  diese  l^esungen 
sehen  nur  wie  Erklärungsversuche  eines  dunkeln  Wortes  aus;  auch 
in  der  Parallelstelle  34 ,  1  liest  Bb.  Jehmd,  Bf.  dagegen  eahmdi,  in 
43,  10  Bf.  jedoch  ehmäi  (für  ehma) ,  Bb.  aber  ahmdi.  Das  anlau- 
tende e  ist  nur  dialektisch  und  steht  für  a  oder  i;  als  Grundform 
wäre  somit  ahmd  oder  ihnd  anzunehmen.  Ahmd  lässt  eine  zweifache 
Erklärung  zu,  erstens  als  Dativ  des  Pronomens  demonstrativum  a, 
zweitens  als  Casus  obliquus  des  Plurals  vom  Pronomen  der  ersten 
Person.  Für  die  erstere  Fassung  scheint  der  Umstand  zu  stimmen, 
dass  in  J.  34,  1  und  43,  10  dem  ehmd  der  Dativ  toi  vorhergeht; 
man  müsste  dann  dem  Wort  seine  selbstständige  Bedeutung  nehmen 
und  es  mehr  als  eine  Art  Enkliticum  im  Sinne  von  „da",  also  toi 
ehmd  (=  ahmdi),  dir  da,  fassen;  aber  zur  Rechtfertigung  dieser 
Annahme  sind  keine  genügenden  Beweise  vorhanden.  Wollte  man 
es  als  zu  diesem  (seil.  Zweck)  deuten,  so  würde  es  schwer  seyn, 
den  Zweck  aus  dem  betreffenden  Satze  herauszufinden.  Die  Zu- 
rückführung  auf  den  vollem  Stamm  der  Casus  obliqui  des  Pronomens 
erster  Person  im  Plural  asma  hat  ebenfalls  Schwierigkeit;  im  we- 
dischen  Sanskrit  haben  wir  davon  asme  als  Dativ;  aber  ehmd  ent- 
spricht nicht  ganz,  schon  wegen  des  schliessenden  d  für  e;  ausser- 
dem hätten  wir  aber  hier  und  43,  10  den  Begriff  uns,  der  an 
beiden  Stellen  schon  durch  ndo  ausgedrückt  ist,  eigentlich  doppelt, 
ohne  dass  ein  wirklicher  Grund  der  Doppelsetzung  dieses  Begriffs 
(zudem  noch  mit  Ungleichheit  des  Numerus,  7ido  ist  Dual)  vorläge. 
So  bleibt  nur  noch  die  Annahme  eines  ursprünglichen  thmd  übrig; 
dieses  konnte  sich  ganz  leicht  aus  dem  in  den  Gdthd's  so  häufig 
gebrauchten  Demonstrativstamm  {  durch  Anhängung  der  Partikel 
hma  =  skr.  sma  bilden  (s.  d.  Gramm.)  ;  das  Ganze  ist  ein  sehr 
starkes  Demonstrativum,  eben  das,  gerade  das.  Kehren  wir 
nun  zu  ni  ndo  zurück.  Wollen  wir  diese  beiden  Wörter  mit  der 
überwiegenden  Mehrheit  der  Handschriften  in  iwido  zusammenschrei- 
ben, so  dürfte  es  schwer  seyn,  für  das  Wort  eine  passende  Bedeu- 
tung zu  ermitteln;  im  Baktrischen  findet  es  sich  weiter  nicht,  auch 
das  Sanskrit  zeigt  es  nicht  auf,  wollte  man  nicht  das  wedische  wm', 
Herrscher,  das  leicht  aus  nina  verstümmelt  seyn  kann,  hieher 
ziehen.  Da  aber  auch  mit  dieser  Bedeutung  in  unserem  Satze 
nicht  viel  anzufangen  wäre ,  so  ist  es  das  Beste ,  wenn  wir  mit 
Westerg.  trennen.     Nur  fragt  es  sich  noch,  ob  ni  ndo  oder  nü  ndo 


92  Haug,  die   Gdthas  des  Zarathustra.   I.     Cap.  30. 

die  bessere  Lesung  sey;  ni  ist  beglaubigter  als  nü,  giebt  aber  einen 
weniger  guten  Siun-,  ich  will  mich  für  letzteres  entscheiden.  In 
dem  7iäo  liegt  aber  eigentlich  der  Dualbegriflf  uns  beiden;  hierun- 
ter werden  wohl  am  füglichsten  Zarathustra  und  Vistä9pa  verstan- 
den. —  Rdtois.  Die  Wurzel  scheint  zunächst  die  skr.  rä,  geben, 
zu  seyn,  so  dass  rdti  eigentlich  Gabe  bedeutete.  Aber  eine  Ver- 
gleichung  der  Parallelstellen  zeigt,  dass  das  Wort  eine  allgemeinere 
Bedeutung  hat,  und  zwar  die  von  Ding,  Sache,  Wesen,  über- 
haupt, so  J.  38,  5  dvaocdma  vahistdo  ^raestdo  vanuhis  rdtois  —  md- 
tarö,  wir  wollen  anrufen  die  besten,  die  trefflichsten  Mütter,  die  gut 
von  Wesen;  Jt.  10,  4:6:  jenhe  asta  rdtajo,  dem  (Mithra)  acht  Dinge 
sind;  J.  65,  10:  kuthra  tdo  rätajo  bavän  Ja  ahiirö  mazddo  Zara- 
thustrdi  fravavaca,  wo  sind  die  Dinge,  welche  A/mra - mazda  dem 
Zarathustra  verkündigte?  Im  Medischen  finden  wir  dieses  Wort  in 
der  adverbialen  Redeweise  awahjardti  (jci),  desshalb;  im  Pehlewi 
ist  sie  zu  einer  Postposition  "'NT  im  Sinne  von  wegen  geworden 
(s.  meine  Abhandlung  „Ueber  die  Pehlewi-Sprache  und  den  Bunde- 
hesch",  S.  21  ^g-^,  woraus  dann  die  bekannte  neupersische  Dativ- 
Accusativpartikel  rd  entstanden  ist.  Die  Verbindung  der  Satzglie- 
der unter  sich  anlangend,  so  ist  der  Genitiv  rdtois  von  avare  ab- 
hängig. Der  ganze  Satz  ist  als  ein  für  sich  bestehender  Ausrufungs- 
satz anzusehen. 


Capitel   30. 

Dieses  Stück  ist  ein  fortlaufendes  Ganze  und  weitaus  das  wich- 
tigste und  bedeutendste  der  Sammlung.  Es  ist  ein  Lied,  das  der 
grosse  arische  Prophet  und  Rehgionsstifter  öffentlich  vor  den  baktri- 
schen  Grossen  und  einer  grossen  Menge  Volks  vortrug  und  worin  er 
vielleicht  zum  erstenmal  seine  neuen  Lehrsätze  verkündigte.  Dass 
Zarathustra  selbst  der  Verfasser  ist,  kann  nach  der  ganzen  Fassung 
und  Färbung  des  Stücks  gar  keinem  Zweifel  unterhegen.  Wir  ver- 
nehmen hier  die  Worte  eines  ausserordentlichen  Geistes,  unter  eigen- 
thümlichen  Verhältnissen  in  einer  klaren  und  verständhchen  Weise  vor 
einer  grossen  Versammlung  vorgetragen.  Es  handelt  sich  um  eine 
Glaubenswahl.  Zwei  Religionen  scheinen  bisher  friedlich  neben  einan- 
der bestanden  zu  haben,  die  Verehrung  der  alten  Naturgötter,  wie  sie 
uns  der  Weda  kennen  lehrt,  und  die  Anbetung  nur  Eines  höchsten 
Gottes,  des  Ähiira -  mazda ,  und  die  Verehrung  seiner  Gaben  und 
Kräfte;  beiden  Religionen  entsprechen  zwei  Grundprincipien,  jener 
das  des  Bösen,  dieser  das  des  Guten.  Zwischen  beiden  soll  nun 
die  Versammlung  wählen,  da  ein  längeres  Fortbestehen  dieser  ganz 
entgegengesetzten  Glaubensweisen  neben  einander  ferner  unmögHch 
sey.  Der  Hauptinhalt  des  Stücks  ist  ein  völlig  neuer;  die  hier  her- 
vortretende scharfe  Sonderung  der  sittlichen  Gegensätze  ist  wohl  zum 
erstenmal   von  Zarathustra    ausgesprochen.      Dass    aber  Zarathustra 


Haugf  die  Gdthäs  des  Zarathustra.  I.    Cap.  30.  93 

nicht  der  alleinige  Urheber  jener  neuen,  unter  seinem  Namen  in 
Umlauf  gekommenen  Ideen  ist,  beweist  seine  Berufung  v.  6  auf  frü- 
here Propheten  {maretdno,  eigentlich  Sprecher,  wie  das  hebr.  N'^IIj) 
und  die  dem  Erdgeiste  gewordenen  Offenbarungen  (v.  2). 

Gehen  wir  zur  nähern  Angabe  des  Inhalts  und  Gedankenganges 
über.  Zarathustra,  der  Prophet  und  Priester  des  heiligen  Feuers, 
redet,  vor  dem  helllodernden  Feuer  eines  Altars  stehend,  zum  ver- 
sammelten Volke  und  namentlich  zu  den  Grossen.  Er  will  die  Leh- 
ren höchster  Weisheit,  die  Preisgesänge  und  die  herrlichen  Wahr- 
heiten, die  der  höchste  Gott  ihm  beim  Aufflackern  der  heiligen 
Flammen  geoffenbart ,  laut  und  öffentlich  verkündigen  ( 1 ).  Er 
weist  auf  die  alten,  der  Erdseele  gewordenen  Offenbarungen  (s. 
cap.  29)  hin,  und  auf  die  Flammen  des  Altars  als  die  Vermittler 
der  höhern  Wahrheiten  an  die  Menschen  deutend,  fordert  er  die 
versammelte  Menge  auf,  dass  alle  einzelnen  Menschen,  Männer  wie 
Weiber,  nach  der  Verschiedenheit  des  Glaubens  sich  nunmehr  schei- 
den sollen.  Vor  allem  wendet  er  sich  an  die  Grossen  des  Reichs, 
von  denen  sicher  Vistä9pa,  der  treue  Freund  Zarathustra's,  an- 
wesend war,  mit  der  Aufforderung,  seiner  neuen  nun  zu  verkündigen- 
den Lehre  beizutreten  (2).  Nach  diesen  einleitenden  Worten  be- 
ginnt er  seine  neue  Lehre  zu  entwickeln.  Der  tiefgreifende  Unter- 
schied der  Menschen  in  Gedanken,  Worten  und  Thaten  ist  auf 
zwei  uranfängliche  Geister  zurückzuführen^  von  denen  der  eine  das 
Gute,  der  andere  das  Böse  in  sich  begreift  (3).  Von  diesen  bei- 
den Geistern  oder  Principien,  von  denen  indess  nur  das  Gute  als 
deutliche  Personification  (in  Ahura-mazda)  erscheint,  hängt  alles  ab, 
sowohl  im  Irdischen,  das  Erste  genannt,  als  im  Geistigen,  im  so- 
genannten Letzten,  Leben  und  Tod,  Gutes  und  Böses;  nur  durch 
ihr  Zusammenwirken  ward  die  jetzige  Welt  (4).  Einer  von  beiden 
muss  zum  Führer  gewählt  werden,  der  schlechte  {aka,  eigentl.  der 
nichtige,  vgl.  hebr.  elüim,  die  Nichtigen,  d.  i.  Götzen)  oder  der 
gute.  Wer  den  schlechten  zu  seinem  Leitstern  wählt,  dem  wird 
ein  hartes  Loos  ;  wer  aber  den  guten  heiligen  Geist  verehrt,  der 
wird  schöne  Tage  sehen  (5).  Beiden  kann  man  nicht  dienen.  Wenn 
auch  einer  der  bösen  Geister  (ein  Daeva)  einen  in  Versuchung  füh- 
ren will  und  einem  zuflüstert,  den  schlechten  oder  nichtigen 
Sinn  zu  wählen,  so  soll  man  sich  nicht  irre  machen  lassen;  ja  auch 
dann  nicht,  wenn  diese  bösen  Geister  schaarenweise  gegen  die  bei- 
den von  den  alten  Propheten  laut  verkündigten  Leben,  das  gute 
irdische  und  das  gute  geistige,  mit  aller  Macht  anrennen  (6).  Die- 
ses gute  Leben  zu  stärken  liegt  der  Armaiti  ob,  der  Frömmigkeit 
und  Ergebenheit  im  Verein  mit  der  guten  Gesinnung  und  dem  irdi- 
schen Besitzthuni  —  denn  leibUches  und  geistiges  Wohl  sind  als 
untrennbar  gedacht  — ;  sie  schafft  als  ewig  fortwirkende  Kraft  (sie 
ist  zugleich  Genie  der  Erde)  die  körperlichen  Formen,  während  der 
sie  beseelende  Geist,  das  Erste  in  den  zeitlichen  Schöpfungen,  in  des 
höchsten  Gottes  Händen   ist    (7).      Wenn    nun  auch    der  Geist   mit 


94  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   I.     Cap,  30,   1. 

zeitlichen  Uebeln  heimgesucht  wird,  so  wird  doch  dem  Gläubigen 
durch  Ahara-mazda  ein  Besitz  zu  Theil,  während  er  die  straft, 
welche  lügen  und  ihr  Versprechen  nicht  halten  (8).  Doch  wir,  ruft 
Zarathustra  in  voller  Siegesgewissheit  aus,  wollen  uns  durch  das 
Böse  nicht  irre  leiten  lassen  und  angelegentlich  an  der  Forterhaltung 
dieses  Lebens  (des  guten  irdischen)  arbeiten,  welches  hohe  Be- 
ginnen von  den  höchsten  Geistern  unterstiitzt  werden  wird.  Vor 
allem  aber  ist  nach  Weisheit  und  Einsicht  zu  streben,  ohne  welche 
nichts  Gutes  ausgeführt  werden  kann  (9).  Nur  durch  die  Macht 
der  Einsicht  und  des  Verstandes  wird  das  Böse  vernichtet.  Volles 
und  ungeschwächtes  Glück  ist  aber  bloss  bei  den  himmlischen  Gei- 
stern, dem  Weisen  (Mazda),  der  guten  Gesinnung  und  dem  Wah- 
ren, die  allgemein  als  „die  guten"  gepriesen  sind,  zu  suchen  (10). 
Schliesslich  fordert  der  Prophet  seine  Zuhörer  auf,  die  heiligen 
Sprüche  des  höchsten  Gottes  zu  befolgen,  die  zur  Vernichtung  der 
Lügner  und  Frevler  (der  Götzendiener),  aber  zum  Glück  und  Heil 
der  Wahrhaftigen  und  Frommen  (der  Ahura-mazda-Diener)  geoffen- 
bart sind  (11). 

V.  1.  Dieser  Vers  ist  nur  ein  Prooemium  zu  dem  Capitel.  Eine 
unverkennbare  Aehnlichkeit  damit  hat  der  Anfang  von  45,  1:  Ver- 
kündigen will  ich  nun  euch,  die  ihr  von  nahe  und  von  ferne  ge- 
kommen seyd.  —  Isheiito  lässt  leicht  mehrfache  Erklärungen  zu,  je 
nachdem  das  Wort  abgeleitet  wird.  Man  kann  an  die  Wurzel  ish, 
die  im  Sanskrit  mehrere  Bedeutungen:  kommen,  wünschen, 
Speise,  hat,  denken,  aber  auch  an  die  Wurzel  ^af,  verehren,  die 
sich  leicht  zusammenziehen  kann,  wie  in  ifai,  ich  will  verehren 
etc.  Nur  durch  eine  genauere  Vergleichung  der  Stellen,  in  denen 
sich  solche  Formen  von  ish  finden,  kann  hier  die  sichere  Bedeu- 
tung ermittelt  werden.  Oefter  finden  wir  das  Wort  in  den  Gdthas, 
wie  45,  1  ishathd ,  ihr  kämet,  45,  7  ishdonti,  und  46,  9 
ishenti,  wo  nur  die  Bedeutung  wandeln,  gehen,  einen  genügen- 
den Sinn  giebt;  am  gebräuchlichsten  ist  iskja,  ishjdg,  Partie,  futur. 
pass.  32,  16.  50,  9.  51,  17,  welches  nur  auf  ish,  gehen,  kom- 
men, zurückgeführt  werden  kann  (s.  die  Uebersetzung  der  betreifen- 
den Stellen).  Hieher  ist  auch  das  bekannte  Prädikat  Airjama's: 
ishjo,  zu  ziehen,  „der  zu  Kommende",  d.  i.  der  zur  Hilfe  gegen 
Krankheiten,  wegen  welcher  er  angerufen  wird,  kommen  soll.  Aus 
den  Jesht's  vergleiche  man  22 ,  2 :  upa  aetäm  hhshapaneni  avavat 
shdtois  urva  ishaiti  jatha  vi^pem  imat  jat  gujö  anhus,  in  dieser  Nacht 
kommt  die  Seele  (nachdem  sie  nämlich  den  Körper  verlassen  hat) 
zu  einer  solchen  Existenz,  wie  alles  dieses,  was  Leben  eines  Leben- 
digen ist.  Das  Causativum  frdishaja  findet  sich  im  Sinne  „er 
schickte  fort"  im  Medischen,  und  auch  in  der  ersten  Person  plura- 
lis  fraeslijdmahi ,  wir  schicken,  im  Zend  J.  35,  4.  Kehren  wir 
nun  zu  isheiito  selbst  zurück,  so  ergiebt  sich  auf  den  ersten  An- 
blick,   dass  es   ein  Nominativ  oder  Vocativ    oder  Accusativ    pluralis 


Haug,  die  GdtJuVs  des  Zarathustra.  I.    Cap.  30,  1.  95 

des  Partie,  praes.  einer  Wurzel  ish  ist.  Von  der  Wurzel  jag  kann 
es  aus  mehrern  Gründen  nicht  abgeleitet  werden,  einmal  würde  sich 
diese  im  Partie,  praes.  und  am  wenigsten  in  einer  starken  Casus- 
form so  zusammenziehen  können,  dann  würde  es  an  unserer  Stelle, 
noch  weniger  aber  in  47,  6  einen  genügenden  Sinn  geben,  an  letz- 
terer Stelle  wäre  es  geradezu  widersinnig.  Die  mehrfachen  Bedeu- 
tungen der  Wurzel  ish  anlangend,  so  kann  ich  ihr  nicht  die  von 
„wünschen",  wozu  man  leicht  geneigt  seyn  könnte  und  wie  Nerios. 
gewöhnUch  thut,  beilegen,  da  diese  im  ganzen  Zendawesta  meines 
Wissens  sich  nicht  nachweisen  lässt.  So  bleiben  wir  am  besten  bei 
der  von  gehen,  kommen,  stehen.  Hier  ist  es  nun  Vocativ,  eine 
Anrede  an  die  Herzuströmenden,  welche  Zarathustra's  neue  Lehre 
hören  wollen,  vgl.  45,  1.  —  Für  mazddthd  hat  die  Mehrzahl  der 
Mss.  inazdci  thwd,  was  offenbar  nur  wie  eine  Verbesserung  jenes  un- 
verstandenen Substantivs  aussieht.  Nerios engh  hat  j6  mahd^ndnine 
daite.  Dieses  mazddthd  sieht  wie  eine  Abstractbildung  mittelst  des 
Suffixes  thd  von  mazdd  aus.  Aber  ein  solches  Abstractum,  das  ein 
Feminin  seyn  müsste,  ist  nicht  gut  zu  begreifen,  wenn  auch  sein 
etwaiger  Sinn  „Verherrlichung"  nicht  ganz  unpassend  wäre.  Da- 
gegen lösen  sieh  alle  Schwierigkeiten,  wenn  man  mazdd  ^thd  trennt, 
ersteres  als  Neutrum  plur.  im  Sinne  von  29,  8  fasst.  und  letzteres 
für  das  Adverbium  athd  nimmt.  Vgl.  v.  3:  akemcd  ^Jdogcd  für  a' 
ajdogcd.  Dieses  mazdd  steht  den  folgenden  gtaotdcd  und  jegnjdcdy 
welche  indess  Neutra  pluralia  sind,  ganz  parallel;  welche  Art  der 
Verehrung  es  neben  diesen  zwei  AehnUches  bedeutenden  Wörtern 
ausdrücke  ,  lässt  sich  nach  den  jetzigen  Mitteln  wohl  nicht  sagen. 
Ebenso  stehen  hjatcit  vidushe  ahurdi  und  vanheus  mananho  sich  gleich. 
Hjatcit  vidushe,  „dem  Jegliches  Wissenden",  ist  wohl  nur  eine  Um- 
sehreibung des  Namens  mazddo  und  ein  alter  Erklärungsversuch  des- 
selben. —  Humdzdrd  Nerios.:  sumata,  ist  der  Bildung  nach  Sub- 
stantiv einer  Wurzel  mc7z ,  die  wir  in  Verbindung  mit  dd  in  der 
Form  mäzdazdüm  J.  53,  5  haben  •,  als  Derivate  derselben  treffen  wir 
mäzd  (Neutr.  plur.)  J.  49,  10  und  mäzdra  (Adj.)  J.  43,  12.  Das 
Substantiv  mäzdra  selbst,  durch  das  Suffix  tra  gebildet,  dessen  t 
wegen  des  wurzelhaften  z  zu  d  sieh  erweichte,  kann  die  Bedeutun- 
gen eines  Concretums  oder  eines  Abstractums  haben,  je  nachdem 
als  Nominativ  o  oder  em  angenommen  wird.  Hier  ist  es  offenbar 
neutrales  Abstractum;  concret  dagegen  ist  mäzdro  Jt.  5,  91,  wo 
dasselbe  neben  hadhd - hunaro y  „der  beständig  Tugendhafte**,  und 
tanu-mäthruy  „der  das  heilige  Wort  in  sich  selbst  trägt  oder  dessen 
Selbst  das  heilige  Wort  ist",  eine  Benennung  Zarathustra's  ist.  Die 
Erklärung  und  Bedeutung  der  Wurzel  anlangend,  so  kann  mdz  zu- 
nächst als  Erweiterung  zweier  Wurzeln  betrachtet  werden,  einmal 
von  man,  denken,  durch  Anfügung  des  eausativen  ä  (aus  az==ag, 
agere,  verstümmelt),  wie  in  meräz,  tödten  (aus  mere,  sterben), 
und  gerez,  weinen,  von  einem  gare,  gere  =  gr,  tönen;  dann  von 
maz,  gross,  gross  seyn,  durch  Infigirung  eines  Nasals,  eine  aus 


96  Hang,  die   Gdthd's  des  Zarathustra.   I.    Cap.  30,  1. 

dem  Sanskrit,  Griechischen  und  Lateinischen  sehr  bekannte,  aber 
auch  dem  Baktrischen  nicht  fremde  Erscheinung  (man  vgl.  das  Prä- 
sens von  band,  binden,  mit  dem  Partie,  pass.  ba^ta)-,  in  diesem 
letztern  Falle  würde  es  vollständig  dem  wedischen  mamh,  nach  den 
Nigh.  3,  20  ein  Verbum  des  Gebens,  aber  auch  mächtig  seyn 
bedeutend,  entsprechen.  Indess  ist  noch  eine  dritte  Erklärung  mög- 
lich, nämlich  eine  Ableitung  von  der  Wurzel  mand,  freuen  (eigentl. 

^  berauscht  seyn,  namentlich  vom  Soraa);  in  diesem  Falle  könnte 
man  mäzdrd  mit  dem  wedischen  mandra  (Rv.  I,  122,  11  von  den 
Nahusha's  gebraucht,  vom  Schol.  durch  mddajitdrah.  Erfreu  er,  er- 
klärt; der  Sinn  erfordert  jedoch  sich  erfreuend;  ferner  VII,  18, 
3  von  den  girah  oder  Liedern,  die  „jubelnden")  zusammenstel- 
len, nur  dürfte  nicht  ra,  sondern  dra  als  Suffix  angenommen  .wer- 
den. Indess  sprechen  die  Formen  mäza  und  mäzdra ,  die  sicher 
einer  Wurzel  mit  mäzdra  sind,  wegen  des  fehlenden  wurzelhaften 
d,  das  nur  vor  einem  andern  Dental  in  z  verwandelt  werden  kann, 
welcher  Fall  hier  nicht  zutrifft,  gegen  diese  Ableitung.  Am  meisten 
für  sich  hat  eine  Identification  des  mäz  mit  skr.  mamh,  demnach  be- 
deutete hu-mäzdra  grosse  Macht  oder  auch  sehr  mächtig,  ge- 
waltig; auch  kann  der  Begriff  glücklich  darin  liegen.  —  Jecd 
bietet  mannigfache  Schwierigkeiten;  am  nächsten  denkt  man  an  den 
Plur.  raasc.  des  Relativums  ja;  aber  da  sogleich  der  Plural  neutrius 
desselben  Pronomens,  ja,  folgt,  so  dürfte  es  schwer  halten,  das 
iecd  relativisch  zu  fassen;  ausserdem  würde  in  diesem  besondern 
Falle  das  ca  noch  Schwierigkeiten  machen.  Nach  näherer  Ueber- 
legung  kam  ich  zu  der  Ueberzeugung,  dass  es  hier  wohl  nur  ein 
Verbum  seyn  könne  und  zwar  eine  erste  Person  Voluntativi  einer 
Wurzel  Jac  oder  jdc,  die  voUkoihmen  zu  dem  sanskritischen  jdc, 
verlangen,  wünschen,  stimmt,  das  wir  selbst  im  Weda,  wenn 
auch  selten,  finden.  Man  vergleiche  Säma-veda  I,  4,  1,  2,  5:  d  tvd 
Somas'ja  galdajd  sadd  jdcannahani  gjd  |  bhürnim  mrgam  na  savaneshu 

^  ciiknidham  ka  tgduam  na  jdcishat  [|  „Dich  (Indra)  flehe  ich  durch  des 
Soma  Tropfenfall  an:  asiegen  möchte  ich»;  nicht  mag  ich  wegen  der 
Opfer  (durch  Nichtdarbringung)  den  Ergrimmten  (den  Gott)  erzür- 
nen; wer  würde  nicht  den  Herrn  erbitten?"  Diese  Bedeutung  des 
Erbittens  durch  Opfer  kann  auch  leicht  in  die  des  Darbringens 
übergehen,  welche  Westerg.  in  seinen  Radices  Hngua?  Sanscritae  neben 
der  erstem  der  Wurzel  beilegt.  Verfolgen  wir  das  Wort  im  Zend, 
so  ist  mir  nur  noch  dieselbe  Form  fecd  J.  51 ,  2  bekannt.  Hier 
liegt  die  Bedeutung  erflehen,  erbitten,  ganz  nahe  und  diese 
können  wir  auch  an  unserer  Stelle  anwenden,  wenn  da  schon  die 
von  „überbringen"  besser  passte.  —  Daregatd  ist  hier  nicht  etwa 
eine  dritte  Person  imperf.  medü,  wie  man  vermuthen  könnte,  son- 
dern das  Adject.  verbale  der  Wurzel  dareg  =  skr.  dr^,  im  Sinne 
von  „sichtbar,  sehenswerth";  es  gehört  zu  urvdzd,  einem  Neutrum 
pluralis  von  urvdzem,  „die  Auffahrt",  d.  i.  der  Aufgang  vom  Feuer 
und  den  himmlischen  Lichtern,  32,  1.  —   Der  Instrumental  raocebis 


Hang,  die  Gdthä's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  30,   1.  2.         97 

bestimmt  näher ,  worin  die  Sehenswürdigkeit  der  iirvdzd  (Nerios. 
dnandüa;  32,  1  pramodasja,  Freude)  besteht.  Aber  die  an  Lich- 
tern oder  durch  Lichter  sehenswerthen  „Aufgänge"  können  einen 
doppelten  Sinn  haben;  einmal  können  es  die  Aufgänge  der  Him- 
melslichter, namentlich  der  Sonne  (so  wird  urvdzemna  3t.  10,  34. 
73  wirklich  vom  Aufgehen  des  Mithra,  d.  i.  der  Sonne,  gebraucht), 
überhaupt  seyn,  so  dass  es  eigentlich  hiesse:  „die  an  den  Lichtern 
sichtbaren  Aufgänge";  dann  kann  es  auch  die  starke  Lichtentwick- 
lung beim  Emporlodern  der  Feuerflamme  ausdrücken;  in  diesem  Fall 
wäre  der  Sinn :  „durch  die  Flammen  sehenswerthe  Aufgänge"  (seil, 
der  Himmelskörper).  Von  diesen  beiden  möglichen  Deutungen  ver- 
dient die  erstere  als  die  einfachste  den  Vorzug.  Allein  der  folgende 
Vers  könnte  leicht  darauf  führen,  dass  hier  von  einem  auflodernden, 
weithin  sichtbaren  Feuer  die  Rede  ist ,  vor  welchem  stehend  und 
welches  anrufend  der  grösste  aller  Feuerpriester,  Zarathustra,  seine 
erhabene  Lehre  dem  versammelten  Volke  vortrug.  Da  aber  raocdo 
gewöhnlich  nur  von  den  Himmelslichtern,  der  Sonne  und  den  Ster- 
nen, gebraucht  wird,  so  müssen  wir  von  dieser  letztern  Deutung, 
so  ansprechend  sie  auch  ist  und  so  wahrscheinlich  die  vermuthete 
Situation  auch  Statt  hatte,  abstehen.  In  32,  1  dagegen  wird  ur- 
vdzem  vom  Aufgang  des  Feuers  zu  verstehen  seyn. 

V.  2.  Avaaiatd  ist  trotz  des  Augments  Imperativ  oder  hat  jeden- 
falls den  Sinn  eines  solchen  etwa  als  ein  augmentirter  Conjunctiv  (s.  d. 
Gr.),  weil  es  dem  ^raotd,  „höret",  ganz  parallel  steht.  —  Qücd,  Nerios. 
7iirmalatara,  Hesse  sich  möglicherweise  mehrfach  deuten;  man  könnte 
es  als  einen  Instrumental  der  Wurzel  ^-üc,  leuchten,  nehmen  und 
seht  mit  dem  Lichte  deuten;  aber  dem  transitiven  Verbum  avae- 
natd  würde  dann  ein  Object  fehlen;  desswegen  ist  es  das  Sicherste, 
^ücd  als  einen  neutralen  Plural ,  unmittelbar  aus  der  Wurzel  ^ilc, 
leuchten,  heratisgebildet,  zu  nehmen,  i).  Hierunter  sind  die  Flam- 
men des  heiligen  Feueraltars,    vor  welchem  Zarathustra   steht,    gc- 


')  Derselben  Wurzel  entstammt  QÜka  (ganz  verschieden  von  <^.aoka. 
Nutzen,  Wurzel  qu .,  nützen),  Glanz,  Licht;  durae-QÜka ,  weithin 
leuchtend,  ein  Name  des  Ahura-mazda,  Jt.  1,  15;  klar  ist  diese  Bedeu- 
tung namentlich  in  Jt.  10,  23:  apn  pddhajäo  zavare  apa  cnshmando  ^ükeni 
apa  gaoshajäo  graomu ,  du  (Mithra)  mögest  wegnehmen  den  Füssen  die 
Kraft,  den  Augen  das  Licht  (Sehvermögen),  den  Ohren  das  Gehör.  14,  29 
steht  es  von  dem  Lichte,  welches  der  Fisch  Aar  (karö  maQJo)  hat,  der  im  See 
mit  den  fernen  Ufern  Wache  hält;  Nj.  6,3:  d  fhivd  dtarcm  gäraj^mi  — 
(:Cikdi  mananha  QÜkdi  vacahha  Qtikdi  .skjanthana ,  dir,  dem  Feuer,  bringe 
ich  Lob  zur  Erleuchtung  in  Gedanken,  zur  Krleuchtiuig  im  Wort,  zur  Kr- 
leuchtung  in  der  That.  Ganz  andern  Stammes  ist  das  {ükd  Jt.  14,  33.  IG, 
33  (nur  im  Genitiv  ^ükajdo  erhalten);  dieses  bedeutet  die  Granne  einer 
Aehre,  namentlich  der  Gerste,  im  neupersischen  sök  noch  ganz  treu  erhal- 
ten; dieselbe  Bedeutung  hat  das  sanskritische  ruka. 

Abhandl.  der  mir,.     1,3.  7. 


98  Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  30,  2. 

meint.  —  Für  das  d  vare  näo  Westergaard's  ist  wohl  richtiger  d 
varendo  zu  schreiben;  K.  6.  hat  dvare  ndo,  K.  4.,  11  dvarendo,  ebenso 
Bf.  und  Bb.  Bei  dieser  Trennung  ergäbe  sich  ein  etwas  seltsamer 
Sinn:  „in  dem  Kreise  oder  Umkreise  von  uns  beiden";  denn  vare, 
bekannt  genug  aus  dem  zweiten  Fargard  des  Vendidad,  lässt  sich 
nur  in  der  Bedeutung  Kreis,  Bezirk  nachweisen;  möglich  wäre 
immer  auch  eine  Zurückfiihrung  auf  var,  wählen,  aber  so  abgelei- 
tet stände  es  gar  zu  vereinzelt  da.  Indess  auch  bei  dieser  Fassung 
würde  das  ndo,  unser  beider,  Schwierigkeiten  machen.  Allem  die- 
sem wird  vorgebeugt,  wenn  man  d  varendo  abtheilt;  letzteres  ist 
dann  ein  Accus,  plur.  von  varend,  das  aufs  nächste  mit  dem  häufig 
vorkommenden  varena y  Glaube,  Bekenntniss,  verwandt  seyn 
muss.  Der  Ausdruck  d  varendo  heisst  dann  „nach  den  Glaubens- 
ansichten". Diese  Bedeutung  passt  trefllich  in  den  Zusammenhang 
dieses  Verses  sowohl,  als  auch  der  übrigen,  da  dem  versammelten 
Volke  hier  die  neue  Lehre  zu  freier  Wahl  vorgelegt  wird.  —  Der 
Genitiv  vicithahjd  ist  von  vahistd  mananhd  abhängig  zu  denken  und 
regiert  hier  den  Accusativ  narem,  obschor»  vicitha  eigentlich  ein  Sub- 
stantiv ist;  als  Verbalnomen  oder  eine  Art  Infinitiv  kann  es  noch 
leicht  diese  Rolle  spielen.  —  Für  narem  hat  K.  4.  narim  und  Bb. 
narem;  narim  sieht  wie  eine  deutlichere  Aussprache,  Jiarem  wie  eine 
Verbesserung  des  missverstandenen  narem  aus.  Das  e  steht  im  älte- 
ren Dialekt  häufig  für  i,  und  narem  kann  für  nairim  stehen,  von 
nairi  (Weib).  Auffallen  kann  hier  aber  zweierlei:  erstens,  dass  bei 
der  Redeweise  „Mann  oder  Weib"  die  sonst  gewöhnliche  Disjunctiv- 
partikel  vd  fehlt  (vgl.  J.  35,  6.  41,  2  nd  vd  ndiri  vd;  46,  10:^6 
od  moi  71  d  gend  vd;  in  53,  6  ist  wenigstens  die  Partikel  athd: 
naro  athd  genajo);  zweitens,  dass  „Weib"  nicht  nairi  mit  kurzem  «, 
sondern  stets  ndiri  mit  langem  ä  lautet,  das  auch  in  dem  abgelei- 
teten Worte  derselben  Bedeutung  ndirikd  sich  findet;  auch  das 
Sanskrit  hat  ndri.  Diese  zwei  Gründe  könnten  leicht  die  Lesung 
narem  als  unrichtig  erscheinen  lassen;  aber  sie  ist  durch  Handschrif- 
ten so  beglaubigt,  dass  wir  nicht  so  ohne  Weiteres  davon  abgehen 
können  und  sie  in  narem  verwandeln  dürfen ;  denn  bei  dieser  Lesung 
(narem)  wäre  es  kaum  begreifbar,  wie  wegen  des  unmittelbar  fol- 
genden ganz  gleichen  narem  aus  ihm  narem  oder  narim  geworden 
wäre.  Wollte  man  doch  zweimal  narem  lesen,  so  könnte  dieser 
Wiederholung  nur  distributiver  Sinn  „jeder  einzelne  Mann"  beige- 
legt werden;  indess  ist  der  distributive  Sinn  durch  die  Phrase:  qaq- 
jdi  tanujcj  für  seinen  eigenen  Körper  =  für  sich  selbst 
(man  vergleiche  Rv.  10,  8,  4:  tanve  svdjdi)  schon  ausgedrückt. 
Da  die  Verbindung  „Mann,  Weib"  zur  Bezeichnung  von  Leuten 
und  Personen  überhaupt  gebraucht  wird,  welchen  Sinn  der  Zusam- 
menhang unserer  Stelle  nothwendig  fordert ,  so  nimmt  man  am 
besten  narem  als  Weib;  aber  der  durchgängigen  Analogie  wegen 
ist  ndrem  zu  schreiben  ;  die  Länge  des  d  der  ersten  Sylbe  kann 
leicht  dadurch  verloren  gegangen  seyn,  dass  der  Ton  sehr  stark  auf 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.   L    Cap.  30,  2.  3.         99 

die  letzte  Sylbe  fiel.  —  Pard  ist  hier  nicht  die  sanskritische  Prä- 
position pard  =  griech.  Trapa,  sondern  so  viel  als  purd,  und  be- 
deutet früher,  vordem,  s.  noch  43,  12;  purd  jjat  =  antequam, 
51,  15.  53,  6.  7;  im  Jüngern  Dialekt  entspricht  para  J.  19,  2.  4. 
An  unserer  Stelle  ist  es  eng  mit  mazt  zu  verbinden,  „ihr  Grossen 
von  Alters  her".  Zarathustra  wendet  sich  nämlich  in  seiner  Rede 
hauptsächHch  an  die  Vornehmen  als  Häupter  des  Volks,  und  deutet 
durch  das  beigesetzte  pard  an,  dass  sie  auch  jetzt,  wo  es  sich  um 
die  Einführung  eines  neuen  und  weit  bessern  Glaubens  handle,  in 
der  Beförderung  einer  das  allgejneine  Beste  betreffenden  Sache  ihren 
alten  Ruhm  der  Vaterlandsliebe  bewähren  mögen.  Der  Stellung  im 
Satze  nach  können  wir  es  nur  als  einen  Vocativ  nehmen  und  auf 
die  Verben  ^raotd  und  avaenatd  beziehen.  —  Dass  ^ad  (Wurzel  des 
Infinitivs  ^azdjdi)  eigentlich  fallen,  im  Zendawesta  meist  so  viel 
als  zufallen,  sich  schicken,  übereinstimmen  und  Aehnliches 
sicher  bedeute,  siehe  das  Glossar  und  zu  51,   16. 

V.  3.  Mit  diesem  Verse  beginnt  eigentlich  erst  die  Rede  Za- 
rathustra's.  Pouruje  braucht  nicht  adverbial  gefasst  zu  werden  im 
Sinne  von  „zuerst,  uranfänglich",  sondern  es  ist  Dual  von  paouruja; 
man  verbindet  es  am  besten  enger  mit  jemd  und  qafnd.  Zarathu- 
stra redet  hier  vom  Urzustand  der  beiden  Geister,  ehe  sie  ihre 
Schöpfungen,  die  sich  entgegengesetzt  waren,  begannen.  —  Jemd 
und  qafnd  bieten  bedeutende  Schwierigkeiten  für  den  Erklärer. 
Nerios.  hat:  piirvam  jdu  hkümandale  svajam  avocatdm;  kila  Jdu  ptm- 
jaih  pdpamca  svajam  avocatdm.  Jemd  ist  nicht  etwa  in  jem  d  zu 
zerlegen  oder  in  je  md,  wie  wir  44,  12  haben,  wo  K.  5.  ebenfalls 
jemd  zeigt,  steht  auch  nicht  wohl  im  jehmd,  was  der  Dativ  sing, 
des  Relativs  wäre,  wie  K.  4.  hat,  sondern  es  ist  ein  Nomen  im 
Dual.  Wir  finden  dasselbe  nicht  mehr  weiter  im  Zendawesta;  nur 
eine  Verbalform  ajamaite,  die  aber  am  Ende  auf  eine  verschiedene 
Wurzel  zurückgeführt  werden  muss,  treffen  wir  31,  13.  Am  näch- 
sten verwandt  scheint  der  Eigenname  Jima,  den  wir  auch  in  den 
Gdthd's,  wenigstens  einmal  32,  8,  haben.  Dieses  Wort  konnte  im 
altern  Dialekt  leicht  zu  jema  werden  durch  Verwandlung  des  i  in  e, 
ein  Fall ,  der  hier  häufig  eintritt.  Im  Sanskrit  entspricht  Jama. 
Dieser  Name  des  spätem  Höllengottes  ist  nicht  von  jam,  bändi- 
gen, abzuleiten,  sondern  das  Wort  ist  ursprünglich  identisch  mit 
jama,  Zwilling;  als  solche  Zwillinge  (jame,  jamajohj  sind  Himmel 
und  Erde  genannt  (Rv.  X,  8,  4.  13,  2),  ja  wir  finden  Rv.  X,  10 
einen  männlichen  Jama  und  eine  weibliche  Jami  unterschieden,  wor- 
unter Zwillingsbruder  und  Zwillingsschwester  zu  verstehen  sind.  Mit 
diesem  jama  in  seiner  ursprünglichen  Bedeutung  „Zwilling"  ist  wohl 
unser  jemd  identisch.  Die  beiden  uranfänglichen  Geister  sind  dem- 
nach als  Geschwister  bezeichnet,  jedoch  Geschwister  unähnlicher  Art, 
wie  Nacht  und  Morgenröthe  in  den  Liedern  des  Rik   so  häufig  als 

7* 


100  Haag,  die   Gdthas  des  Zarathustra.   I.     Cap.  30,  3. 

ein  Gescliwisterpaar  erscheinen.  Die  Verwandtschaft  liegt  in  der 
gemeinsamen  Uranfänglichkeit  nnd  der  geistigen  Macht,  welche  sie, 
wenn  anch  einander  gerade  entgegengesetzt ,  doch  gleichmässig 
üben.  —  Noch  mehr  Schwierigkeiten  als  bei  jemd  sind  bei  qafnd 
zu  lösen.  Dieses  heisst  in  den  Jüngern  Stücken  des  Zendawesta 
Schlaf,  und  entspricht  dem  sanskritischen  svapna.  Aber  mit  die- 
ser Bedeutung  lässt  sich  hier  nichts  anfangen ,  auch  Neriosengh 
denkt  nicht  daran.  Wir  müssen  desshalb  eine  neue  Ableitung  ver- 
suchen. Ohne  die  geringste  Aenderung  vorzunehmen,  kann  dieses 
qafiid  auf  ein  sanskritisches  su  -  apna  zurückgeführt  werde» ,  was, 
da  apnas  so  viel  als  apas ,  That,  Werk  bedeutet,  mit  dem  be- 
kannten svapds ,  dem  das  Baktrische  hvdpdo  entspricht ,  identisch 
wäre  und  „von  gutem  Werk,  trefflich,  vorzüglich"  hiesse.  Aber 
da  ein  solches  ehrendes  Beiwort  eigentlich  nur  dem  einen  der  bei- 
den Geister,  dem  guten,  angemessen  ist,  so  erheben  sich  ge- 
wichtige Zweifel  gegen  diese  Ableitung.  Sie  kann  nur  gehalten 
werden,  wenn  man  eine  etwas  andere  Bedeutung  annimmt;  su  kann 
nämlich  auch  nur  sehr  bedeuten  und  so  könnte  das  angenommene 
siL-apna  sehr  thätig,  sehr  geschäftig  heissen.  Eine  weitere 
möghche  Erklärung  wäre,  qafnd  aus  qdfnd  verkürzt  zu  nehmen  und 
in  qa  -h  afna  zu  zerlegen,  was  „eigene  Thaten"  oder  auch  „selbst- 
geschäftig" hiesse.  Wollte  man  die  Wurzel  pan,  loben,  preisen, 
die  sich  im  Baktrischen  indess  nicht  nachweisen  lässt,  herbeiziehen,  so 
würde  das  Prädikat  wieder  wie  oben  nur  für  den  guten  Geist  pas- 
sen. Am  gerathensten  dürfte  es  seyn ,  das  Wort  im  Sinne  von 
selbstthätig  zu  fassen,  da  dieser  Sinn  am  besten  zu  passen 
scheint.  Auch  Nerios.  sieht  darin  qa  =  sva,  indem  er  es  durch  svajam 
übersetzt.  —  Hi  vahjo  akemcd  ist  mit  a^rvdtem  zu  verbinden,  nur 
fragt  es  sich ,  ob  als  Nominativ  oder  als  Accusativ.  Im  erstem 
Falle  hiesse  es:  welche  (beiden  Geister)  hörten  als  Gutes  und  Böses, 
d.  i.  welche  für  gut  und  bös  galten.  Bei  der  zweiten  Fassung 
kommt  der  Sinn  heraus :  welche  hörten  das  Gute  und  das  Böse. 
Letztere  giebt  keinen  befriedigenden  Sinn  und  erstere  hat  einige 
Härten;  denn  man  erwartet,  wenn  der  angenommene  Sinn  hier  zu- 
treffen soll,  eher  ein  Passivum  als  ein  Activum.  Allein  da  die  Pas- 
siva durch  die  Endung  jft  im  Baktrischen  nicht  mehr  so  flüssig  und  leicht 
bildbar  sind,  wie  im  Sanskrit,  so  ist  es  leicht  möglich,  dass  dieses 
acrvdtem,  obwohl  activ  gebildet,  passiven  Sinn  haben  kann.  Diese 
Annahme  erhält  noch  dadurch  eine  Stütze,  dass  das  Verbum  ^rd 
gerade  öfter  in  der  Bedeutung  bekannt  oder  gekannt  seyn  in 
den  Gdthd's  vorkommt;  so  ^rdvi,  audiebatur,  32,  7.  8.  45,  10. 
53,  1.  Nur  so  gefasst  erhält  der  Satz  einen  guten  Sinn.  —  Für 
do^cd  von  K.  5,  4,  9  liest  K.  6.  Jdogcd ,  ebenso  Bf.  und  Bb. 
Westergaard  vermuthet  in  Note  2  zu  v.  3  ajdo^cd,  wohl  mit  Recht; 
man  vergleiche  nur  die  Parallelstelle  v.  6 :  ajdo  noit  eres  vishjdtd. 
\Yegen  des  schliessenden  d  des  unmittelbar  vorhergehenden  akemcd 
konnte    in  der  Aussprache  immerhin  leicht   das  anlautende  flüchtige 


Haug,  die  Gdthä's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  30,  3.  4.       101 

a  von  ajdo  unhÖrbar  werden.  Da  nun  gar  keine  Handschrift  die 
so  naheliegende  Lesung  ajäo^cd  hat,  so  können  wir  dieses  doch  nicht 
so  ohne  Weiteres  in  seiner  vollen  Form  in  den  Text  aufnehmen, 
sondern  wir  thun  am  besten,  'jäo^cd  vorn  mit  einem  Apostroph  zu 
schreiben    als  Zeichen  des  elidirten  a.    —    Der  ganze  Satz   'jdo^cd 

—  duzddonho  ist  an  die  Anwesenden  überhaupt  gerichtet,  aber  sein 
Sinn  ist  nicht  recht  klar  ausgedrückt.  Dieser  ist  offenbar:  von  die- 
sen beiden  Geistern  sollt  ihr  nur  einem  folgen  und  zwar  dem  guten; 
seyd  daher  Thäter  des  Guten  und  nicht  des  Bösen.  Das  ydo^cd 
ist  ganz  elliptisch  vorangestellt;  es  ist  eigentlich  ein  Genitiv-Locativ 
Dualis  des  Pronomens  i;  wörthch  genommen,  kann  es  nur  heissen : 
und  unter  diesen  beiden,  d.  i.  was  diese  beiden  anbetrifft.  — 
Vishjdtd  ,  eine  zweite  Person  imperativi  phiralis  oder  eine  zweite 
conjunctivi  pluralis,  lässt  sich  möglicherweise  von  zwei  Wurzeln,  die 
beide  im  Baktrischen  vertreten  sind,  ableiten  und  zwar  von  vi^  und  vi, 
beide  gehen  bedeutend.  Von  der  erstem  abgeleitet,  könnte  die 
Sy\he  ja  nur  Zeichen  der  sogenannten  4.  Conjugation  seyn;  aber 
auf  diese  Weise  findet  sich  vig  sonst  nicht  conjugirt.  Nach  der 
zweiten  Ableitung  wäre  es  eine  Aoristform  mit  s  oder  eine  Art 
Conditionalis.  Da  derartige  Conditionalformen  sich  schwer  nach- 
weisen lassen,  so  bleibt  man  am  besten  bei  der  ersten  Ableitung. 
Das  vig  hat  indess  hier  nicht  seine  gewöhnliche  Bedeutung  gehen, 
sondern  es  ist  eine  Bezeichnung  von  seyn  geworden.  Man  vergl. 
Vend.  2 ,  3 :  viganha  mi  Jinia  grtra  Vivanhana  mereto  beretaca  dae- 
najdo,  sey  mir,  glücklicher  Jima,  Vivanhvat's  Sohn,  ein  Verkündiger 
und  Träger  des  Glaubens;  v.  3:  jezi  noit  —  vivige,  wenn  du  nicht 
seyn  willst;  v.  4:  daf  me  vigdi  (2.  Conjunct.),  dann  sey  du  mir. 
Identisch  damit  ist  das  germanische  wesan  ,  seyn,  in  gewesen 
erhalten. 

V.  4.  Dazde  ist  eine  dritte  Person  dualis  praes.  medü  der  Wur- 
zel da,  schaffen,  ebenso  51,  19,  und  nicht  etwa  eine  dritte  Per- 
son sing,  praes.  med.,  wie  man  vermuthen  könnte  (s.  d.  Gramm.). 

—  Gaem  (von  gfja;  s.  hierüber  Zendstudien  in  der  Zeitschrift  der 
D.  M.  Gesellsch.,  VIII,  746  fg.)  und  agjditim  bilden  Gegensätze; 
beide  Wörter,  derselben  Wurzel  gi  für  gi  entstammend,  bezeichnen 
das  Daseyn  und  das  Nichtdaseyn,  genauer  ein  Gut  (erworbe- 
nes) und  ein  Nichtgut,  worunter  der  strenge  Gegensatz  von  Leben 
und  Tod,  und  von  Gutem  und  Bösem  zu  verstehen  ist.  Beide  sind 
eine  nähere  Erklärung  des  paoiirvim  (seil,  nnhus),  des  Ersten,  d.  i. 
des  ersten  =3  irdischen  Lebens  oder  eigentlich  der  Gcsammtiuhalt 
desselben.  Zu  diesem  paoiirvim  bildet  das  jaihdcd  anhat  apemem 
afihus  den  geraden  Gegensatz,  Den  zwei  Gegensätzen  im  ersten 
oder   physischen  lieben,    Seyn   und   Nichtseyn,    entsprechen  im 

-zweiten,  geistigen,  die  gute  und  die  böse  Gesinnung.  —  Anhus  ge- 
hört zu  acisto. 


102  Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathusira.  L    Cap.  30,  5. 

V.  5.  Die  drei  Relativsätze:  je  dregvdo  etc.  und  je  khraozdisteng 
nnd  jaecd  beziehen  sich  auf  verschiedene  Glieder  des  Hauptsatzes; 
der  erste ,  der  den  Grundunterschied  der  beiden  Geister  angiebt, 
bezieht  sich  auf  ajdo  manivdo;  der  zweite  und  dritte  gehen  auf  das 
in  varatd,  „wählet'%  liegende  Subject  ihr,  womit  die  Anwesenden 
angeredet  sind.  —  Das  je  hhraozdistmg  a^eno  va^te  kann  des  Ge- 
gensatzes zum  Folgenden  wegen  nur  von  den  Verehrern  des  bösen 
Geistes,  d.  i.  den  Bösen  und  Lügnern  verstanden  werden,  wenn 
auch  wegen  des  khraozdista,  das  in  den  spätem  Stücken  den'  guten 
Sinn  „sehr  stark,  mächtig"  hat  und  sogar  von  Ahura-mazda  (J.  1, 
1)  ausgesagt  wird  und  ein  häufiges  Beiwort  seines  Fravashi  ist 
(Jt.  13,  80),  eine  solche  Beziehung  des  Sätzchens  auf  die  Bösen 
bezweifelt  werden  könnte.  Indess  lässt  sich  der  angenommene  Sinn 
aus  den  Gdthd's  selbst  und  durch  die  Etymologie  rechtfertigen. 
Khraozdista  kann  nur  ein  Superlativ  eines  khraozda  seyn,  worin  un- 
schwer ein  durch  dd  neugebildeter  Verbalstamm  zu  erkennen  ist. 
Dieses  Verbum  haben  wir  nun  wirklich  im  Imperfectum  khraozdat 
J.  46,  11  in  der  Bedeutung  verhärten  (sich),  grausam  seyn. 
Die  Wurzelform  khru  bezeichnet  auch  wirklich  das  Rohe  und  Grau- 
same, sowohl  im  Sanskrit  als  im  Baktrischen  (vgl.  auch  latein.  cru- 
dus,  crudelis).  Man  vgl.  khrüra  J.  48,  11,  ein  Beiwort  der  dregvafito; 
khrvi-drii,  auf  Grausamkeit  ausgehend,  ist  ein  stehendes  Prä- 
dikat des  bösen  Geistes  Aeshmo  (Jt.  11,  15.  13,  138.  18,  2.  19, 
46).  Khrvishjat,  wüthend,  tobend,  wird  von  einem  Heere  (Jt. 
10,  36:  ^pddhahe  khrmshjaMahe;  ^pddha  =  neupers.  sipdh,  Heer) 
gebraucht ;  namentlich  ist  die  Verbindung  haenajdo  khrvishjeitis, 
wüthende  feindliche  Heerhaufen,  häufig  (Jt.  10,  8.  47.  48. 
15,  49.  19,  54:  vandt  haenajdo  khrvishjeitis  vandt  vi^pe  tbishjato,  er 
vernichte  die  feindlichen  Heere,  er  vernichte  alle  Hasser);  auch  die 
Fravashi's  als  die  alles  Dämonische  zermalmenden  Mächte  haben 
dieses  Beiwort  (Jt.  13,  33).  Zu  derselben  Wurzel  gehört  auch 
khrüma  Jt.  10,  38  :  khrümdo  shitajo  frazanti  anashitdo  maethanjdo 
jdhva  mithro-drugö  skjeinti,  die  wilden  Schaaren  (^shüi  =  Ved.  kshiti, 
Geschlecht)  schlagen  der  Reihe  nach  die  Wohnplätze,  in  welchen 
die  Mithra- Belüger  sich  aufhalten;  Jt.  13,  38:  joi  takhma  ^aosh- 
javto  joi  takhma  Verethrdganö  khrümdo  ^)  a^ebis  frazaifdi  ddnunäm 
baevarejyaitinäm,  welche  an  Stärke  ^aoshjanto's  (ihnen  gleich),  welche 
an  Stärke  Behrame,  die  wilden  schlagen  mit  Schleudersteinen,  die 
von  zehntausend  Herren  (geführten)  Dänu's.  In  diesen  beiden  Stel- 
len bezeichnet  das  khrümdo  die  wilden ,  ungestüm  vordringenden 
Siegerschaaren ,  in  der  ersten  Stelle  die  Heere  des  Mithra.  Aus 
alle  dem  sehen  wir  nun,  dass  die  Ableitungen  der  Wurzel  khru,  die 
als  Verbum  finitum  höchstens  in  khrünjdt  Jt.  46,  5  zu  entdecken 
ist,  sowohl  in  gutem  als  schlimmem  Sinne  gebraucht  werden  kön- 
nen,   in  ersterm    stark,    kräftig,    in   letzterm    wild,    grausam 


^)  Hiezu  ist  wohl  shitajo  nach  Jt.  10,  38  zu  ergänzen. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  30,  5.  103 

bedeutend.  Der  Sinn  des  khraozdüta  an  unserer  Stelle  \um  hängt 
ausser  dem  ganzen  Zusammenhange  von  der  Fassung  seines  Sub- 
stantivs agmo  ab.  Dieses  lässt  zwei  sehr  abweichende  Deutungen 
zu.  Am  nächsten  liegt  agari,  Tag  (den  Gen.  plur.  a^ndm  siehe  in 
46,  3.  50,  10);  aber  der  Sinn:  die  härtesten,  grausamsten 
Tage  scheint  wenig  zu  befriedigen.  Neben  diesem  bekannten  a^an 
finden  wir  aber  noch  ein  anderes,  dessen  Thema  gerade  so  lautet, 
das  aber  männlichen  Geschlechts  ist ;  wir  haben  davon  nur  den 
Nomin.  acc.  plur.  a^dno  und  den  Acc.  sing,  agdnem.  Dieses  be- 
zeichnet eine  Art  Waffe,  wie  deutlich  aus  Jt.  1,  18:  7i6it  ishavo  — 
nöit  vazra  noit  vt^eriti  a^dnoy  nicht  Pfeile,  nicht  Keule,  nicht  a(^d7i6 
sind  dort,  hervorgeht;  ebenso  aus  Jt.  13,  72:  jathd  —  noit  vazro  — 
noit  ishus  —  noit  arstia  —  noit  a^dnö  aremo  —  shuto  avagjdfy  ohne  dass 
er  (der  Mann)  sich  mit  einer  Keule,  mit  Pfeilen,  mit  Geschossen, 
mit  a^dno,  die  vom  Arm  geschleudert  werden,  bewaffnet  (bekleidet). 
Vend.  19,  4:  agdno  zagta  drazimno,  a^dnö  in  der  Hand  haltend. 
In  Jt.  10,  136  ist  die  Lesart:  a^dna^ca  vi^pd  —  bdma  schwerlich 
richtig,  wesswegen  auf  diese  Stelle  für  jetzt  nichts  gebaut  werden 
kann.  Schreiten  wir  zur  Erklärung  des  Wortes,  so  müssen  wir  vor 
allem  gestehen,  dass  sich  eine  Wurzel  oder  auch  nahe  Verwandte  im 
Baktrischen  nicht  auffinden  lassen;  wir  sind  desshalb  genöthigt,  unsere 
Zuflucht  zum  wedischen  Sanskrit  zu  nehmen.  Hier  haben  wir  a^an 
und  at^na,  Stein,  Schleuderstein,  ohne  Zweifel  verwandt  mit 
a^man,  harter  Stein;  eben  dahin  gehört  auch  a^ani,  Geschoss, 
namentlich  vom  Blitz.  Im  Neupersischen  ist  es  vielleicht  in  seng. 
Stein,  erhalten.  Den  Sinn  Schleuderstein  kann  das  Wort  wohl 
in  den  angeführten  Stellen  haben.  Denselben  wollen  wir  auch  an 
unserer  Stelle  versuchen;  khraozdista  ist  dann  im  Sinn  von  sehr 
hart  zu  nehmen  und  va^te  (das  Medium  ist  wegen  des  reflexiven 
Sinnes  entschieden  dem  Activ  va^ti  vorzuziehen)  von  vag  ==  vas^ 
anziehen,  bekleiden,  und  nicht  von  vag,  wollen,  wählen, 
wozu  der  erste  Anblick  leicht  verführen  könnte,  abzuleiten.  Der 
Sinn  dieses  Satzes  nun:  „wer  sich  mit  den  härtesten  Steinen  be- 
kleidet", könnte  ein  doppelter  seyn;  erstens  kann  es  bedeuten: 
„wer  sich  mit  den  härtesten  Steinen  als  Waffen  gegen  die  Feinde 
versieht";  aber  da  hier  nur  von  geistigen  Feinden  die  Rede  ist 
und  solcher  Waffen  gegen  sie  in  den  Gdthd's  nie  gedacht  wird, 
ist  diese  Deutung  nicht  zulässig.  Die  zweite  und  nach  dem  Paral- 
lelismus der  Gheder  einzig  richtige  Erklärung  ist  die:  „wer  sich  mit 
den  schwersten  und  härtesten  Steinen  belastet",  d.  i.  wer  sich  von 
der  Noth  und  dem  Elend  niederdrücken  lässt,  was  eine  nothwen- 
dige  Folge  böser  Gesinnung  und  That  ist.  —  Das  fraoref  ist  hier 
und  Jt.  53,  2  adverbial  zu  fassen  und  mit  khs/inaoshen  zu  verbin- 
den; es  ist  eigentlich  das  neutrale  Participium  von  fra-vaiy  einen 
Glauben  bekennen,  und  steht  für  fra-varet  oder  fra-varat. 


104  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathiistra.  I.    Cap.  30,  6. 

V.  6.  In  diesem  Verse  handelt  es  sich  vor  allem  um  die  rich- 
tige Abtheiluiig  der  Sätze.  Der  erste  Satz  ist:  ajdo  nuit  eres  vish- 
jdtd  (Ner'ios.:  teca  na  satjam  viviganti),  die  Mahmmg  enthaltend,  dass 
nicht  beide  Geister  zugleich  verehrt  werden  könnten;  indirekt  liegt 
auch  die  Aufforderung  darin,  sich  dem  guten  Geiste  zuzuwenden. 
Der  zweite  Satz  ist:  daevdcina  (Nerios.:  je  ddivdh  santi)  pere^mamng 
iipdga^at;  jjat  is  (auf  daevd  bezüglich)  ddebaomd  ist  bloss  eine  Zwi- 
schenbemerkung des  Dichters  und  steht  grammatisch  in  keinem 
engern  Zusammenhange  mit  diesem  zweiten  Satze.  Die  Worte  jjat 
verendtd  acistem  mano  bilden  einen  neuen  Satz,  die  Aufforderung  der 
Daeva's  an  die  Menschen,  sie  zu  verehren,  enthaltend.  Die  direkte 
Rede  derselben  ist,  wie  gewöhnlich,  durch  j/yaf  (auch  hjat  wird  so 
gebraucht)  eingeleitet.  —  Der  letzte  Satz  at  aeshemem  —  maretdjio 
lässt  eine  doppelte  Erklärung  zu,  je  nachdem  man  die  Wörter  bd- 
najen  und  maretdnd  fasst.  Bei  häiia/jen  vermuthete  ich  zuerst  eine 
Verwandtschaft  mit  der  Wurzel  van,  vernichten,  zerstören  (das 
deutsche  bannen),  und  glaubte,  dass,  da  sich  diese  Wurzel  in  den 
Gdthd's  und  im  Ja^na-haptanhaiti  (s.  namentlich  39,  2)  in  dieser 
Bedeutung  nicht  belegen  lässt,  bän  nur  dialektisch  von  van  verschie- 
den sey.  So  fasst  es  auch  Nerios.  gaghniih.  In  dieser  Deutung 
konnte  man  leicht  noch  durch  den  guten  Sinn,  der  durch  diese 
Fassung  entsteht ,  bestärkt  werden.  Aber  eine  genauere  Unter- 
suchung führte  auf  ein  anderes  Resultat.  Dieses  bän,  das  als  Ver- 
bum  im  Zendawesta  sich  nicht  weiter  nachweisen  lässt,  findet  sich 
in  den  nächstverwandten  Sprachen.  Im  Weda  haben  wir  hhan, 
rufen,  schreien;  so  Rv.  7,  18,  7:  d  Pakthdso  Bhaldnaso  bhajianta, 
die  Pakthas  und  Bhalänas  erhoben  ein  Geschrei  (schrien  auf).  Das 
Neupersische  bietet  6a«g-,  Geschrei,  auch  bdii,  in  demselben  Sinne. 
Reich  vertreten  ist  die  Wurzel  namentlich  in  dem  Armenischen;  so 
ban  (pan).  Rede,  Wort,  Orakel;  in  religiösem  Sinne  der  Logos, 
Verstand,  Sache,  Ding;  ban-aser,  beredt;  banal,  offenbaren, 
enthüllen  u.  a.  Ableitungen.  Im  Griechischen  entspricht  (paCvtxi. 
Sehen  wir  auf  den  Ursprung  dieser  keineswegs  ganz  einfachen  Wur- 
zel, so  giebt  sie  sich  als  eine  Erweiterung  von  bhd,  glänzen,  wovon 
im  Baktrischen  6a7iii,  Strahl,  6a/na,  glänzend.  Die  Verwandtschaft 
der  Begriffe  leuchten  und  sprechen  in  den  arischen  Sprachen, 
namentlich  im  Sanskrit,  ist  bekannt  genug.  —  Das  zweite  leicht 
missverständliche  Wort  des  Satzes  ist  maretdno  (nur  noch  32,  12). 
Dieses  ist  sowohl  der  Form  als  der  Bedeutung  nach  zweier  Erklä- 
rungen fähig;  es  kann  nämlich  Gen.  sing,  und  Nomin.  plur.  eines 
Thema  maretan  (vgl.  avanhan,  ^raoshan,  apan  etc.)  seyn,  und  so- 
wohl von  mareta,  Mensch,  als  mare,  mere,  sprechen,  verkün- 
digen, abgeleitet  werden.  Fasst  man  es  in  ersterer  Bedeutung, 
wie  Nerios.  manushjdndm,  so  ist  nur  der  Genitiv,  in  der  zweiten 
nur  der  Nomin.  plur.  zulässig.  Der  Sinn  Mensch  würde  indess 
nur  zu  bän  =  van  recht  passen ;  bei  bän,  laut  verkündigen,  wäre 


\l 


Haiigj  die  Gdthd's  Oes  Zarathustra.  I.    Cap.  30,  6.  7.       105 

der  Sinn  viel  zu  allgemein  und  unbestimmt;  ebenso  in  32,  12.  Ich, 
nehme  desswegen  keinen  Anstand,  das  Wort  auf  mare,  sprechen 
zurückzuführen  und  als  Sprecher,  d.i.  Verkündiger  der  göttlichen 
Offenbarungen,  Prophet,  zu  fassen;  man  vergleiche  mereto  in  dem- 
selben Sinne  Vend.  2,  3  (in  der  Phrase  mereto  beretaca,  Verkündi- 
ger und  Träger  der  Lehre).  Aehnliche  Benennungen  haben  die 
Verkündiger  der  göttlichen  Offenbarungen  auch  in  andern  Sprachen; 
so  ist  das  armenische  margare ,  Prophet,  in  mar -gare  zu  zerlegen 
und  als  Sprecher  der  AVorte,    Wortverkündiger,    zu  fassen. 

Ebenso  heisst  das  semitische  tN*»:::  eigentUch  Sprecher  (  yJ  im  2. 
und  4.  Stamm  verkündigen  Qor,  Sur.  2,  31),  und  v-V**^  Ver- 
kündiger (froher  Botschaft)  im  Qorän.  Das  Wort  ist  zimächst 
von  mareta,  dem  Partie,  pass.  von  mere,  das  aber  auch  schon  im 
Baktrischen  active  Bedeutung  hat,  wie  sie  im  Neupers.  so  häufig  ist, 
abzuleiten;  um  den  Begrifif  eines  Nomen  actoris  auch  äusserlich  stark 
hervorzuheben,  Avurde  noch  das  n  (an),  das  zur  Bildung  solcher  Be- 
griffe verwandt  wird,  angehängt  (man  vergl.  rdgan,  König).  Die 
Mehrzahl  geht  auf  Zarathustra  und  seine  Vorgänger,  die  sogenann- 
ten (^aoshjardo.  Noch  ist  eine  Lesart  zu  berichtigen.  Westerg.  hat 
ahüm  nach  einigen  Handschriften  aufgenommen;  K.  4,  11  und  Bf. 
haben  ahu.  Erstere  Lesart  ist  sichtbar  nur  durch  Einfluss  des  fol- 
genden maretdno  aus  ahü  entstanden  und  aus  Mangel  an  wirkHchem 
Verständniss  des  hänajen  und  maretdno  fortgepflanzt  worden.  Bei 
dem  festgestellten  Sinne  dieser  zwei  Wörter  ist  ahüm  schlechter- 
dings unzulässig.  Liest  man  ahu^  so  hat  auch  die  Beziehung  des 
Relativums  jd  keine  Schwierigkeit  mehr.  Beides  sind  deutliche 
Duale  (vgl.  td  mainjü.,  diese  beiden  Geister,  v.  3).  Zudem  sind  die 
beiden  Leben  ausdrücklich  v.  4  genannt.  Die  Verbindung  des 
Relativsatzes  mit  seinem  Hauptsatz  aeshetnem  heildvdreiltd  betreffend, 
so  ist  das  Object  des  hendv.  das  ^a  ahü;  aeshemem  ist  adverbial  zu 
nehmen.  Die  bösen  Geister  suchen  durch  ihre  Angriffe  sowohl  das 
leibliche  Leben  als  auch  das  höhere  geistige   zu  zerstören. 


V.  7.  Ahmdi,  diesem,  zu  diesem,  bezieht  sich  nicht  auf  eine 
bestimmte  Person,  etwa  auf  Ahnra-mazda,  wie  man  vermuthen  könnte, 
sondern  auf  den  Satz  jathd  anhat,  dazu  —  dass,  zu  dem 
Zwecke  —  dass,  oder  besser  auf  anhus.  —  Das  Subject  zu  gagat 
ist  dasselbe  wie  zu  daddt  im  zweiten  Gliede,  nämlich  Armaitis.  — 
Khshathrd  —  ashdcd  sind  Instrumentale.  Es  fragt  sich  hier ,  ob 
IJishathra,  vohu  mano  und  asha  als  Nomina  propria  oder  als  Appel- 
lativa  zu  fassen  sind.  Das  Verbum  kommen  scheint  der  erstem 
Auffassung  günstig  zu  seyn;  noch  mehr  aber  der  Umstand,  dass 
Armaiti,   die  sonst  eben  diesen  Genien  coordinirt  ist,    hier  deuthch 


106  Haugj  die  Gdt/ias  des  Zarathiistra.   I.     Cap.  30,  7. 

als  eine  Person  erscheint.  Die  Armaiti  führt  hier  das  Prädikat 
utajüüis,  ein  den  Gdthd's  eigenthümliches  Wort  (nur  Jt.  13,  126 
finden  wir  es  als  Prädikat  von  ^aena,  einem  Vorfahren  Rustem's) ; 
gewöhnlich  wird  es  von  tevtshi  (ein  Dual,  zwei  Kräfte),  einem 
Namen  der  Haiirvatdt  und  Ameretdt,  auch  von  Letzterer  allein,  ausge- 
sagt. Der  Sinn  des  Wortes  kann  nicht  zweifelhaft  seyn,  wenn  man 
bedenkt,  dass  die  Haurvatät  und  Ameretat  die  geheimen  Kräfte  alles 
irdischen  Lebens  und  Wachsthums  sind,  die  das  Aussterben  dessel- 
ben verhindern.  Für  diese  Kräfte  ist  ein  Prädikat  wie  „fortdauernd, 
ewig,  unerschöpflich"  am  passendsten.  Und  die  Etymologie  führt 
auch  wirklich  auf  eine  solche  Bedeutung.  Zunächst  ist  das  Wort 
in  Uta  und  jüitis  zu  zerlegen;  uta  ist  schon  im  Weda  eine  sehr  ge- 
wöhnliche Copulativpartikel  und,  auch;  ebenso  im  Medischen  der 
Keilinschriften,  und  auch  öfter  im  Zendawesta  (Jt.  2,  15.  5,  34. 
9,  8.  10.  14.  lOy  18),  woraus  das  parsische  und  neupersische  u, 
und,  verstümmelt  ist  (letzteres  ist  durchaus  nicht  aus  dem  arabi- 
schen "1   entlehnt).      Mit  dieser  Bedeutung,    die  indess    sicher  nicht 

die  ganz  ursprüngliche  ist,  lässt  sich  hier  nichts  anfangen.  Nach 
seiner  Zusammensetzung  aus  den  zwei  uralten  Demonstrativstämmen 
w  +  ta  drückt  es  als  ein  stark  hinweisendes  Wort  ursprünglich  die 
Idee  fort,  weiter,  die  sich  bei  öfterer  Wiederholung  des  Worts 
so  leicht  von  selbst  giebt,  aus.  Diese  Urbedeutung  wird  bestätigt 
durch  die  Ableitung  utavat,  der  wir  Jt.  2,  15  unmittelbar  hinter 
^atavatj  hundertfach,  begegnen.  Statt,  wie  gewöhnlich,  die  höhern 
Zahlen  hazanra,  1000,  und  baevare,  10,000,  dem  ^ata,  100,  folgen 
zu  lassen,  wird  uta  gesetzt,  was  offenbar  nur  „die  weitern"  (unge- 
fähr unserem  „und  so  weiter"  entsprechend)  heissen  kann.  Das 
zweite  Wort  des  Compositums  juiü  Hesse  leicht  eine  mehrfache  Er- 
klärung zu,  je  nachdem  es  von  ^"m,  abwehren,  oder  von  ju,  hin- 
zufügen, welche  beide  Wurzeln  im  Baktrischen  vertreten  sind,  ab- 
geleitet wird;   siehe  z.  B.  Jüto,  getrennt,   gesondert,  Vend.  5, 

55  fg.,  woraus  neupers.  ttXs^  getrennt,  entstanden  ist,  und  java, 
Javatdt,  Dauer.  Hier  kann  nur  die  zweite  einen  Sinn  geben,  so- 
dass das  Wort  eigentlich  immer  fortdauernde  Verbindung 
oder  fortwährende  Dauer,  Fortdauerung  heisst  und  unserem 
Begriff  Ewigkeit  entspricht.  Der  Verbindung  nach  ist  es  Bahu- 
vrihi,  da  es  adjectivischen  Sinn  hat.  Eine  ganz  ähnliche  Bildung  ist 
das  wedische  7iijiit  (für  nijuti),  Gespann,  Anbind ung  (s.  haupt- 
sächlich den  schönen  an  Vdjit  gerichteten  Hymnus  Rv.  I,  135).  — 
Schwierig  ist  die  Erklärung  des  Wortes  änmd,  was  wie  ein  Prädi- 
kat der  Armaiti  aussieht.  Nerios.  übersetzt  atjarthe  datja^,  „ausser- 
ordentlich an  Gabe",  wonach  er  es  in  zwei  Wörter  zerlegt.  Wir 
finden  es  sonst  nirgends,  wenn  nicht  etwa  änmaini  J.  44,  20.  45, 
10    damit  zusammenhängt.     Vor  allem   ist   hier   nach    der   richtigen 


Hang,  die  GathÜs  des  Zarathustra.  I.    Cap.  30,  7.  107 

Trennung  zu  fragen;  denn  ganz  einfach  kann  es  schon  der  Form 
nach  nicht  seyn.  Soll  d-nmd  oder  un-md  getrennt  werden,  oder  ist 
das  n  hier  überhaupt  überflüssig?  Trennt  man  d-nmd,  so  kann  ä 
nur  die  Präposition  a  seyn,  und  nmd  wäre  eine  Verkürzung  aus  namd 
von  der  Wurzel  nam,  die  im  Baktrischen  weichen  heisst;  wird  das 
Wort  in  dn-md  zerlegt,  so  kann  du  für  die  Präposition  anu  stehen 
und  der  Rest  die  Wurzel  md ,  messen,  seyn;  ist  das  n  über- 
haupt überflüssig,  so  kann  an  das  wedische  dma ,  unreif,  roh 
(griech.  (ü|j.O(;),  gedacht  werden.  Keine  dieser  Vermuthungen  be- 
währt sich  indess  bei  näherer  Prüfung.  Die  Schreibung  dnmd  ist 
so  sicher  verbürgt,  dass  wir  das  d  und  das  n  nicht  etwa  für  etwas 
Zufälliges,  aus  ungenauer  Aussprache  des  Wortes  Hervorgegangenes 
halten  können.  Auch  lehrt  eine  nähere  Untersuchung  des  Lautes  a, 
dass  er  am  Anfange  der  Wörter  nie  bloss  für  d  steht,  sondern 
immer  noch  einen  Nasallaut  in  sich  schliesst;  man  vgl  uzanh  =  skr. 
amhas.  In  Erwägung  dieser  Umstände  kam  ich  auf  die  Ansicht, 
dass  dnmd  eigentlich  für  ann-md  stehe  ^  der  erste  Theil  führt  noth- 
wendig  auf  die  Wurzel  an,  wehen;  das  zweite  7i  ist  Rest  der  En- 
dung an  für  ant,  die  zur  Bildung  der  Partie,  activ.  praes.  verwandt 
wird;  das  md  ist  nur  die  bekannte  Abstractendung  man,  Nom.  md. 
Bedenken  wir  nun  noch,  dass  das  sanskr.  dt-man,  Seele,  Geist, 
für  ant-man  steht,  und  dass  das  ant  ein  altes  Participium  der  Wur- 
zel an  und  aus  anat  entstanden  ist,  so  ergiebt  sich  die  Identität 
des  dn-md  mit  dtmd,  nur  mit  dem  geringfügigen  Unterschiede,  dass 
dem  erstem  die  Participialendung  an,  letzterm  die  at  zu  Grunde 
liegt.  Indess  lässt  sich  auch  denken,  dass  das  Baktrische  dn-md 
aus  ursprünglichem  ant-md  hervorgegangen  ist,  da  der  Uebergang 
der  Dentale  in  den  entsprechenden  Nasal  im  Baktrischen  wirklich 
vorkommt,  wie  z.  B.  aus  demdna,  Wohnung,  nmdna  geworden  ist. 
Das  dnmaini  von  J.  44,  20  (denn  so  ist  dort  für  das  von  Wester- 
gaard  aus  K.  5.  aufgenommene  dnmaine  zu  lesen)  und  45,  10  ist 
nur  der  Locativ  unseres  dnmd.  Diese  Erklärung ,  die  sprachlich 
sicher  ist,  giebt  an  allen  drei  Stellen  den  besten  Sinn.  —  Jathd  ajanhd 
—  jmourvo  übersetzt  Nerios. :  evam  dgataje  ddaddti  purvu  jathd  Ga- 
jomard.  —  Ajanhd  (Instrum.)  kann  hier  nicht  auf  ajahh  =  skr.  ajas. 
Eisen,  Erz,  zurückgeführt  werden;  auch  32,  7  passt  diese  Be- 
deutung nicht;  nur  51,  9  scheint  sie  an  ihrer  Stelle  zu  seyn.  Am 
wahrscheinlichsten  gehört  es  zu  ajare,  Tag,  Zeit;  dieses  steht  für 
ajase  und  könnte  im  Sanskrit  nur  einem  ajas  entsprechen;  man  vgl, 
vadare  mit  vadhas,  rdzare  mit  rahas,  woraus  folgt,  dass  das  are  im 
Baktrischen  der  neutralen  Abstractendung  as  im  Sanskrit  entspricht. 
Diese  wird  im  Baktrischen  im  Nominativ  gewöhnlich  zu  S^  in  den 
Casus  obliqui  dagegen  tritt  aith  ein.  Da  nun  das  r  in  der  Endung 
are  erst  aus  *  hervorgegangen,  das  e  nur  ein  leiser  Nachlaut  und 
ganz  unurspriinglich  ist,  so  ist  leicht  abzusehen,  dass  in  den  Casus 
obliqui  die  thematische  Form  anh  wieder  eintreten  konnte,  wenn 
auch   in  spätem   Stücken    z.  B.    ein  Gen.  pliir.   ajarandm   Nj.   1,    1 


108       Hang,  die  Gdthäs  des  Zaratimstra.  I.    Cap.'SOy  7.  8. 

sich  findet.  Im  Sanskrit  findet  sich  indess  ajas  in  der  Bedeutung 
Tag,  Zeit,  nicht.  Es  ist  eigenthümlich  baktrisch  und  kann  nur 
auf  z,  gehen,  zurückgeführt  werden,  wie  schon  Nerios.  thut,  sodass 
es  eigentlich  Gang,  Schritt  heisst.  —  Für  j^aourujo,  wie  Wester- 
gaard  nach  K.  4.  schreibt,  lesen  die  andern  Mss.  imour\)6.  Dieser 
Umstand  jedoch,  zusammengenommen  mit  dem  andern,  dass  in  den 
Gäthä's  wohl  öfter  jjaoiirujo,  sonst  nie  aber  paourvo  vorkommt,  lässt 
diese  Lesung  nicht  als  eine  blosse  nachlässige  Schreibung  des  jmou- 
rujo  erscheinen ;  imournjo  sieht  eher  wie  eine  Correction  der  altern 
und  seltenern  Form  imourvo  aus.  Die  Bedeutung  des  Worts  an- 
langend,  so  ist  diese,  so  einfach  die  Sache  auch  auf  den  ersten 
Blick  erscheinen  mag,  etwas  schwer  zu  ermitteln.  Man  denkt  zu- 
nächst an  das  sanskritische  pürva,  der  vordere,  frühere;  aber  es 
könnte  auch  mit  parUj  parvan,  Knoten,  parvata,  Gebirge,  zusam- 
menhängen; oder  mit  purii,  viel,  jmru,  Mensch  (im  Weda)  ver- 
wandt seyn.  Bleiben  wir  bei  der  nächsten  Bedeutung:  der  frü- 
here, vordere.  Man  kann  es  hier  nicht  gut  auf  das  erste 
(leibliche)  Leben  beziehen,  sondern  es  gehört  zu  dnmä.  —  Das 
aeshcim  (eorum)  könnte  noch  zu  at  kehrpem  —  dnmd  gehören  und 
müsste  dann ,  dem  Zusammenhange  nach ,  auf  die  drei  Genien 
Khshathra,  Vohu-mano  und  Asha  bezogen  werden;  will  man  es  in 
den  Satz  jatha  anhat  bringen ,  so  liegt  die  Beziehung  auf  kehrpem 
—  änmä  nahe.  Beide  Fassungen  haben  Schwierigkeiten.  Die  erstere 
ist  indess  wegen  des  Gegensatzes  v.  8  :  atca  jadd  aeshdm  kaena 
gamaiti  aenanhäm  vorzuziehen.  Denn  in  v.  7  ist  offenbar  von  den 
Gütern,  die  die  Armaiti  schafft,  die  Rede,  in  v.  8  dagegen  von 
Uebeln,  die  —  durch  wen  ist  nicht  ausdrücklich  gesagt  —  wohl 
durch  den  bösen  Geist  kommen. 

V.  8.  Das  nächste  Subject  zu  f^amaitt  wäre  Armaiti;  aber  es 
ist  kaum  begreifbar,  wie  dieser  guten  Genie  auf  einmal  Uebel  bei- 
gelegt werden  sollen,  man  müsste  nur  durch  Interpretation  zu  hel- 
fen suchen,  etwa  durch:  „sie  kam  wegen  irgend  eines  jener  Uebel" 
(die  der  böse  Geist  geschaffen,  um  dasselbe  zu  heben).  Aber  der 
folgende  Satz  at  mazdd  würde  nicht  dazu  stimmen.  Es  wird  dess- 
wegen  am  gerathensten  seyn,  als  Subject  den  bösen  Geist  zu 
nehmen ,  der  aus  dem  Zusammenhange  des  ganzen  Stückes  leicht 
erkannt  werden  kann.  Ueber  diese  Uebel,  worunter  wohl  physische 
verstanden  werden  können,  vergleiche  auch  32,  6  —  8.  —  Für  taibjo 
liest  K.  6.  taeibjo,  ebenso  Bf  (taehjo)  und  Bb.  Diese  Lesung  ist 
indess  nur  eine  Correctur  des  schwerverständlichen  alterthüralichen, 
nur  in  den  Gdthd's  vorkommenden  taibjo.  Sie  findet  sich  überall, 
wo  wir  dem  taibjo  begegnen,  in  einigen  Manuscripten,  so  44,  6. 
51,  2.  53,  3,  giebt  aber  nirgends  einen  guten  Sinn.  An  einen 
Dativ,  pluralis  des  Pronomens  der  dritten  Person ,  was  taeibjo 
wäre,  kann  somit  nicht  gedacht  werden.  Das  taibjn  (Nerios.:  tva- 
dtjdiidm)  steht  vielmehr  dem  maibjo,  mir,  ganz  parallel  und  ist  der 


Hang,  die  Gdihd's  des  Zarathustra.   I.    Cap.  30,  8.   9.       109 

vollere  Dativ  des  Pronom.  der  zweiten  Person  sing,  dir;  am  näch- 
sten kommt  das  lateinische  tibi.  Diese  Bedeutung  wird  dem  taibjo 
durch  Stellen  wie  51,  2.  53,  3  ganz  gesichert,  kui  wen  bezieht 
sich  nun  dieses  taibjo,  dir?  Entweder  auf  die  Armaiti,  oder  auf 
die  wichtigste  Person  unter  den  Anwesenden ,  oder  auf  Mazda. 
Ersteres  ist  unwahrscheinHch ,  weil  diese  Genie  nicht  direkt  ange- 
redet ist,  und  um  so  mehr,  wenn  sie  nicht  das  Subject  von  gamaiti 
ist.  Wahrscheinlicher  wäre,  das  taibjo  auf  den  Kavd  Vistäfpa,  den 
eifrigen  Freund  Zarathustra's ,  zu  beziehen,  auf  den  so  oft  in  den 
Gathd's  angespielt  wird.  Aber  da  mazdd  nur  als  Vocativ  gefasst 
werden  kann,  so  müssen  wir  es  auf  diesen  beziehen.  Fast  den 
gleichen  Sinn  mit  dieser  Stelle  hat  44,  6,  wo  für  voividdite  das  fast 
gleichbedeutende  cina^  steht.  —  Im  letzten  Satze  des  Verses  aeibjd 
—  drugemj  wo  ^a(^ti  nicht  als  dritte  Person  praes.  wegen  des  Vocat. 
ahurd  genommen  werden  kann,  sondern  Locat.  (Instrum.)  eines  Ab- 
stractums  auf  ti  von  der  W.  ^ams  (vox  media  loben  und  tadeln) 
nach  wedischer  Art  ist,  ist  offenbar  vom  Bruch  der  Freundschaft 
und  Treue  die  Rede,  was  als  eines  der  grössten  Verbrechen  in  der 
Zarathustrischen  Religion  gilt.  Auffallend  ist,  dass  der  für  dieses 
Verbrechen  sonst  gewöhnliche  Ausdruck  mithro - drukhs ,  Einer  der 
den  Mithra  belügt,  gar  nicht  angewandt  ist.  Man  vgl.  über  diese 
Sünden  namentlich  Vend.  Farg.  4  und  den  Mithra-Jescht.  Nerios. 
hat:  tdigca  pshjd  Hormizdasja;  kila  avistdvacubhih  vjdkhjdndi^ca  si- 
kshatd  samti;  je  piüijdtmand  haste  ddsjanti  devim"  vipratdranam. 

V.  9.  Diese  Stelle  ist  eine  der  wichtigsten  in  den  Gathd's,  weil 
sie  den  Keim  eines  Theils  der  spätem  Eschatologie  enthält.  Es 
handelt  sich  hier  vor  allem  um  die  Erklärung  des  frashi,  denn  so 
lautet  das  Thema  von  frashem.  Die  Lesarten  weichen  hier  etwas 
ab;  K.  5.  hat  frashim,  K.  4.  und  Bb.  frasem,  Bf.  frisem;  in  der  Pa- 
rallelstelle 32,  15  liest  K.  5.  ferashim,  K.  4.  frashem.  Die  richtige 
Schreibweise  ist  gewiss  frashem,  die  schon  Westerg.  aufgenommen 
hat;  das  e  steht  dialektisch  für  ?.  Was  nun  die  Ableitung  und  die 
Bedeutung  des  Wortes  anbetrifft,  so  bieten  sich  zwei  Erklärungen 
dar;  die  nächste  ist  die  Zurückführung  desselben  auf  die  Wurzel 
2)ereg ,  fragen;  aber  auch  eine  Ableitung  von  khshi ,  wohnen, 
herrschen,  -f-  fra  wäre  möglich.  Jede  dieser  beiden  Ableitungen 
giebt  einen  ganz  verschiedenen  Sinn;  nach  der  ersten  heisst  das 
Wort  Frage,  Befragung,  nach  der  zweiten  fortdauernde 
Herrschaft  oder  Fortdauer  überhaupt.  An  letztere  Bedeutung 
schliesst  sich  auch  die  Nerios.  akshajatvam,  Unvergänglich keit, 
an.  Nur  die  Stellen,  in  denen  das  Wort  vorkommt,  können  über 
die  richtige  Ableitung  und  Bedeutung  entscheiden.  Die  Gathd's  (hier 
u.  34,  15)  gebrauchen  es  fast  nur  in  Verbindung  mit  ahum  und  da  oder 
kere,  „das  Leben  zu  einer  Fraschi  machen",  und  zwar  das  gegen- 
wärtige, irdische,  an  unserer  Stelle  mit  im,  dieses,  in  der  ande- 
ren mit  haithjem  bezeichnet.     Wollten  wir  ihm  die  Bedeutung  Frage 


110  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathudra.   I.    Cap.  30,  9. 

unterlegen,  so  würde  der  Sinn:  „das  Leben  zu  einer  Frage  oder 
OflFenbarung  machen"  nicht  bloss  etwas  räthselhaft  klingen,  sondern 
auch  durch  den  Gebrauch  des  später  häufigen  und  damit  aufs 
nächste  verwandten  frasha  widerlegt  werden.  Die  übrigen  Stücke 
des  Zendawesta  zeigen  kein  frashem  mehr,  sondern  frashem,  frasha 
oder  frasho  in  dem  bekannten  Compositum  frasho  -  kereti.  Die  Be- 
deutung fortwährend,  fortdauernd  giebt  hier  überall  den  besten 
Sinn ,  wie  eine  nähere '  Prüfung  der  Stellen  lehrt ,  desswegen  ist 
diese,  da  sich  auch  eine  ganz  entsprechende  Ableitung  findet,  wohl 
als  sicher  anzunehmen.  Gehen  wir  auf  fra-khshi  zurück,  so  müssen 
wir  die  Nebenform  khsha  (erhalten  in  khsha-threm)  herbeiziehen,  was 
schon  einige  Schwierigkeit  machte.  Daher  bin  ich  geneigt,  das  fra- 
sha nur  für  eine  Erweiterung  der  Präposition  fra  durch  ein  ange- 
hängtes s  (vgl.  paiYü  aus  paiti),  also  eigentlich  weitergehend, 
ferner,  zu  halten;  der  Singul.  frashem  ist  dann  nur  eine  Erwei- 
terung. Eine  Bestätigung  dieser  Ableitung  bietet  J.  31,  13,  wo 
fra^d  nur  porro,  cetera  heissen  kann.  In  den  andern  Stellen  hat 
es  schon  jene  bestimmtere  Bedeutung  fortwährend  angenommen. 
Jt.  5,  78  aiijdo  dpo  kerenaot  frasha  anjdo  fratdcajat  (von  der  Ardvt 
cürd  andhitd),  andere  Wasser  machte  sie,  andere  Hess  sie  fortwäh- 
rend fortfliessen;  10,  18:  jezi  vd  dim  aiwidriizaüi  nmdnahe  vd  nmd- 
nopaitis  etc.  —  frasha  upa-^cindajeiti  mithro  upatbisto  uta  nmdnem  etc., 
wenn  ihn  ein  Hausherr  belügt,  so  richtet  Mithra  erbittert  dauernd 
sein  Haus  zu  Grunde;  17,  2:  (jazamaide)  dughdharem  ahurahe  maz- 
ddo  qanharem  ameshanäm  ^pentandm  jd  vi^panäm  ^aoshjantäm  frasha 
khrathwa  frdthangajeiti,  (wir  rufen  an  die  Ashi)  die  Tochter  des 
Ahura-mazda,  die  Schwester  der  Arnes  ha- ^peüta's,  welche  durch  die 
Einsicht  aller  ^aoshjafito  immerwährend  fortwandelt,  d.  i.  welche 
durch  die  Einsicht  der  heiligen  Weisen  sich  immer  fortpflanzt  und 
nie  untergeht;  Jt.  19,  47:  adhdt  frasha  häm-rdzajata  dtars  mazddo 
ahurahe  uüi  avatha  mahhdno  aetat  qareno,  hangerefshdne  jat  aqaretem, 
als  das  Feuer  des  J.ÄMra-mazda  für  die  Dauer  bereitet  war,  dachte 
(Anro  mainjus)  also:  ich  will  an  mich  reissen  diesen  unzerstörbaren 
Glanz.  Oefter  findet  sich  die  Verbindung  frasha  fra-jd,  weiter 
fortgehen,  auch  bloss  frasha  i  (so  Jt.  14,  37);  Vend.  18,  29: 
frasha  frajdi  vahistem  d  ahüm  d,  um  ununterbrochen  fortzuwandeln 
zum  besten  Leben  (ebenso  Vd.  7,  52);  J.  10,  14:  md  me  jatha 
gaos  drafsho  d^ito  vdrema  cairi  frasha  frajantu  te  madho  verez/an- 
hdonho  ga^eTitu,  nicht  sollen  sie  mir  (die  Homatropfen)  wie  ein  ge- 
ronnener Milchtropfen  in  das  Gefäss  läuft  (laufen,  nämlich  nicht  so 
langsam  und  unterbrochen),  fortwährend  sollen  sie  fiiessen,  deine 
Honigtropfenbereiter  sollen  kommen!  Dieselbe  Ausdrucksweise  J. 
10,  19:  frasha  frajaMu  te  madho  raokhshna  frajantu  te  madho  reiigjö, 
immerwährend  sollen  fliessen  deine  (Homa's)  glänzenden  Honig- 
tropfen, fortfliessen  sollen  deine  farbigen  Honigtropfen.  Vgl.  noch 
J.  60,  5:  gamjän  ithra  ashaonäm  vanuhis  ^ürdo  ^peütdo  fravashajo 
—  paitistdtee  dtaranäm   frasha-vakhshjdi  rajämca  qarenanhämca ,    hie- 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  30,  9.  111 

her  mögen  kommen  die  guten,  starken,  heiligen  Fravashi's,  um  die 
Feuer  zu  bewachen,  um  fortwährend  zu  sprechen  die  Gebete  um 
Vermögen  und  Ansehen  (Glanz  im  weitesten  Sinne).  Am  nächsten 
kommt  unserer  Stelle  die  Verbindung  mit  ahu,  sq  J.  55,  6:  frashem 
vagna  ahüm  dathäna,  die  das  Leben  mit  Eifer  (Willen)  fortdauern 
machen.  Ja  frasha  findet  sich  auch  allein  unter  andern  Adjectiven, 
so  Vend.  1,  21:  hmti  anjdo^cit  a^^äo^ca  shoithräogca  ^rirdogca  gu- 
frdo^ca  berekhdhdo^ca  frashdo^ca  bdmjdofca ,  es  sind  auch  andere 
Gegenden  und  Länder,  glückliche,  berühmte,  herrliche,  ewige,  glän- 
zende. Von  diesem  frasha  finden  wir  einen  Superlativ  frashotemem 
J.  46,  19:  am  dauerndsten,  vom  gegenwärtigen  Leben  ge- 
braucht (vgl.  Frag.  9,  2).  Wichtig  ist  dieses  frasha  namentlich 
durch  die  Composita  frasho  -  kereti  und  frasho  -  caretar  geworden. 
Frasho-kereti  ist  nur  die  Umbildung  des  Ausdrucks  frashem  kere,  das 
frashem  machen,  zum  Substantiv  und  heisst  demnach  wörtlich  „das 
Machen  der  Fortdauer",  worunter  nur  die  des  Lebens  verstanden 
werden  kann,  was  daraus  erhellt,  dass  in  der  vollständigen  Phrase 
das  ahu,  Leben,  dabei  steht.  J.  60,  3:  faoc'e  buje  ahmja  nmdne 
—  vakhshathe  buje  ahmja  nmdne  dareghemcit  aipi  zrvdnem  upa  gürdm 
frasho  -  kereitim  hadha  ^ürajdo  vanhujdo  frashd  -  keretöit ,  im  Glänzen 
bin  ich  in  diesem  Hause  (spricht  das  Feuer),  im  Wachsthum  bin 
ich  in  diesem  Hause  auf  möglichst  lange  Zeit  zu  der  gewaltigen 
(X-^ebens-)  Fortdauermachung,  bei  der  gewaltigen  guten  (Lebens-) 
Fortdauermachung.  Hier  ist  als  eine  der  wesentlichsten  Wirkungen 
des  Feuers  die  angegeben,  dass  es  glänzen  und  leuchten  und  wach- 
sen solle  zur  Beförderung  der  grossen  Fortdauer  alles  Lebens.  Denn 
dieser  erwarteten  allgemeinen  Verewigung  des  Lebens  stehen  viele 
Hindernisse  entgegen,  die  die  heihge  Feuerflamme,  fortwährend  er- 
nährt und  verehrt,  besiegen  soll.  Aber  auch  die  mächtigen  Fra- 
vaschi's  sollen  zur  Ermöglichung  dieser  Lebensewigkeit  wirken,  wie 
aus  Jt.  13,  58  erhellt::  dat  te  nuräm  fravazente  dürae  -  urvae^em 
adhwano  urvaegem  ndshemna  jim  frasho-keretoit  vanhujdo,  dann  führen 
sie  aufs  neue  (stets)  fort  das,  was  den  fernen  Ausgang  des  Weges 
vernichtet,  nämlich  (den  Ausgang,  die  Periode)  der  guten  Lebens- 
verewigung. Die  Frasho-kereti  wird  hier  in  ein  dürae-urvae^em  (Ad- 
ject.)  iirvae^em,  wörtlich  in  einen  Ausgang  fernen  Ausgangs,  d.  i. 
in  eine  noch  in  ferner  Zukunft  zu  erwartende  Periode  verlegt.  Aus 
Frasho-kereti  ist  das  Frashegard  der  spätem  Pärsenbüchcr,  wie  des 
Minokhired  geworden,  worunter  nur  die  letzte  Zeitperiode,  die  der 
allgemeinen  Todtenauferstehung,  verstanden  werden  kann.  Diese 
neue  Lebensperiode  wird  von  den  (^aoshjanto  herbeigeführt ,  die 
desswegen  frasho-caretaro  (nur  im  Genit.  plur.  frasho-carethrdm  vor- 
kommend), „die  Hersteller  des  Frasha"  genannt  werden.  Häufig 
wiederkehrend  ist  folgende  Stelle:  jao^ca  (fravashojo)  gvaTitdm  ashao- 
ndm  jdogca  naräm  azdtanum  frasho-carethrdm  (^aoskfailtdm,  und  welche 
(Fravashi's)  der  lebenden  Reinen  und  welche  der  poch^nicht  ge- 
borenen,  die  Lebensverewigung  machenden  (^aoskjanto  sind  (Vp.  11 


112  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathiistra.   I.     Cap.  30,  9. 

7.  J.  24,  5.  26,  6.  Jt.  13,  17.  19,  22).  Die  Thätigkeit  der  ^ao- 
skja/ito  bei  der  grossen  Lebensverewigung  und  die  Art  und  Weise 
derselben  ist  deutlicher  beschrieben  Jt.  19,  11:  jat  herenavdn  fra- 
shem  ahüm  azareshifltem  amareshintem  afrithj aiitem  apujafitem  javatgim 
'Javae^üm  va^o  -  khshathrem  jat  iri^ta  paiti  u^efnstän  gagät  ^iijo  ame- 
rekhtis  dathaiti  frashem  va^na  anhus ,  woraus  (aus  dem  Glänze)  sie 
das  Leben  fortdauernd  machen,  alterlos,  unsterblich,  unvergänglich, 
unverweslich,  ewig  siegend_,  ewig  nützend,  von  selbst  herrschend  (ohne 
vom  Bösen  beeinträchtigt  zu  seyn),  wobei  die  Todten  auferstehen; 
es  kommt  des  Lebens  Unsterblichkeit ,  sie  macht  von  selbst  das 
Leben  fortdauernd.  Dieselbe  Stelle  siehe  in  Jt.  19,  19.  23.  89. 
Aus  diesen  Stellen  erhell:' mit  Sicherheit,  dass  Frasho-kereti  die  Zeit 
der  '^allgemeinen  Wiederbelebung  alles  Todten,  die  der  grossen  Auf- 
erstehung am  Ende  der  Tage  ist.  Aus  Unverständniss  dieses  Aus- 
drucks wollte  man  in  neuerer  Zeit  die  Lehre  von  der  Auferstehung 
dem  eigentlichen  Zendawesta  ganz  absprechen ;  aber  die  nähere 
Untersuchung  ergiebt,  dass  nur  die  spezielle  Vorstellung  von  einer 
allgemeinen  Auferstehung  der  Verstorbenen  und  die  Einzelnheiten 
dieses  grossen  Ereignisses  spätere  Ausbildung  sind,  die  Grundvor- 
stellung aber,  aus  der  diese  einzelne  noth wendig  sich  entwickeln 
musste,  die  einer  allgemeinen  Lebensfortdauer  und  Lebensverewigung, 
von  Zarathustra  selbst  herrührt.  Kehren  wir  nun  nach  dieser  län- 
gern Untersuchung  zu  unserer  Stelle  zurück.  Zarathustra  redet  hier 
in  der  ersten  Person  des  Pluralis:  wir  wollen  die  seyn;  unter  die- 
sem wir  ist  nun  sicherlich  nicht  bloss  Zarathustra  allein,  sondern 
auch  seine  nächsten  Anhänger,  namentlich  Kavd  Vistd^pa,  zu  ver- 
stehen, dieselben,  welche  später  als  ^aoskjafito  das  Frasham  inachen.  — 
Schwierig  ist  die  Erklärung  und  Beziehung  von  inazddo^ca  ahurdonhS 
—  ashdöd.  Vor  allem  bedarf  dmoja^trd  der  Erklärung,  die  um  so 
schwerer  zu  geben  ist,  als  sich  weder  im  Baktrischen  noch  im  Sans- 
krit die  eigentliche  Wurzel  nachweisen  lässt.  Die  Bombayer  Aus- 
gabe corrigirt  das  Wort  in  dmöigtrd,  wobei  dem  Verbesserer  sicher- 
lich das  häufigere  hamae^trd ,  das  aber  ganz  anderer  Bedeutung 
ist ,  vorschwebte.  Neriosengh  verbindet  es  eng  mit  barand  und 
übersetzt :  ^a^vathan^unamam  kurvdudh ,  stets  eine  Versammlung 
(Zusammenkunft)  veranstaltend.  Als  Subject  ist  wir  aus  kurniahe, 
womit  kerenaon  gegeben  wird,  zu  verstehen.  Verwandt  mit  diesem 
Worte  ist  wohl  amiijamna,  das  gewöhnlich  mit  razisianäm  verbunden 
vorkommt.  Sucht  man  nach  einer  Ableitung,  so  bietet  sich  nur 
eine  Wurzel  nm  dar,  die  unter  den  arischen  Sprachen  allein  das  La- 
teinische in  mov-ere  deutlich  bewahrt.  Eine  Erweiterung  ist  die 
sanskrit.  Wurzel,  mtuÄ,  stehlen,  ebenso  muc,  lösen.  Die  Grund- 
bedeutung des  mii  scheint  die  von  bewegen  gewesen  zu  seyn,  die 
sich  noch  im  Lateinischen  erhalten.  Die  Fügung  amujamna  razista- 
näm  bedeutet  demnach  unbeweglich,  unbeugsam  in  den  ge- 
rgchte-SJrfjJuPingen.  Jt.  13,  35:  ashaonäm  vanuhis  ^urdo  ^pentdo 
fravas/iajd  Jazamaide  fra^rütdo  —  aüi  amno  —  amvjamndo  razistandm. 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  30,  9.   10.      113 

wir  verehren  die  Fravashi's  der  Reinen,  die  guten,  starken,  heiligen, 
die  berühmten,  mächtigen,  die  nnbeweglich  bei  dem  Gerechtesten 
verharrenden.  Jt.  13,  133:  ^anha^ca  jyaiti  hu^a^tajdo  ^anha^ca  jmiti 
amujamnajdo  ^anha^ca  paiti  avanenmajäo,  ^)  (wir  verehren  den  Fra- 
vashi  des  Kavi  Hao^rava)  ob  des  hochgefeierten  Ruhmes,  ob  des 
unerschütterlichen  Ruhmes,  ob  des  (die  Feinde)  niederbeugenden 
Ruhmes  (vgl.  19,  74);  zu  amujanma  razistanäm  s.  noch  Jt.  17,  17. 
Das  ämojagtrd  unserer  Stelle  nun  ist  durch  das  Suffix  tra  o<ler  tara 
von  der  einfachsten  Form  des  Partie,  praes.  causat.  mwjat,  von  der 
Wurzel  mxL-\-d,  gebildet.  Ist  tra  das  ursprüngliche  Suffix,  so  ist 
das  Ganze  als  ein  Abstractum  oder  als  ein  Nomen  instrumenti  zu 
fassen;  indess  spricht  gegen  eine  solche  Deutung  der  Umstand,  dass 
tra  in  diesem  Falle  thra  lauten  sollte  ,  welche  Form  kein  einziges 
Manuscript  hat,  abgesehen  davon,  dass  sie  sich  auch  nicht  recht 
mit  dem  Zusammenhang  vertragen  würde.  Analoge  Formen,  wie 
Zarathustra,  Frashaostra,  verglichen  mit  gdgerebustro ,  in  welchen 
nach  dem  allgemeinen  Aspirationsgesetze  thra  für  tra  erwartet  wer- 
den sollte,  führen  jedoch  darauf,  dass  tra  eine  Verkürzung  aus  tara 
und  demnach  Comparativsuffix  ist,  welches  im  Weda,  wie  im  Zend- 
awesta,  auch  den  höchsten  Steigerungsgrad  ausdrücken  kann.  Nach 
dem  Vorausgeschickten  heisst  das  schwierige  Wort  nun  am  mei- 
sten bewegend  oder  erregend;  es  bezieht  sich  auf  bar  and ,  ein 
Neutr.  pl.,  als  sein  Substantiv.  Der  Sinn  des  letztern  Wortes  ist, 
wenn  auch  die  Parallelstellen  fehlen  (Jt.  19,  6  ist  die  Lesung  zwei- 
felhaft), doch  leicht  durch  Ableitung  und  Vergleichung  des  Sanskrit 
zu  finden.  Hier  heisst  bharana  Unterhalt,  Sold,  von  der  Wurzel 
bhar  (bhr),  baktrisch  bar,  tragen.  Nehmen  wir  hier  das  Wort  im 
nächsten  Sinne  Tragung,  Unterhaltung,  so  hat  es,  auf  die 
Ahura's  mazda's  bezogen ,  den  Sinn  eines  Concretums.  —  Mando 
hat  den  Anschein,  als  ob  es  ein  Plural  von  mano  wäre;  aber  der 
Singular  bavat  spricht  dagegen.  Wir  fassen  es  desshalb  am  besten 
als  Adjectiv  verständig.  Der  ganze  Satz  klingt  wie  ein  Sprich- 
wort oder  mindestens  wie  eine  Reminiscenz  aus  einem  frühern  Liede. 
Diess  ist  schon  äusserlich  durch  das  hjat,  das  häufig  zur  Einfüh- 
rung fremder  Gedanken  gebraucht  wird ,  angezeigt.  Der  Spruch 
bezieht  sich  indess  auf  den  folgenden  Vers  und  deutet  an,  dass  der 
Verstand  und  die  Einsicht  die  beste  Waffe  gegen  das  Böse  seyen, 
und  der  Verständige  der  beste  Kämpfer,  dass  aber  diese  richtige 
Einsicht  nur  durch  Erkenntniss  der  göttlichen  Wahrheit  gewonnen 
werden  kann. 

V.  10.     Die  zwei  Pronomina  demonstrativa   add    avd    beziehen 
sich  auf  cutis  zurück.      DrugS  ist  ein  sogenannter  Genit.  objectivus, 


^)  avanemna,   Partie,  med.  von  nam  -'-  ava,  ist  einer  der  Namen  des 
Ahura-mazda,  Jt.  1,  8  (vgl.  Jt.  8,  55.  10,  109.  111). 

Abhandl.  der  DMG.     1,3.  8 


114  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   I.     Cap.  30,   10. 

avo  drügo  demnacli  „Hilfe  gegen  die  Lüge".  Das  ^keiido  q)aja- 
thrahjd  steht  dem  avo  drügö  ganz  parallel.  Das  Substant.  ^pajathra 
findet  sich  sonst  nicht;  wohl  aber  Verbalformen  einer  Wurzel  ^pi, 
so  A^end.  3,  41:  ^pajeüi  zi  ^püama  Zarathustra  daena  Mäzdaja^nis 
nars  d^tavanahe  baiidem  ^pajeiti  draoshem  ^pajeiti  jdtughnim  ^pajeiti 
ashaüag/mim  (^pajeüi  im^u^paem  gpajeiti  andperethem  skjaothnem  etc., 
es  vernichtet  der  Mazdaja^nische  Glaube  ,  heiligster  Zarathustra, 
eines  ihn  bekennenden  Mannes  Fessel,  er  vernichtet  den  Angriff^ 
er  vernichtet  den  Jätumord  (Mord  durch  Zauberei),  er  vernichtet 
den  Mord  des  Reinen,  er  vernichtet  das  Sehen  der  Todten,  er  ver- 
nichtet jede  unsühnbare  Handlung  (d.  i.  er  vernichtet  die  schlimmen 
Folgen  aller  aufgezählten  Handlungen).  Man  könnte  durch  diese 
Stelle  leicht  geneigt  seyn,  der  Wurzel  ^pi  die  Bedeutung  sühnen 
zuzuschreiben;  aber  die  Verbindung  mit  baiidem  und  andern  Stellen 
sprechen  nicht  dafür;  so  Jt.  10,  37:  kameredhdo  ^pajeiti  mithro- 
drugäm  mashjdnäm,  er  (Mithra)  vernichtet  die  Häupter  der  treu- 
brüchigen Menschen;  Jt.  19,  56  (59.  62):  jat  i^at  mairjo  tdirjö 
frarirage  zrajanho  Vouru-Kashahe  maghnu  apa-(;pajat  va^trdu  tat  qa- 
reno  i^o  jat  agti  airjanäm  daqjimdm  zdtanäm  azdtanämca  jatca  ashaonu 
Zarathustrahe,  welchen  (den  Glanz)  der  verderbliche  Feind  Franrage 
aus  dem  See  Voiiru-kasha  sich  aneignete,  er  (der  GrabendeV) 
nahm  weg  den  Fluren  diesen  Glanz ,  welcher  eigen  ist  den  ari- 
schen Ländern  der  Geborenen  und  noch  nicht  Geborenen  und  dem 
reinen  Zarathustra.  Suchen  wir  die  entsprechende  Wurzel  im  Sans- 
krit, so  kommen  wir  in  grosse  Verlegenheit;  lauthch  entsprechen 
würde  zwar  fvi ,  aber  dieses  heisst  eigentUch  anschwellen, 
strotzen,  und  in  abgeleiteter  Bedeutung  auch  nützen  (s.  Rv. 
Vn,  32,  6.  74,  6.  9,  2);  aber  diese  Wurzel  hat  im  Baktrischen  die 
Formen  angenommen:  gu,  nützen,  und  shu  in  aiwi-shvat,  ringsum 
schwellen  machen,  Vend.  2,  18;  fra-shava  ibid.,  schwelle  fort  (bis 
zum  Bersten,  vi-shdvajat  v.  15,  er  Hess  auseinander  bersten,  von 
der  Erde  gesagt) ,  sodass  wir  bei  gpajathra  ganz  davon  absehen 
müssen.  Wir  finden  dagegen  im  Sanskrit  Spuren  einer  andern 
Wurzel  gvi  oder  i^u,  die  ebenfalls  im  Baktrischen  vertreten  ist;  ich 
meine  nämlich  die  Grundform,  welcher  gveta,  weiss,  gvas,  mor- 
gen, gvit,  leuchten  (gewöhnlich  im  Imperf.  agvdü  von  der  Mor- 
genröthe  im  Weda)  entstammen.  Diese  scheint  die  Bedeutung  von 
helle  seyn  gehabt  zu  haben.  Darnach  heisst  das  gpajeiti  wohl: 
er  macht  helle,  was  mit  dem  Begriff:  er  säubert,  zusammen- 
fällt, woraus  dann  der  Sinn :  er  vernichtet,  leicht  abgeleitet  seyn 
kann.  Diese  letztere  Bedeutung  konnte  sich  um  so  eher  aus  der 
ursprünglichen  entwickeln,  als  das  Wort  vom  Vernichten  des  Un- 
reinen und  SchädUchen  zum  Besten  des  Guten  gebraucht  wird  und 
so  dieses  Vernichten  nur  eine  Art  von  Säubern  ist.  Verwandt  hie- 
mit  kann  das  neupersische  sapuch-ten,  durchstechen,  und  noch 
eher  das  armenische  spanaiial,   tödten   (Wurzel  span)    seyn.      Das 


Haugf  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  L    Cap.  30,   10.   11.      115 

^pajathra  unserer  Stelle  nun  ist  ein  Abstractum  auf  thra  ==  skr.  tra 
für  das  Concretum  (man  vergl.  ddthrem  3t.  34,  13  im  Sinne  von 
ddtar).  Dieser  Vernichter  kann  nur  der  böse  Geist,  der  als  Lüge 
und  schlechte  Gesinnung  in  den  Gdthd's  erscheint,  seyn.  — 
Ueber  agistd  s.  zu  34,  4  und  über  zazenU  zu  34,  9.  —  Hushitois 
ist  hier  so  viel  als  demdna,  oder  spezieller  garo-demdna,  man  vgl. 
32,  15.  Der  Ausdruck:  gute  Wohnung  hat  au  unserer  Stelle 
wohl  eine  übertragene  Bedeutung,  und  ist  von  der  Gesammtheit  des 
Guten  und  Wahren,  wie  es  sich  im  Geistigen  sowohl  als  im  Leib 
liehen  offenbart,  zu  verstehen.  —  Für  vaiihdo  liest  K.  4  vanhdu. 
Diese  Lesart  hat  manches  für  sich,  einmal,  weü  die  Form  vanhdo 
sonst  nicht  vorkommt,  wohl  aber  vanhdu;  dann,  weil  sogleich  ein 
der  Adjectivform  vanhdu  entsprechender  Casus,  nämlich  der  Locativ 
Qravahi,  folgt  (dass  vanhdu,  eigentlich  ein  Instrumental,  auch  mit 
dem  Locativ  verbunden  werden  kann,  s.  J.  49,  8);  die  Aenderung 
in  vanhdo  könnte  wegen  des  joi  erfolgt  seyn,  weil  man  ein  Prädikat 
zu  dem  Relativ  suchte,  und  dieses  nur  in  den  Nominativ  setzen 
konnte ,  du  aber  nie  eine  Pluralendung  ist ,  das  lautlich  nahver- 
wandte do  dagegen  häufig  zur  Pluralbildung  verwandt  wird.  Er- 
klärbar ist  jedoch  das  vanhdo  auch;  man  kann  es  als  eine  Verkür- 
zung aus  regelrechtem  vanhavo  betrachten,  wie  auf  ähnliche  Weise 
aus  gravanh  der  Plural  gravdo  hervorgeht.  An  ein  neutrales  Thema 
vanhanh  und  an  eine  ändere  Ableitung  als  die  von  vanhu,  gut,  ist 
nicht  wohl  zu  denken. 

V.  11.  Der  Ausdruck  td  urvdtd  (s.  hierüber  das  Glossar)  be- 
zieht sich  nicht  bloss  auf  die  vorangegangenen  Verse,  sondern  auf 
alle  Offenbarungen  des  Ahura-mazda  an  die  Menschen  überhaupt. 
Der  Vers  schliesst  passend  diese  wichtige  öffentliche  Rede  Zarathustra's 
ab  und  leitet  das  folgende  Cap.  gewissermassen  ein.  (^ashathd  ist  eine 
zweite  Person  plur.  eines  Aorist-Conjunctivs  mit  s  und  steht  eigent- 
lich für  Qakhshathd;  die  Wurzel  ist  nämlich  gac  oder  ursprünglicher 
pg^,  stark,  mächtig  seyn,  welche  in  gewissen  Fällen  auch  schon 
im  Sanskrit  sich  zu  gac  erweichte,  z.  B.  Qaci  im  Weda  Stärke, 
Werk,  cacishtha,  der  Stärkste.  Neben  verezintem  findet  sich  Jt. 
24,  52  cakhshefitem.  J.  19,  10:  agti  zi  ana  avavat  ukhdhaia  jatha 
jat  dii  vigpö  anhus  agtvdo  dgaUhshat  Qaskäg  dadarduo  ni  pairi  iriih- 
jä^tdtat  haraiti,  denn  dieses  Wort  (das  ahü  vairjo)  ist  es  gerade, 
wodurch  das  ganze  irdische  Leben  besteht,  mächtig  erhalten  geht 
es  aus  dem  allgemeinen  Tode  hervor.  Hier  drückt  das  d-^ahhshat 
deutlich  das  Bestehen  des  Lebens  durch  die  Macht  des  heiligsten 
Gebetes  aus.  In  mehreren  Stellen  des  Vendidad  9,  33.  34.  16,  8. 
9.  6,  43  heisst  ^acdite  und  i^acdonte  deutlich  vorübergehen,  ver- 
fliessen,  von  einer  bestimmten  Anzahl  Nächte  und  vom  Jahre 
gesagt.  Dieselbe  Bedeutung  hat  es  auch  Vend.  18,  16.  24:  qaf(;a 
daregho  mashjdka  n^it  U  ^acaiti,  schlafe  lange,  Mensch,  noch  nicht 

8* 


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116         Hang,  die  Gdt/td's  des  Zaratfmstra.  I.    Caj).  30,  11. 

ist  dir  (die  Zeit)  verflossen.  ^)  Ursprünglicher  ist  die  Bedeutung 
noch  in  Jt.  8,  56  geblieben:  jat  zi  (;pitama  Zarathustra  airjäo  dan- 
hdvo  tistrjehe  raevato  qarenanhato  aiwigacjäres  ddittm  ja^nemca  vah- 
memca,  wann,  o  heiligster  Zarathustra,  die  arischen  Länder  nach 
der  Anordnung,  Lob  und  Preis  des  hellen  glänzenden  Tistrja  voll- 
bringen. Noch  heben  wir  J.  55,  6  hervor:  ^taota  jegnja  jazamaide 
ja  data  anheus  'paourujehjd  maremna  verezimna  ^akhshemna  ^dcajamna, 
wir  verehren  das  Preis-  und  Lobwürdige,  die  Dinge  des  ersten 
Lebens,  gesprochene,  gethane,  sich  vollbringende,  vollbrachte.  Die 
Wurzel  ^ac,  ^ak  hat  nach  den  angeführten  Stellen  im  Baktrischen  die 
Bedeutung  angenommen:  trans.  ausführen,  vollbringen,  und  in- 
trans.  vollbracht  werden,  geschehen,  verlaufen  (von  der 
Zeit),  Bedeutungen,  die  sich  leicht  aus  der  des  Starkseyns  erklären 
lassen.  Im  Neupersischen  lautet  das  Wort  sdkh-teii,  machen,  voll- 
bringen, ausführen;  saz-ed,  es  geziemt  sich,  sazd,  würdig, 
das  man  hieher  zu  ziehen  leicht  versucht  seyn  könnte,  ist  dagegen 
auf  ^adh,  zufallen,  sich  geziemen,  zurückzufiihren.  An  unse- 
rer Stelle  nun  hat  ^ak  deutlich  den  Sinn  von  ausführen,  voll- 
bringen, und  zwar  die  heiligen  Gebote  Ahura-mazda's,  die  er  den 
Menschen  gab.  —  Qiti  und  eneiti  (Nerios.  giebt  sie  durch  abhild- 
shaka^ca  ^ikshajdh)  ist  man  leicht  versucht,  gleichmässig  für  Substan- 
tive zu  halten;  aber  bei  genauerer  Betrachtung  der  Construction 
und  näherer  Untersuchung  der  Formen  ergiebt  sich,  dass  keines  von 
beiden  ein  eigentliches  Substantiv  ist.  Bei  qiti  sind  leicht  mehrere 
Ableitungen  möglich ,  je  nachdem  das  q  auf  ein  sanskritisches  su 
oder  sva  oder  auch  ein  svit  zurückgeführt  wird.  In  den  Gdthd's 
findet  es  sich  nicht  weiter,  wohl  aber  Adjectivbildungen  wie  qaeta 
34,  12,  qaethja  33,  7  und  das  Substantiv  qaeta.  Alle  diese  sind 
auf  sva,  selbst,  zurückzuführen,  welche  Ableitung  namentlich  bei 
qaetu  durchaus  keinem  Zweifel  unterliegen  kann.  Da  zudem  das 
sanskr.  su,  gut,  im  Baktrischen,  meines  Wissens  wenigstens,  nur 
zu  huy  nicht  aber  zu  q  wird,  so  müssen  wir,  wenn  schon  ein  sol- 
cher Fall  für  den  Gäthädialekt  denkbar  wäre,  doch  von  sa  absehen. 
Allem  Anschein  nach  ist  es  eine  adverbiale  Ausdrucksweise  und  ent-^ 
weder  wohl  der  Locativ  einer  neutralen  Form  svajat,  eines  Partie, 
praes.  von  sva,  im  Sinne  eines  Denominativs,  die  baktrisch  qajat 
lauten  würde;  im  Locativ  ist  nun  eine  Zusammenziehung  erfolgt, 
die  zunächst  qaet  lautete;  dass  eine  solche  wirklich  Statt  gefunden, 
beweist  qaetu  deutlich,  man  müsste  nur  bei  dieser  Bildung  den  Lo- 
cativ sve  zu  Grunde  legen  wollen ,  was  aber  kaum  denkbar  wäre. 
Dieses  e    wurde  wohl   durch  Einfluss    des    schliessenden  i  in  t   ver- 


^^)  Diese  Worte  sind  keine  allgemeine  Sentenz,  wie  Spiegel  zu  meinen 
scheint,  sondern  sie  enthalten  die  Anrede  des  Einschläferers  an  die  Men- 
schen. QafQa  lässt  sich  nicht  als  Substantiv  fassen,  sondern  ist  eine  zweite 
Person  eines  Conjunctivs  oder  eine  zweite  Imperativi  medii,  natürlich  ver- 
kürzt. 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  1.    Cap.  30,  11.         117 

wandelt;  es  kann  indess  auch  auf  alter  ungenauer  Schreibvveise  be- 
ruhen. Wörtlich  heisst  es  bei  sich  selbst  oder  von  selbst. 
Man  vergl.  Jt.  10 ,  68 :  jenhe  vdshem  hangerewndüi  ashis  vanxihi  ja 
berezaüi  jenhe  daena  mdzdajapns  qiti  patho  rddhaiti,  dessen  (Mithra's) 
Wagen  die  gute  erhabene  Ashi  ergreift ,  dessen  Wege  der  gute 
Mazdaja^nische  Glaube  von  selbst  bahnt.  —  Eneiti  steht  wohl  fiir 
aijuti.  Vergleicht  man  J.  58,  4:  7id  fshümdo  nisanharatu  he  aüojdkh- 
shajatu  hadd  ashdcd  vd^trdcd  —  aimticd  dthrdcd  ahurahe  mazddoy 
wo  aiiiiti  ganz  parallel  mit  uthrd  steht  und  der  Form  nach  wohl 
ein  alter  Locativ  eines  Nomens  aiiiiti  und  für  aiuiti  gesetzt  ist,  so 
kann  man  leicht  versucht  werden,  es  an  unserer  Stelle  ebenso  zu 
fassen.  Aber  die  substantivische  Fassung  verträgt  sich  nicht  recht 
mit  dem  Zusammenhange,  wenn  auch  die  Bedeutung  des  ainiti, 
Glanz,  an  sich  nicht  unpassend  wäre.  Ich  nehme  daher  eneiti  für 
eine  3.  Person  sing,  der  Wurzel  an,  wehen,  die  im  Baktrischen  als 
Verbum  zwar  nicht  weiter  vertreten  ist,  aber  in  dem  Partie,  ainita 
(Jt.  13,  34.  51.  63.  von  den  Fravashi's  gesagt),  „gern  wehend, 
fächelnd",  d.  i.  in  übertragenem  Sinn  wohlwollend,  gütig,  in 
ainika,  Zug,  Schaar  (Jt.  10,  143.  14,  9.  1,  11.  13,  136)  und 
dem  genannten  ainiti,  das  Glanz  (eigentl.  das  äussere  Ansehen)  zu 
bedeuten  scheint,  sich  findet.  (Man  vgl.  das  wedische  anika  in  seinen 
mannigfachen  Bedeutungen  Ansehen,  Glanz,  Zug  etc.).  Das 
qiticd  eneiti  unserer  Stelle  nun  ist  eng  mit  dem  vorhergehenden 
daddt  zu  verbinden  und  bezeichnet  eigentlich  nur  die  Art  und  Weise 
der  Offenbarung ,  die  einem  von  selbst  sich  bewegenden  Windes- 
hauche ähnlich  gedacht  wird.  —  Für  daregem,  wie  Westergaard 
schreibt,  wird  am  besten  dregem  gelesen;  K.  5.  hat  nämlich  dregim, 
ßb.  dreghem;  diese  Lesungen  lassen  auf  ein  dreg  für  dareg  schlies- 
sen ;  letzteres  sieht  nur  wie  eine  ältere  Emendation  des  schwer  ver- 
ständlichen seltenen  Wortes  dregem  aus.  Gegen  die  Lesung  daregem 
spricht  auch  das  e  der  letzten  Sylbe;  denn  wäre  es  das  Neutrum 
singul.  des  Adjectivs  darega,  lang,  und  nur  dieses  könnte  es,  die 
Richtigkeit  der  Lesart  angenommen,  seyn,  so  müsste  daregem  mit  e 
für  e  gelesen  werden,  wie  P.  6.  auch  wirklich  hat.  Aber  da  kaum 
begreifbar  wäre ,  wie  bei  einem  so  gewöhnUchen  und  häufig  ge- 
brauchten Worte  wie  daregha,  lang,  die  Lesarten  so  ins  Schwan- 
ken gerathen  könnten  und  zudem  der  sich  ergebende  Sinn :  langes 
Verderben  etwas  zu  matt  und  dem  folgenden  Gegensatz  <^ava6a 
nicht  ganz  parallel  wäre,  so  liegt  es  nahe,  diese  Lesung  aufzu- 
geben und  sein  Heil  mit  der  andern  zu  versuchen.  Auf  den  ersten 
Blick  sieht  man,  dass  dregem  auf  dregi  zurückzuführen  und  dieses 
von  der  Wurzel  dreg  =  skr.  druh,  zerstören,  abzuleiten  ist.  Der 
Sinn  Zerstörung,  Vernichtung  passt  aber  auch  ganz  gut  in 
den  Zusammenhang.  —  Das  tdis  im  letzten  Sätzchen  geht  auf  die 
ashavabjo  zurück. 


118  Haugj  die  Gdthä's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31. 


Capitel   31. 

Dieses  Capitel  enthält  verschiedene  einzelne  Sprüche  und  meh- 
rere kleine  Lieder,  die  unter  sich  nur  in  einem  losen  Zusammen- 
hang stehen.  Die  Sammlung  ist  gewiss  sehr  alt,  da  sie  eine  ganz 
in  der  alten  Gathäsprache  und  im  Geist  der  alten  Religion  abge- 
fasste  Ueberschrift  oder  Einleitungsvers  an  der  Spitze  trägt.  Nur 
als  Ueberschrift  oder  Einleitung  kann  ich  nämlich  den  ersten  Vers 
ansehen,  in  dem  der  Dichter  oder  der  Sammler  die  öffentliche  Ver- 
kündigung bis  jetzt  unbekannter  Aussprüche  (urvdtä,  eigentlich  die 
Ausgehauchten)  des  höchsten  Gottes  verheisst,  um  Die  zu  vernich- 
ten, welche  im  Dienste  des  Bösen  durch  ihre  Zaubersprüche,  worun- 
ter wohl  Wedaverse  zu  verstehen  sind,  den  Landgütern  der  Ahura- 
mazda -Diener y  den  sogenannten  Gaethd's  oder  eingefriedigten  Be- 
sitzungen, zu  schaden  suchen.  Aber  durch  die  Kraft  der  neuen 
von  Ahura-mazda  geoffenbarten  Sprüche  wird  seinen  treuergebenen 
Bekennern  doch  alles  Gute  zu  Theil  (1).  Nun  folgen  eine  Reihe 
einzelner,  zum  Theil  sehr  dunkler  und  wegen  ihrer  Abgerissenheit 
schwer  verständlicher  Sprüche  2 — 8. 

Die  Verse  2  und  3  zeichnen  sich  durch  seltene  Ausdrücke  und 
Vorstellungen  vor  allen  übrigen  der  ganzen  Gdthd  aus,  man  vergl. 
urvd  im  Sinne  von  Sprecher,  Verkündiger,  nicht  Seele,  wie 
es  sonst  immer  heisst;  advdo,  die  beiden  Wege,  d.  i.  die  beiden 
Leben;  agajdo,  die  beiden  Theile,  d.  i.  Körper  und  Geist; 
cazdonhvadeh'jo ,  die  Einsichtsvollen,  Weisen,  d.  i.  die  Kenner 
der  Sprüche  und  Lieder,  worunter  sowohl  Menschen  als  die  höhern 
Geister  verstanden  werden  können.  Dass  aber  Menschen  gemeint 
sind,  folgt  aus  44,  5.  Der  Sinn  des  zweiten  Verses  ist:  wenn  durch 
die  bereits  vorhandenen  und  bekannten  heiligen  Sprüche  und  Hand- 
lungen (darauf  geht  aw,  durch  diese)  der  Sprecher  beider  Wege, 
d.  i.  der  Verkündiger  der  göttlichen  Aussprüche  über  die  beiden 
Leben,  das  irdische  und  geistige,  nicht  hinreichend  gegen  die  An- 
griffe der  Bösen  geschützt  ist,  so  ist  er  Willens,  nochmals  zu  allen 
himmlischen  Geistern  zu  gehen ,  d.  i.  in  ihren  Rath  zu  kommen 
(vgl.  über  diese  Versammlungen  der  himmlischen  Geister  den  zwei- 
ten Fargard  des  Vendidäd),  um  den  Ahura-mazda,  der  beide  Leben 
und  ihre  Erhaltung  am  besten  kennt,  um  seine  Hilfe  zu  bitten.  — 
Im  dritten  Vers  fragt  der  Dichter,  wem  Ahura-mazda,  der  sich  in 
den  Flammen  offenbarende  Gott,  die  Kraft  gegeben  habe,  aus  den 
Reibhölzern,  d.  i.  durch  Reiben  eines  harten  und  weichen  Holzes 
(die  älteste  und  heiligste  Art  der  Feueranzündung),  das  Feuer  her- 
vorzulocken.  Wahrscheinlich  war  dieses  Hervorspringen  des  Feuers 
aus  den  Hölzern  von  heiligen  Sprüchen  abhängig  gedacht  oder 
glaubte  man,  dass  bei  dieser  Handlung  des  Feueranzündens  Orakel 
gegeben  würden;    daher  trägt    der  Dichter   dem  Ahura-mazda   den 


Haugf  die   Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31.  119 

Wunsch  vor,  den  Spruch  der  Weisen  zu  besitzen,  ja  ihn  aus 
seinem  eigenen  Munde  zu  vernehmen,  dessen  lebendige  Worte  alle 
lebendigen  Wesen  vor  den  Angrififen  der  Bösen  schützen. 

Beide  Verse  scheinen  denselben  Verfasser  zu  haben;  die  Sprache 
derselben  ist  aber  nicht  die  einfache  und  klare  Zarathustra's.  Der 
Wunsch,  den  Spruch  der  alten  Weisen  zu  wissen,  spricht  gegen  die 
Zarathustrische  Abfassung,  da  es  doch  kaum  denkbar  ist,  dass  Za- 
rathustra, der  Verkündiger  wesentlich  neuer  Ideen,  wie  er  in  c.  30 
erscheint,  den  höchsten  Gott  nach  den  Sprüchen  der  alten  Weisen 
gefragt  haben  sollte.  Die  zu  Anfang  des  dritten  Verses  vorkom- 
mende Phrase:  „Feuer  in  die  Reibhölzer  legen"  findet  sich  mehr- 
mals, jedoch  mit  einigen  Abweichungen,  in  den  Gdthas  erwähnt; 
so  gleich  im  19.  Verse,  vgl.  43,  12.  47,  6.  51,  9.  Wegen  dieser 
Öftern  Wiederholung  mag  sie  von  irgend  einem  alten  Weisen  her- 
rühren, was  um  so  wahrscheinHcher  ist,  als  gleich  danach  in  unse- 
rem Verse  von  einem  Ausspruch  der  Weisen  geredet  wird.  Unser 
Vers  scheint  mir  die  Mutterstelle  zu  enthalten.  Daher  glaube  ich 
diesen,  sowie  den  vorhergehenden  Vers,  die  sich  überdiess  durch 
eine  eigenthümliche  und  zwar  sehr  alte  Sprachfarbe  auszeichnen, 
einem  der  Vorgänger  Zarathustra's  zuschreiben  zu  dürfen.  Sie  könn- 
ten aber  auch  von  einem  seiner  Gefährten  herrühren,  wobei  freilich 
die  Nichterwähnung  des  grossen  Propheten  neben  den  alten  Weisen 
etwas  auffallend  wäre. 

Im  vierten  Verse  wird  Armaiti  um  Verleihung  von  Besitzthum 
zur  Vernichtung  des  Bösen  angefleht  zur  Zeit,  wann  die  lebendigen 
Weisen  (d.  i.  die  höchsten  Geister)  dem  Opfer  der  Menschen  sich 
nahen ,  d.  i.  die  Menschen  erwerben  sich  durch  Frömmigkeit  und 
Ergebenheit  gegen  die  höchsten  Geister,  welche  sie  in  Opfern  und 
Gebeten  kund  geben  ,  irdische  Güter.  Der  Vers  hat  eine  unver- 
kennbare Aehnlichkeit  mit  dem  letzten  Gliede  von  28,  4  und  mit 
28,  8;  daher  vermuthe  ich  hier  denselben  Dichter,  einen  der  Ge- 
nossen Zarathustra's. 

Im  fünften  Verse  bittet  der  Dichter  den  Ahara  -  mazda  um  die 
richtige  Erkenntniss  der  ihm  mitgetheilten  Offenbarungen  und  um 
die  Gabe,  das  Gerade,  Richtige  und  Wirkliche  von  dem  Nichtseyeu- 
den,  d.  i.  Falschen,  Unwahren,  oder  mit  andern  Worten  das  Gute 
von  dem  Bösen  zu  unterscheiden.  Diesem  folgen  drei  Verse  (6  — 
8),  die  die  Beschreibung  des  Wesens,  der  Eigenschaften  und  Wir- 
kungen des  höchsten  Gottes  zum  Endzweck  haben;  aber  weder  un- 
ter sich,  noch  mit  v.  5  enger  zusammenhängen.  Sämmtliche  vier 
Verse  haben  iudess  denselben  Dichter;  das  starke  Hervortretenlassen 
des  Ahura-niazda^  als  des  einzigen  wirklichen  Gottes,  während  die 
andern  höhern  Genien  nur  als  Kräfte  und  Gaben  desselben  er- 
scheinen, das  Streben,  jenen  Grundunterschied  zwischen  dem  Wirk- 


120  Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I,    Cap.  31. 

liehen  und  dem  Nichtigen,  dem  Guten  und  Bösen  immer  tiefer  zu 
ergründen,  sowie  die  schöne,  einfache  und  doch  schwungvolle  Sprache 
weisen  deutlich  auf  Zarathustra  als  den  Verfasser  hin.  Das  Beste, 
d.  i.  das  beste  Lied  oder  den  besten  Spruch,  besitzt  Ahura-mazda 
allein,  der  wirklich  ein  Wissender  ist,  ruft  der  Prophet  aus.  Ihn 
würdigte  er  der  besondern  Offenbarung  des  Spruches,  der  Gesund- 
heit und  Wohlstand  (Haurvatdt) ,  Unsterblichkeit  (Ameretdt)  und 
Wahrheit  (Asha)  verleiht;  diese  wichtige  Ofifenbarung  verkündigte 
er  ihm  durch  den  guten  Sinn  (6).  Ob  unter  diesem  Liede  die  zwei 
folgenden  Verse  zu  verstehen  sind,  ist  mir  nicht  recht  wahrschein- 
lich, weil  die  Namen  von  Ameretdt  und  Haurvatdt  darin  fehlen.  Der 
folgende  Vers  schildert  den  Ahura-mazda  als  das  Urlicht,  durch  den  im 
Anfang  der  Schöpfung  nicht  bloss  die  Menge  der  Hiramelslichter 
entstand,  sondern  aus  dessen  Einsicht  auch  das  Wahre  und  Wirk- 
liche, die  einzige  Grundlage  des  Guten,  hervorging.  Nur  er,  der 
Ewige,  derselbe  zu  aller  Zeit,  konnte  dieses  schaffen  (7).  Er  war 
zuerst  vor  aller  Schöpfung,  er  ist  der  Höchste  im  Natur-  wie  im 
Geistesleben,  jegliche  gute  Gesinnung  ist  sein  Werk;  ihn  schaut  der 
Seher  als  der  Wahrheit  Wesenheit ,  d.  i.  als  den  Inbegriff  aller 
Wirklichkeit  und  alles  Lebens ,  dessen  Handlungen  voller  Leben 
sind  (8).  *' 

Von  9  — 12  lässt  sich  ein  Zusammenhang  nachweisen.  Der  9. 
Vers  konnte,  weil  darin,  wenigstens  zu  Anfang,  noch  von  Ahura- 
mazda  die  Rede  ist,  passend  an  den  8.  angeschlossen  werden;  aber 
einen  wirklichen  innern  Zusammenhang  zwischen  beiden  kann  ich 
nicht  entdecken.  Das  kleine  Stück  handelt  von  den  Wanderungen 
der  Armaüi,  vom  Unterschied  des  Ackerbauers  und  des  Nichtbebauers 
der  Felder,  des  Lügenredners  und  Wahrheitredners.  Der  Sprache 
und  Anschauung  nach  scheint  es  von  Zarathustra  selbst  zu  seyn. 
Der  Inhalt  und  Gedankengang  ist  folgender:  Die  heilige  Erde,  deren 
Bebauung  die  erste  Pflicht  des  Ahura-mazda-jy'ieners  ist,  wie  der  sie 
beseelende  und  ihre  Bildungen  schaffende  Geist  ist  unter  der  Hand 
des  höchsten  Gottes;  er  umfasst  sie  und  schuf  ihr  die  Bahn,  auf 
welcher  sie  als  Glück  und  Heil  gebende  Genie  vom  Landmann  zum 
Landmann  zieht  und  an  Dem  vorübergeht,  der  sich  nicht  dem  Land- 
bau ergeben  hat  (9).  Sie  wählt  sich  unter  Beiden  den  Landbauer, 
den  Verehrer  des  Wahren  und  Reinen,  der  selbst  lebendig  ist,  wie 
der  höchste  Gott,  und  die  Schätze  des  guten  Sinnes  besitzt;  da- 
gegen weicht  sie  von  den  wild  hin-  und  herstreifenden  Nomaden, 
die  zugleich  Götzenverehrer  sind,  und  schliesst  sie  aus  von  der 
Heilsbotschaft,  die  sie  zu  verkündigen  berufen  ist.  Dieses  Evange- 
lium (humareti)  ist  die  Lehre  vom  Glück  und  Frieden ,  das  der 
Ackerbau  gewährt ;  dieses  Glückes  sollen  aber  die  Götzendiener 
nicht  theilhaftig  werden  (10).  Ja  der  Ackerbau  ist  um  so  höher 
zu    achten,    als    Ahura-mazda   selbst    die  Familiengrundstücke,    die 


Haug,  die  Guthat  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31.  121 

Gaethd's  (s.  die  wichtige  Stelle  46,  12)  angeordnet  und  zu  ihrem 
Schutze  Sprüche  vermöge  seiner  Einsicht  ersonnen  hat;  durch  die- 
selbe Einsicht  rief  er  auch  die  wirkliche  Welt  ins  Daseyn  und  alle 
heiligen  Gebräuche  und  Worte  entstammen  ihr.  Da,  wo  zwischen 
Wahrheit  und  Lüge  zu  wählen  ist,  d.  i.  an  dem  Orte,  wo  beide 
Glaubensweisen  noch  neben  einander  bestehen,  sucht  der  Verkündiger 
der  Wahrheit,  wie  der  Verkündiger  der  Lüge  und  Unwahrheit,  der 
die  wahre  Wissenschaft  Besitzende,  wie  der  nur  Nichtiges  weiss, 
seine  Lehren  vorzutragen  und  zu  vertheidigen,  d.  h.  der  gute  und 
der  böse  Geist  suchen  auf  die  Menschen  zu  wirken.  Der  böse  sucht 
durch  Lug  und  Trug  die  Menschen  zu  bestricken;  aber  die  Armaitiy  die 
stets  hin-  und  herwandelt,  weiss  genau,  wo  der  Sitz  des  Guten  und 
wo  der  des  BÖsen  ist;  sie  kann  daher  die  Menschen  vor  den  Trug- 
künsten des  Bösen  schützen  (11.  12). 

Die  Verse  13 — 16  bilden  ebenfalls  ein  Ganzes;  der  Dichter 
richtet  verschiedene  Fragen  an  den  lebendigen  Gott  über  das  Wesen 
und  den  Unterschied  zwischen  den  Lügnern  und  den  Wahrhaftigen. 
Der  Dichter  ist  hier  ebenfalls  Zarathustra  selbst.  Die  hier  öfter 
vorkommende  Formel:  diess  will  ich  dich  fragen,  scheint  eine 
beliebte  Einkleidung  seiner  Verkündigungen  gewesen  zu  seyn;  man 
vgl.  namentlich  c.  44;  ja  die  Wirkungen  dieser  Formel  und  Rede- 
weise sind  noch  in  der  spätem  Literatur,  wie  im  Vend.,  zu  spüren. 
Wäre  diese  Weise,  die  neuen  Lehren  in  die  Form  von  Unterredungen 
mit  Ahura-mazda  einzukleiden,  nicht  die  wirkliche  Zarathustrische  ge- 
wesen, so  wäre  kaum  zu  denken,  wie  diese  Form  bei  der  Abfassung 
späterer,  von  der  Tradition  dem  Zarathustra  selbst  zugeschriebener 
Schriften  so  durchgreifende  Anwendung  hätte  finden  können.  Der 
Inhalt  unsers  Stücks  ist  folgender:  Zarathustra  ist  fest  überzeugt, 
dass  der  hellleuchtende  Ahura-mazda  durch  seine  Flammenaugen  als 
treuer  Wächter  alle  Wahrheiten  und  Weisheiten  und  Alles,  was  bei 
nur  kleinem  Schaden  grossen  Vortheil  gewährt,  genau  erspäht  und 
demnach  weiss  (13).  Der  Inbegriff  der  W^ahrheiten  und  Weisheit 
sind  die  Gebete;  er  möchte  daher  vor  allem  wissen,  wie  diejenigen, 
die  bereits  vorhanden  sind,  „die  von  den  Schöpfern  (d.  i.  Dichtern) 
geschaffen  wurden",  zu  Stande  kamen;  aber  nicht  bloss  die  Art 
und  Weise  der  Dichtung  der  guten  Lieder  und  Sprüche  will  er  wis- 
sen ,  sondern  auch  die  Hervorbringung  der  Lügensprüche  kenneu 
lernen,  alles  nur  zu  dem  Zwecke,  um  den  tiefen  Unterschied  zwi- 
schen beiden  nachweisen  zu  können  (14).  Da  die  Dichtungen  die 
Gesinnung  des  Urhebers  bekunden,  so  fragt  er  weiter  nach  dieser. 
Die  Gesinnung  eines  Dichters,  der  dem  Lügner  zum  Besitz  verhiift, 
d.  h.  ihn  unterstützt  zum  Nachtheil  der  Frommen,  kann  nur  eine 
schlechte  seyn;  der  gute  dagegen  sucht  weder  Vieh  noch  Leute  des 
frommen  Landmanns  durch  Sprüche  zu  verletzen  (15).  Zarathustra 
fragt  ferner,    wie,    auf  welche  Weise  das  Oberhaupt   eines  Hauses, 


122  Haug,  die  Gdtlid"*  des  Zarathuslra.  I.    Cap.  31,  1. 

eines  Bezirks  oder  eines  ganzen  Landes  zur  Verbreitung  der  wah- 
ren Religion  beitrage,  wann  er  diess  thue  und  welche  Thaten  er 
zu  diesem  Zwecke  vollbringe  (16). 

Die  Verse  17  —  20  enthalten  Bruchstücke  eines  öffentlich  vor 
einer  grossen  Versammhing,  vielleicht  kurz  vor  Beginn  einer  Schlacht 
gegen  die  Götzendiener,  vorgetragenen  Liedes.  Der  glühende  Re- 
hgionseifer,  der  sich  bis  zur  Aufforderung,  die  Lügner,  d.  i.  die 
Andersgläubigen,  mit  dem  Schwerte  zu  tödten,  gesteigert  hat  und 
der  uns  noch  aus  vielen  andern  Stellen  der  Gdthas  entgegenweht  (vgl. 
46,  5),  verrathen  den  für  seine  Lehre  begeisterten  Propheten  und  Füh- 
rer, der  hier  nur  Zarathustra  selbst  seyn  kann.  Er  fragt  die  ver- 
sammelte Menge  seiner  Anhänger,  unter  denen  wohl  auch  mancher 
Halbbekehrte  war,  wessen  Glaube  der  grössere  und  bessere  sey,  der 
des  Götzendieners  oder  der  des  ^Aifra-ma^cZa-Verehrers  ?  Derjenige, 
welcher  die  höhern  Wahrheiten  kennt,  möge,  weil  nur  der  Glaube 
an  den  lebendigen  Gott  der  wahre  seyn  könne,  diese  Dem,  der  sie 
noch  nicht  kenne,  mittheilen ;  dieser  aber  solle  sein  Ohr  nicht  gegen 
ihre  Wirkungen  verschliessen.  Damit  die  gute  Sache  siege ,  wird 
der  lebendige  Gott  um  Stärkung  des  frommen  guten  Sinnes  und 
Glaubens  seiner  Anhänger  vom  Propheten  gebeten  (17).  Da  die 
Sprüche  und  Lieder  der  Götzendiener,  worunter  wir  die  Wedalieder 
zu  verstehen  haben,  immer  noch  wegen  ihres  Alters  in  einem  ge- 
wissen Ansehen  stehen  mochten,  so  warnt  der  Prophet  nachdrück- 
lich vor  ihnen,  weil  Haus  und  Dorf,  Bezirk  und  Land  dadurch  nur 
ins  Verderben  gestürzt  würden,  und  fordert  die  Schaar  seiner  Treuen 
zur  sofortigen  Ermordung  der  Götzendiener  auf,  denn  nur  so  kön- 
nen die  schädlichen  Wirkungen  ihrer  Sprüche  ganz  zu  nichte  ge- 
macht werden  (18).  Der  wirkliche  und  wahrhaftige  Verehrer  des 
lebendigen  Gottes  wird  sich  indess  nicht  durch  die  Sprüche  der 
Lügner  irre  leiten  lassen,  sondern  ohne  Furcht  mit  Freimüthigkeit 
nur  auf  die  Worte  hören,  die  der  lebendige  Gott  in  seinen  Feuer- 
flammen die  Seher  schauen  lässt  (19).  Wenn  ein  Götzendiener  den 
zur  wahren  Religion  Bekehrten  zum  Abfall  bewegt,  so  wird  dieser 
Verführer  all  sein  Eigenthum  verlieren  und  in  das  Dunkel ,  d.  i. 
Elend  und  Noth,  gestossen  werden  für  immer.  Die  Kraft  des  Glau- 
bens wird  indess  alle,  die  das  gute  Leben  zerstören,  gänzUch  ver- 
nichten (20). 

Die  zwei  letzten  Verse  des  Capitels,  21  und  22,  stehen  in  kei- 
ner nähern  Verbindung  mit  dem  eben  besprochenen  Stück.  Beide 
haben  einen  ähnlichen  Inhalt.  Ahura-mazda  verleiht  seinem  Verehrer 
in  Wort  und  That,  dem  tapfern  Kämpfer  gegen  das  Böse,  die 
höchsten  Güter,  Wohlstand  und  Unsterblichkeit,  sowie  den 
guten  frommen  Sinn  (21).  Denn  der  gutgesinnte  Verehrer  fördert 
die  Wahrheit  und  alles  Gute,  und  ist  somit  ein  Helfer  Ahura-mazda' s 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   1,    Cap.  31,   1.  2.        123 

selbst  in  seinem  steten  Kampfe  gegen  das  Böse  (22).  Beide  Verse 
verrathen  ganz  die  Zarathustrische  Anschauung  und  sind  wahrschein- 
lich von  ihm  selbst  oder  einem  seiner  Gefährten  verfasst. 

V.  1.  Td  ve  urvdtd  marento  Nerios. :  tduca  prasiddhdu  manjdma- 
hdi;  hila  gdnimah  avistavdnimca  arthamca.  Die  Uebersetzung  des 
urvdtd  durch  prasiddha,  berühmt,  ist  unrichtig,  wenn  gleich  die 
nähere  Erklärung  der  „zwei  berühmten"  durch  Avestd  und  Zend 
(artha)  den  Rest  einer  richtigem  Anschauung  enthält.  Denn  so  viel 
ist  gewiss,  dass  unter  iirvdtd  heilige  Worte  und  Sprüche  zu  verstehen 
sind  (s.  die  Stellen  im  Gloss.),  wenn  auch  an  Zend- Avestd  in  der 
spätem  Bedeutung  des  Worts  als  Sammlung  aller  Urkunden  des 
Zarathustrischen  Glaubens  nicht  zu  denken  ist.  Von  dem  Worte 
lassen  sich  zwei  Etymologieen  geben,  von  vd,  wehen,  ~\- ur  =  ut 
und  vatj  sprechen,  reden,  -f-  ur ,  sodass  es  entweder  das  Her- 
ausgewehte, d.  i.  Ausgehauchte,  oder  den  Ausspruch,  die 
Verkündigung  bedeutet.  Die  erstere  Ableitung  scheint  die  rich- 
tigste. —  Vi-marencaite  scheint  dem  Zusammenhange  nach  eine  3. 
Person  Verbi  seyn  zu  müssen ;  aber  in  diesem  Falle  hätten  wir 
wegen  des  joi  nothwendig  den  Plural  marencainti  oder  marencenti  zu 
erwarten.  Da  keine  Handschrift  den  Plural  hat,  so  ist  es  bedenk- 
lich, ihn  ohne  Weiteres  herzustellen.  Nerios.  hat  den  Sing,  (vi-lum- 
pati).  Es  bleibt  uns  daher  nichts  Anderes  übrig,  als  bei  marencaite 
zu  bleiben  und  dieses  als  Dativ  des  Part,  praes.  zu  fassen.  Man 
vergl.  gaethdo  marehcjdnahi ,  die  Gaethd's  verderbend,  Jt.  13,  137 
(vom  bösen  Geist);  mareiicinti  Jt.  6,  3.  Das  Part,  „dem  Morden- 
den" bildet  dann  einen  ganz  passenden  Gegensatz  zu  mazddi,  „dem 
Mazda"  am  Schlüsse  des  folgenden  Satzes.  —  Zu  vahistd  ist  aus 
dem  Vorhergehenden  vacdo  zu  ergänzen.  —  Joi  zarazddo  anheii 
mazddi  Nerios. :  Je  jyravrttiddh  sarfiti  mahdgndnihhjah ,  welche  den 
grossen  Weisen  Thätigkeit  verleihen.  Dem  zarazddo  entspricht  pra- 
vfttidd,  Thätigkeit  schaffend,  wie  dem  Substantiv  zarazddti  43, 
11  das  Abstr.  pravrttiddti.  Diese  Deutung  des  Worts  ist  aber  nicht 
stichhaltig,  da  sie  nicht  nur  keinen  guten  Sinn  giebt,  sondern  auch 
etymologisch  sich  nicht  rechtfertigen  lässt.  Da  sich  aus  den  Paral- 
lelstellen (Jt.  13,  25.  26  zarazddtema,  J.  43,  11  zarazddtis,  vgl.  Jt. 
10,  9.  51.  13,  47.  92.  115)  nichts  Sicheres  für  die  Bedeutung  des 
Worts  erschliessen  lässt,  so  sind  wir  auf  die  Etymologie  gewiesen. 
Dass  es  in  zaraz  und  dd  zu  zerlegen  ist,  leuchtet  ein;  zaraz  ist  ent- 
weder gleich  zarad,  skr.  hfd,  Herz,  oder  gleich  zarat,  skr.  garat, 
singend,  preisend;  an  die  skr.  Wurzel  har,  nehmen,  darf  nicht 
gedacht  werden.  Die  erste  Ableitung  verdient  den  Vorzug.  So 
heisst  es  eigentlich  „das  Herz  gebend",  d.  i.  ergeben,  welche  Be- 
deutung an  unserer  Stelle  vortrefflich  passt,  namentlich  auch  zu  dem 
von  zarazddo  abhängigen  Dativ  mazddi.  Der  Form  nach  muss  es 
Nom.  plur.  seyn;    statt  zarazddo   sollte  man    dann  aber  zarazddonho 


124  Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31,  2. 

erwarten.  Indess  konnte  sich  die  Endung  donho  leicht  zu  do  zu- 
sammenziehen. Durch  die  Form  zarezdd  (Instrum.)  in  v.  12  unsers 
Capitels,  welche  „durch  das  Herz"  bedeuten  muss  und  ein  Thema 
zarazd  oder  auch  zarazda  voraussetzt,  könnte  man  leicht  verleitet 
werden,  zarazddo  als  Nom.  plur.  neutr.,  die  Herzen,  zu  fassen; 
aber  dazu  würde  das  Relativ  joi  =  qui  schlecht  passen. 

V.  2.  Jezi  —  urvdne  Nerios. :  jad  ni^ikshate  tasja  mahatcam  jad 
diner  na  jyratihudhjati.  Diese  Uebersetzung  ist  frei  und  etwas  schwer 
verständlich.  Dem  urvdne  soll  inatibudhjati,  er  erwacht,  entspre- 
chen. Worauf  der  Instrum.  plur.  dis,  der  gar  nicht  übersetzt  ist, 
wenn  ihm  nicht  tasja  entspricht,  bezogen  werden  soll,  lässt  sich  aus 
Nerios.  nicht  ersehen.  Es  kann  aber  kaum  einem  Zweifel  unter- 
liegen, dass  er  auf  die  urvdta  zurückgeht.  —  Advdo  —  vaqjdo  Ner. : 
agram  ^ajatvena  upari  pratipddanam  uttamam;  cet  vastuni  jagadinih 
samdigfkjtvena  na  bhaved  drshfdnter  gagatjdh  komalam  kdrjam.  Nach 
der  Uebersetzung  der  einzelnen  Worte  zu  urtheilen  —  denn  das 
Ganze  giebt  keinen  recht  verständhchen  Sinn  — ,  ist  fast,  alles  falsch 
gedeutet.  Dem  advdo  soll  agram  gajatvena,  „vorn  auf  oder  mit 
dem  Lager"  entsprechen,  wobei  der  eigentliche  Ca.«us  und  die  Be- 
ziehung zu  vaqjdo  ganz  ausser  Acht  gelassen  ist.  Advdo  ist  deut- 
Hch  eine  Dualform  und  zwar  Genitiv,  man  vgl.  ahvdo  von  ahü;  als 
Thema  ergiebt  sich  ein  adii,  das  im  Zendawesta  sonst  nicht  weiter 
bekannt  ist.  Dagegen  treffen  wir  später  hie  und  da  ein  adhu,  das 
bei  der  häufigen  Verwechslung  von  dh  mit  d  unbedenklich  als  iden- 
tisch mit  diesem  erschlossenen  Thema  angesehen  werden  kann,  um 
so  mehr,  als  wir  von  adhwan,  Weg  (skr.  adhvan),  44,  3  den  Accu- 
sativ  advdnem  mit  d  für  dh  haben.  Dieses  adu  oder  adhu  ist  indess 
nur  eine  kürzere  Form  von  adhwan ,  Weg.  Man  vgl.  Jt.  8,  29: 
itf  v6  apdm  adhavo  apaiti  eretdo  ga^dordi,  eurer  Wasser  unhemmbare 
Pfade  treten  hervor  (erscheinen).  Davon  abgeleitet  ist  adhavis  Jt. 
10,  143 :  jeiihe  vdshem  hangerewnditi  adhavis,  dessen  (Mithra's)  Wagen 
der  Wanderer  erfasst;  vgl.  adhavis  Jt.  1,  14  als  Name  des  Ahiira- 
mazda  neben  vidhavis.  Mit  advdo  ist  vaqjdo  eng  zu  verbinden.  Bei 
letzterm  Wort  denkt  man  zunächst  an  einen  Comparativ  von  vanhu, 
gut,  und  in  der  That  würde  vaqjo  auch  vollkommen  dem  wedischen 
vasjas,  besser  (eigentl.  Compar.  von  vasu)  entsprechen.  So  fasst 
es  wirklich  auch  Nerios.,  der  uttamam  hat.  Da  aber  die  Bedeutung 
gut  und  noch  weniger  die  von  besser  hier  einen  erträglichen  Sinn 
giebt,  so  trage  ich  kein  Bedenken,  davon  abzugehen.  Ich  stelle 
vaqjdo  mit  Formen  wie  maqjdo,  thwaqjdo,  qaqjdo  zusammen  und  sehe 
darin  nur  einen  Genitiv  dual,  einer  Adverbialform  von  ve  =  vas, 
vestrum.  Beide  Genitive  können  nun  entweder  von  aibi  derestd  oder 
urvdne  abhängig  seyn.  Letzteres  ist  vorzuziehen,  aber  urva7i  kann 
dann  nicht  gut  seine  gewöhnliche  Bedeutung  Seele  hier  behalten. 
Die  „Seele  eurer  beiden  Wege"  klingt  zu  sonderbar.     Daher  möchte 


Haugy  die  Gaiha's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31,  2.  125 

ich  urvan  in  einem  andern  Sinne  fassen.  Der  Ableitung  nach  ist 
es  gewiss  nicht  mit  skr.  arüa/i,  schnell,  Renner,  zusammenzustellen, 
da  dieses  im  Baktrischen  aurvan  lautet,  sondern  ist  von  der  Wurzel 
vd,  wehen,  mit  der  Präposition  ur  ==  ut  herzuleiten,  sodass  es 
eigentlich  das  Aushauchende,  Wehende  heisst;  denselben  Sinn 
hat  ja  dtmdy  animus,  ursprünglich  auch.  Da  urvdtd  in  den  Zara- 
thustrischen  Stücken  die  von  Ahura-mazda  ausgehauchten  Sprüche 
bezeichnet,  so  ist  urvan  der  Aushaucher,  Sprecher  selbst.  Ahura- 
mazda  kann  indessen  unter  diesem  Sprecher  hier  nicht  verstanden 
werden,  wahrscheinlich  ist  der  Prophet  selbst  oder  auch  der  Geus 
urvd  gemeint.  Ädvdo,  „die  beiden  Wege",  sind  wohl  die  beiden 
Leben,  doch  könnte  man  auch  die  Wege  zum  Guten  und  Bösen 
oder  zum  Himmel  und  zur  Hölle  darunter  verstehen.  Man  vgl.  zur 
Anschauung  46,  10.  11.  —  Ueber  aibi-derestd  s.  zu  34,  4  und  50, 
5.  —  At  —  djoi  Nerios. :  evaiTi  jushmdsu  sarve  djanti;  küa  sarve  ^pi 
svddhinatve  jushmdkam  djanti.  Die  Casus  sind  in  dieser  Uebersetzung 
nicht  beachtet;  vigpefig  ist  deutlich  Accusativ  und  djoi  kann  nur  eine 
erste  Person  sing,  und  nicht  eine  dritte  Pluralis  seyn.  Schwierig- 
keit macht  der  Dual  vdo,  euch  beiden,  der  sich  mit  dem  Plural 
vi^peng  in  keinen  rechten  Einklang  bringen  lässt.  Daher  wollte  ich 
früher  vi^pengdjoi  als  ein  Wort  lesen  und  ihm  die  Bedeutung  „keinen 
Seufzer  machen,  d.  i.  sich  nicht  kümmern"  (von  (}vas  und  vi)  bei- 
legen; aber  diese  Erklärung  ist  als  zu  künstlich  zu  verlassen.  Wenn 
wir  nicht  für  vdo  mit  Bf.  und  Bb.  vd  lesen  wollen,  was  sehr  be- 
denklich ist,  so  müssen  wir  den  Dual  vdo  in  dem  Sinne  des  Plurals 
ve  =  vas  gesetzt  denken.  Der  Dual  konnte  hier  leicht  missbräuch- 
lich  für  den  Singular  stehen  in  Folge  der  kurz  vorhergehenden 
Duale  advdo  —  vaqjdo.  —  Der  Satz  at  —  djoi  hängt  mit  dem  fol- 
genden j'athd —  vaedd  eng  zusammen.  —  Mazddo  —  gvdmahi  Nerio- 
sengh:  Hormizddt  tebhjah  tdm  prdptim  cet  punjasarfigrshtdm  jdcajdmah 
[mi^dmspitehhjah  vajam  endm  sainpattim  mdnushdm  Hormizddca  cet 
kdrjdja  pimjdjaca  asmdlcani  asti  Jdcajdmah] ,  wenn  wir  von  Ormuzd 
für  diese  den  Gewinn ,  der  aus  dem  Reinen  entsteht ,  erlangen. 
ä^ajdo  ist  hier  mit  prdpti  wiedergegeben,  welcher  Uebersetzung  wohl 
eine  Ableitung  von  der  Wurzel  ag,  artig,  erlangen,  zu  Grunde 
liegt.  Wenn  gegen  diese  Ableitung  auch  an  sich  nichts  einzuwen- 
den ist,  so  kann  doch  die  dem  Worte  beigelegte  Bedeutung  „Er- 
langung, Gewinn"  nicht  wohl  die  richtige  seyn.  Der  Form  nach 
scheint  es  Genit.  sing,  eines  Thema's  ugd;  aber  da  das  dem  dgajdo 
beigegebene  ajdo  auch  Genit.  dual.  masc.  ist  ( s.  30,  5),  so  kann 
ägajdo  ebenfalls  Genit.  dual,  eines  Thema  ajdo  seyn.  Diess  ist  mir 
um  so  wahrscheinlicher,  als  das  wedische  Sanskrit  kein  dgd,  wohl 
aber  ein  äga  kennt.  Dieses  heisst  Theil,  Antheil.  Unter  „die- 
sen beiden  Theilen"  könnte  man  zunächst  zwei  Parteien  verstehen, 
die  gläubige  und  die  ungläubige.  Aber  die  Worte  ja  —  gvdmahi 
sprechen  dagegen.     Auf  „die  beiden  Wege"  lässt  es  sich  auch  nicht 


126       Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   I.    Cap.  31,  2.  3. 

gut  beziehen.  So  bleibt  noch  die  Beziehung  auf  „die  beiden  Leben". 
Das  ja  ist  Instrumental  wodurch,  und  geht  auf  rahm  zurück.  — 
Dem  gvdmahi  legt  Nerios.  gewiss  mit  Unrecht  die  Bedeutung  fle- 
hen, erflehen,  bei,  während  es  nur  leben  (von  ^iv)  bedeuten 
kann. 

V.  3.  Jäm  —  khshnütem  Nerios. :  jant  datte  adrgatajd  agm'm 
agavahistatnca  jmri  gfidpüum  prativädindm  prahoäham;  kila  guddharnca 
prakatikurute  agavahistaiuca  agnim  patim,  das  Feuer  und  den  Asha- 
vahista  lässt  er  auf  unsichtbare  Weise  die  Einsicht  der  Vertheidiger 
erkennen,  d.  h.  er  macht,  dass  die  Vertheidiger  des  Glaubens  die 
unsichtbare  Macht  des  Feuers  und  des  Arashashpand  Ardibehesht 
erkennen  lernen.  Der  ganz  alterthümliche  und  daher  schwer  ver- 
ständliche Satz  kehrt  mit  geringem  Unterschied  in  der  Verbindung 
raehrmal  in  den  Gäthd's  wieder,  s.  31,  19.  47,  6.  51,  9.  43,  12, 
während  er  dem  ganzen  übrigen  Zendawesta  unbekannt  ist.  Die 
Hauptschwierigkeit  macht  rdnoihjo.  Nerios.  hat  es  hier  und  an  zwei 
andern  Stellen,  31,  19.  43,  12,  mit  prativddiu,  einer,  der  ant- 
wortet, vertheidigt,  51,  9  durch  samvddakara,  eine  Unter- 
redung haltend,  übersetzt.  Worauf  sich  diese  Deutung  stützt, 
lässt  sich  schwer  sagen.  Sollte  vielleicht  an  neupers.  rdndan,  ver- 
treiben, abwehren,  gedacht  worden  seyn?  Schon  der  Umstand, 
dass  sich  beim  besten  Willen  keine  recht  klare  Ableitung  des  Worts 
in  der  von  Nerios.  angenommenen  Bedeutung  finden  lässt ,  macht 
diese  etwas  bedenklich.  Da  aber  auch  durch  sie  nirgends  ein  guter 
Sinn  gewonnen  werden  kann,  so  werden  wir  wohl  davon  abstehen 
müssen.  Mit  mwa,  Schenkel  oder  Hüfte  im  Vend.,  noch  vollständig 
erhalten  im  neupers.  ran,  id.,  lässt  sich  nichts  anfangen.  Ich  deu- 
tete es  früher  als  Seite,  Marke,  durch  das  der  Erde  oder  Kuh  ge- 
gebene Prädikat  rdrijugkereti,  das  ich  rundseitig  erklären  zu  müssen 
glaubte,  verleitet  (s.  zu  44,  6).  Das  wedische  raiia,  Schlacht,  eigentl. 
Schlachtgeschrei,  von  ra»,  tönen,  sich  freuen,  giebt  keinen  wirklich 
befriedigenden  Sinn,  auch  wenn  rana  in  der  Bedeutung  Freude  oder 
ein  sich  Freuender  (letzteres  ginge  nicht  gut  an),  gefasst  wäre. 
„Du  giebst  Denen j  die  sich  über  Jemandes  Feuer  und  Reinheit 
freuen,  Zufriedenheit"  (?)  wäre  etwas  zu  matt  und  unpassend.  Da 
sich  im  Sanskrit  kein  irgendwie  passendes  Wort,  das  lautlich  unse- 
rem rdna  genau  entspräche,  findet,  so  liegt,  da  es  doch  kein  un- 
arisches Fremdwort  seyn  kann,  die  Vermuthung  nahe,  es  sey  ein 
Anlaut  -weggefallen.  Ich  dachte  zunächst  an  skr.  prdiia,  Athem, 
Lebensgeist.  Aber  da  anlautendes  p  nicht  gut  wegfallen  kann 
—  wenigstens  ist  mir  kein  Beispiel  bekannt  —  und  der  Sinn,  wenn 
auch  nicht  ganz  unpassend,  doch  etwas  gekünstelt  wäre,  so  müssen 
wir  davon  abgehen.  Auch  mit  arana,  fremd,  können  wir  weuig 
Glück  machen.  Dagegen  sehe  ich  in  dem  wedischen  araiii,  womit 
die  beiden  Hölzer,  denen  durch  Reibung  nach  alter  Sitte  das  Feuer 


Haug^  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31,  3.  127 

entlockt  wurde,  bezeichnet  werden,  das  vollkommen  Entsprechende. 
Der  Wegfall  des  anlautenden  a  darf  nicht  befremden,  man  vergl. 
ratu  =  skr.  Hu  (für  artu),  für  aretu  oder  aratii,  rapithwem  für  arem- 
pithwem  in  den  Gdthas  (44,  5).  Die  Dehnung  des  zweiten  a  zu  d  ist 
ebenso  wenig  auffallend,  man  vergl.  ^pitdma  für  ^pitama.  Da  uns 
von  dem  fraglichen  Wort  der  Nominativ  nicht  erhalten  ist,  sondern 
nur  die  Casus  obliqui  rdmibjo  und  rdnajdo,  sowie  die  Form  rdjijo 
in  dem  Compositum  rdnjo^keretim,  so  lässt  sich  nicht  mit  Bestimmt- 
heit behaupten,  wie  das  Thema  gelautet  habe.  Rdnuihjo  (Dat.  pl.) 
führt  auf  rdnUy  ränajdo  (Gen.  sing.  fem.  oder  Gen.  dual.)  auf  rdnd 
oder  rdna,  rdnju  dagegen  auf  rdni.  So  kämen  wir  auf  drei  For- 
men des  wedischen  arani,  arani,  im  Baktrischen  rdna,  rdnd  und  rdni, 
was  auf  den  ersten  Blick  seltsam  erscheint.  Aber  bei  einem  nur 
noch  selten  und  in  bestimmten  Formeln  gebrauchten  AVorte ,  das 
bereits  im  Aussterben  begriffen  ist,  lässt  sich  eine  solche  Themen- 
verwirrung leicht  begreifen.  Den  klarsten  Beweis,  dass  unter  den 
rdnoibjo  die  beiden  Arani's  zu  verstehen  seyen,  liefert  der  19.  Vers 
unsers  Capitels,  wo  ganz  deutlich  von  dem  in  die  beiden  rdna's 
gelegten  Feuer  die  Rede  ist.  Dass  dort  von  den  meisten  Mss. 
ränajdo  für  rdnajdo  geschrieben  wird,  darf  nicht  irre  machen;  denn 
alle  übrigen  Ausdrücke  stimmen  zu  genau  mit  den  andern  Stellen, 
wo  rdna  für  räna  geschrieben  ist,  als  dass  ein  wirklicher  Unterschied 
zwischen  beiden  angenommen  werden  könnte.  —  Khshnutem  ist  Acc. 
eines  Femin.  khshnut,  das  für  khshnüti  steht,  wie  ishud  für  ishudi. 
Die  Bedeutung  Verehrung  kann  ihm  hier  nicht  beigelegt  werden, 
wohl  aber  die  von  Opfer  gäbe,  was  das  Wort  seiner  Ableitung 
nach  eigentlich  bedeutet.  Das  in  die  beiden  Hölzer  gelegte  Feuer 
wird  al^s  eine  Darbringung  oder  Gabe  des  höchsten  Gottes  betrach- 
tet. Athrdcd  ashdcd  sind  von  khshnutem,  „Gabe  an  Feuer  etc.", 
abhängige  Instrumentale.  Schwierigkeit  scheint  noch  cois,  das  sich 
in  keiner  der  Parallelstellen  findet,  zu  machen.  Nerios.  giebt  es 
durch  pan-g-ympiYwm,  erkennen,  es  wohl  von  ci,  wissen,  ableitend. 
Es  ist  aber  schwerlich  eine  Verbalform,  —  als  solche  könnte  es  nur 
eine  zweite  Person  sing,  seyn,  —  obschon  47,  5  diess  zu  beweisen 
scheint  (s.  zu  der  Stelle),  sondern  der  Genitiv  des  Pronomen  indef. 
m,  das  auch  Fragepronomen  ist  (43,  7).  In  der  der  unsern  am 
nächsten  kommenden  Stelle  51,  9  steht  für  cois:  thwd,  dich  oder 
durch  dich.  Diese  auffallende  Verwechslung  erklärt  sich,  will  mau 
an  einer  der  Stellen  nicht  einen  entschiedenen  Irrthum  annehmen, 
nur  dann,  wenn  wir  unsere  Stelle  als  Frage,  die  andere  als  Antwort 
fassen.  Cois  ist  dann  Fragewort:  Wessen  Gabe  an  ewigem  Feuer 
(eigentl.  an  Feuer  und  Fortdauer)  legtest  du  in  die  beiden  Keib- 
hölzer?  Den  syntaktischen  Schwierigkeiten,  die  bei  dieser  Fassung 
von  jäm  —  cois  bereitet  werden,  begegnet  man  am  einfachsten  durch 
die  Annahme  einer  Contraction  des  Relativ-  mit  dem  Interrogativ- 
satze,   die  so  aufzulösen  ist:    Wessen  ist  die  Gabe,  d.  i.  von  wem 


128  Haugf  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31,  3. 

kommt  die  Gabe  her,  die  du  in  die  Reibhölzer  legtest?  oder:  ist 
die  Gabe,  die  du  —  legtest,  von  irgend  Jemand"?  51,  9  giebt  die 
Antwort:  Du  legtest  oder  schufest  sie  durch  dich  selbst,  nicht 
durch  Jemand  anders.  Ueber  derartige  Fragen  vgl.  im  Allgemeinen 
c.  44.  —  Jjat  urvdtem  cazdofinhvadebjo  Nerios. :  jacca  jwakd^atvam 
pratidvandinam  f-dvmdmj  vivektuh;  niramgamatvam  (ftirgamatvam)  div- 
jagja  (sjaj,  und  was  das  Bekanntwerden  des  Störers  der  zum 
Kampf  (gegen  das  Böse)  Verbündeten,  die  Vertreibung  des  Teuf- 
lischen ist.  Das  Wort  cazdunnhvadehjo,  wie  mit  Westerg.  zu  schrei- 
ben ist,  hat  Nerios.  nach  andern  Lesarten  zerlegt  und  zwar  in  zwei 
Theile.  Es  entsprechen  ihm  hier  die  Worte  pratidvandvmdm  vivektuh, 
in  der  einzigen  Parallelstelle  44,  5  sakhjd  (?)  vivektuh  (Trenner  der 
Freundschaft).  Bei  dieser  Erklärung  hat  der  Uebersetzer  wohl  an 
die  Wurzel  chid,  trennen,  zerschneiden,  gedacht;  aber  diese 
Wurzel  lautet  im  Baktrischen  voller:  ^cind  =  lat.  scindere.  Schon 
aus  diesem  Grunde  ist  eine  Ableitung  davon  nicht  wohl  zulässig. 
Auch  chad,  bedecken,  verhüllen,  worauf  ich  es  früher  zurück- 
führte, ist  nicht  zu  gebrauchen,  da  die  Lautverbindung  cazd  nicht 
genügend  erklärt  werden  könnte.  Das  Richtigste  ist  wohl  die  Ab- 
leitung von  der  Wurzel  cit,  erkennen,  und  zwar  zunächst  von  dem 
Substantiv  cetas,  mit  dem  Suffix  vat,  gebildet  wie  aogoiihvat  von 
aoganh  =  ogas  -{-  vat.  Gegen  diese  Ableitung  lässt  sich  einwen- 
den, dass  cetas  im  Baktrischen  doch  nicht  leicht  zu  cazdo  werden 
könne,  da  gewöhnlich  nur  dem  durch  Erweichung  des  Schlusskon- 
sonanten einer  mit  a  beginnenden  Sylbe  entstandenen  sanskritischen 
e  (z.  B.  edhi  aus  ad-dhi  für  as-dhi)  im  Baktrischen  azd  entspricht, 
nicht  aber  dem  aus  i  durch  Gunirung  entstandenen  e,  wie  diess  bei 
cetas  von  cit  zutrifft.  Jedoch  Bildungen,  wie  vazdahh  =  skr.  vedas, 
Schatz  (von  vid'),  sprechen  doch  für  die  Möglichkeit  einer  Ablei- 
tung des  cazdü  aus  cetas.  Das  d  darf  nicht  befremden;  das  v  des 
Suff,  vat  übte  seinen  erweichenden  Einfluss  aus.  Die  Bedeutung 
anlangend,  so  ist  man  geneigt,  das  Wort  durch  einsichtig,  weise, 
zu  erklären.  Diese  ist  indess  etwas  zu  allgemein  und  ungenau. 
Ich  lege  die  speziellere  Bedeutung  des  cit,  anzeigen,  offenbaren, 
zu  Grunde.  Agni  heisst  Rv.  I,  65,  5:  cetishtho  vigdm,  der  den 
Stämmen  am  meisten  anzeigt,  offenbart;  und  W,  5,  1  cetanah,  der 
Offenbarer;  vgl.  I,  13,  11:  avasfga  vanaspate  deva  devehhjo  havih 
pra  ddtur  astu  cetanam,  entlass,  glänzende  Vanaspati,  das  Butter- 
opfer zu  den  Göttern;  es  möge  Anzeige  des  Gebers  seyn  (der  Geber 
möge  den  Göttern  genannt  werden)!  Hienach  kann  dem  cetas  füg- 
lich die  Bedeutung  Offenbarung,  Verkündigung,  beigelegt  wer- 
den, sodass  das  lautlich  entsprechende  cazdo  -j-  Suff,  vat  „mit  Offen- 
barung versehen",  d.  i.  Einer,  der  die  Offenbarung  besitzt  und  ver- 
kündigen kann,  heissen  muss.  —  Für  das  urvatem  der  Handschriften 
wird  nach  andern  Stellen  besser  urvatem  gelesen,  da  nur  ein  „Aus- 
spruch" darunter  zu  verstehen  ist,   ein  urvatem  mit  besonderer  Be- 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathudra.  I.    Cap.  31,  3.  4.        129 

deutung  giebt  es  aber  nicht.  —  Das  Sätzchen  hizvd  —  vdurajd  ent- 
hält eine  Bitte  an  Ahura - mazda ,  des  einfachen  Sinnes:  beschütze 
alle  Lebendigen  mit  der  Zunge  deines  Mundes.  Allein  diese  Bitte 
ist  in  erhabener  feierlicher  Rede  so  ausgedrückt,  dass  das  wichtigste 
Nomen,  „die  Zunge  deines  Mundes,"  im  Nominativ  absolut  voran- 
steht und  dann  an  der  Stelle,  wo  wir  es  in  ruhiger  Rede  zu  er- 
warten hätten,  durch  das  Relativum  Ja,  das  als  Instrumental  zu 
fassen  ist,  wiederholt  wird. 

V.  4.  Jadd  —  drmaüi  Nerios. :  gadiddnena  (?)  a^avahistasja  ni- 
mamtrakdh  smah  ■puvjasja  mahdgndninah  svdmino  hhuktipldjd^ca  prthi- 
vjdh;  kila  asmdkam  uttamatvam  evam  astu  jathd  teshdm  saktd  bhavd- 
mah  nimarfdrajüum,  wir  sind  Anrufer  des  Ashavahista,  des  Reine«, 
des  grossen  Weisen,  des  Herrn,  und  der  gabenreichen  Erde.  Auf 
den  ersten  Anblick  ist  man  geneigt ,  dieser  Auffassung  Nerios.  im 
Allgemeinen  beizustimmen;  aber  es  fragt  sich  sehr,  ob  dem  zevim 
hier  die  Bedeutung  „anzurufend"  (sanskr.  havja)  gegeben  werden 
kann,  wonach  der  Satz  hiesse;  wann  die  Wahrheit  und  die  leben- 
digen Weisen  anzurufen  sind;  denn  das  Folgende  spricht  entschieden 
gegen  eine  solche  Fassung.  Zudem  wäre  der  Gebrauch  des  Verbi 
substantivi  in  diesem  Falle  vollkommen  überflüssig  und  kaum  zu 
begreifen ,  warum  nicht  für  zevim  anhen  der  Plural  zevijdonhö  ge- 
setzt wäre.  Am  richtigsten  scheint  mir  zevim  anhen  als  eine  Phrase 
ähnlicher  Bedeutung  wie  zaveng  ga^  (s.  zu  28,  4)  zu  fassen;  zevim 
ist  aber  dann  Accusativ,  mag  man  nun  zevja  oder  zevi  als  Thema 
annehmen.  Zaveilg  ga^  ist  rufen  gehen,  d.  i.  sich  zum  Rufen 
anschicken;  zevim  as,  zum  Rufe  daseyn,  d.  i.  auf  den  Ruf  erschei- 
nen, oder  kürzer:  gerufen  seyn.  Schwierig  ist  die  Verbindung 
mit  den  folgenden  Worten  ashicd  drmaiti.  Das  cd  ist  höchst  unbe- 
quem und  lässt  sich  kaum  anders  ausser  als  Einführung  des  Nach- 
satzes erklären.  Da  aber  eine  solche  Einführung  durch  cd,  und, 
sonst  nicht  vorkommt  und  ashi  der  Verbindung  nach  nur  ein  Ad- 
jectiv  von  Armaiti  seyn  könnte,  was  es  sonst  nie  ist,  die  Form  ashi 
als  Vocativ  nicht  regelrecht  erscheint,  so  kam  mir  der  Gedanke, 
ashicd  als  ein  einziges  Wort  und  zwar  als  Imperativ  von  hie  ==  skr. 
sie,  giessen,  ausgiessen,  übertragen  verleihen,  zufassen.  Das 
Augment  a  darf  nicht  befremden,  wir  haben  es  auch  sonst  beim  Im- 
perativ, so  bei  avaenatd  30,  2;  das  sh  für  h  steht  nur  des  anlau- 
tenden a  wegen,  man  vgl.  shavaitS  für  havaite  29,  3  (s.  die  Note) 
wegen  des  vorhergehenden  Vocals.  —  Vahistd  —  mananhd  Nerios. : 
uthrshta  tvam  abhipsdmo  Gvahmanam ;  kila  mahjam  prasddaih  dehi, 
wir  wünschen  die  Vortreflflichkeit ,  den  Bahman  ;  gieb  mir  Gunst. 
Ueber  ishaga  s.  zu  50,  2.  —  Varedd  kann  hier  nur  Instrumental 
eines  Nomens  vareda  seyn;  über  die  Bedeutung  der  Wurzel  vared 
s.  zu  28,  4. 

Abhandl.  der  DMG.    1.3.  9 


130  Haugy  die  Gdthas  des  Zarathusira.  I.    Cap.  31,  5. 

V.  5.  Tat  —  vahjo  Nerios.:  Ja?i  majd  kdrjam  purijam  vaktam 
(uktam)  asti  tena  te  jad  uttamam  jjrasddaddnajn  katham  svijam  gakjate 
karttum,  wie  kann  man  sich,  wenn  man  das  von  mir  verkündete 
Reine  thut,  dadurch  deine  höchste  Gnadengabe  erwerben?  —  Vici- 
djdij  Inf.  von  vi-ci^  heisst  nie  „thun,  machen",  wie  Nerios.  anzu- 
nehmen scheint,  sondern  nur  unterscheiden  und  durch  Unter- 
schied erkennen.  Das  jjat  führt  einen  Zwischensatz  ein,  zu  dem 
noch  die  drei  ersten  Worte  der  folgenden  Zeile  viduje  vohü  manatihd 
zu  ziehen  sind.  Viduje  (Nerios.:  vetHvani)  kann  keine  Infinitivform 
seyn,  wie  ich  früher  annahm,  sondern  ist  nur  eine  erste  Person 
medii,  wie  klar  aus  29,  3  hervorgeht.  Es  ist  das  Verbum  finit.  zu 
dem  mit  jjat  eingeführten  Satze.  —  Data  ist  keine  zweite  Person 
plur.  imperat. ,  sondern  das  Part.  pass.  plur.  neutr.  —  Für  mencd 
daidjdi  hat  Nerios.:  mahjatnca  dehi,  gieb  mir;  in  der  Parallelstelle 
44,  8  für  menddidjdi:  me  ddtim  hruhi;  53,  5  für  mencd  i  mäzdaz- 
düm:  gndnatd  ajam  me  dehi,  die  Erkenntniss,  die  gieb  du  mir.  An 
zwei  Stellen  deutet  sonach  Nerios.  mm  durch  meiner  =3  mana, 
mama,  an  der  dritten:  Erkenntniss,  es  wohl  auf  die  Wurzel  man, 
denken,  zurückführend  (s.  weiter  zu  28,  5).  Die  Bedeutung  mei- 
ner ist  aber  nirgends  stichhaltig;  zudem  wäre  es  auffallend,  warum 
gerade  das  Verbum  dd,  machen  oder  geben,  das  sonst  immer 
mit  dem  Dativ  construirt  wird,  hier  mit  dem  Genitiv  construirt  seyn 
sollte.  Menddidjdi  Ja9.  11,  9,  zu  fünf  Theilen  machen,  kann 
nicht  hieher  gezogen  werden,  da  es  in  den  angeführten  Stellen  nir- 
gends einen  guten  Sinn  giebt.  Möglich  ist  immerhin,  dass  es  ein 
Terminus  technicus  ist ,  dessen  wahren  Sinn  wir  nicht  mehr  ver- 
stehen. Sollte  es:  die  fünf  Herren  anerkennen,  deren  höch- 
ster Zarathustra  selbst  ist,  heissen  nach  Ja9.  19,  18?  Aber  eine 
solche  Bedeutung  kann  nur  nach- zarathustrisch  seyn,  während 
unser  Capitei  sicher  Aussprüche  von  Zarathustra  selbst  enthält;  da- 
her müssen  wir  von  dieser  Bedeutung  absehen.  An  die  skr.  Wur- 
zel niandj  sich  freuen,  kann  desswegen  nicht  gedacht  werden, 
weil  diese  keine  Trennung  zulässt,  was  bei  menddidjdi  der  Fall  ist, 
da  wir  daneben  mencd  daidjdi  Jiaben.  Ich  kann  darin  nur  eine  Zu- 
sammensetzung der  Wurzel  ma?i,  denken,  meinen,  mit  dd  sehen, 
ganz  nach  jaozdd  von  jaos  ~i- dd  gebildet;  daher  auch  die  Möglich- 
keit einer  Trennung.  Die  Bedeutung  ist  gedenken,  erinnern. 
—  Jehjd  md  ereshis  Nerios.:  Jena  me  acchedah;  kila  tena  gndnena 
saddcdrind  pratjuttaram  acchedam  gakto  bhavdmi  ddtum,  darin  ist 
meine  Unzerstörbarkeit;  durch  diese  immerwährende  Erkenntniss  ver- 
mag ich  eine  unumstössliche  Antwort  zu  geben.  Ereshis  ist  mit 
accheda  übersetzt,  sodass  wir  Grund  haben,  anzunehmen,  Nerios. 
habe  es  von  der  Wurzel  rash,  verletzen,  =  cÄid -|- a  privat,  ab- 
geleitet. Diese  Erklärung  ist  aber  nicht  bloss  sprachlich  ganz  un- 
zulässig, sondern  in  unserem  Verse  auch  sinnlos.  Dem  Wort  ent- 
spricht lautlich  vollständig  das  skr.  hhi.  Dichter,  Seher,  wie 
ereshva  dem  fshva.     Aber  der  Accusativ  md  scheint  eine  Verbalform 


Hciigy  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31,  5.  6.  7.     131 

zu  verlangen.  Als  solche  könnte  ereshis  eine  zweite  Person  sing, 
aor.  von  ere  =  r ,  gehen,  oder  von  eresh=3arshy  fliessen,  seyn. 
Da  sich  ohne  zu  grosse  Künstelei  kein  nur  halb  befriedigender  Sinn 
ergiebt ,  so  müssen  wir  von  dieser  verbalen  Deutung  abstehen. 
Durch  die  Zurückführung  auf  erez,  wahr,  richtig,  ist  mehr  ge- 
wonnen; der  Wechsel  von  z  mit  sh  im  Inlaut  vor  Vocalen  ist  etwas 
bedenklich,  im  Auslaut  dagegen  kann  es  leicht  eintreten,  vgl.  eres 
für  erez  und  mas  für  maz.  Da  sich  die  Deutung  als  „Seher"  an 
unserer  Stelle  nicht  durchführen  lässt,  so  halte  ich  es  für  das  Ein- 
fachste, bei  der  Ableitung  von  eres  =^  erez  zu  bleiben;  aber  dann  ist 
nicht  ereshis,  was  nur  ein  Nominativ  seyn  könnte,  sondern  mit  K.  5. 
ereshes  zu  lesen,  was  ein  Genitiv  von  eres  ist,  gebildet  wie  neres  von 
nar,  Mann.  Der  Accusativ  md  ist  dann  mit  mefidäidjdi  zu  verbin- 
den, sodass  nur  jehjd  ereshes  zusammengehören;  der  erste  Genitiv 
ist  vom  Verbum  abhängig  und  der  zweite  ist  nur  eine  Folge  der 
Attraction  und  steht  statt  des  Nomin.  —  Der  letzte  Satz  ist  ohne 
Verbum ;  er  ist  von  den  frühern  Sätzen  abhängig  und  giebt  nur  ein 
Resume.  Von  ja  —  anhaiti  hat  Nerios. :  jad  asti  ucjate  jacca  ndsHy 
wonach  irrig  die  Negation  nur  auf  anhaiti  bezogen  wird,  während 
sie  auch  auf  anhat  gehen  muss. 

V.  6.  Ahmdi  —  haithtm  Nerios. :  asdu  asti  utkfshtatarah  [dcdr- 
jebhjah  ^ishjebhjo  vd]  j6  wie  vettatojd  (-trtajdj  vaktd  vi^adam,  der  ist 
der  Beste  [für  Lehrer  oder  Schüler,  —  unter  Lehrern  oder  Schü- 
lern?], der  durch  meine  Erkenntniss  das  Wahrhaftige  sprach.  Der 
Sprechende  kann  hier  nicht  Ahara-mazda  seyn,  sondern  dieser  ist 
der  Prophet  selbst.  Der,  von  dem  gesprochen  wird,  der  vidvdo, 
ist  dagegen  der  höchste  Gott.  —  Jjat  —  mananhd  Nerios. :  jdvad 
asmin  uttamam  vikat^ajati  manah;  hildsja  Gvahmano  vapushi  abhjdga- 
tah,  so  lange  er  hierin  den  besten  Geist  offenbart,  d.  i.  in  die  Ge- 
stalt des  Bahman  eingegangen.  Vakhshat  lässt  eine  mehrfache  Er- 
klärung zu,  1)  als  Imperfect  von  vakhsh,  wachsen,  2)  als  Aorist 
von  vaz,  führen,  3)  als  Aorist  von  vac,  reden.  Die  Parallelstel- 
len 48,  6  und  34,  13  (urvdkhshat)  sprechen  zwar  entschieden  für 
die  erstere  Ableitung,  aber  der  Sinn  erfordert  die  dritte;  vgl.  ur- 
vdkhsat  44,  8. 

V.  7.  Jagtd  —  qdthrd  Nerios.:  prdptoca  (?)  pramdnam  prathamarii 
Tocishi  sam^lishfd  subhatd;  kila  jah  prdg  adrqjatdjditi  tatah  tasjedarh 
kimcit  prdptam  evdsti  jat  sfshtdu  punah  prdpnoti ,  und  erreicht  ist 
der  erste  Grund,  die  liebliche  Schönheit  im  Licht,  d.  i.  wer  in  der 
Geistigkeit  vorwärts  schreitet,  von  dem  wird  dadurch  alles  erreicht, 
was  er  bei  der  Schöpfung  wieder  erreicht  (d.  i.  was  ihm  wohl  bei 
der  Neuschöpfung  des  Leibes,  der  Todtenauferstehung,  zu  Theil 
wird).  Für  ja^tä=ja^-{- td,  i.  e.  qui  h?ec  oder  hoc  (vgl.  jat^tem 
46,  4.  6)  wird  vielleicht  besser  ja^cd  gelesen;  f  und  t  konnten  beim 
Abschreiben    leicht    verwechselt   werden.      Auch   Nerios.    hat   ein   4a 

9* 


132  Hang,  die  Gathäs  des   Zarathustra.   I.     Cap.  31,   7. 

gelesen,  wie  seine  Uebersetzung  zeigt.  Behält  man  das  td ,  so  ij*t 
es  etwas  schwer,  dasselbe  zu  erklären;  jnan  kann  es  nur  auf  qdthrd 
beziehen  und  als  Instrumental  „durch  dieses,  mit  diesem"  fassen. 
Dabei  lässt  sich  aber  nicht  gut  begreifen,  wie  dem  qdthrd  ein  De- 
monstrativ vorgesetzt  werden  soll,  da  im  vorhergegangenen  Verse 
keine  Rede  davon  war.  Uebrigens  wäre  noch  eine  andere  Erklä- 
rung des  jagtd  möglich.  Man  könnte  es  als  ein  Nomen  act.  der 
Wurzel  jf'af,  verehren,  fassen,  wonach  es  „der  Verehrer"  bedeu- 
ten würde,  man  vgl.  Ja9.  12,  1  jastd  ameshanäm  ^pe/itanäm  im  Pa- 
rallelismus zu  gtaotd  amesh.  gp. ,  Lobpreiser  der  Amesha  ^pentas. 
Bei  dieser  Auffassung  wäre  indess  nicht  nur  der  correlative  Bau  des 
Verses  (wer,  der)  zerstört,  sondern  es  würde  auch  kein  passender 
Sinn  sich  ergeben.  —  Eine  Anspielung  auf  unsern  Vers  finden  wir 
Ja9.  12,  1:  ahurdi  mazdäi  vanhave  vohumaide;  vigpa  vohu  cinahmi 
ashdune  raevaite  qarenanhaite  ja  zi  cicd  vahistd  jenhe  gdus  Jenhe  ashem 
jenhe  raocdo  jeiihe  raocebis  roithwen  qdthrd,  dem  Ahura-mazda ,  dem 
Guten,  schreiben  wir  alles  Gute  zu;  alles  Gute  erkenne  ich  dem 
Wahrhaftigen,  Hellen,  Glänzenden  zu,  all  das  Beste,  sein  ist  die 
Kuh,  sein  die  Wahrheit,  sein  die  Himmelslichter,  sein  das  raocebis 
roithwen  qdthrd.  Am  meisten  hängt  von  der  richtigen  Erklärung 
des  roithwen  ab.  Nerios.  hat  samclishta,  umarmt,  umschlungen, 
angenehm.  Diese  Bedeutung  ist  dem  ganzen  Zusammenhange 
unsers  Verses  zu  fern  liegend  und  auch  etwas  zu  allgemein ,  als 
dass  wir  sie  annehmen  können.  Sucht  man  nach  einer  Etymologie, 
so  drängt  sich  sogleich  das  so  häufige  raethwajeiti  auf,  das  im  Ven- 
didad  die  Bedeutung  verderben,  verunreinigen,  angenommen 
hat.  Aber  eine  solche  Bedeutung  widerspricht  ganz  dem  Sinne  un- 
seres Verses.  Vor  allem  fragt  es  sich  indess,  ob  dieselbe  die  ur- 
sprüngliche Bedeutung  ist  oder  nicht.  Ich  glaube  nein.  Jt.  8,  13. 
16.  18  heisst  es  von  dem  Stern  Tistrja:  raethwajeiti  raokhshnushva, 
was  sicherlich  nicht  durch  „er  verunreinigt  sich  in  den  Lichtern" 
übersetzt  werden  kann;  v.  46  desselben  Jeschts  wechselt  diti,  er 
geht  herzu  oder  hinein,  mit  raethwajeiti.  In  Jt.  13,  81:  Kehr- 
pa^ca  jdo  raethwajeiti  grirdo  ameshanäm  (^pentanäm,  ist  das  Subject 
von  raethwajeiti  Ahura-mazda  oder  sein  Fravaschi,  von  einem  Ver- 
unreinigen kann  daher  auch  hier  keine  Rede  seyn.  Vend.  3,  14 
hat  raethwdt  mit  upa  (eine  Conjunctivform  gleich  bardt,  kein  Abla- 
tiv!) deutlich  den  Sinn  berühren,  anrühren:  upa  od  nagus  raeth- 
wdt, oder  den  Leichnam  anrührt;  ebenso  Vend.  7,  50.  14,  8 
finden  wir  unter  den  priesterlichen  Geräthen  eines,  Namens  raeth- 
wis,  5,  57  ist  der  raethwis  -  kara  deutlich  eine  im  Feuertempel 
dienstthuende  Person;  er  steht  neben  dem  dgndtar ,  dem,  der 
wäscht.  Hdm-raethwem  und  paiti-raethwem  Vend.  11,  12  sind  da- 
gegen deutliche  Bezeichnungen  verschiedener  Arten  der  Verunrei- 
nigung. Der  Begriff,  unter  dem  die  mannigfachen  Bedeutungen 
des  Denom.  raethwaj  —  denn  nur  als  solches  kann  diese  Verbal- 
bildung angesehen  werden  —    sich  vereinigen  lassen,    ist  der  von 


Uaug,  die  Gathd's  des  Zarathustra.   I.    Cap.  31,  7.  133 

rühren,  die  Jt.  8,  13  treu  bewahrt  erscheint;  Tistrja  rührt  in  der 
Lichtmaterie  und  bildet  sich  daraus  einen  Körper.  Aus  dieser  Be- 
deutung konnte  in  Verbindung  mit  der  Präposition  hänii,  zusam- 
menrühren, ganz  leicht  die  von  trüben,  verunreinigen,  her- 
vorgehen. Als  Etymon  haben  wir  zunächst  raethwa  anzunehmen; 
dieses  ist  aber  deutlich  erst  eine  Abstractbildung  mittelst  des  Suff. 
thwa  ===  skr.  Iva.  Die  Wurzel  ist  wohl  ri,  fliessen,  tropfen;  an 
rdiy  Reichthum,  Vermögen,  ist  doch  nicht  zu  denken.  Raethwa 
ist  sonach  das  Fliessen,  der  Fluss  (fluxus),  das,  was  geflos- 
sen ist.  Das  davon  gebildete  Denomin.  raethwaj  heisst  mit  dem 
Geflossenen  irgend  etwas  thun,  es  in  Bewegung  setzen, 
rühren,  oder  das  Fliessen  machen,  hervorbringen.  Der- 
selben Wurzel  ist  das  wedische  retas ,  Nass,  Saame.  Nun  ent- 
steht die  Frage,  ob  das  roithwen  unsers  Verses  hieher  gehört  oder 
nicht.  Dem  Zusammenhange  scheint  eine  Bedeutung  wie  Licht, 
Glanz,  angemessen.  Dürfte  man  desshalb  an  raevat,  glänzend, 
in  den  spätem  Schriften  denken?  Ich  glaube  nicht,  weil  diese  Be- 
deatung  des  raevat  gar  keine  ursprüngliche  ist  und  das  Wort  sich 
in  den  Gathd's  nicht  nachweisen  lässt.  Da  wir  auf  anderm  Wege 
zu  dem  Sinne  Glanz  nicht  gelangen  können,  so  werden  wir  zuletzt 
genöthigt,  wenn  wir  eine  sichere  Ableitung  wollen,  es  mit  raethwa 
für  identisch  zu  erklären;  nur  das  Suffix  thwen  =  wedisch  tvana, 
armen,  thiun,  weicht  ein  wenig  ab.  Die  Bedeutung  der  Fluss, 
die  fliessende  Masse,  enthält  leicht  den  Nebenbegriff  der 
Menge,  wie  wir  z.  B.  Strom  ähnlich  in  bildlichein  Sinne  gebrau- 
chen. Dieser  passt  vortrefflich  in  den  Zusammenhang.  Zu  dersel- 
ben Bedeutung  könnten  wir  auch  durch  eine  Ableitung  von  rät, 
Vermögen,  gelangen;  wir  wollen  indess  bei  der  ersten  bleiben. 
Der  Instrumental  raocebis  ist  von  roithwen  abhängig,  Menge  an 
Lichtern.  —  Td  —  hämo  Nerios. :  taddvitajaia  mahd^ndni  adf^a- 
tajä  vikd^ajat;  [kila  kimcit  Jat  paralokijam  ihalokijamca];  jasja  sa 
punar  api  rdgd  sarvasja,  dieses  beides  erleuchtete  der  grosse  Weise 
durch  seine  Geistigkeit,  d.  i.  die  ganze  jenseitige  und  diesseitige 
Welt;  von  diesem  Ganzen  ist  er  wieder  König.  Das  td  ist  hier 
als  Dual  gefasst  und  wird  auf  die  beiden  Leben  bezogen;  aber  diese 
Fassung  ist  nicht  zulässig,  da  nirgends,  weder  im  Vorhergehenden 
noch  im  Folgenden,  davon  die  Rede  ist.  Td  ist  eben  Neutr.  plur. 
und  bezieht  sich  auf  das  ja  des  vorhergehenden  Satzes,  das  Nerios. 
ebenfalls  durch  den  Dual  jdu  übersetzt,  es  auf  ashem  und  vahistem 
ma7i6  beziehend,  was  aber  nicht  gut  angeht.  Wollte  man  jd  und 
td  als  Duale  fassen,  so  könnten  sie  nur  auf  mainju  bezogen  werden. 
Aber  hiebei  kämen  wir  in  grosse  Verlegenheiten.  „Diese  beiden 
Geister  liessest  du,  Mazda,  entstehen**  würde  das  sonst  unerhörte 
Dogma  enthalten,  dass  Mazda  den  guten  und  bösen  Geist  geschaffen 
habe,  während  beide  nach  30,  3  Urkräfte  sind  und  Mazda  ja  selbst 
der  gute  Geist  ist.  Der  vorhergehende  Satz  jd  etc.,  „welche  bei- 
den der  beste  Geist  besitzt",    würden  zudem    einen    grobe  Wider- 


134         Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31,  7. 

Spruch  enthalten,  da  der  „beste  Geirt"  sich  auf  keine  Weise  mit 
dem  schlechten  Geist  verträgt.  —  A  nüremcit  giebt  Nerios.  durch 
pimar  api  wieder,  was  sicherlich  ungenau  ist.  Das  Wort  nürem 
treffen  wir  nebst  den  Varianten  desselben,  nur  am  und  nurem,  öfter 
im  Zendawesta.  Der  Etymologie  nach  ist  es  eine  Adjectivbildung 
mittelst  des  Suffixes  ra  von  nü,  jetzt,  vu,  VUV,  unser  nun  =:=  nu, 
jetzt,  im  Weda,  und  heisst  eigentlich  das  Jetzige;  das  cit  ver- 
allgemeinert, sodass  d  nüreincit  eigentl.  zu  jedem  Jetzigen,  d.i. 
zu  jeder  Zeit,  allezeit,  bedeutet.  Dass  ihm  wirklich  eine  solche 
Bedeutung  zukomme,  wird  durch  Parallelstellen  einleuchtend.  Jt.  5, 
63:  ardvi  ^üra  anähite  moshu  me  ^ava  avafihe  nüretn  me  bara  upa^tdm, 
d.  i.  unvergängliche  Ardvi  9Üra,  eile  mir  bald  zu  Hilfe ,  bringe  jetzt 
mir  Beistand  (jiürem  ist  hier  dem  moshu  ganz  correlat  und  muss  ebenso 
wie  dieses  Zeitadverbium  seyn).  Jt.  14,  54:  adhdt  uiti  fravashata 
verethragfmo  ahuradhdto  noit  narn  Japijo  vahmjo  gtus  urvd  ddmi-ddtu 
jat  nürem  vjdmbura  daeva  mashjdka  daevajdzö  vohunim  vd  tdcajeinti 
frashaekem  vd  frashincanti,  von  da  zog  also  weg  Verethraghna,  der 
von  Ahura,  nicht  von  einem  Menschen  Erzeugte,  der  zu  Verehrende, 
der  zu  Verherrlichende,  die  Erdseele,  die  die  Geschöpfe  erschaffen, 
als  neulich  die  Menschen,  den  Daeva  Vjämbura  verehrend,  Blut  ver- 
gossen und  Ströme  (Blutströme)  fliessen  Hessen;  vgl.  die  vv.  55  u. 
56.  — ■  Jt.  8,  15:  ho  ühra  vjdkhmaiijeiti  ^)  ho  ithra  pere^anjeüi  ko 
mäm  nur  dm  frdjazdite  gaomavaüibjo  haomavaitibj  6  zaothrdbjo  kahmdi^) 
azem  dadhdm  virjdm  tstim  virjdm  vdthwäm  havaheca  uruno  jaozddthrem 
nur  dm  ^)  ahini  jagnjai^ca  vahmja^ca  anuhe  a^tvaiie  ashdt  haca  jat 
vahistdty  d.  i.  er  (Tistrja)  überlegte  hier,  fragte  dort:  wer  verehrt 
mich  jetzt  mit  Milch-  und  Haomaspenden?  Wem  ich  grosses  Ver- 
mögen, zahlreiche  Verwandtschaft  gab  und  Reinigung  seiner  eige- 
nen Seele,  von  dem  bin  ich  jetzt  zu  verehren  und  zu  preisen  für 
das  irdische  Leben  wegen  der  besten  Wahrheit.  Vgl.  dieselbe  Ver- 
bindung Jt.  8,  17.  19.  V.  23:  apa  dim  adhdt  vjeiti  zrajanhat  haca 
vouru-kashdt  hdthro-ma^anhem  adhwanem  (^ddrem  urvistremca  nimruite 
Tistrjo  raevdo  qarenanhdo  ^ddrem  me  ahura  mazda  urvistrem  dpo  ur- 
vardogca  bakhtem  daene  mdzdaja^ne  noit  mäm  nurdm  mashjdka  aokhto- 


')  Von  vjdk  +  man,  Verschiedenes  denken,  hin  und  her  den- 
ken. Wegen  des  im  Baktrischen  angehängten  anc  (vjäk  steht  für  vjanc), 
das  im  Sanskrit  eine  so  grosse  Rolle  spielt,  vgl.  njdoncö  und  hunairjdoncö, 
einem  guten  Manne  ähnlich,  Jt.  8,  18. 

^)  Kahmdi  ist  hier  in  relativem  Sinne  gleich  jahmdi  zu  fassen,  ein  Ge- 
brauch, der  sich  öfter  in  den  spätem  Stücken  findet;  im  Pärsi  und  Neu- 
persischen  ist  dann  weiter  das  ursprüngliche  Interrogativ  um  ka  zum  gewöhn- 
lichen Relativum  geworden,  pars,  ke,  neupers.  ä5^ 

^)  Nüräm  für  nürem  steht  hier  wahrscheinlich  nur  als  eine  Art  Accom- 
modation  an  das  vorhergehende  mäm;  Fälle  der  Art  sind  nicht  selten;  vgl. 
Jt  13,  54  56  wegen  pantäm. 


Haugj  die  Gdthas  des  Zarathudra.   Cap.  31,  7.  8.  135 

ndmana  jagna  jazenU  jatha  anje  jazatdonho  aokhto-ndmana  ja(;na  ja- 
zente,  darauf  geht  er  weg  aus  dem  See  Vouru-Kasha,  die  Wegstrecke 
eines  Häthra  weit;  Vernichtung  und  Untergang  verkündet  der  helle 
glänzende  Tistrja  sich,  (indem  er  ruft)  „Vernichtung  drohet  mir, 
Ahura-mazda,  Untergang  des  Wassers  und  der  Bäume  ist  verhängt; 
im  Mazdaja9nischen  Glauben  (die  Bekenner  dieses  Glaubens)  ver- 
ehren mich  jetzt  nicht  mit  derselben  namentlichen  Verehrung,  mit 
der  sie  die  übrigen  Jazata's  verehren".  Jt.  13,  54:  tdo  (fravashajoj 
nuräm  fratacenti  mazdadhdtem  paiti  paiitdm  etc.,  diese  (die  Frava- 
shi's)  gehen  jetzt  weiter  auf  dem  von  Mazda  geschaffenen  Wege. 
V.  55,  56:  welche  (die  Bäume)  ausserdem  ohne  Wachsthum  da- 
stehen; daf  tdo  nurdm  fraokhshjeifitiy  aber  jetzt  wachsen  auf  dem 
von  Mazda  geschaffenen  Wege.  V.  57.  58:  welche  (die  Fravashi's) 
den  Sternen,  dem  Mond,  der  Sonne,  den  anfangslosen  Lichtern, 
die  Wege  zeigen,  die  vordem  überall  lange  ohne  Gedeihen  waren 
wegen  des  Hasses  der  Daeva's  und  wegen  der  Angriffe  der  Daeva's; 
dat  te  nurdm  fravazente  dürae  —  urvae^em,  aber  jetzt  eilen  diese 
(die  Daeva's)  fort  zu  dem  fernsten  Ende  des  Wegs,  vernichtet  durch 
die  gute  Frasho-kereti  (Lebensverewigung).  Vgl.  noch  Jt,  5,  50. 
63.  19,  77,  wo  überall  die  Bedeutung  jetzig,  neulich  oder  jetzt 
klar  zu  Tage  liegt. 

V.  8.  At  thwd  —  mananhd  Nerios. :  evam  tvam  mdtd  ^si  purvam 
mahdgndnin  jad  jonitajd  tishthasi  Gvahmauas^'a,  so  bist  du  zuerst  die 
Mutter  (der  Schöpfer),  grosser  Weiser,  da  du  begriflfen  bist  in  der 
Erzeugung  des  Bahman.  Die  Deutung  des  menhi  durch  mdtd  ist 
auffallend.  Dem  Uebersetzer  schwebte  wohl  eine  Ableitung  von  md, 
messen,  mit  nir,  schaffen,  vor,  statt  der  näherUegenden  von 
man,  denken.  Dass  aber  nur  letztere  die  richtige  seyn  könne, 
beweist  sicher  der  Zusammenhang  unserer  Stelle  und  in  den  vielen 
Versen  von  c.  43 ,  in  denen  wir  dem  menhi  begegnen.  Auch  die 
Erklärung  Ae^s  j azurn  durch  yoniia,  Erzeugung,  wie  seines  Femi- 
ninums jazm  53,  3  durch  aganata  =  nata  est,  ist  wenig  befrie- 
digend. Diese  oder  eine  ähnliche  Bedeutung  lässt  sich  nicht  bloss 
nicht  durch  eine  vernünftige  Etymologie  gewinnen ,  sondern  sie 
widerstrebt  auch  offenbar  dem  Zusammenhange  der  Stellen.  Am 
nächsten  liegt  die  Wurzel  ^'«2,  verehren,  aber  der  sich  ergebende 
Sinn  ist ,  wenn  auch  nicht  geradezu  unpassend ,  so  doch  etwas 
zu  allgemein  und  die  Bildung  jazu  von  dieser  Wurzel  zu  verein- 
zelt. Identisch  mit  diesem  ja%\i  ist  aber  wohl  das  wedische  jahu, 
femininum  jahvi,  davon  jahva^  jahvai.  Nach  Nigh.  3,  3  heisst  es 
gross.  Diese  Bedeutung  ist  aber  sicher  zu  allgemein.  Jahn  fin- 
det sich  gewöhnlich  in  dem  Ausruf:  sahaso  jaho!  (Rv.  1,  26,  10. 
74,  5.  Vir,  15,  11)  von  Agni;  die  Scholiasten  deuten  es  durch 
„Sohn  der  Kraft!"  Dieser  Sinn  ist  aber  schwerlich  richtig.  Jahvarn 
purüjidm  vii^dm  (Rv.  I,  36,  1  von  Agni)  kann  sicher  nicht  mit  „Sohn 
der  vielen  Stämme"  oder  „Erzeuger  der  vielen  Stämme"  übersetzt 


136  Haitg,  die  Gäthä's  des  Zarathustra,    Cap.  31,  8-  9. 

werden,  ebenso  wenig  wie  manusho  jahvah  (VII,  6,  5  von  Agni)  mit 
„Sohn  des  Menschen".  Das  Femininum  jahvi  wird  gewöhnlich  von 
Flüssen  gebraucht  Rv.  I,  71,  7:  samudram  7ia  sravatah  sapta  Jah- 
vih,  vgl.  72,  8.  II,  35,  9.  III,  1,  4,  und  zwar  gewöhnlich  sind  sapta 
jahvis  genannt.  Der  Umstand,  dass  nur  die  Himmels wass er  die- 
sen Beinamen  tragen,  führt  leicht  auf  die  Bedeutung  hoch  (vgl. 
III,  1,  9),  und  aus  dieser  Grundbedeutung  lassen  sich  die  anderen 
ableiten,  wie  Oberster,  Herr  (von  Agni),  Herr  der  vielen 
Stamme  (Rv.  I,  36,  1),  Herr  der  Menschen,  Herr  der  Kraft 
(oder  auch  hoch,  erhaben  an  Kraft,  sahaso  jaho).  Diese  Be- 
deutung hoch  oder  besser  der  Höchste,  Oberste,  giebt  sowohl 
in  unserer  Stelle  als  53,  3  und  Jt.  24,  26  (jazüm,  von  Kavd  Vi^td- 
fpa)  den  besten  Sinn.  —  Hjat  —  heiigrabem  Ner'ios. :  jasjdm  samd- 
locanatvena  samagfhnanti.  Cashmaini  kann  hier  der  Form  nach  nur 
Locativ  seyn.  Wenn  es  Nerios.  mit  dem  Instrumental  samdloca- 
natmna,  durch  den  Anblick  oder  die  Anschauung,  übersetzt, 
so  ist  diess  dem  Sinne  nach  richtig.  Nur  ist  es  gerade  nicht  nöthig, 
von  der  ursprünglichen  Bedeutung  des  cashman  als  Auge  abzugehen. 
—  Haithim  —  dämim  Nerios.:  prakatapunjasja  srshteh;  kila  nirma- 
latarasrshtini  saddcärinim  tvam  datse  (für  das  sinnlose  da^e),  der 
Schöpfung  des  offenbar  Reinen ,  d.  i.  du  machst  die  fleckenlose, 
stets  fortdauernde  Schöpfung.  Auffallend  ist  die  Verbindung  des 
haithim  =  satjam  mit  dem  Genitiv  anheiis,  da  es  meist  nur  Adjectiv 
und,  wenn  es  substantivisch  gebraucht  wird,  kein  Concretum,  son- 
dern ein  Abstractum  ist.  Da  es  von  Ahura-mazda  ausgesagt  wird 
und  nur  wie  ein  Prädikat  desselben  aussieht,  so  läge  der  Sinn  Ver- 
wirklicher der  Wahrheit  am  nächsten;  aber  diese  concrete  Be- 
deutung lässt  sich  dem  haithim  nirgends  beilegen.  Wir  müssen  bei 
der  abstracten  bleiben.  Diess  beweist  deutlich  46,  19:  ashät  haithim 
hacdj  wo  ashdt  hacd  nur  eine  Umschreibung  des  Genitivs  ashahjd 
ist.  Ich  nehme  es  in  dem  Sinne  das  Wirkliche,  Wesenhafte, 
d.  i.  Wesenheit.  Die  Wesenheit  des  Wahren  ist  gewiss  eine 
richtige  und  treffende  Bezeichnung  des  höchsten  Gottes.  —  Ddmis 
dagegen  muss  concret  gefasst  werden  (s.  das  Gloss.),  vgl.  45,  7. 
44,  4. 

V.  9.  Thwe  —  ag-khratus  Nerios.:  tvaji  sd  göh  ghatajitri  asti 
buddhir  jajd  tvam  gopagün  dhatse,  in  dir  ist  die  schöpferische  Kuh, 
die  Einsicht,  durch  die  du  das  Vieh  erschaffen.  —  Thwe.  Zwei 
Mss.  lesen  nach  W.  thwtj  nämlich  K.  4.  und  9.  Diese  Lesung  darf 
nicht  auffallen,  da  das  e  bloss  eine  Dämpfung  des  i  ist  (man  vgl. 
ea  =  id,  s.  zu  28,  12).  Der  Form  nach  kann  es  nur  ein  Locativ 
gleichbedeutend  mit  thwoi  seyn.  Die  Veränderung  des  6i,  das  sonst 
dem  e  gleichsteht,  in  e  scheint  nur  euphonisch  zu  seyn.  Dieses  e 
findet  sich  nämlich  gern  vor  a,  wie  wir  aus  eednii,  eed  etc.  sehen. 
Es  ist  der  Lautassimilation  wegen  in  solchen  Fällen  gewählt,  da  e 
vermöge  seines   dumpfern  Lautes  dem  d  näher  steht,   als  das  hohe 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  L    Cap.  31,  9.  137 

i  und  vi.  In  allen  Stellen,  in  denen  thwoi  vorkommt,  habe  ich  es 
nie  vor  d,  wohl  aber  vor  a,  das  leicht  absorbirt  werden  kann,  ge- 
funden, so  in  unserm  Verse  thwoi  af,  34,  11  thwoi  ahl,  48,  8  thwoi 
ashd.  —  Geus  tashd.  Ob  dieser  Ausdruck  mit  geus  urvd,  Erd-  oder 
Stierseele  identisch  ist,  wie  man  aus  c.  29,  2  vgl.  mit  1  folgern 
kann,  ist  fraglich.  J.  39,  1:  ithd  dt  jazamaide  geus  urvdnemcd  ta- 
shdnemcd,  wo  urvd  und  tashd  neben  einander  genannt  sind,  beweist, 
dass  beide  wenigstens  nicht  völlig  gleichgeltende  Worte  seyn  kön- 
nen, vgl.  Fragm.  VI,  1.  In  unserer  Stelle  hat  der  geus  tashd  das 
Prädikat  ag - khratus,  sehr  einsichtig,  nach  46,  9  verkündet  er 
Wahrheiten,  29,  2  fragt  er  die  Wahrheit.  Hieraus  geht  deutUch 
hervor,  dass  er  als  ein  persönlich  handelndes  Wesen  gedacht  wurde, 
wie  der  urvd ,  und  daher  kein  blosses  Gedankending  ist.  Auch 
die  Ableitung  des  Worts  durch  das  Suffix  an  von  der  Wurzel  tash, 
bilden,  schaffen,  spricht  entschieden  für  eine  concrete  Bedeu- 
tung des  Worts,  sodass  es  eigentlich  nur  durch  Bildner  gut  über- 
setzt werden  kann,  wie  schon  Nerios.  gethan  hat.  Körper,  wie 
man  als  Gegensatz  zu  urvd,  Seele,  leicht  vermuthen  könnte,  heisst 
es  sicher  nicht.  Beide,  tashd  und  urvdy  sind  Bezeichnungen  einer 
und  derselben  Urkraft  nach  verschiedenen  Wirkungen.  Urvd,  eigent- 
lich das  Herauswehende  (vgl.  dtman),  ist  die  die  Natur  durchdrin- 
gende Lebenskraft,  ihr  geistiges  Lebensprincip  überhaupt;  tashd  ist 
die  schöpferische  Aeusserung  dieser  Kraft.  —  Für  ?nainjus,  das 
Westerg.  aus  mehreren  Mss.  aufgenommen  hat,  ist  wohl  der  Voc. 
mainju  zu  lesen.  Da  diese  Lesung  sich  auf  keine  handschriftliche 
Autorität  stützt  —  denn  alle  Mss.  zeigen  am  Schlüsse  wenigstens 
ein  s,  wenn  auch  eine  (K.  11.)  mainjüs,  eine  andere  (K.  5.)  main- 
jeus  liest  — ,  so  muss  sie  hier  kurz  gerechtfertigt  werden.  Mainjus 
ist  ein  Nominativ  neben  dem  Vocativ  mazdd  ahurd;  will  man  die 
Lesung  mainjus  aufrecht  erhalten,  so  muss  für  diesen  Nomin.  irgend 
ein  anderes  Wort  gesucht  werden,  auf  das  er  sich  bezieht.  Da  sich 
in  demselben  Satze  nichts  Beziehbares  findet,  so  könnten  wir  unsere 
Zuflucht  zum  Schlüsse  der  unmittelbar  vorhergehenden  Zeile  geus 
tashd  a^-khratus  nehmen.  Hiezu  passt  aber  die  Bezeichnung  main- 
jus,  Geist,  nicht,  welcher  Name  sonst  nur  den  beiden  höchsten 
Geistern  zukommt.  Einen  treffenden  Sinn  gewinnen  wir  nur  dann, 
wenn  mainjus  mit  mazdd  ahurd  zusammengenommen  wird,  wie  31, 
7,  vgl.  44,  2;  dann  kann  aber  der  Nomin.  mainjus  nicht  stehen 
bleiben,  sondern  muss  in  den  Vocativ  mainju  verwandelt  werden. 
Auf  die  Lesung  mainjus  hat  wohl  die  Endsylbe  us  in  af  -  khratus 
Einfluss  gehabt.  —  Vdt^trjdt  —  vd^trjö  Nerios.:  kartrtajd  nd  dgamte 
(falsch  für  dgacchati);  kila  jah  pratijatnam  gopa^undm  hurute;  ja  vd 
na  asti  karttd  tasmdi  na  daddu,  durch  die  Thätigkeit  kommt  er  her- 
zu, d.  i.  wer  sich  um  das  Vieh  Mühe  giebt;  wer  aber  nicht  thätig 
ist,  dem  giebt  er  (Ormuzd)  nicht.  Schwierigkeit  bieten  die  beiden 
vd  und  dite.  Es  ist  auffallend,  dass  das  erste  vd  im  Hauptsatze, 
das  zweite  in  dem  dazu  gehörigen  Relativsatze  steht,  während  diese 


138       Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.     Cap.  31,  9.   10. 

disjunctive  Partikel  bei  Wörtern  desselben  Satzes  stehen  sollte. 
Diese  Construction  lässt  sich  nur  ans  dem  Gegensatz  von  vat^trja 
und  noü  vd^trja  erklären;  diesen  wollte  der  Dichter  auch  äusserlich 
hervorheben  und  dazu  bediente  er  sich  der  Partikel  vd.  Wir  kön- 
nen dieselbe  im  Deutschen  nicht  gut  wiedergeben.  —  Aite  kann 
wohl  kaum  anders  wie  als  eine  3.  Person  Verbi  „er  kommt"  (vgl. 
neupers.  djed,  skr.  i  +  a)  angesehen  werden,  namentlich  wenn  mau 
V.  14  bedenkt.  Aber  diese  Bedeutung  will  sich  mit  dem  Zusammen- 
hange des  Ganzen  nicht  recht  vertragen.  „Von  dem  Landmanne 
kommt,  wer  nicht  Landmann  war",  wie  hienach  übersetzt  werden 
muss,  ist  unverständlich.  Man  kann  das  je  —  vdgtrjö  daher  nicht 
wohl  als  Subject  von  dite  ansehen,  sondern  man  muss  dieses  im 
Vorhergehenden  suchen.  Als  solches  bietet  sich  Armaitis ,  auf  die 
auch  das  aqjdi  sich  bezieht.  Aber  dann  ist  vor  je  ein  Demonstra- 
tiv mit  der  Präposition  d  zu  ergänzen,  „sie  kommt  von  dem  Land- 
manne her  zu  dem,  der  noch  nicht  Landmann  war,  und  geht  an  ihm 
vorbei".  Von  einem  solchen  Wandern  der  Erdgöttin  ist  öfter  die 
Rede,  vgl.  28,  4. 

V.  10.  At  —  fshujaiitem  Nerios. :  evam  te  dvitijam  (für  das  sinn- 
lose dhitijam)  etehhjo  mitritvam  (?  für  müriktam)  kdrjatre ;  [tad- 
dvitajam  narandri  rüpaih  mülam  phalain  vd  etehhjo  manushjebhjo  dat- 
tam  lidrjakdrmd]  etasmdica  vikd^ajate  kiitumbine,  i.  e.  sie  tibi  (oder 
tui)  secundum  istis,  amicitia  actori  (ab  actore  data),  d.  h.  beides, 
das  Männliche  wie  Weibliche,  Wurzel  und  Frucht  ist  diesen  Men- 
schen vom  Besorger  der  Geschäfte  gegeben;  und  diesem  Hausherrn 
geoflfenbart.  Der  Uebersetzung  des  A?  durch  te  dmtijam ,  dein 
Zweites  (dein  Paar),  liegt  eine  richtige  Auffassung  zu  Grunde,  da 
hl  wirklich  Nom.  Acc.  Dual,  des  alten  Pronominalstammes  hi  =  si 
(im  Weda)  ist,  wie  unzweifelhaft  aus  30,  3  und  44,  18  hervorgeht. 
Da  aber  das  folgende  ajdo  ebenfalls  ein  Dual  und  zwar  ein  Genitiv 
ist,  so  ist  die  Satzverbindung  etwas  schwierig.  Man  müsste  hi  ab- 
solut in  dem  Sinne  „was  beide  anbetrifft,  —  so  etc."  fassen.  Als 
Gen.  sing.  fem.  lässt  sich  ajdo,  was  es  seiner  Form  nach  wohl  seyn 
könnte,  nicht  nehmen,  da  es  nur  auf  die  Armaiti  bezogen  werden 
könnte,  was  gegen  den  Sinn  des  Ganzen  seyn  würde.  Viel  ein- 
facher aber  ist  die  Construction,  wenn  man  hi  als  Nom.  demonstr. 
femin.  fasst,  was  es  der  Form  nach  recht  gut  seyn  kann,  und  auf 
Armaiti  bezieht.  —  Fravaretd.  Wegen  des  humaretöis  bakhstd,  „Theil- 
haber  an  der  frohen  Kunde"  im  letzten  Gliede  des  Verses  wäre  ich 
nicht  abgeneigt,  dem  fra-vare  die  Bedeutung  lehren,  unterrich- 
ten, zu  geben,  wenn  sich  diese  nur  gehörig  beweisen  liesse.  Diese 
Bedeutung  kommt  zwar  dem  vere-nu  (s.  das  Gloss.)  zu;  aber  das 
Fehlen  des  Klassenzeichens  nu  im  Imperativ  wäre  auffallend,  und 
der  Präposition  fra  keine  Rechnung  getragen.  Fra-vare  heisst  im 
Jüngern  Ja9na  —  im  altern  kommt  es  nicht  weiter  vor,  wenn  man 
nicht  das   adverbiale  fra&ret  hieher  zieht  —    sich   zur   Zarathu- 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zaraihustra.  I.    Cap.  31,  10.         139 

strischen  Religion  bekennen,  eigentl.  das  Beste  wählen.  Ja^. 
12,  8,  wo  der  Bekenner  fravareta  (das  Part.  pass.  in  activem  Sinne, 
wie  oft)  heisst.  Diese  Bedeutung  ist  hier  wegen  der  offenbar  von 
fravareta  abhängigen  Accusative  vd^trim  fshujantein  nicht  zulässig. 
Wir  werden  daher  am  besten  thun,  bei  der  ursprünglichen  Bedeutung 
erwählen  stehen  zu  bleiben.  Was  die  Form  anlangt,  so  hat  man 
zwischen  der  2.  Person  Imperat.  plur.  und  der  3-  Person  sing.  Imperf. 
med.  die  Wahl.  Letzteres  ist  unstreitig  vorzuziehen.  Aqjdi  ist 
dann  reflexiv,  sich.  —  Fshenght.  Nerios.  hat  visphdrajatd,  „der 
hin-  und  herfahren,  schimmern  lässt",  und  erklärt  es  durch  pravar- 
dhajüd,  „der  wachsen  lässt,  der  Förderer".  Die  Form  wie  die  Ab- 
leitung bieten  Schwierigkeit.  Ein  Nomen  actoris,  wie  es  Nerios. 
nimmt,  ist  es  sicher  nicht.  Durch  die  so  häufige,  täuschend  ähn- 
liche Form  menhi,  ich  dachte,  könnte  man  leicht  versucht  werden, 
es  ebenfalls  für  eine  Verbalform  zu  erklären.  Aber  der  Zusammen- 
hang gestattet  diess  nicht,  da  so  auf  einmal  eine  erste  Person  Verbi 
in  den  Satz  käme,  die  den  Sinn  zerrisse.  Man  müsste  nämUch  die 
erste  Person  entweder  auf  den  Ahura-mazda  beziehen,  was  dem 
dritten  Versgliede  zuwider  wäre,  oder  auf  den  Dichter,  in  welchem 
Falle  eine  richtige  Beziehung  der  Worte  ahurem  ashavanem  nicht  gut 
denkbar  wäre.  „Ich  will  den  Lebendigen,  den  Reinen  (Mazda) 
reich  machen  an  guter  Gesinnung",  wäre  im  Munde  des  Dichters 
dem  höchsten  Gott  gegenüber  zu  vermessen.  Wir  müssen  daher 
die  verbale  Bedeutung  des  Wortes  aufgeben  und  unser  Heil  in  der 
Deutung  desselben  als  eines  Nomens  suchen.  Als  Nominalform 
scheint  es  ein  Nom.  plur.  neutr.  zu  seyn,  sodass  enghi  der  Sans- 
krit-Endung dmsi  entspräche,  was  lautlich  vollkommen  richtig  ist 
(vgl.  den  Acc.  plur.  vi(;peng  mit  vifüa?*);  aber  das  Baktrische  kennt 
diese  sanskritische  neutrale  Pluralendung  nicht.  Ausserdem  hätte 
auch  die  Beziehung  Schwierigkeit.  Als  Locativ  sing,  eines  Thema's 
fshenhj  fshenh,  von  dem  wir  49,  9  den  Comparativ  fshmghjo  haben, 
Hesse  es  sich  eher  erklären.  Aber  es  fragt  sich  gerade  des  fshmghjo 
wegen,  ob  es  die  Bedeutung  eines  Substantivs  habe.  Das  einfachste 
ist,  es  als  Adject.  femin.  im  Nom.  sing,  zu  fassen  und  auf  Armaiti 
zu  beziehen.  Das  Thema  fshenh  führt  zunächst  auf  ein  psdns  im 
Sanskrit,  dessen  Wurzel  p*«,  essen  (nach  Nigh.  2,  14  auch  gehen) 
ist.  Seine  Bedeutung  konnte  leicht  auf  stark,  gross  werden, 
übertragen  werden.  Näher  liegt  das  fshaoni,  reich,  der  späterh 
Bücher;  hievon  ist  fshenghi  wohl  nur  eine  härtere  Aussprache.  — 
Noit  —  bakhstd  Nerios.  :  na  mahdgndni  akdrjakrtti  (karttre?)  pratd- 
rajitre  Agmogdja  ^raddhddhjajaiiatajd  pravarshati  [tena  jatah  ^raddhdm 
(für  ^uddham)  adhjeti  prasddam  na  daddti  jatah  avjdpäratajd  adhjeti], 
der  grosse  Weise  verleiht  dem  Ashemogh,  dem  Uebelthäter,  dem 
Betrüger,  durch  die  Lesung  des  Glaubens  nichts,  d.  i.  desswegeu, 
weil  er  den  Glauben  hersagt,  gewährt  er  ihm  keine  Gunst,  weil  er 
ihn  liest,  ohne  ihn  zu  vollbringen.  Für  daväi^cind,  wie  Westergaard 
schreibt,    ohne  Varianten    anzugeben,    liest  Bf.  daevägcind   und  Bb. 


140     Haugj  die  Gdthas  des  Zarathustra.   I.    Cap.  31,   10.   11. 

daeväi^cind.  Diese  Lesungen  mahnen  ganz  an  dahdcind  30,  6,  wo 
sich  keine  erheblichen  Varianten  finden.  Vor  allem  fragt  es  sich 
nun,  ob  daväi^cind  auch  wirklich  genügend  erklärt  werden  könne. 
Dass  cind  =  skr.  cana  nur  ein  Wörtchen  der  Verallgemeinerung  ist, 
leuchtet  ein.  Das  übrig  bleibende  daväg  ist  der  Form  nach  nur 
Noin.  part.  praes.  der  Wurzel  du,  für  welche  zu  28,  3  die  Bedeu- 
tung verleihen  in  den  Gdthd's  nachgewiesen  ist.  Für  die  spätere 
Bedeutung  des  Worts  sprechen  (von  den  bösen  Geistern)  ist  kein 
sicherer  Beweis  aus  den  Gdthas  zu  liefern.  An  unserer  Stelle,  wo 
sie  sich  verhältnissmässig  noch  am  leichtesten  anwenden  liesse,  giebt 
„irgend  ein  Sprechender",  zudem,  da  böse  Geister  nicht  ausdrück- 
lich genannt  sind,  doch  auch  keinen  rechten  Sinn.  Da  sich  somit 
davä^  nicht  hinreichend  erklären  lässt,  so  werden  wir  nicht  irren, 
wenn  wir  die  Lesart  daeväg  vorziehen.  Dieses  ist  entweder  ein 
Denominativ  von  daeoa,  für  daevajä^ ,  die  Daeva's  verehrend, 
oder  es  ist  von  der  Wurzel  div ,  spielen,  betrügen,  abzuleiten; 
dann  würde  besser  divä^cind  geschrieben.  Letzterer  Auffassung  ist 
Nerios.  gefolgt.     Man  vgl.  divamnem  v.  20. 

V.  11.  Die  Sätze  hjat  und  jjat  stehen  zu  einander  im  Verhält- 
nisse der  Correlation;  hjat,  an  der  Spitze  des  Satzes  stehend,  weist 
nur  im  Allgemeinen  auf  den  Inhalt  desselben  hin;  die  nähere  Be- 
stimmung enthalten  die  Accusative  gaethdo^cd  daendo^cd ;  desshalb 
kann  ihm  auch  keine  pronominale  Bedeutung  beigelegt  werden ;  der 
demonstrative  Sinn  dieses  geht  in  den  adverbialen  da,  als,  über. 
Die  zwei  mit  jjat  beginnenden  Sätze  beschreiben  das  im  ersten 
Gesagte  näher.  —  Thwd  manaiihd  khratuscd  Nerios.:  tvaji  biiddhajeca; 
[kila  tvaji  vishaje  jan  mano  buddhi^ca  tadartham  addh],  i.  e.  in  te  in- 
tellectuique,  d.  h.  du  schufest  desshalb  in  deinem  Kreis,  dem  Sinn 
und  Verstand  (vermöge  des  dir  angebornen  Sinnes  und  Verstandes). 
Die  Construction  der  Worte  macht  einige  Schwierigkeit.  Man  ist 
daher  leicht  versucht,  den  Text  etwas  zu  verändern,  um  einen  ent- 
sprechenden Sinn  gewinnen  zu  können,  und  zwar  den  Accus,  thwd 
in  den  Voc.  tu  (d  wäre  dann  Präposition  zu  mananhd) ,  und  khra- 
tuscd in  khratücd  (alter  Instrumental  für  khrathwd')  zu  ändern,  wo- 
nach zu  übersetzen  wäre:  „du  mit  Gesinnung  und  Einsicht".  Allein 
es  lässt  sich  doch  bei  genauerer  Erwägung  mit  Beibehaltung  des 
überUeferten  Textes  ein  befriedigender  Sinn  gewinnen  ,  aber  nur, 
wenn  thwd  nicht  als  Accusativ,  sondern  als  Instrumental  genommen 
wird  (vgl.  V.  20).  Auch  Nerios.  hat  nicht  den  Accusativ,  sondern 
den  Locativ,  also  wenigstens  einen  näher  verwandten  Casus.  „Durch 
dich,  den  Geist"  giebt  den  Sinn:  durch  deinen  Geist.  Der  Acc. 
khratüs  ist  von  tasho  abhängig.  —  Für  ustanem  wird  nach  der  Mehr- 
zahl der  Stellen  und  der  Ableitung  (von  ut  -\-  tana)  wohl  besser 
ustanem  geschrieben  (s.  das  Gloss.).  —  Jathrd  —  ddite  Nerios.:  jat 
paraiokakdmindm  kdmam  addh;  [kila  jah  samihate  jai  Jena  paralokam 
vragati  tasmdi  samihitam  addh,  tasmdi  ipsajitre  daddte  (?)  jah  djdti] 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zaratfnistra.  I.    Cap.  31,   11.  12.      141 

du  schufest  das  Verlangen  der  nach  der  andern  Welt  Verlangenden, 
d.  i.  wer  dadurch  in  die  andere  Welt  zu  kommen  wünscht ,  dem 
erfüllst  du  seinen  Wunsch,  dem  Verlangenden,  der  sich  naht,  wird 
er  gewährt.  Diese  Deutung  widerspricht  dem  Zusammenhang,  da 
dieser  Satz  eng  mit  dem  Anfang  des  folgenden  Verses  zusammen- 
hängt, wo  von  Lüge  imd  Wahrheit  die  Rede  ist.  —  Va^do  lässt 
sich  doppelt  fassen,  entweder  als  Neutr.  plur.  von  vaganh,  Willen, 
Verlangen,  freie  Wahl,  oder  als  ein  davon  gebildetes  Adjectiv 
(vgl.  mando  30,  9),  der,  welcher  wünscht  oder  will.  Da  die 
erstere  Fassung  mannigfache  Schwierigkeiten  hat  —  das  Verbum 
steht  im  Singular  statt  im  Plural  — ,  so  müssen  wir  uns  der  zwei- 
ten zuwenden.  Va^do  ist  der  freie ,  unabhängige ,  nach  eigenem 
Ermessen  handelnde  Mann  (man  vgl.  va^e-khshajdg y  selbstherr- 
schend), der  sich  nach  Gutdünken  seinen  Glauben  (varena)  wählen 
kann.  „Wo  der  Freie  die  Wahlen  macht",  d.  i.  wo  er  sich  von 
den  verschiedenen  Glaubensansichten  eine  auswählt. 

V.  12.  Mithahvacdo  Nerios. :  pdpasja  vaktd,  der  Sprecher  des 
Uebels.  Aehnlich  giebt  Nerios.  mithahjd  33,  1  durch  mithjdtmaka, 
rügerisch  gesinnt.  Dass  diese  Deutung  des  Worts  im  Allge- 
meinen richtig  ist,  beweist  nicht  nur  ganz  deutlich  der  Zusammen- 
hang dieser  und  anderer  Stellen  (vgl.  mithS-vaocdonho,  Lügenred- 
ner, Jt.  19,  95;  mithaokto  das.,  96,  Name  eines  Dämon,  s.  auch 
Ja9.  60,  5),  sondern  auch  die  Ableitung.  MUhanh  (das  Thema  des 
ersten  Theiles  von  mithahvacdo)  ist  mit  dem  sanskritischen  mithas, 
wechselnd,  gegenseitig,  identisch,  woraus  die  Bedeutung  lüg- 
nerisch abgeleitet  werden  kann,  vgl.  mithjd,  falsch,  lügenhaft. 
Wechselndes  redend  ist  so  viel  als  Verschiedenes  redend, 
was  im  Gegensatze  zu  ereshvacdo ,  das  Gerade,  Aufrichtige 
redend,  nur  so  viel  als  Falsches,  Lügen  redend  heisscn  kann 
(s.  weiter  Benfey,  Weitere  Beiträge  zur  Erklärung  des  Zend,  S.  50). 
—  Für  zarezdd  liest  Bb.  zaredd,  was  richtiger  zu  seyn  scheint,  da 
der  Zusammenhang  ein  Wort  wie  Herz,  Gemüth,  erfordert,  dieses 
aber  gewöhnlich  zaredaja,  eine  Erweiterung  von  zared  =  skr.  hfd, 
und  nicht  zarczdaja  heisst.  Möglich  ist  indess  immerhin  die  An- 
nahme, dass  in  dem  altern  Dialekt  an  das  zared  eine  andere  Endung 
gehängt  wurde,  etwa  die  von  dd,  woraus  regelrecht  zarezdd  werden 
musste.  —  Anus-hakhs  —  maethd  Nerios. :  srone  (?)  *)  prcchdnrtaje 
sampurnamanasd  anu<:aktajd  pradravanti  paralokanivdsdn ;  divjd  adffja- 
tajd  paralokasthandni  prcchanti,  indem  sie  (die  Daeva's)  gegen  die 
Armaiti  durch  beständiges  Nachlaufen  Unrecht  zu  thun  trachten,  ver- 
folgen sie  die  Bewohner  der  andern  Welt;  die  höllischen  Geister 
trachten  unsichtbarerweise   nach    den   Orten   der   andern  Welt.     Da 


^)  Was  dieses  Wort  bedeuten  soll,    ist  mir  unklar  geblieben.      Wahr- 
scheinlich ist  die  Lesart  verdorben. 


142     Haug,  die  Gäthäs  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31,   12.   13. 

Nerios.  gegen  seine  sonstige  Gewohnheit  in  seiner  Uebersetzung  die 
Aufeinanderfolge  der  Worte  im  Urtext  verlassen  hat,  so  kann  nicht 
genau  angegeben  werden,  wie  er  jedes  einzelne  Wort  gefasst  hat. 
Das  anu^aktajd  entspricht  sicher  dem  d?ius-hakhs,  welche  Ueber- 
setzung gewiss  richtig  ist.  Die  Identität  mit  dem  wedischen  dnushah, 
der  Reihe  nach,  beständig,  leuchtet  Jedem  von  selbst  ein. 
Mainju  kann  hier  weder  als  Vocativ,  noch  als  Instrumental  singul., 
wie  Nerios.  thut,  gefasst  werden,  sondern  es  muss  Nora.  Acc.  Dual, 
seyn.  Der  Dual  findet  in  dem  unmittelbar  Vorhergehenden,  „Lügen- 
redncr  und  Wahrheitredner,  Wissender  und  Unwissender"  seine  ge- 
nügende Erklärung. 

V.  13.  Ja  fraf^a — tajd  Nerios.:  je  pfcchanti  prakate  puiijena,  jo 
vd  mahdgndnin  pfcchati  pdpena,  die  offen  nach  dem  Reinen  fragen, 
oder  wer,  grosser  Weiser!  nach  dem  Frevel  fragt.  Fra^d  aufperef, 
fragen,  zurückzuführen,  wie  Nerios.  thut,  ist  unzuläs.sig  (s.  zu  30, 
9).  Das  Subject  zu  peregdite  ist  Armaitis,  die  das  Subject  des  un- 
mittelbar vorhergehenden  Satzes  ist ;  aber  der  Instrumental  toja, 
i.  e.  cum  hac,  darf  dann,  da  er  nur  auf  maethd,  Wohnung,  Ort, 
zurückbezogen  werden  könnte,  nicht  in  seinem  instrumentalen  Sinn 
genommen,  sondern  muss  als  Locativ  gefasst  werden.  Vielleicht  ist 
tajd  auch  rein  adverbial  so  oder  hier.  —  Mazdd  ist  hier  nicht  Vo- 
cativ, sondern  Neutr.  plur.  (s.  zu  30,  1),  und  hängt  von  pere^dite 
ab.  —  Je  —  bügem  Nerios.:  jo  vd  kirhcanena  duhkhatvena  tau,  mnhat 
dcdrati  ^uddhaje,  oder  wer  durch  irgend  eine  Schlechtigkeit  dieses 
Grosse  vollbringt  zum  Nutzen.  Ajamaite  ist  ocTü.  XsyciJL.  Die  ihm 
hier  beigelegte  Bedeutung  vollbringen  kann  dem  Zusammenhange 
nach  nicht  ganz  richtig  seyn,  da  sie  zu  bügem,  Glück,  Genuss, 
nicht  gut  passt.  Dagegen  bietet  die  sanskritische  Wurzel  jam  in 
der  Bedeutung  geben,  gewähren,  darreichen,  die  erwünschteste 
Hilfe.  Ajamaite  ist  medium  und  trägt  als  solches  den  Begriff  sich 
geben,  d.i.  sich  verschaffen.  Das  Augment  scheint  auffallend. 
Doch  kann  man  die  Form  als  Imperfectum  nehmen.  —  Td  —  vi^pd 
Nerios.:  tdu  locandbhjdm  ekahelajd  jydpeshu  pari  piivjeshu  pari  pa<;ja 
[mdrgeshuca  punjeshiica  ekahelajd  adhipatita  (?)  ]  sarvatraca  punar  api, 
sieh  diese  zwei  mit  den  Augen,  mit  Verachtung  auf  den  einen  wegen 
der  Frevel,  und  auf  die  Reinen,  und  (sieh)  auch  sonst  überall  herum. 
Diese  Deutung  ist  gewiss  nicht  richtig.  Thwi^rd,  wofür  K.  5,  6. 
thwagrd  lesen,  wird  durch  e^aÄe/«,  was  nur  Verachtung  des  einen 
oder  eine  Verachtung  heissen  kann,  übersetzt.  Dem  Uebersetzer 
scheint  sonach  eine  Ableitung  von  tbish,  hassen,  oder  thwjd,  Un- 
glück, Elend,  thwjä^tema,  sehr  unglücklich,  vorgeschwebt  zu 
haben.  Diese  ist  aber  sowohl  der  Etymologie  als  dem  Zusammen- 
hange nach  (namentlich  wegen  des  cashmeng,  Augen)  unzulässig. 
Ich  kann  das  Wort  nur  als  Adjectivbildung  der  W.  tvi^h,  glänzen, 
ansehen.  Cashmeng  thwigrd  heisst  somit:  glänzend  an  Augen 
(Accusativ  der  nähern  Bestimmung,   d.  i.  mit  glänzenden,  hell- 


Ha.ug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31,  13.   14.     143 

leuchtenden  Augen,  was  auf  Asha,  das  Subject  des  Satzes, 
worunter  wohl  nur  Ahura-rnazda  gemeint  ist,  besser  passt,  als  du 
mit  den  Augen  Hassender.  Will  man  indess  der  Concinnität 
wegen  thwigrd  nicht  als  Vocativ,  sondern  als  Accus,  neutr.  pl.  neh- 
men, so  muss  ashd  ebenso  gefasst  werden.  Aber  dann  muss  das 
Subject  aus  dem  folgenden  Verse,  Ahura-mazda,  ergänzt  werden. 
Wenn  nun  auch  diese  Ergänzung  keine  Schwierigkeit  hat,  so  bilden 
thwigrd  und  ashd  weder  so  synonyme  noch  entgegengesetzte  Be- 
grifife,  als  dass  viel  dadurch  gewonnen  würde.  Hdro  ist  Nerios.  ein 
Nomen  der  Bedeutung  Sünde,  Frevel.  Da  er  J.  44,  2  dasselbe 
durch  eva  swdmi,  i.  e.  sie  dominus,  deutet,  es  offenbar  mit  ahura 
verwechselnd,  so  ist  seine  eigene  Unsicherheit  über  die  wahre  Be- 
deutung des  Worts  einleuchtend  genug.  Keine  von  diesen  beiden 
Bedeutungen  lässt  sich  wirklich  beweisen.  Dass  es  einer  Wurzel 
har  entstammen  müsse,  sieht  Jeder  leicht;  aber  was  diese  bedeute 
und  ob  es  Nomen  oder  Verbum  sey,  kann  4iur  eine  tiefere  Unter- 
suchung zeigen.  Har  entspricht  ganz  der  sanskr.  Wurzel  sar  (sf), 
gehen,  fliessen,  saras  ist  FIuss,  sarasvati  die  Strömende. 
Diese  Bedeutungen  geben  aber  keinen  irgendwie  befriedigenden  Sinn. 
Zum  Glück  lässt  sich  im  Zendawesta  eine  von  dieser  ursprünglichen 
abweichende  eigenthümliche  Bedeutung  nachweisen.  Mit  nis  heisst 
Aar  deutUch  beschützen,  behüten.  Ja9.  57,  16:  nis-haurvaiti  — 
mazddo  ddmcin,  er  beschützt  Mazda's  Geschöpfe  (von  ^raosha),  vgl. 
J.  58,  4  nisanharatü,  er  schütze.  Häufig  wird  von  dem  Genius 
^raosha  das  Substantiv  hareta  (Thema  haretar),  Schützer,  Hirte, 
gebraucht,  J.  57,  15:  j6  hareta  aiwjdkhstacd  vt^pajdo  fravöis  gaetha- 
jdo,  welcher  Schützer  und  Beschirmer  der  ganzen  Welt  ist;  58,  2: 
nipdtajaecd  nisanharetajaecd  harethrdicd  aiwjdkhstrdicdj  Beschützung 
und  Beschirmung,  Hüter  und  Wächter;  Jt.  10,  103:  haretdrem  — 
aiwjdkhstdrem,  von  Mithra.  Dem  hdro  der  Gdthd's  kommt  aber  hi- 
shdro  Ja9.  57,  17,  wo  (J^raosha  hishdro  ashahe  ga^thdo,  der  die 
Besitzthümer  der  Wirklichkeit  Schützende,  genannt  wird, 
am  nächsten.  Dieses  ist  nur  eine  RedupHcation  von  hdro  und  regiert 
den  Accusativ  gaethdo,  nicht  den  Genitiv  ashahe,  wonach  es  eine 
Art  Verbaladjectiv  ist.  An  unserer  Stelle,  sowie  in  J.  44,  2  hängt 
nun  kein  Accusativ  davon  ab,  sodass  wir  es  füglich  in  dem  Sinne 
Hüter,  Wächter,  nehmen  können.  Ich  dachte  lange  an  eine  2. 
Person  sing.  Aoristi  IT.,  da  er  an  beiden  Stellen  einen  Sinn  giebt; 
aber  eine  genauere  Betrachtung  der  Satzstructur  hat  mich  davon 
abgebracht.  Man  vgl.  noch  die  beiden  Namen  pa^us-haurva,  Vieh- 
hüter, und  vis-haurva,  Haushüter,  von  Hunden  im  Vendidad  ge- 
braucht. —  Die  Präposition  aibi  gehört  beidemal  zu  vaenahi,  man 
vgl.  für  solche  Wiederholungen  v.  8  hem-hefigrabem,  44,  13  nis  — 
nis-ndshdma.  ^ 

V.  14.  JA  zi  diti  genghaticd  Nerios. :  jad  dgatam  djdticd.    Ganz 
richtig !  —    Jdo  ishudö  —  ashaond  Nerios. :  jo  rinam  (richtiger  fnani) 


144     Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.   I.    Cap.  31,   14.   15. 

dadate  ddnebhjah  punjdtmane  [Hormizddja  jathd  jugjate  ddtum],  wel- 
cher dein  Reingesinnten  für  die  Gaben  sich  verbindlich  macht,  näm- 
lich dem  Ormiizd.  Ueber  ishudo  s.  zu  34,  15.  Der  Genitiv  plur. 
ddthranäm  lässt  sich  von  einem  ddthrem  ==  ddtram,  Gabe,  oder  von 
ddtar,  Geber,  ableiten.  Nerios.  folgt  der  erstem,  ich  möchte  die 
zweite  vorziehen.  Ashaono  und  dregvödebjö  sind  dann  Unterabthei- 
lungen dieses  allgemeinen  Begrilfs. 

V.  15.  Pere^d  —  hunditi  Nerios.:  pfcchdmi  evam  jad  vind^anigra- 
hüum,  je  (jo)  durgamato  (besser  durgatimato)  rdgjam  kurute  [kila 
pdrthitvam  nikrshtebhjo  datte^,  ich  frage  so,  wie  der  vom  Untergang 
gerettet  wird,  der  dem  Schlechtgesinnten  Herrschaft  verleiht  (dem 
Schlechten  die  Obermacht  giebt).  Für  mainis  liest  K.  6.  maenis, 
K.  4.  maenisi,  Bf.  und  Bb.  mainjus.  Die  Abweichungen  von  K.  4. 
und  6.  sind  rein  orthographischer  Natur,  da  ai  wohl  wie  ä  ausge- 
sprochen und  daher  leicht  mit  dem  e  verwechselt  werden  konnte. 
Mainjus  dagegen  ist  eine  blosse  Conjectur  aus  Missverständniss  dieses 
seltenen  Wortes  Mainis  ist  die  einzig  richtige  Lesart.  Die  ihm  von 
Nerios.  beigelegte  Bedeutung  vindganigrahitum  lässt  sich  auf  keine 
Weise  rechtfertigen ;  er  scheint  in  der  zweiten  Sylbe  nis  die  Wurzel 
na^y  vernichten,  gesehen  zu  haben.  Man  kann  es  nur  "auf  man, 
denken,  zurückführen;  an  skr.  mani,  Perle,  Edelstein,  ist  nicht 
zu  denken.  Am  nächsten  kommt  das  wedische  manishd,  Andacht, 
Loblied,  das  gewiss  erst  aus  einem  mayiis  gebildet  ist.  (Man  vgl. 
im  Baktrischen  tevis  und  tevishi.^  Dass  unserm  mainis  derselbe  Sinn 
untergelegt  werden  kann,  wie  dem  manishd,  zeigt  die  Vergleichung 
mit  dem  vorhergehenden  Verse,  wo  wir  das  der  Bedeutung  nach 
nahverwandte  ishnd  an  ähnhcher  Stelle  haben.  Legt  man  dem  Wort 
die  Bedeutung  Grund,  Ursache,  bei,  wie  ich  früher  that,  so  lässt 
sich  das  Folgende  nicht  gut  erklären.  Vgl.  44,  19.  —  Hmiditi  über- 
setzt Nerios.  dem  Sinne  nach  richtig  durch  kurute,  datte.  Es  steht  in 
deutlichem  Gegensatz  zudem  vinagti,  schaden,  vernichten,  des 
folgenden  Satzes  und  heisst  eigentlich  hervorbringen,  erzeugen 
(von  SU,  gignere,  nicht  von  su-nu,  den  Soma  auspressen),  dann  in  wei- 
terem Sinne  verleihen.  Der,  welcher  dem  Bösen  Macht  ver- 
leiht, kann  nur  Aiiro  mainjus  seyn.  —  Dus-skjaothandi  —  vina^ti  Ner. : 
dush-karmd  svdmin  jasmäd  na  givitam  lairicajd  ^}  ^pi  lahfiate  [asduca 
jah  lamcdja  cdram  daddti  tasjdpi  givitam  na  tena  vimumcati],  der 
Schlechthandelnde,  Herr!  gewinnt  daher  sein  Leben  auch  durch  Be- 
trug nicht  [und  der,  welcher  dem  Betrug  (Betrüger)  Folge  leistet, 
errettet  dadurch  sein  Leben  nicht].     Dus-skjaothandi  ist  hier  fälsch- 


^  '^)  Wohl  ungenau  geschrieben.  Es  lässt  sich  nur  von  lämch,  mit  einem 
Zeichen,  einer  Marke  versehen,  ableiten.  JDa  aber  laksha,  das 
jedenfalls  mit  dieser  Wurzel  zusammenhängt,  ausser  Zeichen  auch  Be- 
trug heisst,  so  mochte  ich  dem  lamca  oder  larhcä  hier  dieselbe  Bedeutung 
beilegen,  weil  sie  durch  den  Zusammenhang  gefordert  zu  seyn  scheint. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31,   15.         145 

lieh  aufye  —  vind^ti  bezogen,  was  ganz  gegen  den  Sinn  ist;  man 
muss  es  zum  Vorigen  ziehen  und  mit  dregväite  verbinden.  Denn 
der  ^e  noit  vmd^U,  „der  nicht  vernichtet",  ist  Ahura-mazda  selbst. 
So  bildende  —  hunäitt  und  je  vinä^ti  Gegensätze,  ohne  äusserlich 
durch  vd  oder  eine  ähnliche  Partikel  angedeutet  zu  se)'n;  man  vgl. 
30,  5.  Hanare  und  vind^ti  sind  von  Nerios.  sicher  falsch  gedeutet; 
das  erstere  kann  nicht  Zeichen  oder  Betrug,  das  letztere  nicht 
ergreifen,  fassen,  heissen.  Am  nächsten  liegt  die  Wurzel  han 
=  san,  spenden,  wovon  es  eine  Neutralbildung  durch  are  seyn 
kann  (man  vgl.  vadare  mit  skr.  vadhas,  amire  mit  amis  etc.),  sodass 
es  Spende,  Gabe,  bedeutet.  Im  Weda  entspricht  sanas,  Gabe 
(Rv.  I,  30,  16.  VII,  56,  8.)  vollständig.  Diese  Bedeutung  giebt 
nun  zwar  47,  5  hanare  thwahmdt  zaoshdt  dregvdo  hakhshaiti,  „der 
Lügner  verschwendet  die  Gabe  deiner  Gnade",  einen  sehr  guten  Sinn ; 
aber  mit  dem  Zusammenhange  unserer  Stelle  will  sie  sich  nicht  gut 
vertragen.  Man  muss  von  der  speziellen  Bedeutung  Spende  ab- 
sehen und  ihm  die  allgemeinere  Ding,  Sache,  welche  Begriffe  ja 
immer  erst  aus  ganz  speziellen  entstanden  sind ,  beilegen.  So  ist 
es  nur  ein  nachdrückUches  etwas,  quelque  chose,  in  Verbindung 
mit  der  Negation  nichts,  gar  nichts,  wörthch:  nicht  eine  Gabe, 
nicht  ein  Ding.  Dass  vindgti  nicht  fassen,  nehmen,  sondern 
vernichten  bedeutet,  bedarf  keines  weitern  Beweises,  man  vergl. 
Jt.  3,  17. —  Vdgtrjehjä — adru^jurtto  Nerios.:  kartdramca  kadarthafh 
jati(?J  pagündm  mrdndmca  vjddhitdram;  [küa  jah  pratijatnamanushjd- 
ndm  gopagündm  jdcamtam  (?)  jiigjaie  kartum  im  bddhate^.  Dem 
aenankö  entspricht  in  der  Uebersetzung  kadarthaih  Jdti;  wie  diess 
aus  dem  so  bekannten  Wort  herausgedeutet  werden  konnte,  begreife 
ich  nicht.  Es  hat  auch  hier  seine  gewöhnliche  Bedeutung  Scha- 
den, Verderben.  Der  Genitiv  lässt  sich  syntaktisch  nicht  gut 
erklären;  ich  nehme  daher  aenanho  als  Ablativ,  was  es  ebenso  gut 
seyn  kann,  und  verbinde  es  mit  pa^eus  vhdatcd,  wegen  des  Scha- 
dens an  Vieh  und  Menschen.  Das  letzte  Wort  adrugajafitd  ist  Ge- 
nitiv sing,  und  mit  vd^trje/ijd  zu  verbinden.  Als  Nom.  plur.  lässt 
es  sich  nicht  fassen,  da  dieser  auf  kein  anderes  Wort  im  Satze  be- 
zogen werden  könnte.  In  der  Schreibung  dieses  Worts  schwanken 
die  Mss. ;  adriigjantu  haben  K.  11,  P.  6,  Bf.  und  Bb.;  adrugajanto 
K.  6;  adregajantü  K.  5;  ddrugjanto  K.  4.  9.  Für  die  Lesung  mit 
anlautendem  kurzem  a  sind  die  meisten,  für  «  nur  zwei;  erstere 
ist  daher  beglaubigter  und  giebt  auch  einen  bessern  Sinn.  Aber 
liier  fragt  es  sich,  ob  adrugja/lto  oder  adru^ajardo  gelesen  werden 
soll.  Die  erstere  Lesung  setzt  die  Flexion  der  Wurzel  dru^  ==  drah 
nach  der  4.  Conjugation  mit  ja  voraus,  nach  der  zweiten  ist  es  ein 
Denominativ  von  drakhs.  Im  Baktrischen  wird  aber  drug,  druz  nicht 
nach  der  4.,  sondern  nach  der  6.  Conjugation  flectirt,  druzeiiti  Jt. 
10,  45.  druzdoräi  Jt.  5,  90.  Wenn  nun  im  Sanskrit  die  Wurzel 
auch  nach  der  4.  Conj.  flectirt  wird,  so  ist  diess  noch  kein  Beweis 
Abhandl.  der  DMG.     I,  ,3.  ^        10 


146     Hang,  die  Gäthas  des  Zarathusira.  I.    Cap.  31,   15  —  17. 

für  (las  Vorkomiuen  dieser  Bildimgsweise  im  Baktrischen.  Das  adii- 
ru^ja  (er  log)  der  ersten  Keilschriftgattnng  beweist  nichts,  da  die- 
ses ebenso  gut  (und  ich  glaube  richtiger)  auch  adurugaja  gelesen 
werden  kann.  Daher  halte  ich  es  für  das  Beste,  die  Lesart  aduru- 
giijaiito  anzunehmen.  Nur  so  bekommen  wir  auch  den  passendsten 
Sinn:  „nicht  die  Lüge  verehrend",  d.  i.  nicht  den  Ahriman  an- 
betend, der  ganz  ungezwungen  ans  der  denominativen  Bedeutung 
fliesst. 

V.  16.  Die  Relativsätze  juihd-.^  jadd-,  jd-skjaothna^cä  hängen 
alle  gleichmässig  von  dem  Hauptsatze:  das  will  ich  fragen,  ab. 
Der  erste  fragt  nach  der  Persönlichkeit  und  den  Umständen  dessen, 
der  die  Wahrheit  befördert,  der  zweite  nach  Zeit  und  Ort  (beides 
liegt  in  jndd)  seines  Wirkens,  und  der  dritte  nach  seinen  Thaten. 
Für  ja  skjaothana^cd y  wie  Westerg.  schreibt,  muss  jd-skjaothanagcd 
geschrieben  werden,  da  ja  sonst  nicht  erklärt  werden  könnte,  weil 
skjaothana  kein  Verbum  ist  und  im  Vorangegangenen  sich  keine  Be- 
ziehung fände.  Daher  ist  es  das  Einfachste,  jd  mit  skjaothana^cd 
zu  einem  Compositum,  „welche  Handlungen  habend",  d.  i.  was 
thuend,  zu  verbinden.  Man  vergl.  jdvareno ,  welches  Glaubens, 
von  ja -\~  varena  Ja^,  12,  7.  —  Khshathrem  kann  nicht  als  Accus, 
von  a^perezatd  abhängig  gemacht  werden,  wie  ich  lange  that  und 
wie  es  auf  den  ersten  Blick  sehr  wahrscheinlich  ist,  sondern  es  ist 
Nominativ  und  Subject  des  ganzen  Satzes,  und  gehört  zu  huddnus. 
Wenn  diese  Fassung  bei  der  Verschiedenheit  des  Genus  von  khsha- 
threm (neutr.)  und  huddnus  (masc.)  auch  auffallend  erscheint ,  so 
spricht  nicht  nur  44 ,  9 :  huddnaos  —  hhshathrahjd  entschieden  für 
diese  Verbindung,  sondern  sie  lässt  sich  auch  als  eine  constructio 
ad  sensum  leicht  erklären.  Khshathrem ,  Herrschaft,  steht  für 
Herrscher.  Der  Dativ  ashd-fradathdi  ist  unmittelbar  von  agpere- 
zatd  abhängig.  Auch  im  Weda,  wie  im  spätem  Sanskrit,  wird  das 
dem  ^perez  vollkommen  entsprechende  sprh,  streben,  trachten, 
mit  dem  Dativ  verbunden,  s.  Rv.  I,  41,  9:  na  duruktdja  sprhajety 
nicht  trachte  er  nach  Schmähung. 

V.  17.  Dieser  Vers  enthält  ebenfalls  eine  Frage,  wenn  auch 
das  tat  thwd  pere^d  fehlt;  sie  ist  durch  katdrem  ==  TTOTspov  einge- 
leitet. Den  ganzen  Vers  hat  bereits  Benfey,  Weitere  Beiträge  zur 
Erklärung  des  Zend,  Göttingeu  1852  —  53,  S.  55  fg.  besprochen. 
Die  dem  verenoaite  beigelegte  Bedeutung  wählen  ist  nicht  stichhal- 
tig-, denn  in  dieser  hat  die  Wurzel  vare  nicht  das  Anhängsel  nu, 
vgl.  varatd  30,  5.  vereiidtd  30,  6.  Aber  die  gewöhnliche,  dem  vere- 
nu  in  den  spätem  Schriften  beigelegte  Bedeutung  bedecken,  ver- 
hüllen (Ja9.  9,  28  vom  Gesicht  oder  Verstand,  Vend.  5,  24  aiwi- 
verenvaiti,  überdecken,  überragen,  Jt.  14,  41  pairi-verenvaiti, 
ringsum  bedecken,  von  Wolken),  sowie  die  übertragene  be- 
schlafen (Vend.  J.8,  41.  47)   und  schwanger  werden  (Jt.   13 


Hmig,  die  Gäthd's  des  Zarathustra.   I.    Cap.  31,  17.   18.     147 

15)  giebt  hier  noch  viel  weniger  einen  Sinn,  als  die  von  wählen. 
AVir  müssen  unsere  Zuflucht  zu  der  ganz  nahverwandten  ersten 
Keilschriftsprache  nehmen,  wo  waru-nit  lehren,  unterweisen 
heisst.  Diese  Bedeutung,  der  die  Nerios.  Uebersetzung  prabodha- 
jati,  benachrichtigen,  erinnern,  nahe  kommt,  giebt  in  unserer 
Stelle  den  besten  Sinn,  namentlich  da  es  sich  hier  um  die  Lehren 
des  Wahrhaftigen  !md  des  Lügners  handelt,  man  vgl.  den  ersten 
Vers.  —  Das  älZ.  Xs^opi.  aipidebdvajat  erklärt  Bcnfey  (S.  56)  als 
„Denominativ,  ausgehend  von  der  schwächsten  Form  des  Ptc.  Pf. 
red.  von  dambh,  skr.  debhiis'-^  und  legt  ihm  die  Bedeutung  trügen 
bei.  So  scharfsinnig  diese  Erklärung  auch  ist,  die  ich  lange  für 
vollkommen  richtig  hielt,  so  lassen  sich  doch  gewichtige  Bedenken 
gegen  sie  erheben.  Die  Wurzel  dabh,  dambh,  wird  nämlich  im  Bak- 
trischen  zu  dab  und  deb,  aber  nicht  zu  deb.  Bf.  und  Bb.  lesen  zwar 
deb,  aber  diess  ist  eine  offenbare  Nachlässigkeit;  die  bessern  Mss. 
haben  deb  oder  dib.  Da  dieses  e  meist  aus  i  entstanden  ist ,  so 
werden  wir  gut  thun,  letztern  Vocal  bei  der  Ableitung  zu  Grunde 
zu  legen;  man  vgl.  adenabdogca  für  adin'^  J.  44,  4.  Der  diesem 
angenommenen  Denominativ  unterlegte  Sinn  trügen  genügt  nicht, 
da  hier  von  keinem  Betrügen  die  Rede  ist.  Mä  aipidkbdvajat 
steht  den>  mraotü,  er  sage,  ebenso  parallel,  wie  evid-vdu,  der  Un- 
wissende, dem  vid-vdo  oder  Wissenden.  Das  Gegentheil  von 
sagen  ,  reden  ,  laut  verkündigen  ,  ist  nichtsagen  oder 
schweigen,  verheimlichen.  Und  diese  Bedeutung  ergiebt  sich 
ganz  ungezwungen  auf  etymologischem  Wege,  wenn  man  das  Wort 
in  aipide  und  bdvajat  zerlegt.  Ersteres  entspricht  ganz  dem  wedi- 
schen  apidhi,  Bedeckung,  Verhüllung  {dhd  -f-  api,  verbergen); 
letzteres  ist  das  Causativum  von  bu,  seyn;  das  Ganze  heisst  dem- 
nach: machen,  das»  eine  Verbergung  ist,  d.  i.  verborgen 
machen,  verborgen  halten.  Nerios.  Uebersetzung  des  Wortes 
ist  mir  rein  unverständlich,  wesswegen  ich  sie  übergehe.  —  Die  Er- 
klärung des  zdi  als  gleichbedeutend  mit  skr.  edhi,  sey,  ist  vollkom- 
men richtig  und  macht  Benfey's  Scharfsinn  alle  Ehre.  Nerios.  hat 
vigndpaja,  erkenne;  er  leitete  es  gewiss  von  sa?i,  erkennen, 
wissen,  ab.  Nach  dieser  Ableitung  scheinen  auch  Emendationen 
gemacht  zu  seyn.  Bb.  und  Bf.  haben  zddi;  aber  diese  Lesung  ist 
weniger  gut  beglaubigt  und  giebt  keinen  haltbaren  Siim.  Was  soll : 
erkenne  uns!  hier  heissen'?  —  Fradakhstd  giebt  Nerios.  durch 
pracihnaja,  bezeichne,  mache  ein  Zeichen.  Benfey  identifizirt 
es  mit  einem  angenommenen  skr.  pradashtf  von  der  Wurzel  daki,h, 
s.  weiter  zu  34,  6. 

V.  18.  Azi  Nerios.:  sa  jatah  Agmogah.  Nach  dieser  Ueber- 
setzimg  vermuthet  man  hier  den  Namen  eines  bösen  Geistes;  die- 
ser Vermuthung  scheint  das  wirkliche  Vorkommen  eines  Dämons  dzis 
Vend.  18,  21.  22.    Jai;.  16,   10.   Jt.   18,  1   (neupers.  dx,  Verlan- 

10* 


148     Hmig,  die  Gdthus  des  Zarathustra.  I.    Cap.  31>   18.  19. 

gen,  böse  Lust)  noch  zu  Hilfe  zu  kommen.  Dessenungeachtet 
müssen  wir  sie  zurückweisen ,  da  einerseits  das  hier  nothwendige 
Nominativzeichen  s  fehlt,  andererseits  der  Zusammenhang  mit  dem 
vorhergehenden  Satze  gestört  würde.  Unser  äzt  ist  vielmehr  in  ä 
und  ZI  aufzulösen;  auch  hieran  scheint  Nerios.  gedacht  zu  haben, 
denn  das  jatah  entspricht  gewöhnlich  dem  zi.  Die  Präposition  d 
gehört  zum  Verbum  dddt;  sie  ist  demnach,  wie  so  oft,  zweimal  ge- 
setzt. Sehr  viel  Aehnlichkeit  mit  unserer  Stelle  hat  Visp.  11,  12: 
daf  dis  dvaedhajdmahi  ameshaeibjö  ^pentaeihjo  hukhshathraeibjo  hu- 
dhdobjo  javaegibjo  javae^ubjo  joi  vohu  joi  vohunäm  ddtäru  joi  vanheus 
d  manahho  skjeinti  [vanheus  d  zi  d  mananhv  skjeinti  joi  ameshdo 
^penta  hukhshathra  huddonho  adhdt  mdta  adhdt  büta  haca  vanhaot 
mananhat],  dann  weihen  wir  sie  (den  Haoma,  den  h.  Baum)  den 
Arne s h a- ^petita' s,  den  gutherrschenden,  gutschaffenden,  den  immer 
siegenden,  immer  hilfreichen^  welche  gut  sind,  den  Schöpfern  der 
guten  Dinge,  die  von  guter  Gesinnung  sind  [von  guter  Gesinnung 
nämlich  sind  die  Ameska  -  (^penta's ,  die  gutherrschenden ,  die  Gutes 
thuenden,  sowohl  von  Natur  als  durch  den  guten  Geist  so  gewor- 
den]. Hier  haben  mehrere  Mss.,  wie  Bf.  und  Bb.,  az?,  andere,  wie 
K.  T'*,  K.  11.  dzjd.  Westerg.  hat  —  ich  weiss  nicht,  ob  auf  hand- 
schriftHche  Autorität  hin  —  mit  vollem  Recht  getrennt.  Der  Satz,  in 
dem  zi  hier  steht,  ist  eine  erklärende  Note  (Päzend).  —  Dusitdäd  ist 
wegen  seiner  engen  Verbindung  mit  marakaecd  als  Dativ  zu  fassen, 
für  dusitdicd  mit  unterdrücktem  i  stehend.  —  Athd  —  piaithishd 
Nerios.  :  piddhajeca  sdmgastrdm  tebhjo  dracajata ,  und  zum  Heile 
bereitet  ihnen  die  Ermordung  durchs  Schwert ,  d.  h.  die  Daeva's 
sollen  zum  Heile  der  Schöpfung  durchs  Schwert  vertilgt  werden. 
Dem  Imperativ  (2.  plur.  med.,  vgl.  gushodum  J.  45,  1)  soll  dra- 
cajata, ordnet  an,  entsprechen.  Dieser  Uebersetzung  liegt  aber 
eine  Verwechslung  der  beiden  Wurzeln  fad,  zufallen,  passen, 
sich  schicken,  und  ^dd,  vernichten,  wovon  das  häufige  ^ddrd, 
zu  Grunde.  Der  Sinn  ist  indess  im  Allgemeinen  richtig  ange- 
geben. 

V.  19.  Güstd  Nerios.:  grotavjam;  kila  adhjajanam  tasmdt  kdrjam, 
i.  e.  audiendum  est,  d.  h.  hievon  soll  man  lernen.  Nerios.  fasst 
demnach  güstd  als  ein  Part.  fut.  pass.,  was  es  aber  der  Form  nach 
nicht  seyn  kann.  Wir  haben  nur  die  Wahl  zwischen  dem  Partie, 
pass.  und  der  3.  Person  Imperf.  medii.  Letztere  Fassung  ist  wegen 
md  güstd  im  vorigen  Verse  vorzuziehen.  —  Je  mantd-ahurd  Nerios. : 
jah  pramdnam  bhiwanadvajor  api  vetti  Hormizdijam^  der  das  Ormuzdi- 
sche  Gesetz  für  beide  Welten  kennt.  Für  ahübis,  wie  Westergaard 
corrigirt,  lesen  die  Mss.  sämmtHch  ahüm  bis,  gerade  wie  44,  16, 
wo  nur  K.  5.  ahü  bis  schreibt.  Die  Lesart  der  Mss,  Hesse  sich  zwar 
rechtfertigen,  aber  die  Emendation  Westergaard's  ist  so  einfach  und 
giebt  einen  leicht  verständlichen  Sinn ,  dass  ich  sie  aufzunehmen 
nicht  beanstande.     Wollte  man  die  der  Mss.  beibehalten,  so  müsste 


Haug,  die  Gdthd\s  des  Zarathustra.  L    Cap.  31,   19.  20.      149 

der  Accnsativ  ahüm  von  vidvdo  abhängig  gemacht  und  bis  als  Zahl- 
adverbium zweimal,  wie  es  sich  einigemal  im  Vend.  findet,  genom- 
men werden,  sodass  sich  der  Sinn  ergäbe,  „der  das  Leben  zwei- 
fach Kennende",  das  hiesse  entweder:  der  das  Leben  als  ein  zwei- 
faches kennt,  oder:  der  das  Leben  auf  doppelte  Weise  kennt.  Aber 
eine  solche  Ausdrucksweise  ist  zu  dunkel  und  unbestimmt,  als  dass 
wir  sie  an  dieser  Stelle  zulassen  können.  Das  durch  leichte  Emen- 
dation  gewonnene  ahiibis  ist  indess  nicht  als  Instrumental  plur.,  son- 
dern als  Instr.  dualis  anzusehen,  obschon  die  Endung  bis  eigentlich 
dem  Plural  zukommt.  Wir  haben  zu  dieser  Annahme  um  so  eher 
Grund,  als  in  den  Gdiha's  nie  von  mehr  als  zwei  Leben,  dem  irdi- 
schen und  geistigen,  die  Rede  ist  und  der  Dativ  plur.  bjd  in  der 
Verbindung  uboibjd  a/iubjd ,  den  beiden  Leben  (Ja^.  35,  3.  8. 
38,  3)  gebraucht  wird.  Die  verderbte  Texteslesart  ahum  bis  ist 
aus  ahübis  wahrscheinlich  so  entstanden  :  Beim  Recitiren  ruhte  die 
Stimme  auf  u,  das  dann  (gegen  ahiibjd)  zu  u  gedehnt  wurde;  die 
ganz  verhallende  Endung  bis  konnte  so  leicht  abfallen.  So  wurde 
zunächst  ahu  bis,  wie  der  alte  Kopenhagener  Codex  5  in  44,  16 
wirkHch  hat.  Dieses  wurde  gewiss,  die  beiden  Leben  (altü  ist 
Nom.  Acc.  dual.)  zweimal,  verstanden.  Da  auf  diese  Weise  der 
Begriflf  beide  Leben  doppelt  ausgedrückt  war,  so  suchte  man 
diess  durch  Veränderung  des  ahü  in  den  Acc,  sing,  ahüm  zu  ver- 
meiden, was  um  so  näher  lag,  als  in  unserer  Stelle  der  Acc.  ashem 
unmittelbar  vorhergeht,  in  44,  16  unmittelbar  ratüm  folgt.  Syn- 
taktisch muss  ahübis  enge  mit  ashem  verbunden  werden,  wie  raocebis 
mit  roithwen  v.  7,  also  die  Wahrheit  mit  beiden  Leben,  d.  i. 
die  Wahrheit,  dass  zwei  Leben  sind  und  fortdauern.  —  Der  Dativ 
erezukhdfidi  muss  auf  gustd  bezogen  werden,  „er  höre  auf  das  Wahr- 
gesprochene", nicht  etwa  auf  hizm-va^o.  Dieses  ist  eng  mit  khsha- 
jamano  zu  verbinden,  man  vgl.  va^-khshajä^  43,  1.  Ueber  den 
Schlusssatz  s.  zu  v.  3. 

V.  20.  Für  djat,  wie  Westerg.  nach  K.  5,  4,  9  schreibt,  ist 
mit  den  meisten  andern  Codd.  ddjat  zu  lesen.  Behält  man  djat 
bei,  so  sind  die  beiden  Accusative  ashavanem  divamnem  nicht  zu  er- 
klären. Diese  beiden  Wörter  sind  Gegensätze,  aber  ganz  unver- 
bunden  neben  einander  gestellt,  sodass  djat,  kommen,  eigentlich 
auf  beide  bezogen  werden  müsste,  was  einen  dem  ganzen  Zusam- 
menhang, namentlich  dem  dritten  GHede  Um  vdo,  widerstreitenden 
Sinn  geben  würde.  Die  einzige  Möglichkeit,  die  Lesart  dfat  beizu- 
behalten ,  wäre,  es  mit  divamnem  zu  einem  neuen  VerbalbegrifF, 
„zum  Betrügen  kommen",  d.  i.  betrügen,  zu  verbinden.  Eine 
ähnliche  Fassung  finden  wir  bei  Nerios.,  der  pratdrajati,  betrügen, 
für  djat,  an  der  Stelle  des  divamnem  aber  chadma^  Decke,  Ver- 
hüllung, hat.  Aber  diese  Verbindung,  wenn  auch  an  sich  leicht 
denkbar,  hat  grammatische  Schwierigkeiten.  Divamnem  ist  Accnsa- 
tiv des  Part.  med.    von  div ,    spielen,    betrügen,    dieses  könnte 


150         Haug,  die  Gdthus  des  Zarathustra.   I.     Cap.  31,  20. 

aber,  genau  genommen,  nur  zum  Betrügenden  kommen,  aber 
nicht  zu  betrügen  kommen  heissen.  Sollte  diese  Lesung  einen 
guten  Sinn  geben ,  so  müsste  der  Accusativ  ashavanem  in  seinen 
Nomin.  ashavd  umgeändert  werden,  „welcher  Wahrhaftige  (Fromme) 
zum  Betrügenden  kommt";  aber  eine  solche  Aenderung  ist  gegen 
alle  handschrifthche  Autorität.  Um  diesen  Uebelständen  zu  entgehen, 
entschloss  ich  mich ,  die  Lesart  ddjat  aufzunehmen ,  von  dem  die 
beiden  Accusative  im  Sinne  „machen  zu"  abhängen  können,  „wer 
den  Wahrhaftigen  zum  Betrügenden  oder  zum  Devaanbeter  macht". 
Nach  je  lesen  P.  6.  und  Bb.  noch  das  Pronomen  ?,  Bf.  hat  dafür  c. 
Dieses  ist  schwerlich  eine  blosse  Zuthat  der  Schreiber  dieser  Codd., 
sondern  es  stand  wohl  in  irgend  einem  altern  Manuscript;  vielleicht 
dachte  man  an  das  je  t  ddjdt  29,  7.  Da  es  aber  für  den  Sinn 
nicht  nothwendig  ist,  so  habe  ich  es  auch  nicht  in  den  Text  auf- 
genommen. —  Hui  aparem  khshajo  Nerios.:  ta^a  jxigcat  astu.  Dem 
aparem  entspricht  pa^cdt,  nachher,  hinterher.  Diese  Bedeutung 
kann  dem  Worte  nach  dem  Sanskrit  und  nach  Analogie  des  Super- 
lativs apema,  der  letzte,  beigelegt  werden.  Aber  vaqe-khshajä<^ 
43,  1,  das  Eigene  besitzend  oder  beherrschend,  khshajamann 
hizvo-vagu,  Zungenfreiheit  habend  v.  19  unsers  Capitels,  khsha- 
jamanefif^  va^o  32,  15  und  andere  Verbindungen  der  Art  (siehe  s.  v. 
va^o)  führen,  da  diese  offenbar  einen  Gegensatz  haben  müssen,  auf 
eine  andere  Bedeutung.  Aparem  bildet  den  Gegensatz  des  va^o, 
des  Freien,  Eigenen,  Selbstständigen,  und  heisst  das  An- 
dere, Fremde.  Dass  dem  apara  wirklich  diese  Bedeutung  im 
Iranischen  zukomme,  zeigen  Stellen  wie  Jt.  10,  125  und  das  Pär- 
sische  aware,  andere,  Pehlewi  apanik  oder  aparik.  Syntaktisch  ist 
aparem  entweder  das  Subject  zu  khshajo,  wobei  die  Copula  ergänzt 
werden  muss,  „das  Andere,  Fremde  ist  sein  Besitz"  (nicht  das 
Eigene  mehr),  oder  es  ist  Adjectiv  zu  khshajo,  in  welchem  Falle 
dieses  Neutrum  ist.  Letzteres  ist  der  Concinnität  wegen  vorzu- 
ziehen. —  Avaetd^  erklärt  Nerios.  (die  eigentliche  Uebersetzung  des 
Worts  ist  nicht  gut  lesbar)  durch:  anjd  jd  me  prdptir  asti,  was  mir 
sonst  zu  Theil  wird,  im  Ganzen  richtig,  da  diese  auf  den  ersten 
Anblick  monströse  Form  in  ava  -|-  ita  -\-  «f  (s.  v.  i)  aufzulösen  ist 
und  den  einfachen  Sinn  hat:  zugefallen,  zu  Theil  geworden 
ist,  eigentl.  hinzugekommen.  Ueber  diese  Bedeutung  des  i-\-ava 
s.  das  Petersburger  Sanskrit-Wörterbuch,  I,  762.  —  Für  dusqare- 
them  hat  Nerios.  duh - khddanam ,  schlechte  Nahrung,  indem  er 
der  gewöhnlichen  Bedeutung  des  qaretha  als  Speise  folgt.  Aber 
dieses  verträgt  sich  nicht  mit  dem  Zusammenhange;  denn  das  fol- 
gende vacö,  Wort,  wäre  dann  ganz  isolirt,  was  um  so  weniger  zu- 
lässig ist,  als  avaetdg  nicht  gut  anders  als  auf  die  eben  angegebene 
Weise  erklärt  und  vaco  nicht  mit  dem  folgenden  Satz  verbunden 
werden  kann.  Auch  die  Stelle  53,  6:  beredubjo  dusqarethem  nä^at 
qdthrem  spricht  gegen  die  gewöhnliche  Bedeutung,  da  sie  nicht 
heissen  kann:    „den  schlechte  Speise  Bringenden    vernichtet  er  das 


Hau{^j  die  Gdthan  des  Zarathustia.  I.    Cap.  31,  20.  21.     151 

eigene  Feuer".  Das  dem  Sinne  nach  entsprechende  akdis  qarethdis 
49,  11  hat  ebenfalls  diese  Bedeutung  nicht.  An  allen  diesen  Stel- 
len müssen  wir  eine  Ableitung  von  der  Wurzel  qar  =  svar ,  glän- 
zen, wovon  qarenanh ,  Glanz,  statt  von  qnr,  neupersisch  qurdan, 
essen,  annehmen.  Wie  leicht  diese  beiden  Bedeutungen  schon  zur 
Zeit,  als  das  Baktrische  noch  blühte,  verwechselt  werden  konnten, 
zeigt  die  erklärende  Umschreibung  des  qairjeUi  aus  einem  alten  Jima- 
liede  Vend.  2,  26  (wo  die  Goldfarbe  unvergänglich  glänzt) 
in  den  Jeschts  durch  qairjdn  qarethem  agjamiiem  13,  50.  73.  15,  16, 
sie  sollen  unvergängliche  Speise  geniessen,  wiedergegeben. 
Qaretha  heisst  nach  dieser  Ableitung  das  Glänzen,  Leuchten, 
die  Leuchte,  sodass  dus-qaretha  eine  schlechte  Leuchte  oder 
Finsterniss,  Dunkelheit  bedeutet.  Dusqaretha  temahho  ist  der 
Finsterniss  Dunkelheit.  Unser  dus-qarethem  steht  aber  wohl  für  dus~ 
qarethim  ==  dusqarethjem  und  ist  somit  ein  Adj.  neutr.,  das  zu  vacu 
gehört.  Der  Finsterniss  schlechtleuchtendes  Wort  kann 
nur  die  Lehre  der  Lügner  seyn  ,  die  das  Licht  zu  scheuen  hat. 
Einen  etwas  bessern  Sinn,  wenigstens  für  unsere  Stelle,  würde  die 
Ableitung  von  svar ,  tönen,  svara,  Laut,  geben,  aber  diese  Be- 
deutung lässt  sich  im  Baktrischen  nicht  belegen.  —  Tem  —  naeshat 
Nerios. :  tarn  vo  bhuvanam  durgamatiiah  karmdni  Jtig-dni  dini^ca  najaii. 
Dem  dregvanto  muss  hier  sein  ursprünglich  partieipialer  Sinn  gegeben 
werden:  trügend,  betrügend,  da  sonst  der  Accusativ  ahüin 
nicht  zu  erklären  wäre.  Ausserdem  ist  es  nicht  Nom.  plur.,  son- 
dern Accus,  plur.,  und  wird  von  naeshat  regiert.  Dieses  Verbum 
ist  gewiss  keine  Bildung  der  Wurzel  ni,  führen,  wie  Nerios.  an- 
nimmt, da  sie,  wenn  auch  grammatisch  erklärbar,  nur  einen  unpas- 
senden Sinn  geben  würde,  sondern  es  ist  auf  skr.  nig ,  reinigen, 
läutern,  eigentl.  putzen,  davon  7ieshtar,  Reiniger  des  Feuers, 
im  Weda,  zurückzuführen.  In  dieser  Bedeutung  ist  diese  Wurzel  dem 
Baktrischen,  in  dem  sie  zu  niz,  niz  geworden  ist,  nur  noch  in  dem 
Nomen  naenae^tdro,  Reiniger,  J.  35,  2  bekannt.  Naeza  Jt.  14, 
33-  16,  13  dagegen  ist  Stachel,  Speer,  vgl.  neupers.  niz  dass. 
Das  Intensitiv  naenizaiti  Jt.  8,  43  heisst  ausrotten,  vernichten. 
Der  Uebergang  des  Begriffs  reinigen,  läutern,  in  den  von 
wegputzen,  vernichten,  ist  einleuchtend;  man  vgl.  qn,  weg- 
nehmen, läutern  und  vernichten.  Auffallend  könnte  bei  un- 
serem naeshat  nur  das  sh  für  z  seyn.  Diess  lässt  sich  aber  einfach 
erklären,  wenn  man  annimmt,  es  sey  Aorist  und  stehe  für  fiaekhshut, 
wogegen  sich  grammatisch  nichts  einwenden  lässt. 

V.  21.  Burois  H  aihaqjdcd  Nerios.:  painatcam  inuijdtmane,  Fülle 
dem  Reingesiunten.  Dass  bürCis  (Gen.)  mit  dem  wedischen  bhüriy 
viel,  identisch  ist,  leuchtet  ein.  Aber  hier  kann  es  nicht  in  ad- 
jectivischem  Sinne,  sondern  uniss  wegen  des  c«  als  Substantiv  ge- 
fasst  werden,  wie  Wäri  in  J.  40,  1.  Ich  lege  ihm  die  Bedeutung 
Fülle,    Menge,    bei,    die   leicht    in    die    von   Grösse    übergehen 


152         Haug,  die   Gdthd's  des  Zarathustra.   I.     Cap.  31,   21. 

kann.  Dem  Sinne  nach  sind  die  Worte  noch  zum  Vorhergehenden 
zu  ziehen:  ., Gesundheit  und  UnsterbHchkeit  in  Fülle  und  Dauer". 
—  Quqaithjdt — ^aru  Nerios.:  nigaprabhiitvam  rä^d  adhipaljena  [jah 
pdrthüvam  dde^ena  dcdrjdnam  datte]  ,  i.  e.  proprium  regnum  rex 
maximo  imperio,  d.  i.  der  die  Herrschaft  nach  Anweisung  der  Leh- 
rer verleiht.  Die  Uebersetzung  des  qdpaühjdt  durch  nigaprahhutvam^ 
eigene  Herrschaft,  beruht  auf  der  Ableitung  des  Wortes  von 
qa==sva  und  jmiti,  Herr.  Aber  diese  so  nahe  liegende  Deutung, 
obschon  sie  nicht  geradezu  dem  Sinn  des  Verses  widerspricht,  wird 
verdächtig,  wenn  man  die  Parallelstellen  Jt.  5,  62.  63.  65:  nmdnem 
Jim  qdpaithhi  vergleicht.  Hier  ist  es  der  Name  eines  Ortes  oder 
einer  Wohnung,  um  dessen  baldige  Erreichung  der  Held  Vafro  na- 
vdzi)  die  Andhita  bittet.  Er  wird  als  fest  (dru)  und  sicher  (airista) 
beschrieben.  Auf  diese  passt  die  Deutung  „eigene  Herrschaft" 
schlechterdings  nicht.  Eher  ginge  die  Ableitung  von  path ,  Weg, 
Pfad,  „die  eigene  Wege  hat",  was  sich  begreift,  wenn  man  be- 
denkt, welch  hoher  Werth  den  Wegen  in  dem  Zendawesta  beigelegt 
wird,  man  vgl.  Jt.  16,  3  pantdno  qdpaiihina,  „Wege  mit  eigenem 
(von  selbst  entstandenem)  Geleise",  neben  qaraju  qdtacina,  „von 
selbst  gehende  (fiiessende)  Berge".  Auch  grammatisch  lässt  sich 
dieses  paitMm  aus  path  erklären,  wenn  man  das  wedische  pathjd^ 
Weg  (Rv.  VII,  7,  2.  67,  3:  pathjdbih,  III,  12,  7:  rtasja  pathjdh 
anu,  auf  den  Wegen  der  Wahrheit,  III,  14,  3:  vdtasja  pathjdbhih^ 
64:,  5)  neben  pathin  in  Erwägung  zieht.  Dessenungeachtet  muss 
ich  auch  diese  Erklärung  fallen  lassen ,  da  sie  für  unsere  Stelle 
wenigstens  unpassend  ist,  und  zwei  qdpaithja  mit  verschiedener  Be- 
deutung sind  ohne  triftige  Gründe  nicht  anzunehmen.  Das  Sicherste 
scheint  mir,  qdpaithja  mit  dem  wedischen  svapafja  zusammenzubrin- 
gen ,  dem  es  lautlich  bis  auf  das  d  vollständig  entspricht.  Dieses 
macht  aber  keine  Schwierigkeit,  da  die  beiden  baktrischen  Dialekte 
öfter  Vocaldehnungen  zeigen,  man  vgl.  ^pitdma  für  ^pitama^  und  im 
spätem  qdtacina  für  qatacina.  Jenes  wedische  Wort  wird  in  den 
Padatexten  in  su-apatja  abgetheilt  und  von  den  Scholiasten  danach 
als  gute  Nachkommenschaft  erklärt.  Diese  Deutung  ist  auch 
in  der  Hauptsache  richtig;  III,  16,  1:  rdjah  i<^e  svapatjasja  gomatah, 
kinderreicher,  kuhreicher  Besitz;  VII,  1,  5:  rajim  suviram 
svapatjam,  männerreicher,  kinderreicher  Besitz;  VII,  1,  12: 
jagnam  pragdvantam  svapatjam,  Opfer  für  Nachkommenschaft  und 
Kinderreichthum,  vgl.  11,  9,  5.  2,  12  in  ähnlichen  Verbindungen. 
Hier  erscheint  es  in  adjectivischem  Sinn.  In  I,  72,  9:  d  je  vi^vd 
svapatjdni  tasthuh  kfnvdndso  amrtatvdja  gdtum,  die  im  Besitz  aller 
Svapatja's  stehen,  bahnend  den  Pfad  zur  Unsterblichkeit  (die  Göt- 
ter, der  Aditi  Söhne),  ist  es  Substantiv  und  hat  die  allgemeinere 
Bedeutung  Reichthümer,  Güter.  Diese  Wedastelle  hat  eine  auf- 
fallende Aehnlichkeit  mit  der  unsern;  daher  nehme  ich  gar  keinen 
Anstand,  unserm  qdpaithja  dieselbe  Bedeutung,  wie  dem  svapatja 
beizulegen.     Dort    schaffen    die  Götter   die  Unsterblichkeit   aus   der 


Haag,  die  Gdthd's  des  Zarathudra.  I.    Cap.  31,  21.  22.       153 

Fülle  ihrer  Güter  und  Kräfte,  hier  schafft  sie  Mazda  ans  der  Fülle 
seiner  Macht;  denn  der  Ablativ  qdpaithjdt  ist  mit  daddt,  er  schuf 
(aus)  zu  verbinden.  Durch  diese  Erklärung  erhält  auch  jene  oben 
angeführte  mythologische  Stelle  der  Jeschts  einen  klaren  Sinn.  Der 
Held  Vafro  Naväza  strebt  nach  dem  Schatzhause  Mazda's,  wo  alle 
Kräfte  und  Gaben  vereinigt  sich  finden ,  zu  gelangen.  Diess  ist 
der  nmdna  qdpaühja.  —  Bei  ^aro  denkt  jeder  leicht  an  das  neu- 
persische  sar ,  Haupt.  Aber  diese  Bedeutung  giebt  an  keiner 
Stelle  der  altern  baktrischen  Schriftüberreste  einen  erträglichen 
Sinn.  Neriosengh  hat  adhipatja ,  Oberherrschaft,  woraus  zu 
schliessen  ist,  dass  er,  wenn  er  an  sar ,  Haupt,  dachte,  dieses 
nur  in  einer  übertragenen  Bedeutung  verstanden  hat.  Aber  auch 
dieser  Sinn  ist,  obgleich  er  dem  Zusammenhange  unserer  Stelle 
nicht  widerstreitet,  unzulässig,  da  er  in  die  übrigen  desto  weniger 
passt.  J.  35,  8  steht  dem  ashahjd  ^aire  ein  ashahja  verezene,  beim 
(im)  Vollbringen  des  Wahren,  parallel;  41,  6:  tat  upd-gam- 
jdrna  tavaca  qarem  ashaqjdcd  vi^pdo  jave ,  wir  wollen  zu  deiner  und 
der  AVahrheit  (J^ara  für  immer  kommen.  Hier  heisst  es  deutlich 
Schutz,  Schirm,  welche  Bedeutung  überall  passt;  das  wedische 
^nrma,  Schutz,  kommt  ihm  am  nächsten,  da  es  von  derselben 
Wurzel  frtr  (s.  zu  29,  3)  nur  mit  einem  andern  Suffix  (ma)  gebildet 
ist.  Aus  den  eben  angeführteiwSteJlen  hat  sich  in  der  spätem 
Sprache  ein  Adj.  asha-^ara  Jt.  11,  4,  die  Wahrheit  schützend, 
gebildet.  —  Vazdvare  giebt  Nerios.  durch  ptvaratvam,  Fettigkeit, 
Grösse,  und  erläutert  es  durch  prasddam,  Gunst.  So  sonderbar 
und  für  unsere  Stelle  unpassend  diese  Uebersetzung  auch  erscheint, 
so  entbehrt  sie  doch  nicht  allen  Grundes.  Jt.  14,  29.  31.  33.  16, 
9  finden  sich  nämlich  die  stehenden  Redensarten :  tanvo  vi^jmjdo 
drvatdtem  tanvo  vtgpajdo  vazdvare,  wo  es  dem  drvatdt,  Festigkeit, 
Gesundheit,  parallel  steht,  vom  Körper  ausgesagt  ist  und  gewiss 
so  viel  als  Wohl  oder  Wohlergehen  bedeutet.  Unserer  Stelle 
viel  näher  kommt  Vend.  9,  44 :  di<^jdt  ahmdi  naire  avat  mizdem  paro- 
a^ndi  anuhe  vazdvare  vahistahe  anheus,  er  zeige  diesem  Manne  als 
Lohn  für  das  frühere  Leben  den  Besitz  (oder  Genuss)  des  besten 
Lebens.  Ableiten  können  wir  das  Wort  nur  von  der  Wurzel  vid, 
gewinnen,  erlangen;  vazd  entspricht  ganz  dem  ved  in  ved-as, 
Habe,  Besitz,  vare  ist  ein  Abstractsuffix  und  steht  für  ein  skr. 
vas,  man  vgl.  da^mre.  So  heisst  es  eigentl.  Besitzthum,  Habe, 
Wohlstand.  —  ^^  ß  sich  nicht  auf  ahtird  mazddo  zurückbeziehen 
kann,  so  muss  davor  ein  ahmdi,  diesem,  ergänzt  werden.  Afmra- 
mazda  giebt  dem  Menschen,  der  sein  Freund  ist,  Unsterblichkeit 
und  Besitz  des  guten  Geistes. 

V.  22.  Cithrd  —  mnnanhd  Nerios.:  prakatatvam  tena  dvajena 
uttamagfidnino  jathd  [ihalokena  paralokena]  prabodham  daddti  manma- 
teca  [jathd  svdminah  dde<^ah].  Die  einzelnen  Worte  dieser  Ueber- 
setzung sind  wohl  verständlich,  aber  der  Sinn  des  Ganzen  ist  nicht 


^ 


i 


154         Haugy  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I,    Cap.  31,  22. 

recht  klar.  C'ithrd  ist  nicht  unrichtig  durch  pra/cafafvam^  Deutlich- 
keit, Offenbarung,  wiedergegeben  (nur  ist  es  ein  Adjectiv,  s. 
d.  Gl.);  aber  das  Pronomen  i  kann  gewiss  nicht  durch  diese  bei- 
den, d.i.  dieses  und  jenes  Leben,  heissen,  da  es  weder  Dual  noch 
instrumental,  sondern  ein  einfaches  Enklitikum  zu  dem  cithrd  ist.  — 
Vohü  ist  nicht  mit  mananhd ,  sondern  mit  vaedemndi  zu  verbinden, 
weil  dieses  sonst  kein  Object  hätte.  Nerios.  verbindet  es  gewiss 
unrichtig  mit  khshathrd  und  übersetzt  vohn — hapU  so:  uttamah  sa- 
rdgd  punjavacasi  harmavica  vilohajata  [kiiruhca  jat  saddcdntaram\ 
den  besten  König  sieht  man  im  reinen  Wort  und  in  der  That.  Die 
il^m  hapti  beigelegte  Bedeutung  erblicken,  sehen,  ist  nicht  stich- 
haltig und  steht  in  offenbarem  Widerspruch  mit  der  dem  hafshi  43, 
4  (von  der  gleichen  Wurzel)  gegebenen  sahdjitavdn  asi,  du  hast 
begleitet.  Letztere  kommt  indess  der  Wahrheit  viel  näher,  da 
in  der  Wurzel  hap  nur  das  sanskritische  sap,  folgen,  beglei- 
ten, verehren,  erkannt  werden  kann.  Dem  aahem  hapti  ent- 
spricht lautlich  wie  der  Bedeutung  nach  das  wedische  rtam  sapan- 
iah  (Rv.  I,  68,  2),  das  Wahre  verehrend,   pflegend,  vergl. 

I,  67,  4.  II,  11,  12.  Auffallend  ist  nur,  dass  hap  nach  der  binde- 
vocallosen,  sap  nach  der  bindevocalischen  Conjugation  flectirt  wird. 
Desshalb  dürfen  wir  aber  von  der  verbalen  Fassung  des  Worts  nicht 
abgehen,  denn  das  Substant.  j^apü,  Gespann,  Genossenschaft 
(Rv.  I,  47,  8.  61,  5.  85,  1.  uTfu  7.  III,  22,  1.  VII,  43,  2  etc.) 
gäbe  nur  einen  ganz  erzwungenen  Sinn.  —  Hvo  —  a^U's  Nerios.: 
sa  te  mahdgndnin  svdmin  mitram  asH  niveditatamih  [tvdm  eva  vapushi 
ni^a  ahhjdgatam  kariite],  der  ist,  grosser  Weiser!  Herr!  mit  darge- 
brachtem Körper  dein  Freund  [dich  lässt  er  in  den  eigenen  Körper 
eindringen].  Der  Sinn  von  Nerios. 's  Worten  scheint  mystisch  zu 
seyn.  Die  völlige  Hingabe  des  Körpers  an  den  höchsten  Gott,  d.  h. 
seine  völlige  Reinigung  von  allem  Bösen  ist  wohl  darunter  gemeint. 
Ob  a^tis  hier  Körper  bedeutet,  wie  in  andern  Stellen  (namentlich 
bekannt  in  dem  Dat.  instr.  azdebis),  könnte  zuerst  bezweifelt  wer- 
den; aber  da  sich  diese  Bedeutung  auch  sicher  in  den  Gdthd's  46, 

II.  49,  11,  wo  es  in  deutlichem  Gegensatz  zu  urvd,  Seele,  steht, 
nachweisen  lässt,  so  gewinnt  sie  auch  an  unserer  Stelle  an  Wahr- 
scheinlichkeit, wenn  wir  nicht  agtis  in  a -f- ^ h',  Nichtseyn,  Nicht- 
b  est  and,  wie  at^tim  in  33,  2  auflösen  wollen.  Entscheidend  ist 
sein  Prädikat  väzisto,  welches  36,  3  als  ein  Name  des  Feuers 
(gewöhnlicher  ist  urvdzista  in  diesem  Sinn)  genannt  wird  und  dem 
in  den  Weden  so  häufigen  Namen  Agnis  vahishtha,  der  Führend- 
ste, d.  i.  der  die  Opfer  schnell  zu  den  Göttern  Führende,  ent- 
spricht. Auf  das  Nichtseyn,  Nichts,  ist  diese  Bezeichnung  der 
hohen  Macht  und  Kraft  des  heiligen  Feuers  gewiss  nicht  anwend- 
bar, eher  auf  das  Gegentheil,  das  Daseyn.  Wenn  nun  dem  aqtis 
auch  diese  weitere  Bedeutung  beigelegt  werden  könnte ,  so  gäbe 
sie  einen  zu  vagen  Sinn.  Daher  ist  es  das  Beste ,  bei  der  fest- 
stehenden von  Körper  oder  Wesen  zu  bleiben.     Dann  muss  aber 


Haug,   die   Gdthd\   dts  Zarathusira.   I.     Cap.  32.  155 

der  ganze  Vers  auf  das  Feuer  bezogen  werden,  sodass  sich  etwas 
Mystisches  in  diesem  Verse  nicht  verkennen  lässt. 


Capitel    32. 

Das  ganze  Capitel  hat  einen  verwandten  Inhalt,  Schilderung 
des  Wesens  und  der  traurigen  Folgen  der  Abgötterei  und 
Bekämpfung  derselben,  wenn  auch  ein  strenger  Zusammenhang 
der  einzelnen  Verse  und  ein  Gedankenfortschritt  nicht  nachgewiesen 
werden  kann.  Bei  näherer  Betrachtung  ergeben  sich  folgende  sie- 
ben Theile:  1)  1.  2.  2)  3  —  5.  3)  6-8.  4)  9—11.  5)  12— 
14.  6)  15.  7)  16.  Der  polemische  Geist,  der  in  diesen  Stücken 
herrscht,  der  so  scharf  hervortretende  Gegensatz  von  Wahrheit  und 
Lüge,  weist  deutlich  auf  Zarathustra  als  Verfasser  hin. 

1)  1.  2.  Der  Prophet  steht  mit  der  Schaar  seiner  Treuen  vor 
dem  hell  aufflammenden  Feuer,  dem  wirksamsten  Schutze  gegen  die 
feindlichen,  in  das  Dunkel  der  Nacht  sich  bergenden  Mächte,  und 
ruft  voll  Begeisterung  über  die  raschen  und  guten  Erfolge  seiner 
Wirksamkeit  den  Göttern  selbst,  die  er  unerbittlich  bekämpfte,  froh- 
lockend zu,  dass  der  Eigene,  der  Herr,  wie  der  Schutzbefohlene 
und  Sklave 5  d.  h.  Menschen  jeden  Ranges,  von  ihrem  Dienste  weg 
zur  Anbetung  des  lebendigen,  im  Feuer  sich  offenbarenden  Gottes 
sich  gewandt  haben.  Wahrscheinlich  haben  wir  unter  diesen  drei 
mit  Zarathustra  in  naher  Verbindimg  stehenden  Personen  Vistä^pa, 
Frashaostra  und  G'amä^pa  zu  verstehen.  Dieser  schöne  Erfolg 
begeistert  ihn  und  seine  Anhänger ,  dem  Mazda  zuzurufen :  wir 
wollen  deine  Boten  seyn,  alle,  die  dich  und  deine  Gaben  hassen, 
sollen  in  ihrem  verderblichen  Wirken  gehemmt  werden !  Auf  die- 
sen begeisterten  Zuruf  des  Propheten  antwortet  Ahura  -  mazda  aus 
dem  Feuer:  dass,  um  das  gute  irdische  Besitzthum  (wohl  die  Fa- 
miliengrundstücke) vor  den  Angriff*en  der  Feinde  kräftig  schützen 
zu  können,  die  Andacht  und  Frömmigkeit  der  Menschen  (die  Ar- 
maiti)  ihn  begleiten  müsse,  d.  h.  dass  er  in  seinem  Kampfe  gegen 
das  Böse  durch  die  Kraft  des  Glaubens  der  Menschen  und  ihrer 
Gebete  unterstützt  werden  müsse ;  eine  Anschaiumg ,  die  nicht 
auffallen  darf,  da  sie  sich  schon  im  Weda  findet  (BfhnspoH,  der 
personifizirte  Gottesdienst,  ist  Indra's  Helfer  in  seinem  Kampfe  ge- 
gen die  Dämonen)  und  in  der  Tistrja-Sage  nachklingt,  welcher  Stern 
in  seinem  Kampfe  gegen  die  regenabwehrenden  Daeva's  nur  durch 
die  Gebete  der  Menschen  in  den  Stand  gesetzt  wird.  Regen  zu 
bewirken.  SchliessHch  nimmt  Ahura  -  mazda  jenes  Anerbieten  des 
Sprechers  und  seiner  Anhänger,  Boten  Gottes  zu  seyn,  aus  dem  an- 
geführten Grunde  an  (2). 

2)  3  —  5  enthalten  eine  ergreifende  Schilderung  des  Unheils, 
das  die  Abgötterei  anrichtet.  Dio  Worte  sind  vom  Propheten 
direkt    an   die   Götter    selbst    oder   eher   an    die    Priester   derselben 


156  Hang,  die   Gdthas  des  Zarathustra.   I.    Cap.  32. 

gerichtet.  Alle  Götter,  ohne  Ausnahme,  stammen  von  dem  bösen 
Grundprincip ,  dem  schlechten  oder  nichtigen  Sinn.  Von  demselben 
Sinn  sind  alle  die  Vornehmen  und  Grossen  beseelt,  die  dem  Soma- 
cult  huldigen,  die  auf  die  Sprüche  und  Lieder  der  Götterpriester 
hören,  welche  sie  im  Zustande  höchster  Ekstase  in  Folge  vom 
Genüsse  des  berauschenden  Somatrankes  gestammelt  haben  (ver- 
gleiche 48,  10),  sowie  auf  ihre  übrigen  Zaubereien,  wodurch 
auf  der  ganzen  Erde  so  viel  Unheil  gestiftet  wird  (3).  Alles 
Schlechte ,  das  die  Menschen  reden ,  denken  und  thun  und  wo- 
durch sie  nur  den  bösen  Geistern  einen  Gefallen  erweisen,  ist  Folge 
der  Vielgötterei ,  die  sich  mit  dem  wahrhaft  guten  und  frommen 
Sinne  nicht  verträgt.  Weil  alles  Thun  und  Trachten  der  Götter- 
priester nur  Lug  und  Trug  ist  und  auf  der  schmählichsten  Unwis- 
senheit und  Verkennung  der  Wahrheit  beruht,  so  kann  es  vor  der 
hohen  Einsicht  und  Weisheit  des  lebendigen  Gottes  nicht  bestehen, 
sondern  muss  dadurch  zu  Grunde  gehen  (4).  Die  Lügner  und 
Götzenpriester  betrügen  den  Menschen  um  Leben  und  Unsterblich^ 
keit  durch  ihre  schlechten  Thaten  und  Worte,  wodurch  sie  Macht 
und  Einfluss  zu  gewinnen  suchen  (5). 

3)  6 — 8  handeln  von  den  Uebeln,  die  die  bösen  Geister  ver- 
schuldet, von  ihrer  Allgemeinheit  und  ihrer  Abwehr.  Die  von  den 
bösen  Geistern  verursachten  Uebel  können  durch  Gebete  abgewehrt 
werden;  auf  diese  ist  hingewiesen,  aber  sie  sind  nicht  ausdrücklich 
genannt,  wenn  man  nicht  die  folgenden  Verse,  was  kaum  möglich 
ist,  darunter  verstehen  will.  Es  dürfen  natürlich  nur  von  Ahura- 
mazda  selbst  geotfenbarte  Gebete  seyn  (6).  Diese  Uebel  sind  in- 
dess  so  allgemein  und  tief,  dass  selbst  der  Wissende,  d.  i.  der 
Ahura-mazda's  Aussprüche  kennende  Prophet,  als  beide  Heere,  das 
der  Ahura-mazda-T)\ener  und  das  der  Götzendiener,  einander  feind- 
lich gegenüberstanden  und  die  Anhänger  des  Propheten  eine  Nie- 
derlage erlitten,  keine  Hilfe,  kein  Gegenmittel  gewusst  hat.  Daher 
wendet  er  sich  jetzt  an  Ahura- mazda  um  Abwehr  des  ferner  dro- 
henden Unheils  (7).  Aber  diese  Uebel  (wohl  Verfolgungen  seitens 
der  feindlichen  Partei),  in  denen  der  Prophet  befangen  ist,  dürfen 
ihn  von  seinem  muthig  begonnenen  Werke ,  den  Götzendienst  zu 
vernichten  und  den  Glauben  an  den  wahren  lebendigen  Gott  zu 
verbreiten ,  nicht  abschrecken ;  denn  auch  der  hochberühmte  Jima, 
des  Vivanghvat  Sohn  (der  Jama  des  Weda),  der  nach  Vend.  2  ein 
Vorgänger  Zarathustra's  in  der  Verkündigung  und  Verbreitung  der 
reinen  Religion  gewesen  seyn  soll,  der  durch  seine  Gaben  die  Men- 
schen beglückte  und  den  ihm  von  Ahiira-mazda  verliehenen  Glanz 
über  die  ganze  Erde  strahlen  Hess,  wurde  davon  nicht  verschont. 
Der  Prophet  muss  diese  Uebel  als  ein  von  Gott  verhängtes  Schick- 
sal tragen. 

Dass  diese  drei  Verse,  wenigstens  die  zwei  letzten,  in  Folge 
einer  heftigen  Niederlage,    die  der  Prophet   mit   seinen  Anhängern 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  L    Cap,  32.  157 

von  seinen  Gegnern  erlitt,  gedichtet  wurden,  unterliegt  kaum  einem 
Zweifel.  Merkwürdig  ist  die  Verweisung  auf  Jima,  die  einzige,  die 
sich  in  den  Gdthas  findet.  Sie  scheint  zu  beweisen,  dass  Zara- 
thustra selbst,  nicht  bloss  die  spätere  Sage,  ihn  als  seinen  Vorgän- 
ger betrachtete.  Zugleich  sieht  man  daraus,  dass  Zarathustra  sich 
nur  gegen  die  damals  verehrten  Götter  und  üblichen  Gebräuche, 
wie  den  Somacult,  polemisch  verhielt,  nicht  aber  die  alten  zur  Ge- 
schichte gewordenen  Sagen  anzutasten  suchte. 

4)  9  —  11  schildern  die  Schmähungen  und  schlechten  Worte, 
wodurch  die  Götzendiener  den  Verehrern  des  lebendigen  Gottes 
schaden,  sowie  den  Schaden,  den  sie  anrichten. 

Wenn  auch  die  Lügner  durch  ihre  nichtigen  und  eiteln  Worte 
die  Reden  und  Sprüche  des  Propheten  schmähen,  seine  Anhänger 
irreleiten  und  dadurch  der  richtigen  Lebensweise  schaden,  so  sollen 
sie  doch  nicht  das  höchste  Gut,  den  frommen  Sinn,  uns  rauben. 
Mit  diesen  Worten  als  mit  seinen  eigenen,  nicht  etwa  geoffenbarten, 
wendet  sich  der  Sprecher  an  den  höchsten  Gott,  zum  Zeugniss,  dass 
er  fest  entschlossen  sey,  trotz  aller  Schmähungen  und  Verläumdun- 
gen  das  begonnene  Werk  fortzusetzen  (9).  Auch  der  böse  Geist 
selbst  (der  schlechte  Sinn)  schreckt  den  Sprecher  trotz  aller  Macht 
nicht  und  macht  ihn  nicht  irre,  wenngleich  er  das  Schändlichste  zu 
vollbringen  vermag  durch  seine  Lügengesetze,  die  er  gegeben,  wenn 
er  auch  die  Erde  und  die  Sonne  dadurch  verderbte,  die  Felder  un- 
fruchtbar machte  und  dem  Bekenner  des  wahren  Glaubens  allen 
möglichen  Schaden  zufügte  (10).  Er  raubt  zwar  beide  Leben,  d.  h. 
er  schadet  dem  geistigen  wie  dem  leiblichen  Leben  und  allem  Leben- 
digen, und  grosse  und  angesehene  Männer  treten  in  seinem  Dienst 
auf  und  suchen  das  Gute  zu  vernichten;  aber  dennoch  soll  er  ver- 
hindert werden,  den  Sprüchen  des  Propheten  ihre  Kraft  zu  nehmen 
und  die  Gläubigen  daran  irre  zu  machen  (11). 

5)  12 — 14  enthalten  Fragmente  eines  historischen  Liedes  aus 
der  Zeit  des  grossen  Religionskampfes.  Als  Führer  der  Feinde  des 
wahren  Glaubens  erscheint  Grehma,  worunter  einer  der  alten  Weda- 
dichter  und  Götterpriester  zu  verstehen  ist  (s.  den  Commentar); 
seine  Begleiter  sind  die  Kavi's,  die  Dichter  und  Seher  der  Weden- 
zeit;  mit  ihnen  im  Bunde  ist  der  König  der  Götzendiener.  Grehma 
bekämpft  die  götthche  Sendung  Zarathustra's ;  aber  der  Prophet 
fordert  zu  seiner  Gefangennehmung  auf. 

Der  nähere  Inhalt  ist  folgender:  Die  Propheten,  die  Vorgänger 
Zarathustra's,  haben  schon  Reden  und  Sprüche  hinterlassen,  um  die 
guten  Werke  zu  schützen.  An  diese  reihte  Ahura-mazda  noch  wei- 
tere, die  dem  Zarathustra  geoffenbart  wurden  und  die  zur  Vernich- 
tung derer  dienen,  welche  unter  G^ihmu^jj^des  Götzenpriesters  und 
des  Lügenkönigs  Führung  durch  i^^Vaubcrsprüche  den  guten  irdi- 
schen Besitzstand  der  Gläubigen  gefährden  (12).     Ihre  Besitzthümer 


f 


1 


158  Haugj  die  Gäthd's  des  Zarathustra.   I.    Cap.  32,   1. 

hat  Grehma  bereits  der  Wohnung  des  schlechtesten  Sinnes  über- 
geben,  d.  h.  verwüstet  und  zerstört,  und  den  Propheten,  der  von 
Gott  gesandt  war,  um  jene  frevelhaften  Angriffe  auf  das  Wahre  ab- 
zuwehren, auf  alle  Weise  verfolgt  und  geschmäht  (13).  Dieser  Erz- 
feind soll  nun  gefangen  genommen  und  seine  Gehilfen,  die  Kavi's, 
vertrieben  werden.  Der  Verstand  und  die  Einsicht  machen  die  Haupt- 
stärke dieser  Feinde,  die  aus  der  grauen  Vorzeit  überlieferten  Zau- 
bersprüche und  Zauberkünste,  zu  nichte.  Die  Sprüche  des  Erd- 
geistes und  die  von  ihm  angezündete  heihge  Flamme  werden  die 
Feinde  vertreiben. 

6)  15  ist  ein  Nachtrag  zu  12  — 14,  vom  Sammler  hier  ange- 
hängt; ursprüngUch  muss  er  in  einem  ganz  andern  Liede  gestanden 
haben.  Die  Erwähnung  der  Kevitäo,  d.  i.  der  Kavikünste  (Zau- 
berkünste), und  der  Karapotäo,  der  priesterlichen  Gebräuche  der 
Götzendiener,  bewog  den  Sammler,  diesen  Vers  hinter  12 — 14  zu 
setzen,  weil  hier  von  den  Kavi's  und  Karapa's  die  Rede  war.  Das 
erste  Versglied,  in  dem  der  Dichter  die  Absicht,  die  Trugkünste 
der  Götzenpriester  zu  zerstören,  ausspricht,  steht  in  keinem  recht 
nachweisbaren  Zusammenhang  mit  den  zwei  folgenden  Versgliedern. 
Der  Sinn  dieser  dunkeln  Stelle  scheint  folgender  zu  seyn:  wenn  die 
höchsten  Geister  vermöge  ihrer  Sprüche  und  andern  Kräfte  wegen  des 
heftigen  Widerstandes  der  bösen  Geister  nicht  im  Stande  seyn  soll- 
ten, ihre  Verehrer  zu  freien  Besitzern  des  Daseyns  zu  machen,  d.  i. 
ihnen  zum  ungefährdeten  und  sichern  Besitz  irdischer  Güter  zu  ver- 
helfen, so  werden  diese  treuen  Streiter  zum  Lohne  in  das  schöne 
Haus  des  guten  Sinnes,  d.  i.  in  das  Paradies,  die  Wohnung  der 
höchsten  Genien,  gebracht  werden. 

7)  16  steht  ebenfalls  ganz  vereinzelt  da.  Der  Sinn  ist:  alles 
Gute  wird  dem  zu  Theil,  der  eifrig  der  Pflege  des  hellleuchtenden 
Feuers  obliegt  und  ihm  opfert;  zu  welchem  Zweck  ja  Zarathustra 
von  dem  lebendigen  Gott  überhaupt  in  die  Welt  gesendet  worden 
ist ;  dadurch  will  er  die  Götzendiener  alle  jetzt  dem  Verderben 
weihen. 

V.  1.  Aqjdcd.  Dieser  Anfang  des  Capitels  zeigt  deutlich,  dass 
es  nur  Fortsetzung  eines  andern ,  wahrscheinlich  untergegangenen 
Stückes  ist;  denn  an  eines  der  vorhandenen  lässt  es  sich  nicht  gut 
anreihen.  Das  den  Anfang  machende  Pronomen  aqjdcd,  i.  e.  et 
ejus,  ist,  wie  das  an  gleichem  Ort  gesetzte  ahjd  28,  2  auf  das 
folgende  mainjeus  mazddo  bezogen  werden  muss,  auf  ahurahjd  mazddo 
im  zweiten  Versgliede  zu  beziehen.  Die  Beziehung  auf  eine  Per- 
son, etwa  auf  Kavä  Vistä9pa,  den  König,  oder  auf  ein  Land,  wozu 
46,  1  verleiten  könnte,  hat  Schwierigkeit.  —  Ueber  qaetws  und  airja- 
man  s.  zu  46,  1.  —  Daevd  ist  hier  als  Voc.  pl.  zu  fassen,  gerade  wie 
V.  3,  wo  noch  zur  Venigullkh^yj  jils,  ihr,  dabei  steht;  denn  der 
Vers  ist  an  die  DaevaTgencHff.  Nerios.  hat  den  Locat  deveshu. 
—    Mahmt  rncmoi  Nerios.:    maii-manasi,    i.  e.   in  mea  mente.     Für 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  1.    Cap.  32,   1.   2.        159 

mahmt  lesen  einige  Codd.,  wie  K.  6,  11,  P.  6,  Bf.  und  Bb.,  jnahL 
Diese  Lesung  ist  aber  entschieden  zu  verwerfen;  denn  ma/u  wäre 
nur  eine  erste  Person  plur.  des  Verbums  anh^=as,  seyn  (vgl.  J. 
35,  2),  und  hiesse  also  wir  sind;  aber  hiedurch  würde  aller  Sinn 
und  Zusammenhang  zerstört.  Ein  Locativ  könnte  es  in  keinem 
Falle  seyn,  da  weder  das  Sanskrit  noch  das  Baktrische  Locative 
auf  siy  hi  kennt.  Dagegen  spricht  alles  für  die  Form  mahmi,  i.  e. 
in  me,  die  sich  zwar  nur  an  dieser  Stelle  findet,  aber  in  dem  häu- 
figer vorkommenden  thwahmt,  i.  e  in  te,  ihr  sicheres  Analogen  hat. 
—  Für  urvdzemd  W.'s  lesen  Bf.  und  Bb.  urvd  zemd.  Letzteres  ist 
offenbar  eine  Correctur  des  erstem  missverstandenen  Wortes;  sie 
ist  aber  höchst  unglücklich,  denn  mit  Seele,  Erde,  lässt  sich  hier 
nichts  anfangen.  Aber  auch  urvdzemd  lässt  sich  grammatisch  nicht 
erklären ,  da  man  ein  sonst  ganz  unbekanntes  und  ungewöhnliches 
Thema  vdzema  annehmen  müsste  und  hinsichtlich  des  Casus  in  grosse 
Verlegenheit  käme.  Die  leichteste  und  zugleich  sicherste  Verbes- 
serung ist,  arvdzem  d  zu  theilen;  so  haben  wir  ein  Thema  urvdzUj 
das  wirklich  vorkommt  (vgl.  30,  1,  und  über  die  Bedeutung  die 
Note).  —  ThwSi — donhdmd  Nerios.:  tava  stutd  bhavdmah;  kila  stu- 
tatvam  kurmahe.  Aber  dufa  kann  nicht  gelobt  heisseu. —  Der  Dual 
vdo  kann  nur  auf  Ahura-mazda  gehen,  welcher  Name  häufig  als 
Dual  gefasst  wird. 

V.  2.  Das  aeibjo  zu  Anfang  darf  nicht  auf  daeva  zurückbezogen 
werden,  weil  die  Worte  ^pentäm  ve  —  drmaütm  varemmde  im  schnei- 
dendsten Widerspruch  ständen,  da  den  Daeva's  gewiss  keine  fromme 
Andacht  oder  Opferbereitwilligkeit  von  dem  Propheten  zu- 
gestanden wird  (ve  bezieht  sich  nämlich  deutlich  auf  aeibjo).  Wir 
können  es  nur  auf  dutdonh6  donhdma,  „Boten  wollen  wir  seyn",  be- 
ziehen ,  wenngleich  diese  Beziehung  an  einiger  Härte  zu  leiden 
scheint.  —  (^dremnd  —  mananhd  Nerios. :  svdmitdjdm  uttamasja  ma- 
nasah,  „in  der  Herrschaft  des  guten  Geistes"  (über  die  Wurzel  ^ar 
s.  zu  29,  3  u.  31 ,  22).  —  Khshathrdt  hacd  ist  entweder  auf  vohii 
mananhd,  „durch  die  Herrschaft,  Macht",  oder  auf  paiti-mraof,  „von 
der  Herrschaft,  d.  i.  vom  Sitz  der  Herrschaft  aus",  zu  beziehen. 
Erstere  Fassung  ist  vorzuziehen,  vgl.  35,  10,  und  das  analoge  ashdt 
hacd  45,  4.  28,  3.  46,  19.  —  Ashd  —  qenvdtd  Nerios. :  cet  satvam 
(sattvam)  saddcdratvam  vapushi  abhjdgatam  abhüt  ^),  wenn  die  Wesen- 
heit, die  stetige  Fortdauer,  in  den  Körper  eingezogen  wäre.  Dass 
diese  üebersetzung  lauter  Künstelei  ist,  leuchtet  ein.  Der  Satz  hat 
gar  kein  Verbum  —  qenvdtd,  i.  e.  splendente,  scheint  Nerios.  mit 
qjdt^  i.  e.  sit,  verwechselt  zu  haben  —  und  ist  nur  eine  adverbiale 
Bestimmung  zu  dem  folgenden  drmaittm  ve  —  varemaid^.  Alle  drei 
Worte  sind  Instrumentale  und  bieten  lexikalisch  keine  Schwierigkei- 
ten (s.  d.  Gl.).  —   Das  Subject  yonvaremaidi,  wir  wählen,  muss 


')  aus  mamüt  corrigirt. 


160       Haug,  die  Gäthas  des  Zarathustra.   I.    Cap.  32,  2.  3. 

Ahura-mazda  seyn.  Der  Plural  darf  nicht  befremden,  da  dem  Pro- 
pheten dieser  Name  nur  eine  aus  der  Vielheit  abstrahirte  Einheit 
ist,  sodass  er  leicht  in  die  Mehrheit  zurückfallen  konnte.  Aehnlich 
ist  der  Plural  Gen.  1,  26. 

V.  3.  Ät  —  cithrem  Nerios.:  evmn  jujam  devä  vi^ve  ^pi  nikrshtat 
manasah  stha  higam,  so  seyd  ihr  Daeva's  alle  Saamen  von  dem 
schlechten  Geiste,  d.  h.  ihr  seyd  alle  aus  dem  bösen  Geiste  hervor- 
gegangen. Ob  cithrem  mit  Saamen  übersetzt  werden  darf,  ist  mir 
hinsichtlich  der  Gäthas  zweifelhaft.  Diese  Bedeutung  giebt  höch- 
stens an  unserer  Stelle  einen  erträglichen  Sinn,  widerstrebt  aber 
deutlich  31,  22.  45,  1.  33,  7.  Wir  müssen  daher,  w^enn  sie  sich 
in  der  spätem  Literatur  auch  nicht  abläugnen  lässt  (s.  meine  Be- 
merkung Götting.  Gel.  Anz.,  1854,  S.  254),  hier  davon  abstehen. 
Es  scheint  hier  nicht,  wie  das  entsprechende  wedische  citra,  ein 
Adjectiv  zu  seyn ,  da  es  in  Geschlecht  und  Zahl  nicht  mit  dem 
Subject  übereinstimmt,  sondern  ein  abstractes  oder  concretes  Sub- 
stantiv. Cithrem,  eigentlich  das  Helle,  Mannigfache,  Deut- 
liche, Offenbare,  Kennbare,  nimmt  hier  die  Bedeutung  Man- 
nigfaltigkeit oder  Offenbarung  an.  „Ihr  seyd  eine  Mannig- 
faltigkeit von  dem  schlechten  Geiste ,  d.  h.  ihr  seyd  in  mannig- 
fachen Formen  von  dem  bösen  Geiste  erzeugt"  oder  „ihr  seyd 
eine  Oflfenbarung  aus  dem  schlechten  Geiste",  d.  h.  ihr  seyd  aus 
dem  schlechten  Geiste  hervorgegangen.  Indess  ist  auch  eine  ad- 
verbiale Fassung  des  cithrem  mögHch:  „ihr  seyd  kenntlich  an  dem 
schlechten  Geiste",  vgl.  34,  6 :  ^tä  haithim.  Die  erste  Fassung  ver- 
dient indess  den  Vorzug.  —  Ja^cd  —  pairimatoiscd  Nerios. :  ja^ca 
jushmdt  prakrshtam  drddhjati  anftataro  gavd  ^vamanastara^ca  hhavati, 
wer  durch  euch  viel  Glück  hat,  ist  ein  sehr  Ruchloser  und  ein  Ver- 
ächter der  Kuh  (der  Erdseele).  Mas  kann  hier  kein  Adjectiv  oder 
Adverbium  seyn,  wie  Nerios.  (prakrshtam)  annimmt,  sondern  muss 
die  Bedeutung  eines  Substantivs  haben,  ebenso  wie  in  der  einzigen 
Parallelstelle  34,  9.  Am  nächsten  liegt  eine  Identification  mit  skr. 
7nah ,  gross,  dessen  Comparativ  im  Baktrischen  neben  mazjö  auch 
ma(;j6  lautet,  wodurch  der  Uebergang  des  mah  wenigstens  in  ma<; 
bewiesen  werden  kann.  Wir  müssen  es  entweder  mit  jagcd  als  No- 
minativ verbinden  „welcher  Grosse",  oder  von  dem  Verbum  jazaite 
als  Accusativ  regiert  werden  lassen:  „wer  das  Grosse  verehrt".  In 
letzterm  Falle  wäre  auffallend,  warum  nicht  das  Neutrum  mazat  = 
mahat  stände,  während  ma*,  mash==mah  der  Grosse  heissen  kann. 
Da  die  erstere  Fassung  noch  einen  bessern  Sinn  giebt,  so  ist  sie 
unbedingt  vorzuziehen.  Ein  blosses  Adverbium,  hoch,  sehr,  kann 
es  desswegen  nicht  seyn,  weil  die  nackte  Wurzel  in  diesem  Sinne 
auch  im  Weda  nicht  gebraucht  wird.  —  Zu  pairi-matois  vgl.  Jt.  3, 
8.  11.  15.  pairi-mata  neben  taro-mata,  verkehrt,  falsch  Ge- 
dachtes, als  ein  AhrimaniscIÄUebel,  das  bekämpft  werden  muss, 
aufgezählt.     Nerios.  hat  Verächter,    was  sich   aus  dem  skr.  pari- 


Hang,  die  Gdihas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  32,  3.  161 

ma7i,  verachten,  beweisen  lässt.  Aber  die  Bedeutung  verachtet 
passt  weder  für  jmiri-mata,  noch  die  von  Verachtung  für  pairi- 
matois.  Ersteres  muss  eine  dem  iaro-maia,  verkehrt,  falsch  ge- 
dacht, letzteres  eine  dem  rfruAÄAv,  Lüge,  ähnliche  Bedeutung  haben. 
Pairi-man,  eigentJ.  herum  denken,  kann  so  viel  als  hin-  und  her- 
denken, zweifeln,  aber  auch  um  Einen  herum  (ihn  umgehend) 
denken,  d.  i.  betrügen,  bedeuten.  Zu  dndhs,  Lüge,  stimmt 
als  Synonym  Betrug  am  besten.  Nicht  unpassend  wäre  auch 
Wahnglaube,  Aberglaube,  aber  diesen  Begrifi"  kann  eher  taru- 
maiti  tragen.  —  Saomäm  —  haptaithe  Nerios.:  prncärajaH  maji  pa^cdt 
jnatdrafidm  ja  jushmdkam  anukthh  datte  bhusaptadvipdjdm ,  er  voll- 
bringt an  mir  dann  einen  Betrug,  der  euer  Schweigen  in  den  sie- 
ben Erdgürteln  verursacht.  Saomäm  schreibe  ich  nach  K.  5;  Wester- 
gaard  hat  nach  P.  6,  K.  11,  skjaomdm  aufgenommen;  K.  6.  liest 
ashjaomäm;  Bf.  sajomdmy  Bb.  sjo  mäm.  Nerios.  hat  pracurajati  maji, 
wonach  er  wohl  ashjo  mäm  gelesen  hat;  denn  er  dachte  au  asha, 
das  sonst  öfter  mit  saddcäritaram  oder  saddcdritvam  übersetzt  wird. 
Aus  diesen  Schwankungen  sieht  man  leicht_,  dass  die  Bedeutung  des 
Worts  und  seine  richtige  Schreibung  sehr  bald  verloren  gegangen 
seyn  muss.  Das  von  Westerg.  aufgenommene  skjaomäm  lässt  sich 
zwar  zur  Noth  etymologisch  als  eine  Substantivbildung  einer  Wur- 
zel skju  =  skr.  cju,  herabfallen,  herabsinken;  gehen,  kom- 
men, medisch  s/ij'u,  gehen,  reisen,  neupers.  shu-dan^  gehen, 
seyn,  erklären;  aber  die  sich  ergebende  Bedeutung  Fall  oder 
Gang,  Zug,  würde  zu  dem  Verbum  jazaite,  verehren,  schlecht 
stimmen  und  überhaupt  den  Zusammenhang  stören.  An  einen  Zu- 
sammenhang mit  skjaothana,  Handlung,  ist  nicht  zu  denken,  da 
dieses  von  einer  Wurzel  skjut=>  skr.  cjut,  fällen,  tropfen,  stammt, 
und  dem  wedischen  cjdutna,  Helden that  (Rv.  VH,  19,  5  von  In- 
dra),  eigentl.  Fällung  (Besiegung),  entspricht.  Die  Lesung  ashjao- 
mäm lässt  sich  nicht  einmal  halb  befriedigend  erklären  ;  Nerios. 's 
Versuch  ist  reine  Deutelei.  Das  wedische  sjiimay  Strahl  (III,  3, 
61,  4.  VII,  71,  3  vgl.  sjümaka  als  sukhandma  Nigh.  3,  6),  oder 
sjma,  schön,  lieblich,  gut  (I,  22,  15.  31,  15.  Nir.  8,  13.  9,  32 
=  sukha),  lassen  sich  nicht  gut  vergleichen  und  würden  auch  kei- 
nen erträglichen  Sinn  geben.  Sajomäm  und  sjo  mäm  sind  vollends 
ganz  sinnlos.  Das  allein  Richtige  ist  saomäm,  wofür  vielleicht  bes- 
ser shaomäm  geschrieben  wird.  Hierunter  ist  nichts  Anderes  als  der 
bekannte  Soma  des  Weda  zu  verstehen.  Man  wird  sogleich  ein- 
wenden, dieser  laute  ja  haoma  im  Baktrischen.  Aber  bei  der  Er- 
klärung des  shavaite  (zu  29,  3)  ist  gezeigt,  dass  im  altern  Dialekt 
das  anlautende  s  bleibt ,  wenn  das  vorhergehende  Wort  mit  einem 
Vocal  schliesst.  Dieser  Umstand  findet  aber  hier  um  so  eher  An- 
wendung, als  saomäm  noch  zum  ersten  Versgliede  gegen  Westerg.'s 
Abtheilung  gezogen  werden  muss,  da  es  Accus,  zu  jazaite  ist.  Dass 
der  Somatrank  als  ein  Theil  des  Daevacultes  von  Zarathustra  an- 
gesehen wird,  geht  deutlich  ans  der  Stelle  48,  10  hervor,  wo  die 
Abhandl.  der  DMG.     1,3.  11 


162  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  32,  3. 

Verunreinigung  des  Rauschtrankes,  d.i.  des  Soma  (s.  z.  d.  St.), 
als  eine  gute  That  gefordert  wird.  Nirgends  in  den  Gdthas  ist  der 
Soinadienst  empfohlen  oder  als  etwas  Heiliges  erwähnt,  ein  für  die 
Zarathustrische  Auffassung  im  Gegensatz  zu  der  der  spätem  Bücher 
nicht  unerhebliches  Moment  (s.  weiter  die  Einleitung).  Die  Ursache 
der  Schwankungen  der  Mss.  in  der  Schreibung  oder  vielmehr  der 
förmlichen  Verderbung  des  ursprünglichen  Worts  ist  nicht  etwa  in 
einer  absichtUchen  Fälschung  der  Priester ,  um  die  Verwünschung 
des  ihnen  so  wichtigen  Haomacultes  seitens  des  Propheten  zu  ver- 
decken ,  sondern  im  Missverständnisse  der  ungewöhnlichen  Form 
shaoma,  saoma  zu  suchen.  Für  sh  wird  häufig  sk  geschrieben;  skaoma 
mahnte  aber  die  Abschreiber  gar  zu  leicht  an  skjaothana;  so  kam 
es,  dass  das  unverstandene  Wort  danach  in  skjaoma  corrigirt  wurde. 
Hieraus  sind  durch  weitere  Verbesserungsversuche  die  übrigen  Les- 
arten und  Missverständnisse  hervorgegangen.  Die  Endung  am  für 
em  darf  nicht  befremden,  da  wir  auch  später  haomäm  für  haomem, 
nüräm  für  nürem  u.  s.  w.  finden.  —  Äipi  wird  hier  am  besten  als 
Conjunction,  wie  im  Sanskrit,  nicht  als  Präposition  genommen,  wie 
sie  meist  sonst  vorkommt.  Nur  ist  die  ihr  von  Nerios.  beigelegte 
Bedeutung  nachher  unpassend;  einen  bessern  Sinn  giebt  die  sans- 
kritische auch,  dazu.  Daihiiand  fasst  schon  Nerios.  richtig  als 
Substantiv;  als  Verbura  —  es  könnte  nur  Imperativ  mit  paragogi- 
schem  na  seyn  —  lässt  es  sich  hier  nicht  gut  deuten.  Die  Formen 
daibitd  =  dvitd,  daibitem  =  dvitijam  in  den  Gdthd's  scheinen  auf 
eine  Ableitung  von  dm,  zwei,  hinzuweisen.  Aber  das  „Doppelte, 
Zweifache"  will  hier  keinen  Sinn  geben,  wenn  man  es  nicht  in  dem 
Sinne  von  Betrügerei  nimmt.  Diesen  gewinnen  wir  aber  einfacher 
durch  eine  Ableitung  von  der  Wurzel  dah,  betrügen  (s.  d.  Gl.), 
der  auch  Nerios.  folgt;  es  ist  ein  vom  Part.  pass.  daihita  durch  na 
gebildetes  Abstractum  (s.  auch  zu  48,  1).  Ueber  die  Dehnung  des 
a  zu  d  vgl.  man  ^jntdmo  für  ^intamo.  Der  Construction  nach  ist  es 
noch  von  jazaite  abhängig.  —  Die  Erklärung  des  a^rudüm,  das  nur 
eine  zweite  Person  plur.  Aorist,  medii  seyn  kann,  ist  Nerios.  ganz 
missglückt;  er  fasst  es  als  Substantiv  anukti,  das  Nichts p rechen, 
indem  er  das  a  des  Augments  für  das  a  privat,  hielt.  —  Bümjdo 
haptaithe  erklärt  Nerios.  ganz  richtig  durch  „die  sieben  Erdgürtel", 
die  im  Zendawesta  sonst  karshvare,  eigentl.  Pflügung,  d.i.  Land, 
das  bebaut  werden  soll,  urbar  zu  machendes  Land,  ge- 
nanntwerden. Sie  sind  aufgezählt  Jt.  10,  15.  133.  12,9 — 15.,  und 
folgen  gewöhnlich  in  dieser  Ordnung :  Arezahi,  ^avahi,  Fradadhafshu, 
Vidadhafshuy  Vourii  -  baresti ,  Vourii-garesti  und  Qanirathem  mit  dem 
Prädikat  bdmim  (glänzend).  Von  den  6  ersten  bilden  je  2  ein  Paar, 
wie  man  leicht  aus  den  gemeinschaftlichen  Endungen  sehen  kann; 
als  Paar  sind  sie  auch  Jt.  10,  133  aufgeführt.  Die  4  ersten  sind 
deutlich  Locative;  dass  diese  Casus  in  allen  Verbindungen  beibehal- 
ten sind,  rührt  vielleicht  davon  her,  dass  sie  in  einer  alten  Urkunde 
zuerst  im  Locativ  sich  gebraucht  finden  (s.  weiter  Bundehesch,  ed. 


Hang,  die  GdtfuVs  des  Zarathustra.  I.    Cap.  32,  3.  4.       163 

Westerg.,  p.  20,  9  sq.).  Nach  dieser  Eintheilung  wird  die  Erde 
haptaithja  oder  die  siebenfache  genannt.  Vgl.  Jt.  19,  26:  jat 
khshajata  paiti  bümm  haptaithjäm,  als  er  über  die  siebenfache  Erde 
herrschte.  Genau  genommen  sollte  haptaühl  die  siebente  heissen, 
da  haptatha  (Jt.  1,  7.  19,  2)  der  siebente  ist.  Dass  aber  haptaühi 
siebenfach  oder  siebentheilig  heissen  kann,  zeigt  das  genau 
entsprechende  wedische  saptathl  in  Rv.  VII,  36,  6 :  sarasvati  saptaihi 
sindhumätd,  Sarasvati,  die  Siebenfache,  die  Mutter  der  Flüsse.  An 
unserer  Stelle  ist  indess  haijftaithe  (vielleicht  wird  besser  haptaühi 
gelesen)  als  Substantiv  „die  Heptade"  zu  fassen;  bümjäo  ist  ein  von 
diesem  Locativ  abhängiger  Genitiv. 

V.  4.  Jät  —  danto  Nerios. :  jad  dvitajäd  asti  prakrshtam  manah 
[dvitajdt,  vastumah  (für  vastunah  ==  vastoh)  paralolcjdt  ihalokjäcca] 
mathate  jo  mauushjah  nikfshtagnani  bhavati  [Icila  vijrratdrajati] ,  was 
von  beiden  ist  die  treffhchste  Gesinnung  [von  beiden  Dingen,  von 
der  andern  und  dieser  Welt],  rührt  den  Menschen,  der  das  Schlechte 
kennt  [der  betrügt].  Nerios.  hat  sonach  für  jdt  bloss  jat  gelesen; 
K.  4.  trennt  ja  at.  Jedoch  ist_;dt  vorzuziehen.  —  Für  jus  td  schreibt 
Westerg.  nach  K,  5.  jüscd;  Bf.,  Bb.  und  K.  4.  haben  justd,  K.  9. 
tstd.  Jüscd,  und  ihr,  nach^af,  daher,  darum,  stehend,  verträgt 
sich  nicht  gut  mit  der  Construction ,  da  cd,  und,  völlig  überflüssig 
wäre.  Jüstd  als  ein  Wort  lässt  sich  gar  nicht  genügend  erklären; 
Nerios.  hat  beide,  ein  Paar,  woraus  nur  so  viel  geschlossen  wer- 
den kann,  dass  er  in  td  einen  Dual  sah,  da  er  es  auch  sonst  öfter 
so  übersetzt.  Da  wir  im  folgenden  jd  ein  vollkommenes  Correlat 
haben,  so  trage  ich  kein  Bedenken,  jus  td  zu  trennen  und  td  als 
plur.  htec,  ea,  zu  fassen.  —  Framiniathd.  Westerg.  schreibt  nach 
K.  5.  fra-me  mathd;  Nerios.  scheint  ebenfalls  so  zu  trennen  fra  me 
mathd,  da  diesen  Lautgnippen  drei  Worte:  prakrshtam y  manah  und 
mathate  entsprechen.  Diese  Trennung  ist  aber  widersinnig,  da  man 
vergeblich  durch  sie  einen  Sinn  zu  gewinnen  versuchen  wird.  Bb. 
und  K.  11.  haben  frahmi,  Bf.  frahmmathd.  Das  h  ist  überflüssig, 
da  es  sich  auf  keine  Weise  etymologisch  erklären  lässt;  den  Ab- 
schreibern schwebten  vielleicht  Formen  wie  mahmi ,  thwahtni,  vor. 
Mathd  für  sich  allein  ist  kein  Wort ,  es  sollte  wenigstens  maethd 
heissen,  wie  die  Burnoufsche  Handschrift  des  Ja9na  hat,  aus  der 
ich  den  Nerios.  copirte;  aber  dieses  Wort  wäre  hier  völlig  sinnlos. 
Daher  muss  mathd  mit  dem  vorhergehenden  me,  wofür  richtiger  mi 
gelesen  wird,  zusammengeschrieben  werden.  So  erhalten  wir  eine 
zweite  Person  plur.  perfect.  redupl.  oder  auch  eines  Intcnsivs  von 
man,  denken,  mimatha.  Gerade  die  Reduplicationssylbe  mi  war, 
weil  die  Bildung  nicht  mehr  verstanden  wurde ,  die  Ursache  der 
Schwankungen  in  den  Mss. ;  man  vgl.  ^igerczat  v.  13  und  mdmashd 
29,  11.  Die  Bedeutung  (mit /ra)  zuvor  ausdenken,  ersinnen, 
stimmt  überdiess  am  besten  zum  Zusammenhang.  —  Vakhshefite  — 
mananhö   Nerios.:    vadatdm  devamitratam   uttamam   sidajati   (sddajati) 

11* 


164       Hang,  die  Gäthas  des  Zarathustra.  L    Cap.  32,  4.  5. 

manah ;  kila  je  kimcit  samihitena  de  [vandiri]  vadanti  teshdm  de/idd  gvah- 
manali  hüd  (baktr.  hvo?)  ^)  asti,  der  beste  Geist  lässt  die  sitzen, 
welche  die  Devafreimdschaft  verkündigen;  welche  etwas  nach  dem 
Verlangen  der  Daeva's  verkündigen,  aus  deren  Körper  weicht  ge- 
rade Bahman  selbst  (Bahman  ist  Herr  der  lebendigen  Geschöpfe). 
Für  ^izdjamnd  hat  K.  5.  güzdjamnd,  während  die  andern  Codices, 
wenn  sie  auch  öfter  die  Endsylbe  mnd  als  eigenes  Wort  schreiben, 
doch  ein  i  nach  dem  z  haben,  sodass  f^i  die  Wurzel  ist.  Nur  diese 
giebt  auch  einen  Sinn.  Mit  (;iksh,  lehren,  das  im  Baktrischen  (^isk 
wird,  lässt  es  sich  nicht  zusammenbringen;  wir  müssen  zu  der  im 
Baktrischen  sehr  selten  vorkommenden  Sanskritwurzel  ^ish ,  ver- 
lassen, zurücklassen,  unsere  Zuflucht  nehmen.  Sie  ist  mit  da, 
das  öfter  nur  die  Stelle  eines  Hilfsverbums  Vertritt,  zusammenge- 
setzt. Nerios.  hat  den  Sinn  im  Ganzen  richtig  getroffen.  Vgl.  noch 
Jt.  19,  84:  jat  upanhacat  Kavaem  Vistdgpem  anumatee  daenajdo 
wiukhtee  daenajdo  anvarstee  daenajdo  jat  imdm  daenäm  d^taota  dus- 
mawjum  ^izdjo  daevän  apa  ashavän,  er  (der  Glanz)  hängte  sich  an 
den  Kavi  Vistä^pa,  um  nach  dem  Glauben  zu  denken,  zu  reden 
und  zu  handeln;  als  er  diesen  Glauben  laut  verkündigte,  vertrieb 
er  den  bösen  Geist,  die  Daeva's,  weg  von  den  Reinen  {(^izdja,  ein 
Vertreibender). 

V.  5.  Td  fasst  Nerios.  als  Instrumental  Dual  tdbhjdm  und  be- 
zieht es  auf  avistdrtham,  d.  i.  Awesta-Zend,  das  er  im  vorigen  Vers 
zu  finden  glaubte,  zurück.  Hievon  ist  nur  so  viel  richtig,  dass  es 
Instrumental  ist,  aber  nicht  des  Dual,  sondern  des  Singular;  es 
weist  auf  framimathd  ja  zurück.  Am  besten  nimmt  man  das  Wort 
im  adverbialen  Sinne  so.  —  Debnaotd  Nerios.:  pracdrajata,  lasset 
vollbringen.  Das  Wort  kann  aber  nur  verletzen  oder  betrü- 
gen^) heissen  (s.  d.  Gl.),  und  ist  dem  Zusammenhang  nach  nur 
eine  zweite  Person  plur.  praes.,  nicht  des  Imperat.  Die  Genitive 
hugjdtois  und  ameretata^ca  müssen  von  debnaota  abhängen:  betrü- 
gen um,  vgl.  moithat  46,  4.  —  Sehr  schwierig  ist  die  Erklärung 
der  zwei  übrigen  Verszeilen,  so  einfach  auch  die  Worte  aussehen. 
Jefig  daeveiig  akagcd  mainjus  Nerios. :  jat  he  devd  nikhhtamanasah. 
Bf.  liest  maiijm  —  Westerg.  hat  etwaige  Varianten  verschwiegen  — , 
was  Accus,  plur.  wäre,  dann  müsste  akagcd  in  akä^cd  umgeändert 
werden.  Da  aber  mainjus  in  den  Gdthd's  sich  nicht  als  Plural  fin- 
det, so  ist  diese  Verbesserung  etwas  gewagt.  Wird  in  den  Gdthd's 
von  den  bösen  Wesen  in  der  Mehrzahl  geredet ,  so  werden  sie 
khraf^trd  oder  daevd  genannt.  Auch  im  übrigen  Zendawesta  ist 
der  Plural  von  mainjus  nur  selten  gebraucht  (mainjdonhS  für  mainja- 


^)  In  der  Pehlewiübersetzung  steht  wahrscheinlich  sas,  dieser,  an  der 
Stelle,  was  leicht  hüd  transcribirt  werden  konnte. 

^)  Vielleicht  liegt  diess  auch  in  Nerios.'s  Ausdruck. 


Haug,  die  Gdthäs  des  Zarathuslra.  I.    Cap.  32,  5.  165 

vdonho  Jt.  17,  10.,  mainimo,  eigentl.  Dual,  im  Sinne  des  Plural  Jt. 
13,  13.  76),  was  davon  herzuriihren  scheint,  dass  mainjas  die  recht 
eigentliche  I3ezeichnung  der  beiden  höchsten  Geister  ist.  Nun  fragt 
es  sich,  oh  j eng  daeveng  in  den  Nominativ  oder  aka^cd  mainjas  in 
den  Accusativ  umgeändert  werden  muss,  da  die  beiden  einander  co- 
ordinirten  Begriffe  syntaktisch  gleichmässig  construirt  werden  müs- 
sen. Der  Accusativ  könnte  nur  von  debnaotd  im  ersten  Versgliede 
oder  von  fracina^  im  letzten  abhängen;  erstere  Beziehung  ist  aber 
geradezu  widersinnig:  „ihr  (Daeva's!)  betrügt  —  die  Daeva's"; 
letztere  ist  kaum  zulässig,  weil  fraöiim^  in  einem  eigenen  Relativ- 
satze steht  und  ausserdem  auch  seine  wahrscheinliche  Bedeutung 
schlecht  in  den  Zusammenhang  passen  würde.  Nimmt  man  hin- 
gegen jeng  daeveng  als  missbräuchlich  für  den  Nominativ  gesetzt, 
so  ist  es,  wie  aka^cd  mainjas,  Apposition  zu  vdo ,  eurer  beiden, 
der  eine  Theil  sind  nämhch  die  Daeva's  selbst ,  der  andere  ihr 
Haupt,  der  böse  Geist.  Jjat  heisst,  wie  öfter,  nur  nämlich,  und 
führt  den  Erklärungssatz  ein,  der  die  Mittel  bezeichnet,  mit  denen 
die  Daeva's  und  der  böse  Geist  den  Menschen  zu  schaden  suchen. 
Hiezu  gehört  auch  akd  skjaothanem  vacanhd.  Sollen  aber  diese 
Worte  einen  dem  akd  mananhd  entsprechenden  Sinn  geben,  so  muss 
skjaothanem  mit  vacanhd  zu  einem  Dvandva,  „durch  schlechte  That 
und  Wort"  verbunden  werden.  —  Ja  —  khshajo  Nerios. :  jat  pra- 
krshfam  dsvddajati  durgatino  Äharmandd  rdgjam  keshdincit,  er  ge- 
nii  sst  vorzüglich  durch  den  schlechten  Ahriman  das  Vermögen  eini- 
ger (Leute).  Ja  bezieht  sich  auf  das  unmittelbar  Vorhergehende 
und  ist  als  Instrumental  zu  nehmen.  Fracina^  scheint  ein  Verbum 
fmitum  zu  seyn,  es  lässt  sich  aber  keine  Personalendung  darin  er- 
kennen. Vergleicht  man  ciiia^ti  Ja^.  19,  12.  cinahmi  12,  1,  so  un- 
terliegt es  keinem  Zweifel,  dass  cina^  ein  erweiterter  Verbalstamm 
ist,  entweder  aus  c^^,  sammeln,  und  na^,  erreichen,  zusammen- 
gezogen oder  die  einfachste  Form  des  Part,  praes.  der  Wurzel  ein. 
Letzteres  ist  gewiss  das  Richtigste,  wenn  man  ^tava^,  lobend,  für  ^tavat 
bedenkt.  In  44,  6  heisst  cina^  sicher  verleihen,  geben.  Dieselbe 
oder  eine  ähnliche  Bedeutung  kommt  dem  cina^ti  1.  c.  zu.  Eine 
Ableitung  derselben  Wurzel  ist  cinvat  in  dem  bekannten  Ausdrucke 
cinvato  jjerethu,  das  als  „Brücke  des  Versammlers"  und  als  „Richter- 
brücke" erklärt  wird.  Letztere  Annahme  ist  entschieden  irrig,  da 
sich  für  ein  nirgends  im  Zendawesta  die  Bedeutung  richten,  stra- 
fen, sondern  nur  für  ci  nachweisen  lässt;  zudem  wissen  die  Gdthd's^ 
die  dieser  Brücke  erwähnen,  nichts  von  einem  eigentlichen  Gericht 
nach  dem  Tode.  Die  erstere  Deutung  ist  die  einzig  statthafte  und 
bestätigt  sich  durch  das  Abstract.  ciiiman,  Sammlung,  Sammel- 
platz, Jt.  19,  32  vgl.  Ja9.  12,  3.  Wir  können  auch  dem  Verbum 
die  Bedeutung  sammeln  beilegen,  die  ja  cijw  im  Sanskrit  auch  hat. 
„Für  Einen  saimneln"  —  es  ist  gewöhnlich  mit  Dativ  der  Person 
und  Accusativ  der  Sache  construirt  —  ist  so  viel  als  „für  Einen 
etwas  zu  gewinnen  suchen  und,  wenn  es  gewonnen,  es  ihm  geben". 


166       Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  32,  5 — 7. 

Diese  Bedeutung  muss  auch  das  fracmag  unsers  Verses  haben;  die 
Präpos.  fra  drückt  ein  voraus,  vor  andern  aus,  wie  sie  Nerios. 
richtig  deutet:  voraus,  vorzüglich  sammelnd.  Dregvafitem 
lässt  sich  als  Accusativ  nicht  gut  erklären;  „vs^odurch  der  Besitz  den 
Lügner  sammelt"  wäre  sinnlos;  daher  müssen  wir  entweder  ihn  als 
einen  Accusativ  der  Richtung  nach  —  zu  fassen,  oder  den  Dativ 
dregvaüe  herstellen.  Da  Letzteres  gegen  die  Handschriften  ist,  so 
gebührt  der  erstem  Annahme  der  Vorzug.  In  beiden  Fällen  muss 
aber  cina<^  reflexiv,  sich  sammeln,  gefasst  werden,  da  MsAa^d  nur 
Besitz,  Habe,  heisst  und  bloss  der  gesammelte,  nicht  aber  der 
sammelnde  Gegenstand  seyn  kann. 

V.  6.  Paourii — jezi  Nerios.:  inacuram  dveshindm  dveshah  dkfrjdfh- 
dati  jah  ukto  ^sti  jadi;  kila  jat  pdpakarmatmdm  (dtmd)  nigrahah  kri- 
jaie  nigraha^ca  tasmin  kdlasampurnah  krijate  jadd  dtmana  (?)  punas 
tanau  samjiigati ,  laut  schreit  der  Hasser  Hass,  wenn  gesprochen 
wird;  nämlich  wenn  dem  frevelhaft  Gesinnten  Einhalt  gethan  wird; 
vollständiger  Einhalt  wird  ihm  zu  der  Zeit  gethan,  wann  der  Geist 
sich  wieder  mit  dem  Körper  vereint  (zur  Zeit  der  Auferstehung). 
Westerg.  schreibt  pourii  damit  zusammen;  aber  pouru-aendo  (vgl. 
pouru-mahrko ,  der  Todreiche,  von  Ahriman)  würde  der  Uebel- 
r eiche  heissen,  was  gegen  den  Gebrauch  des  aenanhäm  (Gen.  pl. 
von  aenanK)  verstiesse  und  auch  hier  Sinnschwierigkeiten  hätte.  Wir 
müssen  daher  poiiru  trennen  und  entweder  als  Adject.  zu  aendo  = 
mala  oder  als  Adverbium  zu  endkhstd  fassen.  Dem  endkhstd  ent- 
spricht in  der  Uebersetzung  dkramdati,  tönen,  schreien,  und  in 
der  Erklärung  nigrahagca  knjate,  „es  soll  Einhalt  gethan  werden". 
Beide  Bedeutungen  sind  aber  nicht  zu  begründen.  Dieses  ocTU.  Xsy. 
lässt  sich  dagegen  leicht  aus  dem  Weda  erklären,  wo  ihm  inaksh 
(Desider.  von  naksh,  erlangen),  erreichen  wollen,  zu  errei- 
chen streben,  vollkommen  entspricht.  Der  Form  nach  scheint 
enakhstd  Partie,  pass.  zu  seyn;  aber  „viel  Uebel  sind  angetrebt", 
gäbe  einen  zu  matten  und  unbestimmten  Sinn.  Besser  wird  die 
Form  als  eine  zweite  Person  pl.  praes.  gefasst  und  auf  die  Daeva's, 
die  in  den  vorigen  Versen  angeredet  sind,  bezogen.  —  Jezi  ist  mit 
jdis,  wegen  welcher  (Uebel,  um  sie  abzuwenden),  zu  verbinden; 
athd  darf  nicht  zum  folgenden  Versgliede  gezogen  werden,  wie  es 
den  Anschein  hat,  sondern  bildet  mit  tdis  einen  eigenen  Satz,  zu 
dem  gravajeite  zu  ergänzen  ist.  Tdis  geht  auf  die  im  Folgenden 
genannten  Gebete.  Zur  Construction  vgl.  44,  6.  —  Bei  hdtd  darf 
nicht  etwa  an  die  Ha's  oder  einzelnen  Gebetsabschnitte  des  Ja9na 
gedacht  werden,  da  das  Wort  nach  29,  3.  44,  10  gar  nicht  eine 
solche  Bedeutung  haben  kann  (s.  D.  M.  Zeitschr.,  VIII,  746,  und 
d.  Gl.).     Nerios.  hat  prakata,  offenbar. 

V.  7.    Äeshäm  —  ^enghaite  Nerios.:  te  dveskino  nakimcit  gdnanti 
apaghdfd  jah  parisphumtatarah ;    [kila  nigraho  jo  dtmani  kah  kijdn  iti 


Hang,  die  Gdt/iua  des  Zarathmini.  I.    Cup.  32,  7.  167 

na  gananti],  vighdtam  sikshanti  [tat  kimcit  s'ikshati],  diese  Hasser  ver- 
stehen nichts;  ein  Vernichter  ist  Jeder,  der  sich  öffentlich  zeigt  [sie 
verstehen  nicht,  was  und  wie  gross  die  Selbstbezähmung  ist];  die 
Vernichtung  lehren  sie.  Für  aogoi,  wie  fast  alle  Manuscripte  haben, 
schreibt  Westerg.  nach  K.  5.  ägoi.  Es  ist  schwer,  sich  für  die  eine 
oder  die  andere  Lesart  zu  entscheiden,  da  die  Rechtfertigung  bei- 
der die  grössten  Schwierigkeiten  hat.  Weil  der  Zusammenhang  im 
ersten  Versgliede  ein  Verbum  zu  fordern  scheint  und  von  allen  übri- 
gen Worten  keines  ein  solches  seyn  karm ,  so  wird  man  in  dem 
fraglichen  Worte  zunächst  an  eine  Verbalform  denken.  Aogoi  so- 
wohl als  ägoi  können  erste  Personen  sing,  imperf.  med.,  ersteres 
von  vaCj  reden  (vgl.  aogi  43,  8),  letzteres  von  ag,  treiben,  seyn; 
so  hiesse  es  entweder:  „ich,  der  Wissende,  sprach  keines  dieser 
Uebel",  oder;  „ich  trieb  keines  dieser  Uebel".  Aber  eine  erste 
Person  widerspricht  dem  Zusammenhange,  da  das  Verbum  des  fol- 
genden Relativsatzes  ^enghaite  eine  dritte  Person  ist  und  nur  das 
vidvdo  des  Hauptsatzes  zum  Subject  haben  kann.  Dagegen  Hesse 
sich  durch  leichte  Aenderung  des  öi  =  e  m  i  wenigstens  der  Les- 
art dgöi  eine  dritte  Person  sing.  pass.  gleich  ^rdvt  (wofür  K.  5. 
^rave  hat,  ein  Beweis,  wie  in  diesen  Formen  i  und  e  verwechselt 
werden  können)  herstellen.  x\ber  mit  dem  Passiv  würden  sich  die 
beiden  Nominative  vidväo  und  naecit  schlechterdings  nicht  vertragen. 
Da  sonach  alle  Versuche,  aogoi  oder  dgoi  als  Verbalform  zu  fassen, 
scheiterten ,  so  wollen  wir  unser  Heil  in  der  nominalen  Fassung 
suchen.  Von  aogank,  Stärke,  abgeleitet,  kann  es  ein  verkürzter 
Dativ  seyn,  aogoi  =  aoganhc ;  aber  weder  die  Form  noch  die  Be- 
deutung passen  in  den  Zusammenhang.  Die  Lesart  dgoi  führt  uns 
leicht  auf  das  wedische  dgi,  Schlacht,  Streit;  etwas  Aehnliches 
schwebte  auch  Nerios.  vor,  der  das  Wort  durch  apaghdtd,  Abweh- 
rer, Vernichter,  wiedergiebt.  Hier  hätte  aber  namentlich  die 
Form  Schwierigkeit,  da  dgoi  nur  ein  verkürzter  Dativ  für  dgaje  seyn 
könnte,  ein  Dativ  aber  hier  nicht  gut  erklärt  werden  kann,  wenn 
er  nicht  etwa  als  Tnfinitivform  genonunen  wird.  Aendert  man  dgoi 
in  dgi,  was  nach  dem  oben  Bemerkten  keine  Schwierigkeiten  hat, 
so  haben  wir  einen  alten  Instrumental-Locativ.  Letzteres,  „in  der 
Schlacht,  im  Kampfe",  sagt  mir  am  besten  zu.  Doch  ehe  der  Sinn 
dieses  äusserst  schwierigen  V^erses  richtig  erkannt  werden  kann, 
müssen  noch  mehrere  andere  aTT.  XsYo'iJLSva  besprochen  werden.  — 
Hddrojd  ist  deutlich  ein  Genitiv-Locativ  Dualis  und  steht  für  hddrofo. 
Das  Thema  hddra  oder  hddri  lässt  mehrere  Ableitungen  zu  von  hddh 
=  sddh,  vollenden,  gar  machen  (wovon  hdidhistaJt,  12,  8  neben 
gaghnista  in  dem  Sinne  „am  vernichtendsten"),  wonach  es  Vollen- 
dung und  (im  Sinne  eines  hebr.  tlVs)  Vernichtung  hiesse,  oder 
von  had==sad,  sitzen  (vgl.  hddema==sadma),  also  Sitzung,  Sitz. 
Auch  kann  man  es  mit  skr.  satrd,  zusammen,  zugleich,  identi- 
fiziren,  wenn  diesem  nicht  hathrd  im  Baktrischen  entspräche  Am 
richtigsten  ist  wohl  die  Zusammenstellung  mit  dem  wcdischen  sadhrl 


168  Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap,  32,  7. 

und  seinen  Derivaten  sadhrjanc ,  sadhricina.  Sadhrt ,  aus  sa-\-dhri 
(von  Wurzel  dfiar ,  halten)  zusammengesetzt,  ist  eigentlich:  Zu- 
samraenhaltung,  Verbindung,  wird  aber  gewöhnlich  im  adver- 
bialen Sinne:  zusammenhaltend,  dicht,  gebraucht  (Rv.  II,  13, 
2:  sadhri  im  d  janti,  von  den  Wassern).  GebräuchHcher  sind  die 
Ableitungen:  sadhrjanc  und  sadlirj ancina  (Rv.  1,  108,  3:  cakrdthe 
hi  sadhrjanndma  hhadhram  sadhricina  Vrtrahanän  uta  sthah) ,  ver- 
eint, vereinigt  (vgl.  noch  I,  33,  11.  51,  7.  II,  17,  3:  sadhrjah 
pfthak,  zusammen  und  einzeln,  lll,  31,  6:  sadhrjak  kar,  fest- 
machen, von  Wegen;  55,  15.  IX,  29,  4:  inu  dveshämsi  sadhrjak^ 
treibe  all  das  Feindliche  zusammen  weg).  Nach  dieser  Ableitung 
ist  hddri  eine  zusammenhaltende  oder  zusammengehörende 
Menge,  worunter  dem  Zusammenhange  nach  ein  Heerlager  zu 
verstehen  ist;  denn  unser  Vers  sowohl  wie  das  ganze  Lied  .spricht 
von  einem  grossen,  zwischen  den  Bekennern  der  Lehre  Zarathu- 
stra's  und  den  Daevaverehrern  geführten  Kampfe;  die  hddrojd  sind 
die  beiderseitigen  Lager.  —  G'ojd  scheint  dieselbe  Bildung  wie 
hddrojd  zu  seyn;  aber  es  lässt  sich  als  Genitiv -Locativ  nur  erklä- 
ren, wenn  wir  es  als  Apposition  nehmen,  etwa  „in  den  beiden  Hee- 
ren, den  streitenden  (siegenden)".  Da  durch  diese  Fassung  sich 
indess  kein  befriedigender  Sinn  gewinnen  lässt  —  ^e?lghaite  könnte 
nicht  richtig  bezogen  werden  — ,  so  kam  ich  auf  den  Gedanken, 
gojd  als  Nomin.  Accus,  plur.  neutr.  für  gajd  zu  nehmen;  das  6  ist 
der  Paronomasie  zu  hddrojd  wegen  für  a  gesetzt ,  was  nicht  auf- 
fällt, wenn  man  die  gegenseitige  Wirkung  der  Vocale  auf  einander, 
im  altern  Dialekt  auch  des  d,  bedenkt.  Der  Ableitung  von  gi,  sie- 
gen, zufolge  ist  gaja  eigentlich  Sieg;  in  der  Form  zaja  nahm  es 
die  Bedeutung  Waffe,  Werkzeug,  an.  Wenn  auch  Letzteres  auf 
die  Wurzel  hi,  hinv ,  i.  e.  mittere,  im  Sinne  von  schiessen,  zu- 
rückgeführt werden  kann,  so  liegt  es  gewiss  nicht  fern,  dem  gaja 
selbst  die  Bedeutung  Sieg  es  w  äffe,  Mittel  zum  Sieg,  zu  geben. 
Diese  ergiebt  sich  noch  leichter,  wenn  wir,  was  möglich  ist,  die 
Wurzel  gan,  schlagen,  tödten,  zu  Grunde  legen,  wie  Nerios. 
wirklich  gethan  zu  haben  scheint.  Auf  eine  Zurückführung  des  gojd 
auf  giv,  leben,  als  stände  es  für  givjd,  muss  sowohl  aus  lautlichen 
Gründen  als  aus  Rücksichten  auf  den  Sinn  verzichtet  werden.  Nun 
erhebt  sich  die  Frage  nach  der  syntaktischen  Construction  des  schwie- 
rigen Satzes.  Eine  regelrechte  Wortfolge  hier  aufzufinden,  war  mir 
trotz  aller  Mühe  ein  Ding  der  Unmöglichkeit;  ich  halte  die  Annahme 
eines  Anakoluths  für  unvermeidlich.  Aeshäm  aenanhäm  naec'it  steht 
als  der  wichtigste  Begriff  des  Satzes  absolut  voran.  In  deutlicher 
Schreibweise  dürfte  hier  eine  Präposition  wie  a,  oder  paiti,  in,  bei, 
nicht  fehlen;  denn  die  Worte  sind  mit  jd  gojd  so  zu  verbinden: 
Von  (oder  bei)  keinem  dieser  Uebel  zeigt  der  Wissende  an,  was 
die  Besiegungen,  d.  i.  die  Mittel  es  zu  besiegen,  seyen.  Jdis  ist 
nicht  auf  gojd,  was  am  nächsten  läge,  sondern  auf  aeshäm  aenan- 
häm zurückzubeziehen,  man  vgl.  das  erste  Glied  des  folgenden  Ver- 


Haag,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  32,  7.  8.       169 

ses  (acnanhäm  ^rdvi),  Qaend  giebt  sich  auf  den  ersten  Blick  als 
einen  Instrumental  sing,  von  qa,  sein,  eigen,  kund;  dass  das  Bak- 
trische,  wenigstens  der  Gathadialekt,  Instrumentale  auf  -ena  von 
den  a  Stämmen  wie  das  Sanskrit  kennt,  beweist  kimid  30,  8  deut- 
lich. Nerios.  ist  mir  hier  unverständlich,  an  qa  hat  er  aber  nicht 
gedacht.  Indess  könnte  man  es  auch  für  identisch  mit  dem  spätem 
hadnd  =  send,  Heer,  halten;  /t  verhärtet  sich  im  Gathadialekt  öfter 
zu  (]f,  man  vgl.  aqjd  für  ahjd,  qjdt  für  hjdt  u.  s.  w.  Ajanhd  giebt 
Nerios.  durch  lohena,  „mit  Eisen",  bei  welcher  Fassung  man  bleiben 
kann,  wenn  man  qaend  als  Heer  nimmt.  Sonst  ist  ajanhd  durch 
nach  Art,  Weise  oder  Zeit,  zu  erklären,  s.  d.  Gl.  Dass  nach 
^rdm  seyn  zu  ergänzen  ist,  erhellt  ganz  deutlich  aus  dem  Anfang 
des  folgenden  Verses.  —  Irikhtem  Nerios.:  krurdtmd,  grausam 
gesinnt,  in  44,  2  nr<^a7hsa,  grausam;  er  hielt  es  wohl  für  ver- 
wandt mit  ereghaitja ,  grausam.  Diese  Bedeutung  ist  aber  nicht 
ganz  zutreffend.  Da  irikhtem,  nicht  erekhtem,  wie  Westerg.  schreibt, 
die  richtige  Lesart  nach  K.  6.  ist  —  denn  erekhtem  könnte  nur  von 
erez,  gerade,  wahr  seyn,  abgeleitet  werden,  was  in  jeder  Beziehung 
schwierig  zu  erklären  wäre  — ,  so  haben  wir  als  Wurzel  iric  =  ric, 
wie  urud  für  riid,  anzunehmen.  Jt.  10,  75  sind  den  shoithrü-pdnö,  den 
Schützern  des  Landes  (Satrapen),  die  shoithro-irico,  nmdno-iricö, 
zantu-irico  etc.  entgegengesetzt,  in  welchen  Verbindungen  irico  (Plu- 
ral der  nackten  Wurzel)  nur  schadend  oder  verderbend,  als 
Gegensatz  zu  pdno,  bedeuten  kann.  Jt.  14,  47  steht  das  Verbum 
irinakhti  dem  aiwidruzaiti,  belügen  (Mithra),  parallel,  sodass  rashnum 
paiti  irinakhti,  er  greift  die  Gerechtigkeit  an,  sucht  sie  zu 
vernichten,  bedeutet.  Nicht  die  gleiche  Bedeutung  scheint  Jt. 
10,  QS:  jaf  dim  ddmois  upumann  hu-irikhtem  hddha  irinakhti  anwend- 
bar zu  seyn:  aber  der  unmittelbar  folgende  Vers;  vor  welchem 
(Mithra)  alle  Geister  erschreckt  fliehen  etc.  ermöglicht  die 
üebersetzung :  der  Wächter  der  Geschöpfe  straft  mit  gewaltiger 
Strafe  (die  Lügner  etc.).  Wenn  nun  die  Bedeutung  des  Worts  in 
den  spätem  Schriften  dem  grausam  gesinnt  des  Nerios.  nahe 
kommt,  so  ist  dieselbe  ihm  des  Zusammenhangs  wegen  sowohl  hier 
als  44,  2  abzusprechen,  wenn  auch  die  Wurzel  iric  =  skr.  ric, 
leeren,  ausleeren,  dieselbe  ist.  Am  nächsten  kommt  das  wedi- 
sche  Abstractum  riktham  Rv.  III,  31,  2:  riktham  ardik,  eine  Aus- 
leerung (Ausgiessung)  machte  er.  Leerung  von  Uebeln  ist 
Befreiung  von  denselben. 

V.  8.  Aeshum  —  Jima(^cft  Nerios. :  tdn  dveshinah  [2)dpi7iah'j  Vivam- 
ghdnasja  putrah  proktavdn  G'ama^edah,  diese  Hasser  [Frevler]  hat 
des  Vivanghana  Sohn,  G'amshed,  angezeigt.  Dieser  Sinn  ist  unrich- 
tig; zu  i^rdvi  müssen  wir  seyn:  von  solchen  Uebeln  zu  seyn, 
d.  i.  sie  zu  haben,  ergänzen.  Das  cit  hinter  Jima  kann  hier  nur 
die  Bedeutung  auch,  selbst,  haben;  die  allgemeinere  quodcunque 
ist  unzulässig.   —    Je  —  qdremno  Nerios.:  /o  manushjebhjah  samdsvu- 


170  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  32,  8. 

dajati  asmdkam  pa^ündm  daksha{i)najd  khadanani,  der  die  Menschen 
bei  der  Darbringung  unserer  Thiere  das  Essen  kosten  Hess.  C'ikh- 
nusho  lässt  eine  fünffache  Erklärung  zu:  1)  als  zweite  Person  sing, 
perfecti  oder  eher  eines  reduplicirten  Aorist,  2)  Gen.  sing.,  3)  Acc. 
phir.,  4)  Nom.  sing,  des  Partie,  perfecti  activi  von  khshnü,  Gaben 
darbringen,  beschenken,  5)  Nom.  sing,  eines  vom  Desiderativ- 
stamm  gebildeten  Adjectivs  (s.  zu  45,  8).  Hier  handelt  es  sich  zu- 
nächst nur  um  die  drei  letzten  Möglichkeiten.  Nach  der  dritten  muss 
cikhshnusho  als  Adjectiv  von  mashjeng  gefasst  und  mit  diesem  von 
qdremno  abhängig  gemacht  werden;  da  zu  diesem  Partie,  ohnediess 
die  Accusative  alimdkeiig  —  hagd  gehören,  so  würde  es  in  diesem 
Falle  zwei  Accusative  regieren.  Weil  dieses  nicht  gut  angenommen 
werden  kann  —  denn  qdremno  ist  keine  Causalbildung  —  und  zu- 
dem der  Sinn  „der  die  gabenbringenden  Menschen  die  Theile  der 
Erde  gemessen  Hess",  wenig  ansprechend  ist,  so  ist  diese  Fassung 
gegen  die  vierte  aufzugeben.  Letztere  hat  die  Schwierigkeit,  dass 
cikhshnusho  nur  missbräuchlich  ein  Nom.  sing,  seyn  kann.  Dass 
dieser  Missbrauch ,  den  Casus  obliquus  für  den  Casus  rectus  zu 
setzen,  bei  Bildungen  mit  vat  wirklich  vorkomme,  zeigt  Viminhusho 
der  Vivanghuide  für  Vivanhvdo  in  nnserm  Verse ;  bei  der  letzten 
Fassung  fällt  indess  diese  Irregularität  weg,  sie  ist  daher  vorzuzie- 
hen. So  gewinnen  wir  zwei  parallele  GHeder,  von  denen  das  eine 
cikhshnusho,  das  andere  qdremno  mit  dem  gemeinschaftlichen  Subject 
Jima  zum  Verbum  hat.  —  Ähmdkeng,  die  unsrigen,  ist  nicht  auf 
mashjeng,  sondern  auf  bagd  zu  beziehen.  Diese  mascuHne  Form  des 
Accusat.  plur.  ist  missbräuchlich  für  die  neutrale  ahmdkd  gesetzt, 
wohl  durch  Einfiuss  des  vorhergehenden  mashjeng.  Die  nächstlie- 
gende Uebersetzung  von  gdus  bagd  qdremno  ist:  „die  Theile  der  Kuh 
essend",  ist  wenig  befriedigend,  da  die  Jimasage,  wie  sie  in  Vend. 
2  enthalten  ist,  keinen  solchen  Zug  enthält.  Da  das  qdremno  mir 
eine  Anspielung  auf  den  uralten  Vers  Vend.  2,  26  (s.  darüber  zu  31, 
20)  zu  enthalten  scheint,  so  ziehe  ich  die  dort  einzig  statthafte  Be- 
deutung glänzen,  bestrahlen  (vgl.  qarenanh,  Glanz),  auch  hier 
der  von  essen  vor.  Vom  Glänze  Jima's  ist  oft  genug  die  Rede, 
aber  von  einem  Essen  der  Theile  der  Kuh  ist  mir  nirgendsher  etwas 
erinnerlich.  Dass  baga  Theil  heisst  (Ja^.  19,  3.  5.  7  ist  bagha 
von  den  Theil en  des  heiligen  Gebetes  ^atÄ«  ahü  vairjo  gebraucht), 
unterHegt  keinem  Zweifel.  Diese  aHein  ist  hier  auch  anwendbar, 
da  die  von  „Gott,  Schicksal"  (bagö-bakhtemy  vom  Schicksal  ver- 
hängt) ganz  dem  Zusammenhange  widerstreiten  würde.  Ob  aber 
gdus  hier  Nom.  oder  Gen.  ist  und  ob  es  Erde  oder  Kuh  bedeu- 
tet, ist  fraglich.  Grammatisch  betrachtet  kann  gdus  nur  Nom.  sing, 
seyn,  aber  dieser  Casus  lässt  sich  nicht  construiren,  da  das  Subject 
zu  qdrenmo  Jima  ist.  Wir  werden  daher  uns  entschliessen  müssen, 
gdus  als  missbräuchHche  Form  für  den  regelrechten  Genitiv  geus  zu 
nehmen;  als  Nom.  steht  es  unzweifelhaft  Jt.  19,  93.  Ebenso  wenig 
kann  es  v.  14  Nom.  seyn.     Auf  die  Verderbung    des  geus   zu  gdus 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  32,  8.  9.       171 

hatten  wohl  die  Genitive  der  w-Stämme ,  wie  huddndus  ==  huddnaos 
Einfluss.  Gaus  ist  zwar  ursprünglich  Kuh,  aber  unter  dieser  Kuh 
kann  nur  die  Erde  verstanden  werden.  (Ueber  diesen  Mythus  s. 
S.  71.) 

V.  9.  Dus^a^tis  —  khratum  Nerios. :  dushta^ikshathd  ja  uktir 
vindi^am  daddti  asja  gtvitavantim  ^ikshajünur  buddhim  uktir  jd  devd- 
ndm,  Dus^a^tis  ist  hier  als  Abstractum  pro  concreto  zu  fassen,  weil 
hvö  sich  nur  auf  ein  Mascuhnum  oder  ein  Wort  masculinen  Sinnes 
beziehen  kann.  Zuerst  legte  ich  ihm  die  Bedeutung  Verla  um - 
düng  bei,  was  es  etymologisch  gut  heissen  könnte;  besser  stimmt 
indess  Nerios. 's  dushta^ikshathd,  schlechte  Lehrweise  (Lehre  des 
Schlechten),  in  den  Zusammenhang,  in  dem  concreten  Sinne  „der 
Lehrer  des  Schlechten".  —  Morendat.  Diess  ist  ohne  Zweifel  die 
richtige  Form  des  nur  in  unserm  Capitel  v.  9  —  12  vorkommenden 
Verbums  morefidd.  V.  10  schreibt  Westerg.  morendat  mit  kurzem  o, 
V.  11  morendan,  v.  12  morenden  mit  n  für  den  Nasenlaut  il.  Bei  9 
und  10  giebt  Westerg.  gar  keine  Varianten;  in  10  hat  indess  Bf. 
auch  morendat,  Bb.  hat  beidemal  maoreiidat.  In  11  u.  12  hat  K.  5. 
morend,  Bf.  morend,  die  meisten  Uebrigen  morend.  Die  Lesung  mit 
0  ist  gewiss  falsch,  da  durch  nichts  bewiesen  werden  kann,  dass  ur- 
sprünghches  6  zu  o  sich  schwächte,  oder  a  durch  Einfluss  des  r  zu 
0  sich  verfärbte  (denn  in  'pouni  für  paru  ist  nicht  r,  sondern  w  der 
brechende  Laut,  man  vgl.  paoirja,  wo  oi  für  ou,  weil  das  schliessende 
u  weggefallen  ist).  Daher  kann  das  Wort  auch  nicht  auf  7nare, 
mere,  sterben,  wovon  das  Causativum  mared,  tödten,  51,  13; 
merenq,  merdz  id.  lautet,  noch  auf  mare,  sprechen,  zurückgeführt 
werden.  In  beiden  Fällen  wäre  auss-^r  dem  6  das  n  nicht  erklär- 
bar; überdiess  würde  tödten,  morden  (so  Nerios.  vindgaih  da), 
in  Bezug  auf  Reden  oder  Vorträge  (^ravdo)  ein  gar  zu  kecker 
Tropus  seyn  und  reden  lassen  keinen  vernünftigen  Sinn  geben. 
Das  einzig  Richtige  ist,  more/7  als  identisch  mit  dem  wedischen  müra, 
irrend,  fehlend,  am  bekanntesten  mit  dem  a  privat,  amura,  nicht 
fehlend,  irrend,  von  den  Göttern,  namentlich  denen  des  Lichts, 
zu  fassen;  das  h  steht  für  ursprüngliches  m,  welches  vor  d  nicht 
bleiben  konnte;  moreii-dd  ist  somit  irrend  machen,  irre  führen, 
missieiten,  verwirren.  —  ^enhana  kann  hier  nicht  so  viel  als 
ukti,  das  Sprechen,  die  Rede,  heissen,  da  die  Wurzel  <;enh  = 
<^ams  als  eine  vox  media  sowohl  in  gutem,  wie  in  bösem  Sinne  ge- 
braucht werden  kann  (vgl.  (^ams,  verletzen,  abhi-<^ams,  schmä- 
hen), so  nehme  ich  keinen  Anstand,  dem  Worte  hier  die  Bedeu- 
tung Schmähung  zu  geben,  denn  nur  diese  stimmt  zum  Zusam- 
menhange. —  Der  Genitiv  gjdteus  ist  mit  khratum,  nicht  mit  fe?i- 
handis  zu  verbinden.  Die  von  der  Tradition  dem  f:jdtu  beigelegte 
Bedeutung  Leben  ist  nicht  ganz  genau.  Von  der  Wurzel  giv, 
leben,  lässt  es  sich  schlechterdings  nicht  ableiten,  da  das  v  nicht 
spurlos  hätte   verschwinden   können.     Der  Accusativ  ^jötüm   beweist 


172      Hang,  die  Gathas  des  Zarathiistra.  I.    Cap.  32,  9.   10. 

nichts  für  das  ursprüngliche  Vorhandenseyn  eines  u,  da  das  6  nur 
durch  Rückwirkung  des  ü  aus  d  entstanden  ist  (s.  d.  Gr.).  Eine 
Ableitung  von  gi,  siegen,  gewinnen,  ist  ebenfalls  nicht  zulässig, 
weil  ä  nicht  erklärt  werden  könnte.  Man  kann  es  nur  mit  dem 
skr.  gjdjas,  der  ältere,  vorzüglichere,  Superlat.  gjeshtha,  der 
älteste,  zusammenstellen,  sodass  es  der  Wurzel  gjä ,  altern,  alt 
seyn,  entstammt.  G'Jdti  oder  gjdhi  wäre  demnach  das  Alter, 
aber  gewiss  nicht  das  Greisenalter  (dieses  heisst  zaiirvd) ,  sondern 
etwa  das  Lebensalter  oder  die  Lebenszeit  überhaupt.  Da  in- 
dess  jene  Wurzel  gjd  sicher  nur  eine  Weiterbildung  von  ga?i,  er- 
zeugen, ist,  so  legt  man  dem  Wort  am  besten  den  Sinn  von  Ge- 
burt, Entstehung,  bei,  worauf  gjdjas,  der  ältere,  natu  major, 
von  selbst  hinführt.  An  den  Begriff  der  Entstehung  schliesst  sich 
der  des  Erstandenen,  Daseyenden,  des  Daseyns,  der  in  den 
Gdthd's  allein  passend  ist.  ■ —  Apo — mananho /Ner'ios.:  adhikamca 
me  lakshmi (m)  apaharati  hitdm  satim  uttamena  manasd.  Dem  apo  den 
Sinn  von  adhikam,  vorzüglich,  überwiegend,  beizulegen,  ge- 
stattet der  Zusammenhang  ebenso  wenig  als  7nd  =  me  zu  nehmen. 
Letzteres  kann  nur  die  Particula  prohibitiva  ?na  =  [X7],  ersteres  die 
Präposition  ajm  -j-  u  (vgl.  fro  für  fra-u)  seyn,  die,  wie  häufig,  eine 
Wiederholung  der  Präposition  des  Verbum  finitum,  hier  von  apa- 
jcultd,  ist.  Der  Sinn  dieses  Verbums  ist  von  Neriosengh  durch  apa- 
harati, wegnehmen,  gut  wiedergegeben,  da  es  nur  eine  Deno- 
minativbildung von  apa,  weg,  seyn  kann.  An  die  Wurzel  pd,  be- 
schützen, darf  aus  verschiedenen  Gründen  nicht  gedacht  werden. 
—  Mazdd  mit  dem  Dativ  ashdi  durch  ca  verbunden,  kann  kein 
Vocativ ,  sondern  muss  ebenfalls  ein  aus  mazddi  abgestumpfter 
Dativ  seyn. 

V.  10.  Hv6  —  morefidat  Nerios. :  asdu  me  nd  ukter  vind^ara  da- 
ddti;  kila  apravHtim  dirier  daddti.  Wie  Nerios.  mdnd  verstanden  hat, 
wird  aus  dieser  Uebersetzung  nicht  klar;  md  fasst  er  als  me,  mir, 
7id  umschreibt  er  bloss;  und  in  der  Sinnerklärnng :  „er  macht  den 
Glauben  unwirksam",  ist  diesen  Worten  gar  keine  Rechnung  getra- 
gen. Alle  Mss.  schreiben  mdnd  als  ein  Wort;  Westerg.  vermuthet 
7nd  ndo,  sodass  nd  für  den  Dual  näo,  uns  beiden,  stände.  Aber 
so  einfach  diese  Verbesserung  auch  scheint,  so  giebt  sie  doch  kei- 
nen guten  Sinn;  zudem  wäre  sehr  auffallend,  dass  kein  einziges 
Ms.  das  so  häufige  ndo  zeigt.  An  eine  Ableitung  von  der  Wurzel 
man  ist  nicht  zu  denken;  der  Sinn  erfordert  eine  Negation,  und 
eine  solche  ist  mä7id  in  der  That;  7id,  welches  auch  im  Weda  so 
ungemein  flüssig  ist  und  als  Enklitikum  dient,  ist  nur  zur  Verstär- 
kung an  md  =  ikTi  gehängt;  man  vgl.  jatliand  aus  jathd -h  7id  31, 
22.  —  Jt  —  aogedd  Nerios.:  ^o  7iikrshtataraiü  vacasd  brüte,  der  das 
Schlechteste  mit  Worten  spricht.  Aogedd,  gedehnte  Form  für  aokhtd; 
die  Erweichung  des  kh  in  g  und  des  f  zu  d  ist  Folge  der  Einschie- 
bung  des  e.  —    G(7m  —  daddt  Nerios.:    gobhi^ca  agdbhih  surjdbhih; 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  32,  10.   11.      173 

[kila  trivarshinihhih  pcmcavarsfänibfnh]  jo  ddnam  durgatimadbhjo  datte^ 
wer  an  Kühen,  Ziegen,  Sonnen  [nämlich  dreijährigen,  fünfjährigen], 
den  Schlechten  eine  Gabe  giebt.  Dass  der  Uebersetzer  den  Text 
missverstanden  hat,  leuchtet  ein.  Ashihja  kann  nicht  für  aga,  Ziege, 
gesetzt  seyn.  Am  nächsten  liegt  ashi,  Wahrheit;  aber  diese  Be- 
deutung stimmt  gegen  den  Zusammenhang,  da  mit  ashihja  gerade 
das  Mittel  angegeben  wird,  wodurch  der  Böse  die  Erde  und  die 
Sonne  zum  jämmerlichsten  Anblicke  macht.  Daher  stelle  ich  das 
Wort  mit  ashjo  48,  4.  51,  6,  einem  deutlichen  Comparativ  von  ako, 
schlecht,  zusammen;  als  Instrumental  plur.  des  Compar.  lässt  sich 
ashibis  indess  nicht  gut  erklären,  man  müsste  nur  annehmen,  es  sey 
aus  ashjSbis  verkürzt.  Dagegen  hat  die  Annahme  eines  Substanti- 
vums  ashi ,  von  aka  durch  i  ebenso  gebildet  wie  ashjd  durch  Jd, 
keine  besondere  Schwierigkeit;  die  Schwächung  des  k,  6  zu  sh  ist 
vielleicht  nur  dialektisch,  da  sie  sich  auch  in  der  Gäthäsprache  nicht 
als  eine  gesetzmässige  Veränderung  nachweisen  lässt.  —  Jagcä  — 
vivdpat  Nerios.  :  Jagca  krshtam  udvdsajati;  kila  sasjdni  vi?id^ajati, 
der  das  Gepflügte  vernichtet ,  d.  i.  der  die  Kornfelder  verderbt. 
Vivdpaf,  Aor.  redupl.  von  vap,  scheeren  (s.  d.   Gl.). 

V.  11.  Mazibis — cVÄrÄres  Nerios. :  mahattvajd  dcdranti  nikrshta- 
tdm;  kila  purahsaratajd  pdparii  kurvanti,  durch  Grösse  vollbiingen  sie 
die  Schlechtigkeit;  nämlich  durch  Vorangehen  thun  sie  die  Sünde 
(sie  freveln  durch  böses  Beispiel).  Ob  mazibis,  das  nur  Instrumen- 
tal plur.  von  maz  ==  mah,  gross,  ist,  im  Sinne  eines  Abstractums 
Grösse  gefasst  werden  darf,  ist  mir  zweifelhaft;  es  müsste  mazebis 
(für  mazibis  vom  fem.  mazi)  heissen ,  zu  welcher  Lesung  aber  die 
Mss.  kein  Recht  geben.  Daher  bleibe  ich  bei  der  Bedeutung  gross. 
„Die  Grossen  des  Lügners"  sind  aber  nicht  die  6  Erzdews,  die  den 
Gdthd's  noch  gar  nicht  bekannt  sind,  sondern  wir  haben  darunter 
mächtige  Förderer  des  Bösen  auf  Erden,  Priester,  Fürsten  etc.  zu 
verstehen  (vgl.  v.  14  kdvaja^cit  und  zu  den  „Grossen"  30,  2).  — 
Cikoiteres  schreibt  Westerg.  richtig  nach  K.  11;  K.  5.  hat  ciköieres, 
K.  9.  cikoitiris,  K.  4.  cikoithris,  Bf.  11.  ce  koitares ,  Bb.  ciku  taris. 
Nerios.  scheint  nach  seiner  Uebersetzung  „die  Schlechtigkeit  voll- 
bringen" zwei  Wörter  daraus  gemacht,  oder  besser  das  Ganze  als 
ein  Denominativ  von  aka,  schlecht,  betrachtet  zu  haben.  Von  aka 
steckt  aber  nichts  in  dein  Worte,  sondern  es  enthält  die  Wurzel 
kit,  cit,  sich  zeigen,  erscheinen,  kennen,  wissen.  Wegen 
des  Relativums  joi  denkt  man  zunächst  an  eine  Verbalform,  etwa 
an  die  dritte  Person  medii  perfecti  reduplicati;  aber  das  schliessende 
*•,  das  alle  Mss.  zeigen,  lässt  sich  dann  nicht  erklären.  Da  die 
Form  neres,  Genitiv  von  nar,  Mann,  eine  unverkennbare  Aehnlich- 
keit  mit  der  Endung  von  cikoiteres  hat,  so  liegt  der  Gedanke  nahe, 
dieses  gleich  jenem  als  Genitiv  sing,  eines  Nom.  actoris  ciknitar  zu 
fassen.  Dazu  würde  der  Genitiv  dregvaiu  sehr  gut  stimmen.  Weil 
aber  der  Gen.  sing,    mit    dem  Nom.  plur.   in    den  Nom.   auf  ar  im 


174        Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   1.    Cap.  32,   11. 

Baktrischen  zusammenfallen  kann ,  so  lässt  sich  cikoiteres  auch  als 
Nom.  plur.  nehmen,  was  besser  zu  dem  jöi  stimmt,  als  der  Genitiv, 
der  nur  durch  „welche  gehören  dem  lügnerischen  Offenbarer"  er- 
klärt werden  könnte.  Die  Bedeutung  anlangend ,  so  ist  ihm  die 
des  analogen  wedischen  cikitvän,  der  Erkennende,  Wissende, 
Rv.  I,  25,  11  (von  Varuna),  68,  3.  70,  1  (genau  die  gött- 
lichen Satzungen  kennend,  von  Agni),  72,  4  (von  Menschen), 
73,  1  Weiser,  beizulegen.  „Die  Erkenner  des  Lügners  mit  sei- 
nen Grossen"  sind  die,  welche  die  böse  Lehre  anerkennen  und  ihr 
zugethan  sind.  —  Anhviscd  —  vaMe?n  Nerios. :  gf/iapatajo  gfhapa- 
tnja^ca  apaharanti  anedalabdhim  [kila  manushjam  haihena  gfhnanti],  die 
Hausväter  und  die  Hausmütter  nehmen  das  unrechte  Gut  weg  [sie 
nehmen  den  Menschen  mit  Gewalt].  Für  anhviscd  schreibt  Westerg. 
auf  die  Autorität  von  K.  5.  anheus;  K.  4.  hat  anhüdd,  K.  6.  an- 
huiscd,  K.  11.  anuhiscd,  K.  9.  anhiscd,  Bf.  anhuiscd;  Bb.  umstellt 
beide:  anhvagcd  anuhiscd.  Nach  diesen  handschriftlichen  Lesarten 
hat  anheus,  das  der  gewöhnliche  Genitiv  von  anhu,  Leben,  ist,  nur 
wenig  für  sich.  Die  Mehrzahl  der  Mss.  weist  auf  ein  ursprüngliches 
IS  am  Schlüsse  hin.  Die  Varianten  anheus  und  anhüs  sind  nur  be- 
•quemere,  leicht  verständliche  Formen  an  der  Stelle  der  schwierigem. 
Die  verbürgteste  Lesart  ist  anhuis  oder  anhvis.  Der  Form  nach 
sind  diess  Accusative  plur.  eines  Thema's  anhvi.  Ein  anhvi  finden 
wir  wirklich  Frag.  3,  2  nebst  dem  Accus,  sing,  anhvim,  aber  nicht 
als  Fem.  construirt.  Auf  eben  dieses  anhvi  führen  auch  der  Dativ 
ahi^e  J.  40,  2.  41,  6 :  ahmdi  ahuje  maiiaqjdicd,  und  der  Abi.  anhujat 
in  der  Fügung:  zarazddtoit  anhujat  haca  Jt.  10,  9.  51.  13,  92, 
durch  lebendige  Herzenshingabe.  Nachdem  nun  hinlänglich 
die  Existenz  einer  Form  anhvi  nachgewiesen  ist,  so  fragt  es  sich 
zunächst,  ob  sie  eine  Feminin-  oder  nur  eine  Adjectivbildung  sey. 
Gegen  die  Annahme  eines  Fem.  sprechen  alle  Stellen,  da  es  nir- 
gends als  solches  construirt  ist;  dagegen  sprechen  einige,  wie  za- 
razddtoit anhujat,  für  adjectivische  Bedeutung,  ebenso  Frag.  3,  2. 
An  unserer  Stelle  und  J.  40,  2.  41,  6  tritt  die  streng  adjectivische 
Bedeutung  etwas  zurück.  Man  fasst  es  am  besten  als  „das  Leben- 
dige, Lebende".  Anhvagcd  ist  eigentlich  ein  Dual,  vgl.  J.  41,  2: 
ubnjo  anhvo,  und  zwar  Genitiv- Ablativ -Locativ.  Wie  stimmt  aber 
anhvis,  das  ganz  wie  ein  Accus,  plur.  aussieht,  dazu?  Dass  beide 
im  gleichen  Casus  stehen  müssen,  lässt  sich  der  Stellung  und  dem 
Zusammenhang  nach  gar  nicht  bezweifeln;  da  anhvagcd  kein  Accus, 
plur.  seyn  kann,  so  muss  anhvis  ebenfalls  als  Gen.  gefasst  werden. 
Es  ist  aus  anhvja^  contrahirt,  eine  Contraction,  wie  sie  sich  bei  der 
Endung  as,  wenn  i  vorhergeht,  im  Weda  öfter  nachweisen  lässt, 
z.  B.  pilrvis,  i.  e.  multae,  für  piirvjas.  —  Das  Subject  zu  apajeiti 
kann  nicht  in  diesem  Verse  gefunden  werden,  da  er  nur  Nomina- 
tive des  Plurals  hat,  sondern  ist  in  dem  vorangehenden  zu  suchen 
(ja^cd  vivdpat  etc.).  Da  überdiess  die  von  den  Mss.  eingehaltene 
Ordnung  der  drei  Verszeilen   den  Vers  schwerfällig  macht    und  ge- 


Hang,  die  Gathd's  des  Zarathustra.  1.    Cap.  32,  11.  12.     175 

rade  die  zweite  als  blosses  Einschiebsel  betrachtet  werden  müsste, 
während  die  erste  und  die  dritte  eng  zusammenhängen,  die  zweite 
aber  dem  Sinne  nach  zu  dem  Schlussgliede  des  vorhergehenden 
Verses  gehört,  so  nehme  ich  keinen  Anstand,  hier  eine  Umstellung 
vorzunehmen,  indem  ich  das  zweite  Glied  des  Verses  zum  eisten 
mache.  — 


V.  12.  Ja  —  maretdno  Nerios. :  je  (j6)  dvajam  (?)  samddi^ati 
uikfshtakarmam  manushjebhjah  [anjdjinam  apramdriajudhatvam],  wer 
beides  durch  die  beste  That  den  Menschen  zeigt  [ein  Kampf  gegen 
die  Unermesslichkeit  der  Ungerechten].  Dass  maretdno  nicht  Men- 
schen, sondern  Propheten  bedeute,  darüber  s.  zu  30,  6;  über 
rdonhajeii  s.  zu  28,  9.  Der  Satz  muss  als  Wunsch  oder  Ausruf 
gefasst  werden:  „Mit  welcher  Rede  die  Propheten  spenden  mögen!" 
(Instrumental  bei  den  Verben  des  Gebens  für  den  einfachen  Accu- 
sativ)  d.  i.  diese  Rede  sollen  die  Propheten  sprechen.  Das  ^ra- 
vanhd  deutet  auf  den  vorhergehenden  Vers.  —  Aeibjo  —  prjotüm 
Nerios.:  teshdrh  mahdgndni  vighdtam  abravtt  jeca  gopa^ündm  mriju- 
ddndt  pramodam  vadanti  givanimittdja  ^),  denen  verkündigte  der  grosse 
Weise  den  Untergang,  und  denen,  welche  wegen  Ermordung  des 
Viehs  Freudenrufe  ertönen  lassen  hinsichtlich  (der  Vernichtung)  des 
Lebens.  Urvdkhs — ukti  kann  nicht  Freude  verkündigen  heissen, 
da  iirvdkhs  nur  von  vac -f- wr,  aussprechen,  abgeleitet  werden 
kann;  vdkhs  ist  der  Nomin.  eines  Thema's  vdc.  Rede,  vgl.  drukhs 
von  drug.  Gegen  die  Ableitung  von  vaksh,  wachsen,  spricht  der 
Sinn  und  urvdkhshat  34,  13.  vgl.  urvdshat  44,  8.  Jt.  23,  3  finden 
wir  einen  Namen  Urvdkhsha  neben  Kere^d^pa  und  Q'dvarsan  (Sijawusch 
im  Schähnämeh)  genannt;  J.  9,  10  heisst  er  Urvdkhshaja.  Aber  als 
Nomen  propr.  lässt  sich  das  Wort  in  den  Gdthd's  nicht  gut  nehmen, 
zudem  würde  auch  die  Form  urvdkhs  für  urvdkhsha  dagegen  sprechen, 
und  letztere  ist  auch  nicht  ursprünglich,  sondern  erst  aus  urvdkhshaja 
verkürzt.  Die  nächste  Erklärung  ist  die,  es  wie  tirvdta  als  Aus- 
spruch, dem  leicht  der  üble  Nebensinn  eines  Zauberspruches 
beigelegt  werden  konnte,  zu  fassen.  Durch  solche  Sprüche  such- 
ten die  Gegner  Zarathustra's  zu  schaden.  —  Jdis  —  drugem  Nerios. : 
jeshdm  lamcd  pujijdd  mitratard  kadarthakdndm ;  kila  jeshdm  lakshml 
pradhdnatard  pratimatipiivjakdrja  dipt^),  dieser  Quäler  Zeichen  ist 
freundlicher  als  das  reine;  d.  i.  ihr  Glück  ist  vorzüglicher  als  sogar 
die  reine  That  der  Ehre.  Schwierigkeit  bietet  die  Erklärung  des 
grehmdy  das  sich  nur  in  diesem  und  den  beiden  folgenden  Versen 
(als  Nominativ  grehmo)  findet.  Nerios.  hat  lajucd,  v.  14  lamcdvdny 
welche  Worte  das  Sanskritlexikon  zwar  nicht  kennt,  aber  sicher  mit 


^)  Für  das  sinnlose  nimattdca. 
^)  Vielleicht  karjdd  api  zu  lesen. 


> 


f 


17G         Hang,  die  Gdtlias  des  Zarathustra.   I.     Cap.  32,   12. 

Idmcchajia,  Zeichen,  und  weiter  mit  lakshana  zusammenhängen; 
in  der  Glosse  zu  unserm  Vers  ist  es  durch  lakshmi.  Glück,  Reich- 
*  thum  wiedergegeben.  Dem  mit  grehmo  identischen  gremo  in  An- 
qnetil's  Zend-Pehlewi-Glossar  wird  die  Bedeutung  Grösse  gegeben. 
Alle,  diese  Bedeutungen  geben  aber  nirgends  einen  befriedigenden 
Sinn.  Die  richtige  Erklärung  wird  insbesondere  noch  dadurch  er- 
schwert, dass  der  Weda  uns  hier  ganz  rathlos  lässt.  LautHch  ent- 
spricht zwar  das  sanskritische  grishma  vollkommen,  da  grehmd  (diese 
Lesart  ist  sicher  besser  als  die  gerehmd  K.  4.  Bb.,  oder  garehmd 
Bf.)  für  gnhmd  steht;  aber  die  Bedeutung  heisse  Jahreszeit, 
Hitze,  will  sich  nirgends  mit  dem  Zusammenhang  vertragen.  Die- 
ser verlangt  überall  ein  Concretum  und  kein  Abstractum ,  irgend 
eine  handelnde  Person.  Da  die  Erklärung  des  Worts  als  eines  Ap- 
pellativs nur  Schwierigkeiten  bietet,  so  nehme  ich  keinen  Anstand, 
es  als  Eigennamen  eines  mächtigen,  weiter  nicht  mehr  bekannten 
Feindes  der  Zarathustrischen  Religion  zu  fassen.  Aber  dann  muss 
an  unserer  Stelle  grehmd  als  ungenaue  Form  für  den  Nom.  grehmo 
angesehen  werden.  Dass  übrigens  auch  schon  im  Gäthädialekt  (in 
der  spätem  Sprache  ist  es  sehr  häufig)  für  die  eigentliche  Nomina- 
tivform 0  (aus  as)  die  flexionslose  auf  a  tritt,  beweist  daevd  30,  6 
zur  Genüge.  Dieser  Grehma  ist  hier  als  Karapd ,  Vollzieher  des 
Opfers,  der  Satzung  (s.  nachher)  bezeichnet  und  v.  14  mit  den 
Kdvaja^,  den  Dichtern  und  Sängern  der  Wedalieder  (s.  zu  14)  zu- 
sammengestellt; daher  war  er  gewiss  ein  Priester  der  Wedagötter, 
wahrscheinlich  das  Haupt  eines  ganzen  Geschlechts.  Die  Erklärung 
des  Namens  anlangend,  so  darf  er  nicht  von  der  Wurzel  gras,  ver- 
schlingen, abgeleitet  werden,  wie  ich  früher  that;  denn  diese  er- 
weiterte Form  findet  sich  im  Baktrischen  nicht ,  sondern  nur  die 
einfache  gar  (skr.  gr);  zudem  würde  die  Bedeutung  Verschlinger, 
Fresser,  worunter  doch  nur  Ahriraan  verstanden  werden  könnte, 
nicht  zu  den  übrigen,  dem  altindischen  Priesterkreise  angehörigen 
Bezeichnungen  stimmen.  Wenn  44,  20  mit  karapd  der  Name  u^ikhs 
=  ugig  des  Weda,  und  46,  11  kavi  verbunden  ist,  so  wäre  es 
sonderbar,  hier  damit  ein  Wort  wie  Fresser  zusammengestellt  zu 
sehen.  Aus  jenem  Sprachkreis  liegt  grtsa,  nach  Nigh.  3,.  15  Name 
für  weise  (medhdvij ,  am  nächsten;  es  ist  dem  kavi  und  u^ig  syno- 
nym und  bezeichnet,  wie  diese,  den  Weisen,  also  den  Dichter, 
Priester  und  Propheten,  neben  kavi  III,  19,  1  von  Agni,  dem  ucit, 
unwissend,  entgegengesetzt  VII,  86,  7,  vgl.  III,  1,  2.  48,  3.  VII, 
87,  5.  Die  Etymologie  ist  dunkel;  vielleicht  liegt  gr,  lobsingen, 
zu  Grunde.  Mit  diesem  Wort  ist  der  Name  eines  wedischen  Sän- 
gergeschlechts, Gftsamada,  zusammengesetzt,  dem  das  zweite  Buch 
des  Rigveda  zugeschrieben  wird  und  das  auch  wirklich  mehrmals 
darin  genannt  ist  (4,  9.  19,  8.  39,  8.  41,  18).  Hieran  ist  unser 
Grehma  ein  Anklang ,  vielleicht  sogar  identisch.  Grtsa  steht  für 
gartsa,  und  grehma  ist  wahrscheinlich  erst  aus  garehma  zusammen- 
gezogen; das  t  fiel  aus,  da  weder  die  Verbindung  t-h  noch  die  von 


Haiigy  die   Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  32,   12.         177 

t-s  dem  Baktrischen  sehr  geläufig  ist.  Die  Sylbe  ma  ist  entweder 
das  bekannte  Suffix  ma  in  vah-ma,  dah-ma,  oder  eine  Verstümmelung 
von  7nada.  Dass  solche  bei  Namen  leicht  vorkommen  können,  zeigt 
das  baktrische  Kavi  U^  im  Verhältniss  zum  vvedischen  Uganas.  — 
Varatd  kann  hier  kein  Adjectiv  seyn,  wie  Nerios.  will.  Lautlich 
würde  das  wedische  Substantiv  vrata,  Gesetz,  Ordnung,  nahe 
liegen,  aber  obschon  es  mit  karapd  sich  vertrüge,  so  müssen  wir 
darauf  verzichten,  weil  unser  Satz  nothwendig  ein  Verbum  fordert ; 
von  allen  Wörtern  kann  aber  lautlich  nur  varatd  als  solches  nach- 
gewiesen werden.  Man  würde  freilich  varetd  oder  veretd  erwarten, 
was  eine  regelrechte  Form  der  3.  Person  sing,  imperf.  medii  der 
Wurzel  var,  wählen,  verhüllen,  wäre.  Dass  aber  für  are,  ere, 
auch  ara  gesagt  wurde,  beweist  karapd,  das  für  karepd  steht.  Will 
man  diess  nicht  zugeben,  so  lässt  sich  varatd  leicht  als  eine  Con- 
junctivform  erklären  (mit  a  vor  der  Endung).  Die  Bedeutung  wäh- 
len passt  nicht  zu  dem  Instrumental  Jaw,  dagegen  stimmt  verhül- 
len, bedecken,  im  Sinne  von  bewaffnen,  nämlich  mit  allen 
Mitteln,  Liedern,  Sprüchen,  Opfern  etc,  um  dem  Propheten  dadurch 
zu  schaden-  —  Karapd  giebt  Nerios.  durch  kadarthaka,  Quäler, 
Feind.  Dass  es  ein  Concretum  und  kein  Abstractum  ist,  zeigen 
alle  Stellen  der  Gdthd's  deutHch  (s.  d.  Gl.).  Das  Thema  ist  kara- 
pan,  wie  der  Plural  karapaiio  48,  10.  51,  14  zeigt.  Dass  sie  böse 
Wesen  sind,  geht  schon  aus  dem  Zusam.menhange  der  Stellen  in 
den  Gdthd's  hervor  und  wird  durch  die  spätem  Stücke  vollkommen 
bestätigt.  Jt.  5,  22.  26.  46.  50.  10,  34  und  an  vielen  andern 
Stellen  finden  wir  daemiiuhn  mashjanämca  jdthwCun  pairikanCunca  gd- 
thräm  kaojum  karafnämca,  welches  lauter  Namen  für  böse  Menschen 
oder  böse  Wesen  höherer  Natur  sind.  Die  Zusammenstellung  mit 
den  Jätu's  und  Pairika's  lässt  die  Karapano  gleichfalls  als  eine  Art 
Dämonen  erscheinen.  Wenn  sie  auch  späterhin  so  gedacht  wurden, 
so  liegt  diese  Vorstellung  den  Gdthd's  ganz  fern.  Hier  sind  es 
wirkliche  Menschen,  von  ähnlicher  Stellung  und  Bedeutung  wie  die 
Kavi's,  mit  denen  sie  zusammengenannt  werden.  Wir  haben  dem- 
nach Priester  oder  Sänger  in  ihnen  zu  sehen.  Auf  diesen  Sinn  führt 
auch  die  Etymologie.  Karapan  ist  nämUch  nur  eine  Weiterbildung 
des  sanskritischen  kalpa,  Regel,  Ordnung,  Brauch,  namentlich 
der  Opferritus ;  vgl.  kalpajati,  anordnen,  vertheilen  (s.  das  Peters- 
burger Sanskritwörterbuch,  II,  167).  Zur  Bildung  vgl.  avanhan  von 
avanh,  apan  von  apa,  maretan  von  mareta  etc.,  sämmtliche  in  der 
Bedeutung  eines  Nomen  actoris.  Daher  ist  karapan  der  Ordner 
der  heiligen  Gebräuche,  der  Opfer  etc.,  somit  ein  Priestername.  — 
Khshathremcd  tshanam  drugem  ist  ein  Sätzchen  für  sich,  in  dem  das 
Verb,  substant.  ergänzt  werden  muss.  Bedenkt  man  uhd-khshathrem 
29,  9,  so  ist  man  geneigt,  tshanam  auch  hier  mit  khshathrem  zu  ver- 
binden; aber  diese  Verbindung  gäbe  keinen  guten  Sinn,  es  gehört 
zu  drallem.  Ueber  ish  s.  zu  30,  1. 
Abhandl.  der  DMG.     1,3.  12 


178      Hang,  die  Gäthd's  des  Zarathustra.   I.     Cap.  32..   13.   14. 

V.  13.  Ueber  hishagat  (Nerios.  ihanti)  s.  zu  50,  2.  Unter 
k/ishnthrd  (Nerios.  rdgjam)  sind  wohl  grössere  Bezirke  zu  verstehen, 
die  der  mächtige  Feind  des  Zarathustrischen  Glaubens,  Grehma,  dem 
Dekehrungseifer  Zarathustra's  entrissen  und  wieder  dem  alten  Göt- 
terdienste zugeführt  hatte.  —  Für  gi  gerezat ,  wie  Westerg.  nach 
K.  4,  9.  schreibt,  ist  mit  K.  5,  6.  gtgerezat  in  ein  Wort  zu  schrei- 
ben und  das  Ganze  als  reduplizirter  Aorist  von  gerez,  schreien, 
klagen  (s.  zu  29,  1),  schelten  zu  nehmen;  Nerios.  fasst  es  als 
Substantiv  hramda,  Geschrei.  G'i  für  sich  allein  gäbe  hier  schlech- 
terdings keinen  Sinn.  Einige  Mss.,  wie  K.  11,  Bf.  und  Bb.,  lesen 
ZI,  was  nur  aus  Nichtverständniss  des  wohl  schon  in  sehr  alten 
Handschriften  von  gerezat  losgetrennten  gi  entstanden  seyn  kann, 
indem  dieses  unverstandene  Wort  durch  ein  den  Lauten  nahe  kom- 
mendes, wirklich  gebräuchliches  mit  bekannter  Bedeutung  ersetzt 
wurde.  —  Jaecd  ist  mit  käme  zu  verbinden  und  kann  demnach  nur 
ein  Locativ  seyn;  man  sollte  desswegen  eigentlich  jahmi  erwarten, 
da  jae=joi  sonst  der  Nom.  phir.  masc.  ist.  Diese  Locativform  ist 
eben  eine  Verkürzung  und  verhält  sich  zu  Jahmi  wie  thwöi  zu 
thwahmi.  —  Für  daregät  der  allermeisten  Mss.  wird  mit  der  Bb. 
ed.  vielleicht  besser  daresät  geschrieben,  da  das  Wort  nicht  auf  die 
Wurzel  dareg,  dereg  =  dfg,  sehen,  sondern  auf  dares,  daresh  = 
dhrsh,  wagen,  einen  Angriff  machen,  zurückzuführen  ist.  Man 
vgl.  das  häufige  dam-dr«,  heftig  laufend,  stürmend,  vom  Winde. 
Auch  dareslidf  wäre  richtig,  man  vgl.  dareshim  42,  3  von  derselben 
Wurzel.  —  Der  Accus,  plur.  is,  i.  e.  eos,  ea,  kann  sich  auf  die 
khshathrd,  die  vom  Feind  genommenen  oder  bedrohten  Bezirke,  aber 
auch  auf  die  Feinde  überhaupt,  die  zwar  im  Verse,  wenigstens 
nicht  in  der  Mehrzahl,  ausdrücklich  genannt,  aber  leicht  zu  verstehen 
sind,  beziehen.  Letztere  Fassung  scheint  mir  die  natürhchste:  „der 
(der  Sprecher  Zarathustra)  sie  (den  Grehma  und  seine  Schaaren) 
von  einem  Angriff  auf  das  Wahre  zurückhalte". 

V.  14.  Ahjd  —  dadat  Nerios. :  asdit  jo  lamcdvdn  mahatvam  ni- 
idntamkadartliakdndmca  budhjdni  daddti  [badhjdca  (?  buddhjdca)  teshdm 
hhavati  vistidi(h)  svdmino  adargakdh  d(a)  grotdragca  saiiti],  der,  wel- 
cher mit  dem  Zeichen  versehen,  die  Grösse  niederbeugt  und  die 
Gedanken  der  Quäler  (Bösen)  verleiht  [ihre  Schmähung  des  Herrn 
ist  zu  vernichten  (in  ihrem  Sinne  ist  die  Schmähung  des  Herrn), 
sie  sehen  nicht  und  hören  nicht].  Ä  hoühwöi.  Die  Lesarten  schwan- 
ken sehr.  Westerg.  hat  nach  K.  5,  6.  d  hoi  thwo,  K.  11.  bietet 
iikoi  thwöi,  P.  6.  a  hoi  thoi,  K.  4.  d  huithoi,  K.  9.  dhoithoi,  Bf.  dhoi 
thwöiy  Bb.  d  hoi  thwöi.  Die  meiste  handschriftliche  Autorität  haben 
demnach  die  Lesarten,  welche  d  trennen  und  als  Präposition  betrach- 
ten ;  ebenso  trennt  die  Mehrzahl  das  höi  von  thwöi,  und  die  meisten 
zeigen  thw  für  blosses  th  vor  der  Endung.  Wollten  wir  sonach  rein 
diplomatisch  verfahren,  so  müssten  wir  d  höi  thwöi  schreiben.  Aber 
da    in   ihm    oder   bei    ihm    in    dir,    wie  diese  Wörtchen  lauteten. 


Hang;,  die   Gatlms  des  Zarathustra.   1.    Cap.  32,   14.  17U 

völlig  sinnlos  wäre ,  so  ist  diese  Dreitheilung  zu  verwerfen.  Die 
Westergaard'sche  Lesung  d  hat  ihwo  ist  ebenso  wenig  zu  halten. 
Die  Bedeutung  von  o  und  hui  wäre  klar;  die  von  ihwo  wäre  noch 
zu  untersuchen.  Dieses  könnte  auf  zwiefache  Weise  erklärt  werden, 
erstens  als  Attraction  aus  thwä  a,  zweitens  aus  tavo  =  skr.  tavas, 
Kraft.  Aber  in  keiner  dieser  beiden  Fassungen  lässt  sich  diese 
Lesung  billigen,  da  weder  „Grehma  legte  dich  in  ihm  nieder",  noch 
,^GrfJima  legte  in  ihm  nieder  die  Kraft"  einen  genügenden  Sinn 
giebt.  Gegen  die  letztere  Fassung  sprechen  indess  auch  noch  sprach- 
liche Gründe.  Das  wedische  tavas  lautet  nämlich  im  Ja9na  tavis, 
woraus  nie  thwo  hätte  werden  können ;  überdiess  könnte  sogar  tavij 
nicht  gut  zu  thwo  werden,  da  gerade  in  solchen  Contractiousfällen 
das  V  und  r  ihre  Aspirationskraft  auf  das  vorhergehende  t  nicht  äus- 
sern, man  vgl.  ivem,  du,  aus  tit-em,  Zarathustra  aus  Zarathustara, 
Frashuostra  für  Frashaostara ,  Khraf^trä  für  Khraf^tard  u.  s.  w.  So 
bleiben  uns  nur  die  Le>ungeu  höithoi  und  hoithwoi  übrig.  Da  beide 
auf  die  Wurzel  hi  zurückweisen,  indem  das  eine  mit  dem  Abstract- 
suffix  thi=ti,  das  andere  mit  dem  Suffix  thwa  ==  iva  gebildet  ist, 
so  kann  hier  nur  die  Mehrzahl  der  Mss.  entscheiden;  diese  ist  für 
die  Lesung  hoithwoi.  Sonach  wäre  d  hoithwoi  das  Richtige.  Ueber 
die  Bedeutung  der  Wurzel  hi  s.  zu  48,  7.  Die  traditionelle  Grösse 
lässt  sich  mit  nichts  beweisen.  —  Kdvaja^cit.  Diese  Form  ist  nach 
der  baktrischen  Grammatik  der  Nomin.  plur.  Da  dieser  mit  dem 
Verbum  des  Satzes,  das  im  Singular  steht,  nicht  stimmt,  und  zu- 
dem noch  der  Nom.  sing,  hhratus  im  Satze  sich  findet,  so  ist  man 
leicht  versucht,  Ldvaja^-  als  Gen.  sing,  zu  fassen  und  „der  Verstand 
des  Kavi"  zu  übersetzen.  Aber  die  Stelle  46,  11:  khshathrdis  jugen 
karapano  kdvajai^ca,  wo  dieselbe  Form  als  Plural  construirt  ist,  spricht 
dagegen;  überdiess  lautet  der  Genitiv  sonst  kavois.  Es  ist  indess 
noch  ein  anderer  Ausweg  offen.  Man  könnte  nämlich  kdvajat;  auch 
als  Adjectiv  von  kavi  nehmen  und  auf  den  Nom.  khratus  beziehen. 
Dass  das  Adject.  wirklich  so  lautete,  beweist  kdvajehe  (Genit.)  Jt. 
19,  97.  Nj.  5,  5,  ein  Beiwort  von  qarenanh,  Glanz,  ebenso  wie 
kavaem  (Acc.  neutr.)  Jt.  8,  2.  10,  66.  127.  12,  4.  19,  8.  9.  14. 
21  u.  s.  w.  Hienach  dürfen  wir  auf  ein  Adjectivthema  kdvaja  oder 
kavaja  (nicht  kavja,  sonst  würde  die  Neutralform  nicht  kavaem,  son- 
dern kavim  lauten)  zurückschliessen.  Von  diesen  zwei  Möglichkei- 
ten, kdvajaq  als  Nom.  plur.  substant.  von  kavi  oder  als  Nom.  sing, 
des  Adjectivs  kdvaja  zu  fassen,  ziehe  ich  wegen  46,  11  doch  die 
erstere,  wenn  sie  auch  schwieriger  ist,  vor.  Kdvaja^cit  steht  dann 
dem  Grehmo  parallel;  beide  Sätzchen  sind  im  Ausruf  zu  denken. 
Durch  diesen  Parallelismus  mit  Grehmo  erhält  das  Wort  kavi,  das 
sonst  nur  eine  ehrende  Benennung  der  grossen  Könige  der  Vorzeit, 
des  Hu^ravä,  Vistä^pa,  Kavätä  etc.  ist,  einen  schlimmen  Sinn.  Auf 
den  ersten  Anblick  könnte  man  versucht  seyn,  diesen  Widerspruch 
durch    andere  Interpretation    unsers  Verses   zu  beseitigen;    allein  in 

12* 


180         Hang,  die   GiUhas  des   Zarathiistra.    I.     Cap.  32,   14. 

der  Parallelstelle  46,  11  ist  der  Plural  kavajat;  mit  karapoMu^  dessen 
Bedeutung  mit  Sicherheit  eine  schlimme  ist,  verbunden ;  beiden  wird 
dort  die  Vernichtung  des  Lebens  durch  schlechte  Thaten  zuge- 
schrieben. Ebenso  wird  gleich  v.  14  unsers  Capitels  das  Abstract. 
von  hnvi,  Icevitd,  unmittelbar 'mit  Icarapotd.,  dem  Abstract.  von  dem 
eben  berührten  karapd,  verbunden  und  von  der  Vernichtung  dieser 
beiderseitigen  schlimmen  Künste  gesprochen.  Hienach  ist  gar  kein 
Zweifel,  dass  das  Wort  wirklich  in  schlimmer  Bedeutung  gebraucht 
worden  ist.  Nun  fragt  es  sich,  in  welchen  Stücken  sich  die  gute 
und  die  böse  findet  und  warum  dieser  ehrwürdige  Name  der  alten 
arischen  Seher  und  Dichter  einen  schUmmen  Nebensinn  erhalten 
konnte.  In  der  schlimmen  Bedeutung  kommt  es  ausser  den  zwei  be- 
sprochenen Stellen  auch  44,  20  u.  51,  12  (vgl.  weiter  den  4.  Abschn. 
d.  Einl.)  vor.  Gute  Bedeutung  hat  das  Wort  kavd  nur  vor  dem  be- 
kannten Königsnamen  Vistä9pa  46,  14,  ebenso  51,  16.  53,  2.  In  der 
gdthd  ahimavaitt  28,  8  fehlt  indess  merkwürdigerweise  das  kavd  vor 
dem  Namen  Vistä9pa.  In  den  Jeshts  finden  wir  kavi  vor  folgenden 
Namen:  U^a  5,  45.  14,  39.  23,  2.  Hu^rava  (Chosru)  9,  18.  15, 
32.  19,  93.  15,  32.  Kavdta  (Kai  Kobäd)  13,  132.  Aipwanhu, 
U^adhan  ,  Pigananh  (Bishen),  Bjdrshan ,  Q'dvarshan  (Sijawush), 
sämmtlich  13,  132.  Pourusti  13,  114.  Garsta  13,  123-  Damit  zu- 
sammengesetzt ist  wohl  der  Name  Kavdra^mu  13,  103.  Hieraus 
folgt,  dass  kavd,  vor  den  Namen  der  bedeutendsten  Könige  und 
Helden  der  iranischen  Vorzeit  stehend ,  nur  eine  gute  Bedeutung 
haben  kann;  aber  die  Verbindung  des  Wortes  mit  den  genannten 
Namen  ist  eine  so  constante  geworden  ,  dass  es  seine  eigentliche 
appellative  Bedeutung  beinahe  ganz  aufgegeben  zu  haben  scheint 
und  als  ein  Bestandtheil  des  Eigennamens  angesehen  wird.  Ohne 
folgenden  Namen  findet  sich  kavi  in  den  Jüngern  Stücken  des  Zend- 
awesta  nur  einmal  Jt.  13,  119,  wo  es  die  allgemeine  Bedeutung 
eines  hohen  Würdeträgers  zu  haben  scheint.  Aus  all  diesem  geht 
hervor,  dass  das  Wort  seine  alt-arische  Bedeutung  Priester,  Dich- 
ter, Seher,  im  Zendawesta  allmählig  verloren  hat.  Wie  kommt 
es  aber,  dass  dieses  Wort  sowohl  im  Singular  als  im  Plural  in  den 
ältesten  Stücken  eine  schlimme  Bedeutung  hat?  Die  Ursache  war 
dieselbe,  aus  welcher  die  alten  Deva's  zu  bösen  Dämonen  wurden, 
nämlich  der  Religionshass  der  alten  Iränier  oder  spezieller  Zarathu- 
stra's  und  der  Feuerpriester  gegen  den  altindischen  Götterglanben. 
Die  Kavajas  des  Veda  sind  die  Priester  der  Götter,  ja  die  Götter, 
namentlich  Agni,  werden  selbst  Kavi  genannt;  sie  dichten  die  hei- 
ligen Lieder,  ertheilen  Rath,  kurz,  sie  sind  die  Höchstgestellten  in 
dem  alt-arischen  Volksleben.  W^andte  sich  der  glühende  Wahrheits- 
eifer der  iranischen  Feuerpriester  und  insbesondere  Zarathustra's 
einmal  gegen  die  alten  Götter,  so  mussten  die  Hauptpfleger  des 
alten  Cultus,  die  Priester  und  Dichter,  mitgetroffen  werden.  Nun 
ist  sehr  denkwürdig,  dass  unter  den  vielen  Namen  für  Priester, 
die  wir  im  indischen  Alterthum  finden,   gerade  kavi,  einer  der  alte- 


Haag,  die  GdtfiiVs  des  Zarathustra.  I.    Cap.  32,  14.         181 

sten,  viel  älter  als  brdhmana,  gewählt  ist.  Dieser  Umstand  ist  für 
die  Untersuchung  des  Zeitalters  Zarathustra's  von  der  grössten 
Bedeutsamkeit,  da  wir  in  eine  Zeit  versetzt  werden,  in  der  die  ari- 
schen Inder  noch  unter  Leitung  der  Kavi's  standen,  eine  Zeit,  die 
lange  vor  die  brahmanische  fällt.  —  Varecd  —  fradivd  Nerios. :  dcd- 
ratdm  avjdpdragndnindm  prabhutabhjdja  (?)  je  te  avjdpdratajd  sam- 
cajam  dvdrddadhate  (?).  Der  allgemeine  Sinn  dieser  etwas  verdor- 
benen Worte  scheint  der  zu  seyn:  Die,  welche  die  geistige 
Trägheit  (in  religiösen  Dngen)  vermehren.  Wie  varecd  mit  dcd- 
ratdm,  die  Befolgung,  Beobachtung,  wiedergegeben  werden 
konnte,  lässt  sich  schwer  einsehen-,  vielleicht  verwechselte  es  der 
Uebersetzer  mit  verez ,  machen.  Das  Substantiv  findet  sich  nur 
hier,  dagegen  haben  wir  Vend.  20,  1  (vgl.  Jt.  19,  72)  das  Adject. 
varecanuhatäm  (Gen.  plur.)  neben  thamananuhatdm,  jaohstioatäm,  jd- 
tumatäm,  lauter  Wörter,  die  sich  auf  Heilkräfte  beziehen.  Welche 
besondere  Kraft  der  varecaniihat  besass,  lässt  sich  weiter  nicht  be- 
stimmen. Im  Weda  steht  varcas  am  nächsten,  dem  gewöhnlich  die 
Bedeutung  Glanz  beigelegt  wird.  Diese  hat  es  an  manchen  Stel- 
len unzweifelhaft,  wie  Rv.  III,  22,  2.  95,  1.  Dagegen  ist  sie  min- 
der passend  in  I,  23,  24,  wo  varcasd  dem  pntgajdy  mit  Nach- 
kommenschaft, und  djushd,  mit  dem  Leben,  parallel  steht  und 
besser  durch  mit  Kraft,  Vermögen,  übersetzt  wird.  Ebenso 
lässt  sich  die  Redensart:  varcah  dhdh  jagna-vdhase  Rv.  III,  8,  3. 
24,  1  nicht  wohl  durch  „du  schufest  den  Glanz  zum  Opferführen", 
sondern  eher  durch  „du  schufest  die  Kraft  zum  Opferführen"  wie- 
dergeben. Varciuy  das  mit  (^ambara,  dem  Wolkendämon,  parallel 
steht,  Rv,  II,  14,  6.  VII,  99,  5  hängt  vielleicht  damit  zusammen 
und  heisst  wohl  der  mit  geheimen  Kräften  Begabte.  Varecd 
an  unserer  Stelle  nun  hat  ebenfalls  gewiss  weniger  die  Bedeutung 
Glanz,  als  die  von  Kraft,  und  zwar  in  bösem  Sinne,  da  es  auf 
die  Kavi's  sich  bezieht.  Der  Form  nach  ist  es  ein  Nom.  acc.  pl. 
einer  Neutralform,  also  entweder  eine  Verkürzung  für  varecdu  aus 
varecanh  oder  von  einem  Thema  varecem  gebildet.  Da  das  Adject. 
varecaniihat  aber  nur  auf  ein  Substantiv  varecanh  führt,  so  werden 
wir  am  besten  dieses  auch  hier  zu  Grande  legen.  Vielleicht  ist  die 
Lesung  von  K.  6 ,  Bb.  und  Bf  varecdo  die  richtigere.  Syntaktisch 
ist  es  Accusativ  zu  dadat.  —  Fradivd.  K.  6.  fraidivd,  K.  4.  frdi- 
divd,  Bf.  fridvd,  Bb.  fradvd.  Die  einzig  richtige  Lesart  ist  die  von 
W.  aufgenommene  fradivd;  die  übrigen  sind  aus  Missverständniss 
des  seltenen,  sonst  nicht  weiter  im  Zendawesta  vorkommenden  Wor- 
tes hervorgegangen.  Man  denkt  zunächst  an  eine  Ableitung  von 
div  ==  diw,  betrügen  (vqL  divanmem),  aber  die  Präposition  fra  und 
der  Zusammenhang  lässt  eine  Bedeutung,  wie  Betrug,  nicht  wohl 
zu.  Ich  sehe  darin  ein  dem  wedischcn  pradivm  und  pradivi  ganz 
analoges  Adverbium,  mit  dem  einzigen  Unterschied,  dass,  während 
hier  der  Genitiv  und  Locativ  die  adverbiale  Bedeutung  tragen,  dort 
der  Instrumental  dazu  verwandt  ist.     Beide  bedeuten  eigentlich  von 


182      Hang,  die   Gdthas  des  Zarathiistra.   I.    Cap.  32,   14.   15. 

vor  dem  Tage  her  oder  in  der  Zeit  vor  dem  Tage,  Tags 
vorher,  was  zunächst  auf  den  Begriff  gestern  führt,  vgl.  das 
wohl  damit  verwandte  lateinische  pridie.  Diese  Bedeutung  konnte 
dann  leicht  auf  die  Vergangenheit  überhaupt,  die  nähere  oder 
fernere,  angewandt  werden,  sodass  es  den  Sinn  längst,  seit  lan- 
ger Zeit,  von  Alters  her,  von  der  Urzeit  her,  annahm;  mau 
vgl.  pridem,  längst,  eigentlich  Tags  vorher,  wie  pridie,  und  das 
hebr.  dil5"bu3  bbnt?,  gestern,  am  dritten  Tage  =  früher,  vor- 
hin. Im  Weda  ist  mir  nur  die  von  längst  u,  s.  w.  belegbar, 
die  als  die  herrschende  anzusehen  ist.  Rv.  II,  3,  1  heisst  Agni 
jidvakah  pradivahy  ein  Reiniger  von  Alters  her,  III,  36,  2  ge- 
hören die  Somatränke  dem  Indra  pradivah,  seit  der  Urzeit;  III, 
46,  4  strömen  die  Somatropfen,  die  pradivi,  längst,  ausgepresst 
sind,  zu  Indra,  wie  zu  einem  Meer;  vgl.  noch  II,  36,  5.  VII,  90,  4. 
I,  53,  2.  In  diesem  Sinne  ist  auch  fradivd  zu  fassen,  die  Kräfte 
von  Alters  her,  d.  i.  die  uralten  Kräfte.  Das  Verbum  ?ii  dadaf 
heisst  zunächst  niederlegen,  was  dann  weiter  in  den  Begriff  ver- 
bergen oder  wegschaffen  übergehen  kann,  vgl.  ?ädhd  im  Sanskr. 
niederlegen,  begraben,  wegwerfen.  „Die  von  Alters  her 
wirksamen  Kräfte  wegschaffen"  heisst  so  viel  als  „ihre  Wirksamkeit 
zu  nichte  machen".  —  Für  hjdt  lesen  Bf.  und  Bb.  hjat ,  welche 
Lesung  das  hfatcd  der  dritten  Verszeile  zu  bestätigen  scheint.  — 
Für  gidjdi,  das  Westerg.  aus  y^idja  von  K.  5.  herauscorrigirt,  ist 
mit  der  Mehrzahl  von  Mss.  gaidjdi  zu  lesen,  was  Infinit,  von  y^an, 
schlagen,  ist.     Auch  Nerios.  leitet  es  so  ab. 

V.  15.  Audis  —  kevitdogcd  Nerios. :  andgamanatcdt  anirikshanwd 
hhavati  je  adar^akd^ca  a^rotdra^ca  santi.  Die  Uebersetzung  des  andis 
durch  andgamanatvdt  beruht,  wie  man  leicht  sieht,  auf  einer  falschen 
Etymologie,  indem  der  Uebersetzer  das  Wort  von  i,  gehen,  +  a 
privat,  ableitete.  Es  kann  nur  der  Instrum.  plur.  des  Demonstrativ- 
stammes a/ia,  dieser,  seyn;  die  Worte  durch  diese  will  ich  ver- 
nichten scheinen  sich  auf  die  vorhergehenden  Verse  zu  beziehen. 
Da  aber  diese  keine  Sprüche  und  Gebete ,  mit  deren  Hilfe  allein 
die  Feinde  vernichtet  werden  können,  enthalten,  sondern  einfach 
Zustände  und  Thaten  beschreiben,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dass 
unser  Vers  ursprünglich  gar  nicht  hieher  gehörte,  sondern  wohl  nur 
wegen  des  V^orkommens  von  kevitdo,  worin  man  eine  Verwandtschaft 
mit  kdvaja^cit  in  v.  14  sah,  hergezogen  worden  ist.  Die  Worte 
standen  wahrscheinlich  ursprünglich  hinter  Gebeten  gegen  die  Daeva's, 
und  auf  solche  bezieht  sich  das  andis,  durch  diese,  d.  i.  mit 
Hilfe  dieser.  —  Die  zwei  übrigen  Glieder  unsers  Verses  scheinen 
in  keinem  rechten  Zusammenhang  mit  dem  ersten  zu  stehen;  avdis 
kann  daher  auch  nicht  mit  andis  verbunden  werden,  wogegen  schon 
aipij  auch,  wodurch  avdis  als  etwas  Neues  eingereiht  wird,  spricht. 
Dieses  avdis  ist  indess  nicht  Instrum.  des  Pron.  ava,  jener,  sondern 
von  avanh,  Hilfe,  abzuleiten;  wegen  der  Verkürzung  vgl.  ^avdis  51, 


Hang,   die   Gdthas  des  Zarathustra.  I.     Cap.  32,   15.   IG.      183 

15  von  ^avanh,  manoi  für  mananhe  u.  s.  w.  —  Das  Subject  zu  dainti 
können  die  kdvajac  nicht  seyn ,  da  diese  verrufenen  Priester  der 
Daeva's  unmöglich  Einen  „iu  die  Wohnung  des  guten  Geistes,  d.  i. 
den  Himmel  bringen"  konnten,  wie  dies  von  jenem  Subject  ausge- 
sagt wird.  Als  solches  haben  wir  die  Mazda's  oder  auch  die  ^ao- 
skjantö's  zu  betrachten,  die  im  frühern  Zusammenhange  gewiss  un- 
sern  Worten  vorhergingen.  —  Äbjd  (Dat.  plur.),  hier  beim  Passiv 
bairjdoTite  stehend,  kann  nur  den  Sinn  von  ihnen  haben.  Genauer 
würde  der  Instrumental  dis  seyn;  der  Dativ  und  Instrumental  des 
Plural  können  indess  wegen  der  nahverwandten  Endungen  bnt  und 
bis  leicht  verwechselt  werden.  Fasst  man  dbjd  als  Dativ  ihnen, 
für  sie,  so  entsteht  ein  ganz  unbeholfener  Sinn.  Von  ihnen  weist 
auf  das  Subject  von  dainti  zurück. 

V.  16.  Hamem  —  dahmahjd  Nerios. :  sürvam  tad  utkrshtataram 
jat  prthula(m)cit  anjend  (?)  ^ikshdraiiam  iiktabhdndm ,  all  das  ist  das 
Beste,  was  nur  gross  ist  durch  einen  Andern  ^),  was  zum  Unter- 
richt der  durch  Worte  Glänzenden  gehört.  Valiistdcit  ist  als  Dativ 
zu  fassen  für  vahistdicit.  Ueber  ush-uruje  s.  zu  34,  7.  —  Für  dah- 
mahjdy  wie  Westerg.  schreibt,  wird  mit  K.  4,  9,  11  richtiger  dah- 
majdi,  als  Dativ  eines  Thema's  dahmd,  gelesen ;  denn  iish-uruje,  das 
deutliche  Adjectiv  dazu,  ist  der  Dativ  sing,  eines  Femin.  ush-urvi. 
Das  gänzliche  Missverständniss  des  letztern  hat  die  falsche  Lesart 
dahmahjd  erzeugt,  die  um  so  leichter  entstehen  konnte,  als  in  den 
spätem  Büchern  das  Masc.  dahma  häufiger  ist,  als  das  Fem.  dahmd. 
Für  die  Bestimmung  der  Bedeutung  des  Worts  ist  Vend.  12,  1  am 
wichtigsten.  Äat  jat  pitd  para-irithjeiti  mdta  vd  para-irithjetti  cvat 
aeshäm  upa-mänajen  puthro  haca  pitarem  dughdha  haca  mdtarem  cvat 
dahmaniim  cvat  tanu  - perethanäm  (vgl.  3,  7  u.  s.  w.).  Wann  der 
Vater  vorher  (zuerst)  stirbt  oder  die  Mutter  vorher  stirbt,  wie  viel 
soll  von  ihnen  (den  Gebeten)  der  Sohn  für  den  Vater,  die  Tochter 
für  die  Mutter  hersagen?  Wie  viel  Dahma's,  wie  viel  Tanu-pere- 
tha's?  Dass  hier  unter  dahmd  Gebete  für  die  Todten  verstan- 
den werden  müssen,  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  und  wenig- 
stens die  Bedeutung  von  Gebet  überhaupt  folgt  auch  unzweifelhaft 
aus  andern  Stellen.  Vend.  7,  71  avat  he  a^ti  mago  arethem — 2^^^^ 
kahmdicit  dahmanäm  dahmdhu  vaethdhu  dahmaca  ashavana^ca,  das  ist 
ein  grösserer  Gewinn  als  irgend  eines  der  Dahma's  unter  den  Dah- 
ma's, die  man  weiss,  und  das  dahma  ashavana^ca.  Letztere  Worte 
gehören  zur  vollständigen  Angabe  des  Dahmagebets,  vgl.  J.  6,  14: 
dahmäm  vanuhtm  dfritlm  dahmemca  narem  ashavanem  jazamaide ,  die 
Dahma,    das  gute  Gebet,    und    den  Dahma,    den  reinen  Menschen, 


')  r/iest  man  prlhulncilnujena  als  ein  Wort,  so  würde  es  „durcli  gros- 
ses geistiges  Wesen"  heisseii;  man  müsste  aber  nianja  in  cetanja  ändern 
{celana.  Seele,,  Geist). 


184     Hau};,  die  Gdtkd's  des  Zarathustra.  L   Cap.  32,  16.   Cap.  33- 

verehren  wir.  Dass  dahmd  sonach  das  Gebet  selbst,  und  dahma 
die  Person  ist,  auf  die  es  sich  bezieht  oder  von  der  es  handelt, 
unterliegt  keinem  Zweifel.  Der  dahma  wird  Jt.  10,  137.  138  mit 
tanu-mdthro,  der  sich  selbst  zum  Wort  hat,  oder  der  sein 
eigenes  Wort  hat,  zusammengestellt.  Den  alleinigen  Aufschluss 
über  die  Bedeutung  beider  Wörter  giebt  der  Weda.  Hier  entspricht 
dasma,  ein  häufiger  Name  von  Indra  (l,  62,  5.  4,  6)  und  Agni 
(II,  1,  4.  9,  5.  3,  1,  7)  und  wird  gewöhnlich  durch  Zerstörer, 
Vernichter,  seil,  der  Feinde  erklärt.  Aber  dieser  Deutung  steht 
namentlich  VII,  18,  11  entgegen:  dasmo  na  sadman  nigigdti  barhifi 
^ürah  sargam  akrinod  indra  eshdm ,  wie  der  Dasma  die  h.  Streu  auf 
den  Sitz  hinwirft,  wonach  das  Wort  eine  bei  dem  Gottesdienste, 
namentlich  dem  Werfen  der  h.  Streu,  beschäftigte  Person  bezeich- 
net und  mit  Opferer  oder  Darbringer  zu  übersetzen  ist;  vgl. 
I,  74,  4:  dasmat  kfnoshi  adhvaram,  du  bringst  das  Opfer  dar.  Die 
Wurzel  scheint  da*,  zerstören,  zu  seyn;  aber  die  Bedeutung  „Zer- 
störer" verträgt  sich  kaum  mit  der  von  „Darbringer" ;  daher  möchte 
ich  hier  dds,  spenden,  geben,  in  der  verkürzten  Form  das  zu 
Grunde  legen.v  An  unserer  Stelle  nun  hat  das  Fem.  dahmd,  das 
erst  eine  Neubildung  von  dahma  ist,  nicht  gerade  die  spezielle  Be- 
deutung eines  bestimmten  Gebetes,  sondern  die  allgemeinere  von 
Darbringung,  Opfer.  —  (^ja^ctt  für  ^aja^cit  regiert  den  Dativ 
im  Sinne  von  liegend  für,  d.  i.  obliegend;  vgl.  ^aja,  liegend, 
Rv.  VII,  55,  8.  U eher  jehjd  —  dvaethd  s.  zu  48,  9;  über  eednu 
s.  zu  28,  12.  —  Anhajd  giebt  Nerios.  durch  anurupam,  angemes- 
sen, ähnlich;  er  fasste  es  wahrscheinlich  als  einen  Instrumental  in 
adverbialem  Sinne.  Den  einzig  richtigen  Sinn  giebt  es  aber,  wenn 
man  es  als  erste  Person  Conjunct.  des  Causat.  von  aÄ,  anh,  seyn, 
also  machen   dass  etwas  ist,  fasst. 


Capitel    3  3. 

Dieses  Stück  lässt  sich  in  folgende  5  Theile  zerlegen:  1)  1 — 
5;  2)  6—10;  3)  11;  4)  12.  13;  5)  14.  Unter  sich  hängen  die- 
selben nicht  recht  zusammen.  Der  kräftige  polemische  Geist,  der 
in  den  unmittelbar  vorhergehenden  Stücken  (30.  31.  32)  zu  erken- 
nen ist,  der  echt  Zarathustrische ,  weht  uns  nur  aus  dem  ersten 
Theile  des  Capitels  entgegen;  daher  ich  auch  nur  diesen  dem  Za- 
rathustra selbst  zuweisen  kann. 

1)  1  —  5-  Bruchstücke  eines  vor  dem  Feueraltar  vor  einem 
kleinen  Kreise,  wohl  dem  seiner  nächsten  Freunde,  von  Zarathustra 
vorgetragenen  Liedes.  Unter  den  nächsten  Anverwandten  seiner 
Treuen,  wohl  auch  unter  seinen  eigenen,  waren  noch  manche  An- 
hänger der  Vielgötterei.  Diese  sucht  er  durch  eigenes  Gebet  wie 
durch  Hinweisung  auf  die  Belohnung  im  Himmel  zu  bekehren.  Da 
dieses  Lied  unter  den  polemischen  Stücken   eines  der   milderen  ist, 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   I.    Cap.  33.  185 

so  möchte   ich    glauben,    dass  es   in   die    früheste  Zeit   seines  Auf- 
tretens gehört. 

Der  Anfang  des  Liedes  steht  ganz  abgerissen  da.  Zarathustra 
will  über  den  Unterschied  zwischen  dem  wahren  Gläubigen,  der  die 
Gesetze  des  ersten,  d.  i.  irdischen  Lebens  beobachtet,  d.  h.  der 
alle  von  Ähura-mazda  zur  Förderung  des  leiblichen  Wohls  und  zum 
Gedeihen  des  Guten  angeordneten  Gebräuche  und  Handlungen  (Feuer- 
dienst, Ackerbau)  vollzieht,  und  zwischen  dem  Lügner  oder  Götzen- 
diener, dessen  Wesen  nur  Trug  ist  und  der  auf  Vernichtung  des 
Ackerbaues  hinarbeitet,  reden  und  das  Verhältniss  des  Frommen  zu 
dem  Lügner  seinen  Treuen  näher  darlegen  (1).  Nach  diesen  ein- 
leitenden Worten  stellt  er  den  ununterbrochenen  Kampf  gegen  die 
Lüge  und  den  Götzendienst,  der  auf  alle  Weise  durch  Gesinnung, 
Wort  und  That  vernichtet  werden  soll,  dessen  volle  Nichtigkeit 
durch  die  Eingebungen  des  frommen,  gläubigen  Sinnes  zu  erkennen 
ist,  als  ein  dem  Ahiira-mazda  wohlgefälliges  Werk  dar,  weil  nur 
dadurch  eine  starke  Schutzmauer  gegen  die  Macht  des  Bösen  auf- 
gebaut werden  könne  (2).  Hier  in  diesem  grossen  Kampfe  gelten 
keine  Familienbande;  nur  der  von  den  nächsten  Anverwandten,  sei 
es  Vater,  Mutter,  Sohn  oder  Tochter,  oder  von  den  Hausgenossen, 
oder  von  den  Dienern,  welcher  dem  wirklich  Gläubigen,  d.  i.  dem 
Propheten  und  seinen  treuen  Anhängern  zugefhan  ist  und  in  rich- 
tiger Erkenntniss  dessen,  was  zur  Förderung  des  Lebens  dient,  dem 
Ackerbau  obliegt,  wird  in  die  Wohnung  des  guten  Sinnes,  d.  i.  in 
das  Paradies  gelangen,  während  die  übrigen,  sich  nicht  bekehren- 
den Verwandten  von  diesem  hohen  Glück  ausgeschlossen  sind  (3). 
Wenn  auch  der  Gläubige  (vielleicht  hier  Zarathustra  selbst)  von  sei- 
ner noch  dem  Götzendienst  ergebenen  Familie  viel  Ungemach  zu 
erdulden  hat  und  wenig  Glauben  findet,  so  holft  der  Prophet  doch, 
durch  Gebet  und  gute  Thaten  den  Unglauben,  die  böse  Gesinnung 
und  die  Widerspenstigkeit  und  Hartnäckigkeit  gegen  den  lebendigen 
Gott  und  gegen  den  von  diesem  zur  Förderung  des  Guten  einge- 
führten und  empfohlenen  Ackerbau  abzuhalten  und  zu  besiegen  (4). 
Der  allerstärkste  Helfer  Ähura-mazda's  in  seinem  Kampfe  gegen  das 
Böse,  gegen  den  Räuber  des  guten  langen  Lebens  im  Reiche  des 
guten  Sinnes,  d.  i.  den  Räuber  der  Seligkeit,  der  die  zum  Himmel 
des  lebendigen  Gottes  führenden  Pfade ,  auf  denen  dieser  selbst 
geht,  umlagert,  ist  der  Genius  (^ranslia,  der  personifizirte  Gottes- 
dienst, ganz  der  Bfhaspati  des  Weda,  d.  h.  mit  andern  Worten, 
der  Glaube  und  die  Frömmigkeit  der  Menschen  (5). 

2)  6 — 10.  Der  Dichter  strebt  in  Folge  einer  Oflfenbarung  nach 
dem  Besitze  der  Wahrheit  und  der  andern  hohen  Güter,  namentlich 
der  Unsterblichkeit  und  des  irdischen  Wohlstandes,  und  bittet  Ähura- 
mazda  um  ihre  Verleihung. 

Wer  mit  aufrichtigem  Sinne  den  Besitz  der  Wahrheit  wünscht 
und  darum  betet,  wird  des  guten  Sinnes  theilhaftig;  dieser  soll  ihn 


18C)  Haag,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  33. 

aber  zum  fleissigen  Laiidbau  als  der  besten  Handlung  antreiben. 
Diese  AnlTordernng  muss  um  so  mehr  in  Ehren  gehalten  werden, 
als  sie  eine  Folge  der  Unterredungen  des  Dichters  mit  Ahura- 
mazda  selbst  ist  (6).  Da  aber  die  Wahrheiten  die  Grundlage  von 
allen  diesen  guten  Dingen  sind ,  so  will  der  Dichter  diese  selbst 
schauen  (vgl.  28,  6)  und  ruft  sie  zu  diesem  Zweck  herbei,  was  nur 
durch  den  guten  Sinn  möghch  ist,  durch  welchen  er  bei  dem  Ma- 
gava,  vor  dem  er  stehe,  bekannt  sey.  Dass  diesem  und  ihm  die 
mannigfachen  Wahrheiten  und  Weisen  der  Verehrung  bei  den  Flam- 
men geofFenbart  würden,  ist  sein  Wunsch  (7).  Wie  der  Dichter 
so  eben  die  Wahrheiten  herbeigerufen  hat,  so  ruft  er  nun  andere 
hohe  Güter,  die  jener  Magava  vermöge  des  guten  Sinnes  besitzt, 
herbei;  diese  Güter  sind  die  Unsterblichkeit  (Ameretdt)  und  der 
irdische  Wohlstand  (Haitrvafdt)  ,  von  ununterbrochener  Dauer, 
die  indess  nur  von  den  höchsten  Genien  verheben  werden  (8). 
Diese  beiden  wichtigen  Kräfte,  die  den  Geist  des  höchsten  Gottes 
selbst  immer  weiter  im  Wahren  fördern,  die  das  ganze  Jahr  hin- 
durch thätig  sind,  da  nur  durch  ihr  Wirken  die  ganze  Lebensthätig- 
keit  der  Natur,  namentlich  der  Pflanzenwelt  (^Ameretdt  ist  später  Genie 
der  Vegetation)  erhalten,  die  ihr  eigenes,  nicht  erborgtes  Feuer  haben, 
d.  h.  Urkräfte  sind,  die  überall  wirken  und  überall  sich  zeigen  und 
ganz  das  Wesen  des  guten  Sinnes  an  sich  tragen,  —  diese  sind 
in  Ahura-mazda's  Händen,  er  allein  kann  sie  verleihen  (9).  Aber  nicht 
bloss  diese  Kräfte,  sondern  auch  alles  andere  Gute  wird  zu  aller  Zeit, 
in  der  Gegenwart  und  Zukunft,  wie  in  der  Vergangenheit,  von  Almra- 
mazda  aus  Gnaden  verliehen.  Durch  die  Hilfe  des  guten  Sinnes 
möge  er  die  irdischen  Besitzthümer  mehren  und  die  Gesundheit  des 
Körpers,  sowie  das  wirkliche  gute  Leben  stärken  (10). 

Der  Verfasser  des  Liedes  kann  nicht  wohl  Zarathustra  selbst 
seyn;  ich  vermuthe  einen  seiner  Gefährten,  Frashaostra  oder  G'ä- 
mä9pa;  denn  der  Magava,  d.  i.  der  Grosse,  womit  später  bei  den 
Westiraniern  die  Priester  überhaupt  bezeichnet  wurden  (Magier), 
scheint  hier  Zarathustra  selbst  zu  seyn,  dessen  grosse  That  maga, 
d.  i.  die  Grösse,  heisst.  Dass  der  Dichter  diesem  Magava  eine 
höhere  Stellung  als  sich  selbst  zuschreibt,  geht  klar  aus  dem  Zu- 
sammenhange hervor,  da  er  vor  demselben  als  vom  guten  Sinne 
beseelt  gelten  will  und  ihn  im  Besitze  der  höchsten  Kräfte  (8) 
glaubt. 

3)  11  ist  eine  Anrufung  der  höchsten  Genien  des  Ahura-mazda^ 
der  Armaiti,  des  Asha,  Vohu-mam  und  Khshathra,  um  Glück  bei 
jeglichem  Werk.  Der  Vers  ist  schwerlich  von  Zarathustra,  vielleicht 
von  einem  seiner  Gefährten  (vgl.  28,  7 — 9). 

4)  12.  13  enthalten  eine  Anrufung  der  Armaiti  und  der  übri- 
gen Genien.  Die  Armaiti  wird  aufgefordert^  sich  aufzumachen,  um 
zu  ihrem  Verehrer  zu  kommen  und  ihn  zu  beglücken  (vgl.  28,  4); 
Ahura-mazda,  der  heiligste  Geist,  wird  um  Kraft  angefleht  in  Folge 
der  Darbringung  von  Gebeten,    Asha  (das   Wahre)   um  Stärke  und 


Hang,  die  Gdthus  des  Zarathustra.  I.    Cap.  33,  1.  187 

Gedeihen  und  um  das  regelmässige  Wachsthum  der  Feldfrüchte  unter 
Beihilfe  des  Vohu-mano  (13).  Die  Ärmaiti  sorgt  für  ihren  Verehrer, 
dass  er  weithin  schauen  kann  und  verleiht  ihm  die  Wahrheit,  mit 
der  die  höchsten  Genien  erfüllt  sind,  dieselbe  Wahrheit,  die  lebendig 
ist,  die  dem  Besitzthum  wie  dem  guten  Sinn  angehört,  d.  h.  welche 
leibliches  wie  geistiges  Gut  ist.  Daher  wird  diese  mächtige  Genie 
angefleht,  die  Daenä's,  d.  i.  die  Lieder  und  Sprüche  der  Vorzeit, 
kräftig  für  das  leibliche  und  geistige  Wohl  wirken  zu  lassen  (13). 
Der  Dichter  beider  Verse  scheint  derselbe,  wie  v.  11. 

5)  14  beschreibt  auf  eine  eigenthümliche  Weise  die  Wirksam- 
keit Zarathustra's,  und  scheint  von  einem  seiner  Zeitgenossen  oder 
einem  der  nächsten  Nachfolger  zu  stammen.  Sehr  alt  muss  der 
Vers  jedenfalls  seyn,  da  das  später  durchgängige  Prädikat  qpitama, 
hochheilig,  fehlt.  Der  Sinn  desselben  ist:  Unter  allen  Priestern 
des  Feuers  hat  Zarathustra  allein  den  Grund  zur  Erhaltung  der 
Eigenthümlichkeit  aller  Körper  gelegt,  d.  h.  er  hat  dahin  gewirkt, 
dass  die  Körper  in  dem  Zustande,  in  dem  sie  von  Ahnra-mazda 
geschaffen  wurden,  trotz  aller  Vernichtungsversuche  der  bösen  Gei- 
ster, erhalten  würden;  die  Mittel,  deren  er  sich  bediente,  war  die 
grosse  Dreiheit  des  guten  Gedankens,  des  guten  Wortes  und  der 
guten  That,  eine  Zarathustra  ganz  eigenthümliche  Anschauung;  dem 
guten  Gedanken  gehört  die  Weisheit,  der  Handlung  die  Wahrheit 
und  Wirklichkeit  an,  während  das  Wort  als  heiHge  Ueberlieferung 
und  als  Besitzthum  des  Verehrers  wirkt. 

V.  1.  Jatha  —  paourajehjd  Nerios.:  tat  sunirikshja  evam  vidlal- 
tavjam  jat  dattam  bhuvane  pürvam;  kila  sushthutaram  idnkshja  sarvam 
cit  sfshtäa  kärjam,  nachdem  dieses  wohl  betrachtet  ist,  ist  das  Ge- 
setz in  der  Welt  zuerst  festzustellen,  d.  i.  nachdem  das  Rühmlichste 
betrachtet  ist,  ist  alles  in  der  Schöpfung  zu  machen.  Dass  der 
Vers  ganz  abgerissen  ohne  Zusammenhang  mit  dem  Vorhergehen- 
den dasteht,  während  doch  die  ersten  Worte  jathd  dis,  wie  durch 
diese,  einen  zu  fordern  scheinen,  leuchtet  ein.  Indess  ist  es  nicht 
nöthig,  das  dis  auf  das  Wort  eines  vorhergegangenen,  aber  ver- 
lorenen Satzes  zu  beziehen,  sondern  es  lässt  sich  mit^Vt,  durch 
das,  was  gab,  verbinden;  denn  ddtd  ist  nicht,  wie  ich  lange 
glaubte,  Substantiv  (eigentlich  Part.  pass.  von  d«),  sondern  eine 
3.  Person  sing.  Imperf.  med.;  die  folgenden  Worte  raiüs  sLjaothand 
razistd  sind  eine  Apposition  zu  iiis  — ja  ddtd,  indem  sie  das,  was 
gegeben  oder  gesetzt  ist,  als  feststehende  Regel  und  regelmässige 
That  erklären.  Der  ganze  Vers  erhält  nur  dann  einen  rechten 
Sinn,  wenn  man  ihn  als  Aufschrift  fasst,  in  der  kurz  angegeben  ist, 
auf  welche  Menschenclassen  die  folgenden  Sprüche  zu  beziehen  sind. 
Das  Subject  zu  vareshaite  und  datd  ist  Ahura-mazda  oder  vielleicht 
auch  Zarathustra.  In  diesem  Falle  war  die  Aufschrift  später  als 
das  Stück.  Da  aber  Sprache  und  Darstellung  vollkommen  mit  denen 
der   Gdthas   stimmen    und    ein    späteres    Alter    dieses    Verses    durch 


188        Haug,  die  Gdilias  des  Zaratluisira.   I.     Cup.  33,   1.   2. 

nichts  bewiesen  werden  kann,  so  thut  man  am  besten,  wenn  man 
den  Ahura-mazda  als  Subject  nimmt.  —  Jehjd  —  erezvd  Nerios. : 
jacca-samam  avajyrdptajti  asH  mühdtmakasja  jacca  svanirmalatarasja 
[dvajor  api  sdtma  (?)  ^ramjdt],  und  was  ganz  von  dem  Falschge- 
sinnten und  dem  Reingesinnten  erreicht  wird  [die  Seele  beider  soll 
sich  abmühen].  Westerg.  corrigirt  die  Lesarten  der  ihm  vorliegen- 
den Mss.  K.  6.  hm  ja  gaüe,  K.  5.  kern  injd^aite,  K.  4.  hememjd- 
^aite  in  hemjd^aite  (Bf.  und  Bb.  lesen  beinahe  ebenso:  hemjd^aüi); 
er  betrachtet  demnach  hem  als  die  hier  mit  dem  Verbum  jd^  ver- 
bundene Präposition  hf.m  =  skr.  sam.  Obwohl  diese  Lesart  sicli 
mit  Leichtigkeit  aus  den  Mss.  herstellen  lässt,  so  ist  doch  ein  ge- 
wichtiges Bedenken  dagegen  der  Gen.  mithahjd.  Diesen  kann  man 
doch  nicht  von  dem  rein  transitiven,  einen  Accus,  regierenden  Ver- 
bum jV/f ,  wie  das  angeschlossene  Sätzchen  jdcd  hoi  d  erezvd  deut- 
lich zeigt,  abhängig  machen.  Wir  müssen  auch  hier  einen  Accus, 
suchen,  der  das  Verbum  regiert  und  von  dem  der  Gen.  abhängig 
ist.  Als  solchen  bietet  sich  uns  nur  kein  oder  hemem.  Da  hem  als 
Accusativ  nur  für  htm  =  sim,  ihn,  stehen  könnte,  eine  Verbindung 
dieses  Pronomens  mit  dem  Genitiv  mithahjd,  „ihn  der  Lüge",  gar 
zu  seltsam  wäre,  so  ziehe  ich  die  Lesart  hemem  =  samam  vor,  wie 
auch  Nerios.  thut;  denn  hievon  kann  mithahjd  ohne  Schwierigkeit 
abhangen,  „das  Ganze  der  Lüge".  Die  Schwankung  in  der  Lesung 
entstand  vermuthlich  dadurch,  dass  hemem  des  Metrums  wegen  ein- 
sylbig,  also  hem'm  ausgesprochen  wurde.  Hierauf  weist  deutlich  die 
Schreibart  des  ältesten  Cod.  K.  5.  hem  mjdg  hin.  —  A  hoi,  in 
inm,  darin,  weist  auf  hemem,  das  Ganze,  zurück. 

V.  2.  Mit  dieser  Aufforderung,  das  Böse  zu  bekämpfen  durch 
Gesinnung,  Wort  und  That ,  beginnen  die  „Gesetze  des  ersten 
Lebens".  Äkem  ist  mit  vareshaiti  zu  verbinden.  Man  kann  dieses 
Wort  zwiefach  erklären ;  erstens  als  identisch  mit  dem  wedischen 
vhh  (aus  varsh),  ausgiessen;  zweitens  als  eine  erweiterte  Form 
von  varez,  verez,  thun,  für  varekhsh  (das  z  wird  beim  Antritt  eines 
s  zum  Guttural,  vgl.  dideregh  zö.  Als  Verbum  findet  es  sich  bloss 
im  altern  Ja9na;  nur  J.  57,  4  (im  (Jerosh- Jesht)  trefien  wir  das 
Part,  vareshjamna.  Vergleichen  wir  alle  Stellen,  in  denen  es  in  den 
Gdthd's  vorkommt,  sorgfältig,  so  ergiebt  sich  aus  dem  Zusammen- 
hange, dass  die  Bedeutung  entweder  „reden,  verkündigen",  oder 
„thun,  ausführen,  vollbringen"  seyn  rauss;  denn  beide  Bedeutungen 
geben  an  allen  Stellen  einen  Sinn.  Nerios.  giebt  es  durch  vidhd, 
bestimmen,  festsetzen.  Fassen  wir  es  in  der  ersten  Bedeutung, 
so  bleibt  uns,  wollen  wir  eine  auch  nur  halbgenügende  Etymologie 
geben,  kein  anderer  Ausweg  übrig,  als  die  Zurückführung  auf  die 
Wurzel  vrsh  =  varsh,  die  im  Weda  vom  Ergiessen  des  Samens,  dann 
vom  Befruchten  überhaupt  gebraucht  wird;  daher  vrshan,  der  Stier, 
eigentlich  der  Ausgiesser,  varsha.  Regen.  Mit  dem  Begriff  „reden" 
hat  diese  Wurzel  im  Sanskrit   durchaus  nichts  zu  thun;    wollen  wir 


Hang,  die  Gdilias  des  Zaraihustra.   I.    Cap.  33,  2.  189 

diesen  für  das  Baktrische  gewiimen,  so  müssten  wir  als  Mittelbegriff 
ausströmen  annehmen.  In  der  ursprünglichen  Bedeutung  treffen 
wir  es  bloss  in  vareshagiy  regenliebend  oder  regenverlangend 
von  den  Bäumen,  Jt.   8,  42,  und  walirscheinlich  in  vareshu  Jt.  19, 

41  =  neiipers.  5\%^  Name  einer  sehr  giftigen  Schlangenart,  eigent- 
lich Ausspritzer,  seil.  Gift.  Das  in  den  Jesht's  vorkommende 
varega  hat  mit  unserer  Wurzel  nichts  zu  schaffen;  man  müsste  nur 
das  vare^em  (cK^paem)    Jt.   14,    31.    16,    10    mit   penis    übersetzen, 

wozu  man  durch    das  lautlich  entsprechende  neupersische   )y^>    das 

unter  andern  die  Bedeutung  „männliches  Glied"  hat,  einigermassen 
berechtigt  ist.  An  allen  übrigen  Stellen  bedeutet  vare^a  eine  Waffe, 
Wehre,  Jt.  10,  72.  113,  in  welcher  Bedeutung  es  von  vare,  weh- 
ren,   abzuleiten    ist;    es    ist    ganz    das    neupersische    \j.3,     Keule, 

Knittel  (hieher  gehört  wohl  auch  vare^ö-^tavarihem  Jt.  13,  115. 
16,  7  eines  Stockes  Dicke,  von  einer  Wasserquelle).  Da  so- 
mit die  Deutung  des  varesh  durch  „reden"  nur  sehr  schwache  Stützen 
hat  und  namentlich  das  wedische  Sanskrit  eigentlich  gar  keine  rech- 
ten Anknüpfungspunkte  bietet,  so  sind  wir  zur  zweiten  Erklärung, 
zur  Herleitung  von  der  Wurzel  verezj  varez,  getrieben.  Diese  findet 
auch  eine  überraschende  Bestätigung  in  Ja9.  67,  4:  vi^paca  hvarsta 
skjaothna  jazamaide  varstaca  varesh jamnaca,  wir  verehren  alle  gut- 
gethanen  Handlungen,  die  vollbrachten  und  die  vollbracht  werden 
sollenden,  wo  vareshjamna  ganz  deutlich  das  Part,  des  Futur,  pass. 
des  Verb,  verez,  thun  ,  ist.  Nun  fragt  sich  noch,  welche  Form 
von  varez  vareshuiti  ist.  Varesh  kann  aus  varez  nur  durch  Hinzu- 
treten eines  s  entstanden  seyn;  denn  in  diesem  Falle  muss  das  z 
in  einen  Guttural  übergehen  (s.  hierüber  weiter  die  Gramm.),  wie 
wir  an  didareghiu  aus  derez,  und  an  mimaghzo  aus  maz  sehen;  so 
entsteht  eigentlich  vurekhsh;  allein  khsh  kann  sich  sogleich  zu  blos- 
sem sh  schwächen,  wie  wir  an  urvdshat  für  urvakhshaf,  an  shoithra  für 
khshetra  (skr.)  sehen;  so  bekommen  wir  varesh.  Diese  Bildung  lässt 
nun  wieder  zwei  Erklärungen  zu;  sie  kann  ein  Desiderativ  mit  Weg- 
lassung der  Reduplication  oder  ein  Aorist  mit  s  seyn.  Da  der  Zu- 
sammenhang der  Stellen  den  Desiderativbegriff  nicht  fordert,  so  ist 
varesh  als  ein  Aorist  anzusehen;  der  Bedeutung  nach  ist  kaum  ein 
merklicher  Unterschied  von  dem  einfachen  varez  wahrzunehmen;  doch 
scheint  es  die  stärkere  Bedeutung  vollbringen  zu  haben.  —  Van- 
häiL  —  a(^tim.  Nerios. :  uüamasjavä  asvddajanti  dehinah,  oder  die  der 
besten  Seele  theilhaftig  sind.  Vauhda  kann  nicht  als  Adjectiv  mit 
a^tim  verbunden  werden,  da  die  Casus  verschieden  sind,  sondern  es 
ist  Instrumental  von  vohü  in  substantivem  Sinne,  das  Gute.  — 
Toi  rddenti  Nerios.:  te  iubhjam  svecchajd  dakshaiiam  ddtdrah,  die  dir 
aus  eigenem  Triebe  Opfer  spenden.  Dieser  Satz  ist  das  Correlat 
zu  je  akem  dregvaite.     Der  Plural  darf  nicht  auffallen,  da  der  erste 


190  Haug-,  die  Gäthas  des  Zarathastra.   L     Cup.  33,   2. 

Satz  nur  ganz  allgemein  gehalten  ist  nnd  auch  dort  für  jP  ohne 
Weiteres  joi  gesetzt  werden  könnte.  —  Vdräi.  Von  diesem  Worte 
sind  mehrere  Erklärungen  möglich.  In  den  Gdthä's  findet  es  sich 
dreimal;  zweimal  ganz  in  derselben  Fügung  vdrdi  rdd  an  unserer 
Stelle  und  51,  6;  dann  46,  18  noch  der  Accus,  vdrem  in  Verbin- 
dung mit  dem  Part,  khshnaoshemno.  Da  aus  diesen  wenigen  Stellen 
der  Sinn  schwer  zu  errathen  ist,  so  wollen  wir  nicht  bloss  die  übri- 
gen Stellen  des  Zendawesta,  in  denen  vdra  sich  findet,  sondern 
auch  die  davon  derivirten  Verba  und  Nomina  einer  Untersuchung 
unterwerfen.  Alle  Stellen,  in  denen  vdra  vorkommt,  liefern  das 
Ergebniss,  dass  zwei  grundverschiedene  Bedeutungen  dem  Worte 
zukommen ,  die  auch  auf  eine  verschiedene  Bedeutung  hinführen, 
so  dass  zwei  verschiedene  Wurzeln  anzunehmen  sind.  Das  eine 
vdra  heisst  Regen,  Jag.  10,  3  neben  maegha,  57,  28  der  Dat.  pl. 
vdraeibja,  Regengüsse,  Vend.  21,  2:  hazanru-vdrajo  baevare  vdragcify 
tausendfach  regnerisch  zehntausend  Regen  (von  der  Wolke);  Jt.  5, 
120  und  8,  33  neben  maegha,  Wolke.  Dieses  vdra  ist  im  Pärsi 
bdr,  Meer,  und  im  Neupersischen  ^o,  regnend,  in  fine  compos. 
erhalten  und  stimmt  mit  dem  wedischen  vdr,  Wasser,  und  vdri  im 
gewöhnlichen  Skr.  Davon  stammt  ein  Verbum  im  Sinne  von  regnen, 
das  uns  aber  nur  im  Part.  act.  erhalten  ist  Jt.  5,  120  vdrentae  (Dat.), 
und  16,  10  vdretltjdo  (Gen.  sing,  fem.),-  von  diesem  Part,  stammt  das 
Pärsi  vdrdn.  Regen,  und  das  neupers.  bdrdn,  sowie  das  Verbum 
Pärsi  vdridan,  neupers.  bdridaji,  regnen.  Das  andere  vdra  ist  auf 
die  Wurzel  var,  wehren,  schützen,  skr.  vf,  abwehren,  zurück- 
zuführen und  bedeutet  demnach  Wehre,  Schutz.  Hieher  gehört 
vor  allem  pairi-vdrem  und  fravdrem,  im  alten  Jimaliede  Vend.  2,  26. 
34.  Westerg.,  womit  die  Wehren  und  Wälle  bezeichnet  werden,  mit 
denen  der  glückliche  Jima  seinen  Bezirk  umgab.  Vergl.  ferner  Jt. 
17,  2:  (Jazamaide)  dughdharem  ahurahe  7nazddo  qanharem  ameshaudm 
^pentandm  jd  vi<;panäm  ^aoshjafitdm  frasha  khrathwa  frdthafigajeiti 
iita  dauern  khratum  ava-baraiti  vdrem  uta  d^anaeca  zbajafddi  düraeca 
zhajahtdi  gagaiti  avaithe  ho  asidm  jazditi  zaothrdbjo,  wir  verehren  die 
Tochter  (Ashi)  des  Ähura-mazda,  die  Schwester  der  Amesha-^peTda's, 
die  aller  (Jaoshjantö's  Offenbarungen  durch  den  V^erstand  fortgehen 
lässt  und  die  ursprüngliche  Einsicht  als  einen  Schutz  herzubringt 
und  dem  in  der  Nähe  wie  in  der  Ferne  Anbetenden  zu  Hilfe  kommt, 
der  die  Ashi  mit  Opfern  verehrt.  Hier  steht  ava-baraiti  vdrem  offen- 
bar in  Parallele  mit  gagaiii  avanke.  Im  Neupers.  entspricht  in  die- 
sem Sinne  bdr,  Burg  (eigentl.  Wehre).  Mit  dieser  wohl  hängt  vdreiii 
(oder  uarema)  Jt.  5,  130  zusammen,  das  Hülle,  Decke,  bedeutet. 
Fraothat-a<^pa  qanat-cakhra  khsvacwajat-astra  as-baourva  nidhdto-pita 
hubaoidhi  upa  ^taremaeshu  vdrema  daidhe  pdrenanhuntem ,  sie  (die 
himmlische  Quelle  ardvi  ^urä  andhitd}  giebt  schnaubende  Pferde, 
klirrende  Räder,  schwingende  Geissein,  viel  Speise,  Weinniederlage, 
Wohlgerüche,    mit  Federn  gefüllte  Decken  auf  die   Lager.     In  die- 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarafhustra.  I.    Cap.  33,  2.  191 

ser  Bedeutung  ist  es  auf  die  skr.  Wurzel  vr ,  verhüllen,  zurück- 
zuführen (diese  ist  eigentlich  identisch  mit  vr.  arcere,  da  der  Act 
des  Schutzes  ein  Verhüllen  des  augegrili'enen  Gegenstandes  ist).  In 
den  Gdthas  findet  sich  dreimal  ein  Verb,  vdr,  zweimal  in  der  Form 
vdur,  28,  6:  vduroi  maide\  31,  3:  vduraja  und  vdr:  vdrdite  47,  G, 
schützen.  Gerade  in  diesem  Sinne  treffen  wir  auch  ein  Verbujn 
denom.  vdraj  mehrmals  in  den  Jeshts  immer  in  einer  Fügung  glei- 
chen Sinnes  Jt.  1 ,  28 :  drmaitica  ^pevfaja  aeshdm  ihaesho  <;cindaja- 
dhwem  pairi  ushi  vdrajadhwem.,  mit  Hilfe  der  heiligen  Armaiti  spaltet 
(vernichtet)  ihr  ihren  (der  dneva'«)  Hass,  verhüllt  ihr  AugenHcht ;  10, 
27  :  jö  danheiis  rdkhshjäühjdo  —  pairi  (die  Mss..  haben  fälschlich  paiti^ 
qarendo  vdrajeiti  apa  verethraghiem  baraiti,  welcher  rings  die  Lichter 
des  feindlichen  Landes  verhüllt,  den  Sieg  wegnimmt;  10,  48:  dat 
jat  mithro  fravazaiti  —  athra  naräm  mithro-driigdm  apäs  gavo  dare- 
zajeiti  pairi  daema  ^)  vdrajeiti  apa  gaosha  gaoshajeiti,  dann ,  wann 
Mithra  fortfährt,  —  macht  er  dort  kraftlos  die  Glieder,  verhüllt 
ringsum  das  Angesicht  und  macht  taub  die  Ohren  der  Mithrasün- 
der;  ebenso  14,  63:  pairi  daema  vdrajeiti,  er  verhüllt  rings  das  An- 
gesicht (vgl.  auch  Ja9.  9,  28,  wo  der  Imperat.  verenuidhi ,  verhülle, 
von  dem  einfachen  Stamme  var).  Von  einer  Wurzel  var  stammt 
auch  das  Substantiv  vdrethma,  Jt.  10,  112  zaranjo-vdrethma,  mit 
goldenem  Harnisch  (von  Mithra),  und  Jt.  11,  2:  drugö  vdretima 
ddresta,  des  Verderbers  vollkommene  Abwehr.  Nachdem  wir  so 
ziemlich  alle  Stellen  des  Zendawesta,  in  denen  sich  das  Wort  vdra 
und  seine  Derivaten  finden,  besprochen  haben,  so  wollen  wir  noch, 
um  alle  irgendwie  möglichen  Bedeutungen  desselben  zu  erschöpfen, 
die  Bedeutungen  des  VVortes  in  den  nächstverwandten  Sprachen  bei- 
setzen. Vdra  heisst  im  wedischen  Sanskrit  1)  Haufe,  Menge, 
welcher  Sinn  auch  noch  im  neupers.  bar,  Menge,  erhalten  ist  (in 
diesem  Sinne  haben  wir  auch  vrd  mit  Ausstossung  des  wiirzelhaften 
kurzen  a);  2)  Schwanz,  Schweif,  namentl.  Rossschweif  =  bdla; 
3)  ein  Gefäss  zum  Durchseihen  des  Soma,  welche  drei  Bedeutun- 
gen sämmtlich  von  dem  Begriff  des  ßedeckens,  Verhüllens  ausgehen 
können.  Im  Neupersischen  heisst  das  lautlich  entsprechende  bar 
ausser  den  schon  erwähnten  Bedeutungen  Regen,  Burg  und  Menge 
auch  noch  mal,  z.  B.  slodo,  einmal,  gerade  wie  vdra  im  clas- 
sischen  Sanskrit.  Die  armenischen  Bedeutungen  von  var  sind  zu 
abgelegen  und  brauchen  nicht  erwähnt  zu  werden.  Alle  die  bis 
jetzt  genannten  Bedeutungen  lassen  sich  auf  drei  oder  besser  nur 
auf  zwei  Wurzeln  zurückführen,  auf  vdr,  Wasser;  vf,  abhalten. 


0  daema,  Gesicht,  von  d/,  sehen,  vgl.  neupers.  *-54>,  Angesicht, 
armenisch   "'        ,-^.     .     . 


(Idraj 
stellen 
ten  Sinn, 


nsch  f/6%^  (Pliir.),  Antlitz;  vgl.  noch  11,  f)«!:  da&vajdzö  ushi  pairi- 
(Hnii  daßma,  wo  für  (InrajeÜili  fast  mit  Sicherheit  wegen  der  Parallel- 
11  vdrajcHnti  zu  lesen  ist.     Die  Wurzel  dar  giebt  hier  auch  keinen  rech- 


192  Hang,  die   Gdihus  des  Zarathustra.    Cap.  33,  2.  3. 

und  vr,  bedecken.  Das  Sanskrit  bietet  aber  noch  ein  anderes  vr 
(var),  wählen,  von  dem  wir  wenigstens  mit  Dehnung  des  a  kein 
Derivat  im  Baktrischen  entdecken  können.  Mit  kurzem  a  ist  hie- 
her  vareiia,  Lehre,  Glaube,  zu  ziehen.  Kehren  wir  zu  unserem 
Verse  zurück,  so  passt  unter  allen  Bedeutungen  des  vära  die  von 
Schutz,  Hilfe,  am  besten  in  den  Zusammenhang  derselben,  sowie 
der  zwei  andern  Stellen  der  Gäthas.  Diese  Annahme  wird  noch 
dadurch  bestärkt  und  vollends  sicher  gemacht,  dass  das  Verbum  vdr 
sich  zweifelsohne  in  der  Bedeutung  schützen,  abwehren,  in  den 
Gdthd's  findet  (s.  S.  191  und  das  Glossar). 

V.  3.  Zu  ashdune  vahisto  vgl.  46 ,  6  :  hvo  dregvdo  je  dregvdite 
vahisto;  hvo  ashavd  jahrndi  ashavd  frjo.  Hier  ist  vahisto  deutlich  ein 
Synonym  von  frjo  und  bedeutet  den  besten,  trefflichsten; 
ashdune  vahisto  ist  der,  welchen  der  Reine  für  den  Besten  und  Aus- 
gezeichnetsten hält.  Der  Reine  an  sich  wird  selbstverständlich  der 
Gnade  theilhaftig,  in  den  Gefilden  des  höchsten  Geistes  zu  weilen; 
aber  auch  der  dem  Reinen  am  nächsten  Stehende,  wohl  Halb-  oder 
Neubekehrte  erlangt  diese  Gnade  und  zwar  hauptsächlich  durch  Be- 
bauung des  Ackers.  Ueber  airjaman  s.  zu  46,  1.  —  Apposition  zu 
vahisto  sind  die  drei  Worte  qaetü,  verezenjo  und  airjamnd,  die,  da 
vahisto  sicher  Nominativ  ist,  demzufolge  auch  im  Nominativ  stehen 
müssen.  Die  wirkliche  Nominativform  hat  nur  verezenjo;  die  beiden 
übrigen  können  aber  nach  ihren  durch  alle  Handschritten  gebotenen 
Formen  grammatisch  keine  Nominative  sing.  seyn.  Nun  fragt 
es  sich,  ob  wir  qaeiil  und  airjamnd  zu  den  Nominativformen  qaetus  . 
und  airjamd  corrigiren  und  mit  verezenjo  in  Einklang  bringen,  oder 
ohne  alle  Aenderung  der  handschriftlichen  Lesarten  eine  andere 
Deutung  versuchen  wollen.  Ich  würde  ohne  Bedenken  zur  Emen- 
dation  schreiten,  wenn  nicht  erstens  verezenjo  bloss  an  dieser  Stelle 
vorkäme,  während  in  allen  andern  Stellen  ganz  in  demselben  Zu- 
sammenhang (vgl.  sogleich  verezenahjd  im  folgenden  Verse  und  im 
Uebrigen  das  Glossar)  nur  das  Thema  verezena  und  nicht  verezenja, 
welches  einen  Nom.  verezenjo  voraussetzen  müsste,  vorkommt;  und  nicht 
zweitens  der  Umstand  dagegen  spräche,  dass  die  Casus  von  airjamd 
in  den  Gdthd's  nie  verwechselt  werden,  was,  sollte  airjamnd,  das 
dem  Anschein  nach  der  Instrumental  ist,  als  Nominativ  gelten,  hier 
nothwendig  angenommen  werden  müsste ;  ebenso  wenig  ist  eine 
Verwechslung  der  Casus  bei  qaetus  der  Fall.  Wenn  eine  Emendation 
ohne  alle  handschriftliche  Autorität  schon  an  sich  etwas  Gewagtes 
ist,  so  dürften  die  angegebenen  Gründe  genügen,  um  hier  von  einer 
Aenderung  abzustehen.  Aber  der  Sinn  und  Zusammenhang  for- 
dert fast  nothwendig  Nominativformen ,  zum  mindesten  gleichen 
Casus  aller  drei  ijur  durch  vd  getrennten  Begriffe.  Zwei,  nämlich 
qaetu  und  airjamnd,  können  als  Instrumentale  erklärt  werden;  aber 
verezenjo  kann  schlechterdings  kein  Instrumental  seyn,  und  bei  qaetu 
könnte  dieser  Casus    am  Ende    auch  noch  beanstandet  werden.     In 


Haug,  die  Gdthas  des  Zurathustra.  I.    Cap.  33,  3.  193 

32,  1  haben  wir  zwar  neben  den  zwei  deutlichen  Nominativen  qaetus 
und  verezmem  den  Instrumental  airjamnd,  allein  dort  ist  er  von  mat, 
mit,  nebst,  abhängig.  Ein  solcher  Fall  hat  an  unserer  Stelle  nun 
nicht  Statt.  Wollten  wir  die  fraglichen  drei  Worte  nicht  auf  vahisto, 
sondern  auf  ashdune  beziehen,  so  müssten  alle  drei  im  Dativ  stehen; 
aber  alle  drei  Formen  lassen  sich  schlechterdings  nicht  als  Dative 
erklären.  Dagegen  können  sie  alle  als  Dualformen  gefasst  werden; 
qaetü  und  airjamnd  sind  ganz  deutliche  Duale  Nominativi,  verezenjo 
ist  ebenfalls  einer,  aber  Genitiv  und  Locativ  und  eigentlich  zusam- 
mengezogen aus  verezenajOf  wie  airjamnd  aus  airjamand;  der  No- 
minativ sollte  verezend  lauten.  Um  eine  Einheit  herzustellen,  bliebe 
uns  nur  die  Annahme,  dass  der  Dual  auf  70  ein  allgemeiner  Casus 
seyn  könnte;  allein,  da  diese  Annahme  an  sich  kaum  möglich  ist 
und  durch  unzweifelhafte  Belege  eines  solchen  Gebrauchs  der  Endung 
j6  durchaus  nicht  bewiesen  werden  kann,  so  müssen  wir  beim  Ge- 
nitiv-Locativ  stehen  bleiben.  Demnach  heissen  die  drei  durch  va 
getrennten  Worte:  seyen  es  zwei  Eigene,  oder:  unter  zwei  Knech- 
ten, oder:  seyen  es  zwei  Schutzgenossen.  Um  aber  eine  gramma- 
tische Einheit,  die  hier  absolut  nothwendig  ist,  herzustellen,  so  thun 
wir  am  besten,  wenn  wir  die  Formen  qaHu  und  airjamnd,  von  wel- 
chen sich  Genitive  und  Duale  des  Gen.  Loc.  schwerer  bilden  lassen 
(von  qaetiL  könnte  er  nach  anhu  —  ahvdo,  qaetvdo,  von  airjamd 
airjamfajndo  lauten,  das  sich  sehr  leicht  zu  airjamnd  abschleifen  könnte), 
im  Sinne  eines  allgemeinen  dualen  Casus  fassen ;  ja  bei  qaetu  scheint 
noch  ein  besonderer  Grund,  warum  die  regelmässige  Bildung  qaetvdo 
vielleicht  vermieden  wurde,  nämlich  wegen  des  gleichfolgenden  vd; 
denn  durch  die  unmittelbare  Berührung  von  vdo,  vd  oder  vd  vd,  da 
sich  vdo  leicht  zu  vd  abschleifen  konnte,  konnte  leicht  zur  Vermei- 
dung der  Wiederholung  das  vd  nur  einmal  gesetzt  und  das  erste 
Wort  im  nächsten  Casus,  d.  i.  Nominativ,  belassen  werden.  So 
heissen  die  Worte:  „wer  dem  Reinen  der  Beste  ist,  sey  es  unter 
zwei  Verwandten  oder  zwei  Knechten  oder  zwei  Schutzgenossen". 
—  Ahurd  vidäg  vd.  Auf  den  ersten  Blick  könnte  man  wegen  des 
vd  versucht  seyn,  diese  Worte  mit  qaetü  vd  u.  s.  w.  zu  verbinden; 
aber  der  Begriflf  hat  so  wenig  Verwandtes  mit  den  drei  andern, 
dass  es  überflüssig  wäre,  einen  hieher  abzielenden  Erklärungsversuch 
zu  machen.  Ist  das  vd  hier  wirklich  ursprünglich ,  so  bezieht  sich 
die  Disjunction  auf  vahisto  in  der  Art,  dass  dadurch  nicht  eine  Un- 
terabtheilung des  Begrifls  vahisto,  wie  es  bei  qaetü  u.  s.  w.  der 
Fall  war,  sondern  ein  gleichberechtigter  Begriff  ausgedrückt  wird. 
So  bilden  ashdune  vahisto  und  ahurd  viddg  die  zwei  Hauptglieder 
eines  disjunctiven  Satzes,  wovon  das  erstere  drei  Subdivisionen,  das 
letztere  gar  keine  hat.  Nun  fragt  es  sich,  welcher  Unterschied  zwi- 
schen dem  ashdune  vahisto  und  ahurd  vidci^  Statt  habe.  Beide  wer- 
den sich  dem  Begriffe  nach  nicht  sehr  wesentlich  unterscheiden;  der 
ashava  ist  nämlich  gerade  im  Gegensatz  zum  dregvdo  der  Verehrer 
Abhandl.  der  DMG.    I,  3.  13 


194       Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  l     Cap,  33,  3.  4. 

des  guten  Geistes,  des  Ahura-mazda;  und  der  Verehrer  desselben 
ist  auch  sein  Kenner.  Der  Unterschied  kann  nur  der  seyn,  dass, 
während  ahurd  vidd^  gleich  ashavd  selbst  ist,  vahisto  ashdune  eine 
geringere  Stufe  der  religiösen  Erkenntniss  als  die  des  ashavd^  wenn- 
gleich dem  letztern  sehr  nahe,  ausdrückt.  Der  Unterschied  bleibt 
derselbe,  wenn  ahurd  vidd^  statt  „den  Ahura  kennend"  mit  „die 
lebendigen  Dinge  kennend"  übersetzt  wird,  da  ja  vom  Ahura-mazda 
alles  Leben  ausgeht.  —  Thwakhshanhd  gdvöi  (Nerios. :  vjavasdjo 
gopagundm  jyratijatnam  gopa^ündrn)  drückt  aus,  worin  das  Wesen  des 
ashduM  vahisto  und  des  ahurd  vidä^  bestehe,  also  in  dem  „Schaffen 
für  die  Erde".  Diess  kann  nur  auf  den  Ackerbau  bezogen  werden, 
der  durchgängig  in  den  Gdthd's  als  eine  höchst  verdienstliche  Thä- 
tigkeit  gepriesen  wird  (vgl.  hierüber  auch  das  3.  Capitel  des  Vend.). 
—  At  hvö  etc.  ist  der  Nachsatz  zu  dem  Vordersatz  :  je  ashdune 
vahisto.  Die  Worte  enthalten  eine  Verheissung  für  Den,  der  eifrig 
im  Bebauen  der  Erde  ist.  Das  Gefilde  der  Wahrheit  und  des 
guten  Geistes,  das  als  Lohn  dem  Verehrer  Mazda's  verheissen  ist, 
ist  von  einem  jenseitigen  Aufenthalte  der  Seligen  zu  verstehen. 
Vdgtra  ist  hier  nur  ein  poetischer  Ausdruck  für  Ort  überhaupt. 

V.  4.  Das  Verbum  apa  jazdi  bezieht  sich  nicht  bloss  auf  die 
Accus,  a^rustim  akem  ma7iöj  sondern  auch  auf  taramaitim ,  drugem 
und  acistem  mantum.  Der  Sinn  des  apa  jaz  ist  beten,  dass  etwas 
fern  sey  oder  bleibe.  Zarathustra  betet  hier,  dass  der  Ungehorsam 
der  Menschen  und  ihre  schlechte  Gesinnung  fern  von  dem  heiligen 
Mazda  bleiben  sollen,  d.  h.  dass  Mazda  nicht  davon  betroffen  wer- 
den solle,  sondern  die  Menschen  sollen  ihm  Gehorsam  beweisen  und 
eine  fromme  und  gute  Gesinnung  gegen  ihn  hegen.  —  Nazdistdm. 
Dieses  Wort,  über  dessen  Ableitung  und  Bedeutung  durchaus  kein 
Zweifel  herrschen  kann ,  lässt  an  unserer  Stelle  wenigstens  eine 
mehrfache  Beziehung  zu.  Die  „nächste  Lüge"  kann  einmal 
die  seyn,  welche  der  kurz  vorher  genannten  taramaiti,  Wider- 
spenstigkeit, am  nächsten  steht;  dann  kann  aber  auch  „die 
nächste"  auf  verezenahjd  gehen  und  die  Lüge  als  solche  bezeich- 
nen, die  die  nächste  Eigenschaft  des  verezena  oder  Dieners  ist  oder 
sich  gewöhnlich  bei  ihm  findet.  Letztere  Auffassung  giebt  wohl  den 
besten  Sinn ;  erstere  wäre  schön  etwas  zu  gesucht.  —  Nadetito 
(Nerios.:  niddm  ddtdrah)  kann  nur  Gen.  sing,  von  nad  (skr.  nadh) 
seyn,  derselben  Wurzel,  wovon  nazdista  stammt,  und  bezieht  sich  auf 
airjamana^ca.  Der  Airjaman  oder  Schutzgenosse  (s.  zu  46,  1) 
wird  somit  ganz  passend  als  der  „nahe  seyende  oder  zugehörige" 
seil,  im  Hause  bezeichnet.  Acista  mantd  ist  eigentl.  die  „schlimmste 
Denkung",  worunter  hier  wohl  mit  Bezug  aufs  Feld  der  Feldzauber, 
welcher  Unfruchtbarkeit  herbeiführt,  zu  verstehen  ist.  Solche  schlimme 
Künste  zur  Zerstörung  des  Feldsegens  wendet  ja  gerade  der  böae 
Geist  an  (s.  32,  10). 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathnsira.  Cap,  33,  5.  195 

V.  5.  ^raosha.  Es  fragt  sich,  ob  pr.  als  Nom.  propr.  des  be- 
kannten Genius  oder  als  Nom.  appellat.  zu  fassen  ist.  In  mehreren 
Stellen  der  Gdthd's  ist  es  deutlich  ein  Appellativ,  —  so  steht  es  z.  B. 
33, 14 neben  khshathrenij  45,5  neben  caja^cd,  Wissenschaft,  Kennt- 
niss,  —  und  bezeichnet,  seiner  Ableitung  von  fru  nach,  wohl  so 
viel  alsUeberlieferung,  Tradition  (33,  14  graoshem  ukhdhaqjd). 
An  unserer  Stelle  hingegen  kann  das  Prädikat  Vi^pe-mazistem  leicht 
auf  die  Deutung  des  ^raosha  als  eines  Nomen  proprium  hinführen. 
Aber  der  Umstand,  dass  der  Genius  ^raosha  dieses  Prädikat  später 
nicht  führt  und  es  zudem  keine  seiner  speziellen  Eigenschaften  aus- 
drückt, spricht  doch  dagegen.  Man  kann  dem  Worte  hier  vielleicht 
die  Bedeutung  einer  besondern  Ueberlieferung  oder  besser  eines 
überlieferten  heiligen  Spruchs,  dem  die  grösste  Wirkung  beigelegt 
wird,  zuschreiben.  Bei  dieser  Auffassung  entsteht  aber  sogleich 
die  Frage,  welcher  heilige  Spruch  oder  welche  besondere  heilige 
Tradition  hier  gemeint  ist.  Solcher  besonders  heiligen  Gebete  be- 
sitzt die  pärsische  Liturgie  drei;  dem  Grade  der  Heiligkeit  nach 
sind  es:  ahü  vairjo,  ashem  vohü  und  jenhe  hdtäm.  Da  indess  kei- 
nes von  diesen  Gebeten,  die  alle,  wie  die  Gdthd's,  im  altern  Dia- 
lekt abgefasst  sind,  in  diesen  Stücken  erwähnt  wird,  so  wäre  es 
etwas  gewagt,  das  ^raosha  mgpe-mazista  auf  eines  von  ihnen,  etwa 
auf  ahü  vairfo,  als  das  heiligste  zu  beziehen.  Dagegen  finden  wir 
28,  7.  8  ein  ganz  besonders  heiliges  Gebet,  vohü  gaidi  mananhd 
etc.,  wodurch  nach  28,  6  die  bösen  Wesen  am  meisten  verscheucht 
werden  und  das  dort  ebenfalls  ein  ^raosha  genannt  wird.  Hierauf 
könnten  wir  am  besten  das  fragliche  ^raosha  vi<^pe-mazista  beziehen. 
Indess  ist  es  doch  am  Gerathensten,  (^raosha  hier  als  Nomen  pro- 
prium des  Genius  der  Ueberlieferung  zu  fassen.  —  Avanhdne  ist 
mit  te,  dir,  zu  verbinden  und  mit  diesem  a.\i(  Ahura-mazda  zu  be- 
ziehen; der  Form  nach  ist  es,  wie  ^raoshdne  50,  4,  eine  Weiter- 
bildung von  avanh  im  Sinne  eines  Particips  (s.  zu  50,  4).  Da- 
von abhängig  sind  die  zwei  Accusative  apdno  und  darego  -  gjditim : 
dem  Helfenden,  dem  Reichthum  und  langem  Leben.  Apdno  kommt 
nur  an  unserer  Stelle  vor.  Zu  einer  genügenden  Erklärung  können 
uns  die  Wörter  apana,  apanotema  und  apanasta  des  Jüngern  Dia- 
lekts helfen.  Vergleichen  wir  desswegen  die  wichtigsten  Stellen,  wo 
sich  diese  Worte  finden.  Das  einfache  aim7ia  findet  sich  nur  Jesht 
19,  44  als  Accus,  apanem:  fem  (Qndvidhaka)  gandt  nare-mando  kere- 
fd^pö  ava  apanem  gajehi  ^dnem  ustdnahe,  den  schlug  der  männlich 
gesinnte  Kerecä(;pa  zum  Fernseyn  vom  Leben,  zur  Vernichtung  des 
Daseyns  (d.  h.  er  schlug  ihn  so,  dass  das  Leben  von  ihm  wicli). 
Vend.  21 ,  2  steht  mehremal  apanasta  mrujdo  ashdiim  Zarathustra 
ja^kahe  apanastahä  mahricahe  apanastahe,  gaini-ja^kahe  apanastah^ 
gaini-mahrkahe  apanastahe ,  du  sollst  sprechen,  reiner  Zarathustra, 
zur  Entfernung  1)   der  Krankheit,    zur  Entfernung   des  Todes,    zur 


')  So  fasst  es  auch  die  Pehlewiübersetzung :  nrürz-TJ  hsra  yt,  d.i.  zum 

13* 


196  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  33,  5. 

Entfernung  der  durch  einen  Schlag  verursachten  Krankheit,  zur  Ent- 
fernung des  durch  einen  Schlag  verursachten  Todes.  Oefter  treffen 
wir  den  Superlativ  apanotema,  und  zwar  als  Prädikat  von  dvara, 
Thüre,  Jt.  5,  54.  57,  von  dem  Fravashi  des  Ähiira - mazda  Jt. 
13,  80  (ashdt  apamtemdm ) ,  von  ratii  (Herr)  Visp.  9,  6,  von 
Qraosha  Ja9.  57,  4:^0  ashahe  apanotemo  (gleichen  Sinnes  mit  ashdt 
apanotemo);  vergleiche  ferner  noch  Ja9.  58,  8:  apanotemaja  paiti  va- 
castastd,  mit  dem  höchsten  Wortgebilde,  d.  i.  mit  den  heiligsten 
Worten  (haurväm  handditm  ^taotanam  Jepijandm  jazamaide  apanote- 
maja vacastastd).  Die  ganze  Sammlung  der  verehrungswürdigen  Lob  - 
lieder  verehren  wir  in  dem  fernsten,  d.  i.  höchsten  Wortgebilde. 
Suchen  wir  nach  diesen  Stellen  die  Bedeutung  von  apana  festzu- 
stellen; es  heisst  1)  Ferne,  2)  Höhe,  Erhabenheit,  von  dem 
Begriffe  des  Entlegenen,  schwer  zu  Erreichenden  ausgehend.  Der 
Ableitung  nach  kann  es  nur  ein  Substantiv  von  der  Präposition  apa 
durch  na  gebildet  seyn.  Kehren  wir  nun  zu  dem  apdno  unsers  Ver- 
ses zurück.  Dieses  unterscheidet  sich  von  dem  bisher  besprochenen 
apana  nur  durch  Dehnung  des  zweiten  a,  eine  Erscheinung,  die  wir 
im  altern  Dialekt  (s.  d.  Gramm.)  so  ungemein  häufig  treffen,  dass 
die  Identification  des  apdno  mit  apana  von  dieser  Seite  durchaus 
keine  Schwierigkeiten  hat.  Nicht  so  leicht  ist  die  Erklärung  des 
Casus  von  apdno  an  unserer  Stelle.  Ist  es  identisch  mit  apana,  so 
kann  apdno  nur  der  Nomin.  sing,  seyn;  aber  der  Nomin.  kann  hier 
in  dem  Satze  keine  Stelle  haben,  da  ja  ein  Verbum  fehlen  würde; 
man  müsste  ihn  nur  auf^af  im  ersten  Gliede  beziehen  wollen,  was 
aber  einen  unpassenden  Sinn  gäbe.  Nimmt  man  von  apana  eine 
Neutralform  apananh,  Nom.  Acc.  apano,  an,  so  wäre  es  der  Accus., 
und  dieser  würde  gerade  in  den  Zusammenhang  vortrefflich  passen. 
Aber  da  keine  solche  Bildung  zu  belegen  ist,  so  wollen  wir  die 
Deutung  auf  diesem  Wege  vorerst  dahingestellt  seyn  lassen.  Diese 
Annahme  eines  Neutr.  auf  anh  führt  mich  jedoch  auf  eine  andere 
mögliche  Erklärung;  apa?i6  könnte  nämlich  identisch  seyn  mit  dem 
wedischen  apnas  (Neutr.),  Gewinnst,  Reich thum,  und  wäre  so- 
mit ganz  andern  Ursprungs  als  das  oben  besprochene  apana.  Zu- 
dem würde  diese  Bedeutung  sehr  gut  in  den  Zusammenhang  passen, 
da  ja  unmittelbar  darego-gjdüim,  langer  Besitz,  folgt.  Aber  der 
Umstand,  dass  das  Wort  in  dieser  Bedeutung  sich  sonst  im  Zend- 
awesta  ebenso  wenig  findet  als  das  mit  apnas  so  nahverwandte  apas 
=3  opus,  wenigstens  unverbunden  (in  Compositionen,  wie  hvdpdo  = 
svapds,  findet  es  sich),  und  dass  an  unserer  Stelle  zwischen  apdno 
und  darego-gjditim  das  bei  der  Zusammenstellung  zweier  Substantive 
sonst  übliche  ca  fehlt,  scheint  gegen  diese  Erklärung  zu  sprechen. 
Versuchen  wir  es    schliesslich   noch  einmal   mit  einer  Ableitung   von 


Wegtreiben;    insiits  von  Jyj ,    herabsteigen;  vielleicht  ist  auch  hebr.-chald. 
Ws,  befreien,  eigentlich  herausreissen ,  verwandt. 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  33,  5.  6.        197 

apa.  Die  Bildungen  avahhan  (in  avanhdne)  von  avanh,  graoshan  (in 
0'aoshdne)  von  <;raosha,  maretan  (in  maretdnö)  von  mareta  lassen,  als 
Thema  von  apdiio,  die  Form  apan  als  eine  leicht  mögliche  erschei- 
nen ;  diese  könnte  nur  ein  Part,  praes.,  der  Casus  der  Genitiv  sing, 
scyn.  In  dieser  Annahme  wird  man  durch  das  Wort  apajeüi  (eigent- 
lich nur  ein  Denora.  verb.  von  apa),  wegnehmen,  bestätigt.  Da- 
regd-gjdüim  ist  ein  davon  abhängiger  Acc,  und  apänö  selbst  hängt 
von  avanhdne  ab:  „dem  Helfenden  gegen  den  Wegnehmer  (Räuber) 
des  langen  Lebens  •'.  (Ueber  den  Sinn  vgl.  32,  10.  11.)  Der  Räu- 
ber des  langen  Lebens,  d.  h.  der  Verkürzer  desselben,  kann  nur 
der  dregvdo  seyn,  und  zwar  sowohl  der  menschliche  als  der  böse 
Geist  selbst.  Der  Helfer  ist  Ähura-mazda;  seine  Hilfe  hat  indess 
nicht  bloss  eine  negative,  sondern  auch  eine  positive  Seite;  er  hilft 
auch  zum  Besitz  der  guten  Gesinnung  (d  khshathrern  vanheus  ma- 
nanho).  —  Ashdt  d  pathö,  durch  Wahrheit  hilft  er  zu  den  richtigen 
Pfaden,  auf  welchen  Ahura-mazda  wohnt.  Die  richtigen  Pfade  des 
Ahiira-mazda  sind  nach  iranischer  Anschauung  wohl  nur  die  Bahnen 
der  himmlischen  Lichtkörper  oder  die  Wege  des  Lichts  überhaupt. 
Doch  scheint  es  besser  zu  seyn,  dieses  dritte  Glied  nicht  von  avan- 
hdne abhängig  zu  machen,  sondern  mit  zbajd  zu  verbinden :  ich  rufe 
durch  die  Wahrheit,  von  dieser  geleitet,  das  heiligste  Gebet  hinauf 
zu  den  geraden  Pfaden,  auf  denen  Ahura-mazda  thront. 

V.  6.  Dieser  Vers  fuhrt  ein  neues  ratu  oder  eine  neue  Lehre 
und  Vorschrift  an ;  er  steht  mit  dem  vorhergehenden  in  keinem 
engern  Zusammenhange.  Es  fragt  sich,  ob  zaotd  Verbum  oder  Sub- 
stantivum  ist.  Ist  es  Substantivum ,  so  stimmt  es  vollkommen  mit 
dem  wedischen  hotar  (Rufer),  welches  eine  allgemeinere  und  eine 
engere  Bedeutung  haben  kann.  In  den  spätem  Stücken  des  Zend- 
awesta  bezeichnet  es  einen  besondern  Priester,  gerade  wie  im  Weda, 
und  das  von  zaotd  abgeleitete  zaothra  ist  dort  Opfer  gäbe.  In 
den  Gdthd's  findet  sich  das  Wort  nur  an  dieser  Stelle ;  zaothra 
kommt  gar  nicht  vor.  Der  Zusammenhang  der  Stelle  verlangt  nicht 
nothwendig  den  Sinn  „Priester",  die  allgemeinere  Bedeutung  „Ver- 
ehrer*' oder  nach  dem  Ursprünge  des  Wortes  von  zu,  zbai  =  Äw, 
hve  (rufen,  anrufen),  Rufer,  passt  am  besten  in  den  Zusammen- 
hang; es  ist  dann  Jeder,  der  den  Ahura-mazda  anruft  und  als 
Gott  bekennt,  darunter  zu  verstehen.  Der  Parallelismus  mit  dem 
ersten  Gliede  von  v.  6:  ja^-te  ^raoshem  zbajdi  spricht  am  besten  für 
die  allgemeinere  Auffassung.  Aber  gerade  diese  Stelle  zeigt,  dass 
zaotd,  hier  als  Verbum  aufgefasst  in  der  3.  Person  Imperf.  med., 
einen  concinnen  Sinn  giebt.  Und  ashd,  das  am  nächsten  ein  Nom. 
Acc.  plur.  ist,  sich  aber  am  Ende  auch  als  Instrumental  sing,  er- 
klären Hesse,  fordert  in  ersterer  Bedeutung  nothwendig  ein  Verbum. 
So  stellt  sich  ein  ganz  genauer  Parallclismus  mit  v.  5  heraus.  Dem 
jag  entspricht  je- erezM«,  dem  graoshcm:  ashd,  dem  zbajd:  zaotd. 
Desswegen  gebe  ich  der  letztern  Erklärung  entschieden  den  Vorzug. 


198         Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  33,  6. 

—  Manjeus  —  kajd  Nerios.:  adrgjdt  svargalokdt  samihate' kiirute  iebhjah. 
Kaja.  Hiemit  ist  die  Präposition  d ,  die  vor  vahistdt  steht  und  im 
Liederdialekt,  wie  im  wedischen  Sanskrit  eine  etwas  freiere  Stellung 
hat,  zu  verbinden.  Kajd  selbst  ist  ein  Instrumental  von  kd,  welche 
Grundform  wegen  kam  44,  20  anzunehmen  ist.  Mit  diesem  kajd 
ist  dkdo  48,  8.  50,  4.  51,  13  und  dkd  50,  2  zusammenzubrin- 
gen; ja  unsere  Stelle  wirft  ein  helles  Licht  auf  diese  sonst  schwer 
zu  erklärenden  Wörter.  Eine  genauere  Untersuchung  lehrte  mich, 
dass  diese  beiden  Worte  nicht  etwa  Adjective  sind,  wie  man  aus 
peretdo  dkdo  51,  13  vermuthen  könnte,  sondern  eine  adverbiale 
Redensart  bilden  und  aus  d  kdo  zusammengesetzt  sind.  Die  Mss. 
schreiben  sie  gewöhnlich  zusammen  und  verwechseln  sie  zudem  noch 
mit  aka,  einem  Worte  von  grundverschiedener  Bedeutung.  Der  ad- 
verbiale Sinn  des  dkdo  ergiebt  sich  unzweifelhaft  aus  48,  8  und  50, 
4,  wo  es  unmittelbar  bei  einem  Accus,  plur.  masc.  aredrefig  steht 
und  sich  schlechterdings  nicht  als  Adjectiv  zu  diesem  aredreng  fas- 
sen lässt,  da  es  der  Endung  nach  nur  ein  Feminin  seyn  könnte, 
noch  sich  auf  irgend  eine  Weise  als  Casus  vom  Particip.  ^raoshdne 
oder  vom  Verb,  ishjd  abhängig  machen  lässt.  Der  gleiche  Fall  hat 
bei  dkd  50,  2  Statt.  Neriosengh  hat  fiir  dkdo  an  den  angeführten 
Stellen  parisphutam  oder  prakatam,  beides  klar,  deutlich.  Suchen 
wir  nun  dieses  Wort  zu  erklären.  Das  wedische  Sanskrit  bietet  uns 
hier  kein  Analogon.  Auch  im  übrigen  Zendawesta  lässt  sich  nichts 
der  Art  entdecken.  Nach  einer  passenden  Verbalwurzel  dürften  wir 
uns  vergeblich  umsehen.  So  sind  wir  nur  auf  die  Gdthd's  selbst 
wieder  hingewiesen.  Wie  jede  neue  Religion,  jedes  neue  philoso- 
phische System  für  neue  eigenthümliche  Begriffe  entweder  neue 
Wörter  zur  Bezeichnung  derselben  ins  Leben  ruft  oder  ältere  in 
neuer  eigenthümhcher  Bedeutung  gebraucht,  so  ist  diess  auch  mit 
der  Zarathustrischen ,  die  in  den  Gdthd's  niedergelegt  ist,  der  Fall. 
Solche  neue  Wörter  und  Redensarten  sind  namentlich  aka  und  kd, 
d  kd,  d  kdo.  Äka  (s.  d.  Gloss.)  bezeichnet  ganz  entschieden  den 
strengen  Gegensatz  des  Schlechten  und  Bösen  zum  Guten  (vohu), 
gerade  wie  dregvdo,  der  Lügner,  den  strengen  Gegensatz  zum 
Wahrhaftigen  (ashavd)  bildet.  Etymologisch  kann  es  zur  Gewinnung 
dieses  Sinnes  nicht  anders  erklärt  werden,  als  wie  eine  Zusammen- 
setzung von  a~\-kaj  OUTIC,  ein  Nichts;  vgl.  akö-maiio,  noch  spä- 
ter der  Name  eines  der  Erzdew's,  Denn  das  von  den  indischen 
Wörterbüchern  angeführte  und  mit  pdpadukhajoh ,  d.  i.  Sünde  und 
Schmerz,  erklärte  aka  ist  schlechterdings  nicht  mit  dem  baktrischen 
aka  zusammenzubringen,  wie  Burnouf  that,  da  dieses  ja  eine  andere 
Bedeutung  hat;  ausserdem  weiss  der  Weda  gar  nichts  von  diesem 
Worte.  Die  Bezeichnung:  ein  Nichts,  für  den  Begriff  „schlecht" 
ist  ganz  aus  dem  Geiste  der  Zarathustrischen  Religion  geflossen. 
Das  Gute  ist  hier  identisch  mit  Daseyn  und  Leben,  das  Böse  mit 
Nichtseyn  und  Tod  (s.  30,  4).  Von  diesem  negativen  aka,  dessen 
Bedeutung  „nichtig,  schlecht"  ganz  sicher  ist,  haben  wir  kd  als  Po- 


Haugy  die  Gdthd's  des  Zardthustra.  L    Cap.  33,  6.  199 

sition  zu  betrachten.     Heisst  aka  ein  Nichts,  so  ist  kd  ein  Etwas. 
Aber  eine  kleine  Schwierigkeit  erhebt  sich  sogleich;  kd  ist  deutlich 
ein  Subst.  fem.,  nur  in  d  kd  50,  2  ist  es  ein  Neutrum  pliir.,  wäh- 
rend aka  als  Adj.  vorkommt.     Diese  Schwierigkeit  hebt  sich,  wenn 
man  bedenkt,  dass  aka  gewöhnlich  Prädikat  des  majio  (Gesinnung) 
ist  und,  damit  verbunden,  den  von  Zarathustra  neu  eingeführten  Be- 
griflf  des  schlechten,  bösen  oder  besser  nichtigen  Geistes  bezeich- 
net.    Für  den  guten  Gott,  den  Ähura-mazda,  hatte  er  nicht  nöthig, 
einen  solchen  neuen  Namen  zu  erfinden,    da  dieser  schon  vor  Zo- 
roaster  gekannt  und  benannt  war.     Dem  kd  haftet  an  allen  Stellen 
der  Bcgriflf  der  Existenz  an.     Solche  abstracte  Begriffe  werden  im 
Zendawesta  und  Weda   gern   durch  Feminina  bezeichnet;   ja  dieses 
Streben,  abstracte  Begriffe  sich  als  Fem.  zu  denken,   geht  so  weit, 
dass   nicht  bloss  Nomina    mit  deutlichen  Abstractendungen,    wie  ti, 
td,    tat,    Fem.  sind,    sondern  auch  die  nackten  Wurzeln    ohne  alle 
Feminin-Endung,  sowie  sie  als  Substantiva  im  Sinne  eines  Abstract. 
gebraucht  werden,    sich  als  Fem.  construirt  finden,   z.  B.  vdc^  die 
Rede,    drukhs  etc.      Daher  kommt  es,    dass  der  Begriff  der  Exi- 
stenz ein  Fem.  ist.     Der  Ableitung  nach  ist  es  natürlich  mit  dem 
Interrog.  ka  identisch.     Auch  im  Sanskrit  wird  dasselbe  in  substan- 
tivischer Bedeutung  gebraucht,   wo  dieses  nicht  bloss  mit  ka,  son- 
dern auch  mit  kh  geschrieben  ist  (man  vgl.  namentlich  sukha,  gut, 
und  duhkha,  schlecht).  —  Avd  manaiihd,  von  dieser  Gesinnung, 
bezieht  sich  auf  mainjeus  vahistdt  — jd   und  ist  mit  vdgtrjd   eng  zu 
verbinden,  „welche  ländlichen  Dinge",  d.  i.  der  Landbau  überhaupt. 
Die  Bebauung  der  Erde  ist  eine  Folge  der  guten  Gesinnung  und  der 
wahren  Religion  —   Verezjeidjdi.    Westerg.  schreibt  verezidjdi  gegen 
alle  handschriftliche  Autorität,  wenigstens  an  unserer  Stelle.     In  der 
Parallelstelle  43,   11,  die  er  indess  nicht  anführt,  liest  K.  5.  so,  wäh- 
rend dort  K.  9.  verezjedjdi,  K.  4.  verezjeidjdi,  K.  9.  verezjeidjdi,  Bf. 
verezje  idjui,  Bb.  verezjiidhajdi  lesen;  ebenso  lesen  an  unserer  Stelle 
K.  5.  verezedjdi,  K.  4.  verezjeidjdi,  ebenso  Bf.,  Bb.  verezjeidhjdi,  K. 
11.  verezdjdi.     Demnach  stimmt  weitaus  die  überwiegende  Mehrzahl 
der  Handschriften   für  ein  jei  nach  verez.     Und  in   der  That  finden 
wir  dieses  Verbum  in  der  Regel  auch  nach  der  vierten  sogenannten 
Sanskritconjugation  mit  ^a  conjugirt;  so  conjugirt  findet  es  sich  nicht 
bloss  meist  in  den   Gdthd's    (s.  d.  Gl.),   sondern  auch  noch  in  den 
Jeshts  verezjeiti,    z.  B.  Jt.  10,    20.  21.  106.     Daher  ist  Westerg.'s 
Correctur  entschieden  zu  verwerfen.  —   Td  kann  auf  doppelte  Weise 
bezogen  werden;    erstens    auf  das  vorhergehende   vd^trjä,    zweitens 
auf  darstois  hemparstoiscd,  und  zwar  so,  dass  es  im  Allgemeinen  „die 
Dinge  des  Sehens  und  des  Unterhaltens"  ausdrückt.     Allein  da  diese 
zweite  Erklärung    gar  zu  sehr   an   eine  griechische  Redeweise  erin- 
nert,   die   im  Baktrischen   wenigstens   nicht   gewöhnlich   ist,    so    ist 
wohl   die   erstere   vorzuziehen.      Die  Genitive   stehen   an    der  Stelle 
der  Ablative,   wie  öfter,   „in  Folge  deines  Sehens   und  deiner  Be- 
fragung oder  Unterhaltung",  nämlich  des  Ahura-mazda,     Dieser  ver- 


200       Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  33,  6.  7. 

langt  von  seinen  Dienern  Bebauung  des  Feldes.     (Das  toi  verbindet 
man  am  besten  mit  darstoisca  hemparstoiscd.)     S.  c.  29. 

V.  7.  A  qaethjdcd.  K.  9.  hat  qaithjdcd  und  K.  4.  qaitjdcd;  mit 
d  verbunden  qaethjdcd  in  K.  5,  6,  11.  In  Bb.  fehlt  dieses  d.  Die 
Erklärung  bietet  grosse  Schwierigkeiten.  Gehen  wir  rein  diploma- 
tisch zu  Werke,  so  ist  die  Lesung  qaethjdcd  als  durch  die  meisten 
Handschriften  verbürgt,  entschieden  vorzuziehen.  Das  d  ist  eine 
Präposition  und  steht  an  der  Stelle  des  Imperat.  didüm,  kommt 
herzu!  Derartige  Wiederholungen  der  Präpositionen  statt  des  gan- 
zen Verbum  mit  Präposition  sind  in  der  Sprache  der  Gdthd's  nicht 
selten  (s.  d.  Gr.).  Vahistd  ist  ein  Vocativ  und  zwar  im  PI.  neutr.; 
damit  parallel  ist  qaethjd,  Nerios. :  dnane,  im  Munde,  Gesichte. 
Dieser  Verbindung  nach  ist  es  ebenfalls  ein  Ädjectiv  im  Neutr.  pl. 
Würde  nicht  der  ganze  Zusammenhang  entschieden  für  diese  Auf- 
fassung sprechen,  so  könnte  man  es  als  Instrumental  eines  Subst. 
qaethi  nehmen.  Die  sichere  Deutung  wird  noch  dadurch  erschwert, 
dass  es  sich  sonst  nirgends  im  ganzen  Zendawesta  findet.  Dagegen 
treffen  wir  doch  lautlich  nahverwandte  Worte,  wie  qaetu  und  qitt 
Das  erstere  bezeichnet  den  Eigenen,  Blutsverwandten  (s.  Gl.); 
von  diesem  könnte  es  indess  nicht  unmittelbar  abgeleitet  seyn,  da 
ein  Ädjectiv  davon  qaetava  oder  doch  qactavja  lauten  muss.  Am 
besten  führt  man  es  auf  qiti  zurück,  wovon  es  eine  Adjectivbildung 
des  Sinnes:  die  Eigenen,  ist  (s.  zu  30,  11).  —  Dare^atacd. 
Westerg.  schreibt  dareshatcd,  ohne  eine  einzige  Variante  anzugeben. 
Bf.  hat  dar^adhcd  und  Bb.  dargadhacd.  Die  Westergaard'sche  Schrei- 
bung lässt  sich  indess  nicht  rechtfertigen,  da  sich  dadurch  auf  keine 
Weise  ein  guter  Sinn  gewinnen  lässt;  denn  dareshat  führt  auf  die 
Wurzel  dare*A  =  skr.  dhfsh  zurück,  deren  Bedeutung,  wagen,  an- 
greifen, hieher  gar  nicht  passt;  ferner  ist  die  Endung  at  zu  be- 
anstanden; diese  könnte  Ablat.  sing,  und  das  Part.  act.  im  Neutr. 
sing,  seyn;  aber  weder  das  Eine  noch  das  Andere  stimmt  zu  va- 
histd qaethjdcd,  mit  denen  dieses  dareshat  doch  durch  cd  verbun- 
den ist  und  gleichen  Casus  haben  muss.  Dagegen  giebt  das  von 
mir  aus  Bb.  corrigirte  daregatacd  einen  sehr  guten  Sinn.  Dieses  ist 
von  dareg  ein  Verbaladjectiv  „sichtbar",  und  ebenfalls  Neutr.  plur. 
Im  Weda  findet  sich  das  entsprechende  dar^ata  sehr  häufig,  „sicht- 
bar, ansehnlich".  Alle  drei  Adjective  beziehen  sich  auf  ashd.  —  Ja 
^riije  pare  magaono  Nerios.:  ja  uktd  ^sti  parama-mahattajd ;  ^ruj e  \si 
demnach  als  3.  Person  sing.  perf.  pass.  gefasst,  was  es  formell  nicht 
seyn  kann;  es  ist  vielmehr  die  1.  Person  sing,  praes.  pass.  c=3  au- 
dior;  jd  ist  nicht  Nom.  Acc.  plur.  neutr.,  sondern  Instrumental  des 
Sing.,  sich  auf  vohu  mananhd  zurückbeziehend,  „dass  ich,  mit  die- 
sem begabt,  gehört  werde".  —  Pare  kann  nur  paro,  skr.  puras, 
vorn,  vor,  seyn;  mit  skr.  jjam^  der  Andere,  Vorzügliche,  lässt 
es  sich  wegen  des  Genitivs  magaono  nicht  wohl  identifiziren ;  auch 
spricht  34,  5  entschieden  gegen  solche  Auffassung.     Am  richtigsten 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  33,  7.  8.       201 

nimmt  man  es  hier  als  coram,  Angesichts,  vor  dem  magava.  Paro 
regiert  dagegen  ganz  passend  den  Genitiv,  wie  das  entsprechende 
para  des  jungem  Dialekts  in  Ja9.  19,  2  den  Ablativ.  Nun  handelt 
es  sich  um  die  Bedeutung  von  magaono;  der  Form  nach  ist  diess 
nur  der  Gen.  von  magavan.  Es  heisst  seiner  Ableitung  nach  eigent- 
lich mächtig,  stark,  im  Weda  ist  es  häufig  ein  Beiwort  der  Göt- 
ter; dagegen  im  Zendawesta,  wo  es  sich  nur  selten  findet,  ist  es 
ein  Name  der  Anhänger  und  Verkündiger  der  Lehre  Zarathustra's, 
wie  unzweifelhaft  aus  51,  15  hervorgeht.  Die  alte  wedische  Bedeu- 
tung hat  es  nicht  mehr.  Ein  richtiges  Verständniss  desselben  kann 
bloss  durch  eine  genaue  Erklärung  seines  Etymons  maga  gewonnen 
werden.  Dieses,  dem  wedischen  magha,  Macht,  Reichthum,  Gut, 
entsprechend,  bezeichnet  in  den  Gdthas  deutlich  das  Werk  Zara- 
thustra's ,  seine  neue  Religion ;  gewöhnlich  hat  sie  noch  das  Prä- 
dikat mazy  gross,  so  29,  11.  46,  13.  51,  11.  Dieselbe  wird  als 
eine  grosse  geistige  Macht  aufgefasst,  die  allein,  ohne  Beihilfe  äusserer 
Gewalt,  durch  die  blosse  Kraft  der  ihr  inwohnenden  Wahrheit,  im 
Stande  ist,  die  Menschen  zu  durchdringen.  Der  magava  ist  dann 
derjenige,  der  diese  geistige  Macht  vorzüglich  besitzt  und  dadurch 
wirkt.  Für  magaono  liest  K.  5.  magdno;  eine  Lesung,  die  viel  für 
sich  hat,  namentlich  wenn  man  ^raoshan  von  ^raosha,  maretan  von 
mareta  etc.  bedenkt.  —  Der  Dual  ndo  im  letzten  Gliede  scheint 
wenigstens  so  viel  zu  beweisen,  dass  ausser  dem  Sprecher  noch  ein 
Anderer  hier  genannt  oder  gemeint  ist;  dieser  kann  nur  der  Ma- 
gava seyn.  Da  nun  Kava  Vistäcjpä  46,  13  ein  Förderer  des  gros- 
sen Werkes  (maga)  Zarathustra's  genannt  und  er  auch  sonst  mit 
ihm  zusammengenannt  wird  (c.  28,  8),  so  ist  leicht  abzusehen,  dass, 
da  unter  dem  Magava  hier  eine  bestimmte  Person  verstanden  wer- 
den muss,  Vistä9pä  gemeint  seyn  kann.  Doch  lässt  es  sich  auch 
auf  Zarathustra  selbst,  der,  als  Urheber  und  Gründer  des  maga,  der 
magava  im  vorzüglichsten  Sinne  war,  beziehen.  —  Rdtajo  kann  nur 
auf  i\\Q,  Asha's  oder  Wahrheiten  bezogen  werden.  Zuerst  sind  sie 
direkt  in  der  2.  Person  Imper.  und  hier  in  der  3.  Tmper.  angerufen 
(s.  S.  92). 

V.  8.  Fro  —  arethd  td  Nerios. :  prakrshtam  mahjam  prakfshtam 
nivedanam  —  dehi  njdjam  tad  dvitajam;  das  doppelte  njdja  wird  er- 
klärt durch  AvistuTtham  (Avesta-ZeiidJ,  wie  so  häufig.  Ueber  arethd 
s.  das  Gloss.;  über  shavdi  s.  zu  shavaite  29,  3.  —  Haurvatdo  draono 
Nerios.:  sarvapravfttah  avirdadasja  utsavah.  Die  Bedeutung  des  drao?io 
anlangend,  so  ist  zu  vergleichen  Jt.  19,  7 :  javat  anu  aipi  düi  ga- 
rajo  visagiare  vit^pem  avat  aipi  draono  bazat  athauriuiaeca  rathaestdica 
vdgirjdica  fshujailte,  auf  wie  lange  die  ganze  Ausdehnung  in  Bezug 
auf  die  Berge  dauert  (Bestand  hat),  auf  so  lange  giebt  sie  die 
Draono  dem  Priester   und  dem  Krieger    \ind  dem  Bauern  ^).     Vcr- 


*)  In  dem  Anfang  des  Zcmjäd- Jcsht  (19)  ist  von  der  Entstehung  der 


202  Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  J.     Cap.  33,  8. 

gleiche  ferner  Ja^.  10,  15:  avanharezdmi  gaiijois  wiäm  mairjajdo  — 
iä  tat  jat  haomahe  draono  nigdohhenti  i)  nishidkaiti ,  ich  entlasse 
Vernichtung  (=«  ich  verwüste)  der  tödtlichen  Mörderin  (wohl 
die  drukhs  nagus);  die  das  Draono  des  Haoma  schlagen  wollen, 
bringt  er  zur  Ruhe.  Ja9.  11,  4:  wf  me  pita  haomdi  draono  fre- 
reJiaot  ahurö  masddo;  ashava  hamiharene  mat  hizvo  hojümca  doithrem, 
mir,  dein  Homa,  Hess  der  Vater  Ahura-mazda,  der  Wahrhaftige,  das 
Draono  entstehen,  um  zu  bewachen  die  Zunge  sowohl  als  das  linke 
Auge.  V.  5 :  j6  mäm  tat  draono  zandt  vd  terefjdt  ^)  vd  apa  vd  jd- 
^diti  jat  me  dathat  ahiiro  mazddo  ashava  hanuharene  mat  hizvo  ho- 
jümca doithrem,  noit  ahmi  etc.,  wer  an  mir  dieses  Draono  schlägt 
oder  belügt  oder  verwünscht,  welches  mir  Ahura-mazda  der  Wahr- 
haftige gab,  um  die  Zunge  sowohl  als  das  linke  Auge  zu  bewachen, 
so  wird  in  diesem  Orte  kein  Priester  geboren,  noch  ein  Krieger,  noch 
em  Landbauer,  sondern  es  werden  an  diesem  Orte  schädHche  Thiere, 
Ameisen,  viele  giftige  Schlangenarten  erzeugt.  Vend.  13,  45  heisst 
es  bei  der  Vergleichung  der  Eigenschaften  des  Hundes  mit  denen 
eines  Priesters:  aesho  kagu  draono  jathd  dthrava,  dieser  hat  ein  klei- 
nes Draono  wie  der  Priester.  Vend.  13,  39:  viro-draonanhem ,  ein 
Prädikat  des  Hundes.  Nach  dem  Lexikon  Burhdn-i  qdti  ist  das 
lautlich  dem  draono  entsprechende  darun  „ein  Gebet,  das  die  Mager 
zum  Lobe  Gottes  und  des  Feuers  hersagen  und  über  die  Speisen 
sprechen,  ehe  sie  essen '^  Hiemit  stimmt  auch,  was  Anquetil  von 
der  Darunsfeier  erzählt,  bei  der  der  Priester  Blumen,  Früchte,  Wein 
und  namentHch  Brode  einsegnet  durch  bestimmte  Capitel  des  Ja9na. 
Die  angeführten  Stellen  sprechen  aber  nicljl»  für  diese  Bedeutung, 
namentlich  nicht  die  wichtige  J.  11,  4.  5.  Nach  dieser  ist  das 
Draono  von  Ahurd-mazda  selbst  geschaffen,  um  die  bösen  Zungen 
und  die  schädlichen  Blicke  zu  bewachen,  damit  deren  nachtheilige 
Folgen  zerstört  werden.  Hieraus  geht  klar  hervor,  dass  von  etwas 
Concretem  und  nicht  von  einem  abstracten  Begriff  die  Rede  ist. 
Die  blosse  Wirkung  des  Homa  kann  hier  nicht  gemeint  seyn,  son- 
dern etwas,  was  einen  Theil  seines  eigenthümlichen  Wesens  aus- 
macht oder  am  Ende  sein  Wesen  selbst  ist,  dessen  Zerstörung 
die   allern  achtheiligsten  Folgen   hat,    wie   die  Entstehung  Ahrimani- 


Berge  die  Rede  (man  vgl.  hierüber  Bundehesh  S.  21,  9  —  25,  11  Westerg.), 
deren  viele  mit  Namen  genannt  sind.  Auf  diese  Mannigfaltigkeit  und  weite 
Ausdehnung  der  Berge  bezieht  sich  visaQtare  von  vi  +  Qfd,  mit  Reduplic, 
(das  ursprüngliche  s  für  h  wegen  des  unmittelbar  vorhergehenden  Vocals); 
auch  kann  es  von  vi  +  Qtar,  streuen,  abgeleitet  werden,  ohne  dass  der 
Sinn  eine  wesentliche  Aenderung  erleidet.  Aipi  gehört  das  erstemal  zu 
javat ,  das  zweitemal  zu  avat,  man  vgl.  die  Phrase  aipi  zrvdnem. 

^)  Nigdohhenti  ist  von  gan  abzuleiten  und  zwar  vom  Desiderat,  ganh; 
das  ursprungliche  g  ist  für  den  Palatal  eingetreten,  wie  öfter. 

')  Dieses  Siiz.  XcYOfx.  findet  am  besten  seine  Erklärung  im  neupersischen 
(XxsJiy  Lüge,  Betrug.    Vielleicht  ist  lat.  terebrum,  terebrare,  verwandt. 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  L    Cap.  33,  8.         203 

scher  Geschöpfe.  Eine  genaue  Angabe,  was  speziell  unter  diesem 
draono  zu  verstehen  ist ,  dürfte  kaum  möglich  seyn.  Ein  blosser 
Segen  ist  es  hier  gewiss  nicht.  Am  richtigsten  wird  wohl  darunter 
die  ganze  Homapflanze  oder  wenigstens  deren  Stengel  und 
Saft  verstanden.  Hiezu  lässt  sich  auch  leicht  eine  sehr  passende 
Etymologie  finden.  Der  Bildung  nach  Neutr.  auf  anh  =  as,  Nom. 
0,  wie  aus  allen  Stellen  genugsam  erhellt,  hat  es  gewiss  seinen 
nächsten  Verwandten  im  wedischen  drona,  ein  hölzernes  Gefäss, 
namentlich  die  Somakufe,  aber  es  ist  nicht  damit  identisch  (wir  fin- 
den dieses  dagegen  ganz  deutlich  in  dem  Abi.  drondt  Vend.  5,  25, 
in  diesem  Sinne  ist  noch  zu  vergl.  das  neupers.  ,^^^^>  Getreide- 
mass).  Demnach  bezeichnet  es  etwas,  was  sich  aufs  Holz  bezieht. 
Ist  drona  das  Hölzerne,  so  ist  das  davon  abgeleitete  draono  == 
einem  vorauszusetzenden  dronas,  das  Gehölze.  Dieses  lässt  eine 
zweifache  Deutung  zu;  einmal  kann  man  darunter  die  Holzfasern 
des  Homa  oder  den  darin  enthaltenen  Saft  verstehen,  andererseits 
auch  alle  die  hölzernen  Geräthschaften ,  welche  bei  der  Bereitung 
des  Homa  gebraucht  werden.  Der  Umstand,  dass  Ahura-mazda  das 
draono  entstehen  Hess,  dass  er  es  gegeben  und  gerade  darein 
die  Uebelabwehrende  Kraft  gelegt  hat,  spricht  indess  entschieden 
für  die  erstere  Annahme.  Denn  gerade  im  Safte  oder  eher  in  dem 
daraus  bereiteten  Tranke  liegt  Homa's  hohe  Kraft.  Aus  dieser 
Bedeutung  „Saft,  Trank  des  Homa"  lassen  sich  auch  die  andern 
leicht  ableiten.  Jt.  19,  7  bezeichnet  es  deutlich  „Glück,  Segen", 
eigentlich  die  geheimnissvolle  Kraft  des  Segens,  den  das  Bereiten 
und  Trinken  des  Homasaftes  verleiht ,  welche  Bedeutung  ihm  im 
darün  der  Parsen  geblieben  ist.  Dieselbe  hat  es  auch  an  unserer 
Stelle  ^).     Die  Verbindung  anlangend,   so  ist  es   als  Acc.  abhängig 


')  In  Vend.  13,  39  ist  virö-draonanhem  vom  Hunde  gesagt,  „der  die 
Menschen  beglückt",  insofern  er  sie  beschützt,  gerade  wie  das  draono  des 
Homa.  In  13,  45  ist  es  wohl  äusseres  Glück,  Vermögen.  Der  Hund 
hat  nur  wenig  äusseres  Bedürfniss,  er  bedarf  wenig  Nahrung,  wie  der  Prie- 
ster. —  Man  könnte  leicht  versucht  seyn,  dem  Worte  eine  andere  Ableitung 
zu  geben,  da  sich  lautlich  nahverwandte  Wörter  auch  sonst  im  Zendawesta 
und  im  Sanskrit  finden.  So  treffen  wir  in  den  Jeschts  sehr  häufig  drvdo, 
fem.  drvaiti  (in  Dat.  plur.  drvaiUbjö  Jt.  10,  93),  Gen.  drvatö,  Acc.  drvan- 
tem,  Nom.  pl.  drvantö,  Gen.  drvatäm,  Dat.  drvatac\  Abi.  drvatat  Jt.  5,  93. 
11,  5.  19,  93.  22,  19.  10,  38.  45.  69  u.  s.  w.,  eine  Bezeichnung  der  bösen 
Geister  (das  "laim  des  Bundehesh,  darvdnt  im  Pärsi),  von  dru,  laufen, 
rennen,  also  eigentlich  Läufer,  Renner,  weil  sie  als  an  unheimlichen 
Orten  hin-  und  herrennend  gedacht  werden;  davon  die  Abstr.  draoma  (im 
Dat.  draomöbjd  Jt.  10,  93  und  Locat.  draomöhu  13,  57)  und  drvatd  (im 
Dat.  drvatajdi  Jt.  4,  4),  Lauf,  Anlauf,  von  den  Anläufen  der  bösen  Gei- 
ster (man  s.  hierüber  hauptsächlich  Bundeh. ,  c.  3,  S.  8  Westerg.).  Grund- 
verschiedenen Ursprungs  und  auch  ganz  verschiedener  Bedeutung  ist  drvö, 
Gen.  drvahö  Jt.  13,  134.  19,  75,  namentlich  als  erster  Theil  eines  Compo- 
situms,  z.  B.  drvd-cashman  von  Tistrja  Jt.  8,  12,  drvo-Qtaoräm ,  drvö- 
urvathatn,   drvö  -  aperendjukäm  J.  9,    1   von  der  drvd^pd,    einer  guten, 


204       Hang,  diu  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  33,  8.  9. 

von  dem  Imperativ  data.  Ameretdta^cd  und  haurvatäo  lassen  sich 
aber  wegen  des  ve  nicht  als  Vocative  fassen ,  sondern  das  erstere  ist 
ein  Acc.  plur.,  letzteres  ein  gekürzter  Gen.  sing.,  von  draono  ab- 
hängig. Das  Subject  zu  dem  Plural  in  data  ist  mazdä,  der  ja  bald 
in  der  Einheit,  bald  in  der  Mehrheit  angerufen  wird;  vgl.  khshmd- 
vato,  eigentlich  euer  für  deiner  im  zweiten  Gliede. 

V.  9.  Toi,  deiner,  bezieht  sich  auf  Mazda;  der  Gen.  ist  von 
hdkurenem  im  letzten  Gliede  abhängig.  —  Tem  mainjüm.  Für  tem 
hat  K.  6.  tum,  welche  Lesung  wohl  nur  aus  Accommodation  an  die 
Endung  um  in  mainjum  entstanden  ist.  Dem  Sinne  nach  würde 
„deinen  Geist"  vortrefflich  passen,  aber  die  Autorität  der  Hand- 
schriften und  die  Schwierigkeit,  tum  als  ein  Possessivum  der  zweiten 
Person  zu  fassen,  nöthigen  uns,  bei  der  hergebrachten  Lesart  zu  blei- 
ben. Tem  weist  indess  auf  nichts  im  frühern  Verse  zurück,  son- 
dern hebt  nur  stark  den  Begriff  „mainjus^'  hervor.  Der  Acc.  mainjum 
kann  nicht  von  hacaiiiti  im  letzten  Gliede  des  Verses  abhängen,  wie 
ich  lange  glaubte,  obschon  hac  wirklich  mit  dem  Acc.  construirt  wird 
(48,  4.  \  2),  sondern  muss  mit  ashaokhshajaiitjdo  verbunden  werden.  — 
Ashaokhshajantjdo  (Nerios.:  punjavardhajitdrah  vapushi  manushasja). 
So  schreibe  ich  für  ashaokhshajantdo  oder  -rttd  (wenigstens  Bb.  hat 
so)  der  Mss.  Diese  Form  ist  nämlich  ungrammatisch;  sie  setzte  ein 
Thema  ashaokhshajanta  voraus,  das  aber  auf  keine  Weise  genügend 
zu  erklären  wäre;  denn  der  zweite  Theil  dieses  zusammengesetzten 
Wortes  aokhshajarit  enthält  augenscheinlich  ein  Part,  praes. ;  dieses 
kann  aber  weder  im  Masculinum  noch  im  Femininum  eine  Form 
ashaokhshajantdo ,  wohl  aber  im  Gen.  sing,  oder  dualis  des  Femin. 
ashaokhshajantjdo  bilden.  Letztere  Form  stimmt  vollkommen  zu 
garedjajdo,  das  ebenfalls  ein  Gen.  sing,  oder  dual.  fem.  ist.  Auch 
wenn  man  es  als  Nomin.  plur.  fem.  fassen  wollte,  könnte  es  doch 
nicht  ashaokhshajantdo,  sondern  müsste  wenigstens  ashaokhshajantjdo 
heissen,  denn  das  Femininthema  des  Partie,  praes.  ist  anti,  vergl. 
ukhshjiintjdo  (Nom.)  Jt.  13,  140,  Prädikat  von  ndirjdo  (Weiber). 
Die  Erklärung  Nerios.'s:  „Vermehrer  des  Reinen",  ist  im  Ganzen 
richtig.  —  (^aredhjajdo  (Nerios.:  svdmitvam  ddtdrah  pdrthivatvam,  als 
ob  es  von  ^ara,  Haupt,  und  da,  geben,  käme)  bietet  der  Erklä- 
rung mehr  Schwierigkeiten.      Dieses  ist    der  Gen.  sing,  femin.  oder 


schützenden  Genie;  drvah^  paiti  aogahhö  Jt.  13,  134.  19,  75  in  gutem 
Sinne;  davon  das  Abstrat,  drvatdt,  Acc.  drvatdtem,  Gen.  drvatäto,  vom 
Wohlbefinden  des  Körpers  Jt.  5,  53.  10,  94.  108,  welches  die  Fravashi  ver- 
leihen 13,  24.  40;  auch  Verethraghna  14,  29.  Dieses  findet  sich  noch  im 
neupersischen  \^\ö  .^  fest,  und  4>«5t>,  Lobpreisung  Gottes,  Erflehung 

des  Guten  oder  Abwehr  des  Bösen.  Die  ursprüngliche  Bedeutung  des  zen- 
dischen  drvatdt ,  welches,  wie  drvo,  auf  die  skr.  Wurzel  dhru,  fest  seyn 
{dhruva,  fest),  zurückzuführen  ist  und  demnach  Festigkeit  und,  vom 
Körper  gesagt,  die  Gesundheit  desselben  bedeutet,  ist  hier  verwischt.  Nicht 
zu  dieser  Sippe  gehört  drvd  Jt.  24,  50.  51.     Dieses  bedeutet  Holz. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  L    Cap.  33,  9.         205 

auch  Gen.  dualis  eines  Adjectivs  ^aredhja,  das  nur  von  einem  Subst. 
^ared,  oder  ^areda,  ^aredha  abgeleitet  werden  kann.  Ob  d  oder  dh 
zu  schreiben  ist,  kommt  bei  der  häufigen  Verwechshing  dieser  Buch- 
staben gar  nicht  in  Betracht.  Wir  finden  nun  zwei,  der  Ableitung 
und  Bedeutung  nach  verschiedene  ^aredha  im  Zendawesta.  Das  eine 
ist  das  bekannte  Wort  für  Jahr,  im  Neupers.  zu  sdl  versti'immelt, 
identisch  mit  dem  wedischen  ^arad,  Herbst  (für  Jahr),  das  andere 
heisst  Art,  Geschlecht,  so  geus  ^aredhanäm,  Arten  des  Viehs 
Vend.  2,  27  W.,  poiiru-^aredhö,  vielartig,  von  giftigen  Schlangen 
J.  11,  6,  von  den  Heilkräutern  viraodha  (Wed.  virudh)  J.  10,  12. 
Im  Neupersischen  lässt  es  sich  nicht  mehr  auffinden,  wohl  aber  ist 
es  sehr  häufig  im  Pehlewi,  namentlich  im  Bundehesch;  hier  lautet 
es  "TD^O,  sartak,  und  bedeutet  Geschlecht,  Art,  so  Bundeh., 
S.  28,  1.  7  W.  Im  Weda  entspricht  ^ardhas  oder  ^ardha,  nach  den 
Nighant.  ein  balandma ,  aber  oft  von  den  Marut's  im  Sinne  von 
Seh  aar  gebraucht.  An  unserer  Stelle  würde  ^aredhja  sowohl  nach 
der  Ableitung  von  garedha,  Jahr,  als  von  ^aredha,  Art,  einen  pas- 
senden Sinn  geben.  Erklärt  man  es  auf  erstere  Weise,  so  heisst 
es  die  jährlichen.  Dem  Sinne  nach  würde  dieses  ^aredhjajdo 
ganz  mit  jdirjajdo  zusammenfallen  Dieses  treffen  wir  G.  4,  2.  Jt. 
2,  58  als  Prädikat  von  hushiti,  Af.  1,  1  von  den  ratu's,  den  Vor- 
stehern der  einzelnen  Tage,  Monate  und  Jahre.  Hushiti  steht  Jt. 
4,  0,  eine  Stelle,  die  im  Jüngern  Ja9na  öfter  wiederkehrt,  in  Ver- 
bindung mit  haurvatdt ,  der  Genie  der  Ganzheit  und  Gesundheit, 
und  bezeichnet  wohl  das  irdische  Wohlergehen,  eigentl.  gute  Woh- 
nung, mit  dem  Prädikat  ^(«V/a ,  wofür  wir  auch  den  Intrum.  Dat. 
(;arcdhaebj6  haben,  „das  das  ganze  Jahr  hindurch  dauernde  Glück". 
Da  sich  nun  die  Femininform  ^aredhjajdo  grammatisch  nur  auf 
haurvatdo  im  letzten  GHede  des  vorigen  Verses  beziehen  lässt,  so 
wird  das  Wort  gewiss  am  richtigsten  von  ^aredha  abgeleitet  und  als 
das  ganze  Jahr  hindurch  dauernd  erklärt.  Noch  ist  die  Frage, 
die  auch  für  ashaokhshajantjdo  gilt,  ob  es  Gen.  sing,  oder  dual.  ist. 
Der  Bildung  nach  sind  es  nur  Gen.  sing,  von  Femininthemen.  Da 
aber  diese  Formen  auch  für  den  Gen.  dual,  gebraucht  werden,  wie 
ajdo  30,  5  und  jajdo  45,  2  ganz  deutlich  zeigen,  welche  beide  auch 
im  letzten  Gliede  stehen ,  und  die  Haurvat  gewöhnlich  mit  Ameretat 
zusammen  ein  Paar  bildet,  so  nehme  ich  keinen  Anstand,  hier  Gen.  dual, 
anzunehmen.  Abhängig  sind  alle  diese  Gen.  von  hdkurenem  im  letzten 
Gliede.  —  Ausser  den  zwei  eben  besprochenen  Prädikaten  haben 
wir  in  diesem  Verse  noch  vier  Instrum. ,  die  ebenfalls  eine  nähere 
Beschreibung  des  Wesens  der  beiden  Kräfte,  Ameretdt  und  Haurva- 
tdt, geben.  Qdthrd,  eigentlich  von  eigenem  Feuer,  d.  i.  von 
eigenem,  angeborenem  Glänze,  im  Gegensatze  zum  gegebenen,  erst 
mitgetheilten,  wird  in  den  Gdthd's  von  Ahura-mazda  gebraucht  und 
passt  auch  auf  ihn  am  besten.  —  Maethd  (Nerios.:  ghatajitdrah) 
kommt  eigentlich  nur  in  den  Gdthd's  vor  und  ist  gerade  wegen  sei- 
nes seltenen  Vorkommens  etwas  schwer  zu  erklären.     Man  kann  es 


20G  ITaug,  die   Gdthäs  des  Zarathustra.   I.    Cap.  33,  9. 

mit  mitha,  maethana,  miti,  majd  zusammenbringen;  Wörter,  die,  von 
verschiedener  Bedeutung,  auch  auf  verschiedene  Wurzeln  zurückzu- 
führen sind.  Mitha  heisst  sicher  Lüge  (s.  S.  141),  desshalb  lässt  es 
sich  hiemit  nicht  zusammenbringen ;  maethana  findet  sich  nur  in 
den  spätem  Stücken  des  Zendawesta  und  bedeutet  Wohnung, 
Aufenthalt  (von  der  Warte  des  Mithra  Jt.  10,  44.  50.  79.  81. 
137;  vgl.  13^  67.  8,  1);  das  Verbum  mithnditi  heisst  wohnen, 
weilen,  Jt.  10,  39.  40;  die  Wurzel  ist  meth,  begegnen  (eigent- 
lich   sich    stossen);    müi  in   upa-miti,     Erwartung    (neupersisch 

f 
ö<^}  Hoffnung),  ist  von  mdy  messen,  abzuleiten;  über  majdy  s. 
gleich  nachher.  Suchen  wir  Wurzeln,  so  bietet  das  Sanskrit,  ausser 
dem  erwähnten  meth,  noch  mi,  jacere,  und  md,  delere;  und  im  Ja9na 
selbst  finden  wir  Verbalbildungen  von  einer  Wurzel  md  und  wii, 
messen,  d.i.  schaffen,  sowie  m6ith  =  meth  in  zwei  verschiedenen 
Bedeutungen  (betrügen  und  einschlagen,  s.  Gl.).  Bei  diesen 
vielen  möglichen  Ableitungen  wird  hauptsächlich  der  Sinn  und  Zu- 
sammenhang, in  dem  sich  das  Wort  im  alten  Ja9na  findet,  entschei- 
den müssen.  Diese  stimmen  nun  für  eine  Identification  mit  maethana, 
Wohnung,  also  für  eine  Ableitung  von  meth  in  dem  Sinne  von 
Ort.  —  Für  mdjd  lesen  Bf.  und  Bb.  mahjd ,  eine  Lesung,  die 
schlechterdings  hier  keinen  Sinn  giebt;  es  könnte  nämlich  nur  ein 
Genitiv  des  Pron.  der  ersten  Person  seyn.  Aber  die  Lesart  majd 
hat  auch  ihre  Bedenken.  In  der  Parallelstelle  43,  2  haben  alle 
Handschriften  mdjd  oder  mdjdo.  Indess  finden  wir  im  übrigen  Zend- 
awesta auch  die  Form  maja,  so  z.B.  J.  10,  12:  d  te  (haomaj  bae- 
shaza  iririthare  vanheus  mananho  majdbjo,  in  dir  (dem  Homa)  sind 
die  Heümittel  begraben  für  die  Schöpfungen  des  guten  Geistes  (des 
Bahman,  der  die  Thiere  beherrscht).  Die  Bedeutung  des  Wortes 
(Nerios.  hat  pramanena)  ist  nun  an  dieser  Stelle  die  gleiche,  wie 
43,  2,  nämlich  Schöpfung,  von  md,  messen,  schaffen.  In 
gleichem  oder  ähnlichem  Sinne  finden  wir  die  Derivate  mdjus  Jt. 
10,  52,  ein  Beiwort  des  Jazata  Nairjo-^anha,  und  mdjavat,  eines 
der  Vögel  Jt.  22,  16.  34.  Dass  der  Genius  Nairjo-^atiha  Beziehung 
zur  Zeugung  hat,  beweisen  namentlich  einige  Sagen  des  Bundehesch, 
wie  S.  33,  7.  8  (er  hielt  Aufsicht  über  zwei  T  heile  vom  Saaraen 
des  Gajomart),  und  80,  1.  7  fg.  (er  bewahrt  den  auf  die  Erde  ge- 
fallenen Saamen  Zoroaster's).  Desshalb  kann  das  Prädikat  mdja 
mit  „schöpferisch"  übersetzt  werden.  Von  den  Vögeln  gesagt, 
heisst  mdjavat  „sich  fortpflanzend".  Wollen  wir  die  entsprechenden 
Wörter  des  Sanskrit  und  Pärsischen  noch  herbeiziehen,  so  bietet 
uns  das  erstere  mdjd,  was  aber  eine  etwas  abweichende  Bedeutung 
hat,  nämlich  Weisheit,  namentlich  eine  geheimnissvolle  Zauberei, 
später  Täuschung,  Trug  (der  Urbegriff  ist  der  „der  innern 
Schöpfung"),  das  Pärsi  hat  mdjeh,  Ursprung,  Abkunft.  Da  sich 
nun  für  majd  schlechterdings  keine  eigene  besondere  Bedeutung 
nachweisen  lässt,  sondern  dieselbe  mit  der  von  mdja  zusammenfällt. 


Hmig,  die  Gdthas  des  Zarathusira.  I.    Cap.  33,   9.  10.       207 

so  ist  in  Rücksicht,  dass  in  den  meisten  Stellen,  wo  sich  das  Wort 
und  seine  Derivaten  finden,  md"  für  ma"  geschrieben  wird  und  die 
nächstverwandten  Sprachen  ganz  hiefür  sprechen,  auch  an  unserer 
Stelle  mdjd  zu  schreiben.  —  Baretä  (Nerios. :  avikrta  unverändert). 
Auf  den  ersten  Anblick  ist  man  leicht  versucht,  es  für  eine  3.  Per- 
son sing.  Imperativi  der  Wurzel  bar,  tragen,  zu  nehmen.  Aber 
diese  dritte  Person  lässt  sich  dem  Sinn  und  Zusammenhange  nach 
nicht  rechtfertigen;  denn  erstens  fehlt  ein  Subject,  das  Subject  des 
ganzen  Satzes  ist  urvano,  welcher  Plural  nicht  wohl  mit  dem  Sing, 
verbi  construirt  werden  kann;  zweitens  Hesse  sich  auch  kaum  ein 
Object  finden,  denn  qdthrd,  mdjd  etc.  dürften  nicht  als  Accusative 
gefasst  werden.  Aus  diesen  Gründen  nehmen  wir  baretu  als  ein 
Substantiv  und  stellen  es  in  gleiche  Reihe  mit  qdthrd  mdjd.  Als 
solches  ist  es  zwar  ein  aTU.  XsycfJisvov,  aber  der  Sinn*Klesselben  ist 
leicht  auf  etymologischem  Wege  zu  ermitteln.  Von  der  Wurzel  barey 
tragen,  abgeleitet,  heisst  es  eigentlich  „das  Tragen,  die  Tragung**; 
aber  nicht  in  dem  Sinne  von  barethri  (Trägerin,  d.  i.  Erzeugerin), 
sondern  es  ist  das  Tragen  eines  bestimmten  geistigen  Gepräges, 
die  Naturanlage  und  der  Charakter.  Gerade  diese  Bedeutung 
hat  das  derselben  Wurzel  entstammende  armenische  barq  (Plur.). 
Man  könnte  nämlich  qdthrd  maethd  mdjd  als  Nominative  nehmen, 
wonach  sie  nur  Namen  verschiedener  urvdno  wären.  Eei  maethd 
mdjd  hätte  diess  weiter  gar  keine  Schwierigkeit ,  auch  nicht  bei 
qdthrd j  denn  diese  Form  wäre  dann  nur  Femin.  vom  Masc.  qdthrd 
oder  qdthre  (s.  Gloss.);  aber  baretu  würde  sich  dann  nicht  in  die 
Reihe  fügen,  denn  dieses  zu  einem  Nominativ  zu  stempeln,  wäre 
gegen  die  Grammatik,  und  als  3.  Person  Imper.  Hesse  es  sich  auch 
bei  dieser  Verbindung  nicht  fassen.  Wir  thun  desshalb  am  besten, 
bei  der  zuerst  vorgetragenen  Erklärung  zu  bleiben.  —  Aroi  (Ner. : 
saittpurna^.  Hiefür  lesen  K.  5,  6,  9  aroi;  allein  da  in  den  Parallel- 
stellen droi  mit  d  sich  findet,  ohne  dass  Varianten  angegeben  sind 
und  kein  droi,  sondern  nur  ein  arem  sonst  vorkommt,  so  dürfen  wir 
bei  der  Lesung  droi  bleiben.  Ueber  die  Bedeutung  s.  Gloss.  und 
zu  34,  4.     Ueber  hdkurenem  s.  Gloss. 

V.  10.  Zu  hugttajo  vgl.  Jt.  22,  42;  merezu-gitajö  23,  1;  vohu- 
^itiy  ug-gitiy  daregem-giti,  Wurzel  ^i,  siegen,  das  gewinnen;  dem- 
nach ist  giti  Gewinn,  Habe,  Gut.  Nerios.  hat  sugtvanajah,  wo- 
nach er  es  wohl  von  der  Wurzel  ^iv  ableitet;  aber  diese  Ableitung 
ist  wegen  des  Fehlens  des  v  unzulässig.  —  BavaiTdi  kann  in  der 
Verbindung  mit  henti  und  donhare  nur  das  Futurum  ausdrücken; 
dasselbe  ist  45,  7  der  Fall.  Eine  besondere  Form  des  Futurums 
kennt  der  ältere  Ja^na  nicht.  Im  Jüngern  Ja9na  findet  sich  für 
die  Zukunft  eine  eigene  Form.  .1.  52,  1:  haithjdi,  baväiihjdi,  bu- 
shjäithjdi. 


208 


Haugy  die   GiUhus  des  Zarathtstra.   I.    Cap.  33,   11. 


V.  11.  Das  ca  in  mazduogca  dient,  um  ahuro  von  mazddo  zu 
trennen  und  anzuzeigen,  dass  der  stärkste  ahuro  gerade  der  mazddo 
genannte  ist.  Ausser  mazddo  sind  noch  vier  der  höchsten  Genien, 
ciie  später  als  Amesha-^pefita's  eine  Rolle  spielen,  genannt.  —  Frd- 
dat-gacthem,  hier  Prädikat  von  ashem,  ein  auch  sonst  häufig  vor- 
kommendes Compositum.  Es  ist  ein  Prädikat  des  Haoma  Jt.  8,  23, 
des  ^raosha  Jt.  11,  1,  namentlich  aber  der  Arstät  (Geradheit,  Wahr- 
heit) Jt.  2,  5.  11,  16.  21.  13,  18.  Häufig  folgt  darauf  varedat- 
gaetha,  der  die  Gaetha's  wachsen  lässt,  s.  zu  44,  10.  —  Mareiddtd 
(Nerios. :  kshamajdmi  aham;  kila  cet  pdpamüle  teshdm  sambhutam  nsti 
lad  aham  kshamajdmi')  ist  ein  Imperat.  plur.  von  marezdd.  Dieses 
ist  auf  ähnliche  Weise  zusammengesetzt  wie  jaozda,  reinigen, 
javo-ddy  Korn  machen,  pistro-dd,  zermalmen  etc.  Der  zweite 
Theil  ist  deutlich  die  Wurzel  dd,  dhd,  setzen,  machen,  thun. 
Das  erste  marez,  lässt  eine  mehrfache  Erklärung  zu.  Am  nächsten 
denkt  man  an  die  Wurzel  ?n«re,  sprechen  (sanskr.  smr),  der  wir 
öfter  im  Zendawesta  begegnen,  wovon  marez  eine  Erweiterung  seyn 
könnte,  wie  gerez,  klagen,  von  gere,  gare,  tönen,  oder  merdz, 
merenCy  tödten,  von  were,  sterben  ^).  Allein  diese  Erklärung  ist 
nicht  richtig,  denn  sie  giebt  an  unserer  Stelle,  sowie  für  das  davon 
abgeleitete  Substantiv  marezdika  oder  merezdika  oder  marzdika  kei- 
nen genügenden  Sinn.  Eine  andere  Erklärung  wäre  die  Ableitung 
von  marez  =  mfgy  abreiben,  welche  Wurzel  auch  in  der  allgemei- 
nern Bedeutung  bahnen  seil,  einen  Weg,  gehen,  Jt.  10,  95  (von 
Mithra),  Jt.  14,  21  von  Verethraghna  vorkommt^);  aber  diese  giebt 
ebenfalls  einen  wenig  passenden  Sinn.  Da  das  Verbum  marezdd  nur 
an  dieser  Stelle  und  in  Citaten  derselben,  wie  Jt.  24,  31,  sich  fin- 
det, so  thun  wir  am  besten,  wenn  wir,  um  zu  einer  sichern  Erklä- 
rung zu  gelangen,  von  dem  öfter  vorkommenden  marezdika,  marz- 
dika, das  nur  ein  Substantiv  von  marezda  ist,  ausgehen.  In  den 
Gdthd's  kommt  es  nur  einmal  vor  J.  51,  4;  Jt.  10,  5  steht  es  zwi- 
schen rafnanhe  und  baeshazjdi  und  bei  andern  Worten,  die  Hilfe, 
Heil,  Glück,  bedeuten.  Jt.  17,  15  von  der  Ashi:  frd  mäm  aiwi- 
urvae^ajanuha  merezdikem,    lass  mich  vorwärts  kommen   hin  zu  dem 


^)  Eine  Erweiterung  der  Wurzel  mere  ist  offenbar  mereth,  nur  erhal- 
ten in  merethwentem  (Accus,  sing,  der  Form  auf  vat)  Jt.  13,  84:  jaeshäm 
(amesha  Qpenta)  anjö  anjehe  urvcmem  aiwi-vacnäiti  merethwehtem  Imma- 
taeshu  merethwentem  hvarstaeshu  merethwehtem  gard  nmänem,  von  diesen 
(den  Amesha- Qpehta' s)  sieht  der  eine  die  Seele  des  andern  verkündigend 
in  guten  Gedanken,  in  guten  Reden,  in  guten  Thaten  das  Paradies.  Man 
kann  an  dieser  Stelle  das  mereth  nicht  wohl  in  einem  andern  Sinne  nehmen. 
Nicht  unpassend  wäre  am  Ende  eine  Vergleichung  mit  dem  armen,  marth, 
möglich,  im  Stande  (marthem ,  können,  vermögen);  aber  da  eine 
solche  Bedeutung  im  Iranischen  weiter  nicht  zu  belegen  ist,  so  müssen  wir 
davon  abstehen. 

^)  Mit  diesem  marezygl.  armen,  merls,  nahe,  mertsdnal,  sich  nähern, 
herzukommen. 


Haug,  die  GätluVs  des  Zarathustra.  I.    Cap.  33,  11.        209 

Glücke;  ferner  Jt.  2,  2.  7:  marezdikdi  thrajo-drigaove,  wo  thr.  dn'g. 
(s.  darüber  zu  34,  5)  das  Adjectiv  ist,  „das  Glück,  welches  sich  auf 
die  Dreiheit  des  reinen  Gedankens,  des  reinen  Worts  und  der  rei- 
nen That  bezieht"  oder  erst  aus  diesem  fliesst.  Von  diesem  ma- 
rezdika  treffen  wir  auch  ein  abgeleitetes  Adjectiv  marzdikavat ,  so 
Vp.  9 ,  5 :  haurvatdo^ca  nö  ameretdtdo  geiisca  tashno  geusca  uruno 
dthragca  aokhtondmano  hadüha^ca  ashavatö  vd^travato  qdthravato  marz- 
dikavato  (die  Genitive  sind  abhängig  von  dvi^tajaeca  etc.,  v.  3),  zur 
Einsegnung  der  Haurvatät  und  Ameretät,  des  Erdschöpfers  und  der 
Erdseele  und  des  Feuers  mit  Aussprechung  der  Namen  und  des 
Hauses,  des  reinen,  kleiderreichen,  speisereichen.  Hier  kann  marz- 
dikavat  offenbar  nur  eine  Kategorie  der  im  Hause  befindlichen  Ge- 
genstände bezeichnen ;  ashavat  bezeichnet  das  hadis  im  Allgemeinen 
als  ein  dem  Reinen ,  dem  Bekenner  der  Zarathustrischen  Religion 
angehöriges,  die  drei  folgenden  Prädikate  bezeichnen  seinen  Inhalt 
näher;  vagtravat  geht  auf  Kleider,  Teppiche  und  Aehnliches,  qdthra- 
vnt  auf  alles  zur  Nahrung  Gehörige.  Da  durch  diese  beiden  Be- 
griflfe  eigentlich  alles  zur  Bestreitung  des  alltäglichen  Lebens  Noth- 
wendige  angezeigt  ist,  so  wird  marzdika  mehr  die  Luxusgegenstände, 
wie  Dekorationen,  zierliche  Geräthe  oder  Dinge  bezeichnen,  die  zum 
Comfort  des  Hauses  gehören,  und  lässt  sich  daher  am  ehesten  mit 
„vergnügungsreich"  oder  einem  ähnlichen  Ausdrucke  wiedergeben. 
Af.  1,  4  begegnen  wir  dem  Superlativ  marzdikava^tema  neben  hukhsha- 
ihrutema  und  rafito^tema ,  Wörtern,  die  sich  auf  Reichthum,  Glück, 
Vergnügen  beziehen.  Suchen  wir  nach  lautlich  entsprechenden  Wör- 
tern im  Neupersischen,  so  bieten  sich  uns  marz ,  Grenze,  und 
mirzd,  Edelmann,  Prinz.  Das  erstere  hat  mit  unserm  marez 
nichts  zu  thun,  sondern  ist  auf  die  Wurzel  marez  =  skr.  mrg  zu- 
rückzuführen; das  zweite  dagegen  hängt  gewiss  damit  zusammen; 
denn  dem  Begriff  Edelmann,  Prinz,  haftet  der  von  vornehm  und 
reich  an;  am  nächsten,  schon  der  Form  nach,  kommt  diesem  neu- 
persischen mirzd  das  baktrische  marezum  Jt.  9,  2,  ein  Prädikat  der 
Drvä^pä  zwischen  fshaomm,  reich,  und  amavaitim,  stark,  mäch- 
tig, stehend.  Indess  darf  dieses  marezd  nicht  etwa  als  Grundform 
des  marezdd  genommen  werden,  sondern  es  ist  eine  erst  aus  dem- 
selben vereinfachte  Neiibildung.  Gehen  wir  zur  eigentlichen  Ety- 
mologie über,  so  fragt  es  sich,  ob  das  i  aus  einem  ursprünglichen 
Zischlaut  oder  erst  aus  einem  Dental  nach  dem  bekannten  Gesetze 
der  Verwandlung  der  Dentale  vor  Dentalen  in  entsprechende  Zisch- 
laute hervorgegangen  ist.  Ich  halte  die  letztere  Annahme  »mstrei- 
tig  für  die  richtige.  So  kommen  wir  auf  ein  ursprüngliches  mared- 
dd;  dieses  mared  ist«  identisch  mit  dem  wedischen  mfd  (aus  7nard\ 
erfreuen,  glücklich  machen  (namentlich  von  den  Göttern  ge- 
sagt). Demnach  heisst  es  wörtlich:  freuen  machen,  glücklich 
machen.  Man  verwechsle  dieses  mared  aber  ja  nicht  mit  einem 
andern,  das  nur  ein  Causativ.  von  mare,  mere,  sterben,  ist  und 
Abhandl.  der  DMG.    1,3.  14 


210      Hang,  die  Gäthd's  des  Znrathustra.  L    Cap.  33,  11.   12. 

tödten  bedeutet.  Worauf  sich  die  Deutung  Nerios.'s  ertragen, 
erdulden,  nachsehen,  gründet,  kann  ich  nicht  sagen;  sie  ist 
aber,  als  dem  ganzen  Zusammenhange  widerstrebend,  sicher  so  falsch, 
als  die  Form  zu  einer  ersten  Person  sing,  praes.  zu  machen,  wie 
er  thut.  —  Addi  —  paiti  Nerios.:  daddmica  kirn  api  patiivaih  svdmi- 
tvam  jat  ihalohijam  paraloUjamca ,  wonach  dddi  so  viel  als  Herr- 
schaft heissen  soll,  was  sich  auf  reine  Vermuthung  zu  stützen 
scheint.  Dieses  seltene  Wort  (mir  nur  in  den  Gdthas  bekannt  Jt. 
33,  12.  49,  1  und  35,  8,  davon  abgeleitet  ddcma  J.  30,  7)  kann 
dem  Zusammenhange  nach  etwa  „Ding,  Sache"  bedeuten,  Suchen 
wir  auf  etymologischem  Wege  eine  Bedeutung  zu  gewinnen ;  ddd 
ist  augenscheinlich  aus  d-^dd  oder  ä-\-dhd  entstanden.  Die  er- 
stere  Verbindung  heisst  im  Sanskrit  nehmen;  wir  müssen  uns  aber 
wohl  hüten ,  sie  ohne  Weiteres  auf  das  Baktrische  anzuwenden. 
Diese  Verbindung  der  Wurzel  da  mit  der  Präposition  a  *)  heisst 
nur  hergeben,  weggeben  (Jt.  13,  11),  und  von  d-\-dhd  hin- 
setzen, bestimmen  (J.  48,  7.  43,  15,  s.  Gloss.).  Das  Substan- 
tiv ddd  wird  am  besten  von  d~\-dd  hergeleitet,  wonach  es  Her- 
gabe, Hingabe,  bedeutet.  Diese  „Hingabe"  bezieht  sich  wohl 
auf  die  Verehrung  (Hingabe  von  Worten);  so  deutlich  35,  8: 
hdtäm  gtgishäm  vahistäm  ddd  ubuibjd  ahubjd,  ich  möchte  gewinnen 
das  beste  Daseyn  in  beiden  Welten  „durch  Hingabe",  d.  i.  Ver- 
ehrung. Nicht  damit  zu  vergleichen  ist  das  ada  des  Pehlewi,  das 
Seele  bedeutet,  wenn  die  Lesung  überhaupt  richtig  ist. 

V.  12.  f/f  —  ahurd  Nerios.:  iiccdir  mdm  ^odhja  svdmin;  küa 
vigakardd  aharmandt  piddham  kuru.  Uzdreshvd  ist  eine  zweite  Per- 
son Imperat.  medii  der  Wurzel  ar ,  ere,  gehen,  -j- w«  (vgl.  uzire- 
djdi  43,  12),  und  heisst:  erhebe  dich,  stehe  auf;  die  ihr  von 
Nerios.  beigelegte  Bedeutung:  reinige,  ist  unrichtig  und  beruht 
wohl  auf  einer  Verwechslung  mit  dem  im  Vend.  so  häufigen  uz-varez, 
eigentlich  wegmachen,  d.i.  sühnen.  Leicht  ist  man  indess  ver- 
sucht, uzdreshvd  als  Locat.  plur.  eines  Comparativs  uzdra  von  wf,  iiz, 
in  dem  Sinne  das  Aeussere,  die  Aussen  weit  (vgl.  uzemem  == 
uttamd)  zu  fassen ;  aber  die  Wiederholung  der  Präposition ,  die 
eigentlich  nur  bei  Verbalformen  stattfindet ,  spricht  dagegen.  — 
Vanhujd  zavö-ddd  Nerios.:  gvahmanasja  grhitdro  hhammah;  kila  me 
tanund  abhjdgato  ^stu.  Vanhujd  ist  deutlich  Instrumental  sing.  fem. 
von  dem  Adj.  vohu,  gut,  und  kann  sich  nur  auf  zavo-ddd  beziehen; 
ddd  steht  daher  für  ddajd  und  ist  ein  verkürzter,  dem  Nominativ 
gleichsehender  Instrumental.  —  Fgeratüm.  K.  5,  4  haben  fe^aratüm, 
K.  6  dagegen  f^eratüm,  welche  Lesung  durch  die  Parallelstellen  und 


')  Nicht  hieher  zu  ziehen  ist  ädidhäiti,  von  Mithra  gesagt  Jt.  10,  13. 
15.  51.     Dieses  ist  auf  die  Wurzel  dl,   sehen,    zurückzuführen   und  heisst 


beschauen 


Hang,  (he  Gäthd's  des  Zarathustra.   I.    Cap.  33,   12.   13.      211 

(He  Ableitung  gesichert  ist ;  ein  nur  in  den  ältesten  Stücken  vor- 
kommendes Wort,  das  nach  37,  5.  39,  5,  wo  es  bei  asha,  daend, 
Armaiti  steht,  eine  ethische  Bedeutung  haben  muss.  Nerios.  giebt 
es  durch  prabhutjena  (richtiger  prahhutvena) ,  durch  Obmacht, 
Herrschaft.  Der  Etymologie  nach  aus  fqe  und  ratus  bestehend, 
heisst  es  wörtlich  Wachsthums  oder  Reichthums  Gesetz,  d.i. 
Gesetz,  welches  das  irdische  Wohlergehen  befördert;  darunter  kann 
nur  die  gute  Mazdaja^nische  Lehre  verstanden  werden. 

V.  13.  Vüuru-cashdne  ist  nicht  mit  rafedhrdi,  sondern  mit  moi 
zu  verbinden;  rafedhrdi  ist  erst  davon  abhängig,  um  den  Zweck 
des  Sehens  auszudrücken.  Des  gleichen  Sinnes  ist  das  Prädikat 
vuuru-doühra,  weite  Augen  habend,  d.  i.  weit  blickend,  welches 
der  (Jaokä,  einer  Genie,  Jt.  2,  2.  7.  3,  0,  und  der  Armaiti  Jt.  2, 
3.  8  beigelegt  wird.  Da  rafedhra  nicht  als  Genie  vorkommt  und 
cashdne  zudem  eine  deutliche  Participialbildung  ist,  nicht  etwa,  wie 
doithra,  ein  Substantiv,  so  dürfen  wir  es  nicht  auf  dieses  Abstractum 
beziehen.  Es  geht  auf  den  Dichter,  der  weithin  sein  Auge  nach 
dem  Glücke  in  leibHchen  und  geistigen  Dingen  schweifen  lässt;  aber 
die  Kraft,  so  weit  und  stark  zu  sehen,  ist  ihm  vom  Ahura-mazda 
verliehen,  was  mit  den  Worten  „du  siehst  für  mich"  (doisM  moi) 
ausgedrückt  ist.  —  Die  Worte  ja  ve  —  td  khshathrahjd  jd  vanheus, 
sind  sämmtlich  syntaktisch  von  doisM  abhängig;  y«  und  td  sind  Pro- 
nomina fem.,  deren  gemeinschaftliches  Substantiv  ashis  ist;  es  sind 
eigentlich  nur  zwei  Sätze,  da  jd  —  td  einen  einzigen  Satz  bildet; 
das  td  steht  hier  nur,  um  das  khshathrahjd  deutlich  abhängen  lassen 
zu  können  und  ist  ganz  au  der  Stelle  von  ashis ,  das  im  zweiten 
Relativsatze  wirkHch  folgt.  —  Abifrd,  K.  6.  P.  6.  abefrd,  Nerios.: 
<^aktja.  Man  kann  das  Wort  mehrfach  erklären;  1)  als  Adjectiv, 
zusammengesetzt  aus  abi  und  frd==prd,  füllen,  wobei  nur  auffal- 
lend wäre,  dass  die  Mss.  für  abi  nicht  die  regelrechte  Form  aibi 
aufweisen;  2)  als  erste  oder  dritte  Person  einer  reduplicirten  und 
augmentirten  Form,  etwa  eines  Aorist,  conjunct.  oder  eines  Perfects. 
Die  erste  Person:  „womit  ich  euch  erfüllen  will",  widerstrebt  dem 
Zusammenhange  ,  da  der  Dichter  mit  keinen  Gütern  die  höchsten 
Geister  zu  erfüllen  im  Staude  ist.  Dagegen  stimmt  die  dritte  Person 
weit  besser  zum  Sinne  des  Ganzen;  dann  ist  abifrd  keine  Aoristform, 
weil  hier  das  t  nicht  gut  fehlen  könnte  (eine  Verwechslung  der  2. 
mit  der  3.  Person  sing.,  wie  sie  für  den  Optativ  -jds  im  wedischen 
Sanskrit  nachgewiesen  ist,  s.  Roth,  Erläuterungen  zum  Nirukta, 
S.  85,  not.  1,  lässt  sich  im  Baktrischen  nicht  belegen),  sondern  ein 
wirkliches  Perfect  =  sanskr.  paprdu.  Das  Augment  macht  keine 
Schwierigkeit,  da  die  Anwendung  desselben  in  dem  Gäthadialekt  in 
Fällen  geschieht,  wo  sie  das  Sanskrit  nicht  gestattet,  wie  im  Imp., 
s.  avaenatd  30,  2.  Das  ve  geht  auf  Ahura-mazda  und  die  andern 
höchsten  Geister.  —  Die  ashis  oder  der  Fortgang,  das  Gedei- 
hen nun,  nach  welcher  der  Dichter  strebt  und  die  ihm  Ahura-mazda 

14* 


212      llmig,   die   GiUlias  des   ZaraUnistra.    1.    Cap.  33,   13.    14. 

ersieht,  ist  eine  zweifache,  die  des  Besitzes  oder  des  Reichthums 
und  die  der  guten  Gesinnung,  also  das  irdische  und  geistige  Ge- 
deihen. Von  dieser  ashis  ist  Ahura-mazda  mit  seinen  Geistern  ganz 
erfüllt;  er  lässt  sie  aber  auch  seinem  Verehrer  zu  Theil  werden.  — 
Die  Schlussworte  fro  ^pefltd  etc.  haben  denselben  Sinn  wie  die  zwei 
vorhergehenden  Glieder,  nur  ist  derselbe  in  die  Form  einer  Bitte 
an  Armaiti  eingekleidet. 

V.  14.  At  rdtdm  —  xistanem  Nerios.:  evam  dakshanajd  G'arathu- 
airo  aham  tanu^ca  iiigtvam  daddmi  purah  pravftjd.  Rdtdm  als  Ab- 
stractum  im  Sinne  von  Opfergabe,  Geschenk,  also  gleich  ra- 
fedhra  zu  fassen,  wie  Nerios.  hier  thut,  ist  nicht  zulässig,  wenn 
auch  gegen  die  Ableitung  von  der  Wurzel  rd,  spenden,  nichts  ein- 
zuwenden ist.  Auch  die  Annahme  eines  Accusativs  des  Part.  pass. 
fem.,  das  sich  allenfalls  auf  paurvatdtem  beziehen  könnte,  ist  nicht 
statthaft,  weil  sich  so  nur  ein  sehr  gezwungener  Sinn  ergiebt.  Noch 
weniger  geht  die  3.  Person  dual,  act.,  weil  dadurch  aller  Zusam- 
menhang mit  dem  Folgenden  zerstört  würde.  Das  einzig  Richtige 
ist,  rdtdm  sowohl  hier  als  in  der  Parallelstelle  43,  9  als  Gen.  plur. 
des  Part,  praes.  zu  nehmen  (vgl.  ^tütdm  34,  1)  und  eng  mit  Za- 
rathustra  zu  verbinden:  „Zarathustra  von  den  Opferdarbringern", 
d.  i.  Zarathustra  aus  der  Zahl  der  Opfer  und  Verehrung  Bringenden, 
sodass  durch  rdtdm  das  Genus,  dessen  ausgezeichnetster  Genosse 
Zarathustra  ist,  bezeichnet  wird.  —  Paurvatdt  drückt  den  ge offen- 
barten Urgrund  des  geistigen  und  leiblichen  Seyns  aus.  Dieser 
Uranfang  ist  die  heilige  Trias  des  guten  Gedankens ,  des  guten 
AVortes  und  der  guten  That.  Dieselbe  zur  Grundbedingung  des 
Gedeihens  eines  jeden  menschlichen  Wesens  gemacht  zu  haben,  ist 
das  Verdienst  Zarathustra's.  —  Ustanem  ist  zweiter  Accus.,  abhän- 
gig von  dadditi.  Zu  diesem  ust.  gehören  die  Gen.  tajivagcit  qaqjdo, 
wozu  30,  2  tanuje  qaqjdi  verglichen  werden  kann.  Das  tanu  kann 
hier  nicht  wohl  auf  Zarathuströ  bezogen  werden  und  seine  Persön- 
lichkeit bedeuten,  so  nahe  auch  wegen  des  qaqjdo  diese  Annahme 
liegen  mag.  Gegen  eine  Beschränkung  desselben  auf  nur  eine 
Person  streitet  das  angehängte  cit,  welches  verallgemeinert.  Ein 
jeder  eigener  Körper  ist  jede  einzelne  Persönlichkeit,  jeder  ein- 
zelne Mensch.  —  Die  Worte  von  manaiiha^ca  an  bis  zu  Ende  sind 
nur  eine  nähere  Erklärung,  worin  die  von  Zarathustra  geschaffene 
paiirvaidt  bestehe.  —  Mazda  ist  hier  nicht  als  Nomen  proprium  des 
höchsten  Gottes  zu  nehmen,  sondern  ist  ein  Appellativum  und  zwar 
Neutrum  plur. ,  ganz  analog  mit  askd  und  ^raoshem  khshathremca, 
und  bedeutet  Weisheit  (s.  zu  30,  1).  Die  Auffassung  des  inazdd 
als  Vocativ  von  mazddo  würde  die  Symmetrie  des  Ganzen  stören, 
und  der  Genitiv  mananhagcd  vanheus  müsste  gezwungen  auf  ashd 
bezogen  werden.  —  Jdcd  gehört  zu  sljaothanahjd  ashd,  „und  welche 
Wahrheiten  der  That".  Für  mazdd  lesen  K.  6,  15,  18  mazddi,  ebenso 
für  asha  K.   11,  15,  18  ashdi;   beide  Lesungen  sind  aber  offenbar 


Hang,  die  GdtfuVs  des  Zarathustra.  I.    Cup.  31.  213 

nur  Verbesserungen,  zunächst  hervorgegangen  aus  der  Unverständ- 
lichkeit  des  mazdd;  änderte  man  dieses  einmal  in  mazddi,  so  lag  die 
Umänderung  des  ashd  in  ashdi  auf  der  Hand.  Gegen  diese  Aende- 
rung  spricht  entschieden  der  Parallelismus  von  ukhdhaqjdcd  ^raoshem 
khshathremvd  y  dessen  Lesung  ganz  unbeanstandet  ist. 

Die  vier  letzten  Verse  unsers  Capitels  (von  11 — 14)  gehörten 
ursprünglich  nicht  hieher ,  sondern  sind  wohl  nur  aus  liturgischen 
Gründen  hieher  gekommen.     Sie  sind  27,  8  — 11   vollständig  citirt. 


Capitel    34. 

Dieses  letzte  Capitel  der  ersten  Sammlung  lässt  sich  in  vier 
unter  sich  nicht  zusammenhängende  Stücke  zerlegen:  1)  1  —  6;  2) 
7.  8;  3)  9—11;  4)  12—15. 

1)  1 — 6.  Dieses  Lied  ist  eine  Lobpreisung  des  Ahura-mazda, 
als  des  Gebers  aller  guten  Gaben,  der  sich  im  Feuer  offenbart,  und 
drückt  den  Wimscli  aus,  diese  Güter  trotz  aller  Angriffe  der  bösen 
Geister  zu  erlangen  und  zu  behalten,  wogegen  Aliura-mazda  selbst 
den  besten  Schutz  verleihen  kann. 

Ahura-mazda,  der  lebendige  Gott,  besitzt  alle  jene  Mittel,  durch 
die  die  höchsten  Güter ,  Unsterblichkeit ,  Wahrheit  und  irdischer 
Wohlstand,  erworben  werden  können,  nämlich  die  heiligen  kräftigen 
Sprüche,  Lieder  und  Gebräuche  im  reichsten  Masse,  d.  h.  er  kennt 
sie  am  besten  und  theilt  sie  seinen  treuen  Dienern  mit,  damit  sie 
jener  hohen  Güter  theilhaftig  werden  können  (1).  Dieses  alles  be- 
sitzt er  aber  nur  durch  den  guten  Sinn,  d.  i.  durch  das  Gute,  des- 
sen Inbegriff  er  selbst  ist,  und  durch  die  eifrige  Pflege  des  Feuer- 
dienstes und  des  Ackerbaues  seitens'  des  heiligen  Mannes,  d.  i.  des 
Zarathustra,  dessen  Seele  ganz  der  Wahrheit  ergeben  ist  (letztere 
Vorstellung,  dass  Gott  nur  durch  eifrige  Unterstützung  seitens  der 
Gläubigen  gegen  das  Böse  wirken  kann ,  findet  sich  oft  genug  in 
den  Gdthd's,  namentlich  in  dem  Begriff  der  Armaiti).  Der  Himmel, 
die  Wohnung  Ahura-mazda's  und  der  höchsten  Geister,  ertönt  von 
jenen  heiligen  Liedern,  d.  h.  diese  Lieder  gehören  zunächst  dem 
Himmel  an  und  können  nur  durch  Vermittelung  erleuchteter  Men- 
schen, vornehmlich  Zarathustra's,  auf  der  Erde  gegen  die  bösen 
Mächte  wirken  (2).  Wohl  wissend,  dass,  um  der  höchsten  Güter 
theilhaftig  zu  werden,  der  Mensch  desswegen  Gott  anbeten  und  ihm 
Gaben  darbringen  müsse,  will  der  Dichter  ihm  Opfer  und  Lobpreis 
überall,  in  allen  Gaethd'sy  d.  i.  den  von  Ahura-7nazda  angeordneten 
Familienbesitzungen  der  Glaubensgenossen  bringen,  damit  in  diesen 
der  Wohlstand  bleibe  (3).  Vornehmlich  muss  das  Feuer,  der  kräf- 
tigste und  wirksamste  Schutz  gegen  die  Mächte  der  Finsterniss,  das 
einen  unerschöpflichen  Schatz  von  Hilfe  für  die  von  den  Bösen  ge- 


214  Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  34. 

fährdete  gute  Schöpfung  in  sich  birgt,  verehrt  werden;  seine  Flam- 
men sind  Geschosse  in  den  Händen  des  lebendigen  Gottes  ,  mit 
denen  er  die  Frevler  vernichtet  (4).  Aber  trotzdem,  dass  der  Dich- 
ter seine  Schuldigkeit  im  Lobpreisen  gethan  zu  haben  glaubt,  sind 
ihm  jene  hohen  Güter  noch  nicht  zu  Theil  geworden,  wie  sehr  er 
sich  auch  um  die  Erhaltung  beider  Leben,  des  irdischen  und  des 
geistigen ,  bemüht  hatte ,  indem  er  stets  eifrig  gegen  die  Daeva's 
(die  Götter  und  die  verderblichen  Wirkungen  der  Vielgötterei)  ge- 
gen die  Khraf^tra's,  die  fleischfressenden  und  blutsaugenden  Un- 
holde und  die  bösen  Menschen,  worunter  die  Jätu's  oder  Hexen  zu 
verstehen  sind,  ankämpfte  und  die  heilige  Dreiheit  fdrigii)  des  guten 
Gedankens,  des  guten  Wortes  und  der  guten  That  sogar  zu  ver- 
dreifachen, d.  i.  ihre  Wirkungen  zu  vervielfältigen  strebte.  Daher 
fragt  er  nach  dem  Reich  und  der  Herrschaft  des  Ahiira-mazda,  wo 
dieses  bestehe  und  welche  Güter  denn  überhaupt  durch  fromme 
Handlungen  erworben  werden  können  (5).  Da  die  erbetenen  Güter 
zu  lange  nicht  gewährt  werden  und  die  Hilfe  überhaupt  auszublei- 
ben scheint,  so  fängt  der  Dichter  bereits  zu  zweifeln  an,  ob  die 
hohen  Geister  überhaupt  von  dem  guten  Sinne  noch  geleitet  wür- 
den; er  dachte  sich  clie  Macht  des  Bösen  so  gross,  dass  dieses  be- 
reits alle  Wirkungen  des  guten  Sinnes  gelähmt  haben  könnte.  Da- 
her fordert  er  die  hohen  Genien  nochmals  dringend  auf,  dieses  von 
den  Feinden  mit  Tod  und  Vernichtung  stark  bedrohte  irdische  Leben 
wieder  stark  und  kräftig  zu  machen,  namentlich  da  er  unablässig 
dem  Wahren,  wie  dem  Weisen  Lob  und  Preis  singen  wolle  (6). 

Der  Verfasser  des  ziemlich  allgemein  gehaltenen  und  in  keinen 
ganz  bestimmten  Verhältnissen  sich  bewegenden  Liedes  kann  nicht 
Zarathustra  selbst  seyn.  Die  scharfe  und  bestimmte  Polemik  gegen 
die  Daeva's  und  ihre  Priester,  sowie  gegen  die  Götzendiener  über- 
haupt, fehlt.  Zudem  ist  in  v.  2  vom  Dichter  noch  deutlich  auf  Za- 
rathustra als  denjenigen  hingewiesen,  der  am  meisten  für  den  leben- 
digen Gott  gewirkt  hätte;  denn  unter  dem  „heiligen  Manne"  kann 
dort  nur  Zarathustra  verstanden  werden,  weil  sonst  ihm  allein  unter 
den  Sterblichen  dieses  Prädikat,  das  eigentlich  nur  dem  Ahura-mazda 
und  der  Armaiti  zukommt,  beigelegt  wird.  Gerade  dieser  Umstand, 
dass  er  schon  als  Heiliger  erscheint,  führt  auf  einen  spätem  Ver- 
fasser; denn  seine  Zeitgenossen,  selbst  seine  nächsten  Freunde,  leg- 
ten ihm  nicht  dieses  Prädikat  bei,  wie  aus  28,  7  und  33,  14  er- 
hellt. Da  aber  auf  sein  Wirken  als  ein  noch  in  frischem  Andenken 
stehendes  deutlich  angespielt  wird,  so  sind  wir  einigermassen  be- 
rechtigt, es  einem  seiner  frühesten  Nachfolger  im  Prophetenamte, 
noch  ehe  seine  Lehre  allgemeinere  Verbreitung  gefunden  hatte,  zu- 
zuschreiben. 

2)  7.  8.  Der  Dichter  ist  in  grosser  Noth  und  fleht  um  Er- 
rettung aus  derselben  zu  den  höchsten  Geistern;  er  vertraut  indes- 
sen auf  die  Kraft   der  frommen  gottesdienstlichen  Handlungen   und 


Hang,  die  Gdthd'i  des  Zarathuslra.  I.    Cap.  34.  215 

alter  Sprüche.  Der  nähere  Inhalt  der  beiden  in  einem  engern  Zu- 
sammenhange stehenden,  wenn  auch  nicht  unmittelbar  zusammen- 
gehörenden Verse  ist  dieser: 

Der  Sänger  ist  mit  seinem  nächsten  Freunde  in  grosse  Noth 
gerathen,  wohl  durch  seine  Feinde  und  Verfolger  um  sein  Besitz- 
thum  gekommen;  er  fragt  ängstlich,  wer  ihm  anzeigen  könne,  wo- 
hin seine  durch  den  guten  Sinn  erworbenen  Güter  gekommen  seyen. 
Er  wendet  sich  in  seiner  Bedrängniss  an  Ahura-mazda,  der  sich  in 
den  helllodernden  Flammen  des  Altars  offenbart  und  allein  das  Dun- 
kel zu  verscheuchen  und  alles  Unrecht  ans  Licht  zu  bringen  ver- 
mag, da  er  keinen  andern  Helfer  als  ihn  und  seine  guten  Geister 
weiss.  „Errettet  uns  jetzt  beide",  d.  i.  mich  und  meinen  treuen 
Freund  und  Genossen,  ruft  er  zuletzt  aus  (7).  Doch  er  lässt  sich 
nicht  schrecken;  die  Verheissungen  des  lebendigen  Gottes,  dass  die 
Schlechten  zu  Grunde  gehen  müssen ,  tröstet  ihn ;  die  frommen 
Handlungen,  d.  i.  der  Feuerdienst  und  der  Äckerbau,  sowie  die 
übrigen  heiligen  Gebräuche  erschrecken  schon  an  sich  die  mit  Ver- 
derben drohenden  Gegner ,  weil  sie  die  ihr  Treiben  vernichtende 
Kraft  derselben  kennen ;  noch  mehr  aber  werden  diese  Gegner, 
welche  gar  die  nächsten  Blutsverwandten  (die  wedischen  Inder)  sind, 
durch  einen  alten  Ausspruch  des  lebendigen  Gottes  erschreckt,  dass 
die,  welche  nicht  das  Wahre  und  nur  die  Lüge  denken,  dem  Him- 
mel, der  Wohnung  der  seligen  Geister,  ewig  fern  bleiben  werden  (8). 

Diese  beiden  höchst  eigenthümlichen  Verse  scheinen  mir  nicht 
von  Zarathustra  zu  seyn.  Da  sie  aber,  wie  ihr  ganzer  Inhalt  zeigt, 
noch  mitten  aus  der  Zeit  des  grossen  Glaubenskampfes  stammen, 
so  sind  sie  schwerlich  lange  nach  Zarathustra  verfasst,  vielleicht  sind 
sie  gleichzeitig  und  rühren  von  einem  seiner  Genossen  her. 

3)  9 — 11.  Die  Missachtung  des  guten  Sinnes  und  der  Ärmaiti 
(der  Abfall  vom  wahren  Glauben) ,  durch  die  allein  die  guten  in 
Ahura-mazda  ruhenden  Kräfte  und  Gaben  gewonnen  werden  können, 
Wfird  durch  Verlust  der  Wahrheit  gestraft.  Die  Verse  scheinen  an 
Abtrünnige ,  die  nach  ihrer  Bekehrung  zum  wahren  Glauben  sich 
wieder  der  Abgötterei  zugewandt  hatten,  gerichtet  zu  seyn. 

Wer  die  Kraft  der  heiligen  Armaüi  bereits  erkannt  hat,  d.  h. 
wer  bereits  zum  wahren  Glauben  bekehrt  ist  und  doch  fortfährt,  die 
schlechten  von  Ahura-mazda  verworfenen  Werke  zu  vollbringen  und 
die  guten,  wie  Ackerbau  und  Feuerdienst,  zu  vernachlässigen  oder 
ganz  zu  unterlassen,  und  zwar  aus  Missachtung  des  guten  Sinnes, 
dem  alle  guten  Werke  entstammen,  dem  nimmt  der  Grosse,  d.  i. 
Zarathustra,  alle  Wahrheiten  weg,  d.  h.  er  erklärt  ihn  aller  bisher 
ihm  gewordenen  Segnungen  für  verlustig ,  weil  seine  schlechten 
Werke  nur  zur  Vermehrung  der  verderblichen,  das  gute  Leben  zer- 
störenden Geschöpfe,  der  Khrafi^tra's ,  worunter  schädliche  Thier^, 
wie  Schlangen  etc.,  und  nächtliche  Unholde  zu  verstehen  sind,  bei- 
tragen  und  er   also    den  Geboten    des   lebendigen  Gottes  zuwider 


216  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  34. 

handelt  (9).  Hieran  schloss  der  Dichter,  um  die  Grösse  jenes  Ver- 
lustes deutlicher  zu  machen,  zwei  Verse  über  die  Bedeutung  der 
Armaiti  und  der  andern  hohen  Kräfte.  Nach  einem  Ausspruche  des 
sehr  Einsichtigen  oder  Hochverständigen,  worunter  ent- 
weder Ahura-mazda  oder  Zarathustra  gemeint  ist,  sind  die  guten 
Thaten  die  Frucht  des  guten  Sinnes;  wer  schlechte  Thaten  voll- 
bringt, ist  somit  des  guten  Sinnes  verlustig,  und  aus  Missachtung 
der  Armaiti,  dem  Grunde  aller  Wahrheit  nach  jenem  Ausspruche, 
auch  der  Wahrheit  selbst ;  denn  alle  diese  Kräfte  wirken  nur  im 
Reiche  des  guten  Geistes,  aber  nicht  des  bösen  (10).  Ausser  den 
schon  erwähnten  Kräften,  die  in  Ahura-mazda  s  Lichtreiche  wirken, 
werden  noch  die  Unsterblichkeit  und  der  irdische  Wohlstand 
genannt,  die  nur  durch  die  Frömmigkeit  (Armaiti)  und  den  guten 
Sinn,  wie  durch  die  Wahrheit  erworben  werden  können  und  beim 
Verluste  dieser  auch  verloren  gehen.  Diese  Kräfte  sind  um  so  wich- 
tiger, als  nur  die,  welche  sie  besitzen,  einen  Antheil  an  dem  leben- 
digen Gott  selbst  haben  (11). 

Dass  Zarathustra  nicht  der  Verfasser  der  drei  Verse  im  jetzi- 
gen Zustande  ist,  geht  aus  der  Erwähnung  „des  Grossen",  unter 
dem  ich  nur  Zarathustra  verstehen  kann  (man  vgl.  magava  33,  7, 
und  maz  maga,  der  grosse  Schatz,  als  Bezeichnung  seiner  gros- 
sen Lehre  29,  11  und  sonst)  und  Hochverständigen,  der  eben- 
falls Zarathustra  ist,  hervor.  Sie  rühren  wahrscheinlich  von  einem 
Jünger  des  grossen  Meisters  her,  der  durch  Berufung  auf  die  Aus- 
sprüche des  Propheten  selbst  seinen  Worten  mehr  Nachdruck  geben 
wollte. 

4)  12  — 15  handeln  vom  Wesen,  Werth  und  Bedeutung  der 
heiligen  von  den  ^aoskjanto's  gedichteten  Lieder  und  den  guten 
Handlungen ,  der  besten  Schutzwehr  des  irdischen  Lebens ,  und 
schliessen  mit  der  Bitte  an  Ahura-mazda  um  Mittheilung  jener  Sprüche 
und  Handlungen. 

Der  Dichter  fragt  den  Ahura-mazda  nach  seinem  Geheimniss, 
d.  i.  seinen  geheimnissvoll  wirkenden  Sprüchen ,  und  nach  seinem 
Willen,  wie  er  gepriesen  und  verehrt  zu  werden  verlange;  er  will 
alles  Das  wissen,  wodurch  die  Wahrheiten  der  höchsten  Geister,  d.  i. 
der  Fortgang  des  irdischen  Lebens,  gewonnen  werden  können;  da 
diese  nur  auf  den  vom  guten  Sinne  geebneten  Pfaden  zu  finden 
sind,  so  bittet  er  den  Ahura-mazda,  diese  Wege  anzuzeigen,  damit 
er  sie  gehen  könne  (12).  Die  zwei  ersten  Glieder  des  folgenden 
Verses  enthalten  die  Antwort  Ahura-mazda's  auf  die  Fragen  des 
Dichters.  Jener  Weg  des  guten  Sinnes,  nach  dem  dieser  fragte,  sind 
die  Daenä's  oder  Meditationen  (Lieder,  Sprüche  etc.)  der  ^aoskjanto, 
d.  i.  der  alten  Feuerpriester  und  Liederdichter  (s.  zu  45,  11),  deren 
hervorragendster  und  berühmtester  Zarathustra  war;  alle  diese  Dich- 


Haiigy  die  Gdthas  des  Zarathiistra.  I.    Cap.  34,   1.  217 

tungen  gingen  aus  der  Wahrheit  hervor.  Sie  wurden  ■ —  der  Dich- 
ter spricht  nach  Ahura-mazdas  Worten  wieder,  —  jenen  Feuer- 
anzündern als  Lohn  für  ihre  guten  Thaten  von  Ahiira-mazda  ver- 
liehen (13).  Ausser  den  Liedern  sind  auch  noch  fromme  Hand- 
lungen zum  Wohle  der  Schöpfung  von  Ahura-mazda  erdacht.  Diese 
aus  gutem  Sinn  hervorgegangenen  Thaten  sind  eine  Schutzwehr  für 
dieses  irdische  Leben  gegen  die  Angriffe  der  Bösen;  sie  sind  von 
Ahura-mazda  angeordnet,  der  Denjenigen,  die  dieselben  vollbringen, 
namentlich  die  dem  Ackerbau  obliegen,  Einsicht  und  Weisheit,  die 
beste  Schutzwaffe  gegen  Lüge  und  Thorheit,  worin  das  Wesen  der 
Gegner  besteht,  verleiht  und  dieselbe  auf  die  ganze  Schöpfung  wohl- 
thätig  wirken  lässt  (14).  Schliesslich  bittet  der  Dichter  Ahura- 
mazda  nochmals  um  Mittheilung  der  besten  Sprüche ,  Gebete  und 
Lobpreisungen ,  da  nur  durch  diese  das  wirkliche  Leben  Bestand 
haben  und  gegen  die  Tod-  und  Verderbenbringenden  Angriffe  der 
Bösen  dauernd  geschützt  werden  könne  (15). 

Wer  der  Dichter  dieser  Verse  ist,  scheint  ungewiss,  da  sie  zu 
allgemein  gehalten  sind.  Auf  Zarathustra  weisen  keine  deutlichen 
Spuren. 

V.l.  Einige  Schwierigkeit  macht  die  Fassung  von  drtonÄa.  Diese 
Form,  welche  nur  auf  die  Wurzel  da  zurückzuführen  ist,  kann  eine  1. 
oder  2.  Person  sing,  conjunct.  aor.  seyn.  Nerios.  hat  daddmi,  fasst  es 
also  als  1.  Person  sing,  praes.  Bei  der  1.  Person  müsste  der  Dich- 
ter das  Subject  seyn  ;  aber  dieser  kann  die  höchsten  Güter  nicht 
verleihen ,  was  dem  Subject  von  däonhd  zugeschrieben  wird.  So 
müssen  wir  es  als  eine  2.  Person  fassen  und  zum  Subject  den  Vocativ 
ahurä  7nazda  nehmen,  da  nur  dem  höchsten  Gotte  diese  hohe  Macht 
zukommt.  Es  ist  ajber  keine  zweite  Person  des  Imperat.  med.,  wie 
Bopp,  Vergleich.  Gramm.,  S.  1001,  annimmt,  weil  nicht  bloss  die 
Bildung  —  denn  die  zweite  Person  Imper.  medii  wird  stets  durch 
iiiiha  oder  ^va,  welche  Endungen  dem  skr.  -sva  entsprechen,  gebil- 
det — ,  sondern  auch  der  Zusammenhang  der  Stellen  (s.  noch  44, 
18)  diese  Deutung  geradezu  unmöglich  machen.  Vielmehr  ist  daonhd 
eine  Conjunctivform  des  Aorists.  Dass  die  zweite  Person  auf  sa  ha 
sich  endigen  kann,  beweist  das  später  häufig  vorkommende  jazaesa, 
du  mögest  verehren.  Taeibju ,  diesen,  geht  wohl  auf  diejeni- 
gen, in  deren  Gegenwart  der  Prophet  diese  Worte  sprach.  Schwie- 
rigkeit macht  die  richtige  Construction  und  Beziehung  des  letzten 
Satzgliedes.  Hat  die  Medialform  dagte  den  transitiven  Sinn  geben, 
so  muss  ein  Subject  dazu  erst  gesucht  werden,  da  der  ganze  Vers 
kein  passendes  bietet;  man  könnte  an  Zarathustra  im  Schlussvers 
des  unmittelbar  vorangegangenen  Capitels  denken,  da  dieser  in  un- 
verkennbarem Zusammenhang  mit  unserm  Verse  steht.  Aber  die 
Verleihung  der  Unsterblichkeit  und  der  übrigen  höchsten  Güter,  von 
der  hier  die  Rede  ist,    wird  sonst  nirgends   dem  Zarathustra  zuge- 


218       Hang,  die   Gdthas  des  Zamthustra.   I.     Cup.  34,  1.  2. 

schrieben,  sondern  dem  Ähiira-mazda  allein.  Da  dieser  im  Vocativ 
angeredet  ist ,  so  kann  er  nicht  das  Subject  zu  dagte  seyn.  Weil 
wir  sonach  bei  der  transitiven  Fassung  geben  kein  passendes  Sub- 
ject erhalten  können,  so  müssen  wir  sie  aufgeben  und  zu  der  medijil- 
passiven  übergehen:  es  giebt  sich  =  wird  gegeben.  lu  die- 
sem Falle  ist  ehmd  das  Subject.  —  Äeshdm  weist  auf  die  in  den 
zwei  ersten  Versgliedern  genannten  Gaben  zurück;  von  ehmd,  ge- 
rade das  (s.  darüber  zu  29,  11)  ist  aeshdm  abhängig.  —  Pouru- 
temdis  geht  auf  die  Fülle  der  Spenden  an  Wahrheit,  Unsterblichkeit 
und  Gesundheit.  Der  Instrumental  lässt  nur  eine  adverbiale  Erklä- 
rung zu,  mit  den  meisten  ==  am  allermeisten;  davon  hängt 
dann  der  Genitiv  aeshdm  ab. 

V.  2.  Qpentaqjd  neres.  Es  fragt  sich,  ob  hier  "„der  heilige, 
fromme  Mann"^  nur  von  den  Verehrern  des  Ahura-mazda  überhaupt, 
der  sonst  ashavd  genannt  wird,  oder  von  einer  bestimmten  Person 
zu  verstehen  sey.  Die  Verbindung  yA  ^peritu  haben  wir  noch  in  J. 
48,  7  und  51,  21.  An  ersterer  Stelle  ist  wahrscheinlich  Zara- 
thustra  darunter  gemeint,  an  letzterer  hat  sie  nur  einen  allgemei- 
nern Sinn:  Armatois  nd  ^pento  hvo  ci^tt  ukhdhdis  skjaothand,  „der 
heilige  Mann  von  Andacht,  d.  i.  der  fromme  Ahira-mazda-Y erehrerj 
erkennt  durch  Worte  die  Thaten."  An  unserer  Stelle  sind  beide 
Fassungen  möglich.  —  Pairi — gtütäm  Nerios.:  samdgaddmi  jushmd- 
kam  namaskftaje  mahdgndnin  garothamdnö  stdumi;  kila  ihaloke  jushmd- 
kam  jagnam  karomi  paralokeca  stdumi.  —  Das  dritte  Satzglied  hat 
manche  kritische  Schwierigkeiten  zu  lösen.  Westerg.  schreibt:  paire 
gaethe  khshmdvatö  vahme  mazdd  garoihis  ^tütdm.  .  Für  die  Lesung 
paire  führt  W.  nur  K.  5.  als  Autorität  an;  K.  4,  6  haben  pairi; 
ebenso  Bf.  und  Bb.  Gegen  diese  Schreibung  lassen  sich  mehrere 
gewichtige  Bedenken  erheben.  Erstens  hat  sie  zu  geringe  hand- 
schriftliche Autorität  und  sieht  neben  dem  verbürgten  gaethe  mehr 
wie  eine  Emendation  aus  Missverständniss,  als  wie  eine  ursprüngliche 
Lesart  aus.  Zweitens  hält  es  schwer,  diesem  paire,  das  der  Stel- 
lung und  Verbindung  nach  nur  ein  Adjectiv  von  gaethe  seyn  könnte, 
eine  in  solchen  Zusammenhang  passende  Bedeutung  zu  ermitteln. 
Man  denkt  zunächst  an  das  skr.  para,  fremd,  ein  A^ndercr,  vor- 
züglich; aber  dieses,  welches  nur  eine  Verkürzung  von  apara,  dem 
Comparativ  der  Präposition  apa  ist,  findet  sich  im  Baktrischen  wei- 
ter gar  nicht,  sondern  nur  die  vollere  Form  apara,  die  noch  im 
aware,  Andere,  des  Pärsi  (apanik  des  Pehlewi)  erhalten  ist.  Das 
para,  dem  wir  J.  19,  1.  Jt.  5,  65  und  an  andern  Stellen  begegnen, 
ist  mit  paro,  skr.  puras ,  antea,  identisch  und  ganz  andern  Ur- 
sprungs und  anderer  Bedeutung;-  zudem  kommt  es  als  Adjectiv  gar 
nicht  vor,  sondern  ist  nur  Adverbium  oder  Präposition.  Daher 
müssen  wir  von  einer  Zusammenstellung  unsers  pairt  mit  skr.  para 
ganz  absehen.  Da  sich  ausserdem  keine  andere  Erklärung  des  paire 
als  die  eines  Adjectivs  bietet,  so  ist  es  am  besten,  bei  der  Lesung 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   I.    Cap.  34,  2.  219 

fast  aller  Handschriften  pairi  zu  bleiben.  —  Gaethe,  Nach  den  Pa- 
rallelstellen Jt.  5,  73.  109.  113  ahmja  gaethe  und  12,  8  jahmi 
gaethe  ist  es  Locativ  von  gaethä.  —  Vahme.  Westergaard  schreibt 
vahme  nach  K.  11;  K.  5,  4  haben  vahmi,  K.  6.  vahme,  K.  9.  vahmd, 
K.  11.  nebst  Bf.  und  Bb.  va/me.  In  der  Parallelstelle  45,  6,  schreibt 
Westerg.  ebenfalls  vahme  nach  K.  4;  ebenso  liest  Bb.;  K.  5.  hat 
aber  vahmi  und  Bf.  vahme.  Die  von  Westerg.  aufgenommene  Les- 
art lässt  sich  bei  genauerer  Betrachtung  nicht  halten.  Schon  die 
handschriftliche  Autorität  dafür  ist  keine  sehr  grosse;  aber  sie  stimmt 
auch  nicht  in  den  Sinn  und  Zusammenhang  weder  unserer  noch  der 
Parallelstelle.  Vahme  könnte  nur  eng  mit  gaethe  im  Sinne  eines 
Beiworts  verbunden  werden;  demnach  wäre  es  einerseits  Adjectiv, 
andererseits  Locativ.  Im  ganzen  übrigen  Zendawesla  ist  indess 
vahma,  das  wir  als  Thema  zu  Grunde  legen  müssen,  nur  Substan- 
tiv und  zwar  bloss  Mascuhnum  (s.  J.  35,  7.  46,  10.  50,  7.  Jt.  8, 
56.  1,  23  u.  s.  w.),  nie  aber  Adjectiv,  sondern  es  bildet  sich  aus 
ihm  mit  Suflf.  ja  erst  ein  Adjectivum,  vahmja  Jt.  8,  15.  13,  34.  14, 
54  mit  einem  Superlativ  vahmjotema  13,  152,  und  aus  diesem  Ad- 
jectiv sehen  wir  weiter  durch  das  Abstractsuffix  ta  ein  Abstractum 
vahmjata  entstehen  Jt.  8,  50.  52.  10,  1.  Wollte  man  an  unserer 
Stelle  vahme  als  Locativ  eines  Substantivs  fassen,  so  würde  man  es 
nur  als  eine  Apposition  zu  gaethe  nehmen  können;  aber  vahma  ist 
nie  ein  Synonym  von  gaethd,  sondern  wird  gewöhnlich,  namentlich 
später,  mit  japia  verbunden.  Zu  45,  6  jehjd  (ähuro  mazddo)  vahme 
vohü  frasht  mananhd  kann  ebenfalls,  der  Schwierigkeit  der  Constru- 
ction  wegen,  der  Locativ  vahme  nicht  gelesen  werden.  Die  Stelle 
heisst  nämHch:  dessen  (Ahura-mazda'sJ  vahma  durch  die  fromme 
Gesinnung  befragt  ist.  Die  Lesart  vahme  einiger  Handschriften  ist 
nur  ein  Nothbehelf  und  aus  Missverständniss  des  vahme  hervorge- 
gangen; die  Lesung  vahmi  ist  bloss  eine  andere  Schreibweise  des 
vahme,  da  manchen  Spuren  zufolge  das  i  einen  dem  e  sich  nähern- 
den Laut  hatte  (s.  die  Grammatik).  Die  einzig^  richtige  Lesung 
an  beiden  Stellen  ist  vahme,  ein  Nominativus  singularis  masculini 
für  vahmo.  Die  Bedeutung  des  Wortes  anlangend ,  so  ist  es  von 
Burnouf  mit  invocation  erklärt  worden,  indem  er  es  von  vac, 
reden,  ableitete.  Diese  Bedeutung  ist  indess  bloss  aus  der  ger 
wohnlichen  Verbindung  dieses  Worts  mit  ja^na,  Verehrung,  ge- 
rathen;  denn  die  Ableitung  ist  sprachlich  nicht  wohl  möglich;  vac 
kann  nie  zu  vah  werden,  sondern  nur  zu  vakh,  vaokh.  Die  Be- 
deutung des  Worts  ist  in  den  Gdthd's  noch  nicht  die  in  spätem 
Stücken  vorkommende;  in  jenen  heisst  es  deutlich  Verherrlichung 
(53,  2,  wo  für  vahmd  vahmdi  zu  lesen  ist  46,  10),  Erhabenheit 
(48,  1.  45,  6);  der  Plural  bezeichnet  die  Verherrlichungen  des 
Ahura-mazda  und  der  höchsten  Geister,  und  zwar  sowohl  in  guten 
Gedanken  als  in  guten  Worten  und  Thaten  (45,  8.  46,  17.).  Zum 
erstenmale  findet  sich  vahma  im  Ja^na  haptanhaiti  (35,  7)  mitjapia 
zusammengestellt :    ahurahjd  at  zi  af   ve   mazddo  japiemcd   vahmemcd 


220      Hang,  die  Gathas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  34,  2.  3. 

vahistem  amthmaidi,  des  Ahura-mazda  Anbetung  und  Verherrlichung 
denken  wir.  Aus  dieser  Stelle  ist  die  in  den  spätem  Schriften 
durchgängige  Verbindung  des  Wortes  mit  jagna  entstanden  —  der 
Ja9n.  liai)tanh.  gilt  nämlich  später  für  heilig  —  und  ist  der  Bedeu- 
tung nach  von  letzterm  fast  nicht  mehr  geschieden  worden.  Diese 
Verbindung  ist  dann  eine  so  constante  geworden,  dass  sie  sich  auch 
auf  das  Adj.  vahmja,  das  wir  nur  neben  jt^nja,  und  das  Abstractum 
vahmjata,  das  sich  bloss  neben  je^7ijata  findet,  erstreckt.  Sehen  wir 
nun  auf  die  Etymologie,  so  ist  es  unverkennbar  derselben  Wurzel 
wie  vohii,  vahjoy  vahista,  welche  auf  vas,  leuchten,  glänzen  (vgl. 
vasu  im  Weda),  zurückzuführen  sind,  aber  die  sinnliche  Urbedeutung 
gänzlich  verloren  und  nur  die  übertragene  gut  behalten  haben  ^). 
Sonach  ist  es ,  etymologisch  durch  das  Abstractsuffix  ma  gebildet, 
eigentl.  die  Gutheit,  die  Güte,  die  Gesamratheit  alles  Guten,  was 
die  Menschen  denken,  reden  und  thun.  Da  Ahura-mazda  gerade 
diess  von  den  Menschen  verlangt,  so  besteht  die  schönste  und  wür- 
digste Art  seiner  Verehrung  darin  ,  nur  Gutes  zu  wollen  und  zu 
thun,  und  somit  ist  der  vahma  seine  beste  Verherrlichung.  Aber 
weil  Ahura-mazda  der  Inbegriff  alles  Guten  ist,  so  ist  der  vahma 
auch  seine  Wesenheit,  die  den  Menschen,  weil  des  Höchsten  Wollen 
und  Handeln  an  Reinheit  und  Vollkommenheit  alles  Menschliche  weit 
übertrifft,  als  Erhabenheit  entgegentritt.  Und  gerade  diese  letz- 
tere Bedeutung  hat  das  Wort  an  unserer  Stelle.  —  Ueber  (^tütäm 
s.  zu  28,  10.  Der  Ausdruck:  garoibis  ^tütdm ,  die  durch  Lieder 
Preisenden,  d.  i.  die  Lobsänger,  erklärt  den  bekannten  Namen  des 
Paradieses:  garo-demäna  oder  garo-nemdna,  als  Liederwohnung,  da 
jene  Lobsänger  nach  unserer  Stelle  sich  in  der  Wohnung  der  Mazda's 
befinden.     Man  vgl.  J.  41,  1 :  ^tüto  garo-vahmeng. 

V.  3.  Mjazdem.  Die  richtige  Erklärung  und  Ableitung  dieses 
Worts  bietet  manche  Schwierigkeiten.  Die  jetzigen  Pärsen  bezeich- 
nen damit  das  Opferfleisch,  „das  eingesegnet  imd  dann  gegessen 
wird  während  oder  nach  dem  heiligen  Dienst"  (Kleuker,  Zendaw., 
111,  S.  206).  Dass  es  wenigstens  eine  Art  Opfer  oder  eine  gottes- 
dienstliche Handlung  bezeichnet,  erhellt  aus  Visp.  11,  2,  wo  wir 
neben  den  Homa's  ima  mjazda  (phir.)  finden.  Aus  Ja9.  3,  1  (wie- 
derholt in  7,  1.  8,  1)  qarethem  mjazdem  dje^e  jesti ,  die  Speise 
mjazdem  verehre  ich  mit  Anbetung,  darf  sogar  mit  Recht  geschlossen 
werden,  dass  darunter  etwas  Essbares  zu  verstehen  ist.  Aber  ob 
es  gerade  Fleisch  ist,    lässt  sich   hier   nicht  bestimmen.     In  Vp.  4, 


')  Im  Rigweda  finden  wir  zwar  auch  ein  vasma,  dem  vahma  lautlich 
vollkommen  entsprechen  würde;  aber  es  bedeutet  Decke,  Hülle,  und  ist 
von  vas,  kleiden,  abzuleiten.  So  4,  13,  14:  vähishtebhis  vihdran,  jäsi  tän- 
tiim  avayjäian  dsitam  deva  vasma,  d.  i.  mit  den  schnellsten  (Strahlen)  gehst 
du  (Sürja)  das  Gewebe  auflösend,  die  schwarze  Hülle  lostrennend,  Gottl 
{aoa-vjajan,  eigentlich  „das  Gewebe  trennen",  Wurzel  ve,  weben). 


Hang,  die  Gdihas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  34,  3.  221 

2:  «  htm  (auf  gao^  bezüglich)  vaC'dhajamald  rathwadca  mjazda^ca 
rathwa^ca  ratufntaeca,  ist  die  Beziehung  undeutlich.  Af.  1,  7  kennt 
für  jeden  der  sechs  Gahdnhars  ein  eigenes  mjazdem.  Da  die  6'«- 
hdnbär  nur  die  Jahreszeiten  sind  und  in  jeder  ein  besonderes,  nach 
der  jedesmaligen  Jahreszeit  benanntes  wjazdem  darzubringen  ist,  so 
ist  wohl  schwerlich  anzunehmen,  dass  es  bloss  Fleisch  bezeichne, 
sondern  es  drückt  wahrscheinlich  Dinge  aus,  wie  sie  die  Jahreszeit 
gerade  zum  Opfer  darbot,  sodass  Blumen  und  namentlich  Früchte 
gewiss  auch  darunter  begriflfen  sind.  Für  eine  allgemeinere  Bedeu- 
tung spricht  ferner  Jt.  8,  1  mdonhemca  maethanemca  mjazdemca  frd 
jazainaid4,  den  Mond  und  die  Wohnung  ^)  und  das  mjazdem  ver- 
ehren wir.  Das  Neupersische  zeigt  das  Wort  noch  in  t^V-yo,  Gast- 
mahl, Fest,  Hochzeitsfest;  desselben  Stammes  ist  auch  mezhdn, 
ein  Gastwirth.  Das  Armenische  hat  mis.  Fleisch.  Im  Sanskrit 
lässt  sich  das  Wort  nicht  nachweisen;  denn  mdmsa,  Fleisch,  kann 
mit  mjazdem  lautlich  schlechterdings  nicht  verwandt  seyn.  Suchen 
wir  eine  Ableitung,  so  zerlegt  man  vor  allem  das  Wort  in  mjaz  und 
dem;  letzteres  ist  auf  dhd,  setzen,  oder  dd,  geben,  zurückzufüh- 
ren ;  ersteres  ist  wohl  aus  mjaf,  einer  Verkürzung  von  majat,  entstan- 
den. Dieses  kann  nur  ein  Partie,  einer  Wurzel  mi,  mi,  seyn,  die 
sich  in  der  Bedeutung  zeugen,  erzeugen,  nachweisen  lässt  (s. 
zu  33,  9  und  das  Gloss.);  ganz  desselben  Stammes  ist  das  sanskr. 
Suffix  majtty  gemacht  aus  — ,  entstanden  aus  — ;  demnach 
heisst  mjaz -dem  „Erzeugendes  gebend"  =  Erzeugung,  Frucht, 
und  bezeichnet  wohl  Naturprodukte  überhaupt,  insonderheit  die  zum 
Opfer  bestimmten.  Da  unter  Anderem  auch  Fleisch  geopfert 
wurde  ^),  so  konnte  es  auch  dieses  bezeichnen.  Wahrscheinlich  sind 
dann  mjazda  die  einzelnen  Fleischstücke,  auf  Gras  gelegt  und  mit 
Blumen  geziert.  Um  auf  das  mjazdem  unsers  Verses  zurückzukom- 
men, so  kann  es  dem  Zusammenhange  nach  nur  Opfer  überhaupt 
bedeuten.  Die  Stelle  ist  um  so  merkwürdiger,  da  sonst  nirgends 
in  den  Gdthd's  von  wirklichen  Opfern,  bestehend  in  Darbringungen 
von  Gaben,  die  Rede  ist.  Gerade  desshalb  kam  ich  auf  den  Ge- 
danken, ob  hier  für  mjazdem  nicht  das  häufiger  vorkommende  miz- 
dem,  Gabe,  Spende,  dann  Lohn  (neupers.  niuzd,  Lohn,  s.  Zeit- 
schrift der  D.  M.  G.,  VIII,  S.  760),  zu  lesen  ist.  Die  Verwechs- 
lung kommt  wirklich  in  den  Handschriften  vor;  so  hat  die  Burnouf- 
sche  Ausgabe  öfter  miazdem,  wo  mizdem  stehen  muss,  z.  B.  S.  283. 
334.  495.  49G ;  Bb.  und  die  andern  Codd.  haben  richtig  mizdem. 
Allein  da  sich  hier  nirgends  eine  Variante  »iiidem  bietet,  so  wollen 


')  Unter  maölhana  ist  wohl  hier  das  Firmament  gemeint,  als  Wohnort 
der  Sonne. 

^)  Herod.,  I,  132:  i'XZOL'i  Sc  StafxtaTuXa;  xata  fx^pea  xh  Ipi^iov  Ivl^-rfaf)  xa 
xp^a,  TjTtoa-nraffa?  'iro(Tf)v  to?  draXwTaxTQv,  jJiaXiaTa  Se  t6  Tp'!9uXXov,  irX  TauxY]? 
l'iif)^s  t.jv  TiavTa  ra  xpe'ot. 


222  IJaug,  die   GcUfias  des  Zavaihustra.   I.     Cap.  34,  3. 

wir  von  einer  Emendatiou  vorläufig  abstehen.  —  Thraostd  (Nerios.: 
pratipulja,  pravardhanija.  Vgl.  46,  7:  jajdo  skjaothandis  ashem  thraosta 
ahurd).  Auf  den  ersten  Blick  sucht  man  eine  Ableitung  von  einer 
Wurzel  thrush .  oder  ihrud ;  die  Wedasprache  bietet  zwar  taruif, 
Ueberwinder,  Sieger,  Schützer,  tanisht,  Kampf,  tarushjati, 
tödten,  überwinden,  welche  Wörter  auf  eine  Erweiterung  der 
Wurzel  tar,  überschreiten,  zurückzuführen  sind;  aber  weil  sich 
Formen  dieser  Wurzelerweiterung  im  Zendawesta  weiter  nicht  nach- 
weisen lassen,  so  müssen  wir  hievon  absehen.  Eine  Wurzel  trud 
bietet  das  Lateinische  (wohl  aus  taru  mit  dem  causativen  d,  dem 
Reste  von  dhd,  machen,  oder  dd,  setzen,  zusammengesetzt)  in 
trudere;  aber  auch  diese  kann  in  den  Zendschriften  nicht  aufge- 
zeigt werden.  In  der  Verbindung,  in  welcher  wir  hier  thraosta 
haben,  sind  nur  zwei  Erklärungen  desselben  zulässig;  entweder  be- 
deutet es  schaffen,  oder  schützen,  erhalten.  Die  sicherste 
Erklärung  scheint  die  zu  seyn ,  thraosta  als  eine  durch  Metathesis 
aus  thwarezj  schaffen,  bilden,  entstandene  Form  zu  fassen  und 
zwar  als  eine  zweite  Person  imperf.  medii.  Hierauf  führt  die  in 
den  Gdthd's  gewöhnliche  Verbindung  des  Substantivs  ga^thd  mit 
einem  Verbum  ähnlichen  Sinnes,  wie  z.  B.  dd,  schaffen,  vgl.  43, 
5.  46,  13;  ja  46,  12  lesen  wir  frddö  thwakhshanhd,  was  gerade  so 
viel  als  thwarez  bedeutet.  Schwerer  lässt  sich  die  Bedeutung 
schützen,  beschützen,  der  Nerios.  folgt,  herausbringen.  Die 
hiefür  gebräuchlichen  Ausdrücke  sind  pd,  hare  und  thrd,  wovon  das 
bekannte  thrdtar ,  Schützer,  Beschützer.  Aus  dieser  letztern 
Wurzel,  die  hier  allein  in  Betracht  kommen  körinte,  lässt  sich  aber 
grammatisch  die  Form  thraosta  nicht  ableiten.  Wir  finden  indess 
dieses  Wort  auch  in. den  Jeshts  gebraucht;  so  Jt.  5,  62  (und  dar- 
aus wiederholt  22,  7.  24,  55):  ho  avatha  vazata  thri-ajarem  thri- 
khshaparem  —  thraosta  khshafnö  thritjäo  frdghmat  ushdonhem  ^urajdo 
vivaitim  *)  iipa  ushdonhem  upa-zbajat  ardvim  ^üräm  andhitdm,  der 
(Vafro  navdzo)  fuhr  drei  Tage  und  drei  Nächte;  nach  Vollendung 
der  dritten  Nacht  kam  er  zu  der  wehenden  Morgenröthe,  der  herr- 
lichen (zur  Morgenluft,  die  sich  über  die  Herrliche,  nämlich  die 
Andhitd,  erhob);  am  Morgen  rief  er  der  Ardvi  ^ürd  andhitd  zu:  eile 
mir  zu  Hilfe  etc.  In  22,  7  und  24,  55  heisst  es:  thritjdo  khshapu 
thraosta  vja^ä  ^adhajeiti^),   nach  der  dritten  Nacht  glaubte  er,    es 


^)  Westerg.  vermuthet  ushdofihö  QÜrajdo  vjustim.  Zu  letzterer  Emen- 
dation  kann  das  vju^a  von  Jt.  22,  7  und  24,  5  hinfahren;  ein  Acc.  plur. 
vivditts  von  den  Fravashi's  s.  Jt.  13,  40;  viväiti  (Verb.)  auseinander 
wehen,  von  Tistrja  8,  40. 

^)  ^adhajeiti  wird  von  der  Huzüreschübersetzung  des  Vendidäd  durch 
^^031^3^3-:»  sich  dünken,  scheinen  (s.  mein  Schriftchen  „Ueber  die  Peh- 
lewisprache,  S.  14)  erklärt,  welche  Bedeutung  sich  auch  etymologisch  recht- 
fertigen lässt.  Im  Neupersischen  entspricht  ^A'awujLwu  ,  sich  geziemen, 
passend  seyn. 


Hang,  die  Gdthas  des    Zarathustra.   1.    Cap.  34,  3.         223 

werde  hell.  Nach  diesen  Stellen  jnuss  thraosia  so  viel  als  nach- 
dem vergangen  war,  nach  Vollendung  bedeuten.  Diese  aus 
dem  Zusammenhang  folgende  Bedeutung  würde  uns  auf  die  Wurzel 
tare  zurückführen  und  es  könnte  die  Frage  entstehen ,  ob  dieses 
thraosta  mit  dem  der  Gdthus  identisch  sey.  Eine  Vermittlung  scheint 
Vp.  12,  5  zu  bieten:  humaja  mainjdmaide  Ja  daihat  ahuro  mazdäo 
ashava  thraosta  vohu  mananha  vakhsta  asha  ja  hätcim  mazistaca  va- 
histaca  ^ra^staca,  die  heilsamen  Dinge  bedenken  wir,  die  Ahura- 
mazda  gab,  der  Schöpfer  mit  gutem  Geiste;  der  Beförderer  der 
Wahrheit  dessen ,  was  unter  dem  Seyenden  das  Grösste  und  das 
Beste  und  das  Trefflichste  ist.  Hier  ist  thraosta  augenscheinlich 
Nomen  actoris  von  der  Wurzel  thwarez;  in  den  Stellen  der  Jeshts 
ist  es  wohl  dieselbe  Form ;  nur  hat  es  hier  den  strengen  Sinn 
Vollender;  „der  Vollender  der  dritten  Nacht"  kam  ==  nach  voll- 
brachter dritter  Nacht  kam  er.  In  den  Gdthä's  ist  diese  Fassung 
nicht  zulässig.  —  Aroi.  Um  dieses  Wort,  das  mich  schon  viel  Nach- 
denken gekostet  hat,  richtig  erklären  zu  können,  ist  vorher  das 
häufige  paitj-drem,  dessen  Bedeutung  keinem  Zweifel  unterliegt, 
zu  betrachten.  Wir  finden  es  bekanntlich  im  ersten  Capitel  des 
Vendidad,  so  oft  von  einer  Gegenschöpfung  des  bösen  Geistes  die 
Rede  ist,  in  folgender  Fügung:  dat  ah4  paitjdrem  frdkerentat  anru 
mainjiis,  aber  diesem  entgegen  schuf  Anro  mainjus  (nun  folgt  jedes- 
mal die  Angabe  des  vom  bösen  Geist  geschaffenen  Uebels).  Man 
kann  in  dieser  Fügung  paitjdrem  als  Substantiv  oder  als  Adverbium 
fassen  —  letzteres  halte  ich  für  richtiger  — ,  der  Sinn  bleibt  im- 
merhin der  gleiche.  Aus  diesem  paitjdrem,  das  im  Vendidad  schlech- 
terdings keine  persönliche  Bedeutung  hat,  ist  paitjdra  (plnr.)  in  den 
Jeshts,  das  neben  daeva  vorkommt  und  ganz  deutlich  „feindliche, 
böse  Geister"  bezeichnet,  hervorgegangen,  vgl.  Jt.  3,  7.  10.  3,  14 
(paitjdranäm  paitjdrotemaj.  Um  nur  einen  Gegner  zu  bezeichnen, 
wurde  durch  die  Endung  jia  ein  neues  Wort  gebildet,  paitjdreno; 
so  Jt.  8,  59  md  geurvajoit  ahümerekhs  paitjdreno  imdm  da^nam,  nicht 
möge  der  Leben  tödtende  Feind  diese  Lehre  erfassen  (ihr  nicht 
schaden).  Im  Bundehesch  ist  dann  patjdreh  geradezu  ein  Name  des 
bösen  Geistes  geworden.  Sehien  wir  nun  auf  die  Ableitung  des 
Wortes,  so  muss  es  zunächst  in  paiti  und  drem  zerlegt  werden;  letz- 
teres führt  auf  eine  Wurzel  ar ,  die  sich  wirklich  auch  im  Zend- 
awesta  findet.  Fragm.  4,  3:  zemarguzo  bavdt  anro  mainjus  zemar- 
guzo  havdofdi  da^va  «9  iri^ta  paiti  araQuti  ^) ,  unter  der  Erde  ver- 
borgen sey  Anro  rhainjus ,  unter  der  Erde  verborgen  seyen  die 
Da^va's;  daraus  hervor  gehen  sie  gegen  die  Gestorbenen  (bekäm- 
pfen sie).  Vergl.  ferner  frdreilt^ ,  sie  wandeln  fort,  J.  46,  3. 
Das  Sanskrit   bietet   die  Wurzel   ar,   gehen,    die  schon   im  Weda 


')  Für  aräoüti  Fr.  4,  1  ist  sicher  maräonti  (nennen)  zu  lesen.     Der 
Abfall  des  m  war  wegen  des  unmittelbar  vorhergehenden  tem  leicht  möglich. 


224        Hang,  die   GcUhäs  des  Zarathustra.  I.    Cap.  34,  3.  4. 

sehr  viel  angewandt  wird.  In  der  Bedeutung  auf  Einen  los- 
gehen, haben  wir  die  Wurzel  im  baktrischen  areta^),  angrei- 
fend, feindlich,  J.  53,  6.  9.  Sehr  reich  verzweigt  ist  dieselbe 
im  Armenischen,  in  dem  sie  bald  mit  einfachem  r,  bald  mit  stär- 
kerm  r  geschrieben  wird.  Man  vgl.  ar?i-el,  machen  (Aor.  arar}, 
drn-ul,  nehmen  (Aor.  « r  ,  ^«r),  cir ,  Präposition  gegen,  nach, 
gemäss,  bei,  af-el,  dabei  seyn,  anwesend  seyn,  die  Sub- 
stantiva  ar-mat,  Wurzel,  und  arm ü'/r,  Frucht,  Produkt  (vollkom- 
men mit  Armaiti  stimmend) ;  hieher  zu  ziehen  sind  auch  Komposi- 
tionen mit  j  (h)y  einer  Abschwächung  vom  iranischen  pa  und  sans- 
kritischen «a,  so  j'af7i-el,  aufwachen,  lebendig  werden,  sich 
erheben,  faruthiun,  die  Auferstehung  (wohl  aus  upa  ~\- ar)^ 
farj-el,  verbinden  (aus  sam -^  ar ,  zusammengehen,  vgl.  auch 
griech.  apo,  fügen).  Von  der  erweiterten  Wurzel  arsh  stammt 
das  baktrische  arsti,  Geschoss,  wedisch  rshti.  Um  nun  auf  droi, 
von  dem  wir  ausgingen,  zurückzukehren,  so  ist  es  Locativ  eines 
Thema's  ära,  neben  welchem  wir  auch  ein  anderes,  dri,  finden;  aber 
nur  in  den  Gdthd's  und  bloss  adverbialiter  gebraucht  (s.  weiter  d. 
Gloss.).  Die  x\bleitung  betreffend,  so  gehört  es  der  eben  bespro- 
chenen Wurzel  ar,  gehen,  an;  ich  dachte  zwar  früher  lange  an 
eine  Wurzel  ar,  brennen,  aber  ich  habe  diese  Erklärung  nach 
langer  reiflicher  Erwägung  aufgegeben.  Demnach  heisst  droi  eigent- 
lich im  Gange,  woraus  sich  die  Bedeutungen  gegen,  entgegen, 
herbei,  herzu,  welche  letztere  es  an  unserer  Stelle  und  50,  5 
hat  (beidemal  haben  wir  droizt  mit  folgenden  Vocativen)  entwickeln. 
—  Vi^pdis  ist  mit  dem  Loc.  plur.  hhshmdoa^u  zu  verbinden.  Der 
Grund,  warum  der  Dichter  die  Mazda's  herzuruft  (wahrscheinlich 
zum  Opfer),  ist,  weil  sie  alle  Kraft  und  Stärke  besitzen,  die  sie 
nach  ihrem  Willen  den  Menschen  mittheilen  können  oder  nicht. 

V.  4.  Dem  Feuer  werden  hier  mehrere  Prädikate  beigelegt, 
von  denen  namentlich  allstem  etwas  schwerer  verständlich  ist.  Ner. 
hat  hgnstarah.  Das  Wort  kommt  nur  noch  J.  30,  10  als  Neutr. 
plur.  a^istci  vor  und  44,  9  findet  sich  ein  Substantiv  a^istis.  Sehen 
wir  nach  der  Ableitung,  so  bieten  sich  sogleich  zwei  Möglichkeiten; 
erstens  die  Wurzel  ^ish  =  skr.  ^iksh,  lehren,  demnach  hiesse  es 
eigentlich  „nicht  gelehrt",  d.  h.  von  selbst  ohne  Anweisung  etwas 
wissend;  zweitens  die  Wurzel  ^ish ,  verlassen,  zurücklassen, 
wonach  allstem  nicht  zurückgelassen,  d.i.  ganz,  vollständig 
(vgl.  skr.  a^esha,   integer)    bedeuten  würde.     Beide  Wurzeln  lassen 


^)  Hieraufist  das  arla  in  den  medo-persischen  Eigennamen  zurückzu- 
führen. Der  alte  Name  der  Perser  'ApTaioi  hat  hiemit  nur  die  zufällige  Laut- 
ähnlichkeit gemein.  Dieser  lässt  sich  am  richtigsten  aus  dem  Tatarischen 
der  zweiten  Keilschriftgattung  und  den  andern  Sprachen  desselben  Stammes 
erklären. 


Haiig^  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.  Cap.  34,  4.  225 

sich  im  Zendawesta  und  zwar  in  den  Gdthd's  nachweisen.  Die  er- 
stere  Bedeutung  indess  passt  nicht  recht  zu  einem  Beiwort  des 
Feuers,  die  zweite  empfiehlt  sich  mehr,  namentHch  wegen  des  un- 
mittelbar folgenden  emavarttem,  stark,  und  bezeichnet  das  Feuer 
in  seiner  ungebrochenen  Macht.  —  Für  ^toirapefltem  (Nerios.:  tish- 
ihata  dnandain),  wie  AVesterg.  nach  K.  5,  6  schreibt,  lesen  die  mei- 
sten Mss.  ^tüi  rapeFite.  Nach  ersterer  Lesung  ist  es  Accusativ  und 
bezieht  sich  auf  dtarein,  nach  letzterer  Dativ  und  geht  auf  toi,  wor- 
unter Ahura-mazda  gemeint  ist,  zurück.  Wenn  auch  die  Lesart 
rapenteni  leicht  als  eine  Accommodation  an  emavaiitem  und  die  andern 
im  Accus,  stehenden  Prädikate  erscheinen  kann,  während  ein  solcher 
Entstehungsgrund  für  das  viel  verbürgtere  rapeüte  nicht  anzunehmen 
ist,  so  wollen  wir  sie  der  Concinnität  wegen  beibehalten.  Jt.  24,  6 
findet  sich  der  Genit.  plur.  ^t^-rapafitäm  neben  cithra-avanhani  (so 
ist  für  Westerg.  cithra-vanhäm  dort  zu  lesen),  von  Männern  (naräm) 
gebraucht.  (Ueber  die  Wurzel  s.  zu  28,  2  und  das  Glossar).  — 
At  mazdd — aHanhem  Nerios.:  eüa  ahuramazdah piddkarasja  hastdicchaj'd 
vidadhdti  nigraham,  so  hält  Ahura-mazda  durch  das  Streben  seiner 
Hände  (mit  Gewalt)  den  Quäler  im  Zaum.  —  DaihishjaTdL  Diese 
Form,  deren  Wurzel  daiÄüA  = /6w/t  {skr.  dvish,  hassen)  ganz  deut- 
lich ist,  lässt  eine  zweifache  Erklärung  zu;  erstens  kann  es  3.  Per- 
son plur.  praes.  medii  seyn ,  zweitens  der  Dativ  sing,  des  Partie, 
praes.  Die  erstere  ist  nicht  wohl  zulässig ,  da  daibish  =  thish, 
wenigstens  im  Verbum  finitum,  nicht  nach  der  sogenannten  4.  Con- 
jugation  geht.  (Man  vgl.  daibisheiiti  J.  32,  1).  Dagegen  finden  wir 
ein  Adjectivum  (eigentl.  Participium)  thishjat,  z.  B.  Gen.  pl.  thishja- 
täm  Jt.  10,  76.  13,  31;  Nom.  pl.  ibishjafito  13,  31.  Zudem  er- 
giebt  sich  bei  dieser  Fassung  auch  der  passendste  Sinn.  —  Za^td- 
^tdis.  Westerg.  corrigirt  za^td-istdis ,  ebenso  schreibt  er  50,  5  für 
za^td^td  zagtd-istd.  K.  5,  4  haben  an  unserer  Stelle  zagtdis  tdis, 
K.  6.  zagtd.  stdis,  P.  6,  K.  11.  zagtd.  ^tdis,  Bf.  und  Bb.  za^tdstdis; 
in  50,  5  hat  K.  5  za^tdistd,  K.  4,  P.  6,  Bf.  zagtdstd,  K.  6.  za^tdis. 
td,  Bb.  zagtd^td.  Die  Westergaard'sche  Lesung  ist  nur  eine  Tren- 
nung des  zagtdistdis  von  K.  5,  4;  er  folgt  hierin  wohl  der  Auffas- 
sung Nerios.'s,  der  in  dem  Ganzen  die  zwei  Worte  hasta  und  icchäy 
Verlangen,  sieht.  Die  Mehrzahl  der  Handschriften  ist  jedoch  ge- 
gen diese  Lesung;  das  i  nach  d  und  vor  stdis  oder  <^tdis  scheint 
sich  nur  wegen  des  di  dieser  Endung  eingeschlichen  zu  haben,  und 
in  50,  5,  das  auch  sonst  eine  Reminiscenz  an  unsere  Stelle  zu  ent- 
halten scheint,  ist  dann  das  i  auch  vor  der  Endung  ffa  geblieben. 
Indess  die  Richtigkeit  der  Westergaard'schen  Lesung  zugegeben,  so 
handelt  es  sich  vor  allem  um  die  Erklärung  des  istdis  und  dann 
des  Sinnes  des  ganzen  Compositums.  Istdis  könnte  möglicherweise 
auf  zwei  grundverschiedene  Wurzeln,  jaf,  verehren,  und  ÜA,  kom- 
men, wandeln  (s.  darüber  zu  30,  1  und  das  Glossar)  zurückge- 
führt werden;  nach  der  ersten  Erklärung  würde  das  Compositum 
„das  durch  die  Hand,  d.  i.  Thaten,  Verehrte",  nach  der  zweiten 
^hhandl.  der  DMO     w    ^.  15 


220  Hang,  die  Gdt/tas  des  Zaraihustra.   I.     Cap.  34,  4. 

die  durch  die  Hand  gegangenen",  oder,  wenn  man  ista  für  ishita 
nehmen  will,  „das  durch  die  Hand  Geschickte"  bedeuten.  Von  allen 
diesen  Bedeutungen  passt  nur  die  letztere  zu  dem  Sinne  des  Gan- 
zen, Weil  aber  dem  ista  als  einem  von  dem  einfachen  ish  gebil- 
deten Particip  nicht  die  causative  Bedeutung  geschickt  beigelegt 
werden  kann,  so  müssen  wir  die  Lesung  ista  aufgeben.  Einen  noch 
weit  passendem  Sinn  gewinnen  wir  indess,  wenn  man  za^tdstä  liest 
und  dieses  in  za^tä  asta,  mit  der  Hand  geworfen,  d.  i.  Ge- 
schoss,  auflöst.  —  Derestd,  Bf.  darest  a,  Bb.  darestd.  Der  Form 
nach  lässt  es  sich  weder  als  eine  zweite  noch  als  eine  dritte  Per- 
son sing.  Verbi  (Nerios.)  fassen,  sondern  es  muss  das  passive  Part, 
seyn.  Da  aber  der  Accusativ  aenanhem  nicht  davon  abhängen  kann 
und,  wenn  es,  wie  dieses,  auf  daihishj afite  bezogen  wird,  letzteres 
zwei  Accusative  regieren  würde,  was  nicht  genügend  zu  erklären 
wäre,  so  ist  der  einzige  Ausweg,  dieses  derestd  mit  aenanhem  zu 
einem  Worte  zu  verbinden.  Diess  geht  um  so  eher,  als  aenanhem 
schon  formell  nicht  als  Abstractum  Sünde,  sondern  als  Coucretum 
Sünder  gefasst  werden  müsste.  Die  Ableitung  des  Wortes  anlan- 
gend, so  kann  es  drei  sanskritischen  Wurzeln  entsprechen,  die  alle 
im  Baktrischen  vertreten  sind:  drq  (für  dar^,  griechisch  6£pX0{j.a0j 
sehen,  dhrsh,  wagen  (Jnr  dharsh),  und  Jr/j,  wachsen  (für  dargA). 
Für  die  erstere  bietet  das  Baktrische  gewöhnlich  dareg,  für  die  zweite 
dares,  deres,  daresh,  und  für  die  dritte  darez,  derez.  Hienach  würde 
das  derestd  unserer  Stelle  nur  auf  die  zweite  zurückzuführen  seyn; 
aber  der  so  häufige  Wechsel  der  Zischlaute^  namentlich  des  f,  s  und 
sh  untereinander  im  Baktrischen  würde  auch  die  Ableitung  von  einer 
der  andern  Wurzeln  wenigstens  möghch  machen.  Der  Sinn  der 
ganzen  Stelle,  sowie  der  der  Parallelstellen  31,  2  und  50,  5  (aibt- 
derestd)  fordert  indess  nothwendig  die  zweite;  vgl.  auch  die  zweite 
Person  plur.  perfect.  reduplic.  didhareshathd  46,  7.  Ausser  diesen 
sind  mir  weiter  keine  Verbalformen  der  Wurzel  daresh  bekannt. 
Dagegen  treffen  wir  ziemlich  häufig  in  den  spätem  Stücken  des 
Zendawesta  ein  Adject.  darshis  vom  Winde  (vdto)  gebraucht  Jt.  8, 
33.  34.  18,  5,  das  den  Sinn  von  gewaltig,  stark,  heftig  hat^); 
dasselbe  Wort  haben  wir  auch  in  dem  Compositum  darshi-dru,  rasch 
laufend,  gewöhnlich  ein  Beiwort  des  tanumäthra,  „der  das  heilige 
Wort  zur  Person  hat"  (was  nur  ein  Name  des  ^raosha  ist  Jt.  13, 
85),  Jt.  13,  99.  106.  Die  Wurzel  finden  wir  indess  auch  im  Me- 
dischen  (der  ersten  Keilschriftgattung),  wo  sie  darsh  lautet.  So 
Bis.  I,  53:  kascija  nija  adarshanush  cishcija  thastanija  parija  Gumd- 
iam,  niemand  unterstand  sich,  etwas  gegen  Gumäta  zu  sagen;  hier 
ist  adarshanush    dritte  Person   plur.    des  Imperf.    der  Wurzel   darsh. 


^ )  Indess  finden  wir  im  ganz  gleichen  Sinne  eine  Ableitung  der  Wurzel 

(lerez  gebraucht,  z.B.  Vend.  3,  42  välö  derezi-takathrö,  ein  Wind  star-  a 

ken,    gewaltigen   Laufes.     Man  s.  über   die  Wurzel  derez   auch   meine  m 

„Bemerkungen"  in  Ewald's  Jahrbüchern  der  bibl.  Wissensch. ,  V,   152  fg.  '* 


Hang,  die   Gdthd's  des  Zarathustra.   l.     Cap.  34,  4.  5.       227 

Die  erste  Person  imperf.  medii  adarshya  (==  adarshe)  treffen  wir 
in  J.  7,  8 :  imd  dahjdwd  ijd  adam  adarshija,  diess  sind  die  Länder, 
welche  ich  mir  unterwarf.  Davon  abgeleitet  finden  wir  ein  Siib- 
stantivuin  darshama,  Gewalt,  Gewaltthat;  so  Bis.  I,  50  kdrashim 
hacd  darshama  atarsa,  das  Reich  fiirchtete  ihn  (den  Gumäta)  wegen 
seiner  Gewaltthat;  IV,  37  thuwamhja  aparain  ahja  hacd  darugä  dar- 
shama 2)aUpajuwd,  du,  welcher  du  in  Zukunft  (König)  bist,  schütze 
dich  vor  des  Bösen  ^)  Gewalt.  Das  neupersische  scheint  die  Wur- 
zel in  ddsh-ten,  halten,  festhalten,  die  im  Imperfectstaram  dar 
annimmt  (wohl  nur  eine  Verkürzung  aus  darsh  und  nicht  von  dare, 
dere,  abzuleiten,  das  d  wäre  sonst  nicht  erklärlich),  bewahrt  zu  haben. 
Das  Wort  durust,  ganz,  gerecht,  ist  nicht  hieherzuziehen;  es  ist 
aus  drvu-^tdj  feststehend  (vgl.  das  Subst.  drvo-^tdti  Jt.  9,  2)  ent- 
standen. Das  Armenische  bietet  darian-il  oder  dazan-ü,  sich  ab- 
mühen, dazankh.  Mühe,  Arbeit.  Gehen  wir  nun  auf  die  Grundbe- 
deutung des  besprochenen  daresh  ==  skr.  dhfsh  zurück,  so  ist  dieselbe 
wohl  etwas  festhalten  wollen  oder  etwas  festzuhalten  suchen 
(es  ist  nämlich  nur  ein  sehr  altes  Desiderativ  der  Wurzel  dhaty 
festhalten);  daraus  ging  die  Bedeutung  intrans.  muthig  seyn, 
stark  seyn,  trans.  einen  Angriff  auf  Einen  machen.  Einen 
überwältigen  (mit  der  Präposition  d)  hervor,  welche  beide  sich 
im  wedischen  Sanskrit  finden.  In  den  iranischen  Sprachen  treflfen 
wir  nur  die  transitive,  wie  aus  den  angeführten  Beispielen  erhellt. 
Auch  in  unserer  Stelle  hat  es  diese  Bedeutung. 

V.  5.  Die  Lesart  skjaothandis  ist  schwankend;  K.  5.  bietet 
skjaothandi,  K.  11.  skjaothnd;  ein  ähnHches  Schwanken  s.  bei  44, 
10.  Die  Entscheidung  hierüber  hängt  von  der  richtigen  Erklärung 
und  Verbindung  des  istis  (Nerios.:  lakshmi)  ab,  welches  wir  dess- 
wegen  zuerst  weiter  besprechen  wollen.  Es  findet  sich  öfter  in  den 
Gdthd's,  aber  an  keiner  Stelle  derselben  ist  seine  wirkliche  Bedeu- 
tung mit  vollkommener  Sicherheit  zu  ersehen.  Wenden  wir  uns 
desshalb  zu  den  spätem  Stücken,  wo  sich  dieselbe  deutlicher  aus 
dem  Zusammenhange  entnehmen  lässt.  Jt.  8,  15  (in  17  wieder- 
holt) :  kahmdi  azem  dadhdm  virjdm  isttm  virjäm  vdthwäm  havahecd 
uruno  jaozddthrem,  wem  gab  ich  Reichthum  an  Männern  2),  Ueber- 
fluss  an  Männern,    und    Reinigung    der    eigenen  Seele?     Jt.  5,  26 


^)  Darugä  ist  nicht,  wie  bisher  allgemein  angenommen  wurde,  Instru- 
mental, sondern  Genitiv  und  Ablativ,  vollkommen  dem  alten  baktr.  drügö 
(von  drulxhs)  entsprechend.  Der  Nominativ  lautet  nicht  daru(/a,  sondern 
nur  dariig;  das  Schluss-a  ist  ja  gar  nicht  geschrieben..  Auch  H.  17  ist 
darugä  dieselbe  Form  wie  hier.  Dort  wäre  der  Instrumental  nach  hacd 
etwas  schwer  erklärbar. 

'^)  Hierunter  sind  die  Nachkommen,  die  Kinder,  sowie  das  Gesinde  zu 
verstehen;  vira  hat  hier  ganz  die  Bedeutung  des  wedischen  viravat,  das  wir 
80  häufig  neben  gömat,  agvavat  etc.  finden. 

15* 


228  Hang,  die   Gdthas  des  ZaraUtuslra.     Cap.  34,  4. 

(gieb  mir  Ardvi  gurd  anuhitd),  jathd  iizhardni  haca  daevaeibjo  ujd 
istisca  ^aokdca  iijc  fshaonica  väthwdca,  damit  ich  von  den  Daeva's 
wegnehme  beides,  sowohl  die  Güter  als  die  Vortheile,  beides,  so- 
wohl die  Reichthümer  (Geld)  als  die  Heerden.  Jt.  10,  108:  hah- 
mal  istim  —  'poiirus-qdthräm  hakhshdni,  wem  soll  ich  nahrungsreiches 
Gut  schenken?  In  10,  33  finden  wir  die  Verbindung  istim  amem 
verethraghnemca y  wonach  isti  etwas  Aehnliches  bedeuten  muss,  wie 
die  zwei  andern  bekannten  Macht,  Sieg.  Man  vgl.  noch  Jt.  5, 
98.  19,  32.  24,  46.  Aus  allen  diesen  Stellen  kann  mit  einer  ge- 
wissen Sicherheit  entnommen  werden,  dass  istis  die  Bedeutung  von 
Vermögen,  Reichthum,  Besitz,  Gut,  hat,  und  zwar  scheint 
es  näher  den  Grundbesitz  (das  Stammcapital)  zu  bedeuten,  da 
als  mit  ihm  gleichsam  nothwendig  verbunden  ^aoka,  der  Nutzen, 
Ertrag  (Zins)  erscheint.  Burnouf  hat  schon  im  Allgemeinen  den 
Sinn  richtig  erschlossen,  indem  er  das  Wort  mit  „les  biens"  deutet. 
Gehen  wir  nun  zu  den  Gdthas  über.  Hier  ist  vor  allem  daran  zu 
erinnern,  dass  wir  zwei  Schreibungen  des  Wortes,  isti  und  isti,  fin- 
den (s.  d,  Gloss.).  Auf  den  ersten  Anblick  vermuthete  ich,  es  seyen 
zwei  verschiedene  Wörter ,  aber  eine  nähere  Untersuchung  stellte 
die  Einerleiheit  beider  heraus.  Da  die  Schreibung  istis  die  weitaus 
häufigere  ist,  so  wird  man  am  richtigsten  verfahren,  wenn  man  die 
Schreibung  istis  an  den  wenigen  Stellen,  wo  sie  sich  findet,  in  istis 
ändert.  Was  die  Bedeutung  anlangt,  so  können  einige  Stellen,  wie 
44,  10  und  53,  1,  leicht  zu  der  Annahme  führen,  es  heisse  in  den 
Gdthd's  Verehrung  (etwa  von  jaz  abgeleitet),  eine  Erklärung,  die 
ich  selbst  früher  in  meinen  Zendstudien  (zu  44,  10)  gab.  Aber 
diese  Erklärung  stösst  bei  manchen  Stellen,  wie  32,  9.  46,  2,  auf 
bedeutende  Schwierigkeiten,  und  auch  an  den  eben  dafür  angeführten 
wäre'  sie  nicht  ganz  zutreffend.  Wenden  wir  nun  die  spätere  Be- 
deutung des  Wortes  auf  die  Gdthd's  an,  so  passt  im  Allgemeinen 
dieselbe,  namentlich  an  unserer  Stelle,  wo  istis  ein  Synonym  von 
khshathrem  zu  seyn  scheint;  aber  in  <len  meisten  andern  hat  das 
Wort  wohl  eine  bestimmtere  Bedeutung,  nämlich  die  von  „wesent- 
lichem Gut",  d.  i.  das  Gut,  wodurch  eine  Sache  allein  bestehen  kann. 
Diesen  Sinn  möchte  ich  namentlich  den  Stellen  geben,  wo  istis  mit 
vohu  memo  verbunden  erscheint.  Das  wedische  Sanskrit  bietet  zwei 
ishti,  die  mit  unserem  isti  leicht  identisch  seyn  können;  das  eine, 
von  ish,  gehen,  abgeleitet,  heisst:  Eile,  Gang;  das  andere,  von 
jag,  opfern,  stammend,  bedeutet  Opfer.  Am  nächsten  liegt  für 
das  Baktrische  die  Wurzel  ishy  da  auf  Jaf,  wie  vorhin  schon  gesagt 
wurde,  zu  verzichten  ist.  Von  dieser  lässt  sich  im  Baktrischen  nur 
die  Bedeutung  „kommen"  (s.  zu  30,  1)  mit  Sicherheit  erweisen. 
An  die  Bedeutung  wünschen,  welche  sie  im  Sanskrit  hat,  kann 
hier  nicht  gedacht  werden,  da  sie  im  Zendawesfa  nirgends  zu  ent- 
decken ist;  denn  das  Adjectiv  ishjo,  ein  stehendes  Prädikat  des 
Airjama ,  heisst  nicht  wünschens  werth  ,  eine  Bedeutung,  die 
in    den    Gdthd's    nie    einen   Sinn    gäbe    (siehe    das    Glossar).      Da- 


Haugy  die  Gdthas  des  Zarathustra.   L    Cup.  34,  5.  229 

gegen  finden  wir  ein  Substantiv  ish  in  der  Bedeutung  Speise, 
dieselbe,  welche  ish  auch  im  Weda  hat.  Hiemit  ist  istis  zu  verbin- 
den; und  zwar  ist  es  nur  eine  Abstractbildung  davon  und  heisst 
eigentlich  Speisung,  Nahrung,  worunter  alles  insgesammt,  was 
zur  Ernährung  überhaupt  gehört,  zu  vorstehen  ist.  Hieraus  lassen 
sich  die  wirklich  vorkommenden  Bedeutungen  des  AVortes  Gut,  Ver- 
mögen, Reichthum,  genügend  erklären,  wenn  man  die  alt-arische 
Anschauung  bedenkt,  in  der  die  Begriffe  Speise  imd  Besitz  zusam- 
menfallen, wie  wir  so  häufig  in  den  wedischen  Liedern  sehen  kön- 
nen. —  Gehen  wir  mm  nach  dieser  Erklärung  des  istis  zu  seiner 
Verbindung  mit  dem  folgenden  Worte  über.  Liest  man  dieses  mit 
Westerg.  skjaothajuUs,  so  entsteht  der  Sinn:  welches  Gut  ist  durch 
die  Handlungen?  d.  i.  welches  Gut  wird  durch  die  Handlungen 
(nämlich  die  religiösen)  errungen?  Wird  der  Dativ  skjaothanäi  ge- 
lesen, so  heisst  es:  welches  Gut  ist  für  die  heilige  Handlung,  d.h. 
welches  Gut  ist  für  die  heilige  Handlung  bestimmt.  Da  sonach 
bei  beiden  Lesungen  eigentlich  der  gleiche  Sinn  herauskommt,  so 
halte  ich  es  für  das  Beste,  bei  der  von  den  meisten  Handschriften 
gebotenen  Schreibung  skjaothandis  stehen  zu  bleiben.  —  Jathd  vao~ 
khemi  Nerios,:  jathd  jashmabhjarn  bhavdmah.  Für  vdo  ahmt  der  mei- 
sten Handschriften  (K.  6,  11.  P.  6.  Bf.),  das  Westerg.  aufgenom- 
men hat,  ist  vaokhemi  zu  schreiben.  K.  5.  hat  hahtnij  K.  4.  hakhmi, 
Bb.  vd  ahmt.  Die  handschriftHche  Schreibung  scheint  dadurch  ent- 
standen zu  seyn,  dass  bei  der  Recitation  des  Stücks  das  ursprüng- 
liche vaokhmi  mit  einem  Absätze  gesprochen  wurde;  der  Ton  lag 
wohl  auf  der  Stammsylbe.  Hatte  man  einmal  der  Recitation  wegen 
das  Wort  getrennt,  so  ist  leicht  begreiflich,  dass,  da  so  der  wirk- 
liche Sinn  des  Wortes  allmählig  verloren  gehen  musste ,  mehrfache 
kleine  Veränderungen  versucht  wurden,  um  einen  passenden  Sinn 
zu  gewinnen.  Man  verbesserte  vdo  in  das  so  häufige  pronomi- 
nale vdo  oder  gar  in  vd,  das  kh7nt  in  ahmi  (von  as,  seyn)  oder 
hakhmi  (von  hac ,  folgen).  Aber  alle  diese  Verbesserungen  geben 
keinen  genügenden  Sinn.  „Dass  ich  euer  bin",  wäre  hier  viel  zu 
matt  und  Hesse  sich  überdiess  in  keinen  rechten  Zusammenhang 
mit  ashd  —  thrdjoidhjdi  drigüm  jushmdkem  bringen.  Was  nun  die 
Form  vaokhmi  selbst  anlangt,  so  kommt  sie  zwar  im  Zendawesta 
nicht  weiter  vor,  ist  aber  durch  das  vaokhemd  unsers  Verses,  das 
deutlich  die  erste  Person  plur.  imperf.  der  Wurzel  vac,  reden,  ist, 
sichergestellt.  Auch  im  Sanskrit  bildet  diese  Wurzel  das  Präsens 
ohne  Bindevokal  (nach  der  zweiten  oder  dritten  Conjugation).  — 
Ashd  ist  als  Accusativ  abhängig  von  vaokhmi  zu  denken.  Der  fol- 
gende mit  thrdjöidjdi  eingeleitete  Infinitivsatz  giebt  den  Zweck  des 
Verkündens  der  Wahrheiten  an.  Der  Sinn  des  thrdjöidjdi  kann  bei 
näherer  Betrachtung  nicht  zweifelhaft  seyn.  Nerios.  hat  pdlanam 
daddti,  Schutz  geben,  wonach  er  das  Ganze  in  zwei  Worte  zer 
legt,  was  unstatthaft  ist.  An  eine  Ableitung  von  der  Wurzel  thrdy 
erhalten,    der  wir    öfter   im  Baktrischen  begegnen,    ist  hier  nicht 


230  Haug,  die  Gdthas  des  Zarathiistra.   I.     Cap.  34,  5. 

zu  denken,  sondern  dieses  Wort  ist  vielmehr  der  Infinitiv  eines 
Causale  des  Zahlworts  thri,  drei,  und  heisst  eigentlich  verdrei- 
fachen. Das  Wort  findet  sich  nur  noch  in  der  schwer  verständ- 
lichen Stelle  J.  11,  9:  j6  no  aevo  at  te  uje  thräjoidjdi  türahe  meii- 
ddidjdi  khshvidem  haptdzdjäi  nava  da^eme  joi  ve  jethma,  welcher  ^) 
uns  einer  ist,  um  diese  zwei  zu  verdreifachen,  die  vier  zu  ver- 
fünffachen, das  sechsfache  zu  sieben  und  acht  zu  machen,  die  neun 
zum  zehnten  u.  s.  w.  —  Drigu  kann  hier  nur  D  reih  ei  t  (eigentl. 
Dreigespann)  heissen  und  steht  eigentlich  für  thrigu.  Die  Verwand- 
lung des  th  in  d  ist  eine  Folge  des  Einflusses  des  weichen  g  der 
Endsylbe ;  diese  Erweichung  ist  in  dem  Dialekt  der  Gdthd's  sehr 
häufig  (s.  darüber  die  Gramm.;  man  vgl.  nur  azdebis,  Instrum.  pl. 
von  a^tif  Daseyn,  Körper).  Das  gii  am  Ende  ist  identisch  mit 
dem  schliessenden  gu  sanskritischer  Composita  (unser  drigu  würde 
zur  5.  Classe  dvigu  gehören),  das  wir  sonst  noch  im  baktrischen 
hvogvd  haben  (s.  das  Glossar).  Nun  fragt  es  sich  vor  allem,  was 
unter  dieser  Dreiheit  zu  verstehen  sey.  Die  Parallelstellen  helfen 
uns  hier  nichts;  denn  unter  dem  marezdika  thrdjo-drigu  Jt.  2,  2.  7 
ist  nur  der  Spruch  unserer  Stelle  zu  verstehen.  Bei  näherm  Nach- 
denken fielen  mir  drei  mögliche  Erklärungen  bei.  Erstens  kann  die 
heilige  Trias,  Gedanke,  Wort,  That,  gemeint  seyn;  zweitens 
könnten  darunter  die  drei  Stände  dthrava,  rathaestdo  und  vd^trja 
fshujäf,  verstanden  werden;  drittens  dürfte  auch  an  die  drei  heilig- 
sten Gebete  Jathd  ahü  vairjo,  Ashem  vohii  und  Jenhe  hdtäm  gedacht 
werden.  Gegen  die  zweite  Erklärung  spricht  namentlich,  dass  auf 
die  drei  Stände  in  den  Gdthas  weiter  kein  Gewicht  gelegt  wird; 
ja  der  dthrava  und  rathaistdo  werden  nicht  einmal  erwähnt.  Gegen 
die  dritte  Möglichkeit  kann  geltend  gemacht  werden,  dass  in  den 
Gdthd's  nirgends  auf  diese  drei  heiligen  Gebete  angespielt  wird,  die 
wahrscheinlich  sogar  etwas  spätem  Ursprungs  sind.  Dagegen  spricht 
vieles  für  die  erste  Erklärung.  Die  Dreiheit  des  Gedankens,  des 
Wortes  und  der  That  war  eine  der  Grundideen  Zarathustrischer 
Lehre  (s.  33,  14)  und  findet  sich  überall  in  den  Gdthd's.  Die 
Dreiheit  wird  vom  Ahura-mazda  und  seinen  Geistern  ausgesagt 
(man  denke  aber  ja  nicht  an  den  Begriff  christlicher  Trinität) ;  denn 
auf  ihn  kann  sich  nur  das  jushmdkem  beziehen.  Darunter  ist  dann 
die  Vereinigung  des  allerreinsten  Gedankens ,  des  allerheiligsten 
Wortes  und  der  glückbringendsten  That  gemeint ,  wie  diess  dem 
höchsten  Geiste  zugeschrieben  werden  muss.  Was  ist  aber  nun  der 
Sinn  der  ganzen  Redensart:  „eure  Dreiheit  verdreifachen"?     Eine 


0  Der  Vers  bezieht  sich  wohl  auf  Haoraa,  von  dem  im  ganzen  Capitel 
vorher  und  nachher  die  Rede  ist;  er  ist  hier  als  Vermehrcr  des  Menschen- 
geschlechts bezeichnet  —  denn  von  etwas  Anderem  können  diese  Zahlen 
kaum  verstanden  werden  — ,  eine  Rolle ,  die  ihm  Ja9.  c.  9  wirklich  zuge- 
schrieben ist,  da  die  Weisen  der  Vorzeit,  die  ihn  verehren,  zum  Lohne  von 
ihm  öfter  Söhne  erhalten. 


HuHgf  die   Gdthas  des  Zaraihuslra.   I.     Cap.  34,   5.  231 

Dreiheit  verdreifachen,  ist  zunächst  so  viel,  als  eine  Einheit  ver- 
neiinfachen.  Beides,  drei  und  neun,  sind'  im  Zendawesta,  wie 
auch  im  Weda,  sogenannte  heilige  Zahlen.  Ich  sage  sogenannte, 
weil  die  Heiligkeit  bestimmter  Zahlen  erst  allmählig  aufkam,  nach- 
dem der  ursprüngliche  Sinn  der  Verbindung  gewisser  Zahlen  mit 
gewissen  Substantiven  vergessen  war.  Dieser  war  keineswegs  ein 
heiliger,  sondern  ein  ganz  natürlicher  und  in  der  uralten  Anschauung 
begründeter;  ja  gerade  solche  bestimmte  Zahlverbindungen  lassen 
uns  noch  einen  Blick  in  die  allerältesten  Verhältnisse  werfen  ^).  So 
reden  die  Lieder  des  Rigweda  z.  B.  öfter  von  panca  kfshtajah  oder 
panca  kshüajah,  d.  i.  fünf  Geschlechtern;  dem  Sinn  und  Zusam- 
menhang nach  sind  aber  keine  fünf  einzelnen  Geschlechter  mehr 
darunter  zu  verstehen,  sondern  der  Ausdruck  bezeichnet  alle  Ge- 
schlechter, das  ganze  Volk  überhaupt.  Ursprünglich  bezeichneten 
sie  aber  gewiss  nur  fünf  Geschlechter,  welche  die  angesehensten 
seyn  mochten  und  als  Träger  des  Ganzen  galten.  Nachdem  man 
sich  einmal  gewöhnt  hatte,  von  fünf  Stämmen  als  vom  ganzen  Volk 
zu  reden,  so  wurde  diese  Redeweise  auch  beibehalten,  nachdem  sich 
die  Zahl  der  Geschlechter  bedeutend  vermehrt  hatte,  wie  aus  einer 
gewissen  Ehrfurcht  gegen  das  Althergebrachte.  Dieser  kurze  Wink 
möge  für  jetzt  genügen.  Was  nun  die  Zahl  neun  insbesondere 
anbetrifft,  so  finden  wir  sie  im  Zendawesta  häufig  angewandt.  So 
treffen  wir  drei  und  neun  namentlich  in  der  grossen  Reinigungs- 
ceremonie  der  neun  Nächte  (der  sogenannten  Barshnomceremonie), 
wie  sie  Vend.  Farg.  9  näher  beschrieben  ist.  99,999  Fravaschi's 
sind  aufgestellt,  um  den  See  Vouru-kasha  zu  bewachen;  ebenso 
viele  sind  für  den  Stern  Hapto-iring,  wieder  die  gleiche  Zahl  zur 
Bewachung  von  (^äma's  Körper,  und  noch  einmal  ebenso  viele  zur 
Bewahrung  von  Zarathustra's  Saamen  bestimmt  (Jt.  13,  59  —  62; 
vgl.  Minokhired  in  Spiegel's  Pärsi-Gramm.,  S.  141,  §.  11,  u.  142, 
§.  17).  900  Jahre  (eigentl.  Winter)  werden  dem  Jima  zuletzt 
zu  Theil  (nach  Vend.  Farg.  2);  9000  Jahre  soll  der  Kampf  zwi- 
schen Ahura-mazda  und  Angro-mainjus  dauern  (Bundeh.  S.  4,  1.  11); 
die  einzelnen  Perioden  des  Kampfes  dauern  3000  Jahre.  An  un- 
serer Stelle  nun  hat  der  Ausdruck:  „die  Dreiheit  verdreifachen" 
(eine  Einheit  verneunfachen)  nur  den  Sinn,  die  Fülle  der  guten  Ge- 
danken, Worte  und  Thaten,  die  im  Ahura-mazda  vereinigt  sind, 
überall  unter  den  Menschen  zu  verbreiten ,  sodass  jene  höchsten 
Güter,  indem  die  Menschen  sich  ihrer  theilhaftig  machten,  als  ver- 


')  Dass  derartige  Verbindungen  bestimmter  Zahlen  mit  gewissen  Sub- 
stantiven im  Lauf  ihren  eigentlichen  Zahlwerth  verlieren  und  nur  zu  einer 
\rt  Pluralzeichen  herabsinken,  zeigt  namentlich  das  Chinesische;  so  ssd 
hell,  die  vier  Meere  ==  alle  Meere;  Hud  fang,  die  vier  Gegenden  =  alle 
Gegenden;*  kiü  tceu ,  die  neun  Provinzen  =  alle  Provinzen ;  pe  sing ,  die 
hundert  Geschlechter  ::=  alle  Geschlechter  (s.  Endlicher,  Chinesische  Gram- 
matik, S.  196  fg.). 


232       Haug,  die  Gdihas  des  Zarathustra.  /.-  Cap.  34,  5.  6. 

vielfacht  erscheinen  mussten.  —  Pare  vdo  —  mashjdisca.  Der  Sinn 
dieses  Satzes  ist,  obschon  die  einzelnen  Worte  an  sich  klar  sind, 
etwas  schwer  zu  deuten.  Ueber  pare  ist  schon  zu  33,  7  geredet 
worden;  es  kann  auch  hier  nur  antea,  vorher  (Nerios.:  purah^, 
bedeuten.  Man  könnte  leicht  versucht  seyn,  es  in  dem  Sinne  von 
coram  zu  nehmen  und  mit  vdo  eng  zu  verbinden;  aber  der  so  ent- 
stehende Gedanke  „wir  sprechen  in  eurer  Gegenwart  wegen  aller 
Daeva's  etc."  dürfte  nicht  mit  dem  Geiste  der  Zarathustrischen  Re- 
ligion stimm.en.  Die  erste  Person  plur.  in  vaokhemd  kann  nur  auf 
den  raenschhchen  Redner  (Zarathustra)  und  seine  Genossen  gehen; 
unter  vdo  ist  der  Dual  Ahura-mazda  gemeint.  Am  richtigsten  fasst 
man  vdo  als  einen  Dat.  commodi  und  verbindet  j)^^^ >  antea,  eng 
mit  vaokhemd.  So  ergiebt  sich  der  Sinn:  wir,  die  Verkündiger  der 
neuen  reinen  Lehre,  reden  nicht  erst  heute  gegen  die  Daeva's,  die 
Khraf9trä's  und  die  Menschen  (nämlich  die  schlechten)  zu  euerem 
Besten,  sondern  wir  haben  dies  schon  oft  früher  gethan.  Die  Wie- 
derholung des  pare  scheint  den  Begriff  „schon  früher"  oder  „schon 
längst"  auszudrücken.  —  Das  Adjectiv  vi^pdis  ist  mit  daevdis  und 
den  zwei  folgenden  Worten  zu  verbinden.  Die  Instrumentale  drücken 
den  Begriff  „wegen"  aus.  „Wir  sprachen  wegen  der  Daeva's"  ist 
so  viel  als  „wir  sprachen  gegen  die  Daeva's".  —  Für  khraf^trd 
von  K.  5.  haben  alle  andern  Copien  hhraf^trdis.  Da  aber  hier  das 
cd  fehlt,  so  sieht  diese  Lesung  fast  nur  wie  eine  Correctur  nach 
Analogie  von  daevdis  und  mashjdis  aus.  In  den  der  unsern  nahver- 
wandten Stellen  29,  4  u.  48,  1  finden  wir  nur  daevdiscd  mashjdisca 
ohne  khraf^trd.  An  unserer  Stelle  ist  khraf^trd  mit  mashjdis  zu  einem 
Doandva  zu  verbinden.     (Ueber  khraf^trd  s.  d.  Glossar.) 

V.  6.  Haithtm  ist  hier  Adverbium  in  dem  Sinne  von  wirklich, 
in  der  That.  —  Mazda- ashd  ist  Prädikat:  wenn  ihr  (Ahura- 
mazda)  wirklich  Weisheitspender  und  Wahrhaftige  seyd.  —  Bakhsiem 
(Nerios. :  lakshanam).  Diesem  Worte  begegnen  wir  in  den  Gdthd's 
nur  noch  51,  9:  aibi  ahvdhü  dakhstem  ddvöi,  welches  eine  der  un- 
sern ganz  ähnliche  Verbindung  oder  eigentlich  dieselbe  Ausdrucks- 
weise, nur  anders  construirt,  ist.  Dagegen  treffen  wir  das  Wort 
öfter  im  Vendidad;  so  1,  18.  19  arathwja  dakhsta  als  Schöpfungen 
des  Anro  mainjas;  2,  37:  naedha  cim  anjäm  dakhstanäm  joi  henti 
anrahe  mainjeus  ddkhstem  mashjdisca  paiti  nidhdtem,  auch  nicht  (ist 
hier  im  Vara  des  Jima)  eines  der  andern  dakhsta' s ,  welche  sind 
dakhsta  des  Anro  mainjus  und  gegen  die  Menschen  niedergesetzt 
(eingesetzt);  14,6:  bis  hapta  dthro  dakhstem  nerehjo  ashavabjo  ashaja 
vanhuja  urime  cithim  nigirimijdt,  zweimal  sieben  dakhstem  des  Feuers 
möge  er  den  reinen  Männern  mit  guter  Reinheit  als  Sühne  über- 
liefern; 15,  10:  jezica  aesha  jd  kaine  mashjdttäm  paro  fsharemdt  taro- 
dakhstem  parditi  taro-apemca  urvardmca,  wenn  dieses  Mädchen  (das 
ausser  der  Ehe  schwanger  wird),  ehe  es  sich  vor  den  Menschen 
schämen   muss,    zu   einem    schlimmen   dakhstem,    nämlich   zu  einem 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathiistra.  I.    Cap.  34,  6.         233 

schlimmen  Wasser  oder  Holz,  hingeht  (um  durch  die  Anwendung 
derselben  die  Frucht  abzutreiben);  15,  46:  jezi  va^eii  mazdajapia 
gvd-dakhstem  maethmanem  kiitha  te  verezjän  aete  joi  mazdaja^na,  wenn 
die  Mazdaja9ner  ein  J^ehcns  - dakhstem  durch  Begegnung  wollen  (es 
ist  von  der  Begattung  der  Hunde  die  Rede),  wie  sollen  sie  es 
machen?  16,  13:  aetadha  he  aete  mazdajapia  aetajdo  nairikajdo 
cithravaitjdo  dahhstavaiijdo  vohunavaüjdo ,  dalchstem  uzverezjät  hd  he 
a^ti  citha,  sollten  hier  diese  Mazdajacner  dieser  Frau,  die  mit  Saa- 
men  ^),  dakhsta's  und  Blut  versehen  ist,  ihr  dakhsta  herausthun,  was 
ist  die  Strafe  dafür?  16,  14,:  jat  he  cifhra  dakhstem  bavaiti  jaf  h6 
dakhsta  cithrem  bavaiti,  wann  ihre  (des  Weibes)  Saamen  dakhstem 
Saamen  wird,  wann  ihre  dakhsta's  Saamen  werden.  Eine  gewöhn- 
liche Bezeichnung  der  nienstruirenden  Frauen  ist  dakhstavaiti  (s.  die 
angeführte  Stelle  und  sonst  oft  im  Vend.).  Versuchen  wir  mm  zu- 
erst nach  den  zahlreichen  Stellen  des  Vendidad  die  Bedeutung  des 
Wortes  zu  bestimmen.  Vor  allem  scheint  es  hier  einen  schlimmen 
Sinn  zu  haben  und  die  Ahrimanischen  Kräfte  und  Schöpfun- 
gen zu  bedeuten.  Jedoch  Stellen,  wie  14,  6.  15,  46,  sprechen 
gegen  diese  Beschränkung  des  Worts  auf  den  Ahrimanischen  Wir- 
kungskreis, ebenso  die  der  Gdthd'sr  In  14,  6  könnte  man  leicht 
versucht  seyn,  auf  „Werkzeuge"  zu  rathen;  aber  diese  folgen  in 
einem  der  nächsten  Verse  unter  dem  gewöhnlichen  Namen  zaja; 
dagegen  was  dort  folgt,  bezieht  sich  auf  mannigfache  Handlun- 
gen, die  mit  dem  Feuer  vorgenommen  werden.  Die  nächste  Be- 
deutung dieses  Wortes  an  jener  Stelle  ist  demnach  Handlung, 
That.  In  15,  10  bezeichnet  taro-dakhstem  deuthch  ein  Gegenmit- 
tel gegen  den  Fötus,  ein  Mittel  zur  Abtreibung,  woraus  folgt,  dass 
dakhstem  wenigstens  irgend  eine  Kraft,  die  etwas  bewirkt,  aus- 
drückt. Namentlich  sind  darunter  die  Kräfte  zu  verstehen,  welche 
bei  der  Zeugung  und  der  Menstruation  thätig  sind.  Da  letztere 
als  eine  Schöpfung  Ahriman's  galt,  so  kann  das  Wort  xax'  s$ox.i>]V 
zum  Ausdruck  der  Ahrimanischen  Kräfte  und  Schöpfungen  ver- 
wandt werden;  diese  Beschränkung  ist  dann  aus  dem  Umstände  zu 
erklären,  dass  für  das  Wirken  des  guten  wie  des  bösen  Geistes  je 
besondere  Ausdrücke  später  angewandt  wurden.  In  den  Gdthd's, 
wo  Ahura-mazda  ein  fradakhstd  heisst,  hat  das  Wort  nur  eine  gute 
Bedeutung,  ebenso  wie  dakhsha  43,  15  und  das  Adj.  dakhshdra.  Eine 
Etymologie  finden  wir  im  Baktrischen  nicht,  man  müsste  es  nur  mit 
dahma  oder  dakhma  (Begräbnissplatz)  in  Verbindung  bringen  wollen, 
was  jedoch  Schwierigkeiten  hätte.  Das  wedische  Sanskrit  bietet 
uns  zwar  kein  dakhsta,  aber  desto  häufiger  ein  daksha,  mit  dem  es 
sicher  zusammenhängt ;  unser  dakhsta  ist  nicht  sowohl  eine  Abstract- 
bildung  von   daksha,    als  ein  Part.  pass.    der  Wurzel    dakhsh.     Das 


*)  Unter  diesem  Saaineu  wird  wohl  daa  Ei,  das  sich  jedesmal  bei  der 
Menstruation  ablöst ,  verstanden.  Cithra  hat  im  Vend.  keine  andere  Bedeu- 
tunK  als  die  von  Saamen. 


234  Haag,  die   Gdthd's  des  Zarathuüra.   I.     Cup.  34,  6. 

wedisclie  dahsha  ist  nach  den  Nighantava's  ein  balandma  (Kraft, 
Stärke);  auch  wird  es  als  Nom.  propr.  eines  Aditja  gebrancht, 
der  mit  der  AdiW  die  Götter  zeugt.  Die  Bedeutung  Stärke  lässt  sich 
bei  diesem  Worte  nicht  wohl  annehmen.  Die  Wurzel  ist  schwer  zu 
ermitteln;  verwandt  damit  ist  wohl  dakshma,  die  rechte  Hand  (eigentl. 
die  kräftige,  weil  in  der  Rechten  die  meiste  Kraft  liegt  ^).  Für  unsere 
Stelle  nimmt  man  am  besten  die  allgemeinere  Bedeutung  Kräftigung, 
Festigung,  Stärkung,  an.  Nun  handelt  es  sich  noch  um  die  syn- 
taktische Stellung  des  dakhstem.  Nach  der  Parallelstelle  51,  9  ist  es 
mit  dem  a/tjä  anheus  zu  verbinden.  Was  die  „Kräftigung  dieses  (des 
irdischen)  Lebens"  sey,  scheint  der  folgende  Satz  anzudeuten,  der 
diesem  parallel  läuft  und  durch  das  cd  in  jazemnagcd  ihm  angeschlos- 
sen ist.  Hier  ist  vom  Loben  und  Preisen  die  Rede;  diess  ist  das 
wesentlichste  Moment  des  altzarathustrischen  Glaubens,  hinter  wel- 
chem das  eigentliche  Opfer  in  den  Gdthd's  bedeutend  zurücktritt, 
sodass  wir  mit  einigem  Recht  annehmen  können ,  hierin  bestehe 
hauptsächhch  die  Festigung  dieses  irdischen  Lebens.  Aber  doch  darf 
zunächst  kein  spezielles  Gebet  darunter  verstanden  werden,  sondern 
nur  im  Allgemeinen  das  irdische  Wohlseyn,  Gedeihen  des  Feldes 
«.  s.  w. ,  das  indess  nur  Folge  der  Anbetung  Ahura-mazda's  ist. 
Die  Worte  vi^pd  maühd  gehören  eng  zusammen  und  bilden  eine 
adverbiale  Redeweise,  mag  man  sie  nun  als  Instrumentale  oder  als 
abgestumpfte  Dative  fassen,  in  dem  Sinne  von  „an  jedem  Orte" 
oder  „für  jeden  Ort",  d.i.  überall;  ganz  entsprechend  ist  die  be- 
kannte Redeweise  vi^pdi  javdi,  für  immer.  —  Jathd  —  paiti  Ner.: 
Jathd  jashmdkam  igisneh  vikhjdtiddtjd  stutajeca  pracardmah ;  kila  igi- 
pidja  stutajeca  jushmdkam  pracardmah,  Jazemna^ca  steht  dem  ^tava^ 
parallel;  das  cd  sollte  eigentlich  bei  letzterem  stehen.  Das  aTU.  XsyofJi. 
urvdidjdo  ist  der  Form  nach  ein  Gen.  sing,  oder  ein  Dual  von  wr- 
vddi,  das  offenbar  mit  dem  Instrumental  urvddanhd  43,  2  verwandt 
ist  und  mit  dem  wichtigen  urvdta  (s.  darüber  Zeitschrift  der  D.  M. 
Ges.,  VIll,  756);  es  scheint  aber  nicht  sowohl  Ausspruch,  was 
iirväta  ist,  als  das  Aussprechen,  den  Act  der  Mittheilung  des 
höchsten  Gottes  an  seine  Propheten,  zu  bedeuten.  Der  Genitiv  ist 
von  paiti  abhängig:  ich  will  euch  loben  für  das  Aussprechen, 
wegen  desselben.  Nicht  unmöglich  ist  es  indess,  urvdidjdo  als  Ge- 
nitiv-Locativ  Dualis  zunehmen;  aber  in  diesem  Falle  ist  urvddi  nicht 
Abstractum,  sondern  ein  Adjectiv  des  Thema's  urvddin,  ausspre- 
chend, verkündigend;  es  hiesse  dann:  ich  gehe  mit  Lob  euch 
beiden  (die  Orakel)  sprechenden  (Geistern)  entgegen,  d.  h.  ich  em- 
pfange euch  mit  Lob.  Aber  die  Bildung  wäre  etwas  seltsam.  Zu 
^tam^  vgl.  50,  9. 

V.  7.    Aredrd  (Nerios.:    dakshina)  ist  mit  mazdd   zu  verbinden 
und  als  ein  Beiwort  desselben  zu  fassen.      Das  Wort  findet  sich  in 


*)  Vgl.  das  hebr.  ■j'^ta-,  dexter,  verwandt  mit  ps,  fest,  stark  seyn. 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   I.    Cap.  34,  7.         235 

den  Gdthas  sowohl  als  Beiwort  des  höchsten  Geistes  (s.  noch  43, 
3),  als  auch  besonders  frommer  und  erleuchteter  Menschen,  die  in 
den  Himmel  kommen  (J.  46,  16).  Jt.  5,  19.  9,  5  ist  es  Beiwort 
des  Opferers  (zaoihra-bara) ;  13,  75  eines  der  Fravashi's;  10,  65 
eines  von  Mithra,  der  aredro  aredrandm  heisst  (neben  d^undm  äpcs, 
der  Schnellen  Schneller).  Die  Tradition  schreibt  ihm  die  Bedeutung 
gross  zu;  diese  ist  indess  viel  zu  allgemein  und  unbestimmt,  wie 
die  meisten  traditionellen  Bedeutungen,  als  dass  wir  etwas  Gewisses 
über  die  Etymologie  daraus  entnehmen  können.  Diese  lässt  mehr- 
fache Möglichkeiten  zu.  Man  kann  das  Wort  zunächst  entweder  in 
are  +  drä  oder  ared  -\-  rd  zerlegen ;  nach  der  erstem  Abtheilung 
könnte  es  Wahrheit  (oder  Wirklichkeit)  haltend  bedeuten,  indem 
man  are  mit  dem  zu  asha,  Wahrheit,  gewordenen  arta  zusammen- 
bringt (auch  arem  ist  zu  vergleichen)  und  den  zweiten  Theil  auf 
die  Wurzel  dar,  halten,  zurückführt;  jedoch  wäre  in  diesem  Falle 
eher  die  Form  dara  zu  erwarten.  Mehr  Wahrscheinlichkeit  hat  die 
zweite  Abtheilung.  Eine  Wurzel  ard  finden  wir  wirklich  J.  50,  11 
in  der  Form  aredat;  sie  entspricht  genau  dem  wedischen  fdh,  ge- 
deihen, befördern.  Aredra  ist  demnach  der  Fördernde,  der, 
durch  dessen  Hilfe  ein  Werk  gedeiht.  Diese  Bezeichnung  stimmt 
ganz  mit  dem  Wesen  derer,  denen  sie  beigelegt  wird.  Ahiira-mazda 
wird  ja  so  häufig  als  Förderer  des  irdischen  wie  des  geistigen  Lebens 
und  insbesondere  der  Wahrheit  angeschaut.  Ganz  passend  wer- 
den auch  die  so  genannt,  welche  Zarathustra's  Lehre  zu  befördern 
und  zu  verbreiten  suchen.  Man  könnte  auch  an  das  armen,  ardar, 
gerecht,  denken;  aber  diese  Bedeutung  hätte  auf  dem  iranischen 
Sprachgebiete  keinen  sichern  Boden.  —  Vaedemnd  (so  ist  mit  W. 
richtig  zu  lesen)  ist  mit  ra^khndo  zu  verbinden,  aber  nicht  auf  vid, 
wissen,  sondern  vid,  finden,  erlangen,  zurückzuführen.  Vgl. 
radkhnanho  vaddem  32,  11.  —  ^enghus  —  ushiuru  Nerios. :  ^ikshdm 
satjavacah  samddhdnatve  samkatatve  ^pi  kurute  vipulacetanjah ;  kila  jah 
kdrjam  punjam  jat  samfddhatajd  kurute  jat  sairikatatajd  ^pi  kurute 
tasja  vigfidnacetanjam  tasmdd  bhavati.  Cakhrajö  lässt  sich  auf  den 
ersten  Anblick  mehrfach  deuten;  man  kann  an  cakbra,  Rad,  den- 
ken und  cakhrajö  als  Locativ  des  Duals  fassen;  aber  diesem  Locativ 
könnte  nicht  leicht  eine  passende  Stellung  im  Satze  angewiesen  wer- 
den ;  das  einzige Verbum  des  Satzes  ^enghüs  würde  hiezu  nicht  taugen; 
auch  die  Fassung  desselben  als  einer  adverbialen  Redeweise  auf  bei- 
den Rädern,  d.  i.  flugs,  schnell,  würde  nicht  befriedigen.  Die  Stelle 
würde  nämlich  bei  dieser  Deutung  so  lauten :  welche  verkündigen, 
„jegliches  Dunkel,  jegliche  Bedrückung  sey  flugs  weitleuchtend!" 
Aber  schon  das  ra^khndo,  das  als  Object  mit  <}enghus  zu  verbinden  ist, 
lässt  diesen  Ausrufesatz  nicht  zu,  und  anders  könnte  er  wohl  nicht 
gefasst  werden.  Viel  genügender  ist  es,  wenn  cakhrajö  als  Verbum 
und  zwar  als  zweite  Person  Aoristi  redupl.  i\es  Causat.  von  kare, 
machen,  genommen  wird  (über  die  Form  s.  die  Gramm.).  Man 
vgl.  favajo  51,  9.  —  Für  usheurü,  wie  Westergaard  schreibt,  lesen 


236       Hang,  die   Gdthas  des  Zarat/uisfra.   I.    Cap.  31,  7.   8. 

K.  4,  9  usiurii,  Bf.  ughirü,  Bb.  use.  um;  zu  vergleichen  ist  32,  16 
nsh-uruje.  Die  richtige  Schreibung  wird  von  der  richtigen  Erklä- 
rung abhängen;  versuchen  wir  daher  zuerst  diese.  Die  Theilung 
des  >Vorts  in  ushe  oder  ushi  und  um  ist  klar;  die  Bedeutung  des - 
letztern,  breit,  vreit,  Avird  nicht  zu  bezweifeln  seyn;  das  uru, 
breit,  des  Sanskrit  lautet  zwar  sonst  vouruy  aber  man  bedenke, 
dass  um  hier  nicht  der  erste,  sondern  der  zweite  Theil  des  Com- 
positums  ist,  wo  das  AVort  um  so  leichter  seine  einfachste  Gestalt 
annehmen  konnte.  Der  erste  Theil  dagegen  lässt  eine  dreifache 
Deutung  zu;  erstens  kann  ushe,  u^e  die  Präposition  u^==ut  (man 
vgl.  u^e  histaf,  er  erhob  sich,  von  ^tä -{- uc) ,  zweitens  eine  Ablei- 
tung der  Wurzel  va^,  wollen,  wünschen  (mdii  yg\.  vage-khshafä^), 
und  drittens  eine  der  Wurzel  ush,  leuchten,  brennen  (aus  vas 
entstanden;  das  Perfekt  lautet  im  Weda  uväsa,  illuxit)  seyn.  Auf 
letztere  ist  usfii,  dem  Burnouf,  Nerios.  folgend,  ohne  genügenden 
Grund,  die  Bedeutung  intelHgentia  gab  (sie  war  wohl  aus  Jl.  22, 
38  und  andern  Stellen ,  wo  von  einer  ushi  des  Ahura  -  mazda  die 
Rede  ist,  bloss  gerathen),  zurückzuführen.  In  Jt.  1,  28  ist  es  ganz 
deutlich  ein  Ausdruck  für  Auge,  Gesicht  (synonym  mit  daema); 
die  häufigen  Composita  ushi- da  und  ushi-darana,  welche  als  Bei- 
wörter von  gairi,  Berg,  erscheinen  (Jt.  1,  31.  14,  56)  können  nur 
lichtgebend,  lichthaltend  heissen,  worunter  der  Berg,  über  dem 
die  Sonne  aufgeht,  verstanden  wird.  In  dem  usi-uru  unserer  Stelle 
nun  giebt  die  Zurückführung  des  ersten  Gliedes  auf  die  Wurzel  ush 
den  genügendsten  Sinn  „weithin  leuchtend",  d.  i.  weithin  bekannt. 
Die  Deutung  „nach  Belieben  weit"  (von  va^,  wollen)  wäre  zu  un- 
klar; die  als  Präposition,  da  sie  nicht  als  einfache  Verstärkung  des 
Begriffs  gefasst  werden  könnte,  enthält  zu  viel  Gezwungenes.  Da- 
her ist  am  besten,  nach  den  oben  angegebenen  Beispielen  ushi-uru 
oder  usi-uru  zu  schreiben.  Nun  fragt  es  sich  noch,  auf  wen  toi  — 
joi  ^enghüs  zu  beziehen  sey.  Man  denkt  am  nächsten  an  die  Ahura's 
oder  Asha's,  indem  der  letztere  Satz:  na^ctm  tem  u.  s.  w.  als  eine 
Antwort  auf  die  Frage:  kuthra  toi  gefasst  wird.  Wollte  man  diese 
Fassung  tür  unzutreflfend  halten ,  wozu  übrigens  kein  genügender 
Grund  vorhanden  ist,  so  könnte  nur  an  die  (j^aoskjantö  oder  die 
alten  Weisen  gedacht  werden.  Aber  der  letztere  Satz  stände  dann 
in  keinem  Zusammenhange  mit  dem  vorhergehenden.  Der  Dual  ndo 
kann  nur  den  Zarathustra  und  Vistä9pa  bezeichnen. 

V.  8.  Bjante.  Diese  Emendation  Westerg.'s  nach  der  Lesung 
von  K.  5.  bjrde  (Bf.  hat  bjente)  halte  ich  für  richtig;  denn  die 
Lesungen  bajaiW  und  bujente  sehen  deutlich  wie  Verbesserungen  eines 
unverstandenen  bjaiW  oder  bjetlte  aus.  In  Jt.  17,  12.  13  haben 
wir  zwar  bajaifiti;  aber  jene  kürzere  Form  scheint  ganz  zu  den 
Eigenthümlichkeiten  des  Gäthädialekts  zu  passen.  Da  es  überdiess 
hier  noch  das  Passivum  seyn  muss,  so  wäre  eine  Auflösung  in  ba- 
jant4  unstatthaft;  es  müsste  mindestens  bijant^  (Wurzel  bi,  fürch- 
ten) seyn.  —  Das  Relativum  ^aeWt«  (so  ist  mit  Westerg.  nach  K.  6. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  L    Cüj).  34,  8.         237 

zu  lesen)  bezieht  sich  auf  das  in  hjaiiU  liegende  Pronomen  der  3. 
Person  plur.  Hierunter  sind  wohl  die  Khraf(,tra's  gemeint.  —  Pou- 
ruhjö  ist  mit  ithjego  zu  verbinden:  „Verderben  fiir  viele".  —  Jjat 
urvdtahjd  Nerios.:  jo  asti  halishthatamah  pracchann  akarmä  agmogdih 
(gah)  tvadijdjdm  mahdgndnin  andstikatvam  prabodhaßtd  [dindu  te  ^sja 
api  karmatvdt  asmdkam  mahdbhajam  vartate].  A^aogjdo.  So  ist  ent- 
schieden nach  den  mir  zu  Gebote  stehenden  meisten  handschriftlichen 
Lesarten  zu  schreiben.  Westerg.  hat  a^-aogdo,  ohne  eine  Hand- 
schrift zu  nennen;  er  bemerkt  nur,  dass  K.  4.  aogjdo  habe,  Bf.  hat 
asao  gjdo  und  Bb.  a^aogjd.  Westerg.'s  Trennung  a^-aogjdo  beruht 
wahrscheinlich  auf  Nerios. 's  Deutung  halishthatamah,  am  allerstärk- 
sten;  aber  der  Zusammenhang  widerspricht  dieser  Erklärung.  Wo- 
von sollte  ndidjdonhem  abhängen?  Da  der  Zusammenhang  hier  noth- 
wendig  ein  Verbum  fordert,  so  eignet  sich  a^aogjdo  besser  zu  einer 
Verbalform  als  a^aogdo.  Fassen  wir  das  Wort  als  ein  Verbum,  so 
kann  a^  kein  blosses  Präfix  seyn;  denn  dieses  hätte  nur  als  Ver- 
stärkungspartikel sehr  vor  dem  Nomen  einen  Sinn  (vgl.  ag-khratus)» 
So  ergiebt  sich  eine  Wurzel  faog-,  die  gleich  faoc=  skr.  fwc,  bren- 
nen, oder  fwc,  bekümmern,  wehe  thun,  betrüben,  ist.  Letz- 
tere stimmt  besser  zum  Zusammenhang.  Wenn  auch  das  Verbum 
in  diesem  Sinne  im  Zendawesta  kaum  zu  belegen  ist,  so  ist  sie  für  ^ 
das  Iranische  durch  das  neupersische  sog,  Kummer,  Betrübniss,  C 
doch  sichergestellt.  Die  Erweichung  des  c  in  g-  finden  wir  auch  ^ 
bei  der  Wurzel  vac  (vgl.  aogi  43,  8)  und  ist  auch  sonst  aus  dem 
Wesen  des  altern  Dialekts  leicht  zu  erklären.  Der  Form  nach  ist 
es  eine  zweite  Person  sing.  Optativi  mit  dem  Augment.  Unter  dem 
ndidjdonhem,  was  der  Etymologie  nach  nur  der  Nähere  oder  der 
Nächste  bedeuten  kann,  indem  es  der  Comparativ  zu  dem  be- 
kannten Plural  naadista  =  proximus  ist,  versteht  Nerios.  einen  Ruch- 
losen (akarmd) ,  einen  Ashmoga  oder  Störer  der  Wahrheit.  In  der 
einzigen  Stelle  des  Zendawesta  Jt.  13,  16,  wo  es  sich  ausser  der 
unsern  findet,  steht  es  als  Adjectiv  vor  dem  Namen  Gaotema  (der 
Gotama  der  Weden),  während  es  an  der  unsern  absolut  steht,  ja 
nicht  einmal  mit  dem  Genitiv  thwahjd  urvdtahjd  verbunden  werden 
kann.  Die  ihm  von  Nerios.  beigelegte  Bedeutung  widerstrebt  nicht 
dem  Zusammenhang  unserer  Stelle,  wohl  aber  dem  von  Jt.  13,  16. 
Den  besten  Aufschluss  über  den  wahren  Sinn  dürfte  das  nächstver- 
wandte nazdista  (in  ndba  nazdistd)  geben,  worunter  bekanntlich  die 
wedischen  Inder  als  die  nächsten  Brüder  der  Genossen  Zarathustra's 
zu  verstehen  sind.  Mit  diesem  halte  ich  es  nun  dem  Sinne  nach 
für  identisch.  Eine  schlimme  Nebenbedeutung  konnte  oder  musste 
das  Wort  in  dem  furchtbaren  Religionskampfe,  den  die  Iranier  lange 
mit  ihrem  Bruderstamme  führten,  annehmen;  in  der  spätem  Zeit 
erlosch  dieselbe  zwar,  aber  die  Verbindung  mit  dem  wedischen  Gao- 
tema weist  wenigstens  noch  auf  alte  Erinnerung  zurück.  Ueber 
ä(;td  (Instrum.)  s.  zu  46,  18;  hier  bezeichnet  es  die  Noth  und  das 
Ungemach,  die  Ahura-mazdas  Sprüche  über  die  Feinde  verhängten. 


> 


238       Haag,  die   Gdihas  des  Zandhusira.   I.     Cap.  34,  8.  9. 

Die  Worte  jui  noit  —  a^manö  geben  den  Inhalt  des  uwdta,  der  von 
Ahiira-mazda  verkündigten  Offenbarung,  näher  an.  Sie  klingen  wie 
ein  alter  Spruch  aus  vorzarathustrischer  Zeit.  Die  Bezeichnung 
a^man  für  Himmel  findet  sich  sonst  in  den  Gdthas  nicht,  fehlt 
selbst  da,  wo  der  Gegensatz  zur  Erde  nothwendig  stehen  muss,  wie 
44,  4:  ka^nä  deretd  zämcd  adi  nahdogcd,  wo  für  das  uralte  a^man, 
das  im  Weda  so  gewöhnlich  ist,  nabdo  (eigentl.  die  Wolken)  ge- 
wählt ist.  In  den  spätem  Zendschriften ,  sowie  in  der  medischen 
Keilschriftgattung  ist  es  sodann  das  gewöhnliche  Wort  für  Him- 
mel und  auch  noch  im  Neupersischen  erhalten.  Dazu  ist  der  hier 
ausgesprochene  Gedanke  so  eigenthümlich  und  von  dem,  was  wir 
sonst  aus  den  Gdthd's  über  die  Vorstellung  von  Himmel  und  Hölle 
wissen,  etwas  abweichend,  dass  wir  den  Spruch  als  irgendwoher  ent- 
lehnt ansehen  müssen.  Der  Spruch  ist  indess  nicht  ganz  vollstän- 
dig angeführt;  in  dem  zweiten  Gliede  fehlt  ein  Wort  wie  „Woh- 
nung, Aufenthalt";  für  „denen  fern  (in  der  Ferne)  vom  guten  Him- 
mel'' sollte  es  heissen:  „denen  sey  fern  vom  guten  Himmel  ihre 
Wohnung".  Das  Wort  vohu  könnte  übrigens  hier  auch  in  seiner 
ursprünglichen  Bedeutung,  wie  sie  noch  das  wedische  vasu  zeigt, 
genommen  und  demnach  mit  glänzend,  leuchtend,  wiederge- 
geben werden. 

V.  9.  Dus-skjaothand  —'mananho  Nerios.:  dahkarmajii  pankshi- 
pjanti  tittamasja  asamgrahmdd  manasah.  Avazazat  (Nerios.:  parikshi- 
pja?iti).  Dieses  Wort  lässt  auf  den  ersten  Anblick  mehrere  Erklä- 
rungen zu,  je  nachdem  abgetheilt  wird;  man  kann  auaa-f-azaf,  aber 
auch  ava  -f-  zazat  trennen.  Theilt  man  auf  die  erstangegebene 
Weise,  so  ist  avaz  ein  Adverbium  der  Präposition  und  würde  mit 
dem  awdz  des  Parsi,  weg,  fort,  vollkommen  stimmen,  der  zweite 
Theil  wäre  dann  auf  die  Wurzel  az,  treiben,  machen,  zurück- 
zuführen, sodass  das  Ganze  wegtreiben,  wegmachen,  hiesse. 
Wenn  nun  auch  diese  Bedeutung  gut  zum  Sinne  des  Satzes  stim- 
men würde,  so  müssen  wir  die  Ableitung  doch  verwerfen,  weil  sich 
acais  wenigstens  im  Zendawesta  nicht  aufweisen  lässt.  Nach  der 
zweiten  Trennung  lässt  der  zweite  Theil  des  Worts,  zazat,  sogar 
drei  Erklärungen  zu,  je  nachdem  es  von  der  Wurzel  zan,  schla- 
gen, oder  zan,  nasci,  oder  za7i  =  grid  abgeleitet  wird.  Diese  re- 
duplicirte  Form  finden  wir  auch  in  den  Jeshts,  so  5,  130  zazditi, 
wo  dieses  dem  Sinn  und  Zusammenhang  nach  nur  auf  zan  =  skr. 
gan,  zeugen,  zurückzuführen  ist  (vi^pdm  hugjditm  uruthefitem  khsha- 
tfirem  zazditi,  sie  —  iVie  Ardvi  gurd  andhitd  —  befördert  die  Herr- 
schaft, die  alles  Gut  gedeihen  lässt);  in  5,  34.  9,  14.  15,  24.  17, 
34  treffen  wir  den  Dativ  eines  Abstracts  zazditeS  in  Verbindung  mit 
ga^thjdi:   joi   heu   kehrpa    ^ra^sta    zazdite^   gaäthjdica  joi  abdotem^  *), 


')  Zu  dem  Superl.  abddtema  vgl.  das  einfache  alda  Jt.  19,  10  neben 


Haug,  die  Gdthas  des  Zaraihuatra.   I.    Cup.  34,  9.  239 

(ich  will  des  Bösen  Zerstörer  seyn  als  Helfer  derer),  welche  vom  besten 
Körper  für  das  Gedeihen  der  Schöpfung  und  die  nützlichsten  für  die 
Welt  sind.  Auch  an  dieser  Stelle  lässt  sich  nur  die  Wurzel  zan  =  gaJi 
annehmen.  Noch  ist  zu  vgl.  zazü  in  Af.  1,  17  :  nigene  hiij4  vigp^  diis- 
mainjava  vi^pe  daevaja<pm  zaze  buje  vanhduca  mizd4  vanhäuca  ^ravahi,  ich 
bin  zum  Schlagen  (d.  i.  ich  werde  schlagen)  aller  bösen  Geister,  aller 
Daevaverehrer;  ich  bin  zum  Wachsen  (ich  werde  wachsen)  an  gutem 
Lohn  und  gutem  Ruhm.  Hier  bildet  zaze  ganz  deutlich  einen  Gegen- 
satz zu  nigenS,  und  kann  in  diesem  Falle  nur  von  zan=gan  abgeleitet 
werden.  Die  dritte  mögliche  Ableitung  des  Worts,  die  von  za7i  = 
gnd,  hat  schon  aus  dem  Grunde  wenig  Wahrscheinlichkeit  für  sich, 
weil  das  n  in  zazat  ganz  verloren  gegangen  wäre,  was  sonst  bei 
Ableitungen  dieser  Wurzel  nicht  vorkommt,  man  vgl.  nur  zaiiti  und 
das  neupers.  iu\\yi ,  weise.  Der  Umstand,  dass  gerade  dieses 
zaji  =  gfid  mit  der  Präposition  ava  vorkommt  (Vend.  8,  2  ava- 
zanän,  sie  bemerken),  während  wir  die  Verbindung  derselben  mit 
den  zwei  andern  zan  nicht  treffen,  könnte  indess  doch  leicht  zu 
einer  solchen  Ableitung  führen,  wenn  das  in  den  Derivaten  dieser 
Wurzel  nie  fehlende  n  vorhanden  wäre.  Nun  fragt  es  sich  noch, 
welchen  Sinn  die  Zusammensetzung  ava-zan  habe  und  welche  Stel- 
lung dem  Worte  in  der  Satzverbindung  anzuweisen  sey.  Die  Prä- 
position ava  hat  in  Zusammensetzungen  nicht  eine  privative ,  wie 
man  vermuthen  könnte,  sondern  eine  objective  Bedeutung,  ähnlich 
unsern  Vorsylben  er-,  be-;  demnach  ist  avazan  nur  erzeugen, 
hervorrufen.  Der  Form  nach  denkt  man  leicht  an  eine  3.  Per- 
son sing,  eines  reduplicirten  Aorist;  aber  auf  welches  Subject  soll 
sich  diese  dritte  Person  beziehen?  Dus-skjaothand  ist  kein  Singular 
und  ev^ti  kein  Nominativ,  sondern  ein  Instrumental;  das  Subject 
des  vorangegangenen  Satzes  ist  ein  Plural  joi-vidusho.  Der  einzige 
Ausweg  scheint  mir  der,  dass  man  avazazat  als  den  Sing,  neutr. 
eines  Part,  praes.  fasst  und  dieses  im  adverbialen  Sinne  als  einen 
Zustandssatz  einleitend  dem  Hauptsatze  anschliesst,  ein  Fall,  in  dem 
das  Sanskrit  Gerundia,  das  Arabische  den  Accusativ  des  Infinitivs 
anwendet.  Von  diesem  Participium  ist  jedoch  der  Accusativ  dus- 
skjaothand  als  abhängig  zu  denken ;  evi^ti  bildet  mit  vanheus  mananho 
dagegen  eine  adverbiale  Bestimmung.  —  Aeihjo  mash  ashd  g'azdat 
Nerios. :  tebhjah  prahhutodharmah  prabhrasjati  [tebhjah  a^mogebhjah], 
—  Ueber  mash  s.  zu  32,  3.  Die  Erklärung  des  <;jazdat  durch  pra- 
bhrasjati, entfallen,  verloren  gehen,  ist  im  Allgemeinen  nicht 
unrichtig,  nur  lässt  es  sich  nicht  gut  im  neutralen  Sinne  nehmen, 
sondern  es  muss  ihm  eine  active  Bedeutung  beigelegt  werden:  lie- 
gend machend  {(^ajat~\-  dd,  s.  ^aja^cit  32,  16),  d.  i.  niederwer- 
fen,   wegwerfen.      Das  Subject  ist   mash,    der   Grosse,    worunter 


Qrira.     Der  Ableitung  nach  kann  es  nur  von  dp,  Wasser,  +  cid,  geben, 
stammen,  sodass  es  eigentlich  wasserspendend  heisst. 


240       llaii^,  dk   Gdihas  des  Zaraihustra.   I.     CajK  34,  9.   10. 

wahrscheinlich  Ahtira-mazda  oder  auch  Zarathustra  zu  verstehen  ist 
(s.  zu  32,  3);  (las  Object  ist  ashd.  —  Javat  —  khraf^trd  Nerios.: 
jdvat  etehhjah  asmagobhjah  —  dushtasväpadebhjah  cdravattjehhjah.  — 
Für  aurimd  lesen  Bf,  und  JBb.  urund,  was  Westerg.  nicht  bemerkt  hat. 
Jedoch  hat  diese  Lesung  zu  wenig  Wahrscheinhchkeit,  als  dass  sie 
näher  besprochen  zu  werden  braucht.  Die  Deutung  des  Wortes 
anlaugend,  so  wird  es  am  passendsten  auf  dieselbe  Wurzel,  der 
aurvat,  schnell,  entstammt,  zurückgeführt,  als  welche  sich  arv 
(aurv),  rasch  einherfahren,  rennen,  ergiebt;  es  ist  dann  eine 
schwächere  Participialbildung  (oder  Adjectiv)  mit  Suffix  van  für  vant. 
Zu  einem  Verbum  lässt  sich  das  Wort  nicht  machen,  wie  ich  an- 
fänglich versuchte. 

V.  10.  Die  Westergaard'sche  Schreibung  hiiham  nach  K.  5.  ist 
entschieden  irrig,  wie  namentlich  eine  Vergleichung  mit  der  Paral- 
lelstelle 31,  8  lehrt,  wo  wir  haithtm  ashahjd  haben.  Weitaus  die 
meisten  Mss.  (auch  Bf.  und  Bb.)  lesen  haithdm.  Die  Lesung  kann 
indess  aus  phonetischen  Gründen  nicht  richtig  seyn,  da  ai  im  Bak- 
trischen  gewöhnlich  nur  in  Folge  eines  i  oder  y  aus«  entsteht;  wir 
müssen  desshalb  entweder  hathäm  oder  haithtm  wie  31,  8  schreiben. 
Da  keine  der  beiden  Aenderungen  handschriftlich  beglaubigt  ist,  so 
thut  man  am  besten,  die  leichteste,  hathäm,  in  den  Text  aufzuneh- 
men-, es  ist  der  Accusativ  eines  Abstractums  hathd  der  gleichen  Be- 
deutung wie  haithi,  Wesenheit,  Wirklichkeit.  Nerios.  giebt  es 
durch  sukhanivdsam,  schöne  Wohnung,  es  wahrscheinlich  irrthüm- 
lich  von  der  Wurzel  hadh=^sad,  sitzen,  ableitend.  —  Garebum 
ist  hier  Nomen,  vgl.  Jt.  5,  2.  5  garewun,  Mutterleib  (wie  skr. 
garbha),  und  keine  Verbalform,  etwa  eine  erste  Person  Conjunctivi 
von  garb,  wie  es  scheinen  könnte.  Nerios.  hat  grhndti,  sieht  es 
demnach  ebenfalls  für  eine  Verbalform  an.  Die  Satzordnung  ist  nun 
die:  hukhratus  vaocat  bildet  den  Hauptsatz;  garebdm  ahjd  vanheus 
skjaothand  ^pentdmcd  —  ashahjd  (vtdvdo  ausgenommen,  zu  dem  wie- 
der vaocat  zu  ergänzen  ist)  ist  ein  davon  abhängiger  Voluntativsatz. 
Das  Subject  desselben  ist  der  hukhratus  vtdvdo,  worunter  wohl  nicht 
Ahura-mazda  gemeint  seyn  kann,  sondern  jeder  einsichtige  Verehrer 
desselben.  ■ —  Vojathrd  Nerios.:  nisvdtdjane,  wohl  für  iiirvdtajane, 
gegen  den  Durchzug  des  Windes  geschützt.  Dieser  Ueber- 
setzung  liegt  eine  Lesung  avojathrd  zu  Grunde,  die  durch  Zusam- 
menschreibung der  unmittelbar  vorhergehenden  Präposition  d  mit 
vojathrd  und  Verkürzung  derselben  zu  a  entstanden  ist.  Voja  lei- 
tete er  von  der  Wurzel  vd ,  wehen,  ab,  was  sprachlich  recht  gut 
möglich  ist  (man  vergl.  vajit  für  vdja.  Wind),  ciber  der  sich  er- 
gebende Sinn  Durchwehung  stimmt  nicht  zum  Zusammenhang. 
Der  Form  nach  kann  dieses  älZ.  \e,y6\k.  Nom.  plur.  neutr.  und  In- 
strumental sing,  seyn;  im  erstem  Falle  ist  es  mit  tdcd  vi^pd,  im 
letztern  mit  thwahmt  (der  Instrumental  kann  dem  Locativ  respon- 
diren)  zu  verbinden;    im  erstem  ist  es  dann  weiter  auf  ein  Thema 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  I.    Cap.  34,   10.   11.     241 

mit  der  Endung  thra  ==  skr.  tra,  im  zweiten  auf  eins  der  Endung 
tar  (Nora,  actoris)  zurückzuführen.  Bei  näherer  Betrachtung  ist 
jedoch  nur  die  erstere  Annahme  haltbar;  man  vgl.  zur  Bildung  ^pa- 
juthra  30,  10,  niuthra,  ddthrem.  Die  Wurzel,  auf  die  das  Wort  mit 
einiger  Sicherheit  zurückgeführt  werden  kann,  ist  vi.  Dass  diese 
die  Bedeutung  gehen  hat,  wie  unter  andern  auch  im  Sanskrit,  be- 
weist Jt.  8,  23.  29:  apa  dim  adhät  vjeiti  zrajanhut  haca  Voiiru- 
Kashdt,  darauf  stieg  er  (Tistrja)  heraus  aus  dem  See  Vouru-Kasha; 
vergleiche  auch  Jt.  15,  43  vjemi  bei  der  Erklärung  des  Namens 
Vajus,  der  als  Gänger  gedeutet  wird  (so  sehr  hatte  sich  die  Er- 
innerung an  das  Wesen  dieses  Genius,  der  mit  dem  wedischen 
Väju,  der  Wind,  identisch  ist,  verwischt).  Vojuthrd  heisst  dem- 
nach Gänge,  und  bezeichnet  wohl  Dinge,  Wesen  überhaupt. 
Man  vergl.  das  sanskr.  gagat,  eigentlich  das  Gehende,  für  Welt 
überhaupt. 

V.  11.  Qaretha  kann  hier  nicht  wohl  die  später  gewöhnHche 
Bedeutung  Speise  haben;  denn  es  muss  mit  toi,  dir  (Mazda), 
welches  hier  nicht  der  Plural  des  Demonstrativs  seyn  kann  (hier 
wäre  nur  tdo  am  Platze),  verbunden  werden.  „Zu  deiner  Speise" 
(Mazda)  gäbe  aber  durchaus  keinen  passenden  Sinn.  Führt  man 
dagegen  das  Wort  auf  die  Wurzel  qar,  glänzen,  zurück,  so  ist 
durch  den  Sinn  „Glanz"  alle  Schwierigkeit  gelöst  (siehe  S.  170). 
—  Das  Subject  des  zweiten  Versgliedes  ist  Armaitis;  das  mat  be- 
zieht sich  sowohl  auf  ashd  als  khshathrä  und  macht  diese  Wörter 
eigentlich  zu  adverbialen  Begriffen.  —  Für  vahhist,  wie  Westerg. 
nach  einigen  Codd.  schreibt,  lesen  Bf.  und  Bb.  vak/ista,  K.  4.  vakhst. 
Da  das  schliessende  a  von  Bf.  und  Bb.  gegen  das  durchgängige 
Gesetz  der  Dehnung  der  Schlussvocale  im  altern  Dialekt  kurz  ist, 
so  ergiebt  es  sich  leicht  als  später  zur  Verdeutlichung  der  Form 
zugesetzt.  Das  i  vor  st  sieht  nur  wie  ein  Hilfsvocal  zur  Erleich- 
terung der  Aussprache  der  Doppelconsonanten  khst  aus,  dem  hebr. 
Schwa  gleichend,  und  hat  in  der  grammatischen  Bildung  der  Form 
keine  Stelle;  daher  wird  am  besten  vakhst  geschrieben.  Die  Bedeu- 
tung anlangend,  so  giebt  die  Ableitung  von  vakhsh,  wachsen,  einen 
bessern  Sinn  als  die  von  vac,  reden;  Nerios.  hat  vikdgajati.  Der 
Form  nach  fällt  es  mit  coist,  daedoist ,  tust  zusammen,  die  sämmt- 
lich  dritte  Personen  sing,  des  Imperf.  oder  Aor.  sind,  mit  Ausstos- 
sung  des  kurzen  Bindevocals  a.  Man  könnte  sie  auch  für  dritte 
Personen  sing.  aor.  med.  auf  sta  halten,  aber  während  der  Wegfall 
eines  kurzen  inlautenden  a  im  Baktrischen  nicht  selten  ist  (man 
vgl.  ptd  für  patd,  pitd),  kommt  der  eines  schliessenden  kaum  vor 
und  Hesse  sich  im  GäthAdialekt  um  so  weniger  begreifen,  als  hier 
nur  d  und  nicht  a  ein  Wort  schliessen  kann.  —  Das  utajüiti  tevisfn 
tdis  d  weist  auf  die  Haurvatät's  und  Ameretät's  zurück,  denen  am 
meisten  tevisfu,  Kraft,  sonst  beigelegt  wird  (vgl.  51,  7). 
Abhandl.  der  DMG.    1,3.  16 


242         Ilaug,  die  Gdthas  des  Zarathmtra    I.    Cap.  34,  12. 

V.  12.  Kat  t6i—ja<}nahja  Nerios.:  kirn  te  sammdrhshavam,  kah 
kdmah  kdca  jushmdkam  stutih  kdca  jushmdkain  igi^mh.  Das  dem 
rdzare  entsprechende  Wort  sammdrkshanam  wird ,  wie  rdshnäm  im 
zweiten  Versgliede ,  in  der  Glosse  durch  mahdnjdjitd ,  was  etwa 
der  grosse  Logiker  oder  der  grosse  Philosoph  heissen  kann, 
erklärt,  welche  Deutung  wahrscheinlich  auf  der  Ableitung  von  der 
Wurzel  rdz ,  ordnen,  anordnen,  beruht.  Fast  alle  Codices 
haben  rdzare,  nur  Bb.  hat  rdzare.  Beide  Formen  können  richtig 
seyn,  je  nachdem  der  Zusammenhang  ein  Adjectiv  oder  ein  Sub- 
stantiv erfordert;  rdzare  oder  besser  rdzre  (nach  Bf.)  ist  Adjectiv 
für  rdzaro,  rdzare  dagegen  neutrales  Substantiv  der  Bildung  vadare, 
vazdvare.  Wegen  des  toi  bei  der  ersten  Frage  und  der  Art  der 
übrigen  lässt  sich  hier  kein  Adjectiv  annehmen;  dagegen  giebt 
ein  Substantiv  einen  ganz  guten  Sinn;  daher  ist  auch  rdzare  zu 
schreiben.  Man  vergleiche  zur  Bedeutung  des  Worts  Jt.  13,  157: 
^taomdca  rdzareca  harerdu  dathus/w  ahurahe  mazddo.  Hier  finden 
wir  es  neben  einem  Worte,  das  den  deutlichen  Sinn  „Lob,  Lob- 
preisung" hat;  ähnlich  steht  es  an  unserer  Stelle  parallel  mit  gtuto 
und  ja^na;  in  J.  50,  6  ist  rdzeng,  das  wahrscheinlich  ein  neu- 
traler Plural  von  rdzare  ist,  mit  einem  Verbum  sagen,  verkün- 
digen, verbunden.  Die  Ableitung  führt  zunächst  auf  eine  Wurzel 
räz  (raz);  dieser  begegnen  wir  in  der  Bedeutung  lenken,  regie- 
ren, Jt.  10,  14;  ordnen,  herstellen,  Jt.  14,  56.  19,  47,  wo- 
von rdsta  im  Baktrisch(?n  und  Medischen,  rast,  gerade,  im  Pärsi 
und  Neupersischen,  drd^tar  im  Parsi,  namentlich  in  der  Verbindung 
iri^t-drd^tar ,  Wiederhersteller,  Wiederbeleber  der  Todten 
(Spiegel,  Pärsigrammatik,  S.  138,  1.  25.  140,  1.  7.  142,  1.  4.),  drdsten, 
zurichten,  schmücken,  im  Pärsi  und  Neupersischen  stammen.  Im 
Sanskrit  entspricht  rag-,  glänzen  und  regieren  (ursprünglich  wohl 
so  viel  als  gerade  machen).  Von  dieser  Wurzel  ist  indess  keine 
recht  in  den  Zusammenhang  passende  Bedeutung  zu  gewinnen,  aus- 
ser man  wollte  sich  etwa  mit  Geradheit,  Gerechtsame  zufrie- 
den geben ;  zudem  haben  wir  in  dieser  Bedeutung  Formen  mit  kur- 
zem a,  z.  B.  im  Namen  des  Genius  rashnu  razista ,  geradeste 
Geradheit  ==:  gerechteste  Gerechtigkeit.  Dagegen  kann  rdshnäm. 
Gen.  plur.  im  zweiten  Versgliede,  hieher  gezogen  werden.  Auf  den 
richtigen  Weg  kann  uns  hier  vielleicht  das  neupersische  rdz  führen, 
dessen  häufigste  Bedeutung  „Geheimniss"  ist.  Bei  diesem  Worte 
entsteht  aber  sogleich  die  Frage,  ob  es  nicht  den  semitischen  Spra- 
chen, von  denen  es  wenigstens  die  aramäischen  haben,  entstammt. 
Das  Chaldäische  hat  fn  Geheimniss,  Mysterium,  Dan.  2,  19. 
27  (namenthch  häufig  in  den  Targüms) ;  das  Syrische  hat  nicht  bloss 
das  Substantiv  j^jj  ]}h}j  sondern  auch  ein  Verbum  |-|),  wovon  aber 
nur  Pael  und  Afel  gebräuchlich  ist  (geheim  halten,  verbergen); 
auch    im   Samaritanischen    findet    sich    das   Wort.      Da    die   übrigen 


Hang,  die  Gdtkas  des  Zarathiistra.   I.    Cap.  34,   12.        243 

semitischen  Sprachen,  das  Hebräische,  Arabische  ^)  und  Aethiopische, 
welche  an  Formen  wie  an  Wörtern  durchweg  alterthümlicher  sind 
als  die  aramäischen  Dialekte,  das  Wort  gar  nicht  kennen,  so  ent- 
steht ein  gerechter^ Zweifel  an  seiner  semitischen  Abstammung.  Die- 
ser wird  noch  dadurch  erhöht,  dass  wir  im  Aramäischen  noch  manche 
andere  semitische  Wörter  finden,  wie  z.  B.  •]'!2\,  Zeit  (neupersisch 
j^Lcv,  armenisch  zamanak,  aus  dem  baktrischen  zrmna,  zrüdna^  das 
wirklich  Zeit  bedeutet,  Wurzel  zrtr  =  skr.  g-r,  altern,  vergehen, 
entstanden),  das  durchaus  keine  wirkliche  Wurzel  im  Semitischen 
hat,  denn  das  chaldäische  -psT,  Zeit  bestimmen,  ist  erst  ein  De- 
nominativ davon.  Dass  das  besprochene  rdz  indess  ursprünglich 
arisch  ist,  beweist  noch  das  sanskritische  rahas,  Einsamkeit,  ge- 
heim, und  rahasjdy  Geheimniss  (s.  Manu,  2,  140,  wo  „Geheim- 
lehre" darunter  zu  verstehen  ist),  von  der  Wurzel  rah,  verlassen. 
Das  rdzare  an  unserer  Stelle  wird  am  passendsten  hieher  gezogen; 
es  bezeichnet  hier  wie  an  den  andern  Stelleu  ein  geheimniss- 
volles  Wort  oder  einen  geheimnissvollen  Spruch.  —  Vashi, 
wofür  Bf.  und  Bb.  vasi  haben,  lässt  eine  zweifache  Erklärung  zu; 
man  kann  es  nämlich  von  vaf,  wollen,  oder  von  vac,  reden,  ab- 
leiten; die  letztere  scheint  die  richtigere  zu  seyn.  Jedenfalls  ist  es 
aber  kein  Substantiv,  sondern  eine  2.  Person  sing,  praes.  Wollte 
man  es  als  Substantiv  Wunsch,  Verlangen,  nehmen,  wie  Nerios. 
thut,  so  müsste  va^e  geschrieben  werden.  Dazu  ist  aber  kein  ge- 
nügender Grund  vorhanden.  —  Ja  ve  ddjdt  ashis  rdshndm.  Rdshnäm 
könnte  man  leicht  versucht  seyn ,  für  identisch  mit  dem  rdzare  zu 
erklären,  wie  es  Nerios.  wirklich  gethan  hat.  Aber  da  die  Form 
zu  deutlich  auf  einen  Gen.  plur.  eines  Thema  rdshan  hinweist,  für 
rdzare  aber  bloss  rdzo,  rdze ,  stehen  könnte,  so  müssen  wir  diese 
Deutung  aufgeben.  Mehr  Befriedigung  giebt  die  Zurückführung  auf 
skr.  rdgan,  König,  eigentlich  der  Ordnende;  das  sh  für  das  z  ist 
zwar  etwas  auffallend,  aber  ein  solcher  Wechsel  der  Zischlaute  fin- 
det sich  wirklich,  man  vgl.  nur  rashnu,  Gerechtigkeit,  das  bloss 
auf  die  Wurzel  raz,  rdz,  zurückzuführen  ist.  Keinesfalls  ist  dem 
rdshan  aber  die  Bedeutung  König  beizulegen,  da  die  iranischen 
Dialekte  andere  Worte  für  diesen  Begriff  haben,  khshathra,  khsha- 
jamna,  kshajathi  etc.  Besser  führt  man  es  indess  auf  rahh,  be- 
schützen, zurück,  sodass  es  der  Beschützende  heisst.  Diese 
Beschützer  sind  Ahura-mazda  und  die  andern  höchsten  Genien. 
Das  ^tt    (Nom.  plur.  neutr.)    ist  hier  das  Subject;    ashis  der  Accus. 


^)  Dem  arabischen  ^\  einen  Brunnen  graben,  wird  unter  man- 
chen andern  auch  die  Bedeutung  verheimlichen  beigelegt;  doch  Ist  allen 
Spuren  zufolge  diese  keine  ursprüngliche;  ein  Substantiv  der  Wurzel  im 
Sinne  von  „Geheimniss"  findet  sicli  nicht.     Auch  V  vi  ,  verbergen,  an  sich 

schon  sehr  selten  und  ohne  alle  Derivaten,  ist  nicht  hieher  zu  ziehen. 

16* 


244         Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  I.    Cap.  34,  12. 

pliir.  von  aslii,  abhängig  von  ddjdt;  ve  (vas)  ist  als  Genitiv  mit 
rashnäm  (Gen.  plur.)  zu  verbinden.  Für  ve  wird  zwar  von  raehrern 
Mss.,  so  von  Bf.  und  Bb.,  vi  gelesen;  in  diesem  Falle  müsste  es 
die  bekannte  Partikel  vi  seyn  und  eng  rait  ddjdt  zu  einem  neuen 
Begriffe,  austheilen  oder  anordnen,  verbunden  werden;  aber 
der  dadurch  entstehende  Sinn  „was  die  Tugenden  der  Herrschenden 
vertheilt"  passt  nicht  recht  in  den  Zusammenhang.  Ein  ganz  anderer 
Sinn  des  Verses  entstände,  wenn  man  vi-dd  als  entfernen,  weg- 
schaffen, deuten  könnte;  dann  wäre  rdshnäm  von  rash,  verletzen, 
und  mhfs  von  aka,  Compar.  ashjo,  Superl.  acista,  schlecht  (dass 
eine  solche  Ableitung  wirklich  möglich  ist,  zeigt  ashibjd  J.  32,  10), 
abzuleiten,  sodass  das  Ganze  hiesse:  „was  die  Schlechtigkeiten  der 
Verderber  entfernen  kann";  aber  dieser  Sinn  stimmt  nicht  zu  dem 
folgenden  Satzgliede.  —  Qaeteilg  giebt  Nerios.  durch  njdjavantam, 
angemessen,  passend,  richtig,  wieder,  aber,  wie  ich  glaube, 
irrthümlich.  Am  Richtigsten  löst  man  das  Wort  wohl  in  qa  H-  ita 
auf,  sodass  es  selbstgegangen,  selbstbetreten,  nämlich  von 
dem  Asha,  dem   Geist  des  Wahren,  heisst, 

V.  13.  Der  Accusativ  Um  advdnem  lässt  eine  doppelte  Erklä- 
rung zu;  er  kann  erstens  van  ^ishd  im  vorigen  Verse  abhängig  ge- 
macht, zweitens  aber  auch  nur  als  eine  Attraction  in  Folge  des  j^m 
mraos  genommen  werden,  sodass  eigentlich  der  Nom.  stehen  sollte. 
Letzteres  ist  mir  das  Wahrscheinlichste;  denn  wegen  mraos  lässt 
sich  ^ishd  nicht  gut  ergänzen.  Das  eigentliche  Subject ,  auf  das 
dieser  Relativsatz  hinweist,  ist  daendo;  die  Lieder  der  alten  Feuer- 
priester sind  der  Weg  der  frommen  Gesinnung  ,  das  Mittel ,  um 
fromm  gesinnt  zu  werden.  Diese  daendo  werden  ihrer  Art  und 
ihrem  Ursprünge  nach  näher  bestimmt  durch  jd  —  urvdkhshat.  Der 
Numerus  will  hier  nicht  recht  stimmen;  daendo  ist  nur  Plural,  /a  — 
keretd  dagegen  entweder  Fem.  sing,  oder  Neutr.  plur.  Die  Bezie- 
hung ist  somit  eine  etwas  ungenaue,  was  bei  diesen  Stücken,  die 
aus  dem  Gedächtnisse  niedergeschrieben  wurden ,  nicht  besonders 
auffallen  darf.  —  Für  cevistd  ist  wohl  richtiger  mit  K.  4.  civistd  zu 
schreiben;  Bf.  hat  tevestd,  Bb.  dagegen  cevistd.  Dass  i  für  e  zu 
schreiben  ist,  beweist  civishi  J.  51,  15  eine  Verbalform  der  gleichen 
Wurzel,  nämlich  cju,  die  im  Baktrischen  sich  weiter  nicht  findet, 
dagegen  im  medischen  shju,    (in  ashijdwa,    profectus  est)    und  neu- 

persischen  ^lXXw,  eigentl.  gehen,  erhalten  ist.  Eine  andere  Ab- 
leitung ist  nicht  wohl  möglich.  Nerios.  hat  dsvddajah.  Der  Form 
nach  ist  es  eine  dritte  Person  sing.  aor.  med.,  und  nicht  eine  zweite, 
wozu  der  Vocativ  mazdd  leicht  verführen  könnte.  Die  Bedeutung 
ist  zufliessen,  zu  Theil  werden. 

V.  14.  Tat  zi — ddtd  Nerios.:  sa  jato  mahdgndniii  kdmo  [^s7nd- 
kam]  jat    tanumate    givamate  dijate    [dcdrjdja].      Die  Erklärung    des 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathüstra.  I.    Cap.  34,  14.        245 

vainm  durch  kdma,  Verlangen,  stützt  sich  wohl  auf  die  Ableitung 
desselben  von  var,  wählen;  aber  sie  stimmt  weder  zu  dem  Zusam- 
menhange, noch  lässt  sich  für  das  zu  Grunde  liegende  Thema  vairi 
oder  vairja  im  Zendawesta  eine  Bedeutung  wie  Wahl,  Verlangen 
oder  wählend,  nachweisen.  43,  IS  lesen  wir  vairjdo  ^töiSy  was  mir 
dem  Sinne  nach  dasselbe  zu  seyn  scheint,  als  ustdna  a^tvaf ,  das 
wirkliche  Daseyn,  d.  i.  die  irdische  Welt  oder  Schöpfung.  In 
42,  2  haben  wir  unter  vairis  deutlich  Quellen  zu  verstehen,  wie 
das  Prädikat  aweiddndonho,  wasserhaltend,  und  der  Zusammen- 
hang ausweist,  eine  Bedeutung,  die  dem  Wort  auch  in  späteren 
Stücken  zukommt  (Jt.  5,  4.  191.  8,  41.  46.  19,  51).  Letztere 
Bedeutung  kann  intless  nicht  auf  die  Gdthd's  angewandt  werden, 
sowohl  unsere  Stelle,  als  43,  13  und  51,  1  sträuben  sich  dagegen, 
namentlich  aber  das  vairjo  in  dem  berühmtesten  Gebet  jathd  ahn 
vairjo.  Während  zu  der  Bedeutung  Quelle,  der  zudem  die  Form 
vari  zu  Grunde  liegt,  das  sanskr.  vdri,  Meer,  zu  stimmen  scheint, 
lässt  sich  das  vairja  der  Gdthd's  nut  vara,  Kreis,  Umkreis,  Feld, 
eigentlich  das  Umzäunte  (von  var,  umgeben),  im  2.  Farg.  des 
Vendid. ,  und  vareshvd  J.  53,  3  zusammenbringen  und  adjectivisch 
Kreise,  Felder  habend  (43,  13),  substantivisch  als  Umzäu- 
nung, Schutzmauer,  wie  hier,  fassen.  An  unserer  Stelle  hat 
das  Neutrum  vaiHm  ungefähr  den  Sinn  von  vdgtrja.  Dass  eine 
solche  Bedeutung  unserra  Verse  gar  nicht  entgegen  ist,  zeigt  gleich 
das  folgende  Glied,  wo  von  der  Bebauung  der  Erde  die  Rede  ist. 
Die  Bedeutung  Segnung  würde  auch  passen,  aber  sie  lässt  sich 
nicht  begründen.  —  Jöi  zi  —  azjdo.  Dieser  Plural  des  Relativs  kann 
sich  nicht  wohl  auf  mazdd^  das  wegen  ddtd  zwar  deutlich  als  Plural 
zu  fassen  ist,  beziehen;  es  drückt  vielmehr  einen  dem  a^ivaite  ustd- 
jidi  parallelen  Gedanken  aus  und  ist  mit  sljaothand  in  die  engste 
Beziehung  zu  setzen;  der  Dativ  des  Demonstrativs  ist  davor  zu  er- 
gänzen. „Verleiht  die  Thaten  guten  Geistes  denen,  welche  sich  die 
Bebauung  der  ewigen  Erde  zur  Lebensaufgabe  machen".  —  Das 
khshmdkdm  huci^Vm  ist  nicht  von  frddo,  sondern  von  ddtd  abhängig. 
—  Die  ashd  verezeiid  sind  wohl  die  Bebauung  der  Erde ,  was  als 
das  wichtigste  und  glückbringendste  Werk  des  Mazdaja9ners  gilt. 

V.  15.  Dieser  Vers  gehört  wohl  ursprünghch  nicht  hieher;  wir 
finden  ihn  auch  J.  27,  4  citirt;  in  Bf.  und  Bb.  ist  er  nur  mit  den 
Anfangs-  und  Schlussworten  angeführt,  wie  gewöhnlich  die  bekann- 
ten heiligen  Gebete,  jathd  ahu  vairjo.  Auch  dem  Sinn  nach  hängt 
er  nicht  mit  v.  14  und  den  noch  frühern  zusammen.  —  Das  De- 
monstrativ td  ist  auf  (^ravdoi^cd  und  skjaothand  zu  beziehen.  — 
Ishudem  (Nerios. :  gmdndajdh)  ist  sicher  mit  ^tuto  enger  zu  verbin- 
den; seine  Erklärung  bietet  jedoch  manche  Schwierigkeit.  J.  31, 
14  haben  wir  den  Plural  ishudd  als  Feminin  construirt;  im  Jagna 
haptunhaiti  treffen  wir  ein  Verbum  ishnidjdmahi  (J.  37,  5.  38,  4. 
39,  4)    unter  lauter  Verbis  des  Verehrens.     Auch  der  Weda  bietet 


246         Haug,  die  Gathas  des  Zarathiistra.  I.    Cap.  32,  15. 

uns  ein  denominatives  Verbum  ishudhjati,  nach  den  Nighantavas  ein 
jdcndkarma,  d.  h.  ein  Verbum  des  Verlangens,  Wünschens; 
davon  findet  sich  auch  ein  Adjectiv  ishudhju  Rv.  V,  41,  6,  das  dort 
deutlich  wünschend,  verlangend,  strebend,  bedeutet.  Dein 
Ursprünge  nach  ist  es  auf  is/iw,  Pfeil,  und  dhd,  setzen,  zurück- 
xuführen,  nicht  auf  ishiidhi,  Köcher,  wie  Benfey  (Säma-veda- Glossar, 
s.  h.  V.)  thut.  So  heisst  es  eigentlich  „den  Pfeil  ansetzen",  d.  i. 
zielen,  und  dann  übertragen  nach  etwas  trachten  oder  stre- 
ben. Das  ühud  der  Gathas  nun  ist  die  reine  Grundform  ishudh, 
substantivisch  und  zwar  als  Femininum  gebraucht,  wie  dieses  Ge- 
schlecht auch  im  Sanskrit  in  solchen  Fällen  gewöhnlich  ist;  die  ur- 
sprüngliche Bedeutung  ist  wohl  Eifer;  dann  Gebet,  das  auf  Gott 
gerichtete  Verlangen.  Khshmdkd  —  ahum  Nerios. :  jushmdkam  rdgjena 
svdmin  akshajatvam  smcchajd  parisphutam  ddsjati  bhuvane.  Ueber  fra- 
shem  s.  zu  30,  9. 


Druck  von  F.  A.  Brockhaus  in  Leipzig. 


Verbesserungen. 


5> 

8 

10 

12 

15 

16 

17 

21 

24 

25 

— 

30 

Seite  7,   Zeile-29,  lies:  precer,  statt:  precar 
,       16  lies:  qjdmd,  statt:   qjdtna 
,         5  lies:  ArmaiU\  statt:  Armdüi 
,       30  lies:  vdo^  statt:  vdo 
,       13  lies:  qui,  statt:   que 
,         7  lies:   kevitdogcd,  statt:   kevUdaogca 
,      25  lies:  deprecer,  statt:  deprecar 
,       17  tilge  das  erste  „mentis" 

,      16,  17,  lies:  gu  meinem  ^nl  t)(xUi,  statt:  meinem  J^eil 
,         6  lies:  S^ictdcpa,  statt:  SSiftac^a 
,      23  lies:  9)Zunb,  statt:  SDhmbc 
,      33,  34,  lies:  jene  ge^en  beJ^^alB  burc^  beS  leBentigen 
SGßeifen  ßinfic^t  unb  bic  3Bat;v^eit  ju  ©runbe,  statt: 
unb  bef^alB  burd^  beö  leBenbigen  SBeifen  ©inftd^t  unb 
bic  ^ai)xi)nt  ju  ®runbe  ge^en 
„  32        „      33  lies:   ^raosha,  statt:  (Exao^a 
„  48       „      27  fg.,  lies:  Khshnvishd  kann  der  Form  nach  nicht  wohl 
eine  erste  Person  sing.  aor.  optat.  seyn,    sondern 
es  ist  als  eine  zweite  sing,  optat.  med.  zu  betrach- 
ten, also:    du   mögest   verehren.     Die  Anrede 
bezieht  sich   auf  den  Begleiter   des  Sängers   oder 
einen  andern  Anwesenden. 
„  —        „      33  lies:  uttdnahastah,  statt:  utthdnahastah 
„49       „        5  (dadjdt?)  ist  zu  streichen 
„  54       „      31  nach  redend  ist  sich  findet  zu  ergänzen 
„  55       „      26  H'ai  ist  nicht  auf  ^'«f,  verehren,  zurückzuführen, 
sondern  identisch  mit  skr.  i^ ,    vermögen,    be- 
sitzen, s.  weiter  zu  43,  8 
,      21  u.  öfter,  lies:  utkhhtataram,  statt:  utkfshthataram 
,      21  lies:  bhuvane,  statt:  hküvane 
,         1   lies:  anjahy  statt:  anjah 
,       34  lies:  gosrshta,  statt:  gosrshtha" 
,      38  lies:  nigfhito,  statt:  nigrahito 
,      44  lies:  uttdnahastena,  statt:  ntthdnahastma 
83       „      13  lies:  grahitum,  statt:  gfhitum 
—       „      —  lies:  n«,  statt:  nd 


5> 

57 

70 

77 

— 

78 

81 

ii 

131 

?5 

137 

55 

151 

55 

152 

55 

166 

55 

170 

55 

Seite   86,  Zeile  30,  lies:    der   grossen  Weisen,    statt:    des  grossen 
Weisens 
„      87       „      33    ist  „rings"  zu  tilgen 
„      94       „      26    zu  tilgen:  wie  in  igdi, 
„      97    Note  Zeile  2,  lies:  dihae,  statt:  durae 
„    105    Zeile  19    lies:   Qdoskjanto,  statt:   (^doshjanto 
,,    125        „      31    lies:   Hormizdäcca,  statt:   Hormizddca 
33    lies:  verlangen,  statt:  erlangen 
28    lies:  vikd^ajati,  statt:  vika^ajati 
41    lies:  vd,  statt:  nd 
41    lies:  pürnatvam,  statt:  jnirnatvam 
4    lies:  dcdrjandm,  statt:   dcdrjdnam 
12    lies:  dkramdati,  statt:   dkrdmdati 
2    lies:  cikhshmisho,  statt:  cikhnusho 
„     —         „        2    lies:  wegen  der   von  uns    dargebrachten  Opfer 
an  Vieh,    statt:    bei    der  Darbringung   unserer 
Thiere 
„    177        „        4    lies:  Kavd,  statt:  Kavi 
,,    181        „        9    lies:  Dingen,  statt:  Dngen 
„     —         „     14    lies:  jaokhstwatäm,  statt:  jaokstivatdm 
„    183    Note  Zeile  2,  lies:  cditanja,  statt:  cetanja 
„    188        „      33    lies:  didereghzo,  statt:  dideregh  io 
„    206        „      40    lies:  Persischen,  statt:  Pärsischen 
„     —         „      44    lies:  Neupersische,  statt:  Pärsi 
„    208       „        9    lies:  der  die  Gaethas  beschützt,  statt:  der  die 

Gaethas  wachsen  lässt 
„    210        „      21    lies:  gigishäm,  statt:  gigishdm 
„    218       „      24    lies:  im  dritten  Satzglied  sind,  statt:  das  dritte 
Satzglied  hat 


Ucber  das 

(Jatrunjaya  Maiiatinyain. 

Ein    Bei  t  r  a  g 

zur 

Geschichte  der  Jaina. 


Von 

Albrecht   Weber. 


Leipzig  1858 

in   (Kommission   bei  \^.  A.  Brockhau«. 


Abtiandlnnj^en 


der 


Deutschen  Morgenländischen   Gesellschaft. 


I,     Band. 

M  4. 


De 


Wirklichen  Geheimen  Rath 


Dr.    Johannes    Schulze 


zum  80.  August  1858 


in   dankbarer   Verehrung 


dargebracht. 


Ueber  das  ^atrunjaya  Mähätmyam. 

Von  Dr.  Albrecht  Weber. 


J_)ie  Entstehung  und  Geschichte  der  Jainalehre  liegt  noch  in 
ziemlich  mysteriöses  Dunkel  gehüllt.  Die  gewöhnliche  Annahme  ist, 
dass  die  Jaina  eine  Sekte  seien,  die  sich  wesentlich  erst  auf  den 
Trümmern  des  Buddhismus,  als  derselbe  gezwungen  ward  Indien  zu 
räumen,  gebildet  habe,  oder  wie  sich  Wilson,  Mackenzie  Collection 
I,  147  (1828),  ausdrückt:  „the  Jaina  religion  appears  to  have 
grown  out  of  the  downfall  of  that  of  the  Bauddhas  about  the  eighth 
or  ninth  Century".  In  der  später  geschriebenen  Introduction  frei- 
lich findet  sich  eine  bedeutende  Modifikation  dieses  Ausspruches:  es 
heisst  daselbst  S.  LXVII  „it  is  highly  probably  therefore  from  these 
accounts  as  well  as  from  the  inscriptions,  that  the  Jaina  faith  was 
introduced  into  the  Peninsula  about  the  seventh  Century  of  the 
Christian  era".  Um  im  siebenten  Jahrhundert  im  Dekhan  eingeführt 
werden  zu  können,  müsste  die  Jainalehre  natürlich  da,  von  woher 
sie  kam,  ein  Geraumes  früher  entstanden  sein,  also  nicht  erst  im 
achten,  neunten  Jahrhundert  aus  der  Zerstörung  des  Buddhismus, 
sondern  bereits  in  einer  Zeit,  wo  derselbe  noch  in  Blüthe  stand, 
sich  gebildet  haben.  So  war  es  denn  auch  früher  Wil so n's  Ansicht 
gewesen,  in  der  Vorrede  zum  Sanscrit  Dictionary  (1819)  S.  XXXIV, 
dass  die  Jainalehre  „a  scion  of  the  Bauddha  heresy"  sei,  „which 
sprang  into  existence  during  the  early  centuries  of  the  Christian  era". 
P.  V.  Bohlen  (Altes  Indien  1830  I,  357)  stimmte  dieser  letzteren 
Auffassung  bei,  während  Benfey  im  Artikel:  Indien  in  der  Ersch 
und  Grnber'schen  Encyclopädie,  1840,  S.  160  die  Jaina  erst  im 
zehnten  Jahrhundert  aus  den  Kämpfen  zwischen  Brahmathum  und 
Buddhismus  hervorgehen  lässt.  Lassen  in  dem  neuesten  Hefte 
(UI,  2,  1858)  seiner  Indischen  Alterthumskunde  hält  es  S.  532 
„zwar  für  möglich,  dass  zur  Zeit  der  Blüthe  der  Dynastie  von  Balla- 
bhipura  (d.  i.  im  sechsten,  siebenten  Jahrhundert)  die  Jainasekte 
sich  bereits  von  dem  Buddhismus  abgezweigt  hatte,  ihr  war  jedoch 
eine  so  bedeutende  Blüthe  (dreihundert  Tempel  nämlich,  nach  Tod's 
Angaben,  deren  Glocken  die  Andächtigen  zum  Gebete  zusammen- 
gerufen hätten)  damals  noch  nicht  zu  Theil  geworden".  S.  534 
Abhandl.  der  DMG.     1,4.  1 


2  Weber,    über  das   Qairunjaya   Mahnt my am. 

meint  er,  dass  „der  Entstehung  der  Jainasekte  kein  so  hohes  Alter 
(es  ist  von  einem  Ereigniss  aus  angeblich  224  nach  Chr.  die  Rede) 
zugestanden  werden  darf". 

Im  direkten  Gegensatze  hiezu  stehen  Colebrooke  und  Ste- 
venson. Colebrooke's  erste  Abhandlung  über  die  Jaina,  die  1807 
im  neunten  Bande  der  Asiatic  Researches  (misc.  essays  I,  191  ff.) 
erschien,  enthält  nur  faktische  Angaben  über  die  Lehren  derselben 
überhaupt,  keinen  Versuch  über  ihr  Verhältniss  zum  Buddhismus  ins 
Klare  zu  kommen.  Wohl  aber  geschieht  dies  in  der  zweiten  Ab- 
handlung (1826,  im  ersten  Bande  der  Transactions  of  the  Royal  As. 
Soc,  misc.  ess.  I,  315  ff.).  Daselbst  identificirt  er  den  Indrabhuti 
Gautama^}  oder  Gautamasvdmin,  den  Lieblingsschüler  F^ra'*,  des  letz- 
ten Jina,  geradezu  mit  Gautama  Buddha,  und  erklärt  somit  den 
Stifter  des  Buddhismus  für  einen  Schüler  des  Stifters  der  Jainalehre, 
welche  letztere  sich  von  ihrem  Stifter  durch  seinen  andern  Schüler 
Sudharman  fortgepflanzt  habe,  während  Gautamasvdmin  deshalb  keine 
„Spiritual  successors  in  the  Jaina-sect"  habe,  weil  eben  seine  „fol- 
lowers  constitute  the  sect  of  Buddha".  Danach  wären  also  beide 
Sekten,  Jaina  und  Bauddha,  gleichzeitig  entstanden,  ja  die  Ersteren 
hätten  sogar  noch  Ansprüche  auf  Priorität,  da  Vira,  ihr  Stifter,  Leh- 
rer des  Stifters  des  Buddhismus  gewesen  wäre,  wie  denn  Colebrooke 
ausdrücklich  auch  noch  weiter  geht  und  sogar  schon  den  vorletzten 
Jina,  Pär^vandtha,  der  250  Jahre  vor  der  „apotheosis"  des  Vira 
starb,  als  „the  founder  of  the  sect  of  Jainas"  annimmt,  S.  317- 

Stevenson  in  der  Vorrede  zu  seiner  Uebersetzung  des  Kal- 
pasütra  (1848)  stimmt  wesentlich  hiermit  überein  und  meint,  dass 
„Gautama  by  the  force  of  natural  geniiis  threw  their  (der  Jaina) 
System  entirely  into  the  shade  tili  the  waning  light  of  Buddhism 
permitted  its  fainter  radiance  to  reappear  on  the  Western  horizon." 

Diese  Annahme  Colebrooke's  beruht  zunächst  auf  der  Namens- 
gleichheit des  Gautamasvdmin  und  des  Gautama  Buddha,  —  sodann 
darauf,  dass  Buddhisten  wie  Jaina  Süd-Behär  als  den  Hauptschau- 
platz des  Wirkens  und  insbesondere  auch  des  Todes  ihrer  Stifter 
angeben,  —  dass  Beide  denselben  Dialekt,  das  Mdgadhi,  als  heilige 
Sprache  verwenden,  —  und  dass  endlich  auch  die  traditionelle  Chro- 
nologie beider  Sekten  „assigns  nearly  the  same  period  to  their 
Gautama  respectively".  Es  wird  zudem  von  den  Buddhisten  der 
nächste  Vorgänger  Buddha's  Kd<;yapa  genannt,  Vira  aber  war  der 
Tradition  der  Jaina  nach  ein  Kdqyapa ,  s.  Kalpasutra  S.  37 :  ich 
habe  daher  auch  selbst  im  Anschlüsse  an  Colebrooke  früher  (Ind. 
Studien  III,  127)  die  Vermuthung  ausgesprochen,  <lass  „einer  von 
den  in  der  buddhistischen  Legende  als  Zeitgenossen  Buddha's  er- 
wähnten Kd^yapa,    Uruvilvd - Kd^yapa  nämlich,  dessen  Bekehrung  so 


^)  So  heisst  er  im  Kalpasutra  S.  92:  „the  chief  of  his  (Vira's)  perfectly 
initiated  disciples",  und  wird  auch  S.  93  an  der  Spitze  der  Schüler  dessel- 
ben stehend  genannt. 


Weber,  über  das  ^atrunjaya  Mdhätmyam.  3 

grossen  Eindruck  machte,  sowohl  der  Legende  der  Jaina,  als  dem  an- 
geblichen unmittelbaren  Vorgänger  Buddha's  zu  Grunde  liegen  möge." 
Es  erscheint  endlich,  füge  ich  hinzu,  Gautama  durchweg  in  den  Schrif- 
ten der  Jaina  als  Lehrer  des  Magadha  Königs  ^renika  (s.  Wilson 
Mackenzie  Coli.  I,  144.  146.  153.  157.  II,  97.  99—101).  Ebenso 
aber,  oder  Qrentja,  hiess  auch  Bimbisdra^),  König  von  Magadha, 
der  bekannte  Patron  und  Schüler  Buddha's,  s.  Burnouf  Introduc- 
tion  ä  l'hist.  du  BuddhisFne  S.  165.  —  Gegen  eine  solche  hienach 
ziemlich  unmittelbar  erscheinende  Identität  des  Gaxitamasvdmin  mit 
Gautama  Buddha  spricht  mm  aber  allerdings,  theils  dass  die  Jaina 
selbst  den  Gautama  Indrabhüti  und  den  Gotamdnvaya  Buddha  voll- 
ständig getrennt  halten  .(s.  Hemacandra  31  und  237),  dass  sie  so- 
mit nicht  die  Ansprüche  auf  Vorrang  erheben,  die  Colebrooke  für 
sie  macht,  und  die  sie  sicher  geltend  machen  würden,  wenn  sie  dazu 
berechtigt  wären,  theils  ferner  dass  sich  nicht  minder  bedeutsame 
Anhaltspunkte  finden,  welche  zu  einer  Identifikation  des  Vira,  Ma~ 
hdvira  selbst  mit  Gautama  Buddha  Veranlassung  geben.  Erscheint 
doch  Mahdvira  geradezu  z.  B.  im  Eingange  des  Mahdvanso  als  Name 
Buddha's,  dessen  häufigster  Name  darin  ja  zudem  gerade  Jina 
selbst  ist!  Es  wird  ferner  Siddhdrtha  als  Name  von  Vira's  Vater  an- 
gegeben, dies  ist  aber  gerade  Buddha's  eigener  Name.  Es  heisst 
endlich  Vira's  Gemahlin,  wie  die  Buddha's,  Ya^odd  (Colebrooke  II, 
214).  Fügen  wir  hinzu,  dass  es  schwer  denkbar  ist,  dass  zwei 
rivalisirende  Sekten  der  Art  sich  gleichzeitig  aus  dem  ßrahmanen- 
thum  losgetrennt  haben  sollten,  so  befinden  wir  uns  in  der  That 
bei  der  Colebrooke'schen  Auffassung  in  einiger  Verlegenheit. 

Dagegen  erklären  sich  jene  Uebereinstimmungen  leicht  und  ein- 
fach, wenn  wir  dieselben  auf  die  Entstehung  der  Jainasekte  aus  dem 
Buddhismus  zurückführen,  also  auf  gemeinsame  Erinnerungen  mit 
diesem,  die  nur  bei  ihnen  anders  gewendet  wurden,  um  eben  ihre 
selbständige  Entstehung  zu  begründen. 

Denn  dafür,  dass  dies  das  wirkliche  Verhältniss  gewesen  sei, 
spricht  doch  allerdings  gar  Mancherlei.  Zunächst  die  Namen  der 
elf  Schüler  Vira's  selbst,  welche  bei  Hemacandra  31.  32  also  auf- 
gezählt sind:  Indrabhüti^  Agnibhuti^  Vdyubhuti,  alle  drei  aus  dem 
Gautamageschlecht,  Vyakta,  Sudharman,  Mandüa,  Mauryaputra, 
Akamjnta,  Acalabhrdtar ,  Metärya  (Colebrooke  II,  216  hat  die  I^es- 
art  Mevdrya,  die  ich  vorziehe)  und  Prabhdsa  aus  verschiedenen  Ge- 
schlechtern^): es  wird  dabei  im  Texte  angegeben,  dass  zu  diesen  elf 
Schülern  nur  neun  rishisaingha ,  resp.  ga?ia,  Schulen,  gehören,  und  in 


0  Hemacandra  712  hat  Bhambhdsdra. 

0  In  dem  selbstverfassten  SchoHon  dazu  nennt  der  Vf.  (bei  Bohtlingk- 
Rieu  S.  293)  diese  Geschlechter.  Sonderbarer  Weise  darunter  noch  einen 
Gautama  (Akampita) ,  was  jedenfalls  auffällig  ist,  da  er  im  Text  selbst  aus- 
drücklich nur  die  ersten  drei  als  Gautama  bezeichnet  hat.  Auch  der 
Mauryaputra  als  KüQyapa  verdient  schwerlich  besonderen  Glauben. 


4  Weber,  über  das   ^atriinjaya  Mähätmyam. 

dem  selbst  verfassten  Commentar  giebt  der  Verf.  als  Grund  dafür 
an,  dass  die  Lehren  des  Akampita  und  Äcalabhrdtar  und  die  des 
Metdrya  und  Prabhdsa  mit  einander  übereingestimmt  hätten.  Woher 
nun  CoJebrooke  II,  216  dem  gegenüber  die  anderen  Angaben  hat: 
„nine  of  these  disciples  died  with  Mahdvira,  and  two  of  them  Indra- 
bhüti  and  Sudharma  survived  him  and  subsequently  attained  beatitude. 
The  Calimsutra  didids  that  all  ascetics,  or  candidates  for  holiness, 
were  pupils  in  succession  of  Sudharma,  none  of  the  others 
having  left  successors.  The  author  then  proceeds  to  trace  the 
succession  from  Sudharma  to  the  different  gdkhds  or  Orders  of  priests, 
many  of  which  appear  still  to  exist"  ist  nicht  ersichtlich;  wohl  aus 
einem  Commentar  zum  Kalpasütra?  denn  dieses  Werk  selbst  enthält, 
in  Stevenson's  Uebersetzung  wenigstens,  nicht  das  Geringste 
von  allem  dem,  nicht  einmal  der  Name  des  Sudharma  wird  darin 
genannt,  von  allen  jenen  Schülern  überhaupt  nur  der  des  Indrabhüti 
Gautama.  Erst  in  der  nach  dem  Schlüsse  des  Werkes  (hinter  Cap. 
VII.)  angefügten  sthirdvali,  Lehrerliste,  ist  Sudharma  an  der  Spitze 
derselben  genannt.  Stevenson  selbst  indess  ist  der  Ansicht,  dass  diese 
Lehrerliste  eine  spätere  Zuthat  sei,  wenn  er  S.  99  Note  sagt: 
„I  am  incHned  to  think  that  the  original  work  ended  with  the  life 
of  Mahdvira",  d.  i.  mit  Cap.  VI.  Was  freilich  Stevenson  pref.  S.  XIII 
über  die  Angaben  der  jetzigen  Jaina  bemerkt:  „they  teil  us  that 
not  he  {Indrabhüti  nämlich)  but  Sridharma  (sie!)  became  head  of 
the  Community  after  the  Tirthankara's  death  etc.",  steht  mit  Cole- 
brooke's  Worten  allerdings  im  Einklang,  vermag  aber  den  Wider- 
spruch, in  welchem  dieselben  mit  Hemacandra  sich  befinden,  nicht 
zu  beseitigen.  Zu  dessen  Zeit  wurden  offenbar  neun  Gana  als 
von  Vira  ausgehend  angenommen,  und  Sudharma  war  nur  der  Füh- 
rer eines  derselben.  —  Unter  jenen  elf  Namen  nun  sind  zunächst 
nur  drei,  welche  ein  annähernd  alterthümliches  Gepräge  tragen,  die 
drei  ersten  nämlich:  Indrabhüti,  Agnibhüti,  Vdyubhüti,  vgl.  die  ähn- 
lichen Namen  in  dem  freilich  selbst  nicht  gerade  sehr  alterthümlichen 
Van^abrdhmana  des  Sdmaveda,  s.  Monatsberichte  der  k.  preuss.  Aka- 
demie der  Wissenschaften  1857,  S.  503-  Unter  den  übrigen  acht 
Namen  aber  sind  wenigstens  zwei,  welche  mit  Bestimmtheit  sich  als 
späterer  Zeit  angehörig  erweisen  lassen,  als  die  ist,  auf  welche  sie 
Ansprüche  machen,  Maur y aputra  n'^imVich,  welcher  Name  bekanntlich 
erst  seit  dem  Anfange  des  dritten  Jahrhunderts  vor  Chr.  überhaupt 
möglich  ist,  und  Mevdrya'^),  welcher  Name  auf  den  Landstrich  Mevdr 
zurückgeht,  für  den  eine  solche  Benennung  in  so  früher  Zeit  schwer- 
lich irgend  denkbar  ist  (vgl.  Lassen,  Indien  I,  113).  —  Von  allen 
elf  Namen  ist  nun  übrigens  blos  der  des  Gautama,  womit  Indrabhüti 
gemeint  sein  mag,  und  der  des  Sudharman  (vgl.  ^atrunj.  Mdh.  I,  10) 


0  Da  Mevär  einer  der  Haiiptsitze  des  Jainathums  lange  gewesen  ist, 
so  wäre  möglich,  dass  dieser  Name,  unter  die  Schüler  Flra'«  erhoben,  nur 
eine  Art  Compliment  für  die  frommen  Jaina  daselbst  sein  sollte. 


Weber,  über  das   (^atrunjaya  Mdhdtmyam.  5 

in  der  sonstigen  Jainaliteratur  (ausser  Hemacandrd)  bis  jetzt  nach- 
gewiesen. Den  Namen  des  letztern  könnte  man  möglicher  Weise 
sogar  als  eine  blosse  Fiction  zu  deuten  versucht  sein,  da  das  Wort 
sudharma  „gutes  Gesetz"  in  der  Jainalehre  eine  überaus  grosse  Rolle 
spielt^):  es  wäre  dann  nur  das  verkörperte  Jainagesetz  selbst,  wel- 
ches sich  in  dem  Namen  des  Stifters  wiedergespiegelt  fände.  Die 
Namen  seiner  Schüler  in  der  sthirdvali  (^Kalpasütra  S.  100)  klingen 
wenigstens  durchaus  nicht  so  alterthümlich,  wie  man  lür  die  Zeit, 
welcher  sie  zugeschrieben  werden,  zu  erwarten  berechtigt  wäre. 

Die  Aera  übrigens  für  den  Tod  Viras  stimmt,  wie  wir  im  Ver- 
lauf sehen  werden,  durchaus  nicht  so  genau  mit  der  für  Buddhas 
Tod  überein,  wie  dies  nach  den  jetzigen  Angaben  der  Jaina  bei 
Colebrooke  II,  215.  317  und  Stevenson  (Kalpasutra  pref.  III.)  der 
Fall  ist,  sondern  ist  nicht  unbedeutend,  fast  200  Jahre  später.  Die 
Angabe  der  nördlichen  Buddhisten  freilich,  die  Buddha's  Tod  400 
Jahre  vor  Kanishka  setzen,  stimmt  sonderbar  genau  mit  Vira's  Aera 
überein  und  könnte  dieser  Umstand  für  eine  Geltendmachung  jener 
Angabe,  bei  den  unstreitig  gemeinsamen  Erinnerungen  beider  Sekten, 
wohl  in  Anschlag  gebracht  werden.  Die  Entstehung  der  Jainasekte 
als  solcher  wirklich  mit  der  Aera  Viras  (d.  i.  circa  348  vor  Chr.)  zu 
beginnen,  wäre  dann  ganz  unnöthig,  ist  freilich  auch  sonst,  selbst 
abgesehen  von  dem  Mauryaputra  und  Mevarya,  wohl  unthunlich. 

Was  nämlich  vor  Allem  die  Posteriorität  der  Jaina  nach  den 
Baiiddha,  den  jüngeren  Ursprung  ihrer  heiligen  Literatur  wenigstens, 
klar  dokumentirt,  ist  der  Umstand,  dass  ihr  Mdgadhi  nicht  mit  dem 
Mdgadhij  Pdli,  der  letzteren  identisch  ist,  wie  Colebrooke  annimmt, 
sondern  dass  es  auf  einer  wesentlich  späteren  Stufe  steht  als  dieses, 
wie  aus  den  geringen  Proben  davon,  die  bis  jetzt  durch  Stevenson 
bekannt  sind,  bereits  mit  voller  Sicherheit  hervorgeht.  Es  entspricht 
dasselbe  entschieden,  auch  nach  Stevenson's  eignen  Bemerkungen 
darüber,  vielmehr  dem  Mdgadhi  des  Vararuci,  s.  hierüber  Spiegel 
in  seiner  Besprechung  des  Kalpasutra  in  den  Münchner  Gelehrten 
Anzeigen,  1849,  S.  911  — 12. 

Es  sind  endlich  auch  sonst  die  Dokumente  der  Jaina  überhaupt 
an  Alter  mit  denen  der  Buddhisten  nicht  zu  vergleichen. 

Wenn  wir  somit  auch  ausser  Stande  sind,  eine  mit  dem  Ent- 
stehen des  Buddhismus  gleichzeitige  oder  gar  eine  frühere  Entste- 
hung der  Jainalehre  anzuerkennen,  so  sprechen  denn  doch  für  eine 
gewisse  Altcrthümlichkeit  derselben,  eine  grössere,  als  die  gewöhn- 
liche Annahme  ihr  zugesteht.  Gründe  genug,  so  dass  ich  nicht  nur 
geneigt  bin,   mich  Wilson's  früherer  Annahme  von  ihrer  Entstehung 


0  Den  „Jamah  sudharmah,  das  gute  Jainagesetz"  finden  wir  Catr. 
Mäh.  XIV,  343.,  das  Appellativuin  sudharman,  z.  B.  XIV,  182.  Indra  selbst 
scheint  I,  335  sudharma  zu  heissen,  regeiniässij;  wenigstens  heisst  er  .sw- 
dharmendra,  saudharmendra  (vgl.  Colebrooke  \\,  214.  Wilson  Mack.  Coli. 
II,  148 — 50).  Auch  eine  sabhd  sudharmd  finden  \\\r  zu  dem  saudharma 
des  Textes  bei  Hemac.  93  im  Scholion  S.  298. 


6  Weber,   über  das   Qatrmjmja  Mähdtmyam. 

„during  the  early  centuries  of  the  Christian  era"  anzuschliessen, 
sondern  auch,  des  Maiiryaputra  wegen,  einen  noch  etwas  früheren 
Termin  ansetzen  möchte,  da  die  Dynastie  der  Maiirya  nach  Las- 
sens  Berechnung  nur  von  315  — 178  vor  Chr.  regierte,  Gheder 
ihres  Namens  also  schwerlich  noch  mehre  Jahrhunderte  später  zn 
vermuthen  sind. 

Die  ältesten  Zeugnisse  nämlich  für  die  Existenz  der  Jaina,  ab- 
gesehen von  ihren  eignen  Angaben,  sind  die  folgenden. 

Die  Stellen  der  Alten  über  die  YujxviqTaL  oder  'yufxvoaocpf.araL  ^) 
beweisen  allerdings  nichts  für  die  Existenz  der  Jaina  (wenn  es  auch 
auffällig  bleibt,  dass  Ptolemäus  geradezu  ein  Reich  derselben  im 
nordwestlichen  Indien  anführt):  die  Nacktheit  ist  ja  nicht  blos 
den  Jaina,  sondern  auch  den  brahmanischen  Yogin  eigen,  wenn  auch 
nicht  den  Buddhisten,  wie  Lassen  III,  357  irrthümlich  angiebt,  de- 
nen sie  vielmehr  ausdrückHch  untersagt  ist  (vgl.  Koppen,  die  Re- 
ligion des  Buddha,  S.  339  ff.).  Die  sicher  wohl  genuine  Glosse  des 
Hesychios  indessen  „Fswot,  OL  ru[JLV0<J09iaT:aL"  scheint  denn  doch 
mit  Bohlen  (I,  357)  jedenfalls  sich  auf  die  Jaina  zu  beziehen  und 
bewiese  somit  ihre  Existenz  ziemlich  sicher  doch  mindestens  für  ein 
halbes  Jahrhundert  vor  der  Zeit  desselben,  d.  i.  vor  dem  Ende  des 
vierten  Jahrhunderts. 

Aus  Colebrooke's  Worten  über  die  Polemik  gegen  die  Jaina  in 
den  Sanhhya-  und  Veddnta-  Sutra  (1827,  misc.  ess.  I,  329.  378  ff.) 
erhellt  leider  nicht  mit  Sicherheit,  ob  damit  die  betreffenden  Sutra 
selbst,  oder  nur  ihre  Commentare  gemeint  sind,  doch  scheint  Erste- 
res  das  Wahrscheinlichere. 

Die  bis  jetzt  in  brahmanischen  Schriften  als  älteste  vorliegende 
Erwähnung  der  Jaina  ist  somit  einstweilen,  bis  wir  über  den  eben 
angeführten  Punkt  im  Klaren  sind,  die  bei  Vardhamihira  59,  19 
(Catalog  der  Berl.  Sanskrit -Handschriften,  S.  247.  Reinaud  mem. 
sur  rinde,  S.  121.  122),  wo  sie  (jinds)  den  ^dkyds  gegenüberstehen, 
ebenso  wie  ebend.  58,  44  Buddha  ihrem  Arhatdm  deva  in  v.  45.: 
an  beiden  Stellen  ist  ihre  Nacktheit  besonders  betont. 

Im  Pancatantra  S.  234  ff.  (ed.  Kosegarten)  müssen  unter  jina 
und  den  jinds  offenbar  auch  die  Jaina,  nicht  die  Buddhisten  gemeint 
sein  (ob  auch  eine  Erinnerung  an  eine  Buddhistenverfolgung  dabei 
mit  hineinspielt,  s.  Indische  Studien  III,  353),  da  sie  nagnakdh  (236, 
4)  genannt  werden:  danach  lebten  sie  damals  in  Pdtalipidra  von 
den  Gerichten  geschützt. 

Die  von  Böhtlingk-Roth  unter  xapanaka  angeführten  Stellen  kön- 
nen sich  nur  zum  Theil  auch  auf  Buddhisten  beziehen ,  mit  Ausnahme 
derer  nämlich,  wo  von  Nacktheit  der  xapanaka  gesprochen  wird; 
vgl.  das  über  die  digambara  von  Colebrooke  I,  380.  II,  202  Bemerkte. 

Die  bisher  älteste  Jainaschrift  war  das  im  Vorhergehenden  schon 


^)  Letzteres  Wort  noch  m'cht  im  makedonischen  Zeitalter,  s.  Lassen  I, 
70.   III,  357. 


Weher y    über  das  ^atnmjat/a  Mdhdtn'jam.  7 

öfter  erwähnte,  von  Stevenson  (1848)  übersetzte  Kalpasutram  des 
f*n  Bhadrabdhusvdmin  ^),  welches  in  Cap.  I  —  VI.  eine  Lebensbeschrei- 
bung des  Vira  enthält,  oder  vielmehr  eine  Beschreibung  seiner  Ge- 
burt, resp.  dessen  was  derselben  vorherging  in  Cap.  I — V.  S.  21  —  80, 
während  nur  Cap.  VI.  bis  S.  95  sehr  dürftig  von  seinem  Leben  und 
Tode  handelt.  Als  Cap.  VII.  schliessen  sich  daran  Nachrichten  über 
das  Leben  des  Pdr^va,  Nemi  und  Rishahha,  der  dem  Vira  vorher- 
gehenden zwei  und  des  allerersten  Jina  2).  Darauf  folgt  noch  eine 
Lehrerliste  und  als  letzter  Nachtrag  —  denn  als  solcher  sind  Cap. 
VII.  etc.  auch  nach  Stevenson's  Ansicht  zu  betrachten  —  mönchische 
Regeln  über  die  Beobachtung  der  pajjusana  (paryushana)  genannten 
Fastenzeit.  —  Dies  Werk  nun  ist,  seinen  eignen  Angaben  am  Schhisse 
von  Cap.  VI.  nach  (s.  Stevenson  S.  95.  96  und  Colebrooke  misc. 
II,  215),  980  Jahre  nach  Vira's  Tode  verfasst,  und  im  993steu  Jahre 
nach  Vtra,  also  dreizehn  Jahre  später  öffentlich  gelesen  worden. 
Der  Commentar  giebt  (S.  15)  die  speciellere  Nachricht,  dass  es 
980  Jahre  nach  Vira's  Tode  in  Anandapura  (now  called  Bddnagar, 
fügt  er  hinzu)  unter  König  Dhruvasena,  der  gerade  durch  den  Tod 
seines  geliebten  Sohnes  Sendgaja  schwer  betrübt  war,  verfasst  und 
gelesen  worden  sei;  er  erwähnt  hierbei  für  letzteren  Termin  des 
Vorlesens  der  dreizehn  Jahre  nicht,  die  doch  das  Werk  selbst  aus- 
drücklich namhaft  macht  ^).  Stevenson  schlägt  nun,  um  die  Ab- 
fassungszeit zu  bestimmen,  den  Weg  ein,  dass  er  die  Tradition  der 
Jaina  in  Guzerate  zu  Grunde  legt  (S.  96),  wonach  Vira  470  Jahre 
vor  Vikramdditya  gestorben  sei;  da  er  nun  Letzteren  in  der  gewöhn- 
lichen Weise  56  v.  Chr.  ansetzt,  so  fällt  ihm  danach  die  Abfassung 
des  Kalpasutra  454  n.  Chr.  In  der  Vorrede  S.  IX  gewinnt  er  ein 
anderes  Datum,  411  n.  Chr.,  indem  er  nämlich  eine  andere  Aera 
für  Vira's  Tod,  die  in  Prinsep's  Useful  Tables  angegebene,  569 
V.  Chr.  zu  Grunde  legt.  Bei  der  Berechnung  der  Zeit  des  zur  Va- 
labht -Dymistie  gehörigen  Dhruvasena  begegnet  es  ihm  hierbei  (S.  X) 
freilich,  dass  er  „the  Gujerate  copper-plate  grants  of  the  first  (sie) 
(^ridhavasena  (sie)  dated  Samvat  375  i.  e.  AD.  318"  nennt,  also 
dabei  nicht,  wie  nothwendig  (es  handelt  sich  hier  um  die  Inschrift 
des  (^ridharasena  IV)  die  Valabhi-K^r^  (welche  319  n.  Chr.  beginnt), 
sondern  die  *Samyat-Aera  (56  v.  Chr.)  zu  Grunde  legt!  erstere  würde 
allerdings  nicht  besonders  für  ihn  gepasst  haben.  —  Der  einzig 
richtige  Weg,  um  zu  einem  annähernd  sicheren  Resultat  zu  gelangen, 
ist  eben    nicht   der,    dass    man    die    ganz    unsicheren  Angaben  über 


^)  Der  bei  Hemacandra  v.  ?A.  als  einer  der  sechs  QrulakevaUu  genannte 
Hhadrabdhu  ist  wohl  nur  ein  Namensgenosse  und  könnte  eher  mit  dem  in 
der  Slhirävali  als  fünfter  Nachfolger  Sudharman's  genannten  Bhadrabdhu 
identisch  sein,  s.  Stevenson  Kaipas,  S.  100. 

'•')  Daraus  darf  aber  nicht  etwa  geschlossen  werden,  dass  nur  diese  vier 
Jina  damals  in  der  Jaina-Doktrin  existirt  hätten!  es  wird  vielmehr  im  Ein- 
/^nnge  S.  24  ausdrücklich  aller  24  Jina  gedacht. 

)    Stevenson.  [)refac<'  S.  TX.  \  dreht  das  Verhältniss  um. 


8  Weber,  über  das   Qairmijaya  Mdhdimijam. 

Vikramdditya  oder  Vira  zu  Grunde  legt  und  danach  den  Dhruvasena 
bestinimt,  sondern  umgekehrt  der,  dass  man  die  Zeit  des  letzteren, 
und  damit  die  Zeit  des  Vira,  resp.  wenn  man  will  des  Vikramdditya 
zu  fixiren  sucht. 

Dazu  aber  helfen  uns  jetzt  mehrere  Umstände.  Zunächst  die 
von  Wathen  und  Anderson  so  glücklich  entzifferten  Inschriften 
der  Fa/a6Äi- Dynastie,  in  denen  sich  der  Name  des  Dhruvasena  dr^i- 
mal  vorfindet  (s.  Journal  of  the  Asiatic  Soc.  of  Bengal  IV,  477  ff. 
Sept.  1835,  und  Journal  Bombay  Branch  R.  As,  Soc.  III,  213  ff. 
1850).  Sodann  der  wie  in  so  vielen  andern  Beziehungen  so  auch 
hier  überaus  wichtige  eigne  Reisebericht  (Si-yu-ki)  des  chinesischen 
Buddhapilgers  Hiuen-Thsang ,  der  von  629 — 45  Indien  durchreiste, 
und  dessen  Siyuki  in  St.  Julie n's  gewiss  trefflicher  Uebersetzung 
wenigstens  zur  Hälfte  bereits  vorliegt^).  Endlich  ein  Werk,  welches 
fortab  als  die  bis  jetzt  älteste  Jainaschrift  zu  gelten  hat,  das  (^atrun- 
jaya  Mähdtmyam  nämlich,  ein  Legendenbuch  zur  Verherrlichung  des 
heiligen  Berges  ^atnmjaya^)  in  Surdshtrd,  mit  welchem  Werke  wir 
uns  eben  hier  speciell  beschäftigen  werden,  und  über  dessen  literar- 
historische Stellung  ich  bereits  im  zwölften  Bande  der  Zeitschrift 
der  Deutschen  Morgenl.  Gesellschaft  S.  186  —  89  vorläufig  die  Haupt- 
data mitgetheilt  habe.  Dasselbe  ist  nach  1,  13  — 15.  XIV,  342 
verfasst  von  dem  Jainalehrer  Dhane^vara  in  Valab/ti^)  unter  dem 
Schutze  des  Siirdshtrd -Herrschers  (^tldditya,  welcher  (nach  XIV,  286) 
477  Jahre  nach  Vikramdrka  herrschte^),  während  Letzterer  (XIV, 
101  — 103)  seinerseits  470  Jahre  nach  dem  Nirvdiiam  des  Vira  gesetzt 
wird.  Es  ist  das  Werk  somit  947  nach  letzterem  Ereignisse  ab- 
gefasst,  also  33  Jahre  älter  als  das  (980  danach  abgefasste)  Kalpa- 
sütram,  und  hat  natürlich  auch  ^ildditya,  der  Patron  des  Dhane^- 
vara  in  Valabhi,  33  Jahre  früher  gelebt  als  Dhruvasena,  der  Patron 
des  Kalpasütra -Y er^assers  in  Anandapura.  Können  wir  nun  in  der 
Wirklichkeit  zwei  Könige  dieser  Namen  nachweisen,  die  in  dem  eben 
angegebenen  Verhältnisse  zu  einander  stehen,  so  ist  die  Identität 
derselben  mit  den  Genannten  wohl  über  allen  Zweifel  erhoben. 


^)  Leider  fehlt  gerade  noch  der  Guzerate  und  Mälava  betreffende  Theil, 
doch  enthält  die  von  St.  Julien  vorausgeschickte  Uebersetzung  der  Lebens- 
beschreibung des  Hiuen  Thsang  theils  im  Anhange  direkte  Auszüge  daraus, 
theils  giebt  auch  die  Lebensbeschreibung  selbst  den  Inhalt  des  Siyuki  wohl 
im  Ganzen  ziemlich  getreu  wieder. 

^)  „This  is  a  tirtha  of  the  Jains  84  miles  from  Bhownagur'*  lautet 
Stevenson's  Bemerkung  zu  einer  Stelle  in  der  Einleitung  des  Comraentars 
zum  Kalpasütra  S.  9,  wo  „Satrunjaya  among  holy  places"  der  Heiligste 
genannt  wird,  ebenso  wie  es  ebend.  S.  10  heisst:  „no  holy  place  superior 
to  Sri  Satrunjaya".  Auch  Hemacandra  v.  1030.  kennt  den  Namen  {Satrun- 
jaya, dem  ich  aber  ausserdem  noch  nirgendwo  begegnet  bin. 

^)  Nicht  Ballabhi ,  wie  die  Stadt  in  der  Regel  genannt  wird. 

^)  d.i.  doch  wohl  in  dem  Jahre,  in  welchem  das  ^atrunjaya  Mähd- 
tmyam abgefasst  ward  !?  So  wenigstens  auch  die  Randglosse  der  Handschrift 
zu  I,   13. 


Weber,  über  das   (^atrnnjaya  Mdhdtmyam.  9 

Was  nun  zunächst  die  Nachrichten  des  Hiuen  Thsang  betrifft, 
50  giebt  derselbe  an,  dass  60  Jahre  vor  seiner  Ankunft  in  Mälava, 
die  etwa  637  zu  setzen  sein  mag,  daselbst  ein  frommer  König 
Kiai-ji,  oder  Chi-lo-o'-t'ie-to  ^ildditya,  geherrscht  habe  (vie  de  Hiueii 
Thsang  204.  370),  der  als  ein  grosser  Begünstiger  der  Buddhisten 
noch  in  dankbarer  Erinnerung  stand  und  dessen  50jährige  Regierung 
als  eine  Zeit  des  Glückes  galt.  Hier  scheint  nun  in  der  That  wenig 
Veranlassung  zu  einer  Identifikation  dieses  Fürsten  mit  dem  gleich- 
namigen Patron  des  ^atr.  Mähdtmya,  der  ja  darin  mehrfach  als  ein 
Verfolger  der  Buddhisten  gerühmt  wird.  Es  liegt  indess  eine  Lö- 
sung hiefür  nicht  sehr  fern.  HiueJi  Thsang  nämlich  berichtet  aus- 
drückUch,  dass  in  Valabhi,  Anandapura  und  Mälava  die  Schule  ,,Tchmg- 
liang-pou  (ou  les  Sammüiyas ,  Sammitinikdya^  qui  se  rattache  au  petit 
vehicule  (Hmaydjia)^'^  herrschend  sei  (s.  die  Angaben  aus  dem  Siyiiki 
bei  St.  Julien  vie  de  H.  Ths.  358.  370.  419  und  vgl.  noch  S.  204. 
206).  Sollten  darunter  nicht  vielleicht  direkt  die  Jaina  zu  erken- 
nen sein,  deren  Namen  in  der  chinesischen  Umschreibung  Tching- 
liang-pou  noch  durchzublicken  scheint  ?'^)  Es  wären  eben  dem  chine- 
sischen Pilger  die  Unterschiede  der  Jaina  von  den  Bauddha  nicht 
prägnant  genug  gewesen,  um  Beide  zu  trennen:  er  hätte  Jene  eben 
nur  als  eine  abweichende  häretische  Schule  dieser  angesehen  (vgl. 
noch  S.  123,  124,  132,  181,  211  wo  die  Tching-liang-pou  eben- 
falls erwähnt  sind),  und  das  mit  vollem  Rechte.  Dass  Beide  sich 
auf  das  Bitterste  gegenseitig  befehdeten,  ist  eine  Sache  für  sich  und 
hat  ja  zwischen  den  buddhistischen  Sekten  von  jeher  in  nicht  min- 
derem Grade  stattgefunden,  wie  dies  bei  allen  mit  einander  ver- 
wandten religiösen  Parteien  noch  heutigen  Tages  zu  geschehen  pflegt: 
je  näher  man  sich  eigentlich  steht,  desto  schärfer  pointirt  man  die 
Unterschiede.  Auch  Hiuen  Thsang  tritt  ja  mehrfach  als  Bekämpfer 
der  verschiedenen  Hhiaydna- Schulen,  die  im  eigentlichen  Indien  da- 
mals die  Oberhand  über  die  MahdydnaSchnlen  besassen,  auf,  und 
insbesondere  auch  gerade  alsBekämpfer  der  Tching-liang-pou  (S.  241). 
Sollte  sich  übrigens  diese  unsre  Identifikation  der  Letzteren  mit  den 
Jaina  als  richtig  erweisen,  so  ergäbe  sich  daraus  auch  die  Möglich- 
keit die  Spuren  der  Jaina  noch  weiter  in  den  chinesischen  Berichten 
zu  verfolgen.  In  der  Beschreibung  freiUch,  welche  im  Siyuki  selbst 
Cap.  III,  S.  163  — 164  von  den  Häretikern  im  Reiche  Sinhapura 
(in  derselben  Gegend,  wohin  nach  Lassen  Ptolemaios  sein  Reich 
der  r\)(J.voao9l(Ji:ac  versetzt!),  die  theils  weisse  Kleider  tragen  ffwe- 
tdmbaraj  theils,  und  zwar  in  der  Regel,  nackt^)  gehen  (Dignmbara), 
gemacht  wird,   und  welche  in  allen  Einzelheiten  vollständig  auf  die 


')  Allerdings  wird  aber  sonst  jina  als  Theil  von  buddhistischen  Namen 
von  Hiuen  Thsang  stets  durch  Chin-na  oder  Tchin-na  gegeben ,  s,  vie  de 
H.  Ths.  S.  94.  187.  210. 

'■')  Die  nackten  Häretiker,  die  in  der  Lebensbeschreibung  S.  242.  224. 
228  genannt  werden,  sind  wohl  brahmanische  Yogin. 


10  Weber y   über  das   (^atrunjmja  Mdhdtmyam. 

Jaina  passt,  wird  der  Name  l'clmig-liang-imu  nicht  für  diese  Hä- 
retiker in  Anwendung  gebracht.  Dafür  findet  sich  aber  in  den  ein- 
zelnen Angaben,  welche  Hiuen  Thsang  über  füdditya's  Regierung 
macht  (vie  de  H.  Ths.  S.  205)  Mancherlei,  wodurch  derselbe  mit 
ziemlicher  Bestimmtheit  als  Jaina  markirt  wird;  so  heisst  es  von  ihm: 
„dans  Ja  crainte  de  causer  la  mort  aux  insectes,  qui  vivent  dans 
Teaii,  il  ne  permettait  pas  d'en  donner  a  boire  aux  elephants  ou 
aux  chevaux  avant  de  l'avoir  soigneusement  filtree.  Quant  aux 
hommes  du  royaume  il  leur  defendait  severement  de  tuer  des  ani- 
maux.  De  lä  il  vient,  que  les  betes  feroces  s'attachaient  aux  hommes, 
les  loups  oubhaient  leur  fjireur"  (vgl.  ^atrunj.  Mäh.  T,  48);  eine 
dergl.  Uebertreibung  der  ahwsd,  Lehre  von  der  Schonung  des  Le- 
bens Andrer,  ist  das  recht  charakteristische  Kennzeichen  des  Jaina- 
thums  ^).  Auch  die  Aufstellung  der  „statues  des  sept  Buddhas" 
führt  uns  zu  den  Jaina,  welche  eine  dergl.  Siebenzahl  ausdrücklich 
annehmen  (Hemacandra  235,  236),  während  Hiuen  Thsang  sonst 
durchweg  nur  von  „quatre  Buddhas  passes  "2)  spricht.  Die  Bud- 
dhisten kennen  nämlich  auch  sonst  nur  vier  dergl.  in  der  jetzigen 
Periode,  und  ausserdem  in  der  früheren  Periode  24  Buddha^);  die 
Verehrung  durch  Statuen  beschränkt  sich  in  der  Regel  auf  ^dkya- 
muni  allein,  oder  dehnt  sich  höchstens  zugleich  auch  noch  auf  die 
drei  ihm  vorhergehenden  Buddha  aus,  s.  Lassen  II,  997,  998.  Hl, 
514  not.;  erst  aus  späterer  Zeit  rühren  Gebete  an  die  sieben  letz- 
ten Buddha  her  (s.  Koppen,  die  Religion  des  Buddha,  S.  314). 

Ist  somit  eine  Identifikation  der  beiden  Cildditya  des  ^atr.  Mdh. 
und  des  Hiuen  Thsang  wohl  zu  rechtfertigen,  so  handelt  es  sich 
doch  darum  noch  nähere  Anhaltpunkte  dafür  zu  gewinnen.  Dass  der 
Eine  König  von  Valabhi,  der  Andere  König  von  Mälava  heisst,  ist 
zunächst  kein  Hinderniss,  da  beide  Reiche  nebst  Anandapura  und 
anderen  Distrikten  zu  Hiuen  Thsang' s  Zeit  vereinigt  waren,  s.  Las- 
sen [II,  510.  522.  525.  Leider  enthält  die  Angabe  desselben,  dass 
60  Jahre  vor  seiner  Zeit  „le  tröne  etait  occupe"  durch  ^ildditya, 
keine  Bestimmung  darüber,  wie  lange  dies  von  da  ab  noch  gedauert 
habe,   wann  ^ilädUya   gestorben    sei.      Nehmen  wir  daher   auf   gut 


0  Im  grellen  Widerspruche  hiemit  stände  sein  Kriegszug  gegen  die 
Mahratten,  von  dem  Lassen  berichtet  (HT,  515).  Lassen  hat  hiebei  aber 
irriger  Weise,  das  was  Hiuen  Thsang  (vie  de  H.  Ths.  S.  416)  von  dem  ihm 
gleichzeitigen  (aujourd'hui)  Qiläditya,  König  von  Känyakubja  berichtet, 
auf  jenen  60  Jahre  früher  blühenden  Qüddüya  von  Mälava  übertragen. 

2)  So  überaus  häufig  im  Siyuki  S.  198.  206.  212.  233—39.  262—68  etc. 
die  Siebenzahl  aber  nur  an  dieser  einen  Stelle  (vie  205). 

^)  Vgl.  Hardy,  Manual  of  Buddhism  S.  94.  95.  Die  älteste  Aufzäh- 
lung freilich  im  Eingange  des  Mahavanso  kennt  überhaupt  nur  24  Vorgänger 
Gautama's ,  mit  Dipankara  beginnend,  nicht  die  drei  Vorgänger  dieses  Letz- 
teren, —  Ohne  Zweifel  gehört  hieher  die  Vorstellung  der  Jina  von  ihren 
24  Tirthankara :  so  (Tanhankaro)  heisst  ja  gerade  der  erste  Buddha  bei 
Hardy. 


Weber j    über  das   Qatrunjaya  Mähdtmyam.  11 

Glück  jene  Zeit,  also  das  Jahr  577  (60  Jahre  vor  637,  wo  Hiuen 
Thsang  in  Mälava  gewesen  sein  mag)  als  die  Blüthe,  den  Mittel- 
punkt der  50jährigen  Regierung  desselben  an,  so  hätte  er  danach 
von  552  —  602  n.  Chr.  regiert  (Lassen  nimmt  545  —  595  an).  Wie 
steht  es  nun  mit  einem  33  Jahre  nach  diesem  ^ildditya  zu  setzen- 
den  Dhruvasena? 

Unter  den  drei  Dhruvaseiia,  welche  die  Inschriften  der  Valabhi- 
Dynastie  kennen  lehren^),  erscheint  in  der  That  der  eine,  Dhru- 
vasena  IL,  als  ein  Neffe  und  unter  den  Nachfolgern  eines  von  seiner 
Beherrschung  Mälava's  auch  Vikramäditya  genannten^)  ^iläditya. 
Und  es  stimmt  hiezu  ferner  auch  die  Angabe  des  Hiuen  Thsaiig, 
der  unter  den  ihm  gleichzeitigen  Fürsten  einen  Thou-lou-po-po-tcha, 
Dhruvabhafta^),  als  Neffen  des  ^iläditya  von  Mälava,  als  Fürsten 
von  Valabhi  wie  des  südlichen  (westlichen)  Indiens  überhaupt,  und 
als  Schwiegersohn  des  Sohnes  eines  andern  (^üdditya,  Königs  von 
Känyakubja,  aufführt  (vie  de  H.   Ths.  206,  254,  370). 

Mit  Rücksicht  darauf  nun,  dass  die  Abfassung  des  Kalpasütra, 
resp.  dessen  Patron  Dhruvasena,  nur  33  Jahre  später  fällt,  als  die 
des  ^atrunjaya-Mdhdtmyam,  resp.  dessen  Patron  ^ildditya,  dürfen 
wir  die  Abfassung  des  letztern  Werkes  erst  in  die  letzten  Regie- 
rungsjahre des  (^üdditya  verlegen,  da  wir  bei  dem  Dazwischenliegen 
zweier  Regierungen  (des  I^varagraha  und  des  ^ridharasena  IL)  zwi- 
schen  Qldditya    und    Dhruvasena  IL    nicht   annehmen   können,    dass 


')  Zur  Orientirung  stehe  hier  Lasse  n's  Restitution  der  Valabhi-Dy nBistxe 
in  übersichtlicher  Folge. 

1.  Bhatdrka,  sendpati. 

2.  Dharasena,  sendpati. 

3.  Dronasinha,  erster  Grosskönig. 

4.  Dhruvasena  I. 

5.  Dharabhatta. 

6.  Guhasena. 

7.  ^ridharasena  I.  530 — 45  (Inschrift,  die  sam- 
vat  9  seiner  Regierung  und  220  der  Aera  d.  i.  539 

n.  Chr.  datirt). 

t 1 — * \ 

9.  iQvaragraha  bdb  —  ?  8.   i^Udditya  64:6  —  95. 


10.  Qrtdha-     11.  Dhruvase-     Qilddilya.     iQvaragraha.     13.  Dhruvasena  III. 
rasenall.      ?ta  IL  bis  650.  1  660  —  670. 


12.  Qrtdharasenain..  14.  (^ridharasenaTY.  (zwei  Inschrihen,  samvat 

650  —  660.  365  und  379  d.  i.  684  und  698  n.  Chr.). 

2)    So  Benfey  Indien  S.  113. 

')   So  übertrage  ich  den  Namen  mit  Jacquet  und  Benfey,  vgl.  Dhara- 
bhatta neben  Dharasena. —    St.  Julien  und  Lassen  nehmen  Ühruvapatu  an. 


12  Weber,   über  das   (^atrunjcuja  Mdhdtmyam. 

Letzterer  sehr  bald  auf  Erstereii  gefolgt  sei.  JfmragraÄa  zwar,  der 
ältere  Bruder  und  Nachfolger  des  (^ildditya,  kann  nicht  mehr  lange 
nach  diesem  regiert  haben,  wir  wollen  ihm  anfs  Ungefähr  etwa  noch 
fünf  Jahre  geben  (also  von  602  —  607).  Aber  sein  Sohn  Qridhara- 
sena  II.  kann  auf  die  durchschnittliche  Regierungszeit  von  21  Jahren 

—  die  sich  ergiebt,  wenn  wir  die  Zeit  vom  Regierungsantritt  des 
^ridharasena  I.  bis  zum  letzten  Inschriftendatum  bei  (^ridharasena  IV, 
d.  i.  nach  Lassen  530  —  698  n.  Chr.,  also  168  Jahre,  gleichmässig 
unter  die  acht  Fürsten  dieser  Zeit  vertheilen  ^)  —  immerhin  An- 
sprüche machen  (also  von  607  —  628).  Diese  26  Jahre  müssen 
somit  von  jenen  33  Jahren  in  Abrechnung  gebracht  werden,  so  dass 
wir  nur  sieben  Jahre  zur  Vertheilung  unter  ^ildditya  und  Dhruva- 
sena  II.  übrig  behalten.  Stellen  wir  diese  Vertheilung  gleichmässig 
an,  so  erhalten  wir  das  Resultat,  dass  das  (^atrunj.  Mdh.  3^/^  Jahre 
vor  dem  Tode  des  ^üdditya  (602)  also  598,  das  Kalpasütram  da- 
gegen 3^2  Jahre  nach  dem  Regierungsantritt  des  Dhruvasena  (628), 
also   632  n.   Chr.  verfasst  worden  sei. 

Rechnen  wir  hiernach  zurück,  so  ergäbe  sich,  dass  Vira's  Tod 
947  Jahre  vor  598,  resp.  980  Jahre  vor  632  n.  Chr.,  d.  i.  349 
resp.  348  v.  Chr.  zu  setzen  wäre,  und  weiter,  dass  die  Lebenszeit 
Vikramdrkasy  der  im  ^atrimj.  Mdh.  470  Jahre  nach  Vira's  Hinschei- 
den gesetzt  wird,  danach  in  die  Jahre  121,  122  n.  Chr.  fiele.  Was 
nun  zunächst  jenes  Datum  für  Vira's  Tod  betrifft,  so  stimmt  es 
allerdings  nicht  zu  den  sonstigen  dergl.  Angaben  (s.  Stevenson, 
Kaipas.  pref.  IIL),  welche  zwischen  663  (the  Jains  of  the  Carnatic), 
637  (those  of  Bengal),  569  (Prinsep,  Useful  Tables),  und  526 
(the  Jains  of  Gujerath,  Stevenson  S.  96)  schwanken,  wohl  aber 
stimmt  es,  wie  bereits  oben  S.  5  bemerkt,  ziemlich  genau  zu  den  An- 
gaben der  nördlichen  Buddhisten  über  Buddha' s  Tod,  welche  den- 
selben in  runder  Summe  400  Jahre  vor  Kanishka  (nach  Lassen  10 

—  40  n.  Chr.)  ansetzen.  Und  jedenfalls  ist  unser  Resultat  in  einer 
ganz  unverfänglichen  Weise  gewonnen  durch  die  Angaben  Hiuen 
Thsang'sy  der  Inschriften  und  des  ^atr.  Mdh.  wie  Kalpasütra  selbst 
gestützt,  und  kann  nur  wegen  der  Unsicherheit,  die  über  die  wahre 
Regierungszeit  des  ^ildditya  und  des  Dhruvasena  herrscht,  um  einige 
Jahrzehnte  von  der  Wahrheit  differiren,  vorausgesetzt  freilich  dass 
die  Angaben  über  die  947  (d.  i.  470+477),  resp.  980  Jahre  selbst 
richtig  sind. 

In  dieser  Beziehung  wird  denn  allerdings  zunächst  einiger 
Zweifel  erregt,  wie  ich  bereits  in  der  Z.  d.  D.  M.  G.  a.  a.  O.  bemerkt 
habe,   wenn    in    dem    prophetischen  Theile  des  letzten  Capitels  des 


*)  Für  die  sechs  ersten  Fürsten  bleibt  dann  freilich,  wenn  man  die  Va- 
labhi-Aera.  (319  n.  Chr.  beginnend)  als  nach  ihrem  Auftreten  datirend  rech- 
nen will,  ein  unverhältnissmässig  grosser  Zeitraum  (319  —  530)  auszufüllen. 
Das  Richtige  wird  wohl  sein,  dass  diese  Aera  eben  einen  andern  Grund 
ihres  Beginnens  gehabt  hat. 


Weber,   über  das   ^atrunjaya  Mdhdtmyam.  13 

^atrunj.  Mäh.  XIV,  290,  291  von  einem  Könige  Kalkin  gesprochen 
wird,  der  1914  Jahre  nach  Vira's  Tode,  also  967  Jahre  nach  Ab- 
fassung des  ^atr.  Mäh.  leben  werde;  da  diese  Angabe  indess  später 
V.  305  noch  durch  86  Jahre  vervollständigt  wird,  somit  die  Ge- 
sammtsumme  2000  herauskömmt,  so  scheint  damit  eben  eine  perio- 
dische Zahl  (die  Dauer  des  paiwamdra}  gemeint  zu  sein,  wie  ich 
ad  1.  näher  besprochen  habe.  Die  Uebereinstimmung  von  ^atr.  Mäh. 
und  Kalpasütra  untereinander  und  mit  den  sonstigen  Verhältnissen 
lässt  überdem  für  die  Richtigkeit  der  Angaben  über  die  Aera  des 
Vira,  als  damals  so  gültig,  jedenfalls  keinen  Zweifel  aufkommen. 
Etwas  anders  steht  es  freilich  mit  der  einzeln  dastehenden,  nur  auf 
Dhane^vara's  Zeugniss  ^)  beruhenden  Angabe  über  die  Zeit  des  Vi- 
kramdrka,  da  uns  bis  jetzt  um  120  n.  Chr.  durchaus  kein  König 
der  Art  bekannt  ist,  und  da  sie  ferner  auch  um  mehrere  Jahrzehnte 
von  der  von  mir  anderweitig  ausgesprochenen  Ansicht  diflferirt,  wo- 
nach die  Blüthezeit  der  Gupta -Dynastie  (Candragupta  I.,  Samudra- 
gupta,  Candragupta  l\.,  nach  Lassen  von  etwa  168  —  240)  für  die- 
jenige Periode  zu  erkennen  wäre,  welche  der  sagenhaften  Tradition 
von  der  Herrlichkeit  des  Aerenstifters  Vikramdditya  zu  Grunde  liegt 
(Ind.  Stud.  IL  417.  1853). 


Wir  wenden  uns  nunmehr  zu  dem  ^atrunjaya- Mdhdtmyam  selbst, 
dem  gegenwärtig  ältesten  Dokument  der  Jainalehre  und  seinem  rei- 
chen Inhalte.  Leider  habe  ich  das  umfangreiche  Werk  —  es  ent- 
hält 14  sarga,  mit  8695  Versen,  fast  durchweg  im  f/oÄa -Metrum  — 
während  meines  nur  kurzen  Aufenthalts  in  Oxford  im  vorigen  Som- 
mer nicht  in  allen  seinen  Theilen  gleichmässig  durchforschen,  son- 
dern zum  grössten  Theile  nur  kursorisch  durchfliegen  können:  nur 
das  vierzehnte  Buch  habe  ich  seiner  historischen  Notizen  wegen 
vollständig  kopirt:  es  sind  daher  die  folgenden  Angaben  mehr  geeig- 
net und  bestimmt,  die  Aufmerksamkeit  Andrer  auf  das  Werk  zu 
richten,  als  über  dasselbe  bereits  genügende  Auskunft  zu  ertheilen. 

Es  bietet  übrigens  die  Oxforder  Handschrift,  aus  der  Wilson'- 
schen  Sammlung  Nr.  264,  die  einzige,  welche  bis  jetzt  überhaupt 
bekannt  ist  2),  auf  ihren  sehr  sauber  und  zierlich  geschriebenen 
172  Fol.  manche  Schwierigkeit  sowohl  durch  einzelne  eigenthüm- 
liche  ^)  Schriftzüge  (wie  sie  in  den  Jainamanuscripten  fast  durchweg 
wiederkehren),   als    auch  durch  gelegentliche  Inkorrektheiten*)  und 


^)  Dem  die  Angabe  der  jetzigen  „Jains  of  Gujerath"  offenbar  entlehnt  ist. 

'^)    Eine  ganz   incorrekte,   moderne  Abschrift  davon  findet  sich  in  der 
Wilson'schen  Sammlung  selbst,  in  Nr.  271,  272,  auf  369  Fol. 

^)  Eine  orthographische  Eigenthümlichkeit  ist  die,  dass  sich  finaler  Gut- 
tural vor  Nasalen  nicht  in  ri,  sondern  g  wandelt. 

^)  Häufiger  Wechsel  von  q  und  s ,  kh  und  sh  oder  .t. 


14  Weber,   über  das  Qatrunjatja  Mdhdtmyam. 

Lücken,  welche  letztere  zwar  mehrfach,  aber  doch  nicht  immer,  am 
Rande  ergänzt  sind:  sie  ist  geschrieben:  samvat  1654  ^rijegra- 
ma(l)lameru mahddurgamadhye  vdcandcdryavarya^ri padmahema ga- 
nigishyena  nilayasundaraganindmnd. 

Das  Werk  ist  in  den  Mund  des  letzten  Jina,  Vardhamdria  oder 
Vira  genannt,  gelegt,  der  bei  einer  feierlichen  Versammlung  auf  dem 
(^atrunjaya  selbst  den  Bitten  Tndra's  gemäss  demselben  die  sich  an 
den  dem  ersten  Jina,  Rishabha,  geweihten  Berg  knüpfenden  Legen- 
den erzählt,  dabei  aber  überaus  weit  ausholt,  so  dass  er  nicht  nur 
die  eigentlichen  Jainasagen  selbst  über  die  Geschichte  ihr^r  haupt- 
säcbhchsten  Patriarchen,  des  Rishabha  nämhch  und  seiner  Familie, 
so  wie  des  Ajitasvdmin ,  (^dnti,  Nemi,  Pdrgva  heranzieht,  sondern 
auch  den  ganzen  brahmanischen  Sagenschatz  einfügt,  der  sich  auf 
die  Geschichte  des  Rdma,  wie  auf  den  Kampf  der  Kuru  und  Pdndu 
und  die  Geschichte  des  Krishna  bezieht  (andere  dem  Pwmwa- Kreise 
speciell  angehörige  Stoffe  fehlen),  und  zwar  in  zum  Theil  höchst 
willkürlicher  Weise  umgeformt. 

Die  Sprache  des  Dichters  ist  im  Ganzen  edel  und  kräftig  und 
reiht  sich  der  des  Bhattikdvya  würdig  an,  welches  Werk  ja  eben- 
falls m  Valabhi  und  zwar  unter  der  Herrschaft  eines  der  vi^r  fn- 
dharasena  —  welches  derselben  ist  ungewiss  —  verfasst  ward  (Bhattik. 
XXII,  35).  Es  finden  sich  bei  Dhane^vara  übrigens  nicht  nur,  wie 
begreiflich,  viele  Wörter  in  einem  ganz  speciellen  der  Jaina -Termi- 
nologie angehörigen  Sinne  verwendet,  so  samgha,  samghapa,  sam- 
ghapati,  samghe^a,  caitya,  tirtha,  uddhdra,  samavasaranam  I,  201.  204. 
XIV,  65  1),*  de^and  XIV,  65.  74.  339,  sdmya  XIV,  71.  82,  samijaktva 
XIV,  67.  75.  80,  mithydtva  XIV,  79.  80.  340  —  41,  mithydtvin  XIY, 
175.  224.  232,  y/  sütray  XIV,  21.  55.  70  etc.,  sondern  auch  sonst 
noch  manche  andere  sprachHche  Eigenthümlichkeiten.  Hieher  gehört 
die  Verwendung  von  itah,  ita^  ca  am  Eingange  eines  neuen  Abschnitts, 
z.  B.  1,  64,  222,  511.  l'l,  454.  III,  4.  V,  3.  VII,  1.  IX,  4.  99  etc.:  — 
ekavela  für  kevala,  z.  B.  I,  17.  368.  388.  401  etc.,  während  kevala 
theiis  einen  ganz  speciellen  Sinn,  vgl.  XIV,  64.  kevalin  X,  140-  theils 
auch  im  gewöhnlichen  Sinne  daneben  gebraucht  wird,  so  X,  141, 
147 :  —  die  (bei  Westergaard  nur  noch  im  Bhattikdvya  belegte)  ^  lä 
XIV,  149.  166.  298  (?):  —  apäci  Süden  I,  56.  283:  —  angin  =z  dehin 
XIV,  82.  336:  —  die  einfachen  Denominativbildungen,  wie  kimkaranti 
XIV,  40.  81,  jalati,  jnyüshati,  abjati,  mitranti  XIV,  81.  82.  Gram- 
matisch auffällig  sind  die  nicht  periphrastisch  gebildeten  Perfektfor- 
men ixatuh  X,  137  und  jajdgdratus  X,  168.;  auch  das  Parasmaipadam 
bei  y  ix  ist  irregulär,  findet  sich  indess  noch  öfter  z.  B.  X,  171. 
XIV,  142  (ixishyaii).  181  (ixyasi).  Ebenso  udvejishyaii  XIV,  234. 
ushishyati  XIV,  140.  tapisliyati  XIV,  179.  asimat  XIV,  91.  vimushayan 
XIV,  343.  sndpya  für  sndpayitvd  X,  156.  Besonders  interessant  aber 
ist  die  Stelle  X,   153:    tdm   eva  na  smardmy  asmi,   vgl.  dazu  die 


^)  Mack.  Coli.  I,  150  samopasaranam. 


Weber,   über  das   Qatrunjaija  Mdhdttnyam.  15 

ähnlichen  Beispiele  bei  BÖhtlingk-Roth,  S.  536.  Bekanntlich  sind  die 
vier  zusammengesetzten  Aoristformen  des  Sanskrit  nebst  mehreren 
Verbalformen  des  Prdkrit  und  Päli  durch  eine  dergl.  Nebeneinander- 
stellung und  schliessliche  Verwachsung  des  Hülfsverbums  entstanden. 
Vielleicht  kommt  denn  doch  auch  Holtzmann's  ^u^rdvdsa  (Indravijaya 
S.  56.  75),  für  welches  er  von  Lassen  (Jen.  Allg.  Lit.  Z.  1842,  Nov., 
Nr.  275,  S.  1132)  so  hart  mitgenommen  worden  ist,  noch  einmal  zu 
Ehren  und  wird  wirklich  definitiv  nachgewiesen!  —  In  den  Noten  zum 
Text  habe  ich  noch  gelegentlich  auf  mancherlei  andere  sprachlich  inter- 
essante Punkte  besonders  aufmerksam  gemacht,  üeberhaupt  giebt  das 
Werk  auch  durch  Anwendung  sonst  wenigstens  seltner  Worte  reiche 
Beute  für  das  Lexikon,  vgl.  asüryampa^yd,  mattavdrana ,  piishpadantau 
etc.  Stylistisch  eigenthümlich  ist  die  häufige  Bekräftigung  einer  Sache 
durch  die  schliessliche  Versicherung,  dass  das  Gegentheil  nicht  der 
Fall  sei,  z.  B.  X,  96.  XIV,  95.  262.  289.  Besonders  beliebt  sind  auch 
Zusammenstellungen  gleichklingender  Wörter,  so  I,  30.  50.  165.  294. 
380  —  82.  11,  6.  8.  13.  17  etc.,  nicht  selten  finden  sich  auch  wirkhche 
Wortspiele,  so  I,  3.  6.  26.  44.  56.  160  etc.,  jedoch  nirgendwo  in 
der  gesuchten  und  geschraubten  Weise  späterer  Dichtung. 


Cap.  I.  (526  vv.)  bis  ll'':  dcdrya^ridhane^varasürioiracite  ma- 
hdtirthagatru7ijayamdhdtmye  giri-Kamduinmn-hhagavatsama(va)sara7ia- 
degano-'dydnavarnano  iiäma  prathamah  sargah,  schildert  den  Berg,  die 
Geschichte  des  Kamdumuni,  die  feierliche  Sitzung  des  Vira,  seine 
Predigt  und  seine  Beschreibung  der  Haine. 

Der  Dichter  beginnt  mit  der  preisenden  Anrufung  der  fünf 
hauptsächlichsten  Jina  ^) :  des  Yiigddi^a  (ersten),  fawfi  (sechszehnten), 
^emi,  Pdr^va  und  Vira  (der  drei  letzten),  verehrt  in  v.  6  seinen 
Vorgänger  Pundarika,  und  richtet  in  v.  7  seine  Andacht  auf  alle  Jina, 
Adi^vara  an  der  Spitze,  auf  alle  Muni,  Pmdarika'^)  u.  s.  w.,  und  auf 
die  gdsanadeoi  (\iem3.c.  46)  genannten  Wesen.  In  v.  8,  9.  berichtet 
er,  dass  auf  Verlangen  des  Yugddijina  (dessen)  g-awa-Führer  Punda- 
rika vormals  ein  mdhdtmyam  des  (^atrunjaya  in  100,000  pdda  abgefasst 
habe.  Auf  Anweisung  des  Vardhamdna  (Vira)  habe  dann  (dessen) 
g-awa- Führer  Sudharman  daraus  einen  Auszug  gemacht  (v.  10.).  Aus 
diesem  24000  Verse  enthaltenden  Auszuge  aber  habe  er,  Dhanegvara, 
die  Buddhisten   demüthigend   kraft   des  Systems    des  Einräumens  3), 


1)  Es  sind  dies  wohl  die  fünf  parameshthin,  dieX,  82.  XIV,  203.  237 
erwähnt  werden. 

-)  Nicht  bei  Heniacandra,  s.  aber  v.  6.  8.  499.  XIV,  186,  und  vgl.  den 
Purushapuridarika  bei  Hemac.  696,  als  Name  des  sechsten  schwarzen  Vdsudeva, 

•^)  „syddvddavddavaQatah,  kraft  des  Systems  des  als-moglich-Zulas- 
sens",  s.  Hemac.  25.  681.  Es  liegt  hierin  wohl  nicht  der  ,,Skepticismus*', 
der  ja  grade  negirend ,  zweifelnd  sich  verhält,  ausgedrückt,  wie  Böhtlingk- 
Rieu  zu  V.  681.  lihersetzen,  sondern  gerade  im  Gegentheile  die  Einräumung, 


16  Weber,  über  das  Qairmjaya  Mdhätmyam. 

in  Valabhi  auf  Befehl  des  ^tldditya^),  Königs  von  Surdshtra,  Herr- 
schers über  18  Fürsten,  sein  Werk  verfasst  (v.  H  — 15).  Hierauf 
folgt  ein  kurzer  Lobpreis  des  Berges  und  seiner  entsühnenden  Kraft 
^v.  16  —  25.)  und  darauf  der  Beginn  der  Erzählung  selbst. 

Vardhamdna  (Vira)  besuchte  einstmals  den  ^atrunjaya  umgeben 
von  den  Vrinddraka  (Göttern,  Hemac.  88).  Da  erzitterten  die  Sitze 
der  Vidaujas  (Indra,  Heraac.  171),  sie  gleichsam  antreibend  sich  vor 
dem  Jina^)  zu  verneigen  (v.  27).  Vierundsechszig  derselben,  nämlich 
20  Bhavanasyendra  (Hemac.  90),  32  Vyantarädhipa  (Hemac.  91),  2  Jyo- 
tirindra  (Hemac.  92),  und  10  Urdhvalokanivdsm  eilten  mit  ihren  Dienern 
herbei  und  machen  ihrer  Bewunderung  des  Berges  in  einer  ausführlichen 
Beschreibung  desselben  (v.  26  —  48),  so  wie  seiner  Umgebung 
(v.  49  —  63)  Luft.  —  Danach  hat  derselbe  108  Gipfel:  Svarnagiri, 
Brahmagiri,  Udarya,  Arbuda^)  n.  s.w.  Vierzehn  Flüsse  gehören  dazu: 
Qatrunjayd  (auch  V,  738.  749),  Äindri,  Ndgendrij  Kapild,  Yamald, 
Tdladhvaji,  Yaxdngi  (oder  Kapardikd) ,  Brdhmi,  Mdhegvari,  Sdbhra- 
mati,  ^advald,  Varatoyd,  Ujjayantikd,  Bhadrd:  von  dem  ersten  wird 
ausdrücklich  erwähnt,  dass  er  in  das  östliche  Meer,  d.  i.  offenbar 
den  Meerbusen  von  Kambay  fliesse.  Auch  verschiedene  Haine 
(udydnam)  befinden  sich  darauf,  im  Osten  das  Süryodydnam  (s.  511. 
II,  3.  599.  602),  im  Süden  das  Svargodydnam,  im  Westen  das 
Candrodydnam ,  im  Norden  das  Laxmilildvüdsam  genannte.  Ebenso 
mehrere  Seen  (saras)  mit  Namen  Aindram  (einst  von  Dhanada  auf 
Anweisung  des  Saudharmendra  angelegt),  Bhdratam  (von  Bharata, 
dem  ersten  Cakravartin  herrührend),  Sarah  Kapardiyaxasya  (vgl.  XIV, 
210  ff.),  Sarvatirthdvatdram  u.  A. 

„Jener  weise  Mimi  dort  büsst  seine  Busse:  höre  aufmerksam 
die  Geschichte  seines  wunderbaren  Lebenswandels!"  fährt  der  Dichter 
(v.  64.)  fort,  ohne  dass  ersichtlich  ist,  welcher  Einzelne  hier  spricht 
(s.  fiuch  V.  163)  und  welcher  Einzelne  hier  angeredet  wird:  es  schliesst 


dass  die  Gegner  vielleicht  auch  Recht  haben  könnten,  also  nur  ein  Verzicht- 
leisten auf  imbedingte  Richtigkeit  der  eignen  Ansicht,  s.  Wilson  Vishnup. 
339.  Dergleichen  Resignation  ist  zwar  auch  den  Buddhisten  überhaupt  im 
Allgemeinen  eigen,  scheint  aber  ganz  besonders  bei  den  Jaina  charakteri- 
stisch zu  sein,  die  sich  dadurch  beziigs  der  Dogmen  in  die  Mitte  zwischen 
die  dstika,  Brahmanen,  und  nästika  oder  Qünyavddinas,  Buddhisten  stellten, 
und  erklärt  die  Erscheinung,  dass  sie  friedlich  mit  Jenen,  denen  sie  sich 
ja  auch  bezugs  der  Kasten  accommodirten ,  hausen  konnten,  während  die 
Letztern  weichen  mussten. 

^)  Die  Handschrift  hat  durchweg  in  diesem  Namen  kurzes  /,  indess 
wohl  jedenfalls  mit  Unrecht,  da  nicht  an  gild  Stein,  sondern  an  gila  Tu- 
gend, Sittigkeit  zu  denken  ist. 

^)  Oder  ist  jindn  nantum  nicht  aus  jindt,  sondern  aus  jindn  (Accus. 
plur.)  zu  erklären,  so  dass  die  vrinddraka  mit  eingeschlossen  wären?  s.  v.  165. 

^)  Dies  scheint  jetzt  in  der  Form  Abu  sein  berühmtester  Name  zu  sein, 
vgl.  die  Inschriften  von  da ,  die  Wilson  in  Vol.  XVI.  der  Asiatio  Res.  bespro- 
chen hat,  imd  s.  Höh tlingk- Roth  s.  v. 


Weber,  über  das  ^atruiijaya  Mdhatmyam.  17 

sich  (lies  eben  ganz  unmittelbar  an  das  aus  dem  Munde  der  Götter 
gesungene  Lob  des  Berges  an,  als  ein  Beleg  für  die  Heiligkeit  des- 
selben, ohne  doch  dazu  gehören  zu  können.  Der  Dichter  fällt  den 
Göttern  gewissermassen  ins  Wort,  und  die  Legende  folgt  nun  in 
aller  Ausführlichkeit  bis  v.  164.  —  Es  war  vormals  ein  grausamer 
König  in  Candrapura,  Kandu  genannt  i).  Durch  eine  himmlische 
Stimme  aufgerüttelt,  ging  er  in  den  Wald,  ward  daselbst  von  einer 
Kuh  (der  Surabhi)  besiegt,  von  einem  Yaxa  gebunden  und  in  einer 
Höhle  im  Walde  ausgesetzt.  Dadurch  kam  er  zur  Erkenntniss  seiner 
Frevelhaftigkeit.  Die  Schutzgöttin  seines  Geschlechts  (goiradevi)  Am- 
bikd  (v.  108),  oder  wie  es  v.  129  heisst:  „^äsanasundari  (vgl. 
^dsanadevi  v.  7.  und  Hemac.  46)  tasyiimbiV-  erschien  ihm  und  wies 
ihn  an  zum  Qatrunjaija  zu  pilgern;  unterwegs  traf  er  (v.  149)  einen 
Mahdmuni,  der  ihn  völlig  belehrte.  Durch  Ersteigung  des  Berges 
besiegte  er  seinen  Feind ^),  die  Sünde  (v.  160),  und  ist  jelzt  nach 
langen  und  schweren  Bussen  im  Begriff,  die  wahre  Erkenntniss  (und 
damit  zugleich  die  Befreiung)  zu  erlangen.  „So  habe  ich  (wer?) 
o  ihr  Götter!  aus  dem  Munde  des  Qrimat  Simandharasvdmin 
gehört,  als  ich  einst  nach  dem  Xetram  Mahdvideham  (s.  v.  295.) 
gegangen  war  (v.  163).  Jeglicher  noch  so  grosse  Sünder  wird 
durch  die  Verehrung  des  Qri  ^atranjaija  entsühnt  und  der  Vollen- 
dung theilhaftig  wie  dieser   Kandu  (v.  164)." 

Immer  noch  mehr  Götter  strömten  herbei  (v.  165)  um  sich 
vor  dem  Jina  zu  verneigen.  Ausführliche  Schilderung  der  feierlichen 
Versammlung.  Auch  der  Yadw-Spross  Hipumalla,  Fürst  von  Giri- 
durga  (s.  II,  8),  Sohn  des  Fürsten  Gddhi  und  Oberherr  des  Su- 
rd^Ä^fra- Landes  stellte  sich  ein  (v.  222).  —  Wir  finden  ihn  II,  660 
wieder,  wo  Vira  auf  ihn  hinweisend  zu  Sura]^ati  QnilTdi')  sagt:  „dem 
Geschlecht  desselben  (des  Süryamalla}  gehört  dieser  König  Ripu- 
malla  hier  an,  der  da  an  der  Seite  des  jRaimta- Berges  wohnend 
durch  (d.  i.  nach)  drei  Existenzen  zur  Befreiung  gelangen  wird". 
Wie  mag  nun  dieser  einzelne  König  gerade  zu  einer  solchen  Be- 
vorzugung, wie  sie  der  Dichter  ihm  hier  zu  Theil  werden  lässt, 
kommen?  Sollte  der  Dichter  etwa  damit  einem  ihm  gleichzeitigen 
Fürsten,  einem  jener  in  v.  14  genannten  18  Vasallen^)  des  ^ild- 
ditya,  ein  Compliment  machen  wollen?  Freilich  wäre  dies  etwas  un- 
galant gegen  ^ilddifya,  indessen  scheint  doch  kaum  eine  andere 
Deutung   möglich.     Vgl.    das    am  Eingange  von  Cap.   II.  Bemerkte. 

Als  nun  Alle  ordnungsgemäss  Platz  genommen  (v.  223),  be- 
gierig den  Nektar  der  Worte,    die   sie  von    Vira  hören  sollen,   mit 


^)  Steht  derselbe  zu  seinem  brahmanischen  Namensgenossen  in  irgend 
welcher  Beziehung?  haben  die  Jaina  ihn  blos  zu  dem  Ihrigen  gemacht,  um 
sich  damit  zu  schmücken? 

2)  Wortspiel  mit  dem  Namen  des  Berges,  die  zugleich  die  wirkliche 
Erklärung  desselben  enthalten. 

•')  i^Udditijn  heisst  QrisuräshtreQa  v.  14,  Ripumalla  aber  blos  Surä- 
shtradeQddhinätha,  dagegen  GiridurgeQa. 

Abhandl.  der  DMG.  I,  4.  2 


18  Weber,  über  das  (^atrunjmja  Mdhdtmyam. 

ihren  Ohren  aufzuschlürfen ,  beginnt  zunächst  Saudharmendra  ihn  zu 
preisen  (v.  224  —  240).  —  Darauf  folgt  dann  eine  predigende 
Ermahnung  des  Jina  (244—65)  unter  andächtigem  Entzücken  der 
Versammhing.  —  Saudharmendra  sodann,  der  beständig  zum  Guten 
Unermüdliche,  wird  durch  den  Anblick  des  Qatninjaya  tirtha,  der 
Herbeikunft  des  Herrn,  der  Statue  (arcd)  des  ^riyugddijiria  (RishabhaJ^ 
des  milchträufelnden  Räjädani  -  Baumes  ^\  der  beiden  darunter  be- 
findlichen Schuhe  etc.  zu  staunenden  Fragen  an  Vira  gedrängt 
(v.  269  —  73):  „welches  Heil  und  auf  welche  Weise  man  es  auf 
dem  Berge  erreiche?  wann  der  Berg  entstanden  sei?  durch  welchen 
Frommen  dieser  neue  Tempel  hier  gebaut?  durch  wen  dies  wie 
Mondschein  liebhche  Bildniss  (pratimd,  Statue)  gefertigt'?  wer  die 
beiden  Götter  seien,  die  das  Schwert  in  der  Hand,  an  der  Thüre 
vor  dem  Herrn  (Rishabha)  stünden?  wer  die  beiden  Gestalten  zu 
seiner  Rechten  und  Linken?  und  wer  die  übrigen  Götter?  und 
ebenso  jener  einzelne  Rdjddani-Bdiwm,  wem  die  beiden  Schuhe  dar- 
unter gehören?  was  das  hier  für  ein  Pfauenbild ^)  sei?  und  wer  der 
Yaxa^  der  hier  dastehe?  wer  die  Göttin  sei,  die  hier  sich  ergötze? 
und  wer  die  Muni,  die  hier  versammelt?  was  das  für  Ströme  und 
Wälder  seien?  und  Bäume?  welchem  Mw?ii  jener  Teich  dort  gehöre? 
und  die  andern  Brunnen?  und  woher  diese  Saftquelle  (?  rasdküpi, 
Mineralquelle?),  Edelsteinhöhle,  diese  Grotten  entstanden?  und  wer 
jene  fünf  von  ihren  Frauen  begleiteten  Männer  aus  Mörtel  3)  gemacht? 
wer  jene  Leute  seien,  die  da  hier  die  übermenschlichen  Tugenden 
des  Ndbheya  (ersten  Jina,  Rishabha)  besängen?  was  das  für  ein 
Berg  sei  im  Süden?  und  wie  er  entstanden?  was  das  für  Berg- 
spitzen und  Städte  ringsum  seien?  wie  das  Meer  dort  hieher  komme? 
welche  Purushottama  (Jina,  hier)  gewesen  seien?  wie  lange  Zeit  sie 
noch  hier  vollenden  würden?  wie  viel  weiter  sich  dieser  Berg  noch 
halten  (?)  werde?  wie  viel  Erhebungen*)  Hochweiser  hier  noch  statt- 
finden würden?  (v.  274—86)." 

Diese  Fragen  enthalten  gewissermassen  den  Inhalt  des  ganzen 
^atr.  Mdh.  in  nuce,  und  geben  zugleich  von  dem  Schauplatz  des- 
selben, von  dem  Berge  selbst,  ein  ziemlich  anschauHches  Bild.  — 
Die  beiden  Schuhe  unter  dem  Rdjddani -Bdnime  sind  das  Symbol 
der  Herrschaft  des  Yugddiga  (vgl.  X,  159),  gerade  wie  im  Rdmdyana 


^)  Buchanania  latifolia,  oder  Mimusops  kauki,  oder  Butea  frondosa, 
nach  Wilson. 

2)  Ueber  die  Heiligkeit  des  Pfaus  bei  den  Jaina  s.  Wilson  Vishnu  Pur. 
338,    sowie  auch  unten  II,  20. 

^)    ?  oder  ist  lepanirmita  einfach  nur:  gemalt. 

^)  Das  Wort  wdd/tara  ist  ein  wahrer  Proteus,  bedeutet  bald  die  geistige 
Erhebung  Jemandes,  bald  die  Erhebung,  Stiftung,  Verherrlichung  von  Jaina- 
Heiligthümern  durch  Jemand,  und  oft  geht  beides  ineinander  über,  ebenso 
das  Verbum  uddhar  selbst.  Die  Handschrift  bietet  übrigens  fast  durchweg 
udvar,  udvära  ebenso  wie  värdvih  statt  vdrddhih. 


Weber,  über  das  (^atrunjaya  Mdhätmyam.  19 

II,  123  Bharata  die  beiden  Schuhe  des  Rama  auf  den  während 
dessen  Abwesenheit  erledigten  Thron  setzt. 

Viva  holt  mit  seiner  Antwort  glücklicher  Weise  sehr  weit  aus. 
wodurch  wir  viel  Interessantes  erfahren. 

„Dieser  100,000  yojana  weite  Welttheil  (dvipaj  hier  heisst  Jam- 
büdvipa,  weil  darauf  der  ewige  Jambü -Baum  steht  ^),  der  mit  seiner 
Rankenfülle  vor  Freude  darüber,  dass  sich  Jaina-caitya  in  seinen 
Zweigen  befinden,  gleichsam  tanzt  (v.  290.  91)."  —  Die  bewohnte 
Erde  besteht  nach  den  Jaina  aus  „two  and  a  half  continents  and 
two  seas"  Kalpasutra  S.  94,  wozu  Stevenson  bemerkt:  „namely 
Jambudvipa,  Dhdtuki  khanda  and  Urdha  Piishkar  and  the  salt  and 
fresh  water  sea,  all  our  earth."  So  stellt  auch  Hemacandra  in  sei- 
ner Erklärung  zu  1074  dem  Jambudvipe  ein  dhdtakikhande  und  push- 
karavaradvtpärdhe'^)  zur  Seite  (wo  sich  dieselben  Regionen  und  Berge, 
wie  in  Jambiidvtpa,  aber  in  gedoppelter  Zahl  finden  sollen).  Dieselbe 
Eintheilung  scheint  hier  in  v.  342.  343  jambüdrucaityeshu,  dhdtuki- 
vrixe,  pushkaradvipacaityeshu  zu  Grunde  zu  liegen.  Diese  dritt- 
halb „continents"  sind  es  ferner  wohl,  welche  unter  dem  Ausdruck 
trikhanda  X,  318.  XIV,  309  zu  verstehen  sind.  Auch  Colebrooke 
II,  222  führt  nur  diese  drei  Namen  (Jamb.,  Dhdtuktdvipa ,  Pushk.) 
an,  obwohl  er  von  „numerous  distinct  continents"  spricht,  aus 
denen  die  Erde  besteht.  —  Die  Brahmanen  haben'  bekanntlich 
sieben  dvipa,  darunter  Jambüdvtpa  und  Pushkaradvipa :  und  Dhdtaki 
erscheint  bei  ihnen  (s.  Wilson  Vishnupur.  200)  als  Name  eines  Für- 
sten, nach  welchem  eine  der  beiden  Regionen  (varsha)  des  Push- 
karadvipa benannt  ist  (die  andre  nach  seinem  Bruder  Mahdvira):  bei 
den  Jaina  scheint  jedoch  (vgl.  v.  343)  der  dvipa  von  einem  dhdtuld- 
Baume^)  benannt  zu  sein,  wie  der  Jambudvipa  von  dem  Jambü- 
Baume  darauf.^) 

„Daselbst  befinden  sich  sechs  Berge  (Far^Äa- Halter),  die  durch 
sieben  Regionen  (varsha)  abgemessen  sind  (d.  i.  deren  innere  Grenz- 
scheide bilden).  Diese  sieben  Regionen  heissen:  Bhdratam^),  Hai- 
mavatam,  Harivarsham,  Videhakam,  Ramyakam,  Airanyavatam  und 
Airavatajn.  Die  sechs  Berge  sind:  der  Himavant,  Mahdhimavant, 
Nishadha,    Nilavant,    Rupya  und   ^ikharin,    die  an  das  östliche  und 


1)  Vgl.  Wilson  Vishnu  Pur.  S.  168. 

2)  Nur  die  eine  Hälfte  des  Pushkaradvipa  „is  accessible  to  mankind, 
being  separated  froni  the  remoter  half,  by  an  impassable  ränge  of  moun- 
tains,  denominated  Mdnushottara  parvata'^  Colebr.  IT,  222.  Aehnlich  bei 
den  Brahmanen,  s.  Wilson  Vishmp.  200,  wo  der  Berg  Mdnasotlara  heisst 
(s.  unten  v.  344). 

*)  Wilson  hat  nur  dhdtald,  grislea  tomentosa. 

^)  Unter  diesem  Jambü-Baume  ist  offenbar,  wie  v.  291  andeutet,  der 
heilige  bodha-tree  zu  verstehen:  „under  which  Gotama  became  a  Buddha", 
s.  Hardy,  Manual  of  Buddhism,  S.  4.  Der  Name  Jambudvipa  ist  somit 
buddhistischen  Ursprungs.   ' 

^)    In  der  Regel  hier  mit  kurzem  ä  geschrieben. 

2* 


20  Weber,  über  das  gatrunjaya  Mdhdtmijam. 

westliche  Meer  streifen  und  mit  Caitya  geschmückt  sind  (v.  292 — 
94)."  —  Dieselben  Angaben  finden  sich  bei  Hemacandra  in  seinem 
Schol.  zii  V.  946  —  47  bei  Böhtlingk-Rieu  S.  377,  nur  dass  wir 
daselbst  Iravyavata  und  (vgl.  Colebrooke  II,  223)  Airävata,  Nila 
und  Rukmin  (statt  Rüpya)  lesen.  Im  Text  selbst  zählt  er  nur  B/ia- 
ratdni,  Airävatdni  und  Videhdh  auf,  alles  übrige  als  bekannt  voraus- 
setzend, was  immerhin  auffällig  ist:  sollten  die  Namen  ihm  etwa  zu 
obsolet  und  theilweise  abnorm  gewesen  sein?  ähnlich  wie  er  v.  1074 
nur  die  laukika-^dLmen  der  dvipdntara-Meere  aufführt.  —  Die  sieben 
varsha  des  Jambüdvipa  kehren  auch  in  den  Pardna  wieder,  stehen 
aber  daselbst  in  andrer  Ordnung  und  haben  zum  Theil  andre  Na- 
men (s.  Wilson  Vishnupiir.  168),  nämlich:  Bhdratam,  Kimpurusham, 
Harivarsham,  Ildvritam,  Ramyakam,  Hirmmayam,  Uttarakuru.  Der 
erste,  dritte  und  fünfte  Name  stimmen  also  mit  den  obigen  überein: 
der  zweite  ist  verschieden:  in  Hiranmayam  und  Ildvntam  liegen  uns 
wohl  die  Grundformen  für  Airmiyavatam  und  Airävatam  vor.  Den 
Uttarukuru  entspricht  Videhakam,  welches  nach  Hemacandra  946  die 
Kuru  einschliesst,  da  es  Kurun  vind  als  karmabhümi,  die  Kura  aber 
nebst  den  andern  vier  nicht  aufgezählten  varsha  als  phalabhümi  zu 
gelten  haben.  Das  Videhakam  gilt  überdem  als  der  Mittelpunkt  des 
ganzen  Jambüdvipa,  der  bei  den  Brahmanen  durch  das  Ildvritam 
gebildet  wird.  Der  Grund  dieser  Bevorzugung  ^)  der  Videha  bei 
den  Jaina  (wie  bei  den  Buddhisten,  wo  ja  auch  einer  ihrer  vier 
dvipa  nach  ihnen  benannt  ist)  ist  wohl  ein  historischer,  die  Erinne- 
rung nämlich  daran,  dass  bei  den  Videha  der  Buddhismus  (also  auch 
das  Jainathum)  entstanden  ist.  Mithild,  die  Stadt  des  frommen 
Janaka,  wird  als  ein  Hauptaufenthalt  des  Vira  genannt,  s.  Kalpa- 
sütra  S.  91.  Verz.  der  Sanskr.-Handschr.  der  Berl.  Bibl.  S.  372.  — 
Die  sechs  Berge  heissen  in  den  Purdna:  Himavant,  Hemaküfa,  Ni- 
shadha,  Nila,  (^veta,  ^ringln.  Der  zweite  und  fünfte  Name  sind  hier 
ganz  verschieden.  Nilavant  für  Nila  (so  übrigens  auch  Hemacan- 
dra im  Schol.  V.  947)  und  Qikharin  für  Qringin  sind  nur  Varianten. 
Die  Reihenfolge  ist  dieselbe.  —  Der  Zusatz  „die  an  das  östliche  und 
westliche  Meer  streifen"  entspricht  dem  Salz -('/auana) Meer  der  Pa- 
rdna, welches  den  Jambüdvipa  von  allen  Seiten  umgiebt.  —  Diese 
ganze  Darstellung  stimmt  somit  im  Wesentlichen  mit  denen  der  Purdna 
überein,  während  die  der  Buddhisten  höchst  verschieden  ist.  Die- 
selben haben  vier  dvtpa,  in  der  Mitte  derselben  den  Meru  und  um 
diesen  herum  sieben  encyklische  Bergreihen,  für  diese  aber  vollstän- 
dig verschiedene  Namen,  s.  Hardy,  Manual  of  Buddhism  S.  4.  12. 
Ind.  Stud.   III,  123. 

„In  der  Mitte  des  Mahdvidehakhanda   erhebt   sich   ein    goldner 
mit  100,000  Spitzen  gezierter  Berg,    Meru  genannt,    der   auf  dem 


')  Während  umgekehrt  bei  Manu  die  Vaideha  als  eine  unreine  Kaste 
erscheinen,  s.  meine  Academ.  %  orlesungen  über  indische  Literaturffescluchte 
S.  242. 


Weber j  über  das  (^atrunjaya  Mdhdtmyam.  21 

Nabel  der  Erde  sich  befindet,  100,000  yojana  hoch,  mit  Wäldern 
geschmückt  und  durch  ein  Diadem  ewiger  Arhat-Caitya  mit  schim- 
merndem Juwelenglanz  geziert  ist  (v.  295  —  96)."  —  Ganz  ebenso 
in  den  'Pm'dna,  nur  dass  eben  Ildvritam  als  das  betreffende  varsham 
genannt  wird. 

„Das  Bharatam  varsham  halten  wir  fiir  das  Reinheittragende  i), 
weil  dessen  Bewohner  sogar  zur  Zeit  der  Duhshamd^)  nach  Rein- 
heit streben.  Daselbst  aber  ragt  unter  allen  Königreichen  hier  das 
Land  Sxirdshtrd  hoch  hervor,  wo  die  Sünde  eingeschüchtert  ist,  alle 
Landplagen  mangeln,  und  die  Menschen  in  Liebe  mit  einander  ver- 
bunden sind  (v.  297.  298)."  —  Siirdshtrd  —  so,  als  Feminin 
erscheint  der  Name  hier  fast  durchweg,  vgl.  auch  bei  Ptolemaios 
2upacJTpY)VY].  Das  Land  scheint  sich  früh  durch  seine  brahmanische 
Cultur  ausgezeichnet  zu  haben,  vgl.  das  Ind.  Stud.  IH,  220  Be- 
merkte. Hier  wird  es  natürlich  als  Hauptsitz  des  Jainathums  so 
hervorgehoben  und  bezeichnet  offenbar,  wie  bei  Ptolemaios,  ins- 
besondre die  Halbinsel  Guzerate,  auf  welcher  der  ^atrunjaya  selbst, 
wie  auch  Valabhi  liegt.  Seiner  Lage  wegen  ist  dieser  Landstrich 
den  Einflüssen  des  Abendlandes  von  jeher  besonders  zugänglich 
gewesen.  Sollen  ja  doch  z.  B.,  einheimischen  Legenden  zufolge,  sogar 
die  Fürsten  von  Udayapura,  der  Hauptstadt  von  Mewar,  von  einer 
byzantinischen  Prinzessin  Maria,  Tochter  des  Kaisers  Mauritzios 
(583  —  602,  also  gleichzeitig  mit  unserm  Qüddityd),  der  GemahHn 
eines  zum  Christenthum  bekehrten  Sohnes  (resp.  Enkels)  Nüshirvans 
des  Grossen  (531  —  79),  der  sich  nach  Indien  flüchtend  daselbst 
ein  Reich  gründete,  abstammen,  s.  T  o  d  Annais  of  Rajasthan  I,  236  ff. 
Es  wäre  sonach  an  und  für  sich  nicht  unmöglich,  dass,  wie  dies 
beim  Krishnad\enst ,  der  ja  auch  gerade  von  hier  aus  seinen  Ursprung 
nimmt,  geschehen  ist,  so  auch  dem  Jainathum  frühzeitig  hierselbst 
christliche  Elemente  sich  beigemischt  haben  könnten.  Mehrere  Le- 
genden von  ^dlivdhana,  der  weiter  südlich  auf  dem  Dekhan  in  Pra- 
tishthdna  an  der  Goddvart  herrschte,  hat  bereits  Wilson  (Mackenzie 
Coli.  I,  347)  auf  einen  dergl.  Ursprung  zurückgeführt. 

Es  folgt  nun  in  v.  298  —  327  ein  ausführliches  Lob  dieses  Land- 
striches, und  daran  schHesst  sich  ein  längeres  dergl.  des  Qatrunjaya- 
Berges  selbst,  der  gleichsam  das  Diadem  desselben  bilde  und  der 
schon    dadurch,    dass   man   nur    an    ihn    denke,   viele    Sünden    tilge 


')  Wortspiel  mit  Bharatam;  bharüam  ist  wohl  von  bhara,  Last,  {gebil- 
det, wie  tdrakita  von  Idrakd. 

•')  Dies  ist  die  vorletzte  Speiche  der  rtvasaj'pinl- Periode,  s.  Henia- 
candra  131,  ßöhtUngk-Rieu  S.  303.  Der  Cod.  liest  hier  wie  XIV,  165.  318. 
323b  duhkhamd  (ebenso  Colebrooke  II,  215),  dushkamd  \iy,dl4:,  und  nur 
ibid.  323^^  duhshamd.  Der  Zusammenhang  mit  duhkha  (sukha)  giebt  sich 
auch  in  dem  „ekdntam  mahdduhkhinani  ydvat"'  \l\y  ^S,  womit  die  ekdnta- 
duhshamd  bezeichnet  wird ,  kund,  und  es  fragt  sich  vielleicht  also  doch,  ob 
nicht  diese  Ableitung  der  des  Hemacandra  aus  dah  (resp.  su)  -!  snmd  vor- 
zuziehen ist.     Ein  taddhita-Ai'f\x  ma  ist  freilich  höchst  ungewöhnlich. 


k 


22  Weber,  über  das  ^atrmjaya  Mdhdtmyam. 

(v.  328).  Von  seinen  hundertundacht  Namen  werden  dreiundzwanzig 
aufgeführt  (v.  331  —  335),  nämlich:  Qatrunjaya  selbst,  Pimdarika, 
Siddhixetram,  Mahäbala,  Suragaüa,  Vimalddri,  Punyarä^i,  Qriyah- 
padam,  Parvatendra,  Subhadra,  Dridhagakti,  Akarmaka,  Muktigeham^ 
Mahattrthaniy  Qä^vata^  Sarvakdmada,  Pusfqmdanta,  Mahdpadma,  Prith- 
vtpttham,  Prabhohpadam ,  Pdtdlamula,  Kaildga,  Xitimandanamandanam. 
Von  allen  diesen  kennt  Hemacandra  (1030)  nur  zwei,  Catrunjaya 
und  Vimalddri:  ausser  ihnen  ist  besonders  Pimdarika,  Siddhixetram 
(Siddhddri,  Siddhabhubkrit)  in  unserm  Werke  hier  oft  verwendet,  die 
andern  nur  selten. 

„Welche  Reinheit  man  an  irgend  welchen  anderen  künstlichen 
Wallfahrtsorten  (ttrtha) ,  Städten,  Hainen,  Bergen  u.  dergl.  durch 
Gebete,  Bussen,  Gelübde,  Spenden  und  Studium  erlangen  mag, 
zehnmal  so  viel  erlangt  man  bei  Jina- Wallfahrtsorten:  das  hundert- 
fache bei  den  caüya  des  Jamiw- Baumes  (vgl.  v.  291):  das  tausend- 
fache bei  dem  ewigen  DAafwÄ:«- Baume,  bei  den  lieblichen  Caüya  des 
Pushkaradvrpa,  bei  dem  Berge  Anjana^).  Noch  je  zehnfaches  mehr 
gewinnt  man  bei  dem  Nandigvara,  Kundalddri,  Mdnushottaraparvata^). 
Je  zehntausendfaches  mehr  bei  dem  Vaibhdra  (v.  358.  V,  953.  XIV, 
100),  Sa(m)metddri^),  Vaüddhya  (II,  349),  Meru,  Raivata^)  und  Ash- 
tdpada  (s.  v.  358.  Cap.  VI.,  Colebrooke  II,  208.  nach  Hemac.  1028 
=  Kaildsd).  Unendlich  mehr  aber  noch  erlangt  man  schon  durch 
den  blossen  Anblick  des  Qatrunjaya.  Nicht  zu  sagen  endlich  ist,  was 
Alles  man  erlangt,  wenn  man  sich  seiner  Verehrung  widmet  (v.  341 
—  46)."  —  Andere  heilige  Berge  ausser  dem  hier  und  im  Folgen- 
den genannten  sind  noch  der  Girindragiri  II,  8.  XIV,  89.  prtgaila 
XIV,  89.    Candraprabhdsa  XIV,  89.  254. 

Hieran  schliesst  sich  eine  Aufzählung  der  einundzwanzig  Berge, 
welche  zu  demselben  Gebirgszuge  mit  dem  Catrunjaya  gehören,  näm- 
lich: Catrunjaya  selbst,  Raivata,  Siddhixetram  (v.  322  Name  des 
patrunjaija    selbst),    Sutirthardj,    Dhanka,    Kapardin   (s.  v.  52.  61), 


1)    S.  Böhtlingk-Roth  s.  v. 

-)    S.  Seite  19  not.  2. 

■^)  Colebrooke  II,  212 — 13:  Sammeya  er  Samet  sikhara,  called  in 
Major  Renners  map  Parsonouth,  is  situated  among  the  hills  between  Bihar 
and  Bengal:  its  holiness  is  great  in  the  estimation  of  the  Jainas,  and  it  is 
Said  to  be  visited  by  pilgrims  from  the  remotest  provinces  of  India.  Pdr- 
Qvandtha,  der  vorletzte  Jina,  ging  auf  ihm  zum  Nirväna  ein,  s.  XIV,  95. 

*)  Der  Baivala  ist  in  v.  352  als  die  zweite  der  zum  {.'atrunjaya-Gehirge 
gehörigen  Spitzen  genannt,  in  V,  868.  X,  8  als  die  fünfte  derselben.  Die 
Bücher  X  —  XII.  des  {Jatr.  Mäh.  sind  ganz  seiner  Verherrlichung  geweiht 
und  tragen  daher  auch  den  Specialtitel  Rawatäcalamdhdlmya.  —  Nach 
X,  140  ff.  und  Hemacandra  1031  ist  er  identisch  mit  dem  Ujjayanta.  Der 
Fluss  Ujjayantikd  oben  v.  55  hat  wohl  davon  den  Namen.  S.  noch  Wilson 
Vishnu  Pur.^  180  not.  3.  Colebrooke  II,  212.  Lassen  III,  549.  Der  drittletzte 
Jina,  Nemi,  ist  es,  der  auf  ihm  besonders  verehrt  wird. 


Weber,   über  das  ^atrunjaya  Mdhdtmyam.  23 

Lauhitya,  Tdladkvaja  (s.  v.  50),  Kadambaka  (V,  714),  Bnhiibali, 
Mdrudeva  (^ge  Cri  Marudevdydh  v.  500  »nd  VIII,  699),  Sahasrd- 
kkya,  Bhagiratha,  Ashtottara^ataküta,  Nage^a,  Catapatraka,  Siddhardj, 
Sahasrapatra ,  Punyard^if  Surapriya,  Kdmaddyin  (v.  352  —  54).  — 
fatrunjaya  heisst  die  Hauptspitze,  auf  welcher  sich  alle  tirtha,  3Ieru, 
Sammeta,  Vaibhdra,  Rucaka  (s.  Wilson  Vishnup.  169),  Ashtdpada  etc. 
vereinigt  finden  (v.  358). 

Es  folgt  ein  langes  Lob  des  Berges  unter  dem  Namen  Pun- 
darika.  Erst  gegen  den  Schluss  des  Capitels,  von  v.  496  ab  v^^en- 
det  sich  Vira  zur  kursorischen  Beantwortung  der  einzelnen  ihm  vor- 
gelegten Fragen,  deren  viele  er  dabei  übergeht:  sie  finden  eben 
ihre  Erledigung  durch  das  Werk  selbst  in  den  spätem  Abschnitten: 
die  beiden  Gestalten  zur  Rechten  und  Linken  des  Herrn  (Rishabha) 
sind  nach  v.  499  die  des  ersten  Ga;m -Führers  Cri  Paiujartka  (s.  XIV, 
186  und  oben  v.  6  —  8). 


Cap.  II  (662  vv.)  bis  23'"^,  mahipdla  Mahipdlacaritacariiano  ndma, 
schildert  die  Geschichte  des  Fürsten  Mahipdla. 

Surendra,  also  die  Rede  des  Bhagavant  gehört  habend,  ist  von 
hoher  Freude  erfüllt,  und  ersucht  ihn  ehrerbietig,  ihm  nun  auch 
noch  weiter  die  einzelnen  Geschichten,  zunächst  die  von  dem  See, 
der  sich  in  dem  am  Schlüsse  des  ersten  Cap.  (v.  511)  erwähnten 
♦Swri/a- Haine  befindet,  zu  erzählen. 

Vira  beginnt  nun  eine  lange  Erzählung,  die  gar  nichts  hiemit 
zu  thun  hat,  erst  in  v.  598  kommt  er  auf  die  Frage  Indra's  zurück. 
So  ist  überhaupt  durchweg  der  Verlauf  des  ganzen  Werkes.  Der 
Qatrunjaya  mit  seinen  Heiligthümern  bildet  nur  immer  den  Hinter- 
grund, der  gelegentlich  auch  wieder  specieller  hervortritt,  und  dann 
hie  und  da  ganz  ausführlich  behandelt  wird.  Das  Hauptinteresse 
aber  nehmen  die  sagen  -  und  märchenhaften  Erzählungen  in  An- 
spruch. —  Weshalb  aber  gerade  die  Geschichte  des  Mahipdla  hier 
allen  übrigen  Erzählungen,  sogar  denen  von  Rishabha,  der  Schutz- 
gottheit des  Berges  selbst,  vorangestellt  wird,  ist  schwer  erklärlich, 
wenn  man  nicht  annehmen  will,  dass  der  Dichter  ein  ganz  beson- 
deres persönliches  Motiv  dazu  hatte.  Ich  vermuthe  darum,  dass  er 
mit  dieser  Verherrlichung  seines  Anherrn  jenem  Könige  Ripumalla 
(vgl.  S.  17)  ein  CompHment  machen  will. 

In  pri  Surdshtrd  liegt  unterhalb  des  Berges  Girindra  (Girnar, 
vgl.  XIV,  89)  die  mit  Jaina -Tempeln  gezierte  Stadt  Giridurga. 
Dort  lebte  einst  Fürst  Suryamalla,  Nachkomme  des  Samadravijaya 
vom  Fadaua- Stamme,  ein  frommer  und  tapferer  Herr.  Seine  Ge- 
mahlin pagüekhdy  eine  fromme  Verehrerin  des  Cri  Nemi  sah  einst,  als 
ihr  Gatte  auf  einer  Jina -Wallfahrt  zu  dem  Berge  gegangen  war,  ein 
Pfauenweibcheu  mit  ihren  Jungen  spielen.  Die  Sehnsucht  nach  Kin- 
dern ward  dadurch  in  ihr  rege:  ihr  Gemahl  wies  sie  an,  sich  deshalb 
an  den  Jina   mit   ihrem  Gebet    zu    richten.      Durch    die  Gnade    der 


I 


24  Weber,  über  das  ^atrimjaya  Mdhdtmyam. 

„Ambd,  jagadambä,  Mutter,  der  Mutter  der  Welt"  erlangten  sie 
dann  auch  bald  zwei  Söhne,   Devapdla  und  Mahipdla, 

Nach  der  Vorstellung  der  Jaina  (s.  I,  7.  Hemac.  44 — 46)  hat 
jeder  Jina  seine  eigne  „pdsanadevi,  Göttin,  die  seine  Befehle  voll- 
zieht". Unter  den  vierundzwanzig  Namen  derselben  bei  Hemacandra 
befindet  sich  auch  Ambikd  und  zwar  als  dem  drittletzten  Jina,  Nemi, 
zugehörig.  Da  dies  nach  v.  18.  derjenige  Jina  ist,  der  hier  in  Be- 
tracht kommt,  so  muss  diese  Ambikd  hier  offenbar  unter  der  „Ambd 
jagadambd'-'  ^)  gemeint  sein.  Wir  werden  derselben  im  Verlaufe  noch 
öfter  begegnen  (v.  200.  X,  150.  152.  157.  158.  XIII,  320.  vgl. 
auch  oben  I,  108.  129).  Lässt  sich  nun  auch  diese  ganze  Vor- 
stellung der  Jaina  recht  wohl  auf  die  brahmanische  Verehrung  der 
mdtaras,  resp.  insbesondere  auf  die  der  Ambikd,  Gemahlin  des  piva, 
zurückführen,  zumal  sich  auch  noch  andere  Namen  dieser  letzteren 
imter  den  Namen  jener  vierundzwanzig  gdsanadevi  wiederfinden  (z.  B. 
Kdlikd,  Mahdkdli,  Candd) ,  so  liegt  doch  die  Versuchung  nahe,  zu- 
gleich auch  etwa  an  mit  hineinspielende  christliche  Elemente  zu  den- 
ken, deren  Einfiuss  ja  an  und  für  sich,  wie  bereits  oben  (S.  21) 
bemerkt,  in  Surdshtrd,  dem  Hauptvororte  des  Jainathums,  der  geo- 
graphischen Lage  wegen  fast  mit  Nothwendigkeit  vorauszusetzen 
ist.  —  Die  Buddhisten  wissen  nichts  von  dergl.  weiblichen  Buddha- 
hälften. Ueberhaupt  scheint  die  Jainalehre,  da  sie  entschieden,  vgl. 
das  zu  XIV,  94.  95.  Bemerkte,  bei  dem  weiblichen  Geschlechte  eine 
besondere  Begünstigung  gefunden  hat,  demselben,  ihrem  allgemei- 
nen Charakter  der  Milde  gemäss,  eine  höhere  Stellung  eingeräumt 
zu  haben,  von  welcher  eben  auch  die  Vorstellung  von  den  ^dsana- 
devi  ein  Zeugniss  ablegen  könnte.  Ein  genetischer  Zusammenhang 
hiebei  ist  indess  doch  nicht  nothwendig,  wie  uns  das  Beispiel  der 
Brahmanen  zeigt.  Während  nämlich  die  weiblichen  Göttinnen,  die 
überhaupt  erst  in  dem  nachvedischen  Pantheon  der  Inder  eine  her- 
vorragende Stellung  erhalten ,  darin  in  immer  steigenderer  Entwicke- 
lung  begriffen  sind  (vgl.  die  Cdkta),  ist  dagegen  sonderbarer  Weise 
gerade  umgekehrt  die  Stellung  des  Weibes  selbst  in  Indien  immer 
tiefer  und  tiefer  gesunken. 

Mahipdla  zeichnete  sich  in  jeder  Beziehung  vor  seinem  Bruder 
Devapdla  aus.  Unter  den  vielen  Abenteuern,  die  er  einst  im  Walde 
herumstreifend  bestand,  wird  besonders  ausführlich  seine  Besiegung 
des  raxas  Mahdkdla^)  ^erzählt  (v.  141  ff.),  den  er  dann  über  das 
wahre  Gesetz  belehrte  (v.   160  ff.): 


^)  „Mutter  der  Welt '' oder  jag atdm  ambd,  „der  Welten",  wie  die  Jina 
selbst  trijagadguru,  jagatprabhu  heissen.  —  Ausser  der  Ämbd  finde  ich 
nur  noch  die  CakreQvari,  die  cdsanadevi  des  ersten  Jina,  in  meinen  Aus- 
zügen aus  dem  (^atr.  Mäh.  namentlich  ei wähnt:  in  I,  7  indessen  treten  sie 
collektivisch  auf 

^)    Dieser  Name  ist  wohl  mit  Anspielung  auf  (7i«-a-Kultus  gewählt. 


Weber,  über  das  ^atnmjaya  Mdhdtmyam.  25 

„Vermeide  zu  beschädigen,  übe  Mitleid,  beobachte  die  ewige 
Satzung,  mit  dem  eignen  Körper  sogar  bring  Hülfe  den  Wesen" 
(v.  186). 

„Gegen  den  Feind  sogar  übe  nicht  Feindschaft,  noch  um  eignen 
Nutzens  willen"  (v.  188). 

Wir  haben  hier  ganz  die  buddhistische  Ethik,  welche  bekannt- 
lich der  christlichen  Lehre  der  Liebe  in  nichts  nachsteht,  eher  viel- 
leicht noch  mehr  auf  die  wirkliche  Praxis  der  Selbstverleugnung  und 
Schonung  Andrer  hinzuwirken  gesucht  hat  (s.  auch  I,  298).  An 
Feindseligkeit  gegen  Andersgläubige  freilich  hat  es  trotz  der  dogma- 
tischen ahinsd  bei  Bauddha  und  Jaina  begreiflicher  Weise  auch  nie 
gefehlt  (vgl.  V.  383.  I,  11.  XIV,  281.  285),  aber  sie  wurde  doch 
nie  zum  Dogina. 

Der  Yaxa,  hocherfreut,  versprach  dem  Mahipäla,  dass  fortab 
„der  Gott  Jina,  der  fromme  Lehrer,  und  das  Mitleid -voranstellende 
Gesetz  seine  stete  Trias  bilden  sollten"  (v.  191).  —  Also  die 
buddhistische  Trias,  Buddha,   Samgha  und  Dharma. 

Der  Prinz  beschliesst  nun,  sich  die  Welt  weiter  anzusehen. 
Nach  einigen  Tagen  kömmt  er  zur  Stadt  Sundara  (v.  199),  wo  er 
sich  bei  einem  der  Ambikd  geweihten  caitya  unter  Bäumen  zur  Ruhe 
legt  (v.  200).  Aufgeschreckt  befreit  er  die  Gunasuiidari  (v.  240), 
Tochter  des  Kalydnasundara  (v.  238),  Königs  von  Kalydnakataka 
im  Kanyakubja -Lande  (v.  237),  und  der  Kalydnasundari  (v.  239), 
aus  den  Händen  eines  Vidyddhara,  der  sie  durch  die  Lüfte  entführt 
hat  und  tödten  will,  besiegt  ihn  im  Kampfe,  bekehrt  ihn,  und  lässt 
das  Mädchen  durch  ihn  in  ihr  Vaterhaus  zurückbringen.  Der  Vidyd- 
dhara erzählt  ihm  darauf  (v.  349  ff.)  seine  Geschichte:  auf  dem 
Berge  Vaitddhya  in  der  Stadt  Ratnapura  lebte  König  Manicuda, 
Vater  des  Ratnaprabha  und  Ratnakdnti  etc.  —  Der  Prinz  zieht 
darauf  (v.  358)  nach  Kalydnakatakam ,  um  der  Selbstwahl  der  Guna- 
sundari  beizuwohnen  (v.  367):  er  gewinnt  sie  in  dem  angestellten 
Wettstreit  (wobei  ihm  der  Verf.  eine  feindselige  Bemerkung  gegen 
die  Anhänger  der  Sdnkhya -hehre  in  den  Mund  legt,  v.  383)  und 
macht  sich  mit  ihr  auf  den  Heimweg  (v.  453).  Unterwegs  aber, 
im  Lande  Mdlava  (v.  454),  fallen  seine  Nebenbuhler,  Naravarman 
(389.  411.  416.  476)  an  der  Spitze,  über  ihn  her.  Er  besiegt  sie 
aber  sämmtiich,  unterwirft  sie  sich,  und  schickt  dann  einen  Jeden 
in  seine  Heimath  (v.  476),  selbst  auch  heimkehrend. 

Eingefügt  sind  noch  andere  Geschichten,  so  des  Königs  Tri- 
vikrama,  Sohnes  des  Tri^aiiku  in  frdvasti  (v.  275),  und  des  Königs 
Qrinivdsa  von  Cripura  (v.  547),  der  im  Walde  einen  Rishi  tödtete 
und  zur  Sühne  dafür  daselbst  einen  vierantlitzigen  (?)  Tempel  (prd- 
sddam)  des  frigditti,  des  (sechszehnten)  Jinandyaka  (v.  254),  baute 
(v.  578),  doch  aber  in  die  siebente  Hölle  (saptamtin  narakdvanim)  kam. 

Erst  mit  v.  598  kommt  Vira ,  wie  bereits  bemerkt,  zu  kur- 
zer Beantwortung  der  Frage  Indra's  nach  dem  »Surj/a-Haine  unter- 
halb des   Qatrunjaya.      Der  Sonnengott   habe   daselbst    einst  60000 


26  Weber,  über  das  ^atrunjaya  Mdhdtmyam. 

Jahre  sich  dem  Dienste  des  Jina  gewidmet,  daher  der  Name.  Der 
Brunnen  darin,  der  den  Namen  Sürydvarta  führe,  habe  Wasser,  das 
durch  den  Nektar  des  Anblicks  der  iVdöÄe^a  -  Statue  daselbst  ge- 
weiht sei.  —  Auch  der  Vidyddhara  Manicüda  zog  mit  seinem 
Freunde  (Mahipdla?)  beim  Frühlingsfest  auf  den  Vimaldcala  fCa- 
trunjayajy  verehrte  den  Jina  daselbst,  besuchte  den  Sürya-ti-d'm, 
ehrte  die  Ndbheya- Statue  darin  und  nahm  sich  von  dem  Wasser 
des  heihgen  Brunnens  mit  (v.   603). 

Nachdem  er  104  Jahre  gelebt  hatte,  legte  König  Mahipdla 
die  Regierung  nieder,  übergab  sein  Reich  seinem  Sohne  Cripdla 
(vgl.  Mackenzie  Coli.  I,  152.  II,  113.  Verz.  d.  Berl.  Ssk.  Hdschr. 
1362),  das  Sindhu-hduid  aber  nebst  Jaladurga  seinem  Neffen  Va- 
napdla,  und  zog  sich  darauf  nebst  seiner  Gemahlin  auf  den  Ca- 
trunjaya  zurück,  woselbst  er  von  dem  3Iuni  Crikirti  belehrt  am 
Ende  seines  Lebens  der  Befreiung  (von  der  Einzelexistenz)  theil- 
haftig  ward. 

„Seinem  Geschlecht,  o  Indra!  gehört  hier  dieser  König  Ripu- 
malla  an,  dessen  Geist  geweiht  ist  durch  Ruhm-  und  Tugend- 
füUe.  Sicherlich  wird  dieser  Hochbeglückte,  an  der  Seite  des 
Raivata  wohnend,  durch  (d.  i.  nach)  drei  (weitere)  Existenzen 
zur  Befreiung  gelangen  (v.  660)." 


Cap.  III  (822  vv.)  bis  38^.  Qri  Rishabhasvdmijanmard- 
jydbhisheka  -  dixd  -  kevalotpatti  ^)  -Bharatadigvijaya  -  bhrdtridixä-tatputra- 
rdjyaddnavarnano  ndma:  schildert  die  Geburl  und  Krönung  des 
Rishabhasvdmin  (ersten  Jina),  seine  Weihe  und  jiein  Gelangen  zur 
wahren  Erkenntniss,  die  Weltgegendenersiegung  des  Bharata,  die 
Weihe  seines  Bruders,    die  Uebergabe  des  Reichs  an  die  Söhne. 

Viva  fährt  unaufgefordert  fort,  dem  Indra  nunmehr  die  Ent- 
stehung der  wundersamen  Hoheit  des  patrunjaya  tirtha  in  der 
Avasarpiiii-F eriode  zu  schildern  (v.   2.  3). 

Hier  im  Jambüdvipa  in  der  rechten  Hälfte  des  Bhärata(varsha) 
in  der  Mittelgegend  zwischen  Gangd  und  Sindhu  war  Vimalavdhana 
der  erste  der  Stammväter.  Sein  Sohn  war  Caxushmant,  Vater  des 
Abhicandra,  dessen  Sohn  Prasenajit  aber  Vater  des  Mariideva,  der 
auch  Ndbhi  hiess  und  im  Schoosse  von  dessen  Gemahlin  Martidevi 
am  Ende  der  dritten  Speiche  der  Avasarpiiä-l^ er'iode  der  Herr  der 
Welt  vermöge  seiner  Allmacht  Geburt  nahm  (v.  4  —  8),  unter 
dem  Namen  Rishabha,  oder    Vrishabha  - sena  (v.  255). 

Auch  die  Purdna  nennen  Ndbhi  und  Marudevt  als  die  Eltern 
eines  Rishabha,  geben  aber  dem  Ndbhi  selbst  andere  Abstammung 
(den  Agnidhra,  Sohn  des  Priyavrata ,  nämlich  als  Vater),  s.  Wilson 
Vishnu  Pur.  S.  162. 163. —  Den  Namen  des  Vimalavdhana  finden  wir  als 


')    ''shedhadixdmkcva''  Cod. 


Weber,  über  das  ^afrunjaya  Mdhdtmyam.  2T 

den  des  letzten  Fürsten  der  fünften  Speiche  (XIV,  318.  319)  wie- 
der, so  dass  somit  der  erste  und  der  letzte  Fürst  denselben  Na- 
men tragen:  wohl  mit  Absicht!  —  Prasenajit  erscheint  in  Rdmdij.  I,  70. 
als  elfter  Nachkomme  des  Ixvdku  (anders  Vishnu  Pur.  S.  362)  und 
Onkel  eines  Bharata.  Nach  Wilson  Vishnu  Pur,  464,  not.  21  hiess  so 
der  Vater  des  mit  Vira  gleichzeitigen  ffrenika.  Auch  die  Buddhis- 
ten kennen  einen  Zeitgenossen  Buddha's  dieses  Namens,  daneben 
indessen  auch  einen  weit  jungem  Fürsten,  Vater  des  Nanda  (Bur- 
nouf  Introd.  S.  359).  Die  Purdna  nennen  so  Quddhodanas  (Buddha's) 
Enkel  selbst  (Vishiu  Pur.  464).  Es  erscheint  hiernach  nicht  un- 
wahrscheinlich, dass  die  Jaina  sich  dieses  bei  den  Buddhisten  hoch- 
angesehenen Namens  bedient  haben,  um  für  den  Stammbaum  ihres 
Rishabha  einen  gut  klingenden  Anhaltspunkt  zu  gewinnen.  —  Dasselbe 
ist  wohl  der  Fall  mit  Marudeva,  der  in  den  Purdna  (Vishnu  Pur. 
463)  als  zwölfter  Ahnherr  des  fuddhodana  (Buddha)  genannt  wird. 
Das  Rdmdyana  kennt  einen  Maru  (I,  70)  als  achten  Ahnherrn  des 
Rdma,  wie  I,  71  {Vishnu  Pur.  390)  als  elften  Ahnherrn  der  Sitd. 
Das  Vishnu  Pur.  führt  als  24sten  Abkömmling  Beider  einen  Maru  auf 
„  who  through  the  power  of  devotion  is  still  living  in  the  village, 
called  Kaläpa  and  in  a  future  age  will  be  the  restorer  ot  the  Xa- 
triya  race  in  the  solar  dynasty"   Vishnu  Pur.  387. 

Rishabha  hatte  nebst  andern  Kindern  ^)  von  anderen  Frauen, 
von  seinen  Gemahlinnen  Sumangald  und  Sunandd  auch  je  ein  Zwil- 
lingspaar, von  jener  (v.  65)  den  Bharata  und  die  Brdhmt  (sddhvt 
264.  269),  von  dieser  (v.  67)  den  Bdhubali  und  die  Sundart 
C^rdvikd  265.  269),  vgl.  Wilson  Mack.  Coli.  I,  145.  146.  —  Sein 
Bildniss  durch  Bdhubali  gestiftet  (XIV,  177.  266)  ist  es,  das  dem 
fatrunjaya  so  besondere  Heiligkeit  verleiht,  wie  wir  denn  auch  be- 
reits zwei  Spitzen  des  betreffenden  Gebirgszuges  nach  seiner  Mut- 
ter Marudevt  foder  °devd)  und  seinem  Sohne  Bdhubali  benennt  fanden 
(I,  353),  vgl.  auch  das  Bhdratam  saras  I,  60.  —  Die  Brahmanischeu 
Legenden  von  Rishabha's  schliessHchem  Anachoretenthum  (Vishnu 
Pur.  163.  164)  haben  höchst  wahrscheinlich,  wie  das  Bhdgavata- 
Purdna  behauptet,  (s.  Wilson's  note  S.  164),  die  ganze  Vorstellung 
der  Jaina  von  ihm  als  ihrem  ersten  Jina  hervorgerufen.  Stevenson 
freilich  (Vorrede  zum  Kaljjasütra  XV.  XVI.  und  ibid.  S.  99)  hält 
ihn  nicht  nur  für  eine  wahrhaft  historische  Persönlichkeit,  sondern 
auch  für  den  ideellen  Stifter  des  Jainathums  ( Pdr^vandtha  für  den 
real  founder),  insofern  er  „practised  austerities  in  very  ancient 
times,  which  the  Jains  in  after  ages  imitated." 


')    z.  B.  Draviola  VII,  I.     Kuru  X,  399. 


28  Weber,  über  das  (^atrunjaya  Mdhdtmyam. 

Cap.  IV.  (671  vv.)  bis  52^  ^)  Bharata-Bdhubalüamgrdmavarnano 
ndma,  schildert  den  Kampf  der  beiden  Brüder  Bharata  und  Bd- 
hubali. 

Ich  habe  mir  hieraus  nichts  notirt,  als  v.  2.  3,  wonach  Vira 
in  seiner  Erzählung  an  Qahra  fortfährt,  und  zunächst  von  einer 
Wallfahrt  des  Bharatddhiga  auf  den  heiligen  Berg  berichtet. 


Cap.  V  (982  vv.)  bis  7V.  fri  Bharatatirthaydtrdtirthoddhdra- 
(°dvdra  Cod.)varnaTio  ndma,  schildert  die  Wallfahrten  und  die  from- 
men Stiftungen  des  Bharata. 

„Wie  du  so  eben  seinen  Sieg  über  den  äusseren  Feind  ge- 
hört hast,  höre  nun  jetzt  den  Sieg  des  Cakrin^)  über  den  innern 
Feind,  seine  t/rfAa- Vollendung,  und  seine  Gegenwart  bei  allen 
(d.  i.  seine  Wallfahrten  zu  allen  ttrtha  Pj." 

Das  Capitel  handelt  sehr  speciell  von  Catninjaya,  und  den  darauf 
durch  Bharata  errichteten  Jina-Heiligthümern  (vgl.  I,  60),  sowie 
vom  Raivata  (v.  759.  868)  resp.  Ujjayaiita  (v.  732.  930),  Kddam- 
bakagiri  (v.  714),    Vaibhdrakagiri  (v.  953)  etc. 


Cap.  VI  (296  vv.)  bis  77''.  CriVHshabhasvdmi^riBharate^a- 
nirvdndshtdpadoddhära  (dvdra  Cod. J^rtSüryaya^a^caritavarnano  ndmay 
schildert  das  nirvdnam  des  Vrishabhasvamm ,  des  Bharata,  die  Wei- 
hung des  (Berges)  Ashtdpada,  (vgl.  I^  345  und  Colebrooke  II,  208), 
den  Wandel  des   Süryaya^as  (Sohnes  des  Bharata.) 

Nachdem  Bharata  den  Somaya^as ,  Sohn  des  Bdhubali  (s.  X, 
303)  u.  A.  durch  Landschenkung  erfreut  entlassen  hatte  (v.  3.), 
wandte  er  sich  wieder  der  Regierung  zu. 

Der  Tod  des    Vrishabhasvdmin  etc.  v.   17  fi". 

Wie  von  Vrishabhasvdmin  das  J:rvaAu  -  Geschlecht  ausging,  so 
von  Süryaya^as  der  Suryavaii^a  ( v.  285 ).  Ueber  den  Somavanga 
s.  X,  303. 

Von  Bharata  kam  ^)  Adityayaqas  ( Sdryayacas ) ,  und  weiter 
Mahdya^as,  Atibala,  Balabhadra,  Balavirya,  Kirtimrya,  Jalavirya, 
Dandavirya  als  der  achte.  Diese  acht  Männer  hindurch  dauerte  die 
CraciofAa-Feier  (v.  288  —  89). 


0  Auf  47b  ist  Platz  für  v.  456  —  59  gelassen,  weil  das  Papier  löschte, 
doch  sind  dieselben  auch  am  Rande  nicht  mitgetheilt.  Dagegen  sind  auf  48* 
am  Rande  v.  485  —  92  zugefügt,  die  aber  in  der  Zählung  nicht  fehlen  ! 

'^)    Bharata  ist  der  erste  cakravartin,    s.  Hemac.  692. 

^)   Die  Purdna  haben  ganz  andre  Namen,  s.  Wilson  Vishnup.  164.  165. 


Weber,  über  das  ^atrunjaija  Mdhdtmyam.  29 

Von  Bharata  ab  waren  alle  seine  Nachkommen  bis  zu  Ajita- 
svdmin,  dem  zweiten  Jina  (s.  Cap.  \1II)  hin,  fromme  Fürsten,  welche 
Jum-caitya  bauten  und  ttrtha   errichteten. 


Cap.  VII  (400  vv.)  bis  85**,  Drdvida-Välikhüla-cdrüratirthoddhd- 
ravarnano  (°dvdra  °Cod.J  ndma,  schildert  den  Wandel  des  Drdvida 
und  Vdlikhüla  so  wie  die  durch  dieselben  errichteten  tirtha. 

Ein  Sohn  des  Vrishabhasvdmiit  hiess  auch  Dravida,  nach  wel- 
chem das  getreidereiche  Dravida -hsind  benannt  ist.  Seine  beiden 
Söhne  Drdvida  und  Vdlikhilla  entzweiten  sich,  führten  Krieg  mit- 
einander, versöhnten  sich  aber  wieder  (v.  171)  und  stellten  Wall- 
fahrten nach  dem  Catrunjaya  an.  —  Auch  von  Dandavtrya  (s.  oben) 
handelt  dieses  Cap. 

Cap.  VIII  (724  vv.)  bis  99*.  griAjitasvdmi-griSagara^ri- 
pdntijina-  Cakradharddimahdpiirushatirthoddhdravarnano  ndma,  schil- 
dert die  tfrfAa-Errichtungen  des  Ajitasvdmin  (zweiten  Jina),  Sagara^), 
(Jdnti  (sechszehnten  Jina,  zugleich  auch  fünften  Cakravartifi),  Cakra- 
dhara'^)  und  anderer  Grossmänner.  3) 

Die  Geburt  des  Ajitasvdmin  in  Ayodhyd  von  Jita^atru  und 
Ya^omati^)  wird  ausführlich  geschildert  wie  bei  Rishabha  (in  III) 
und  Pdr(^va  (in  XIV).  Die  üblichen  Träume  zeigen  der  Mutter 
die  hohe  Ehre  an,  die  ihr  wiederfahren  ist  (v.  25).  Sechs  und  fünf- 
zig dikkumdryas  eilen  herbei,  ihre  Verehrung  zu  bezeigen  (v.  30) 
und  Saudharmendra  selbst  nahm  ihn  auf  den  Schooss  (v.  35):  der 
Vater  gab  ihm  den  Namen  Ajita,  dem  andern  Sohn  den  Namen  Sagara. 


Cap.  IX  (539  vv. )  bis  108^,  (wo  ^ri^atrunjayarndhdtmye 
prathamah  khandah  schliesst!)  fr^  Mdmaprabhntimahdpurushavarnaiio- 
ndma  schildert  Rdma  und  andere  Grossmänner. 

Während  wir  bisher,  bis  auf  Rishabha  und  Bharata,  nur  Per- 
sönlichkeiten der  Jaina -Legende  selbst  vor  uns  hatten,  gelangen 
wir  nunmehr  zu  den  Aneignungen  brahmanischer  Legenden  durch 
die  Jaina,  welche  denn  zum  Theil  in  sehr  willkürlicher  Weise  statt- 
gefunden haben.  Ein  Hauptzweck  hierbei  scheint  der,  alle  diese 
alten  Helden  auf  Rishabha  als  Stammvater  zurückzuführen ,  von 
dessen  beiden  Enkeln  Suryayagas  und  Somaya^as  das  Sonnen-  und 
Mondgeschlecht  hergeleitet  wird.  Eine  Abzweigung  des  letztern 
ist  das  iTangeschlecht  (vgl.  Colebr.  II,  207,  Wilson  Mack.  Coli.  I,  153). 


')    Zweiten  Cakravartin  bei  Hemac.  692  ff.:  der  erste  ist  Bharata. 
'^)    Cakradhara  ist  hier  nicht  Titel  (wie  X,  401),  sondern  Name;  vgl. 
v.  722  nirvdnam  {\intindlhasya  Qrutvd  Cakradharo  nripah  | 

•')    Mahdpurusha  entspricht  hier  dem  (^aldkdpurusha  des  Hemac.  (700). 
^)    ?  die  Jaina  ^ehen  sonst  Vijayd  als  iliren  Namen,  s.  Hemac.  39. 


30  Weber,  über  das  (^atrunjaya  Mdhdtmyam. 

Vira  fährt  fort:  „höre  weiter,  o  pakra,  die  Geschichte  dieses 
Ixvdkuvan^a  wie  des  Berges.  Ich  erzähle  die  Geschichte  des  Cri 
Suvratajinendra  (des  zwanzigsten  Jina,  vgl.  X,  320)^  des  Ndrdyana'^), 
Rdma  und  Rdvana.'^ 

Nachdem  im  Geschlecht  des  Adüyayagas  viele  Könige  vorüber 
waren,  herrschte  in  Ayodhyd  Fürst  Vijaya^).  Von  seiner  Gemahlin 
Himaculd  hatte  er  den  Vajrabdhu  zum  Sohn,  dieser  den  Puraiidara, 
der  den  Kirtidhara.  Dessen  Sohn  Siikogala  überliess  seiner  schwan- 
gern Gattin  das  Reich  und  ward  Anachoret  (v.  7).  Durch  Naghusha, 
Süddsa,  Si7iharatha,  Brahmaratha,  Hemaratha,  Cataratha,  Vdriratha, 
Inditratha,  Ädityaratha,  Mdndhdtar,  Virasena^),  Pratimanyu,  Padma- 

bandhu,   Viinanyu,  Kuveradatta Kakii{tjstha ,   Raghu,  Anaranya, 

Aja,  Anantaratha  gelangen  wir  (v.  92)  zu  Da^aratha.  Von  diesen 
Namen  ist  nur  der  geringere  Theil  den  brahmanischen  Stammbäumen 
des  Rdmdyana  und  der  Purdna  (Lassen,  Indien  I,  S.  IV.  fF.  Wilson, 
Vishiu  Pur.  379),  die  freilich  selbst  auch  nicht  mit  einander  über- 
einstimmen, bekannt:  auch  die  Reihenfolge  derselben  ist  eine  ver- 
schiedene. Wir  haben  es  ja  hierbei  wohl  an  allen  drei  Orten  nur 
mit  erfundenen  Namen  zu  thun,  die  natürlich,  bis  auf  einige  ge- 
meinsame Grundzüge,    nicht  übereinstimmen  können. 

Dem  Da^aratha  wird  hier  zu  seinen  drei  Frauen  Ä^aM^a/i/d,  Kekaydt- 
majd,  Sumitrd  noch  eine  vierte  gegeben,  Suprabfid,  die  den  patrughna 
gebiert,  während  Sumitrd  nur  den  Laxmana.  Rdma  führt  auch  den 
Namen  Padma,  und  Laxmana  den  Namen  Ndrdyana  (v.  94 — -98, 
man  sollte  das  Umgekehrte  erwarten!):  ersteres  ist  der  Name  des 
neunten  Cakravartin  bei  Hemacandra  (v.  693),  so  wie  des  achten 
weissen  Bala^)  (Heros)  ibid.  698  (der  neunte  heisst  [Bala-]  Rdma), 
letzteres  der  des  achten  schwarzen  Vdsudeva  (Ardhacakravartin ,  Schol. 
zu  695),  ibid.  697,  dessen  Feind  Lankega  d.  i.  Rdvana  ibid.  699. 
Das  Catr.  Mdh.  scheint  noch  nichts  von  drgl.  Classificationen  (nach 
Vdsudeva,  Bala)  zu  wissen:  dagegen  ist  cakradhara,  cakrabhrit  im 
Sinne  von  cakravartin  vorkommend,  s.  X,  401.  403,  ebenso  cakrin 
I,  2.,  V,  2.,  VI,  3.,  X,  143.  728.  Das  Kalpasütra  kennt  jene  Na- 
men   Vdsudevay  Baladeva,  s.  S.  36,  65  bei  Stevenson. 

Fürst  Janaka  in  Mithild  wird  hier  Vdsavaketu ,  Sohn  der 
Vipuld  und  dem  Harivanga  angehörig  genannt  (v.  99). 

Rdma's  Söhne  heissen  (v.  543)  La'oandmku(^au.  —  Ueber  die 
Behandlung  der  jRama-Sage  habe  ich  leider  nichts  Näheres  notirt. 


Cap.  X  (936  vv.)  bis   126^.    °^rt  ^atrunjayamdhdtmyäntarbhüta- 
Raivatdcalamdhdtmye    Bhimasena  -  Harwan^a  -  Pdndavotpatti- Krislma- 


^)    d.  i.  Laxmana,    s.  unten. 

^)    Name  des  zweiten  weissen  Bala  bei  Hemac.  698. 
^)    (Vtrdsana,  Abschrift.) 

■*)    Die  Bala  sind   zu  v,  698  nach  Hem. ,    die  älteren  Brüder    (agraja) 
der  Vdsudeva. 


Weber,  über  da^  (^atrunjaya  Mdhdtmyam.  31 

Nemi^ajanmavarnano  ndma,  schildert  die  Geschichte  des  BMmasena, 
des  Harivan^a,  die  Entstehung  der  Pändava,  die  Geburt  des  Krishna 
und  des  Nemiga  (zweiundzvvanzigsten  Jina.) 

Cap.  X  —  XII  schildern  der  Hauptsache  nach  die  Geschichte 
der  Pandava,  verknüpft  mit  der  des  Krishna,  wie  diese  mit  der 
des  Nemiga,  des  auf  dem  Raivata-Berge  verehrten  Jina.  Sie  führen 
daher  auch  den  Separattitel  Raivatdcalamuhdtmyam,  weil  es  eben 
besonders  die  heiligen  Orte  dieses  Berges  (s.  I,  345.  52)  sind, 
welche  hierbei  gefeiert  werden. 

Ijn  Eingange  wendet  sich  Indra  ehrerbietig  an  Mahdvira. 
„Herr!  unserer  Erhebung  wegen  hast  du  die  sich  auf  die  Haupt- 
spitze beziehende  Geschichte  des  patrunjaya  erzählt,  und  ich  bin 
dadurch  gereinigt  worden;  ich  möchte  aber  weiter  noch  die  Ge- 
schichte der  21  Spitzen  hören,  welche  du  (I,  352  —  54)  unter  sei- 
nen 108  Spitzen  (1,  34)  hervorgehoben  hast"  (v.  2 — 5).  —  Der 
Herr  der  Dreiwelt  beginnt  demgemäss  mit  der  Schilderung  der 
fünften  Spitze  des  Siddhddri,  des  Raivata  nämlich,  (v.  7.  8)  und 
erzählt,  zum  Beweise  seiner  entsühnenden  Kraft  die  Geschichte 
des  Bhimasena,  des  verdorbenen  Sohnes  des  Königs  Vajrasena 
von  prdvasti  und  der  Subhadrd  ( v.  50  —  227 ).  Ihres  viel- 
fach interessanten  Inhalts  wegen  habe  ich  mir  dieselbe  in  extenso 
kopirt : 

Bhimasena  ging  in  seiner  Ruchlosigkeit  so  weit,  seinen  eigenen 
Vater,  von  dem  er,  weil  die  Bürger  ihn  bei  ihm  verklagt  hatten, 
bestraft  worden  war,  zu  tödten :  er  wurde  dann  von  den  erzürn- 
ten Städtern  verjagt,  und  sein  jüngerer  Bruder  von  denselben  zum 
König  eingesetzt  (v.  64).  Herumirrend  gelangte  der  Prinz  (v.  73) 
nach  der  Stadt  Prithvipura  im  Magadha-hsLude,  wo  er  nach  vieler- 
lei Diebstählen  bei  einem  Kaufmann  Igvaradatta  Dienst  fand  (v.  77), 
mit  dem  er  zur  See  ging.  Nach  einem  Monat  blieb  das  Schiff  plötzlich  in 
der  Nacht  auf  Korallenbänken  sitzen,  und  alle  Anstrengungen,  es  flott  zu 
machen,  blieben  vergebens.  Vorräthe  und  Wasser  gingen  mit  der 
Zeit  aus.  Der  Kaufmann  schickte  sich  eben  an,  selbst  in  den  Wel- 
len den  Tod  zu  suchen.  Da  kam  plötzlich  ein  Papagei  herbei  und 
gab  sich  ihnen  in  menschlicher  Stimme  als  Schutzgottheit  des  in 
Sicht  befindlichen  Berges  zu  erkennen.  Ein  Mittel  zur  Rettung 
sei  noch  da.  Einer  von  ihnen  müsse  sich  dem  Tode  weihen,  nach 
dem  Berg  hinschwimmen  und  dort  die  Bhdraiida-Yögel  ^)  aufscheu- 
chen. Durch  den  Luftzug,  den  ihre  Flügel  beim  Fortfliegen  machen 
würden,   werde  das  Schiflf  flott  "werden  (v.  88).      Auf  Igvaradatta's 


')  Die  Bhdranda  heissen  khüapaxinah.  Bedeutet  dies  etwa  „Wüsten- 
vogel"? Wir  finden  sie  im  M.  Bhdrata  wieder  als  rasch  entfliegend  (?) 
XII,  3357.  3519  und  als  lieblich  singend  und  mit  Menschenantlitz  begabt 
XII,  6325  (vgl.  Ind.  Stud.  III,  149).  Im  Pancalantra  (S.  263,  18  ff.)  erscheint 
ein  bhdran{la  als  ein  Seevogel  mit  doppeltem  Kopf. 


32  Weber,  über  das  ^atrmjaija  Mähdtmyam. 


Auflforderiing  an  seine  Leute  bietet  sich  Bhtmasena  an,  für  100  di- 
ndra  das  Wagstück  zu  vollführen.  Es  gelingt;  das  Schiff  wird 
flott.  Bhimasena  aber  bleibt  natürlich  allein  auf  dem  Berge  zurück. 
Der  hülfreiche  Papagei  giebt  aber  auch  ihm  einen  Ausweg  an:  er 
möge  sich  nur  in  das  Meer  stürzen,  dann  würden  ihn  die  Fische 
verschlucken  und  dann  zum  Strande  schwimmen;  sollten  sie  da  etwa 
ja  (ihn)  nicht  auspusten,  so  möge  er  ihnen  nur  ein  Kraut,  das  er 
ihm  giebt,  in  den  Schlund  schieben,  damit  derselbe  weit  aufgehe, 
er  könne  dann  leicht  an  das  Ufer  hinausspazieren.  ^)  Es  geschah, 
wie  der  Vogel  sagte,  und  Bhimasena  kam  auf  diese  Weise  an  das 
Gestade  der  Insel  Ceylon  (Sainhalam  tatam  v.  97).  Daselbst  eine 
Weile  herumwandernd,  nachdem  er  sich  durch  das  Wasser  wasser- 
haltiger Bäume  erquickt  hatte,  begegnete  er  einem  brahmanischen^) 
Wanderbettler  (v.  99),  der  ihn  autforderte,  mit  ihm  nach  einer 
Edelsteingrube  (ratnakhdni)  hier  auf  dem  dmpa  Sinhala  (v.  112)  zu 
ziehen,  wo  er  ihm  reiche  Schätze  versprach.  Die  100  dindra  gin- 
gen auf  dem  Wege  dahin  als  Reisezehning  drauf,  ehe  sie  anlang- 
ten. Der  Muni  licss  den  Bhimasena  an  einem  Seile  in  die  Höhle 
hinab  (v.  115^.  116*  sind  in  der  Handschrift  ausgelassen),  zog  die 
Edelsteine,  die  dieser  sammelte,  herauf,  schnitt  dann  das  Seil  ab, 
ihn  dem  Wächter  der  Höhle  preisgebend  und  ging  davon  (v.  118). 
Bhimasena  wanderte  darauf  in  der  Höhle  tiefbetrübt  hin  und  her 
und  traf  auf  einen  sehr  magern  Mann,  der  ihn  freundhch  ansprach 
und  frug,  ob  er  etwa  auch,  wie  er  selbst,  von  dem  bösen  Büsser 
durch  die  Sucht  nach  Edelsteinen  betrogen  worden  sei.  Als  Bhi- 
masena dies  bejaht  und  ihn  um  ein  Mittel,  wieder  herauszukommen, 
fragt,  gab  er  ihm  an,  dass  die  Göttinnen  vom  Himmel  ihrer  Edelsteine 
wegen  (bald)  ein  Fest  halten  würden,  den  Wächter  der  Höhle  durch 
Gesang  und  Tanz  erfreuend :  wenn  dieser  dann  in  den  Gesang 
vertieft  sein  würde,  möge  er  die  Gelegenheit  benutzen,  mit  der 
Dienerschaft  der  Göttinnen  sich  hinauszuschleichen.  So  geschah  es 
auch  am  andern  Morgen,  und  in  wenig  Tagen  kam  Bhimasena  dann 
nach  der  Hauptstadt  von  Sinhala  (v.  129),  und  trat  daselbst  in 
den  Dienst  eines  Kaufmannes.  Da  er  aber  von  seinem  alten  Hange 
zum  Stehlen  nicht  Hess,  wird  er  bald  ertappt  und  zum  Pfahle  ge- 
führt. Da  sah  Igvaradatta  ihn,  seinen  Retter,  ging  zum  König,  er- 
wirkte seine  Freilassung  und  nahm  ihn  mit  sich  auf  sein  Schiff, 
welches  dann  bald  in  Prithvipura  landete  (v.  134).  Beim  Ausstei- 
gen   erzählt    Bhimasena  sein  Geschick   in  Gegenwart  eines  Fremde- 


1 

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k.      fl 


^)  Eine  bizarre  Aneignung  des  „Jonas  im  Fisch",  der  sich  ja  auch 
sonst  noch  zweimal  (s.  Ind.  Skizzen  S.  111)  in  den  indischen  Mährchen  (des 
zwölften  Jahrhunderts  freilich  erst)  wiederfindet,  in  der  Bajatarangini  näm- 
lich IV,  503  und  im  Kathdsarilsdgara  XXV,  47. 

'0  Das  beweist  der  Name  tridandin.  Es  liegt  offenbar  eine  gewisse 
Animosität  in  der  Wahl  dieses  Namens  für  einen,  wie  der  Verlauf  zeigt, 
betrügerischen  Menschen. 


Weber,  über  das   ^airunjaya  Mdhdtmyam.  33 

pilgers,  der  ihn  zu  trösten  sucht  und  mit  ihm  nach  dem  Rohana- 
Berge  sich  aufmacht.  Sie  trafen  unterwegs  bald  auf  einen  Einsied- 
lersitz, und  verneigten  sich  dem  alten  Muni,  Jatila  mit  Namen.  In 
demselben  Augenblick  stieg  gerade  ein  Schüler  desselben,  Jdiigala, 
aus  der  Luft  hernieder,  begriisste  den  Lehrer  und  erzählte  ihm  auf 
seine  Frage,  dass  er  von  Siirdshird  komme,  wo  er  mit  den  Jina- 
Verehrern  den  Festen  auf  dem  Catrunjaya  und  JJjjaijanta  (v.  140.) 
beigewohnt  habe,  deren  Heiligthüraer  über  alle  Beschreibung  herr- 
lich seien.  Ganz  besonders  sei  er  von  der  Herrlichkeit  des  Ujjayantddri 
(v.  142.)  entzückt,  durch  dessen  Verehrung  ein  geringer  Mann  alles 
Glück  und  Hoheit  erlangen  könne,  wie  Agokacandra  es  that.  Der 
war  nämlich  ein  armer  Xatriya,  ein  Dienstmann  in  der  Stadt  Campd. 
Einst  frug  er  Jaina-Büsser,  die  er  sah,  wie  er  wohl  seinem  Unglück 
abhelfen  könne;  auf  die  Autwort  derselben,  dass  der  Mensch  durch 
die  Macht  des  karman  (d.  i.  früherer  Werke,  also  ganz  der  bud- 
dhistische Begriff  und  Name  des  Schicksals!)  in  der  Welt  umher- 
getrieben werde,  und  sich  aus  diesem  Gefängniss  des  karman  nicht 
befreien  könne,  ausser  durch  Aufgabe  aller  Genüsse  oder  durch  an- 
dächtige Verehrung  des  Rawatddri  (v.  148.),  machte  er  sich  nach 
Letzterem  auf,  und  nach  einigen  Tagen  der  Busse  daselbst  gab 
ihm  die  Göttin  Ambd  (die  (^dsanadevi  des  auf  dem  Raivata  verehr- 
ten Nemi)  einen  Stein  (spar^opalam),  der  durch  seine  Berührung 
Eisen  in  Gold  verwandelte  (v.  150).  Heimgekehrt  nahm  er  Die- 
nerschaft an,  gewann  durch  seinen  Reichthum  bald  ein  Reich  und 
genoss  alle  Freuden.  Mit  der  Zeit  aber  ward  er  alles  dessen  über- 
drüssig, was  er  durch  die  Gnade  der  Ämbikd  erlangt  hatte  (v.  153.), 
zog  nach  ^atrunjaya  und  von  da  wieder  nach  dem  Raivata  (v.  155.), 
wo  er  die  Statue  des  Nemi^a  und  die  Ambd,  Jagatdm  ambd  andäch- 
tig schmückte  und  verherrhchte ,  und  beschloss,  da  er  nun  bereits 
300  Jahre  durch  die  Gnade  des  Gottes  und  der  Ambikd  regiert 
habe,  fortab  nur  die  beiden  Schuhe  des  Qri  Nemi  sich  zur  Richt- 
schnur zu  nehmen,  und  das  Reich  dem  Sohne  zu  überlassen:  er 
nahm  die  Weihe  und  erlangte  durch  reine  Andacht  bald  das  Heil 
(^ivam,  hier  offenbar  gleichbedeutend  mit  nirvdnam,  vrgl.  l,  6. 
23.,  n,  8.  383.,  VI,  293.,  IX,  533  etc.)  Durch  diese  Erzählung 
des  Jdngala  waren  alle  Büsser  hocherfreut,  und  der  Fremdling 
ebenso  wie  Bhima.  Sie  setzten  aber  doch  beide  zusammen  ihre 
Wallfahrt  nach  dem  Rohana  fort  (v.  167.  168.),  und  wachten  da- 
selbst die  Nacht  durch,  unter  Gebeten  zu  der  Gottheit  des  Berges; 
am  Morgen  in  eine  Höhle  kommend  schlugen  sie  darin  (an  die 
Wand?)  und  erhielten  (dadurch)  zwei  Kleinodien  (ratnc).  Nachts 
dann  im  Meere  auf  dem  Schiffe  stehend  sah  Bfuma  den  Mond  und 
betrachtete,  seinen  Stein  in  die  Hand  nehmend,  dessen  Aehnlich- 
keit  damit,  verlor  ihn  aber  dabei  aus  der  Hand  in  das  Wasser.  Sein 
Begleiter  bietet  ihm  seinen  eigenen  Stein  an  und  tröstet  ihn  weiter 
damit,  dass  ja  der  Raivata  noch  da  sei,  fvas  brauche  er  also  zu 
klagen  (v.  179).  Muth  gefasst  habend,  gingen  sie  dann  Beide 
Abhandl.  der  DMG.     1,4.  3 


34  Weber,  über  das   fairiinjmja  Mdhdtmyam. 

über's  Meer   und  wanderten  am  Ufer  fort  nach  dem  Raivata,  auch 
das  andere  Kleinod  auf  dem  AVege  durch  Diebe  verlierend.  Entkräftet, 
der  Kleidimg  beraubt,   ohne  Nahrung,  doch  aber  geduldig  ergeben, 
trafen  sie  unterwegs  auf  einen  Muni,  dem  sie  ihr  Geschick  klagten: 
Wie  ohne  Wasser  eine  Wölk' ,  ein  Körper  ohne  Leben  ^^ie  ] 
wie  eine  Blmne  ohne  Duft,  ohne  Lotus  ein  Wasserteich   || 
Wie  ohne  seinen  Glanz  der  Mond,  und  ohne  Stimme  das  Sanskrit ')  | 
edle  Geburt  ohn'  Sittigkeit,  Frömmigkeit  ohne  Wissenschaft  || 
Wie  ohne  Haus  eine  Hausfrau,  Klugheit  ohne  Bescheidenheit  { 
wie  die  Nacht  ohne  Mondeslicht,  und  wie  ein  Tempel  ohne  Bild  || 
Wie  Liebe  ohne  Jugendkraft,   wie  Herrschaft  ohne  Heeresmacht  | 
wie  ein  Geschlecht  ohn'  edlen  Sohn,  wie  Reichthum  ohn' Freigebigkeit  1 1 
Wie  Satzung  ohne  Mitleiden,  Beredsamkeit  ohne  Wahrheit  | 
wie  ohne  Auge  das  Antlitz,  so  ohne  Habe  ist  der  Mann,  [j 

Der  Muni  trpstet  sie  aber  (v.  190 — 96.)  und  verheisst  dem 
Bhimasena  die  glückliche  Wendung  seines  Geschicks  als  nahe  be- 
vorstehend: er  werde  noch  einst  die  ganze  Erde  durch  Jina(-Tem- 
pel)  schmücken,  nicht  werde  es  einen  ihm  an  Glück  gleichen  Mann 
geben  ( v.  298  ).  So  getröstet  pilgern  die  Beiden  weiter  zum 
Raivata:  mit  der  Zeit  daselbst  anlangend,  findet  Bhima  in  dem 
^rAaf- Tempel  daselbst  seinen  Jüngern  Bruder  vor,  der  mit  seinen 
Käthen  etc.  dahin  gewallfahrt  war  (v.  200.)  und  ihn  freudig  auf- 
nimmt, ihm  sofort  die  Herrschaft  abtretend,  die  er  nur  als  ein 
Pfand  für  ihn  bewahrt  habe.  Auch  seine  Unterthanen  freuen  sich 
über  seine  Rückkehr,  und  er  regiert  nun,  Segen  und  Heil  verbrei- 
tend, auf  das  Trefflichste,  indem  er  seinen  Bruder  zum  yuvardjan 
(Kronprinz),  seinen  treuen  Begleiter  aber  zum  Schatzmeister  machte 
(v.  219).  Nach  geraumer  Zeit  übergab  er  dann,  des  Herrschens 
müde,  die  Regierung  jenem  seinem  Bruder  Jayasena  (v.  223.)  und 
zog  sich  zum   Raivata  als  Einsiedler  zurück  (v.  227.) 

Da  der  auf  dem  Raivata  verehrte  Nemi  dem  Harivan^a  ange- 
hört, schliesst  sich  hieran  die  Darstellung  der  Geschichte  dieses 
Geschlechtes  (v.  236.  237). 

Zunächst  folgt  eine  Erzählung  von  König  Sumukha  in  Kau- 
gdmbi  (v.  239.),  der  sich  in  die  Vanamdlikd,  Frau  des  Virahuvinda, 
verliebte  (  v.  268.),  sie  mit  Hülfe  einer  wandernden  Schwester 
(parivrdjikdj  Atreyikd  (v.  270.)  gewann,  worauf  dann  aber  das  Lie- 
bespaar durch  einen  Blitz  getödtet  ward. 

Die  von  Somaya^as  (s.  VI,  3),  dem  Sohne  des  Bdhuhali  und 
Enkel  des  prathamasvdmiu  Vrishabha,  abstammenden  Fürsten  heissen 
Somavan^ya,  das  Mondgeschlecht  bildend.  Zu  ihnen  gehörte  Fürst 
Qreydnsa  (Name  des  elften  Jina)  (v.  303.  304.),  sowie  König  Hari, 
der  in  dem  Tempel  des  CHalasvdmin  (des  zehnten  Jina)  seine  Weihe 


')  so  ist  samskrUam  wohl  zu  übersetzen ,  also  auf  die  Sprache  bezüg- 
lich: oder  ist  väkyam  zu  ergänzen  im  Sinne  von:  ,,eine  zierliche  Rede"V 


Weber,  über  das   Qatrunjaija  Mähutmyam.  35 

«rhielt:  von  ihm  stainint  der  Harivaii^a  ab  (v.  312).  Ihm  nämlich 
gebar  die  Harint  (v.  315.,  Hirani,  v.  314.)  den  Prühvtpati,  auf 
welchen  Mahagiri,  Himagiri,  Vasugiri,  Giri,  Mitragiri,  Suya^as  fol- 
gen. Alle  diese  Fürsten  im  Somavanqa  und  Harivm<^a  waren  eifrige 
Jaina,  von  denen  die  einen  direkt  ik^xs  nirvanam^) ,  die  andern  we- 
nigstens den  svarga  erlangten  (v.  318.  319.)  —  Anhangsweise  (pra- 
sarigdt)  wird  dann  die  Geschichte  „des  zwanzigsten  Arhant,  Siivrata'-'^ 
der  dem  Harivan^a  angehörte,  und  Sohn  des  Magadha-Könv^s  Su- 
mitra  in  Rdjagriha  war,  erzählt  (v.  320  ff.)  (wie  schon  IX,  3  ver- 
sprochen war.) 

Mit  V.  386  geht  die  Erzählung  auf  die  Darstellung  der  Vorfah- 
ren und  Verwandten  des  Krishna  aus  dem  Harivan^a  über  (bis  v.  398). 
Nachdem  viele  Könige  desselben  bereits  vorüber  waren,  entspross  in 
Mat/mrd  dem  Brihaddhvaja,  Sohne  des  Vasu,  der  König  Yadu  [v.  3S7). 
Dessen  Sohn  Süra  hatte  zwei  Söhne,  den  Caiiri,  Gründer  von 
^auryapiirtty  Vater  des  Andhahavrislmi  etc.  und  den  Suvira  in  Ma- 
thurdy  Vater  des  BhojavHshni  (etc^)  dem  er  das  Reich  in  Matimrd 
übergab  und  darauf  selbst  noch  „puram  Sindhushu  sauviram'^'  die 
Saxmra  -  Stadt  im  Sindhu  -  Lande  gründete.  Der  Sohn  des  Bhoja- 
vrishvi  in  Matimrd  war  Ugrusena,  Vater  des  Kamsa  (v.  666  —  68). 
Andhakavrishni  in  ^auryapura  dagegen  hatte  von  Subhadrd  zehn 
Söhne,  Da^drhdh  genannt,  1.  den  Samiidravijaya,  Vater  des  Ne7ni 
(v.  712),  auch  Arishtanemi  genannt  (v.  846.  48.  76),  2.  den  Axobhya, 
3.  den  Stimüa,  4.  den  Sdgara,  5.  den  Himavanty  6.  den  Acala, 
7.  den  Bharana,  8.  den  Purana  ^  9.  den  Abhicandra,  10.  den  Va- 
sudeva,  Vater  des  Krishna  durch  die  Devaki ,  Tochter  des  Bevakanripa 
(v.  681.698.),  und  des  [BalaIRdma  durch  dieRohim  (v.  679.):  ausserdem 
noch  zwei  Töchter  [anuje]  die  Kunti  und  Madri,  Gemahlinnen  des  Pdndu. 
Hier  stimmt  wenig  mit  den  brahmanischen  Angaben:  dagegen  wird 
die  Geburt  etc.  des  Krishna  wesentlich  in  derselben  Weise  wie  in 
den  Piirdna  berichtet.  Seine  Gemahlinnen  waren  1.  Rukmini,  die 
Schwester  des  Ruhmin ,  die  er  durch  die  Kraft  seines  Arms  entführte,  2. 
J dmbavatt,  T ocXiier  des  Vo^eh  [\)  Jdmbavant,  die  er,  als  sie  in  der 
Jdhnavt  badete,  ihren  Vater  besiegend  raubte,  ^.  Laxmand,  4,.  Su- 
simd,  5.  Gaurt,  6.  Padmdvatt,  7.  Gdndhdrt:  so  nach  v.  933  —  35., 
wo  von  acht  Frauen  die  Rede  ist,  aber  nur  sieben  aufgezählt  wer- 
den: die  achte  ist  Satyabhdmd,  Mutter  des  Bhdnii  und  Bhd- 
mara  (  v.  821. )  Nur  die  vier  gesperrt  gesetzten  Namen  kennen 
die  Purdna  (Wilson  Vishnu  Pur.  578),  für  die  andern  vier  haben 
sie  andere  Namen. 

Nicht  minder  abweichend  wird  v.  399  ff.  die  Stammtafel  des 
Daryodhlina  und  der  Pdndava  augegeben,  die  nicht  einmal  dem 
Somaüay^a  augehören,  sondern  von  einem  Sohne  des    Vrishabhasvd- 


')  Ueber  die  Bedeutung  dieses  Worfps,  s.   h'nlpttsvh'd .  S.  91, 


36  Weber,  über  das   Qairnnjaya  Mdhdtmyam. 

min,  Kxiru  genannt,  direct  abgeleitet  werdenl  Nach  Kuni  sei  da«; 
Kuruxetram  benannt,  wie  nach  seinem  Sohne  Hastin  die  Stadt 
Ilastind'pura.  Zu  den  Nachkommen  des  Hastin  gehörte  Vigvavtrya, 
ebenso  Sanaikumara  (der  vierte  Cakravartin]  sowie  ^dnti,  Kunthu, 
Ära,  welche  zugleich  ttrthakrit  [Iß^'^  bis  18'^'"  Jina)  und  cakradhara 
(iiinfter  bis  siebenter  cakravartin)  waren  (s.  Hemacandra  693) ,  ferner 
Indraketu,  Ktrtiketu,  Vairikuldntakrit  (oder  ist  dies  ein  Beiwort,  nicht 
nomen  proprium?),  Qabhavtrya,  Simrya,  Anantavtrya,  dessen  Sohn 
Kritavirya,  und  der  (achte)  cakrabhrit  Subhüma.  Nachdem  dar- 
auf noch  unzählige  Fürsten  vorüber  waren,  ward  (^dmtanu  geboren 
—  fortab  stimmt  Alles  so  ziemlich  —  der  Vater  des  Gdngeya 
Bhishma  von  der  Gangd ,  des  Citrdngada  von  der  Satyavati,  und 
des  Vicitravirya.  Letzterer  hatte  (v.  483 — 84.)  1-  von  der  Ambikd 
den  blindgebornen  Dhritardshtra ,  Gemahl  der  Gdndhdri  und  ihrer 
sieben  Schwestern  (v.  640.),  Vater  des  Duryodhana  (v.  749),  2.  von 
der  Ambdia  den  Pdndu ,  durch  die  Kunti  und  Madrt  (v.  639.)  Va- 
ter der  fünf  Pdndava  (v.  743  ff.) ,  nnd  3.  von  der  Ambdlikd  den  Vi- 
dura,  Gemahl  der  Kumudini,  Tochter  des  Devakanrijm  (v.  642). 


Cap.  XI.  (416  vv. )  bis  135^:  ° Raivatdcalamdhdtmye  Pdndava- 
dyutakriddvanavasddivarnano  näma,  schildert  das  Würfelspiel,  das 
Waldleben  etc.  der  Pdndava. 

In  der  Anrufung  in  v.  1.  ist  Nemi  ausdrücklich  als  22.  Arhant 
bezeichnet,  wie  wir  X,  320  den  Suvrata  als  zwanzigsten  genannt 
finden.  —  Der  Inhalt  stimmt  im  Ganzen  zum  M.  Bhdrata;  nähere 
Notizen  fehlen  mir  leider. 


Cap.  XII.  (664  vv.)  bis  148'^.  ° Raivatdcalamdhdtmye  Pdndavddi- 
san  grdmavarnano  ndma,  schildert  den  Kampf  der  Pdndava  etc. 

Beginnt  mit  der  Rettung  des  Duryodhana  aus  der  Gewalt  des 
Vidydbhrit-Kömgs  Citrdngada,  der  jenem  vergebens  verboten  in  den 
DvaitaSee  im  Dvaitavanam,  wo  derselbe  den  Pdndava  nachstellend 
sich  gelagert  hatte,  hineinzugehen,  und  ihn,  als  er  dies  eben  doch 
that,  nebst  seinen  Brüdern  mit  sich  fortschleppte.  Ihre  Frauen  wenden 
sich  klagend  an  Yudhishthira,  und  flehen  ihn  an  als  Sohn  des  Dharma  die 
Beleidigungen  Jener  zu  vergessen  und  Mitleid  mit  ihnen  zu  haben.  Arjuna 
befreit  sie  dann  auf  den  Befehl  des  Yudhishthira  durch  Besiegung  des 
Citrdngada.  Duryodhana  ist  aber  dann  noch  ungezogen,  grüsst  den 
Yudhishthira  nicht,  wird  jedoch  mit  Gewalt  gezwungen,  sich  zu  ver- 
neigen, worauf  ihn  jener  umarmt  und  gütig  entlässt.  —  Die  Pdn- 
dava sind  also  hier  als  Muster  der  Jaina -Ethik  aufgestellt. 

Tod  des  Jardsandha  (v.  652.) 


Weber,   über  das   ^atrunjai/a  Mä/iätmi/am.  37 

Cap.  Xlll.  ( 720  vv. )  bis  165"^.  ^riNemidtxdjndnanirvdna- 
Pdndavoddhdrddivarnano  (dvärd  °Cod.j  7idma  schildert  die  Weihe, 
Weisheit  und  das  nirvdijam  des  Nemi,  so  wie  die  frommen  Stiftun- 
gep  etc.  der  Pdndava. 

Krishna  und  dessen  Frauen  geben  sich  (v.  83  ff.j  viele  Mühe, 
in  Nemi  Liebesgedanken  zu  erregen:  es  vertritt  Ersterer  hierbei 
eine  ziemlich  lüsterne  Lebensanschauung,  und  erscheint  mit  allen  den 
Epithetis  versehen,  welche  ihm  speciell  auch  bei  den  Brahmanen 
zukommen,  wie  er  denn  geradezu  auch  Vishnu  genannt  ( v.  99. 
318.)  wird:  so  farwgm  87,  (^drngapdni  SQ,  Hari  90,  Gadddhara  111, 
Hrishtke^a  105,  Acyuta  106,  Govinda  108,  112,  Pitdmbara  86.  Auch 
seine  16000  Frauen  (vrgl.    Vishnu  Pur.  578)  werden  erwähnt. 

Nach  langem  Sträuben  geht  Nemi  darauf  ein  zu  heirathen,  und 
Krishna  sucht  ihm  selbst  eine  Frau  aus,  Rdjimati,  die  Tochter  des 
Ugrasena  108.  Beschreibung  der  Hochzeit  120  ff.,  die  indess  frucht- 
los bleibt.  Nach  einem  Jahre  schon  pilgert  Nemi  zu  den  Uttarakimc 
v.   173  (drohanavidhim  vyadhdt] 

Prophezeihung  des  Nemi  (v.  320 — 405.)  über  die  2000  Jahre 
nach  seinem  Nirvdnam  durch  einen  Kaufmann,  Namens  Ratna,  un- 
ter Anweisung  der  Ambd,  in  Aussicht  stehende  Herbeiholung  und 
Verehrung  seiner  Statue  nebst  Tempel  auf  dem   Raivata  u.  s.  w. 


Cap.  XIV.  (343  vv.)  bis  172*».  (^ri  Pdr^vandthddimahdpurusha- 
saccaritavarnano  ndma,  schildert  den  reinen  Wandel  des  Pdr^vandtha 
(vorletzten  Jina,    Vira's  Vorgänger)   und  anderer  Grossmänner.' 

Zunächst  bis  v.  97.  die  Geschichte  des    Pdr^vaiidtha^). 

Dem  König  A^ase7ia  in  Vdndrasi  (sie!)  ward  von  seiner  Gattin 
Vdmd  nach  den  üblichen  vierzehn  Träumen^)  der  Jine^vara  Pdrgva 
geboren  (v.  2 — 9.),  der  sich  dann  später,  des  V^aters  Wunsch  gemäss, 
mit  Prabhdvati,  Tochter  des  Königs  Naravarman,  vermählte  (v.  11.) 
Einst  rief  er  einen  Wander -Asketen  Katha,  der  dem  Systeme  der 
Leichenbusse  folgte  ("?),  von  seiner  Vorweisung  (?)  einer  durch 
Rauch  gequälten  Schlange  zurück.  Die  Schlange,  von  den  Flammen 
umwallt,  ihren  Geist  aufgebend,  ward  durch  den  Anblick  des  Pdri^na 
(vrgl.  I,  4)  als  ^vabhrapati  ('iVog^a-Fürst)  unter  dem  Namen  Dharana 
wiedergeboren^),  der  Katha  aber  als  e^xu  AsuraMeghamdlin[\.  12  —  14). 


')  Colebrooke  und  Stevenson  halten  ihn  für  den  wirklichen  Stifter  des 
Jainathums,  was  wohl  zu  viel  der  Ehren  ist. 

'^)  Ueber   diese   vierzehn   Träume,    welche  „the   niothcr   of  an  ArhaV 
sieht,  vrgl.  Kalpasütra  S.  25.  2().  42 — 52.  65.     Als  fünfzehnter  kömmt  auf 
dem  Frontispice  von  Stevenson's  Ausgabe    Tri<;ald  selbst  hinzu.     Bei   Wil- 
son Mack.  Coli.  I,  148  sind  es  sechszehn  Träume:  ebensoviel  bei  den  Bud 
dlüsten,  s.  Hardy  Manual  303. 

•)  und  sein  treuer  Diener,   s.  im  Verlauf.     Daher  schreibt  es  sich,  dass 
l'rlr<;vci  die  Schlange  als  Kmblem  führt  (v,  1.  und  Hemac.  48),  und  die  Aus- 


38  Weber,  über  das   Qatrunjaya  Mdhdtmyam. 

Nach  Verlauf  seines  30.  Lebensjahres  erfasste  den  Herrn  [Pdr^a) 
Sehnsucht  nach  der  Weihe,  die  er  mit  300  (tri^att)  Fürsten  zugleich 
erhielt.  Die  erste  Kasteiung  i)  hielt  er  im  Kddambari  -  Walde  auf 
dem  Kaligiri,  am  Ufer  eines  Teiches  (v.  19).  Der  yl//ga  -  König, 
der  dahin  kam,  sich  ihm  zu  verneigen,  traf  ihn  nicht  mehr;  ihn  zu 
trösten  machten  die  Götter  eine  neun  hasta  grosse  Gestalt  (Statue) 
des  Herrn.  Der  Äiigaräja  stiftete  daselbst  einen  Tempel,  der  von 
der  Zeit  ab  unter  dem  Namen  Kalikundam  bekannt  und  seiner 
heiligenden  Eigenschaften  wegen  berühmt  ist  (bis  v.  30.)  Die 
nächste  Kasteiung  hielt  der  Herr  in  ^wajmri  (s.  I,  382)  im 
Kau^ämbaka-W aide.  Dharana  (der  iVag-a-Fürst)  kam  schnell  herbei, 
um  ihn  zu  verehren,  und  hielt  seinen  ausgebreiteten  Nacken  (phana) 
über  ihn  als  Sonnenschirm.  Davon  erhielt  die  Stadt  Ahichatrd  den 
Namen  (v.  31 — 35).  Bei  dem  Aufenthalt  des  Herrn  in  Rdjapura  kam 
I^varabhüpa  verehrend  zu  ihm,  erfuhr  von  ihm  seine  frühere  Ge- 
burt, und  baute  daselbst  einen  hohen  Tempel,  errichtete  auch  in 
Erinnerung  an  seine  eigene  frühere  Geburt  eine  Hahn -Statue  ,  seit 
welcher  Zeit  das  ttrtham  „kukkidegvaram"^  heisst  (v.  36 — 40).  Bei  einer 
weiteren  Kasteiung  des  Herrn  suchte  ihn  vergeblich  Kathdsura  (der 
ihm  schon  in  zehn  Geburten  Feind  gewesen  war)  durch  Gewitterstür- 
me und  Regengüsse  zu  erschrecken  und  in  seiner  Andacht  zu  stören. 
Gegen  die  zum  Schutze  des  Herrn  von  Dharana  ausgesandten  Die- 
ner musste  er  (Meghamdlin)  vielmehr  bei  Pdr^va  Schutz  suchen, 
und  ward  fortab  mit  Dharaija  selbst  sein  treuer  Diener  (v.  41 — 62). 
Tm  Kdsivana  erreichte  dann  der  Herr  am  84.  Tage  die  wahre  Er- 
kenntniss  ( kevalam,  s.  Kalpasütra  S.  90)  und  begann  dann  sein 
Predigtamt.  A^vasena  und  andere  Fürsten,  Vdmdy  Prabhdvati  und 
andere  Frauen  wurden  Asketen,  Hastisena  u.  A.  mit  ihren  Frauen 
schlugen  den  richtigen  Pfad  ein,  Aryadatta  etc.  waren  seine  zehn 
Weisen  (süri).  Er  zog  auf  der  Erde  herum,  überall  wo  sein  Fuss 
sich  niederliess ,  Heiligthümer  schaffend  (bis  v.  69).  So  kam  er 
auch  nach  dem  ^atriivjaya,  dem  t^V^Äa-herrlichsten,  wo  er,  wie  der 
erste  Arhant  dessen  Hoheit  pries.  Auch  auf  dem  Raivata  und 
den  übrigen  Spitzen  hielt  sich  der  Herr  der  Dreiwelt  auf  und 
kehrte  dann  nach  Kdsi  zurück.  Vor  Hastisena,  seinem  Verwandten, 
und  vor  den  surendra,  die  zu  ihm  herbeikamen  (v.  73.),  begann 
er  darauf  mit  seiner  alle  Sprachen  gleichzeitig  umfassenden  Stimme 
eine  Predigt  zum  Lobe  des  (^airunjaya  (bis  v.  83.)  Hastisena  Hess 
sich  darauf  von  ihm  zum  samghapati  weihen  und  pilgerte  zum  fatr., 
auf  allen  Spitzen    daselbst  neue  caitya  errichtend :    ebenso  auf   dem 


spräche  seines  Namens  gegen  Schlangengift  hilft  I,  331.  Sein  Name  Pdrgva 
selbst  kam  davon  (v.  9.),  dass  seine  Mutter,  als  sie  mit  ihm  schwanger 
war,  an  ihrer  Seite  (pär^ve)  eine  Schlange  kriechen  sah  (sarpam  sar- 
panlani.) 

0  so  ist  wohl  kdyotsarga(r.  31.  319.)  zu  verstehen?  vrgl.  „ncglected hts 
bod(,'';  Kalpasütra  S.  86. 


Weber,    über  das  ^airunjaya  Mdhdtmyam.  39 

Candraprabhäsa  (s.  254),  ^ngaüa^)  und  Girindragiri  (v.  89),  über- 
all reiche  Geschenke  gebend,  worauf  er  dann  nach  Kdst  zurück- 
kehrte  (v.    91). 

„In  die  Schaar  der  vratin  (sonst  auch  dcdrya,  sddhti,  yaii)  des 
Herrn  fanden  20,900  Männer  Aufnahme,  in  die  der  vratint  (sonst  auch 
sddhvt)  38000  Frauen,  164000  war  die  Zahl  der  <;rdvaka,  349,100  (oder 
377,000?)  die  der  frdüi/:«."  —  Der  weibliche  Theil  ist  hier^) 
also  bedeutend  überwiegend,  was  in  der  That  von  Interesse  ist! 
Die  Zahlen  selbst  sind  an  und  für  sich  für  eine  siebzigjährige  Wirk- 
samkeit (25550  Tage)  nicht  gerade  zu  sehr  übertrieben —  es  kä- 
men auf  jeden  Tag  etwa  22  Bekehrte — indessen  sind  sie  doch  wohl, 
wie  am  Ende  der  ganze  Pdr^va  selbst,  aus  der  Luft  gegriffen. 

Nachdem  der  bhagavant  100  Jahre  gelebt  (die  Welt  geschützt) 
hatte,  begab  er  sich  auf  den  Sammeta- ^aila^)  und  ward  daselbst  durch 
monatliches  Fasten  erlöst,  nirvrittah  (vrgl.  nirvritti  =3  nirvdnam  in  v. 
290).  Auch  ^rt  Hastisena  übergab  seinem  Sohne  die  Regierung 
und  zog  sich  auf  den  ^atrunjaya  zurück  (97). 

„Nun  habe  ich  dir",  fährt  Vira  fort,  „o  Surardja,  von  den 
vollendeten  Muni  und  sainghapati,  welche  eifrig  zur  </rMa- Errich- 
tung waren,  erzählt.  Höre  du  nun  auch  von  denen,  welche  nach 
uns  kommen  werden,  bis  zum  ehdnta  mahddiihkhin'^)  hin"  (v.  98). 
—  Diese  Prophezeihung  (alle  Verba  im  Futur)  geht  bis  324?  wo 
sich  ein  Lob  des  (^atrunjaya  Puiidarika  bis  335  anschliesst:  dasselbe 
bildet  auch  den  Inhalt  von  v.  99,  der  den  Uebergang  zur  Prophe- 
zeihung  macht.      Diese   beginnt    erst   in    v.   100: 

„  Wenn  wir  den  Vaibhdra  erlangt  haben ,  wird  auch  Fürst 
^reiiilca ,  auf  unser  Wort  eine  Wallfahrt  unternehmend ,  caitya 
dort  (auf  dem  ^atrimjaya? )  und  in  der  Stadt  [ —  errichten?" 
Das  Verbitm  finitum  fehlt,  da  wir  doch  v.  100  kaum  mit  v. 
101  konstruiren  dürfen!  Es  fehlt  also  wohl  ein  Vers  in  der  Hand- 
schrift?] Der  Sinn  des  Verses  scheint  der  zu  sein,  den  Qrevikn, 
Freund  des  J^ka,  (s.  oben  S.  2.  und  3.)  dem  Hastisena,  Freunde 
des  Pdr^va  gleichzustellen:  wie  dieser  sich,  nach  Pdr^va's  Hingang 
auf  den  Sammetddri,  seinerseits  auf  den  Qatrunjaya  zurückgezogen 
habe,  so  werde  auch  Qrenika  nach  Vira's  Hingang  aiif  den  Vai- 
bhdra (T,  345)  dasselbe  thun.  Das  Kalpasutra  indessen  weiss  nichts 
von  einem  solchen  Hingang  auf  den  Vaibhdra,  sondern  lässt  den 
Vira  in  Pdpapuri  sterben  (Stevenson  S.  91.,  Colebr.  II,  215);  sollte 


^)  über  einen  andern  Berg  dieses  Namens,  s.  Wilson  Vif>hnii  Pur.  180 
not.,  Verz.  d.  Berl.  Sskr.  Hdschr.  S.  347. 

'0  ebenso  wie  im  Kalpasillra  S.  93  bei  der  Aufzälilung  von  Vira's 
Schülern,  wo  auch  30000  female  ascetics  ge«;enüber  14000  male  ascetics, 
und  318,000  female  lay  adherents  {gegenüber  I5i),000  male  lay  adherents. 

')  s.  r,  345.  3r)8  Colebrooke  11,  212.  213.  Nach  Stevenson  Kalpa- 
siUra  S,  98  =^  Shilcar:   meint  er  damit  etwa  den  {'ikhatiu  (1,  294)? 

')  H(Mnn<:.   131    clidnladalii.haiitd. 


40  Weber,  über  das   Qatranjaya  Mähdtmyam. 

vaibhäram  „Entlastung"  etwa  appellativisch  im  Sinne  von  nirvanam, 
miikti  zu  fassen  sein?  Dieser  Begriff  ist  es  jedenfalls  wohl  auch, 
der  dem  Berge  selbst  den  Namen  gegeben  hat, 

„Drei  Jahre,  8V2  Monat  nach  unserm  nirvdna,  o  ^akra,  wird 
der  das  Gesetz  verwirrende  imncamdra  eintreten  (v.  101)."  —  Wir 
begegnen  diesem  sonst  noch  nicht  belegten  Ausdruck  wieder  in  171. 
313.  Nach  Colebrooke's  Angabe  II,  215,  dass  Vira's  Tod  „is  dated 
three  years  and  eight  and  a  half  months  before  the  close  of  the 
i'ourth  age  (called  Diihkhamä  Sukhamd)  in  the  great  period  avasar- 
inni'^'-,  müsste  dieses  Ereigniss,  der  Schluss  der  vierten  Speiche,  oder 
vielmehr  das  Eintreten  der  fünften  Speiche,  resp.  wohl  diese  selbst 
unter  pancamdra  verstanden  werden:  was  folgt,  fiele  somit  in  die 
fünfte  Speiche  Duhshamd,  oder,  wie  sie  hier  v.  165  genannt  wird, 
(vrgl.  oben  S.  21)  Diihkhamd.  Nach  v.  313  indessen  (und  auch  v. 
171  passt  dazu)  scheint  es  eher,  als  ob  pa/icamara  die  Zwischenzeit 
bis  zur  fünften  Speiche  hin  bedeute,  da  diese  letztere  in  v.  314  aus- 
drücklich als  hinter  dem  pa??camara/:a  folgend  genannt  wird. 

„466  Jahre  45  Tage  darauf  wird  Vikramdrka  diese  Erde 
nach  der  Unterweisung  des  Siddhasena  der  Jinalehre  gemäss  ent- 
sühnen und  meine  Aera  verdrängend  die  seinige  einführen"  (v.  102 
— 103).  —  Ueber  diese  höchst  interessante  Angabe  s.  das  in  der 
Einleitung  Gesagte.  Es  ist  dies  die  älteste  dgl.  Erwähnung,  doch 
erhellt  hieraus  (vergl.  Z.  D.  M.  Ges.  XII,  188)  „weder,  ob  die  Safu- 
vat-,  oder  ^aka- Aera  gemeint  ist,  noch  folgt  daraus  irgendwie, 
dass  die  neue  Aera  des  Vikramdrka  mit  dessen  Regierungszeit 
begonnen  habe"  :  denn  auch  die  Angaben  in  v.  280  und  286 
können  sich  wohl  nur  auf  obiges  Datum  jenes  Verdrängungs-, 
resp.  Einführungs- Actes  beziehen,  nicht  auf  den  Beginn  der  Aera 
selbst.  —  Hierauf  folgt  eine  lange  Geschichte  (bis  280)  von  einem  from- 
men Kaufmann  Bhdvada,  seinem  Sohn  und  Enkel.  Derselbe  lebte 
in  Kdmpilyajnira ,  gewann  durch  Pferdezucht  viel  Reichthum  und 
erhielt  für  ein  grosses  Geschenk  gleichfarbiger  Pferde  an  Vikramdrka 
(124)  von  demselben  die  Stadt  Madhiimati  {Dagakum.  158,  5)  nebst  12 
andern  Städten  im  S  aurds  htramandala  (126)  :  gleichzeitig  damit  auch 
von  seiner  Gemahlin  Bhdvald  einen  Sohn,  den  er  Jdvada  nannte 
(132).  Zum  Dank  dafür  baut  er  dem  Vira  einen  Tempel  (135. 
136.)  in  einer  neu  erbauten  nach  Jdvada  benannten  Stadt.  Als  der 
Knabe  gereift,  schickt  Bhdvada  seiner  Frau  Bruder  nach  Kdmpilya, 
um  dort  eine  Frau  für  ihn  zu  suchen  (139).  Untervi^egs  am  Fusse 
des  ^atrunjaya  in  Ghatdgrdma  übernachtend,  sieht  derselbe  die 
Sugild,  Tochter  des  Süra,  eines  Kaufmannes  aus  guter  Familie  und 
wirbt  um  sie  für  seinen  Neffen.  Das  Mädchen  stellt  zur  Bedin- 
gung die  Beantwortung  von  vier  Fragen,  die  sie  dem  Jdvada  stel- 
len werde:  sie  betreffen  die  Definition  der  vier  ,,purushdrtha,  Men- 
schenzwecke", des  dharma,  artha,  kdma  und  moxa  (154)  und  werden 
glückhch  von  demselben  gelöst  (159),  worauf  die  Hochzeit  stattfindet 
(161).  Nach  Bhdvada'sTode  übernimmt  Jdvada  die  Regierung  (164). 


Weber,   über  das   (^atrmijafja  Mdhdtmyam.  41 

Nun  folgt  ein  höchst  merkwürdiges  Intermezzo  (165 — 67). 

„Wegen  der  Macht  des  DwÄsAam«- Zeitalters  wird  die  Macht 
der  Mudgala  mit  Gewalt,  wie  ein  Meerstrom,  die  Erde  iiberflu- 
thend  ergreifen.  Kühe,  Getreide,  Reichthümer,  Kinder,  Frauen, 
mittlere,  niedrige  und  hochgestellte  Menschen,  (in)  Saurdshtra, 
Kacha,  Lata  u.  s.  w.  mitnehmend  werden  die  Mudgala  ziehen.  Zu 
ihren  je  gewohnten  Geschäften  die  verschiedenen  Kasten  zusammen- 
rufend (auffordernd,  s.  181)  die  Mudgala  dann  viele  Reichthümer 
vertheilend  in  das  Land  ^)  bringen  werden."  —  Wer  mögen  diese 
Mudgala  sein?  Offenbar  wohl  ein  fremdes  Volk,  (andrya,  s.  v.  169. 
70.),  welches  eine  Zeitlang  über  Surdshtra  herrschte,  und  unter  dessen 
Herrschaft  sich  nach  167  das  Land  zuletzt  ganz  gut  stand.  Es  können 
damit  wohl  nur  die  Indoscytheu,  Yuaitchi,  weissen  Hunnen,  gemeint 
sein,  deren  Reich  sich  mehrere  Jahrhunderte  über  Guzerate  erstreckte, 
wo  zu  Ptolemaios  Zeit  ihre  Hauptstadt  Minnagara  lag,  die  geradezu 
mit  dem,  nach  arabischen  Zeugnissen  auch  Mdnekir  genannten  Va- 
labhi  zu  identificiren  ist  (s.  Lassen,  Indien  II,  773 — 4.  855.  871. 
III,  145.  171.  491.  532.  587  —  89.)  Woher  aber  dieser  aufiällige 
Name  Mudgala,  der  sonst  nirgendwo  in  den  indischen  Quellen  in 
drgl.  Beziehung  vorkommt^)?  Dem  Klange  nach  läge  der  Namen 
den  Mongolen  nahe,  der  aber  theils  überhaupt  in  so  früher  Zeit 
nicht  nachweisbar  ist,  theils  auch  des  Volkes  selbst  wegen  nicht 
passt:  denn  da  Bhdvada's  erste  Zeit  mit  Vikramdrka  gleichzeitig 
gesetzt  wird,  und  Jdvada  108  Jahre  nach  Vikramdrka  stirbt  (v.  280.), 
so  handelt  es  sich  hier  bei  diesem  bald  nB.ch  Bhdvada's  Tode  fallen- 
den Ereigniss ,  nach  dem  in  dör  Einleitung  über  Vikramdditya's  Zeit 
Bemerkten,  um  das  letzte  Drittel  des  zweiten  Jahrhunderts  nach 
Chr.,  in  welcher  Zeit  selbstverständlich  an  einen  Einfall  mongolischer 
Stämme  des  Namens  in  Guzerate  nicht   zu  denken  ist.  ^) 

')  zu  manda/a,  Kreis,  Provinz,  Distrikt,  Land,  8.125.  191  ,,Saurdshtra- 
mandale  und  v.  2vS5.  309.  Vrgl,  „mandalika  rdja  dependent  king"  bei  Ste- 
venson Kalpasütra  65. 

^)  Das  Wort  mudgala,  mudgara,  kommt  zwar  vor,  aber  in  der  Bedeu- 
tung „Hammer",  oder  zur  Bezeichnung  eines  /^«5/i/- Geschlechtes  ÄQval. 
(>V.  XII,  12.  In  d.en  Puräna  wird  dieses  allerdings  als  xatropeta  „with 
the  character  of  Xatriyas"  genannt,  (s.  Wilson  Vishnu  Pur.  S.  454.  Muir, 
Sanscrit  texts  185S,  S.  54),  aber  sonst  nichts  Näheres  davon  erzählt. 

•')  Sollte  nicht  aber  doch  vielleicht  in  den  Namen  ein  Zusammen- 
hang stattfinden?  —  Klaproth  hat  allerdings  den  Namen  der  Mongolen 
mit  dem  des  im  fünften  Jahrhundert  von  den  Chinesen  in  der  Mandschurei  woh- 
nend genannten  Volkes  M  u  -k  //,  später  mit  Mo  -  kh  o,  Mo-ho  wechselnd,  identi- 
ficirt:  das  l  sei  abgefallen,  wie  das  r  in  Tata,  dem  chinesischen  Namen  der  Ta- 
taren. Er  weist  auch  nach,  dass  im  zehnten  Jahrhundert  unter  der  Thang- 
Dynastie  bereits  der  Name  Munggu  oder  Munggus  vorkömmt  und  1135 
die  Mongolen  unter  ihrem  jetzigen  Namen  Mungku  oder  Mungkus  be- 
kannt sind  (Castren,  ethnologische  Vorlesungen  über  die  altaischen  Völker 
S.  37).  Nach  Schmidt's  Auffassung  einer  Angabe  des  Sanang  Ssetzen  zwar 
Ist  der  Name  Mongol  ein  Ehrennamen,  den  erst  Tschingiskhan  (l-  1227)  nach 
einem  himmlischen  Wunderzeichen  seinem  eignen  Stamme  zur  Auszeichnung  für 


42  Weber,   über  das   Qatrunjaya  Mdhdtmyam. 

Auch  Jdvacia  erwirbt  dabei  durch  Handel  grosse  Reichthümer 
(168),  vereinigt  sein  Geschlecht  an  einem  Orte,  als  ob  es  ein 
Arya-Land  wäre,  bei  sich,  und  errichtet  daselbst  dem  Vira  einen 
caitya ,  zu  welchem  die  in  den  arischen  und  nicht-arischen 
Ländern  herumziehenden  Mmä  herbeikommen  und  ehrerbietig  be- 
grüsst  werden.  Ihren  Ruf  „während  des  imricamära  ist  Jdvada  der 
tirtha-Süüer^^  hörend,  fragt  er  sie,  ob  mit  diesem  Jdvada  er  selbst 
oder  ein  Andrer  gemeint  sei  (172).  Er  erhält  zur  Antwort:  „Die 
Wächter   des  Pwidarika  wurden   mit    der  Zeit  bösartig  i);    von    be- 


seine Treue  beilegte,  wie  denn  in  der  That  der  Name  Mongol,  Mogol  vor 
dieser  Zeit  im  westlichen  Asien  resp.  Europa  noch  nicht  bekannt  ist:  frei- 
lich das  Volk  ebensowenig!  der  Name  könnte  also  unbeschadet  dessen  in 
der  Heimath  des  Volkes  selbst  begreiflicher  Weise  schon  früher  bestanden 
haben!  Dies  ist  denn  auch  Klaproth's  Ansicht,  der  mit  Recht  besonderes 
Gewicht  darauf  legt,  dass  nicht  Mongol  allein,  sondern  Koke  Mongol, 
blaue  Mongolen,  jener  Ehrentitel  bei  Sanang  Setzen  lautet,  und  der  für 
die  frühere  Existenz  des  Namens  eben  obige  Vorstufen  annimmt.  Ueber 
die  Bedeutung  des  Wortes  selbst,  über  seine  Herleitung  scheint  noch  keine 
Bestimmtheit  erlangt  zu  sein.  Schmidt  (Sanang  Setzen  S.  380)  leitet  es 
von  mong  trotzig,  unerschrocken  her;  ähnlich  Klaproth  in  den  tableaux 
historiques  S.  lb',i  „brave  et  fier";  vrgl.  auch  Hammer  Geschichte  der 
goldenen  Horde  S.  34  (nach  Hashid  eddin).  Nach  Klaproth's  eigenen 
Aeusserungen  in  der  Asia  Polyglotta  indessen  S.  260  scheint  diese  Bedeu- 
tung doch  noch  nicht  so  ganz  sicher  zu  sein.  —  Ein  Zusammenhang  mit 
dem  Namen  der  Mudjjala  nun  wäre  etwa  in  der  Weise  denkbar,  dass  in 
früher  Zeit  bis  zum  sechsten  Jahrhundert,  wo  die  weissen  Hunnen  nach 
dem  Zeugniss  des  Kosmas  noch  im  westlichen  Indien  sassen,  buddhistische 
Missionare  von  da  denselben  in  seiner  Präkrit-l^'orm  IMuggala  zu  einem  Volke 
Central-Asiens  mitgebracht  hätten,  welches  sie  diu-ch  Aussehen  und  Lehens- 
art an  die  in  ihrer  Heimath  zurückgelassenen  fremden  Eroberer  erinnerte, 
welche  ihrerseits  den  Namen  Mudgala  ,, Hammer"  von  den  unterworfenen 
Indern  etwa  ihrer  Bewaffnung  oder  ihrer  zermalmenden  Kraft  wegen  erhal- 
ten hatten.  Die  Aneignung  dieses  immerhin  einen  Ehrennamen  bildenden 
Namens  durch  jenes  Volk  selbst,  hätte  in  ähnlicher  Weise  stattgefunden, 
wie  dies  bei  dem  Namen  der  Mandschu  geschehen  scheint  und  mit  so  vie- 
len andern  buddhistischen  Namen  geschehen  ist.  Sie  wäre  vielleicht  noch 
dadurch  besonders  erleichtert  worden,  dass  einer  der  Hauptschüler  Buddha's 
und  Hauptpatriarchen  der  Buddhisten  den  Namen  Maudgalyäyana  (Pdli: 
Moggaldna ,  Moggaliputta)  führt.  —  Ich  gebe  diese  Vermuthung  natürlich 
nur  eben  als  eine  solche,  die  einstweilen  noch  auf  sehr  schwachen  Füssen 
steht.  —  Hiuen  T/isang  in  Cap.  III  des  SijuM  (St.  Julien  S.  133)  erwähnt 
übrigens  im  nordwestlichen  Indien,  in  Udijdna,  dem  Lande  der  {'äkfia  (d.  i. 
Indoscythen;  denn  die  Identität,  resp.  Verwandtschaft  mit  den  {'dJiya  des 
Ostens  ist  wohl  nur  eine  gemachte,  vrgl.  meine  Acad.  Vorles.  über  indische 
Lit.-Gesch.  249.  266)  als  Hauptstadt  die  Stadt  Moung-kie-li,  Mungaii, 
die  möglicher  Weise  mit  dem  Namen  Mudgala  in  Verbindung  stehen  könnte. 
Den  Namen  des  M audgal y dyana  freilich  giebt  er  (z.  B.  S.  211)  durch 
Mo-te-kia-io-tseu  wieder. 

^)  Es  hatte  also  wohl ,  während  der  Eroberung  durch  die  Mudgala, 
eine  Unterbrechung  des  Jainak'ultus  stattgefunden?  und  zwar  durch  einen  {Hva- 
Cultus,  s.  S.  45  not.  L  Sollte  t^wa  doch  unter  den  Mudgala  einfach  nur 
jenes  den  Ihirdna  nach  kriegerischeBrahmanengeschlecht  zu  verstehen  sein? 
Aber  wie  passte  dazu  der  Gegensatz  Von  ärya  und  andry[a  in  v.  169. 170! 


Weber ^  über  das   ^atrimjai/a  Mahdtmijam.  43 

rauschenden  Getränken  und  von  Fleisch  lebend  zogen  sie  fünfzig 
Yojana  rings  um  den  Pimdarikddri  eine  Gränze  (?) :  wer  die  über- 
schreitet, fällt  dem  bösen  Kapardayaxa  (s.  v.  246)  in  die  Hände 
(175).  Der  (^riyugddljine^vara  kann  somit  nicht  verehrt  werden: 
doch  jetzt  ist  die  Zeit  da,  ihn  wieder  zu  erheben  und  du  bist  der 
GlückUche.  Das  durch  Bahubali  gestiftete  (s.  v.  266)  Bildniss  des 
heiligen  ersten  Herrn  suche  du  durch  gläubige  Verehrung  der  Ca- 
kregvari  suri^)  zu  erhalten"  (177).  Nach  einer  monatlangen  Busse 
erscheint  ihm  dann  auch  dieselbe  (180)  und  weist  ihn  an,  nach 
der  Stadt  (dranga)  Taxa^ild  zu  gehen,  und  dort  sich  mit  dem 
Fürsten  Jaganmalla  zu  verständigen:  er  werde  daselbst  vor  dem 
dharmacakram  das  Bild  des  Arhant  (drhatam  bmbam)  erblicken,  und 
durch  ihre  Gnade  einen  grossen  tirtha,  das  Mark  der  sudharmau 
(Rechtgläubigen)  ins  VVerk^)  setzen  (182).  Es  glückt  ihm  auch  In- 
der That,  durch  Geschenke  die  Gunst  des  Fürsten  von  Taxa^üd  so 
weit  zu  gewinnen,  dass  derselbe  die  Wegführung  des  Bildes  des 
Rishabhasvdmin  nebst  den  beiden  Pundarika  (s.  I,  499)  zu  AVagen 
gestattet,  und  er  kommt  glücklich  damit  im  Saurdshtra  mandala  bei 
seiner  Stadt  Madlmvati  an  (191).  Er  hatte  früher  mit  Gütern  be- 
ladene  Schiffe  zu  den  MaAacm«,  Cina  und  Bhota  geschickt  ^j:  diesel- 
ben waren  durch  Stürme  nach  der  Goldinsel  SvaTnad(v)?pa  ver- 
schlagen worden ,  und  kamen  jetzt  gerade,  alle  achtzehn,  mit  Gold 
beladen  zurück.  Ein  Bote  nun  meldete  dem  Jävada,  als  er  die 
Nähe  der  Stadt  erreicht  hatte,  die  Ankunft  dieser  Schiffe  nach 
zwölfjähriger  Abwesenheit:  ein  anderer  aber  die  Ankunft  des  Qri 
Vajrasvdmm^).  Ohne  jene  zu  beachten,  eilte  er  diesen  zu  begrüssen. 
Als  er  noch  eben  im  Anschauen  des  Vajra  versunken  war,  stieg, 
die  Himmelsgegenden  erhellend,  wie  einen  Blitzstab  in  der  Luft  zei- 
gend, vom  Himmel  ein  Gott  hernieder  und  verneigte  sich  vor  dem- 
selben, also  sprechend  (201):  „Herrlich  war  vormals  der  Sohn  des 
Sukarinan,  des  Herrn  von  Ttrthamdnapura ,  Kapardin  genannt,  un- 
gezähmt  berauschenden  Getränken  ergeben.  Höre,  wie  ich  durch 
dich  gerettet  ward,  durch  meine  Sünde  in  die  Tiefe  stürzend. 
Einst  sass  ich  im  Söller  auf  lieblichem  Sitze  von  den  Frauen 
umgeben  und  schlürfte  Kadambari -Wein.     Als  ich  den  Becher  zum 


^)  Es  ist  dies  die  {^dsanadevi  des  ersten  Jina,  Hemac.  41.  (Auch  eine 
der  1()  vidyddevyas  heisst  so  Hemac.  239.) 

-)  Hiernach  fand  also  die  Restauration  des  Jainakultus  in  Surds/tira  von 
TaxaQÜd  am  obem  Indus  aus  statt,  eine  überraschende  Nachricht.  Tliuen 
Thsanrj  fand  in  der  That  in  Taxagild  (Julien  I,  450,  IJ,  152)  nur  „la 
doctrine  du  grand  vehicule"  vor,   übrigens  bereits  auch  im  Verfall. 

^)  Die  bis  jetzt  älteste  Envähnung  vom  Seehandel  der  Inder  mit  China! 
Zu  den  Bhola  (Tübet!)  freilich  kann  man  nicht  zur  See  gelangen. 

^)  Vajra  is  der  Name  des  letzten  der  sieben  Davapilrvin,  Hemac.  34 
(vgl.  schol.  bei  Böhtlingk-Rieu  S.  239),  der  somit  hiernach  in  das  letzte 
Drittel  des  zweiten  Jahrhunderts  p.  Chr.  fallen  würde. 


44  Weber,   über  das   ^atnmjaya  Mdhdtmyam. 

Munde  führend  deines  Namens  gedachte,  liess  eine  in  den  Klauen 
eines  Vogels  in  den  Lüften  sich  krümmende  Schlange  ihr  Gift  ge- 
rade hineinfallen  (207),  ohne  dass  ich  es  merkte  i).  Ich  trank  und 
durch  das  Gift  schwand  mir  die  Besinnung,  doch  gedachte  ich  der 
hohen  Formel^)  beständig  dich  erschauend.  Mein  Laster  immer  mehr 
tadelnd,  deiner  stets  gedenkend,  die  Formel  auszusprechen  mich 
bemühend,  starb  ich,  und  ward  unter  den  Yaxa  so  wieder  ge- 
boren. Ich  heisse  jetzt  Kapardi-  Yaxa^),  bin  von  100,000 
Yaxa  gefolgt ,  alles  auszuführen  im  Stande.  Herr ,  sage  mir, 
was  ich  thun  soll."  Vajrasvdmin  erzählt  darauf  von  der  Ho- 
heit des  Siddhädri  (  ^atrunjaya )  und  ermuntert  den  Jdvada  zu 
seiner  Wallfahrt  dorthin  und  zur  tirtha-ErnchUmg  daselbst,  er  und 
der  Yaxa  würden  ihm  beistehen;  durch  einen  Blick  heilt  er  zugleich 
Jayamati  die  Gemahhn  des  sainghega,  {Jdvada),  welche  die  bisheri- 
gen Wächter  des  Siddhabhubhrit  krank  gemacht  hatten.  In  der  That 
gelingt  es  auch,  den  Widerstand  der  Dämonen  zu  brechen^),  und 
den  ^ailendra  mit  dem  Bilde  des  Bhagavant  zu  besteigen.  Man 
findet  den  Berg  durch  Blut  etc.  verunreinigt,  die  Tempel  einge- 
fallen, voll  Staub,  den  Winden  preisgegeben.  Die  Nacht  benutzen 
dann  die  Dämonen,  den  Wagen  mit  dem  Bilde  des  Herrn  wieder 
vom  Berge  herab  zu  bringen.  Tags  darauf  wird  er  zwar  durch 
Jdvada' s  Leute  wieder  hinaufgeschafft,  folgende  Nacht  aber  wieder 
hinunter.  So  21  Nächte  hindurch:  bis  Vajrasvdmin  die  Anord- 
nung trifft,  dass  der  Yaxa  mit  den  Seinen,  die  Glieder  gestählt 
durch  die  Formel  des  Vajra,  in  der  Lnft  Wache  hält,  Jdvada  sich 
mit  seiner  Frau,  zum  Adijina  betend  und  der  fünf  Parameshfhi 
gedenkend,  unter  dem  Wagen  neben  die  Räder  schlafen  legt,  und 
er  selbst  mit  dem  ganzen  samgha,  Kindern  und  Frauen  bis  zum 
Morgen  bei  dem  Bilde  bleibt,  des  Adijina  gedenkend.  Am  Morgen 
(245)  bringen  sie  dann  das  Bild  glücklich  zum  Tempel  hin,  und 
sorgen  zunächst  für  die  Reinigung  und  Entsühnung  des  Heilig- 
thums^).  Der  frühere  Kapardiii  (s.  v.  175)  hält  sich  erzürnt,  von 
einigen  Asura    umgeben,    im    Innern    der   frühern  Statue    versteckt. 


')  Dieselbe  Geschichte  in  der  VetdlapancavtnQati  und  im  Syntipas,  s. 
Ind.  Stud,  III,  350.  Einen  ähnlichen  Vorgang  ,,saw  the  poison  of  a  snake 
fall  into  the  rice  and  milk"  s.  in  der  Einl.  des  Kalpasülra  S.  12. 

'^)  Es  muss  dies  ein  von  Vajra  erdachter  mantra  sein,  der,  vrgl.  v.  236., 
y,vajravad  abhedya"  macht. 

^)  gleichnamig,  nicht  identisch  mit  dem  v.  175.  246  Genannten. 

'*)  Vajra  vertreibt  die  von  ihnen  geschaffenen  Wolken  durch  Wind,  ih- 
ren Wind  durch  Berg,  ihren  Berg  durch  Keile  {pavind,  Randglosse,  vajra), 
ihre  Elephanten  durch  Löwen,  ihre  Löwen  durch  den  ^arabha,  Feuer  durch 
Wasser,  Wasser  durch  Feuer,  Schlangen  durch  Vögel."  —  Für  den  ersten 
Theil  dieser  Mittel  vrgl.  Paiicat.  III,  Li,  wonach  das  Ind.  Stud.  Ill,  345 
Gesagte  zu  modificiren  ist. 

^)  dies  ist  die  I,  277  erwähnte  neue  Einrichtung  des  Tempels. 


( 


Weber,   über   das  Qaininjaija  Mdhatimjam.  45 

und  als  nun  Jävada  dieselbe  heraus,  die  neue  feste  hineinschaff'en 
lässt,  wird  der  ^*ura -Schwärm  zwar  durch  die  Sprüche  des  Va- 
jrasvämin  festgebannt,  so  dass  er  nicht  auf  jenen  losstürzen  kann, 
stösst  aber  ein  so  furchtbares  Geschrei  aus,  dass  die  Erde  mit  den 
Bergen  wie  eine  Meereswoge  schwankt,  Bäume  und  Tempel  umstür- 
zen, der  Berg  selbst  in  zwei  Stücke,  ein  südliches  und  ein  nörd- 
liches sich  spaltet,  und  alle  Leute,  ausser  Vajra,  Jävada  und  seiner 
Gattin,  die  Besinnung  verlieren.  Auf  Vajra's  Anweisung  nimmt  da 
der  Yaxa  Kapardiii  den  vajra  (Keil :  oder  ist  Vajra  damit  gemeint  ?) 
in  die  Hand,  den  Asura  damit  bedrohend,  und  erschreckt  flieht  der 
frühere  Kapardiri  eiligst  an  das  Ufer  des  (najtidrd?)  Meeres,  wo  er 
im  Candraprabhdsaxetra  einen  andern  Namen  annimmt^)  (254). 

Vajra  richtet  darauf  den  neuen  Tempeldienst  ein  (bis  259). 
Jävada  steigt,  um  die  Fahne  aufzustecken,  mit  seiner  Gemahlin  auf 
die  Spitze  des  Tempels,  und  preist  sein  glückliches  Geschick,  durch 
welches  ihm  dies  schwierige  Werk  geglückt,  Vajrasvämin  sein  Lehrer, 
und  Kapardin  durch  dessen  Antrieb  sein  Beistand  geworden  sei. 
Die  Freude  hierüber  übermannt  die  beiden  Gatten  bei  ihrem  hohen 
Alter  so  sehr,  dass  ihnen  wirkhch  das  Herz  bricht;  die  Vyantara- 
Götter  nehmen  ihre  beiden  Körper  und  werfen  sie  sogleich  in  das 
Milchmeer.  Die  Cakre^vari  (s.  177.  180)  tritt  sodann  zu  dem  mit  der 
Gemeinde  harrenden  Sohne  Jdjanäga  und  zeigt  ihnen  das  Gesche- 
hene an,  sie  mit  passenden  Worten  tröstend.  Jäjanäga  aber,  die  Jina 
auf  dem  Raivata  und  den  andern  Bergen  verehrend,  überall  caitya 
errichtend,  befolgt  in  allen  Dingen  das  väterliche  Beispiel.  —  Am 
Ende  des  108.  Jahres  nach  Vikramdditya  wird  dieses  Hinscheiden 
des  Jdvada  stattfinden  (280). 

„Nachdem  einige  Zeit  dahin  gegangen,  erlangen  die  Bauddha, 
kraft  ihrer  Weisheit  die  Fürsten  beherrschend,  durch  Gegner  schwer 
zu  besiegen,  das  Uebergewicht,  beseitigen  die  andern  Systeme,  und 
vernichten,  ihre  eigene  Lehre  in  der  Welt  einführend,  alle  tirtha 
(Jaina-Heiligthümer)"  (282). 

„Da  tritt  DhaJie^vara,  der  Mond  des  Oceans  des  Mondge- 
schlechts,   der   weise  aus  allen  Göttern  zusammengesetzte^)  Lehrer 


^)  Nach  V.  89  liegt  dies  Candraprabhdsam  in  der  Nachbarschaft  des 
(^atrunjaya ,  so  dass  der  Dämon  also  doch  nicht  sehr  weit  verjagt  ward. 
Der  Name  desselben  führt  übrigens  darauf  hin,  in  ihm  eine  Gestalt  des 
^ivaismus  zu  erblicken,  vrgl.  den  /?rt.Ta.s-Namen  Mahdkdia  II,  141,  und  wir 
werden  somit  wohl  nicht  irre  gehen,  wenn  wir  in  dem  Candraprabhdsam 
geradezu  das  Prahhasaxctram  suchen,  vrgl.  MBhdr  III,  5000,  wie  nach 
Journ.  Bombay  brauch  R.  As.  See.  II,  14  im  Shdndapurdna  der  heilige 
Somanätha-Tempei  in  Surdshtra  genannt  wird.  Es  handelt  sich  hier  also 
um  einen  Kampf  zwischen  i^AiHiismtis  und  Jainathum  in  Guzerate,  in  wel- 
chem ersterer  eine  Zeitlang  siegreich  war,  bis  letzteres  sich  aus  TaxaQÜd 
frische  Kräfte  holte. 

^)  Der  Dichter  scheut  sich ,  wie  man  sieht,  nicht,  sich  selbst  möglichst 
auszustaffiren. 


46  Weber,  über  das  ^atrimjaija  Mdhdtmyam. 

auf,  unterrichtet  den  ^ildditya,  Herrn  der  Stadt  Valablii,  in  der 
reinigenden  Jinalehre,  lässt  durch  denselben  die  Bauddha  aus  dem 
Lande  vertreiben,  und  eine  Menge  caitya  an  den  verschiedenen 
ttrt/ia  errichten.  477  Jahre  nach  Vikramdrka  lebt  ^Udditya ,  der 
das  Gesetz  zu  neuer  Blüthe  bringende"  (bis  286). 

Hier  sollte  nun  rechtmässiger  Weise  die  Prophezeiung  des 
Vira  schhessen ,  da  er  doch  nicht  gut  von  Dingen  berichten 
kann ,  die  hinter  der  Zeit  des  Verfassers  kommen  werden.  Trotz 
dessen  folgt  noch  bis  v.  324  manche  gewiss  historische  Angabe, 
die  wir  nur  eben  theils  für  die  Gegenwart,  theils  für  die  Vergan- 
genheit werden  umsetzen  müssen,  wie  grosse  Ansprüche  an  die 
Zukunft  (in  v.  290  ist  von  1914  Jahren  nach  Fzm,  also  967  Jahren 
nach  ^Udditya,  resp.  Dhane^vara  die  Rede!  und  in  v.  305  kommen 
noch  86  dazu)  sie  auch  erheben  mögen.  —  Oder  wir  müssten  diese 
Verse  sämmtlich  für  eine  spätere  Zuthat  erklären ,  was  natürlich 
sehr  gewaltsam  wäre. 

„Danach  aber  werden  Kumdrapdla,  Bdhada,  Vastupdlavid  (?va- 
5rw°  Cod.)  die  ersten  im  Kampfe  sein,  mächtig  in  diesem  Lehr- 
system (287).  —  Die  Fürsten  werden  (dann)  Mlecha  sein,  ihre 
Minister  habsüchtig,  die  Leute  aber  von  ihren  Gebräuchen  weichend, 
und  einander  zu  betrügen  suchend  (288)." 

Unter  Kumdrapdla  könnte  der  (Cdlukya)  Caulukya-Fnrsi  ge- 
meint sein,  den  Hemacandra  712.  713  aulführt?  oder  sollte  derselbe 
nicht  vielmehr  damit  den  ihm  nach  Wilson  Sanskr.  Dict.  first  edit. 
pref.  S.  XXXin  not.  gleichzeitigen  Fürsten  meinen,  der  seiner- 
seits daselbst  2500  Jahre  nach  Pdrgvanatha  gesetzt  wird?^)  Wil- 
son im  Lexicon  führt  Kiimdrapdla  als  Namen  des  ^dlivdhana,  wie 
eines  „Königs,  in  Guzerate^'-  an;  unter  letzterem  ist  aber  eben 
wohl  jedenfalls  der  spätere,  dem  zwölften  Jahrhundert  (1144 — 73, 
nach  Lassen  HI,  567)  angehörige  Fürst  (Hemacandra's  Patron)  ge- 
meint, der  hier  natürlich  nicht  in  Betracht  kommen  kann.  In  der 
Inschrift  im  Journ.  Bombay  Br.  R.  As.  Soc.  II,  18,  scheint  dagegen 
ein  Kumdrapdla  als  der  Stifter  des  C/mWA'?/a- Geschlecht  genannt  zu 
sein  (vrgl.  J^assen  III,  564  not.),  welches  letztere  nach  ibid.  11,  9. 
in,  205,  Journ.  Royal  As.  Soc.  London  V,  343.,  inschriftlich 
bereits  ^ake  4:11  A.  D.  489  nachgewiesen  ist.  —  Zu  Bdhada  weiss 
ich  gar  nichts  anzuführen,  und  mit  Vas  tupdlavid  kann  der  Minister 
Vastupdla,  der  auf  den  viritifZa-Inschriften  (Wilson,  As.  Res.  XVI, 
303  —  319)  mit  seinen  Brüdern  als  eifriger  Jaina  in  den  Jahren  »Samurtf 
1287 — 93  erscheint,  natürlich  nur  dem  Namen  nach  verglichen  werden. 


^)  Gelegentlich  mache  ich  hier  darauf  aufmerksam,  dass  Agnisvdmin 
zu  Läty.  I,  10,  10.  als  Beispiele  eines  dveshyakalpa  (Verfluchung)  und  eines 
priyakalpa  (Segnung)  folgende  anführt,  die  offenbar  für  seine  Zeitgenossen 
bestimmt  waren!  idam  aharr  Kurcinaharn  Caulaky an  (^alabhikdhütydm 
C')  putram  udicyddiQahyavddyannddydnnirühdmi,  und  idam  aham  Kumd- 
raguptam  Dravyasydpinydyaputram  (?)prdcydm  digi  gdlyannddye  'dhyühdmiti. 


Weber,  über  das   Qatrunjmja  Mdhdtmyam.  47 

Es  folgen  bis  312  sehr  specielle  Angaben  über  einen  König 
Kalkin  (und  seinen  Sohn  Datta).  Der  Name  desselben  ist  identisch 
mit  dem  der  noch  bevorstehenden  Incarnation  des  Vishmi,  ein  wei- 
terer Zusammenhang  indess  scheint  nicht  stattzufinden.  Auch  die 
beiden  durch  Inschriften  bekannten  Karkardja  (Lassen  IIT,  539.  40. 
543.  552 — 55)  passen  nicht  hieher,  da  sie  bedeutend  jünger  sind, 
als  Dhane^vara.  Eine  be.«^timmte  historische  Grundlage  indess  wird 
den  so  speciellen  Nachrichten  über  Kalkin  wohl  schwerlich  abzu- 
sprechen sein. — 1914  Jahre  nach  Viras  Tode,  am  achten  des  Caitra- 
Monats,  um  die  vishfi-  Zeit^)  wird  in  Pdtaliputra  ein  Mlecha- Sohn 
sein  (d.  i.  „geboren  werden"),  der  die  drei  Namen  Kalkin,  Caturvaktra, 
Radva  (?  Rudra?J  führt.  Da  werden  in  Mathurd  plötzlich  die  bei- 
den Tempel  des  Mu(^alin  (Balardma)  und  des  Krishim  einfallen 2), 
wie  ein  alter  vom  Sturm  umgerissener  Baum.  Die  sieben  Land- 
plagen ^)  werden  sich  einstellen,  Furcht,  Verlust  von  Geruch  und  Ge- 
schmack, Theuerung,  Streit  zwischen  den  Fürsten,  unzählige  ungün- 
stige Anzeichen.  Am  Ende  des  36.  Jahres  wird  jener  Kalkin  Kö- 
nig werden  und  wird  die  goldenen  stuim  des  Königs  Nanda  aufgra- 
ben lassen.  Nach  Schätzen  gierig  wird  er  die  ganze  Stadt  (Pd- 
falipiitraj  durchgraben  und  viele  Reichthümer  erlangen,  wobei  sich 
eine  steinerne  Kuh,  Namens  Lagnadevt,  finden  wird,  welche  die  mimi 
quält,  so  dass  Viele  die  Stadt  verlassen  werden.  Die  Jaina  -  rishi 
zornig  verfolgend  wird  Kalkin  durch  die  Stadtgötter  mit  Gewalt 
zurückgehalten  werden.  Ein  Regen  von  17  Tagen  wird  dann  die 
Stadt  überfiuthen.  Kalkiu,  der  Weise  Prdtipada  und  viele  Andere 
Gläubige  (samgha)  und  Nichtgläubige  (lokah)  werden  sich  retten. 
Andere  aber  fortgeschwemmt  vi'erden.  Vermittelst  der  Nanda- 
Schätze  wird  Kalkin  tlann  die  Stadt  neu  bauen  lassen  und  50  Jahre 
lang  wird  dann  Wohlstand  herrschen.  Seinem  Ende  nahe  aber  wird 
der  böse  Kalkin  durch  ketzerische  —  (?)  die  Jaina  überfallen.  Der 
Weise  Prdtipada  und  viele  Gläubige  werden  hart  zu  leiden  haben. 
^akra,  selbst  auf  seinem  Sitze  schwankend,  wird  die  Gestalt  eines 
vipra  (Brahmanen)  annehmen  (um  ihn  zu  bekehren) :  da  aber  Kalkin 
trotz  aller  Ermahnungen  nicht  ablässt,  wird  er  nach  vollendetem 
86.  Lebensjahre  von  ^akra  getödtet  werden.  Sein  Sohn  und  Nach- 
folger Datta^),  von  ^akra  selbst  in  der  Jinalehre  unterwiesen,  wird 
unter  der  Leitung  des  Prdtipada  viele  Arhat-Caittja  errichten,  sowie  zum 


')  s.  Böthlingk-Roth  unter  karana.  Die  Jaina  lieben  es,  durch  drgl. 
ganz  specielle  chronologisch-astrologische  Zeitbestimnuuifjjcn  auf  Tag,  Stunde, 
und  Minute  wo  möglich,  ihren  Angaben  den  Schein  möglichster  Genauigkeit 
zu  verleihen,  vgl.  v.  <;.  7.  16.  96,  Kalpasütra  S.  22.  23.  74.  89.  98. 

0  ich  lese  MuQalikrish'\  und  palishycte. 

^)  s.  Böthlingk-Roth  unter  tti ,  wo  nur  sechs  drgl.  aus  Pardgara  auf- 
gezählt werden. 

^)  bei  Hemac.  696  Name  des  siebenten  schwarzen  Vd.sudeva,  Sohnes 
des  Agnisinha,  dem  Prahldda  als  Feind  gegenüber  steht. 


48  Weber,  über  das   ^atriinjaya  Mdhatmyam. 

^atrunjaija  etc.  selbst  wallfahrten.  Im  (ganzen)  trikhanda  (d.  i.  wohl 
„in  allen  drei  dvtpa^^},  im  Bharata  (varsha),  in  Dorf  und  Stadt, 
Weilern  und  Marktflecken,  Städtchen,  Berg  und  Thal  (Fürth),  in 
arischem  und  nicht-arischem  Lande  wird  König  Datta  Jina- Tempel 
errichten  lassen  und  stets  des  Gurii  Anweisung  befolgen,  bedacht 
darauf.  Niemand  Schaden  zu  thun.  Unter  seiner  Regierung  wird 
dann  auch  Wohlstand  und  Fülle  überall  herrschen,  die  Fürsten  wer- 
den gescheut  sein,  die  Minister  wohlwollend  und  die  Leute  das 
Gesetz  beobachten. 

Bis  zum  Ende  des  Pancamdraka  (313)  wird  so  ununterbrochen 
Fortgelten  der  Jina-Religion  stattfinden^).  Dann  weiter  aber  in 
der  Duhshamd  werden  die  Leute  das  Gesetz  ( dharma}  ganz  bei 
Seite  lassen,  nur  kurzes  Leben  führen,  von  Krankheit  verzehrt,  von 
Abgaben  gedrückt.  Die  Könige  werden  habsüchtig,  diebisch,  furcht- 
bar sein,  die  Frauen  sittenlos,  die  Dörfer  Leichenäckern  gleich. 
Schamlos  und  erbarmungslos  werden  die  Leute  die  Lehrer  schmä- 
hen und  die  Götter,  und  allmälig  immer  tiefer  sinken.  Die  letzten 
Guten  während  der  Duhshamd  werden  im  Bharata  (varsha)  sein  der 
Lehrer  (^dcdrya)  Duhjjrasaha,  die  Lehrerin  [sddhvij  Phalgu^rt,  der 
fromme  (^rdvaka)  Nägila^),  die  fromme  (^rdvikd)  Satija^ri,  der 
König  Vimalavdhana ,  der  Minister  Sumuhha.  Nach  Anweisung  des 
Diihprasaha  wird  König  Vimalavdhana  auch  eine  Wallfahrt  zum 
vihdra  Vimalddri  anstellen.  Zwei  Hände  hoch  und  nur  zwanzig  Jahre 
lebend  werden  die  Menschen  dann  sein  ^) :  die  Wolken  werden  nur 
hier  und  da,  meist  aber  nicht,  ihre  Schuldigkeit  thun.  Diihprasaha 
wird  12  Jahr  zu  Hause,  acht  Jahre  im  vrata  zubringen,  und  zuletzt 
durch  die  achte  Mahlzeit  (?  stets  immer  nur  das  achte  Mal  essend, 
d.  i.  alle  vier  Tage  einmal,  s.  ashtamakdlika  Manu  6,  19)  das  Ge- 
setz üben. 

Der  Reihe  nach  wird  am  Vormittage  das  Geschäft,  Mittags  die 
Königspflicht,  Nachmittags  das  Feuer  aulhören  (gepflegt  zu  werden?). 

So  wird  die  Duhshamd  21000  Jahre  dauern.  Dasselbe  Maass 
wird  für  die  Zeit  der  Ekdntaduhshamd  stattfinden,  wo  die  Menschen 
schamlos  wie  das  Vieh  in  Höhlen  wohnen  und  Fische  essen  werden  (324). 

Auch  der  ^atrunjaya  wird  dann  nur  7  Hände  hoch  sein,  und 
erst  in  der  Utsarjmu-F enode  wieder  zu  seiner  frühern  Höhe  gelangen 
(325).  —  Hieran  schliessen  sich  ungemessene  Lobpreisungen  des- 
selben bis  V.  335. 


1)  Umfasst  der  Pancamdraka  hiernach  etwa  2000  Jahre?  Er  beginnt 
(nach  V.  101)  3^4  Jahre  nach  Vira's  Tode.  Kalkin  nun  wird  1914  Jahre 
nach  Vira's  Tode  geboren,  dazu  die  86  Jahre  seines  Lebens  giebt  2000. 
Dann  blieben  freilich  für  Datta  während  des  Pancamdraka  nur  3y,  Jahre 
übrig ! 

^)  So  heisst  der  15.  Nachfolger  des  Sudharman  in  der  sthirdvali  am 
Schluss  des  Kalpasütra  S.  101. 

^)  Anders  Hemac.  134. 


Weber,  über  das  ^atrunjaya  Mnhdlmyam.  49 

Also  den  Nektar  der  Erkenntniss  über  die  Creatnren  gereg- 
net habend,  verstummte  Vrra  (336)  und  stieg  herab  von  der  Spitze 
des  Vimalagaüa  (339):  auch  seine  Zuhörer  zerstreuten  sich  je  in 
ihre  Heimath. 

Den  Schluss  machen  vier  Verse,  in  denen  der  Dichter  sich 
seines  Werkes  rühmt,  für  etwaige  Fehler  oder  unkanonische  Anga- 
ben (utsütram)  um  Nachsicht  bittet,  den  Schutz  des  Adijina  dafür 
erfleht,  sich  nochmals  als  Verfasser,  Demüthiger  der  Saugata  (Bud- 
dhisten), Mond  des  Mondgeschlecht-Oceans  und  seinen  Patron  Fürst 
^tldditya  als  Zierjuwei  des  Yaduvant^a  verherrlicht,  und  endlich  sei- 
nem Werke  ewige  Dauer  wünscht,  so  lange  als  das  der  Menschheit 
Heil  spendende  gute  Gesetz  der  Jaina  auf  Erden  wache,  Sonne  und 
Mond  die  Finsterniss  vertreibend  aufgehn. 

Berlin,   im  April  1858. 


Nachtrag. 

Die  in  dem  so  eben  bei  der  letzten  Correctur  erhaltenen  letz- 
ten Hefte  des  3.  Bandes  von  Lassen's  Indischer  Alterthumskunde 
auf  S.  1159.  60  sich  findende  Stammtafel  der  jjBallabhi'^-Kön'iQe 
weicht  von  der  oben  S.  11.  gegebenen  in  einigen  Punkten  ab. 
Meine  Darstellung  ist  aus  Lassen's  eigenen,  allerdings  vielfach 
durch  Druckfehler  etc.  entstellten  Angaben  auf  S.  501  —  34  seines 
Werkes  entlehnt,  denen  bei  Zusammenstellung  jener  seiner  Stamm- 
tafel nicht  vollständig  Rechnung  getragen  scheint.  —  Zu  dem  Namen 
Moung-kie-li  auf  S.  42  not.  bemerke  ich,  dass  Lassen  a.  a.  O. 
S.  887   denselben  durch  Mangala  restituirt.   — 

Berlin,    3.  Juli  1858. 


Abhandi.  der  DMG.  I,  4. 


Aus  dem  (^atrunjaya  Mahatmyarn, 


Cap.  1. 

^^S^JTüiiqrR  ^^T^Wra  "^f^  II  «I  II 

^ht:  «i*rti^MT^  ^f^t^nfHr:  'j^inffT^f!  ii  ^  ii 
•h^..^r7J^^..r.i..r. -.■■-..  . 

■^itÄ  ■^')  ^^  '«ÄrRfti:  :g^  ^:  ii  ?  ii 
^rq^^l^^?^^')  ^"k:  '^^t  %i%5^  w-  ii  m  ii 


^)    Voraus    geht    die   Anrufung   des    Schreibers:     '^l^-f    |   ^^C    (!) 

wr  WT^  I  ^^JIIKN^'^I'«  II 

2)   (^<?n<e  ist  sowohl  Arhant  als  Cakrin  d.  i.  cakravartin. 
^)   cfi^Tu   Gloss.  zu  einem  machend ,  auf  den  man  sich  zu  besinnen  hat, 
d.  h.  ihn  in  Vergessenheit  bringend, 

')   Siehe  XIV,  13.  ^)    ^JJ^^®  ^*^^- 

)  ^^JtR-ft^m  Cod. 


I 


1,  6.  Weber,   über  das  ^atrunjcuja  Md/uUmyam.  51 

^:f^:  5^^  g^^')  tof^:  l 
^RT^i^J^ITftTrf  ^;7T^^^f%fR^  II  t  II 

^^^RR  ^  M^f^rii^  ^rffif  ^:  II Q II  ^n^')  ii 

CIHWr{^  ri^Hlf^'Utjm   HIRTH  II  «10  II 
FtTW^HvT5#  %TWrtsfxr  f?T(:)^:  l 

;?rnTRf^riT5^Twn  TiiFra^wi^^r:  ii  «i^  ii 
i^FM^^g^:*)  ^:  ^rtf^rerrfwi^:  m?  ii 

■^^»^  '^i:i^'Mp>!tr4ir<rH^  -^^m^ltl  II  «)8  II 

■)   frr^  "»arg.  =)  ^^^  Cod. 

^)    So   häufig  durch  2  Verse    «|j  ^,   durch   3  f^^qT^cß'    durch   4 

ch<v3m4>  ^"''^^^  '^-li  (^-  ß-  1'  275-8G)  '^^ch4-(^ 
^)    Hiezu  am  Rande  (entstanden  aus  XIV,  28G): 

T^hR^T?Tft?f  ^  II 

^^  ^TT^rrT^i*  ^'***'*     ^'^  ***^  durchweg  bei  dieser  Form  dv  für  r/r///. 

4* 


52  Weber,  über  das  (^atrmijaya  Mdhdttnyam.  1,  15. 

TTsgft:  ^^5^  II 


fNi  fT^tPlWq:  f^  ^  f^  ^:  ^rqitlfq  I 

^»i^  ^  vAm»^^!  ^rtf^g^')  I 

^T^Ii^ytflR^  ^  VM^^iJ<=h^T^^:  md  II 
^Wm'  r\^  rftf  V^'t  ^TtT:  Ti?Trs^:  I 

^^^  f^sn4  ^i55R«#r^^^fiK'!n^  ii  ^o  ii 

■OT^rfxi  ^TfS^^t:  f^TTJPlfxT  g^T^TST^  II  ^<\  II 
ftif^^WTTf^S%ft  ^TfxR:  I 
I^T  ^it^^stnf  ^^f^  ^'^ml^^:  II  ^^  II 

TTT^^w  -qwr  ^  fW^irrf^R:  ii  ^9  11 

Wf!^  ^in'a^fMi  ^I^^^l^RT^^:  II  ^H  II 

Wf^^  TifFT^T  -m^m  Wi?g5^:  1 
^1^  *4m*J!*4iM*ü  w^^'  ^fifrjxR^:  II  ^n  II 

^  f^T#t^TrRt5^:*)  ^T^^m:  1 

^sr^^  ^VT  ^ü^^   M^ri*4|Jmfl^  II  ^^  II 

0   l^i^  4^"  Cod.  2)  Pundartkay  ein  andrer  Name  des  (^atrunjaya. 

')     «^^5  4)     ^J    Cod. 


1,  27.  Weber,   über  das  Catrimjcnja  Mdhdtmyam.  53 

W^RTf^  ftRT^  i^-^öfhl  rilHc?4*i  II  ^S  II 

f^^irfrT)l'=iH^<i  iiRjjiäifKifwr:  i 

^  ^qtffrft?^  ^  ^if^<j4)chf^=iTf^^:  II  ^t  II 

^1^  WT^^q^rf^  tTRi^^RT:')  II  ^^11  ^'■H^ll 
^4  ^;5f^^T:  %^^5T%^^:*)  ii  9o  ii 

Trf^f^f^f^  »irfir  w^^ifw^iTt  ■Prfi:  ii  9«i  ii 
5|öj#5j^:  ^HrawiT:  ftn^S^^:  i 
^TltfRT'MN  l-M^fi^-Sf  TTiw:  II  9^  II 

^ret^^T^T^^I^TflT  'T^l^  f»Tft,:  II  98  II 
^T^T^^f^S^  fttf^^^  i^H\^  II  9M  II 

^sTOTtf^:  ^^  %^  >^f?r  ^^  f^rft:  ii  ?!?  ii 
^r^rrg  ^rtwf  «n'H'rqt'M  »rf :  ii  ?«  ii 


)   Hemac.  171. 


^)  (?)    ^^T   Cod.  „also  ()4  an  Zahl  ftiiigon  sie,  umgeben  von  liinun 

lischen  Schaaren." 

')  Ou^*    Cod.  aber  IMiiral  zu  le.sen,  als  Beiwort  der  i'A  Indra. 

')  CRX%0    ('od. 


54  Weber,  über  das  ^atrunjaya  Mdhdimyam.  1,  38. 

#^ilR^^:  ^RWt  >1TJ^  Fift:  II  9Q  II 

^^  TR^S-Ji  5R^^:  W:U^'  II  Ö^  II 

fMHf^V|t|ch4<^  II 

npiwr  ftnwT^JRzi  'J^üi-MR  f^Ri^:  H  ü?  II 
ff^'^^Rf^T^ftflTf^  g^:  iwfk^  II  JiJJ  II 
^^^q^qiJiTt')  ^J^T^rti^^S^:  II  JiM  II 

fti;RrT§T^  irrfir  ^M^iRoMHi^^fi^i')  ii  ^%  ii 
^:  ^pjjfT^^T:  %^^  «l^'Dri^:  i 
^hjTTfWT  f^^^spff  'püT^stl^^^'  II  ^s  II 

HT^IT  W%S^  -f^iRT^JTf^f^ti^*  II  {it  II 


■)  f^^:  Cod. 

'^)    nirjliannirjhara    wohl    für    nir^harannirjhara?     Vgl.    caiic(al)    für 
cancal(ai)  in  v.  296.  3)   ?  OV^f^^^n^  Cod. 

^)  Wie  kommt  der  Nnya-¥i\rst  dazu?  etwa  ähnlich  wie  Pingalandga? 
die  Schlangen  als  besonders  redekiindig?     Vgl.  XIV,  33.  55. 


1,  49.  Weber,   über  das  Caltanjaija  Mdfidtmtjam.  55 

M^I*^^f»1^*fi|^yyiWÖr«(ri'R^  II  M 5^  II 

wfw^S^J^ITpif  m^  xiFfTT7fTfi?!lt  II  M?  II 
^^^  m^t^  ^ifT?^  im^  TI^  I 
WT^JS^^ft  ^  ^T#  ^#  ^^^  rT^  II  MJi  il 

H^T  %f7T  TlfR?r  ?:RT  HTf%  ^^^  II  MM  II 

1^'invw^TTari')  ^  ^^m^ffmr^^  ii  mI?  « 

^y^F^^jt^TTOTOT^  Ä%  f^f^W  ^^:  II  M«  Ii 
^wiril*ft^M  ^üfhF^^^zwtw:  II  Mt  II 

^<!i<*«*4<?4^yirif^yii^<f'=r^  ^:  ii  qci  ii 

iTOT^  ^TTf¥l%T^Tf?I  ^\Jjm^  II  IfO  II 

')    s.  V.  283.     Hcnuii-.   1(17. 


56  Weber,  über  das  ^atrunjaya  Mdhdtmyam.  1,  61. 

WTT't  f^^!^T^5ft  5RT:  TPTIrT-xp3lfT  II  %^  II 
rq  M^HlHfn:  TTs^T^ro:  il  ff?  il 


f^f^^^ftjT^T^  'j^  ^ntr  ^g^^  II  ^8  II 
itsif  ^ixr|ßfw  ^T#r  ^'  Mm<iHi  in^:  ii  %^  ii 

Am  Mfl'M^I'i^thWlf  UTTT  TTO^I^  II  «^MQ  II 

^^%^^i%^:  tTRlfr  f(T^P^?nr(;  II  «iffO  II 

f^^  ^T^T^  -^^°^im<'M>V|H*t  II  «llf«^  II 
H  'TWFWFtS^  fTJT^  ^W^  cht:  I 

^-hi^^^T  WT^m^TOfw  ^iit^:  II  <\%^  II 


II 


T!^tHJ#Hm^Trf'ig^^^fNTTHrfe  II  «ilr? 


')  ^RT^^ 


Cod. 


1,  165.  Weber,  über  das  (^airunjaija  Mdhdtmyam.  57 

^^   f^H|rH*HN<'4^^<^-'irri<rä**J!*')  »  StfM  II 

^WT^f^')^  ^^m.  ^Jj:  II  ^%%  II 
TTftat  ^Hivi^T^  ^:  wgrr:  ii  «1^9?  ii 

WtPd:  5Fm^Wl?!!^  <^Hlf*4rri  II  <^«iJ  II 

sjttT^:  5?i:  ^  %^ra!^  ^^^h^^  ii  ^o«i  ii 

—   I  "gtfft?!!  ^W^^IW  XTTf^n^nJT^:  II  ^0?  II 

■^[^  frrf^Tf^  ftgrrwrsvfqFmt^  ii  ^^^  ii 
#TV%:  ^^i^^  wtg  w^^  II  ^^{i  II 

^  ^tf^^  rft^^TFrfw   rR  ^  W^l  II  ^%(l  II 

TT^rr^lf  ^Tr^tü  fT^^:  ^t^%  w^:  ii  »so  ii 
^:  ^nct%  —  I  —  f^^  ^  II  ^s9«i  II 
;m^f!^  f^R^tft  —  I  —  II  ^s9^  II 

^mr^  —  I  —  II  ^S^  II  xpg^:  ^fi^y^Tl^  II 

')  f^RTfWT*  t;od.   s.v. 27. 

'')  fXlHW*  wohl  lim-  meine  Abschrift! 


58  Weber,  über  das  ^ainmjaya  Mdhdtmyam.  l,  274. 

f^  ^  ^  wir:  ^s^  ft^^:  ^  »T^'t^riTi  II  ^«M  II 
^i^  -^Mt  wrw:  ^TT^ftr^  ^  ftsrfrT:  II  ^s%  II 

#5-4  ?I-5ft^:  TmK}  ^frRT  %^  ^TftiT:  I 
^<^»^^  ^f^  vfnTU  ^  ftftrTT  II  ^^9^9  II 

cii*{<(?i4U%  m^l  %  ^fffr  %STR  g^r:  11  ^«t  11 

^Wfrmr  %^  ^S^  ^S^  frT^  II  ^«Q  II 

^^TiifS^  f wrftr  ^Tf^-^üTfJi  wnsp^  11  ^t«i  n 

^Ä  rf^  ?RT:  |H=|lf*4<^'#^  ^^^fJ^filrTT:  IR t^  II 
f^^iPTRlt  f^:  ^S^  ^  IRT^S^  f^^.  IRb?  II 
cti^*^^ Hilft  ^(\f^'l  %SH-^^^^^Trr:  II  ^t?i  II 
i#rafnT  f^iWtS^  ^rRt^nr:*)  ^^■^TOT^ II  ^ tM  II 


)  1^?  =)  statt  xn^l^: 

')  "^rrft  t;od.  4)  o^j^-j:  Cod. 


59 


1,  286.  Weber,  über  das  (^(itrimja(ja  Mditdtmyam. 

Tj^^^:  li^^n^  II 

ffMJWFTf?!^  »I^n^  -^tvIcT^  II  ^tS  II 
^^TR  rft^TTTfTPBt  ^1  ^^  ?f  f^TR^  II  ^tt  II 


f5R%?rTf^  Trar^^FnrRtfir  ^m^^'  ii  ^<i«i  ii 

HRff   f>-^^  ^  fft^f  f^l^PJ^  II  ^<l^  II 
ffJT^T^fT^Rlf^^  ;?fte^T^  II  ^(i?  II 

^ora  fw^  wm  ^RTvu')  ^nft  i 

m^Hril^miRtft^^MI%r^+(fi|iriT:  II  ^^H  II 
^?T^^  ^RrMp«  -q-^:  f^frRT^:  II  ^QM  II 


)   ^nrPITT  Absclirift. 


)   cp^? 


60  Weber,  über  das  ^airunjaya  Mdhdtmyam.  1,  298. 

w^;w^''  xrtwts^  -^sIti  "^fTTtti^  ii  ?^t  ii 

■Jmr  ^1 M I  »^HT'aTWti^'^f^Tff^t  f^^^)  II  9?«J  II 

^^^*  5^!5^:  ^f^^  TT^R^J  I 

§^^  f5*4c?Jl(^:  ^*m<lf\i:  1^:  tt^  ii  ??^  ii 

^rf%?tf  TT^Trf^  ^^tt:  wt^rnr^:  ii  ???  ii 

^Trn^y^:  %JT^:   fSjrri+4<|iW*4<!im^  II  99?i  II 
^1^^  f^TJft^:  5V^T%')sf^^ft^  II  ??M  II 

^gw^:  ^^5^  II 

ftl^rft%  ^Tf^^^  ^tm^TTf^)   ^%li;  II  98^  II 


3)    S.  das  ZU  XIV,  13  Bemerkte.  ')   Tl^XJfp  Cod. 

^)    ^vfj^irfiV^    pr.  m.  „Mögest  du  seine  108  Namen  wissen,  o  Su- 

ciliar nia  (=  lndra)\  welche  bei  ihrer  Aussprache  für  eni  mahdkalpa  reiches 
Heil  spenden":  oder  ist  zu  übersetzen:  „mögest  du  diese  108  Namen  wissen, 
die  für  ein  mahdkalpa ,  wie  es  im  guten  Gesetz  (s.  XIV,  343)  gelehrt  ist 
reiches  Heil  spenden"?  *")   Drei  Kürzen  statt  des  Jambus. 


1,  343.  Weber f  über  das  (^atninjaya  Mdhdtmyam.  61 

5^^iT^'Vq^5  ^^%^^  ^T  II  9Ji?  II 

5=r<Hl  f  ^!5^5T^  ^TT^^t^^rt^  II  9ÖiJ  II 
Wt,sfxT  ^FWcTT^')  %T^  ^^^  I 
T^S^Ttl^  %f  **4|i*lQ!Jj*li  >#r!;  II  ?iiM  II 

^^Tf  T^  "^m  ^raW^  ^  TTT^W  II  ?iJlf  II 

^J3jpi:  ^^5^  II 


^:  ^R^  #TffrM*Hlc!4M^<<i<'^#  II  ?M^  II 

wh'^^Tf^  ^^'  ^W^^^^:  II  9M!f  II 
f^f^TR,  ^^*;(m:  •ptTT.Tftr:  ^jftR:  i 
^iTO^T^  ^W^TO%5f%fiTT5^:  II  9M{i  II 

5R^  rft^snTTW  ^rf^  ^^  M  II  9Mt  II 

^^  w^  w^  %l%^  ^mrv^:  I 
^Ti^?gf^  ^^  Wfm'  11^  ^^:  II  9to  II 

^Tfl%T:')  tt|^  vi^mj'  W19  ^#>tt:  11  ?t«i  11 

•)   So  Cod.  •')   O^^^O  s,.,;.  „,.!  ä)    ^^_^_ 


G2 


Weber,  über  das  ^ntrunjaya  Mähatmyam. 


1,  382. 


^f?^:  ^:  %^  ^i^ra^  ^!Pn^  ii  Moo  ii 

f^^  ^^  finW,  II  q^Q  H 


Gap.  II. 

^itf^^rr^  WT^^'-  TTTf  ^:  ^i^ttt^T!;  ii  «i  ii 

tqf^^iJTTÜTsn^  ^TlfiR  Tf^WT^f^:  II  ^  II 

^irT;=tft!iiTw:^in£rt  ^ffl^^^  II  ?  II 


T\  I 

if^^rm  II  !,  II 


')   S.  XIV,  31. 

^)   Der  sechszehnte  Jina. 


)    Der  sechszehnte  Jina. 


2,  7.  Weber,  über  das  Qifrunjaya  Milhidmijam.  63 


^^^flw^:  ^♦4rH*^<;r^^'m'<4^  ii  «i?  ii 

TT^  f^xj^^^^  f^tJTTRTttftrf  W  II  <=iM  II 


^^  ^inkJ^Sfri  t^*)  ^3)1^i^  II  =In9  II 

^i^^Tq'irr')  ^5^:  ^i<M4-^^Mt  mb  II 
§^  ^n^  FT^  ^Ttnft  1^  ^w  ftr^  i 

^TSrarf'nTt  ^iT^  gjyyHKcj,^«^  II  1^  II 


Cr 
2)    „ähnlich   der  Stadt  des  Gotterherrn."     ndkindtha  fehlt  bei  Hema- 
candra  171  —  74  unter  den  Namen  Indra's. 

^)    „aufblühen  Lotusblumen  Hess  der  Lotusteich :  nimmt  Wunder  das?" 

^)   S.  Pdn.  m,  2,  36  (bhdshye  tu  na  vydkhtjdlam). 
)   ^tf^  ^  «^  ')   ITl'Wt  "»arg. 


64  Weber,  über  das  i^alrmjaya  Mdhdtmyam.  2,  21 


HI5I  %rt  ^  ^  ^w  vü  ^rttrt^  I 

—  I  rrlfwrf^  ^T%tf ^t:  ^^^^  f^frrq  -^  ii  «itt  ii 

^iTTUVWt  M^  ^^?^«^r^T'^  ^  II  «|^«i  II 

W^-R")  ^Rt^  iws(m  ^  iJ^TUf  J  II  S^^  II 
■^^  ^■^T-'^^tPt  f^rftj  5^T^  1^T>I^*  IRoo  II 

^Tm^sft  %iR  ^n^T  ?^  ftj%  ^  II  9t9  II 
^^^  »Tfhn^  TncrJmtitiRfW^  11  iJMJi  11 

■^^WT^  W^l^pi  ^  ^g^^T^  5t  JTfri  II  iJSM  II 

0   ®^|t^  [  ?  sich  selbst  f5vam^  als  von  Söhnen  verlassen  beklagend, 
0   ?®^TTt  Cod.  )   ■q'Ptljr  marg.  s  Wilson  s.  v.  ^^ofT^IJ. 


2,  476.  Weher,  über  das  (^atriuijaya  Mäftätmyam.  65 

ri^'spT^in^  ;n^^-%  ;jqT:  I 

XTTOT^  ^T?imre  '^Nn%'4i^<Mw^  ii  M^st  ii 

%^t«^  f^r^  ;T«^  ^^^  fT^THTTfi;  II  %o^  II 

fTifWr^imT^HMcrJr^^^t  ■ffffT  II  ffO?  II 

—  TffVin^siTsrcJTij:  II  IfMM  II 

^TOKfwtt  ^%  ^^^t^^^l^')  II  ffMif  II 

^  ^  -^^TtnTjT^  ^-^m^w  ^?f%  II  IfM«  II 
T!fN^^f^H«hiäHf%fv  w^m  1^5n^:^ 

^  Vm  TT^rf^^  f^R^S^T^  ^(^^m:  II  ^M  <i  II 
')  *frnTT  Cod.        ')  oTj^:  Cod.         ')  '5F^^5%cjo  Cod. 

Abhandl.  der  DMG.  I,  4.  5 


ßß  Weber,  über  das  ^drunjaija  Mahdtmyam.  2,  660. 

fT^P^   ^TTT^   ft^'^   'T^   TT3TT    ll^t^^TW- 


Cap.  UI. 

•^l  jpTR%f^  ^rq^  fiqV|W|ril*t  II  ^  II 
^I^  rlc)^rOll'Hi  ^nrPg^  rir^iWIH,  II  9  II 


»TWTf^^t^?,%  "^TTT^  3^^')  II  ^  <l 

^i^?r:  f^sijfn  fnR^mf")  §"^^^  ii  m  ii 

TT^^-snsnrrs «^ i^-si i fiRTrrr  HÄil^^rri:  i 
A^^l^fi^^4ri:  f#  ^^  ^nrifroi;  ii  t  ii 


')  H^IM**  Cod.  '')   Was  ist  hierunter  zu  verstehen? 


4,  2.  )r«At'r,  über  dus  ^atrunjat/a  Mähätmyam.  67 

Cap.  IV. 

vj^  ^Pfi  14^  UJ*   r<4*H  *filrlTf|rrf^^')  I 
TRFfWfq  rfh^  inj^ITT^^f^fT^^)   ||  ^  II 

#??  ^  ^^  ftifre^mftÄ^  II  9  II 


Cap.  V. 

^^amR^^m^r  ^%:  ^%ft.'5n^»TK')  ii  ?  ii 
^^^A  f^rftiifff  ■^Rif-^^jfTRFmTi:  II  ^  II 

T|^  ^^Wt^  ^'VT^  TR^^:  II  ^Ji«  II 

^  1^  P^fhilf^  f^T^m  m^splftT  II  ^M8  II 

^gn^l^sfir^  ^I^HI  <?i»-<?Mr^  M<c?i^^*(4tll^Q?ll 

tu 

^)  Der  alles  ahüam  bewältigt.  ^)  O^xj^  Abschrift. 

')  Gegenwart  bei  allen,  Wallfahrt  zu  allen, 
4)    Vgl.  Böhtüngk-Roth  unter  ^R^cff^pU- 


68  Weber j    über  das  (^airmjaija  Mähdtmijam.  5,  728. 

5jji5('MPil»  :r#^W^=^  "f^RT^^:  I 


Cap.  VI. 

^MrT<^<ri«4(sw  f^f^rof  v[^m^i  II  9  II 


fT^  '^Wi^l  ^t^S>T5(ff^  II  Rb^  II 

^fTR^  "^^»ifr  "^^S^^^mtsf^T  "^   II  ^tt  II 
?HI^  ^^m-i»Hä<iW  '«STT^^li;^  II  ^t<l  II 

^iif^ri^H^ifiiw  ^N<^?i<nt!mc?{^i:  II  ^e?  ii 
wHf^R^RT:')  ^  ^fs^HlüMrilf^:  II  ^QJi  II 


Cap.  vn. 
^5Crf^  ^nf^Hw^  ^nm  m^  ^nir:f^:  ii  ^  ii 

')  *^l^  Cod.  ■')   ^EJ^  Cod. 


8,  5.  Weber,  über  (las  ^atnmjaiju  Müliütmijam.  60 

Gap.  VIII. 

^rqt^fw  >^fH  W^  TTcTTcTlI^Tf^'V)  II  M  II 

xniipiT^  "^R  fTTTfTnm^^Pi^  fWT  I 
f^^^S^H^TlTHT  TJETT^fft  W>ir<J^T'  ■3fTT  II  ?8  II 

^fTTf^^   yi^-^ir^R««  H^fTRT^^n;')  II  9M  II 


Cap.  IX. 
i»J^  ^[T^  ^^  rIr^iTrifTJrT^|^|3(H*(^  II  ^  II 
-4l<|il*ü^  TJT?^  ^r!  ^T^T»M  ^  II  9  II 
^^■Rft^WRT  f^nm  5^1^  inft^:  II  8  II 

^  5  -r^i^  TJrrflf  ^^  TJ^S^^äriH^  II  «  II 

-  I  ^r^  ^  ^^!T^jn  TPt  TT^  ^  ^TT^m:  ii  ^ii 

—  I  gfwWr^  ^mi^ri  ;TTO^  ^  TT^II  ^M 

—  I  —  »TCf  %^JRTriT5rr  I 

11^  ^TMT^:  ^ij^  ?TTO  H<H*i^  II  ^!f  II 


0   ?'f|^|  Cod.  2)    Doppeltes  ival 

•^)   'i  1^   -5|f^^O  Cod.  „die  Geschichte  der  Geburt  des  {'rhucrata  auf 
diesem  /o-Z/ia"'-' 


70  Weber,  über  das  ^atrunjayn  Mahdtmyam.  9,  98. 

^T^TTri^t5#  ff  ^iJf?WT:^  f^:  II  Qt  II 
fR'^Nt  fTrfwT^^^fhsR^nl^:')  ii  <i^  ii 

^^•^  ^^  ^vRrr:  in^:  ftrwq^^  ii  m??  ii 

Cap.  X. 

^w^  PK^^TT^hr:  irfirnM^)  f^^^Ti^  i 
?^fHH  TTfTHün  ^irfwif^  ^^]:  II  ^  II 

[Xft?  ^  WTlTtsf^  ViX^m-*)  II  9  II 
^■^^«^tif^  ^^^TTT^^fi^Mw:")  II  ^  II 

rfTi^  ^jftraafTT  TiT^RT^nfwiff^:  ii  m  ii 
^Tfin  ^i%^t  irf^  ^^*i«^<:  ii  ^  w 

•^  'SJ^  TTfT^S^   PlO^  'l-snTTfvR:   I 
■ftraT^:  1?^  »jt  ^i<i+4s!M<l'q^Tj^  II  t  II 

^)   Des  Metrums  wegen  wohl  zu  lesen  pu-ri  dsij? 

')  lrf7r"qrg  Cod. 

^)   ^"57"^^  ViWl  ^^^-     ^"  H^TT  Ausbreitung  =  Verherrlichung? 
vergl.  HXpSr  V.  312.  VII.  1.  *)    „gereinigt." 

')  «TTTTf^^  Cod. 


10,  50.  Weber,   über  das  (^(liniujaya  Mdhdtmijam.  71 

fT^T^^^^HKsjTr  ^^ft^TFJPJfl,  II  MO  II 


—  I   —  »FTV^^  Hmf<i^4t'5t  "5^  II  'S?  II 

—  I  ^iwr^^TSj^w  «h^^sm^ifl*!!:  II  S«  II 

•^r^T^  ^^5TTT%  ^TR^T^^  FRT??^  II  ^St  II 
^*yc?JrH^^l  TT'^  IRT55T^Wtf7|  II  ^<i  » 
;TR^iTO^'^*U*4'sl*4^  ^  ^l^JW:  II  to  II 

fii^T^:^fmTVT^')  ^5rrfrr|  -^  fw  ii  t<i  ii 
^iTnsg^:  T?T^  ^^^l^Hjd  ^5^:')  II  t^  II 
iTTn^^:  ^ifw»^  ^^MmM^t!  II  b?  II 

^Mfi!iri*4g  1J«5  ^ERfTFtwi5|-Hr3T  I 
iflf^TlTimW  f^  TTf^^^n^  II  t8  II 


')  QatuliQarana  wird  wohl  Name  eines  manlra  seiiiV  oder  ist  (7Ww/) 
'aranam  zu  trennen:  dann  inüsste  Letzteres  allein  ein  dergl.  Name  sein: 
'ine  Aufzählung  der  18  Sünden  s.  bei  Hemac.  72.  73. 

■^)    Sturz  in's  Meer,  wie  v.   18 1.  purvala-pdlvna ,  Sturz  vom  Berge. 


72  Weber,  über  das  <^atrimjaya  Mdlidtmyam.  10,  85. 

^mrwrsf^  rr^^-^TT^Tq-R  ^^difl^^H  ii  t% 

rftl^f^  TtrtH  W:  ^T?#  fTTJTTf^fT:  II  t«  II 
rf^  irm  ^  HTTjqsT^n^')  Iw^rf^:  I 
rfWT^  ^  ^^  ^l^rf  IT^5  ^:  II  bt  II 

TR»^T^  ^>^S^  vf^wr  1^^^:  I 

^?rR?Tfmf%^T  ffti^f^  -q-tfr  ^  ii  (>o  ii 

TRl^-sit^igWT  ^Wrmi  ^iin^^r^  II  a^  II 
^^  IT^  M  i4^TT%^  TWf^  fW^  I 

ft  F  '^  lit%  ^fTfTp?r  W^lft  I 
I^P^H^Rt^^  ^  ?#  rri^rfl^  II  ^9  II 
'^fiT  ^  ^:  in^  >frR^  ^  T^fT  I 
iqRtn^  5  f^if^fviT  ^^T%  ri^l-^i«)*!^  II  <iJi  II 

nRüM^W%')   W  -mi  ^3nf¥^  TlfW^  II  QM  II 

^)   „deine  Leute",  oder  „bhavantah'^?  Auch  Qukatvam  ist  höchst  eigen- 
thümlich ! 

')  ^'CTWt  ^^*^-     ^-  ^-  ^^•^-  ^24.  XIV,  173.  216.  255. 

^)   m^^  I    Hij^T^  ^^^'     ^^  ^^^^  *>(lddpyd'khila°  zu  lesen? 

^)  fw^it,  xrf?^  ^:  cod       )  i?^^TT^%  Cod. 


10,  96.  Weber,  über  das  (^atriinjaya  Mdhdtmijam.  ,73 

rT«^«^  ITTXI  ^xrf^  Itf^  fR^?:  II  (iS  II 

W^  ^1^  ^fW  ^  f^T'jnwnTi'^rR  ii  <it  ii 
»Fgrft:  f^w^:  wi^  •grrs-q'^Tp^^fi!?^  ii  <i<i  ii 
^^:5Tm  J^^Tj^"^!^  ^  ^^^T  II  «100  11 

t:h<!<ih^^  w^  ^^  -f^^  ^  g^^Tw^  II  «is^  II 
mm  ^%^  ff  f^'^WTiT  ^ftTm^  m«i?  ii 

TTR^  T.H^'llfw   ^  lTJTt<<*f^riT'5F^  II  '\^i  II 
^'«T  ^"<lH^^*Hi  ift'T^^t  WrTlTO«  I         115''  fei'" 

11«»  felllt. 

nf^')  <mfHH^  rf  TFrrar^^'qijfm^  ii  '\'=\%  ii 

^rfM^TiJ§TI%f  Wrf^W^Sf^"Rr^^r|^  II  «I=|v9  11 
IR^^^  ^  ^gf^rft^^  f^^tr^*  II  ^^t  II 
^  ^P^  f^f^if^SJTWfnOltiT:  II  «ISQ  II 

')  Tiin?(y<  <''<«i-  ')  tw^'.  Cod. 


74  Weber,  über  das  ^atrimjaya  Md/tdtmyam.  10,  120. 

rim  ^fiTT^  wtsifhR  '"j^pi  ^^H^^  I 

^^i^^:  ^T^^lf^  ^^i5Tf^rf|iftJ?RT:  II  «1^9  II 

l^iftRfTfr  fNf^M^^xRT^:  II  «^^{i  II 
wwhT^^f^sf^T^t  Trfr^TrNrr:  I 

f^:#.^  ■^fl'^tm  ^^ri^^Mlfq  -^l  II  S^M  II 
H^  ^  TT^f^T^  ^|-^T#iTT  II  «i^lf  II 
^:  F5f!  ^mT;T^eireRT>%fRfti^:  ii  «I^S  ii 
^  f^R^^rT:  ^fH  ^T^fl^tn^  II  «l^b  II 
f5FT#  ^IsH^l^l  f^frnW!3;WT?I'5rT^  II  «l^<l  II 
m<!iV||(j4T5  §^W4r1i^*!!l^r^^f  II  «190  II 

cT^  »H  )fN%;^  ^ft,^  »It'l^:  II  19«i  II 
irfw  ^^1*^^^l5T3t')  ^Wari^PT^T^^  II  «i?^  II 

')  T^'  clftft  Cod.  ■-')   aUllta,  Locke,  liier  so  viel  als  Fessel? 


lOj  133.  Weber,   über  das  ^atrunjaya  Mdfuümyam.  75 

^'TTJ'Js^^t  5TT^  ^  TRini^Tr:  ii  e|?8  II 

^5MI'rifl*imT^  -^  ^^  TT(^<«<l  II  «1?M  II 
#SfxT  ri^rl*4l^#  fJl  fw^llT  ^  f2R;  I 
?ft«?T  #^  ff  ^  XrffT  TTfTIR^Ti;  II  ^^%  II 

f^i  f^gm^nt  ^  f^^rzRTTR:  ii  «i?t  ii 
■sn^  j^TT^T^TTw:  ^:  ^^ni  rT^^m  ii  «i?^  ii 
^^äsnpfTT^  ^fh')  f^R^^:  II  «liJo  II 
ii  ;?  ^iHiPff  iRfH  %^  ^  %^i^  II  «iö<i  II 

f^f^^T^isninn^^flm;?^  'j^  II  «lö^  II 
^f¥  ^i^^  ^iw^  ip^  ^^f^ftiRnt:')  I 

iT^RHRTTt  ^Pf^^T^lchTl^ci,^  II  <\^-^  || 
W^  ff  "511!  TjUllilt  "^fWM-  "RT5fN^*  I 
^n^t^fi^'^-RTJJlftst  fwt  »T^  II  «IÖ8  II 

*)  Wohl  aus  kritvci  -f  <^^o,  nämlich  d-ito ,  wie  v,  150  prUiparü  -f  d-ilya 
zu  priliparetya  wird.  -)   ^^'T  Tf**  Cod. 

•*)    vajrin,  Jnrlra,  steht  also  hinter  dem  vakrin  =  cahravarlin. 


76  Weber,  über  das  ^atrimjaya  Mdhdtmyam.  10,  145. 

■^^TT  %^  ^qTWn  f^^^^  fi^TT^  II  «lös  II 
%^RT^^rrT^^t  ^rT^  ^^T^W:  in?it  II 
f^^^T^T^t  ^?^%:  HTf^rt^T^xi:  f^:  il  ^^^  li 
^RTrW^W  T!"^  ^^i?Mtf^  l'l^  II  «IM 0  II 

^^R#^^5T^^  ^r^^T^^')  w  mq«!  II 

'^T^^i^  ^^^iTO#  f^^  %fTfe  ^^^:  I 

■Ri^  *)  5ftf^rTT?it -g  Tcr^JT -^  fqfwr:  f^:  in  M  ^  II 

wm^  ^  "5Wif^  ^  ^mife  -^  TiTxni'ni  ii  «im?  ii 
^R  ^m^  mwfi  <jHi^^:  ^  ^^:  I 
^P^^^yf%%s^^^:  ^r^i^j^Rw:  inMiJ  ii 

^^RlHI  ^  -NI^RT  ^^T '^[strWFmrl,  II  «IMM  II 


^)    cjJUljrr  Cod.  '■^)  vinä  abhogam,  und  letzteres  =  vairägnam? 

')  ^^'RfEP  Cod.      ^)   fipr^  Cod.    dhik  ist  eigentlich  nur  /di/i, 
„Befleckung,  Besudelung",  dann  Interjektion, 


10,  157.  Weber,  über  das  ^atriinjaija  Mahdtmyam.  77 

f^^Sf^TTqf%%  ^  ^  jftPriLiVJrri:  II  «IM«  II 
t^#^f^^5Fn"^')  ITOT^P^T^  TRT  II  «IMt  II 

wmsH:  tTTflW^  'sf^^^-sT  -qr^^  I 

^FW  Tm  )finwt  ??iTt  TT^q  ^H  -g  II  «iq<i  II 
^ftr^  ^^  ^)^STRT?Jnn%  ITT^rfM  ^  ^5  II  iffO  H 

^rR^  g^  ^-  ^  fT^  wirr^RT:  II  '\%%  II 

'TT^^f^  7R^  ÜI^  W^  «^  iTW:  I 
5I^HIK^<r^r4T  ^  tI"%;rR^  II  «ilft  II 

<^ri#l  llfit  ^T^  Tj^  ITT^^^fl»^  II  '^%^  II 

"^t^  Ts^  ^  ^i^  5HT«l*4lcj4|ch^|^:  II  «i^90  II 

'^WFWTF^SI^^   ri^«H*iMriHh<|ft^  II  «l^S  II 
?^  ^1^  TFT  "^  '^nJF  y^"4rM<H.  I 

^rerrft  "t^irr  «>f^m  ^  f^^r^  ii  «iv9<i  ii 

^^  ^  ^^^  ^PRTWT^^^r^'H  II  «Ito  II 


^^ 


Cod. 


78  Weber,   über  das  ^atnuijaya  Mähähnyam.  K),  181. 

mH*i^  fk^m^  f^T,Tn^  f^^  I 

m  ft<t^  gf^  ^rf^'H^w')  jpt  xrf^  II  «ib^  II 

^^f :  l3^8rf^  ^^'^^FfWanfW*)  II  «Ib?  II 

^nr:  TT^nn^  *4<*iii-tiTftcr4iM<*i  ii  ^bH  ii 
ym^d  fk^  -^Tfl  f^T  ^H  ^f^v^  I 

f^^T  »T^  -^  5gTRt  f^^T  "R^  ^cjil'MiC  II  IbM  II 

f^  ^^iHriNK^I^f^RT  f^^  fTqf^TTT  II  «^b!f  II 

f^^  ITC  ^  ifHV  ^"^^  f^^  f^  I 

f^RT  ^^m  ^  UTOT^:  nfTfTTt  f^  II  U«  II 

^^  f^  15^  \^^  ^^  W  ^1^  II  Üb  n 

^n^n  r«IHlRiJ#  ^^  rPTT  ^  f^T  ^R:  II  «lb<i  II 

^nr:  trt  -^  ^  H^  J^f^^fw  ^  ^tjr:  i 

5T  FH^lIfT::')  ^f^'TTfT^W  i^rf^^rfw  II  «i^b  II 


1)  ?-|^|v4M«»  Cod.         '')  mtishta,  bestohlen.         ^)  ?f%^®  Abschi-, 
')  **^llrfnl  Abschrift,     „von  ihm  gebeten,  gefragt" 
')  ^)4I'  ^1^1  <=(  I  ^"^-     ""'*  "''^  Füfsten  der  Armseligen",  =  als 
die  Armseligsten?  ')  ^Tf^  Cod.  ')  0^X15^^.5  ^°^- 


10,  199.  Weber,   über  das  (^"afrnnjatja  Mähdtmyam.  79 

'jlhmjf^^  ^^T^Tf^TO^'^fl^')  II  ^00  II 

ikW[^  ^^Pffft^  ^T^(!^tIRTJTf^^  II  ^SQ  II 

rft^^W^Tfsr  ^^:  ^WT^^^T^^iJT^  II  ^^%  II 
^IW:  ^%nT:  ^  rf  ^  c^iiiwj^*!^  II  ^^^  ii 

^nj^  ^TfM^:  ^Tn^*44uii«ri:  ii  90?  11 
nwii  ^  ^  ^"nn:  #iT^»^  ff  ?r  "^fn:  1 
t^n^'ra  ^t^w.  ^mm  w^?'^'-  11  ?o{i  11 

W^Tf^  fftcf^S^  TTIRS^^rtf^iJw  II  9«!^  II 

ftf|wrnT5rf^  —  1 

•^^TS^^:  TpfWwfwr^nrr  ^:  11  9«i?i  11 

fft,:  w^  ^fwn  "^  f^^  ftm-q-m^:')  1  —  11  $«m  11 

W^  ^1t^Tr^%sf^fN^Ty%WT:  II  9«it  II 

1)    Ob  muner  zu  lesen?  Oder  gehört  7nun/r  noch  z«  198. 


80  Weber,  über  das  gafrunjmja  Mdhdtmyam.  10,  319. 

rr"R^T  %sfq  fvT^ftjf  ■q^:  ^^  -^  %^;t  II  9«|<l  II 

XRTfTWSTfWR  f^^fif^fT^  ^  I 
XT^W^TüTlfsü^)  ^ftff  ^V#ftw^  II  ?^o  II 
IfT'^^'R^  >^^  ^  TFTVW!?^  I 
^■P^  5t  TllI^fTTftgr  —  II  ?^«l  II 
'^^  ^ÜA^kH  ^rhl*4RuR«IWtri'  I 

fTwt^^^^lHH^:  gfTTw  ?1tt  ^TTfw:  ii  9^^  11 
'T^I  ^3?^  ^JR^Mf^T^  ^tt:  II  ?t^9  II 

^^[^T^TVT^  ^^^Wft^  II  9^e  II 

ff^Mr^frwrn^  f^^iHfs^^^:  11  jioo  11 
rnr:  ^fwt^  ^^iwri^^rreR:  11  io'=\  11 
'^^'V^:  f^t^^T^i'fRRT  ^sirf?i  II  80^  II 

rnrrsTiRn^TMl^  qw^^ff^  ^^n^:  11  809  ii 

^^TTKTs^  Trfp!?rra  ^^  I 
^Wg^f^5ni5jirr^Tfw^rf%  11  %s<i  11 


^)  pancaparvan  ist  mir  unklar. 


10,  933.  Weber,  über  das  ^atrimjaya  Mdhdtmyam.  81 

^tlK  wrpTT  t^iiHrft  rTfrqgt^nri;  ii  <>?iJ  ii 


Cap.  XI. 

¥Tf^(^miTt%S^^  ift'SF'TR  "^f^  II  «I  II 
«h^^ri^W:  ^Sft  ?n^^^^>M4i^T  II  ^  I! 


Cap.  XII. 

^^TT^iT  ^  %rW5cifft  ^^f^^srtn^  II  ?  II 
f^rf^tWTRtsfq  ^SXJJll^ri   fT^^:  II  li 

m\:  fi:  ^  f^TH|^fvTTO^^R^  i 

5TfR  m^  wr^mKK^fi^tfTi  II M II 


^)  H{^  marg.  ^^  ^rpr  marg.,   i^'acikafnra  nämlich;    „gehend 

gestützt  auf  den  sirh  bückenden  Indra"?  :i\   o^rf  Co<} 

Abhandl.  der  DMG.     1,4.  G 


82  tfeber,  über  das  yauunjaya  Mähätmyam.  12,  6. 


Cap.  XIII. 

^irmm  -^  %Tf^  f^Jrraf  ^fiwrjf  innwi:) 
w^tfrr  II  «i  II 

^R*)  II  ^  II 

^^^^THft  ^S^ft^  f^  ^^  II  ee  II 
^HU^H^IfW  ^liTTWm^  ^atRT^T  II  9=1«  II 

qn^  ^T^RT^T'^T^  Ü-^  ^^H<KIW^f^  II  9«)t  II 

^r^^T*!]y*i-m<*5H^vjiäRi|^V:  ii  9^0  11 
^  ^■^m^st^  ^rawT^t  5'^ra^*  11  9^*=i  11 

■)  oj}^  ^  Cod.   n  »rff^t  f^FRT^^^lf^  Cod. 

»)  nämlich  14fH<4^: !         ')  "JT^  =  OTT?  marg.         ")  So  Cod. 


I 


14,  1.  Weber,  über  das  (^atrunjaya  Mdhätmyam.  83 

Cap.  XIV. 

Twf^^iFTirr  ^ft  H  TTi^:  m^  TT  f^:  ii  ^  ii 

Tl^^f^^^Tr^r^ft:^"-)  ^TT^^Rrinjit^  II  ^  II 
rRTWt^^%?TT^   HnWIsil«*»^^  ^:  II  9  II 

^PJFTT  ^ll?ft^  inMiii|r4?|Wt^^'5T  II  q  || 
f^S^  ^RT^  ^^^  c^^P^rr  ft'Wi^  ^rTT?^  I 

^n^  5^^  ^i^tquftri^t  fTT^:  ii  ^9  ii 
fqtsf^  ^iwti^^mf^^  ^zniTif ")  II  t  II 
?fft-sj  fkvm  w^  m^  ^[srftvt  f^nV)  ii  q  ii 

^'^^^^  1^  f^  «T^  f^^^RTin  II  «10  II 


■)  Tg^<lri<jr»  Cod. 

')  ?i?iy^r<4 cod 

')  ?urRT^  Cod. 

')  ^  i^  Cod. 

)    ■'«♦ülll^'Tt^^ri«»  Cod 

')  lg:  Cod. 

.>  «ajiri  ^»'1 

°)  »Vtf^  <^<"i 

84 


}¥eber,  über  ans  (^atrunjmja  Mähalmiji 


14,  11. 


^Pä|;>JRf7T?Tf^  W^tS^fiT^^:')  II  «i?  II 
■sfC^T^  "^^  '^  ^^WT^^S^^  m?J  II 

^w  ^rsn^  ^  n»3^l!^w^s^  II  «IM  II 
mn^sff  f^Pf^TTHTf'H^jftij^:  II  <=ilf  II 
-^T^  ^-^  "^^  in^:  T^iwt  TR^  ftRTi^  II  «1«  II 
^^^^  xRTn%T  inw  ^PT^'JTf??  II  «it  II 

^üfNrt  TT^:  TTTW  ^  cTW  ^WFm:  i 

^  f^jj  ^i^-QT^i!ni%^?r  -^  ^:  II  ^0 II 
fw»«!')    mi=^  in^  ^^^  ^s^TO^  II  ^1 II 


^)    dgraha  das  Jemand-wozu-Heranziehen ,  Veranlassen,  vgl.  I,  14.  und 
^K||Jl(^  V.  343.  —  In  V.  234.  ist  ^Jf^^=  ^||<U^  Unternehmen. 
2)  ^fcf  pr.  m.  Gfi^c[  sec.  m.  ')  ^T^t  Cod. 

^)  s.  V.  321  und  vgl.  Stevenson  Kaipas.  S.  17.  85  und  ^^4-|4l  K^4 
bei  Böhtlingk-Roth?     S.  indess  auch  Hemac.  85.  ^ 

^)  bei  der  Todtenbahre  des  Zornes,  s.  v.  64.  ^)  ein  axara  zu  viel, 
s.  V.  178.  I,  342,  381.,  viharan  zweisilbig!  0  s.  v.  110.  Hemac.  140. 


14,  22.  Weber,  über  das  Qdranjaija  Mdhalnujam.  85 

^Wrinfwf^^SM[^')  fg^TTTTTOTf^  II  ^^  II 
"^  "^^  l'^  ^  ?r^f^3rfiTrTt  IRt:  II  ^?  II 

^  M  f^!?wt  irfir^T  -^  ^FTWHt:  i 

XFzrfrT  ■^TCfir  iftsrrt^ElRI^ffrf  H%f!^  II  ^If  II 

TlfTfft^^  ^ilwrfVf^rTTftfwrOl 

^  Hc|ä"M^lft  *4n^yj|HTWtSf^^1^  II  ^S  II 

^NrMui|;f^:  ^  ?T^  ^  ;;t  ftn^:  ii  ^t  ii 

^m^M  WRR^')  ^WT^  ^T^^  I 

^  fttiwr')  'Tt»n^^wft^  w^  II  ^<i  II 

^M'*4t?i  ^"^^T^rcJ  <|  frH  f^TTT^mfr  II  ^o  II 

'■)  i.  c.  T(r^!  s.  219.  ")  Denominativ.,  s.  v.  40.  Kl.  82. 


86  Weber,  über  das  (^atrmjaya  Mahäimijam.  14,  34. 

Tjtn-^mr  TTfTnT(:)  ^^  ^Jir^^t^  f|  ii  9?i  ii 

WWg^W^  -^f^TT^lfTT^R^rT*)  II  ?lf  II 
rR-R5T^l^fT]^fi'  TTTOT^  ^^f^xrfw:  II  9S  II 

^irw^')s>TT#H  f fT^TfiiHi^:  II  9t  II 
Tr^n'gTüt")  ^t  ^^  ^:  «h^^*4i  ^  ii  9<i  ii 
f^Tf^  §T,-n5gr^  ^gr^^im^  Wf^  ii  iJo  ii 

5T,TO%  ^^TMTi^rRt^  f^  f  ^W^:  II  ?i«l  II 

^x^^FP^P^q^yp^^O  ^j*4KHril^riH  H  ^^  « 
WlfxrflTTflMKI Priori l<^^lc<i^r^^:^)  I 
^PT^*!i  f^  ^Ti^  f^^^^jR  ^^^tf^-  <l  Ö?  II 

■)  ^  Cod.  =)  fqf^t  I  f^  Cod.  ä)   ?T[J  Cod. 

*)  »fri4H**4^TrT  Cod..  s.  v.  243.  Xni,  2.  »)  ungeschickt,  und 

dann  noch  am  Schlüsse  wieder  adas!  ')  TTSTT**  ^'"'' 

')  •5IT^5ZI^5T*  Co«'-,  oder  ob  OJ  |  |Sl^?»i  |*  zu  korrigiren? 


,-.    MIT  n  f^  r^  j     j   ■    -    ^.-      T  "  ^)  qaUacailän  wohl  =  fai^a- 

)  TTRTnT  Cod.,  dm/;«r«/.  ==  Lowe.  laliusthän. 


4 


14,  45.  Weber,  über  das  ^atrunjaya  Mdhdtmyam.  ^7 

wnt  f^  ^:    TP^ii^:  f^  II  8u  II 
55T^  TT^^nirfNi  Tm^fWf^:  i 
mT.wnfl^nflwf M  i  vj  fw j^^vj j^  n  i%  ii 

^  ^^  ^  JTrTtg  ^  ^f^^^:^  I 
rmm^^cji  15Tfq  -^  V^  ^«Tt  ^^  II  ^^  II 

tTJTT-rT^  f^Ht^MH^M4^  imW  II  iJt  II 

^I^^RWIär  ^S^t^  U»|tqT?mt  ^^T^')  II  ^^  II 

rT^Wri^T')  ^Si^tf^J^^.^?  ^')  II  MO  II 

^RT^  ^^-^^  H^T^RTT^f^  t  I 
^^<!Ilä  f^T^?R2I  ^»^  ^-^^^^JW^^H,  II  M^  II 

cTR^^n^  ^  fifjjTTip3iirTTiT^7m  ii  m?  ii 

tfiXjnir^TTVT^fRt^T^^TTftR  ^  ff  II  M8  II 
^m^fwf^^'ij \H\ <S)^fq  5FT  ^^f^   IIMM  II 

«rftr  marg.  »)  ^%^  Cod.     11%  "'«'g- 

slhairiiam,  fester  Platz.  ')   s.  v.  238.  334.  X,  80.  i)7.  197. 

^fTm*^iif<«(  Cod. 

stieg  durch  das  Wogen  dem  Herrn  bis  zur  Nasenliöhlc. 
^WA  "^a«-^^-  ")   ^%  Cod. 


88  Weber,  über  das  ^atrunjaya  Mdhdtmijam.  14,  56. 

^  ^l^  5  ^^ITimt  r<4$!m<rM   rrt  ^  II  M^  II 
rrfe^  fl^  f^.*  WtW  f^  ;T  ^W  11  ffO  II 

'^fn^rsRRrerai^n^Äflwf^^rRfT:  ii  If^  ii 
T^^^^  f^  JTrfT  ^  ^-^  xr^  irfw  I 
^TFft  f^^frpq^  ^  Tft^rrnsni:^  ii  If?  ii 

^^  ^iT^sf^^')  %T^WWf  VTH^fR^')  I 
TTVnrt  ^^^  JT^SfiTR  %^F5^  II  %'i  II 

^^^T  ^^  pjRT^RT^")  ^5m^  II  IfM  II 

^ng^^^rar?  tot:  irft:^^:  i 
■^rrnxMT-stfft^^T  ;n^  ftR^fvm:  ii  %%  ii 


0   ®TfpW  Cod.         ^)    Compositum?  „geschickt  schnell  die  Feinde  zu 

vernichten."  ^)  ^5R^  Cod.  4)';gf^Cod.  ^)  TTfTT  ^o<^- 

^)  s.  265.  7)  "jf^^ra  Cod.         8)  cfff^  Cod.  so  auch  v.  72.  91. 

^)  als  die  d/iöfw  in  ihm  wie  durch  Feuer  verzehrt  waren,  s.  v.  330  und  v.  18 

^"R^  '«)  W\'^^  '"^rg.  ^  )  ;Tf^  Cod. 


1 


14,  67.  Weber,  über  das  (^atrunjmja  Mdhdtmyam.  89 

^[Hf#  ^\TOW2rf^  f^fij^MW«*«i:')  II  fft  II 

^en^-^T^sfq  ffNfft  f  Wffi^^JRTrl^  II  %<i.  II 

Hf^:  ir^i^^Br^  ^  ^rn=5Rwr5RT:  ii  s^  ii 

5^:  ^rnf^H^rr#i^')  f^^:  %m^w:  ii  s^  ii 
fftEW^S^  riä'^W^rM  f^^rn^TRH^  I 
#?5T  ^rfq  ^iwi  iif^»g^:  vmm'  ii  ^9?  ii 

5H^T^firrf^pn  f^nTTH^  ^'üt^ttti;  ii  s^  ii 
w^w^'  -fef^iT^  'stp^tt:  %^^  ^  %:  ii  s%  ii 

IR^f^T^TOWrrw')  ^fwr  fOiT  ^fl^fR^  II  SS  II 


')   ®;Jt|cmt  Cod.  updsaha  mit  dem  Accus.  2^    cfl^flf^  Cod. 

')   ?®tt^Jff^  Cod.     Zu  dhvdnla  s.  83.  217.  225.  327.  342.  II,  14. 
')  ^rf^Tf  Cod.    inif  niarg. 


90 


Weber,  über  das  (^atrimjaya  Mdhälmyam. 


14,  79. 


f^xnpp^w:  Tt7iri<*i«tf<fi?rsfi=^T^  II  vse  II 
w^  ^  ^^j^  ■4N(^:iN^rnraH  ii  to  ii 
f^Rirf^  f  TT  ^rm^^^t^  %^!mf|^:  ii  t«i  ii 
f^^^^S'qrn^^  -^j^  ftf^f^Rj^^  II  t^  II 

^"S^  ^?n?R«lis^TTTftt^TTWfw:')   I 
IJ^^W?!**^^^!^  fttcnTT^  II  t?  II 

^f^gre^  ^i^i^fTT  >wr«='mi  ;to#3r^  i 
^^^%5?:  ^mmPhi^  xrr^^Ep^  ii  tJi  ii 

infw^^Il^')  ^t^nfr!fjrtH«l*4f<<^  II  tM  II 
^«lyyM^^'TRS^tfT  "^  t^Rpg^  II  t?{  II 
flft^|j  1 1 <1  aj+4ri*4-»|^ iit  v{^)  II  tv9  II 
^  ff  5T!?nR:  ^yn-^frT  -^  ^^^  II  tt  II 

qi^T-^T«^')  ^  fft^^'^  "q^f^  ^  II  t(i  II 
f^:^:Tii^  ^jö5^  ^FHFrwt^^^^^')  ii  eo  ii 


')  »m?roTT)^cod. 


H^Vl  *^od.  mrinmaya  im  Sinne  von  slhira? 

')  ^rilMHT  Cod.        ^)  ?H^  3^  ^FT  ^T^P  Cöd.  ^  marg. 


14,  91.  Weber,  über  das  ^atriuijat/a  Mdhdtmyam.  91 

f5Rf^*)  33^'%  ^rrf^  rf^  ^  ^  I 

^  ^^  ftn^TW  vffiU!«^  ^T^T  II  ^^  II 
^tTWTf^  -^  ^^  in^l^J^KRt  Wfrl^t  1%  II  e?  II 

II  <ilf  II 
II  QnS  II 

')  nämlich  ^\r{,  ^^l^,  WR>  HT'I'  '■  Stevenson  A'a/pas.  S.  6. 65. 
Oder  s.  II,  186.         =)  ?  cjf^^^Cod.  Zu  /'^^,  s.  11,  475.  C03.  X,  91. 

136.  199.  XIV,  183.  189.  ■')   avdsU  wohl  =  prdpa,  s.  Nalod.  I,  48?  oder 

ist  etwa  avdtsil  zu  leaen?  asimat  wohl  von  ^^sam,  wie  astdat  von  /snrf. 

')    <$jrt)  pr.  m.  '')   .«aftosra  als  Mascul.  oder  Fem.!  ebenso  v.  94. 

'''>   '"''  ^TTOlrfrl^  '"'*'■  =  1200?       ')  so  auch  nietri  caussa,  nicht 

O^:;  s,  290.   Hera.  74.  hat  "^rtfWJ  ')  'T^'  »"'  ."««<"»  +  atas. 


k. 


92  Weber,  über  das  ^atranjaya  Mdhdlmyam.  14,  98. 

fFTT  ^nrf '^ftj^sfiT  %2n?ir^  ^sfTT  "^  inoo  II ') 
v^f^T^cR:  ^s^')  -q^rn^  ^f^^rfk  ii  «io=i  ii 

M^-MHlf7?mTfiT  ^^iTTT^  Tr^r*4HI»l  '<  ^»^  II 
^TOre^l^  ^')  ^  rTTnf^^fl-arfrT  II  «lo?  II 

^^km  m^'  ^51^')  ^jRfTftftT^ftr:  ii  =iojJ  ii 
^fwT  WTf^wft:^  "t^  TJi  viTsr^T^nr  ii  «)om  ii 


')  ?5^5^'»  cod      "^  -^RT!«!!  p-^ '"  5  f^T^  Cod. 

')  Lücke?     <)  ^ra Abschrift.      ■)  s.v.  282. 158. 191.     ')  IgT^^  ^od. 

")  s.  Stevenson,  Kalpan.  S.  5.  Die  Kaufleute  sind  unter  den  Jaina  sein- 
zaltlreich,  ähnlicli  wie  unter  den  jetzigen  friends  of  peace.  Der  Handel  braucht 
eben  Frieden. 

')  g^TTP  Cod 


14,  107.  Weber,  über  ihcs  Qilriiiijiii/a  Mdhätmijam.  93 

tnf^Tft  M  fT^  ■q^JT^HTfq')  W^'  II  SOvS»  II 
^m%Si^  ^^  ^^  ^  rT%lf^zrfTT  üf^  I 
;R^?^^n«qT  f|  "zn^  f^  ^^  Tfjftf^T')  II  Sot  II 

i^ft  ^^^wn  iTfw^;^2rfw  f^%r)  II  «^icjo  II 
w^m  irf^^5«rm  ir^ffT  ^^er-iijw*^  ii  «^«^«^  ii 

f¥^^  5^  qr^T  -^^RTTT^  II  1«!^  II 
HK^^*^")  Tmt  ^^T^^*4'^^flwfw')  II  «IS?  II 

^^  ^TPsnmraKT  »j^irRT^  ^"srf^i^nT:  ii  «i«^Ji  ii 

q^ffT  'j^^nrri  ^nwtgfrRTffR^  ii  ^^%  ii 
^Ht^^  f^  ^T^  xn^Tt  ^^uHri:  II  «I«)«  11 

')   Für    M^Ulirl    oder  Xf^fff^fEElfff !    der  Stamm  ^  ist  ganz 
verschwunden. 

')  ®f^Tt  Cod.        ■^)  f^  Cod.        0  ?f5r^ö  Cod.,  hay^,  Stute. 

')   ^^Wfir®  ^*  C«^^'  J'"'- Beichte  gehen?  s.  irffT^WTOF  going 

lo  confess  to  a  spirltual  guide,  Stevenson  Kaipas.  S.  7.  '')  OUjlJ  Cod. 

')  ^^Iril^fftpCod.         8)  f^fyi^Cüd.         '•)  soCod.,  mchtoggh^ 

'  )  '?¥R0^T!T  Cod. 


94  Weber,  über  das  ^airuitjaija  Mdhdtmyam.  14,118. 

wr^  ^^  ^ t*^<^ ^ *i!<!if^fn^  I 
^ni^R  ^f^  Wri^niHf^^ftiT:')  in«ie  II 

rl-^  t^^^A  ^^1  fHWR^  ^^fif  II  ^^0  II 

rr'^T^t5?nRt  ^?fttTft.^^Tf^:  ii  «i^«i  ii 

^qtfnTRR:^5ft3^t^'^t?Tftl^fÄ')  II  «i^^  II 
^1^1^  »lÄ^lf^  -f^^pi^  fmtsfti  ^  I 

^RiTT^;^:  ^STra^pfr^Fg^')  ■^ffwrr:  ii  «^^?  ii 

[^x^TT^II 

wT^^rsnüf^^^  ^ft,wRi^  ^^R^l  II  ^^^  II 
n<^ii-M^i^^  '^rmO  TJ^rnrl  ^fK  '•  '^^^  " 
xRfWn^^srrt  TT'^taf'R^^:  ii  «^^^  ii 

WK^ÜTO^*^')  >^T5(ft  ■^I^ffT')  4-4'«<\l*i^in^«ll 

rrftf!%5r  ^^  TT^  m^  -^  ^r^n.^^"")  i 

^r^TJFT^^  irof^^TfrT  IT'^^  II  «l^t  II 

')  ^:  Cod.     ^)  fa^f^ff:  Cod.     =>)  ?^iiiych:  cod. 

')  T^äl^  Cod.  ')   "tj/,  adahsünus,  der  Sohn  jener  Stute. 

')  f^TJ^^  Cod.  -^^  sec.  n..     ')  ^jfT  S'n  öfhi;.'""'"''""'""'" 

^)   ®T<U*1^  ^od.        ^)   /'c|  xT,  wird  sie  die  seinige  nennen?  nach  sich 

benennen?  oder  /  ^^)  wird  einziehen  in?  ^^)   wie  der  Osten  die  Sonne. 


14,  129.  Weber,  über  das  (^atrunjaija  Mdhätmyam.  95 

fWFifw'^frnfhT:  iTf¥^  ^T^t  vjni  i 

^^^T^mfr  ^^^TP^^T  Wt^fWrT  II  «l?o  II 
^fgTJ^T5ft^rRt  TR:  ^»nf^'Wrf')   II  <)9<^  II 

^  ^»Tt^iginf  jtH  wt^  ?r?nq  » =19^  11 3^111 

)^T^S?qt  ^  5TT^  ^t^')  ^en^f^frr  II  '=\^H  II 
?:?  ^rq^  ^ipni^^sn^  f^R^TX:  I 
^IRR5T!?r^5  ^1^:  TTW^i::  II  «l?M  II 

^^  ^  ■^^VFTTt  V^«TRf^nftoT  II  «l?lf  II  ^''WJI 

|5JTn::  xi^göf^T^:  ^j^JT^Ü^  ^RT^^rfw  II  <\-^s  II 
f^')  jj^  -^m^^rmri^  TTfrqiT^fxj  f^n^qr^  I 

TT^^raPTTOTgrftr')  ^^Tqmf^vT^^rr:")  11  «)9t  11 


')  Hf;<4frM''  Cod.  ■■>)  aUo  Jdva<fapura?  ')  f^  Cod. 

')   IPTXI*  ^"'l-     Die  beiden  Eltern.  «)    yj|^  Cod. 


96  Weber,  über  ilas  galnmjaya  Mdhdtmijam.  14,  140. 

^^'j^rf^n^RTFra  T^ftf^^rfw  #3^fiTri;  ii  «lö^  ii 
^pn*<i'*ii^  ttI  "^^  ^  f^^TJWsrrt^srfrT  ii  SJi?  n 

^i^STirfvtr^I'WTcmT^ftnTT  ^RTrl  II  «liJiJ  II 

rf  H*4«H  ^Tf^J^pf^W  l^wf^  II  «|8M  II 

^Rt  ^FRTpM-mil  WT'Tf^fTT*)  rTi^WlT^II  '\^%  II 
y|VJ*J|  ?T««(<.4t  ^TRi^  »rfwfW  I 
riMPrtHNT  ^  Wm  rR^  ^fftTarfW   II  «iJi«  II 

^  cRtS^  TWR5$f  ^  %^f^  W^'  II  SJit  II 

^Tf^^rf^  m  ^m  ^Tfl^fir  ^n^:  ii  <i?i<i  ii 


')    ff^^  Cod.  =)    NjfMUlfri  C»<1  —   StSitt  valsyali! 

')    tTWTW  Cod.  *)   verlangen,  bitten,  s.  177.     Anders  298. 

*)   ob  CD«!)  zu  lesen?  tj  fehlt  ja  im  Cod.  öfter  in  Gruppen.     e)|f^  |  ist 
nur  im  Rigveda  belegt.  ")    fi||igi«(  Abschrift. 


f 


14,  151.  Weber ^  über  das  ^atrunjaya  Mdhätmyam.  97 

%RWRT  ^RT'^^^  -gmr  ^^ifirarfw  II  SM«I  II 
Wr^tl  ^  <?JHIlH^M7mvi|*4i<«i<rri  II  «IM^  II 

■g^:  g^^prf^  ^'^S^')  "^^  inMii  II 

Tp^T^s^m^fv^f^')  "STf^fcT  inMM  II 
^ft.'lc^HJ^irr  V^:  ^S^  ^W^  ^  ff  II  «^Mlf  II 
^?(^TrtT%ft  ^Jn^^S^^f^T^?^:  II  «iM«  II 
M^n^T^I^:  ^5TOt  ^'i?«^m^RÄl^  H  «IMt  II 

««MN^mm^iri)')  >TFTRTf^im^;m:  i 

^T^:M<M<mTTt  rn^  5RtwfrT  ^W^  II  «ifjO  II 


1)  ?^p^cief)J  pr,  m.  ^rH'i^'X  ^^^-  ^'  "^***  Lippen  entsendend  ein 
entstehendes  feines  Lächeln":  uttha  sollte  voranstehen.  Oder  ist  sraksrikvä 
zu  lesen *^  „die  Lippen  durch  ein  feines  Lächeln  entstehenden  Kranz  habend 
dadurch  bekränzt." 

*)   Yoc.,o  Kluger!  ')  Xj^^xfV  ^o^'  ^^ /'«•V^'^^' '  ^)   fft  Cod. 

')  '^^Pf^^Rt^g^  Cod.  )  g^FTW  Cod. 

Abhandl.  der  DMG.  1,4.  7 


98  Weber,  über  das  Qairmijaya  Mdimtmijam.  14,  162. 

^xiTi<|r^^riid^  ^r^TT'nil^^?^^:  II  "=1^9  II 

5n^:  ^T5T^^  ^i^r«n^rfWw  ii  ^%^  ii 
xmtfvf(«t?^'if  yrÄni  ^^Wtt  II  «ilfM  II 
€i<i^4^c;4i<;i<K  ^^rm  ^T^f%  gw^:  ii  <i^ff  ii 
^:^  ^ff^  f^wrf^t  ^t^rftwf^  TR!#  II  e|^^  II 
'3r#fwfrT  f^wrf^  M'n'ifN  f^^T^TR^  ii  ^%b  ii 

fT^rft  ^ri|H*HI^  ^iRp^fir  V^^TJ^  II  ^%^  II 

rR-RT^JTFfT    ^W<r  "Slf^t^fT  ^  5fT^:  ||  ^So  II 

T^'iTrit  WRST^TBfHf^fffrf")  '^^irfrl  II  «l««l  II 

Wir:  innwT  <^M<t  f^^t^  ^  Il^rfw  I 

^  ^T^ftSfJTf^t  ^  ^TOfti^f^T,^|ft')  II  «)«^  II 


^)   ^^ITtTT  ^***^*  ^)  Niemals  gab  es  den  Beiden  Aehnliches,  da 

«I 

sie  wie  Nacht  und  Mond,  Körper  und  Schatten  zu  einander  gehörten,  und  da 
sie  in  überwiegender  Weise  (Alles)  hinter  sich  zurückliessen. 

)  ^♦^'PTT^  Cod.  )  o^F^^fpjj;^?  )  ^f%  Cod. 


14,  173.  Weber,  über  das  ^atrunjaya  Mdhatmyam.  99 

^IMRPp?^^TftreTHTTt  nWfH:  -mm  II  ^«9  II 

TTftfr:  ^Ü^Ochl^^l^')  Hin=lri'^ri')  II  <|v98  II 

«ftM^-m^  ^TWn^  rf  f^H^i^friit^R!!:  II  «ISM  II 

^W^S^  Tf^it.')  ^F^Rt^  H^TRlt  II  '\S%  II 

-^^!^  g^  >1^T  *TT»k")  rt  f5i;Tr%:  II  S^^S  II 
?f7T  ^m  ^')  5Ri^  IWt^f^^^tJH:  I 
Wr^^l  *?l'[^HIr4T  ftR^rtmfiT")  ^^11  «ist  II 

TRwr^zn^  ^  Iraf  wfxndw'")  ^mrflfT:  ii  SvSQ  ii 

*4lf^«*lrimH:  HPW  5?T  -^^tt  §<t  I 
^IHjl^rJI  ^^IfT^  iW3i  ^ZTTfft^rfw  II  <)to  II 
^nff  fT^fWT^W  ^'I"H^  ^  fTSPJl^  I 
^IWIT^  V#^^^  f%^Tn|7ITflH*j%")  II  «It«^  II 

fsRT^jrfrT  TJfTrfHf^t'")  Wi  ^V^T^  II  "ibR  II 


')    s.  V.  231.     Oder  ob  ifj  [^|«-|  zu  lesen?    „ihn  als  einen  brauchbaren 
erkennend".  -y  z^s 

')    ^lÄj^  Cod.  3)    ,,Oede"?  4)   ?XrR  Cod. 

')   ift  Cod.  ^)  ^T^  Cod.  ^)   g^Cod. 

^)   ein  axnra  zu  viel,  ^  v^  _  v^  _  statt  ^  —  ^  —,  s.  v.  19. 

')   ..  Stevenson  Kalpas.  S.  73.         "■)  ^55^  rTf^TPTffT  f'^tj"' 

7* 


100  Weber,  über  <lns  (^atrunjaija  Mdhätmtjnm.  14,  183. 

^T|^  ^  ^(ft  lftf?TTTr-ini|f^I^TfrT  II  «It8  II 

mqT  ti<nti<in^rMi-^n<^TffT  ^^1%:  n  «itq  ii 

■=imH4-c|ir*4Ht  1%^  5?!5fNil^nfNw^  II  «Itif  II 

^irf^pIfH^rfrT  T^n^^rrfi*  ^tt^t^j«!^  inbvSii^TTT^ii 

^%sfMT?pIT  ^^Tfl^^T^r^R^^^iT^  II  «Itt  II 

^i^gjchH^hHi^rilf'')  ^  ^f^y^rfff  II  stQ  II 

^^pqrffTMIrifHyTrTtflir^xi^')   I 

Ä^jni^raTH^^")  f^HE^f  ^^-^  II  ^<io  II 


0   s.  V.  254.  X,  169.  2)  ^^P\  ^f^  Cod.     "^f^  sec.  m. 

n  rrf^®  Cod.         ^)  grjTcf^'^o  Cod.         ^)  ^fTiq  Cod. 

•")    rJföfM^  Cod.  „mit  täglich  nur  einer  Mahlzeit",  s.  v.  321. 

')  ^rrrfflT  Cod.  s)  ^^^cod.  ^)  ^y  cod. 

^")  f^^  '^rff^'^®  Cod.     alam  =  unversehrt. 

^ )  ^"^JRTrüTHt^  Cod. 


14,  193.  Weber,  über  das  ^atrfüijaya  Mähaimijam.  101 

jjrfrn^  ■3rrf5n[rw:  ^#^Ti')  ^mro^  i 

^i^rf^WfiT  ^TW^:  ^VT^Hrn^")   II  '\^%  II 

•zra^^^^sfq  mv^  ft  ^wrsftf  m")  II  «i<it  II 

TTfti^:  ^  ^"li^  Vr^^Pri  ^n^^I^:  II  S<i<i  II 

fR^tf?!^tIHn^  ^IRWR^^rRi^^:')   II  ^00  II 
•f^S»^  §Tt  ^rm  gft^  ^f^frT  II  ^0«!  II 

^T^'")  »l'^rn  Hf<<lisMMM<*|5Mr|Tfl^  I 
^^^T^*  TR^^TiiiaM^T^  II  ^0?  II 

')   TfTTWfJl  fo'l-      >J?T  ""'•  HftfT  „•'«■la'l.n".  ')   -^  Cod. 


Cod. 

pr.  IH. 

Cod. 


102  Weber,  Hier  das  galrmtjai/a  Mälidtmyam.  14,  204. 

imj  imT  '^  ^Tfi=l^  fRt'q^fri<?JJSJ*!l*t  II  ^08  II 
Hri(|lsMMm<j4<it  %  ^  I^^^SRra^')  II  ^OM  II 
^ftR  ^  ?nft^f^  ^fT^^  5TTT|^  II  ^off  II 

m'sra^ff^ranrrfl'^  tt^  -^u^j^  ii  ^os  ii 
wm.  ^  HfR^  ip^MiJm  ;r%:  ii  ^ot  ii 

'T'^tWTT.^  f^  -IJ^^^H^I^^W^:')  II  ^0^  II 

f^^^KHj*<:')^TTfiR^fJ^f^^iT5rTfi!r?n!;iR«ioil 
f^^RfU5ffJT  ^RfHT^^rf^:  I 
m^i||«'ÜH|^rcrJtIJÜVTft^^5f  W'l  II  ^«l«l  II 

5'^#^'§>^  fir^f^^fir  rrgr::  ii  ^«j^  ii 
^^^RT^M'")  ^T^i  ^^RmPri  II  ^s?  II 


')  WWt  ^<"'-  ')  %roT  Cod.  ')  ^  Cod.     1  aor.  Ätm. 

■*)   Cod.  unsicher;   T|CICt|J,  aber  corrigirt  und  nicht  deutlich,  wie? 

'•)'q»T^Cod.  ')  ^Cod.  ')  ^T^Cod. 

^)   „der  da  an  vier  Stellen  Arme  hatte,  welche  einen  Strick,  einen  Ha- 
ken, —  (V)  und  ein  Rad  hielten".    Ob):^!:;^?  ,)  j  g  'g^' 

'")    >Mr|Cod.   Vergl.  Heinac.  34.  TSIff^öff^^.  Fnjcn  gehört  indes.? 
nicht  EU  den  sechs  dergl.,  die  dort  genannt  sind.  ^ 


14,  214.  Wtber,  über  das  ^atnmjaya  Malidimijam.  103 

f^  f^R^  ^  «^Töf  HT^R^  Wqtff?T  II  ^SS  II 

^mr^iTWt*)  fwf^  ft^^rnfri^:^:  II  ^«It  II 
^T5^  11^  ^  Plfl*J!l  irf^')  f^lfi^i  I 
»T5f  fttl^  fttf  ^  ^EJ^l^  -^^X'  II  ^SQ  II 

f^Tf^^Ii^Ttcq^^'H^f^^TTfw^lR^oll^TTiTlll 
^TqfW^  ^^  ^TWl^ri|Mt^c(71^  11  ^^«»  II 

^^  -sfwf^^rff^  ^^Tf^^^ifr  II  ^^?  II 


«)   ^T^Cod.  0  Wilson:  a  flower.  "»)   Hflfyof 

'0    fgfff  Cod.     Uc.  Part. 


Cod. 


104  Weber,  über  das  (^alravjaya  Mäliätmyam.  14,  225. 

ffs^rn^t^  ^  ^  -Mt^^f^  TJT^rsrr:  ii  ^^^  ii] 
^rf^^^fir^  ^^  ^T^^TfrT")  ft^^^y»!^  ii  ^^vs  ii 
r^  Wf\f^'  ^nTRnfrf  ^t^w  ^:  II  ^^t  II 
V!^  m^fn  JiJTöfKTfftmT  fHt:  ii  ^^e  ii 
^iifT  irfrmt  i^ffwtf^^  ^Tfl^  II  ^?o  II 

^f^miTSW^  ^R^-2tKnfwr  -^'1   II  ^9S  II 

^TC^'^nf^f^  ^T^^^f^  f^  II  ^?^  II 


1)  rjjGf  Cod.  2)   the  sun  and  moon,  Wilson.     Siehe  v.  343. 

^)   Xj'QjffT  Cod.  '')    der  Opferthiere  nämlich. 

^)  ^-RT^Preri  Cod.  (IJX  am  Rande).  ')    l^l^^  Cod. 

")   Hiatus!  ^)   i^[J  Cod.  '^)  Offenbar  mefn  cai^ssa  für  syas/i. 

Umgekehrt  s.  svarna  in  v.  193.  196. 

'')  Uf^^  Cod.  H)   Für  ^rfff^^! 


14,  235.  Weber,  über  das  Qitrunjaya  Mähüimyam.  105 

^ffi-aifTT  -JR!^')  ■^Ti:T^f%  ■^^T^nr^')  II  ^?M  II 

■^^^  ■^\^  ^:  ^  f?reT§THTnTf^:')  i 

4H.*4.t4lf^riJ||-m-r4*<iq^  ^3Ri^:   II  ^?|  II 

«n-n^if^^  TTsg  M<iH«1'*H<'ir<  II  ^9^9')  II 

^m^  ^f^  TT  ^T^  f5(t  ^5^#5  TT^TT^  II  ^?t  II 

^nf^Trf  irfriTnn  frremf^fiR  -^ri?!,  ii  ^?(i  ii 
r^ftar^  ^  "ST^  «m^  ^err^fff  f?r^^:  ii  ^^o  ii 
?r  11%^  lif^WRT  ^s^^Jpff  «nw^iuiri:  ii  ^^^  ii 

■g^JTRt  ^^t^fWüR^^^  ^^^  II  ^^^  II 
irfWirt  JHtrfWf^  ITTOT^  [^ifTT^RiH^Tt^  II  ^^^  II 


^)    4J^f\  =  oti  die  direkte  Rede  einleitend. 

2)   'TT ff  Cod.  „sprich  zu  deinen  Dienern"  =  stelle  sie  an. 

^)  die  asura  wie  der  Wind  die  Gräser  zerstiebend.         "*)  ^^fl^lJ  Cod. 

^)  im  Cod.  nochmals  ^3cf'  daher  auch  fortab  imCod.dicN  ors/iihliing  um 
zu  wenig ,  bis  328.         ,  ^  j^j^^^  ^^^  ,  ^  -|-^^^^^  ^^^ 

«)    QjlnRZl  Abschrift  '0   Vinj:  ^«d-  ^*')   T?OT  Cod. 


106  Weber,  über  das  (^ahuHJaija  MdliiUimjam.  14,  246. 

'sn<<«l4H4lfi4riT  Ti#(:)^?rfwnT:  ^S§T3^:  i 

^t.^^  ^>T  ^ni^;T  wr:  i 
f<'<nTlPT:  W^  ^  ^l^^MPfi')  i^^frm:  II  ^?J^  II 
^rf^Ww')  f^:  %:  ^TOUfMH^^')  i 
t^^tOjt  ^!  ^sfii  Jwfti^^Tim:')  II  ^^o  II 

t^sft  ^  fivFrr^  ^fi5T5tri«<K!iri:  ii  ^q«)  ii 

f5f%fRT  Hr^^MPfi  ^Snft  fwrwsrft  II  ^M^  II 
^;V^  ^  VTFIRIft'")   fft^PiffjT^  II  ^M?  II 

^Tfwr^'^^^spT^^qffft^^  ^n^pft:  II  ^MM  II 

^)   sf /las t/ö^i  ZU  lesen,  metri  caussa,         ^)  ^<S  |  Cod.         ^)  ^|4^Cod. 
')  rur  ^;ft^:!  ^)   Tqn^O  Cod.    s.  X,  95. 

'')   "^fW  ^'od.   //ii  „werden  ziehen"?  ')    >J^  ff|  Cod. 

"^    ^^  1^  marg.  vi' i  wohl  aus  vyanc  entstanden.  ■')   "Kj  [  |  J  Cod. 

^'0  den  vajra,  nehmend,  wird  er  in  der  Hand  halten. 


14,  257.  Weber,  über  das  (^(drunjaija  Mahdtmyam.  107 

irfirei^")  iRpjw  HFft  xr^'^nr:  ii  ^%o  ii 
^  ^  i^f^jT^  ^  f^  ^  ^  wf^)  I 
i^m^  in:  imt^  ^  ^^  ^ra  tjt^  ii  ^!f«i  ii 

^I^Jj'HM^fii  ^KWI^TT^')  ^  Vl^ri;  II  ^%^  II 
W^Wt^W^^^'")   HWKN  ^ftlKrfTT  II  ^^9  II 

^iT^i^^^^^i^^sFHf^sn^'')  HM\^m  ii  ^If8  ii 
irrar^sg^^i^^r^Tnft  yHl'*4*<  "  ^^m  ii 

-  ')  MM^i^Cod.      •')  ^Tiif^o  Cod.      ')  •^grt*^  *•«<=''"»• 

')   ^IW«firlt  Cod.         ")  f^:  Cod.    Oder  ob  O-^J  zu  lesen? 

')  Iff;  Cod.  ')  ^TWCod.    „in  Folge  eines  Festes"? 

**)  das  Perfect  babhöva  ist  nicht  an  seiner  Stolle  hier,  das  Futur  sollte  da 

stehen.  ..)  ,,  -jj^  ,„)  -^^  Cod.  ")  "%  Cod. 

'^)   "^TT.  Cod.  '3)   dies  ist  auch  die  liedeutuüf»  von  ffl^^cR^, 

•rrVtSfi^'J  vaduin  faciens,  s.  Steveusou  Kalpaa.  34  „who  nrocures  the  meaiis 
nm^l\ofsaivatioii.  ^ 

'')  *•  ^T^^ITff :  Cod.  ncUhyam  =  Schutz?  >  )  ^Jof  Cod. 


108  Weber,  über  das  ^atrmjaya  Mdhdtmyam.  14,  267. 

^mw  "^PT^  ^   fT'^  ^   rlTt^'-  II  ^%S  II 

W^35Rtfwr  ^:  HT^sm^f^fJi:  I 

W^  f^f^m^  %  W^  HF^^  TTfTJ^  H  ^!,t  II 

•zn^  5tjt:  ^j^  tj^iws^  f^^T[:]  ii  ^ft^  ii 
^if^  ^^m^^  wm^  §*4t^*i.  II  ^«0  II 

WW^Tf^^lft:  ^  ^i^lf^T')  ^  II  ^S'\  II 

i^^\f^  w^  w^  rT^  ft?f%#Ritm:  ii  ^s^  ii 

f^<>eh^i'  ^»l^R  ^TüT^-rf^J^^srfw  11  ^S9  II 

%c^jrf^  Tf^Txn^rr^  H!*m<,Hn*ü«iWHi:  n  ^«m  ii 
m-sRT^^  wrü  fMtf^^  f^w,  II  ^^9ff  II 

?frf^!5f^5^1^^^<l  H|T^Tf¥^  II  ^SS  II 

5T-nRrTts^  et  ^  5^»^  ^3^f^5  I 

^^^Tf^l  ^^  ^fTF^rfrT  f^^l^g^  II  ^St  II 


1)  ?^c|c|f5?0  Cod.    „wird  sich  wieder  beflecken ".     S.  v.  342.  11,21, 
')   ^rlT-'^T^t  Abschrift. 


14,  279.  Weber,  über  das  ^afrunjaya  Mdhdtmyam.  109 

wrwi^nrn^j^  Hrf^^^if^^^rn  ii  ^to  it 


•^^t:  wrtg  J^Mif^i^^iji:  xRcrrf^:  ii  ^t«i  il 
^m^^Wt  Tftl^TOfT  fT>Tff^  ^«^i^l'ilfR  II  ^t^  II 
^(jf^jT^Tf  fwsfV  ^iw^  V^^:  II  »t?  II 
f^lc^lM  f^^m^  TtvfWrT  xiT^  II  ^t8  II 
«^KnimPri   fft^  'Mlf'ri«*!  %?TO^^  II  ^tM  II 

^i;wTrf7m^;TTifrra»j5i')  ■^t^fnftrj^  i 

^wmrr  ^f^^iÄr  ^T^Rsm^i^T^rafr:  ii  ^ts  ii 
fH^Mi<MRȊi^  ^tm-  m^^^^^^^im-  ii  ^tt  ii 

W^J  WMpMäl^  f^rarg  ^  ^  >1Tf^:  II  ^tQ  II 


')  ^TwIriffTTr»  coä.       ■')  -sr^  t;od,        ->  f^  cod. 


110  Weber,  über  ilas  Qatnmjaya  Mdhatmyam.  14,  290. 

^g^^5  5n%5  ^f|  Öä^Ht^h:  II  ^(io  II 

^^  ^  TT^  Tiirf^Rt^sfiSf^tT^:  II  ^^9  II 
M<^R^lärH<T^S5fr  U^  ^R^  »Tf^^rffT  I 

^T^Tf^wfw  JT'^^  Tig  ^^nf^^OT^n^  II  ^eü  ii 
^RT^T^rfwpjjtnqrflR^:^)  ^  fw^jrfTi  ii  ^qm  ii 

wMf^^lfrT  5^ift?W^   r^Ml^i'MI  II  ^<l%  II 

ff^fiS  yrf^^THIT'^l^  ^  %^R  I 

f^sll^M'l  ^IWlffi  ^^STT^T*!^  5  rr^  -g  II  ^<iv9  II 

^!^  ^^Ti5<t^t%T^  f^T^W  II  ^Ct  II 

STFfftwfrT  ^^^^:infrnT^:*)%iiHn^<ieii 

#Elt  ^^(0  f^^%:  ^n^rffT  ^j^^[^  I 


')  <*^H  lr?S<Ji<»  Cod.  2)  iq^  Cod.  =)  <^c|rl^cod 

')  ^üTcrr^fwr  coa.       ^)  Tn^iw:  cod.  pr^.... 

')  ^5TWT  Cod.     [^  (j  I  sec.  m.     f^J  |  pr.  m.         ')  Loch  für  zwei 
axnra;  von  dem  ersten  sind  noch  Spuren  da,  die  auf  {^  deuten.     Ob  ^rf|? 
*)  *>V|r|!  pr.  ni.,  del.  sec.  m.    Xf"  niarg. 


14,  301.  Weber,  über  das  ^atrtmjaija  Mdhdtmyam.  111 

M^ivj<°^  -^  im:  ^^  mf^  v^^  II  ^o<\  II 

f^l^rMlpH(?)^W|^m^»f<rri   ^^t:  II  90^  II 

^n^ür  ^^sf^  ■'d^srn^R  Wir  ii  909  11 

11^  ^i^  W<r  'l'*'4lriTfM*dr4iH<nrri  II  908  II 

^■R!^  ^^T3Rn  ^^?fn^  Hf^^rfrr  ii  9om  h 

^ftreiTtft  ^  ^  JTrqr  iftraifTT  II  ^0%  II 

^mf  xnxTTiicrJ  m?'^:  ^i*i^Ä|)iiri;  i 

5^:  IlTfrnT^wr^Tttf?nf^  f^VT^zrfW  II  ^OS  II 
^T^RT  im:  ^  »3^  <7jRüri>5i::  I 
Uj^^^|%'>^  ^^^Tt')  «»RmPri  II  90t  II 

f^w  ^^  ql^  ^  %t  ^  ^fi^  I 
xi^  "^  fnt  fft^s^^^n^sfi?  w!5%  II 90Q II 
^t^T^nTJTR%:  ^Rf^ffT  ^;iTjz  I       r^n^R  11 
Tn^fWw  ^wT^f^^nftm:  ^t  ii  9So  ii  ^ 

TT^TRt   'iJl^fHWlIlriT  ^f^^TOt  ^RWlffiTT:  I 
^tm'  5fnj5WWr  ^%  IT^  H^lffT  II  9«)^  II 


112  Weber,  über  das  ^atrunjui/a  Mähdtmyam.  14,  313. 


»^f^Tirf%  ^WT^ft'TOWF  ?m:  ^  II  ?«jlf  II 

'ssrx^  ^TTTOt  ^TW  ^THT^O)  ^STlfW  3^:  II 9«^«  II 

^nrf^g^MTf^STft  ^t^riFit*)  ff  >^t,^  ii  ?«^t  ii 
f^m^-Äfn;^  ^n^t  ^f^  ^»fi^rfw  ii  9«^^  ii 
%f^^Tfn:  iTRt  f^v^  »irf^^  "q^ii:  ii  ?^o  ii 

^nRT%;  W^  "^^   **4ir<rtti  i^f^fw  II  9^^  II 
^  ^  ^,-qm  -sfty^y Ulli c^iRvj Tri:')  1 
Uc«)|rri^;tWFRT^")S^  T»T;Tt')  i^f^ffT  II  9^9  II 


')   "ff^^  C»«!-  ')   fjT^*  Cod.    „niedrig,  klein?" 

=)  ^I^:  Cod.  *)  ^,-^  Cod.  ')  fTT^rirT  Cod. 

')  ticj  Cod.  ')  öf^  Cod.  «>)'H:^Cod.  ')  Mascul.! 


I 


14,324.  Weber,  über  das  ^utrimjaya  Mdhdtmy am.  113 

VJ^4!i%fq  tl$<«<l   ^TTT^TJt^:  I 
^Ä'^-M«^rHni*mi')  ^rt^^f%H«lf7T  II  9^M  II 

»tf^^i^  ^^^wKr^t'^rri  ^ff^:  I    [^Tf^^ii 

^t#^^^IH|r<^'J^lirTiJH^r*f^rit^:   II  9^lf  II 

'af^fq  ;tt?^:  ")  %f^  ^tos^i  ii  ^^t'")  ii 

0  ?  ♦j  I  ^  Cod.  -)  °shyati  zu  \esen,  metri  caussa. 

')  ^frr«(M<r<H®  Pr-  m.  -     cTJi:  Cod.  =  ;H^  marg.      cf  macht 
keine  Position,  s.  Coiebrooke  misc.  ess.  II,  71. 

^)   >lf  Cod.         ^)  FnfCod.  ö)  ^Tt^XITl!  »»arg.    Zwei  Kürzen 

fehlen.  ^ 

')   9^lf^o<i-  S.  das  zu  237  Bemerkte.         «)  ?c|5:|sec.  m.    ^|pr.  m. 
')  '^^(^f^^PJ^:  Cod.  (^rurjq  am  Rande). 
'*•)  so  auch  Cod.     Die  Zahl  327  ist  übersprungen  in  der  Verszählung. 
")   ^Cod.         ''0  gCod.         '0  '^f^^pr.in.  f^^^cROsec.m. 
Abhandl.  der  DMG.     1,4.  "^  S^ 


114 


Weber,  Hier  das  ^atrunjaya  Mdkdtmyam. 


14,  330. 


ift^ITT^yRITTR^^MNi^MIM^riH^')  Il99«ill 

^  %fT^  ft*!^  1?T3W^  <;i«MM')  ^Pwafd 
II  999  II  [TRT^  I 

Tn^  II  99?J  II 

^  W  »l^rw  ^")  ^üiO^  II  99M  II 


>)  {ijU  Cod.  n  eine  Kürze  fehlt.     Ob  (fj^qf^  ^  ''WT^ 

')  ^f^  Cod.         ■■)  ^^1^  marg.         •')  Accus,  von  Cfi  'n"  causati- 

ven  Sinne  (^[T^lffiT  lO'  '>    «lll^  ^"'*-  '>    «M^  ^od. 

«)  ^«hcrjyjrii  Cod.      ■')  xranr^  c«d.      ■»)  ?%ftjT  cod. 


14,  336.  Weber,  über  das  ^atranjaya  Mdhdtmyam.  115 

f^  II  99^  II 

II  99^9'')  II 

^:  ^0  f^')  H^  ^<m^:  I 

i;^')  HHim^*fl<<^i^$:  II  $9t  II. 

•^»jfT^rrfwT^  ^  lit  II  99<i  ii 
f?m^  II  9iio  ")  II 


')  ^irm  Cod.  ■')  iffcfi:  cod.  »)  f^  cod. 

)  H§:xrni  cod.     ")  ^^fq^ni^  «««rrew**  (^ »'» 

Rande)  Cod. 

^)  aU  336  gezählt,  so  dass  die  Verszählung  wieder  um  Eins  zurückbleibt. 

')  „schon  vorher  waren  Alle  gewesen  gefüllt  von  schönen  Gefühlen,  die 
durch  Laute  sich  kund  gaben". 

')  (cjirj  Cod.  ')  abhüyata,  wie  eben  ;d/am.  für  «(if^M^^rl. 

'")und  ")    sjrHch:  Cod. 

")    («l'^IM^ril  Cod.    Viernialiges'^ist  etwas  ungeschickt! 
'''')  nachdem  sie  sich  dem  tirtha  verneigt  hatten. 

")   im  Cod.  als  339  gezählt,   so  dass  fortab  die  Verszählung  um  zwei 
zurückbleibt. 

8* 


116  Weber,  über  das  ^airmijai/a  Mähdtmyam.  14, 

)  I 
11  ?8s  II 

fiT^IHH!*JI<l^')Sftf^^l^lriHriI^ti^*) 

II  98^  II 
11  ?ä^  II 

'■^)   rTi*  C!od.  fco(//i«  femin. ,  während  bei  Wilson  mascul. 

')  f  Rt  ^^^-  ™^^s-  Trf^'  »ä"'i^^^  ^^<r.        ')  ^  Cod. 

■')   Wortspiel,    sowohl   =   ^jf^H*   »^«   =   ^f^JH^T*'    Ersteres  auf 
Uisliabha,  Letzteres  auf  die  Sonne  bezüglich.  6^  yyjg  ^jg  gönne. 

')   ®1^  Cod.     "^^  und  "^f^  marg.  ^)   ohne  giina ! 

^'^)  das  Metrum  fodert  die  Kürze  des  i  m  {'ild". 

")  ö^Cod.:  bahuvrlhi.         ^'-)  ^^ ff J  Menschheit,  v.  312.  X,  141, 


14,  344.  Weber,  über  das  (^atrunjaya  Mähälmyam. 


117 


^3^(?) 


II  ?ää 


^^^:  ^A'  II  sJi  II 


)  »^^^'f^rfv^ 


Cod. 


Ihii.k  Min   F.  A.  nrot-kh.'tiis  jii   Lpiiiüi^. 


Berichtigungen. 

Seite  17 ,  Z.  4  und  3  von  unten  lies :   das  zugleich  —  enthält. 
»      22,  Z.  19:    Der  Vaibhdra  wird  auch   bei  den  südlichen  Buddhisten 

genannt ,  s.  schol.  zu  Dhammapadam  v.  188. 
»      23,  Z.  35  lies:  Ahnherrn. 

»      30  vorletzte  Zeile  lies:   nach  Hemac.  zu  v.  698. 
»     41,  Z.  13  lies:  Indoscythen. 
»      43,  Z.  19  lies:  Madhumati. 
Zu  S.  44.  45.   Sollte  der  Name  des  Kapür-di-Giri  „in  the  vicinity  of  Pesha- 
war"  etwa  als  Kapardigiri  zu  fassen  sein?  dann  hätte  auch 
schon  in   Taxagild  eine  ähnliche,   wenn   auch  nicht  so  nahe, 
Nachbarschaft  des  Kapardin  und  des  Rishabha  stattgefunden, 
wie  die  spätere  im  Candraprabhdsam  und  auf  dem  ^atrunjaya. 
S.     51,  Z.  14  lies:  04^^|^^:. 

>,      52,  Z.8  lies:     IMIMIIU|^ 
>>      54,  Z.  7  lies:     f^^g®. 
»      77,  Z.  12   lies:    x|s))ri«. 


79,  ZI  lies:     B^^rrif<l!j|. 


Ueber  das  Verliältniss  des  Textes 


der 


drei  syrischen  Briefe  des  Ignatios 


zu  den  übrigen 


Recensionen  der  Ignatianischen  Literatui*. 


Von 


Rlcliard  Adelbert  Lipsiiis, 


Dr.  tlieol. 


Leipzig  1859 

in  Cominission  bei  F.  A.  Brockhaus. 


Abliandluiigeii 


dei 


Deutschen   Morgenländischen  Gesellschaft 


I.    Band* 

JV?.  5. 


Ueber  dasVerhältniss  des  Textes  der  drei  syrisehen 

Briefe  des  Igiiatios  zu  den  übrigen  ttecensionen  der 

ignatianiselien  Literatur. 

Von 
Dr.  iheöl.  Richard  Adelbert  Lipsius. 


Ilie  Frage  nach  der  Aecbtheit  der  neuerlich  durch  Cure  ton 
aus  zwei  in  der  nitrischen  Wüste  gefundenen  Handschriften  her- 
ausgegebenen 3  Briefe  des  Ignatios  von  Antiochien  an  Polykarp, 
an  die  Epheser  und  an  die  Riiiner  ')  ist  trotz  einer  sehr  lebhaft 
geführten  Streitverhandlung  noch  immer  nicht  zur  endgiltigen 
Entscheidung  gebracht  worden.  Cureton's  Ansicht,  dass  die 
drei  Briefe  in  der  von  ihm  veröffentlichten  alten  syrischen  üeber- 
setzung  als  der  echte  Kern  der  ignatianischen  Literatur,  die  bis 
dahin  gangbare  kürzere  griechische  Recension  von  7  Briefen  aber 
nicht  minder  als  die  sogenannte  weitere  griechische  Recension 
von  13  Briefen  als  eine  vielfach  erweiterte  und  überarbeitete 
Textgestalt  zu  betrachten  sei,  fand  zuerst  an  Wordswort h  in 
der  Engiish  Review^)  einen  entschiedenen  Gegner,  der  vielmehr 
die  entgegengesetzte  Auffassung  zu  begründen  und  die  Verstüm- 
melung des  ächten  griechischen  Textes  durch  einen  Monophysiten 
nachzuweisen  versuchte.  Gegen  Wordsworths  Angriffe  ver- 
theidigte  Cureton  seine  frühere  Ansicht  in  einer  zweiten  Schrift 
Vindiciae  Ignatianae  '),  in  welcher  er  wenigstens  die  Unmöglich- 
keit erschöpfend  darthat,  dass  der  syrische  Text  der  3  Briefe 
einer  aus   monophysitischem   Interesse  vorgenommenen  Vcrstümme- 


1)  The  ancicnt  Syriac  Version  ol"  tlie  Kpistics  of  Saint  Ignatius  to 
St.  Polycarp,  thc  Ephesians  aad  »he  llumans  etc.  By  William  Curetoii.  M. 
A.    London  1845. 

2)  Juli  1845.    J\.  VIII. 

3)  Viudiciac  Ignatianae  or  tlie  genuine  writings  oF  St.  Ignatius  as  ex- 
hibited  in  tlie  ancient  Syriac  Version  viudiealed  of  the  Charge  of  heresy. 
London   184G. 

Abbandl.  d.  DMG.  1,  5.  1 


2  Upsius,  ühcr  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  hjnaiios. 

lun«-  «Icr  griccliischen  7  Briefe  seinen  Ursprung  verdanke.  Darauf 
scliioss  sich  Bunsen  in  zwei  gleichzeitigen  Schriften')  der 
Ansiclit  Curetons  an,  und  versuchte  in  der  einen  die  Herstel- 
lung^ des  griechischen  Urtextes  der  3  Briefe ,  in  der  andern  die 
Vcrtlieidigung  ihrer  Ursprünglichkeit  vornehmlich  aus  Gründen 
der  inneren  Kritik.  Allein  weit  entfernt  dass  die  Erörterungen 
Bunsens  die  Streitfrage  zum  Ahschlusse  gehracht  hätten,  gaben 
sie  vielmehr  den  Anstoss  zu  einer  Reihe  eingehender  Entgegnungen. 
Den  Reigen  eröffnete  mit  gewohntem  Scharfsinne  Dr.  von  Baur '). 
Er  ging  aus  von  seiner  früherhin  aufgestellten  Ansicht,  dass  die 
7  Briefe  der  kürzeren  griechischen  Recension  von  einem  Späteren 
im  Namen  des  Ignatios  verfasst  seien  ^),  erkannte  aber  auch  den 
drei  Briefen  des  syrischen  Textes  so  wenig  den  Preis  der  Aecht- 
heit  zu ,  dass  er  ebenso  wie  Wordsworth  in  ihnen  nur  einen 
Auszug  aus  den  sieben  Briefen  erblickte.  Seine  Beweisführung 
bewegte  sich  ähnlich  wie  die  von  ihm  bekämpfte  Bunscn's 
überwiegend  auf  dem  Boden  der  inneren  Kritik  und  suchte  theils 
die  Abgerissenheit  und  Dunkelheit  theils  den  historisch  dogma- 
tischen Inhalt  des  syrischen  Textes  ^^^f^n  dessen  Ursprünglichkeit 
geltend  zu  machen.  Ihm  stimmte  in  allem  wesentlichen  auch 
Hilgcnfeld  '^)  hei.  Dagegen  versuchten  Denzinger^)  und 
Uhlhorn  ^')  die  Abfassung  der  7  Briefe  der  griechischen  Re- 
cension durch  Ignatios  von  Antiochien  gegen  Baur  und  Bunsen 
zu  retten,  traten  aber  zugleich  der  Baurschen  Ansicht  über  die 
Entstehung  des  syrischen  Textes  bei.  In  demselben  Sinne  äu- 
sserten sich   Hefelc  '')  und  Jacobson    "*). 

Allen  diessen  Erörterungen  war  ein's  gemeinsam :  Die  Zu- 
rückstellung der  eigentlich  diplomatischen  Kritik  und  die  Her- 
vorhebung von  mehr  oder  minder  ausschliesslich  der  innern 
Kritik  zugewandten  Gesichtspunkten.  Auf  demselben  Boden  be- 
wegten sich  auch  die  Vertheidigungen  des  Syrischen  Textes  durch 
Ritschi  »)  und  Weiss    ^  o). 


1)  Die  drei  ächten  und  die  vier  unäcliten  Briefe  des  T^natius  von  Anti- 
ochien Hamburg  1847.  —  Tgnatius  von  Antiochien  und  seine  Zeit.  Sieben 
Sendschreiben  an  Dr.  August  Neander.     Hamburg  1847. 

%)  Die  ignatianischen  Briefe  und  ihr  neuester  Kritiker.  Eine  Streit- 
schrift gegen  Herrn  Bunsen.     Tübingen   1848. 

3)  lieber  den  Ursprung  des  Episcopats.     Tübingen  1838.  p.  147  IT. 

4)  Die  apostolischen  Väter.     Halle  1853.  p.   274  ff. 

5)  lieber  die  Aechtheit  des  bisherigen  Textes  der  ignatianischen  Briefe. 
Würzburg   1849. 

6)  Zeitschrift  für  die  historische  Theologie  1851,  1. 

7)  Patrum  Apostolicorum  opp.  ed.  IV.  in  den  Prolegg. 

8)  Patres  Apostolici  ed.  II.  in  den  Prolegg. 

9)  Entstehung  der  altkatholischen  Kirche  (1.  AuR.)   p.   118  ff.   577  ff. 
10)  Reuters  Repertorium    Sept.  1852    p.   1G9  ff.     Eine  ausführlichere  Ab- 
handlung von  Weiss,  von  deren  Dasein  mir  dnrch  die  freundliche  Miltheüung 
des  Herrn  Prof.  Ritschi  Kunde  zugekommen  ist,    ist    leider  von  dem  Verfasser 
zurückgehalten  werden. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignatios.  3 

üfFeFihar  war  ein  King^ehen  auf  die  Fragen  der  iunern  Kritik 
eine  sclileclithin  unerlassliclie  Aufgabe.  Es  niusste,  wenn  die 
griechischen  7  Briefe  den  Vorzug-  vor  den  3  syrischen  Briefen 
behaupten  sollten ,  gezeigt  werden ,  dass  auch  nach  Abzug  aller 
bei  dem  Syrer  fehlenden  Briefe  und  Briefabschnitte  dennoch  die- 
selbe historische  Situation,  derselbe  dogmatische  Gedankenkreis, 
in  welchen  uns  die  7  Briefe  versetzen  ,  noch  übrig  bleibe.  Um- 
gekehrt aber  musste,  falls  die  3  Briefe  des  Syrers  den  Anspruch 
auf  Aechtheit  machen  sollten,  wo  möglich  nachgewiesen  werden, 
dass  die  geschichtlichen  Voraussetzungen  ebenso  wie  der  dog- 
matische Inhalt  beider  Recensionen  mit  Nothwendigkeit  auf  zwei 
verschiedene  Verfasser  führten,  und  dass  namentlich  die  Beschaf- 
fenheit des  syrischen  Textes  nur  aus  den  Verhältnissen  einer 
früheren  Zeit  heraus  begriffen  werden  könnte.  Hiermit  in  enger 
Verbindung  stand  eine  zweite  Leistung,  die  der  Kritik  auf  alle 
Fälle  nicht  erlassen  werden  konnte:  entweder  musste  gezeigt 
werden,  dass  der  syrische  Text  durch  Abgerissenheit,  Lücken- 
haftigkeit und  Unverständlichkeit  nothwendig  die  fehlenden  Stücke 
der  griechischen  Recension  von  7  Briefen  voraussetze,  oder  es 
war  umgekehrt  darzuthun ,  nicht  nur  dass  der  syrische  Text, 
selbstständig  für  sich  ein  einheitliches  Ganze  bilde,  sondern  auch 
dass  die  eingearbeiteten  Stücke  der  griechischen  Recension  einer 
gemeinsamen  Tendenz  ihren  Ursprung  verdanken  und  durch  eine 
gemeinsame  Methode  der  Einarbeitung  sich  kennzeichnen. 

Dennoch  konnte  die  innere  Kritik  für  sich  allein  die  Streit- 
frage zu  keinem  Abschlüsse  führen.  Erst  dann  Hess  sich  ein 
sturmfester  Boden  gewinnen,  wenn  die  auf  dem  bezeichneten 
Wege  gewonnenen  Ergebnisse  ihre  Bestätigung  erhielten  durch 
eine  philologisch-diplomatische  Kritik  der  Handschriften  der  ver- 
schiedenen Texte  selbst  und  ihres  gegenseitigen  Verhältnisses 
unter  einander.  Auf  die  hier  sich  zur  Losung  stellenden  Fragen 
war  die  Kritik  in  den  obengenannten  Schriften  theils  gar  nicht 
theils  nur  beiläufig  und  in  ungenügender  Weise  eingegangen. 

Allerdings  war  aber  damals ,  als  die  Untersuchung  begann, 
eine  kritische  Sichtung  der  bezeichneten  Art  noch  sehr  erschwert 
durch  die  Unvollständigkeit  des  zur  Zeit  zu  Gebote  stehenden 
Materials.  Erst  nach  dem  Erscheinen  der  beiden  den  Streit  we- 
nigstens in  Deutschland  erst  eröffnenden  Arbeiten  von  Bunsen 
und  Baur  traten  zwei  vollständigere  Sammlungen  des  kriti- 
schen Apparates  ans  laicht,  die  als  sichere  Grundlage  zu  wei- 
teren diplomatisch  -  kritischen  Untersuchungen  dienen  konnten. 
Die  eine  verdanken  wir  abermals  dem  Engländer  Cure  ton. 
Dieser  versuchte  unter  Benutzung  einer  dritten  im  Jahre  1847 
aufgefundeneu  syrischen  Handschrift  der  drei  Briefe,  welche  ganz 
dieselbe  Textgestalt  wie  die  bereits  bekannten  zwei  Handschriften 
darbot,  mit  grösserer  Sicherheit  als  es  ehedem  möglich  war, 
die  Herstellung  des  ursprünglicheu    Textes;    zugleich  gab  er  die 

1* 


4  Lipsiuü ,  über  den  syrischen  Texi  der  Briefe  des  Jgnaiios. 

zur  Kenntniss  der  Textg^eschichte  überaus  wichtigeu  syrischen 
Frag-mente,  welche  er  bereits  seinem  ersten  Werke  beigefügt 
hatte,  mit  einer  Anzahl  von  neuaufgefundenen  vermehrt  abermals 
lieraus  *).  Gleichzeitig  erschien  in  Deutschland  ein  umfangreiches 
Werk  des  bekannten  Orientalisten  Petermann,  welches  den 
sämmtlichen  bis  dahin  zugänglichen  kritischen  Apparat  enthielt, 
namentlich  auch  eine  13  ignatianische  Briefe  enthaltende  armeni- 
sche Version  2).  Jn  den  Prolegomenen  zu  dieser  Schrift  unternahm 
Petermann  den  Nachweis,  dass  die  genannte  armenische  üeber- 
setzung  nicht  unmittelbar  aus  dem  Griechischen ,  sondern  selbst 
erst  aus  einer  syrischen  üebersetzung  geflossen  sei,  in  welcher 
er  den  ursprünglichen  Text  der  von  Cureton  herausgegebenen 
drei  syrischen   Briefe  zu   erkennen  glaubte. 

Auf  Grund  ihrer  beiderseitigen  Entdeckungen  haben  nun 
Cureton  und  Petermann  wenigstens  den  Anfang  zu  einer  kriti- 
schen Sichtung  des  vorhandenen  Materials  gemacht.  Doch  hat 
sich  der  erstere  ebensowenig  als  der  letztere  auf  eine  genauere 
Ergründung  des  Verhältnisses  der  verschiedenen  hier  in  Betracht 
gekommenen  Zeugnisse  unter  einander  eingelassen.  Cure  ton 
hat  in  den  seinem  grossen  Sammelwerke  beigegebenen  kritischen 
Noten  überwiegend  nur  innere  Kritik  geübt  ^).  Petermann  aber 
nahm  zwar  eine  ziemlich  eingehende  Revision  des  gangbaren 
Textes  vor,  aber  leider  ohne  bestimmte  kritische  Principien. 
Seine  Kritik  blieb  Einzelkritik,  und  so  richtig  er  auch  an  einer 
ganzen  Reihe  von  Stellen  insbesondere  im  Römerbriefe  den  Text 
hergestellt  hat,  so  wenig  ist  es  auch  bei  ihm  zu  einer  sicheren 
Entscheidung  über  den  kritischen  Werth  der  verschiedenen  Hand- 
schriften und  sonstigen  Documente  gekommen.  Ebensowenig  ist 
nach  Erscheinen  der  Werke  von  Cureton  und  Petermann  ein  ent- 
scheidender Schritt  vorwärts  gethan  worden.  Auch  Uhlhorn, 
der  unter  den  obengenannten  Gegnern  des  syrischen  Textes  noch 
am  häufigsten  Fragen  der  äusseren  Kritik  berührte,  kommt  über 
eine  ziemlich  subjective  Einzelkritik  nicht  hinaus:  und  zudem 
unterliess  es  derselbe  ganz ,  dass  neue  von  Cureton  und  Peter- 
mann beigebrachte  Material  zu  verwerthen,  obgleich  er  das  Corpus 
Ignatianum  ebenso  wie  die  Petermann'sche  Ausgabe  der  ignatia- 
nischen  Briefe  kennt  und  citirt.  Endlich  ist  neuerdings  B uns  en 
abermals  wenn  auch  nur  nebenher  auf  die  von  ihm  zuerst  in  die 
deutsche  Wissenschaft  eingeführte  Frage  zu  sprechen  gekommen. 
In  der    V^orrede    zum  zweiten   Bande    seines    Hippolyt    machte   er 


1)  Corpus  Ignatianum;  a  complete  collection  of  the  Ignatian  Epistles  etc. 
London  1849. 

2)  S.  Ignatii  Patris  Apostolici  quae  feruntur  Epistolae.  Lipsiae  1849. 
Vgl.  auch  dessen  vorläufige  Mittheilungen  in  dem  Jahresberichte  der  deutschen 
morgenländischen  Gesellschaft  1846.  S.  203. 

3)  a.  a.  0.  p.  263  —  365;  desgl.  in  der  Introduction  p.  I— LXXXVII. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Texte  der  Briefe  des  Ignalios.        5 

einen  abermaligen  Versuch,  unter  Benutzung-  der  neuerliclien  Ar- 
beiten Curetons  und  Petermanns  den  ursprünglichen  Text  eines 
der  drei  Briefe,  des  Briefes  an  die  Epheser  herzustellen  ^). 

Doch  leuchtet  wohl  ein,  dass  eine  solche  Herstellung  des 
Textes  so  lange  auf  unsichern  Füssen  steht,  als  eine  diplomatisch 
kritische  Gesammtanschauung  über  den  Werth  der  verschiedenen 
Zeugen  und  eine  Zurückführung  derselben  auf  bestimmte  Text- 
familien  noch  nicht  erlangt  ist  -), 

Eben  diese  Aufgabe  ist  aber  zur  Zeit  noch  ungelöst:  nur 
Beiträge  sind  bisher  geliefert  worden,  theils  durch  die  von  meh- 
ren Seiten  vorgenommene  Prüfung  der  patristischen  Zeugnisse^), 
theils  durch  die  Erhebungen  Curetons  über  das  Alter  und  die 
Beschaffenheit  der  verschiedenen  Documente  *),  theils  endlich  durch 
die  sorgfältige  aber  dennoch  nicht  erschöpfende  Erörterung  Pe- 
termanns über  das  Verhältniss  der  armenischen  Uebersetzung 
zur  syrischen  ^).  Da  indessen  theils  durch  die  Bemühungen  der 
zuletzt  genannten  beiden  Männer,  theils  durch  die  neuerlich  von 
Dressel  in  seinen  Patres  Apostolici  veröffentlichten  Collationen 
einer  Anzahl  bisher  unbenutzter  Handschriften  das  kritische  Ma- 
terial, soweit  es  überhaupt  zur  Zeit  habhaft  ist,  vollständig  vor- 
liegt, so  steht  einer  eingehenderen  diplomatisch -kritischen  Sich- 
tung durchaus  nichts  mehr  im  Wege. 

Wir  haben  nun  unsererseits  in  einer  unlängst  in  der  Zeit- 
schrift für  historische  Theologie  eingerückten  Abhandlung  die 
ignatianische  Frage  in  eingehender  Weise  wieder  aufgenonimen  ^). 
Dort  beschäftigte  auch  uns  wesentlich  nur  die  eine  Seite  der 
Untersuchung,  nämlich  die  innere  Kritik;  und  zwar  versuch- 
ten wir  hierbei  theils  auf  Grund  der  Erörterungen  Curetons, 
Bunsens  und  vornehmlieh  Ritschis  den  historisch-dogmatishen 
Inhalt  der  drei  syrischen  Briete  im  Unterschiede  von  dem  der  7  grie- 
chischen Briefe  zu  ergründen ,  theils  aber  durch  die  Erörterung 
der  Form  der  beiden  Textgestalten  die  Selbstständigkeit  des  sy- 
rischen Textes  sowie  die  Tendenz  und  Methode  des  Ueberarbei- 
ters  darzulegen.  Die  Ergebnisse  dieser  Erhebungen  waren  allent- 
halben günstig  für  die  Ursprünglichkeit  des  bei  dem  Cureton'schen 
Syrer  vorliegenden  Textes.     Gleichzeitig  aber    fassten  wir  schon 

1)  Vorrede  zum.  vierten  Bande   der  englischen  Ausgabe  (der  vierten  Ab- 
theilung der  deutschen)   p.  VI  —  XXIII. 

2)  ßunsen  selbst  betrachtet  übrigens  jene  Herstellung  blos  als  eine  vor- 
läufige. 

3)  Vgl.  hierzu  besonders  Cure  ton,    Corpus  Ignatianum,  Mtroduction   p. 
LXV  sq. 

4)  Corpus  Ignatianum,  introduction  p.  XXVIII  ff.   notes   p.  341  ff. 

5)  Ignatü  quae    feruotur    Epistolae.    Prolegomena  de    versione  Armeniaca 
p.  VI  — XXVI. 

C)  Ueber  die  Aechtheit  der  syrischen  Rccension  der  igoatianischen  Briefe. 
Zeitscbrirt  für  histur.  Theologie  1856,  1. 


ß  Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Jgnalios. 

damals  auch  die  äussere  Kritik  in  der  oben  angedeuteten 
Weise  in's  Auge  und  legten  die  Ergebnisse  unserer  Untersuchung 
in  gedrängter  Zusammenstellung  dem  gelehrten  Publicum  vor  ^ ). 
Die  eigentliche  Untersuchung  selbst  und  die  eingehendere  Be- 
gründung der  mitgetheilten  Ergebnisse  hielten  wir  damals  um 
die  jener  Zeitschrift  gesteckten  Gränzen  nicht  zu  überschreiten 
noch  zurück. 

Wir  konnten  nicht  erwarten,  dass  eine  so  schwierige  und 
verwickelte  Frage,  wie  die  der  Kritik  der  ignatianischen  Briefe 
ist,  durch  unsere  Abhandlung  sofort  zum  endgiltigen  Abschlüsse 
würde  gebracht  weiden  können;  und  je  weniger  es  uns  damals 
schon  möglich  war,  alle  in  Betracht  kommenden  Puncte  gleicher- 
weise zu  beleuchten,  desto  uatiirlicher  war  es,  dass  die  entge- 
genstehenden Ansichten  aufs  neue  sich  geltend  machten.  Dies 
ist  zunächst  durch  Uhlhorn  geschehen,  in  einer  sehr  ein- 
gehenden und  gründlichen  Beurtheilung  unserer  Abhandlung  in 
den  Göttinger  Gelehrten  Anzeigen  2).  Seine  Polemik  richtete 
sich  vornehmlich  gegen  den  von  uns  versuchten  Nachweis ,  dass 
die  Verfassungsverhältnisse,  der  Character  der  bekämpften  Häre- 
tiker sowie  der  eigne  dogmatische  Standpunct  des  Verfassers 
in  den  drei  Briefen  der  syrischen  Recension  sich  bestimmt  von 
der  historischen  Situation  und  dem  dogmatischen  Gedankenkreise 
der  7  Briefe  unterscheide.  Wir  können  uns  durch  das  gegen 
uns  Bemerkte  indessen  um  so  weniger  für  widerlegt  halten,  als 
Uhlhoyi  zur  Zeit  einige  der  wichtigsten  von  uns  angezogeneu 
Instanzen  ausser  Betracht  gelassen  hat,  wohin  wir  namentlich 
auch  den  von  uns  gemachten  Versuch  rechnen  müssen ,  der  Me- 
thode, nach  welcher  der  von  uns  angenommene  Interpolator  ar- 
beitete, im  einzelnen  auf  den  Grund  zu  sehen. 


1)  a.  a.  0.  S.  11  —  20. 

2)  Jahrg.  185G ,  152  —  154  Stück,  vgl.  mit  dem  Artikel  „  Ignatius  von 
Antiochien"  in  Herzogs  Realencyclopädie  für  protest.  Theologie  und  Kirche. 
Die  Haupteinwendungen  Uhlhorns  gegen  unsere  Ansicht  werden  wir  im 
Zusammenhange  der  folgenden  Darstellung  an  geeigneter  Stelle  berücksichtigen. 
Hier  nur  eine    einzige  Bemerkung.     Uhlhorn  behauptet,  dass  die  Lesart  der 

syrischen   Handschriften    in    der  Zuschrift    des  Epheserbriefes    p^A)  j^AxJLO 

sich  in  dem  von  uns  angenommenen  Sinne  dv  nQO&Boei  oder  xarä  jtQod'saiv 

nicht  fassen  lasse,  da    |.A..t.J   nur  in  der  eigentlichen  Bedeutung  signum  (meta) 

vorkomme.  Durch  die  freundlichen  Mittheilungen  des  Herrn  Geh.  Regierungs- 
ralh  Bernstein,  der  entscheidenden  Autorität  auf  diesem  Gebiete,  bin  ich  jedoch 

in   den  Stanc^esetzt  dem  zu    erwidern,    dass    sich    |jfi.Aj    in    der    Bedeutung 

propositum,  consilium  (Zweck,  Absiebt)  z.  B.  im  Bar-Hebr.  Chron.  s.  203,  9. 
422,  13.  vortindet  und  von  Assemani  Bibl.  Orient,  sehr  häufig  durch  scopus 
wiedergegeben  wird.  Der  genannte  Sprachkenner  schreibt  mir  zugleich ,  dass 
Tigod^iois  das  dem  entsprechende  Wort  sein  würde,  üebrigens  streift  auch 
schon  der  Gebrauch  des  Worts  in  der  Stelle  Phil.  3,  14.  bei  Peschito  sehr 
nahe  an   die  von   uns  angenommene  Bedeutung. 


Lipsius^   über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.  7 

Wenn  es  nun  auch  un  diesem  Orte  nicht  unsere  Aufgabe 
sein  kann,  die  Fragen  der  inncrn  Kritik  im  Einzelnen  wieder- 
aufzunelimen,  so  geben  wir  andererseits  willig  zu,  dass  unsere 
Beweisführung  so  lange  eine  unvollständige  war,  als  wir  uns 
fast  ausschliesslicli  auf  die  innere  Kritik  be&cbräuken  mussteu. 
Doch  haben  wenigstens  die  wenigen  liruchstücke  der  von  uns 
angestellten  Untersuchungen  über  die  Beschafi'enheit  des  Textes, 
welche  wir  damals  mittheilen  konnten ,  auch  auf  gegnerischer 
Seite  einer  nicht  ungünstigen  Aufnahme  sich  erfreut.  Ja  ein 
neuerlich  aufgetretener  Gegner,  Dr.  Volk  mar,  hat  sich,  obwol 
er  unsere  Resultate  für  völlig  unhaltbar  erklärt  ^)  ,  nicht  nur  zu 
dem  Zugeständnisse  veranlasst  gefühlt,  dass  unser  syrischer  Text 
wirklich    manche  ältere  Lesarten  aufbehalten   habe  ^),    sondern  er 


i)  Rheinisches  Museum  für  Philologie  1857,  S.  504. 

2)  Die  Keligioa  Jesu  S.  492.  vgl.  Rheiüisches  Museum  a.  a.  0.  S.  492  ff. 
Wenn    übrigens   V  o  l  k  m  a  r  hier  die   Unächtheit  der  gesammten  ignatianiscben 
Literatur  „schon  dadurch  evident"  machen  will,  weil  Ignatius  gar  nicht  nach 
Rom  transpoi'tii't,  sondern  „nach  zweifelloser  Kunde"    bei  Trajans  Anwesenheit 
in  Antiochien  während  seines  Partherkriegs,  ,,also  sicher  dort  selbst"  Märtyrer 
geworden  sei ,  so  scheint  die  kühne  Zuversichtlichkeit  dieser  Behauptung  ihren 
Mangel  an  wissenschaftlicher  Begründung  verdecken  zu  sollen.     Jene  „zweifel- 
lose Kunde"  ist  ihm  nämlich  durch  —  den   byzantinischen  Chronisten  Johannes 
Malala    geworden ,    der    frühestens    in    der  zweiten  Hälfte  des  0.  Jahrhunderts 
gelebt    hat.     Malala  sagt    lib.  XI,    p.  361    (S.  276  ed.  Dindorf)  :    6  Se  avros 
ßaaiXevi   T^aCnvoi  iv  rfj  avrfj   nolei  (JAvt to^eict)   Si^ysv,  ort  r}    d'eourjvia 
tyevsTO'  ifiaQXVQTiae  de  iiii  aviov  loxe  6  oiycog  '[yvccrios  o  inioxonos  rrjs 
TtolsofS    "Aviioxeiai*    rjyavaxzrjoe    yaQ    xax'    avxo%y    ort    iXoiSoQei    avrov. 
Offenbar  ist  diese  Angabe  aus  einer  ziemlich  dunkeln  Kunde  von  einer  Zusam- 
menkunft   und    Streitunterredung    des  Ignatios    mit   dem  Kaiser    zu    Antiochien 
geflossen :  diese  ganze   Geschichte  ist  aber  sofern   sie  in  Antiochien  sich  zuge- 
tragen haben   soll,    um    so    sicherer  eine  Fiction  als   die  Quelle,   aus  welcher 
jene  Nachricht  stammt,  das  vou  Ruinart  herausgegebene,  frühestens  zu 
Ende  des  2.  Jahrh.  verlässte,  Martyrium  des  Ignatius  (p.  208  ff.  in  der  Dres- 
sel' sehen    Ausgabe     der    Patres    ApostoUci)    den    Tod     des    Ignatios    in    das 
9.    Jahr    Trajans ,     als    Senecio    und    Sura    zum    zweiten    Male    das    Consulat 
verwalteten,    also    ins  Jahr  107  n.  Chr.  setzt,    während   der  Kaiser    erst   im 
Jahre   114  nach  Antiochien    gekommen    ist.     Nach  diesem  Martyrium  hat  Igna- 
tios in  Antiochien  vor  dem   Kaiser  „Zeugniss  abgelegt"  von   seinem   Glauben; 
aus    dieser  fiaQxvoCa   des  Worts  ist  bei   Malala  durch  eine  übrigens  auch  bei 
einem  andern   späteren   Chronisten  eingetretene  Begriffsverwirrung    eine    fi-aQ- 
xvQia  durch   die  That,    der    Märtyrertod    in    Antiochien    geworden.     Vgl.    das 
von  Cureton    (Corpus    Ignat.    S.   221.)    mitgetheilte  Fragment    eines    syrischen 
Chronicon  vom  Jahre  723  n.  Chr.,  und  unsere  Bemerkungen  dazu  in  Niedner's 
Zeitschrift  1856,  1,   S.  76  flg.     Wenn  für  Herrn  Volkmar  also  die  Angabe  des 
Malala  auf  ,, zweifelloser  Kunde"  beruht,  so  beurkundet    dies  eine    Kritiklosig- 
keit,  die  bei  dem  Begründer  der  ,, absoluten  Kritik"  billig  in  Erstaunen   setzt. 
Oder  sollen    etwa  die  allerdings    eben    so    speciellen    als    zuverlässigen   Nach- 
richten über  den  Partherkrieg  und   Trajans    Aufenthalt    in    Antiochien ,    w  eiche 
Malala  seinem  Domninos  und  Arrian  entlehnt,    die  Bürgschaft    übernehmen  für 
die    in    seine    Quellenauszüge    eingeschobenen    kirchengeschichtlichen  Angaben? 
Ein    Schriftsteller ,    der   um   nur   ein    Beispiel    vou    unzähligen    herauszuheben 
aus  Clemens  von  Alexandrien  herausliest,   dass  Markion  unter  Hadrian  —  die 
manichäischc    Lehre   verbreitet    habe,    dürfte   wol    eben    keinen   grossen    An- 


8  Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios, 

tritt  sogar  g-erade  in  der  Auffassung-  derjenigen  Stelle  des  syrischen 
Textes,   an    welcher    man    bisher    die  sichersten   Kennzeichen  des 


Spruch  auf  Glaubwürdigkeit  erheben  können.     Aber  freilich  Malala   war  Anti- 
ochener  und  schöpfte  aus  Antiochenischen  Quellen  —  also  muss  vermuthlich  alles, 
was  er  über  Antiochien  berichtet,  auf  zweifelloser   Kunde    beruhu.     Doch  man 
sehe    nur    die  schätzbaren    Beitrüge   Malala's  zur   Kirchengeschichte ,    da ,    wo 
er    von    dem    Aufenthalte    Trajans    in    Antiochien    handelt ,    ein  wenig  an.     Da 
wird  jener  angebliche  Brief  des  Procurators  von  Palaestina  Prima,  Tiberianus 
mitgetheilt,  in  welchem  derselbe  beim  Kaiser  Verhaltungsbefehle  in  der  Sache  der 
Christen  einholt ,   und  in  dessen  Folge  der  Kaiser  mit  den  Christenverfolgungen 
innehält.     Das  Actenstück,    welches    sich    schon  durch    seine    Sprache    als    ein 
Machwerk  sehr    später  Zeit  verräth,  ist  nichts   als    ein    sehr   unglücklich    aus- 
gefallenes Nachbild  des  bekannten  Uriefes  des  Proconsul  Plinius  von  Kithynien, 
Die    oben    angeführte    Stelle    über    Ignatios    endlich    bildet   die    Einleitung    zu 
einem    abgeschmackten  Märchen  im  byzantinischen  Geschmack,   welches    in 
einen    aus    älterer,    offenbar    noch    heidnischer    Quelle    stam- 
menden   Abschnitt    mit     Unterbrechung     des    Zusammenhangs 
eingeschoben  ist.     Wir  bekommen  hier  von  tlinf  um  ihres  Christenthums 
willen  vom  Kaiser   verbrannten  Antiochenerinnen  zu    lesen,    deren    Asche  der 
Kaiser  unter  das  Kupfer  gemischt  habe,   welches  zur  Anfertigung  von  Gefässen 
für    ein   öffentliches   Bad    bestimmt    gewesen  sei.     Da  sei   nun  jeder  der  dieses 
Bad  betreten,  in   Ohnmacht  gefallen,  bis  der  Kaiser  die  Gefässe  weggenommeu 
und  jenen    Frauen    Bildsäulen    errichtet    habe.      Hieran    reiht    sich     dann    die 
weitere    Kunde ,    der   Kaiser    habe    in    Antiochien    einen    Feuerofen    errichtet, 
und  die  Christen  aufgefordert,    wer   von    ihnen  Lust  habe,    möge    sich  hinein- 
stürzen.    Viele  wären  wirklich  dieser  Aufforderung  gefolgt,  darunter  die  hei- 
lige Drosina  uud  viele  andere  Jungfrauen.  —  Herr  Volkmar  hat  also  etwas 
vorschnell  geschlossen ,    wenn    er    mit   der   allerdings  auf  zuverlässiger  Kunde 
beruhenden  Nachricht  von   dem  Erdbeben    in    Antiochien   das   Einschiebsel  von 
dem  Tode  des  Ignatios  zugleich  in  den   Kauf  nehmend,    das  letztere  Ereignis» 
in    die    Zeit    des    Erdbebens    und   der    Anwesenheit    des    Kaisers  in  Antiochien 
(114  n.  Chr.)  versetzt.     Wie  anziehend  also  auch  an  sich  die  Combination  der 
durch    das    Erdbeben    am    13.  December    114    erregten    Volkswuth    gogen    die 
Christen ,    unJ   des    nach  der  gangbaren  Annahme  an  einem   20.  December  er- 
folgten Thierkampfes  des  Ignatios  sein  möge   (Rhein.  Museum  a.  a.  0.   S.  493), 
so    kann   dieselbe    doch    die    Probe   einer  schärferen  Kritik  (welche  neben   der 
Chronologie  auch  die  Quellen  der  verschiedenen  Nachrichten  und  deren  Glaub- 
würdigkeit gegen  einander  abwägt)  durchaus  nicht  bestehn.     Folglich  fällt  hier- 
mit auch  die  daraus  gezogene  Folgerung    ,,  dass    alle   und   jede    Märtyrerreise 
des  h.  Ignatios  ausgeschlossen   und  nicht  ein   einziger   von   allen  ignatianischen 
Briefen  von  ihm  selbst  herrühren  könne"  rettungslos  zu  Boden  und  die  Gegner 
der  Aechtheit   der    ignatianischen   Briefe  in   jeder   Gestalt  werden    sichs  hinfort 
doch  nicht  ganz  so  bequem  machen  dürfen.     Nur    im  Vorbeigehu  sei   noch  an- 
gemerkt, dass  das  andre,   durch   Dressel  zuerst  herausgegebene,  Martyrium 
des  Ignatios  (a.  a.  0.   S.  368  ff.)   das    neben  dem  Ruinartschen  den  Werth 
einer    unabhängigen    Quelle    zu    beanspruchen    hat,    den   Tod  des  Ignatios  gar 
nicht,  wie  jenes  in  so   chronologisch  verworrener  Weise  gelhan  hat,  mit  dem 
Partherkriege    und    Trajans    Anwesenheit    in  Antiochien  in  Verbindung  bringt, 
sondern  ihn  bereits  ins  5.  Jahr  des  Trajan ,    und  die  Unterredung  des  Kaisers 
mit  dem  Bischöfe  gar  nicht  nach  Antiochien,    sondern    nach   Rom  verlegt.     Je 
abweichender  diese  Darstellung  von  dem  gewöhnlichen,  aus  Ruinarts  Martyrium 
in  alle  späteren  übergegangenen  Berichte  ist,  desto  grössere  Beachtung  scheint 
sie  zu  verdienen.     Auch  setzt  das  neuaufgefundene  Martyrium   grade  diejenige 
geschichtliche  Situation  voraus,    welche    wir   schon    früher  mit    U  hl  hörn  aus 
inneren  Gründen  für  wahrscheinlich  halten  musten  (vgl.  m.  angef.  Schrift  S.  82)  : 
erst    so   gewinnt  der    ignatianische    Römerbrief  sein    richtiges  Licht.     Wie  es 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.  9 

epitomatorischen  Cbaracters  unseres  Syrers  zu  finden  gewohnt  war, 
nämlich  der  Worte  Eph.  19.  von  den  drei  Geheimnissen  des  Rufs  und 
der  Erscheinung  des  Sternes ,  ganz  entschieden  für  den  Syrer  in 
die  Schranken  ' ).     Ja  neuerdings  scheint  er ,  wenn  ihm  auch  die 


sich  mit  dem  „5ten  Jahre  Trojans"  verhalte,  kann  hier  nicht  eingehend  er- 
örtert werden.  Dagegen  lügen  wir  schliesslich  noch  hinzu ,  dass  selbst  der 
20.  December  als  Todestag  des  Ignatios  nicht  teststeht.  Das  neuaufgefuodene 
Martyrium  nennt  in  einem  vielleicht  von  zweiter  Hand  herrührenden  Zu- 
sätze, den  20.  Dec.  einfach  als  „Gedächtnistag";  das  Martyrium  bei  Ruinart 
nennt  ebenfalls  den  20.  Dec. ,  scheint  aber  nicht  den  Tag  des  Thierkampfes 
wie  V'olkmar  (a.  a.  0.  S.  493)  ohne  Weiteres  annimmt,  sondern  den  Tag  der 
Translation  darunter  zu  verstehn;  wenigstens  ist  die  Beziehung  des  syevero  di 
ravTu  ifi  nQo  Sexm^icov  xaXnvSoiv  'lavvovn^icuv  (c.  7.)  auf  das  (c.  6.) 
unmittelbar  Vorhergehende  die  näherliegende.  Das  armenische  Martyrium  lässt 
die  Sache  im  Unklaren:  es  berichtet  c.  47.  die  Translation,  und  gibt  dann 
c.  49.  nach  der  Erzählung  von  der  einigen  römischen  Brüdern  zu  Theil  ge- 
wordenen Erscheinung  des  Heiligen  als  Zeit  wo  ,,  diese  Sache  geschehen  sei " 
den  24.,  nach  den  Griechen  den  20,,  December  an.  In  der  Schlussbemerkung 
c.  52.  heisst  es  dann  noch  einmal  ganz  allgemein,  der  1.  Hrotitz ,  nach  den 
Griechen  der  20.  December,  sei  der  Gedächtnistag  des  Heiligen.  Hrotitz  heisst 
der  letzte  Monat  der  Armenier,  der  aber  nicht  mit  dem  December  zusammen- 
lallt. Das  armenische  Jahr  beginnt  vielmehr  seit  die  Armenier  feste  Monate 
hatten,  mit  dem  Frühling,  folglich  fällt  der  1.  Hrotitz  jedenfalls  noch  in  den 
Februar.  Nur  zwei  spätere  griechische  üeberarbeitungen  der  älteren  Martyrien, 
die  angeblich  von  Symeon  Metaphrastes  herrührende,  und  eine  andre,  bis  jetzt 
nur  in  einigen  von  Usher  mitgetheilten  Bruchstücken  bekannte,  verstehen  wie 
das  Menaeum  Graecorum  unter  dem  20.  Dec.  ausdrücklich  den  Todestag,  und 
setzen  die  Translation  später  an.  Dagegen  bezeichnet  das  lateinische  Marty- 
rium bei  den  BoUandisten  (Acta  SS.  Febr.  T.  I,  p.  29  sqq.)  als  den  Todestag 
den  1.  Februar,  als  Tag  der  Translation  den  17.  December  (XVI.  Kai.  Jan., 
wol  ein  Schreibfehler  für  XIII.  Kai.  Jan.,  d.  i.  der  20.  Dec).  Die  Bemerkung 
Volk  mar s  (a.  a.  0.)  ,,erst  die  lateinische  Kirche  habe  aus  weit  spätem  be-^ 
sondern  Interessen  sowol  die  Gebeine  des  Ignatios  für  Rom  vindicirt  als  dann 
auch  einen  eignen  Märtyrertag  eingesetzt"  kann  dieser  Angabe  nichts  anhaben. 
Denn  der  fragliche  lateinische  Vlartyrolog  setzt  ja  die  Translation  ganz  ebenso 
wie  die  vorhergenannten  griechischen  und  armenischen  Quellen  voraus  (c.  21.), 
kann  also  die  Gebeine  des  Ignatios  eben  nicht  für  Rom  vindicirt  haben. 
Folglich  sind  auch  seine,  wie  es  scheint  auch  durch  den  Armenier  unterstützten, 
Daten  nicht  so  ohne  Weiteres  von  der  Hand  zu  weisen,  um  so  weniger  da  auch 
die  Angabe  des  Todesjahres  „consulatu  Attici  et  Marcelli",  freilich  ebenfalls  von 
der  gewöhnlichen  Zeitbestimmung  abweicht,  dämm  aber  keineswegs  von  ihm  er- 
funden ist.  Nach  dem  allen  bleibt  als  Resultat,  dass  das  allerdings  an  sich 
unantastbare  Datum  „der  20.  December"  durchaus  nicht  mit  derselben  geschicht- 
lichen Zuverlässigkeit  den  Todestag  des  Ignatios,  sondern  mindestens  ebenso 
möglich,  wo  nicht  noch  wahrscheinlicher  den  Tag  der  Translation  bezeichnet. 

1)  Monatsschrift  des  wissenschaftlichen  Vereins  in  Zürich.  1856  ,  3,  S. 
145  ff.  Volkmar  erklärt  hier  alle  drei  Rufe  aus  dem  Evangelium  des  Mar- 
cus ,  indem  er  zu  den  beiden  himmlischen  Rufen  bei  der  Taufe  und  der  Ver- 
klärung Jesu  noch  den  Ruf  des  Hauptmanns  bei  Jesu  Tod  „dies  war 
wirklich  der  Sohn  Gottes"  Marc.  14,  37  hinzuzählt.  Wir  könnten  uns  diese 
Annahme  gefallen  lassen,  obwohl  es  immerhin  bedenklich  bleibt,  als  dritten 
Ruf  eine  Stimme  ganz  anderer  Art  als  jene  Himmelsstimmen^  bei  Taufe  und 
Verklärung  zu  Hülfe  zu  nehmen.  Aber  wenn  Volkmar  alle  drei  Rufe  aus 
Marcus  ableitet,  so  übersieht  er,  dass  gerade  das  Marcusevangelium  von  der 
Erscheinung  des  Sternes  nichts  weiss:    der  Ruf    des    Hauptmanns   aber    findet 


10        IJpsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios. 

g-esamte  ignatianisclie  Literatur  für  unäclit  g-ilt,  doch  die  relative 
ürsprüng^Iichkeit  der  syrischen  Recension  in  noch  umfassenderem 
Masse  anzuerkennen  ' ). 

Drei  andere  Stimmen  liahen  sich  seitdem  über  die  ig-natia- 
nische  Frage  vernehmen  lassen:  D  res  sei  in  den  Prolegomenen 
zu  seiner  verdienstlichen  Ausgabe  der  Patres  Apostolici,  Lechler 
in  der  zweiten  Auflage  seines  apostolischen  Zeitalters  und  Ritschi 
in  der  zweiten  Auflage  seiner  altkatholischen  Kirche.  Alle  drei 
kommen  mit  uns  darin  überein ,  dass  sie  von  der  Aechtheit 
des  kürzeren  griechischen  Textes  sich  nicht  zu  überzeugen  ver- 
mögen. Der  erstere,  der  übrigens  unsere  Untersuchung  noch 
nicht  gekannt  hat,  will  über  die  Priorität  des  syrischen  oder 
griechischen  Textes  noch  kein  abschliessendes  Drtheil  wagen ; 
aber  ohne  Curetons  Ansicht  ohne  weiteres  zu  der  seinen  zu 
machen,  weisst  er  doch  mit  beachtenswerthen  Gründen  die  An- 
nahme zurück,  dass  unser  Syrer  als  Epitomator  zu  betrachten 
sei  2).  Was  Lech  1er  anlangt  *) ,  so  hat  derselbe  der  gan- 
zen Streitfrage  ofl*enbar  ein  nur  sehr  flüchtiges  Interesse  ge- 
schenkt, und  von  den  neuesten  Verhandlungen  über  dieselbe,  wie 
es  scheint,  keine  Notiz  genommen.  Dagegen  hat  Ritschi  durch 
die  Ergebnisse  unsrer  Untersuchung  seine  früher  vertretene  x4nsicht 
in  allen  Wesentlichem  bestätigt  gefunden ,  und  nur  in  einem  ein- 
zigen Punkte,  der  die  hier  nicht  näher  in  Betracht  zu  ziehende 
Charakteristik  der  in  den  7  Briefen  geschilderten  Irrlehrer  betrifft, 
eine  abweichende  Meinung  zu  begründen  gesucht  *). 

sicli  ja  ganz  ebenso  auch  bei  Mattliiius  (27 ,  54) ,  folglich  hätten  wir  alle 
drei  Rufe  sammt  dem  Stern  beisammen.  —  Auf  jeden  Fall  aber  hat  uns  die 
von  einer  Seite  her,  wo  wir  es  am  wenigsten  erwarteten,  erfolgte  Zustimmung 
zu  unserer  Auslegung  nur  um  so  mehr  bestimmen  können ,  auch  fernerhin, 
trotz  der  von  Uhlhorn  erhobenen  Einwendungen  daran  festzuhalten.  Beson- 
ders erfreulich  war  es  uns,  dass  auch  V  o  1  k  m  a  r  den  Zusatz  xal  6  O'äva- 
T05  avxov  auf  Grund  unserer  Erörterungen  (freilich  beiläufig  gesagt  ohne 
seine  Quelle  namhaft  zu  machen)  für  ein  späteres  Einschiebsel  erklärt.  Wir 
müssen  dabei  bleiben,  dass  der  Gedanke,  der  Tod  Christi  sei  dem  Teufel  ver- 
borgen geblieben,  ein  schlechthin  unmöglicher  ist.  Wenn  aber  Uhlhorn  um 
der  Schwierigkeit  zu  entgehen ,  auf  seine  früher  ausgesprochene  Ansicht  ver- 
weist, dass  Ignatios  nicht  an  die  Mysterien  als  geschichtlich  auf  Erden  voll- 
zogen, sondern  an  den  erst  von  Gott  gefassten  Rathschluss  der  Erlösung  denke, 
so  trägt  er  gerade  das  Wesentliche,  den  vorzeitlichen  Erlösungs- 
rathschluss  auf  eigne  Hand  in  einen  Zusammenhang  hinein ,  der  doch  augen- 
fällig genug  von  geschichtlichen  Offenbarungsthatsachen  handelt.  Wie  übri- 
gens die  T]avxia  d^eov  zu  erklären  sei,  hat  auch  Volkmar  a.  a.  0.  gut  gezeigt. 

1)  Rheinisches  Museum  a.  a.  0.  p.  495. 

2)  Proll.  p.  XXIX:  si  epitomator  versionis  Syricae  auctor  est,  omni- 
um  ut  Tib.  Gracchi  vocabulo  utar,  epitoraatorum  postremissimus  dicendus 
est,  quippe  qui  opus  condiderit  sine  externa  aut  interna  uniformitate,  sine  ullo 
certo  quodam  mentis  proposito  aut  scopo,  quamvis  pii  propra  usus  essent 
propositi  ipsi. 

3)  a.  a.  0.  421  flg. 

4)  a.  a.  0.  403  flg.  453.  457  flg. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.        1 1 

Je  weniger  aber,  wie  die  Ansichten  der  genannten  Gelehrten 
beweisen ,  das  alte  Schwanken  über  den  eigentlichen  Sachver- 
halt überwunden  ist,  desto  dringender  wird  für  uns  selbst  die 
Pflicht,  auch  unsere  bisher  noch  zurückgehaltenen  Arbeiten  zu 
veröffentlichen  und  hiermit  unsere  Schuld  an  die  wissenschaftliche 
Welt  abzutragen.  Wir  thun  diess  um  so  lieber,  da  wir  über- 
zeugt sind,  dass  diese  unsere  Untersuchung  auf  Grund  der  durch 
die  neuere  Philologenschule  Lachmauns  geltend  gemachten  Princi- 
pien  unabweisbare  Zeugnisse  zu  Gunsten  des  syrischen  Textes 
darbietet-  Wir  hoffen ,  dass  eine  solche  kritische  Sichtung  des 
handschriftlichen  Materials  am  sicherste«  jedes  subjectivistische 
Gebahren  bei  der  inneren  Kritik  verhindern  und  namentlich  auch 
die  noch  neuerlich  von  Baur  ausgesprochene  Ansicht  auf  ihr 
gebührendes  Mass  zurückführen  werde,  dass  die  Entscheidung  über 
die  relative  ürsprünglichkeit  der  syrischen  oder  der  kürzeren 
griechischen  Recension  für  jeden  zuletzt  nur  in  der  allgemeinen 
Anschauung  liegen  könne,  die  man  sich  von  jenen  Zeitverhältnissen 
bilde   »)• 

Drei  Hauptfragen  sind  es  vornehmlich,  die  wir  nach  einander 
zu  erwägen  haben:  1)  Nach  den  patristischen  Zeugnissen  und 
der  äusseren  Verbreitung  der  drei  verschiedenen  Textrecensionen. 

2)  Nach  dem  Alter  der  Handschriften  der  kürzeren  syrischen  Recen- 
sion, namentlich  im  Vergleiche  mit  den  Zeugnissen  für  das  Vorhan- 
densein einer  weiteren  dem  gangbaren  griechischen  Texte  näher 
stehenden  syrischen  üebersetzung   von    13  ignatianischen  Briefen. 

3)  Nach  dem  Verhältnisse  des  syrischen  Textes  zu  den  übrigen  Text- 
familien. Hierbei  wird  zu  handeln  sein  a)  von  dem  Vorhandensein 
verschiedener  Textfamilien  (nicht  bloss  Textrecensionen)  der 
ignatianischen  Briefe  überhaupt ,  wobei  wir  unabhängig  von  dem 
kürzeren  Syrer  den  Nachweis  zweier  Hauptfamilien,  deren  Cha- 
racteristik,  soweit  eine  solche  ermöglicht  ist,  und  die  Einordnung 
der  verschiedenen  Zeugen  in  diese  2  Familien  durchführen  wer- 
den, b)  Von  der  armenischen  Version  insbesondere,  wobei  wir 
das  nähere  Verhältniss  derselben  zu  den  im  vorhergegangenen 
Abschnitte  nachgewiesenen  Textfamilien  zunächsst  für  die  beim 
Syrer  fehlenden  Briefe  und  Briefabschnitte  ergründen  müssen. 
Endlich  c)  von  dem  Verhältnisse  des  kürzern  syrischen  Textes 
theils  zu  den  übrigen  Textgestalten  überhaupt,  theils  speciell  zu 
der  weiteren  syrischen  Recension. 

Die  eigentlich  entscheidende  Erörterung  wird  selbstverständ- 
lich die  letzte  sein.  Hier  hoffen  wir  zu  erweisen,  dass  der  Cu- 
reton'sche  Syrer  unter  allen  Documenten  den  vorzüglichsten,  selbst- 
ständig nefcen  den  beiden  Hauptfamilien  hergehenden  Text  aufbe- 
wahrt hat,  die  weitere  syrische  Recension  hingegen,    soweit  sich 


1)   Das  Christenthum  und    die  christliche  Kirche  der  drei  ersten   Jahrhun- 
derte S.  253.  Aiini.  2. 


12       Lipsius ,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Jgnalios. 

aus  den  noch  aufbewahrten  Hilfsmitteln  entscheiden  lässt,  als  eine 
üeberarbeitung-  des  kürzeren  Syrers  nach  dem  Griechischen  sich 
kennzeichnet. 

Selbstverständlich  kann  eine  rein  diplomatische  Kritik  für 
sich  allein  den  letzten  Abschluss  der  Untersuchung-  über  die  ig-na- 
tianische  Literatur  nicht  herbeiführen,  wohl  aber  müssen  die  Er- 
g-ebnisse  derselben  an  die  vSchwelle  der  endg-ilti^en  Entscheidung- 
leiten. Wenn  daher  die  oben  hing-estellten  Resultate  sich  bewahr- 
heiten sollten,  so  wäre  dadurch  das  Erg-ebniss  unserer  frühereu 
Abhandlung  über  die  Aechtheit  der  syrischen  drei  Briefe  des  Ig- 
natios  soweit  sicher  gestellt,  als  überhaupt  in  dergleichen  Fragen 
von  einer  wissenschaftlichen  Sicherstellung  die  Rede  sein  kann. 
Möglich  bliebe  freilicli  für  den,  der  lediglich  der  diplomatischen 
Kritik  sich  anvertraun  wollte,  die  Ausflucht,  dass  der  kürzere  sy- 
rische Text  zwar  späterhin  nach  dem  griechischen  überarbeitet, 
selbst  aber  ein  wenn  auch  uraltes  Excerpt  des  allerdings  reinsten 
und  ursprünglichsten  griechischen  Textes  wäre.  Aber  diese  rein 
abstracte  Möglichkeit  wird  auch  abgesehn  von  ihrer  innern  ün- 
wahrscheinlichkeit  ausgeschlossen  durch  das  Ergebniss  der  innern 
Kritik:  und  hier  ist  der  Punkt,  in  welchem  sich  unsere  beiden 
Untersuchungen  gegenseitig  zu  stützen  und  zu  ergänzen  haben.  — 


1.    Die  patrIstischen  Zeugnisse. 

Als  ältestes  Zeugniss  für  das  Vorhandensein  der  kürzeren 
griechischen  Recension  ist  insgemein  und  noch  neuerdings  von 
Denzinger  ^)  und  Uhlhorn  ')  der  Brief  des  Polykarp  an 
die  Philipper  betrachtet  worden.  Und  allerdings  ist  nicht  zu 
leugnen,  dass  im  13.  Cap.  dieses  Briefes  bereits  eine  Sammlung 
ignatianischer  Schriften  vorausgesetzt  wird ,  die  nicht  wohl  mit  der 
nur  3  Briefe  enthaltenden  syrischen  Recension  identisch  sein 
kann.  Die  angeführte  in  ihrem  griechischen  Texte  aus  Eu- 
sebios  geflossene  Stelle  lautet  nämlich  folgendermassen :  iygu- 
xpaxa  fioi  vfxeig  xul  ^Tyvuriog,  'Iva,  iuv  Tig  anfgyrjrai  tig  2vgiav, 
xal  ra  tiuq^  vfxwv  anoy.Of.uarj  yguixpiaja*  ontg  noirjüw,  luv  Xdßo) 
yMigov  tvd^erov ,  eite  lyw ,  ehe  ov  nffiipM  ngeaßevaovxa  xal  negl 
vfKov.  Tag  IniaT o'kag  ^lyvar lov  rag  nefi(f)& eiaag 
rifiXv  vn^  avTOv,  xal  ciXXag,  oaag  eV/o/^ev  nag'  ht^^^y 
fn^f^xpafjBV  vfAXv,  xa&wg  eveieikaGd^t  •  a'lriveg  vnoxeTayfievai  eloi  ifj 
imaJoXfj  ravifj*  i^  (i)v  f.teyala  wcpeXrj&rjvai  övvi^aea^e,  Uegtexovai 
ydg  nlöTiv  xal  imof-iovr^v  xal  jiäaav  oixoöo/:ii]V  ttjv  etg  tüv  xv- 
giov   rifiwv   äv)]xovaav.      Was    den    Plural    Tag  Imoxo'kag  betriflft, 


1)  Ueber  die  Aechtheit   des   bisherigen    Textes  der   ignatianischen    Briefe 
p.  11  ff. 

1)  Zeitschrift  für  die  histor.  Theologie  1851,  1,  p.  79  ff. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Jgnalios        13 

so  wollen  wir  zug-eben,  dass  er  am  einfachsten  auf  den  Brief  an 
Poljcarp  und  auf  den  Smyrnäerbrief  zu  hezielien  sei  •)  ;  und  wenn 
auch  die  andern  Briefe,  deren  Erwähnung  geschieht,  nicht  zu  der 
Annahme  nöthigen,  dass  darunter  noch  mehr  Briefe  als  die  bei- 
den an  die  Epheser  und  an  die  Römer  zu  verstehen  seien,  so 
spricht  doch  schon  die  wahrscheinliche  Bezugnahme  auf  den 
Smyrnäerbrief  dagegen,  dass  mit  den  betreffenden  Worten  unsere 
syrische  Recension  gemeint  sein  könne.  Trotzdem  müssen  wir 
das  angebliche  Zeugniss  des  Polykarp  ohne  weiteres  zurückwei- 
sen. Schon  von  vornherein  ist  das  Vorhandensein  einer.Samm- 
lung  ignatianischer  Sendschreiben  in  der  allernächsten  Zeit 
nach  dem  Tode  des  Ignatios,  in  welcher  Polykarp  geschrieben 
haben  soll,  höchst  verdächtig.  Einen  weiteren  Anstoss  erregen 
die  Anfangsworte  der  oben  ausgeschriebenen  Stelle,  wo  auch  ein 
(zweiter)  Brief  des  Ignatios  und  ein  Brief  der  Philipper  an  Poly- 
karp erwähnt  werden,  in  welchen  er  aufgefordert  worden  sein  soll 
einen  Boten  nach  Syrien  zu  schicken ,  um  der  syrischen  Ge- 
meinde den  Brief  der  Philipper  zu  überbringen.  Dies  setzt  ein 
vollständig  organisirtes  Brief-  und  Botensystem  vorauf,  im  Wi- 
derspruche mit  der  Einfachheit  damaliger  Zeitverhältnisse.  Der 
Schlüssel  zu  diesem  wunderlichen  Satze  dürfte  wohl  in  einer 
Stelle  des  griechischen  Briefes  an  Polykarp  zu  finden  sein. 
Hier  heisst  es  c.  8:  intl  nuaaig  raig  ixxX^atuig  ovx  ^Sw/jd^i^v 
ygaxjjai  .  .  . ,  yQaxptiq  luTg  t^nQoo&iv  ixx}.t]aiaig  cog  &eov  yvw^itjv 
ytxTfjf.uvog  eig  xo  xui  uvzovg  x6  uvio  notrjaai '  ol  liifv  dvvu/Atroty 
ntt,ovg  nt/.itprxt  f  ol  de,  IniaioXag  öid  twv  vnö  aov  7i((.inofifVMV, 
'Iva  do'^ua&^Tt  aiwvt(ü  fQyw  xtX,  Mit  diesen  übrigens  in  mehr 
als  einer  Hinsicht  unbegreiflichen-)  Worten  stellen  wir  hier  noch 
folgende  Worte  aus  dem  11.  Cap.  des  Smyrnäerbriefs  zusammen: 
ngtnti  tig  tifx'^v  d^eov  /.f^igorov^oat  r^v  exxXi]aiav  vjlicüv  &ionQt- 
aßvTT]v  tlg  xb  ytvo/mvov  l'cog  2vQiug  ovy/^agrivui  avxoXg  ^)  . ..  ^E(pa- 
vTj  /uoi  ovv  a^iov  ngäyfiUf  nifj.\fjai  Tivu  tmv  v(.uxtQU)v  (.itx^  eni- 
GXoXijg,  'Iva  ovvöo'^aoi]  x^v  xaxu  &eov  avxoTg  ytvof.ievi]v  ivdiav  xxX. 
Diese  beiden  Stellen  und  die  obige  des  Polykarp  sehen  einander 
so  ähnlich ,  dass  sie  ganz  dieselbe  für  damalige  Zeitverhältnissc 
eben  unerklärliche  Anschauungsweise  voraussetzen.  Wurden  im 
Auftrage  des  Ignatios  von  allen  Gemeinden ,  an  die  Ignatius 
früher  geschrieben  hat  (so  nämlich  werden  die  efingood^ev  ixxXr^oiai 
zu  erklären  sein) ,  Boten  und  Briefe  nach  Antiochien  geschickt, 
wurde  Polykarp  sammt  den  Smyrnäern  von  Ignatios  aufgefordert, 
weitere  Briefe  und  Boten  nach  Antiochien  abzusenden :  nun  so 
konnte  jemand  sehr  leicht  auf  den  Gedanken  kommen,  dass  wohl 


1)  Sicher   steht   freilich    nicht   einmal    dieses  vgl.   flilgenfeld  a.  a.  0. 
S.  210. 

2)  Vgl.  unsere  ßeinerkungen  in    Niedners  Zeitschrift  1856,    1,  S.  84  flg. 

3)  Vgl.  auch  die  ganz  ähnlichen  Worte  Philad.  11. 


1 4        Lipsius  ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios. 

auch  an  die  Philipper  eine  ähnliche  Anordnung  des  Ignatios  er- 
gangen sei,  und  diese  demgemäss  den  Polykarp  aufgefordert  hät- 
ten, die  Briefe  weiter  nach  Syrien  zu  befördern.  Nur  Schade, 
dass  nach  dem  Sclilusse  des  Smyrnäerbriefs  sowol  als  des  grie- 
chischen Briefs  an  Polykarp  Ignatios  von  Troas  aus  geschrieben 
haben  soll,  nach  der  Stelle  des  Polykarp  aber  Ignatios  und  die 
Philipp  er  die  betreffende  Aufforderung  an  Polykarp  erlassen 
haben,  Ignatios  also  damals  als  zu  Philippi  weilend  gedacht  wird. 
Sollen  wir  also  glauben,  dass  Ignatios  ganz  denselben  Auftrag, 
den  er  schon  von  Troas  aus  dem  Polykarp  ertheilt  hatte,  kurz 
nachher  von  Philippi  aus  wiederholt  haben  sollte?  Aber  dies  geht 
selbst  über  die  Sammlung  von  sieben  ignatianischen  Briefen  hin- 
aus ,  ganz  abgesehn  von  der  Unwahrscheinlichkeit  des  Sachver- 
haltes selbst.  Wir  können  daher  nicht  umhin,  den  starken  Ver- 
dacht auszusprechen ,  dass  der  Verfasser  des  13.  Capitels  des 
Philipperbriefs  entweder  nach  der  Schablone  der  in  den  Briefen  an 
Polykarp  und  die  Smyrnäer  vorausgesetzten  Verhältnisse  eine  ähnli- 
che Situation  erdichtete,  und  dieser  Umstand  wäre  eben  nicht 
geeignet  die  Glaubwürdigkeit  jenes  angeblichen  Zeugnisses  des 
Polykarp  zu  erhöhen,  oder  aber  dass  er  gar  eine  noch  mehr  als  7 
Briefe  des  Ignatios  enthaltende  Sammlung  vor  sich  hatte,  in  wel- 
chem Falle  sein  Zeugniss  nicht  länger  für  die  Aechtheit  der  7 
Briefe  angeführt  werden  dürfte,  weil  es  zuviel  bewiese  '). 
Hierzu  kommt  endlich,  dass  Ritschi  neuerdings  noch  durch  eine 
Reihe  von  andern  Gründen,  die  hier  nicht  wiederholt  werden  kön- 
nen, das  ganze  13.  Capitel  nebst  einer  Reihe  von  andern  Stellen 
desselben  Philipperbriefes  als  iuterpolirt  in  Anspruch  genommen 
hat  ^).  So  lange  nun  diese  Ansicht  nicht  besser  als  durch  Den- 
zinger  geschehen  widerlegt  ist,  müssen  wir  verlangen,  auf  das 
angebliche  Zeugniss  des  Polykarp  für  den  griechischen  Text  des 
Ignatios   Verzicht  zu  leisten  ^). 


1)  Vgl.  hierzu  auch  Hilgenfeld,  a.  a.   0.  S.  209  f. 

2)  Entstehung  der  altkatholisclien  Kirche  (1.  Aufl.)  p.  604  ff'.  (2.  Aufl.) 
p.  584  fl*. 

3)  Uhlhorn,  in  der  angeführten  Anzeige  meiner  Schrift  S.  1518.  spricht 
seine  Verwunderung  darüber  aus,  dass  ich  mich  mit  diesem  ,,  einzig  entschei- 
denden" Zeugnisse  des  Polykarp  nicht  gründlicher  abgefunden  habe,  und  be- 
merkt, dass  ihn  die  bisherigen  Beweise  für  die  Uilschl'sche  Interpolationshy- 
polhese  nicht  überzeugt  haben  —  ein  im  Angesichte  der  von  Ritschi  bei- 
gebrachten Belege  freilich  ziemlich  subjectives  Urtheil.  Mir  hat  sich  auf  Grund 
einer  nochmaligen  eingehenden  Prüfung  des  Polykarpbriefes  die  Rilschl'sche 
Kritik  in  allen  Puncten  bestätigt,  und  ich  freue  mich  in  diesem  Puncte  auch 
Volkmar  zum  Bundes^nossen  zu  haben  (die  Religion  Jesu  S.  411.  505).  Die  Art 
und  Weise,  mit  welcher  übrigens  der  Interpolator  arbeitet,  steht  durchweg  im 
Einklänge  mit  derjenigen  Methode,  welche  ich  an  den  Interpolationen  der  drei 
syrischen  Briefe  des  Ignatios  nachgewiesen  zu  haben  glaube,  und  die  bisher  auch 
noch  durch  keine  Gegengründe  widerlegt  worden  ist.  Ganz  unzw  eideutig  ist  dies 
besonders  am  9.  Cap.  und   dem    eingeschobenen    Passus   am    Anfange   des    12. 


fjpsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios.       15 

Gehen  wir  nun  auf  die  ührig^en  patristischen  Zeugnisse  ein, 
so  ist  zuvörderst  zu  beachten,  dass  der  kürzere  griechische  Text 
erst  von  der  Zeit  der  nestorianisclien  und  inonophysitischen 
Streitigkeiten  an  eine  weitere  Verbreitung  erlangt  zu  haben 
scl>eint.  Vorher  wird  sein  Vorhandensein  (oder  doch  das  Vor- 
handensein irgend  welcher  mindestens  sieben  ignatianische  Briefe 
umfassenden  Textesrecension  )  zuerst  durch  Eusebios  bezeugt; 
in  dem  ganzen  Zeiträume  aber  von  Eusebios  bis  Theodoret 
nicht  wieder.  Erst  seit  Theodoret  findet  sich  eine  der  kürzeren 
griechischen  entsprechende  Textgestalt  in  allgemeinerem  Gebrauch: 
im  5.  Jahrhunderte  noch  bei  Gelasius  und  Timotheos  von 
Alexandrien  ;  im  6.  bei  Ephraim  von  Theopolis,  Severus  von 
Antiochien,  Anastasios  Sinaita^  im  7.  Jahrhunderte  bei  An- 
t  iochos  iMonachos;  im  8.  bei  Johannes  Damascenus, 
Antonius  Melissa  u.  s.  w.  Für  die  sonderbare  Erscheinung 
aber ,  dass  der  eigenthümliche  Text  der  kürzeren  griechischen 
Recension  zwar  schon  früher  durch  Eusebios  bezeugt,  aber  erst 
100  Jahre  nach  Eusebios  allgemeiner  gebraucht  ist,  iindet  sich 
ein  vollständiges  Analogon  durch    die    längere  Textesrecension 


Ja  ich  möchte  die  Vermuthung  äussern,  dass  von  dem  Inlerpolator  auch  noch 
ein  anderer  kürzerer  Zusatz  herrühren  dürfte,  nämlich  das  cos  d'eio  aal 
X^toTcö  Cap.  5.  —  Uebrigens  ist  beachtenswerth ,  dass  die  Verfassungsver- 
haltiiisse  des  "achten  Briefes  im  Ganzen  dieselbe  Situation  voraussetzen  wie 
die  drei  Briefe  des  Ignatios ,  verglichen  mit  dem  des  römischen  Clemens. 
Als  Hauptaufgabe  der  Presbyter  erscheint  nicht  wie  in  den  sieben  Briefen  die 
Bewahrung  der  reinen  Lehre,  sondern  die  Sittenzucht  und  die  Sorge  für  Wit- 
wen, Waisen  und  Arme  (vgl.  C.  6).  Der  Ton  des  Ganzen  erinnert  an  die 
ähnliche  Haltung  der  drei  syrischen  Briefe:  besonders  augenfällig  ist  die  im- 
mer wiederkehrende  Mahnung  zur  Milde  und  zur  Versöhnliehkeit  (vgl.  C.  2. 
6.  10.  12.)  Die  bekämpften  Häretiker  sind  denen  der  sieben  Briefe  zwar 
mannigfach  verwandt,  und  wenn  die  Worte  C.  7.  dg  av  firj  6fio?.oyfi  ^hjaovv 
X^iOTOv  iv  onQxi  iXrjXvS'dvac,  avxlxQtoxos  eari  acht  sein  sollten  (sie  fehlen 
aber  in  den  codd.  Laurent,  und  Paris.) ,  so  würden  dieselben  allerdings  auch 
einen  doketischen  Charakter  der  Häresie  beweisen;  aber  bemerkenswerth  bleibt 
doch,  dass  das  Hauptgewicht  der  Polemik  noch  nicht  auf  die  Betonung  der  Wirk- 
lichkeit der  gesammten  Lebens-  und  Leidensgeschichte  Jesu  gegenüber  dem  be- 
haupteten To  Soxslv  avTov  nsTtovd'svni,  sondern  auf  Christi  Auferstehung  und 
die  Todtenauferstehung  überhau^it ,  desgleichen  auf  die  Wiederkunft  Jesu  zum 
Gericht  fällt,  wie  denn  der  ganze  Brief  offenbar  von  eschatologischer  Perspective 
aus  entworfen  ist.  Zu  vergleichen  ist  die  uns  auch  sonst  bekannte  Abneigung 
gegen  die  Auferstehungslehre  in  gnostischen  Kreisen  ,  wofür  ausser  dem  soge- 
nannten zweiten  Clemensbrief,  der  sich  ganz  in  denselben  Anschauungen  wie 
der  Polykarpbrief  bewegt,  auch  noch  das  verglichen  werden  kann,  was  in  dem 
angeblichen  Schreiben  der  Korintlier  an  Paulus  über  die  Häresie  des  „Simon  und 
Ivirobis"  gesagt  wird.  —  Alles  dies  d(!utet  darauf,  dass  der  Polykarpbrief  einer 
früheren  Zeit  angehört  als  die  sieben  ignatianischen  Briefe  der  griechischen  Recen- 
sion ,  sodass  auch  von  dieser  Seite  her  die  Interpolationshypothese  hinreichend 
gwichert  erscheint.  Wenn  jedoch  Volkmar  in  dem  Verfasser  des  (Ruinart'- 
schen  ?)  Martyrium  Ignatii  den  Interpolator  entdeckt  zu  haben  glaubt,  so  müssen 
wir  unser  Urtheil  so  lange  zurückhalten  bis  wir  seine  Gründe  kennen  gelernt 
haben.  Der  Abhandlung,  auf  die  er  sich  p.  XIII.  des  Vorworts  beruft,  konn- 
ten wir  nicht  habhaft  werden,  da  das  Cilat  Dicht  stimmt. 


16        Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

geboten.  Während  diese  erst  im  7.  Jahrhunderte  eine  weitere  Ver- 
breitung- erlang^t  zu  haben  scheint  —  das  erste  ausdrückliche  und 
längere  Citat,  welches  aus  dieser  Recension  geflossen  ist,  findet 
sich  im  Chronicon  P  aschale  —  so  ist  sie  doch  vorausge- 
setzt schon  durch  Stephan  Gobaros  im  6.  Jahrhundert.  Die- 
ser berichtet  nämlich,  dass  Ignatios  die  Häresie  des  Nikolaos  und 
der  Nikolaiten  bekämpft  habe  (bei  Phot.  Bibl.  cod.  132;.  Dies 
geschieht  aber  nirgends  in  der  kürzeren  griechischen  Recension, 
wohl  aber  in  der  längeren,  Trall.  11.  —  Ja  noch  weit  später 
werden  beide  Textgestalten  theils  von  verschiedenen  theils  sogar 
von  denselben  Schriftstellern  neben  einander  gebraucht;  so  setzen 
Maximus  im?.,  Johannes  Damascen'us  und  Antonius  Me- 
lissa im  8.  Jahrhundert,  letztere  beiden  wenigstens  an  einzelnen 
Stellen,  einen  Text  voraus,  der  ganz  der  längeren  Recension  ent- 
spricht, während  dieselbe  Zeit  und  was  den  Damascener  und  An- 
tonius angeht,  auch  dieselben  Schriftsteller  daneben  und  in  über- 
wiegenden Zeugnissen  den  kürzeren  Text  darbieten.  Noch  im 
9.  Jahrhundert  finden  wir,  dass  Theodoros  Studites  eine 
Stelle  (Smyrn.  4)  nach  der  kürzeren ,  eine  andere  (Philad.  3) 
nach  der  längern  Textesgestalt  citirt. 

Ihre  Erklärung  kann  diese  auffällige  Erscheinung  nur  in 
dem  Umstände  finden,  dass  der  je  weitere  Text  den  je  kürzeren 
nicht  sofort,  sondern  erst  allmählich  und  nicht  ohne  mancherlei 
Schwapkungen  verdrängte.  Wie  also  Stephan  Gobaros  den  wei- 
teren Text  an  100  Jahre  vor  seiner  allgemeineren  Verbreitung 
schon  kannte,  so  kannte  Eusebios  genau  ebenso  den  kürzeren 
griechischen  Text  100  Jahre  früher  als  derselbe  in  weiteren 
Kreisen  benutzt  wurde. 

Doch  wir  haben  bisher  nur  die  Thatsache  allgemein  hinge- 
stellt, dass  vor  Theodoret  nur  Eusebios  den  kürzeren  griechischen 
Text  kennt.  Der  Beweis  liegt  darin,  dass  alle  Citate  vor  Eu- 
sebios, ebenso  wie  alle  kritisch  zuverlässigen  Citate  aus  der  Zeit 
von  Eusebios  bis  Theodoret  nur  aus  den  drei  auch  durch  den 
Syrer  aufbewahrten  Briefen  (Römer,  Epheser,  Polykarp),  und  hin- 
wiederum nur  aus  solchen  Stellen  dieser  Briefe  genommen  sind, 
die  auch  in  der  syrischen  Recension  sich  finden.  Aus  der  vor- 
eusebianischen  Zeit  finden  sich  Zeugnisse  von  Eirenaeos, 
Theophilos  und  Or  igen  es. 

Eirenaeos  (adv.  Haer.  V,  38.  p.  327  Mass.)  citirt  die  Worte 
aus  Rom.  4:  „quoniam  frumentum  sum  Christi  et  per  dentes  bestia- 
rum  molor,  ut  mundus  panis  Dei  inveuiar."  Bei  Ori  gen  es  finden 
sich  zwei  Citate;  Rom.  7:  „mens  autem  amor  crucifixus  est"  und 
Eph.  19:  „xai  ila&e  lov  ug^ovia  rov  alwvog  tovtov  tj  nag&i- 
via   Magiag^^  ^).      Bei    Theophilos    endlich    findet    sich    kein 


1)  Die   erstere   Stelle   im  Prolog,  in  Cant.   Cant.   Tom.  III.  p.  30  D.  De- 
larue ;  die  letztere  hom.  VI.  in  Lucam  ibid.  p.  938  A. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.        \  7 

ausdrückliches   Citat,  wohl  aber  eine  Anspielung-  auf  die  letztj*-e- 
nannte  Stelle  E  p  h.   19  »). 

Von  den  nacheusebianischen  Schriftstellern  weiss  man 
g-ewöhnlich  noch  Rufinus,  Hieronymus  und  x4thanasios 
als  Gewährsmänner  für  den  kürzeren  griechischen  Text  anzufüh- 
ren. Von  diesen  dreien  ist  aber  zunächst  Rufinus  abzuziehen, 
als  blosser  Uebersetzer  des  Eusebios ,  der  demnach  für  den  auch 
bei  ihm  enthaltenen  Passus  aus  dem  Smyrnäerbrief  (c.  3.)  nicht 
das  Gewicht  eines  selbstständig-en  Zeug-en  beanspruchen  kann. 
Was  ferner  den  Hieronymus  betrifft,  so  ist  es  um  dessen  Zeug^- 
niss  nicht  viel  besser  bestellt.  Denn  der  g'anze  Abschnitt  ans 
seiner  Schrift  de  viris  illustribus  '^),  in  welcher  er  der  Reise  des 
Ig-natios  nach  Rom,  und  der  unterwegs  erfolgten  Abfassung  von 
7  Sendschreiben  gedenkt,  ist  mit  Ausnahme  des  letzten  eine  No- 
tiz über  die  Zeit  seines  Todes  und  den  Ort  seines  Begräbnisses 
enthaltenden  Satzes  meist  sogar  wörtlich  aus  Eusebios  abgeschrie- 
ben, freilich  ohne  dass  die  Quelle  genannt  worden  wäre.  Die 
3  Citate  aus  Ignatios  (das  schon  bei  Iren,  erwähnte  Citat  aus 
Rom.  4.,  Rom.  5  ganz  und  eine  Stelle  aus  Smyrn.  3.)  sind  die- 
selben, welche  bereits  Eusebios  bietet.  Ja  es  lässt  sich  sogar 
der  positive  Beweis  liefern,  dass  Hieronymus  den  Ignatios  gar 
nicht  gelesen  haben  kann.  Die  Worte,  mit  welchen  er  das  Citat 
aus  dem  Smyrnäerbriefe  anführt,  lauten  so:  ...  inde  egrediens 
scripsit  ad  Philadelpheos ,  et  ad  Smyrnaeos,  et  proprie  ad 
Polycarpum,  commendans  illi  Antiochensem  ecclesiam  :  in  qua 
et  de  Evangelio  quod  nuper  a  me  translatum  est,  super  persona 
Christi  ponit  testimonium  dicens  :  ego  veroetc.  (nun  folgt  das  Citat). 
Diese  Bemerkung  beruht  jedenfalls  auf  einem  Irrthum,  dessen 
Quelle  in  den  Worten  des  Eusebios  zu  suchen  ist,  die  Hierony- 
mus hier  vor  Augen  hatte:  tJÖtj  d'  Inty.tiva  rijg  2/.iv^vrg  ytvof.ii- 
vog  ano  Tgoädog  ToXg  rt  iv  OiXaötXifda  avdtg  diu  'yQaq)rjg  ofitXeT, 
xai  xfj  2f.ivQvuiü)v  ixxXrjoia,  ISiwg  xi  tm  Taviijg  Trgofjyov^evM Tlo- 
XvxoQnd)  Entweder  hat  nun  Hieronymus  diese  Worte  dahin  ver- 
standen, dass  nur  ein  Brief  gemeint  sei,  der  gleichzeitig  an  die 
Gemeinde  in  Smyrna  wie  an  ihren  Bischof  insbesondere  gerichtet 
wäre  —  eine  Deutung,  die  allerdings  dem  Wortlaute  nach  mög- 
lich, bei  Eusebios  aber  unzulässig  ist,  weil  er  den  Smyrnäerbrief 
ebenso    wie    den    Inhalt    des     griechischen     Briefes     an     Polykarp 


1)  comm.  in  Mt.  1,  18:  cum  esset  desponsata  mater  eius  Ma- 
ria Joseph.  Quare  non  ex  simplici  virgine,  sed  ex  desponsata  concipitur 
Christus  ?  Primo,  ut  per  generationein  Joseph  origo  Mariae  raonstraretur,  secundo 
oe  lapidaretur  a  Judaeis  ut  aduitera:  tertio  ut  in  Aegyptum  fugiens  haberet 
solatium  viri :  quarto  ut  partus  eius  falleret  diaboiuin  putantein 
Jesum  de  uxorata  non  de  virgine  natum.  —  Uebrigens  ist  die  Aechtheit  die- 
ses comm.  in  Matlh.  bedeutenden  Zweifeln  uQterworfeo  ,  doch  hat  ihn  Hieron. 
bereits  gekannt. 

2)  Opp.  Vol.  H,  p.  842.  Vallars. 

Abhandl.  d.  DMG.  I,  5.  2 


\  8       Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

kennt  ')  — :  tl»""  kann  Hieronymus  weder  den  Smyrnäerbrief  noch 
den  Brief  an  Polykarp  gelesen  haben :  denn  der  erstere  ist  nicht 
zufi-leich  an  Polykarp  gerichtet,  der  letztere  aber,  welcher  aller- 
dings zugleich  mit  an  die  Gemeinde  in  Smyrna  sich  wendet,  ent- 
hält zwar  die  von  Hieronymus  aus  Eusebios  abgeschriebene  Em- 
pfehlung der  Antiochenergemeinde  an  die  bischöfliche  Obbut  des 
Polykarp,  nicht  aber  die  von  Hieronymus  citirte  Stelle.  Oder  aber, 
er  verstand  die  Worte  des  Eusebios  richtig  von  zwei  verschiede- 
neu Briefen,  einem  an  die  Smyrnäer  und  einem  an  Polykarp: 
dann  meint  Hieronymus  irrthümlich ,  dass  die  citirte  Stelle  nicht 
im  Smyrnäerbriefe,  sondern  im  Briefe  an  Polykarp  gestanden  habe. 
In  beiden  Fällen  bleibt  also  das  Ergebniss  dasselbe,  dass  Hie- 
ronymus die  Briefe  nicht  selbst  gelesen  baben  kann;  ja  im  letz- 
teren Falle  hätte  er  sich  gar  die  grobe  Nachlässigkeit  zu  Schul- 
den kommen  lassen,  nicht  einmal  den  Eusebios  genau  gelesen  zu 
haben,  welcher  wenige  Zeilen  weiter  unten  die  vielbesprochene 
Smyrnäerstelle  richtig  und  ausdrücklich  als  aus  dem  Smyrnäer- 
briefe geschöpft  anführt.  ')  —  Damit  aber  aller  Zweifel  daran 
schwinde,  wie  es  mit  der  Kenntniss  der  ignatianischen  Schriften 
bei  Hieronymus  stehe,  schiebt  er  sogar  an  einem  andern  Orte 
dem  Ignatios  einen  Ausspruch  unter,  der  aus  dem  Barnabas- 
briefe  entlehnt  ist.  ^)  Wahrlich  ein  Musterstückchen  von  Un- 
kenntniss  der  altkirchlichen  Liferatur,  welches  selbst  dem  blinde- 
sten Verehrer  der  Autorität  des  Hieronymus  in  solchen  Dingen 
die  Augen  öffnen  muss.  —  Hieraus  lässt  sich  schon  im  Voraus 
ermessen,  was  über  die  beiden  andern  Stellen  zu  urtheilen  sein 
wird,  in  welchen  er  auf  die  ignatianischen  Scbriftcn  Bezug  nimmt. 
Die  eine  derselben  steht  adv.  Helvid.  Vol.  11.  225  c  Vallars:  num- 
quid  non  possum  tibi  totam    veterum*  Scriptorum    seriem    commo- 


1)  Letzteren  wegen  der  unmittelbar  auf  die  oben  angeführte  Stelle  fol- 
genden Worte  oV  ola  S^  aTioaroXinov  ^vSqa  sv  fidXa  yvcDQil^oJv  ttjv  xar' 
^vrio%eiav  avrco  noiftvijv  eos  av  yvijatoe  tcal  ayad'de  noifiijv  na^arid's- 
rai ,  ii]v  negi  avTTjs  (pQOvrida  8ia  OTtovdfjs  e'xetv  avTOV  a^icSv.  Diese 
Worte  setzen  wenigstens  eine  Bekanntschaft  mit  dem  griechischen  Texte  des 
Briefes  an   Polykarp  voraus. 

T)  Die  dem  Hieronymus  eignen  W^orte  „in  qua  et  de  Evangelio  quod  nuper 
a  me  translatum  est  super  persona  Christi  ponit  testimonium"  beweisen  natür- 
lich gar  nichts  für  die  Annahme,  dass  seine  Kenntniss  der  durch  diese  Worte  ein- 
£deiteten  Smyrnäerstelle  auf  eigner  Leetüre  des  Ignatios  beruhe.  Er  fand 
«i^  in  jener  Stdjle  enthaltene  Citat  aus  dem  Nazarener  -  Evangelium  ,,  ecce 
palpate  me  et  vijaete  quia  non  sum  Daemoniuni  incorporale,"  welches  Eusebios 
in  den  ihm  bekannten  kanonischen  Evangelien  nicht  unterzubringen  wusste, 
eben  bei  Eusibios  vor,  und  die  von  ihm  kürzlich  verfasste  Uebersetzung  die- 
ses Evangeliums  machte  es  ihm  möglich  in  diesem  Punkte  besser  unterrichtet 
zu  sein  als  Eusebios,  welchen  Hergang  der  Sache  er  zum  Ueberflusse  durch 
seine  eignen  Worte  quod  nuper  a  me  translatum  est,  selbst  andeutet. 

3)  Adv.  Pelagianos  HI,  1.  Vol.  II,  p.  769  A.  Vallars.  Ignatius  vir  Apo- 
stolicus  et  Martyr  scribit  audacter :  „  elegit  Dominus  apostolos  qui  super 
onmes  homines  peccatores  erant."     Die  Stelle  steht  aber  Barn.  c.  5. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios.        1 9 

vere  [g-natiuin ,   Polycarpuin,  Irenaeum ,  Ju^itinuin  Märtyrern ,    mul- 
tosque  alios  apo^tolicos  et  eloquentes  viros  qui  adversus  Ebionem 
et    Tlieoilotum,    Byzantium,    Vai«ntinuin ,    liaec    eadem    seiitientes, 
plena  sapientiae  volumine  conscripserunt^    Zur  Kritik  dieser  Worte 
sei  bemeritt,   dass   Ebion  unter  allen   bier  aufgezäblten   Vätern    von 
keinem,   sondern  erst  von  Tertull.  praescr.  baer.  33,  erwäbnt  wird, 
dass   Tbeodot  erst  unter  Victor  (185 — 192),  also   lang-e  nacb  dem 
Tode  von  Ignatios,   Polykarp   und  Justin  nacb  Rom  kam,   dass  der 
wenigstens  später  als  Ignatios   lebende  Valentin  unter  den  genann- 
ten nur  von    dem    einzigen    Irenaeus    bekämpft    wird-i     Was    aber 
den  nüterwäbnten  Byzantium  betrifft,  so  bat  Hieronymus  aus  ünwis- 
senbeit  aus   einer  Person   zwei  gemacht.     Tbeodotos   nämlicji   mit 
dem    Beinamen     o     axvitig    war    aus    Byzanz :     Hieronymus    aber 
creirt  wie  Interpunction  und  Satzbau  lebren  statt  eines  Tbeodotus 
Bjzantius  einen  Tbeodotus  und  einen  Byzantius.     Wollte  jemand 
trotz  alledem  eine  wirkliebe   Bezugnahme   auf  Ignatios   in  den  an- 
g-egebenen   Worten  ßnden ,    und  sieb   auf  Stellen    der   weiteren 
Recension  wie  Pbilad.  6.,  wo   Ebion,  und  TralJ.  IL,  wo  Tbeodot 
genannt  wird,   berufen :  so  wäre  im  änssersten  Falle  soviel  erreicht, 
dass  man  bei   Hieronymus  die  Kenntniss    eines    nachweislich    ver- 
fälschten von  Anachronismen  der  stärksten  Art  wimmelnden  Tex- 
tes annehmen  müsüte,    was    also  die    hier   in    Betracht    kommende 
kritische     Frage    gar    nicht    berührte.      Aber    selbst     soviel    kann 
nicht    zugestanden    werden.      Denn    einmal    kann    die  Textgestalt, 
aus    der  jene  beiden  Stellen  geschöpft  sind,  nicht  wohl  älter  sein 
als  Hieronymus ,    und    die  Benutzung  wird  schon    darum    unwahr- 
scheinlich ;  sodann  aber  wäre   Hieronymus  dadurch   der  bei  weitem 
älteste    Zeuge    tiir    die    genannte    Textrecension,    noch    über   ein 
Jahrhundert  früher  selbst  als  Stephan  Gobaros :    solches  aber  aus 
den    vorliegenden    den     Stempel    der    Unkritik    tragenden    Worten 
schliessen  zu  wollen,    dürfte    doch    mehr   als  bedenklich  sein.  — 
In  der  zweiten  Stelle,  die  noch  zu  betrachten  ist  ^),  Hegt  ein  wirk- 
liches  Citat  aus  Ignatios  vor.      Die  Worte  lauten:     Martyr  Igna- 
tius  etiam  quartam  addidit  causam,  cur  u  desponsata  conccptus  sit. 
Ut  partus  inquiens  eius    celaretur    diabolo,    dum   eum 
putat  non  de  virgine  sed  de  uxore  generatum.     Vergleicht  man  in- 
dessen hiermit  die  oben  in  der  Note  mitgetbeilte  Stelle  des  falschen 
'Ibeophilos,    so    ist    die  Aehnlichkeit  so   überraschend,    dass    gar 
kein  Zweifel   übrig  bleiben  kann,  woher  Hieronymus  jene  Anspie- 
lung auf  Epb.   19.  entlehnt  habe.     Dass  die  Idee  der  dem    Teufel 
verborgen  gebliebenen  Geburt  Christi  von  einer  Jungfrau  von  Ignatios 
stamme,   musste  ihm    aus    Ori  genes    bekannt    sein,    da  er  eben 
jene  Homilie  zum   Lukas,  in    welcher    die    Worte    xul    ilad^e    rov 
uQXOvxa  Tot-  ahüvoQ  jovjov  tj  nug&tviu   Mayiug    als    ignatianisch 
citirt   sind,    ins    Lateinische    übersetzt    hatte;    dasM    er    aber    den 


1)  Gomm.  in  Matth.  Vol.  VII.  p.  12«.  Vullars. 


20       Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

Wortlaut  der  Stelle  eben  auch  nicht  weiter  kannte  als  er  durch 
Oriffenes  überliefert  war,  geht  daraus  hervor,  dass  er  die  Worte 
ut  partus  eius  etc.,  die  er  mit  geringen  Aenderungen  demTheo- 
philos  (vielleicht  aus  dem  Gedächtnisse)  nachschreibt,  für  des 
Ignatios  eigne  Worte  hält'),  üebrigens  bewiese  jenes 
Citat  nichts  für  den  kürzeren  griechischen  gegen  den  syrischen 
Text,  da  dieselben  Ausdrücke  auch  in  letzterem  sich  finden,  wie 
bereits  zu  Theophilos  und    Origenes  angemerkt  worden  ist. 

Anders,  aber  darum  nicht  besser,  steht  es  mit  einem  angeblichen 
Citate  des  Athanasios  aus  Eph.  7,  einem  bei  Syr.  fehlenden  Ab- 
schnitte. In  der  Epistola  de  Synodis  Arimini  et  Seleuciae  2)  werden 
die  Worte  elg  Iutqoq  ian  oaQxtxög  xai  nrevf.iuTixbg ,  yivr^jog  xal 
äyfvtjTogy  iv  avdQiono)  ^iof,  h  d^avurto  Cw^  dXrj&trrj ,  xal  ix 
Vllaglag  xal  fx  d^iov  ausdrücklich  angeführt  als  aus  Ignatios  ge- 
schöpft. Allein  der  ganze  Abschnitt,  in  welchem  das  Citat  sich 
findet,  erweist  sich  offenbar  als  ein  späteres  Einschiebsel.  Schon 
Montfaucon  ^)  hat  gezeigt,  dass  der  Abschnitt  Nuni.  30  ravia 
ygaxfjfxvrtg  iv  rfj  ^laavQia  —  Num.  32.  iHog  /titv  ovv  ol/Qi  jovtov 
q)&uauvTtg  nothwendig  später  sein  müsse  als  der  übrige  Brief, 
weil  in  jenem  der  Glaubensbekenntnisse  von  Konstantinopel  (360) 
und  Antiocheia,  sowie  des  Todes  des  Constantius  (f  361)  Er- 
wähnung geschehe,  der  übrige  Brief  aber  schon  zu  Ende  des  Jah- 
res 359  geschrieben  sein  müsse.  Dass  aber  unter  sobewandten 
Umständen  das  ganze  Einschiebsel  dennoch  vom  Athanasios  selbst 
später  hinzugefügt  worden  sei ,  ist  eine  eben  so  unerwiesene  als 
unwahrscheinliche  Behauptung  *). 

Wir  kommen  nun  zu  einer  Reihe  von  Citaten,  welche  ledig- 
lich aus  den  auch  in  der  syrischen  Recension  enthaltenen  Stellen 
entnommen  sind.  Wenig  Gewicht  legen  wir  hier  auf  das  eine 
Citat  bei  Basilios  dem  Grossen,  hom.  in  sanctam  Christi  gene- 
rationem  Opp.  Vol.  II.  p.  598  ed.  Benedict.  Es  ist  dies  nur  eine 
Anspielung  auf  die  vielgenannte  Stelle  Eph.  19,  eingeführt  mit 
den  Worten  HQ7]jat  de  twv  nuXaiwv  rnl  xu)  ixtgog  Xoyog,  also 
ohne  ausdrückliche  Nennung  des  Ignatios.  Die  Anführung  geschieht 
nur  in  indirecter  Rede  mit  folgenden  Worten :  out  vnfg  %ov  "kad^tiv 
%6v  a.QXOVTa  tov  alwvog  jovtov  ttjV  -nagdtviav  rijg  IVIaglag  ri  xov 
^T(jooi)(p  inevoTjd^fj  fiiTjania.  Die  Worte  geben  wenigstens  keinen 
Beweisgrund  für  Benutzung  des  kürzeren  griechischen  Textes  gegen 
den  syrischen,  vermögen  aber  freilich  auch  die  eigne  Bekanntschaft 


1)  Vgl.     hierüber   auch     Cureton,      Corpus     Ignatianum     introduction 
p.  LXVn  sq. 

2)  Opp.  Vol.  I.  pars  II.  p.  761  A.  Benedict. 

3)  In  seiner  Ausgabe  des  Athanasios  Vol.  I.  p.  714.  vgl.  auch  Cureton 
l.  c.  p.   LXVIII  sq. 

4)  Vgl.  dagegen  Cave,  Life  ot'  Eusebius  §.  XXII  und  Cure  ton,  l.  c. 


Lipsius     über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.       2  1 

des  ßasiliüs  mit  den  ig^riatiunischen  Schriften   nicht  mit  Bestimmtheit 
zu  bezeng-cn. 

Wichtig^er  sind  für  uns  die  durch  Johannes  Chrysosto- 
III  o  s  darg^ebotenen  Zeugnisse.  Zunächst  citirt  er  zwei  Stellen 
(lusdrückiich,  beide  enthalten  in  der  syrischen  Recension.  Die 
eine  findet  sich  in  der  homilia  de  leg-islatore,  Opp.  Vol.  VI. 
p.  410.  C  ed.  Benedict.:  dtd  tnvjo  ytvvaiog  ng  twv  ag/aicov, 
'lyvuTtog  de  r^v  üvo(.ia  avxM'  oviog  Uqoovvt]  yja  f.iuQXVQiM  dia- 
ngirpug ,  enia%i\hov  tiv\  ifQH  iltyi*  ^^IMriölv  uvev  yvo'ifirjg  aov 
yiviG&co,  f.ir]de  ad  lirtv  yvwf^rjg  dtov  ii  nguTTt.^^  Die  Worte 
stehn  Polyk.  c.  4.,  und  (inden  sich  wörtlich  so  auch  beim  Syrer. 
Namentlich  ist  die  Wiederholung^  von  yvMf.itjg  zu  beachten,  in  wel- 
cher Chrys.  mit  Syr.  gegen  die  Handschriften  des  gewöhnlichen 
Textes  stimmt.  Ebenso  sind  in  seiner  dem  Ignatios  besonders 
gewidmeten  Homilie,  Opp.  Vol.  11.  p.  592  die  Worte  citirt  iyco 
jwv  &rjQiwv  fy.HVMv  dvui^irjVj  wie  es  scheint  aus  dem  Gedächtnisse, 
vgl.  weiter  unten  die  nochmalige  Wiederholung  dieser  Worte:  dtu 
xoiTO  t(x)v  &r]guov,  l'Xaytv,  ovui^itjv.  Sie  stehn  Rom.  5.,  und  lauten 
in  der  syrischen  wie  in  den  beiden  griechischen  Recensionen  über- 
einstimmend :  üvaif^ifjv  Twv  S^tioImv  tmv  ifiol  Tjjot^un^ihiov.  Hierzu 
kommen  über  noch  mehre  in  seiner  homilia  in  S.  Ignatium  ent- 
haltenen Anspielungen  auf  die  Briefe  des  Ignatios,  welche 
säinmtlich  unserm  syrischen  Texte  entsprechen.  Herr  Denzinger*) 
will  dies  freilich  nicht  zugeben  und  behauptet  von  einer  Stelle 
„eine  wörtliche  Uebereinstimmung  mit  einem  dem  Mediceischen 
RömerbrieFe  eigenthümlichen  Schriftcitat "  '^).  Allein  diese  An- 
spielung ist  eben  nicht  wörtlich,  wie  ein  einziger  Blick  auf  die 
fragliche  Stelle  lehren  kann.  Richtig  ist,  dass  es  dem  Chryso- 
stomos  darum  zu  thun  ist,  in  der  Geringschätzung  des  Sichtbaren 
und  dem  Streben  nach  dem  Unsichtbaren  einen  ganz  eigenthüm- 
lichen Charakterzug  des  Ignatios  zu  malen.  Allein  eben  auch  die 
Art  und  Weise,  wie  er  beide  Male  hierauf  zu  sprechen  kommt, 
beweist,  dass  es  gar  nicht  seine  Absicht  war,  wörtlich  zu  citiren. 
Man  vergleiche  die  Worte  intOTT]  ndXtv  xixiQog  uvögdav  intll,7]iwvy 
yMi  \pvx,t]v' Twv  nuQovKov  VTiiQogioaav  unuvTiov ,  xal  Tip  d^tiM 
L,wvnuv  iQMTi ,  xui  TU  jLirj  ß'ktnof.itva  T(7)v  OQW(.iivcov  ngoTif-iovauv, 
Desgl.  weiter  unten :  . . .  diödanakog  dnriH  d^uvftuoiog,  nti&wv  x«~ 
TUffgovttv  TTJg  nagovarjg  Cwijg,  xal  f.i7]div  rjynad'ai  t«  ßXin6f.uva, 
xal  T(ov  (.uXkovTiov  igäi'',  xal  ngog  tov  ovgavov  ßXfniiv ,  xal  ngbg 
f-iridh  TMv  iv  T(p  naguvTi  ßiu)  ötivMV  fnioTgt(ptod^at.  Woher  aber 
Chrysostomos  die  betreffenden  Gedanken  entlehnt  habe,  kann  er- 
rathen    werden    aus    dem    unmittelbar   auf   die    zuletzt   angeführte 


1)  über   die    Aechlheit   des   bisherigen    Textes    der   igiialiuiiiseken    briel'e 
p.  90  f. 

2)  es    sollen   die   Worte    sein    Uöin.    3 :    ra  yd^  ßkenofieva  nqoixaiQa, 
T(t   Öe  jurf  ßXenöfABra  aiiövia. 


22       IdpsiuSf  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

Stelle  folgenden :  tovzo  yoQ  xul  tu  tovtmv  nUiova  diu  twv  i'gywv 
avzovg  natöivMv  üöevi^  xu&a.7ie()  r/XtSg  rig  l^  dvuToXrjg  aviaywVj 
xal  ngoQ  irjv  övaiv  TQt/m;  f.iu'k'Kov  da  xai  tovtov  (fuidgojtgog  ... 
ovTog  {^TyvaTiog)  de  tig  rä  rrjg  Sv(n(x)g  ant)Mwv  (nagrj ,  (fuiögo- 
regog  ixiTS^fv  ävlrtiXtv,  Also  die  Gedanken  sind  entnommen  aus 
Steilen  wie  xa'Kov  zb  övvai  anb  xoofiov  ngog  d^thv,  Iva  etg  uvzov 
flvazeiXto  c.  3  ovSiv  (fan'Ofiei  ov  ^  uyu&ov  c.  4.  etc.  Hiermit  rei- 
chen wir  aber  vollständig  auSy^  und  nichts  zwingt  uns,  eine  Be- 
rufung auf  jene  Worte  des  Mediceisclien  Textes  anzunehmen. 
Oder  soll  das  Zwingende  durin  liegen ,  dass  beide  Male  unter 
ganz  verschiedenartigen  Wendungen  der  Ausdruck  za  ßXtnofievu 
vorkommt?  Fast  möchte  man  versucht  sein,  dies  als  den  eigent- 
lichen Nerv  der  D  en  z  i  n  ger'schen  Beweisführung  anzusehn  : 
Herr  Denzinger  behauptet  ja  eine  wörtliche  üebereinstimmung, 
8Xen6fj.iva  aber  ist  das  einzige  Wort,  was  den  verglichenen  Stel- 
len gemeinsam  ist,  denn  grade  die  Stichwörter  jenes  Schriftcitats, 
nQogxfxiQu  und  aicüvia  fehlen  gänzlich.  Doch  wäre  eine  solche 
Argumentation  doch  gar  zu  naiv,  als  dass  wir  im  Ernste  glauben 
könnten,,  Herr  Denzinger  habe  sich  ihrer  bedienen  wollen. 
Schliesslich  können  wir  ein  eigenthümliches  Misgeschick  nicht 
unerwähnt  lassen,  welches  Herrn  Denzinger  mit  unsrer  Stelle 
begegnet  ist.  Er  vindicirt  uämlich  dem  Chrysostomos  eine  Stelle, 
die  wenn  irgend  von  Kritik  noch  die  Rede  sein  soll ,  als  inter- 
polirt  sich  nachweisen  lässt  —  eine  Stelle,  die  nicht  einmal  in 
dem  grösseren  Theile  der  Handschriften  stand,  welche  den  kür- 
zeren griechischen  Text  repräsentiren.  Sollte  es  daher  auch  ge- 
lingen,  die  „wörtliche  üebereinstimmung"  der  fraglichen  Stelle 
mit  Chrysostomos  über  allen  Zweifel  zu  erheben,  so  wäre  mit 
aller  Mühe  nichts  weiter  bewiesen  als  dieses,  —  dass  Chrysosto- 
mos nicht  etwa  den  älteren  griechischen,  sondern  einen  nachweis- 
lich interpolirten  und  secundären  Text  vor  sich  gehabt,  dass  die 
betreffende  Stelle  also  grade  das  nicht  beweisen  kann,  was  Herr 
Denzinger  beweisen  will  *).  —  Dagegen  sind  nun  die  übrigen 
Anspielungen  auf  die  Ignatiosbriefe,  welche  sich  in  jener  Homilie 
auf  Ignatios  finden  ,^  ganz  unzweifelhaft  nur  aus  Stellen  entlehnt, 
welche  auch  in  unserm  syrischen  Texte  sich  finden.  So  die  schon 
vorhin  benutzte  Anspielung  auf  Rom.  2 :  ,  .  .  dg  dvaiv  ano  äva- 
roXrig  f.uzantfA.ipa^trog.  KuXdv  zo  dvvai  anb  xöa^ov  ngog  &ebv, 
Vva  iig  avzbv  avazdXwy  womit  man  die  oben. ausgezogenen  Worte 
der  Homilre  nochmals  vergleichen  möge.  Die  g^anze  Vergleichung 
des  Ignatios  mit  der  Sonne  (welche  übrigens  noch  viel  weiter 
ausgesponnen  wird) ,  ist  jener  Römerstelle  nachgebildet,  ja  selbst 


1)  Hierzu  kommt  (beiläufig  bemerkt),  dass  die  angeblich  benutzten  Worte 
ia  yaq  ßkenofieva  TiQogxaiQa ,  rä  de  /ufj  ßlenofi-eva  aicovia  selbst,  wenr> 
sie  ursprünglich  im  griechischen  Texte  gestanden  iMtten ,  gar ,  nicht  einmal 
eigne  Worte  des  Ignatios  sind,  sondern  ein  Citat  aus  2  Kor.  IV,  18. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios,       23 

die  SticLwörter  övöig  y  arwroX^,  ULVUTeXXtiv  finden  wir  sämintlich 
bei  Clirysostomos  wieder.  Eine  andre  Stelle  ist  ebenfalls  scbon 
oben  benutzt  worden,  jto  d^tiu)  teovoav  l'gwTt,  ein  präg^nanter  Aus- 
druck der  offenbar  in  Rom.  7 :  6  if,i6g  iQwg  fOTuvganut  seine 
Quelle  hat.  Ferner  fiig-e  man  hinzu  folgende  bildliche  Wenduftg: 
ügneg  ovv  xvßegv/iTTjv  ^uv^iutoiAtv ,  ovy^  otuv  tjov/al^ovaijg  jijg 
d-uX(Aiirjg  xul  i'^  ovgiwv  %r,g  vr^og  qeQOf.ifvrjg  dvvfjd^fj  joig  ^inXfov- 
xag  ötaawout,  uXV  oxav  (.iaivof.dvXiv  tov  ntXuyovc,  dtavioTaf-ificov 
iMV  y.v(.iuT(x}v  avxwv  toJ»'  l'vdov  inißanov  OTaaiai^ovitov ,  no)ilov 
yu(.i(7)vog  l'awd^tv  T^w^fv  jovg  ffinXtovxag  noXtoQy.ovvrogy  dvvrjd-fj 
xatfvdvvui  To  axücpog  /ntju  uacfaKtlug  anuai^g '  ovtü)  xai  rovg 
Tore  Ttjv  ixxlr^oiav  iy/etgta&trzug  ixnXrjJTtad^ui  /qt]  xai  d^av^al^HV 
noXX(p  nXfov  tcov  vvv  olxovof.iovvTiov  avT7,v ,  oTt  noXvg  o  noXifxog 
i%wdtv  taiad^tv.  Diese  ganze  Stelle  ist  wiederum  offenbar  Nach- 
bildung von  Polyk.  2:  e  xaigög  änatxtT  aa,  rog  xvßegvTjiai  uva- 
(.lovg ,  xai  w?  yei(,i(iL.6(.uvog  Xif.ifvu,  Von  einer  Anspielung  endlich 
auf  die  Worte  Rom.  9.  ol  yag  ngootjyovaat  tjj  odco  tf,  xaxa  adgxa 
haben  wir  in  der  mehrgedachten  Abhandlung  in  Niedners  Zeit- 
schrift S.  150  f.  ausführlicher  gehandelt.  Die  Anspielung  ist 
darum  wichtig ,  weil  sie  für  die  Weglassung  des  /^r/  vor  ngoari' 
xovaai  in  Uebereinstimmung  mit  dem  syrischen  Texte  (cod.  ß^) 
Zeugniss   abzulegen  scheint. 

Dem  Chrysostomos  reihen  wir  noch  einen  andern  Gewährs- 
mann an  5  von  dem  Herr  Denzinger  freilich  keine  Notiz  ge- 
nommen hat :  den  Johannes  Monachos,  einen  syrischen  Schrift- 
steller aus  der  zweiten  Hälfte  des  4ten  Jahrhunderts  ^).  Von  ihm 
haben  wir  einen  Brief  an  die  Mönche  Eutropios  und  Euse- 
bios  2),  in  welchem  eine  Reihe  von  Citaten  aus  dem  Römerbriefe 
des  Ignatios  aufgenommen  sind.  Zuerst  das  Hauptcitat  Rom.  2: 
idv  ydg  oiwmJGijxe  an*  i/uov y  iyco  ytv^ao/Liai  Xoyog  d'tov'  iuv  öi 
fguöd^TJxe  xijg  ougy.og  i.iov ,  nuXiv  l'aofiai  cfMvrj  (^/w),  eine  Stelle 
die  Gelegenheit  gibt  zu  einem  längeren  exegetisch -dogmatischen 
Excurs  über  den  Sinn  des  Gegensatzes  zwischen  Xoyog  und  (fMvri. 
Ferner  aus  demselben  2.  C  a  p. :  y.aXov  xo  övvai  dno  x6of.iov  ngoQ 
&tdv,  7vu  tig  avxov  uvaxtiXo)  iv  fcu/J'.  Nicht  minder  C.  3:  tot« 
i'ao^ai  niaxog  oxav  xoafAW  f^tj  (f)uivw(.iat.  Endlich  C.  5:  ^irjdiv 
(.u  l^TjXwaj]  xwv  bguxbjv  xai  xwv  uoguxcov.  Alle  diese  Stellen 
finden  sich  ebenfalls  in  der  syrischen  Recension,  und  in  dem  ganzen 
Briefe  ist  keine  vSpur  von  einer  Kenntniss  der  7  Briefe  oder  der 
beim  Syrer  fehlenden  Abschnitte  der  3.,  obwol  Johannes  mehre 
Briefe    des    Ignatios    kennt,    wie    seine    Worte    lehren:    qui    cum 


1)  Vgl.    über    ihn     Cureton     l.    c.     ( notes    on    the    Syriac    extracts) 
p.  350  ff. 

.  2)  Bei  Cureton  l.  c.  p.  205  —  207. 


24        Lipsius  ,  über  den  syrischen  Texi  der  Briefe  des  Ignalios. 

ascenderet  Romam  in  testimonio  Christi ,  scripsit  epistolas  ad  ce- 
lebres  (certas)  civitates  »). 

Das  Resultat  unserer  Untersuchung-  ist  demnach  allerdings 
dieses,  welches  wir  schon  oben  hingestellt  haben,  dass  vor  Eu- 
seHios  niemand,  nach  Eusebios  aber  erst  Theodoret  die  4 
beim  Syrer  nicht  enthaltenen  Briefe  kennt;  ebenso  dass  keine  Spur 
der  beim  Syrer  nicht  enthaltenen  Abschnitte  der  3  andern  Briefe 
in  die  Zeit  vor  Eusebios  hinabrtiicht,  späterhin  aber  ebenfalls  erst 
Theodoret  sichere  Zeugnisse  für  seine  Benutzung  dieser  Ab- 
schnitte darbietet,  höchstens  mit  Ausnahme  jenes  Einschiebsels  bei 
Athanasios ,  dessen  früheres  Datum  zwar  nicht  grade  unmöglich, 
aber  durch  gar  nichts  erwiesen  ist  ').  Dagegen  werden  die  Briefe 
an  die  Römer,  Epheser  und  an  Polykarp,  und  zwar  lauter  Stellen 
derselben,  die  auch  in  der  syrischen  Recension  sich  iindeu,  bei 
Eirenaeos,  Theophilos  (oder  Pseudo  -  Theophilos),  0  r  i  g-  e- 
nes,  Basilios,  Johannes  Chrysosto  mos  und  Johannes 
Monachos  theils  citirt  theils  vorausgesetzt;  der  Epheserbrief  3 
mal ,  der  Brief  an   Polykarp   2  mal ,  der  Römerbrief  10  mal. 

Man  entgegnet,  dies  könnte  Zufall  sein  ^).  Ein  vortreff- 
licher Erklärungsgrund ,  der  zu  gut  Deutsch  nichts  als  das  still- 
schweigende Geständniss  ist,  dass  man  vom  gegnerischen  Stand- 
punkte eben  keine  Erklärung  für  die  auffallende  Erscheinung  weiss. 

Denzing-er  verlangt  nun  freilich  positive  Beweisgründe 
für  den  Cureton'schen  Syrer,  Stellen  in  der  kürzeren  Gestalt  des 


1)  Syrisch  (A^'Jt.j  f  A '  «|SS*^  (von  Cureton  übersetzt  „to  certnin 
cities"  p.  240). 

2)  Beiläufig  sei  bemerkt ,  dass  selbst  E  u  s  e  b  i  o  s  zwar  ein  vollgiltiger 
Zeuge  für  das  Vorhandensein  von  7  Briefen ,  insbesondre  des  Suiyrnäerbriefs 
in  der  kürzeren  griechischen  Gestalt,  nicht  aber  so  ohne  Weiteres  ein  Zeuge 
für  das  Vorhandensein  der  im  syrischen  Texte  fehlenden  Stellen  der  3  auch 
dem  Syrer  gemeinsamen  Briefe  ist.  Denn  die  einzige  Stelle ,  die  hier  in  Be- 
tracht kommen  könnte,  Eph.  19,  ist  zwar  in  der  Hauptsache  übereinstimmend 
mit  dem  griechischen  Texte  citirt ,  und  fügt  insbesondre  den  Tod  Christi  zur 
Jungfrauschaft  der  Maria  und  der  Geburt  Christi  hinzu;  allein  eben  dieser 
Zusatz  scheint  ein  ziemlich  alter  zu  sein ,  und  findet  sich ,  obwol  nachweislich 
unächt,  schon  in  einem  Codex  des  syrischen  Textes.  Zudem  wird  weiter  unten 
gezeigt  werden,  dass  wenigstens  der  hergebrachte  griechische  aus  dem  Codex 
Colbertinus  geschöpfte  Text  seinen  Citaten  aus  dem  Römerbrief  nicht  zu  Grunde 
gelegen  haben  kann.  Indessen  wollen  wir  die  Möglichkeit,  dass  Eusebios  in  der 
Hauptsache  den  gegenwärtigen  kürzeren  griechischen  Text,  insbesondre  des 
Codex  Mediceus  vor  sich  gehabt,  nicht  bestreiten,  nur  möge  man  darauf  verzich- 
ten etwas  als  Beweisgrund  anzuführen,  was  noch  gar  nicht  so  ausgemacht  ist. 

3)  Hierauf  und  auf  nichts  anderes  kommen  auch  die  Einwendungen  hinaus, 
welche  [Jhlhorn  in  seiner  Recension  a.  a.  0.  S.  1516  f.  gegen  unsre  frühere 
Darlegung  (Niedners  Zeitschrift  1856,  1.  S.  11)  erhoben  hat.     Alle  von  uns 

^  angeführten  Zeugnisse  sollen  ,,  durchaus  keine  entscheidende  Kraft"  besitzen, 
,,da  sie  Stellen  betreffen,  die  in  beiden  Recensionen  gleichlautend  vorkommen." 
Aber  woher  kommt  es  denn  eben,  dass  sich  in  den  angeführten  Zeugnissen 
durchaus  kein  Citat  eines  der  griechischen  Recension  A  eigenthümlichen  Briefes 
oder  Briefabschnittes  entdecken  lassen  will? 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.        25 

syrischen  Textes.  Die  Forderung  scheint  auf  den  ersten  Anblick 
ganz  natürlich  und  berechtigt  zu  sein.  Finden  sich  Stellen  in 
irgend  einem  patristischen  Citate,  die  dem  Syrer  eigenthümlich 
sind,  so  ist  freilich  der  Beweis  für  die  Benutzung  dieser  Text- 
gestalt über  allen  Zweifel  erhoben.  Indessen  müssen  wir  Herrn 
Denzinger  denn  doch  bitten  uns  vorerst  darüber  zu  belehren, 
wie  ein  solcher  Beweis  überhaupt  möglich  sein  soll.  Unseres 
Wissens  giebt  es  in  allen  3  Briefen,  die  der  Syrer  kennt,  auch 
nicht  einen  einzigen  grösseren  Passus,  der  dem  Syrer  eigenthüm- 
lich wäre.  Wir  vermögen  daher  auch  nicht  die  Möglichkeit  ab- 
zusehen, wie  die  Väter  einen  solchen  hätten  citiren  können.  Der 
wesentliche  Unterschied  besteht  eben  in  seiner  kürzeren  Textge- 
stalt, d.  h.  darin,  dass  der  Syrer  eine  Menge  von  Abschnitten  der 
3  Briefe  nicht  kennt,  die  sich  in  der  kürzern  griechischen  Recen- 
sion  finden.  Und  eben  mit  Bezugnahme  hierauf  haben  wir  die 
Thatsache  festzustellen  gesucht,  dass  von  allen  den  Abschnitten 
und  Briefen,  die  der  Syrer  nicht  kennt,  vor  Theodoret  nur  bei 
dem  einzigen  Eusebios  eine  sichere  Spur  vorhanden  ist,  während 
für  die  übrigen  15  (oder  wenn  man  Pseudo-Theophilos  abrechnen 
will  14)   Citate  und  Anspielungen  sprechen. 

Doch  vielleicht  soll  der  positiye  Beweis  dadurch  geführt  wer- 
den, dass  kleinere  Zusätze  des  Syrers  von  ein,  zwei  bis  drei  Worten 
durch  anderweitige  Zeugnisse  belegt  werden.  Allerdings  sind  diese 
Zusätze  sparsam  genug  (alle  drei  syrischen  Briefe  zusammen  weisen 
deren,  abgesehn  von  beigefügten  Partikeln  und  dem  fast  constan- 

ten  Zusätze  v|^ »  o  xtgiog  rijuwv,  zu  dem  Namen  Christi,  5  oder 
6  auf),  und  wir  wären  vielleicht,  wenn  wir  dergleichen  nicht 
vorfänden,  weit  eher  berechtigt,  auf  den  Zufall  zu  recurriren. 
Trotzdem  sind  wir  im  Stande,  auch  diesen  Beweis  zu  führen. 
.Johannes  M  o  n  a  c  h  o  s  setzt  in  seinen  vier  Citaten  aus  dem 
Römerbriefe  nicht  nur  buchstäblich  denselben  Text  mit  unserm 
Syrer  voraus ,  sondern  fügt  auch  übereinstimmend  mit  demselben 
gegen  alle  griechischen    und    lateinischen  Codices    zu  dem   Citate 

aus  Rom.  2  xaXov  ro  dvvai  —  uvaTtiXü)  hinzu  U>j.o  iv  ^ayrj  »). 
Ebenso  scheint,  wie  bereits  bemerkt,  Johannes  Chrysostomos 
in  seiner  Anspielung  auf  Rom.  9  denselben  Text,  den  der  Syrer  über- 
setzte, vor  Augen  gehabt,  und  nicht  ol  yci^  f.ir}  nQOürjxovaui,  sondern 
OL  yuiQ  ngoo^xovoui  gelesen  zu  haben ,  obwol  dieses  ^irj  sogar  in 
spätere  Handschriften  des  syrischen  Textes  selbst  eingedrungen  ist. 
Doch  wir  geben  zu,  dass  dieses  Zeugniss  nicht  völlig  sicher  ist, 


IX. Nur  Id  dem  syrischen  Texte  des  Martyriums  (hei  Cuietoii  8.  225) 
und  in  der  von  Cureton  S.  291  angeführten  alten  laleinisehen  Version  findet 
sich  dieser  Zusatz  noch :  aber  der  im  syrischen  Martyrium  enthaltene  Text 
des  Hönierbriels  kann  von  Johannes  nicht  benutzt  worden  sein ,  da  er  von 
unserm  syrisclwu  Texte  völlig  abweicht. 


26       Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  lynalios. 

und  fiiffen  schliesslich  nur  die  vorläufige  Bemerkung  hei,  dass  die 
armenische  Version  und  eine  Anzalil  syrischer  Fragmente ,  welche 
die  Zusätze  des  griechischen  Textes  gegen  den  Syrer  hezeugen, 
dennoch  in  den  meisten  jener  dem  Syrer  gegen  den  griechischen 
Text  eigcnthümlichen  Zusätze  mit  dem  Syrer  zusammengehn.  Es 
wird  dies  später,  wenn  wir  von  den  verschiedenen  Handschriften- 
familien  handeln ,  ausführlicher  nachgewiesen  werden. 

Fassen  wir  nun  das  Ergehnis  der  bisherigen  Untersuchung 
nochmals  zusammen,  so  ist  es  kein  andres  als  dieses :  Der  kürzere 
griechische  Text  ist  vorhanden  schon  zur  Zeit  des  Eusehios,  eine 
weitere  und  allgemeine  Verbreitung  aber  hat  er  nachweislich  erst 
zu  Theodorets  Zeiten  erlangt.  Dagegen  gehn  die  Zeugnisse  für 
Stellen ,  die  der  kürzere  griechische  Text  mit  dem  vSyrer  gemein 
hat,  bis  herauf  zu  Eirenaeos  ins  2te  Jahrhundert;  und  wenig- 
stens Ein  sicheres  Zeugnis  für  einen  eigenthümlichen  Zusatz  des 
Syrers  wird  von  einem  wenige  Jahrzehnte  nach  Eusehios  lebenden 
Schriftsteller  dargeboten. 


2,   Das  Älter  der  Handschriften  der  syrischen  Recension, 

Ein  Hauptargument,  welches  Denzinger  noch  gegen  die 
äussere  Bezeugung  des  syrischen  Textes  vorbringt,  ist  dieses, 
dass  die  Syrer  selbst  keine  Kunde  von  demselben  gehabt,  dass 
vielmehr  die  syrischen  Fragmente  und  Citate  sämmtlich  den  Me- 
diceischen  Text  voraussetzen.  Das  ist  nun  wiederum  gleich 
von  Vornherein  dahin  einzuschränken,  dass  gerade  der  älteste 
syrische  Schriftsteller,  der  den  Ignatios  benutzt^  Johannes 
Monachos  nicht  nur  kein  Zeuge  wider,  sondern  umgekehrt  ein 
Zeuge  für  den  syrischen  Text  in  der  durch  Curetou  vorliegenden 
Gestalt  ist.  Dagegen  sind  die  nächstältesten  syrischen  Citate, 
deren  Alter  von  Vornherein  feststeht,  die  des  Timotheos  von  Ale- 
xandrien  und  des  Severus  von  Antiochien,  erstere  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  5.,  letztere  aus  dem  6.  Jahrhunderte,  also  bereits  aus 
der  monophysitischen  Zeit;  dies  aber  ist  für  uns  gar  nichts  auf- 
fälliges, da  wir  die  weitere  Verbreitung  des  kürzern  griechischen 
Textes  eben  vom  Beginne  der  physiologischen  Streitigkeiten  da- 
datirt  haben. 

um  aber  zu  einem  genaueren  ürtheile  zu  gelangen,  drängt 
sich  uns  die  Frage  nach  den  handschriftlich  bezeugten  Ueber- 
setzungen  des  Ignatios  auf,  welche  überhaupt  in  syrischer  Sprache 
existiren. 

Hier  begegnen  wir  zunächst  einer  Sammlung  auserwählter 
Sentenzen  aus  den  Briefen  des  Ignatios,  mit  kanonischer  Kraft, 
wie  die  Ueberschrift  besagt.  Sie  ist  abgedruckt  bei  Cureton  im 
Corpus  Ignatium  p.  197 — 201,  und  ist  unter  der  Rubrik  „extracts 


Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignaiios.       27 

from  the  Ig'iiatiuii  epistles "  mit  X.  1  bezeichnet.  Diese  Samm- 
lung enthält  Bruchstücke  aus  allen  7  Brieten  der  kürzeren  Recen- 
sion,  und  setzt  in  den  hei  unserm  Syrer  feiilenden  Stücken  einen 
mit  der  von  üsher  herausgegebenen  lateinischen  üebersetzung 
verwandten  Text  voraus.  Dagegen  stimmen  die  auch  beim  Syrer 
vorhandenen  Stücke  so  wörtlich  mit  demselben  überein,  dass  beide 
aus  einer  gemeinsamen  Quelle  geflossen  sein  müssen.  Betrachten 
wir  nun  das  Manuscript,  von  welchem  diese  Sammlung  entlehnt 
ist,  etwas  näher.  Es  befindet  sich'  in  der  kaiserlichen  Biblio- 
thek zu  Paris;  eine  ausführliche  Beschreibung  desse  beu  hat 
Munk  für  Cure  ton  besorgt,  welche  letzterer  im  Corpus  Igna- 
tianum  p.  342  —  344  abgedruckt  hat,  und  der  wir  folgendes  ent- 
lehnen: „manuscrit  Syriaque  du  fonds  de  St.  Germain  des  Pres. 
Nr.  38.  Recueil  de  Canons  d'un  grand  nombre  de  conciles  et 
des  pieces  y  relatives :  petit  in-fol.,  sur  parchemin,  284  feuillets. 
Ce  manuscrit,  qui  a  appartenu  a  Renaudot,  a  ete  legue  par  lui 
a  l'abbaye  de  St.  Germain  des  Pres,  dont  la  Bibliotheque  a  l'epoque 
de  la  premiere  revolution  fut  reunie  a  la  Bibliotheque  nationale. 
Le  manuscrit,  ecrit  en  caracteres  Chald.  ou  Estranghelo ,  parait 
etre  tres-ancien,  mais  comme  il  manque  quelques  feuillets  a  la 
fin,  la  date,  qui  s'y  trouvait  probablement,  a  disparu.  Selon  une 
note  qu'on  trouve  a  la  (in  de  la  1"^^'^  piece  (fol.  85  verso)  le  vo- 
lume  a  ete  vendu  l'an  1812  des  Seleucides  (1501)."  Die  Samm- 
lung enthält  48  Nummern,  darunter  die  Constitutiones  et  Canones 
Apostolorum,  sowie  Synodalcanones  von  der  3.  Synode  zu  Karthago 
an  (258)  bis  zum  Concil  zu  Chalcedon  (451),  dazu  eine  grössere 
Anzahl  von  Briefen  und  Briefextracten  angesehner  Väter,  Athana- 
sios,  Basilios,  Gregor  von  Nyssa,  des  Papstes  Cölestin,  des  Ky- 
rill  von  Alexandrien,  sowie  der  monophysitischen  Bischöfe  Timo- 
theos  von  Alexandrien,  Severus  von  Antiochien  u.  s.  w.  In  dieser 
Sammlung  nehmen  nun  die  Stellen  aus  den  ignatianischen  Briefen 
die  17.  Nummer  ein.  Unter  Nr.  15.  erscheinen  die  Acten  des  3. 
Concils  zu  Karthago ,  voran  die  epistola  synodica  an  die  Bi- 
schöfe Numidiens,  und  zwei  Briefe  des  Cyprian  an  Quintus  und 
Fidus.  Unter  Nr.  16:  16  canones,  ausgezogen  aus  einem  von  Italien 
an  die  orientalischen  Bischöfe  geschickten  Briefe.  Unter  Nr.  17. 
folgen  nun  die  Auszüge  aus  Ignatios;  Nr.  18  aber  enthält  einen 
Brief  Peters  des  Märtyrers  von  Alexandrien,  welcher  bekanntlich 
311  starb.  Es  stehn  sonach  die  Auszüge  aus  Ignatios  noch  un- 
ter den  ältesten  Bestandtheilen  der  Sammlung,  doch  ist  darauf 
nicht  viel  zu  geben ,  da  von  chronologischer  Ordnung  hier  nicht 
sehr  die  Rede  ist.  So  kommt  unter  Nr.  19.  unmittelbar  hinter 
dem  Briefe  Peter  des  Märtyrers,  ein  von  Timotheos  von  Alexan- 
drien herrührender  Abschnitt  (Mitte  des  5.  Jahrh.)  und  gleich 
darauf  kommen  wieder  die  Canones  und  das  Glaubensbekenntniss 
von  Sardika  (347  nach  der  gewöhnlichen  Zeitrechnung).  Ebenso 
gehn  deu  Cuuunes  von  Karthago,  den  ältesten  der  Sammlung  un- 


28        Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios. 

mittelbar  unter  Nr.    13.   und    14.   die  Canones  und  das  Symbol  von 
Constantinopel  (381)  und  zwei   Canones  von  Ephesos  (431)  vorher. 

Wann  die  betreifende  Sammlung  abgeschlossen  worden  sei, 
kann  ziemlich  genau  bestimmt  werden.  Dem  mehrgenannten  Ab- 
schnitte Nr.  15.  (Canones  von  Karthago  u.  s.  w.)  ist  nämlich  eine 
Notiz  beigefügt,  nach  welcher  diese  Actenstücke  zuerst  aus  dem 
Lateinisclien  ins  Griechische ,  sodann  aber  aus  dem  Griechischen 
ins  Syrische  übersetzt  worden  sind ,  letzteres  im  Jahre  998  der 
Seleuciden,  ti87  nach  unserer  Zeitrechnung. 

Hiermit  stimmt  nuu  das  Datum  der  beiden  letzten  Stücke  der 
Sammlung,  Nr.  47.  eines  Briefes  des  Patriarchen  Athanasios  995 
der  Seleuciden,  684  n.  Chr.  i)j  und  Nr.  48.  einer  Anzahl  von 
Fragen  eines  Priesters  Ädi  an  Jakob  von  Edessa  und  der  Ant- 
worten desselben  vom  Jahre  998  der  Seleuciden,  oder  687  unserer 
Zeitrechnung.  Aus  diesen  Daten  ergiebt  sich,  dass  die  Zusam- 
menstellung und  der  Abschluss  der  Sammlung  nicht  vor  dem  Jahre 
687  n.  Chr.  statt  gefunden  haben  kann.  Cure  ton  meint  nun, 
dass  die  ganze  Sammlung  aus  dem  Griechischen  ins  Syrische 
übersetzt  worden  sei,  mithin  auch  die  Uebersetzung  der  ignatia- 
nischen  Abschnitte  nicht  vor  das  Jahr  687  zurückverlegt  werden 
dürfe  ^).  Dem  müssen  wir  jedoch  entgegentreten.  Denn  es  be- 
ünden  sich  in  unserer  Sammlung  eine  Reihe  von  Stücken,  die  nach- 
weislich syrischen  Ursprungs  sind.  So  sicher  Nr.  31 :  „Glaubens- 
bekenntnis und  Auswahl  von  Canones  der  Synode  der  persischen 
Bischöfe,  welche  zu  Seleukeia  und  Ktesiphon  versammelt  waren, 
im  Uten  Jahre  von  Jezdegerd ,  des  Sohnes  Sapor,  nach  der  Ge- 
sandtschaft von  Marontha,  Bischofs  von  Mifarakt  oder  Miafarkin." 
Der  König  Jezdegerd  ist  unstreitig  Jezdegerd  I.  (400  —  421); 
der  Bischof  Marontha  von  Mifarakt  oder  Miafarkin  aber  ist  Ma- 
ruthas,  Bischof  von  Tagrit  in  Mesopotamien,  welche  Stadt  auch 
Maifarkin,  Martyropolis  hiess  (vgl.  Assemani  B.  0.  Th.  I.  vS.  174). 
Das  Actenstück  gehört  also  dem  Jahre  411  an,  und  ist  der  muth- 
masslich  älteste  ursprünglich  syrische  Theil  der  Sammlung.  Aus- 
serdem waren  ursprünglich  Syrisch  geschrieben  die  verschiedenen 
Sentenzen  ,  welche  aus  den  Schriften  des  Philoxenos  von  Maboug 
oder  Hieropolis  (im  Anfange  des  6.  Jahrh.)  gezogen  waren.  Sie 
stehen  Nr.  27.  zugleich  mit  ähnlichen  Sentenzen  griechischer  und 
lateinischer  Väter  (Basilius  Magnus,  Gregorius  Theologus,  Papst 
Damasus).  Muthmasslich  dasselbe  gilt  von  Nr.  29:  87  Canones 
des  bekannten   Mar  Rabulas,  Bischofs  von  Edessa.     Endlich  schei- 


1)  Wer  diesei'  Athanasios  war,  ist  mir  unbekannt;  jedenl'alls  ist  er  nicht 
ru  verwechseln  mit  dem  Patriarchen  Athanasios  von  Antiochien ,  auf  dessen 
Veranlassung  Paul  von  Tela  die  sogenannte  hexaplarische  Uebersetzung  des 
A.  T.  verfasste.  Dies  unmöglich  wegen  der  oben  beigesetzten  Jahreszahl  684 : 
denn  dieser  Antiochener  Athanasios  lebte  im  Jahre  616. 

2)  Corpus  Tgnatianum  p.  345. 


IJpsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.        29 

nen  syrischen  Ursprungs  zu  sein  die  fünf  letzten  Stücke  der 
SammJung  Nr.  44^ — 48.  Von  ihnen  sind  Nr.  47  und  48.  schon 
oben  genannt  Avorden,  und  jedenfalls  ist  die  syrische  Abfassung 
des  letzteren  nicht  zu  bezweifeln.  Nr.  44.  enthält  verschiedene 
Canones  des  Mar  Sergius,  Bischofs  von  ^o^U^JiDl  (verderbt  aus 
Amphipolis  [am  Euphrat]  ?),  Nr.  45.  Canones  von  Johann,  Bischof  von 
A^laiiO)  pZ  (Tela  de- Mauzalt);  Nr.  46.  Fragen  eines  Priesters 
Sergius  an  Johann  von  Tela  de -Mauzalt  und  Antworten  desselben. 

Sonach  verdankt  die  vorliegende  Sammlung  ihre  gegenwärtige 
Gestalt  den  Syrern,  und  nicht  den  Griechen;  und  zwar  rühren,  wie 
uns  das  Datum  zu  Nr.  15.  im  Vergleiche  mit  dem  Datum  von 
Nr.  48.  (beide  Mal  687  n.  Chr.)  bezeugt,  die  Uebersetzungen  aus 
dem  Griechischen  (mindestens  zum  Theil)  aus  derselben  Zeit  her, 
aus  welcher  die  Abfassungszeit  der  letzten  syrischen  Stücke  stammt. 
Sollen  wir  eine  Vermuthung  über  den  Urheber  der  Sammlung  aus- 
sprechen,  so  war  dies  vielleicht  eben  jener  Mar  Jakob  von 
Kdessa,  dessen  Antworten  an  Adi  den  (incompleten)  Schluss  der 
Sammlung  bilden,  und  an  welchen  auch  ein  unter  Nr.  39.  in  die 
Sammlung  aufgenommener  Brief  des  Anthimos  von  Konstantinopel 
gerichtet  ist.  Wenigstens  ist  uns  von  ihm  bekannt,  dass  ersieh 
auch  sonst  mit  literarischen  Arbeiten  und  Uebersetzungen  aus  dem 
Griechischen  abgab,  namentlich  rührt  von  ihm  eine  syrische  Bear- 
beitung der  LXX  her,  aus  dem  Jahre  704,  von  welcher  grössere 
Theile  noch  jetzt  vorhanden  sind  '). 

Hiernach  mag  man  ermessen ,  von  welchem  Belange  die  vor- 
liegende Sammlung  für  die  Kritik  des  Ignatios  ist.  Allerdings 
können  die  betreffenden  Sentenzen,  so  wie  sie  vorliegen,  nicht  aus 
einer  griechischen  Sammlung  geflossen  sein,  zum  wenigsten  kön- 
nen sie  nicht  unabhängig  von  einer  schon  vorhandenen  syrischen 
Uebersetzung  des  Ignatios  ins  Syrische  übertragen  worden  sein: 
denn  hierzu  ist  die  Aehnlichkeit  mit  unserm  syrischen  Ignatios 
viel  zu  bedeutend  und  die  Abhängigkeit  dieser  Sentenzensammlung 
von  unserm  Syrer  oder  vielmehr  von  einer  sehr  verwandten  Hand- 
schrift ist  ganz  unleugbar.  Allein  andrerseits  ist  auch  durch  Nichts 
erwiesen,  dass  die  betreffenden  Sentenzen  schon  längere  Zeit  vor 
der  Veranstaltung  vorliegender  Sammlung  kanonische  Kraft  be- 
sessen haben;  die  ganze  Sammlung  aber  gehört  einer  Zeit  an, 
in  welcher  die  Syrer  schon  längst  angefangen  hatten,  ihre  alte 
Ijiteratur  zu  verlassen,  und  sich  ganz  in  Abhängigkeit  von  den 
Griechen  zu  begeben.  So  fanden  wir  in  unserer  Sammlung  unter 
Nr.  27.  eine  Anzahl  Canones  des  Philoxenos  ^on  Maboug  oder 
Hierapolis.  Dies  ist  aber  derselbe  Mann,  der  am  Anfange  des 
6.  Jahrh.    durch    seinen    Chorepiscopus  Polykarp    eine  neue  unter 


1)  Eichhorn,    Kinl.  ins  A.  T.  II,  160. 


30       Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

dem  Namen  der  Philoxenianisclien  bekannte  buclistäblicbe  üeber- 
setzung  des  N.  T.  aus  dem  Griecbiscben  veranstalten  liess,  aus 
keinem  andern  Grunde,  als  weil  ibm  die  alte  syrisebe  Pesebito 
den  griechischen  Text  nicht  vollständig  und  nicht  bucbstäblicb 
genau  genug  wiedergab.  Die  Pesebito  liegt  bekanntlich  dieser 
neu£n  üebersetzung  zu  Grunde:  aber  die  fehlenden  Theile  sind 
von  dem  Bearbeiter  ergänzt,  die  übrigen  im  Interesse  der  grö- 
ssern Wörtlicbkeit  und  Treue  nach  griechischen  Handschriften  um- 
gestaltet. 

Ebenso  berichtet  Jakob  von  Edessa,  dass  er  seine  üeber- 
setzung des  A.  T.  tbeils  nach  der  damals  bei  den  Syrern  gang- 
baren Version  tbeils  nach  LXX  gestaltet  habe^):  also  auch  er 
überarbeitete  den  älteren  syrischen  Text  mit  Hilfe  griechischer 
Handschriften.  Aehnliche  Spuren  von  Ueberarbeitungen  älterer 
syrischer  üebersetzungen  nach  dem  Griechischen  lassen  sich  aus 
jener  Zeit  noch  mehre  auffinden.  Z.  B.  die  abermalige  üeber- 
arbeitung  der  philoxenianisclien  üebersetzung  nach  dem  Griechi- 
schen durch  Thomas  von   Charkel  616  ^). 

Nach  dem  allen  dürfte  die  Annalime  nicht  als  zu  gewagt  er- 
scheinen, dass  auch  bei  der  Ignatios- Literatur  ein  ähnliches  Ver- 
bältniss  stattgefunden  habe,  dass  also  der  ältere  in  der  Cureton '- 
sehen  Ausgabe  vorliegende  Text  der  3  Briefe  späterbin  nach  dem 
Griechischen  ergänzt  und  erweitert  worden  sei.  Wenigstens  kann 
das  Vorhandensein  dieser  Zusätze  in  vorliegender  Sammlung  nach 
der  obigen  Auseinandersetzung  durchaus  keinen  Beweis  abgeben 
gegen  die  ürsprünglichkeit  unseres  kürzeren  syrischen  Textes. 
Nur  dieses  ist  überwiegend  wahrscheinlich ,  dass  diese  Abschnitte 
nicht  schon  in  einer  ursprünglich  griechischen  Sammlung  in  vor- 
liegender Gestalt  vorhanden  waren,  sondern  einer  syrischen 
Receusion  des  Ignatios  entnommen  sind,  welche  in  den 
auch  bei  unserm  Syrer  vorbandenen  Abschnitten  fast  wörtlich  mit 
diesem  übereinkommt,  aber  auch  die  bei  diesem  fehlendem  Stücke 
und  Briefe  zugleich  enthielt.  Allein  wenngleich  dies  gegen  die 
Cureton 'sehe  Meinung  festzuhalten  ist,  so  folgt  doch  hieraus 
durchaus  nicht  die  ürsprünglichkeit  dieser  weiteren  üebersetzung, 
vielmehr   führt  alles    Obige  auf  die  gegentheilige  Annahme  hin. 


1)  Welchen  syrischen  Text  Jakob  vor  sich  gehabt,  ist  schwer  zu  ermit- 
teln ,  ist  indessen  für  unsre  vorliegende  Aufgabe  weniger  zu  wissen  nötbig. 
Nur  soviel  sei  bemerkt,  dass  weder  die  Eichhorn'sche  Annahme,  Jakob 
habe  die  sogenannte  Figurata  überarbeitet  (über  welche  nur  eine  sehr  dürftige 
Notiz  bei  Abulfaradsch  sich  findet)  ,  noch  eine  der  beiden  andern  Hypothesen, 
er  habe  die  Philoxffni  ani'sche  (des  A.  T,)  oder  die  des  Paul  von  Tela 
überarbeitet,  zur  Evidenz  gebracht  ist,  wenn  auch  die  letztere  vielleicht  die 
meiste  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat. 

2)  Mit  letzterer  wie  es  scheint  unter  ähnlichen  Verhältnissen  entstand 
die  in  vorstehender  Anmerkung  genannte  hexaplarische  Üebersetzung  des  A.  T. 
durch  Paul  von  Tela. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios,       3 1 

I)ass  nuü  eine  solciie  weitere  syrische  Recensioii  vorhanden 
g-ewesen  sei,  wird  bestätigt  noch  durch  ein  zweites  von  Cure  ton 
initg-etheiltes  syrisches  Fragment.  Dasselbe  findet  sich  bei  Cure  ton 
]).  201  flg.  unter  der  Ueberschrift  „aus  dem  Buche  des  lieiligen 
Ignatios  Theophoros,  Bischofs  von  Antiochien"  und  entliält  Frag- 
mente aus  den  Briefen  an  die  Römer,  Epheser,  Magnesier,  Smyr- 
näer  und  an  Ueron.  Diese  Excerpte  finden  sich  auf  dem  Deckel 
und  dem  leeren  Raum  der  ersten  Seite  eines  älteren  Volumen ; 
Schriftzüge  aus  dem  11.  oder  12.  Jahrb.  Das  Manuscript  ist  aus 
dem  Kloster  St.  Maria  Deipara  1842  nach  f^ondon  gebracht  wor- 
den ,  einige  Ergänzungsblätter  im  Jahre  1847.  Es  befindet  sich 
im  Brit.  Mus.,  Add.  Mss.  14577  ^ ).  Ein  dritter  Auszug  findet 
sich  bei  Cure  ton  p.  29H;  er  enthält  drei  Citate  aus  dem  Rö- 
merbriefe, darunter  eins  aus  einem  bei  unserm  Syrer  fehlenden 
Abschnitte,  daher  wir  ihn  vorläufig  mit  jenen  Sammlungen  zusam- 
menstellen wollen,  obwol  sich  später  ein  etwas  anderer  Sachverhalt 
ergeben  wird.  Der  Auszug  ist  entnommen  aus  einem  ebenfalls 
im  britischen  Museum  befindlichen  Manuscript,  von  dem  jedoch 
Cure  ton  weiter  keine  Mittheilung  macht;  das  Manuscript  trägt 
die  Nummer  Cod.  Add.   17134. 

Beide  Fragmente  nun  stimmen  tlieils  unter  einander,  theils 
mit  den  oben  beschriebenen  Sentenzen  aus  Ignatios  so  genau  überein, 
dass  eine  gemeinsame  Uuelle  ganz  unzweifelhaft  ist.  Da  nun  in 
beiden  Fragmenten  Stellen  sich  finden,  die  in  jener  Sentenzen- 
sammlung fehlen,  so  folgt  hieraus  wiederum  die  Nothwendigkeit, 
dass  sowol  diese  Sentenzen  als  jene  Fragmente  unabhängig  von 
einander  aus  einer  syri«  c  h  e  n  Rece  n  s  i  o  n  geflossen  sind.  Das 
Verhältniss  dieser  Recension  zu  unserm  kürzern  Syrer  bleibt  auch 
nach  den  Fragmenten  ganz  dasselbe,  wie  solches  durch  die  Sen- 
tenzensammlung vorausgesetzt  wurde. 

Endlich  wird  diese  weitere  syrische  Recension  vorausgesetzt 
durch  die  armenische  Version,  welche  Petermann  im  Jahre  1849 
herausgegeben  hat.  Dieser  liegt  eine  syrische  Version  zu  Crunde^ 
die  ebenfalls  in  den  bei  unserm  Syrer  vorhandenen  Stücken  über- 
raschend mit  demselben  zusammen  stimmt  ^);  dieselbe  setzt  aber 
auch  in  den  bei  unserm  Syrer  fehlenden  Abschnitten  einen  syrischen 
Text  voraus  ^),  speciell  einen  mit  dem  Texte  obiger  Fragmente 
öfters  sehr  genau  zusammenstimmenden  *), 


1)  Das  Nähere  s.  bei  Cure  ton  p.  348  flg. 

2)  Vgl.  1^  et  ermann,  in  der  seiner  Ausgabe  vorausgeschickten  Abhand- 
lung de  Version«  Armeniaca  p.  XII  sqq.  Der  i^^inspruch  Hunsens  (Hippolyt 
I,  iO  Anni.  II,  in  der  Vorrede  zur  englischen  Ausgabe  p.  Vll)  ist  unbegrün- 
det ,  wie  aus  der  weiter  unten  folgenden  Erörterung  sich  mit  Bestimmtheit 
ergeben  wird. 

3)  1.  c.  p.  WIV  sq. 

4)  Wir  werden  weiter  unten  ausluhrlicher  hieraul'  zurück  komjn«!u. 


32       LipsiuSi  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios, 

Es  entstellt  nun  die  wichtige  Frage,  inwieweit  sich  das  Alter 
dieser  vorausgesetzten  weiteren  syrischen  Recension ,  desgleichen 
das  Alter  unseres  kürzeren  Syrers  durch  Erforschung  der  Hand- 
schriften bestimmen  lasse.  Für  ersteres  wird  der  einzig  sichere 
Anhaltepunkt  durch  die  vielgenannte  Sentenzensammlung  geboten, 
abgeschlossen  im  Jahre  687.  Durch  diese  Jahreszahl  ist  freilicli 
niclit  bewiesen,  dass  der  vorliegende  ignatianische  Text  nicht  von 
früherem  Datum  sein  könne:  nur  soviel  ist  wahrscheinlich  gemacht, 
dass  er  einer  Zeit  angehöre,  in  welcher  die  monophysitischen 
Theologen  durch  Ueberarbeitungen  nach  griechischen  Quellen  ihre 
alte  Literatur  zu  berichtigen  strebten.  Dies  wäre  im  Allgemeinen 
der  ganze  Zeitraum  von  Philoxenos  an,  d.  h.  ungefähr  seit  dem 
Jahre  488,  oder  wenn  wir  die  äusserste  Gränzlinie  setzen  wollten, 
die  nicht  alle  Wahrscheinlichkeit  gegen  sich  hätte,  vom  Beginne 
einer  monophysitischen  Literatur  überhaupt,  d.  h.  von  der  Mitte 
des  5.  Jahrhunderts  an.  Die  beiden  andern  Fragmente  geben  zur 
Entscheidung  vorliegender  Frage  keinen  Beitrag,  so  lange  nicht 
genauere  Notizen  über  sie  vorliegen,  doch  verräth  das  erstere 
wegen  seiner  Benutzung  des  Briefes  an  Heron  schon  eine  ziem- 
lich späte  Sammlung  ignatianischer  Briefe.  Dagegen  stimmt  mit 
dem  angenommenen  Zeiträume  der  Umstand,  dass  eben  diese  er- 
weiterte Recension  von  7  Briefen  auch  unter  den  Griechen  seit 
Theodoret,  also  ebenfalls  seit  dem  nestorianischen  und 
monophysitischen  Streite  sich  in  allgemeinerem  Gebrauche 
findet.  Endlich  weist  auf  eben  diesen  Zeitraum  das  x4lter  der 
armenischen  Version  hin.  Ist  diese  auch  in  der  gegenwärtigen, 
nach  dem  Griechischen  nochmals  durchcorrigirten  Textgestalt  bei 
weitem  jünger,  so  scheint  doch  nichts  im  Wege  zu  stehn ,  ihren 
ursprünglichen  aus  eben  jener  syrischen  Recension  geschöpften 
Text  im  Allgemeinen  der  Zeit  zuzuweisen,  in  welche  sie  die 
constante  Tradition  der  Armenier  verweist,  nämlich  ebenfalls  ins 
5.  Jahrh.  Wenigstens  schliesst  sich  auch  Petermann  dieser 
Tradition  an,  theils  aus  paläographiscben  Gründen,  theils  wegen 
des  in  späterer  Zeit  fast  unterbrochenen  literarischen  Verkehrs 
der  Armenier  mit  Syrien,  theils  endlich  weil  die  Bibelcitate,  ins- 
besondre der  6  letzten  Briefe  meist  nicht  mit  der  (um  die  Mitte 
des  5.  Jalirh.'s  veranstalteten)  armenischen  Version  der  heiligen 
Schrift  zusammenstimmen,  diese  letztere  also  noch  nicht  allgemein 
verbreitet  gewesen  zu  sein  scheine.  Entscheidend  für  eine  relativ 
ältere  Zeit  ist  freilich  hiervon  nur  der  erstere  Grund ;  der  Um- 
stand, dass  wir  von  späteren  Uebersetzungen  aus  dem  Syrischen 
ins  Armenische  nichts  wissen,  könnte  in  unserer  mangelhaften 
Kenntniss  der  armenischen  Literatur  überhaupt  seinen  Grund  haben, 
und  ebensowenig  bezeugt  die  Textgestalt  der  Bibelcitate  die  Un- 
bekanntschaft  des    Uebersetzers    mit   dem  armenischen  N.  T. ,    da 


1)  1.  c.  p.  XXVI  sq. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios,        33 

nicht  erwiesen  ist,  das*  er  sich  im  Falle  seiner  Bekanntschaft  mit 
demselben  auch  veranlasst  fühlen  musste,  nach  dessen  Texte  den 
vorgefundenen  zu  corrig-iren.  Ist  nun  die  weitere  syrische  Version 
rauthmasslich  um  die  Zeit  des  Philoxenos  verfasst,  so  kann  die 
armenische  jedenfalls  nicht  früher  verfasst  sein:  und  in  üeber- 
einstimmung  mit  diesem  Umstände  ebensowol  als  im  Allgemeinen 
mit  der  armenischen  Tradition  glauben  wir  ihre  Abfassungszeit 
etwa  in  die  Gränzscheide  des  5.  und  6.  Jahrhunderts  versetzen 
zu  dürfen. 

Bemerkenswerth  für  die  Geschichte  des  Textes  ist  aber  je- 
denfalls der  Umstand,  dass  die  armenische  Recension  im  Ganzen 
13  Briefe  kennt,  also  ausser  den  streitigen  7  noch  die  ß  übrigen, 
einstimmig  als  untergeschoben  betrachteten.  Ebenso  setzen  nun  die 
syrischen  Bruchstücke  auch  die  unächten  Briefe  voraus.  In  der  vSen- 
tenzensammlung  Nr.  II.  (p.  202  bei  Cureton)  findet  sich  ein  Citat  aus 
dem  unächten  Briefe  an  Heron,  und  ausserdem  hat  uns  Cure  ton 
zwei  gleichlautende  Fragmente  aus  dem  ebenfalls  untergeschobenen 
Briefe  an  die  Tarser  aufbewahrt,  von  denen  das  eine  von  einer 
noch  dem  G.Jahrhunderte  angehörigen  Handschrift  entnommen  ist  *), 
Dies  liefert  den  wichtigen  Beweis,  dass  in  eben  jener  Zeit,  in 
welcher  nach  unsern  Ermittelungen  die  längere  syrische  (und  ar- 
menische) Recension  entstand,  der  griechische  Text  bereits  oiFen- 
bare  Verfälschungen  und  Unterschiebungen  erfahren  hatte :  dass 
jene  längere  syrische  Recension  also  nachweislich  Unterge- 
schobenes unter  dem  Namen  des   Ignatios  enthalten  hat. 

Betrachten  wir  jetzt  die  Handschriften  unseres  kürzeren  syri- 
schen Textes.  Es  sind  deren  gegenwärtig  3,  von  Cureton  mit  a, 
/?,  y  bezeichnet  ').  Alle  drei  enthalten  ausser  den  ignatianischen 
Briefen  grössere  Sammlungen  patristischer  Schriften,  und  grade 
die  Beschaffenheit  dieser  Sammlungen  hat  für  uns  ein  wesentliches 
Interesse,  darum,  weil  sie  uns  einen  sicherem  Anhaltepunkt  für  das 
nacJiweisliche  Alter  der  Version  an  die  Hand  giebt  als  das  Alter 
der  Handschriften  selbst. 

Die  älteste  Handschrift,  «,  ist  geschrieben  vor  dem  Jahre 
550,  also  eine  der  ältesten  Handschriften  der  ignatianischen  Lite- 
ratur überhaupt  ^).     Es  sind  zwei  zusammengebundene  Pergament- 


1)  Corpus  Ignatiunum,  additional  extracts  p.  363 — 365.  Die  erstere  von 
beiden  Handschriften  ist  mit  Brit.  Mus.  Add.  Mss.  17191  bezeichnet. 

2)  Nach  Bunsens  interessanter  Mittheilung  (Hippolyt  II,  Vorrede  zum 
4.  Bande  der  englischen  Ausgabe  p.  XI  1'.)  hat  Oberst  Rawlinson  in  Bagdad 
eine  Handschrift  des  N.  T.  in  syrischer  Sprache  gesehn,  welche  ,,die  3  Briefe 
des  Ignatios"  als  Anhang  zn  den  heiligen  Urkunden  enthält,  grade  wie  der 
Codex  Alexandrinus  die  Episteln  des  Clemens  von  Rom  der  heiligen  Schrift 
folgen  lässt.  Es  ist  nur  zu  wünschen ,  dass  dieser  hochwichtige  Fund  bald 
ebenso  wie  die  übrigen  syrischen  Handschrillen  zugänglich  gemacht  werde. 

3)  Brit.  Mus.  Add.  Mss.  12175.  Von  Tattam  1839  nach  London  ge- 
bracht.    Das  Nähere  bei  Cureto.n,  Introduction  p.  XXVIII  sq. 

Abbandl.  d.  DMG.  1,5.  3 


34        Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

Volumina;  auf  der  letzten  Seite  des  ersten  findet  sich  der  Brief 
an  Polykarp.  Den  übrig-cn  Inhalt  bilden:  im  ersten  Volumen :  das 
Asketikon  des  Vater  Pachomios  (um  340);  eine  Erzählung  von  einem 
alten  Mönche  Malchos;  Fragen  und  Antworten  der  ägyptischen  Väter; 
die  Briefe  von  Euagrios  an  Melania;  im  zweiten  Volumen:  aske- 
tische Werke  des  Euagrios  und  des  Mönches  Marcus;  Lebens- 
beschreibungen der  ägyptischen  Väter;  die  Peschitoversion  des 
Jesaias;  endlich  ein  Brief  des  Basilios  an  Gregor  von  Nazianz. 
Vergleichen  wir  dieses  Verzeichniss  mit  dem  der  oben  erörterten 
Canones-  und  Sentenzensammlung,  so  leuchtet  ein,  dass  wir  es 
hier  noch  mit  einer  ganz  andern  und  zwar  weit  früheren  Literatur 
tu  thun  haben.  Trotzdem  dass  das  Manuscript  in  der  monophjsi- 
tischen  Äeit  abgeschrieben  ist,  findet  sich  in  dieser  Sammlung 
patristischer  Stücke  noch  nichts  auf  den  monophysitisclien  Streit 
Bezügliches.  Da  das  Datum  der  meisten  dieser  Stücke  sich  ge- 
nauer bestimmen  lässt:  sie  gehören,  wie  der  Brief  des  Basilios  an 
Gregor  von  Nazianz,  der  Mitte  des  4.  Jahrhunderts  an  ^):  so  stellt 
sich  für  die  Sammlung  vorliegender  Stücke,  welche  auf  eine 
ältere  Zeit  als  die  monophysitische  führt,  als  ungefähre  Zeit  die 
zweite  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  heraus. 

Die  zweite  Handschrift  (/?  bei  Cureton)  rührt  aus  dem  7. 
oder  8.  Jahrhundert  her,  setzt  aber  noch  ganz  dieselbe  Literatur 
voraus  wie  die  erste.  Der  Anfang  und  der  Schlnss  fehlen.  Zuerst 
steht  das  Fragment  eines  Trostbriefes  über  den  Tod  eines  Kindes ; 
dann  folgen  die  3  Briefe  des  Ignatios  an  Polykarp,  die  Epheser 
und  die  Römer,  welche  sämmtlich  den  kürzeren  syrischen  Text 
darbieten,  und  von  denen  der  erstere  nur  in  orthographischer  Be- 
ziehung hie  und  da  von  der  Handschrift  «  abweicht.  Den  Rest 
bilden  folgende  Stücke:  ein  Brief  des  Gregorios  Theologos  an 
Euagrios;  Predigten  von  Mar  Jakob,  Bischof  von  Serug  oder 
Batnae^  Predigten  von  Mar  Isaak;  Auszüge  aus  den  Philosophen 
über  die  Seele;  Auftrag  Piatons  an  seinen  Schüler;  Ermahnung 
eines  der  Senioren  an  die  Mönche  beim  Anfang  ihrer  Exercitien; 
Predigten  von  dem  heil.  Basilios  und  Gregor  von  Nyssa  über  die 
Trinität ;  verschiedene  Fragen  über  die  Seele  u.  s.  w.  gerichtet  an 
Johannes  Monachos  von  Eusebios  und  Eutropios  -).  Das  Manuscript 
bietet  also  noch  ganz  dieselbe  vormonophysitische  Literatur  dar 
wie  das  erste:  es  ist  der  Einfluss  der  origeuistischen  Theologie 
und  des  Piaton,  sowie  die  Untersuchungen  über  die  Trinität  auf 


1)  In  dieselbe  Zeit  ist  wol  auch  Euagrios  zu  versetzen ,  von  dem  sicli 
ein  Brief  in  diesem  Manuscript  befindet.  Höchstwahrscheinlich  ist  dieses  der 
bekannte  Origenist  Euagrios,  an  welclien  auch  ein  im  Manuscript  ß  enthaltener 
Brief  des  Gregorios  Theologos  (d.  i.  des  Nazianzeners)  gerichtet  ist.  Ebenso 
gehört  in  die  letzte  Hälfte  des  4.  Jahrh.  der  Mönch  Marcus,  dessen  Schrif- 
ten Galland i,  Bibl.  Patr.  T.  VIII.  gesammelt  hat. 

2)  Brit.  Mus.  Add.  Mss.  14618.  Von  Tattam  1843  nach  London  gebracht. 
Vgl.  übrigens  Cureton  1.  c.  p.  XXX  flg. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Texte  der  Briefe  des  Ignalios»      35 

Anlass  der  arianischcn  Streitigkeiten ,  wodurch  sich  die  vorlieg-ende 
SaiDiuIung  chiirakterisirt.  Dies  ist  für  die  Zeitbestimmung  um  so 
wiclitiger,  weil  die  Handschrift  selbst  einer  weit  spätem  Epoche 
angehört,  welche  durch  ganz  andre  Ideen  bewegt  wurde.  Selbst- 
verständlich ist  also ,  dass  das  ManusCript  auf  eine  ältere  Zeit 
zurückweist,  als  die  sein  kann,  in  welcher  es  abgeschrieben  wurde: 
und  zwar  kommen  wir  wiederum  auf  die  2.  Hälfte  des  4.  Jahr- 
hunderts zurück,  was  durch  die  Namen  eines  Gregor  von  Nazianz, 
Euagrios,  Gregor  von   \yssa,   Basilius  Magnus  erwiesen  wird. 

Etwas  anders  stellt  sich  das  Verhältniss  bei  dem  3.  Manuscript, 
y  bei  Cureton.  Dasselbe  ward  durch  Moses  von  Nisibis  im  Jahre 
931  ins  Kloster  Sta  Maria  Deipara  gebracht,  und  scheint  3  oder 
4  Jahrhunderte  früher  (6.  oder  7.  Jahrb.)  geschrieben  zu  sein.  Obwol 
das  Manuscript  also  nicht  viel  jünger  ist  als  das  Manuscript  a,  so  setzt 
es  doch  schon  eine  spätere  Literatur  voraus.  Unter  den  ziemlich 
zahlreichen  patristischen  Documenten,  welche  das  Manuscript  ausser 
den  3  Briefen  des  Ignatios  enthält,  ßnden  sich  nämlich  allerdings 
auch  noch  ältere  Stücke:  so  zuerst  Briefe  des  Euagrios,  unmit- 
telbar vor  den  3  ignatianischen  Briefen ;  dann ,  diesen  zunächst, 
zwei  Briefe  des  Johannes  Monachos  (ohne  Angabe  des  Verfassers), 
dann  ein  Stück,  betitelt  Glaube  des  Euagrios;  in  den  folgenden 
mehre  vSchriften  des  Mönches  Marcus  und  seines  Zeitgenossen 
Scholasticus,  dann  ein  Brief  des  Basilios  von  Cäsarea  an 
Gregor  von  Nyssa,  und  weiter  unten  noch  eine  Predigt  des  Gregor 
von  Nyssa.  Aber  daneben  finden  sich  auch  theologische  Schriften, 
die  schon  einer  spätem  Zeit  angehören.  Hierher  gehört  zunächst 
ein  Sermon  des  Mönches  Gregorios  über  die  Pflege  der  Tugend, 
in  Fragen  und  Antworten ,  welchen  er  schrieb  an  den  Bischof 
Theodoros  (d.  i.  wol  von  Mopsveste)  und  den  Vater  Epiphanios, 
seine  Freunde,  die  ihn  darum  ersucht  hatten:  die  beiden  letzteren 
aber  reichen  tief  in  die  ersten  Decennien  des  5.  Jahrhunderts  hinein ; 
ferner  der  17.  Sermon  von  Kyrill,  über  die  Festzeiten  der  Heiligen; 
ein  Auszug  aus  einem  Sermon  des  Bischofs  Proklos  von  Konstan- 
tinopel (des  bekannten  Gegners  des  Nestorios)  über  die  Geburt 
Christi;  endlich  eine  Lebensbeschreibung  des  Epiphanios  von  Kon- 
stanteia  auf  Kypros  (f  420)  von  einem  seiner  Schüler,  Johannes  ^). 

Nöthigt  uns  nun  schon  die  zuletzt  erwähnte  Lebensbeschrei- 
bung des  Epiphanios  über  das  Jahr  420  hinauszugehn ,  so  wird 
durch  die  mitaufgenommenen  Schriftstücke  des  Kyrill  von  Alexan- 
drien  und  des  Proklos  von  Konstantinopel  erwiesen,  dass  die  vor- 
liegende Sammlung  erst  angefertigt  sein  kann  nach  Beginn  der 
nestorianischen  Streitigkeiten.  Doch  scheint  alles  noch 
auf  das    erste    Stadium  der  Untersuchungen  über  die  Physiologie 


1)  ßrit.  Mus.  A.dd.  Mss.  17192.  Vod  Pacho  1847  nach  London  gebracht. 
Das  JNäherc  bei  Curetön  I.  c.  pag:  XXXI  ff.,  wo  auch  düs  Vollständige  Ver- 
zeichniss  der  iti  diesem  Ms.  enthaltenen  Schrillen  eingeschn  werden  kann. 

3* 


36       Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

Christi  hinzudeuten,  und  namentlich  findet  sich  in  dieser  Sammlung 
nichts,  was  uns  nöthigte,  bis  zu  dem  monophysitischen  Streite, 
namentlich  bis  zur  Synode  von  Chalkcdon,  herabzugehn.  Wir  glauben 
daher  nicht  zu  irren,  wenn  wir  den  Abschluss  dieser  Sammlung 
in  die  letzten  Deceunien  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts 
setzen. 

Bestätigt  wird  dieses  Ergebniss  durch  Betrachtung  der  Text- 
gestalt, welche  dieses  Manuscript  von  den  ignatianischen  Briefen 
bietet.  Auf  der  einen  Seite  nämlich  finden  wir  hier  im  Ganzen  noch 
denselben  Text,  welcher  durch  die  beiden  Manuscripte  (t  und  ß  ver- 
bürgt ist.  Auch  y  kennt  nur  3  Briefe,  und  diese  in  der  kürzeren 
Gestalt  von  «  und  /?,  fast  allenthalben  mit  wörtlicher  üebereinstim- 
mung.  Andrerseits  aber  finden  sich  bei  ihm  schon  einige  klein  ere 
Zusätze,  welche  sich  als  den  ersten  Anfang  späterer  Ueberarbeitung 
charakterisiren.  So  insbesondere  in  der  Stelle  Eph.  19.  Während  die 
Handschrift  y  hier  den  Text  von  ß :  i'Xa^f  tov  uQ/ovra  tov  alwvog 
TovTOV  7]  nagS^fvia  IVluglag ,  y.ai  o  roxtrog  tov  y.vglov ,  xai  tu 
TQia  /LivaTTjQta  xiX.  in  der  von  den  griechischen  Handschriften  ab- 
weichenden Gestalt  voraussetzt,  so  schiebt  sie  doch  nach  o  ToxtTog 
tov  xvgiov  die  jedenfalls  aus  dem  Griechischen  genommeneu  Worte 
ein  cnZo^Oj  yo^i  o  d^avatog  aviov.  Dadurch  entsteht  ein  vermitteln- 
der Text:  die  vorgefundenen  vom  Griechischen  abweichenden  Les- 
arten des  altern  Syrers  selbst  werden  nicht  angetastet,  aber  das  was 
zu  fehlen  schien,  wird  aus  dem  Griechischen  herübergenommen  und 
in  der  Construction  dem  vorgefundenen  Texte  angepasst  ^ ).  Dies 
Verfahren  zeugt  noch  von  grosser  Behutsamkeit  im  Emendiren; 
tiusser  der  vorliegenden  Stelle  wird  fast  nichts  geändert.  Nur 
noch  an  zwei  Stellen  finden  sich  solche  Emcndationen :  Rom.  2. 
der  Zusatz  ttiq  2vgiag  zu  inloxonov  und  Rom.  9,  wo  der  syrische 
Text  Ol  Tigogrjxovoai  Tfj  odio  Ttj  xuTa  oagxa  bietet,  y  aber  vor 
ngogrjxovoai  nach  dem  Griechischen  ein  ur]  einschiebt,  wodurch 
denn  freilich  ein  ganz  andrer  Sinn  entsteht  2).  Die  übrigen  Ab- 
weichungen beziehen  sich  nur  auf  die  Orthographie,  die  Inter- 
punction,  und  hie  und  da  auf  den  Gebrauch  der  Partikeln,  und 
es  muss  dahingestellt  bleiben,  inwieweit  hier  eine  Emendation  nach 
dem  Griechischen  stattgehabt  hat,  wenn  sich  auch  der  eine  oder 
andre  Fall  wol  in  ähnlicher  Weise  wie  die  obige  Stelle  betrach- 
ten liesse. 

Sonach  stellt  sich  auch  das  Ergebniss  dieser  Untersuchung 
günstig  für  den  Cure  t  o  n'schen  Syrer.  Während  der  durch  die 
Codd.  a  und  ß  gebotene  kürzere  Text  bis  ins  4.  Jahrhundert  hin- 
aufreicht, so  gehören  die  Fragmente  und  die  armenische  Version, 
oder    der   weitere   syrische    dem   griechischen    entsprechende  Text 

1)  Vgl.  über  die  betreffende  Stelle  meine  Abhandlung  in  Niedner's  Zeit- 
schrift 1856,  I.  S.  128  f.' 

2)  Vgl.  die  angef.  Abhdig  S.  150  f. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  liriefe  des  Ignaüos        37 

erst  der  inoiiophysitischcn  Zeit  an ,    lassen    sich  nicht  weiter  ver- 
folg-en    als    bis    in    die    letzte    Hälfte  des  5.  Jahrhunderts ,    stehen 
wenigstens  der  Zeit  nach  in  naher  Beziehung-  zu  Philoxeuos  und  den 
an  diesen  Namen  sich  schliessenden  reherarheitungen  des  syrischen 
A.  und   N.  T.   (der  Peschito)  nach  griechischen  JVlanuscripten,  und 
verrathen  durch  die  mitdargebotenen  unzweifelhaft  untergeschobe- 
nen Briefe  deutlich  genug,    dass    zu    ihrer  Zeit  die  ignatianische 
Literatur   bereits    bedeutenden    Fälschungen  ausgesetzt  war.     Der 
Text  von  y  ferner  zeugt    einmal    gegen    das  Vorhandensein   jenes 
weiteren  Textes    noch    in    der    ersten   Hälfte  des  5.  Jahrhunderts, 
verräth  aber  zugleich  auch    die    ersten    wenngleich  nur  sehr  spo- 
radischen Versuche    von  Aenderungen    des    ältesten    Textes.     Das 
Alter  der  Handschriften  endlich  selbst  (6.  und  7.  Jahrb.)  legt  hin- 
wiederum dafür  Zeugniss  ab,    dass   auch   in   der  monophysitischen 
Zeit,  in  welcher  der  weitere  Text  muthmasslich   schon  vorhanden 
war,     der   kürzere    doch    nicht    völlig    verdrängt   wurde;    und  es 
tritt    uns    hier    wieder  die  schon  bei    der  Geschichte  des  griechi- 
schen Textes  beobachtete  Erscheinung  entgegen,  dass  der  relativ 
weitere  Text  nur  sehr  allmählich  erst  an  die  Stelle  des  kürzeren 
sich  einsetzte. 

Nun  erst  sind  wir  im  Stande,  die  übrigen  Spuren  syri- 
scher Uebersetzungen,  die  auf  uns  gekommen  sind,  richtig 
zu  beurtheilen.  Mit  Ausnahme  von  den  Fragmenten  bei  Johannes 
dem  Mönch  und  vielleicht  in  der  syrischen  üebersetzung  des  Ku- 
sebios  gehören  dieselben  sämmtlich  der  monophysitischen 
Zeit  an.  War  dies  schon  nach  den  Untersuchungen  über  den 
griechischen  Text  die  Zeit,  in  welcher  eine  weitere  Verbreitung 
des  Mediceischen  Textes  zuerst  nachweislich  ist,  so  sahen  wir 
noch  deutlicher  aus  der  Geschichte  der  syrischen  Literatur,  wie 
gewöhnlich  damals  Ueberarbeitungen  aus  dem  Griechischen  und 
selbst  Einschwärzungen  ganzer  Schriftstücke  waren.  Wir  führen 
jetzt  die  vorhandenen  Fragmente  einzeln  auf. 

Zunächst  eine  Reihe  von  Belegstellen  aus  Ignatios  in  der 
Schrift  des  Timotheos,  Bischofs  von  Alexandrien,  gegen  das 
Concil  zuChalkedon.  Also  eine  monophysitische  Streitschrift 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts ;  und  zwar  jedenfalls 
herrührend  von  dem  bekannten  Parteihaupte  Timotheos  o  aiXovQog, 
gestorben  477  als  Bischof  von  Alexandrien.  Was  von  seinen 
Schriften  früher  bekannt  war,  s.  bei  Maji  scriptt.  vett.  nova  coli. 
Vn,  1,  277.  Er  schrieb  ursprünglich  griechisch.  Das  Manuscript 
(Brit.  Mus.  Add.  Mss.  12156  fol.  1  und  fol.  69)  mag  um's  Jahr 
562  geschrieben  sein,  und  ist  beschrieben  bei  Cureton  p.  332  sqq. 
Die  Excerpte  aus  Timotheos  stehen  bei  Cureton  p.  210 — 212, 
unter  Nr.  VL 

Es    folgen    unter  Nr.  VIL  und  VIH.  bei  Cure  ton   Excerpte. 
aus  den  Schriften    des    Severus    von    Autioc hieu    mit  zahl- 
reichen Citateu  aus  Ignatios      Die  Excerpte  sind  theils  aus  seiner 


^8        Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios. 

Schrift  adv.  impium  grammaticum  (d.  i.  Johannes,  Bischof  von 
Caesarea)  p.  212 — 215  hei  Cureton;  theils  aus  seinen  biscliöflichen 
Amtssreden  ')  (aus  dem  ersten  und  zweiten  Buche  p.  215  —  217 
Cureton)  genommen.  Auch  die  Schriften  des  Severus ,  welcher 
von  513  an  Patriarch  von  Antiochien  war,  unter  Justinus  i.  aber 
nach  Aeg-ypten  floh  und  in  der  Folgezeit  das  Haupt  der  einen 
Monophysitenpartei  wurde,  die  sich  nach  seinem  Namen  nannte, 
sind  uns  schon  früher ,  wenigstens  durch  eine  Reihe  von  da  und 
dort  gesammelten  Bruchstücken  bekannt  gewesen  2).  Sie  waren 
ursprünglich  griechisch  geschrieben ,  scheinen  aber  wenigstens  in 
den  Originalexemplaren  von  den  Gegnern  des  Severus  mit  Eifer 
unterdrückt  worden  zu  sein,  lieber  beide  Manuscripte  (Brit.  Mus. 
Add.  Mss  12157  fol.  198  und  12159)  giebt  Cureton  nähere  Aus- 
kunft p.  355  —  357.  Das  erstere  mag  aus  dem  7.  oder  dem  Ende 
des  6.,  das  zweite  ays  dem  7.  oder  8.  Jahrh.  herrühren. 

Ungefähr  aus  demselben  Zeitalter,  und  theilweise  wol  noch 
von  Severus  selbst  rühren  eine  Reihe  von  Schriftstücken  her, 
die  jedoch  nur  sehr  vereinzelte  Citate  aus  ignatios  enthalten.  Sie 
finden  sich  bei  Cureton  unter  Nr.  IX  — XIV,  p.  217  —  220. 
Die  zwei  ersteren  Citate  (Nr.  IX,  p.  218)  aus  der  Schrift  testimonia 
Patrum  adversus  impium  grammaticum,  ohne  Zweifel  von  Severus, 
doch  ohne  Nennung  des  Verfassers;  das  Manuscript  (Brit.  Mus.  Add. 
Mss.  14629)  ist  unvollständig  und  enthält  nur  den  letzten  Theil  der 
angeführten  Schrift.  Das  dritte  und  vierte  (Nr.  X,  p.  218)  aus  einem 
unvollständigen  Volumen,  enthaltend  Briefe  des  Julian  von  Ha- 
likarnassos  und  des  Severus;  Manuscript  ungefähr  aus  dem 
8.  Jahrh.  (Brit.  Mus.  Add.  Mss.  17200;  vollständig  von  Pacho  1847 
nach  London  gebracht).  Ein  fünftes  Citat  (Nr.  XI,  p.  218)  aus  einem 
(muthmasslich  von  Severus  verfassten)  Streitwerke  gegen  die  Häresie 
des  Julian  von  Halikarnass.  Manuscript  Ende  des  6.  oder  7.  Jahrh. 
(Brit.  Mus.  14529  fol.  37.  b).  Fernere  4  Citate  (Nr.  XII.  p.  218  f.) 
in  einem  monophysitischen  Streitwerke,  mit  patristischen  Citaten 
von  den  ältesten  Zeiten  bis  auf  Severus  herab.  Manuscript  unge- 
fähr aus  dem  8.  Jahrh.  (Brit.  Mus.  Add.  Mss.  12155  fol.  111. 
168b.  262);  drei  Citate  (Nr.  XIII.  p.  219)  ebenfalls  aus  einem 
unvollendeten  monophysitischen  Streitwerke,  dessen  Zeit  Cureton 
nicht  näher  bestimmt  (Brit.  Mus.  Add.  Mss.  14535);  endlich  (Nr.  XIV, 
p.  220)  ein  Citat  entnommen  aus  einer  Apologie  der  Jakobiten 
gegen  ihre  Verleumder,  welche  nXrjgocpogia  betitelt  ist.     Das  Ma- 


1)  Genauer  Reden,  die  er  ejtl  d'Qovco  auf  dem  Throne,  d.  h.  auf  der 
bischöflichen  Kathedra  sitzend  gehalten  hat,  Bni&QOviarixai.  Syrisch  f^^l^ 
QjiJ09Aa£>|,  was  Cureton  mit  Epithronian  Sermons  giebt. 

2)  S.  Fabricius,  Bibl.  Gr.  IX,  343.  Maji  scriptt.  vett.  nova  coli. 
VII,  1.  Maji  classicorum  auctorum  T.  X,  408.  Spicilegium  Romanum  III, 
in.   X,  169. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios        39 

uuscript  aus  dem  8.  Julirlt.  (ßrlt.  IVliis.  Add.  Mss.  12154  fol.  13)  >). 
Die  Schrift  selbst  luuss,  nach  dem  Titel  zu  schliesseti,  g^riechisch 
g-eschrieheu  geweseu  sein  und  g-eliort  frühestens  in  den  Schluss 
des  6.  oder  den   Anfang  des  7.  Jahrhunderts. 

Aus  dem  Mitgetheilten  geht  nun  hervor,  dass  die  meisten  der 
die  genannten  Fragmente  enthaltenden  Schriften  nicht  ursprünglich 
syrisch  geschrieben  waren ,  sondern  erst  aus  dem  (griechischen 
übersetzt  sind.  Unleugbar  ist  dies  von  den  unter  Nr.  VI  —  Vlll. 
vorangestellten  Schriften  des  Timotheos  von  Alexandrien  und  des 
Severus  von  Antiocheia,  welche  bei  weitem  den  grössten  Theil  der 
Citate  enthalten.  Nicht  minder  gewiss  ist  dies  bei  Nr.  XIV.,  über- 
wiegend wahrscheinlich  bei  Nr.  IX  —  XI,  und  nur  bei  Nr.  XII 
und  XIII  kann  man  noch  zweifelhaft  sein.  Doch  liegt  auch  hier 
keinerlei  Beweisgrund  für  ursprünglich  syrische  Abfassung  vor, 
und  nur  dem  zur  Zeit  noch  stattfindenden  Mangel  an  weiteren 
Nachrichten  mag  es  zuzuschreiben  sein ,  dass  über  die  ursprüng- 
liche Sprache  dieser  Documente  noch  Ungewissheit  obwaltet.  We- 
nigstens behauptet  Cureton  selbst,  der  die  IVIanuscripte  gesehn  hat, 
dass  keins  von  allen  ursprünglich  syrisch  geschrieben  sei. 

Sind  aber  alle  aufgezählten  Schriften  theils  ganz  unzweifel- 
haft, theils  mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  ursprünglich  in  grie- 
chischer Sprache  abgefasst,  so  können  die  in  ihnen  enthalt^neu  Citate 
wenn  nicht  ganz  besonders  zwingende  Umstände  obwalten ,  auch 
nicht  als  Beweise  für  eine  selbstständige  syrische  Uebersetzung 
des  Ignatios  benutzt  werden.  Wer  die  ganzen  Schriften  ins  Sy- 
rische übertrug,  übertrug  natürlich  die  darin  enthaltenen  Citate  mit. 

Nun  wäre  es  an  sich  zwar  nicht  unmöglich ,  dass  nach  Ana- 
logie der  biblischen  Schriften  auch  vom  Ignatios  im  Laufe  der 
nachphiloxenianischen  Zeit  eine  dritte  noch  buchstäblichere  Ueber- 
setzung nach  dem  griechischen  Urtexte  veranstaltet  worden  wäre. 
Es  wäre  ferner  möglich ,  dass  die  syrischen  Uebersetzer  die  vor- 
gefundenen Citate  aus  Ignatios  nach  dem  Texte  der  ihnen  etwa 
geläufigen  syrischen  Recension  dieses  Vaters  wiedergegeben  hätten. 
Auch  tragen  die  in  den  genannten  Schriften  enthaltenen  Citate 
allerdings  insgesammt  den  Charakter  einer  grösseren  ßuchstäb- 
lichkeit  nach  dem  gangbaren  griechischen  Texte  als  die  früher 
besprochenen  Fragmente  (zum  mindesten  in  den  auch  in  dem 
kürzeren  Syrer  enthaltenen  Abschnitten)  oder  auch  als  die  arme- 
nische Version.  Allein  alles  dies  erweist  natürlich  das  wirkliche 
Vorhandensein  einer  solchen  neuen  syrischen  Uebersetzung  keines- 
wegs. Das  Gegentheil  wird  vielmehr  wahrscheinlich  gemacht  durch 
Stellen,  welche  dem  Timotheos  und  Severus  gemeinsam  sind,  ins- 
besondre durch  ein  Citat  aus  Magn.  8.  Hier  weichen  beide  in 
ihren  Versionen    so    von    einander   üb,    dass    die   Benutzung  einer 


i)  Das  Nähere  über  alle  diese  Mss.  bei  Cureton  p.  357.  360. 


40        Lifsius ,  über  den  syrischen  Tejcl  der  Briefe  des  Ignalios. 

gemeinsamen  syrischen  Version  kaum  denkbar  erscheint  ^).  Grösser 
scheint  die  Verwandtschaft  in  der  Uebersetzung  von  Rom.  6: 
iniToiyjaTe  ^loi  fHfJ,rjTrjv  elvai  rov  nd&ovg  rov  &eov  f.iov  zu  sein : 
doch  verstanden  sich  hier  die  meisten  Ausdrücke  von  selbst,  daher 
denn  hier  auch  ein  sonst  völlig"  abweichendes  und  dem  oben  be- 
sprochenen weiteren  syrischen  Texte  angehöriges  Fragment  (bei 
Cureton  p.  296),  hier  mit  Timotheos  und  Severus  zusammenstimmt  2). 
Die  Stelle  ist  ausserdem  auch  noch  in  den  Fragmenten  IX,  Xlll 
und  XIV  citirt,  und  bei  Severus  gar  zweimal.  Trotzdem  ergeben 
sich  aus  der  Vergleichung  aller  dieser  Fragmente  eine  solche 
Reihe  von  kleinern  Varianten,  dass  die  Annahme  eines  allen  zu 
Grunde  liegenden  gemeinsamen  syrischen  Textes  unhaltbar  erscheint. 
Ja  nicht  einmal  der  üebersetzer  des  Severus  selbst  hat  die  Worte 
an  beiden  Stellen  völlig  gleichartig  ins  Syrische  übertragen  *). 


1) 
:  aij^  ]L>aaa:^  \iaAj  ,-^0  oiAj  13^  ooi  s-^ctioA*!  lai.1^  ,.^  T  i  m  0 1  h. 

l  \m,xm!^  ^QJLf  i-fcO  01^  OOI  PsO  OOI  ^OIOAjI  joi!^  fX»2    S  e  V  e  r. 

^  Jooi  V     .U^oAiÄ  Ol^A?  lAb:a:iD  «-lOloAjjj  OOI    Timotlu 

*^^     ;oiA^^  >_»010Aj]?  OOI     .Ol!^j5  IjÖ   007    Sever. 
.01ifj»2  001^  -^SIM  >0^1^»a05   001     .  cHSlJ  l£C\M    Timoth. 

♦  0l5,.A?  001^  'fSiM  >0,iD  ^^^1X^2  ^^  ,t.£XSxJ  \£)1\m   Sever. 

2)  Nur  beiläufig  sei  erwähnt,  dass  Herr  Denz in  ger  einen  Beweis  dafür, 
dass  Severus  mit,  kritischer  Sichtung  zu  Werke  ging ,  folglich  den  kürzeren 
syrischen  Text,  wenn  er  acht  wäre,  vorgezogen  haben  müsste,  davon  her- 
nimmt, dass  derselbe  in  der  einen  Stelle  (in  der  Schrift  adv.  imp.  gramm.)  die 

Bemerkung  einflicht,  statt  JLla^,^  (imitator)  finde  sich  in  älteren  Exem- 
plaren  f,^^l^.Z  (discipulus) ,    l.  c.    pag.  74.     Die  Variante   ist  natürlich   eine 

Variante  des  griechischen  Textes  fi.ad'rjrijv  für  fiifirirriv ,  beweist  aber  nur 
soviel ,  dass  Severus  mehre  Handschriften  des  Mediceischen  Textes  sah ,  dass 
dieser  also  zur  Zeit  des  Severus  der  allgemein  verbreitete  war :  eine  That- 
sache,  die  wir  ohnehin  schon  längst  festgestellt  haben,  die  in  der  vorliegenden 
Frage  aber  gar  nichts  entscheidet. 

3)  Hier  die  verschiedenen  Texte: 

•:•  «-toC^?  oiAx»9  )j.A^|.^  )ooih  «laI^  Qm£)h 

'  •  JSev.  adv.  gramm. 

•  v^oi.^9  oiA>j9   |ooi(  fpk^al^Z)  uA^  am^f) 

.  ^OtJ^J  \m^^1   looij    jXjVOy^?    ojt!b»  Qina]  Sev.Epithr.Serm. 
.^Oli^j  \m.m-)    iooi]    jlj-AliDj:^)    «-kli   oma]  Timoth. 
.«-^i^   \m.m\  tj.AiDjiö?    looil)    .-^^  uns]  fr.  p.  217  (IX). 
.  >..«ai2:^9  ^olOAjjj  JooiJ  }4-AiOr^?  t.*^  oms)}  fr.  p.  219  (XIII). 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.       4 1 

Aus  einzelnen  übereinstimmenden  Stellen  der  Fragmente  mit 
Severus  oder  Timotlieos  lässt  sich  ebenfalls  nicbt  viel  für  jene 
Annahme  erschliessen.  Denn  grade  bei  dem  Fragmente  XI, 
welches  am  nächsten  an  Severus  sich  anschliesst,  haben  wir  die 
Vermuthung  äussern  müssen,  dass  sie  vom  Severus  selbst  herrüh- 
ren; von  Fragm.  IX  und  X  ist  dies  gewiss.  Diese  Annahme 
wird  für  Fragm.  XI  auch  dadurch  bestätigt,  dass  ein  sonst  ziem- 
lich abweichend  citirter  Passus  aus  Eph.  7  bei  Fragm.  XI 
buchstäblich  zusammenstimmt  mit  Fragm.  X,  mit  Ausnahme  eines 
einzigen  interpretirenden  Einschiebsels  bei  X,  welches  Fragm.  XI 
nicht  kennt.  Der  Verfasser  der  Schrift  ferner,  .welcher  das  Fragm. 
XII  einverleibt  ist,  stimmt  allerdings  in  einer  Stelle  Smyrn.  6  (mit 
Ausnahme  von  ganz  unbedeutenden  Aenderungen)  wörtlich  mit  Ti- 
motheos ;  ein  ferneres  Citat  daselbst  aus  Eph.  7.  stimmt  wenig- 
stens im  Wesentlichen  mit  den  Stellen  (bei  Severus)  Fragm.  X  und 
XI;  obwol  hier  die  Uebereinstimmung  schon  nicht  mehr  so  buch- 
stäblich ist  (das  Fragm.  XII  schiebt  nach  den  zwei  ersten  Worten 
ein  fA^c  ein?  "öd  liest  weiter  unten  mit  Äthan.  Theod.  Gelas.  iv 
av^Qwno)  0-ibg,  |oii^  )^  i}^t  statt  des  von  X  und  XI  gebotenen 
Textes  ]oii^  Jaj]  AaO  (was    doch   wol  schwerlich  mit  Peter- 

mann  iv  av&gwnoig  d-eog  übersetzt  werden  kann).  Allein  derVer- 
fasser  der  fraglichen  Schritt  hat  jedenfalls  die  Werke  desTimotheos 
und  Severus  gekannt,  kann  also  auch  die  beiden  Citatc  von  dorther 
genommen  haben.  —  üeber  Fragm.  XIII  lässt  sich  nichts  ausmachen 
so  lange  sein  Ursprung  nicht  festgestellt  ist.  Ein  Citat  aus  Rom.  6. 
haben  wir  in  der  vorstehenden  Note  angeführt,  dasselbe  stimmt  am 
meisten  mit  Fragm.  p.  296.  Ausserdem  finden  sich  hier  noch  zwei 
Citate,  eins  aus  Eph.  18,  verwandt  mit  dem  kürzeren  Syrer,  doch  mit 
einigen  Aenderungen,  und  ein  andres  aus  Eph.  19,  verwandt  mit 
einem  Citate  bei  Timotheos,  doch  ebenfalls  ohne  durchgängige 
Uebereinstimmung  ^).     Folglich  liegt  auch  hier  keine  Textgestalt 

,^.*^-.5  loi2^5  U->^?  looil  ij-*:^^?  cA^  amal  fr.  p.  220  (XIV). 
.^cTi^))  ^c7ia«LK*9  ixj^^o:^  )ocn)9  ca^  qxiis>)  fr.  p.  296. 

1)   Eph.  18: 

]t'!^£iQZ  ^.iOloAjjj   OOI     I^Oa^^^   «-•.W09    Ifs*^    l'i'-  XIII. 

Ia>j^o  jljjsjaal^  ^y  ^a:i^  « ^ausL^l^iO  p9  ^^l^stj}]  Syr.  l. 
Ua»2:;;^o    Ijoioa!:^  ^5  ^J::^.   :  ,-AA^jOiiD   y?  ^jiXtlJ  fr.  XIII. 


42       Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  lynalios. 

vor,  welche  zur  Annahme  einer  dritten  selbständigen  syrischen 
Version  des  Ig-natios  iiöthigte.  Was  endlich  das  Fragui.  XIV  an- 
langt, so  haben  wir  das  einzige  Citat  aus  Rom.  6,  welches  das- 
selbe bietet,  ebenfalls  in  der  vorstehenden  Note  mitgetheilt,  und 
es  erhellt  schon  aus  einer  oberflächlichen  Vergleichung  der  zu- 
sammengestellten Texte,  dass  grade  dieses  Citat  zum  Schlüsse 
eine  ganz  eigenthümliche  Variante  bietet. 

Sonach  bleibt  es  bei  unserm  oben  hingestellten  Resultate, 
dass  weder  die  Citate  bei  Timotheos  noch  die  bei  Severus  noch 
auch  die  unter  Nr.  IX — XIV  zusammengestellten  eine  dritte,  buch- 
stäblich nach  dem  Qriechischen  gefertigte  syrische  Recensiou  der 
ignatianischen  Briefe  voraussetzen. 

Aus  dem  Gesagten  geht  sonach  hervor,  dass  wir  es  nach  wie 
vor  nur  mit  einer  doppelten  Recension  des  syrischen  Textes  zu 
thun  haben,  einer  kürzeren,  die  den  Vorzug  des  höheren  Allers 
für  sich  in  Anspruch  zu  nehmen  hat,  und  einer  weitern,  unter 
Benutzung  dieser  altern  Recension  und  des  damals  schon  herr- 
schenden griechischen  Textes  in  der  monophysitischen  Zeit  ge- 
machten ,  wie  solche  in  den  zuerst  von  uns  besprochenen  drei 
Fragmentensammlungen  und  in  der  armenischen  Uebersetzung  vor- 
liegt. Die  Bruchstücke  des  Timotheos ,  Severus  und  der  übrigen 
monophysitischen  Schriften  (Nr.  IX — XIV)  kommen  also,  sobald  es 
sich  um  Untersuchung  der  syrischen  Textgestalten  handelt,  nicht  in 
Betracht.  Handelt  es  sich  jedoch  um  den  Vorzug  des  kürzeren 
oder  jenes  weiteren  syrischen  Textes,  so  müssen  wir  zunächst 
nochmals  daran  erinnern,  dass  bei  Johannes  Monachos,  zu 
Ende  des  4.  Jahrhunderts,  noch  keine  Spur  von  den  im  weiteren 
Texte  enthaltenen  Zusätzen  sich  findet,  dass  vielmehr  sämmtliche 
von  diesem  Schriftsteller  benutzten  Citate  sich  auch  in  dem  kür- 
zeren Texte  finden.  Dies  ist  keine  gering  anzuschlagende  Unter- 
stützung unserer  schon  auf  anderm  Wege  gewonnenen  Ueberzeu- 
gung,  dass  jene  weitere  Recension  frühestens  nach  der  Mitte  des 
5.  Jahrhunderts  gemacht  worden  sein  kann.  Wir  müssen  sonach 
behaupten,  dass  Johannes  Monachos  im  4.  Jahrhundertc  zwar 
unsern  kürzeren  Text,  nicht  aber  die  Zusätze  des  weiteren  kennt. 

Eph.  19: 

l,.l^QiflO  >aji.:a3)  IZq^^oA::^  :  Jjoi  j.^!^:^^  IJO^iP  oiAi^^o  T im  o  t  h. 

.}ji.:i05  OlZOiD  uS>l    IZq^j^   r:*^  ^^     .Ca^?  Tim. 

,y^^2   ClZoiO  t.Si]o  Ua:iOj.Si  OlS  fr.  XIII. 

Zmn  Beweise ,  wie  leicht  übrigens  eine  üebereinstimmung  vieler  Worte  bei 
sonst  ganz  selbständigen  Versionen  stattfinden  könne ,  möge  man  hier  den 
Text  des  kürzern  Syrers  nachlesen. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignalios.       4  3 

Und  hierniit  stimmt  denn  auch  der  umstand  aufs  Beste  überein, 
dass  die  durch  Johannes  erhaltenen  Citate  buchstäblich  genau  mit 
dem  kürzeren  Texte  übereinkommen  ').  Dag-egen  w(iichen  sie  gleich- 
massig  mit  dem  Cureton'schen  Syrer  mehrfach  von  dem  Armenier 
ab,  und  in  der  einzigen  Stelle,  die  sich  zugleich  in  der  mit  Nr.  1 
bezeichneten  Fragmentensammluug  iindet,  auch  von  dem  von  dieser 
gebotenen  Texte  ^). 

Der  Vollständigkeit  halber  mag  schliesslich  eine  syrische  Ueber- 
setzung  der  5  ersten  Bücher  der  Kirchengeschichte  des  Eusebios 
Erwähnung  finden,  welche  auch  die  H.  E.  III,  36  citirten  drei 
ignatianischen  Stellen  enthält.  Cureton  hat  das  fragliche  Capitel 
unter  Nr.  III.  p.  202  —  204  abdrucken  lassen.  Die  Handschrift 
ist    nach    ihm    aus    dem    6.  Jahrhundert;    über   das  muthmassliche 


1)  In  sKmmtlichen  vier  Citaten,  die  Johannes  Monachos  bietet,  findet  sich 
auch  nicht  eine  einzige  Abweichung,  die  auf  eine  verschiedene  Texlgestalt 
schliessen  Hesse.     Die  ganzen  Abweichungen,  die  sich  vorfinden,  sind  folgende : 

in  dem  Citate  aus  Rom.  2.  edv  oicoTtijoTjre  xrX.  liest  er  statt  caJLJQÄJDjiZ  .  f 

(si  relinquetis  me)  «.AJ.iD  yC)Ci\mZ  >Q^  ^|   si  scilicet  taceatis  de  rae ;  hier 

weist  Johannes  einen  offenbaren  Schreibfehler  des  Syrers  auf,  und  schiebt  ein  >q!^ 

ein,   lediglich  zur  Anknüpfung  des  Citates  an  das  vorhergehende.     Unmittelbar 

nachher  leitet  er  die  Worte  joiJ^j  ]^   vT*  durch  ein  der  Deutlichkeit  wegen 

eingeschobenes   Jj)    ein;    im    übrigen    ist   dieses    Citat   buchstäblich  mit   Syr. 

übereinstimmend.  Von  den  3  andern  Citaten  stimmen  zwei,  das  aus  Rom.  3. 
Tors  k'oofiat  axX.    und    aus  Rom.  5.  fir^Siv  fia  ^rjXcöorj  xrX,   buchstäblich  mit 

Syr. ,  nur    dass   beide    Male  durch  5   an  das  Vorhergehende  angeknüpft  wird ; 

das   dritte   Citat   endlich   aus   Rom.    2.    xaXbv   ro   dvvai  xtX.    stimmt    ebenso 

buchstäblich,     nur    dass     er     statt    des    einfachen    OOl   '^3>.M    vielmehr    mit 

^!^  «.A^  OOl  '^JL^^IO  beginnt,  eine  umständlichere  Weise  der  Anknüpfung; 

das  einzige  «  >,^,  welches  Johannes  mit  Arm.  gegen  Syr.  bietet,  mag  bei  letz- 
terem irrthümlich  ausgefallen  sein. 

2)  Es  sind  dies  die  Worte  Rom.  5:  firjSiv  fis  ^rjXcoarj  rcov  OQatcav  xai  rcov 
aoqdtajv.  Hier  stimmt  Job.  Mon.  buchstäblich  mit  dem  Cureton'schen  Syrer ;  dage- 
gen schreibt  der  Sammler  (p.201)  .l^J  für  ^j,  und  _j].jjÄi£>  IJ5  -a^j]  -^O 
für    -aV-wAiß  IJJO,  letzteres  in  Uebereinstimmung  mit  der  syr.  Uebersetzung 

von  Eusebios.  Der  Armenier  geht  hier  mit  dem  kürzeren  Syrer,  hat  aber  in 
demselben  Citate  eine  andre  Variante,  indem  er  den  Infin.  ^i]Xcooai  für  ^rj- 
XcooT]  im  Griechischen  voraussetzt.  —  Von  den  übrigen  Abweichungen  des 
Armeniers  wollen  wir  vorläufig  erwähnen,  dass  er  die  Worte  iav  oiconrj- 
ar}xe  an^  ifiov,  iycli  yerriaofiai  Xoyos  (dies  der  von  Syr.,  Johann.  Mon.  vor- 
ausgesetzte Text)  mit  uam  si  siletis  a  me  verbo,  ego  pars  Dei  fiam;  das 
ndXiv  i'ooiuai  tpiovr}  mit  ndXiv  k'oofnai  xQixo^v  gibt.  In  der  Stelle  C.  3. 
setzt  er  xoo/um  für  iv  xoojuco  voraus ,  und  in  den  Worten  C.  2.  xaXov  ro 
Svvai  xxX.  giebt  er  Svvai  mit  congregari,  liest  dann  ab  hoc  mundo,  und  zu- 
letzt «tatt  eii  &s6v  ^joi^Jo)  vielmehr  tzqos  d'eöv. 


44       Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignaiios. 

Alter  der  üebersetzung  spricht  er  sich  jedoch  nicht  aus.  Merk- 
würdig- ist  die  Art  und  Weise,  wie  die  ignatianischen  Stellen  über- 
setzt sind.  Dieselben  sind  nämlich  nicbt  selbständig  aus  dem 
Griechischen  üßertragen,  sondern  stimmen  so  wörtlich  mit  dem 
kürzeren  syrischen  Texte  überein,  dass  die  Annahme  einer  Ab- 
hängigkeit von  demselben  ganz  unabweisbar  ist.  Dabei  hat  die 
Uebersetzung  aber  die  Eigenthümlichkeit,  dass  sie  allenthalben  da 
vom  syrischen  Texte  abweicht,  wo  derselbe  eine  von  Eusebios 
bedeutend  verschiedene  Lesart  zu  bieten  schien.  So  lässt  sie 
Rom.  4.  xa&aQog  uqtoq  d^tov  das  Wort  d^eov  weg.  Rom.  5  über- 
setzt sie  d^T]Qiof^ax(o  und  dvaifj.7]v  wörtlicher  nach  dem  Griechischen, 
lässt  in  den  Worten  ovx  ojgntg  . . .  /Ji/;äyTO  zwei  Zusätze  des  Syrers 
weg  (während  er  grade  hier  im  übrigen  dessen  Abweichungen 
theilt),  übersetzt  üxovra ,  welches  Syr.  nicht  ausgedrückt  hatte, 
liest  die  bei  Syr.  (wol  irrthümlich)  fehlenden  Worte  iyü)  yivwaxw. 
vvv  aQ^oiÄUL  fia&TjT^g  elvai^  übersetzt  &7]giwv  te  avaraoug  wört- 
licher, und  bietet  statt  xaxal  xoXuattg  vielmehr  xal  xoXuatig. 

Schwieriger  ist  die  andre  Frage,  ob  Eus.  Syr.  die  kürzere 
oder  weitere  syrische  Recension  voraussetzt.  Die  wörtliche  Ueber- 
einstimmung  mit  der  einen  ist  nach  unserer  obigen  Erörterung  in 
den  gemeinsamen  Stellen  auch  wörtliche  Uebereinstimmung  mit  der 
andern.  Stellen,  die  bei  dem  kürzeren  Syrer  fehlten,  sind  ausser 
Smyrn.  3  bei  Eus.  Syr.  nicht  vorhanden,  und  für  diese  letztere 
Stelle  liegt  wieder  kein  Fragment  des  weitern  Textes  zur  Ver- 
gleichung  vor.  Der  Armenier,  welcher  grade  hier  einen  ziemlich 
secundären  Text  bietet,  kann  nicht  ohne  weiteres  als  Reprä- 
sentant dieses  zweiten  Textes  betrachtet  werden. 

Die  Wahl  zwischen  der  doppelten  Möglichkeit  also,  dass  Eus. 
Syr.  entweder  nach  dem  kürzeren  Syrer,  soweit  derselbe  vorhan- 
den war,  und  in  der  Smyrnäer- Stelle  selbstständig  aus  dem  Grie- 
chischen, oder  aber  nach  dem  weiteren  Syrer  durchweg  übersetzt 
habe,  kann  lediglich  abhangen  von  der  Betrachtung  des  Verhält- 
nisses, in  welchem  er  zu  der  beiderseitigen  Textgestalt  steht. 
Obgleich  wir  nun  die  abschliessende  kritische  Vergleichung  der 
beiden  Textgestalten  selbst,  für  welche  noch  anderweitige  Erhe- 
bungen zu  machen  sind,  auf  den  nächsten  Abschnitt  aufsparen  müs- 
sen ,  so  möge  doch  für  Eus.  Syr.  soviel  vorausgeschickt  werden, 
als  nÖthig  ist  demselben  seine  Stellung  zu  der  einen  oder  andern 
Textgestalt  anzuweisen.  Freilich  ist  auch  diese  Entscheidung 
schwierig,  einmal  weil  nach  dem  Obigen  auf  jeden  Fall  Verände- 
rungen mit  dem  syrischen  Texte  zu  Gunsten  des  griechischen  Eus. 
vorgenommen  worden  sind,  und  sich  nun  nicht  mit  Sicherheit 
beurtheilen  lässt,  wie  weit  sich  diese  Aenderungen  erstreckt  haben 
mögen ;  sodann  aber  auch,  weil  die  uns  zu  Gebote  stehende  Anzahl 
und  Bedeutung  der  Varianten  nicht  eben  hoch  anzuschlagen  ist. 

In  der  Stelle  Rom.  4.  onog  . , .  tvgt&ai  erstrecken  sich  die 
Aenderungen  bei  Eus.  Syr.  auf  Einschiebung  eines  >q^^  nach  }^\>, 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.       45 

welches  überhaupt  ein  Liebliiig-swort  dieses  üebersetzers  zu  sein 
scheint,  dann  auf  die  gemeldete  VVeglassung-  des  d^eov  und  die 
Üebersetzung  des  y.ad^uQog  mit  \x:^-i  statt  mit  j^j.  Die  Abwei- 
chungen der  Fragmente  sind  indessen  auch  nur  ganz  unbedeuten- 
der Art.  Rom.  5  ist  Fragm.  11  p.  201)  erst  von  den  Worten 
Gvyyvwf.irjv  (.loi  f/jtt  an  vorhanden.  Syr.  Eus.  bietet  hier  mit  Fragm. 
11  und  Arm.  die  bei  Syr.  weggelassenen  Worte  iyio  ytrcoaxu)  .  , . 
jLia&.  ilvai,  wo  Letzterer  wol  im  Irrthume  ist,  übersetzt  das  xal 
noguTMi'  mit  Fr.  11  gegen  Syr.  Job.  Mon.  Arm.  durch  wie- 
derholtes _a2^j)  _i:£>>    liest  xui  oxognia^wl    ooiiwv    xai    avyxonul 

(.ihh7)v  gegen  Syr.,  der  das  eine  xai  weglässt  und  die  Worte  um- 
stellt (den  Plural,  gegen  alle).  Doch  ist  an  letzterer  Stelle  wol 
auch  ein  Irrthum  des  Abschreibers  bei  Syr.  anzunehmen.  Mit  Syr. 
gegen  das  Fragment  und  gegen  Arm.  stimmt  die  Weglassung  des 
secundären  Zusatzes  ötaigtatg  (entsprechend  den  Worten  von  Colb. 
etc.  uvuTO/Liai ,  dmiQfoet<;)  eine  einzige,  aber  desto  bedeutsamere 
Variante,  auf  die  wir  weiter  unten  nochmals  zu  sprechen  kommen, 
womit  man  die  schon  oben  berührte  Lesart  xul  xoXaaig  für  xuxul 
xoXftGeig  (Syr.)  vergleichen  möge,  weil  Fr.  11  Arm.  hier  den 
vermittelnden  Text  xal  xnxal  xoXaaetg  bieten.  Die  Abwei- 
chungen des  Fragments  oder  des  Armeniers  allein  übergehn  wir,  und 
heben  in  dem  vorhergehenden  Worten,  jvo  das  Fragment  noch  nicht 
vorhanden  ist,  die  Variante  xal  tv/^of-iai  mit  Syr.  hervor,  weil  sie 
sowol  gegen  den  Armenier  als  auch  gegen  Eus.  Gr.  und  den 
damals   ziemlich  verbreiteten  Text  des   Griechischen  zeugt. 

Das  Ergebniss  bleibt  sonach  dieses,  dass  eine  Uebereinstim- 
mung  des  Eus.  Syr.  mit  unserem  Syrer,  wenn  auch  nicht  als  un- 
umstö'sslich  gewiss,  so  doch  gegenüber  gewissen  Merkmalen  von 
secundärem  Ursprung,  die  der  andre  Text  verräth,  als  wahrschein- 
lich  angenommen  werden  darf. 

Hiermit  wären  wir  am  Ende  dieses  Abschnittes  unserer  Unter- 
suchung   angelangt  '),     Wir    haben    uns    von    dem   Vorhandensein 


1)  Absichtlich  ist  in  obenstehender  Erörterung  einer  syrischen  üeber- 
setzung einer  grösseren  Stelle  des  Römerbrief'es  (vom  Anfange  an  bis  zu  den 
Worten  Cap.  2  näXiv  eoofiairQixtov)  keine  Erwähnung  geschehn,  welche  sich 
in  einer  syrischen  üebersetzung  der  Mürtyreracten  des  Ignatios  vorfindet. 
Diese  üebersetzung  bietet  nämlich  zur  Entscheidung  der  obigen  Fragen  darum 
keinen  weiteren  Anhaltepunkt  dar,  weil  sie  völlig  selbständig  aus  dem  Grie- 
chischen genommen  ist.  Was  vom  Römerbriel'e  den  Märtyreractcn  einver- 
leibt war,  wurde  zugleich  mit  diesen  ins  Syrische  ohne  Benutzung  einer  schon 
vorhandenen  syrischen  üebersetzung  übertragen.  Wichtig  dagegen  ist  die- 
ses Fragment  für  die  Beurtheilung  der  verschiedenen  Handschriften  und  Fland- 
schriftenfamilien,  indem  es,  völlig  unabhängig  von  unscrm  Syrer,  einen  vielfach 
mit  diesem  übereinstimmenden  Text  bietet.  In  dieser  Hinsicht  wird  im  näch- 
sten Abschnitte  von  besagtem  Fragment  mehrfach  die  Rede  sein,  und  es  ist 
nur  zu  beklagen,  dass  das  Manuscript  unvollständig  ist,  und  uns  dadurch  der 
ganze  Rest  dieser  üebersetzung  des  Römerbriefes  verloren  gegangen   ist.    Das 


46       Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignaüos. 

eines  kürzeren  und  eines  weiteren  syrischen  Textes  überzeugt; 
für  jenen  sprach  das  höhere  Alter  und  seine  bis  ins  4.  Jahrhun- 
dert zurückgfehende  Bezeugung;  für  diesen  der  nachweisliclie  Ge- 
brauch in  der  inonophysitischen  Zeit.  Doch  konnten  wir  diesem 
gegenüber  die  Spuren  eines  spatem  Gebrauches  auch  des  kürze- 
ren Textes  aus  dem  Alter  seiner  drei  Handschriften  selbst,  und 
nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  aus  einer  syrischen  üebersetzung 
des  Eusebios  nachweisen,  während  umgekehrt  der  nur  in  der  nio- 
nophysitischen  Zeit  nachweisbare  weitere  Text  dem  starken  Ver- 
dachte späterer  Ueberarbeitung  nach  dem  Griechischen  sich  aus- 
setzte und  sogar  anerkannt  unächte  Briefe,  als  Verräther  der 
vorgenommenen  Fälschungen  schon  zu  Ende  des  5.  Jahrhunderts, 
spätestens  zu  Anfang  des  6.,  umfasste. 

Es  ist  nun  unsere  Aufgabe,  das  Verhältniss  der  beiderseiti- 
gen Textgestalt  noch  genauer  zu  ermitteln.  Hierzu  ist  aber  ein 
Eingehn  auf  die  Beschaflenheit  der  griechischen  Textfamilien  un- 
erlässlich.  Zudem  muss  eine  solche  Untersuchung  auch  den  an- 
dern ebenso  wichtigen  Beweis  führen,  dass  jener  syrische  Text, 
welcher  durch  seine  patristische  Bezeugung  und  die  Beschaffen- 
heit seiner  Handschriften  ein  höheres  Alter  in  Anspruch  nimmt, 
auch  wirklich  in  seinen  Lesarten  zum  mindesten  mit  den  vorzüg- 
lichsten und  relativ  am  wenigsten  verunstalteten  Handschriften 
übereinstimme. 


3.    Das  Verhältniss  des  syrischen  Textes  zu 
den  übrigen  Textfamilien. 

Die  Textkritik  der  ignatianischen  Briefe  liegt  bis  jetzt  noch 
ziemlich  im  Argen.  Als  positives  Ergebniss  der  bisherigen  Unter- 
suchungen kann  nur  das  Eine  angesehen  werden ,  dass  unter  den 
beiden  griechischen  Textgestalten  die  kürzere  den  Vorzug  vor 
der  weiteren  verdient,  diese  letztere  aber  als  eine  spätere  Ueber- 
arbeitung und  Erweiterung  der  ersteren  angesehen  werden  muss. 
Ein  anderes,  freilich  nur  negatives  Resultat  der  bisherigen  For- 
schungen aber  ist  dieses,  dass  auch  der  kürzere  griechische  Text 


Manuscript  findet  sich  Brit.  Mus.  Add.  Mss.  7200 ,  und  soll  nach  dem  Verfas- 
ser des  Catalogs  aus  dem  13.  Jahrb.,  nach  Curetons  Urtheil  jedoch  älter  sein. 
Ein  andres  Manuscript  erwähnt  Assemani,  Bibl,  Orient.  I,  p.  606.  Cod.  I, 
Nr.  28  und  Acta  Martyrum  Orientalium  et  Occidentalium  Vol.  II,  p.  5,  Nr.  15. 
Ebenso  soll  schon  nach  Assemani,  Bibl.  Orient.  I,  618,  XV.  eine  kopti- 
sche Uebertragung  dieser  (syrischen)  Märtyreracten  existirt  haben;  und  Cure- 
ton lässt  zwei  Notizen  abdrucken,  p.  362  f.,  eine  von  Peyron  (Lex.  Linguae 
Copticae.  Taurinae  1835  praef.  p.  XXV)  über  ein  in  der  Bibliothek  zu  Turin, 
und  eine  von  Tattam  über  ein  in  der  Vaticana  zu  Rom  vorhandenes  Manu- 
script der  koptischen  MärtjTeracten.  Doch  ist  über  keins  dieser  Manuscripte  be- 
richtet ,  wie  viel  sie  vom  Römerbriefe  enthalten  haben. 


Lipsiufi ,  über  din  syrischen  Tezl  der  Briefe  des  Ignalios.       47 

an  einer  Reihe  von  Stellen  nicht  der  vorzüglichste  ist,  sondern 
emendirt  werden  inuss  nach  den  durch  Citate  und  Versionen  ander- 
weit darg-ebotencn  Hilfsmitteln.  Diese  letzteren  sind  mit  grosser 
Vollständigkeit  von  Petermann  und  Cureton  zusammengetra- 
gen,  und  was  den  erstem  anlangt,  durchgängig  mit  anerkennens- 
werther  Sorgfalt  verglichen  worden.  Die  Herstellung  eines  cor- 
recteren  Textes  seihst  aber,  auf  Grund  dieser  Hilfsmittel  und 
theilweise  auch  auf  Grund  der  längeren  griechischen  Recension 
ist  zwar  angebahnt  worden  in  der  Pe  ter  m  an  n'schen  Ausgabe, 
aber  nur  auf  rein  empirischem  Wege,  indem  ohne  vorgängige 
üntersuchunsf  über  den  Werth  der  verschiedenen  Zeugen,  nur 
deren  grössere  oder  geringere  Anzahl,  in  Verbindung  mit  inne- 
ren Gründen  in  jedem  einzelnen  Falle  zur  Richtschnur  genommen 
wurde  ^). 

Dieser  Mangel  an  allgemeinen  kritischen  Principien  musste 
natürlich  auch  auf  die  Beurtheilung  des  syrischen  Textes  einen 
überaus  nachtheiligen  Einfluss  üben.  Auch  eine  noch  so  eingehende 
Erörterung  einzelner  Lesarten,  wie  sie  seit  Bunsen  mit  einer 
Reihe  von  Stellen  vorgenommen  worden  ist,  konnte  zu  keinem 
oder  nur  zu  einem  sehr  unsichern  Resultate  führen,  so  lange 
nicht  das  Verhältniss  dieses  Textes  zu  den  übrigen  Textfamilien 
im  Allgemeinen  festgestellt  war.  Eine  solche  Feststellung  aber 
war  hinwiederum  deshalb  zur  Zeit  noch  unmöglich ,  weil  alles 
Material  hierzu  fehlte,  solange  das  Verhältniss  der  übrigen  Text- 
gestalten zu  einander  und  der  grössere  oder  geringere  Werth  der 
einen  oder  der  andern  noch  nicht  bestimmt  war.  Selbstverständ- 
lich fehlte  sonach  auch  jede  sichere  Grundlage  zu  einer  Ver- 
gleichung  des  kürzeren  syrischen  Textes  mit  dem  nach  dem  vor- 
hergehenden Abschnitte  vorauszusetzenden  weiteren ,  vornehmlich 
mit  dessen   Hauptrepräsentanten,  der  armenischen  Version. 

Unsere  gegenwärtige  Untersuchung  wird  sich  daher  zunächst 
auf  eine  Erörterung  sämmtlicher  vorhandener  Textgestalten  im 
Allgemeinen  zu  erstrecken  haben :  es  ist  die  Frage  aufzuwerfen 
nach  dem  Vorhandensein  verschiedener  Textfamilien,  ihrem  gegen- 
seitigen Verhältnisse  und  Werthe,  der  Einordnung  der  verschiede- 
nen Handschriften,  Uebersetzungen  u.  s.  w.  in  die  etwa  vorhan- 
denen Familien,  und  soweit  dies  möglich,  einer  Beurtheilung  des 
Werthes  dieser  einzelnen  Documente  wieder  unter  einander  inner- 
halb des  Bereichs  ihrer  gemeinschaftlichen  Familien.  Erst  wenn 
dieses  geschehen,  sind  wir  im  Stande,  das  Verhältniss  der  beiden 
syrischen  Recensioneu  theils  zu    den    übrigen  Recensionen,    theils 


1)  Die  oeue  Ausgabe  der  Patres  Apostolici  von  D  res  sei,  sonst  in  vieler 
Hinsicht  so  danicenswerth ,  genügt  in  der  von  uns  bezeichneten  Beziehuiig  den 
kritischen  Ansprüchen  so  wenig,  dass  sie  im  Vergleich  mit  Petermanns  Ar- 
beit sogar  als  ein  Rückschritt  bezeichnet  werden  rauss.  Vgl.  meine  Anzeige 
im  Literarischen  Centralblatt  1857,  Nr.  1. 


48       Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios. 

aber  auch,  so  weit  dies  mög-licli  sein  wird,  unter  einander,  zu  er- 
kennen. Hierbei  wird  ein  besonderes  Augenmerk  noch  auf  die 
armenische  Version  gerichtet  werden  müssen,  insbesondere  auch 
in  den  beim  kürzeren  Syrer  nicht  enthaltenen  Briefen  und  Brieiab- 
schnitten. 

Wir  handeln  daher:  a)  von  dem  Vorhandensein  verschiedener 
Textfarailien  der  ignatianischen  Briefe  überhaupt  und  deren  Ver- 
hältnisse  unter  einander  im  Allgemeinen;  b)  von  der  armenischen 
Version  insbesondere;  c)  von  dem  Verhältnisse  des  kürzeren  syri- 
schen Textes,  theils  zu  den  übrigen  Textgestalten  überhaupt, 
theils  speciell  zu  der  weiteren  syrischen  Recension. 

a.    Von  dem  Vorhandenseiu  verschiedener  Text- 
familien   überhaupt    und    deren    Verhältnisse 
unter  einander. 

Voran  stellen  wir  eine  üebersicht  sämmtlicher  uns  zu  Gebote 
stehenden  handschriftlichen  Documente.  Der  kürzeren  griechi- 
schen Recension  gehören  an:  der  Codex  Mediceus  (Ephe- 
ser.  Magnesier,  Trailer,  Philadelphener,  Smyrnäer,  Polykarp; 
Maria  Cassabolita,  Tarser),  der  Codex  Casanatensis  (für  die- 
selben Briefe)  und  der  Codex  Colbertinus  (Römer);  desgleichen 
ein  Codex  Parisinus  für  ein  Fragment  aus  dem  Epheserbriefe 
(C.  18.  o  yuQ  d-tog  tj^iwv  bis  zum  Schlüsse  von  C.  19)  i).  Die  dieser 
kürzeren  griechischen  Recension  entsprechende  lateinische  üeber- 
setzung  ist  vorhanden  in  der,  nach  dem  seitdem  verschollenen  Co- 
dex Montacutiensis  veranstalteten  Ausgabe  von  üsher,  sowie 
in  dem  Codex  Cajensis  (im  Cajuscollege  in  Cambridge).  Wir 
bezeichnen  vorläufig  sämmtliche  dieser  kürzeren  griechischen  Re- 
cension angehörigen  Handschriften  mit  A.,  die  griechischen  mit 
Gr.  A.,  die  lateinischen  mit  Lat.  A. 

Von  den  Handschriften  der  weiteren  griechischen 
Recension  waren  bisher  verglichen:  Griechische:  Cod. 
Augustanus  (aus  welchem  die  Ausgabe  des  Pacaeus  geflossen 
ist)  und  Cod.  Nydprucciensis  (Grundlage  der  Gesner'schen 
Ausgabe);  ferner  ein  Cod.  Florentinus  und  ein  Cod.  Lei- 
cestrensis,  beide  verglichen  insbesondre  für  den  Brief  an  Poly- 
karp; ein  Cod.  Thuanus  (früher  im  Besitze  von  de  Thou;  aus 
ihm  einige  Varianten  in  älteren  Editionen  angemerkt) ,  ausserdem 
ein  ungenanntes,  dem  Texte  A  in  auffallender  Weise  wieder  nahe 
tretendes  Manuscript,  von  welchem  ältere  Editionen  Varianten  be- 
richten 2),     Lateinische:    zwei  Oxforder  Codd.,   Magdalen- 


1)  Cod.  950  ßibl.  Paris,  fol.  165.  Er  enthält  neben  andern  patristischen 
Fragmenten  dieses  ignatianische  unter  Nr.  26. 

2)  Ein  Manuscript  war  in  Pearson's  Händen  und  enthielt  7  Briefe  in 
folgender  Ordnung:  Trailer,  Magnesier,  Philadelphener,  Smyrnäer,  Polykarp, 
Epheser,  Römer.     Vindiciae  Ignat.  I,  C.  6. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios.       49 

sis  und  Baliolensis,  ferner  ein  Codex,  der  früher  im  Besitze 
des  Petavius  war  (Cod.  Petavianus),  und  wie  es  scheint  noch 
melire  andre  ungenannte  Codd.,  welche  älteren  Herausgebern  zur 
Verfügung  gestanden  haben,  und  wenigstens  in  einzelnen  Varian- 
ten auf  uns  gekommen  sind').  Durch  Dressel  ist  nun  der 
handschriftliche  Apparat  bedeutend  vermehrt  worden.  Es  kom- 
men jetzt  folgende  Codd.  hinzu:  Griechische:  Cod.  Vatica- 
nus  859,  und  der  aus  gleicher  Quelle  geflossene  Cod.  Otto- 
bonianus  348,  beide  für  Trailer,  Magnesier,  Tarscr,  Philipper, 
Philadelphener,  Smyrnäer,  Polykarp,  Antiochener,  Ueron,  Kpheser, 
Römer;  ferner  Cod.  Regius  .30,  ein  Fragment  des  Epheser- 
bricfes  enthaltend;  JManuscript  Barberinum  68,  die  Abschrift 
eines  verloren  gegangenen  Cod.  Vatic. ,  enthaltend  die  Briefe  an 
Maria  Cassab.,  an  die  Trailer,  Magnesier,  Tarser,  Philipper,  Phi- 
ladelphener,  Smyrnäer,  Polykarp,  Antiochener,  Heron,  Epheser, 
Römer,  endlich  ein  Cod.  Medicaeus  (Plut.  VII,  num.  21)  für 
dieselben  Briefe  mit  Ausnahme  des  Briefs  an  Maria  Cassab.  Die 
genannten  Handschriften  sind  bei  Dressel  durch  Codd.  VORBF 
bezeichnet.  Unter  ihnen  stimmt  Cod.  0  namentlich  in  den  Rand- 
bemerkungen einerseits  mit  dem  besonders  zum  Polykarpbriefe 
verglichenen  Cod.  Florentinus,  andrerseits  mit  dem  oben  erwähn- 
ten unbekannten  Manuscript,  dessen  wie  es  scheint  sehr  sorgfäl- 
tig verglichenen  Varianten  sich  fast  sämmtlich  im  Cod  0  wieder- 
finden. Zu  den  lateinischen  Codd.  endlich  kommen  durch 
Dressel  hinzu:  Cod.  Regius  81  (Reg.  bei  Dressel)  und  Cod. 
Palatinus  150  (Pal.),  beide  für  12  Briefe  des  Ignatios  (mit 
Ausschluss  des  Briefes  der  Maria  Cassabolita  an  Ignatios. 

Unter  den  übrigen  Documenten  nennen  wir  zuerst  die  in  der 
Hauptsache,  wie  gezeigt  werden  wird,  dem  Texte  von  A  ent- 
sprechende Recension  des  Römerbriefs  in  den  dem  Simeon  Me- 
taphrastes  zugeschriebenen  Märtyreracten  - )  [imcU  einem  Cod. 
Laurentinus  und  zwei  Pariser  Codd.  [Cod.  1490  und  1531],  zu 
denen  jetzt  noch  drei  neue  von  Dressel  verglichene  römische 
Codd.  kommen,  die  Codd.  A,  E,  N,  vgl.  Dressel  prolegg. 
p.  IjVII  und  LX).  Hieran  reihen  wir  die  patristischen  Citate,  bei 
Eirenaeos,  Origenes,Theophilos,Eusebios,  Johan- 


1)  Vgl.  das  Nähere  bei  Jacobson,  in  den  Prolegoinenen  zum  ersten 
Bande  seiner  Patres  Apostolici. 

2)  Abgedruckt  bei  Cotelier  im  2.  Bande  der  Patres  App.  und  aufs  Neue 
bei  Petermann  und  Dressel.  Was  die  übrigen  Martyrien  betnfl"t,  so 
ist  aus  dem  des  Codex  Colbertinus  der  Uömerbrief  der  kürzeren  gricchisehea 
Uecension  geflossen;  das  Menaeum  Graecorum  zum  2Ü.  December  giebt  ausser 
einer  kurzen  Biographie  nach  iilteren  Martyrien  nur  ein  etwas  zurechtgemachtes 
Citat;  das  griechische  Martyrium  bei  Dressel  S.  308  11".  (aus  einem  Cod.  Vat., 
Nr.  866)  und  das  hieraus  abgeleitete  von  U  s  h  e  r  aus  dem  (Jodex  (^ottonia- 
nus  und  vollständiger  von  B(»lland  und  Henschen  aus  mehren  andern  Codd. 
herausgegebene  lateinische  Martyrium ,  enthalten  den  Hömerbriel'  nicht. 

Abhandl.  d.  DMG.  I,  5.  4 


50        Lipsias,  über  den  sijrisvhen  Text  der  Briefe  des  lijnaiios. 

nes  Chrysostomos,  Rufinus,  Hieronymus,  Athana- 
sios,  Thcodoret,  Gelasius,  Dionysios  Areopagites, 
Gildas,  Stephan  Gobaros,Anastasios  Sinaites,  An- 
tioc li  o  s  JVi  o  n  a  c  h  o  s  ,  im  C  b  r  o  n  i  c  o  n  P  a  s  c  li  a  1  e  ,  bei  M  a  - 
xiinus,  Andreas  Cretensis,  Johannes  Damascenus, 
Antonius  Melissa,  Beda,  Theodoros  Studites  u.  s.  w. 
Von  ihnen  sind  einzelne  durch  die  grössere  Masse  ihrer  Citate 
für  die   Textkritik  von  bedeutender  Wichtigkeit. 

Unter  den  syrischen  üebersetzungen  steht  obenan  der  kür- 
zere Syrer,  dessen  Text  unsere  grösste  Aufmerksamkeit  be- 
ansprucht: diesen  Text  bezeichnen  wir  im  Laufe  unserer  Unter- 
suchung einfach  mit  S  y  r.  Dann  folgt  der  mit  unserm  Syr.  ver- 
wandte Text  des  Joannes  Monachos  und  des  Eus.  Syr.,  deren  all- 
gemeines Verhältniss  wir  oben  schon  erörtert  haben.  Die  längere 
syrische  Textgestalt  wird  vertreten  durch  die  Fragmente  I 
(p.  197  ff.),  II  (P-  ^01  f.)  und  p.  296  bei  Cureton;  ferner  durch 
die  armenische  Uebersetzung  (Arm.)  ^ ).  In  der  Hauptsache  den 
Text  von  A  bieten  Timotheus  Alexandrinus,  Severus 
Antiochenus  und  die  Fragmente  IX  —  XIV  bei  Cureton. 
Selbständig  von  allen  steht  noch  eine  syrische  Ueber- 
setzung der  ersten  Capitel  des  Römerbriefs  in  den  syrischen 
Märtyreracten,  und  endlich  eine  armenische  Uebersetzung 
des  vollständigen  Römerbriefs  in  den  direct  aus  dem  Griechischen 
übersetzten  armenischen  Märtyreracten.  Erstere  bezeichnen  wir 
mit  Syr.  2 ,  letztere  mit  Arm.   2. 


Wir  müssen  bei  unserer  Untersuchung  beginnen  mit  einer 
kritischen  Ehrenrettung  des  weiteren  griechischen  Textes  (B).  Man 
hat  sich,  seitdem  die  in  demselben  zahlreich  enthaltenen  Interpola- 
tionen als  solche  anerkannt  waren,  gewöhnt,  die  ganze  Textge- 
stalt B  ohne  Weiteres  als  secundär  anzusehen.  Allein  hier  ist  ein 
Unterschied  zu  machen.  .Selbstverständlich  sind  die  Interpolationen 
von  B  ohne  Belang  für  eine  Kritik,  die  sich  die  Erforschung  der 
relativ  ältesten  Textgestalt  zum  Ziel  steckt.  Allein  der  Text  B, 
wie  er  vorliegt,  setzt  doch  einen  älteren  Text  voraus,  den  der 
Interpolator  vorfand,  und  den  er  überarbeitete.  Nun  aber  entsteht 
die  Frage,  wie  wol  dieser  vom  Interpolator  voraus- 
gesetzte Text  sich  zu  dem  Texte  A  möge  verhalten 
haben.  Fassen  wir  dieses  Verhältniss  genauer  ins  Auge,  so  er- 
gibt sich ,  dass  B  an  einer  ziemlich  bedeutenden  Reihe  von  Stel- 
len andre  Lesarten  als  A  bietet,  die  nicht  auf  Rechnung  des 
Ueberarbeiters  gesetzt  werden  können.  Dieselben  beziehen  sich 
theils  auf  einzelne  abweichende  Ausdrücke,  theils  auf  Weglassung 


1)  Bei  Peter  mann  nach  der  editioConstantinopoUtana  (1783)  abgedruckt. 

2)  bei  P  e  t e rin  an n    nach    A  u  c  h  e  r   vitae  Sanctorum  (Tom.  X)    abge- 
druckt. 


Lipsius ,  übrr  dm  syrischen  Text  der  liriefe  des  ignnU(ts.        51 

einzelner  Worte,  tlicils  endlich  auf  kleinere  Zusätze ;  als  ihr  unter- 
scheidendes Merkmal  aber  von  den  dem  Interpolator  angehÖrigen 
VerJinderuni^en  kann  im  Allgemeinen  nur  dieses  ang-egcben  wer- 
den, dass  sie  nicht  wie  jene  den  Charakter  späterer  Erweiterun- 
gen tragen  j  oder  dass  für  sie  kein  Grund  sich  denken  lässt, 
warum  ein  Späterer  sie  hätte  mit  Beseitigung  der  Lesarten  von 
A  in  den  Text  einschwärzen  sollen.  Nun  ist  zwar  nicht  zu  leug- 
nen, dass  eine  solche  Scheidung  des  urspriinglicii  vom  Interpola- 
tor Vorgefundenen  und  des  durch  ihn  in  den  Text  ^Eingedrungenen 
an  sich  ein  ziemlich  schwieriges  und  missliches  IJegirsnen  ist,  weil 
hierbei  vieles  mehr  von  dem  sul>jectiven  Gefühle  des  Kritikers, 
als  von  einem  objectiv  feststehenden  Kriterium  abhängt.  Auch 
räumen  wir  von  vornherein  ein  ,  dass  an  einer  Reiiie  von  Stellen 
die  üeherarbeitungen  so  durchgreifend  sind,  dass  es  liier  geradezu 
zur  Unmöglichkeit  wird,  das  ITrsprüng-liche  von  den  späteren  Zu- 
sätzen zu  sondern.  Indessen  ist  das  Letztere  doch  nicht  allent- 
halben in  gleichem  Maasse  der  Fall.  Ein  einziger  Blick  auf  die 
beiden  Textgestalten  kann  lehren,  dass  die  beiden  Briefe  an  die 
Römer  und  an  Polykarp  von  spätem  Zusätzen  durch  den  Inter- 
polator B  bei  weitem  weniger  entstellt  sind,  als  die  Briefe  an  die 
Magnesier  und  Trailer  oder  gar  die  an  die  Smyrnäer  und  Phila- 
«lelphener.  Im  Epheserbriefe  aber  ist  wenigstens  der  Anfang 
ziemlich  rein  von  solchen  Interpolationen,  und  erst  vom  2.  Capitel 
an  werden  dieselben  zahlreicher.  Wir  können  hierbei  niciit  unter- 
lassen, wenigstens  im  Vorbeigehn  auf  die  eigenthümliche  Erschei- 
nung aufmerksam  zu  machen ,  dass  grade  der  Bömerbrief  und 
Polykarpbrief  auch  bei  Syr.  sich  linden ;  was  aber  den  Epheser- 
hrief  betrifft,  so  linden  sicli  die  grössten  Interpolationen  von  B 
grade  in  den  Capiteln,  welche  Syr.  nicht  kennt:  daher  sich  sagen 
lässt,  dass  die  bei  Syr.  fehlenden  Briefe  und  Abschnitte  späteren 
üeherarbeitungen  am  meisten  ausgesetzt  waren.  Liegen  aber  bei 
B  überhaupt  Briefe  und  Abschnitte  vor,  welche  dem  \  erdachte 
späterer  Interpolation  weniger  unterworfen  sind,  so  werden  diese 
selbstverständlich  mit  grösserer  Sicherheit  einen  Schluss  zu  ziehn 
erlauben  auf  die  dem  üeberarbeiter  ursprünglich  vorliegende  Text- 
gestalt; und  wir  werden  in  solchen  Stellen  nicht  befugt  sein, 
etwaige  Varianten  ohne  Weiteres  für  später  eingedrungen  zu  er- 
klären. 

Einen  festeren  Anlialtepunkt  aber  gewinnen  wir  durch  die 
Erscheinung,  dass  theils  die  patristischen  Citute,  theils 
die  syrischen  und  armenischen  Versionen  in  einer 
grossen  Anzahl  von  Stellen  die  abweichende  Les- 
art von  B  bestätigen.  Diese  Thatsachc,  die  wir  hier  ein- 
fach hinstellen,  die  aber  im  Laufe  der  Untersuchung  sich  erweisen 
wird,  zeigt  hinreichend,  dass  allerdings  in  dem  vom  Interpolator 
vorgefundenen  Texte  von  B  eine  eigenthümliche,  von  A  abwei- 
chende Texfrecension   vorliegt.      Denn  es   leuchtet  ein,  dass  durch 

4* 


52       Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Brii'fe  des  Ignalios. 

die  üebereinstimniung  der  Väter  und  der  Versionen  nicht  nur  eine 
Anzahl  von  den  durch  B  gebotenen  Varianten  als  ursprünglich 
nachgewiesen  werden,  sondern  dass  durch  diesen  Nachweis  uns 
auch  das  Recht  gegeben  wird,  alle  diejenigen  nicht  durch  ander- 
weite  Autoritäten  bestätigten  Varianten  von  B ,  die  nicht  durch 
das  Interesse  des  Interpolators  ihre  Erklärung  finden,  dem  ur- 
sprünglichen Texte  von  ß  zuzuweisen.  Da  nun  wenigstens  in 
der  bei  Weitein  überwiegenden  Zahl  dieser  Varianten  sämmtlichc 
griechische  und  lateinische  Codd.  von  B  zusammengehn,  so  glau- 
ben wir  diese  Codd.  als  eine  eigentliche  Texlfamilie 
der  durch  die  Codd.  von  A  gebotenen  Textfamilie 
gegenüberstellen  zu  dürfen.  Denn  die  einzelnen  Varian- 
ten, durch  die  einzelne  lateinische  Codd.,  im  Griechischen  aber 
insbesondre  der  Codex  Florcntinus  und  der  Codex  Augustanus, 
dem  Texte  von  A  sich  wiederum  nähern ,  fallen  gegen  die  Ge- 
sammtheit  der  übrigen  so  gut  wie  gar  nicht  in  die  VVagschale, 
und  haben  eigentlich  nur  den  Werth ,  dass  sie  ihren  Theil  dazu 
beitragen,  den  Wahn,  dass  alle  die  fraglichen  Varianten  von  B 
dem  Interpolator  zuzuschreiben  seien,  zu  zerstören. 

Es  wird  nun  unsere  Aufgabe  sein,  die  einzelnen  patristischeu 
Fragmente,  Versionen  u.  s.  w.  soweit  möglich  der  Familie  A  oder 
der  Familie  B  zuzutheilen.  Es  wird  diese  Zutheilung  im  Einzel- 
nen zugleich  unsere  allgemeine  Annahme  zu  rechtfertigen  haben, 
obwol  wir  bemerken  müssen,  dass  eine  Anzahl  von  patristischen 
Citaten  keinen  Anhaltepunkt  bieten ,  um  hierauf  eine  Zuweisung 
au  die  eine  oder  andere  Textfamilie  zu  begründen. 

V^ir  machen  den  Anfang  mit  Familie  B.  Bedeutend  ist 
hier  der  Umstand,  dass  Eusebios  einen  weit  mehr  mit  B,  als 
mit  A  stimmenden  Text  darbietet  ^ ).  Insbesondre  ist  dies  der 
Fall  mit  dem  von  ihm  ausgeschriebenen  5.  Capitel  des  Römerbrie- 
fes. Hier  bietet  Eus.  folgende  Varianten  mit  B  gegen  A:  ivöt- 
ötfÄtvoQ  für  öiötfÄtvoQi  a  xw/  tvyof.iai  für  aal  tYx,o^ai,  atvTO/Liu 
für  iiotfiu,  ^tXi^  für  i^t'kr^oij,  ovyxonui  für  ovyy.ontji  Weglassung 
des  xaxui.  Gemeinschaftlich  mit  B  und  Sim.  Met.  Lat.  A  gegen 
Gr.  A.  aiQcxTiwTixov  für  oifjanwicüv.  Gemeinschaftlich  mit  B  und 
Lat.  A  gegen  Gr.  A  der  Inf.  IrjXüiaui.  Gegen  B,  aber  auch  zu- 
gleich gegen  2  Zeugen  von  A  (Gr.  A  Met.)  nur  die  Weglassung 
der  Worte  avuTO/xut ,  dtut^jeatig,  in  denen  sich  aber  ein  späterer 
Zusatz  manifestirt,  da  sie  sich  auch  in  Lat.  A  und  den  mit  diesem 
zusammenstimmenden  Versionen,  sowie  bei  Syr.  entweder  gar 
nicht  oder  nur  zum  Theil  vorfinden.  Eigenthümliche  Varianten 
sind  eToifiwv   für    i]Toi^ao(,itv(jov  y    xoXuatig   mit    Weglassung    von 


( 
I 


1)  Wir  machen  übrigens,  um  Missverständnissen  vorzubeugen,  ausdrück- 
lich darauf  aufmerksam,  dass  allenthalben,  wo  wir  im  Folgenden  von  dem 
Texte  B  reden,  nicht  die  Interpolationen,  sondern  der  diesen  zu  Grunde  lie- 
gende Text  gemeint  ist,  ausser  wo   wir  ausdrücklich  auf  jene  Bezug  nehmen. 


i 


I.ipsius ,   über  den  syrischen  Text  der  lirirfe  des  Ignalios.       53 

y.ai ,  £'?  f//f  statt  In^  f/ne.  Sonach  ist  grade  in  dem  grössteii 
Frag-mente  der  überwiegende  Anschiuss  von  Eus.  an  die  Familie 
ß  klar,  nur  dass  er  einen  offenbar  älteren ,  sonach  von  spätem 
Aenderungen  überhaupt  noch  reineren  Text  bietet.  In  dem  Citate 
aus  Smyrn  3.  eyw  yuo  —  enlnTfvaav  liest  Eus.  mit  B  iyut  df, 
lässt  aber  das  ohne  Zweifel  auf  Rechnung  des  Interpolators  kom- 
mende Einschiebsel  ovx  —  f.i6rnv  natürlich  weg.  Die  Worte  uvtov 
t'/Xpavio  xai ,  welche  bei  B  fehlen ,  fügt  Eus.  mit  A.  Theodoret. 
Arm.  bei,  und  zeigt  sonach  einen  Fehler  in  den  vorliegenden 
Codd.  von  B  auf.  Eine  weitere  Variante  ^XrjXvd^iv  für  ri'k&iv  hat 
Eus.  eigenthümlich.  Die  beiden  andern  Citate  aus  Rom.  4  onoq  — 
Tov  Xqigiov  und  E  p  h.  19  xa/  Vka^t  —  inga/d^T]  geben  nur  zwei 
Eus.  ganz  eigenthümliche  Varianten:  in  der  ersten  die  VVeglassung 
des  Tüv  XgiGTov  (A)  oder  d^iov  (B)  ^);  in  der  letzteren  für  tov 
xvQiov  1.  yov  XgiGTav. 

Mit  Eusebios  gehn  noch  die  lateinischen  Versionen  der  3 
ersten  Stellen  bei  Rufinus,  Hieronymus,  sowie  die  nur 
Rom.  5  enthaltende  bei  Gildas.  Sie  sind  alle  3  nicht  als  selb- 
ständige Zeugen  für  B  zu  betrachten,  da  ihr  Text  aus  Eus.  ge- 
flossen ist.  Noch  weniger  Werth  hat  natürlich  eine  durch  So- 
phronios  vorgenommene  Rückübersetzung  des  Textes  bei  Hieron. 
ins   Griechische. 

Wichtiger  dagegen  ist  das  freilich  nur  sehr  kurze  Zeugniss 
des  Eirenaeos,  als  die  älteste  Spur  des  ignatianischen  Textes. 
Es  sind  die  schon  bei  Euseb.  angeführten  Worte  Rom.  4  oTtoq  — 
TOV  Xqigtov,  Hier  liest  Iren,  gegen  A  m  i  t  B  ugrog  -diov  tvged^co, 
weicht  also  auch  von  Eus.  ab,  der  weder  XQiaiov  noch  d^tov  hinzu- 
setzt. Dagegen  mag  in  der  eigenthümlichen  Lesart  bei  Iren. 
GiTog  XgiOTov ,  für  ^eov  wie  alle  andern  lesen,  ein  Erklärungs- 
grund zu  der  spätem  Variante  bei   A  gefunden  werden. 

Die  beiden  ältesten  griechischen  Väter,  deren  Citate  in  Be- 
tracht kommen  (denn  Orig.  Theopli.  bieten  kein  Material  für 
die  vorliegende  Frage)  stellen  sich  sonach  zu  dem  Texte  von  B 
überwiegend  günstig. 

Von  den  Späteren  kommen  Stephan  Gobaros  und 
Chronicon  Paschale  für  B  nur  insoweit  in  Betracht,  als  sie 
auch  die  Interpolationen  kennen;  sie  sind  also  keine  selbständigen 
Zeugen  für  den  ursprünglichen  Text  von  B. 

Bedeutender  sind  drei  andre  Zeugen,  Maximus,  Johan- 
nes Damascenus  und  Anton  ius  Melissa,  tu  den  beson- 
ders bei  den  beiden  Letzteren  sehr  zahlreichen  Citaten  Hetzen  sie 
einen  Text  voraus,  der  noch  frei  ist  von  den  gegenwärtig  in  B 
vorliegenden  Interpolationen,  nach  Abzug  derselben  aber  wesent- 
lich mit  B  zusammengeht. 


1)  Einige  Manusrnptt'  bei  Uufiu.  füj^eo  (wol  irrtlitimlich)  Christi  hinzu. 


54        Lipsias ,  über  den  syiischen  Tejcl  der  lirie[e  des  Ignaiios. 

Natürlich  sind  hierbei  alle  die  Stellen  aus  dem  Spiele  zu 
lassen,  in  welchen  wie  Kph.  13,  Eph.  5,  Kph.  16,  Trall.  11  u.  s.  w. 
der  Inlerpolator  so  thätig  gewesen  ist,  dass  von  dem  ursprüng- 
liphen  Texte  von  B  keine  Spur  mehr  übrig  ist.  Dagegen  stim- 
uien  mit  B  eine  Menge  von  andern  Stellen,  die  der  Interpolator 
weniger  angegriffen  hat,  oder  in  denen  sich  die  späteren  Erwei- 
terungen docl»  mit  grösserer  Sicherheit  ausscheiden  lassen.  Wir 
verzicijten  indessen  hierbei  auf  die  vollständige  Angabe  der  Va- 
rianten, und  heben  nur  einige  wStellen  heraus,  wo  diese  üeberein- 
stimmung  besonders  in  die  x4ugen  fällt.  So  z.  B.  Smyrn.  8  und 
9  —  T(ü  dtußöXcü  laiQeiet.  Hier  hat  Johannes  Damascenus,  wel- 
cher die  betreffende  Stelle  zweimal  citirt,  zunächst  die  späteren 
Interpolationen  sämmtlich  nicht.  Dergleichen  aber  sind  dvowvi- 
f.iovg  (HQtaiiq ,  xal  iovq  tu,  n)(ia(.iaTa  noiovvrag  für  das  einfache 
(xi^iO(xovq\  ovTt  ngoocp^QHv  ovxt  &voiav  nQoaxofj.i^etv  ovre  öo/^iiv 
fTHTiXetv ,  eine  oflfenbare  Umschreibung  von  äynnriv  noiHv;  des- 
gleichen nuaa  rj  ovQaviog  OTgnjiä  nagtOTtjy.tv  ioq  aQXi(jT()aT7]yo) 
T^c  dvra/,ita)i;  xv(jiov  xal  diuvojHH  nuar^Q  voTjTi^g  (pvoeiog,  an  der 
Stelle  des  muthmasslich  missliebigen  ixii  t]  y.ad^oXiKi]  ixxXrjom,  und 
mehres  Andre  noch,  besonders  im  9.  Capitel  nach  den  Worten  fig 
^eov  /LifTuvoHv.  Dagegen  stimmen  mit  B  die  jedenfalls  dem  ur- 
sprünglichen Texte  von  B  zugehörigen  Varianten :  der  Zusatz  J/«- 
xovovviag  zu  iteov  IvioX^r;  desgleichen  im  9.  Capitel  die  Lesart 
uvuvTJtpui  TjjLiäg,  fxjg  l'ri  y.xX.  für  ui'avijipai  xul  wq  txi  xtX.  bei  A. 
Ebenso  Trall.  4  XQrfyfi  —  tov  uicovog  zovtov.  Hier  setzen  Dam. 
und  Anton,  mit  B.  zum  Schlüsse  bei  6  ömßoXog.  Trall.  8  setzt 
Dam.  mit  B  ein  n  ein,  als  Object  zu  inTjdeig  vf.i(Jüv  xurä  tov 
nXijaiov  (/Jto)'  dagegen  lässt  er  den  nun  folgenden  Zusatz  des 
Interpolators ,  ein  Schriftcitat,  weg.  Polyk.  6:  tw  eniaxonto 
ngooex^ti  —  o/eTv  iv  &((xi.  In  dieser  kurzen  Stelle  finden  sich 
3  Varianten  des  Dam.  mit  B  gegen  A:  die  Weglassung  des  Ar- 
tikels bei  TfZ  inKTxoTKo,  n^^ieoßvTtQia)  für  nQtfrßvTeQotg,  endlich  die 
Weglassung  von  xu)  vor  (.itr^  aviwr.  Weiter  unten  sind  die 
Worte  ^axQod^v/u^ouTt  xiX.  ebenfalls  bei  Dam.  citirt;  hier  liest 
er  mit  B  (,ioixQoi^vf.iHTe  und  ev  ngavrrjTi  für  h  nQuorrjTi.  Magn.  B 
lässt  Dam.  mit  B  die  Worte  xal  tmv  nfjenßvregwv  weg.  Ganz 
eigenthümlicher  Art  ist  ferner  ein  Citat  aus  Trall.  4.  Hier  lesen 
wir  übereinstimmend  bei  Johannes  Damascenus  und  Maxi- 
mus  die  nur  bei  B  in  dieser  Gestalt  vorhandenen  Worte:  xuv 
eQgwjUfvog  m  tu  xuiu  &wv ,  nltiov  f,it  öh  <foßtTa&aiy  xul  [jutJ] 
ngoGf/eiv  ToTg  iixij  cfvoiovoiv  /na  •  enuivovvTsg  yug  f.ie  (xuoTiyovGiv. 
Man  würde  an  sich  versucht  sein,  die  an  dieser  Stelle  vorliegen- 
den Abweichungen  von  B  für  ein  Interpretament  des  Interpolators 
zu  halten:  dies  geht  aber  darum  nicht  an,  weil  weder  Dam.  noch 
Max.  die  interpolirte  Textgestalt  kannten.  Folglich  haben  wir 
hier  einen  Text  vor  uns,  der  mindestens  älter  ist,  als  die  gegen- 
wärtigen Interpolationen.     Einen  überraschend    mit   B    stimmenden 


Lipsius ,  über  ih'ii  syrischen  Text  der  liriefe  des  Ignalios.        55 

Text  g-iebt  endlich  noch  ein  Citat  des  Antonius  aus  Eph.  5.  6. 
nnovdfA(7(jüf.iev  —  nQooßltnuv.  Hier  liest  Anton,  mit  H  geg-en  A : 
anovddaaTE  für  O7iovddaü)f.iev ,  tjTe  für  (ofav ,  i^fiji  für  d^eor,  ßXe- 
neie  für  ß}Jnet  xig^  nXeov  für  nXeinvwg,  ffoßtiö&f:  für  ffoßito&w. 
Dieselbe  Stelle  findet  sich  zwar  auch  bei  Daniasc. ,  aber  grade 
hier  geht  derselbe  näher  mit  A  zusammen,  als  sonst  seine  Gewohn- 
heit   ist. 

Wir  sind  nach  alle  dem  berechtigt,  iVlaximus,  Johannes 
Damascenus  und  Antonius  Melissa  überwieg-end  dem  Texte 
B  in  dessen  ursprüngliclier  Gestalt  zuzuweisen.  Hierbei  müssen 
wir  indessen  noch  einer  eis^enthümlichen  Erscheinung^  gedenken. 
Die  beiden  Letzteren  stehen  nämlich  wieder  unter  einander  in 
einem  überaus  auffällig^en  Verwandtschaftsverhält- 
nisse. So  citiren  sie  zwei  iStellen,  die  sich  in  keinem  bis  jetzt 
bekannten  Briefe  finden,  mit  wörtlicher  üebereinstimmung-:  nag- 
d-tviag  tvybv  (xi^Stvl  iniji&tt'  InicfCfuk^g  yuQ  to  xTr^fia  xai  dvacfv- 
"kaxTOv ,  oxav  xar^  ävuyxrjv  yhi^rui  und:  roTg  vewTfgoig  iniTQtne 
ya^ieiv,  vqiv  öimf&agwoiv  elg  haigag  (Dam.  htgag).  Ebenso  über- 
einstimmend citiren  sie  Polyc.  4  (.uj  eguiwoav  —  inii^v/m'ag,  indem 
sie  beide  vor  tguiMoav  ein  ol  öovkoi  einschieben ,  und  statt  der 
Worte  von  A.B.  'Iva  /j.rj  dovXoi  —  intd^vf-iiag  \'ie]nni\\T  lesen:  uXX*  dg 
do'iav  &eov  nXiov  öovXevhwaav,  a'u  xgehrovog  iXevS^eguxg  anh  i^tov 
Tv/MGiv,  In  der  oben  angeführten  Stelle  ferner  aus  Eph.  5.  6.. 
wo  beide  sonst  mannichfach  auseinandergehn,  haben  sie  doch  zwei 
eigenthümliche  Varianten  gemein,  nef^novia  für  ntfixpavTa,  und  die 
Weglassung  von  diiXov  OTt.  Ebenso  stimmen  ihre  Anführungen 
von  Eph.  13  ovdtv  ioriv  —  xaTagyetrai]  Trall.  4.  y^grfyx)  —  Tof; 
uicüvog  TOVTOV  (mit  dem  Zusätze  von  B  o  SiaßoXog  s.  oben) ;  Polyc.  6 
fxaxgod^v(.itiXi  xtX.  wörtlich  überein.  Desgleichen  Polyc.  3  oxri^i 
idguiog  —  vnofiihrj.  Hier  lesen  sie  orijxe  mit  Weglassung  von 
idguiog',  ä&XrjTov  iariv  für  (oriv  ud^XtjTov]  dfgea&ai  für  rö  JV- 
gead^ai-,  rifxäg  nach  navxa  und  vor  V7io(,ieiv7j  statt  der  Ordnung 
von  A  und  ß.  Endlich  Polyc.  2  xaXovg  (.ia&7]Täg  xtX.  lesen 
beide  hier  noch  übereinstimmend  mit  Antioc  hos,  gegen  alle 
sonstigen  Auctoritäten   änti&eoTfgovg  für  Xotf,iOTtgovg. 

Da  nun  eine  gegenseitige  Abhängigkeit  nicht  zulässig  ist, 
einmal  weil  daneben  sich  einzelne  Abweichungen  finden  (Eph.  5.  6), 
sodann  aber  weil  Antonius  Stellen  citirt,  die  der  Damascener  nicht 
hat  und  umgekehrt,  so  folgt,  dass  Beide  aus  einer  gemeinsamen 
Quelle  gfeschöpft  haben.  Da  sie  nun  sonst  im  Ganzen  den  Text 
von  B  voraussetzen,  so  finden  wir  hei  ihnen  eine  eigen- 
thümliche  Abzweigung  der  Textfamilie  B.  Das  Ge- 
nauere aber  über  diese  Abzweigung  des  Textes  ist  dieses,  dass 
wir  in  ihr  wol  einen  ziemlich  secundären  Text  anzuerkennen  ha- 
ben. Die  zuerst  augeführten  eigenthümlichen  Zusätze  Beider  las- 
sen nämlich  ersehen,  dass  die  ihnen  vorliegende  Textgestalt  von 
B  bereits  allerhand  Aenderungen  und  Zusätze  erfahren  haben  muss. 


5()        Lipsias,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnaiios. 

Hiermit  stimmt  auch  erstens  das  spätere  Zeitalter  dieser  Väter, 
ferner  der  Umstand,  dass  Beide  offenbar  unäclite  Briefe  kennen, 
Dam.  den  Antiochenerbrief,  Anton,  den  Brief  der  Maria  Cassab. 
an  Ignatios.  und  endlich  findet  eben  hieraus  ihre  Erklärung  wol 
die  Textgestalt,  in  der  sie  die  oben  besprochene  Stelle  Trall.  4 
aufbehalten  haben,  da  diese,  obwol  älter  als  der  spätere  Interpo- 
lator,  doch  jedenfalls  einen  schon  mehrfach  geänderten  und  secun- 
dären  Text  voraussetzt^). 

Noch  ist  ein  Kirchenschriftsteller  übrig,  dessen  zahlreiche 
Citate  sich  mit  einem  gewissen  Rechte  unter  die  Familie  B  ein- 
reihen zu  lassen  scheinen,  Antiochos  Monachos.  Allein 
grade  bei  diesem  liegt  ein  durchweg  secundärer  Text  vor,  des- 
sen nähere  Ergründung  kaum  noch  möglich  ist.  Denn  1)  verän- 
dert derselbe  fast  durchgängig  die  persönlichen  Ermahnungen  des 
Ignatios  in  allgemeine.  So  wird  das  Gebot  Poljc.  1  j^^  ev(o- 
GtMQ  (pQOVTii^e  xtX.  durch  ein  vorausgeschicktes  tvnQOödtHTov  &fip 
verallgemeinert,  und  es  folgen  Infinitive  (fgovriLea^ai  xiX.  Magn.  7 
liest  er  statt  owige/ere:  ocfeiXofitv- ovvigi/tod^ui,  Polyc.  3  statt 
OTTi&i  tögaioQ  vielmehr  aTü)f.uv  ovv  idgaiot ,  statt  jiXiuv  Gnovduiog 
yivov  WQ  d  vielmehr  anovöaioi  yivw/.itita  u.  s.  w.  2)  lässt  er 
ganze  Partieen  weg,  von  denen  kaum  anzunehmen  ist,  dass  sie 
in  den  von  ihm  benutzten  Handschriften  gefehlt  haben.  Magn.  7 
fehlt  wg  tig  vuov.  Polyc.  aaQxixj]  je  xa/ ;  cogntg  y.ui  noitig. 
Polyc.  2  dia  tovjo  auQy.ty.hg  tt  aal  nvtVfxaTixog,  Smyrn.  8.  9. 
tV  aGCf'uXeg  tj  xai  ßißaiov  nuv  o  nguoatTui ;  tvXoyov  iaii  Xoinov 
avavijyjai  --  xul  (ntoxonov  tiöivai,  Trall.  2  iv  (v  dmyovTtg  evgt- 
d^rjGOfitd^u.  Ott  Ö€  xat  rovg  diuxovovg  ovTug  (.ivmriQiwv  ^Trjoov 
Xqiötov  (worauf  die  unterbrochene  Rede  fortgeht).  Ausserdem 
fehlen  eine  Menge  einzelner  Worte,  die  wir  nicht  alle  aufzählen. 
3)  macht  er  nicht  selten  gewaltige  Zusätze  und  verwebt  diesel- 
ben so  eng  mit  den  Worten  des  Ignatios,  dass  schwer  zu  schei- 
den ist,  was  er  in  seinem  Texte  las,  was  von  den  eigenen  hinzu- 
that.  So  liest  er  Magn.  7  nach  eV  &vatuoT7](jiov  noch  folgende 
Worte:  (nia  U/v/jj,  xuv  Iv  nolXoTg  %oTg  ^itXtoiv,  (.liu.  yvco/tir}  evi  &e- 
"kriixari  tog  ev  GW(xa  vnuQ/^ovTtg.  —  Philad.  7  nach  evf'xQtoTov]esen 
wir:  ov  y^Q  onov  ßovXovKu  ßadi^ovGiv  tcüv  d^gtf^i^uTiov  al  ayt- 
A.«£,  üXh^  evd^untQ  ol  noifitvtg  avrug  anoiftQOvoiv.  tu  de  e^M  rrjg 
äyeXtjg  änof.uvovTa  SiaguufyvGiv  ol  S^rjgtg ,  y.al  jgo(p7]v  taviwv 
noiovvxai  to  7ienXavrj(j.tvov.  Dann  folgen  die  Worte  des  Ignatios 
ovx  i'^ov  xjX.  4)  behandelt  er  überhaupt  den  Text  aufs  Freieste, 
indem  er  nicht  blos  eine  ausserordentliche  Menge  blos  ihm  zuge- 
höriger Varianten  bietet,  sondern  auch  oft  die  Worte  des  Ignatios 
gradezu  umarbeitet  oder  gar  blos  paraphrasirt.    Auch  hier  mögen 


1)  Man  vgl.  z.  B.  auch  die  schwierige  Stelle  Trall.  6:  oi  xaiQoi  na- 
Qe^tnXiitovaiv .  wo  Dam.  ganz  secundär  und  erleichternd  die  Worte  xai  na- 
(tafinkixovot  bietet.  ' 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Driefe  des  Ignalios.       57 

einig-e  Beispiele  genügen.  Epb.  9  lauten  die  Worte  iaif  ovv  xtA. 
bei  Antioch.  folgendermassen:  xal  b  toiovtoq  yivtrai  d^eocpuQog, 
Tjyovv  /QtaTO(f6()og  xal  vuog  d'sov  xu)  ayioÖQi'tfxoq  xui  tu  navra 
xexoo(xri^lvoq  Iv  latg  ivroXuTg  ^Trioov  Xgiarov ,  xal  aQX^  l^co^g  rj 
diu  nioTawg  xal  uyuntjg  tig  ovdtv  nQoxtxQiTui.  Polyc.  6  die  Worte 
avyxoniuTE  xtX.  in  folgender  Gestalt:  to  av/^nda/eiv  uXXijXotg  xul 
owalyeTv,  ovvTfje/eiv  t«  xul  avyxoniäv  evafjearov  ioii  iw  &ew.  xal 
yuQ  pf^JiCoaTOtJ^ev  toi^to  nguTTtiv,  wg  dovXoi  xul  nuQtÖQOt  xul  vntj 
QfTui  zov  &eov  Xoyov  'Iva  elugiaiw^tv  oj  iaTQUTev&7]^ev,  uq)* 
ov  xul  TU  oiiKjüvia  xü(.notüfnedu  y%X,  Ebenso  paraplirastiscb  wird 
Polyc.  1.  »2  citirt  u.  s.  w.  —  Aus  dem  Mitgetbeilten ,  was 
durcbaus  keinen  Ansprucb  auf  Vollständigkeit  niacben  darf,  er- 
gibt sieb  zur  Genüge,  dass  der  durcb  Antiocbos  gebotene  Text 
nocb  weit  weniger  bei  Constituirung  des  ursprünglicben  Textes 
eine  besondre  Berücksicbtigung  verdient,  als  der  interpolirte 
Text  von  B  in  seiner  jetzigen  Gestalt.  Werfen  wir  aber  trotz- 
dem nach  Abzug  aller  dieser  wol  meist  auf  Rechnung  des  frei 
schaltenden  Antiocbos  selbst  und  nicht  der  von  ihm  benutzten 
Handschriften  kommenden  Eigenthümlichkeiten  die  Frage  auf 
nach  dem  Verhältnisse  seines  Textes  zu  den  beiden  vorhandenen 
Familien  A  und  B:  so  muss  die  Antwort  im  Allgemeinen  da- 
bin lauten,  dass  der  Text  des  Antiocbos  ein  sehr  gemisch- 
ter sei.  Mehrfach  finden  sich  bei  ihm  Uebereinstimmungen 
mit  Aj  zunächst  überall  da,  wo  B  interpolirt  ist.  So  Eph.  9 
w?  ovTtg  Ud^oi  —  fvioXuig  ^iTjaov  X^iarovy  wo  der  ursprüngliche 
Text  von  B  kaum  noch  zu  erkennen  ist.  Eph.  15  bietet  er  den 
Zusatz  von  A  tIg  ovv  diöuaxuXog  —  tVa  TfXtiog  r]  gegen  einen 
andern  Zusatz  bei  B  o^  yug  uv  notrjorj  -  diu  naawv  T(x)v  exxXrj- 
oiMv.  Epb.  14  qungov  to  ötrögov  uno  tov  xagnov  uviov,  in 
Wortstellung  und  Ausdruck  mit  A.  Smyrn.  8.  9.  in  den  Wor- 
ten bnuv  Ulf  Tj  XgiOTog  ^Irjoovg  xtX.  ;  in  ovTt  uyunrjv  noitiv;  end- 
lich Cap.  9  in  den  Worten  xaXwg  l'x^i  xtX.  —  Für  Zusammen- 
stimmung des  Antioch.  mit  A  gegen  die  ursprüngliche  Textgestalt 
von  B  würden  unter  den  genannten  Stellen  vielleicht  Eph.  14  und 
mit  noch  etwas  grösserer  Sicherheit  Eph.  15  genannt  werden 
können ,  wo  der  ursprüngliche  kürzere  Text  beiderseits  durch 
verschiedene  Zusätze  interpolirt  zu  sein  scheint.  Ausserdem  las- 
sen sich  folgende  Varianten  mit  A  gegen  B  feststellen:  Eph.  17 
Tfi  ixxXfjoiu  für  Tj  ixxXtjaiu,  Eph.  15  XaXovi'Tug  wenigstens  mehr 
mit  A,  als  mit  B.  Eph.  14  uf.iagTuvti  für  6q)eiXei  af.iugTuvitv ; 
/Liiaet  für  fiiöEiv  tov  udeX(p6v]  Offd^rjaeiui  (A.  6(p9^i^aovTui)  für 
yvwgll,ovTui ;  (fuvtgov  (yitnui)  für  yivwaxaTui  (B),  doch  fehlt  bei  A 
yivtTui,  Polyc.  2  tu  jLitv  (f>aivo(xtvu  aviwVi  wenigstens  im  Genit., 
wie  Aj  xoXuxevf]  (A  xoXuxtvtjg)  für  enuvog&wor]g ;  fitjöevog  Xtint]* 
%ui  für  f^tjdii'  ooi  Xiinji  (A.  zweite  Person,  sonst  wie  Antioch.); 
Weglassung  des  tv/^ab^at,  Polyc.  6  ngtoßvTigoig  für  ngioßvTi- 
giM.     Philad.  1    iv   w    für    di*  ov.     Trall.    2:    vnoTuaaio&ui    für 


58        Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignalios. 

vnoTaaaeod-i ;  Zusatz   von   nuaiv  ;  ßQM/nazojv  für  ßganwv ;    avjovq 
für  avTüv;   b(.iouog  —  Tovg  öiaxovovg  wörtlich    mit  A    gegen  B; 
lOVQ    de    ngeaßvTfQOvg    für    ol    Se    ngioßvreQOi.    —     Dag-egen 
stimmt    er    mit    B:    Polyc.     1.    n^oivM    für    ayoiviau      Eph.    17 
Wegflassung  von  avxov  nach  x^qp. ;  akti(fla3^M  für   uXii(ftGd^E ;  ttjc 
aagy.og  rov  xvgiov  (auch   mit  Lat.  Ä)  gegen  rov  y.VQiov  Tijg  guq- 
'Aog.     Eph.    15.    ^yylg    uvtov    für    avT(ö.      Eph.    14.    Xqigtov    für 
XgiöTiavoi.     Polyc.  3.  der  Zusatz  öi'   rj/Liug  de  yj7]la(pt]h6VTa,  wo! 
mit    dem    ursprünglichen    Texte  ß.     Polyc.    1.    ügneg   xal     noitig 
wenigstens  auch  bei  Lat.  B.  und  einmal  bei  Dam.  fehlend;   Polyc.  6. 
x«/  fuer^  avTCüv  mit  Weglassung  von   xai ;    l'/eiv  für  g/hv.     Phi- 
lad.  7.  (ÄüLQTvg  juoi  ohne  de;    Xeyov  für  Xeycov.    Trall.  2.  unoGiö- 
Xoig    ohne    Artikel.     Wäre    nach    dieser    Üebersicht    die    grössere 
üebereinstimmung    mit  Antioch.  auf  Seiten  der  Familie  A,    so  ist 
doch  zum  Schlüsse  zu   beachten,    dass  Antioc  hos   mehrfach 
mit    Johann.    Dam.    und    Anton,    zusammengeht,    welche 
Beide  in  der  Hauptsache  mit  B  gehn.     So  Srayrn.  8.  7JT0)  und  die 
Weglassung  der  Worte  Vi/'  uGcpaXeg  —  Cap.  9  eidevai  (übereinstim- 
mend mit  einer  Stelle  bei  Dam.);  Polyc.   1.  Tovg  änei&eGTegovg  für 
Tovg  XoifxoxeQovg  (mit  Dam.  Anton.).     Polyc.  3.  a&Xi^rov  ioriv  und 
SeQfGd^ai  ohne  Artikel  (wiederum  mit  Beidenj.     Ausserdem  finden 
sich  noch   einige  von  den  Varianten,  in  welchen  An- 
tioch. mit  A  geht,  auch   bei   Dam.     Polyc.  l.  iLit]devdg  Xeinrj 
(aber  tV«  mit  B).     Philad.   7  ev  w.     Eph.   14  a/uaoTuvei  u.  s.  w. 

Nach  dem  Allen  können  wir  Antioc  hus  zwar  nicht  un- 
bedingt zur  Familie  B,  aber  ebenso  wenig  zu  Fami- 
lie A  rechnen;  vielmehr  bietet  derselbe  eine  ge- 
mischte Textgestalt. 

Wir  haben  im  Bisherigen  erwiesen,  dass  unter  den  Vätern 
^•rade  die  ältesten,  Eirenaeos  und  Eusebios,  den  Text  B 
voraussetzen  (soweit  dies  namentlich  bei  Ersterem  überhaupt  sich 
bestimmen  lässt),  desgleichen  dass  unter  den  Späteren  drei,  Ma- 
ximus, Johannes  von  Damaskos  und  Antonius  Melissa, 
ebenfalls  auf  die  Familie  B  zurückführen ,  die  beiden  Letzteren 
aber  einer  eigenthümlichen  und  wie  es  schien  weniger  ursprüng- 
lichen Abzweigung  dieser  Familie  angehörten.  Die  späteren  Zeu- 
gen für  den  interpolirten  Text  lassen  wir  hierbei  säramtlich  bei 
Seite.  Dagegen  ist  uns  von  griechischen  oder  lateinischen  Hand- 
schriften keine  aufbehalten,  welche  die  ursprüngliche  Textgestalt 
B  repräsentirte,  und  wir  haben  nur  mittelbare  und  in  vielen  Stel- 
len freilich  sehr  unzuverlässige  Zeugen  für  dieselbe  in  den  sämmt- 
lichen  Handschriften  des  interpolirten  Textes.  Auch  unter  den 
syrischen  und  armenischen  Versionen  ist  keine  einzige  dieser  Text- 
familie zuzuzählen,  obwol  wir  später  sehen  werden,  dass  sowol 
die  Armenier  als  die  kürzere  syrische  Recension,  namentlich  aber 
die  letztere,  viele  Stellen  mit  B  gemein  haben. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zur  Familie  A.     Als  ihre  Hauptver- 


Lipsiüs ,   über  den  syrischen  Text  der  liriefc  des  Ignaüos.       59 

treter  gelten  der  Codex  Mediceus  (ein  Minuskelcodex  aus  dem 
10.  Jahrli.,  wie  es  scheint),  der  Cod.  Casanatensis  (15.  Jalirh.), 
der  Codex  Parisinus  (950  Nr.  26)  für  ein  Fragment  aus  dem  Eplie- 
serljriefe  (aus  dem  15.  Jalirli.),  der  Codex  Colbertinus  (für  den 
RÖraerbrief)  und  die  beiden  lateinischen  Codd.  Montacutiensis  und 
Cajensis.  Letztere  Beiden  bieten  in  der  Hauptsache  denselben 
Text,  der  von  den  griechischen  Codd.,  namentlich  aber  vom  Cod. 
Colbertinus  innerhalb  der  Schranken  der  gemeinschaftlichen  Fa- 
milie wiederum  nicht  unbedeutend  abweicht.  Ehe  wir  aber  die- 
sem Verhältnisse  genauer  nachspüren ,  wollen  wir  zunächst  die 
Väter,  welche  dem  Texte  Ä  angehören,  zusammenstellen. 

Unter  diesen  ist  der  wichtigste  Theodoret.  Smyrn.  1. 
mnX7]go(pOQ7]f.uvovg  —  ^v  oagxi  stimmt  Theod.  wörtlich  mit  A. 
Mit  B  hat  er  nur  die  Wortstellung  des  aXrj&cog  nach  ntn'krjQ.  ge- 
mein, mit  dem  gleichfalls  der  Recension  A  angehörigen  Arm.  die 
Variante  xard  d^toTriia  xai  övvafuv  für  xuxu  &eXrif.ia  xul  diva- 
jLuv  d-toT.  Dagegen  stimmt  er  völlig  mit  A  im  TJebrigen ,  und 
lässt  namentlich  den  (vielleicht  vom  Interpolator  herrührenden) 
Zusatz  'h]Govv  Xgtaxov  xor  jLiovoytvrj  vlov  weg,  wofür  er  denn 
nach  x«T«  ougy.a  die  Worte  vlov  &iov  —  ytytvrifxivov  uX7]&(Jüg  ge- 
gen B  einfügt,  wobei  wenigstens  die  Wortstellung  auf  eine  ur- 
sprüngliche Textverschiedenheit  hindeutet,  wenn  sich  dieselbe  auch 
nicht  mehr  genau  ermitteln  lässt.  Einen  andern,  entschieden  vom 
Interpolator  herrührenden  Beisatz  hat  er  natürlich  nicht.  Im  Folgen- 
den liest  er  rngagxov  für  tov  Ttzgüg/ov,  und  iv  aagy.l  mit  Weglas- 
sung von  uXrj&wg ,  beides  mit  A  gegen  B.  Smyrn.  4.  5.  ii  yäg 
t6  öoxitv  —  agvovrxai  stimmt  nur  xot  Öoxhv  mit  B ,  dagegen  fügt 
er  die  Worte  «XX'  iyyvg  (.la/aigug  —  Iv  iw  ovoiuari  ^Itjöov  Xgi- 
OTov  bei,  wo  B  weit  kürzer  blos  aXX*  oif  jm  doxeiv  «XX«  lai 
ovTi  .  .  .  öiä  XgiGTov  liest,  und  jedenfalls  eine  ursprüngliche  Text- 
verschiedenheit vorliegt.  Nicht  zu  übersehn  hierbei  ist  allerdings, 
dass  Theod.  den  Zusatz  von  A  nicht  in  seiner  ganzen  Ausdeh- 
nung kennt ,  sondern  mit  Ausschluss  der  Worte  (.UTa6,v  &rjguov 
f-ieru^v  &tovy  die  sich  wol  als  ein  späteres  Einschiebsel  charakte- 
risircn,  jedenfalls  aber  der  Uebereinstimmung  im  üebrigen  ein 
desto  grösseres  Gewicht  verleihn.  Derselbe  Fall  ist  im  Folgen- 
den, wo  Theod.  den  Zusatz  von  A  toi;  TtXtiov  uv^gojnov  ytvo- 
(.livov  mit  Ausschluss  des  letzten  Wortes  beifügt,  während  die 
Weglassung  bei  B  wol  ebenfalls  ursprünglich  im  Texte  begrün* 
det  war.  Das  Uebrige  stimmt  wörtlich  mit  A,  namentlich  auch 
ägvovvxai  für  yjgvriaavTo  bei  B.  —  Aus  demselben  Briefe  kommen 
noch  in  Betracht  Cap.  3  ey(o  yag  —  iniöTtvouv  wörtlich  mit  A 
gegen  B,  ebenso  die  Worte  (ntTu  de  t^v  uvuaTaatv  —  tw  nuxg)^ 
wo  namentlich  die  letzteren  Worte  V'>c  cfugynxog  xtX.  ,  welche  bei 
B  fehlen,  nicht  nothwcndig  in  Folge  der  weiteren  Zusätze  des 
Interpolators  hinausgeworfen  zu  sein  brauchen.  Drei  kleinere  Va- 
rianten von  A,   xiti  ovvf(payiv  für  avi'ty).  autotg;  xul  avvtnitv  mit 


()0        Lipsius,  über  den  syrisrhen  Tcxl  der  ii liefe  des  Jgnatios. 

Beisetzung  von  uvroTg ,  und  y.ai  nvfv/narixcüg  für  xuineQ  nvtvfxu- 
rixwg  stimmen  wenigstens  mit  Arm.  zusammen.  Cap.  6  ist  die 
g-anze  Partie  tv/agioTiug  —  rjyeigtv  wörtlich  mit  A  (nur  nQooqo- 
Qilg  für  ufjoatvx^g '■,  ovx  unods^ovrai  für  unf/ovrui)  gegen  B,  hei 
welchem  keine  Spur  von  Allem  zu  finden  ist,  ohne  dass  der  In- 
terpolator  für  diese  Weglassung  verantwortlich  gemacht  werden 
zu  dürfen  scheint.  Eph.  20  oti  ol  xut^  aV(5()a  xoii'f]  —  xal  vlfa 
i^fov  liegt  ein  genau  mit  A  stimmender  Text  vor  (nur  h  ti  für 
oTi ;  erl  ^Tr^oov  X^toTw  für  (p  Y.  X^. ,  und  einige  Aenderungen 
durch  Weglassung  oder  Zusetzung  des  Artikels).  Dagegen  stimmt 
B  durchaus  nicht  überein;  und  wenn  wir  auch  die  Weglassung 
der  Worte  von  A  tw  vlw  uvdQMnov  xai  vlio  &€0v  gelten  lassen 
wollen  als  vom  Interpolator  veranlasst,  der  dafür  eine  andre 
christologische  Stelle  vor  xaTu  odQxu  ix  yevovg  /taßlö  eingescho- 
ben habe :  so  deutet  doch  die  verschiedene  Wortstellung,  das  auch 
bei  Theod.  fehlende  tw  vor  xaxa  auQxu  u.  s.  w.  auf  eine  auch 
ursprüngliche  Textverschiedenheit  hin.  Zudem  ist  im  20.  Cap. 
das  Verhältniss  der  beiden  Recensionen  A  und  B  dieses,  dass 
uns  B  aufmerksam  macht  auf  einen  offenbar  späteren  Zusatz, 
den  A  in  diesem  Cap.  bietet  (ausser  dem  ganzen  ersten  Satze,  wo 
Ignatios  von  dem  zweiten  Buche  redet,  das  er  schreiben  will, 
noch  die  Worte  uaXiöia  iav  o  xvQiög  (xoi  anoxakrxpr^).  Dennoch 
setzt  auch  hier  Theod.  den  Text  A  voraus,  wie  namentlich  die 
Anfangsworte  des  Citats  ti  ji  ol  xar*  civÖQa  xoivfj  navTsg  fv  yu- 
gat  f|  6v6(.iaTog  oweg/eade  iv  f.uä  niOTti  lehren,  wo  B  einfach 
navTeg  iv  iuqiti  t^  ovü(.iaTog  Gvva&Qoittad^e  xoivfj  iv  (.iia  niazei 
liest.  Ob  er  die  vorangängigen  unächten  Einschiebsel  in  seinem 
Texte  gelesen  habe,  kann  indess  nicht  entschieden  werden. 
Träll.  9  in  den  Worten  xorqpw^jyit — vnox^oviwv  fehlen  natür- 
lich sämmtliche  Einschiebsel  des  Interpolators^  aber  auch  sonst  liest 
Theod.  %(iv  ix  yiiovg  Jaßlö  für  tov  yevo/nivov  ix  Jtxßld  iCfaylv 
%t  xai  tnitv ,  so  dass  aXi]&(og  zum  Folgenden  gehört  für  e(payt 
xai  tnuv  aXri^cog\  endlich  iSiM/d^rj  für  das  wol  durch  einen 
Schreibfehler  bei  B  aus  dem  folgenden  heraufgenommene  ioruv- 
gw&t]  xai  anid^avev.  Ausserdem  stimmt  mit  Arm.  allein  die  Weg- 
lassung des  äX'i]d^(xig  vor  iaiuvgwd^r],  mit  B  aber  nur  die  Variante 
xaTU/ß-orkov  für  v7i9X^oviwv. 

Hiernach  ist  allerdings  die  üebereinstimmung  von  Theodoret 
mit  der  Familie  A  in  der  Hauptsache  unzweifelhaft.  Indessen  ist 
diese  üebereinstimmung  doch  nicht  so  durchgreifend,  dass  er  nicht 
in  einzelnen  Varianten  der  Lesart  von  B  folgen  sollte;  und  wir 
werden  in  solchen  Stellen,  falls  nicht  durchschlagende  innere  Gründe 
entgegenstehn,  wol  derjenigen  Lesart  den  Vorzug  geben  müssen, 
welche  eine  ganze  Familie  zugleich  mit  einem  Zeugen  der  andern 
Familie  übereinstimmend  bietet.  Hierher  gehört  insbesondre  das 
bisher  noch  nicht  erwähnte  Citat  aus  Smyrn.  5.  tl  ydg  ^i  wiftXu 
—    vtxQoqiOQog,     Die   einzige  bemerkenswerthe    Variante   ist   hier 


Lipäus,  über  den  sijrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.       61 

Ti  yuQ  uiffeXeT)  nneQ  ut  inaivtt  rig  für  W  ya{)  f^it  wcfiXti  ng,  d 
f(.ie  inuivtL  Theod.  g^iebt  hier  den  Text  von  B  gegen  A,  und 
übereinstimmend  mit  ibm  finden  wir  diese  Worte  aucli  bei  Arm., 
dessen  Zusammentreifen  mit  Theod.  wir  schon  mehrfach  zu  be- 
achten Gelegenheit  hatten. 

Sodann  aber  finden  sich  bei  Theod.  auch  noch  andre 
Spuren  eines  von  A  abweichenden  Textes,  obwol  die- 
selben nicht  als  Zeugen  für  B  gehraucht  werden  können.  Die 
Hauptstelle  hierfür  ist  Eph.  7;  dg  laiQog  iariv  ouQxixog  Te  y.ui 
nveviiiuTixdg,  ytvvf]j6g  xal  uyivvr}Xog  ^  iv  oagxi  yevojLitvog  &tog,  iv 
ad^uvuTO)  1,0)}]  a'kri&ivri ,  xui  ix  Magiag  xui  ix  ^ioi"  ^  tiqmtov  na- 
Stjjbg  xcü  T0T6  una&fjg.  Hier  offenbart  schon  Lat.  A  einen  von 
Cod.  Med.  verschiedenen  Text,  indem  er  nach  den  im  üebrigen 
wörtlich  übersetzten  Worten  zum  Schlüsse  noch  beifügt:  Dominus 
Christus  noster.  Diese  Stelle  nun  findet  sich  bei  Theod.  folgen- 
dermassen  wiedergegeben :  tig  iaxQog  ion  oagxtxbg  xal  nviVf^uTi- 
xog ,  ytvvfjTog  i'^  uytvvrjTOv ,  iv  äv&QionM  d-tog,  iv  d^avuTM 
C,a)i]  uXrjd^ivrj ,  xal  ix  Magiag  xal  ix  d^eov ,  ngcoTOv  na&fjzog  xal 
Tore  anad-rig,  ^Irjoovg  Xqigtoq  o  xvgiog  rjinwv.  Wörtlich 
ebenso  findet  sich  dieser  Passus  bei  P  s  e  u  doathan  as  i  os  (epi- 
stola  de  Synodis  Arim.  et  Seleuc,  s.  oben)  und  Gelasius  ^),  nur 
dass  Beide  richtig  yeivr^Tog  xal  uyhvrjTog  lesen,  statt  der  wol  aus 
dogmatischen  Gründen  hervorgegangenen  Veränderung  bei  Theod. 
yevvriTbg  i'^  ayevv^TOv,  Die  sonach  durch  3  Zeugen  belegten  Ab- 
weichungen vom  Texte  A  finden  sich  wiederholt  in  den  3  syri- 
schen Fragmenten  X  —  XII,  und  endlich  in  der  armenischen  Ueber- 
setzung.  Letztere  liest  nach  Petermann:  unus  est  medicus 
spirituum  et  corporum,  non  factus  et  factus,  Dens  et  filius  homi- 
nis; unicus  qui  unitus  est  supra  verba  factorum  (i.  e.  ratione 
quae  mentem  hominum  exceditj,  vera  vita  et  in  morte  vivus  et  a 
Maria  et  a  patre,  qui  passus  est  pro  nobis,  Jesus  Christus  Dominus 
noster.  Der  Text  bei  Arm  verräth  zwar  durch  den  Zusatz  qui 
unitus  est  supra  verba  factorum ,  desgleichen  durch  den  Ausdruck 
qui  passus  est  pro  nobis  für  ngujtov  nai^fjrdg  xal  tot«  unud-rjg 
seinen  secundären  Ursprung;  nichts  desto  weniger  bietet  er 
in  drei  Varianten  von  A  den  Text  der  vorhergenännten  Väter  und 
Fragmente,  indem  er  die  Lesarten  iv  dvO-gfonM  d^eog'^)^  iv  &a~ 
vaTü)  t,a}rj  und  endlich  den  Zusatz  *If]aovg  Xgiaioc  b  xvgiog  '^/nwv 
ebenfalls  enthält.    Nun  ist  grade  an  dieser  Stelle  der  Text  von  B 


1)  Unbedeutend  ist,  dass  einige  Codd.  bei  Äthan,  yevr^rds  ani  nye'vrjroe 
lesen,  desgleichen  dass  Gelas.  vita  aeterna  bietet,  und  6  hvqios  ^/acüv 
voranstellt. 

2)  Bemerkt  mag  wenigstens  noch  werden  der  eigenthümlicho  Text  des 
Theod.  in  Eph.  18.  b  yoQ  O'eoe  tjfi(dv  —  xn&aoioij.  Hier  liest  er  ix 
TtvEvfiaxoi  Sb  ayiov  und  statt  iva  rd  Tta&eiv  ro  vomq  xa&aQiarj  vielmehr 
iva  ro  d'vrjxov  rjfiöiv  xad'aQia&fi.  lieber  den  Werth  dieser  Lesart  lässt 
sieb  nichts  Sicheres  mehr  bestimmen. 


02        Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios. 

so  durch  Interpolationen  verunstaltet,  dass  kein  Schluss  auf 
dessen  ursi»rünji;^Iiclie  Gestalt  mög-lich,  also  auch  nicht  abzuseilen 
ist,  inwiefern  die  hier  gleichniässig-  von  Gr.  und  Lat.  A  abwei- 
chenden Autoritäten  Theod.,  Äthan.,  Gelas.,  Syr.  Fragm.  X — XII.. 
Ann.  etwa  dem  Texte  von  B  sich  nähern.  Wir  haben  demnach 
auch  keine  Berechtig-ung-,  zumal  bei  der  sonstigen  Verwandtscliaft 
des  Theod.  mit  A ,  die  g^enannten  Autoritäten  hier  einer  andern 
Tcxtrecension  zuzuweisen  als  der  Familie  A.  Aber  so  viel  folgt 
jedenfalls  aus  dem  dargeleg-ten  Sachverhalte,  dass  auch  innerhalb 
der  Familie  A  die  Textgestalt  noch  mannichfach  schwankt,  und 
dass  namentlich  dem  Codex  Mediceus  kein  unbeding- 
tes An  sehn  beigemessen  werden  kann.  Insbesondre 
beweist  das  Vorhandensein  der  Worte  ^Irjoovg  Xqiotoq  o  xvQiog 
ri(.i(7)v  wenn  auch  in  etwas  verkürzter  Gestalt  bei  Lat.  A,  die 
Vorzügiichkeit  des  durch  die  übrigen  Autoritäten  dargebotenen 
Textes. 

Bemerkt  mag  ferner  Averden  die  üebereinstimmung  des  Citats 
aus  Eph.  20  bei  Theodoret  und  Gelas  ins.  Diese  beweist 
1)  dass  auch  Gelasius  der  Familie  A  beizuzählen  ist;  2)  dass  er 
innerhalb  dieser  Familie  einen  näher  an  Theod.  als  an  Gr.  A. 
herangehenden  Text  vor  sich  gehabt.  Mit  Theod.  hat  er  nämlich 
gemein  die  beiden  Hauptabweichungen  y.al  tvl  ^Ii]gov  XgiGTüi 
und  wie  es  scheint  auch  die  grade  hier  kritisch  wichtige  Weg- 
lassung des  tw  vor  xazu  ougxa  (er  übersetzt  nämlich  secundum 
carnem  ex  genere  Dav. ,  statt  ei  qui  etc.).  Diese  üebereinstim- 
mung aber  muss  natürlich  in  Zusammenhang  gesetzt  werden  mit 
dem  gemeinschaftlichen  Texte  von  Eph.  7.  —  lieber  Pseudo- 
Athanasios  lässt  sich,  weil  weiter  keine  Stelle  als  die  aus  Eph. 7 
vorliegt,  nichts  Näheres  bestimmen.  Doch  mag  immerhin  der  übri- 
gens unbekannte  Urheber  jenes  das  Citat  aus  Ignatios  enthalten- 
den Einschiebsels  einen  der  Familie  A  zugehörigen  Text  benutzt 
haben. 

Die  armenische  üebersetzung  fanden  wir  ebenfalls  in  meh- 
ren Varianten  in  Einklang  mit  Theod.,  obwol  besonders  die  Ge- 
stalt von  Eph.  7  beim  Arm.  ein  ungünstiges  Vorurtheil  gegen 
denselben  erweckte.  Wir  kommen  im  nächsten  Unterabschnitte 
unserer  Textkritik  auf  den  Armenier  noch  besonders  zu  sprechen, 
und  merken  hier  nur  vorläufig  an,  dass  er  der  Familie  A  beizu- 
zählen ist,  obwol  er  an  einer  Anzahl  von  Stellen  einen  gemisch- 
ten Text  darbietet. 

Ebenfalls  zur  Familie  A  zu  rechnen  sind  ferner  Timotheos 
und  Severus.  Ersterer  citirt  Eph.  18.  19  nov  aocphg  —  InQ^x^n 
wörtlich  mit  A  gegen  B :  ovmwv  für  dvvazMv  (so  Gr.  B. ;  Lat. 
B.  lässt  es  ganz  aus);  ebenso  "Iva  %m  nud^tt  rb  vdwQ  na&agiarj 
gegen  tV«  ntaronoirjGTjTui  Ttjv  diuTu'^tv  tt^v  tyxiiQiod^Hoav  iw  tiqo- 
(prixji.  Hier  mag  die  gegenwärtige  Gestalt  der  Worte  bei  B  vom 
luterpolator  herrühren ;  ursprüngliche  Textverschiedenheiteu  bezeugt 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios.        63 

grade  hier  auch  Theod.,  der,  wenn  auch  nicht  mit  ß  stimmt,  so 
doch  einen  von  A  abweichenden  Text  gibt.  Die  üebereinstim- 
mung  von  Timoth.  mit  A  ist  mithin  um  so  bemerkenswerther.  C.  19 
endlich  h  rjövyja  mit  dem  Zusätze  von  A  d^tov.  Unberücksich- 
tigt lassen  wir  dagegen,  dass  Tim.  in  den  Worten  o  yuQ  d-eog 
TjlLUüv  xtA.  mit  A  stimmt,  weil  diese  Stelle  in  B  unleugbar  vom 
Interpolator  verfälscht  ist.  Magn.  8.  oti  hq  S-fog  iartv  —  T(p 
7iif.iilJuvTi  uvTov.  Hier  stimmt  er  mit  A  in  der  Weglassung  des 
7iuvTo>c()difi>Q ,  in  den  Worten  Xoyog  ui'dtog  ovy.  dno  otyrJQ  ngotl- 
&(t)v  gegen  Xoyog  ov  grjiog  uXV  ovoiwdrj^  mit  einem  weitern 
jedenfalls  dem  Interpolator  zugehörigen  Beisatze  bei  B.  Beide- 
male  hat  indess  der  Interpolator  gearbeitet,  und  nur  der  Zusatz 
ui'diog  ovx  ist  wichtig,  weil  dieser  bei  B  gefehlt  zu  haben  scheint, 
indem  das  ov  orjTog  wol  blose  Erklärung  des  dno  atyijg  ngotX- 
d^wv  ist.  Sicher  ist  noch  oc  x«r«  nuvTa  evrjQfOTTjGiv  ^)  für  oc  ndvTa 
xajtV7]Qi(TT7]aiv  mit  A  gegen  B.  Smyrn.  5.  6.  (Ätygig  ov  ^itTa- 
i>or,GiOGiv  —  wv  ovdlv  nQoyJxQiTui,  Wiederum  buchstäbliche  Ueber- 
einstimmung  mit  A ,  nur  zu  dg  t6  ai/na  Xgiorov  der  Zusatz 
.-jOIQAa)  ]ail^)5  quod  Dei  est.     Also  gegen  die  Weglassung  von 

dg  t6  ndd^og  o  Iotiv  fj/nwv  urdoraoig  C.  5,  und  von  xui  tu  inov- 
gdvia  —  doguTOu  Die  folgenden  Aenderungen  für  idv  f-irj  nioxtv- 
GMöii'  xrA. ,  namentlich  auch  die  Auslassung  von  xdxtivoig  xgiatg 
iariv  und  wv  ovöiv  ngoxlxgitai  gehören  wol  lediglich  dem  Inter- 
polator an,  dem  sie  nach  ziemlich  umfänglichen  Einschiebseln  beide- 
male  nicht  mehr  in  die  Construction  passten.  Dagegen  mögen  die 
beiden  erstgenannten  Weglassungen,  für  die  sich  keinerlei  Grund 
beim  Interpolator  entdecken  lässt,  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit 
dem  ursprünglichen  Texte  von  B  vindicirt  werden,  und  da  die 
Worte  bei  Tim.  stehn ,  für  dessen  V^erwandtschaft  mit  Familie  A 
Zeugniss  ablegen 

Severus  stimmt  mit  A:  Trall.  5  xal  ydg  iyü  — uogata» 
Für  rag  uyyelixdg  ra^eig  (II)  liest  er  zag  Tono&toiag  jag  dyytXi" 
xdg  (A)  und  zeugt  gegen  die  freilich  wol  blos  dem  Interpolator 
angehörigen  Erweiterungen  im  Folgenden.  Y>ixgegen  liest  er 
gegen  Cod.  Med.  xal  Svvaf.iai  (övvdjufvog'i)  vohv  {%.j^zim.)^o 
IJsAmiQ^  j.j]  et  potens  ego  intelligere,  die  gewöhnliche  syri- 
sche Bezeichnung  des  verbi  finiti),  also  mit  B,  und  ähnlich  wie 
Lat.  A.  Polyc.  3.  %ovg  xaigovg  xuTu(.idv^avt  —  vnofAHvavta 
stimmt  Sever.  mit  A  gegen  die  spätem  Erweiterungen  der  christo- 
logischen  Stelle  beim  Interpolator.  jov  vnig  xaigov  fehlte  viel- 
leicht (?)  auch  im  ursprünglichen  Texte  B.  —  Eph.  1  dval^w- 
nvgrjoavTtg  —  diirigTloaTi  liest  Sev.  h  ou^axi  &tov  mit  Gr.  A. 
Syr.  gegen  B  {XgioTov)^  ober  auch  gegen  Lat.  A  {Xgioiov  S^tov). 

1)  '^M  >0|?mNaO?  OOl  qui  in  omiiibiis  (xara  ndvra)  plaruit. 


()4        Upsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios 


iMagn.  6  onovödl^tTe  —  xm  ev  Jt'Xei  tcpuvrj  gibt  keinen  Anhalt  für 
die  Verglcicliung-;  denn  ausser  den  stark  interpolirten  letzten  Wor- 
ten Tiuga  nuTQi  tjv  xtX.  gibt  selbst  der  gegenwärtige  Text  von 
B  keine  Varianten.  Nur  die  Weglassung  der  Worte  xat  tujv  diu- 
xortüv  TMv  e/Lioi  ylvxvTotrwv  bei  Sev.  allein  ist  bemerkenswerth. 
Magn.  8  Ol  yuQ  S^hotutoi  -  ne^txpavxi  uvtov  setzt  den  Text 
von  A  voraus,  vgl.  Timoth. ,  mit  Auslassung  jedoch  der  Worte 
ui'diog,  ovx,  worin  Sev.  mit  Arm.  und  wie  es  scheint  mit  B  zu- 
sammengeht, s.  oben.  Trall.  2.  oi'  uv  yag  tcü  enioxonw  — 
exffVYfjxe  wörtlich  mit  A  gegen  B,  welcher  or'  üv  yag  weglässt, 
und  dafür  das  cpaivfod^e  (.loi  durch  dio  xui  einleitet,  ferner  wg 
Tio  xvQio)  liest  für  wg  'Trjaov  Xqiotw.  Der  hierauf  folgende  Zu- 
satz avTOQ  yoLQ  dygvnvH  xt\.  ist  Einschiebsel  des  Interpolators ; 
zweifelhafter  ist  dies  am  Schlüsse  des  Citats,  wo  A  und  Sever. 
To  uno&aviTv  ex(pvyi]Te,  B  diu  tov  ßunTinf,i(/Tog  xoivwvoi  Tfjg 
ävuoTÜaiwg  avvov  yivrja&f:  bietet.  Trall.  10.  11.  d  de  loaTieg 
Tive?  —  nuQ^  uvTu  dno^vriaxii  stimmt  wieder  wörtlich  mit  A  in 
dem  Zusätze  uvtoi  ovieg  to  öoxhv ,  den  B  nicht  kennt;  für  na()^ 
avTu  liest  er  mit  B  nuQaviixu  wenigstens  nicht  gegen  alle  Zeugen 
von  A,  sondern  zugleich  mit  Lat.  A  und  Arm.  gegen  Med.;  und 
die  Weglassung  des  ov  in  ciga  ov  xuxuiptvöo^ai,  welche  eben- 
falls mit  B  übereinstimmt,  hat  zwar  nur  noch  Arm.  für  sich,  da- 
gegen Gr.  A  und  Lat.  A  wider  sich :  trotzdem  scheint  diese  Va- 
riante als  von  Familie  B  und  zwei  Autoritäten  von  A  geboten, 
selbst  abgesehn  von  ihrem  inneren  Werthe  (welcher  hier  sehr  of- 
fen zu  Tage  liegt),  vorgezogen  werden  zu  müssen.  Smyrn.  1 
und  2  —  uväairjotv  tai  tov  stimmt  ebenfalls  genau  mit  A.  Ur- 
sprüngliche Varianten  von  B  sind  mit  Sicherheit  nur  das  wg 
uX7]d^cüg  nach  ntnlTjQOcpogrj^ifvovg ,  und  u(p^  ov  xut  rjfieig  eai^iiv  für 
ncfj*  ov  xagnov  rjf.tHg ,  in  Cap.  1;  endlich  die  Weglassung  des 
Vra  o(x)d^io(.av  C.  2.  Dagegen  sind  die  christologischen  Abwei- 
chungen Cap.  1  auf  Rechnung  des  Interpolators  zu  setzen,  und 
ebenso  wol  das  äveaitj  Cap.  2  für  dveoTfjatv  eaviov,  welche 
Aenderung  ebenfalls  aus  dogmatischen  Beweggründen  hervorge- 
gangen zu  sein  scheint. 

Die  Stellen  aus  dem  Römerbriefe,  welche  bei  Timoth. 
und  Sever.  sich  finden,  haben  wir  vor  der  Hand  übergangen;  so- 
viel geht  aber  aus  der  bisherigen  Vergleichung  sicher  hervor,  dass 
der  von  Beiden  benutzte  Text  zur  Familie  A  gehört  hat.  End- 
lich mögen  hier  noch  ihre  Stelle  finden  die  Fragmente  IX — XIV 
bei  Cureton.  Dass  X — XII  zu  Eph.  7  einen  mit  Theod.,  Äthan., 
Gelas.,  Arm.  wesentlich  übereinstimmenden  Text  bieten,  haben 
wir  schon  gesehn ;  ebenso  ist  ihr  nahes  Verhältniss  zu  den  Schrif- 
ten des  Timoth.  und  Sev.,  insbesondere  des  Letzteren,  schon  frü- 
her erörtert  worden,  als  wir  nach  den  vorhandenen  syrischen 
üebersetzungen  fragten,  so  dass  nicht  wol  zweifelhaft  bleiben 
kann,    ob  auch    diese   Fragmente    dem    Texte    A    angehören    oder 


Lipsius,  über  den  syrischen  Texte  der  Briefe  des  Ignalios,      65 

niclit.  Im  blinzeinen  sei  noch  bemerkt,  dass  Fragm.  Xill  die 
Worte  Epli.  18  negiilirj/na  —  ^mt]  uifovtog  wörtlidi  mit  A  citirt, 
g-egen  die  kürzere  (wol  secundäre,  obwol  darum  niclit  nothwendig- 
vom  Interpolator  herrührende)  Textgestalt  von  ß  o  arav^jog  toi 
Xqigxov  Toig  fiiv  uniaioig  axuvduXov  iait,  roig  öf  niatoTg  nxX. 
für  neQi'iprjf.ta  tu  i/.idv  nvevfza  tov  aiav^ovy  o  iariv  axuvduXov  roTg 
unioTovoi ,  ri[.uv  ö^  y.rX.  Ferner  Fr.  X  liest  die  Worte  E  p  h.  19 
uyvoiu  xud^riQHTo  x%X,  buclistäblich  mit  A  gegen  B,  dessen  Ab- 
weichungen hier  nicht  blos  auf  Rechnung-  des  Interpolutors  ge- 
setzt werden  könneo.  Fr.  XII  liest  die  Worte  aus  Smyrn.  6 
f.iriÖt)g  nXavuo^u)  —  xQiatg  iariv  genau  nach  dem  Texte  von  Ti- 
motli.  Smyrn.  4  7iQ0(fvXuaaü)  —  omg  övoxoXov  in  demselben 
Fragmente  wörtlich  mit  A,  namentlich  die  von  B  weg-geiassenen 
beiden  letzten  Worte  (doch  ngooivxiod^e  für  ngoatv/^tod^ui  mit  B 
gegen  A)  und  Phil  ad.  3  (.itj  nXavuad^e  —  xXtiQovofiH  bietet  das- 
selbe Fragment  statt  o/J^ovit  (A)  oder  o/Ji^ovTi  uno  rrjg  aXr,d^tlag 
(B)  mit  Arm.  und  einem  Fragmente  der  syrischen  Sentenzensammlung 
Nr.  1  (p.  199,  Cur.)  a/il^ovTi  Zfjv  ixxXrjaluv  [tov  &iov.  Fr.  I].  Endlich 
das  Citat  aus  Eph.  1.  bei  Fr.  IX  stimmt  genau  mit  Severus  überein. 

Nach  dem  Entwickelten  lassen  sich  mit  Sicherheit  dem  Texte 
A  nur  Theodoret,  Timotheos,  Severus,  die  Fragmente 
IX — XIV  und  sodann  der  Armenier  zuzählen.  Wir  können 
diese  Zeugen  noch  vermehren  um  Gelasius  und  (Pseudo-)  Atlia- 
nasios,  weil  Beide  einen  mit  Tlieod.  übereinstimmenden  Text 
bieten:  betreffen  diese  üebereinstimmungen  auch  fast  nur  Stellen, 
in  welchen  Theod.  von  dem  gegenwärtigen  Texte  A  selbst  sich 
entfernt,  so  macht  doch  eben  dieses  Vcrhältniss  zu  dem  Texte 
des  Theod.  die  Annahme  wahrscheinlich,  dass  beide  Schriftsteller 
anderwärts  einen  näher  mit  A  zusammengehenden  Text  gelesen 
haben  werden. 

Wir  fassen  nun  eine  für  die  Familie  A  wichtige  Frage  ins 
Auge,  das  Verhältniss  der  griechischen  und  latei- 
nischen  Handschriften  unter  einander. 

Hierbei  ist  zunächst  zu  bemerken,  dass  der  Codex  C  asan  a- 
tensis  mit  dem  Codex  Medicaeus  aus  einer  und  derselben  Quelle 
geflossen  ist,  wie  ausser  der  Beschaffenheit  des  Textes,  der  wenig 
bedeutende  Varianten  bietet,  namentlich  der  Umstand  zeigt,  dass 
Beide  zum  Schlüsse  von  dem  unächten  Tarserbriefe  ein  Fragment 
mittheilen,  welches  an  derselben  Stelle  abbricht.  Der  ältere  Cod. 
Med.  steht  dem  gemeinsamen   Originale  näher'). 

Was  ferner  den  Cod.  Parisinus  betrifft,  so  setzt  derselbe 
einen  minder  ursprünglichen  Text  voraus,  als  der  Cod.  Med. 
Dies  erhellt  aus  den  beiden  Varianten  aus  Eph.  19:  lYlfxgiag  Trjg 
uel  nuQ&ivov  xui  &toi6xov  für  das    einfache    JVIugiug    und    ndvia 


1)  Vgl.  Dresse],  Patr.  App.   p.  LXI    und  ineiiic  Ik'iiiciktiiig;  in  der  obeu 
angeführten  Recension  S.  98. 

Abhandl.  d.  DMG.  I,  5.  5 


66       Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

ixivHTO  für  T«  ndvra  owaxiveTro.  Dieses  Resultat  stimmt  übri- 
gens überein  mit  dem  jüngeren  Alter  dieses  Cod. 

Das  Verhältniss  des  Cod.  Medicaeus  zum  Cod.  Colber- 
tinus  lässt  sich  durch  unmittelbare  Vergleichung  nicht  bestimmen, 
weil  Letzterer  nur  den  im  Cod.  Med,  fehlenden  Römerbrief  bietet. 
Dagegen  erhellt  allerdings  aus  ihrer  beiderseitigen  Vergleichung 
mit  den  Handschriften  von  Lat.  A  ein  wesentlich  verschiedenes 
Verhältniss  beider  griechischen  Codd.  zu  den  lateinischen, 

Vergleichen  wir  zunächst  den  C  o  d.  M  ed,  mi  t  Lat.  A ,  so 
haben  wir  uns  ins  Gedächtniss  zurückzurufen ,  dass  die  Verglei- 
chung der  patristischen  Citate  in  einer  der  Hauptsteilen  Eph.  7, 
für  den  Cod.  Med.  (und  Casan.)  kein  günstiges  Resultat  gelie- 
fert, und  namentlich  eine  Auslassung  dieses  Cod.  ans  Licht  ge- 
zogen hatte,  welche  uns  Anlass  zu  der  Bemerkung  bot,  dass  man 
dem  Cod.  Med.  wenigstens  kein  ungemessenes  Ansehn  zugestehn 
dürfe.  Einen  sicher  späteren  Zusatz  hat  Cod.  Med.  Eph.  2:  tm 
avTM  vot,  xal  ttj  avjfj  yvwfij] ,  xal  t6  avrd  "kiyriTt  ndvT8Q  negt 
Tov  avTOv  übereinstimmend  mit  B,  aber  gegen  Lat.  A  und  Arm, 
Unter  den  übrigen  Varianten  im  Ep  he  s  er  b  rief  e  sind  hervorzu- 
heben: Cap.  l.  Gr.  A  Gr.  B  ^ifj.rjTui  ovreg  gegen  Lat.  A  und  (wie  es 
scheint)  Syr.  Arm.,  welche  ein  oti  vorsetzen  (Lat.  B?),  Ebenda- 
selbst Gr.  A  Lat.  B  änagriaare  (Cod.  Cas.  dnavTiaare)  für  dnriQ- 
jiaare  Lat,  A  Syr.  Arm.  Gr,  B.  Ebendaselbst  liest  Gr,  A  'iva 
öiä  TOV  (xaQTVQiov  iniTvx^tv  övvrj&w  f^ad^rjr^g  ttvai  tov  vneQ  7]f-iwv 
tavTOv  dvevtyxovTog  ^iov  ngoocpoQuv  xui  ^voiav.  Ganz  so  B,  nur 
mit  Weglassung  von  inijvxuv.  —  Der  Text  von  Lat.  A  Syr. 
Arm,  erweist  hier  bei  sonstigen  Abweichungen  die  Worte  tov 
vnig  Tjfiwv  xtX.  als  Einschiebsel  und  bietet  dafür  zum  Schlüsse 
das  für  die  Construction  unentbehrliche  löeTv  eanovö doate. 
—  Endlich  Gr.  A  mit  Syr.  Sev.  iv  acfnaTt  d-eov,  wofür  Lat.  A 
XgicsTOü  TOV  Seov,  ß  XgioTov  lesen.  Hier  hat  Gr.  A  das 
Richtige  aufbewahrt,  Cap.  14  liest  Gr,  A  d-eov  ioTiv  gegen  die 
schwierigere  Lesart  von  Lat.  A  und  Arm.  i)^e6g  egti,  ß  umschreibt 
hier.  Aus  dem  Magn  es  ierb  rief  e  :  Cap.  6.  Gr.  A  tm  nXfjoiov. 
Lat.  A  Arm.  B  Dam,  tov  nXtiolov.  Cap.  7,  Gr.  A  ndvTtg  ovv, 
Lat.  A  Arm.  B  ohne  ovv.  —  Gr.  A  (hg  dg  vaov  Lat.  A  Arm. 
wg  eig  tva  vaov,  B  w^  tlg  dg  tov  vaov,  Cap.  8.  Gr.  A  xaTu 
vofxov  ^TovSaiafj.6v.  Lat.  A  xaTa  *Iov$aCo(x6v.  Arm.  B :  xaTa  v6- 
ixov  'lovda'ixov.  Hier  leuchtet  ein,  dass  Cod.  Med.  einen  secun- 
dären  Text  bietet.  Cap.  9.  Gr.  A  i^cotjv  t^aJvTtg.  Lat.  A  ^aJvTtg 
ohne  fw^v,  Cap.  14.  Gr.  A  nagixiXavoa,  Lat.  A  Arm.  ß  nagtxd- 
Xaaa,  Cap.  15.  Gr,  A  ÖidxgiTOVy  Lat.  A  Arm.  ß  döidxgiTOv  (ganz 
unzweifelhaft  die  richtige  Lesart). —  Aus  dem  Trallerbriefe: 
Cap.  2.  Gr,  A  Arm,  Antioch.  Cod.  Nydpr.  diov  ovv  avTovg  (pvXda- 
Gtad^at  xtX,  Gr,  ß  Lat.  B  avTWV  Lat.  A  opportunum  igitur  vos 
observare.  —  Cap.  3.  Gr.  A  Arm.  Antioch.  Tovg  diaxovovg  dtg 
IfjGOvv  XgioTov,     Lat.  A    r.  d.  wg   ivToXrjv  'If^aov   Xgiaxov»   — 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignailos.       67 

Weiter  unten  in  der  schwierig-en  Stelle,  von  der  nochmals  die 
Rede  sein  wird ,  Gr.  A  Mg  xui  rov  intoxonov  ovru  vibv  rov  nu- 
TQog,  eine  offenbare  Verderbniss,  welche  Lat.  A  freilich  unglück- 
lich so  herzustellen  sucht  xai  tov  iniaxonov  wg  ^Irjaovv  XgtaTov 
ovxa  vlov  TOV  nargog.  —  Cap.  5.  lässt  Gr.  A  v/aiv  nach  jU?J  Jr- 
vafxai  weg  gegen  L.  A  Arm.  Syr.  B ,  und  ebenso  fehlt  nach 
xal  dvvdf.ievog  bei  Gr.  A  voiTv ,  was  Lat.  A  beifügt,  während  Se- 
ver.  Syr.  Arm.  B  xai  dvvafiai  voiiv ,  also  wenigstens  den  Zusatz 
mit  Lat.  A  lesen.  —  Cap.  6.  liest  Gr.  A  das  unsinnige  ot  xaigol 
7iaQE(,inXixovaL  'Ii^aovv  Xgtardv,  während  Lat.  A  dafür  quae  et 
inquinatis  implicat  Jesum  Christum  bietet,  indem  er  das  Relat. 
auf  u(fiGig  zurückbezieht.  B  liest  xai  tov  Ibv  nQoanXlxovTtg  rijg 
nXavtig  "^V  y^'^»^*''«  ^QOorjyoQia,  Antioch.  ganz  erleichternd  ol  xai 
TtagtfiTiX. ;  Arm.  aber  und  Syr.  Fr.  I  ol  tavioTg  naQtf.in'kixovai  xtX, 
(letzteres  }.x».AA:aO  ^oaaS  ^OoiaSU  ^.^b5.jjlQ5  ^oi5  qui  miscent 

personas  suas  cum  Jesu  Christo).  Diese  Lesart  ist  ebenso  wenig 
geeignet,  zur  Erklärung  der  übrigen  zu  dienen.  Das  Richtige 
hat  schon  Vossius  gesehn,  der  aus  dem  Texte  von  B  und  Lat. 
A  ol  xai  loTg  naof(j.nXfxovoi  herstellt.  Aus  KAJ101C  erklärt 
sich  einerseits  die  Lesart  von  Cod.  Med.  Casan.  KAIPOJ,  andrer- 
seits der  von  der  weiteren  syrischen  Recension  vorausgesetzte 
Text  EAYTOIC.  In  demselben  Capitel  liest  ferner  Gr.  A  mit 
Johannes  Damasc.  und  sehr  verwandt  mit  Arm.  den  Zusatz  xaz* 
u^iav  niGTiv6(.iivoi  {xuja'^ioniaTtvo^tvoi  Dam.),  welcher  bei  Lat. 
A  und  B  fehlt,  aber  doch  vielleicht  ursprünglich  ist.  Cap.  7  feh- 
len bei  Gr.  A  die  Worte  o  öe  ixrög  wv  ov  xad-agog  iaxiVy  von 
denen  die  drei  ersteren  wol  ursprünglich  sind,  die  letzteren  aber 
von  Lat.  A  um  der  Concinnität  mit  dem  vorhergehenden  Satz- 
gliede  willen  eingeschoben  wurden.  Wir  werden  diesen  Sachver- 
halt weiter  unten  zu  erweisen  suchen,  wenn  wir  vom  Armenier 
besonders  handeln.  Cap.  8.  liest  Gr.  A  mit  Arm.  di*  oXiyovg 
äq)govag,  Lat.  A  mit  B  und  Dam.  oXlycov  tivwv  ägjgovwv  t'ivexa, 
Cap.  IL  hat  Gr.  A  nag*  avToi  gegen  Lat.  A  Arm.  Sevef.  B, 
welche  sämmtlich  nagavxixa  bieten.  Cap.  13.  liest  Gr.  A  vno- 
Taaaöf-ihvoi  tm  inioxonw  w^  t^  ivToXf]  Lat.  A  Arm.  . . .  cog  &eov 
ivToXfj  B  lässt  den   ganzen  Zusatz  wg  xtX.  weg. 

Aus  dem  Philadelphenerbriefe:  inscr.  Gr.  A.  Gr.  B. 
Arm.  nagdfzovog  Lat.  A  u/nwfiog  oder  navu^wfxog  (incoinqui- 
natum)  ivol  ein  Schreibfehler.  Noch  anders  Lat.  B  (singulare). 
—  Cap.  1.  Gr.  A  und  B  t^v  dtaxoviav ,  dagegen  Lat.  A 
Arm.  rrjv  olxovofiiav ,  die  schwerere  und  vorzüglichere  Les- 
art. Cap.  5.  Gr.  A  w^  i'ii  (Cod.  Cas.  Ion)  wy  dvagnaazog  für 
wg  m  wv  uvanugTioTog  wie  Lat.  A  (Cod.  Caj.  lässt  wg  weg), 
Arm.  Lat.  B  (und  auch  Gr.  B)  bieten.  —  In  demselben  Capitel 
liest  Gr.  A  mit  B  zu  ^  ngogtvx^  vfiwv  den  Zusatz  elg  ^iov,  wel- 
chen   Lat.   A    Arm.   weglassen.     Cap.   9.    Gr.    A    rrjv   nagovalav 


68       Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios. 

Tov  yvQtov  rjfnuivy    Lat.  A    Arm.  B    schieben    vor    tov    xv^jiov   ein 
öCDtiJQog  ein. 

Aus  dem  S  iny  r  n  äe  rbr  ief  e  :  Cap.  1.  Gr.  A  dg  tov  y.vgiov 
TjjLiwv  mit  Theod.  und  Sever. ,  während  Lat.  A  Arm.  ß  "Ttjaovv 
Xqioiov  hinzufügten.  Es  geht  also  die  Hälfte  der  Auetoritäten 
von  A  mit  B  gegen  Gr.  A.  —  Cap  6.  Gr.  A  niGTivo(i)(.itVi  wol  ein- 
Schreibfehler  für  TtioTevawGiv ,  wie  Lat.  A,  Arm.,  Timoth.  und 
Fr.  XII  bieten.  Andrerseits  ist  in  demselben  Capitel  bei  Lat.  A 
qualiter  (ro  ntoq)  Schreibfehler  für  Tonog,  Gr.  A  x4rm.  Tim.  Fr.  XII 
B.  Cap.  11  liest  Gr.  A  allein  xarä  &t)^i]f.iu  di  gegen  Lat  A. 
Arm.  B,  welche  ^tov  beifügen  (Cod.  Caj.  und  Nydpr.  lassen  di 
weg).  Ebendas.  Gr.  A  a^iov  mit  Gr.  B,  gegen  Lat.  A  und  (Avie 
es  scheint)  Arm.,  welche  aE,i(tdtov  lesen.  Cap.  13  Gr.  A  Gr.  B 
h  dvvüfiti  nvev/LiuTog,  gegen  Lat,  A  Arm.  ev  d.  nuTQog,  womit 
auch   Lat.  B  stimmt,  der  jedoch  d^tov  nujQug  hat. 

Aus  dem  Briefe  an  Polykarp:  Cap.  1.  Gr.  A  Gr.  ß 
Syr.  Arm.  ev  /agirt ,  wogegen  Lat.  A  Lat.  B  ein  &env  beifügen. 
Ersteres  ist  äusserlich  besser  bezeugt,  doch  wäre  die  Weglassung 
auch  aus  innern  Gründen  erklärlich.  Gr.  A  Lat.  B  ^oiid^tiar, 
Lat.  A.   Gr.  B.   Syr.  Arm.  ofioyj&etav    (Syr.   Jj.aO.  ^j],    Arm.   se- 

cundum  voluntatem) ,  jedenfalls  der  richtige  Text.  Cap.  5:  Gr.  A 
ilt;  Tiin7]V  TOV  y.vQiov  Tv/g  auQxog,  Lat.  A  Gr.  B  Antioch.  Anton. 
Syr.  Arm.  eig  Tif-i>)v  GUQxog  tov  xvpiW;  letzteres  die  bezeugtere 
wie  aus  innern  Gründen  vorzüglichere  Lesart.  Im  Folgenden 
liest  Gr-  A  tW  o  yufxog  fi  y.aja  Otov.  Dafür  Lat.  A  mit  Gr.  B 
Syr.  Arm.  yuTa  xvgiov,  wogegen  die  übrigen  Zeugen  ausser  Lat. 
A  in  der  Aufrechthaltung  des  o  yujuog  mit  Gr.  A  gehn.  Ein 
offenbarer  Irrthum  von  Lat.  A  ist  endlich  noch  in  demselben 
Cap.  kurz  vorher  der  Zusatz  tov  xvgiov  zu  iv  äxav/rjamy  wel- 
cher wol  aus  dem  obigen  tig  tifxriv  Tr^g  oagxog  tov  xvgiov  einge- 
flossen ist.  Aus  den  bei  Syr.  fehlenden  Abschnitten  dieses  Capi- 
tels  lind  nur  2  Varianten  aus  Cap.  7  bemerkenswerth,  Gr.  A  und 
Cod.  Mont.  iv  Tfj  dvaoidoEi  ^  Cod.  Caj.  mit  Arm.  und  B  iv  t/7 
ahi^oti.  Letzteres  die  bezeugtere  Lesart.  Weiter  unten  Gr.  A 
mit  Codd.  Aug.  Leicestr.  ovvtovov  Lat.  A  mit  den  übrigen  Codd. 
von  ß  ovvTOfAOv  (iirm.  l'ToifA,ov  wie  es  scheint;  „promptitudi- 
nfem")i). 

Fassen  wir  nun  die  Resultate  vorstehender  Darstellung  zu- 
sammen, so  ergibt  sich:  I)  sowol  bei  Cod.  Med.  und  Casanat. 
als  bei  den  Codd.  von  Lat.  A    finden  sich  eine  Anzahl  offenbarer 


1)  Ich  bemerke  nebenher,  dass  diese  Zusammenstellung  nur  die  wichtigern 
Varianten  umfasst.  Kleinere,  die  sich  auf  Partikeln  etc.  oder  ganz  unzweifel- 
hafte Schreibfehler .  in  dem  einen  oder  andern  Texte  beziehen,  sind  absichtlich 
aus  dem  Spiele  gelassen  worden. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.        69 

Fehler,  die  durch  den  entg-e^eng-esetzten  Text  verhessert  werden. 
2)  In  der  grossem  Anzahl  der  Varianten  l»at  Lat.  A  den  aus  in- 
nern  Gründen  vorzüg-licheren  und  auch  äusserlicli  bezeug;teren 
Text.  Namentlich  aber  3)  verräth  schon  Cod.  Med.  in  seiner 
üeberein Stimmung-  mit  B  mehrere  Kinsclilehsel ,  die  freilich  noch 
nicht  auf  Rechnung-  des  Interpolators  von  H  zu  setzen  sind  ,  wol 
aber  einen  spätem  Text  als  den  ursprünglichen,  dem  Lat.  Ä  noch 
näher  steht,  verrathen.  Insbesondre  finden  sich  Beispiele  dieser 
Art  im  Epheserbriefe:  und  eins  dieser  Einschiebsel  erweist  sich 
seiner  Tendenz  nach  offenbar  als  ein  christologisch-dogmatisiren- 
des ,  nämlich  die  Worte  Eph.  1 :  jov  vn€Q  rjf.iü)v  tavTOv  anvty- 
y.ovTog,   i^eov  7i(joo(fOQ(lv  xut  &vaiav. 

Was  endlich  das  Verhältniss  der  beiden  lateini- 
schen Codd.  zu  einander  betrifft,  so  ist  dieses  allerdings 
schwer  zu  ermitteln,  da  Cod.  Mont.  verloren  ist;  indessen  nach 
Massgabe  des  üsher'schen  Abdrucks  scheint  im  Allgemeinen 
Cod.  Caj.  der  vorzüglichere  zu  sein.  So  sahen  wir  schon  Po- 
lyc.  7.,  dass  h  uhi^aeiy  welches  Cod.  Caj.  bot,  die  bessere  Les- 
art war  (gegen  iv  avaoruau  Cod.  Mont.).  Die  ausschlaggebende 
Stelle  aber  ist  Eph.  1.  Hier  haben  beide  Codd.  den  durch  Syr. 
Arm.  bestätigten  und  durch  die  Structur  gebotenen  Nachsatz  lötTv 
ionovduaaii ,  videre  festinastis,  der  bei  Gr.  A  und  B  wegen  der 
folgenden  Einschiebsel  ausgefallen  ist.  Aber  Cod.  Mont.  lässt 
nun  auch  die  Worte  tVa  diu  tov  (xaQZVQiov  eniTV/uv  dvvrjd^ai 
fxad^fjtrjQ  Hvai  weg,  wodurch  jede  Erklärung  des  Einschiebsels 
unmöglich  wird.  Cod.  Caj.  aber  liest  wenigstens  ut  potiri  possim 
discipulus  esse.  — 

Im  üebrigen  weichen  aber,  wie  es  scheint,  beide  Codd.  unter 
einander  in  sehr  unerheblichen  Dingen  ab ,  ebenso  wie  auch  ihr 
Text  im  Ganzen  und  Grossen  dem  Griechischen  des  Cod.  Med. 
entspricht,    das  sie  zuweilen   bis  zum  Unsinn  wörtlich  übersetzen. 

Wir  haben  uns  jetzt  zur  Erforschung  des  Verhältnisses  zu 
wenden,  welches  zwischen  dem  Codex  Colbertinus  und  den 
lateinischen  Codd.  von  A  stattfindet.  Mit  dieser  Untersuchung 
lässt  sich  zugleich  die  Einordnung  der  noch  nicht  unter  eine  be- 
stimmte Familie  gebrachten  handschriftlichen  Documente  verbin- 
den. Es  sind  dies  nämlich  Simeon  Metaphrastes,  der  2te 
Syrer  und  der  2te  Armenier,  welche  sämmtlich  die  Märty- 
reracten  des  Ignatios,  und  in  diesen  ganz  oder  theilweise  den 
Römerbrief  enthalten.  Ebenso  werden  wir  hier  von  den  bis- 
her bei  Seite  gelassenen  Citaten  des  Timotheos,  Severus  und  der 
syr.  Fragmente  aus  dem  Römerbriefe,  desgleichen  soweit  dies  zur 
Orietitirung  unumgänglich  nöthig  ist,  vorläufig  von  dem  Texte  des 
Römerbriefs  bei  Syr.  und  Arm.  zu  handeln  haben.  Mit  einem 
Worte  können  wir  demnach  die  Frage  so  stellen:  welches  ist 
im  Römerbriefe  das  Verhältniss  der  Handschriften, 
Versionen  und  Citate  zueinander? 


70       Lipsius,  über  den  syrischen  2'eoct  der  Briefe  des  Ignalios. 

Im  Ällg-eineinen  bemerken  wir  so  viel,  dass  dieses  Verhält- 
niss  auf  der  einen  Seite  verwickelter  wird  durch  die  grössere' 
Masse  der  zu  berücksichtigenden  Auctoritäten  und  die  vom  Cod. 
Med.  abweichende  Stellung,  welche  hier  Cod.  Colb.  zu  den  lat. 
Codd.  einnimmt;  dass  aber  auf  der  andern  Seite  auch  der  An- 
haltepunkte  mehr  sind,  welche  uns  die  einschlagenden  Fragen  mi( 
grösserer  Sicherheit  %u  beantworten   erlauben. 

Wir    beginnen    mit    der    Betrachtung    einer    Stelle    aus    dem 
3.   Cap.     Hier  lesen  wir  zuerst:    idv  yaq  [xaY[  evQs^w  (sc.  Xgi- 
OTtuvog),  xal  Xtyea&ui  Svva/Ltai,  y.ai  t6t€  niarog  (hat  orav  x6af.iüß] 
f4T]    q)uivii)^ai.     Darauf   folgen    bei    Cod.    Colb.    folgende    Worte: 
ovöiv  (paivofxhvov ,  aicoviov.     Ta    yaQ    ßktno^tva,    nQoaxaiQa'    ri 
de  (XT]  ßXenoftava  f    ulcuvia.      0    yäg    &(6g   rjfj.wv  ^Trjaovg   X()iGTdgA 
iv  nargi  wv ,  (.lotXXov   cpahaxui.     Die  Codd.    von  B  und  Sim.  Met.] 
lesen  genau  ebenso,    lassen  aber  den  letzten  Zusatz    o   yuQ   ^«od 
—    (pniverai    aus.      Dagegen    fehlt    der    erstere  Zusatz  t«  yägj 
ßXeno^ieva  —  aiwvia  bei  Lat.  A    Timoth.  Syr.   1   Arm.   1   Arm.  2;i 
im  Vorhergehenden  lesen  diese  Auctoritäten  sämmtlich  ovöiv  q)ai- 
vojuevov  äya&ov    (oder  xalovi);    der    letztere    Zusatz    endlich 
ya^)  'd^fdg  xtX.    findet    sich    bei   Lat.  A  Tim.  Arm.  1   Arm.  2,  als( 
bei  allen  mit  Ausnahme  von  Syr.     Nun  ist  soviel  klar,    dass   der^ 
erstere  Zusatz  t«  yuQ  ßXen6f.tsva  —  aiwvia    steht    und    fällt    mif 
der    Lesart    aicjviQv    im     Vorhergehenden.     Letztere     aber    findet 
weder  im  Vorhergehenden  noch    im  Nachfolgenden    irgend    welche 
Bestätigung.     Nicht  davon  ist  im  Zusammenhange  die  Rede,  dass] 
dem  sinnlich  Wahrnehmbaren  kein  ewiger  Bestand  zukomme,  son- 
dern davon,  dass  Ignatios,   so  lange  er  in  der  sinnlich  wahrnehm- 
baren Welt  verweile,  nicht  im  Stande  sei,    seine    wahre    Jünger* 
Schaft  und  seinen  aufrichtigen  Glauben  zu   erweisen.    Ganz  natür-j 
lieh  schliesst  sich  hieran  der  Gedanke,  dass  nichts  sinnlich  Wahl 
nehmbares    wahrhaft    gut  sei :    dies  ist  die  Folge  davon ,    dass 
in    der  Sinnenwelt   seine    Jüngerschaft    nicht    wahrhaft    bethätigei 
kann ;    und    andrerseits    ist    eben    dies    hinwiederum    die    Ursache^ 
warum  er  der  Sinnenwelt  durch  den  Märtyrertod  entrückt  zu  wer- 
den   strebt.     Er   hasst   die    Sinnenwelt   als    ein    Hinderniss    seine 
wahren  Jüngerschaft,  als  ein  dem  wahren    Christenthum    feindlicl 
entgegentretendes   Princip :  daher  der  Satz  ovöiv  cpatvof^evov  aya- 
"^ov,     Fragen  wir  also  nach    innern  Gründen ,    so    ist    die    Lesart 
v.yad'ov  unbedingt    der  Lesart    ahjüvtov    vorzuziehn.     Dazu  kommt 
nun  das  bedenkliche  Verhältniss,  in  welchem  diese  Lesart  zu  dem 
unmittelbar  folgenden  Satze  steht    t«    yap    ßXenofxeva   xtX.     Dies 
ist  ein   Schriftcitat   (2  Kor.  IV,  18) :    und    schon    dieser   Umstand 
macht  den  Satz  als  Einschiebsel  verdächtig:    denn    eben    das  Ein- 
schieben von  Bibelstellen  war  ein  Hauptmittel,  den  ursprünglichen 
Text  anscheinend  auf  unbefangene  Weise  zu  erweitern,  wie  dies 
insbesondre  durch  das  Verfahren    des   Interpolators    von    B    längst 
festgestellt  ist.     Steht  aber  das  Citat  einmal  da,   so  ist  die  Les- 


M 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios.       7 1 

art  uhöviov  durch  das  C'itat,  und  hinwiederum  das  Citat  durch  die 
Lesart  auoviov  scheinbar  verbürgt. 

Wenden  wir  uns  dagegen  zu  dem  andern  Zusätze  o  yag 
&ehg  rjfxfov  'Irjaovg  X^ioTog  iv  natgl  wv  fnuXlov  (pulrexat,  so  steht 
dieser  nicht  in  einem  so  engen  Verwandtschaftsverhältnisse  zu 
ayad^ov  wie  jener  andre  Zusatz  zu  ahoviov.  Der  Sinn  ist  ein- 
fach und  klar,  ehensowol  mit  als  ohne  diesen  Zusatz.  Den  Ge- 
dankengang der  Stelle,  wie  er  ohne  denselben  sich  herausstellt, 
haben  wir  vorher  angedeutet:  steht  der  Zusatz,  so  soll  er  die 
Ansicht,  dass  nichts  sinnlich  Wahrnehmbares  gut  sei,  gegen  einen 
Einwurf  schützen,  davon  entlehnt,  dass  ja  Christus  selbst  sinnlich 
wahrnehmbar  erschienen  sei,  die  Sinnenwelt  als  solche  also  nicht 
diesem  verwerfenden  ürtheile  unterfallen  dürfe.  Dem  erwidert 
nun  der  Verfasser:  der  Einwurf  wegen  der  Erscheinung  Christi 
in  der  Sinnenwelt  erweist  nichts :  denn  im  wahren  und  richtigen 
Sinne  kommt  Christus,  unser  Gott,  nicht  in  der  Sinnenwelt, 
sondern   vielmehr,  sofern  er  im  Vater  ist,  zur  Erscheinung. 

Nun  zur  äussern  Kritik.  Durch  die  doppelten  Zu- 
sätze scheint  sich  eine  doppelte  Textgestalt  her- 
auszustellen: den  erstem  Zusatz  haben  die  Codd. 
von  B  und  Sim.  Met.;  den  letztern  Lat.  A  Timoth. 
Arm.  I  Arm.  2;  beide  hat  Cod.  Colb. ;  keinen  von 
beiden  Syr.  Dass  der  zweite  Zusatz  ursprünglich  in  allen 
Handschriften  der  erstem  Textgestalt  gestanden  habe,  ist  durch 
nichts  erweislich:  denn  der  einzige  Grund,  welcher  allenfalls  die 
Möglichkeit  hiervon  begründen  könnte,  nämlich  der,  dass  der 
üeberarbeiter  von  B  die  Stelle  weggelassen  habe,  weil  Christus 
darin  Gott  genannt  wird,  Hesse  sich  zwar  durch  vielfache  Ana- 
logien stützen,  hat  indessen  doch  immer  Stellen  gegen  sich  wie 
Rom.  inscr.  xaza  niOTiv  y.ui  äydntjv  ^Irjaov  Xqiotov  tov  &eov  xal 
awTfjQog  Tiixcov  u.  a. ,  wo  der  üeberarbeiter  das  jov  d^tov  stehn 
Hess.  Die  Hauptsache  aber  ist,  dass  hierdurch  das  Fehlen  der 
Stelle  bei  Sim.  Met.  nicht  erklärt  wird.  Sonach  setzt  Cod. 
Colb.  schon  einen  doppelten  Text  voran;  den  einen  der 
Familie  A  angehörig,  durch  Lat.  A  Arm.  1  Arm.  2  Timoth. 
vertreten  ');  den  andern  der  Familie  B  angehörig,  durch  die  Codd. 
von  B  und  ausserdem  durch  Sim.  Met.  geschützt. 

Cod.  Colb.  kann  sonach  nicht  als  unbedingt  giltige  Auetori- 
tat  für  den  Text  A  benutzt  werden. 

Wir  gehn  einen  Schritt  weiter,     ünsre    Stelle    ist    nicht    die 


1)  Die  Weglassung  des  zweiten  Zusatzes  bei  dem  Syrer  kommt  liier 
noch  nicht  weiter  in  Betracht.  Jedenfalls  ist  auch  der  Zusatz  von  A  erst 
später  aus  christologischem  Interesse  eingedrungen ,  so  dass  Syr.  den  von 
Zusätzen  noch  freiesten  Text  bietet.  Vgl.  unten.  Die  betreffende  Stelle  ist 
schon  in  Nicdners  Zeitschrift  a.  a.  0.  S.  17  ffg,  und  Liter.  Centralblatt 
1857,  Nr.  7,  S.  99  in  der  Kürie  erörtert. 


72       Upsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

einzig-e,  in  welcher  Cod.  Colb.  ein  Einschiebsel  enthält,  von  dem 
Lat.  A  noch  frei  ist.  Cap.  6.  lesen  wir  bei  Colb.:  ^äXXov  ^oi 
uno&avHV  €ig  X^mroV  'l7]Ooiv  rj  ßcxodeveiv  zmv  negarcüv  jr^g  yr^g. 
Dann  folgen  bei  ihm  die  Worte  r/  y«p  cocpeleiTui  uvd^Qwnng,  iuv 
y.t(jöriari  rov  xon/Liov  nXov ,  rip'  de  ipv/rjv  uvtov  Crjuiiod-fj ;  Dies 
ist  ein  Evangeliencitut,  verhältnissmässig-  mehr  mit  Matth.  als  mit 
Luc.  verwandt.  Dieses  Citat  nun  stellt  auch  bei  Sim.  Met.  und 
B;  dagegen  fehlt  es  bei  Lat.  A  Arm.  1  Arm.  2  Timoth.  Syr. 
Fragm.  II  (p.  201).  Es  stehn  sich  also  hier  dieselben 
Auctoritäjten  wie  in  der  Stelle  aus  Cap.  3  entgegen, 
und  der  Zusatz  von  Cod.  Colb.  Met.  B  chaiakterisirt  sich  deut- 
lich als  eingeflochtene  Bibelstelle,  also  ebenfalls  wie  im  obigen 
Falle. 

Dergleichen  Zusätze  secundärer  Art  finden  wir  noch  mehre 
im  Römerbriefc. 

Cap.  4:  Lat.  A  Syr.  Arm.  1  Arm.  2  vvv  (.lavd-dvo)  dadt/Litvog 
jLi?]div  fni&vf,ieTv,  dazu  bei  Cod.  Colb.  Met.  B  der  interpretirende 
Zusatz  y.oa^iaov  rj  f^draior, 

Cap.  5:  das  Einschiebsel  uvaro^u},  diaiQtoeig  nach  den  Wor- 
ten nvg  y.ai  oruvQog  d^rjfjuov  je  GvoTaaeig  bei  Cod.  Colb.  Met.  B  und 
auch  Arm.  2 ;  weggelassen  bei  Lat.  A  Syr.  Eus.  Gr.  Eus.  Syr. 
Rufin.  Einen  Mittelweg  schlagen  Arm.  1  und  Fr.  11  (201)  ein, 
welche  blos  den  Singul.  öiaiQenig  lesen.  Es  bedarf  indess  nur 
eines  kurzen  Blicks  auf  den  Satzbau  der  vorliegenden  Periode, 
um  zu  erkennen,  dass  Lat.  A  hier  den  richtigen  Text  bietet,  wenn 
auch  ausnahmsweise  im  Stiche  gelassen  von  einigen  andern,  ge- 
wöhnlich mit  ihm  gehenden   Zeugen. 

Cap.  7  finden  sich  eine  ganze  Menge  von  solchen  Einschieb- 
seln. —  Der  Text  lautet  nach  Lat.  A  so:  uqxov  &eov  d^iXo),  o  iaii 
aug"^  Xqiotov  toü  ex  antQ^aTog  /Jußld '  xul  7i6f.ta  d^fho  t6  aif-ia 
avtov ,  o  ioTiv  dydnrj  Hcp&ugrog.  —  Hiergegen  schieben  Cod.  Colb. 
Met.  B,  welche  auch  hier  wieder  zusammengehn,  eine  Reihe  er- 
klärender und  vermeintlich  vervollständigender  Zusätze  ein:  ug- 
Tov  ov  guv  lov ,  cigr  ov  Km^j  g  nach  ägrov  S^eov  S^eXw .  augl^ 
^Itjgov  XgtOTOv  TOV  vlov  TOV  d'tov  für  das  einfache  Gug'§ 
Xgiojov.  yivof.iivov  iv  varegio  zwischen  tov  und  ex  öntg- 
f,iaTog.  xui  'AßgudfL  nach  /Iaßi8.  xix\  dewaog  t,(x}ri  zu  Ende 
nach  licp&agTog.  Von  allen  diesen  Zusätzen  weiss  ausser  Lat.  A 
auch  Syr.  nichts :  Letzterer  lässt  obendrein  noch  die  Worte  tov 
ex  aneQ(.iaTog  Jaß)8  weg.  Arm.  1  und  Arm.  2  stimmen  eben- 
falls fast  allenthalben  mit  Lat.  A  gegen  Cod.  Colb.  etc. :  nur  der 
kritisch  unbedeutendste  dieser  Zusätze,  der  leicht  selbständig  bei- 
gefügt werden  konnte,  ^Irjoov ,  findet  sich  auch  bei  beiden;  und 
wenn  ihre  üebersetzung  facti  e  prole  Davidis  wirklich  yevo^e- 
vov  voraussetzte,  so  wäre  dies  noch  eine  zweite  unbedeutende 
üebereinstimmung  mit  Cod.  Colb,  Alle  andern  Zusätze  fehlen  auch 
bei  Arm.  1  und  Arm,  2 :  denn  die  Worte  xut  atvvuog  ^wtj,  welche 


I 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.        73 

sich  bei  Arm.  2  finden,  sind  Glosseiu  von  späterer  Hand,  und 
vermeintlicLe   Ergänzung*  eines  unvoUständigen  Textes. 

Wir  finden  durch  das  Erörterte  unsre  Ansicht  von  dem  Ver- 
hältnisse der  beiden  Textgestaiten  zu  einander  bestätigt.  Cod. 
Colb.  kann  nicht  als  Zeuge  für  die  Familie  A  benutzt  werden, 
wenn  es  sich  darum  handelt,  dem  ursprünglichen,  von  Interpola- 
tionen noch  ziemlich  reinen  Texte  auf  die  Spur  zu  kommen.  Viel- 
mehr bieten  Cod.  Colb.  Sim.  Met.  mit  B  bereits  einen 
mehrfach  interpolirten  Text,  und  verrathen  hierin  eine 
fremde  üeberarbeitung  des  Ignatios ,  welche  älter  ist  als  der  In- 
terpolator  von  B ,  dessen  Zusätze  und  Aenderungen  weder  Cod. 
Colb.  noch  Met.  kennen. 

Oagegen  bieten  Lat.  A  Syr.  Arm.  l  Arm.  2  Eus.  Gr. 
Eus.  Syr.  Syr.  Fr.  li  Timoth.  einen  reineren ,  durch  Zusätze 
noch  weniger  inficirten  Text,  womit  indessen  noch  nicht  ohne 
Weiteres  gesagt  ist,  dass  sie  auch  alle  der  Familie  A  angehören. 
Was  namentlich  den  Eus.  betrifft,  so  gehört  dessen  Text  den 
Varianten  zufolge  zur  Familie  B,  setzt  aber  eine  noch  zusatzfreiere 
Gestalt  desselben  voraus.  Der  erste  und  der  zweite  Armenier 
kennen  der  Zusätze  einige;  der  Syrer  hat  einen  einzigen  bei 
Lat.  A  fehlenden  Zusatz,  der  indessen  nicht  blos  durch  Cod.  Colb. 
Met.  B,  sondern  auch  durch  Arm.  2  seine  Bestätigung  findet. 
Es    sind    dies    die  Worte  iv  avico  nach  dvaGTi]O0f.iui  Cap.  4. 

Wichtig  für  die  Kritik  ist  auch  der  umgekehrte  Fall»  dass 
bei  Lat.  A  sich  Wörter  und  ganze  Sätze  finden, 
welche  bei  Cod.  Colb.  fehlen.  Cap.  L  handelt  es  sich 
um  ein  /litJ.  Cod.  Colb.  liest  mit  Syr.  2  Arm.  2  Sim.  Met.  Lat.  B 
if^iol  da  dvoxoXov  fort  tov  &eov  innv/sTv ,  idvntQ  vf^eig  cpeiarja&e 
fA,ov  es  ist  schwierig  für  mich,  Gottes  theilhaftig  zu  werden,  wenn 
ihr  meiner  d.  h.  meines  Lebens  schont,  mich  dem  Märtyrertode 
zu  entziehn  sucht.  Dagegen  lesen  Lat.  A  Syr.  1  Arm.  1  Gr. 
B:  —  euvnsQ  vf.iHg  f.i^  q)eiarioS^a  /liov.  Es  ist  schwierig  für  mich, 
Gottes  theilhaftig  zu  werden,  wenn  ihr  meiner  nicht  schont,  d.h. 
wenn  ihr  meine  Bitte  nicht  erfüllt,  durch  euch  am  Märtyrertode 
nicht  gehindert  zu  werden.  Man  sieht,  der  Sinn  kommt  beide- 
male  auf  dasselbe  hinaus;  indessen  ist  einleuchtend,  dass  die  letz- 
tere Lesart  die  schwierigere  ist,  und  dass  die  Weglassung  des 
fi'^  leicht  erklärbar,  die  spätere  Einschaltung  desselben  aber  un- 
erklärbar ist.  Ebenso  urtlieilt  auch  Peter  mann;  dagegen  be- 
hauptet Uhlhorn  ^)  das  Gegentheil,  ist  aber  den  Beweis  für 
seine  Behauptung  schuldig  geblieben.  —  Cap.  3:  der  Zusatz 
OTuv  f.uorjTui  vnb  [xov]  xoa^ov  zu  dXku  (.ityld^ovg  Igt)v  ö  Xqi- 
OTiuvtofÄog  fehlt  bei  Cod.  Colb.  allein;  er  findet  sich  dagegen 
nicht  nur  bei  Lat.  A  Timoth.  Syr.  Arm.  1  Arm.  2,  sondern 
auch  bei  B,  nur  dass  der  letztere   Text   6   XQiojtavog  liest  und 

1)  l.  c.  p.  26. 


74        Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignalios. 

den  weitern  Zusatz  bietet  (fiXtixat  nuQu  &i(a ,  welcher  einer  ver- 
schiedenartig^en  Verbindung*  der  Worte  seinen  Ursprung  verdankt. 
(Metapbr.  hat  liier  eine  Lücke.)  Wir  werden  gegen  die  Weglas- 
8ung  bei  Cod.  Colb.,  aber  auch  gegen  den  Zusatz  bei  B  zu  entschei- 
den haben.  Weniger  bedeutend  Cap.  4:  die  Weglassung  des  ^tc5 
in  den  Worten  tVce  Sia  rwv  ogyavwv  tovtmv  d-tto  &voia  fvged^d. 
Das  Wort  findet  sich  bei  Lat.  A  Syr.  Syr.  Fragin.  p.  296  Arm.  1 
Arm.  2  Gr.  B ;  dagegen  fehlt  es  bei  Sira.  Met.  und  Lat.  B. 
(Met.  und  Cod.  0  in  marg.  lesen  dafür  d^vaia  xa&agu.)  Die  äus- 
sere Bezeugung  entscheidet  für  den  Zusatz.  In  demselben 
Capitel  lesen  Lat.  A  Syr.  Syr.  Fragm.  p.  296  Arm.  1  Arm.  2 
Met.  (Cod.  Paris.  1531)  B  UTiiXavd^eQog  "Trjoov  X^tarov  ytvi^- 
oofiai ,  wogegen  Cod.  Colb.  mit  allen  Codd.  von  Met.  yev^aof.iai 
weglassen  (Cod.  Colb.  lässt  auch  X^iarov  weg).  Auch  hier  ist 
gegen  die  Weglassung  aus  äussern  Gründen  zu  entscheiden.  — 
Die  bemerkenswertheste  Weglassung  von  allen  aber  findet  sich 
C  ap.  6.  Hier  liest  Cod.  Colb.  tov  tov  d^eov  d^eXovra  tivai  xüa/nco  jn^ 
Xagiarjad^e.  Ebenso  B  (nur  ohne  rbv ,  und  /ut  nach  ^Aoj/t«*  ein- 
schiebend; Met.  hat  wieder  eine  Lücke).  Dagegen  hat  Lat.  A 
nach  diesen  Worten  den  Zusatz  neque  per  materiam  sedu- 
catis,  der  ganz  aus  derselben  dogmatischen  Verwerfung  der 
Sinnenwelt  als  Princips  des  Bösen  und  ewigen  Hindernisses  alles 
göttlichen  Strebens  geflossen  ist,  wie  Cap.  3.  die  Worte  ovdev 
(patvofievov  äyaS^ov,  Derselbe  Zusatz,  den  Peter  mann  in  den 
Text  aufnimmt  und  durch  ^^^*  vXri  l^anajuTt  wiedergiebt,  der 
aber  wol,  wie  unten  noch  weiter  begründet  werden  wird,  durch 
jM?;^*  iXt]  naQall,TjX(oaf]Te  zurückzuübersetzen  ist,  findet  sich  nun 
auch  bei  Timoth.  Arm.  1  Arm.  2  Syr.  Fragm.  JI  (p.  201),  also 
bei  allen  den  Zeugen,  die,  wie  wir  sahen,  sonst  in  der  Weglas- 
sung von  Zusätzen  des  Cod.  Colb.  B  Met.  mit  Lat.  A  zusammen- 
stimmen. 

Das  Ergebniss  auch  dieser  Erörterung  ist,  dass  für  Lat.  A 
alles,  was  von  syrischen  und  armenischen  Versionen  und  Citaten 
vorhanden  ist,  für  Cod.  Colb.  nur  Sim.  Met.  und  B  stimmen. 

Wir  gehn  über  zur  Vergleichung  einer  Anzahl  Abweichungen, 
die  nicht  sowol  in  Weglassungen  oder  Zusätzen,  als  vielmehr  in 
einzelnen  verschiedenen  Ausdrücken  und  Wendungen  bestehn.  Inscr. 
Cod.  Colb.  Gr.  B  y^giaTihvvixoq,  Dagegen  Lat.  A  Arm.  2  Syr.  2 
XQKftovo^og,  womit  auch  Syr,  1  Arm.  1  (perfecta  in  lege 
Christi)  übereinstimmen.  Sim.  Met.  lässt  die  Stelle  weg.  Alle 
Auctoritäten  also,  denen  nach  obiger  Untersuchung  der  relativ 
reinere  Text  zukommt,  sind  gegen  die  Lesart  XQioTwvvfiog ,  welche 
aus  dem  folgenden  nmQwvv^og  erst  entstanden  zu  sein  scheint'). 

1)  Den  syrischen  Text  glaube  ich  übrigens  nicht  mit  C  u  r  e  t  o  n  durch 
7tenXT]Qüifi£V7j  iv  vofico  Xqiarev  a/xcifKOi^  sondern  einfach  durch  xqiotÖvo- 
fiog  äfico/ios  zurückübersetzen  zu  müssen.  Hoffentlich  empfiehlt  sich  diese 
Legung  von  selbst  durch  innere  Evidenz. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.       75 

—  Wiclitig-er  ist  eine  andre  Stelle  ans  Cap.  2.  Hier  lautet  der  Text 
von  Cod.  Colb.:  luv  yäg  atconrjaTjxt  an*  ifiov,  iyw  yevi^öOf^ai  d^tov  ' 
iuv  de  igaad^rJTe  rijg  oagxog  (.lov  y  nuXiv  l'dOf^uL  rgi^^iov.  Den- 
selben Text  g-eben  wiederum  Met.  und  die  säinmtlichen  Codd.  von 
B.  —  Dag-egen  beisst  es  bei  Lat.  A  Cod.  Caj.,  übereinstimmend 
mit  Sjr.  1  Syr.  Fr.  IV  bei  Johannes  Mon.  Syr.  2  Arm.  2:  si 
enim  taceatis  a  me,  ego  ero  verbum  Dei,  si  autera  desideretis 
carnem  meam,  rursus  factus  sum  vox.  Anstatt  d^eov  lesen  sie 
also  koyog  d^eov,  statt  rgt/^MV  vielmehr  ^;^a  oder  (pvovr}  *). 
Zur  Erklärung  dieses  Gedankens  ist  der  bei  Cureton  p.  205 — 210 
abgedruckte  Brief  des  Johannes  Mon.  an  Eutropios  und  Eusebios  be- 
sonders lehrreich,  welcher  einen  vollständigen  Commentar  der  Worte 
lA^liD  (verbum)  und   \\q  (vox)  enthält-).  —  Schwankend  sind  Lat. 

A  Cod.  Mont.  (nach  dem  üsher'schen  Texte),  welcher  verbum 
mit  Cod.  Colb.  etc.  weglässt,  dagegen  im  zweiten  Satze  mit  Cod.  Caj. 
vox  für  c  u  r  r  e  n  s  liest ;  und  Arm.  1  „nam  si  siletis  a  me  v  e  r  b  o  , 
ego  pars  Dei  fiam;  sin  vero  corpus  meum  amatis ,  sum  iterum 
currens".  Letzterer  folgt  also  theils  dem  einen,  theils  dem 
andern    Texte,    wie    schon    Peter  mann    gesehn    hat^).     Was 


1)  r)x,(o  von  Bunsen  vorgeschlagen  und  von  Petermann  gebilligt, 
hat  den  bedeutenden  Vorzug,  dass  sich  die  andre  Lesart  xqsxcov  daraus  leicht 
erklärt.  Dagegen  glaubt  Cureton  p.  291  sq.  nachweisen  zu  können,  dass 
<pa»vri  zu  lesen  sei ,  und  bringt  für  das  Vorhandensein  des  Gegensatzes  XöyoQ 
und  fcovf}  im  patristischen  Sprachgebrauche  zwei  Stellen  bei,  Orig.  Opp.  ed. 
Delarue  IV,  149  tcS  xexQnrrjxÖTi  rdHv  ei^rjfiivcov  negi  rov  (pojvrjv  fiev 
elvai  TÖv^lodvvrjv,  Xöyov  Sa  rov  'Irjaovv  8t,Xov  k'arai.  Pseudo - Basil, 
Hom.  adv.  eos,  qui  per  calumniam  dicunt  dici  a  nobis  Deos  tres  (Opp.  ed.  Gar- 
nier II,  612  c.)  6  'loävvrji  tpiovr]  fiev  iXe'yero  ßocovxos  iv  t^  iqi^fico^  av&Qca- 
noi  8e  ^v  TTjv  (pvaiv'  fir)  ovv  avaiQBL  8iä  to  övofia  tov  Xoyov  Trjv  %ov 
fiovoyevovs  vTtoaxaoiv ;  Indessen  leuchtet  wol  ein ,  dass  an  diesen  beiden 
Stellen  der  Gegensatz  zwischen  Xoyos  und  tpouvr}  eine  ganz  andere  Bedeutung 
hat,  als  bei  Ignatios  der  Gegensatz  zwischen  verbum  und  vox.  Der  Beweis 
für  tpiov^  ist  also  nicht  zwingend. 

2)  Vgl.  insbesondre  folgende  Worte  (in  Curetons  Uebersetzung)  :  „for  the 
W^ord  belongs  to  the  power  of  the  intellect  of  the  soul,  but  the  Voice  to 
the  conformation  of  the  flesh.  But  because  all  bodies  are  of  a  nature  without 
a  soul,  on  this  account  also  tbey  are  without  the  Word;  and  because  the  con- 
formation of  their  nature  is  flesh  only,  on  this  account  they  utter  only  the 
Voice :  for  the  Word  is  apart  from  all  bodies ,  because  the  soul  is  separated 
from  them  all.  Because,  therefore,  the  soul  dwelleth  in  man  only,  for  this 
reason  in  man  only  is  the  Word  found;  but  the  Voice  proceeds  from  the 
warmth  of  the  blood,  in  which  consists  the  moving  principle  of  the  life  oV  the 
flesh." 

3)  Petermann  constituirt  den  Text  [|j]  JA^iQo]  caJ.^  . OCA^Z  • ) 

]ooi|    (CTl^^   ]AJ.^*     Doch  ist  vielleicht  (Ajl^     aus    dem    Anfange    von 

cjlJ.^  und  dem  Ende  von  |A^^    entstanden,    und    der  ursprüngliche   Text 
wäre:  nam  si  siletis  a  me  verbo,  ego  Dei  ero. 


76        Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignaiios. 

aber  den  ersteren  lat.  Cod.  betrifft,  so  ist  nach  der  obigen  Erör- 
teruns^  der  Cod.  Caj.  dem  Cod.  Mont.  (soweit  uns  derselbe  durch 
den  Üsher'schen  Text  erhalten  ist)  vorzuziehn.  —  Hiernach  ist 
denn  die  Entscheidung-  durch  die  im  Laufe  der  Untersuciiung-  ge^ 
wonnenen  kritischen  Grundsätze  an  die  Hand  g-egeben.  Der  Tex( 
von  Lat.  A  (Cod.  Caj.)  Sjr.  1  Syr.  2  Arm.  2  ist  auch  der  voi 
züglichere;  die  Abweichungen  bei  Arm.  l  stellen  sich  als  secun- 
dar,  eine  üeberarbeitung  verrathend,  heraus;  und  bestätigt  wird 
diese  Thatsache  noch  durch  die  Beschaffenheit  des  Textes  von 
Arm.  2,  der  ursprünglich  wie  Lat.  A  lautet,  die  Lesarten  aber 
„ego  Dei  sum"  und  „iterum  ero  currens"  als  Glosseme  noch 
obendrein  beigefügt  enthält,  nach  Petermann  durch  Correctur 
von  dritter  Hand. 

Nach  allem  bisher  Erörterten  scheint  der  Schluss  sehr  nahe 
zu  liegen,  dass  Cod.  Colb.  und  Sim.  Met.  beide  der  Familie  B 
beizuzählen  seien,  dass  also  im  Römerbriefe  die  Recension  A 
durch  gar  keine  griechische  Handschrift  aufbehalten  sei. 

Allein  ehe  wir  hierüber  zum  Schlüsse  kommen  können,  müs- 
sen wir  die  Varianten  noch  weiter  vergleichen.  Da  sind  zunächst 
deren  einige,  in  welchen  die  sonst  so  allgemeine  Uebereinstim- 
mung  von  Cod.  Colb.  und  B  nicht  stattfindet.  Cap.  3.  ov  naiaßovrj<; 
z6  egyov  Lat.  A  Syr.  Arm.  1  Arm.  2  findet  sich  auch  bei 
Gr.  B  (Metaphr.  lässt  den  ganzen  Passus  weg);  dagegen  liest 
Cod.  Colb.  ov  aiMTiriQ  f.i6vov  t6  l'gyov  ganz  allein  (nur  für  das  (.lovov 
scheint  Lat.  B :  „non  solum  in  opere"  ein  Zeugniss  zu  bieten, 
wenn  auch  ein  sehr  secundäres).  —  Cap.  6:  ovdiv  /liov  wq)eXrj- 
GH  rar iQTivu  rov  xoofiov  Cod.  Colb.  Met.  Cod.  0  in  marg.  dage- 
gen neQara  Lat.  A  Syr.  Fr.  II  (p.  201)  Arm.  2  Gr.  B.  Ebendas. : 
/.luXXov  f4.ot  dno&uvetv  Cod.  Colb.  Arm.  2  xuXov  Lat.  A  Syr. 
Fr.  II  Timoth.  Arm.  1  Arm.  2  auch  Met.  und  B.  —  tlg  *T7]govv 
XgiaTov  Cod.  Colb.  Arm.  2  (?).  diu  7.  Xg.  Lat.  A  Arm.  1 
Tim.  Gr.  B  h  Xqiotw  ^Irjoov  Met.  Lat  B.  Ebds.:  extt  nagayt- 
vo^tvog  av&gwTiog  &£ov  iao/,iai  Cod.  Colb.  Met.  B;  dagegen  fehlt 
d-tov  bei  Lat.  A  Tim.,  desgl.  bei  Arm.  1  und  Syr.  Fr.  p.  296  («V- 
&Qü)Tio§  lilfLog)^  vgl.  auch  Fr.  II  (p.  201)  und  Arm.  2.  —  Cap.  7. 
Hier  liest  Cod.  Colb.  mit  Met.  Cod.  0  (am  Rande)  und  dem 
Men.  Graec.  ad  XX.  Dec.  nai  ovx  h'oTiv  iv  e^ol  nvQ  q)i'K6'vXov^ 
vSmq  Si  l^wv  xtX.  Dagegen  hat  Gr.  B  für  (piXovXov  vielmehr 
(ptXovv  Ti,  und  ebenso  liest  Lat.  A,  der  nur  fälschlich  vdcog  mit 
dem  Vorhergehenden  verband  und  „ignis  amans  aliquam  aquam 
sed  vivens"  übersetzte.  Hiermit  stimmen  auch  Syr.  1  Arm.  1 
Arm.  2  zusammen,  welche  alle  cptXovv  ti  [äXXo]  voraussetzen. 
An  beiden  Stellen  offenbart  also  Cod.  Colb.  einen  secundären  Text, 
einmal  mit  Met. ,  beidemale  gegen  ß.  —  Ausserdem  finden  sich 
mehre  kleine  Zusätze  bei  Cod.  Colb.  und  Simeon  Met.,  welche 
ebenfalls  bei  B  fehlen,  gleicherweise  wie  in  den  Auctoritäten  der 
Familie  A.     Vgl.  Cap.  3:  eav  ydg  xai  evQi&d)  Cod.  Colb.  (Sim. 


Lipsius  ,  über  den  sytischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.       7  7 

Met.  lässt  den  ganzen  Satz  weg)  gegen  A  (Lat.  A  Syr.  Arm.  1 
Arm.  2)  und  B.  —  Cap.  7:  &eov,  Zusatz  zu  nö/Liu  bei  Cod.  Colb. 
Met.  und  Cod.  0  am  Rande  gegen  dieselben  Zeugen.  Aehnlich 
Cap.  1:  Idvneg  d^iXrifxa  xov  d^eov  fi  Cod.  Colb.  mit  Arm.  1  und 
Cod.  0  am  Rande  gegen  alle  Uebrigen  (Arm.  2  tov  nvgiov). 
Endlich  Cap.  10  nach  ^(nre/ußgicov  lesen  Cod.  Colb.  Arm.  1  Arm.  2 
gegen  Lat.   A    Met.    B    den    Zusatz    tovtIgtiv    Avyovorov   iixddi 

TQiTJl,    — 

Hierdurch  ist  wenigstens  der  negative  Beweis  geliefert,  dass 
Cod.  Colb.  und  Met.  nicht  unbedingt  unter  die  Auctoritäten  von 
B  gestellt  werden  können  wegen  ihrer  theilweise  eigenthümlichen 
Lesarten. 

Wir  gehen  noch  weiter.  Wir  liefern  den  positiven  Beweis, 
dass  Cod.  Colb.  in  einer  nicht  unbedeutenden  Anzahl  von  Stellen 
dem  Texte  von  A  naher  kommt,  als  dem  Texte  von  B.  Natür- 
lich sind  die  im  Römerbriefe  ohnehin  ziemlich  seltenen  Stellen 
auszuschliessen,  wo  B  Interpolationen  der  späteren  Zeit  verräth. 
I  n  s  c  r.  TQv  fÄOvov  d^tov  uviov  Lat.  A  Arm.  1  Syr.  2  Cod.  Colb. 
Met.  für  f.iovoyevovg  Arm.  2  B  —  rjyanrjfnivrj  Lat.  A  Syr.  2 
Arm.  2  Cod.  V  in  marg.  Cod.  Colb,  Met.  Tjyiaa/itevT]  Arm.  1  B,  — 
xttTM  dydm]v  Lat.  A  Syr.  2  Cod.  Colb.  Met.  gegen  xaru  nlaitv 
y,at  uyunfjv  Arm.  1  Arm.  2  B.  —  tov  &eov  ij/uwv  Lat.  A  Arm.  1 
Arm.  2  Cod.  Colb.  Met.  gegen  tov  d^eov  xai  awiT^gog  rjf^wv 
(beim  Interpolator?)  B.  Cap.  2.  nXioi^  (xot  fi?]  nagdü/eo'&e 
Lat.  A  Syr.  Arm.  1  Arm.  2  Cod.  Colb.  dagegen  lassen  Met.  und 
B  das  fÄT]  weg  (doch  bietet  B  /tu  statt  (noi).  —  xaXov  to  övvai 
Lat.  A  Arm.  1  Arm.  2  Syr.  Cod.  Colb.  Met.  Cod.  0  am  Rande; 
dagegen  las  B  xaXcHv,  und  dann  tov  duxXv&^vai  (Cod.  Aug.  und 
Cod.  B)  oder  tov  dieX&tiv  (Codd.  Nydpr.  FOV  Lat.  B).  — ■  Cap.  4. 
iycü  ygu(p(jü  Talg  ixxX7]oiuig  Lat.  A.  Colb.  Met.  f.  y.  ndaaig  tuTq 
ixxh  B  Syr.  Arm.  1  Arm.  2  Tim.  Syr.  Fr.  li  p.  201  und  p.  296. 
Also  an  einer  Stelle,  wo  die  Unrichtigkeit  von  Lat.  A  unzweifel- 
haft ist,  stimmen  doch  Cod.  Colb.  und  Met.  mit  ihm  zusammen. 
Ebds.  ßoguv  Cod.  Colb.  Cod.  0  am  Rande,  ßgt7)[xa  Gr.  B.  —  ugTog 
ivged^ü)  TOV  XgiGTOv  Lat.  A.  Timoth.  Rufin.  in  einigen  Codd.  Cod. 
Colb.  Met.  Cod.  0  am  Rande,  d^tov  Syr.  Arm.  1  Arm.  2  B.  Iren. 
—  yivwfAai  Lat.  A  Syr.  Cod.  Colb.  Met.  gegen  B  tvge&rjGüfiiat.  — 
hTuveva^Te  tov  XgiaTov  Lat.  A  Cod.  Colb.  (tw  Xg.  Met.)  und  Cod.  0 
am  Rande  für  tov  xvgiov  B.  Arm.  1  Arm.  2  Syr,  Syr.  Fr.  p. 
296.  —  xajdxgiTog  alle  gegen  Gr.  B  {iXuxiGTog),  —  Cap.  5. 
öedfutvog  Lat.  A  Cod.  Colb.  hdtdefxivog  Syr.  Bus.  Syr.  Arm.  1  B. 
Eus.  —  xai  iv/ofiut  Lat.  A  Syr.  Eus.  Syr.  Cod.  Colb.  Met.  gegen 
a  xai  evx»  Arm.  1  Arm.  2  B  Eus.  —  ino(.iai  Lat.  A  Cod.  Colb. 
Met.  Cod.  0  am  Rande  für  avvTOfia  Arm.  1  Arm.  2  Syr.  Syr. 
Eus.  B.  Eus.  —  xaxal  xo^uatig  Lat.  A  Cod.  Colb.  Syr.  für 
xul  xoXaaig  B  oder  xai  xoldaetg  Met.  —  Cap.  6;  tov  nd&ovg 
TOV  &€ov  (XOV  Lat.  A   Arm.  1    Syr.  Fr.  p.  296  Arm.  2   Sever. 


78       Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios, 


Timoth.  Syr.  Fr.  IX  XllI  XIV  Cod.  Colb.  —  Dagegen  XgtaTov 
tov  &tov  f.iov  B  und  Anastas.  Sinaita,  wol  aus  dogmatischen 
Gründen  geändert;  Met,  blos  zov  Xgiaiov.  Eine  besonders  wich- 
tige Stelle  findet  sich  ferner  Cap.  8.  Hier  lesen  zunächst  die 
verschiedenen  Manuscripte  übereinstimmend:  ova  tu  d^ikw  xaiä 
avd^Qwnovq  ^fiv  tovto  de  lazai,  idv  v/j.eTg  d^tXTj07]Te  (Gr.  B  d-iXrjTe), 
Dann  aber  steht  bei  Lat.  A  Arm.  2  Cod.  Colb.  Met.  und  Cod.  0  am 
Rande  d^tXr^Gaxt  ovv  "va  xal  vfÄtTg  d^tXf]d^iJTe  (Lat.  A  lässt  ovv 
aus).  Dieser  Satz  fehlt  bei  B  und  Arm.  1;  erstere  Codd.  geben 
dafür  ein  paulinisches  Citat  Xqigtw  ovveajavQWftai*  ^co  de  ovx 
l'tt  iyM,  ineidtjTiaQ  ^fj  iv  i/nol  o  XQiarog  (Gal.  11,  19),  welches 
sich  auch  im  Men.  Gr.  ad  XX  Dec.  findet  (Cod.  0  schliesst  es 
in  Klammern).  Das  Citat  kann  kaum  vom  spätem  Interpolator 
herrühren;  jedenfalls  aber  fehlte  der  Zusatz  von  A  bei  B,  nur 
dass  ein  Zeuge  bei  A  (Arm.  1)  mit  B  geht,  und  ein  Manuscript 
von  B  mit  A.  Die  Stelle  lehrt  deutlich,  wie  die  verschiedenen 
Texte  später  unter  einander  gemischt  worden  sind.  —  In  demsel- 
ben Capitel  liest  ferner  Cod.  Colb.  Met.  mit  Lat.  A  Arm.  1  Arm.  2 
nach  OTL  uXtjd^wg  "ktyio  die  Worte  t6  äyjtvöeg  GTOfJ-Uf  iv  w  b  najfjg 
iXuXfjGev  aXTjd^aig,  und  dann  alirjGaG^a  neQi  i/nov.  Die  ersteren 
Worte  fehlen  bei  B  gänzlich,  und  im  Folgenden  liest  er  xal  vf-uTg 
avveviuGd-e  fxoi.  Unmittelbar  darauf  Vva  iniTvxct)  bei  Lat.  A  Arm.  2 
Cod.  Colb.  Sim.  Met.;  dagegen  hat  B  tVa  zov  Gxonov  zvx,o> 
iv  Ttvtvftazi  aylo).  Beide  Zusätze  bei  B  gehören  dem  ursprüng- 
lichen Texte  an,  denn  ersterer  wird  durch  eine  Glosse  zu  Arm.  2, 
letzterer  durch  Arm.  1  bestätigt.  Endlich  lesen  Cod.  Colb.  Lat.  A 
Arm.  1  Arm.  2  eäv  nu&co  rj&eX^aaza,  wofür  B  iuv  nui^io  TJya- 
n^oaze  bietet.  Cap.  9.  lässt  B  in  (xovog  avzrjv  ^IrjGovg  X^iazog 
iniGxonriGii  die  Worte  ^Ir^Govg  XgiGzbg  weg  gegen  Lat.  A  Arm.  1 
Arm.  2  Cod.  Colb.  Met. ;  für  7)  vi.i(jjv  ayanr}  (Lat.  A  Arm.  1  Arm.  2 
Cod.  Colb.  Met.  hat  B  rj  v^wv  [ri\  dg  avzbv  (Lat.  B  iv  avzw'i) 
uyanri.  Ebendaselbst  fehlen  bei  B  Arm.  1  die  Worte  zfi  xazä 
GfXQxa,  welche  bei  Lat.  A  Arm.  2  Cod.  Colb.  Cod.  0  am  Rande 
Met.  Syr.  sich  finden.  Cap.  10  lesen  Arm.  2.  Colb.  negl  zwv 
ngotX&ovTWV  /m«,  wofür  B  negl  züv  ngootXdovzMv  ohne  /u«,  Arm.  1 
einen  mittleren  Text  nigl  zwv  ngoaX&ovzMV  (s.  Petermann  zur 
Stelle)  bietet.  Met.  mit  Cod.  0  am  Rande  zwv  GvvtX&oizwv  /not, 
womit  auch  Lat.  A  zu  stimmen  scheint. 

Ziehn  wir  nun  aus  dieser  Darstellung  das  Resultat,  so  er- 
gibt sich,  dass  Cod.  Colb.  keineswegs  ohne  Weiteres 
der  Familie  B  beizuzählen  ist.  Vielmehr  sind  trotz  der 
oben  zusammengestellten  Uebereinstimmungen  mit  B  seine  Ueber- 
einstimmungen  mit  Lat.  A  wiederum  so  in  die  Augen  fallend,  dass 
die  Annahme  eines  äussern  Verwandtschaftsverhältnisses  mit  A 
unabweislich  wird.  Sonach  bleibt  nur  eins  von  beiden  möglich: 
entweder  gehörte  Cod.  Colb.  ursprünglich  zur  Familie  B  und 
wurde  nach  dem  Texte  von  A  durchcorrigirt ;  oder  er  gehörte  ur- 


1 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  dei'  Briefe  des  Ignalios.        79 

sprüng^lich  zu  A,  und  hat  eine  Ueberarbeitung  erfahren,  die  ihn 
dem  Texte  B  näher  brachte.  Sieht  man  nun  die  oben  zusammen- 
gestellten  Varianten  auf  die  eine  oder  die  andre  Möglichkeit  hin 
an,  so  kann  der  Entscheid  nicht  zweifelhaft  sein.  Die  Ueberein- 
stimmung  mit  B  bezieht  sich  meist  auf  allerhand  Einschiebsel,  die 
sich  hei  genauer  Betrachtung  zwar  nicht  alle,  aber  doch  bei  wei- 
tem zumeist  als  späteren  Ursprungs  auswiesen ;  die  übrigen  Va- 
rianten aber  sind  mit  Ausnahme  von  zweien  oder  dreien,  die  sich 
ebenfalls  sehr  leicht  als  spätere  Aenderung  erklären  lassen,  kaum 
der  Rede  werth.  Dagegen  bietet  Cod.  Colb.  eine  bei  weitem  grössere 
Anzahl  mit  A  geg^n  B  stimmende  Varianten,  deren  Erklärung  aus 
späterer  Correctur  so  gut  wie  unmöglich  ist.  Hierzu  kommen 
eine  Reibe  von  solchen  Varianten,  die  theils  Cod.  Colb.  eigenthiimlich 
sind ,  tbeils  mit  einer  oder  der  andern  zu  A  gehörigen  üeber- 
setzungen  zusammentreffen   (mit  Arm.   1   oder  Arm,  2). 

Sonach  folgern  wir  1)  Cod.  Colb.  gehört  der  Textfa- 
milie A  ursprünglich  an.  2)  der  ihm  zu  Grunde  lie- 
gende Text  hat  eine  spätere  Ueberarbeitung  erfah- 
ren, welche  insbesondre  eine  Reibe  von  Zusätzen 
des  Textes  B  herübergenommen  hat. 

Im  Wesentlichen  dasselbe  ürtheil  ist  über  den  griechischen 
Text  des  Simeon  Metaphrastes  zu  fällen.  Auch  dieser  setzt 
ursprünglich  den  Text  A  voraus  und  stimmt  mit  dem  Cod.  Colb. 
theils  in  den  aus  B  herübergenommenen  Zusätzen,  theils  in  dem 
grössten  Theile  der  übrigen  (mit  Lat.  A  gemeinschaftlichen  oder 
selbständigen)  Varianten  überein.  Einige  wenige  ebenfalls  im 
Obigen  mit  verzeichnete  Varianten  hat  er  indessen  gemein  mit  dem 
Texte  B  auch  gegen  Cod.  Colb.,  insbesondre  die  Weglassung  des 
Zusatzes  der  Familie  A  o  yäg  &t6g  tjinüiv  xtX,  (Cap.  2).  Doch 
werden  diese  aufgewogen  durch  einige  Varianten  mit  Lat.  A  gegen 
Cod.   Colb.   und  B. 

Bemerkenswerth  ist  endlich,  dass  sich  in  den  älteren  Editio- 
nen Spuren  von  Manuscripten  der  Familie  B  erhalten  haben,  welche 
von  ihrer  Familie  in  einer  Anzahl  Stellen  abweichen.  So  insbe- 
sondre Cap.  8  in  dem  Zusätze  von  A  und  Met.  d^tXrjaaTt  Iva  xal 
vfittg  &tXf]&ijTe,  desgleichen  das  xaiu  aagxa  Cap.  10  u.  s.  w. 
An  mehren  Stellen  ergeben  sich  bei  B  auch  Varianten  eines  un- 
genannten Manuscriptes,  welche  mit  Sim,  Met.  allein  gegen  alle 
übrigen  Auctoritäten  stimmen  (vgl.  Cap.  4  tw  XgtoTM,  Cap.  10 
Twv  GvvtXi^ovTwv  (.101  xtA.  *).  Die  nächstliegende  Erklärung  die- 
ser Erscheinung  wäre  die  Annahme  einer  ähnlichen  Mischung  des 
Textes  nur  in  umgekehrter  Weise  wie  bei  Cod.  Colb.;  doch  sind 
die  Spuren,  die  uns  über  diese  Manuscripte  aufbehalten  sind, 
(in  den  von  älteren  Herausgebern  angegebenen  Varianten  werden 
die  benutzten  Manuscripte  niemals  genannt  und  noch  weniger  be- 

1)  Doch  vgl.  hieiTür  auch  Lat.  A:  de  advenientibus  mecum. 


80       Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

schrieben)  viel  zu  unbedeutend  und  unsicher,  als  dass  sich  erheb- 
liche Folg-erung-en  daraus  ziehn  Hessen  ^). 

Werfen  wir  nun  noch  einen  Blick  auf  die  übrigen  Auctori- 
täten,  so  ergibt  sich  ebenfalls  schon  aus  obiger  Zusammenstel- 
lung, dass  dieselben  zunächst  die  Zusätze  von  B  Cod.  Colb.  Met. 
grösstentheils  nicht  kennen,  in  dieser  Hinsicht  also  mit  Lat.  A 
zusammengehn.  Dem  Texte  von  Arm.  und  Syr.  wird  von  uns  je 
eine  besondre  Darstellung  weiter  unten  gewidmet  werden:  hier 
beschränken  wir  uns  für  beide  nur  auf  die  eine  vorläufige  Bemer- 
kung, dass  hierdurch  ihre  Zugehörigkeit  zur  Familie  A  noch 
nicht  ohne  Weiteres  erwiesen  ist,  da  der  Fall  denkbar  wäre,  dass 
beide  mit  Lat.  A  zwar  den  zusatzfreieren  Text,  mit  B  aber  eine 
grössere  Anzahl  Varianten  gemein  hätten.  Doch  wird  sich  wenig- 
stens für  Arm.  dessen  Zugehörigkeit  zur  Familie  A  im  Aligemei- 
nen mit  einigem  Scheine  aus  den  oben  mitgetheilten  Varianten  er- 
schliessen  lassen. 

Dagegen  gehören  unbedingt  zur  Familie  A  in  ihrer 
ursprünglicheren,  durch  die  lat.  Codd.  verbürgten 
Gestalt  Timotheus  Alexandrinus,  Syr.  2  und  Arm.  2. 
Von  Timoth.  war  schon  früher  (im  zweiten  Abschnitte)  erwiesen 
worden,  dass  die  bei  ihm  vorliegenden  Citate  unabhängig  von 
einer  syrischen  Gesammtübersetzung  der  ignatianischen  Briefe  sind. 
Sein  Zeugniss  wird  mithin  für  die  vorliegende  Frage  die  Bedeu- 
tung einer  selbständigen  aus  dem  Griechischen  gemachten  Ver- 
sion in  Anspruch  nehmen.  Die  von  ihm  aufbewahrten  Fragmente 
des  Römerbriefes  sind :  Cap.  3.  ovdiv  (paivofievov  uyu&ijv  —  Cap.  4. 
iavniQ  vf.uig  (xri  xw^vriTe,  Cap.  6.  nakov  f,ioi  ano&aviiv  dg  Xqi- 
Gxbv  'Itjaovv  —  zu  Ende,  also  das  ganze  Cap.  mit  Ausnahme  des 
ersten  Satzes,  in  allen  diesen  Abschnitten  stimmt  er  buchstäbiicii 
mit  Lat.  A  in  Weglassungen,  Zusätzen  und  sonstigen  Varianten, 
mit  einziger  Ausnahme  von  Cap.  4:  iyco  ygcKfU)  ndaaig  ratg 
ixuXriaiaii; ,  wo  ndaaig  ausser  bei  Cod.  Colb.  Met.  auch  bei 
Lat.  A  fehlt,  aber  durch  alle  übrigen  Auctoritäten  Arm.  1  Arm.  2 
Syr.  B  bestätigt  wird  ^). 

Was    ferner  den  von  uns  sogenannten  zweiten  Syrer   be- 


1)  Obige  Bemerkung  über  das  Verhältniss  eines  Manuscriptes  von  ß  war 
lange  niedergeschrieben,  ehe  ich  die  Dress  el 'sehen  Coilalionen  benutzen 
konnte.  Ich  tuge  jetzt  hinzu ,  dass  jenes  von  alteren  Editoren  offenbar  sehr 
sorgfältig  verglichene  Manuscript  wahrscheinlich  der  Codex  Ottobonianus  (0)  ge- 
wesen ist,  der  am  Rande  nach  dem  Texte  des  Sinieon  Metaphrastes  durchcor- 
rigirt  ist.  Alle  von  mir  früher  notirten  Varianten  jenes  ungenannten  Manu- 
scriptes finden  sich  wenigstens  in  den  Randglossen  des  Cod.  0  wieder.  — 
üebrigens  scheint  auch  Cod.  Vat.  hie  und  da  Veränderungen  nach  dem  Texte 
von  A  erfahren  zu  haben. 

2)  So  gut,  wie  gar  nicht,  in  Betracht  kommt  für  den  Römerbrief  S  e  v  e- 
rus,  der  zwar  die  Stelle  Rom.  6.  eniTQbtpaxe  fioi  fiifirjxriv  elvat  toü  nd- 
&ov<i  rov  d'Eov  fiov  mit  A  gegen  B  übersetzt,  im  Uebrigeo  aber  keine  An- 
haltepunkte  zur  Entscheidung  bietet. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Uriefe  des  Ignalios.       81 

trifft,  so  ist  schon  oben  bemerkt  worden,  dass  sein  freilirli  nnr 
bis  g"egen  die  Mitte  des  2.  Cap.  reichender  Text  aus  dein  Marty- 
rium des  Ig'natios  genommen  ist,  völlig*  selbständig  von  den  übrigen 
syrischen  üebersetzungen.  Jetzt  fügen  wir  hinzu,  dass  auch  er 
mit  r^at.  A  gegen  die  Familie  B  stimmt.  Eine  einzige  Variante 
stimmt  mit  Gr.  B:  die  Einschiebung  des  dg  niQug  im  ersten  Ca- 
pitel.  Doch  ist  die  Wortstellung  so,  dass  hier  nicht  sowol  eine 
Uebereinstimmung  mit  B,  sondern  mit  Syr.  anzunehmen  ist,  wie 
wir  später  zeigen  werden.  Eine  Variante  ferner  mit  Cod.Colb.  Met., 
zugleich  mit  Arm.  2:  die  VVeglassung  des  /nij  vor  (ftio7jO-u. 
Ausserdem  finden  sich  allerdings  noch  allerhand  andre  Abweicbun- 
gen  von  F^at.  A ,  aber  diese  geben  doch  keine  Varianten  für  Cod. 
Colb.  oder  für  Familie  B,  sondern  sind  theils  völlig  isolirt  (inscr. 
7jV  y.ai  acfnuCo^iai  xil.  Cap.  1.  VVeglassung  des  didf^tvog  etc.), 
theils  in  Uebereinstimmung  mit  Syr.  1  und  Arm.  1  (s.  unten) 
gegen  alle  sonstigen  Auctoritäten,  einmal  auch  allein  mit  Arm.  2. 
(die  üebersetzung  des  e%o)  Cap  2  mit  inveniam).  Ueberall 
aber,  wo  zwischen  Lat.  A  und  B  zu  entscheiden  ist, 
stellt  sich  Syr.   2   a  u  f  d  i  e  Seite   von   Lat.  A. 

Der  zweite  Armenier  endlich  bietet  ebenfalls  den  Römer- 
brief in  den  Märtyreracten  des  Ignatios.  Sein  Text  ist,  wie 
schon  Petermann  gesebn  hat,  nicht  aus  dem  Syrischen,  son- 
dern unmittelbar  aus  dejn  Griechischen  geflossen.  Dadurch 
gewinnt  sein  Zeugniss  selbständige  Kraft;  werthvoll  aber  ist 
es  insbesondre  auch  dadurch  noch,  dass  er  nicht  blos  wie  Syr.  2 
ein   grösseres  Fragment,    sondern  den  ganzen  Römerbrief  enthält. 

Was  den  Text  von  Arm.  2.  betrifft,  so  stimmt  er  mit  Lat. 
A  in  dessen  Weglassungen  eben  so  wie  in  dessen  Zusätzen  gegen 
Cod.  Colb.  und  B  zusammen.  Dagegen  finden  sich  auffallender VVeise 
zwei  sehr  secundäre  Zusätze,  nämlich  Cap.  5.  das  Einschiebsel 
uvaio/Lial  diuiQtotigi  welches  in  den  altern  Handschriften  von  Lat.  A 
ebensowol  als  von  B  (laut  Eus.)  fehlte,  und  Cap.  10  der  Zusatz  von 
Cod.  Colb,  und  Arm.  1  :  Tovrirniv  Axyovoxuv  tixadi  igiij].  In  den 
Varianten  stimmt  Arm.  2.  mit  Lat.  A  gegen  B:  inscr.  -rjyanrifÄi- 
rt]v,  —  ;^()/aTOi^O(UOC.  —  Cap.  2.  Weglassung  des  uQtoai  nach  ^«w. 
—  ytvrjGoiLiui  Xoyog  &iov ,  und  gleich  darauf  ^;ifw  für  t()*/w»'.  — 
fitj  nuQua/i]ad^e.  Cap.  3.  ovdiv  q)aiv6f.ievov  ayad^ov  mit  dem  Zu- 
sätze 0  yuQ  &t6g  xtX.  —  xuTÜxQiTog.  —  Cap.  6.  Weglassung  des 
d^eov  vor  i'ao(A(XL  (aber  für  uvd^gwnog  vielmehr  angelus).  Cap.  7. 
imd^v/ntiTe.     Cap.  8.  tw  &ea}  XQfjjai  *).  — 

Mit  B  gegen  Lat.  A:  inscr.  xatä  niortv  x«i  uyuni^v.  — 
Cap.  1.  ötötfj,lvog  yag.  —  Der  Zusatz  dg  negag  oder  ntguTog.  — ^^ 
g)eiaj]a&e  ohne  (ntj.  —   Cap.  4.   nüoatg  Tutg  ixxX7]ai(xig.   —    xa&u- 


1)  Auch  mit  Lat.  A  (und  li)  gegen  Cod.  Colb.  :  Cjij).  3.  ov  n^iufiovr^  t6 
Bqyov.  Cap.  A.  d"  e.  i^  &voin,  Cap.  5^.  furjSiv  /us  ^ij7.(öoai  (^^tjlcaoai),  Cap.  6. 
T«  ntQaxa,     Cap.   7.  iptXoiv  ii  \ß.XXo\.  '      .      ' 

Abhandl.  d.  DMG.  1,5.  6  . 


82        Lipsius ,  über  den  syrischen  Teacl  der  Briefe  des  Ignatios. 

gng  uqtoq  d^tov.  —  uXtjd-wg  für  äXfjB-fjg  (mit  L  a  t.  B,  aber  ge- 
gen Gr.  B\  —  Xirav.  rbv  y.vgiov.  —  Der  Zusatz  h  aviw  zu 
araoTi]oof.iai  (auch  mit  Cod.  Colb.).  —  Cap.  5.  a  xai  ivyo(.iai.  — 
nvpToua.  —  Allein  alle  diese  Varianten  der  letzteren  Art  beweisen 
nicht  ein  Verliältniss  der  Abhängigkeit  von  B,  weil  Arm.  2. 
sie  entweder  mit  Syr.  oder  insbesondre  häufig  mit 
Arm.  1,  oft  mit  beiden,  gemeinschaftlich  hat.  Hier- 
aus folgern  wir  aber,  in  Uebereinstimmung  mit  mehren  andern 
weiter  unten  noch  genauer  zu  entwickelnden  Spuren,  dass  die 
ursprünglich  selbständig  aus  dem  Griechischen 
gemachte  Uebersetzung  des  Römerbriefs  späterhin 
nach  Arm.   1    corrigirt  worden  ist. 

Dass  übrigens  spätere  Correcturen  ziemlich  zahlreicher  Art 
mit  dem  älteren  Texte  von  Arm.  2  vorgenommen  worden  sind, 
beweisen  eine  Anzahl  von  Glossemen,  welche  sich  neben  der  ur- 
sprünglichen Lesart  finden.  Bemerkenswerth  sind  darunter  fol- 
gende: Cap.  2.  findet  sich  neben  der  Lesart  von  Lat.  A  ego 
verbum  sum  die  Bemerkung  „(aut ;  ego  Dei  sum)" ;  neben  iterum 
ero  uicra  vox  das  Glossem  „aut:  iterum  ero  currens)".  Cap.  6. 
neben  der  gewöhnlichen  I^esart  partus  mens  die  missverständliche 
von  I^at  A  {toxoq  für  ToxtxoQ)  „(aut:  fenus  et  lucrum  meum)"; 
Cap.  7.  ignis  araandi  mit  dem  parenthet.  Zusätze  alienum  quid- 
quam  ;  Cap  8.  ut  assequar  in  Parenthese  der  Zusatz  von  B  sco- 
pum  illum  (jov  oxonov).  Die  blos  parenthetische  Anführung  sol- 
cher Varianten  ist  freilich  sehr  ungenügend.  Einmal  bleibt  die 
Möglichkeit  der  Unvollständigkeit  sehr  nahe  liegend;  und  nament- 
lich möchten  wol  sämmtliche  bei  Lat.  A  fehlende  Zusätze  erst 
später  bei  Arm.  2  eingedrungen  sein;  sodann  aber  ist  man  nicht 
einmal  davon  vergewissert,  welche  Lesart  von  zwei  nebeneinan- 
der im  Text  stehenden  die  ursprüngliche  war,  da  die  blos  paren- 
tlietische  Anführung  in  der  Aucher'schen  Ausgabe  ebenso  wenig 
als  das  hie  und  da  eingefügte  aut  hierfür  genügende  Sicherheit 
bietet.  So  mögen  namentlich  in  der  Stelle  Cap.  6.  die  Worte 
,, fenus  et  lucrum  meum"  ursprünglich  nach  Lat.  A  bei  Arm.  2 
gestanden  haben ,  und  erst  bei  der  späteren  Correctur  mag  die 
richtige  Lesart  partus  meus  aus  Arm.  1  nachgetragen  worden 
sein,  also  grade  umgekehrt,  als  gegenwärtig  die  Textgestalt  bei 
A  u  c  h  e  r  bietet.  Wenigstens  spricht  hierfür  der  Umstand ,  dass 
wol  für  eine  üeberarbeitung  des  ursprünglich  mit  Lat.  A  stim- 
menden Textes  nach  Arm.  1  vSpuren  vorliegen,  nicht  aber  für 
einen  Sachverhalt  umgekehrter  Art.  — 

Hiermit  schliessen  wir  die  allgemeine  kritische  Untersuchung 
über  die  Textfamilien  der  ignatianischen  Briefe  ab,  und  geben 
das  Gewonnene  nun  in  folgender  kurzen   üebersicht: 

Zu  Familie  A:   Für  ep.  ad   Eph.  Magn.  Trall.  Philad.  Smyrn. 
Polyc. :  Lat.  Cod.  Caj-,  als  der  relativ  vorzüglichste;  dann 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.       83 

F^at.  Cod.  x^  o  n  t  a  c  u  t.  (bei  üslier) ;  Gr.  Cod.  Med,,  Cod. 
Casunat. ,    schon   mehrfacli  alterirt. 

Tlieodoret,    P  s  cu  d  o- A  t  li  a  nas  i  o  s  ,   Ue  las  Ins;    die 
syr.   Citate  bei    Tiinotheos,    Severus,    Frag  in     l\  — 
XIV.     Spuren  von  früheren   Textverscbiedenheiten   auch  liier 
(insbesondre  Eph.  7).   —     Vorläufig"  Arm. 

Für  den  Rönierbrief  insbesondre:  wiederum  Lat. 
Codd,   Caj.  und  Montac.   ferner  Timotli.,  Syr.  2  ; 

Arm.  1  (wenigstens  in  den  Weglassungen  und  Zusätzen). 
Arm.  2  ursprünglich  genau  nach  F^at.  A  übersetzt,  dann* 
nach  Arm.    1    durchcorrigirt. 

Cod.  Colb.,  Sim.  Metaphr.  und  die  Randbemerkungen 
des  Cod.  Ott  ob.,  ursprünglich  mit  Lat.  A,  aber  in 
einer  nach  B  ergänzten  und  theilweise  überarbeiteten  Re- 
cension. 

Zu  Familie  B:  die  lat.  und  griechischen  Codd.  des  interpo- 
lirten  Textes  sämmtlich,  sammt  den  patristischen  Citaten,  die 
diesen   Text  voraussetzen. 

Aus  der  Zeit  vor  den  Interpolationen :  Eirenaeos,  Euse- 
bios  (in  der  Hauptsache),  dies  die  ältesten  Zeugen  für  einen 
griech.  Text  der  ignat.   Briefe  überhaupt. 

M  a  X  i  m  u  s  ,  Johannes  1)  a  m  a  s  c  e  n  u  s ,  Antonius  i\I  e  - 
liss.a,  als  Repräsentanten  eines  noch  von  den  spätem  Inter- 
polationen freien ,  doch  schon  mannichfach  geänderten  Tex- 
tes. Alle  drei,  sicher  aber  die  beiden  letzten,  stehn  zu  ein- 
ander in  einem  engern  Verwandtschaftsverhältnisse,  und  re- 
präsentiren   einen  besondern  Zweig  der  Familie   B. 

Antioc  hos  Monachos  bietet  einen  mehrfach  mit  den 
vorhergehenden  verwandten ,  übrigens  ganz  secundären ,  und 
aus  A  und  B  gemischten  "^fext.  Die  Interpolationen  in  den 
gegenwärtigen   Codd.  von  B  kennt  er  noch   nicht. 


b)  Von  der  armenischen  Version  insbesondre. 

Es  liegt  uns  nun  ob,  das  Verhältniss  der  armenischen  üeber- 
setzung  der  ignatianischen  Briefe  zu  den  beiden  Textfamilien  A 
und  B  genauer  zu  ergründen.  Die  Untersuchung  hierüber  wird 
uns  den  Weg  bahnen  zur  Betrachtung  der  syrischen  Uebersetzung. 
Wenn  der  kürzere  syrische  Text  nur  Excerpt  ist  aus  einer  dem 
Armenier  zu  Grunde  liegenden  syrischen  Version ,  so  müssen  na- 
türlich sowol  Arm.  als  Syr.  allenthalben  in  der  Hauptsache  der- 
selben Textfamilie  angehören,  sei  diese  nun  A  oder  B.  Ebenso 
müssen  die  Briefe  und  Abschnitte,  welche  bei  Syr.  und  Arm.  zu- 
gleich sich  finden,  dasselbe  Verhältniss  einnehmen  zu  den  vorhan- 
denen Textfamilien,  in  welchem  die  übrigen  Briefe  und  Abschnitte, 
welche  bei  Syr.  fehlen,  zu  denselben  stehn.      Hieraus  ergibt   sich 

6* 


84        Lipsias,   über  den  synschen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

die  Nolliwendigkeit,  eine  Scheidung  vorzunelimen  zwischen  dem, 
was  hei  Syr.  fehlt,  und  dem,  was  hei  letzterem  zugleich  vorhan- 
den ist.  Wir  haben  zunächst  ganz  unabhängig  vom  Syr.  die 
Briefe  und  Briefabschnitte  zu  durchforschen,  welche  bei  diesem 
fehlen,  und  in  ihnen  das  Verhältniss  des  armenischen  Textes  zu 
den  beiden  Textfamilien  festzustellen.  Erst  wenn  dieses  geschehn 
ist,  können  wir  uns  mit  den  übrigen  Briefen  und  Briefabschnit- 
ten beschäftigen,  die  der  Syrer  ebenfalls  bietet;  dies  aber  wird 
unmöglich  sein  ohne  fortlaufende  Vergleichung  eben  jener  syri- 
schen Textgestalt  selbst,  daher  wir  denn  diesen  Theil  der  Unter- 
suchung passender  dem  nächsten  Abschnitte  vorbehalten,  der  von 
der  syrischen   Recension  insbesondre  handelt. 

Wir  beginnen  unsre  Betrachtung  des  armenischen  Textes  mit 
den  4  Briefen,  welche  bei  Syr.  fehlen,  wobei  wir  nur  Cap.  4.  5. 
des  Trailerbriefes  vorläufig  ausscheiden. 

Zuerst  der  Magnesierbrief.  Hier  ist  die  ü  ehe  rein- 
st immun  g  von  Arm.  mit  dem  Texte  von  A  so  in  die 
Augen  fallend,  dass  sie  kaum  einer  ausführlicheren 
Begründung  bedarf.  Natürlich  ist  wiederum  abzusehn  von 
den  Interpolationen  des  Textes  B,  soweit  dieselben  sich  mit  eini- 
ger Sicherheit  ausscheiden  lassen;  die  behauptete  üebereinstim- 
mung  mit  A  hat  also  nur  den  Sinn,  dass  damit  ein  Gegensatz 
auch  gegen  die  ursprüngliche  Textrecension  B  ausgesprochen 
sein  soll.  Aber  auch  mit  dieser  —  nach  dem  ganzen  Entwick- 
lungsgange unserer  Untersuchung  selbstverständlichen  —  Ein- 
schränkung ist  die  bei  Weitem  überwiegende  Uebereinstimmung 
des  Armeniers  mit  A  ganz  unzweifelhaft.  Der  Stellen,  auf  die 
sich  diese  Thatsache  gründet,  sind  so  viele,  dass  wir  nur  die 
allerdeutlichsten  herausheben  wollen.  Cap.  1.  ^iongtutOTtuTOV  für 
d^tiov  xui  nod^iivov.  —  Tov  uQX^^^og  tov  aiwvog  tovtov  für  das 
einfache  tov  aiaivog  tovtov,     Cap.    2.    avvdovXov   für  ov(.ißiw%ov. 

•   ^Q    yßQ^'^'^    ^iOV    Xai    TM    TlQtGßvTiQlM    lOQ     v6f.l(ß     ^JtjOOV    XqIGTOV 

für  ymX  TM  ngeaß.  ;^a(J<T<.  [Lat.  B  h  x^Q']  ^^ov  iv  [Lat.  B  xui] 
v6(.iM  7.  Xq.  —  Cap.  3.  xttT«  dvvufÄiv  für  xaxa  yvcofA.fjV,  —  entl 
nvx  oTi  Toi^  fninxonov  tovtov ktI.  für  ov  yatQ  tovtov)  xtX,  —  Cap.  4. 
xcxiovoi  (wenigstens  dasselbe  Verbum  bei  Arm.),  fürUyovai.  —  Cap.  7. 
inoifjoev  für  nonT.  —  jLifjdev  neifjuarjod^e  fvXoyov  ti  qaiveo&ai  xtA. 
für  iLU^de  ti  (fjaivlod^M  v(,uv  tvXoyov.  —  tv  ttj  ayunt]  für  fv  nioTei.  — 
Cap.  8.  ofÄokoyovfxtv  xuQiv  f.iri  elXfjcptvui  für  aQvovfuel^a  x^Q^^  dXri- 
(fev(t(.  —  og  x«T«  navTa  tlrjQfaTr,at  für  oc  nuvTu  xuTevrjQaOTriat 
n.  s.  w.  Hierzu  lassen  sich  eine  Reihe  von  Zusätzen  fügen, 
die  Arm.  mit  A  gemein  hat,  während  B  sie  nicht  kennt.  So 
Cap.  3.  der  Zusatz  zo»'  tu  x^vqia  eidoTa  zu  &i6v.  —  Cap.  4.  (zum 
Schlüsse  des  Cap.)  die  Worte  diä  xo  f^i^  ßeßaitog  xut^  ivToX'^v 
avvuifQoil^tai^ui.  —  Cap.  6.  yMt  Toig  nQOKa&rj^tvoig  dg  Tvnov  xal 
didux^v  cx(pd^aQoiag.  —  Cap.  9.  inel  anb  Trjg  OQ/nijg  eXeyx^rjaeTt.  — 
Cap.  13.  (V  viM  xru  naTQ)  xal  iv  nvevfxaTi  ev  UQxfj  xal   iv   TiXet 


Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignatios.       85 

(hier  hat  Arm.  den  Zusatz  obwol  mit  einigen  Abweichungen).  — 
Cap.  15.  Iniay.OTKn  ^fnvgvaicüv.  Wir  könnten  dieses  V'erzeichniss 
um  ein  Beträchtliches  noch  vermeliren;  docli  mögen  diese  Beispiele 
genügen  ;  wenigstens  sind  grade  die  vorliegenden  Stellen  sämmt- 
lich  von  der  Art,  dass  man  kaum  bei  einer  einen  Grund  wird  auf- 
finden können ,  warum  der  spätere  Ueberarbeiter  sie  hätte  weg- 
lassen sollen.  Hierzu  Hessen  sich  noch  eine  Anzahl  von  solchen 
Stellen  fügen,  in  welchen  eine  grössere  Aenderung  der  Lesart 
vorliegt,  ohne  dass  man  berechtigt  wäre,  die  Schuld  auf  den 
Interpolator  zu  schieben.  So  Cap.  7.  diaqtl'^tndt  bei  B  für  ötu- 
(fvyövieg  i)eov  Jtv^o^ie^u.  —  Cap.  6.  uXXrjXovg  uy(xni'iOa)fifv  bei 
B  für  (vTQfneGd^e  aXh'iXevg.  —  Cap.  10.  "vu  ^irj  o  uXIütquk  v/lkov 
xv()uva7]  für  "va  ^rj  dtucfd^ugfj  Tig  iv  ruiv  u.  s.  w.  In  allen 
diesen  Stellen   bietet  Arm.   den  Text  von   A. 

Andrerseits  linden  sich  aber  doch  wiederum  Einzelnheiten,  in 
welchen  Arm.  mit  B  stimmt.  So  fehlt  bei  B  der  Satz  Cap.  7  ^vw- 
f.itvog  wv j  ovTt  di^  iavTov  ovre  diä  twv  ukogtoImv  (sc.  ovdiv 
inoiTjaev),  Hier  lässt  Arm.  wenigstens  die  beiden  ersten  Worte 
rjvw^uvog  cov  ebenfalls  weg.  Cap.  8  fehlen  bei  B  die  Worte  äiöiog, 
ovx  ano  oiyijg  nQoaXd^wv ,  dafür  nur  ov  Qr^rog ,  aAX*  ovai(üd7]g. 
Arm.  und  Sev.  nun  lassen  beide  das  (aSiog ,  ovy.  ebenfalls  weg 
(während  Timoth.  mit  A  es  festhält).  Sehr  inshuctiv  endlich  ist 
die  Stelle  Cap.  13  vnoidyrjTt  rwin  laxonu)  y.ai  äXXi^Xotg,  wg^Iijaolg 
XQiGTÖg  TW  naTQi  xar«  oufjxOy  xal  ol  änooToXoi  zw  Xqiotm  xai 
TM  nargi  xal  tw  uvtif^iaxi,  Vv«  evwaig  7]  aaQxr/.i]  Tt  xui  nrevf^a- 
TiXTj.  Hier  lässt  nun  B  (abgesehn  von  der  Variante  zum  Schlüsse 
<Va  evcüoig  tj  xaiu  dtov  h  Ijluv)  den  ganzen  Zusatz  xaiä  o(Xi)xa 
—  xat  T(ü  nvev^iuTi  weg;  Arm.  aber  bestätigt  diese  Weglassung 
zwar  nicht  im  Ganzen,  aber  doch  in  einzelnen  Worten.  Während 
nämlich  xui  ol  dn6aio7,oi  reo  XgiaTO)  xa)  im  nuigi  stehn  bleibt, 
lässt  er  im  Anfange  das  xatu  ougxa  und  zum  Schlüsse  das  xui 
T(h  nvtvfLian  weg.  Dgl.  Weglassungen  ändern  natürlich  das  Ur- 
theil  nicht,  welches  den  Arm.  der  Familie  A  zuweist,  aber  sie 
liefern  wenigstens  dafür  einen  Beweis,  dass  der  Text  von  A  nicht 
so  ohne  Weiteres  der  allein  giltige  war,  daher  vielmehr  durch  sol- 
che Weglassungen  das  ürtheil  nur  noch  gekräftigt  wird,  welches 
auch  in  der  Textfamilie  A  eine  Anzahl  später  eingedrungener 
Zusätze  fand ,  denen  gegenüber  B  trotz  anderweitiger  Interpola- 
tionen den  reinen   Text  autliewahrt  hat. 

Varianten  im  Einzelnen,  welche  eine  Ucbereinstimmung  von 
Arm.  mit  B  erwiesen ,  sind  im  Magnesierbriefe  ziemlich  selten. 
Abgesehn  von  sehr  unbedeutenden  Kleinigkeiten  (Cap.  3.  v^iug  für 
7j(j.ug.  Cap,  10.  xui  für  wg.  Cap.  11.  rjiuuc;  für  r(H(7c  ,  vgl.l)i's.  Cap.  3. 
ov  TiQOüiiXrjqxWag  tt^v  quivof.iivriv  vfwrtQixrjv  rd^iv,  A,  wofür  Arm. 
mit  B  0^  n()()g  ttjv  (f'Uivo(M.tvr]v  dq)0(jajvTeg  vtujrjju  haben ,  eine 
jedenfalls  richtige  Lesart  auch  aus  innern  Gründen,  wenn  man 
die  vorhergehenden  Worte  vergleicht,  wo  die  Magnesier  gewarnt 


86       Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

werden  /.irj  ovyXQf^Cf^f*'^  '^fj  rjXrxiu  rov  iniaxonov.  Es  ist  also 
vom  Alter  der  Person,  nicht  vom  Alter  des  Amtes  die  Rede; 
und  dass  A  von  letzterem  spricht,  erweist  sich  als  eine  dogma- 
tische Aenderung-.  Hiermit  endigt  zugleich  aller  Streit  über  die 
Auffassung  der  Worte  vewrtgtxrj  ru^ig.  Cap.  8.  liest  Arm.  mit  B 
yMTu  vofÄOv  ^lovda'r/.dv ,  während  Lat.  A  xurä  ^Iovduio(.iov ,  Cod. 
Med.  und  Casanat.  aber  die  aus  beiden  Lesarten  entstandenen  Worte 
XMT«  vofAOv  ^Iovöaio(.iov  bieten.  In  demselben  Cap.  lassen  Arm. 
und  B  in  den  Worten  l^nvi6(A.tyoi  inb  rrjg  )rä^ttog  aviov  das 
uvjov  weg. 

Alle  diese  Varianten  sind  freilich  bei  weitem  nicht  im  Stande,  die 
Üebereinstimmungen  mit  A  aufzuwiegen ;  ja  sie  würden  nicht  einmal 
die  Benutzung  von  Handschriften  der  Familie  B  durch  den  Armenier 
erweisen,  da  in  den  oben  besprochenen  Varianten  mit  B  Arm.  wie 
es  scheint  stets  den  richtigen  Text  bewahrt  hat,  dieser  aber  un- 
abhängig von  B  auch  in  Handschriften  von  A  sich  erhalten  haben 
kann  (vgl.  insbes.  das  xaju  rofiov  ^lovduia/Lidv  von  Cod.  Med.). 
Allein  ein  andrer  Umstand  beweist  allerdings  eineBenutzung 
von  Handschriften  der  Familie  B  durch  den  Arm. 
Es  ßndeu  sich  nämlich  mehre  Stellen,  in  welchen  Arm.  einen 
aus  A  und  B  gemischten  Text  bietet.  Hierher  gebort  Cap.  3.  die 
Lesart  ad  hominem  carnalem,  aus  ngog  golq/m.  von  A  und 
TiQOQ  av&gwnov  von  B  zusammengesetzt.  —  Cap.  5:  imago  principis 
huius  mundi,  aus  tov  x6o(a.ov  tovtov  (sc.  xagaxjriQa)  von  A  und 
Hxovu  TOV  uQxovTOQ  T?jg  Tzovrj^iag  (B)  entstanden.  Cap.  6.  sumite 
in  vos  similitudinem  Dei  et  concordiam,  wesentlich  mit  A  {of^iot}- 
d^Huv  d^eov  "kaßovTtg),  aber  aus  B  {h  Ofiovotu)  ist  der  Zusatz  yMi 
ofA-Ovoiav  bei  Arm.  geflossen.  Ebendas.  auch  die  Lesart  sed  (cum) 
amore  Jesu  Christi,  näher  an  B  «XA,*  h  Xqiötm  *It](Jov,  aber  das 
Wort  uydnf]  wol  aus  A  herübergenommen,  welcher  uXX^  iv  ^Irjöov 
J^QiOTM  aXXi^Xovg  Sianavrog  uyanäre  liest.  Endlich  gehört  hier- 
her vielleicht  auch  Cap.  10.  Hier  liest  A  ftjv  y.ax7]v  ^v/uijv  Tfjv 
naXaiw&tioav  xal  ivo'ii'aaaav ,  Gr.  B  hat  für  die  letzteren  Worte 
Tfjv  TiaX.f  TTiv  a eafjnvTuv.  Dafür  liest  nun  Arm  quod  acidum 
factum  est  (sc.  fermentum)  corruptione,  las  also  beide  Participia 
ivo^ioaaav  und  GfOTjnvTav.  Doch  könnte  dies  lediglich  aus  dem 
Texte  von  B  hervorgegangen  sein ,  da  Lat.  B  quod  corrumpit  et 
putrefacit  bietet,  also   ebenfalls  zwei  Participia  voraussetzt. 

Auf  alle  Fälle  geht  aus  dem  Gesagten  soviel  hervor,  dass 
Arm.  obwol  er  nach  wie  vor  zur  Familie  A  zu  rechnen  ist,  doch 
einem  gewissen  Einflüsse  auch  von  B  unterliegt,  und  mehrfach  mit 
B  gegen  A  geht,  mehrfach  auch  einen  aus  beiden  gemischten  Text 
bietet.  Dass  diese  Erscheinung  einen  secundären  Ursprung  von 
Arm.  voraussetzt,  ist  wol  an  und  für  sich  klar. 

Bestätigt  wird  dies  noch  durch  einen  andern  Umstand.  In 
Stellen  nämlich,  deren  Sinn  durch  schwierige  Worte  dunkel  ist, 
bietet    Arm.    gegen  A   und  gegen  B    eine    dritte    Variante,    die 


Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignalios.        87 

gleichwol  aus  der  Schwierigkeit  iiirlit  lierausliilft.  So  liest  A 
Cap.  3.  avy/gäad^ui,  B  bietet  dafür  das  wie  es  scheint  erleichternde 
yajucfQovHv,  und  Arm.  hat  das  g-anz  secundäre  spectaie,  wo- 
durch der  ursprüngliche  Sinn  keine  Aufliellung  erlangt.  Aehniich 
Cap.  10,  wo  Gr.  A  aXiod^fjva  wol  richtig  liest;  Lat.  A  setzt  durch 
seine  üehersetzung  salviücemini  (für  salificemini)  dasselbe  Wort 
voraus.  B  liest  urXiad^rjTe  (Lat.  ß  exsultate)  und  Ann.,  wul  nur 
aus  dem   Zusammenhange  rathend  ,   conjungite  v  o  s. 

Hierzu  lassen  sich  noch  eine  Reihe  von  Varianten  fügen,  die 
Arm.  eigenthümlicli  hat:  theils  Weglassungen  wie  inscr.  tv  m 
aana^O(.iai.  Cap.  1.  ayft\\ia)(A.tvog.  Cap.  4.  ßtßuuoq.  Cap.  7.  to  g  vor 
inl  tra  ^TriGOvv  Xqigtov.  Ebendas.  das  kv  xfi  ;jap«  xf]  ufiM^ito 
und  ovTu  xui,  Cap.  8.  tov  viov  uvror.  Cap.  10.  diu  rovro  —  yevo- 
/uevoi.  Cap.  ii.  xul  ßfßuiofg.  Theils  erl  e  i  cb  tern  d  e  Zusätze,  wie 
Cap.  3.  tantum  zu  orx  avTwöi.  Cap.  4  dtov  zu  xax  IvTo'kriv,  Cap.6.- 
in  fine  temporum  apparuit  corpori  für  das  einfache  Iv  Jtlti 
{(pavr]  u.  s.  w.  Anderwärts  ist  die  üehersetzung  geradezu  para- 
phrasirend  und  interpretirend :  so  der  Anfang  von  Cap  5:  oportet 
intelligere  quod  omnium  rerum  finis  est  für  (tih  ovv  ifXog  zu 
ngayf-iaia  e/tt.  Ferner  der  Anfang  von  Cap.  6:  et  quoniam  in  eo 
quod  antea  scripsi  de  episcopo  et  presbyteris  etdia- 
conis  vidi  omnem  coetum  vestrum  plenum  sancta  fide  et  amore, 
et  peto  a  vobis  ut  in  concordia  et  Deo  faciatis  omnia,  womit  man 
den  Text  von  A  vergleichen  mag:  Inel  ovv  ev  ToTg  7iQoyeyQaf.if.ie' 
voig  TiQOCfCünotg  rö  nuv  nXrjd-og  ed^ecoQrjGOL  iv  nianei  xal  dyunrjy 
naQaivu)  ev  Ofiovoia  &tov  anovddt^ere  ndvxa  nQucativ,  Cap.  8  :  el 
yuQ  fttXQ'^  '^^'^  —  Cwfiev  schiebt  Arm.  wie  es  scheint  ein  Glossem 
ein  :  sed  nunc  quando  cognovimus  veritatem,  et  etc.  Cap.  9.  wird 
der  Ausdruck  xvqiuxtj  durch  Domini  dies  sancta  et  prima  umschrie- 
ben. Aehnliches  findet  sich  noch  in  ziemlicher  Menge.  Zuweilen 
wird  der  Ausdruck  von  A  in  verkürzter  Gestalt  wiedergegeben : 
so  Cap.  5.  TO  änod-uveiv  eig  to  avxov  nd&og  durch  pati  et  mori, 
Cap.  9.  tlg  xuivoTTjza  eXniöog  ad  hoc  gaudium   u.  s.  w. 

Aus  allem  geht  hervor,  dass  mindestens  die  armenische  üeher- 
setzung wie  sie  vorliegt,  an  sehr  vielen  Stellen  einen  ziemlich 
secundären  Text  repräsentirt.  Doch  lässt  sich  freilich  aus  den 
dem  Arm.  eigenthümlichen  Verschiedenheiten  nicht  mit  Sicherheit 
auf  die  dem  Arm.  zu  Grunde  liegende  syrische  und  hinwiederum  auf 
die  dem  Syrer  zu  Grunde  liejj^ende  griechische  Textgestalt  schlies- 
sen ,  da  vieles  jedenfalls  nicht  auf  Rechnung  des  übertragenen 
Textes,  sondern  des  üebersetzers  selbst  zu  setzen  ist.  Hierzu 
kommt  dass  der  armenische  Text  selbst  wie  wir  schon  oben  ge- 
sehn haben,  sehr  im  Argen  liegt,  und  mannichfache  spätere  Aen- 
derungen  erlitten  haben  muss.  Indessen  lässt  sich  trotz  alledem 
die  Thatsache  nicht  umstossen,  dass  der  Armenier  eine 
zwar  ursitrünglich  aus  A  geflossene,  aber  bereits 
mehrfach  gemischte  Textgestalt  darbietet. 


88       Lipsius,  über  dan  syrischen  Text  der  liriefe  des  Ignalios. 

AiKlrcrscits  gelin  wir  jedoch  keinesweg-s  so  weit,  beliaupten 
zu  wollen,  dass  Ann.  nirg^ends  den .  richtigen  Text  gegen  Cod. 
Med.  auflicwahrt  habe.  Schon  oben  haben  wir  gesehn,  dass  er 
an  einigen  Stellen  mit  B  eine  vorzüglichere  Lesart  bietet.  Dein 
fügen  wir  jetzt  noch  weiter  hinzu,  dass  er  auch  mannichfach  Ver- 
derbnisse des  Cod.  Med.  (und  Casanat.)  aufgezeigt  und  gegen 
diese  Autorität  den  Text  von  Lat.  A  aufrecht  erliält.  So  liest 
er  Cap.  6  xbi^  nXrjoiov  mit  Lat.  A  B  Dam.  gegen  tm  nlrjaiov 
Med.  —  Cap.  7.  {h  uydnif)  rfj  dg^TrjGovv Xqigtov  mit  Lat.  B  gegen 
elg  eoTiv  ^Trjoovg  XQioiog  Med.  —  Ebendas.  tlg  tva  vaov  mit  Lat.  A 
(vgl.  auch  B  (hg  dg  dg  jov  vabv)  gegen  Med.,  der  eva  weglässt.  — 
Cap.  9.  die  Weglassung  des  ^carjv  vor  l^wvreg.  Cap.  10.  oGf-i^g 
mit  Lat.  A  für  og/urjg.  Cap.  14.  nagexuleaa  für  naQexiXivau. 
Cap.   15.  ddtuxQiTOv   für  Siuxqitov. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zum  Trallerbriefe.  Auch  hier 
geht  Arm.  in  der  Hauptsache  mit  A  gegen  B:  nur  ist 
es  theilweise  schwierig,  zu  erweisen,  inwieweit  die  Abweichungen 
des  Textes  B  von  A  und  Arm.  eine  ursprüngliche  Textverschie- 
denheit waren  oder  erst  durch  den  üeberarbeiter  hereinkamen.  Zu 
den  ursprünglichen  Varianten  lassen  sich  indessen  mit  einiger  Sicher- 
heit folgende  zählen  :  Inscr.  iv  aagxl  xai  aijuari  für  ev  oagxl  xai 
nvevfiaii.  Cap.  1.  iövjXcoafv  fxoi  für  das  einfache  fcJTjXwff«,  —  tvvoiav 
ohne  vfj.(Jüv.  —  (.uixriTug  ovrag  d'eov  für  /.i,  o.  ^Irjoov  Xqlgtov  tov  gm- 
TfJQog.  Cap.  2.  ot'  äv  ydg  rw  Ittighotim  vnoTaGGtGd^t  für  die  imperat. 
Form  tCo  entGx.  VTioraGGiGd^a  woraus  sich  dann  bei  B  eine  weitere 
Aenderung  ergab.  wgntQ  noiHie  für  onantQ  noitiie  (Lat.  B  lässt 
dies  ganz  weg).  Cap.  3.  ofioiwg  nuvTtg  ivTQsntG&MGav  xovg  öiu- 
xovovg  (xtg  ^I?]Govv  Xqigtov  für  vfxtig  de  eviQtmGd^a  avTovg  wg 
^TtjGovv  Xqigtov.  —  ov  xaXtiTui  (auch  Antioch.)  für  (xXtxTT]  ovx  Igtiv, 
Cap.  6.  ägneg  &avdGtfj,ov  (puQfxaxov  Sidovieg  fAträ  olvo(.uXtTog  für 
(ogntg  olvo^sXni  xwvetov  xtgavvvvxtg  (doch  las  auch  Arm.  wol  xe- 
gavvvvxtg  für  öiöovreg).  Cap.  7.  ovrog  ov  xad^agog  Igti  rfj  Gvvei- 
ÖTjGei  für  0  xoiovTog  f.U(.uavTai  Tfj  GVveiöriGU  Cap.  8.  ngavnd&eiav 
für  ngaoTfjTu,  —  \'vu  fj.?]  —  to  iv  dtco  nXT]&og  ßXaG(prjf,i7]Trxi  für  Vj/a 
f^iTj  —  6  Xoyog  xal  tj  öidaGxakia  ßXaGq)rjf,iiJTai  (die  Lesart  von  B 
auch  bei  Dam.).  Cap.  9.  tov  ix  ylvovg  /Jaßlö  für  tov  yivofxevov  ix 
^aßiö.  (Lat.  B  beides :  qui  factus  est  ex  semine  David).  Cap.  10. 
avTo\  ovieg  to  öoxttv  für  ov  tm  ovti.  ti  de  tv/Of-iai  für  xal  tviof.iai. 
Cap.  12.  iv  Tjj  o/Ltovoia  vficov  xal  Tfj  (xtT*  uXkrß.{xiv  ngoGtvxf]  für 
iv  xfi  of.iovoia  Tfj  ngog  dXh^Xovg  xal  T/y  ngoGev^fj,  Cap.  13.  (.ivri- 
(.loviviTt  iv  TuTg  ngoGEv/uTg  vf.i(ov  für  fivTjfnovtveTe  rjfiwv.  Doch 
macht  dieses  Verzeichniss  auf  Vollständigkeit  keinen  Ansprucli, 
vielmehr  Hessen  sich  wol  nocli  manche  Varianten  von  B  dem  In- 
terpolator  streitig  machen  und  dem  ursprünglichen  Texte  B  vin- 
diciren,  wodurch  dann  der  Unterschied  von  Arm.  nur  um  so  grösser 
werden  würde.  Auch  einige  Zusätze  von  A  kennt  Arm., 
die    bei   B  fehlen:    so   Cap.    L   das  tag  ^yvtoj^  (ündet  sich  jedoch 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.        89 

bei  Lat.  B).  Cap.  3.  T/;g  ayanriQ  v^ojv  (auch  bei  Lat.  B).  Ferner 
der  ganze  letzte  Satz  Cap.  11 :  ov  övvajat  ovv  xecpaXr]  xwQig  yevvt]- 
d-rjvai  uvtv  intXoiV  rov  &tov  e'vwaiv  inayyilXof^ihov,  og  imiv  avxög. 
Cap.   13.  die  Worte  aig  ttj   hroXfi   zu  reo  tniaxoniü. 

Dagegen  sind  die  U  ebe  re  i  n  s  ti  ni  in  u  n  ge  n  mit  B  wieder 
sehr  unbedeutend,  wenigstens  der  Zalil  nach.  Cap.  3.  die  VVeglas- 
sung  des  ntQi  (hv  vor  niniia(.i(u  (wenn  dies  bei  B  allein  fehlte, 
würde  man  es  auf  Rechnung  des  üeberarbeiters  gesetzt  haben). 
Cap.  6.  vieileiciit  y.igavvvvxig  für  J^JöyTtf  (s.  oben).  Cap  7.  ngtoßv- 
TiQMv  (Plur.  für  Sing.).  Cap.  10.  uga  yMiayjivdojiiai  ohne  ov,  wo 
übrigens  auch  wSeverus  mit  B  geht,  und  die  Lesart  von  A  jeden- 
falls einen  Irrthum  enthält  Cap.  12,  für  eig  Tijurjv  nurgog  ^Irjaüv 
XgiOTOv  schiebt  Arm  mit  B  ein  xu)  ein,  bietet  aber  noch  einige 
andre  Abweichungen  ,  die  B  nicht  kennt  (letzteres  wiederholt  fig 
Tt(.irjv).  Ebendas.  v(.iTv  für  Iv  v/luv.  Cap.  13.  o  nurtjQ  ^IrjGOv  Xqi- 
GTOv  für  0  71.  fv  *Irjaov  Xqiotm.  —  evQt&ti}]jLttv  für  evQe&eitjre.  — 
Uebrigens  liest  Arm.  mit  B  in  demselben  Cap.  auch  ,eQQ(0(7&e  Iv 
KVQiayTrjaov  Xqiotm  ,  gegen  A,  welcher  h'  xvqim  weglässt.  Doch 
ist  diese  Uebereinstimmung  nur  zufällig,  da  Arm  auch  sonst  o 
xvgtog  oder  o  xvgiog  jj^kov  zu  dem  Namen  Christi  hinzuzufügen 
pflegt,  wie  denn  überhaupt  bei  dem  Namen  Christi  ein  so  bedeutendes 
Schwanken  der  Lesarten  staft  findet,  dass  darauf  ein  Argument 
für  die  eine  oder  andere  Textfamilie  nicht  gebaut  werden  kann. 

In  Uebereinstimmung  mit  dem  bisher  gefundenen  steht  es  nun 
aber,  wenn  auch  im  Trallerbriefe  wieder  eine  Reihe  von  Stellen 
sich  finden,  wo  Arm.  beiderlei  Familien  voraussetzt,  oder  sonst 
einen  secundären  Text  bietet  So  liest  er  in  der  Inscr.  mit  A  iv 
aagxi  xal  (u/liuti,  lässt  aber  mit  B  das  xal  tm  nd&ei  weg,  wel- 
ches B  weiter  unten  nachbringt  und  gleich  darauf  bietet  er  statt 
ev  Tjj  Big  avTov  avumaafi  vielmehr  Iv  jf]  uvamuGei  avjov ,  wo- 
mit verglichen  werden  mag  B:  Iv  nd&d  im  öiä  ütuvqov  xui  d^a- 
vÖltov  xal  uvaöTVLnti.  Arm.  ist  hier  ebenso  wenig  im  Rechte  als 
B,  und  der  Text  von  A  als  der  schwierigere  verdient  den  Vorzug. 
Cap.  1.  hat  A  ov  xard  XQrjoiv  ,  dX^u  xaiä  cfvoiv  ^  B.  ov  xutu 
XQTJoiv,  dXXfx  xaxd  xxT^aiv.  Arm.  das  ganz  secundäre  non  va- 
nitate  sed  sagaci  sapientia.  —  Cap.  3.  eine  der  verzweifeltsten 
Stellen,  die  auch  Arm  durchaus  nicht  ins  Reine  bringt.  Ignatios 
sagt  hier  nach  dem  Texte  von  A  von  dem  Bischöfe  der  Trailer: 
ov  loyiC^o^ai  xui  rovg  dd-lovg  hjQtntadui^  uyanajvxag,  (hg  ov  q)ei- 
öo/iiui  tüLVxov  noxegov ,  dvvdfxtvog  yQuq)eiv  vneg  xovxov,  tfg  xovxo 
(o^&i]V ,  'Iva  OßV  xaxdxoixog  wg  dnonxoXog  v(.iiv  öiaxdaao(.iui.  Es 
leuchtet  ein,  dass  die  Worte,  wie  sie  hier  stclin,  unsinnig  sind. 
Lat.  A  bietet  buchstäblich  denselben  Text,  indem  er,  ebenfalls 
bis  zum  Unsinn,  treu  übersetzt:  quem  existimo  et  im|)ios  revereri. 
Diligentes  quod  non  parco  ipsum  aliqualem ,  polens  scribere  pro 
illo ;  in  hoc  existimet,  ut  existens  condemnatus,  velut  apostolus 
vobis  praccipiam.     Nur  das  in  hoc  existimet  für  tlg  xovxo  wrjdijv 


90       Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

und  der  Conj.  praecipiam  weichen  in  etwas  von  Gr.  A  ab.  Den- 
selben Text  g^iebt  nun  B  in  folgender  Gestalt:  -^v  (so  Codd.  BFOV) 
loyit,ofiui  —  ivTQfTieod^at.  ^Ayaniov  vf.i(y.g ,  (peido/nat  ovvTovojTeQOV 
imareiXat,  ^Iva  (xt]  do^oo  tigIv  eivui  nQOoavTTjg  i]  enidtrji;.  /Jtömui 
(Xiv  diu  XgtGTOVy  ulV  ovölnw  Xqiotov  u§t6g  d(.u  •  iuv  de  reXiuoi^w, 
Tu/a  yev7ioo(.iat,  ovx  tog  unooioXog  diuzdotro/nui.  Ebenso  Lat,  ß : 
...  quia  autem  dilig-o  vos,  parco  frequentius  vobis  scribere:  ne 
videar  aliquibus  contrarius  aut  taedlosus  esse  etc  ,  also  wÖrtlicb 
mit  Gr.  B  Aus  einer  oberflächlichen  Verg-Ieichung-  erg^ibt  sich, 
dass  B  im  Verlaufe  der  Stelle  einen  so  abweichenden  Text  bietet, 
dass  daraus  sehr  wenig  für  die  Kritik  entnommen  werden  kann. 
Wichtig-er  dagegen  sind  die  ersteren  Worte,  indem  sie  wenigstens 
für  ayantoviag  cog  ov  q)tiöo(.iai  die  Lesart  dyauMV  vfiug  (ftiöofj.cn, 
statt  des  unsinnig-en  euviöv  noTtgov  aber  owTovomgov  herstellen. 
Es  leuchtet  jedoch  ein,  dass  damit  der  Text  im  übrigen  um  nichts 
gebessert  ist.  Vergleichen  wir  nun  den  armenischen  Text,  so 
lautet  er  folgendermassen  :  atque  quoniam  amo  vos,  parco  vobis 
scribere  vehementer  (vaiide)  et  gloiificare.  Sed  et  non  sum  suf- 
ficiens  sicut  apostolus  praecipere  vobis,  quoniam  vir  aliquis  (unus) 
condemnatus  sum.  Diese  Uebersetzung  gibt  ebenso  wie  B  einen 
leserlichen  Sinn:  griechisch  würde  sie  lauten:  xui  uyanwv  vfxug 
(f)döo(Äai  vfxTv  ovvTOvcoTiQOv  y(jd(petv  [iniOTtiXai)  xai  do'^dl^iiv.  I4lld 
yai  ovK  aS,ibg  eifzi  cog  dnooTo'kog  dtaTuaoeo&ai  y.aTÜxQiiog  dir. 
Allein  dieser  Text  kann  nicht  der  ursprüngliche  sein.  Bietet 
auch  der  Anfang  der  Worte  den  durch  B  gesicherten  richtigen 
Text,  so  ist  dies  schon  weit  zweifelhafter  mit  ovx  a^iog  h/lu  (so 
scheint  nämlich  der  Text  hergestellt  werden  zu  müssen,  nicht  ovx 
M^&f]v  oder  ov  övia/j.at  wie  Petermann  will ,  der  übrigens  auch 
das  (ig  tovto  irrig  wie  es  scheint  aus  dem  quoniam  herleitet). 
Dieses  scheint  aus  B  eingedrungen  zu  sein  uXX^  ovötnw  Xqigtov 
aS,i6g  df-u.  Ganz  unverständlich  ist  das  xai  6o'E,uleiv ,  welches 
sich  aus  'Iva  ilitj  öo'^w  von  B  erklärt.  Vielleicht  floss  do'^co 
und  a^^iog  in  ein  W^ort  zusammen.  Arm.  brachte  aber  letzteres 
noch  einmal.  Endlich  aber  und  dies  ist  das  Wichtigste,  kann  aus 
dem  Arm.  der  Text  von  A  nicht  im  Entferntesten  erklärt  werden ; 
man  sieht  nicht  ein,  wie  bei  der  Lesart  von  Arm.  die  Corruptionen 
von  A  entstehen  konnten.  Dagegen  hat  es  umgekehrt  die  höchste 
Wahrscheinlichkeit,  dass  Arm.  mit  Hilfe  von  B  den  Text  erträg- 
lich herzustellen  suchte,  mit  Weglassung  einiger,  wie  es  schien, 
sinnstörenden  Ausdrücke.  Die  Herstellung  des  ursprünglichen  Tex- 
tes ist  in  sehr  verschiedener  Weise  versucht  wurden.  Die  älte- 
ren Conjecturen  von  Salmasius,  Pearson,  Toupius ,  Junius  s.  bei 
Jacobson.  Dressel  will  lesen:  ov  Xoyi^of^ai  xa)  lovg  dd-eovg 
ivzQintad^ui  [ov  fxovov  vfxäg  ovg  dyanw],  uyandJvTag^  Mg  ov  cptidofnui 
tavTov.  UoTiQOv  dvvä^tvog  xtX,  An  der  Herstellung  des  üebrigen 
verzweifelt  er.  Peter  mann  conjicirt:  dyanwv  v/xug  qjeiöofiai 
avviovwjeQov  yQdq)tiv  Svvd(j,ev6g  ntQ   tovto    {cog  cp-^S-i^v),   'Iva  fi^ 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignalios.        9 1 

wv  xurdxQtiog  wg  unoaxo'kog  vf^Tv  dtazuaacof^at.  B  u  n  s  e  n  :  aya' 
nujv  vf.ußv  q)ddo(.iai,  2vvTOvwTeQov  dvvufxtvog  yguiptiv  vntQ  tovtov, 
[diu  rovTo]  dttv  ovk  loridriv,  ''Iva  jlit]  wv  y.uxaxQiTog  wg  anöcToXog 
vfÄiv  öiaraoocof-iai.  Die  Bunsen'scLe  Conjectur  ist  relativ  immer 
noch  die  Vorzüglichste  von  allen.  Doch  könnte  der  Text  B  in  dem 
"va  fAt]  do^w  [naiv]  wol  Recht  hüben;  und  folgende  Conjectur 
mag  wenigstens  zur  Krwägung  anheimgegeben  werden :  ayancuv 
vfnäg  g)aidofLiai  vf-iiov ,  xal  owTovcuiegov  ygucfHv  dvvdf^evog  [vnfQ 
tovtov],  öiä  TovTO  (oder  ^711  tovtm)  ovk  tßovXr^d-riv^  'Iva  jurj  do§w 
[tio}v]  MV  xuTaxQiTog  tu?  unüOToXog  v^Tv  Siuzuaatad^ai,  Das  ißov- 
Xi^&r/V  konnte  durch  das  wjj^jyv  verdrängt  worden  sein ;  für  7va  (xt] 
d6'%M  Tialv  war  vermuthlich  'Iva  (xrj  olri&fiTig,  oti — öiaTaoaofiai 
eine  Variante  ^ ),  und  aus  der  Umstellung  der  W^orte  gingen  dann 
die  Lesarten  wtj&ti  und  (o^&rjv  hervor.  Merkwürdig  bleibt  jeden- 
falls, dass  weder  Gr.  A  noch  Lat.  A  unmittelbar  vor  ah  xaTu- 
xQiTog  eine  Negation  verräth,  welche  doch  für  den  Sinn  nothwendig 
ist:  unsre  Vermuthung,  dass  zwischen  'Iva  und  lov  xaTaxgiTog 
etwas  zu  ergänzen  sei,  wird  dadurch  bestätigt.  In  tig  tovto  ferner 
steckt  jedenfalls  ein  Fehler,  wie  auch  Lat.  A  zu  verrathen  scheint, 
der  eher  ev  tovtm  gelesen  haben  mag:  enl  tovtm  dafür  dürfte 
sich  am  meisten  empfehlen.  Das  vneQ  tovtov  endlich,  welches 
sich,  wenn  es  acht  ist,  auf  den  Bischof  der  Trailer  zurückbeziehn 
muss ,  konnte  leicht  vor  tni  tovtm  ausfallen. 

Mag  man  indessen  diese  Herstellung  des  ursprünglichen  und 
Erklärung  des  verderbten  Textes  billigen  oder  nicht,  soviel  steht 
jedenfalls  sicher,  dass  der  Arm.  vielleicht  zwar  Spuren  des  ur- 
sprünglichen Textes,  die  auf  das  Richtige  führen  können,  noch 
erhalten  hat,  in  der  Hauptsache  aber  einen  ganz  secundären  will- 
kürlich erleichternden  und  ändernden  Text  darstellt. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zu  der  Betrachtung  zurück  ,  von  wel- 
cher vorstehende  Erörterung  ausgegangen  war.  Zu  den  Stellen 
in  welchen  Arm.  einen  secundären  Text  verräth,  gehört  ferner 
Trall.  6.  ol  xaiQol  naQtf.in'kixovaiv  ^Ti]Oovv  XQiaxbv,  wofür  Arm. 
iam  commiscent  personns  suas  cum  Jesu  Christo,  d.  i.  wahrschein- 
lich 01  tavToTg  naQe/nnXexovaiv  7.  Xq.  bietet.  Wir  haben  schon 
oben,  als  vom  Verhältnisse  des  Cod.  Med.  zu  I^at.  A  die  Rede  war, 
gesehn,  dass  die  richtige  Lesart  ol  xal  lotg  €(ÄnUxovGiv  7.  Xg, 
bei  Lat.  A  und  B  sich  erhalten  hat,  während  die  von  Arm.  vor- 
ausgesetzte Lesart  01  eavroTg  nichts  als  eine  secundäre  Variante 
für   ol   xal   ioig   ist.     Cap.  7.    liest   A    xal  olaiv  a/MgloTotg  &tov 


1)  Mab  könnte  überhaupt  auf  die  Vermuthung  kommen ,  den  Text  ur- 
sprünglich so^  zu  gestalten  :  /^7ri  rovrq>  ovx  ißovX^d-rjv,  Iva  ///}  oirjd-ij  ris 
Ott  mv  xaräxQiroe  cbq  anoaroloi  vfiiv  (fiaxdaoofiai ,  womit  die  Lesart  von 
Lat.  A  (^ijd-ri,  der  Indicativ  von  Gr.  A  Siardaoo/uai,  und  ebenlalls  die  Weg- 
lassung^des  /irj  unmittelbar  von  cos  stimmen  würde.  Doch  ging  die  andre 
Lesart  iva  firj  86^co  xtX.  wol  frühzeitig  neben  her,    und  lag  mindestens  dem 


Armenier  auch  zu  Grunde. 


92       LipsiuSf  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

Tfjaov  Xqigtov,  B  bietet  dafür  a/Mglatoig  i^tov,  mit  Weg^Iassung 
von  "IriGOV  Xqiotov  und  Arm.  lässt  S^eov  weg^  und  hat  d/.  *Tr]aov 
Xqigtov.  IVIan  könnte  liier  nun  allerdings  auf  die  V^ermuthung^ 
kommen,  dass  der  Text  von  Ä  secundär,  und  aus  dem  von  Arm. 
und  B  g-emisclit  wäre,  ünmög-lich  wäre  dies  nicht  grade,  aber 
doch  nach  allem,  was  wir  von  dem  Verbältnisse  der  Texte  zu 
einander  schon  wissen,  unwahrscheinlich.  \  ielmehr  ist  das  Ver- 
hältniss  grade  das  umg-ekehrte:  B  Hess  'Tt^gov  Xqigtov  weg,  weil 
er  die  Bezeichnung-  Christi  als  Gott  schlechthin  allenthalben  zu 
vermeiden  sucht,  und  aus  einem  ähnlichen  Grunde  kann  S^eov  in 
der  von  Arm.  benutzten  griechischen  Handschrift  weggefallen  sein, 
üebrigens  ist  bereits  früher  bemerkt  worden,  dass  an  solchen 
christolog.  Stellen  die  Lesarten  der  verschiedenen  Auctoritäten  oft 
bunt  durch  einander  gehn ,  also  auch  keine  sichern  Schlüsse  dar- 
aus zu  ziehen  sind.  Wichtiger  für  die  Kenntniss  des  Textes  von 
Arm.  ist  folgende  Stelle  aus  demselben  Cap. :  o  evTog  d^vGiaGT?]- 
Qiov  MV,  xa&aQog  Igtiv  '  tovt^   Igtiv,  6  /^(JüQig  iniGy.onov  xul  nQi- 

GßvTiQlOV     Xal     SiaXOVMV     TIQU.GGMV     Jl  ,     OVTOC    OV    XU&aQOQ   tGTl    T]] 

avvitöriGfL.  So  Gr.  A.  Dafür  liest  Lat.  A :  qui  intra  altare  est, 
mundus  est:  qui  vero  extra  altare  est,  non  mundus  est:  hoc  est, 
qui  sine  episcopo  et  presbytero  et  diacono  operatur  aliquid,  iste 
non  mundus  est  conscientia.  Dagegen  Gr.  B :  o  ivToq  tov  itv- 
oiuGTTigiov  a)v,  xa&agog  tGxi'  öio  xul  vnuxovti  tco  iniGxono)  xal 
Toig  TiQiGpvTiQoig'  0  ot  ixTog  wv,  ovTog  tGTiv  0  xcogig  tov  eni- 
oxonov  xal  twv  nQtGßviigiav  xul  tmv  diaxuvcov  ti  nguGGwv  b 
rotovTog  (xi^iiavTai  rrj  GvreidrjGeti  xal  I'gtiv  uuigtov  /aigMv.  Ebenso 
Lat.  B,  nur  dass  er  qui  euim  intra  altare  est  constitutus,  episcopo 
vestro  et  presbyteris  und  endlich  qui  vero  extra  altare  est  con- 
stitutus liest.  Offenbar  sind  hier  die  Worte  dio  xal  —  ngtGßvxi- 
QOig  und  xal  —  x^igwv  später  eingeschobene  Zusätze  5  dagegen 
hat  B  mit  Lat.  A  das  0  de  exTog  tov  [tov  &VGiaGTi]giov]  gemein. 
Vergleichen  wir  nun  hiermit  den  Armenier,  so  gestaltet  dieser  den 
Text  wie  folgt:  nam  omnis,  qui  est  intus  altare,  mundus  est 
mente;  et  qui  operatur  aliquid  sine  episcopo  et  sacerdotibus  im- 
purus  est  corde.  Er  bietet  offenbar  einen  leserlichen  Text:  mit 
Lat.  B  las  er  übrigens  0  ydg  IvTog  xtX.  ;  ferner  Hess  er  xal  tcov 
dtaxorwv  weg,  und  interpretirte  das  xa&agog  (gti  durch  den  Zu- 
satz mente.  Wichtiger  als  alles  dies  aber  ist,  dass  er  mit  Gr.  A 
das  6  di  exTog  tov  tov  &vGiaGTrjgiov  nicht  las ,  und  ausserdem 
auch  das  tovt^  Igtiv^  welches  Gr.  A  und  Lat.  A  haben,  wegliess. 
Jedenfalls  war  nun  der  ursprüngliche  Text:  6  ivTog  d^vGtaGTtjgiov 
wv  xad-agog  Igtlv^  0  öe  exTog  wv  d^vGiaoTrigiov ,  tovt*  Igtiv,  0 
X^glg  iniGxonov  ...  nguGGWv  ti  ,  ovTog  ov  xa&agog  (Gti  ttj  gvv- 
iid^oei.  Bei  Lat.  A  findet  sich  ein  Zusatz  zu  0  Sa  exTog  wv 
d-VGiaGT7]Qiov ,  der  den  Satz  concinner  machen  sollte,  in  Wahrheit 
ihn  aber  verdarb:  ov  xa&agog  fGTiv;  bei  B,  der  den  Zusatz  von 
A  nicht  kannte,   finden    wir    eine  Correctur,  ovtog  tGii  für  toit' 


Lipsius ,  übe)  den  syrischen  Teil  der  Briefe  des  hjnalios,       93 

foi/,  woraus  sich  dann  die  Notliwendigkeit  ergab,  den  Satz  nach 
ngäoGcov  ti  abzuschliessen ,  und  statt  ovtoq  das  für  einen  neuen 
Satz  bezeichnendere  o  Toioizog  zu  wählen.  Gr.  A  änderte  nichts 
am  Texte ,  aber  die  Worte  6  di  ixTog  o)v  Övaiumrjgiov  fielen 
durch  ein  Versehn  wesi;.  Arm.  hatte  den  Text  von  Gr.  A  vor 
sich,  ohne  diese  Worte;  er  sah  ganz  richtig  ein,  dass  nun  das 
tovt'  iaiiv  sinnlos  war,  und  liess  es  also  ganz  einfach  weg. 
Folglich  muss  das  von  ihm  vorwiegend  benutzte  griechische  Manu- 
script  von  A  ein  mit  Cod.  Med.  sehr  verwandtes  gewesen  sein : 
er  erlaubte  sich  aber,  den  ihm  gebotenen  Text  durch  Aenderungen 
sich  zurechtzum.'ichen.  Ferner  Cap.  9:  og  xui  uXr]&cü<i  r^yi^d^Tj 
«710  vtxQMV,  eyeigavTog  uviov  jov  naxQOQ  uvtoVj  xarä  to  0(j.oiw(A.a, 
og  nai  fif.iog  xovg  ninTtvorTag  aviio  ovzdjg  iyeQH  o  naT^g  avxov 
fv  Xgiajco  ^Tfjnov,  ob  /coi^ig  to  uXrjd^ivbv  CfiV  ovx  e'/ofiev»  Gr.  A. 
—  Grade  so  Lat  A,  nur  dass  er  xwt«  to  ojuoi(Of.iu  offenbar  rich- 
tiger hinter  das  zweite  of ;?«/  stellt.  Dagegen  liest  Arm.:  et  vere 
resurrexit  a  mortuis,  et  quem  resuscitavit  pater,  itidem  et  nos 
credentcs  in  eum  secundum  eandem  rationem  resuscitabit  sine  quo 
non  est  cuiusquam  vivere  veram  vitam.  Auf  Grund  dieser  Lesart 
lässt  nun  Peter  mann  nach  dem  Vorgange  von  Markland  und 
unter  Zustimmung  Dresseis  die  Worte  o  naii^Q  uvtou  iv  Xgt- 
OTM  ^IrjGou  als  späteres  Glossem  aus,  und  stellt  im  übrigen  den 
Text  von  Lat.  A  her.  Allein  es  ist  gar  keine  Nöthigung  zu  jener 
Auslassung  vorhanden,  obwol  man  den  Grund  sehr  wol  einsieht, 
warum  sie  Arm.  beseitigte.  Er  hielt  sie  nämlich  ebenso  wie  später 
Markland  für  überflüssig  ^ ).  Allein  der  Arm.  verräth  selbst  durch 
seine  Lesart  itidem  et,  dass  ursprünglich  wg  y.ui  im  Texte  stand, 
wie  schon  Smith  (unter  Zustimmung  von  Jacobson  wie  es 
scheint)  ganz  richtig  vermuthete.  Ist  aber  dies  der  Fall ,  so 
ist  die  Auslassung  jener  Worte  zwar  wol  möglich,  aber  durch 
nichts  gerechtfertigt,  und  den  Armenier  trifft  wiederum  der  Vor- 
wurf, den  Text  willkürlich  zurechtgemacht  zu  haben.  Was  übri- 
gens das  ovTU)g  betrifft,  so  steht  es  zwar  dem  log  nicht  grade 
entgegen  (es  konnte  eine  umständlichere  Ausdrucksweise  sein), 
kann  aber  auch  getrost  weggelassen  werden,  und  entstand  viel- 
leicht erst  aus  der  Aenderung  des  vitg  in  og.  Ob  Arm.  es  gelesen 
hat  oder  nicht,  mag  dahingestellt  bleiben,  wenn  auch  das  letztere 
fast  wahrscheinlicher  ist.  —  Fernere  Steilen,  die  den  secundären 
Ursprung  des  Textes  von  Arm.  erweisen,  sind  noch  Cap.  12:  dg 
Ti/LUiV  natgog  'It^aov  XgioTov  (A),  wofür  Gr.  B  iig  TiftTJv  nargog 


1)  Der  Text  von  B  gibt  keinen  Aufschluss.  Er  liest  hier  nur:  xal  ave~ 
OTT]  Sia  TQicov  rjjuBQcäv,  iyei^avTOS  avtöv  tov  najQoe  mitten  unter  einem 
Wust  späterer  Einschiebsel,  und  erst  gegen  Ende  des  folgenden  Cap.  bringt 
er  die  Worte  nach  6  xoivvv  dvaarr/aae  avjov  naxi]Q  xnl  rj/uäg  Si'  avrov 
iyeQEl'  ov  xofgls  tö  dXfjd'tvov  ^fJM  ovx  i'^ei  rig,  was  übrigens  immerhin 
noch  eher  für,  als  gegen  die  von  Arm.   ausgelassenen  VV^orte  spricht. 


94        Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Brirfe  des  IgnaUos. 

xal  eig  T//U7yV  ^Irjüov  Xqigtov  bietet  (ebenso  Lat.  B ,  nur  dtov 
nuTQog).  Arm.  liest  hier:  in  honorem  patris  et  unigeniti  eins,  Do- 
mini nostri  Jesu  Christi.  Das  „et"  mag-  ursprünglich  sein ;  ebenso 
wollen  wir  das  so  häußg  bei  Arm.  eingetragene  Domini  nostri 
nicht  urgiren.  Dagegen  ist  jedenfalls  das  unigeniti  eins  ein  In- 
terpretament ,  wozu  sich  eine  Parallele  in  einem  Manuscript  von 
B  üudet,  welches  vlov  *h]üov  XgiaTov  liest.  Endlich  ganz  auf- 
fällig ist  noch  Cap.  13.  Hier  findet  sich  bei  A  das  dunkle  uyvi^ 
Ctre  (Cod.  Casanat.  prim.  man.  ayvil^iTui)  vfiwv  t6  if.iov  nviv/na,  wo- 
für Lat.  B  uyvii^eTai  v/ucßv,  Gr.  B  aanul^eTai  vf.iäg  las.  Arm.  ver- 
stand die  schwierigen  Worte  nicht,  und  bietet  eine  dritte,  ganz 
secundäre  Variante:  desideratvos. 

Aus  dem  Gesagten  geht  wiederum  hervor,  dass  Arm.  obwol 
im  Ganzen  und  überwiegend  dem  Texte  A  beizuzählen,  doch  nur 
eine  ziemlich  secundäre  Gestalt  dieses  Textes  bietet,  unter  mehr- 
facher Benutzung  von  B,  ohne  Rath  und  Hilfe  in  verdorbenen  Stel- 
len,  vielmehr  vielfach  nur  erleichternd  und  willkürlich  ändernd. 

Bestätigt  wird  dies  wiederum  durch  die  Arm.  eigenthümlichen 
Varianten,  besonders  durch  die  ergänzenden,  erleichternden  und 
interpretirenden  Zusätze,  wie  inscr.  vera  carne  et  corpore.  Cap.  1. 
fJo^arra  mit  dem  beigefügten  Objecte  tov  yvQiov  fxov^IriGovv  Xgi- 
<7t6v,  Cap.  2.  dg  t?;V  yevtaiv  avTov  xa}  tov  d-drurov  für  fig  tov 
d^dvaTOv  avTOv,  Zu  du  öe  y.al  rovg  diaxovovg  schiebt  er  ein  eignes 
Verbum  ein,  und  übersetzt  conveniens  est  et  diaconis  ob  sequi 
—  et  in  Omnibus  etc.;  das  folgende  näoiv  interpretirt  er  durch 
Deo  et  hominibus.  Cap.  11.  ecputvovro  aV  durch  fortasse  lierent  et 
apparerent.  Ebendaselbst  die  üebersetzung  der  Worte  tov  &eov 
fVMaiv  inayyeXXo^tvov  o  eaiiv  aviog  durch  quoniam  Deus  promi- 
sit  coniunctionem  nostram  cum  ipso  sicut  unum  corpus. 
Cap.   13.   zu  ovx  u§i6g  dfxi  "Klytod^ai  ergänzt  er  änoöToXog. 

Andres  ist  weniger  instructiv,  und  auch  die  ziemlich  zahlrei- 
chen Weglassungen  machen  nur  mehr  im  Allgemeinen  den  Ein- 
druck eines  ungenauen  Textes,  als  dass  man  eine  bestimmte 
Tendenz  dahinter  vermuthen  sollte.  So  fehlt  der  Zusatz  rijg  iXnidog 
rjf.mv  zu  Christus  in  der  Inscr.  und  abermals  Cap.  2. ,  das  vnfj- 
ghai  Cap.  2,  welcher  überflüssig  zu  sein  schien,  aber  bei  A  und 
B  steht.  Cap.  7.  fehlt  xai  dtaxovov  's.  oben).  Cap.  8  o  iariv 
(7«^^  rov  xvQLOV  (s,  weiter  unten  in  der  Note).  Cap.  9.  og  akrjd^wg 
lyivvrjd^r^,  Cap.  10.  bleibt  von  den  Worten  wgmQ  rivig  aO-toi  ovreg 
tovtIötlv  aniGTOi  nur  ügneg  [ol]  anioroi  stehn,  gegen  A.  Sev.  B. 
Läge  hier  ursprünglich  ein  Glossem  vor,  so  wären  die  Worte 
TovTfGTiv  aniGXoi  an  den  Rand  zu  verweisen,  der  Arm.  hätte  dann 
trotzdem  einen  secundären  Text.  Cap.  12.  lässt  er  negifpigo)  ahov- 
fitvog  weg,  und  verbindet  d^eov  eniTv/Hv  mit  dem  Folgenden. 
Cap.  13.  fehlt  wv  eG/cuTog  {Xiivwv ,  was  überflüssig  schien.  Da- 
gegen mag  er  Cap.  8.  in  der  Weglassung  des  prophetischen  Ci- 
lats  ovat  yäg  —  ßXaGcpTjj^eTiai,  welches  sich  auch   bei  Dam.  nicht 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignaiios.        95 

mehr  wiedergegeben  findet,  Reclit  haben.  Dieses  Citat  konnte 
in  der  ursprünglicli  von  Arm.  benutzten  Handschrift  von  A  noch 
fehlen  i). 

Der  Ph  iladel  plien  erbrief,  zu  dem  wir  jetzt  übergehn, 
bietet  im  Ganzen  völlig  dieselben  Erscheinungen  dar,  wie  Magn. 
und  Trall.  Auch  hier  sind  selbst  nach  Abzug  sämmtlicher  nach- 
weislicher oder  muthmasslicher  Interpolationen  des  Textes  B  die 
Varianten  von  Arm.  mit  A  so  zahlreich,  dass  er  unbedingt  auch 
in  diesem  Briefe  der  Familie  A  beizuzählen  ist;  und  sicher  wür- 
den dieser  Varianten  gegen  den  ursprünglichen  Text  noch  weit 
mehre  sein,  wenn  der  Interpolator  nicht  so  tiefgreifende  Umge- 
staltungen sich  erlaubt  hätte. 

Inscr.  iv  yvio^if]  'Itjgov  X^igtov,  wofür  B  ausser  andern 
Aenderungen  iv  &eXrj(.iaTi  bietet.  Der  Anfang  von  Cap.  1.:  ov 
iniaxonov  lyv(or,  ovx  uip^  taviov,  ovöe  öi^  avd-Qdünwv ,  xexT^a&ai 
Trjv  diaxoviav  für  d^ianujLievog  v/licüv  röv  fniax. ,  l'yviov  ort  ovx 
—  avd^Q  ^'^tCüd^T]  TTjv  diaxoviav.  Cap.  2.  jlxva  ohne  wg,  — 
TttC  xaxodidanxaXiag  für  ttjv  xuxoötdaaxaXiav  F  e  silent.  Nydpr. 
Baliol.  oder  rij^  xuxoöiduoxuXiag  BOV  Aug.  Magd.  Petav.  Pal. 
Reg.  —  Cap.  3.  xXrjQovofxti  für  xX7]Qovof.i7Jaei.  —  ovzog  tm 
7ta&€i  ov  GvyxaTarid^eTut  für  ovTog  ovx  loii  Xqiütov  ovre  rov 
ndd^ovg  avxov  xoivwvog ,  wo  jedenfalls  wenigstens  in  dem  xot- 
vcovog  eoTt  eine  ursprüngliche  Variante  vorliegt.  Cap.  6.  (og  hi 
ü)v  xtX.  an  das  Vorhergehende  angeschlossen,  statt  tri  yag  tif^i 
als  neuer  Satz  (doch  vgl.  Lat.  B).  diu  tü  xal  avxovg  elg  ro 
ivayyiXiov  xairjyyeXxtvui  für  wg  Xqiütov  xarayyeiXavJog.  Cap.  6. 
ovTOi  GTfjXai  tlniv  für  ol  toiovtoi  navreg  GTtjXui  iiGiv.  (Dagegen 
fehlt  f/iio'i  bei  Arm.  wie  bei  B.)  ovo/nara  uvd^Qatnwv  ohne  ve- 
xQUJv,  —  TQv  uQ/ovTog  Tov  aldivog  TovTOv  für  Tov  nvEVf-iaiog 
Tov  vvv  ivsfjyovvTog  iv  zoTg  vioTg  t.  «f.  t.  —  iv  jluxqm  für  rj  iv 
fAixow.  Cap.  7.  To  nvtv/Liu  für  ro  nvavfAU  /nov.  —  unb  ^eov  ov  für 
nagd  yaQ  &tov  avzo  tiXfj(f)a.  —  ol  di  nTtaavxig  fiie  [vnomtvGav- 
jtg]  für  ei  öi  vjionitvtxt  [hi  vero  despexerunt  me  F^at.  B].  — 

1)  Einzelne  andre  Eigenthüralichkeilen  erklären  sich  theils  aus  dem  Grie- 
chischen selbst,  wie  Cap.  8  ev  nioxei  o  iariv  aag^  rov  xvoiov  xal  iv  aydnr] 
o  eoTiv  alfia  '[rjaov  Xqiotov.  Hier  bietet  Arm.  allerdings  secundär  fide  et 
spe  et  coena  sanguinis  Christi,  aber  coena  für  dyanr]  erklärt  sich  leicht  aus 
dem  Doppelsinne  des  griechischen  Wortes.  Theils  erklären  sie  sich  aus  dem 
Syrischen:  so  Cap.  2  iv  ch  Scfxyovre«  evQEd'Tjaoifxsd'a,  wofür  Arm.  ut  inve- 
niatur  vita  vestra  cum  iis,  wo  statt  vestra,  nostra  zu  lesen,  und  ein  Irrthum 

der  syrischen  Punctation  («aa>.»  Tür  ..aa^j)  aozunehmen  ist.  (S.  die  Peter- 
mann'sehe  Note.)  Ebenso  Cap.  11.,  wo  iv  tq5  nnd'ei  avxov  durch  cum 
signo   erucis    Domini   nostri   wiedergegeben    ist.     Hier   hat  Arm.    oflenbar   den 

syrischen  Text  missverstanden,  und  |ajlJLO  in  signo  für  JIajaO  in  passione 

gelesen.  Eben  hierher  gehört  der  ziemlich  häufige  Fall,  dass  der  Singular 
fiir  den  Plural,  oder  der  Plural  lür  den  Singular  gesetzt  ist,  was  sich  mit 
Hille  des  syrischen  Uibbui  sehr  einfach  erklärt. 


9(3       Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

ngoHÖoTa  für  ngofxad^ovTa.  —  inriQVüotv  für  ixrjQv^i  (xoi.  — 
f.iifi7]Tal  yivta&e  ^Tf](Jov  Xqigtov  (hg  yau  avTOQ  jov  naxQog  avrov 
für  f.ufi.  ytv.  IJuvXov  xui  twv  uXXcov  utiootoXmv,  uyg  xal  avtol  tov 
Xqiotov,  Cap.  8.  Euv  (.leTavorjOwai  für  euv  ovvÖQUf.i(jt)aiv,  —  «y* 
vfA,wv  für  u(p^  rjf.i(Jüv.  —  iv  roTg  dgxaioig  (auch  Lat.  ß)  für  ev  Toig 
aQX,doig»  —  /^  di^  avTov  für  rj  negi  tovtwv  (wenigstens  näher  an  A 
durch  die  Uebersetzung-  eius'.  Cap.  9.  eiG^g/oviai  für  eirrijXd-ov.  — 
TO  nad^og  avrov  y.ai  ri]v  avuGxaaiv  für  rb  nud-og,  avxrjv  ttjv  uva- 
OTuniv.  Cap.  10.  /itgoTovriOai  diuxovov  für  /.  iniayonov.  —  xaza- 
'^iw&i^oeTai  Futurum  (oder  xaru^iwd^fj,  wie  wol  Lat.  B)  für  xaxr]- 
'^iLod^ri  (Gr.  B).  —  ovx  l'oTiv  udvvarov  für  ov  nuoiv  advvaxov,  —  cbg 
xoi  (AI  für  (hg  xal  ätl  al.  Cap.  11.  and  KiXixiag  vor  ävögbg  ge- 
stellt. —  fv  X6y(p  d^aov  (auch  Lat.  B)  für  das  einfache  h  X6y(x).  — 
(AnoTu^Uf-itvog  für  anoTaS,afA.ivoi.  —  tv/agiOTUt  vnig  vf.i(jt}v^  ort  Idt- 
'^(W&e  uvTOVQ  für  tv^'  negl  v/luov,  vntg  (hv  idf^aaS-t  ariovg,  und 
gleicli  darauf  (a)Q  xai  vfj.ag  b  xvQing  für  ngoaöf^eKxi  v(.iäg  o  xv- 
giog.  •  Tif-iTjoti  für  df-itixiitiat.  —  Hierzu  füge  man  nocli  zwei  Zu- 
sätze mit  A  gegen  B:  Cap.  5.  xui  owrigid^firi/iievoi  und  Cap.  11. 
äjna  e/Lio)  statt  des  einfaclien  af^ia.  Wie  weit  Arm.  etwa  mit  A  in 
Wcglassungen  von  Wörtern  und  Sätzen  des  Textes  B  zusam- 
mengehe, lässt  sich  gar  nicht  feststellen,  weil  sich  grade  hierin 
Jas  ursprünglich  der  Familie  B  Angehörige  von  dem  durch  den 
Interpolator  Eingedrungenen  schlechthin  nicht  absondern  lässt. 
Freilich  ist  dies  aber  auch  mit  einer  nicht  geringen  Anzahl  Va- 
rianten der  Fall,  und  wir  hätten  dem  ursprünglichen  Texte  von 
B  gewiss  noch  manche  in  obigem  Verzeichnisse  nicht  aufgenom- 
mene abweichende  Lesart  vindiciren  müssen,  wenn  wir  nicht  vor- 
gezogen hätten,  uns  auf  die  Varianten  zu  beschränken ,  die  mit 
grösserer  Zuverlässigkeit  der  ursprünglichen  Familie  B  zuerkannt 
werden  dürfen.  Jedenfalls  ergibt  sich  aus  obigem  Veizeichnisse, 
dem  man  wol  kaum  eine  oder  die  andre  V^ariante  abstreiten  möchte, 
eine  sehr  erhebliche  Verwandtschaft  des  Armeniers  mit  A ,  und 
eine  Abweichung  von  B,  die  sicher  noch  grösser  sein  würde,  wenn 
wir  den  ursprünglichen   Text  noch  vergleichen  könnten'). 

Andrerseits  sind  doch  auch  im  Philadelphenerbriefe  einige 
Varianten  mit  B  zu  notiren,  der  Art,  dass  eine  gewisse  Berüh- 
rung des  Arm.  auch  mit  dieser  Familie  stattgefunden 
haben  muss.     So  in  der  Inscr.  of  für  ovg,     Cap.   1.  /^ogdal  rfj 


1)  Innerhalb  der  Familie  A  weist  Arm.  mehrfache  Irrthümer  von 
Cod.  Med.  (und  Casanat.)  mit  auf,  z.  B.  stellt  er  Cap.  5.  avajtaQriaros  gegen 
avaQnaaros  her.  Unter  den  übrigen  Varianten :  ttjv  oiytovopiiav  mit  Lat.  A 
gegen  Staxoviav  Cod.  Med.  und  B.  Die  Weglassung  des  sli  &sdv  nach  ^ 
7iQoae%>iy  v/ucöv  Cap.  5.,  ebenfalls  mit  Lat.  A  gegen  Med.  B.  Cap.  7.  der 
Zusatz  9-sov  (poivfi  mit  Lat.  A  gegen  Med.  Cap.  9.  der  Zusatz  rov  ocarrj- 
Qoe  mit  allen  gegen  Med.  (und  Casanat.).  Gegen  Lat.  A:  inscr.  naga- 
fiovoe  mit  Gr.  A  Gr.  B.  (Lat.  A  incoinquinatum  [dfico/uos],  Lat.  B  singu- 
lare).   Cap.  9.  Evöxrixa  &eov  mit  Med.  für  svorr^ra  niorseos. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignaiios,       97 

xid^uQU  für  xogSutg  xi&aga,  Cap.  4.  iv  o/novota  für  xaru  &eov. 
Cap.  5.  dyanco  für  uyunwfiiev.  —  eig  altov  für  dg  Xqiöiov,  unter 
den  Weglassungen:  inscr.  das  avv  aviiZ.  Cap.  3.  das  /^lov 
Linter  uötl(pot.  —  unter  den  Zusätzen ;  Cap.  8.  ixti  zu  d-tog  ov  xa- 
Toixei.  Cap.  10.  &eov  (ein  Ms.  X^tavov)  zu  to  ovo/iia.  Vergl. 
auch  Cap.  1.  Taig  hroXaig  (A),  wo  B  TuTg  ivToXuTg  xvqiov,  Arm. 
mandatis  divin  is  liest. 

Zieinliclie  Verwirrung  lierrsclit  auch  hier  bei  dem  Namen 
Christi,  sodass  handschriftlich  nichts  fixirt  werden  kann.  Man 
vgl.  Cap.  1.  d^eov  nuxQog  xul  xvgiov  'It]Oov  Xq.-^  Arm.  ebenso, 
nur  xvg.  rjinwv»  B  ^hjaoi)  Xqiotov  xul  ^tov  nuTQog.  Cap.  3.  oaoi 
yoLQ  &tov  iiaiv  xal  ^It]Gov  X(jiotov  A;  oaoi  yug  ^tov  ttaiv  Arm.; 
oooi  yäg  Xqigtov  etoiv  B  (ein  Ms.  Xgtazov  &eov),  Cap.  4.  tov 
xvQtov  7i(.i(Jüv  ^Itjoov  Xqiotov  A.  Arm. ;  %ov  xvqiov  ^Ir^oov  B  (ein 
Ms.  T.  X.  '/.  Xq.)  u.  s.  w. 

Sehen  wir  aber  hiervon  ab,  so  sind  noch  eine  Reihe  von  Va- 
rianten bemerkenswerth,  in  denen  der  secundäre  Ursprung  von 
Arm.  offen  zu  Tage  liegt.  So  bietet  er  an  zweifelhaften  Stel- 
len eine  dritte  Variante  und  verräth  dadurch  seine  Rathlosigkeit: 
Cap.  1.  ovvtvQld^fxiaTai  A  avvtjjnoaiui  B  patiens  est  et  consen- 
tiens  est  Arm.  Cap.  2.  das  schwierige  nollol  yuQ  Xvxoi  ä'^iO' 
71 1  (TT  Ol  bei  A,  wofür  B  noXXol  yuQ  Xvxoi  xtüdioig  rj/LKfuof^tvoi 
corrigift.  Statt  beider  Lesarten  bietet  Arm.  multi  lupi  existunt 
qui  inflati,  was  wahrscheinlich  eine  Interpretation  zu  dem  un< 
verstandenen  u^iontaioi  sein  soll.  Cap.  3.  uXX^  dnoötvXia/iiov  hat. 
A  (nach  Med.  Cas.  unoötvXio(.itvov),  B  wich  zu  sehr  ab  durch 
seine  Uebersetzung  uWa  nfjoaacpaUZofiai  vfA.äg  wg  Ttxva  &tov. 
Daher  räth  denn  Arm. ,  der  das  Wort  nicht  verstand ,  und  setzt 
das  ganz  unpassende  sed  clamor  (oder  iubilatio).  Cap.  5.  iv  lo 
xXi]Qü)  Tjltrjd^riv  A,  h  uj  ixXij&rjv  B.  Dafür  lesen  wir  bei  Arm. : 
portionis  eius  qua  donabar,  et  in  ea  requiescam.  Muthmasslich 
hat  er  hier  beides  übersetzen  wollen,  TJXetj&fjv  und  ixAiJ^^r, 
doch  ist  diese  Stelle  noch  nicht  sicher  genug.  Dagegen  ist 
eine  Benutzung  beider  Texte  ganz  unzweifelhaft 
Cap.  10.  Hier  liest  A  iig  to  avyxagijvni  avToig,  B  dg  to  avy- 
XM0t]&fjvai  uvToTg,  Arm.  aber  ut  proiiciscatur  illuc  et  simul  gau- 
deat,  was  offenbar  die  beiden  Verba  ovyxcnQtjvai  und  ovyy^coQfjd-t^- 
vai  voraussetzt.  Ein  ähnlicher  Fall  ist  übrigens  auch  Cap.  11., 
wo  Codd.  Met,  Cas.  auQxi,  "(pv/fj,  nioTti,  die  übrigen  Auctoritäten 
auQxi,  '(pv/tj,  nviVfiuTi,  niaiH  bieten.  Hier  hat  Arm.  corpore 
et  spiritu  et  mente,  setzt  also  nvei/fiait  bei,  lässt  aber  nioTti  weg, 
was  sich  bei  Allen  findet. 

Anderwärts  verwischt  er  die  Eigenthümlichkeiten  beider  Texte, 
2.  B.  Cap.  7.  und  auQxoQ  uv&gcDnivrjg  (A)  unb  OTÖfiUTog  uv&qcü^ 
nov  (B)  ab  hominibus  Arm.  Unter  den  eigenen  Varianten 
(gegen  beide  Familien)  zeigt  sich  dasselbe  Streben  auf  Erleich- 
terung des  Sinnes.  So  wird  inscr.  zu  uyaXXicofitvrj  hinzuge- 
Abbaodl.  d.  DMG.  1,5.  7 


98       Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  deJL  Briefe  des  Ignaiios. 

fügt  ev  uyariT],  und  dafür  aöiuxgiTMg  weggelassen.  Cap.  1.  iyvwv 
durch  accurate  cognovi  übersetzt.  Cap.  2.  wird  aus  o  noi/.irjv 
ein  pastor  ortbodoxus.  Cap.  5.  für  a^tuyunriToi  y.cxl  a^iod^av- 
/iiaGTOi  äyioi  lesen  wir  et  illi  digni  sunt  ainore  propter  pura  opera. 
Cap.  ö.  oTi  ivovvetörjTog  ef^ii  Iv  vf.dv  propter  puram  mentera  ve- 
stram.  Cap.  7.  zu  nXavr^iSui  der  interpretirende  Zusatz  corpore. 
Irrthümlich  weggefallen  ist  z.  B.  Cap.  3.  der  Satz  diu  to  (.li]  dvai 
avTOvg  (fvidav  tov  naiQog. 

Das  Resultat  bleibt  also  auch  beim  Pbiladeipbenerbrief  das- 
selbe: Arm.  folgt  wesentlich  dem  Texte  von  A,  bietet  aber 
eine  weniger  correcte ,  in  schwierigen  Fällen  rathlos  lassende 
oder  erleichternde  und  interpretirende ,  theilweise  auch  einen 
au^  A  und  B  gemiscbten  Text  voraussetzende  Recension. 

Der  Smyrnäerbrief,  zu  dem  wir  jetzt  übergehn ,  bestä- 
tigt das  bisher  Gefundene  allenthalben.  Auch  bier  sind  die  Ueber- 
einstimmungen  mit  A  in  die  Augen  fallend,  wenngleicb  der  Inter- 
polator  wiederum  so  viel  geändert  hat,  dass  es  unmöglicb  ist, 
dem  ursprünglichen  Texte  von  B  auf  den  Grund  zu  sehn.  Doch 
mögen  wenigstens  folgende  Varianten  bezeugen,  dass  Arm.  nicht 
der  Familie  B,  sondern  der  Familie  A  beizuzäblen  ist.  Inscr.  ^eov 
nnjQoQ  für  ^tov  nazQog  vipioiov*  Cap.  1.  uxf)^  ob  y.uQnov  für 
«(jp'  ov,  Cap,  4.  ovg  ov  ftovov  dei  vf.iug  ^itj  nuQ(xde/to&ai ,  aXV 
tl  SvvuTov  ioTii  ^iTjöe  ovvuvTuv  für  a  ov  /Liorov  unooTQt(faa9^ai  /qt], 
uXXä  xal  (felyeiv.  Cap.  5.  uqvovptui  füri-Qvi]aavTO, —  ovreg  ovvi]- 
yooot  Toi)  d^uvdiov  für  y.al  ovvrjyoQOvai  tm  iptvöti.  —  ovx  ido'S,i  [aoi 
für  vvv  oix  iöo'^a  (.lou  Cap.  7.  ('§aigtTwg  de  rat  evayyelioj  xtX, 
für  y.al  ToTg  ivayyeXioaf,ifvoig  7jf.dv  ktX.  Cap.  8.  wg  &tov  hToXi]v 
für  wg  d^tov  avToXr^v  öiay.ovovvxag  (ein  nicht  vom  Ergänzer  her- 
rührender Zusatz).  Cap.  8,  o  av  ixetvog  öoxtf.iuorj  für  o  uv  ixti'vM 
dox^.  —  Tovio  xul  TCO  &eco  tvugeGTOv  für  xaz'  fvagearrjOiv  d^eov. 
Cap.  9.  uvuvriipai  für  avuvijxpai  rj^Lug,  —  Xad^Qa  iÜTavev.  —  yazänavTa 
/j.e  uvenuvGUTe  für  xa^o  (M£  uvenavoare.  —  di^  ov  navra  vno/LitvovTeg 
avTov  Ttv^ea&t  für  di*  ov  Tavxa  dg  tov  deo/Liiov  avTov  ivide/'^uad-e 
(hier  weisen  die  ähnlich  klingenden  Schlussworte  auf  eine  ursprüng- 
liche Variante  hin).  Cap.  10.  xul  '^Pi'cov  xal  l4yu9-('movv  genau  so 
Lat.  A;  B  yai  Faiov  y.al  Idya&bnoda.  Dieselbe  Variante  auch 
Philad.  11.,  wo  sie  nur  noch  nicht  erwähnt  wurde,  weil  dort  Arm. 
gegen  alle  Auctoritäten  von  A  vor  'Ayad-.  das  xal  einschob.  VTir 
können  aus  unsrer  Stelle  schliessen,  dass  auch  im  Pbiladeipbenerbrief 
Handschriften  von  A  das  xul  lasen.  —  ol  yal  ev/agtoTOvoi  für  ol  y.al 
GcpoÖQa  ev/uQiazovai.  —  ov  (.ltj  unoXeiTatfür  nagaXoyio&rjOtTai. — 
ovde  v(Liug  inaioxw&i^GtTai  für  dib  ovöe  Vfiug  inaiG/.  Cap.  11. 
T]  nQOGhv/jl  ^Atwv  an7]X&ev  inl  xtX,  für  al  ngoGivxal  {(.liov  ijyyt- 
aav  dg  xtX.  —  icpävi]  (.loi  ovv  uE,iov  ngäy/Lia  für  o  icpuvrj  (.loi  uhov.  — 
TOVTO  ioTiv ,  üJGTa  xtX.  —  xat  oTi  Xi/utvog  TJörj  hvyxavtv  für  xul 
oxi  Xtfiivog  £v6gf.iov  TiTvyjiKaj  Xqigtov,     Cap.    12.   tmv   udeXcpaiv 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios,       99 

für  Tai»'  udaXgjwv  vfiwv,  —  rj  yagiQ,  für  r]  yuQig  toi;  xvqiov,  — 
inioxonov  ohne  TLoXv/.uQnov ,  doch  mit  B  tn,  vfiwv.  —  tou^ 
GvvdovXovg  /.lov  diaxovovg  für  y.al  rovg  xgioxocpoQovg  ötaxovovg 
Tovg  avvöovlovg  /.lOv.  —  Trj  ougxl  für  TT^g  oagxog  (doch  auch 
Lat.  B  wie  A)  diu  navxog  für  diu  nuvxbg  ev  Xgiaiw.  Cap.  13. 
Tug  leyofih'ug  /Jigug  für  lug  X^i9^^'  —  Oi'kwv  für  Otlwv  6  ovv- 
diuy.ovog. 

Wichtiger  noch  als  alle  diese  Varianten  aber  ist  die  Erschei- 
nung-, dass  im  Smvmaerbrief  Arm.  eine  grössere  Zahl  von  bedeu- 
tenderen Zusätzen  mit  A  gemein  hat,  die  in  Familie  B  fehlen, 
und  zwar  auch  häufig  an  solchen  Stellen,  wo  keine  Spur 
einer  üeberarbcitung  durch  den  Interpolator  im 
Texte  B  sich  findet.  Man  wird  hier  nothwendig  annehmen 
müssen,  dass  der  Interpolator  diese  Zusätze  in  seinem  Texte  gar 
nicht  vorfand.  Lassen  wir  hierbei  wiederum  alle  die  Stellen  bei 
Seite,  in  welchen  wenigstens  eine  Möglichkeit  sich  auffinden 
lässt,  sie  als  vom  Interpolator  gestrichen  zu  denken.  Dennoch 
bleiben  noch  folgende:  Cap.  2.  a'u  a(jü9^wf.iev.  Cap.  3.  uviov  'tiipuvxOt 
xuL  —  xguTfjd^tvTeg  rfj  aagxi  uvtov  xui  rw  7ivtv(.iaTi.  Cap.  4.  il 
dvvuTov  ioTi.  —  OTieg  dvoxolov.  —  tovtov  de  e/n  i§ovniav  *T7](T0vg 
XgiOTog,Tb  uXri&ivbv  tjiiiwv  l^ijv.  — uXX^  eyyvg  (.layuigug,  iyyvg  d^eov, 
(.levu^v  d^rjgicov  ^ixa^v  ^tov,  (Die  Worte  (.itruiv  d^rigicov  xtX. 
fehlen  auch  bei  Theod.)  Vgl.  auch  den  Text  der  folgenden  Worte 
ILiovov  ev  Tu)  ovofiuTi  ^JrjGov  XgiGTOv  eig  ro  Gv^inu&tTv  uvt(Z  nuvia 
vno(.ilv(jo  i  UVTOV  fite  eiövru/novvTog  rov  reXtiov  uvd^gwnov  yerof-te- 
vov  (Arm.  für  die  letzten  Worte  tov  &eov  tj/ucüv)  A  ;  dagegen  B  ceAX' 
ov  TW  öoxeTv  uXXa  tm  ovti  tiuvtu  vTCOfLevo)  diu  Xgiaxbv ,  elg  to 
GVunud^Hv  avTM,  avTOv  f,ie  evdvvuf,iovvTog*  ov  yag  (.tot  togovtov 
Gd^tvog  (doch  ist  hier  vielleicht  Einiges  auf  Rechnung  des  In- 
terpolators  zu  setzen).  Cap.  5.  (.luXXov  de  rjQvri^riGuv  vn^  uvtov. 
—  e\g  TO  nud-og  o  Igtiv  ijfxi^v  urdoTUGig.  Von  Cap.  6.  an  werden 
die  Aenderungen  des  Interpolators  bedeutender;  doch  sieht  man 
keinen  Grund  für  die  Weglassung  des  ganzen  Satzes  von  ?J  XeXv- 
fxevov  an  bis  zum  Schlüsse  des  Cap,,  und  des  Anfangssatzes 
von  Cap.  7.  ol  ovv  dvTiXeyovTeg  —  uvugtwgiv.  Ebenso  Cap.  7. 
fehlt  ohne  allen  Grund  der  Satz  iv  ut  to  nudog  rif.icov  dedi^XcoTUi 
xui  Tj  uvuoTuaig  TeTeXelcüTut.  Das  Ganze,  was  B  hierfür  bietet, 
ist,  dass  er  statt  T<h  evuyyeXuo  im  Vorhergehenden  ToTg  tvayyeXi- 
GU(.ievoig  v(.uv  tov  awTTjgiov  Xoyov  liest.  Cap.  9.  xa^io»?  eyei  ^eov 
xal  iniGxonov  eldevat  (fehlt  ausser  B  auch  bei  Antioch.  Dam.  und 
Cod.  Mont. ,  während  Cod.  Caj.  ihn  hat).  Ebendas.  liest  A  und 
Arm.  nuvTU  ovv  vfitv  iv  yugiTi  negiGoeveTW ,  u^ioi  yug  eGTe.  B 
liest  nuvTu  ovv  vf.iTv  fUT^  evTu^tag  iniTeXeiGd^w  ev  XgiGTM,  lässt 
u^toi  yug  eoTe  weg,  und  fügt  dann  einen  dem  Interpolator  ange- 
hörigen  Zusatz  bei.  Cap.  11.  hat  Arm.  den  Zusatz  Ttjg  2vgiagy 
kommt  indessen  im  Uebrigen  dem  Texte  von  B  näher.  Weiter 
unten  schiebt  Arm.  mit  A  d^tongeneOTUToig  dla(.ioig  ein.  —  Dieses 

7* 


100     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios, 

Verzeiclini'ss  Hesse  sich  übrigens  noch  mit  einiger  Sicherheit  um 
eine  Reiiie  anderer  Stellen  vermehren,  von  denen  wir  nur  die 
letzten  Worte  von  Cap,  2  namhaft  machen  wollen  alxol  to  öo- 
xtTv  ovreg'  xal  yaS^cog  (f^ovovoiv  ^  xal  öVjußrjOiTni  avJoTg ,  ovaiv 
uocüf-iaToig  xal  daif.iovtxoTg,  An  dieser  Stelle  finden  sich  aller- 
dings hei  B  beträchtliche  Interpolationen,  aber  gegen  seine  son- 
stige Gewohnheit  verarbeitet  der  Interpolator  von  obigen  Worten 
auch  kein  Jota,  was  auf  gänzliches  Fehlen  derselben  im  ursprüng- 
lichen Texte  B  hinzudeuten  scheint. 

Daneben  linden  sich  aber  auch  in  diesem  Briefe  einzelne 
nicht  zu  übersehende  üebereinstiminungen  des  Arm.  mit  B.  So 
ins  er.  der  Zusatz  vlov  uvrov  zu  *Tfjaov  Xqiotov,  Cap.  1.  statt 
Tj^tig  nach  a^*  ov  xagnov  mit  B  xui  ri(.iiig  iafiivf  obwol  wie  oben 
bemerkt  xagnov  mit  A  eingefügt  ist.  Cap.  2.  uvfOTt]  für  uviOTTj- 
Gtv  iavTov  (ersteres  wol  aus  dogmatischen  Gründen  schon  früh- 
zeitig hergestellt).  Cap.  3.  die  Weglassung  des  Zusatzes  rjvgi- 
d^j^oav  da  vneg  d-uvarov.  Cap.  5.  rtg  zu  Inairu  statt  zu  coqelu 
gezogen  (auch  sonst  bezeugt).  —  aXX«  vor  ^i^T^Jf  weggelassen  (doch 
Lat.  ß  wie  A).  Cap.  8.  nuv  o  uv  nguGatjie  für  näv  o  ngaoat- 
jai.  Cap.  9.  cog  Izi  für  xal  wg  lii.  Cap.  10.  ^  riXeta  IXntg  für 
Tj  Tiltia,  niöTig.  Cap.  11.  tnl  yijg  für  xal  Inl  yijg.  Der  Plural 
für  TJj  ngoütvxfi  v/iiaiv.  Ebenso  nochmals  weiter  unten  Cap.  12. 
inioxonov  vf^icop  für  enioxonov  (doch  fehlt  IloXvxagnov  y  s.  oben). 
Cap.   13.  Faüviag  für   Taov'iag. 

Alle  diese  Varianten  fallen  freilich  gegen  die  erstgenannten 
kaum  in  die  Wagschale,  ja  sie  dienen  eher  dazu,  die  Thatsache, 
dass  die  obigen  Abweichungen  des  Textes  A  von  B  Abweichun- 
gen vom  ursprünglichen  Texte  sind,  indirect  zu  bekräftigen,  in- 
dem wenigstens  ein,  wenn  auch  noch  so  geringer,  Theil  dersel- 
ben durch  den  Arm.  bestätigt  wird.  Andrerseits  sind  sie  indessen 
doch,  mit  den  bei  den  drei  vorher  besprochenen  Briefen  gewon- 
nenen Resultaten  verglichen,  nicht  zu  verachtende  Zeugnisse  da- 
für, dass  Arm.  in  irgend  welcher  Weise  den  Text  B  benutzt  habe. 
Hauptsächlich  erhellt  dies  aus  einigen  der  aufgeführten  Stellen, 
in  welchen  Arm.  halb  mit  A,  halb  mit  B  geht^). 

Ein  secundärer  Text  liegt  bei  Arm.  auch  in  folgenden  Stel- 


1)  Innerhalb  der  Familie  A  stimmt  Arm.  wieder  mehr  mit  Lat.  A 
als  mit  Cod.  Med.  Cap.  1.  stg  rov  y.vqiov  rjficöv  ^Irjaovv  XQiarbv  Lat  A 
B  Arm.  7.  Xo.  fehlt  bei  Med.  Sever.  Theod.  Cap.  4.  et  Se  fiir  st  yao  (Gr. 
A,  Theod.,  B).  ytayM  ovv  Lat.  A  Lat.  B  Arm.  (ohne  ovv  Gr.  A  Gr.  B). 
Cap.  6.  Ttiorsvocoaiv  gegen  (den  Schreibfehler)  Tttorevaco/isv.  Cap.  9.  xnra 
nävxa  mit  dem  Zusätze  yäq.  Cap.  11.  ix  oweiSriaetoi  wie  es  scheint  für 
in  ovveiSoTog.  —  a^io&eov  für  a^iov.  Cap.  12.  die  Weglassung  von  iv  6v6- 
fiaxi.  Cap.  13.  iv  8vvdfiet  narQos  für  ev  Svrä/uei  Ttvevfiaros  (Gr.  A  Gr. 
B ;  dagegen  Lat.  B  d'eov  naroos).  Ausserdem  stimmt  Arm.  auch  in  einzelnen 
Varianten  mit  dem  zur  Familie  A  gehörigen  Texte  von  Theod.,  worüber  man 
oben  das  Weitere  nachsehn  kann. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios.      101 

len  vor.  Cap.  1.  do'^d^fov  ^f/jnovv  Xqiotov  tov  -f^tov  A.  So'^ato) 
Tov  &eov  y.ai  naiign  tov  xvq/ov  rjfKnv  ^Trjanv  Xgiarov  B,  eine 
dog-matische  Aenderung-.  ^Ti^ootv  Xqiotov  ohne  rov  &füv  bei  Arm. 
Dag^eg-en  ist  Cap.  4.  der  Zusatz  des  Ann.  rov  &{ov  r/nMv  (von 
Christus)  statt  tov  Ttltiov  uvd^gomov  yivotnivov  ein  Fall  der  um- 
gekehrten Art,  wo  Arm.  das  Prädikat  Gott  selbständig  von  den 
übrigen  Auctoritäten  Christo  beilegt,  freilich  wol  mit  ebensowenig 
Recht,  als  er  es  oben  wegliess.  Cap.  10.  liest  A  dg  diuxovovg 
Xgiaiov  &eor.  Hier  lässt  Gr.  B  &eov ,  Lat.  B  und  Arm.  Xgi- 
GTOv  veeg,  B  fügt  ein  diuxovoi  XgtüTov  ovieg  hinzu,  woraus  Arm. 
kurz  vorher,  wo  alle  itg  Xoyoi'  d^eov  lesen,  etg  Xgiazov  gemacht 
hat.  Ebenso  secundär  ist  wol  Cap.  11.  der  Text  bei  Arm.  eig 
!AvTt6/eiuv  Trjg  2vgiag  für  ini  ttjv  ly.y.Xrjaiav  ttjv  iv  ^AvTioytla  TTJg 
^vguig  (A)  und  iig  tvv  'Avtio/Jo)v  ixxXrjotav  (B).  Ebendaselbst 
die  Lesart  xar*  ow  d^iXri(.iu  f.iov  für  xuTa  &iXr^(4a  de  (Gr.  A), 
oder  xaTu   [de]  d^ilruxa  tov  d^iov   (Lat.   A.  B). 

Hiermit  stimmen  denn  wiederum  eine  Anzahl  dem  Arm.  eigen- 
thümlicher  Varianten,  welche  eine  erleichternde  und  interpretirende 
Tendenz  verrathen,  sich  also  ebenfalls  als  secundär  kund  geben. 
Inscr.  navTog  /jxQifrfxuttog  mit  dem  Zusätze  XgiOTOv,  Cap.  1.  ßi- 
ßunTiO(Atvov  mit  dem  Zusätze  in  Jordane.  —  xa&7]Xw^ie7'0v  mit  dem 
Zusätze  ev  tw  OTavgw.  Cap.  3.  avTOV  olöa  xat  tiktthco  ovtu  A, 
Arm.  scio  et  credo  Dominum,  oti  ovx  tif.il  xtX.  quod  ego  idem 
sum  et  non  sum.  Cap.  4.  oneg  övay.oXov  quod  et  hoc  difficilli- 
mum  est  istis.  t6  uXrj&ivov  tj/liojv  Cfiv  durch  nam  hie  est  einge- 
leitet, avibv  unrigvj]Tai  negator  est  perfectus.  tig  t6  nu&og 
mit  dem  Zusätze  tov  owTtjQog  '^/licuv.  Cap.  6.  t^v  tvyagiOTiav 
aagxa  ilrut.  Hier  ist  augxa  durch  corpus  et  sanguis  wie- 
dergegeben. Cap.  7.  avvi<pegtv  öi  avToTg  dyanuv ,  "va  xai  uva- 
(TTcüOiv  bonum  erat  diligere  passionem  eius  et  vivere.  Cap.  8. 
wg  ^Irjaovg  XgtOTog  j(p  nuTQi ,  dafür  wg  'Tr^nov  Xqiotm  xai 
dew  TM  naigi.  Cap.  9.  xcti  v(.iäg  mit  dem  Zusätze  recreabit. 
Cap.  11.  dtongeaßvTTjv  durch  praecursorem  {^e6ögof.iov).  ovyya- 
grjvai  avzoig  gaudeat  salute  ipsarum.  Cap.  12,  xai  Tovg  xwt' 
(xvöga  xat  xotvfj  nuvTag  salutem  dabimus  invicem  Omni- 
bus. Cap.  13.  20  no^rjTüv  fioi  orof-ia  einfach  durch  dilectae  meae 
übersetzt,  tov  uavyxgiTOv  y  dafür  das  erleichternde  electum.  — 
Weglassungen  von  Worten,  die  sowol  bei  A  als  bei  B  stehn, 
oder  über  die  B  keinen  Aufschluss  gibt  wegen  anderweiter 
Aenderungen,  finden  sich  bei  Arm.  zuweilen,  z.  B.  Cap.  2.  xai 
uXrj^wg  i'nai^fv ,  wg.  Cap.  6.  Tonog  (.itjölva  (fvotovTü).  —  rj  XeXv- 
fihov.  Cap.  7.  xar'  iölav.  Cap.  9.  dg  &tdv.  Cap.  11.  ifg  ti/u^v 
^eov.    Cap.  12.  ^ufr*  if.iov.    Cap.  13.  l'Xeog^).    Doch  wäre  immer 


1)  Unter  den  übrigen  Varianten  bemerke  Cap.  1.  nno  rov  &eo^nxagi- 
OTOv  avxov  Ttfi^ove,  wo  Arm.  et  a  signo  illo  quod  dignos  r<'ddidit  nos 
beatitudinc  divioitalis  übersetzt;   also  ganz  dieselbe  Verwechselung  zweier  sy- 


102     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios. 

möglich,  dass  Arm.  an  der  einen  oder  der  andern  Stelle  den  ricli- 
tig-en  Text  aufbewahrt  hätte,  da  er  auch  sonst  in  Gemeinschaft 
mit  Lat.  A  fremdartige  Zusätze   im   Cod.  Med.  aufdeckt. 

Sonach  hätten  wir  für  alle  4  bisher  behandelten  Briefe,  für 
jeden   besonders,  folgende  übereinstimmende  Resultate    gewonnen: 

1)  Arm.  gehört  zur  Familie  A.  Innerhalb  dieser  Familie 
schliesst  er  sich  mehr  dem  vorzüglicheren  Texte  von  Lat.  A  als 
dem  Cod.  Med.  an.  Trotzdem  lässt  er  an  Stellen ,  wo  der  grie- 
chische und  der  lateinische  Text  von  A  verderbt  sind,  stets  rath- 
los,  sucht  aber  auf  eigne  Hand  einen  leserlichen  Text  herzustel- 
len. 2)  Die  Uebereinstimmungen  mit  Familie  ß  reduciren  sich 
auf  eine  verhältnissmässig  geringe  Anzahl  von  Stellen.  Theil- 
weise  mögen  dieselben  unabhängig  von  Familie  B  entstanden  sein, 
insbesondre  da,  wo  sie  wirklich  den  vorzüglichem  Text  enthal- 
ten. Theilweise  aber  ist  die  Benutzung  der  Familie  B  unleug- 
bar, besonders  in  Stellen,  wo  Arm.  halb  mit  B  geht,  oder  einen 
aus  beiden  Familien  gemischten  Text  voraussetzt.  3)  In  den 
eigenthümlichen  Varianten  macht  sich  ein  Streben,  den  Text  zu 
paraphrasiren  und  zu  interpretiren,  geltend,  und  nur  sehr  wenige 
scheinen  einen  älteren  und  besseren  Text  zu  verrathen.  Wieviel 
von  dem  Allen  auf  den  ursprünglich  benutzten  griechischen  Text, 
wieviel  auf  den  syrischen  Uebersetzer,  wieviel  auf  den  armeni- 
schen üebersetzer,  wieviel  endlich  auf  spätere  mit  dem  armeni- 
schen Texte  vorgenommene  Correcturen  zurückzuführen  sei,  ist 
schwer  zu  entscheiden.  Nur  soviel  scheint  sich  zu  ergeben,  dass 
nach  der  durchgängig  gleichartigen  Textgestalt  von  Arm.  zu 
schliessen,  der  Corrector  grade  in  diesen  4  Briefen  nicht  eben 
viel  gethan  haben  kann,  dass  ferner,  wenn  Aenderungen  später- 
hin vorgenommen  worden  sind,  dieselben  nicht  auf  eine  nachträg- 
liche Anpassung  an  die  Familie  B  zurückgeführt  werden  dürfen, 
da  die  wenigen  noch  aufbehaltenen  Varianten  vielmebr  darauf  füh- 
ren, dass  der  Text  von  A  selbst,  der  freilich  durch  die  doppelte 
üebersetzung  theilweise  ziemlich  unkenntlich  geworden  war,  der 
Correctur  zur  Grundlage  diente  2).     Folglich  muss  der  griechische 


rischen  Wörter,  die  wir  schon  oben  zq  Trall.  11   notirt  haben.     Bei  Sever. 

lauten   diese   Worte:     A*]öl.l^  ^AOQ.^   ÜIM.^  ^iö    was   Peterniann   falsch 

mit  „a  beata  divine"  übersetzt.  Vielmehr  a  passione  beatltudlnis  nostrae 
divinae.  —  Ebenso  rührt  in  demselben  Capitel  die  Üebersetzung?  mundi  für 
eiq  rovg  aicovag  von  einem  Schreibfehler  im  Syrischen  her,  s.  Peter  mann 
zur  Stelle.  Unter  den  übrigen  Varianten  besonders  Cap.  5.  yQäuuaja  wie 
es  scheint  für  na^rifiaxa.  Sonst  hauptsächlich  Aenderungen  in  der  Wort- 
stellung. 

2)  Es  sind  deren  überhaupt  nur  drei,  sämmtlich  im  Smy  rn  ä  erb  r  i  e  fe  : 
Cap  1.  in  immobili  fide  für  iminobili  fide.  Cap.  2.  eteniin  haec  omnia  passus 
est  propter  nos ,  ut  salvemur  für  haec  omnia  passus  est  ad  vivifieandum  nos. 
Cap.  6.  ,,et  de  agape  non  est  cura  iis",  wodurch  die  Textesworte  „et  non 
habent    curam   orborum   et  viduarum"   ergänzt   werden    sollen.     Sie   erklären 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     103 

Text,  aus  dem  erst  eine  syrische,  dann  unsre  armenische  üeber- 
setzung-  geflossen  ist,  ein  schon  ziemlich  später  und  se- 
cundärer,  wenn  auch  bei  Weitem  überwiegend  zu  A 
gehöriger  gewesen  sein.  Die  Mischung  der  Textfamilien 
muss  bereits  begonnen  haben  ^  der  in  den  gegenwärtigen  Codd. 
von  A  entstellte  und  verderbte  Text  einzelner  Stellen  muss  eben- 
falls schon  zur  Zeit  der  Uebersetzung  entstellt  und  verderbt  ge- 
wesen sein.  Daneben  hat  indessen  dieser  dem  Arm.  zu  Grunde 
liegende  Grieche  an  einzelnen  Stellen  eine  vorzügliche  Lesart 
aufbehalten,  lieber  das  Verhältniss  endlich  des  Armeniers  zu  der 
ihm  vorliegenden  syrischen  Uebersetzung  soll  weiter  unten  im 
Abschnitte  c.  die  Rede  sein,  wenn  wir  den  Armenier  mit  dem 
(kürzern)  Syrer  vergleichen. 

Wir  kommen  nun  zu  den  drei  Briefen  an  die  Epheser,  an 
Polykarp  und  an  die  Römer,  die  sich  auch  beim  kürzeren  Syrer 
finden.  Unserem  Plane  gemäss  behandeln  wir  aber  zunächst  die- 
jenigen Abschnitte  der  drei  Briefe  besonders,  die  der  Syrer  nicht 
kennt. 

Am  zahlreichsten  sind  die  beim  Syrer  fehlenden  Abschnitte 
im  E  p  h  es  er  brief  e.  Hier  finden  wir  bei  Vergleichung  des  ar- 
menischen Textes  mit  den  Familien  A  und  B  noch  ganz  dasselbe 
Y^erhältniss,  welches  sich  durch  Vergleichung  der  vier  Briefe  an 
die  Magnesier,  Trailer,  Philadelphener  und  Smyrnäer  herausge- 
stellt hat.     Arm.  geht  vorwiegend  mit  Familie  A. 

Wir  heben  hier  folgende  Variauten  heraus,  die  dem  Arm.  mit 
A  gegen  den  ursprünglichen  Text  von  B  gemeinsam  sind:  Cap.  2. 
Tov  avvdovXov  f.iov  für  jov  avvöov'Kov  rj^ixiv.  —  dq  Jif.u)i'  huwv  für 
eig  Ttiu]v  jr,g  ixxXrjaiug.  (Dagegen  mag  der  Zusatz  vfiMv  jov 
fiuy.rxoujüTuTOV  zu  tov  imaxonov  vvol  dem  Interpolator  angehö- 
ren.) (xul  Kgoxoq  öa  A;  Arm.  hier  xai  JMÜqxoq  ohne  de\  B  lässt 
xai  weg,  sonst  wie  A.)  unthxßov  für  untlußofitv  (doch  Lat.  B 
mit  A).  Cap.  3.  mq  ovvdidunxaXiTatg  fiov  für  w^  o/.iodor'koig, 
Cap.  4.  To  y«(>  u^tof/i/LiaoTov  vf.i(Jüv  ngtoßvitgiov  gegen  die  Weg- 
lassung des  {[.Kiiv  bei  B.  —  yJ^Qf^g  yiveoi^e  für  yogog  yhtad^e  ng.  — 
fv  troiTjTi  adrjTt  iv  (pwvfj  f^ua  für  Iv  ivorriTi  'ev  yivriO^e  rfj  nvfx- 
qwviu.  Einige  grössere  Varianten  in  demselben  Capitel  mögen 
wenigstens  nicbt  ausschliesslich  auf  Rechnung  des  Interpolators 
zu  setzen  s«in,  so  insbesondre  die  gänzliche  Wcglassung  der 
Worte  Vj«  vfiKov  xai  axnia?]  —  tov  viov  aiToi ,  wofür  B  jetzt 
ein  Johanneisches  Citat  hat.  Cap.  5.  wg  tj  exxlriOiu  ^Ir^Gov  Xgi^ 
GT(b  für  w^  7}  ixxX.  TW  xvgtO)^Ir]oov.  —  xfxl  wc  o  ^Itjaovg  XgioTog 
TU)  ntxTgt,   gegen  xul  (hg  6  xiQiog  tw  i^ew  xai  naigl  aviou  ^    wo 

sich  sämnitiich  daraus,  dass  spätere  Leser  oder  Editoren  den  griechischen  Text 
voo  A  vor  sich  hatten,  vgl.  I'eterniann,  de  versione  Armeniaca  p.  XXV: 
doch  w  ürde ,  seihst  wenn  noch  mehre  Aenderungen  als  wir  jetzt  nachw  eisen 
können,  stattgefunden  hätten,  an  eine  systeuiatische  Correctur  des  Arm. 
nicbt  zu  denken  sein. 


104     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

Diindcstens  die  Weglassuog  des  wg  schwerlich  Schuld  des  Inter- 
polators  war.  —  anovödaw/iiev  [ovv]  f,ir}  uvrirdnaend^ai  tm  (ntnxonM 
für  anovSanaxe  äyanj]Toi  vnoTayijvai  jm  Inioyjmut.  ovv  fehlt  auch 
bei  Arm.,  wie  bei  Anton.  Der  folg-ende  Zusatz  bei  A  mag  durch 
die  Interpolationen  bei  ß  verschlungen  sein.  Cap.  6.  uvxo^  f.iiv 
ovv  für  avTog  (.livTOi.  Cap  7.  ucoi^aai  ydg  jivtg  für  rivig  di 
(pavXoTUTOi  tlwd-aai  (könnte  vielleicht  vom  Interpolator  herrühren). 
dVkd  Tiva  für  aXXa  rivd  (hier  theilt  Arm.  einen  mutlimasslicben 
Fehler  von  A,  da  die  Lesart  von  B  unbedingt  vorzüglicher  ist). — 
ovTfxg  övadfganevTOVQ  für  uviura  yaQ  voooiunv,  Cap.  9.  ovq  ovx 
aldaaTE  für  oTg  ovx  f  Jwxare  nuQodov.  —  (OTi  ovv  xat  avvodoi  ndv- 
Ttgt  &(0(f6Q0i  htX,  für  /Liaxugtoi  ovv  laxe  vf.ifTg  ol  &(0(f6Qot,  wo 
nur  etwa  das  (.laxugioi  vom  Interpolator  herrühren  mag.  —  uyaX- 
Xtw(,iat  ort  7i'^i(x)driv  gegen  dya'kliwf.iivog  tj'^iwd^riVy  worin  hier  Lat. 
A  mit  B  stimmt.  Cap.  10.  dXV  iv  nuar]  dyveia  xul  oioggoavvr] 
fitvtJi  iv  XgiOKu  ^Jrjaovy  aagxixojg  xul  nrtvuuTixwg  wofür  B  nur 
bietet  vrjXpan ,  oMqgovrjaaTt  iv  Xgiarui  ^l7](T0v.  Cap.  11.  ttjv 
iveoTcooav  yugiv  für  t?]v  iveoiwoav  yugdv  (doch  Lat.  B  wieA). — 
Hg  %o  uXrjd^ivov  i^fjv  für  ttg  rb  dXrjdivwg  Cfjv,  —  dvaGTijvat  für 
TeXeiio&ijvat.  Cap.  12.  xuTuxgnog  für  iXdyia%ng. —  ndgodog  iore 
TMv  tig  &eov  dvaigov^iivcov  (Arm.  ad  vos  viatores  qui  propter 
Deum  [ötu  ^eov,  praep.  wie  B]  martyrium  subeunt)  für  nagaöo' 
&iig  ya  iyw,  dXXu  jiov  Std  Xqigtov  dvaigovfiiviov, —  u'^iof-iayMgi- 
üTOV  was  bei  B  ganz  fehlt.  —  oxuv  &eov  inav/co  für  otuv  ^Irioov 
XgtoTov  iniTv/o).  —  og  iv  ndrrtj  iniaioXi]  fÄV7]jnovivti  vf.iMv  iv  Xgt- 
GT(p  *Ii^aov  (Arm.  iara  in  omnibus  epistolis  meis  memoriam  fa- 
c  i  o  vestrum  in  Christo  Jesu)  für  og  ndvrore  iv  ratg  öttfüiaiv 
avTov  /nvr]/noviv£i  r^iwv,  Cap.  13.  (einige  Aenderungen  bei  B, 
wol  durch  den  Interpolator  veranlasst,  nur  etwa  uegtwv  für  inov- 
gaviwv  ursprünglich  gegen  A  und  Arm.).  Cap.  14.  Xav^dvei  für 
XrjObxai.  —  dgyrj  fxiv  nlorig  für  dgytj  Cwijg  niartg  {^(orjg  aus 
dem  Vorhergehenden  wiederholt).  —  af^iagidvit  und  fnati  für  ocfti' 
Xti  u[,iagrdvttv  und  /.itatTv  mit  dem  (secundären)  Zusätze  xbv  dötX- 
q)6v  (vielleicht  spätere,  dogmatisirende  Aenderung).  Cap.  15. 
xal  avTog  fj  iv  tj/luv  d-eog  r^ficov  A;  hier  hat  Arm.  das  bei  B  feh- 
lende ^f.iwvy  lässt  aber  das  von  A  und  B  festgehaltene  iv  tjiuTv 
weg.  Cap.  17.  int  rfjg  xtcpaXijg  uvrov  für  int  xacpuXijg.  —  na 
nviji  jfj  ixxXfjOia  dq}&ngaiav  für  "va  t]  ixxXrjota  nverj  riiv  dcp&ug- 
aiav, —  jLiT]  aXeicpead-efär  (Lirj  dXeKplGd^o),  —  tov  ag/ovrog  tov  ahovog 
tovTov  (ohne  roi  dg/.,  wie  immer  bei  B).  o  nino^(ftv  dXrid^wg 
0  xvgiog  A,  wofür  B  o  eiXrj(f>aiuev  dvorjxwg.  Arm.  quod  vere 
passus  est  (ninov&ev)  Christus  Deus  noster  setzt  den  Text  A 
voraus.  Cap.  18.  avvtjaiv  für  öwartov  (Lat.  B  lässt  das  ganze 
Wort  weg;  Arm.  umschreibt  die  Worte,  setzt  aber  avvtxwv  vor- 
aus). Cap.  19.  nüg  ovv  ig^aregwdt]  xoTg  auoaiv  für  7](,uv  di  i(pa- 
vegwd'rj.  —  vnig  ndvxag  Toi'f  doxtgag  für  vnig  ndvxag  xovg  ngo 
avTov.  —  VTtigßdXXwv  xo  qxJHg  «vtov  vnig  ndvxa  für  vnegßdXXtov 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     1 05 

aviu  Tu)  g)av(p.  —  yaivöiT]^  rj  avofxoiog  avToTg  für  rj  xatvoTf]^  7] 
(faivo/LtirT].  Doch  fügt  Arm.  zu  yMivoTtjg  ein  atrov.  Cap.  20. 
liat  Ann.  mit  A  den  ganzen  bei  B  fehlenden  ersten  Theil  des 
Capitels  iuv  fu  xrxTu'^iwoj]  —  ^Tj]aovv  Xoiaxbv  ^  desgleichen  die 
ebenfalls  bei  B  weggelassenen  Worte  fxuhaxa  lav  o  xigiog  luoi 
unoxaXvyjj]  mit  den  hierdurch  bedingten  Constructionsverschieden- 
heiten ;  desgleichen  den  Zusatz  ol  x«t*  urdga  (gegen  B  und  Gelas.) 
und  die  Varianten  avr^g/ta&i  für  awad^goiCtai^t.  —  dt;  lo  rrra- 
y.oveiv  Tj/iiäg  für  vnuxovovjeg.  Cap.  21.  uvTiU)vyov  v(.i(uv  lyu)  für  ti'riv 
Vfiwv  uvTi\\)v/ov. —  xai  ov  inif.i\fj(xTt  furx«/  wv  in/ftrpurt  (doch  Lat.ß 
wieA). —  jrjg  exxlt]fjiag  ohnel4vTto/Jo)v,  —  Ausserdem  vergleiche  man 
noch  Cap.  11.  den  Zusatz  bei  A  und  Arm.  Via  iLUf  7)^dv  etg  xgt^ia  yi- 
VT]Tui.  Derselbe  fehlt  bei  B,  und  an  seiner  Stelle  finden  sich  zwei 
verschiedene  Zusätze:  bei  Gr.  B  die  Worte  /tii]  jov  nloviov  rTJg 
XQtiaxoxriTog  uvtov  xul  Trjg  uvo/rjg  xaTU(f(jovTjacjüf.iev,  bei  Lat.  B: 
et  non  simus  divitiarum  aut  utilitatum  eorum  appetitores.  Cap.  15. 
sind  zunächst  die  Worte  flg  ovv  6  didaaxuXng  —  «§/«  jov  naigog 
toiiv  vom  Interpolator  erweitert;  dagegen  fehlt  der  nächste  Satz 
von  A  und  Arm.  o  Xoyov  ^Trjoov  xexTr]f^fvog  äXtj^aig  dtvaiai  xai 
%i]g  Tjovxiag  aviov  uxovfiv,  Via  tiXetog  j]  bei  B  ganz ,  und  dies 
dürfte  mit  grosserer  Sicherheit  als  eine  Auslassung  im  ursprüng- 
lichen Texte  zu  betrachten  sein.  Weiter  unten  fehlte  der  letzte 
Satz  des  Capitels  utkq  xul  l'axiv  xai  qavi^aiTai  ngo  ngoaconov 
Tji-iajry  ('§  wv  dixutwg  uya7n7}(A.tv  aviov ,  der  sich  ganz  bei  A  und 
bei  Arm.  von  i'^  wv  an  findet,  abermals  bei  B,  und  was  an  die- 
ser Stelle  steht,  ist  wol  eine  Erweiterung  des  vorhergehenden 
Satzes  (Xgtoxüg  iv  rj^iTv  hiXtiiw  w^  xai  fv  TlavXw  •  t6  nviv^iu  t6  ciyiov 
öidaaxhio  tj/iiug  tu  XgioTOv  (p&eyytfrd^ai,  nagunXT^aiwg  atTw),  die 
sich  vielleicht  vom  Interpolator  herschreibt,  aber  kein  Ersatz  für 
das  Ausgefallene.  Endlich  zum  Schlüsse  von  Cap.  19.  'Iva  tw 
nud^ti  To  vöwg  xad^agtat]  wie  A  und  (mit  einigen  kleinen  Abwei- 
chungen) Arm.  bietet,  ist  bei  B  durch  die  Worte  Vi«  ntaTonoirjOi]' 
Tut  TTjv  öiüTu^tv  TrjV  iy/tigtod^tiauv  tw  ngoffi^irj  ersetzt,  wo- 
bei es  wenigstens  sehr  zweifelhaft  bleiben  muss,  mit  welchem 
Rechte  man  diese  Aenderung  dem  spätem  Interpolator  zuschreiben 
möchte. 

Man  sieht,  dass  die  Uebereinstimmungen  des  Arm.  äusserst 
zahlreich  und  theilweise  von  sehr  tiefgreifender  Bedeutung  sind. 
Nun  wollen  wir  grade  hier  nicht  verkennen,  dass  einige  unter  den- 
selben in  Anspruch  genommen  werden  könnten,  weil  die  abwei- 
chende Lesart  bei  B  doch  nicht  nothwendig  auf  den  Urtext,  son- 
dern sehr  wohl  auch  auf  den  Interpolator  zurückzuführen  sei. 
Allein  bei  einem  so  schwierigen  Unternehmen  wie  diesem,  den 
nicht  mehr  vorhandenen  Urtext  von  B  von  den  spätem  Interpola- 
tionen abzusondern,  wird  man  nicht  überall  eine  unumstössliche 
Gewissheit  fordern  dürfen,  sondern  sich  mit  der  grösseren  Wahr- 
scheinlichkeit genügen  lassen,  die  wiederum  für  einzelne  vStellen 


106     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

oft  nur  aus  der  Gesamratanscliauung-  des  Ganzen  hervorgebn  kann. 
Auch  sind  wir  bei  der  Auswahl  der  oben  zusammengestellten  Va- 
rianten mit  der  möglichsten  Vorsicht  zu  Werke  gegangen,  und 
haben  alle  Stellen,  deren  Ursprung  vom  Interpolator  irgend  wahr- 
scheinlich schien,  bei  Seite  gelassen. 

Dagegen  ist  andrerseits  an  einer  verhältnissmässig  nicht  ge- 
ringen Anzahl  von  Stellen  auch  die  Uebereinstimmung  des 
Arm.  mit  dem  ursprünglichen  Texte  von  B  nicht  zu 
übersehn.  Cap.  2.  xai  ev  näotv  für  h  näoiv,  —  nQtnov  ovv 
v/iiäg  iOTi  für  nglnov  ovv  loTiv.  —  Cap.  3.  wg  töv  ri  für  w? 
wv  Ttg.  —  Stä  TU  ovojLia  für  iv  tm  ovo^iaii  (Arm.  lässt  mit  A 
avTov  weg,  bietet  aber  dafür  den  secundären  Zusatz  veritatis). 
Cap.  4.  od-fv  '/Ml  vfiTv  nQtnti  für  o9^i:V  nginEi  v(.dv.  —  avay.tygu' 
(.ilvovQ  (oder  eyxexgafievovg  bei  Arm.)  avTU}  für  eyyexQ.  ovicjg.  — 
Die  VVeglassung  des  ovv  mit  B,  aber  anovdaocof-uv  mit  A  (s. 
oben).  Cap.  6.  oom  wie  es  scheint  für  onoj/,  aber  y.ai  mit  A  statt 
ovv  von  B.  Cap.  8.  o\oi  yag  fore  &eov  für  oXoi  ovieg  ^eov. 
Cap.  9.  naQOÖevouvTag  rtväg  J*'  vjtnov  (Lat.  B  ex  vobis)  für 
nagod,  Tivo.g  ixtT&er.  —  ontTgat  mit  dem  Zusätze  tm  OCdvia^  aber 
auch  etg  v/näg  mit  A.  —  Ebendaselbst  für  den  Inf.  ovy/agr^vat  das 
Verbum  finitum,  obwol  B  xaigco  ovv  ecp^  v/iiTv  (Interpolator?),  Arm. 
ovyxnigo)  liest.  Cap.  11.  iv  rto  vvv  ßico  angeschlossen  an  das 
vorhergehende  cyan7]GCt)(iiev ,  für  Vv  riov  ovo  (mit  dem  Folgenden 
verbunden)  wie  A  hat.  —  Ebendaselbst  ovvrjoav  für  avvi]vinuv. 
Cap.  12.  v(,iHg  öe  (Lat.  B  enim)  TluvXov  av(.i(.ivoT(u  iazi  für  das 
einfache  TluvXov  Gv^ifivoTat.  Cap.  14.  yivwayerai  statt  (favigov,  — 
yvo)gil^oviai  für  6<f9^r,(JovT(xi.  —  Xgiarov  tlrai  für  Xgioxiavol  enat. 
Cap.  15.  fehlen  die  Worte  ontg  xul  l'nriv  yai  (favi](TeTni  ngo 
ngoaconov  tj^iwv  ,  dagegen  findet  sich  das  Folgende  f§  (ov  xiX. 
wieder  bei  Arm.  Cap.  16.  il  de  für  tl  ovv.  Cap.  17.  die  Weg- 
lassung des  navTig  bei  rfgovifioi  yivoiLitd^a.  Cap.  20.  iv  &iM 
diä  'Jr]aov  Xgimov  für  iv  ^Ttjctov   Xgiaup  diu  nuvjog 

Die  angeführte  Zahl  von  Varianten  ist  etwas  bedeutender  als 
in  den  vier  oben  behandelten  Briefen:  die  üebereinstimmungen  mit 
der  Familie  B  sind  zu  zahlreich  und  zu  erheblich,  als  dass  man 
sie  blos  aus  einer  unabhängigen  Aufbewahrung  des  richtigen  Tex- 
tes erklären  könnte,  zumal  bei  einer  Reihe  von  Stellen  allerdings 
sehr  zweifelhaft  bleiben  mag,  ob  wirklich  der  Text  von  Arm.  und 
B  der  vorzüglichere  sei.  Dagegen  verrathen  eine  Reihe  der  oben 
mit  aufgenommenen  Varianten  ganz  deutlich  einen  gemischten 
Text.  Wir  sind  nicht  gemeint,  alle  diese  Stellen  nochmals  zu- 
sammenzustellen, in  welchen  Arm.  theilweise  mit  A,  theilweise 
mit  B  geht.  Wir  erinnern  nur  an  Cap.  9,  wo  A  antigai  tig  v^og^ 
B  aneTgai  rd  l^iCuvta, ,  Arm.  antTgai  dg  v/liuc  tu  i^i^avia  liest, 
und  an  die  Weglassurig  der  Worte  Cap.  15.  onig  xui  taiiv  — - 
7ji,i(7)v,  welche  mit  B  stimmt,  während  gleich  das  folgende  i'^  wv 
xtX,  aus  A  gegen  B  herübergenommen  ist.    Man  vergleiche  ferner 


LipsiuSß  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignatios.     107 

Cap.  9.  Hier  lässt  Arm.  mit  A  (und  Antioch.)  nviVf.taT0(f>6Q0t,  mit 
E  /ot(7TO(fUQOt,  selbständig  von  beiden  noch  ausserdem  raocfoQoi  oder 
«y/o^o()Of  weg  (er  übersetzt  induistis  ...  sanctitatem  sive  sanctuarium 
eins).  Desgleichen  Cap.  2.  ov  l^ei^inXaQiov  h.  co  q  etf^inXugiov  B 
ov  wg  f'^ejunl.  Arm.  Ebenso  sind  zwei  Stellen  zu  betrachten,  in 
denen  Arm.  in  üebereinstimmung  nur  mit  Lat.  B  einen  secundä- 
ren  Text  bietet:  Cap.  4.  Gr.  A  liest  hier  /Qw/na  deov  XaßovTtg, 
Lat.  A  melos  Dei  accipientes.  Gr.  B  avvucpeiav  d-eov  Xaßovreg, 
und  ebenso  Lat.  B,  der  nur  noch  einschiebt  in  s  i  mi  1  i  tu  d  i  n  e  m 
morum  (coniunctionem  Dei  in  similitudinem  morum  accipien- 
tes). Diesen  secundären  Zusatz  setzt  Arm.  allein  im  Texte 
voraus,  und  liest  similitudinem  Dei.  Cap.  12:  hier  hat  A  eig 
&sbv,  Gr.  B  dta  Xqiotov^  Lat.  B  und  Arm.  ötu  ^eöv,  eine  ziem- 
lich deutlich  ihren  Ursprung  verrathende  Lesart.  Einen  nicht 
grade  aus  A  und  B  gemischten,  aber  trotzdem  offenbar  secun- 
dären Text  setzt  iVrm,  noch  an  einer  Reihe  von  andern  Stel- 
len voraus.  Cap.  3.  vnaXtKfd^ijvui  Gr.  A  vnoXtjcpO^^vui  Lat.  A 
vnof.ivf]ad^r]vai  B  accipere  Arm.,  offenbar  nur  erleichternde  und 
interpretirende  Wiedergebung.  Cap.  6.  liest  A  mit  Dam.  ßXtnei 
T/g,  und  weiter  unten  qoßtta&ü),  B  mit  Anton,  ßlinne  und  (fo- 
ßeiad-e,  Arm.  dafür  ßXinof.iev  und  opus  est  timere  eum  {qoßiTG^ui'i)^ 
eine  dritte  die  Abweichungen  nicht  erklärende  Variante.  Cap.  6. 
nXiov  el'nfQ  ^Trjoov  XgtaTov  A  ^  f.i6vov  ^IrjGov  Xqiotov  B  si  non 
—  de  Jesu  Christo  Arm.  (d  f-iri\),  Cap.  9.  ru  07itiQ6[.uva  vn' 
avTüJv  A  T?jv  V7i'  avTwv  xaj u'yyeXXof.ttvi]v  nXuvrjv  B  mala  verba 
eorum  Arm.  Cap.  11  liest  A:  t/  yug  rrjv  (.UXXovGav  ogyrjv  cpoßr,' 
d^W(.uv^  7]  TTjv  eveOKuauv  XUQtv  ayanijafofnv  '  fv  ralv  ovo'  fiovor 
Iv  Xqiotw  'Trjaov  evge&r^vui.  Gr.  B  stimmt  in  den  ersten  Worten 
überein,  liest  aber  dann:  rj  TrjV  tveaiwoav  yjtQu.v  ayanr^owi^ttv  iv 
T(pvrvßi(p'  ioTco  de  7}  lvtöX(7)aa  /aga  ym)  rj  aXrj^ivri  ^  to  (.lovov  Iv 
Xgioiio  It^oov  iVQed^rjvai.  Lat.  B  beinahe  ebenso,  nur  liest  er 
mit  A  xuQiv,  lässt  ev  rw  rvv  ßiM  und  yai  ^  aXr]^ivrj  weg.  Arm, 
geht  mit  B,  liest  aber  ebenfalls  ;f«p<v,  lässt  hemuioav  und  den 
ganzen  Zusatz  \gtw  öe  —  aXrjdtvi]  bei  Seite.  Letzteren  mag 
Arm.  weggelassen  haben ,  weil  er  in  A  (und  theilweise  bei 
Lat.  B)  fehlte;  weiter  las  Arm.  Iv  t(o  vvv  ßuo  mit  B  und 
glaubte  das  heGKoGu  entbehren  zu  können.  Lat.  B  hielt  evi- 
aiMoa  fest,  strich  aber  nun  fv  rot  vvv  ßtio.  Beide  bieten 
also  einen  secundären  Text.  Ebendaselbst  liest  A:  xwgig 
Totjov  (xriötv  vfÄiv  ngenhu)  i  B:  yj'Wh  tovtov  fi?jd^  uv  avu- 
nvevGui  non  i)riG^f^  Arm  :  ne  sit  vobis  aliud  quidquam  gratum 
praeter  hoc  (näher  an  A,  aber  erleichternd).  Cap.  13.  HQi,vr}g  bei 
A  und  Cod.  Baliol.  (und  mehren  Editoren  von  Lat.  B);  dafür  B: 
T^C  J^ttT«  Xqigtov  fiQi'jvrjg.  Arm. :  nimiwg  y.a)  tiQt'ivrjg,  Ganz  se- 
eundär  ist  Arm.  auch  Cap  16.  Hier  liest  A  o  joiorjog  Qvna- 
Qog  yevo/Atvog,  B  umschreibend  ov  ttjv  dtdaaxuXi'av  o  u&eTi]aag 
Xtnavd^ug  xai  nrxxw&eic,  Arm.  gar  blos    qui    haec    negat.     Hierzu 


108     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios. 

noch  einigte  ÄenderuDgen  in  christologischen  Stellen:  Cap.4. 
ötu  ^JfjGov  Xqiotov  Th)  TKXTQi  A  T(b  d^eco  TTUTgl  xul  To5  riyunfj- 
f.iivM  vhü  aiiiov  ^If](TOv  Xqioicu  B  TW  nargi  rov  xvqiov  7}f.i(7)V 
^Tj](tov  Xqiöiov  Arm.  Cap.  17.  in  der  schon  oben  berührten  Stelle 
o  niTiG/Lirfav  alrjd^Mg  b  xvgiog  A  o  elXrjrfaf.itv  B  quod  vere  pas- 
sus  Christus  Dens  noster  Ann.  Cap.  21.  x(xi  iv  ^Jr^oov  Xgi^ 
CTU)  A.  xai  xvQinv  'Ttjoov  Xqiotov  B.  tov  xvqiov  ^Jriaov  Xqigtov 
Arm.   finehr  mit  B). 

Das  Resultat  bleibt  also  abermals  dieses,  dass  Arm.  zwar 
bei  Weitem  überwiegend  mit  A,  aber  doch  auch  zuweilen  mit  B 
geht,  und  in  letzteren  Fällen  nicht  immer  den  ursprünglichen 
Text  herstellt;  vielmehr  verräth  er  mehrfach  eine  bereits  einge- 
tretene Mischung  der  Lesarten  von  A  und  B,  öfter  noch  über- 
haupt einen  secundären  Text. 

Eine  recht  instructive  Stelle  ist  auch  Eph.  7  dg  largog  xtA., 
wo  B  durch  den  Interpolator  ganz  entstellt  ist.  Hier  geht  Arm. 
gegen  den  jetzigen  Text  von  A  mit  den  patristischen  Citaten  (s. 
oben  bei  Theodoret),  verräth*  aber  durch  seine  Aende- 
rungen  den  secundärsten  und  spätesten  Text  von 
allen.  Er  schiebt  nämlich  nach  iv  av&gc6n(b  d-eog  (deus  et  filius 
hominis)  die  Worte  ein:  unicus  qui  unitus  est  supra  verba  facto- 
rum,  und  liest  statt  uQojxov  nai^fjTog  y.al  TOTt  UTiud-r,g  vielmehr 
qui  passus  est  pro  nobis.  Hierzu  kommen  noch  eine  Reihe  von 
eigenthümlichen  Auslassungen,  die  wol  kaum  ursprünglich  sein 
dürften,  z.  B.  Cap.  7.  ovg  öh  v(.iug  ^vXdnotaO^ai  (gegen  A  und 
B*.  Cap.  11.  fehlt  Xoinov  (gegen  A  und  B),  ebendaselbst  iv  (oder 
h'})  xXrjQCp  ebenfalls   gegen  A  und  B). 

Dagegen  finden  sich  allerdings  auch  Spuren  des  ursprüng- 
lichen Textes  bei  Arm.  gegen  alle  oder  doch  gegen  die  mei- 
sten Auctoritäten.  Insbesondre  ist  dies  der  Fall  Cap.  9.  Hier 
liest  A  OTi  xctr'  oiXXov  ßi'ov  ovöiv  ayanuTe  el  /ui]  f.i6vov  rov 
^eov.  Dafür  liest  Gr.  B  oti  /urj  TrJ  juaiai'Ti^Ti  TrgofTf/jTf 
ovöi  xaru  odgxa  uyanärf,  uXXd  xaju  &e6v ,  hat.  B  aber  und 
Cod.  Aug.:  — ol'di  tu  xaxä  ndgxu  äyanaxt,  aXXd  rd  xaxd  dtov. 
Natürlich  kommt  hier  der  Zusatz  von  B  oxi  (.irj  rf]  (.tax.  ng.  als 
späteres  Einschiebsel  nicht  in  Betracht;  wichtiger  aber  sind  die 
andern  Varianten.  Vergleichen  wir  nämlich  den  Arm.,  so  finden 
wir  folgende  Lesart:  quoniam  alium  quemdam  non  diligitis,  nisi 
(sed)  eum,  qui  secundum  Deum  vivit,  d.  i.  öxi  aXXov  ovötva  ayU' 
Tiäxe  uXXd  (oder  et  jurj)  xbv  xaxd  &aüv.  Dies  passt  vortrefflich 
zu  dem  Vorhergehenden,  worin  die  Epheser  gelobt  werden,  dass 
sie  den  reinen  christlichen  Glauben  und  die  rechte  christliche  Ge- 
sinnung behauptet  haben,  und  bildet  auch  einen  passenderen  üeber- 
gang  zu  den  folgenden  Worten,  die  nach  dem  hergebrachten  Texte 
lauten  :  xal  vnig  xcäv  aXXwv  öi  dvd^gMnwv  dStaXtinxwg  ngoaiv/j- 
ad'B  xxX.  Auch  ist  ersichtlich,  wie  die  Lesarten  von  A  und  B 
entstanden  sind.  Das  xov  xaxd  d-tov  stand  ursprünglich  im  Texte: 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     109 

A  liess  xaru  weg  und  trug  es  ins  Vorhergehende,  wo  nun  eine 
Aenderung  nothwendig  wurde.  Er  schrieb  darum  statt  uXXov  viel- 
mehr y.uT*  uXXov  ßiovy  und  machte  aus  oiölva  oidtv,  was  um  so 
leichter  war,  da  das  a  von  dem  folgenden  uyanuie  verschlungen 
sein  konnte.  B  bildete  sich  einen  Gegensatz  zu  y.uiä  dtovy  der 
sehr  einfach  xutu  oÜqxu  lautete  (den  Zusatz  von  A  kannte  er  na- 
türlich nicht)  behielt  aber  xuiä  auch  unten  bei;  wegen  des  Arti- 
kels schwankte  die  f^esart  von  B  zwischen  dem  hergestellten 
Neutrum  und  zwischen  gänzlicher  Weglassung.  Zum  Sciilusse 
ferner  des  ganzen  Briefes  mag  wol  der  Zusatz  von  Arm.  tj  yd- 
Qig  vf.uv.  uim^v  ebenfalls  richtig  sein,  wie  ihn  denn  auch  Gr.  B  in 
etwas  veränderter  Fassung  hat  u/liijv.  rj  yu^iq.  Aehnliche  Zusätze 
finden  sich  übrigens  auch  zum  Schlüsse  der  andern  Briefe  (Magn. 
Iqqcüo&s  adeXqoi.  u(.ir^v.  Trall.  gratia  vobiscum  omnibus.  Amen, 
Philad.  wie  Eph.     Smyrn.  wie  Magn.   u.   s.  f.). 

Anderwärts  bietet  Arm.  mit  Lat.  A  einen  relativ  bessern 
Text.  So  lässt  er  mit  Lat.  A  die  überflüssigen  Worte  von  Gr. 
A  und  B  TW  avTM  vo'i  xai  jfj  avrfj  Yvw/ntj  xai  t6  uvto  XeyrjTt  nav' 
TiQ  TiiQi  Toü  avTov  Weg,  uud  liest  gleich  darauf  richtig  t;noT«ffffo- 
f.tevoi  für  iniTaoaofievoi  (Cod.  Med.}.  Cap.  4.  xal  iniytvcoax?]  für 
xul  iniyivwaxwv  und  Cap.  14.  das  schwerere  d-tog  iori  (auch 
Dam.  so)  für  &eov  iaii  (Cod  Med.)  oder  für  das  secundäre  &eov 
uv&QCjt)Tiov  enatXfi  bei  B. 

Sehr  unbedeutend  ist  die  Ausbeute,  die  die  Verglcichung  des 
Arm.  in  den  bei  Syr.  grösstentheils  fehlenden  Capiteln  7  und  8  des 
Briefes  an  Polykarp   bietet. 

Hier  hat.  Arm.  mit  A  gegen  B  folgende  Varianten:  Cap.  7. 
ytiQOTOVTJGui  Tivu  üv  für  ytiQ,  h  jiva,  Cap.  8.  to  avjo  für  toi^to 
der  Zusatz  aiwruo  i'oyio  der  bei  B  fehlt;  endlich  diaf.tiii7]Te  für 
di(A[.ulvuTt  (Schreibfehler  bei  B?).  Varianten,  die  Arm.  mit  allen 
Zeugen  von  B  gegen  A  hätte,  finden  sich  gar  nicht:  und  nur 
an  einer  Stelle  bietet  Arm.  einen  aus  einigen  Codd.  von  B  wie 
es  scheint  entlehnten  Text :  für  Iniaxonfj  von  A  und  Codd.  Nydpr. 
FOV  liest  er  nämlich  iniaxonov  in  üebereinstimmung  mit  Codd.  B. 
Aug.  Leicestr.  In  der  Schlussformel  ferner  liest  A  Iggtoa^t  iv 
xvQiM,  während  die  Codd.  von  B  sehr  durch  einander  gehn.  Nydpr.; 
^  yjJ^Qig  f^iiO'  rjf.i(ür.  u/Li^v,  Aug.  m^jJx'.  ^  yotgig.  l'ggcDod^e  iv  xvqim, 
Florent. :  ufirjv,  tj  /upig,  lacog'  tov  &iov  tit]  (nf:^  vf^aiv  *).  Arm. 
stimmt  hier  allerdings  fast  buchstäblich  mit  Nydpr.  ^  y/^^gig  /miu 
nuvTMV  vfiwv.  uf.ir}i>,  bietet  aber  nur  denselben  Text  wie  am  Schlüsse 
von  Trall.  Rom.  Smyrn.  (Eph.  Philad.),  auch  unabhängig  von  B.  — 
Unter  den  übrigen  Varianten  bewähren  zwei  die  auch  sonst  be- 
zeugte üebereinstimmung  mit  Lat.  A:  Cap.  7.  (loi/iiov  für  avvio- 
fxov  oder  avviovov  (gegen  alle)  und  vorher  mit    Cod.  Caj.    und  B 

1)  Dieselben  Worte  merkt  D  res  sei  zu  dem  Cod.  Ottob.  an.     Sollte  die- 
ser wol  mit  dem  früher  verglichenen  Cod.  Florent.  identisch  sein? 


110     Lipsius  p  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios. 

(ausser  dem  Cod.  B)  ahrjüei  wol  richtig  für  uvaaiaoei  (Codd. 
Med.  Cas.  Mont.   und   Cod.  B). 

Eig-entliümlicli  hat  Arm.:  Cap.  7.  die  Uebersetzung-  quomodo 
et  scripserunt  ad  me  für  w^  iörfhhd^r]  (.loi  (erleichternd),  beate  für 
d^tof-KitnaQiaTOTaTey  et  credo  gratiae  Dei  für  nioTevü)  yuQ  zfj  yd- 
gixi  (interpretirender  Zusatz) ,  in  omnibus  —  literis  für  öi" 
oUyMV  —  yga^i^dzcov.  Ausserdem  fehlt  der  Satz  iavusQ  öiu  tov 
na&Hv  d-eov  Inixvio)  und  für  tovtov  xaja^KZoui,  ^iva  nogevO^ttQ  dg 
2vQtav  do'^doTj  v(.iwv  ttjV  äoxvov  uyunriv  dq  doE,av  &iov  lesen  wir  nur 
et  mittere  in  Syriam  ut  glorificent  amorem  vestrum ,  eine  Ueber- 
setzung die  theilweise  ihre  Erklärung  darin  findet,  dass  Arm.  das 
vorhergehende  uv  in  seinem  syrischen  Texte  mit  Ribbui  las ,  und 
demgemäss  auch  hier  den  Plural  herstellen  musste.  Die  übrigen 
Abweichungen  dieser  Stelle  sind  theils  ungenaue  Uebersetzung 
(das  mittere)  theils  einfache  Weglassungen  (aoxvov  und  dg  do^av 
d^tov).  Cap.  8  fehlt  w?  to  d^tXrjf^ia  n^OGiaTTei  und  mit  ygaipiig 
beginnt  ein  neuer  Satz.  Die  Worte  ol  ^tv  övvu^itvoi  ntl^ovg  nein- 
\j.iut,  ol  ds  fniGToXug  did  zwv  vno  oov  7i€f,inof.ieviov  werden  ganz 
ungenau  durch  „et  raittant  viros  qui  potentes  sunt  cum  epistolis 
vestris"  wiedergegeben ;  für  cog  u^iog  wv  wird  corrigirt  aE,iot  omeg, 
eine  vermeintliche  Verbesserung,  die  sich  auch  am  Rande  des  Cod. 
0  vorfindet,  und  von  D res  sei  in  den  Text  von  B  aufgenommen 
worden  ist. 

Sonach  dient  auch  das  Wenige  was  wir  vom  Briefe  an  Po- 
lykarp  beibringen  können  ,  ganz  dazu,  unsere  über  den  Text  des 
Armeniers  bisher  gewonnenen  Resultate  aufs  Neue  zu  bestätigen. 

Zuletzt  haben  wir  es  noch  mit  dem  Römerbrief  zu  thun, 
so  weit  nämlich  Abschnitte  desselben  beim  Syrer  fehlen. 

Arm.  geht  hier  mit  A  (d.h.  Lat.  A  und  wenn  nichts  Be- 
sondres angemerkt  ist,  auch  mit  Cod.  Colb.  und  Met.):  Ins  er.  tov 
l^LOvov  vlov  aiTOv  (ebenso  Syr.  2)  gegen  tov  (.iovoytvovg  vlov 
avTOv  B  Arm.  2.  tov  &tov  rjf.iMv  (auch  Arm.  2)  gBgen  tov  &iov 
y.al  0(jt)T?]Oog  rjjitwv.  Cap.  6.  in  dem  Zusätze  ^xf^or  deXw  tovÖi^  rj^mg 
IvaoTuvTUf  wofür  B  nur  xui  uvaorüvTa  hat,  angeschlossen  an  das 
Vorhergehende,  Met.  aber  alles  weglässt. —  ilitj  ffj,noöi07]Ti  fioi  Crjaai 
vielleicht  mit  A  und  Arm.  2  gegen  Gr.  B  (litj  ff^7iodiat]Tt  f.ioi  dg 
^w^v  cpd^uaui,  wenn  nicht  etwa  die  freilich  ungriechische  Lesart  von 
Lat.  B  f.irj  tiLinodiOfjTS  fioi  dg  ^wtJv  die  ursprüngliche  sein  sollte: 
wenigstens  lesen  Arm.  1  Syr.  fr.  II  (p.  201)  Timoth.  ne  expellite 
nie  e  vita,  was  ebensowol  auf  die  Lesart  von  A  als  auf  die  von 
Lat.  B  zurückweisen  kann.  —  nd&ovg  tov  d^tov  fxov  mit  allen 
Auctoritäten  gegen  Gr.  B  (und  Lat.  B  Cod.  Pal.  und  Reg.), 
Xqiotov  tov  &£ov  (äov.  Met.  liest  blos  Xgiatov.  In  demselben 
Cap.  noch  mit  Lat.  A  Timoth.  Arm.  2  Syr.  fr.  II  die  Weglassung 
des  Citats  it  yuiQ  (LcpeltTiui  uv&gwnog  xtX.  ,  und  der  Zusatz  ne- 
que  per  materiam  seducatis.    Cap.  7.  intd^vf^eiTt  für  ngoTiftuTS. — 


i 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     1 1 1 

TTilad^rjri  f.ioi  für  nila&riTe  (Lat.  A  ntoiivoaxe),  Cap.  8.  kommen 
die  Erweiterungen  der  Worte  niOTeioixje  fiot,  'IrjGOvg  de  XQiaiog 
bei  B  zumeist  auf  Rechnung  des  Ergänzers;  dagegen  ist  für  die 
Weglassung  des  folgenden  to  diinvöeg  oiofia ,  iv  co  b  nuirjQ  tXu- 
Xrjotv  dXrjitcog  bei  B  kein  Grund  vorhanden,  sie  dem  Interpolator 
zuzuschieben.  —  ahrjfruie  ne^l  ifiou  statt  xui  vfitig  ovvev^aa&a 
lÄOi.  —  ^Iva  IniTv/M  für  Vv«  tov  oy.onov  tv/cü.  —  Tid-eXi^auTe 
für  TjyanrjGarf.  Cap.  9.  sind  die  Aenderungen  bei  B  tm  xvgia) 
für  TW  d-ew,  die  Einschiebung  des  xai  vor  f.i6vog  und  die  Weglassung 
\on^lr]Govg  XQiaiüc  vor  (ntaxoninjei  sämmtlich  durch  das  eingescho- 
bene johanneische  Citat  veranlasst, Job.  10,11  welches  Worte  Chri- 
sti enthielt.  —  Dagegen  kann  der  auch  bei  Arm.  fehlende  Zusatz 
vor  dyuTiT],  nach  Gr.  B  ug  uvtov,  nach  Lat.  ß  eig  «irrjv  wol  eher 
als  eine  Differenz  des  ursprünglichen  Textes  betrachtet  werden. 
Cap.  10.  negl  rcot^  nQoeXd^ovzcov  iLie  wie  es  scheint  mit  Gr.  A, 
gegen  negl  rcov  nQootX&ovTOJv  oder  tüjv  avvtX&ovTwv  fxoi  der 
übrigen   Handschriften. 

Wir  vergleichen  nun  die  Uebereinstimmungen  von  Arm.  mit 
B  gegen  A.  Inscr.  f]yiaGf.iiV7]  für  rjyanri(j.hri  (A  Met.  Syr,  2 
Arm.  2  und  auf  einer  Randglosse  des  Cod.  V). —  yiaxu  niGiiv  y.al 
dyuntjv  (auch  Arm.  2)  für  xai^  dyäntjv  (A  Syr.  2).  Cap.  8  für 
^TrjGovg  de  XQiGiog  bietet  Arm.  Jesus  Christus  idem  ipse,  und 
verräth  dadurch  die  Ursprünglichkeit  einer  V^ariante  bei  B,  die 
sonst  Jederman  dem  Interpolator  zugeschrieben  hätte,  nämlich 
des  avTog  de.  Ebenso  kennt  Arm.  den  Zusatz  von  B  iv  nvev(.iaTi 
ayiü)  hinter  enixvyw. 

Einen  relativ  reineren  Text  scheint  Arm.  Cap.  8  be- 
wahrt zu  haben,  wo  er  den  Zusatz  von  A  und  Met.  ^elr^nare  de, 
^iva  xui  vf.ieTg  &elt]d^^Te  ebensowenig  kennt  als  das  paulinische 
Citat  von  B  XgiGTCy  GvveGTuvQco/iiai'  ^co  de  ovx  eii  eyM,  entidi^neg 
tfj  ev  e/uoi  6  XQiGTug.  Wir  haben  wol  gegen  beide  Zusätze  zu  ent- 
scheiden, trotzdem  dass  ersterer  auch  bei  dem  zusatzfreiern  Lat.  A 
und   einem  Manuscript  von  Gr.  ß.  Cod.  0  (am  Rande)   sich  findet. 

Dagegen  hat  der  Text  von  Arm.  auch  eine  Menge  von 
kleineren  Auslassungen,  welche  nur  in  den  seltensten  Fäl- 
len zu  Gunsten  des  Arm.  zu  entscheiden  sind.  Inscr.  ev  ovofiaii 
'TriGov  Xqigtov  vloi)  nargög,  —  TKwri  vor  ivvoXfj,  —  udiuy.oiTwg.  — 
der  Beisatz  tw  &e(Z  r^/iKov  zu  ev'Ti]Gov  XgioKp.  Cap.  2.  das  dgeoai 
hinter  uXXu  ^ecp,  dies  mit  Cod.  Caj.  und  Lat.  ß.  Cap.  6.  tov 
uiMvog  in  ul  ßuGiXeiai  tov  utcovog  tovtov.  —  Cap.  7.  eig  ^eöv  (.lov,  — 
in  /.itjde'ig  ovv  tmv  naoovTwv  alles  bis  /m^deig  (ebenso  Arm,  2). 
Cap.  9.  xul  eyTQ(x)f.ia.  —  Cap.  10.  weicht  Arm.  sehr  stark  von  A 
und  B  ab,  und  bietet  theilvveise  einen  kürzeren,  theilweise  einen 
sehr  veränderten  Text.  So  übersetzt  er  die  Worte  eativ  de  xal 
af.ia  i(AOi  avv  akXoig  noXXoTg  Kgoxog  to  noS^rßov  (.lov  ovo/iia  sunt 
mecum  et  alii  multi  fratres  dilecti.  Dann  lässt  er  die  Worte  ni- 
GTevix)  vf.iüg  eneyvwxivaiy  oig  xai  dTjXwaave  eyyvg  fie  ovzu,    ndvTeg 


112     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios» 

yuo  tiaiv  a^ioi  rov  ^tov  y.ai  v(.uüv  weg,  und  liest  dann  auch  die 
folgenden  Worte  ovg  ngtnov  —  dvanavaai  wie  es  scheint  eben- 
falls nicht  in  der  sonst  überlieferten  Gestalt  (vgl.  Petermann 
zur  Stelle). 

Varianten  des  Armeniers  andrer  Art  sind  Inscr.  nurgog  vxpi- 
OTOV  Tov  xvQiov  Tj/üCüv  ^Irjöoxj  Xqiotov  für  n,  v.  y.al  *T.  Xq.  (A). 
Cap.  6.  thesaurus  für  t«  rsQnvd  oder  t«  ntQuiu,  der  Zusatz  nav- 
Twv  zu  TU)V  neguTCüv  (mit  Fr.  llj;  für  jui)  xagioriüd^e  oder  f.ir.  /m- 
giorja&e  (Lat.  A),  ne  honorate  sie  (mit  Fr.  11} ;  die  Uebersetzung 
des :  neque  per  materiam  seducatis,  durch  :  et  ne  aemulatorem  facite 
visibilium  (mit  Fr.  II);  für  tivd^Qwnog  d^tov  oder  einfach  uvd^gconog 
(Lat.  A],  horao  perfectus  (mit  Fr.  [II]  p.  296).  Cap.  8.  xai« 
Yvw(Äi]v  d^iov  durch  secundum  spiritum  et  voluntatera.  Die- 
selben sind  wenigstens  zum  Theil  secundärer  Art;  über  einige 
wirklich  ursprüngliche  wird  später  noch  ausführlicher  die  Rede  sein. 

Innerhalb  des  Textes  A  endlich  stimmt  Arm.  zwar  wol  mei- 
stens mit  den  reineren  lateinischen  Codd.  Cap.  6.  xuXov  für 
fxäXXov. —  Die  Weglassung  des  riyug  (vifeXiiTui  —  fyi(xiM&fj.  Ebdas. 
der  (freilich  abweichend  ausgedrückte)  Zusatz  neque  per  materiam 
seducatis.  Aber  auch  mit  Cod.  Colb.  stimmt  Cap.  10.  der  ganz 
secundäre  Zusatz  Tovreaitv  Avyovoxov  elxädi  TgiTrj ,  den  aus*, 
serdem  nur  noch  Arm.  2  kennt. 

Das  Resultat  bleibt  also  wiederum  dieses :  wir  haben  Arm. 
auch  in  den  besprochenen  Stellen  des  Römerbriefes  zur  Familie 
zu  stellen,  und  zwar  liegt  der  bessere  Text  der  lateinischen  Coddi 
ursprünglich  zu  Grunde.  Dennoch  ist  bereits  eine  Mischun 
der  Texte  eingetreten,  und  Arm.  kennt  schon  spätere  EinschiebselJ 
theils  von  Colb.,  theils  von  B  (natürlich  aber  nicht  von  dem  In- 
terpolator),  während  er  andre  Einschiebsel  bei  A  und  B  hinwies 
derum  nicht  kennt.  Eine  Reihe  von  den  Abweichungen  des  Arm« 
sind  theils  durch  Syr.  2,  theils  durch  Arm.  2,  theils  durch  dii 
syrischen  Fragmente  bestätigt;  andre,  besonders  eine  Menge  kür«* 
zerer  Weglassungen,  stehn  vereinzelt. 


Ehe  wir  nun  zur  genaueren  Betrachtung  und  Vergleichunj 
des  syrischen  Textes  übergehn,  müssen  wir  noch  mit  wenigei 
Worten  das  Verhältniss  des  ersten  Armeniers  zu 
zweiten  erörtern. 

Hierbei  ist  zuvörderst  festzuhalten,  was  schon  früher  bemerki 
wurde,  dass  der  zweite  Armenier  nicht  aus  dem  Syrischen,  son-| 
dern  unmittelbar  aus  dem  Griechischen  übersetzt  hat;  und  dasi 
der  von  ihm  benutzte  Text  zur  Familie  A  gehört.  Speciell  füi 
das  Verhältniss  zum  ersten  Armenier  aber  ist  zu  bemerken,  dass 
Arm.  2  an  einer  Reihe  von  Stellen  den  Text  von  A  auch  da  bietet, 
wo  Arm.  1  davon  abweicht.  Rom.  inscr.  riyanr](xlvriv  für  Tjyia- 
o/ii(Vf]v,  Cap.  2.  f|w  xuiQov  roioviov  und  i/,tTi  iniygacprjvai  (gegen 
die  Varianten  von  Arm.  1  mit  Syr.).     tm  nargl  iv  Xqiotm  'If]aov 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios,     113 

—  evQB^yvcxi, —  %a  tig  avibv  uvaniXco  (ohne  Iv  ^wfj).  Cap.  3.  der 
Zusatz  iyw  öe  d^iXo)  —  ivTtXXea&e,  der  bei  Arm,  1  und  Syr.  fehlt.  — 
iuv  yuQ  iVQtd-w  und  ov  ndO/^iovfjg  ro  l'^yor,  a\)M  fityt&ovg  touv 
6  X^iariaviafiog  (gegen  den  abweichenden  Text  von  Arm.  1). 
Cap.  4.  Vva  /m]  xotf.iri&iig  ßuQvg  Tiri  ylvMf-iai  (bei  Arm.  1  ganz 
fehlend).  —  tv  uvtco  nach  uvaaTr^oof-iati  was  bei  Arm.  1  und  Lat.  A 
fehlt.  Cap.  5.  d-rjQio^axM  (wörtlich  übersetzt).  —  deöe/^ihog  für  tv- 
didifiivog,  —  iv  öi  ToTg  udixrjjnuaiv  amwv  (Arm.  1  sed  et  per  hoc).  — 
ovaißTivvfÖTiWch  übersetzt.  —  Nach  (xrj  ö^eXrjorj  lässt  erappropinquare 
mihi  (Syr.  Arm.  1)  weg.  Cap.  6.  rä  m^ata  (Arm.  1  thesaurus).  —  o 
di  ToxfTo^für  dolores  mortis.  —  Gvyyvwxl  fxoi  (wörtlich  übersetzt). — 
el'  rig  avTov  iv  iavito  t/ai  —  tm  ovvi/ovru  fie  übereinstimmend  mit 
A  gegen  den  hier  sehr  abweichenden  Arm.  1.  Cap.  7.  der  Zusatz 
ifg  d-eov,  der  bei  Arm.  1  fehlt.  —  ^i^  XaXeiit  —  inid^vf^teTie  wörtlich 
übersetzt. —  ov/  r^dofA.ai  TQO(f>fj  cp&OQug  gegen  eine  missverständ- 
liche üebersetzung  bei  Arm.  1.  Cap.  8.  der  Zusatz  von  A  &eli^- 
ofxTB  di  —  ^£X7]&7JTe  (bei  Arm.  1  fehlend).  Cap.  9.  wi/  io/uiog 
aviüjv  '/Ml  exTQco^a  gegen  die  Abweichungen  von  Arm.  1.  —  t/J 
yMrd  aagxa  (abweichend  bei  Arm.  1).  Cap.  10.  stimmt  er  eben- 
falls  mit  A  gegen  die  Auslassungen  von  Arm.   1. 

Allein  an  andern  Stellen  sind  die  Uebereinstimmungen  mit 
Arm.  1  wieder  so  auffallend,  dass  wol  eine  Benutzung  dieser 
üebersetzung,  wo  nicht  durch  den  zweiten  Armenier  selbst,  so 
doch  durch  einen  späteren  Redactor  dieses  Textes  angenommen 
werden  muss.  So  insbes.  Cap.  7.  in  den  Worten  /uriöelg  ovv  ruiv 
nuQovTwv  vf,iwv  ßofj&eiTW  uvto)  '  fÄuXXov  {(.lov  yivead-a ,  rovTtaziv 
Tov  d^eov.  Hier  übersetzt  Arm.  1:  ne  quis  e  vobis  auxilietur  ei, 
sed  potius  ad  meum  latus  estote,  hoc  est  Dei;  und  Arm.  2:  Jta- 
que  ne  quis  e  vobis  auxilietur  ei,  sed  potius  ad  meum  latus  estote, 
hoc  est  ad  Dei.  Ebenso  Cap.  8.  di^  üXtywv  yQUf.if.iuTa)v  ctiTorf.iat 
vf,iug  was  beide  übereinstimmend  durch  :  quod  per  paucas  literas 
(characteres)  peto  a  vobis  wiedergeben ;  und  in  demselben  Cap. 
die  Worte  uXXd  y.uTa  yvcofitjv  &tov  durch  „sed  secundum  spiritum 
et  voluntatem  Dei. "  Cap.  9.  die  üebersetzung  des  xai  ?;  dydnrj 
TMv  exxXrjGKxiv  bei  Arm.  2  durch  „et  amor  omnium  ecclesia- 
rum",  was  nur  durch  den  Einfluss  des  Textes  von  Arm.  1  „et 
omnes  ecclesiae"  erklärlich  wird.  Diese  Spuren  einer  üeberar- 
beitung  des  zweiten  Armeniers  nach  dem  Texte  des  ersten  stehen 
im  Zusammenhang  mit  denen,  die  wir  schon  oben,  wo  wir  von 
Arm.  2  besonders  handelten,  besprochen  haben,  insbesondre  mit 
der  Beschaffenheit  der  Glosscme,  die  der  letztere  enthält.  Wir 
liaben  indessen  nicht  nötbig,  diese  Erscheinung  weiter  zu  verfol- 
gen, da  sie  für  unsern  Hauptzweck  nur  von  untergeordneter  Be- 
deutung ist.  Nur  das  muss  einschränkungsweise  hinzugefügt  wer- 
den, dass  nicht  alle  Spuren  späterer  üebcrarbeitung  auf  den  er- 
sten Armenier  als  Quelle  zurückführen,  wie  denn  namentlich  das 
Glossem  y.ai  divvaog  ^cot},  welches  in  Uebereinstimmung  mit  Cod.  Colb. 

Abhandl.  d.  D.MG.  I,  5.  8 


114     Lipsius,  üher  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignaiios. 

Met.  B  den  Schlussworten  Cap.  7.  dyarnj  aq)^aQTO(;  angefügt  ist, 
ebenso  wie  Cap.  8.  der  bei  Arm.  2  als  Glossem  sich  findende  Zu- 
satz tov  Gy.onoi)  zu  tVa  tniTv/^u) ,  nicht  aus  dem  ersten  Armenier 
geflossen  sein  kann. 

Mit  dem  Bisherigen  können  wir  die  Untersuchung  über  den 
armenischen  Text  in  den  Briefen  und  Briefabschnitten,  die  beim 
Syrer  fehlen,  als  geschlossen  ansehn.  Wir  müssen  jetzt  zum  sy- 
rischen Texte  selbst  uns  wenden  und  zu  ergründen  suchen,  ob 
auch  hier  ganz  dasselbe  \  erhältniss  zu  den  Familien  A  und  B 
vorliegt,  welches  wir  beim  Armenier  da,  wo  derselbe  Stellen  und 
ganze  Briefe    bot,  die  beim  Syrer  fehlen,  gefunden   haben. 


c)  Von  dem  Verhältnisse  des  kürzeren  syrisclien 
Textes  theils  zu  den  übrigen  Textgestalten  über- 
haupt,   theils    speciell    zu     der    weiteren    syrischen 

Recension. 

Die  ganze  bisherige  Untersuchung  hat  lediglich  das  Verhält- 
niss  der  vorhandenen  Documente,  und  der  armenischen  Recension 
insbesondre,  zu  den  verschiedenen  Textfamilien  im  Auge  gehabt. 
Es  gilt  nun,  die  Anwendung  auch  auf  den  Cureton'schen  Syrer 
zu  machen,  und  zuzusebn,  wie  beschaffen  die  von  ihm  gebotene, 
Recension  sei.  Der  Einzige,  der  bisher  diese  Frage  berührt  haf 
ist  Ühlhorn  ^).  Derselbe  hat  richtig  eine  doppelte  Frage  aus 
einandergehalten:  einmal  nach  dem  Texte  selbst,  der  dem  Syt 
rer  vorlag,  und  sodann  nach  der  Art  seiner  Uebersetzun 
Aber  die  Beantwortung  beider  Fragen  ist  ungenügend  ausgefal- 
len. Um  den  vom  Syr.  benutzten  Text  selbst  zu  beurtheilen,  hat 
er  nur  innere  Gründe  gelten  lassen,  und  an  vielen  Stellen  auch 
da  die  Lesart  des  Cod.  Med.  oder  gar  des  Cod.  Colb.  der  durch 
den  Syr.  gebotenen  Lesart  vorgezogen,  wo  dieselbe  durch  eine 
Reihe  andrer  Auctoritäten,  wo  nicht  gar  durch  alle  geschützt  war. 
An  einem  Abwägen  der  verschiedenen  Zeugnisse  nach  diplomati- 
schen Gründen,  an  einer  richtigen  Einsicht  in  das  Verhältniss  des 
lateinischen  Textes  von  A  zu  Gr.  A ,  geschweige  denn  der  bei- 
den Familien  A  und  B  zu  einander,  fehlt  es  bei  ihm  noch 
ganz;  nicht  einmal  das  Verhältniss  des  armenischen  Textes  zum 
Syrer  ist  in  Erwägung  gezogen,  welches  doch  für  die  Entschei- 
dung, ob  der  Syrer  wirklich  ein  Epitomator  sei,  so  tiefgreifende 
Bedeutsamkeit  hat.  Wir  sehen  uns  daher  genöthigt,  die  Unter- 
suchung des  vom  Syr.  übersetzten  Textes  völlig  von  Neuem  wie- 
der aufzunehmen. 

Wir  stellen  in  gewohnter  Weise  eine  Vergleichung   mit   den 
Familien  A  und  B  an.    Wir  erinnern  hierbei  nochmals  daran,  dass 


1)  Zeitschrift  für  die  histor.  Theologie  1851,  I,  p.  15  ff. 


I 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     115 

es  unsre  Aufgabe  ist,  den  ursprünglichen  Text  von  B,  soweit 
dies  möglich  sein  wird,  von  den  späteren  Interpolationen  zu 
scheiden. 

Zuerst  behandeln  wir  den  Brief  an  Polykarp.  Hier  bie- 
tet Syr.  nur  geringere  Abweichungen,  B  nur  wenige  und  minder 
umfängliche  spätere  Interpolationen. 

Mit  A  finden  sich  folgende  üebereinstimmungen :  inscr.  '/ym- 
Tiog,    6  xal  d^eoqoQog   für  'lyruitog   iniay.onog  lAvTioyjtag ,    b  hui 
fiuQTvg  'Irjoov  Xgtoiov.     Hier  leuchtet  wol  ein,  dass  das   iniaxo' 
nog  'Avxioytiag  ein    späterer    Zusatz    ist;    und    ebenso    ist    natür- 
lich auch  die   Variante  o  xai  ^agTvg  ^Ir^aüv  Xqiotov   zu  beurthei- 
len,   da    Iguatios    unmöglich    so  von  sich  gesprochen  haben  kann. 
Die  Worte  mögen   aus  einer  üeberschrift  in  den   Text  bei  B    ge- 
drungen sein  ,    da  sie  sonst  in   keinem  von  allen  den   Namen    des 
Jgnatios  tragenden  Briefen,  auch  bei  B  nicht,  sich  ßnden.    Cap.  2. 
diu  TOVTO  aaQy.iy.bg  ti   xul   nvevfAUTixdg    für    diu   tovto    ix   ^jjvyrig 
xal  acüfiuTog  f?,    üugxixog  xai  7ivev(.iaTix6g.     Hier  ist  wieder  ohne 
Weiteres  klar,  dass  ix  ipvxrjg  xul    ocüf^taing   nur     interpretirendes 
Glossem  ist. —  t«  cpuiv6f.itvd  oov  für  zu  q^^aivo/ntva  ooi{B.  Dam.). 
Richtig,    weil    tu   q)aiv6/nevu    sich    auf   die    geistigen    Gaben    des 
Polykarp,  nicht  auf  offene  Schäden  in  der  Gemeinde  bezieht,  wie 
Uhihorn  treffend  entwickelt  hat  ^). —  xoXuxevrjg  (auch  Antioch.) 
für  inuvoQ&cüotjg  (B.  Dam.) ;  letzteres  eine  aus  dem  Missverständ- 
niss  des  Vorhergehenden  entsprungene  Correctur.  —  oncog  (ii7]dtvbg 
Xtinri  für  tVa  fx7]div  ooi  \tinrj.  —    In  den  folgenden  Worten  o  xai' 
Qog  anuiTH  ce  —  tü  d^eov  innvx^iv  bietet  B  einige  erleichternde 
Einschiebsel,  und  liest  o  xuiQog  unuirtT  oe  ev/eoi^af  ojamg  yäg 
xvßtgvTjTT]  uve/iiog  ov(.iß aXXei  ui  ^    xal  ü)g  vtj'i  /ei/^al^of^ivrj  Xif.ii' 
veg   ivd^eiot    tig  owtt]  g  iav.    Syr.  kennt  alle  diese  Einschieb- 
sel nicht,  mit  Ausnahme  des  vr/i,  worüber  weiter  unten  Genaueres. 
Gleich   darauf  liest  B  ovzco  xuL  ooi  t6  ntgixv/tiv  d^tov  für  ilg  rö 
d^eov  iniTV'/HVi  was  aus  derselben  erleichternden  Tendenz  hervor- 
ging.    Cod.  Nydpr.  (und  Cod.  F?)    hat    noch    ein    weiteres    Ein- 
schiebsel und  liest    oviu)    xai  aoi    7)    ivxfj    ngbg   t6    ^£01!    rvxttvy 
dessen  späterer  Ursprung  übrigens  durch  das  Fehlen  in  den  übri- 
gen Codd.  zur  Genüge  erwiesen  wird.  Uebrigens  mögen  diese  letzte- 
ren Zusätze  alle,  mit  Ausnahme  des  rt^t,  auf  Rechnung  des  Interpo- 
lators  zu  setzen  sein.  —   t6  &((^a  ucpd^ugolu   für    01;    to    d^iXri(.ia 
ucpd^ugaia   bei    Gr.  B    (ov   zur    bessern    Verbindung    eingeschoben, 
d^iXrj(.iu    wol    eine     alte    Variante.       Lat.    B     ganz     abweichend), 
Cap.  3.  'Iva  xal  aviog  '^f.iug  vnofielvr]  für  tV«  xal  avjog  tiuag  uva- 
(.liivri  tig  ttjv  ßaoiXdav.  Hier  ist  vnofxtivri  jedenfalls  ursprünglich,  wie 
es   denn  auch  Dam.  Anton,  und  Lat.  B  aufbewahrt  hat;    der   mit 
uva^dvri  zusammenhängende  Zusatz  tlg  rrv  ßaoiKdav  ist  wiederum 


1)  1.  c.  p.  %^. 


116    Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

g-anz  offenbar  eine  spätere  Aenderung,  welche  bei  Dam.  und  An- 
ton, noch  fehlt. —  nXiov  onovöaTog  yivov  ov  a  für  nlttov  nQoad-eg 
rfj  onovdfj  ov  el'  avvTOVMTiQOv  dguf^e.  Ebenfalls  offenbar  spä- 
tere Aenderung  bei  B,  wol  entstanden  durch  Vermischung  mit  den 
Worten  Cap.  1.  naQuaaXoi  ae  —  nQoadtivni  tm  d^of-io)  aov.  Nach 
y.aTaf,idvd-avs  bringt  ß  einen  Zusatz  wg  ivravd-a  el ,  vUrjGov  wSa 
yag  eari  ro  oradiov ,  ixtt  de  ol  oTtcpnvoi,  und  die  folgenden 
Worte  Tov  vneQ  y.uiQov  ngooSöy.a,  tov  uxqovov,  tbv  aogaiov,  tov 
öl'  ^jLiag  bgarbvf  rbv  ciip7]ld(pr]Tov,  tov  dnad^fj ,  tov  di^  '^/j.ag  na- 
&f]T6v  bringt  B  in  einer  mit  Zusätzen  reichlich  versehenen  Ge- 
stalt, welche  alle  das  Gepräge  späterer  Interpolationen  an  sich 
tragen,  mit  Ausnahme  des  übrigens  auch  durch  Interpolationen 
erweiterten  öi^  rj^äg  de  '(pr]Xuq)?]T6v,  welches  auch  Antioch.  kennt. 
Offenbar  hat  hier  der  spätere  Interpolator  von  B  gearbeitet,  daher 
denn  auch  Syr.  ebenso ^wenig  wie  A  die  Zusätze  kennen.  Doch 
fehlt  ausserdem  auch  das  Jf'  rj/nag  de  iprj},a(pr]T6v  bei  beiden. 
Cap.  4.  bietet  Cod.  Aug.  BF  für  iguTwoav  die  Variante  algho)- 
cav  oder  Nydpr.  mgiod-Maar,  doch  haben  auch  Codd.  Florent.  OV 
Dam.  Anton.  igaTCOGaVi  die  Variante  betrifft  also  nicht  die  ganze 
Familie  B.  Ganz  von  derselben  Art  ist  die  Variante  Cap.  5,  w< 
Syr.  mit  A  fnäXlov  öe  ntgl  tovtwv  ofAih'av  noiov  liest,  gegen  CoddH 
Aug.  Nydpr.  von  B,  welche  vor  noiov  ein  (.iri  einschieben.  Die^ 
fehlt  wiederum  in  allen  übrigen  Codd.  von  B.  Ebenso  liest  Syi 
mit  A.  TuTg  yafxov^lvaig  für  taig  yaiuovaatgy  wo  zwar  aus  dei 
Codd.  von  B  keine  Variante  notirt  ist,  Anton,  aber  wiederum  mit 
A  yaf-iovf.itvaig  liest.  Cap.  6.  liest  Syr.  mit  A  und  Antioch.  ngea^ 
ßvTegoig,  für  die  Lesart  von  B.  Dam.  zw  ngtaßvTtgiw.  Es  leuch- 
tet ein,  dass  letzteres  aus  ersterem,  nicht  aber  ersteres  aus  letz^ 
terem  entstanden  sein  muss.  Endlich  Cap.  6.  ojg  6  d^tog  für  xa{ 
b  d^eog  bei  B,  wo  jedoch   Dam.  wieder  gegen  B  zeugt. 

Ziehn  wir  nun  die  Summe  aus  dem  Bisherigen,  so  finden  wirj 
dass  die  meisten   Varianten   in  Wegfall  zu  bringen  sind,    weil  siel 
vom    Interpolator    veranlasst    sind;     einige    können    nicht   in    An-^l 
schlag  gebracht  werden,    weil    ein    Theil    der  Auctoritäten  von 
selbst  mit  A  geht.     Nach  Abzug    hiervon    bleiben    von    Varianten,| 
welche  Syr.  mit  A  gegen  sämmtliche  Auctoritäten    des    ursprüng-1 
liehen  Textes  B  gemein  hat,    Cap.  2.    t«    (paiv6f.ievd    aov   für  t« 
q).   ooi  und    xoXaxtvtjg  für  inctvogd^watjg.  —   {oncog)  fxr^ötvbg  lein^ 
für  (iva)  (Ätiöev  aoi  Xeinj^.  —  to  &e'iLia  für  ov  xo  &(Xfjf.ia.     Cap.   3. 
die  Weglassung  von  di''  rj/Liug  de  iprjXac^riTov.     Cap.  6.  ngeaßvTe- 
goig  für  ngeaßvTegiw.  An  allen  diesen  Stellen,  höchstens  mit  Ausnahme 
der  vorletzten,  aber  ist  nicht  zweifelhaft,  dass   Syr.  mit  A  die  bes- 
sere ursprünglichere  Lesart  aufbehalten  habe  :  es  folgt  also  hieraus 
durchaus  nicht,  dass   Syr.   eine  Handschrift  der  Familie  A  benutzt 
habe,  da  sich  die  üebereinstimmung  in  den  anerkannt  vorzügliche- 
ren Lesarten  ebenso  gut  durch  die  Annahme  von  einem  selbständi- 
gen vorzüglichen  Texte  erklären  lässt,  der  dem  Syrer  vorlag. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios,     117 

Wir  kommen  zu  den  Varianten,  die  Syr.  m  i  t  B  gemein  hat. 
Cap.  2.  liest  Gr.  ß  xal  u/Jgaiog  tiauu,  ojg  tj  nfgiGTegu.  Dafür 
steht  bei  Gr.  A  y.ai  uyJgaiOQ  woii  ntgioTSQu.,  bei  Lat.  A  und 
Lat.  B  simplex  ut  columba,  bei  Antioch.  uxeuaiog  wg  al  negiOTe- 
gai.  Es  leuchtet  nun  ein,  dass  sich  die  Weglassung-  des  daaei  sehr 
leicht  erklärt  durch  die  Bcschaifenheit  des  Textes  bei  Gr.  A  und 
Antioch.  und  dass  die  Lesarten  wrif  J,  mq  al  nur  noch  vSpuren  sind 
des  ursprünglichen  Textes,  doaii  stand  also  ursprünglich  im 
Texte.  Nun  liest  Syr.  Jjoi  ^a]  ^a^^oA:^?  r^^^^V  >Qa:^Zo  (et  in- 
teger ad  ea  quae  requiruntur  s.  desiderantur  ut  columba),  was  B  u  n  - 
sen  ganz  richtig  durch  xui  uxegaiog  €i  g  a  d  et  wg  -^  negiGisQul^iQ- 
dergibt,  vgl.  auch  Arm.  mit  dem  ähnlichen  Zusätze  ad  ea  quae  digna 
sunt,  dg  ä  dtt  setzt  aber  die  Lesart  daatl  voraus,  was  denn  auch  C  u  - 
reton  in  den  Text  setzt,  obwol  er  vermuthet,  daad  sei  aus  dem  un- 
vollständigen dg  a  et...  zusammengezogen,  so  dass  das  durch 
Syr.  vorausgesetzte  Verbum  bis  auf  den  Anfang  ti...  verloren  sei» 
Ziemlich  unwahrscheinlich  i).  In  demselben  Capitel  erklären  sich 
die    Worte    j.^^P    J.g»jj.OQ£}  ^^j]   wg  xvßeQvr^T7]g    vavv  für  w^  xv- 

ßegvTJrai  avtfiovg  (A)  oder  cog  xvßtgvriTj]  ävmog  (B)  aus  dem 
Texte  von  B,  welcher  gleich  darauf  xal  wg  vifl'  xetf^a^ouevt]  liest. 
Dieses  vrj'i  erscheint  sonach  als  der  üeberrest  einer  ursprünglich 
eben  bei  Syr.  noch  vorhandenen  Variante.  Es  ist  also  unberech- 
tigt, im  syrischen  Texte  eine  willkürliche  Veränderung  anzuneh- 
men, selbst  wenn  man  zugibt,  dass  die  Lesart  av^iovg  aus  in- 
nern  Gründen  empfehlenswerther  zu  sein  scheint.  Wir  kommen 
übrigens  auf  diese  Stelle  weiter  unten  ausführlicher  zurück  ;  hier 
nur  im  Voraus  soviel,  dass  allem  Anscheine  nach  die  Lesart  von 
Syr.  im  Vergleiche  mit  B  als  die  ältere  anzusehn  ist,  B  aber  einen  aus 
A  und  der  älteren  auch  dem  Syrer  vorliegenden  griechischen  Re- 
cension  gemischten  Text  enthält.  Cap.  3.  oi^S'i  öi  eögrxtog' 
mit  B  gegen  die  Weglassung  des  de,  Cap.  4.  liest  Syr.  mit  B 
cxvtv  &eov  yvwf.ir}gi  gegen  uvev  deov  bei  A.  Da  Chrysost.  eben- 
falls yvwf-irjg  beisetzt,  so  ist  dasselbe  aus  diplomatischen  Gründen 
für  bezeugter  zu  halten.  Weiter  unten  liest  Syr.  einstimmig  mit 
B  den  imperativ  evaru&ei  (A*)^.^  /Oaß)  gegen  evaja&yg  (Gr.  A) 
oder  evGTu&eg  (Lat.  A) ,  offenbar  richtig.  Cap.  5.  euv  yvwa&f] 
nXrjv  Tov  inioxonov  (Janmal  ^^  jS^ili^)    ^^^  ^^"^  yvwa&fj  nXeov 

Tov  entoxonov.  Ersteres  ist  jedenfalls  die  schwerere  Lesart,  deren 
Aenderung  in  nXeov  sehr  begreiflich  ist.  Cap.  6.  (.lex^  uvTiov  für 
xa*  (.itT^  avTwv.  Für  die  Weglassung  des  xul  auch  Dam.  An- 
tioch. —  xof,iioeG^e  (Cod.   OV  xofiiarjo&e)  für  xof.ii^eo^e.  —  a^ia 


1)  Nach  ühlhorn,   p.  22  f.  sollen   die  Worte  ad   ea   quae  requiruntur 
blos  erleichterndes  interprelirendes  Einschiebsel  sein. 


118     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

d^eoij  für  das  einfache  ä'^ta.  —  o  &e6g  lued^^  v^uiv  für  o  S-tog 
v/Liwv.  Auch  Dam.  mit  Syr.  und  B ;  bei  Lat.  A  ist  es  ungewiss, 
doch  las  er  vielleicht  auch  f.ied^^   vfurov. 

Ausserdem  kommen  noch  üebereinstimmungen  in  der  Wort- 
stellung- hinzu,  z.  B.  Cap.  4.  die  Stellung  des  und  d^eov  nach 
rv/^i'iaiv^  und  üebereinstimmungen  mit  einzelnen  Zeugen  von  B, 
wälirend  andre  den  gewöhnlichen  Text  von  A  bieten.  So  zum 
Schlüsse  von  Cap.  1.  onov  yuQ  nXtiwv  xonog,  noXv^  yai  y.fgdog 
mit  Lat.  B,  während  die  übrigen  Auctoritäten  yuQ  und  xul  weg- 
lassen. Ferner  Cap.  6.  yivono  o/jlv  ev  d^tw  (A),  wofür  B  ytvoiTO 
l'/jiv  (Cod.  V  a/ttv ,  a  cum  spir.)  nagu  d^aov  hat,  lässt  er  mit 
Dam.  das  a/eiv  oder  l'xav  weg,  und  liest  mit  Codd.  OV  tiuqu. 
d^fO),  kommt  also  dem  Texte  von  B  nahe,  bietet  aber  hier  den 
relativ  besten  Text.  Endlich  lassen  Syr.  und  Dam.  in  demselben 
Capitel  das   ovv  nach  (LiaxQO&vf.ieTTe  {f.iay.Qod-vfxri'oaT t  A)  weg. 

Nach  gegenwärtiger  Auseinandersetzung  stellt  sich  heraus, 
dass  Syr.  mit  B  theils  in  allen,  theils  in  einzelnen  Zeugen  häu- 
figer als  mit  A  zusammenstimmt.  Geben  wir  zu ,  dass  einzelne 
dieser  Varianten  ziemlich  unbedeutend  sind;  dass  andre,  insbe- 
sondre die  entschieden  vorzüglicheren,  auch  unabhängig  von  B  bei 
Syr,  sich  finden  können:  so  bleiben  doch  eine  Reihe  von  solchen 
Varianten  zurück,  in  denen  der  beiderseitige  Text  ziemlich  gleich 
berechtigt  und  die  Entscheidung  der  ursprünglichen  Lesart  uq 
möglich  ist;  ja  grade  Kleinigkeiten  in  den  Abweichungen  leiten 
je  weniger  bei  ibnen  eine  Absichtlichkeit  vorausgesetzt  werden 
darf,  um  so  eher  auf  eine  Spur  zur  Beurtheilung  des  Textver- 
hältnisses. Soll  also  Syr.  einer  von  beiden  Textfamilien  zuge- 
zählt werden,  so  dürfte  wol  einleuchten,  dass  im  Briefe  an  Poly- 
karp  der  Text  von  B  den  Syrer  mit  grösserem  Rechte  für  sich 
in  Anspruch  nehmen  könne,  als  der  Text  von  A.  Nur  darf  man 
hieraus  nicht  zu  viel  folgern  wollen.  Die  üebereinstimmungen 
mit  A  sind  bedeutend  genug,  um  Beachtung  zu  erheischen,  — 
Eine  spätere  Mischung  der  Texte  anzunehmen  geht  nicht  an ,  ein- 
mal weil  keine  Spur  sich  findet  von  einer  Verbindung  oder  Durch- 
einanderwerfung der  beiderseitigen  Lesarten,  und  zweitens,  weil 
sich  aus  den  Varianten  mit  A  der  gegentheilige  Nachweis  liefern 
lässt,  dass  diese  sämmtlich  nichts  weniger  als  zufällige  oder  bunt 
untereinandergewürfelte,  sondern  lauter  solche  sind,  welche  als 
besser  und  vorzüglicher  angesehn  werden  müssen.  Sonach  setzt 
Syr.  entweder  einen  immerhin  der  Familie  B  näherstehenden,  aber 
älteren  und  ursprünglicheren  Text  voraus,  oder  ist  eine  mit  kri- 
tischer Sichtung  nach  beiden  Familien  veranstaltete  Recension. 
Da  trotzdem  hie  und  da  Irrthümer  mit  untergelaufen  sind,  die  bei 
einer  kritischen  Vergleichung  vermieden  worden  wären  (Cap.  2. 
o)g  xvßeQVT^TTjg  vavv) ;  da  ferner  einzelne  Spuren  darauf  leiten, 
dass  da,  wo  Syr.  sich  gegen  B  entscheidet,  wenigstens  theil- 
weise  bereits  ein   etwas    späterer   mannichfach   geänderter   (wenn 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios.     119 

auch  noch  nicht  in  die  Hände  des  berufenen  Interpolators  gfefalle- 
ner)  Text  bei  B  sich  finde  (Cap.  2.  fnavoQ^^wmjg  für  yohAXirrjg 
eine  Correctur,  die  älter  ist  als  der  Interpolator  und  durch  alle 
sichern  Auctoritäten  von  B  hindurche^eht)  —  so  ist  dafür  zu  ent- 
scheiden, dass  die  dem  Syrer  vorlieg-ende  Textgestalt 
eine  relativ  ältere  und  vorzüglichere  ist,  die  noch 
vor  einer  Reihe  von  späteren  Äenderungen  und  \  er- 
derbnissen  entstanden  ist.  Dass  diese  Textrecension  grade 
der  Familie  B  näher  steht  als  der  Familie  A,  wird  durch  die 
analogen  Spuren  bei  Eirenaeos,  Kusebios,  Chrysostomos 
erklärlich.  Der  Text  von  B  war  im  Allgemeinen  der  verbrei- 
tetste:  wie  er  späterhin  den  mannichfaltigsten  und  meisten  Ver- 
derbnissen ausgesetzt  war,  so  ist  er  andrerseits  auch  WMeder  der 
älteste  und  dem  Urtext,  soweit  wir  es  verfolgen  können,  am 
nächsten  stehende.  Es  ist  eben  jener  älteste  Text  von  B  frei 
von  einer  Reihe  späterer,  theils  A  und  B  gemeinsamer,  theils  nur 
bei  B  eingedrungener  Aenderungen. 

Eine  kleine  Probe  der  Vorzüglichkeit  der  syrischen  Recen- 
sion  können  wir  auch  durch  Vergleichung  mit  einzelnen  Varianten 
bei  Gr.  A  oder  Lat.  A  anstellen.  Syr.  wird  im  Einklänge  mit  B 
und  Lat.  A  zum  Verräther  des  irrigen  Textes  von  Gr.  A:  gegen 
das  xuTu  ßorjd^iiav  Cap.  1.  (was  auch  Lat.  B  bietet,  also  auch 
in  die  Familie  B  eingetragen  worden  ist)  stimmt  er  mit  Lat.  A 
und  Gr.  'B  für  xaiu  oi^orj&eiav,  wie  solches  durch  sein   Jj-aS.  ^j] 

ausgedrückt  werden  soll.  Cap.  5.  bestätigt  er  gegen  Gr.  A  die  Lesart 
aller  übrigen  Zeugen  Lat.  A  B  Antioch.  Anton,  eig  Ttf^ir/V  rrjg  oaQy.bg 
Tov  xvQiüv  statt  ttg  jiur^v  jov  y.vQiov  Tr^g  aaQ'/.og.  Wenn  man  hier 
durch  das  Gewicht  der  äussern  Zeugnisse  sich  nicht  bestimmen 
lässt,  so  gibts  überhaupt  keine  diplomatische  Kritik^).     In  dem- 


1)  Uhlhorn  meint  innere  Gründe  für  die  Lesart  des  Cod.  Med.  anfüh- 
ren zu  können.  Er  sagt,  „wie  aus  dieser  (nämlich  der  Lesart  bei  Cod.  Med.) 
die  Lesart  bei  Syr.,  B  und  Lat.  A  werden  konnte,  erklärt  sich  leicht.  Da  man 
nämlich  die  Stelle  nicht  recht  verstand,  lag  es  nahe,  an  das  Abendmahl,  an 
die  oäo^  avQiov  zu  denken  und  diesen  Gedanken  in  den  Text  zu  bringen". 
Wir  stellen  die  Worte,  wie  sie  nach  Cod.  Med.  lauten,  einfach  hin:  et  ne 
dvva-iai  ev  ayveiq  fidveiv  eis  rifirjv  tov  xvqiov  t^s  aag^CK^,  iv  axavxrjaia 
fiEviT(o.  Der  Leser  mag  beurtheilen ,  ob  es  wirklich  so  nahe  liegt ,  hier  ans 
Abendmahl  zu  denken.  Zudem  sind  die  Worte  bei  Cod.  Med.  so  einfach  und 
verständlich,  dass  ich  nicht  begreifen  kann,  wie  es  möglich  war,  dass  jemand 
sie  ,, nicht  recht  verstand",  und  deshalb  sich  veranlasst  fühlte  zu  ändern. 
Wenn  es  aber  wirklich  so  nahe  liegt,  ans  Abendmahl  zu  denken,  so  muss  man 
zugestehn,  dass  der  Gedanke  ans  Abendmahl  eben  die  Lesart  t^s  onoxoi  rov 
xvfjiov  bereits  voraussetzt,  dass  also  die  missverstÜndliche  Auslegung,  welche 
,,so  nahe  lag",  grade  das  Gegentheil  beweist  von  dem,  was  Uhlhorn  beweisen 
will,  nämlich  die  Ursprünglichkeit  der  Lesart  xjys  oa^xoe  tov  xv^iov.  Diese 
ist  übrigens  auch  die  schwierigere,  denn  die  Auslegung  vom  Abendmahl  war 
allerdings  eine  missverständliche;  und  sie  machts  erklärlich,  dass  ehedem  Cod. 
Med.,   neuerdings  Vossius  (mit  Jacobson)  und  Bunsen  ciuendirt  haben. 


120     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

selben  Capitel  stimmt  Syr.  mit  Lat.  A  und  B  in  der  Lesart  Vvce 
0  yü(.ioQ  fi  xarä  y.vgiov  statt  x«t«  ^tov  (Gr.  A)  zusammen.  Da- 
g-cg-cn  stimmt  Syr.  wiederum  mit  Gr.  B  und  Gr.  A  gegen  Lat.  A 
in  der  VVeglassung  des  d^tov  nach  ;^a()fTi  Cap.  1.,  eines  offenbar 
überflüssigen  Zusatzes,  wenn  auch  Lat.  B  denselben  ebenfalls 
hat.  Ebenso  fehlt  Cap.  5.  bei  Sjr.  wie  bei  Gr.  A  B  Antioch. 
Anton,  der  Zusatz  von  Lat.  A  tov  xv^jiov  zu  h  axavxT]Gia,  offen- 
bar mit  Recht;  und  in  demselben  Capitel  bietet  er  das  von  Lat. 
A  weggelassene  o  yufnog  in  <Va  6  yaf.iog  f]  xiX, ,  ebenfalls  in 
üebereinstimmung-  mit  allen  übrigen  Auctoritäten.  Dieser  That- 
bestand  erweist  zum  wenig-sten  soviel ,  dass  Syr.  frei  von  Irrthü- 
mern  sowol  des  griechischen  als  des  lateinischen  Textes  von  A 
ist,  folglich  als  Auctorität  g"egen  beide  immerhin  in  Betracht 
kommt. 

Wir  betrachten  jetzt  den  Epheserbrief^).  Hier  sind  zu- 
nächst die  Stellen,  in  welchen  B  durch  den  Interpolator  Aende- 
rungen  erfahren  hat,  häufiger  als  im  Briefe  an  Polykarp :  Syr. 
kennt  keine  von  allen,  es  versteht  sich  aber,  dass  daraus  kein 
Zeugniss  gegen  den  ursprünglichen  Text  B  entnommen  werden 
kann.  Hierher  gehört,  dass  Inscr.  B  für  tov  naiQog  vielmehr 
S^eov  nuTQog,  für  'hjaov  Xqiotqv  tov  &£ov  tj^uZv  aber  xvgt'ov 
'Tjf.KJijv  ^Irjoov  Xqigtov  tov  acüTiJQog  -rjjucüv  liest.  Ebenso  Cap.  L 
der  Zusatz  qi'kavd^QMniag  zu  d^eov.  —  vtiIq  Xqiotqv  Ttjg  yoivrjg 
eXniöog  eine  interpretirende  Aenderung  für  vTieg  tov  xoivov  6v6- 
/.laTog  xai  eXnidog.  —  Der  Zusatz  iv  Xqiotcu  am  Schlüsse  von  Cap.  1. 
Cap.  8.  vnuQ/ji  für  iveiQioTUi  Gr.  A  (complexa  est  Lat.  A.  plan- 
tata  est  Syr.).  —  gvndvai  xal  ßaauvov  in uyayetv  iur  das  einfache 
ßaaaviaai. —  Der  Zusatz  y.ai  Igte  Xqigtov  nacli  y.aTu  d^eov  ^^if. — 
7ioXvvf.iv7JTOV  nach  diaßarjTOV.  Ferner  der  umschreibende  Satz  v^ittg 
öe ,  nh]Qeig  oVjfg  bis  zum  Schlüsse  des  Capitels  für  ä  Ö€  y.al 
yaTU  oüLQya  n^uGoeTe  xtI.  Ebenso  Cap.  9.  die  Aenderungen 
ivaQ^iO'koyovf.itvovg  für  '^TOif.iaGf.itvoi.  —  diu  Xqigtov  tov  vtieq  rifA,ajv 
OTav^co^evTog  für  öiä  Ttjg  f^7]xuvi]g  ^Tf]Gov  Xqigtov  oc;  egtiv  GTav- 
Qog,  Ebenso  die  Umgestaltungen  der  Worte  niGiig  v/^imv  avayw- 
yavg  Vfucdv,  7]  de  uyanr]  bdog  tj  uva(f)eQOVGa  eig  &bov,  welche  doch 
denselben  Text  mit  A  und  Syr.  voraussetzen.  Ebenso  sind  spä- 
teren Ursprungs  Cap.  10.  die  zwei  eingeschobenen  prophetischen 
Citate,  und  die  erleichternden  und  erweiternden  Aenderungen  der 
folgenden  Sätze  bis  zum  Schlüsse  des  Capitels,  die  übrigens  alle 
den  Text  von  A  und  Syr.  in  einer  Menge  von  einzelnen  Spuren 
verrathen.  Cap.  14.  ist  in  den  Aenderungen  des  Interpolators  der 
Satz  Ol;  yaQ  Inuyyeklag  to  tQyov  —  dg  Telog,  dsgl.  Cap.  15.  der  Satz 
Vva  öl*   wv  XaXet  TiQdGGrj,    y,ai   Si^    wv    Giyä    yivcoGX'i^Tai   verloren 


j 


1)  Zu  den  Versuchen,  den  ursprünglichen  syrischen  Text  des  Epheser- 
briefes  herzustellen,  ist  neuerlich  noch  die  Erörterung  von  Bunsea  gekom- 
men  Hippolyt  II,  Vorrede  S.  XIV  ff. 


I 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.      121 

gegangen.  Cap.  18.  verrathen  die  Worte  bei  B  6  aiuvgog  tov 
Xqiotov  —  ^w?)  auoviOQ  mit  dem  Texte  bei  A  verglichen,  eben- 
falls eine  spätere  ändernde  Hand.  Ebenso  bezeugt  die  Gestalt,  ia 
welcher  die  Worte  oS-tv  llitro  All.  Cap.  19.  bei  B  sich  vorfin- 
den, die  Hand  des  üeberarbeiters.  Innerhalb  dieser  vom  Interpo- 
lator  veränderten  Stellen  ist  allerdings  die  Entscheidung  sehr 
schwer,  was  etwa  schon  vor  dem  Interpolator  bei  B  abweichende 
Lesart  gewesen  sein  mag,  und  nur  Weniges  lässt  sich  hier  auf- 
spüren: so  Cap.  18.  die  Lesart  xoTg  de  nioToTg  für  r]/nTv  de,  die 
durch  den  Arm.  bestätigt  wird,  nichts  desto  weniger  aber  wol 
kaum  dem  Urtexte  angehörte.  Die  übrigen  Varianten  aber,  welche 
mit  einiger  Sicherheit  als  Abweichungen  des  ursprünglichen  Tex- 
tes von  B  von  A  und  Syr.  betrachtet  werden  können,  sind  fol- 
gende: Cap.  1.  ToiovToiQ  oloi  für  u^ioig  ovat. —  noXvno&tjTov  für 
nolvayanr^TOv ,  wahrscheinlich  ein  Schreibfehler,  aus  dem  folgenden 
TotovTov  entstanden.  —  Ebendaselbst  die  Lesart  evXoy7]xog  yuQ  6 
&eog  b  yuQiüa^tvog  bei  B  und  Arm.  für  wXoy7]Tbg  yoQ  b  /apiau- 
fuevog^  ohne  o  &ebg  A.  Syr.  Das  6  d^ibg  ist  zum  mindesten  über- 
flüssig. Cap.  8.  liest  Syr.  mit  A  oigruQ  ovöe  tj  niaxig  für  w^r« 
xtX.  (B).  —  Vielleicht  liegt  auch  in  den  folgenden  Worten  bei  B 
iv  Xqihtm  TeXeiova&e  für  iv  ^Trioov  yag  X^jigim  navTa  nguTTixe 
eine  schon  vor  dem  Interpolator  vorhandene  Variante  vor  (natür- 
lich ausser  der  sehr  unerheblichen,  übrigens  auch  bei  Arm.  sich 
findenden  Umstellung  von  XgiaKo  und  'Irjaov).  Cap.  9.  aig  oixo- 
do(j.7]v  &eiav  narQog  nur  bei  Gr.  B  für  €ig  olxod.  &€ov  Tiurgog, 
Dagegen  gehen  Cod.  F  und  Lat  B  mit  A  und  Syr.,  nur  Cod. 
Reg.  Pal.  (und  Petav.)  geben  durch  die  Einschiebung  von  „san- 
ctam''  eine  gemischte  Lesart  zu  erkennen.  Cap.  10.  fehlt  bei  B 
(wol  nicht  blos  bei  dem  Interpolator)  das  (x  xmv  fgywv.  Cap.  19. 
lässt  Gr.  B  das  &iov  hinter  iv  tjov/ia  weg,  gegen  alle  übrigen  Zeu- 
gen; insbesondre  steht  es  auch  bei  Lat.  B,  nur  dass  dieser  es 
anders  construirt.  Der  eigentlichen,  wirklich  für  die  ganze  Fa- 
milie B  in  Betracht  kommenden  Varianten  sind  also  fünf  oder  sechs; 
bei  mehren  von  diesen  ist  gar  nicht  zweifelhaft,  dass  die  ent- 
gegengesetzte Lesart  von  A  und  Syr.  die  richtige  sei,  während 
umgekehrt  die  V'orzüglichkeit  einer  Lesart  von  B  in  keiner  von 
diesen  Ctellen  sich  erweisen  lässt. 

Betrachten  wir  nun  die  Varianten,  welche  Syr.  mit  B  ge- 
mein hat.  Inscr.  X^Q^  ^^^  yagai,  Cap.  1.  xo  noXvaydnrjTOP 
Vfx(7)v  ovo/na  Syr.,  wo  noXvayu7it]TOV  zwar  mit  A,  aber  v^iaiv 
gegen  das  offenbar  verkehrte  oov  bei  A  mit  B  zusammenstimmt. 
uxovaavng  yug  /ne  dtöefiivov  für  uxovaavitg  ydg  dtö.  Hier  ist 
das  (t/£  für  den  Sinn  fast  unerlässlich.  Zu  iv  ^Ovtjgi/uci)  hat  Syr. 
den  Beisatz  tw  iv  uyuntj  adi?]y^TW  vf.i(ov  intoxöno)  für  die  Les- 
art von  A  TW  iv  aydntj  udttjyrjTcp,  vf-itüv  dt  iv  aagxl  iniaxorup, 
B  stimmt  mit  Syr.  in  der  Weglassung  von  iv  aagxi  überein,  bie- 
tet aber  das  nunmehr  zwecklose  öiWxniQT  v(.i(jijv»  Petermann  sieht 


122     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios, 

richtig,  dass  die  Lesart  von  Syr.  die  ursprüngliche  war,  und 
setzt  sie  demg-emäss  in  den  Text,  öi  kam  zug-leich  mit  dem  Zu- 
sätze iv  na^xl  herein:  B  enthält  Spuren  vom  urspriing^lichen  Texte 
wie  von  der  in  A  vorliegenden  Aenderung,  kommt  aber  dem  er- 
steren  näher. —  iv  6f.ioiw(iiaTi  avrov  Syr.   mit  B  (cnZalaO  o)   für 

avTco  iv  bfiüi6T7]Ti  bei  A.  Cap.  8.  /LiT^öffAta  iniB^vfiiu  (  )^  }  ^ 
)£\^ji^})  für  fAridmia  egig.  Hier  scheint  das  tgig  hei  A  durch 
das  ivttQioiai  veranlasst  zu  sein.  Cap.  10.  oxti'/.tTt  v/atig  iv  rrj 
nloTH    iÖQoioi,    wo    das   qa.*)!]    (armati    estote)    wol    auf  dieses 

Verbum  zurückzuführen  ist,  wie  denn  auch  Arm.  state  firmi  hat, 
obwol  dies  nicht  aus  wSyr.  geflossen  ist.  A  lässt  OTi]y.iTe  weg, 
Cap.  19.  lässt  Syr.  mit  ß  den  Zusatz  tig  yMivon^Ta  aiöiov  ^wrjg 
weg.  —  Hierzu  lassen  sich  noch  einige  andere  Stellen  zählen,  in 
welchen  ebenfalls  der  Text  von  Syr.  in  einzelnen  Handschriften 
von  B  eine  Unterstützung  findet.  So  Inscr.  für  iv  ^leyi&n  d^iov 
nuTQog  TiXrjQM/^aTi  (Gr.  A  und  Gr.  B  Codd.  BFORV)  oder  xal 
7iXriQMf.iaTi  (Gr.  B  text.  vulg.  Lat,  A)  liest  Syr.  yMi  7ieTiXt]QW(iUV7] 
JibikliQAlsDO  womit  Lat.  B  übereinstimmt.     Obwol  auch   Cureton 

und  Bunsen  (im  Hippolyt  a.  a.  0.)  y.ul  nXrjQWfiuji  im  Texte^j 
behalten,  so  sieht  man  doch  nicht  ein,  wie  nenXriQW/iiavrj  aus  tiXt^- 
QWjLiuTi  hätte  entstehn  sollen,  während  umgekehrt  7i7.riQM(xaTi  spä- 
ter hergestellt  sein  kann  unter  dem  Einflüsse  angelologisch-gno- 
stisirender  Ideen.  Cap.  1.  den  Plur.  laig  ngooev/jug  mit  Lat.  B, 
Cap.  8.  Ol  yuQ  ouQxiy.ol  mit  Lat.  B  und  Antioch.  Cap.  10.  Ion 
yug  avToTg  iXnig  xiX.  mit  Gr.  B  gegen  eaii  yaQ  iv  avioTg  iXnig^ 
Ebenso  fehlt  das  uöeXcpol  avTwv  ivQt&cüfiev  (aöeXqovg  avTOig  noii]- 
acüfiev)  auch  bei  Cod.  Nydpr. 

Es  ergibt  sich  also  auch  hier  ein  kleines   Uebergewicht    der] 
Varianten    mit    B    über    die  Varianten  mit  A:    Syr.  kann   auch  inr! 
Epheserbriefe    nicht   zur    Familie    A  gezählt  werden.     Andrerseits 
sind    aber  allerdings  die  Varianten  mit  B  wenigstens  zum  Theil«^ 
der   Art,    dass    sie    uns    nicht    zwingen,    Syr.  zu  Familie  B  zvt^ 
rechnen:  einige  sind  auch   unabhängig  von  B  bei  Syr.  zu  erklären^ 
und  unter  diesen  wieder   haben    wir    insbesondre  eine  kennen  ge- 
lernt, in  welcher  bei  Syr,  die  Ursprünglichkeit,  bei  B   der  secun-j 
däre  Ursprung  vor  Augen   lag.     Es  würde  sich  hierdurch  die  Er-»^ 
scheinung  bestätigen ,  welche  wir  schon  beim  Briefe  an  Polykarp-j 
feststellten,    dass    Syr.    zwar    im    Allgemeinen    einen   mehr  mit  B^j 
verwandten  Text,    aber  einen  älteren  und  vorzüglicheren  voraus- 
setze,   der    frei    war    auch  von  den  noch  vor  der  Zeit  des  Inter- 
polators  gemachten  Veränderungen,  ebenso  wie  von  einzelnen  bei 
A  später  eingeschlichenen   Irrthümern. 

Hiermit  stimmen  denn  auch  noch    eine  Reihe  anderer  Stellen 
überein,    wo    Syr.  den  bessern  Text  hat.     So   liest   Syr.  Cap.  1. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.    123 

iv  alf-iaxL  &eov  mit  Codd.  Med.  Cas.  und  Sev. ,  gegen  Lat.  A 
iv  aif^iaxi  Xqiotou  dsov,  und  gegen  B  h  uif.iuTt  Xq(Otov.  Pe- 
t ermann  hält  hier  iv  alfiuxi  Xfjtaiov  für  das  ursprüngliche; 
d^iov  sei  aus  einer  monophysitischen  Randglosse  eingedrungen, 
und  zuletzt  Xqiotov  ausgefallen.  Ich  gestehe,  dass  mir  selbst 
diese  Ansicht  der  Sache  eine  Zeitlang  die  annehmlichste  erschien. 
Indessen  überwiegen  doch  für  die  Lesart  &iov  entschieden  die 
äussern  Zeugen,  und  der  Nachweis,  wie  die  beiden  andern  Les- 
arten aus  d^tov  entstanden,  ist  unschwer  zu  liefern.  Dasselbe 
katholisirende  Streben,  welches  den  Interpolator  von  B  bei  üeber- 
arbeitung  aller  patripassianisch  oder  monophysitisch  klingender 
Stellen  leitete,  und  welchem  wir  auch  anderwärts  nicht  selten  be- 
gegnen, fand  den  Ausdruck  ui/na  &£ov  anstössig,  und  ersetzte 
d^eov  entweder  ganz  clurch  die  Lesart  Xqiotov,  oder  wusste  we- 
nigstens das  AnstÖssige  durch  das  vor  &eov  eingeschobene  Xgi- 
aiov  zu  mildern.  Das  letztere  ,  mit  dem  überlieferten  Texte  vor- 
sichtiger umgehende  Verfahren,  sehen  wir  bei  Lat.  A  angewendet. 
iv  ui/Liari  d-iov  ist  also  aufrechtzuerhalten,  und  Syr.  bietet  die 
richtige  Lesart.  Unter  den  andern  hier  zu  erwähnenden  Va- 
rianten, vgl.  noch  das  unzweifelhaft  richtige  anrjQTinuTt  mit  Gr. 
B  Lat.  A  Arm.  gegen  anaQTioaxt  Gr.  A  Cod.  Med,  (Cod.  Ca- 
sanat.   unuA'XLoaxi)  vgl.   Lat.  ß  '). 

Die  Hauptstelle  aber,  in  welcher  Syr.  eine  bis  dahin  ziem- 
lich verzweifelte  Stelle  in  völlig  klares  Licht  gesetzt  hat,  ist 
ebenfalls  Cap.  L  Hier  liest  Gr.  A  (Cod.  Med.  und  Casanat.) : 
axovoavxtg  ydg  deöffthov  . . .  iXnifyvxa  rfj  TiQoaev/f]  vfxoJv  inixv/jTv 
iv  ''Pojf.irj  &riQiofia/rjaat,  \'va  öta  xov  (.laQTVQiov  inixvy^HV  dvvi]&co 
^la^rixriQ  iivai  xov  vnig  Ti/hmv  eavxov  (/.vevfyxovxog  &e(p  jiQOOcfOQuv 
aui  ^voiav.  Gradeso  B  ,  nur  dass  für  iXni'C,ovxa  vielmehr  nenoi- 
&6xa  (TifTTO/^oTf^  Codd.  F  OR  V)  steht,  und  dass  das  Verbum  im- 
xv/tiv  fehlt  (Lat.  B  setzt  zum  Schlüsse  noch  bei:  in  odorem  bonae 
suavitatis).  Es  ist  offenbar,  dass  hier  ein  unvollständiger  Satz 
vorliegt:  es  ist  ein  Subject  da,  welches  im  Part,  axovoavxtg  Viegt, 
aber  das  Verbum  flnitum  fehlt.  Lat.  A.  Cod.  Caj.  giebt  nun  den 
fraglichen  Sat^  von  tVoe  an  durch  ut  potiri  possim  discipulus 
esse,  videre  festinastis,  während  Cod.  Mont.  auch  das  ut  potiri  pos- 
sim discipulus  esse  weglässt,  und  nur  videre  festinastis  bietet.  Wir 
hatten  nun  schon  oben  bei  der  Vergleichung  des  Cod.  Med.  mit 
Lat.  A  erkannt,  dass  hier  die  lat.  Codd.  in  den  Worten  xov  vneQ 
7}(A.(Jüv  —  &vniav  ein  Einschiebsel  bei  Cod.  Med.  erkennbar  machen. 
In  dem  Vorhergehenden  aber  hat  jedenfalls  Cod.  Mont.  zuviel 
weggelassen,  und  Cod.  Caj.  kommt  mit  seiner  Lesart  der  Wahr- 
heit näher.  Hier  hätten  wir  also  drei  Lesarten:  Vv«  öiä  xov  (xuq- 
xvQiov  inixvyjTv  dvvi^d^w  (.la^rjxi^g  elvat  (Gr.  A)  tV«  ötd  xov  f.iuQ~ 


1)  Ich  kann  nicht  beistimmen,  wenn  Bunsen,  auch  in  seiner  neuen  Her- 
stellung des  Textes,  ■&£ov  von  ai'fiari  durch  ein  Komma  trennt. 


124     Lipsius ,  Hier  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnatios. 

rvQiov  övi"i]&uJ  i-iad^rjTriQ  dvai  (B)  und  Vya  InixvyjXv  övvti&o) 
fiad-fjTrig  elvai.  Zu  diesen  kommt  nun  als  vierte  der  Text 
von  Syr.  Vm  öia  rov  Itiitv/hv  Svv7]d^ü)  ßadrjTrjg  ehai  ^).  Diese 
Lesart  ist  ganz  offenbar  die  richtige:  das  Lier  absolut  gebrauchte 
iniTV/jtv  war  anstössig,  daher  man  es  auf  mancberlei  Weise  bei 
Seite  schaffte.  Lat.  Ä  liess  das  dtä  t6  weg,  Gr.  A  setzte  ein 
/LiaQTvgiov  ein,  als  Object  zu  innv/eiv ,  und  B,  welcher  dia  tov 
nun  mit  (.laQTVQ^iov  in  eins  verband,  fand  das  enizv/nv  überflüs- 
sig, und  liess  es  aus.  Die  Vorzüglichkeit  des  syrischen  Textes 
ergibt  sich  auch  daraus,  dass  er  richtig  mit  Lat.  A  das  zum  Satze 
nothwendige  löetv  eanovddaaxe  beifügt,  dagegen  die  eingeschobe- 
nen Worte  TOV  vneg  tj/lhov  xtX.  weglässt.  Statt  letzterer  hat  er 
nur,  hier  in  üebereinstimmung  mit  Arm.,  &aov  als  Object  zu  f.ia- 
O^rjXijg  eivai,  dessen  Spuren  sich  in  dem  Zusätze  bei  Gr.  A 
und  B  deutlich  erkennen  lassen.  Wir  haben  hier  also  eine  Stelle, 
wo  Syr.  den  ursprünglichen  Text  gegen  die  verschiedenartigsten 
Abweichungen  bei  den  übrigen  Zeugen  (auch  Arm.  weicht  sehr 
ab)  allein  aufbewahrt  hat;  derjenige  Text  aber,  welchen  wir  unter 
den  übrigen  verhältnissmässig  für  den  reinsten  erkannt  haben,  der 
Text  von  Lat.  A,  speciell  von  Cod.  Caj.,  kommt  dem  vom  Syrer 
aufbehaltenen  Texte  am  nächsten. 

Der  dritte  Brief,  den  auch  der  Syrer  kennt,  ist  der  Rom  er- 
brief. Hier  hat  der  Syrer  einen  Abschnitt  mit  aufgenommen, 
der  bei  sämmtlichen  übrigen  Auctoritäten  das  vierte  und  fünfte 
Capitel  des  beim  Syrer  fehlenden  Trallerbriefes  ausmacht.  Wir 
nehmen  diesen  Abschnitt  vorläufig  jetzt  mit  in  die  Betrachtung 
des  Textes  auf. 

Zunächst  rauss  hier  an  das  Ergebniss  unserer  früheren  Un- 
tersuchung erinnert  werden,  dass  Lat.  A  in  Üebereinstimmung  mit 
Arm.  1  Arm.  2  und  mehren  patristischen  Citaten  (insbesondre  bei 
Timotheos)  eine  zusatzfreiere  Textrecension  bietet,  als  die  grie- 
chischen und  lateinischen  Codd.  von  B,  Cod.  Colb.  und  Sim. 
Met.  Diese  Zusätze  fehlen  nun  sämmtlich  auch  beim 
Syrer,  während  er  eine  Anzahl  Varianten  und  Zu- 
sätze, welche  Lat.  A  und  die  mit  ihm  gehenden  Zeu- 
gen enthalten,  ebenfalls  bietet. 

So  fehlen  bei  Syr.  folgende  Zusätze:  Cap.  4.  xoofitxdv  ^ 
f-iaraiov  (fehlend  auch  bei  Lat.  A  Arm.  1  Arm.  2;  vorhanden  bei 
B  Cod.  Colb,  Met.).  Cap.  5.  avaro/ual ,  diaigioeig  (ganz  fehlend 
auch  bei  Lat.  A  Eus.  Gr.  Eus.  Syr.  Ruf.,  vorhanden  bei  B  Cod. 
Colb.  Met.  Arm.  2,  theilweise  bei  Fr.  II  und  Arm.  1).  Cap.  7. 
fehlen  bei  Syr.  Lat.  A  Arm.  1  Arm.  2  die  Zusätze  uqtov  ovquviov, 


1 


I 


1)    Vollständig:     jocyi],  Px>j  U^/1   <^^  U]   joAAlbDj    IjOl    ^x^^ 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     125 

HQTOv  tcor^Q,  —  Tov  vlov  TOv  diov.  —  xai  aivvaog  ?W7/,  welche  alle  bei 
B  Cod.  Colb.  Met.  sich  finden;  desgl.  d^tov  nach  nof-ia^  welches  bei 
Cod.  Colb.  Met.  und  Cod.  0  (am  Rande)  steht,  aber  bei  Syr.  Lat. 
A  Ann.  1  Arm.  2  und  den  meisten  lat.  und  griech.  Codd.  von  ß 
fehlt.  —  Endlich  der  Zusatz  tov  ytvofAtvov  —  x«i  l^ßgauf-i,  der  bei 
Lat.  A  Arm.  1  Arm.  2  nur  in  sehr  verkürzter  Gestalt  vorliegt, 
fehlt  bei  Syr.  ganz.  Hierzu  kommt  endlich  noch  Cap.  1.  die 
Weglassung  des  jov  &tov  nach  ^ilr^^a,  worin  Syr.  mit  Lat.  A 
Syr.  2  B  gegen  Cod.  Colb.  Met.  ein  Manuscript  von  B  Arm.  1 
(und  Arm.  2,  doch  dieser  tov  y.vQiov)  übereinstimmt;  und  die 
VVeglassung  des  x«i  in  luv  yuQ  y.ai  avQtd^w  Cap.  3,  wo  alle  Zeu- 
gen gegen  Cod.  Colb.  stimmen.  —  An  allen  diesen  Stellen  kann  es 
gar  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  die  weggelassenen  Zusätze  nicht 
ursprünglich  im  Texte  standen,  und  wir  werden  anerkennen  müs- 
sen, dass  Syr.  eben  durch  diese  VVeglassungen  einen  besseren  und 
reineren  Text  beurkundet.  Nur  einen  einzigen  Zusatz,  den  Lat. 
A  und  x4rm.  1  nicht  kennen ,  nämlich  Cap.  4.  das  ev  uvtm  iu 
avaGTi]aof.iai  Iv  aviw  iXev&BQog  hält  Syr.  aufrecht,  and  grade  hier 
stimmt  unter  den  übrigen  Zeugen  auch  Arm.  2  für  die  fraglichen 
Worte.  Ebenso  hält  Syr.  mit  allen  Zeugen  gegen  Cod.  Colb. 
die  letzten  Worte  von  Cap.  3.  oiav  fM,tai]Tai  vnb  x6of.iov  auf- 
recht, ohne  Zweifel  mit  Recht;  und  Cap.  4.  bietet  er  den  Zu- 
satz ^£w  zu  &vaia  evQe&o)  und  anelevd^eQog  yev^ao/Liaiy  wo 
beidemale  nur  Met.  mit  Cod.  Colb.  stimmt.  Dasselbe  ürtheil  ist 
über  die  Aufrechthaltung  des  Vf.dv  nach  dviaf-iut  Trall.  5.  zu  fäl- 
len, wo  Syr.  ebenfalls  mit  allen  Zeugen  gegen  Cod.  Med. 
geht;  desgleichen  über  den  Zusatz  votTv  vor  t«  inovguvia  eben- 
daselbst, wo  ganz  dasselbe  Zeugenverhältniss   stattfindet. 

Unter  den  übrigen  Varianten  mit  Lat.  A  sind  zu  bemerken 
Inscr.  /p/(TTorO|MO^  (so  auch  Syr.  2  Arm.  1  Arm.  2)  für  /qiotw' 
vv/Äog  (Cod.  Colb.  ß) ;  der  Zusatz  f,i?]  zu  qtio7]Gd^e  /liov  (Cap.  1. 
am  Schlüsse),  wo  auch  Arm.  1  und  ß  das  zum  Sinne  nothwen- 
dige  IU7]  gegen  Cod.  Colb.  Met.  Lat.  ß  aufrecht  erhalten;  Cap.  2. 
die  Lesart  eyco  yevriGOf-iat  Xoyog  d^eov  und  ndXiv  iOOjiiai  TJ/iUy 
welche  wir  bereits  oben  ausführlich  erörtert  haben;  Cap.  3.  o^Jf- 
noTB  ißaaxuvuza  iv  ovötvi  oder  vielmehr,  da  Syr.  häufig  den  Da- 
tiv durch  ci  ausdrückt,    ovdevl    für   ovöiva    (Cod.    Colb.    Lat.  ß): 

richtig,  weil  ßaaxaivfiv  in  der  Bedeutung  beneiden  in  der  Re- 
gel mit  dem  Dativ  construirt  wird.  Ebendaselbst  ovdev  (patv6f.ie' 
vov  uyu&ovi  die  richtige  Lesart  für  ovdiv  q}aiv6(.ievov  ulcoviov, 
wie  wir  oben  ebenfalls  erwiesen  haben ;  7ietGf.iovrjg  für  das  irrige 
atwnrjg  bei  Cod.  Colb.  (s.  oben) ;  endlich  Cap.  7.  cptXovv  Tt  [uXXo] 
für  (piXüvlov  (Cod.  Colb.  Met.  Cod.  0  (am  Rande)  Men.  Gr.), 
worüber  ebenfalls  unsre  obige  Auseinandersetzung  nachzusehn  ist. 
Soviel  ergibt  sich  also  aus  dem  Erörterten  zur  Genüge,  dass 
der  Text,  welcher  dem  Syrer  vorlag,  nicht  nur   kein    secundärer 


126     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

sondern  vielmehr  der  nachweislich  vorzüglichste  war,  der  ander- 
wärts bezeugt  ist.  Möglich  bleibt  freilich  hierbei  immer  noch, 
dass  Syr.  diesen  vorzüglichen  Text  seinerseits  willkürlich  verstüm- 
melte; doch  ist  dies  eine  Frage,  die  wir  gegenwärtig  beiseitelassen. 

Wichtiger  ist  zunächst  für  uns  eine  andre  Frage.  Gehört 
sonach  Syr.  im  Römerbriefe  der  Familie  A  an?  Zur  Beantwortung 
sei  vorläufig  an  das  oben  gefundene  Verhältniss  des  Cod.  Colb. 
erinnert,  der  in  allen  diesen  Varianten  oder  doch  in  den  meisten 
derselben,  die  wir  aus  innern  und  äussern  Gründen  verwerfen 
mussten,  mit  B  geht,  und  trotzdem  nicht  der  Familie  B,  sondern 
der  Familie  A  zugezählt  werden  konnte  Bei  Syr.  findet  nun  ein 
ziemlich  umgekehrtes  Verhältniss  statt:  trotz  der  genannten  üeber- 
eiustimmungen  mit  Lat.  A  haben  wir  kein  Recht,  denselben  zur 
Familie  A  zu  rechnen.  Es  wird  uns  dies  jedoch  nicht  Wunder 
nehmen  dürfen,  wenn  wir  uns  vergegenwärtigen,  dass  auch  im 
Polykarpbriefe  und  Epheserbriefe  der  Syrer  vielfach  spätere  Aen- 
derungen  von  B  noch  nicht  kennt,  an  den  betreifenden  Stellen 
also  mit  A  stimmt,  und  trotzdem  Alles  in  Allem  genommen,  dem 
vorauszusetzenden  ältesten  (nicht  blos  älteren)  Texte  von  B  noch 
näher  steht  als  der  Familie  A. 

Der  Zusammenstimmungen  mit  Gr.  und  [^  a  t.  A  gegen  den  jetzi- 
gen Text  von  B  sind  eine  noch  grössere  Anzahl  als  der  Varianten  mit 
Lat.  A  gegen  Gr.  A  und  B.    Der  Grund  liegt  in  den  Veränderungen, ^ 
die  der  Text  B  zuletzt  durch  den  Interpolator  erfuhr.   Es  wirdi 
freilich  schwer,  diese  Aenderungen  durch  den  bekannten  Interpo-^ 
lator  von  den  früher  schon  vorgenommenen  Aenderungen  zu  schei- 
den:  indessen  kann  als  allgemeiner  Massstab  festgehalten  werden,: 
dass  keine  von  den  auch  bei  Met.   Cod.  Colb.  oder  auch   bei  Dam.j 
Antioch.  Anton,  sich  findenden  Abweichungen   dem  Interpolator  zu* 
geschrieben    werden    darf,    während    freilich    umgekehrt    durchauti 
nicht  feststeht,  dass  alles,  was  sich  bei  B  allein  findet,  dem  Inter- 
polator nun  zugehört.      Wir  suchen   indessen,  soweit  dies  angeht,! 
die  Zusätze  des  Interpolators  von  dem  schon    vor    ihm    vorhande- 
nen   (gleichviel     ob    ursprünglichen    oder    auch    schon    alterirten)1 
Texte    B    zu    scheiden.      Ersterem    sind    beizulegen    Cap.    1.    dii 
Worte    zum    Schlüsse    nQoqjuaei   (fiXiag   ouQxivrjg   (noch    später] 
bei  Lat.  B  der  Zusatz    tarnen    potero    nach    %ov    d^eov    IniTvxtTv), 
Cap.  2.    das  Einschiebsel  nach  (ueianei^ixiKAf^tupg:    y.ai   twv    tavTOv\ 
na&rjfAUTCDV  (xuQiVQa  xaluV  tov  dieXdeiv  avzov  (Codd.  Nydpr.  F; 
aber  Codd.  Aug.  BOV   tov  SiuXvd^ijvui)  und  xoa/Liov  xrh     Es    istj 
indessen  klar,    dass  die  letzten  Worte  ein  Verderbniss  aus  yaXovi 
t6  dvvat  sind,  welches  vielleicht  schon  vor  dem  Interpolator  in  B 
eingedrungen  war.     Cap.  3.    gehört    zunächst   die  Aenderung  der 
Interpunction  in  den  Worten  ov  7i(iG{.iov?jg  t6  l'^yov,    uXXa   f-ieya- 
dovg  ioTiv  b  XQiaTiaviafA.bg,  otuv  fiiaiJTui  vno   y^oofiov  schon  einer 
frühern  Epoche  an.     Es  wurde  ein  Punkt  nach  Iot\v  gesetzt  und 
nun  für  den  mit  6  XQiaTiavbg  beginnenden  neuen  Satz  ein  eignes 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     127 

Verbum  q)iXtiTai  naQo.  d^iov  ergänzt.  Ebenso  liest  auch  Met.  Da- 
gegen gehört  nun  der  folgende  jobanneiscbe  Zusatz  h  ex  zov 
y.oafxov  —  f-iHvuTE  nag*  i/noi  entschieden  dem  Interpolator  zu. 
Aenderungen  des  Interpolators  mögen  noch  Cap.  4.  in  den  Wor- 
ten ixtivoi  anooioXot,  eyw  di  xuidygizo^,  i/.Hvoi  l'kti&tgoi  xiX. 
der  Zusatz  ^Jr^oov  Xqiötov  zu  unoaioXot,  vielleicht  die  Ersetzung 
des  zu  starken  Ausdrucks  xaruxgnoq  durch  iXayioTog ,  endlich 
der  Beisatz  wg  dovXot  &eüv  zu  iltvOtgoi  sein.  ( Zweifelhaf- 
ter ist  dies  dagegen  mit  dem  Zusätze  von  Gr.  B  er  «  'tw  zu 
dtda/iievog).  Trall.  4.  mag  vielleicht  der  bei  B  fehlende  Anfang 
nolXa  cpgovcü  h  ifto)  durch  die  Verderbnisse  des  vorhergehenden 
Capitels,  welche  der  Interpolator  vergeblich  zu  beseitigen  suchte, 
verschlungen  worden  sein.  Doch  scheint  es  richtiger,  diese  Worte 
in  den  folgenden  xav  (ggtü/ntvog  o)  tu  xaxa  d^tov  wiederzufinden, 
und  diese  rühren  nicht  vom  Interpolator  her,  denn  sie  finden 
sich  auch  bei  Maxim,  und  Johann.  Dam.  Auch  die  Zusätze  toi) 
ix^QOv  und  o  dmßolog  gehören  ihm  nicht  an.  Desto  deutlicher 
sind  seine  Spuren  nachweisbar  im  5.  Cap.  —  Zweifelhaft  mag 
der  veränderte  Anfang  f.irj  ydg  ovx  tßovXofiriV  vuiv  ^ivaiixconga 
ygaipai;  zweifelhaft  allenfalls  noch  der  übrigens  ganz  secundärc 
Zusatz  T71V  ivtgytiav  zu  /(ngriout  sein:  sicher  dem  Interpolator 
gehört  die  Erweiterung  der  angelologischen  Stelle  an,  xal  tag 
dyythxdg  ra^eig  —  ^eov  una^üö^eiov  ^  desgleichen  der  folgende 
Satz  ravia  yivMOxwv  iyd)  ov  ndviwg  Tjör]  veieXei'cofÄai ,  tj  /uur^i]- 
Tfjg  Ujiti  oiog  UavXog  xcxi  Tliigog  für  das  einfache  nagd  tovxo  rjdij 
xal  f-iu&fji/jg  il(,u. 

Dass  nun  von  allen  diesen  Abweichungen  von  vornherein  ab- 
zusehn  ist,  wenn  wir  das  Verhältniss  des  syrischen  Textes  er- 
gründen wollen,  bedarf  nach  den  Resultaten  unserer  bisherigen 
Untersuchung  kaum  der  Erwähnung.  Es  handelt  sich  also  noch 
um  andre  Abweichungen  des  Textes  B  von  Syr.  und  A,  welche 
früheren   Datums  als  jener   Interpolator  sind. 

Hierher  gehören  folgende:  Inscr.  lesen  Syr.  A  und  alle  Aucto- 
ritäten  von  A  nurgug  vyjioioVi  B  vxpiaTov  d^eov  naigog,  Cap.  2, 
Syr.  A:  nXtov  [öe]  /uoi  (.iri  nugdo/j^n&e ,  dafür  ß  Met.  nage/jo&e 
ohne  iLiTj.  Doch  erklärt  sich  diese  Weglassung  einfach,  da  au- 
sser Cod.  Aug.  alle  Codd.  von  B  statt  /nol  vielmehr  f.ie  lesen. 
Cap.  3.  der  oben  schon  besprochene,  offenbar  secundäre  Zusatz 
(piXiLTui  nagd  &tov.  Cap.  4.  erklärt  sich  der  Zusatz  iv  uvtlo 
vor  öid((Ätvog,  der  sich  übrigens  blos  bei  Gr.  B  findet,  wol  am  ein- 
fachsten aus  einer  Wiederholung  des  kurz  vorhergegangenen  h 
uvTM  nach  iXtvd^egog.  Cap.  5.  liest  B  mit  Arm.  1  Arm.  2  Eus. 
Hier.  Rufin.,  also  bei  Weitem  mit  der  grössten  Anzahl  von  Zeu- 
gen u  xal  tvxo/nat.  Syr.,  der  grade  hier  eine  Menge  Varianten 
mit  B  gemein  hat,  weicht  hier  mit  Eus.  Syr.  ab,  und  lässt  nach 
dem  Texte  von  A  (auch  Met.)  u  weg.  Ebenso  behält  Syr.  die 
Lesart  vonA  Met. Eus. Syr.,x«xai  xoXdatighei  für  xal  xoldattg {Eus, 


128     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignaiios. 

[wo  xai  wol  nur  irrthümlicli  fehlt,  vgl.  die Ueberss.]  Met.)  oder  xfu  y.6- 
Xaaig  (B  Eus.  Syr.)  oder  xat  ndvreg  xoluaetg  (Ruf.  Hier.  Arm.  2) 
oder  xal  yaxal  ycoluoEig,  der  secundärste  Text  von  allen  (Syr.  Fr.  II 
Arm.  1).  Es  leucLtet  ein,  dass  y.al  aus  xay.al  leicbter  entstelm 
konnte,  als  dieses  aus  jenem:  die  äussern  Zeugnisse  sind  eben- 
falls günstiger  für  die  Lesart  yaxal,  da  Arm.  1  und  Arm.  2  hier 
nicht  mit  in  Betracht  kommen.  Syr.  hat  nachweislich  wiederum 
den  ältesten,  richtigsten  Text  bewahrt:  und  analog  wird  wol 
auch  über  das  «  in  der  vorhergenden  Variante  zu  urtheilen  sein. 
Cap.  9.  fehlen  bei  B  und  diesmal  auch  bei  Arm.  1  die  Worte  li] 
yMiä  oaQxa  nach  rfj  höro,  gegen  A  Syr.  Arm.  2  Met.  Cod.  0  am 
Rande.  Allein  offenbar  mit  Unrecht:  wegen  des  folgenden  xard 
nokiv  Hessen  die  Abschreiber  irrthümlich  yaxa  ouQxa  aus ,  wie 
denn  nach  der  Angabe  älterer  Edd.  ein  Manuscript  bei  B 
(Cod.   0?)  umgekehrt  yaru  GUQya,   hat   und    yoru    nöXiv    auslässt. 

Sonach  ist  unter  allen  Varianten  zwischen  B  und  Syr.  keine 
einzige,  welche  sich  als  ursprüngliche  \  erschiedenheit  zweier 
gleicb berechtigter  Familien  erwiese,  vorausgesetzt,  dass 
wir  das  oben  Gefundene  festhalten,  welchem  gemäss  B  allerdings 
noch  vor  dem  Interpolator  Veränderungen  erlitten  hat,  die  Syr, 
noch  nicht  kennt.  Bei  allen  obengenannten  bleibt  die  Möglich- 
keit späterer  Aenderung,  bei  allen  ausser  dem  &8ov  in  der  InscrJ 
und  dem  «  Cap.  4.  sogar  die  Gewissheit,  dass  auf  Seite  von  Bj 
ein  Irrthum  vorliegt,  wenn  auch  dieser  Irrthum  sehr  frühzeitij^ 
eingedrungen  sein  mag.  Freilich  ist  andrerseits  so  viel  klar,] 
dass  Syr.  eben  wegen  solcher  Abweichungen  von  dem  theilweise! 
schon  durch  Eus.  bezeugten  Texte  von  B  nicht  ohne  Weite -^ 
res  zur  Familie  B  gewiesen  werden  kann,  mögen  die  sonstigei 
Aehnlichkeiten  noch  so  gross  sein. 

Diese  Aehnlichkeiten  sind  jedoch  theilweise    ziemlich   auffäl* 
liger  Art.     Zuerst    Cap.   1.    die  Worte    bei    A:    edvneg   ;ja()£T0ff1 
inixvxoi ,  tig  ro  top  xXiJQov  /iioi  dve/nnoSiaiwg  dnoXaßtiv.  So  lesen 
Cod.    Colb.    Met.   und   Lat.    A    (letzterer    nur   gratia    raea).      Da-; 
gegen  liest  Syr,:  edvneQ  tlg  ni^ag  enirvxw,  eig  rö   xil.  (Jo^m]  A: 
J^^vßQjj_V^  QA.^l^A!iQ!^  si  dignus  fiam  perduci  ad  finemj  offenbar] 

ist  die  umständlichere  Uebersetzung  des  intTv/co  statt  des  sonst^ 
gewöhnlichen  dignum  fieri  hier  durch  die  Construction  mit  dg  be- 
dingt). Die  folgenden  Worte  dg  to  xtX.  sind  sonach  Epexegese 
des  elg  ntgug ,  während  bei  der  Lesart  von  A  dieser  Satz  ein 
einfacher  Finalsatz  ist,  abhängig  von  /uQixiog  eTrirv/w.  Ver- 
gleichen wir  nun  die  übrigen  Zeugen,  so  liest  Arm.  1  grade 
so  wie  Syr. ,  B  bietet  aber  idvneQ  xaQtrog  eniTvxM,  dg  t6 
Tov  xXiJQov  f.iov  dg  nigag  uvef-inodiaTcog  unoXaßHv.  B  liest 
also  beides,  sowol  yuguog  als  dg  nigag,  letzteres  aber  an  un- 
passender Stelle.  Ferner  Syr.  2  liest  ebenfalls  beides,  aber 
dg  nigag  an  derselben  Stelle,   wo    es    bei    Syr.    1    steht    JisO^li.? 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     129 

iZOÄA^  IjcJT.^  oiD5)l  li^i^^QA^  quod  usque  ad  fiuem  assequar 

hanc  gratiam;  und  ebenso  bietet  Arm.  2  si  finera  etiam  grafiae 
obtinebo.  Nun  ist  g-ar  nicht  zu  bezweifeln,  dass  bei  diesen  letz- 
tern Zeugen  ein  aus  der  Lesart  von  A  und  Syr.  g-emiscliter 
Text  vorlag-,  A  las  yuQiTog ,  Syr.  slg  ntfjug  (woraus  vielleicht 
einige  Handschriften  ntQarog  machten,  weil  iniTvyyuviiv  gewöhn- 
licher mit  dem  Genitiv  verbunden  wird};  B  ebensowol  als  Syr.  2 
und  Arm.  2  setzten  beiderlei  Text  voraus,  und  die  letztg-enann- 
ten  zwei  Zeug-en  behielten  auch  die  ursprüngliche  Wortstellung^ 
des  elg  ntgag  bei.  Folgt,  dass  hier  hei  Syr.  ein  sehr  alter  Text 
vorliegt,  dem  die  Handschriften  von  B  näher  stehn  als  die  Hand- 
schriften von  A;  aber  Syr.  ist  hier  ursprünglich,  B  secundär.  Ob 
nun  die  Lesart  von  A  oder  Syr.  ursprünglicher  sei,  kann  dahin- 
gestellt bleiben:  beide  bieten  einen  guten  Sinn,  obwol  mir  scheint, 
dass  yaQiTog  leichter  (durch  die  Vermittelung  von  nt'iJUTog)  aus 
dem  oben  angeführten  Grunde  entstehn  konnte,  als  elg  nigug  aus 
/aQiTog,  War  einmal  efg  ntQug  in  n^Qaxog  geändert,  so  lag  die 
Coirectur  /ugiTog  sehr  nahe,  da  xugtrog  iniivyxuvtiv  eine  den 
ignatianischen  Briefen  sehr  geläufige  Wendung  war,  die  man  leicht 
auch  an  vorliegender  Stelle  vermuthen  konnte.  Cap.  4.  liest  Syr. 
mit  Arm.  1  Arm.  2  Timoth.  und  B  iyw  yQÜcpco  nuaatg  ruTg  fxxl?]- 
oiaig,  während  Lat.  A  Cod.  Colb.  Mai.  nuaaig  weglassen.  Die  Lesart 
von  B  und  Syr.  ist  also  auch  durch  Documente  der  Familie  A  bezeugt. 
Ebendaselbst  /V«  xu&uQog  uQiog  ^eov  eigid^co  Syr.  B  Arm.  1  Arm.  2 
Iren.,  während  Lat.  A  Colb.  Met.  Timoth.  und  Cod.  0  am  Rande 
JCqiotov  für  Deov  lesen  (ebenso  einige  Codd.  bei  Rufin.),  Eus, 
Gr.  und  Eus.  Syr.,  Hieron.  Ruf.  aber  das  fragliche  Wort  ganz 
weglassen.  —  7uTuvtvouTt  tov  xvgiov  Syr.  Fr.  p.  296  Arm.  1  Arm.  2 
B  für  TOV  Xgiaibv  Colb.  Lat.  A  oder  tw  Xgionp  Met.  und 
Cod.  0  am  Rande.  —  iya)  de  yuTuxgiTog  Syr.  B  {tku/jaTog,  s.  ohen) 
Arm.  1  Arm.  2;  ohne  de  Lat.  A  Colb.  Met.  Fr.  p.  ^296.  Cap.  5. 
IvSeöef-itvog  Syr.  B  Arm.  1  Eus.  Gr.  Eus.  Syr.  für  Seöef.ievog 
Colb.  Met.  ein  Manuscript  von  Gr.  B  Ruf. ,  wol  auch  Lat.  A 
(Arm.  2  Lat.  B  ?).  —  ovvTO(.ia  Syr.  B  Eus.  Gr.  Eus.  Syr.  Hier. 
Arm.  1  Arm.  2  für  tToifia  Lat.  A  Colb.  Met.  Cod.  0  am  Rande. 
Hier  scheint  ovi/TO(.ia  aus  dem  folgenden  avviufiwg  entstanden  zu 
sein,  doch  ist  auch  der  umgekehrte  Fall  denkbar,  dass  man  wegen 
des  owTOf-iMg  im  Vorhergehenden  e'Tot(.iu  emendirte. 

Hierzu  kommen  noch  einige  Stellen,  in  welchen  B  theil- 
weise  mit  Syr.  geht.  So  Inscr.  die  Weglassung  des  y.al  in  ijrig  xal 
7Tgoxu&7]Tai  bei  Gr.  B,  Syr.,  Syr.  2,  Arm.  1  Arm.  2,  während 
Lat.  A  Colb.  Lat.  B  das  xul  kennen.  Besser  bezeugt  ist  offen- 
bar die  Weglassung.  Cap.  2.  lesen  Syr.  und  Cod.  Nydpr.  elg  d^eov 
(Syr.  IcTiliJo)  für  ngog  deov.     Die  Entscheidung    ist    aus   inuern 

Gründen  unmöglich.  Cap.  3.  /iiovov  fioi  dvvu(.tiv  ahrjaaaS^e  öo&ij- 
vut  Syr.  B  Met.  Arm.  1  und  Cod.  0  am  Rande  gegen  (.lovov  fioi  dv^ 

Abhandl.  d.  DMG.  1,5.  9 


130     Lipsius,  üler  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignaüos. 

vc/fuv  aUtTad^t  ohne  dodfjvai  (übrigens  setzen  Met.  und  Cod.  0 
nagu  d^iov  bei).  —  Für  ov/,  ügn^Q  zivcov  ÖEÜMivo/^ttva  ov^  rj^juvro 
Colb.  Lat.  A  Met.  Gr.  B  (Arm.  2)  Eus.  Gr.  lesen  Syr.'  Lut.  B 
Eus.  Syr.  Ann.  1  Uieron.  ovx  wgniQ  tivOjv  uXlcov  y.zX.  —  Einige 
weitere  Varianten  bei  Syr.  und  Eus.  Syr.  liaben  wenigstens  keine 
Zeugen  bei  B  für  sieb.  —  ay.OQniaf.ioQ  Syr.  Syr.  Eus.  Fragm. 
p.  201  Arm.  1  Arm.  2  Lat.  B  gegen  a/.OQnia(.iol  Lat.  A  Colb. 
Met.  Eus.  Gr.  Gr.  B.  —  Cap.  7.  rov  alcovoQ  tovtov  Syr.  Arm.  1 
Lat.  B  Cod.  Baliol.  und  Edd.  gegen  tov  ßiov  tovtov  bei  Lat.  A 
Colb.  Met.  und  die  übrigen  Zeugen  bei  B  (Arm.  2  scheint  eben- 
falls TOV  ßiov  TOVTOV  vorauszusetzen).  —  In  og  eoTi  odg'^  ^Ir^aov 
XQiazov  lässt  vSyr.  ^Itjaov  weg  mit  Codd.  FOV.  Cap  9.  end- 
lich setzt  Syr.  vor  hq  üvof.ia  ^Ir^aorj  XQiaiov  ein  mq  voraus,  mit 
Cod.  Nydpr.,  Lat.  ß  und  Arm.  1.  Nun  lassen  zwar  diese  Zeugen 
sämmtlich  tig  dafür  weg;  doch  kann  dies  ein  Irrtbum  sein,  da 
eins  von  beiden  Worten  bei  den  Abschreibern  leicht  wegfal- 
len konnte;  welche  Erklärung  an  vorliegender  Stelle  natürlicher 
als  die  Annahme  scheint,  dass  bei  Syr.  eine  Mischung  des  bei- 
derseitigen Textes  vorläge ,  eine  Annahme,  zu  der  wir  durch  kein 
Analogon  berechtigt  sind,  während  unsre  Ansicht  paläographisch  völ- 
lig sicher  steht.  Syr.  hat  also  auch  hier  den  ursprünglichen   Text. 

Das  Resultat  bleibt  wiederum  dieses,  dass  Syr.  nicht  zur 
Familie  A  gerechnet  werden  darf;  die  Verwandtschaft  mit  B 
aber  ist  zwar  nicht  wegzuleugnen,  ist  jedoch  ebenfalls  nicht  so 
bedeutend,  um  darauf  eine  Verweisung  des  Syrers  an  die  Familie 
B  zu  begründen.  Dagegen  führen  mehrfache  Spuren  darauf,  dass 
B  zwar  mannichfachc  Abweichungen  von  A  mit  Syr.  gemein  hat, 
dass  aber  hier  Syr.,  soweit  überhaupt  ein  Nachweis  möglich  ist, 
den  älteren  unverfälschten  Text  noch  bietet.  Wir  haben  also  eine 
mit  B  mehrfach  verwandte,  aber  ältere  und  ursprünglichere  Text- 
gestalt beim  Syrer  anzuerkennen. 

Etwas  anders  stellt  sich  das  Verhältniss  bei  den  zwei  Ca- 
piteln  des  Trallerbriefes,  welche  Syr.  dem  Römerbriefe  ein- 
verleibt hat.  Bier  bietet  B  insbesondre  im  4.  Cap.  einen  schon 
vor  der  Zeit  des  Interpolators  bezeugten,  mehrfach  sehr  bedeutend 
abweichenden  Text.  Sehen  wir  recht,  so  ist  indessen  diese  Re- 
censiou  eine  spätere;  und  so  weit  die  ursprüngliche  Gestalt  noch 
durch  Combinationen  erschlossen  werden  kann,  so  legt  die  Ueber- 
einstimmung  des  Syrers  mit  A  damit  noch  kein  Zeugniss  dafür 
ab,  dass  Syr.  ohne  Weiteres  hier  abweichend  von  seinem  sonsti- 
gen Texte  der  Familie  A  beigezählt  werden  müsste.  Wenigstens 
haben  wir  auch  zwei  Varianten  mit  B  Cap.  4.  l(.u  öi  noXifiei 
ohne  das  bei  A  eingeschobene  nXiov  und  Cap.  5.  noXXu  yuQ  (.loi 
Xeintt  (so  auch  Arm.)  statt  noXXci  yuQ  ti/luv  Xdnei  wie  A  Sev. 
und  auch  Syr.  Fr.  I  fp.  J98)  lesen.  Es  kann  also  obiger  Um- 
stand uns  nicht  Wunder  nehmen:  Syr.  geht  mit  A  mehr  als  ß, 
weil  A  hier  ursprünglicher  ist;  die  üebereinstimmung  mit  A 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios»     131 

kann  also    auch    hier    eine    völlig    selbständige    sein ;    jedenfalls 
ist  sie  keine  völlig   durchgangige. 

Wenn  es  sonach  durch  Vergleichung  des  Syrers  mit  A  und 
B  für  den  Römerbrief  feststeht,  dass  ersterer  bei  seiner  Ueber- 
setzung  einen  sehr  vorzüglichen  und  alten  Text  benutzt  hat,  so 
mag  es  hier  gestattet  sein,  noch  einen  Blick  auf  die  kleineren 
Auslassungen  bei  Syr.  im  Römerbriefe  zu  werfen.  In  dem  bisher 
Besprochenen  hatten  wir  gesehn,  dass  Syr.  allenthalben  mit  Lat.  A, 
dem  zusatzreinsten  Texte,  stimmte;  dass  die  gemeinschaftlichen 
VVeglassungen  weder  zufällig  noch  secundär  sein  konnten;  dass 
daraus  indessen  noch  keine  Abhängigkeit  des  Syr.  von  Lat.  A 
gefolgert  werden  könne  (wie  denn  Syr.  wenigstens  einen  Zusatz, 
der  bei  Lat.  A  und  Arm.  1  fehlte,  aufrechterhielt) :  dass  vielmehr 
das  sonstige  Textverhältniss  des  Syrers  seine  Unabhängigkeit  von 
Lat.  A   hinlänglich   sicher  stelle. 

Wie  steht  es  nun   mit  den  übrigen  Auslassungen   des  Syrers? 

Wir  beginnen  mit  der  schon  oben  bei  Vergleichung  des  Cod. 
Colb.  VQxt  den  lateinischen  Codd.  von  A  besprochenen  Stelle  Cap.  3. 
oiöh  (f)aivb(.uvov  auoviov*  tu  yug  ßlenofieva  TiQÖay.aiQa,  toi.  öe 
(.17]  ßXen6(.uvu  uicovia.  'O  yäg  ^iog  7jf.uov  ^Trjoovg  XQiGTog  Iv 
nuTQi  üjv  (.luXXov  cpuii'tT(Kt,  Wir  hatten  gesehn ,  dass  dieser 
Text  nur  bei  Cod.  Colb.  sich  findet,  während  die  übrigen  Zeugen 
nur  einen  von  beiden  Zusätzen  kennen:  Sim.  Met.  und  die  ^odd. 
von  B  den  ersten  rä  yu.Q  ßlenofieva  —  ulwvia  ,  Lat.  A  Arm.  1 
Arm.  2  Timoth.  den  letzten  o  yu^)  dtog  rjf.iojv  xtA.  Die  letzte- 
ren Auctoritäten  lasen  ayai}dv  für  uhoviov ,  und  zwar  ergab  sich 
dies  als  die  vorzüglichere  Lesart.  Den  ersteren  Zusatz  anlan- 
gend, so  war  er  hinlänglich  kenntlich  als  ein  eingeschobenes 
Bibelcitat,  veranlasst  erst  durch  die  Lesart  uhovtov.  Was  aber 
den  letzteren  Zusatz  anbetrifft,  so  kann  auch  für  ihn  der  Um- 
stand nicht  günstig  stimmen,  dass  er  in  sämmtlichen  Zeugen  der 
Familie  B  fehlt;  dass  selbst  Sim.  Metaphr.,  der  sonst  überwie- 
gend mit  Cod.  Colb.  geht,  hier  von  ihm  abweicht  und  der  Lesart 
von  B  sich  anschliesst.  Aus  innern  Gründen  aber  lässt  sich  die 
Ursprünglichkeit  dieses  Zusatzes  auch  nicht  erweisen;  er  kann 
ohne  Nachtheil  fehlen.  Warum  er  aber,  falls  er  unächt  ist,  ein- 
geschoben wurde,  lässt  sich  leicht  absehn.  Die  Ansicht  von  der 
Schlechtheit  der  Sinnenwelt  musste  dem  bedenklich  erscheinen, 
dem  die  wahre  Menschheit  Christi  im  Gegensatze  gegen  die 
doketischen  Häresien  ein  wichtiger  Glaubensartikel  war.  War 
wirklich  die  Sinnenwelt  schlecht,  so  hätten  die  Gnostiker  mit 
ihrer  Consequenz  Recht;  dass  eine  wahre  Menschheit  Christi  eine 
Befleckung  des  Pneumatischen  in  ihm  gewesen  wäre.  Daher 
denn  bei  B  die  Correctur  in  uiaiviov ,  die  allen  weitern  Einwürfen 
vorbeugte,  bei  A  der  Zusatz  6  yäg  d^eug  r^fuZv  xtA.,  der,  wenn  er 
acht  sein  sollte,  jedenfalls  nur  als  Parenthesis  zu  fassen  wäre,  da 
er  den  Gedankengang  unterbricht.    Ob  übrigens  der  hier  gebotene 

9* 


132     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios, 

Gegengrund  ein  sticlilialtiger  war,  kann  uns  für  die  vorliegende 
Frage  gleicligiltig  sein. 

Vergleichen  wir  nun  den  Text  des  Syrers,  so  bietet  dieser 
die  richtige  Lesart  uyud^ov,  lässt  aber  den  ersteren  Zusatz  mit  A, 
den  letzteren  mit  B  weg.  Was  hieraus  folgt,  ist  nunmehr  leicht 
abzusehn.  Wie  Cod.  Colb.  den  secundärsten  weil  aus 
A  undB  gemischten,  so  hat  Syr.  den  ursprünglichen, 
von  den  beiderseitigen  Zusätzen  noch  reinen  Text. 
Wir  haben  mithin  an  dieser  Stelle  ein  recht  leuchtendes  Beispiel, 
dass  der  syrische  Text  auf  einer  älteren  und  zusatzreineren  Re- 
cension  beruht,  als  selbst  der  Text  von   Lat.  A. 

Bestätigt  wird  dieses  Ergebniss  durch  eine  Weglassung, 
welche  Syr.  mit  Arm.  1  gemein  hat.  Sie  ist  im  Anfange  von 
Cap.  3.,  wo  der  Satz  iycü  de  d^elco  'Iva  xuxeTva  ßeßaia  f]  u  /na&t]- 
Tevovreg  IvTt'kXto&e  bei  beiden  fehlt.  Wir  setzen  hier  einfach 
das  ürtheil  Petermanns  hin:  „uterque  interpres  omisit  verba 
eycü  de  —  ivTtXXead^e,  quae  salvo  sensu  deleri  possunt,  et  ab  aliis 
fortasse  addita  sunt",  üebrigens  charakterisirt  sich  dieses  Ein- 
schiebsel dadurch,  dass  es  idiöa^uTt  irrig  im  streng  dogmatischen 
Sinne  interprctirt,  und  nun  einen  Wunsch  für  Festigung  der  wah- 
ren Lehre  beifügt  ^ ).  Eine  andre  Syr.  und  Arm.  gemeinschaft- 
liche Weglassung,  Trall.  5.  v7]7iioig  ovaiv,  gibt  keinen  Anhalt  für 
die  Kritik:  der  Zusatz  konnte  fehlen  und  stehn,  durch  Zufall 
ausgeblieben  oder  aus  ueutestamentlichen  Reminiscenzen  entstan- 
den sein. 

Ausser  diesen  Weglassungen  findet  sich  eine,  die  Syr.  mit 
Metaphr.  gemein  hat,  Cap.  l.  wg  y.al  nXiov  ^]T0Vf.i7]v  XaßeTv,  Auch 
Cod.  0  schliesst  diesen  Zusatz  in  Klammern.  Die  Weglassung 
dieser  Worte  beim  Syrer  aus  der  erleichternden  Uebersetzung  des 
inev'^afLinog  xrh  bei  Syr.  herzuleiten,  wie  es  Uhlhorn-)  thut, 
ist  wenigstens  nicht  sicher:  man  sieht  nicht  ein,  was  den  Syrer 
zu  dieser  Wcglassung  genothigt  haben  sollte.  Für  den  Sinn  er- 
forderlich ist  der  Zusatz  auf  keinen  Fall  und  das  Zeugniss  des 
Met.  und  namentlich  des  Cod.  0  ist  beachtenswerth.  Die  üeber- 
einstimmung  mit  Met.  allein  würde  freilich  zufällig  sein  können, 
da  dieser  auch  sonst  ziemlich  zahlreiche  Stellen  weglässt.  Doch 
soll  die  ühlhorn'sche  Annahme  einer  erleichternden  Uebersetzung 
der  vielfach  auch  von  andern  üebersetzern  missverstandenen 
Worte  nicht  als  unmöglich    zurückgewiesen    werden.     Das  näXaij 


I 


1)  Uhlhorn  p.  58  fasst  freilich  den  Sinn  der  vorhergehenden  Worte 
ißaaxävare  ktX.  so  :  „ihr  habt  nie  jemanden  irregeleitet" ,  übersieht  aber, 
dass  der  Grund,  welcher  ihn  zu  dieser  abweichenden  Uebersetzung  veranlasste, 
die  Construction  des  ßaoxaiveiv  mit  dem  Accusativ,  nach  dem  Zeugnisse  der 
meisten  und  besten  Auctoritäten  in  Wegfall  kommt.  Es  bleibt  vielmehr  bei 
der  hergebrachten  Uebersetzung  „beneiden"  und  alle  Consequenzen,  die  Uhl- 
horn aus  seiner  Uebersetzung  gezogen,  fallen  zu  Boden. 

2)  p.  28. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios.    133 

welches  auch  Syr.  2  statt  nXeov  bietet,  könnte  dann  von  Syr.  1 
g^elesen  und  mit  dem  Vorhergehenden  in  eins  zusammeng-ezogen 
worden  sein.  Andrerseits  können  wir  jedoch  nicht  unbemerkt  las- 
sen, dass  eine  derartige  Umgestaltung  der  Sätze  sonst  ohne  Ana- 
logie beim  Syrer  ist,  daher  das  Wahrscheinliche  auch  hier  dieses 
ist,  dass  die  bei  Syr.  Met.  Cod.  0  fehlenden  Worte  auch  im  ur- 
sprünglichen Texte  nicht  gestanden  haben.  Mag  man  indessen 
entscheiden  wie  man  will:  ein  secundärer  Text  ist  an  unsrer 
Stelle  auf  keinen  Fall  vom  Syrer  benutzt  worden. 

Unter  den  übrigen  Weglassungen  ist  zunächst  bemerkens- 
werth  Cap.  4.  die  Weglassung  des  ßoQav  (A)  oder  ßgwjLia  (B) 
nach  u(feTe  f.iB  ^r^Qicüv  elvai.  Dass  hier  der  syrische  Text  der 
ursprüngliche  sei,  räumt  auch  Uhlhorn  ein  p.  17;  der  Zusatz 
in  den  meisten  Auctoritäten  verräth  seinen  secundären  Ursprung 
durch  die  Variante  ßoQuv  oder  ßQWfiu.  Zudem  fehlt  das  Wort 
auch  in  den  beiden  syrischen  Fragmenten  II  (p.  201)  und  p.  296, 
während  Arm.  1  es  in  seinem  syrischen  Exemplar  schon  vorge- 
funden haben  mag.  Es  ist  dies  übrigens  wieder  eine  Stelle,  in 
welcher  die  Masse  der  Auctoritäten  gegen  Syr.  hinter  der  innern 
Vorzüglichkeit  des  syrischen  Textes  zurückstehn  muss ;  ja  die 
allgemeine  Verbreitung  des  Zusatzes  legt  wieder  Zeugniss  ab  für 
das  hohe  Alter  der  syrischen  Version. 

Endlich  Cap.  7.  liest  Cod.  Colb.  nach  dg  loxiv  oäg'^  'Ii^aov 
XQiaxov  die  Worte  xov  vlov  rov  d^fovy  tov  yfvofj.tvov  iv  voregco 
ix  ant(j(.iaTog  Jaß\S  xai  yißQau(.i.  Ebenso  Met.  und  B.  Dagegen 
lesen  Arm.  1  und  Arm.  2  Toi;  yerof-thov  ix  anigfAUTog  /^uß\ö, 
lassen  also  tov  vlov  tov  dtov,  iv  voTtQio  und  xu\  l4ßQauf.i  weg; 
Lat.  A  setzt  durch  seine  üebersetzung  eins  qui  ex  genere  Da- 
vid ausserdem  voraus ,  dass  yevofievov  fehlte,  hat  also  nur  tov  ix 
anepjLiaTog  ^aß]ö ;  Syr.  hat  den  ganzen  Zusatz  nicht.  Es  be- 
darf nur  eines  Blickes  auf  den  Zusammenhang,  um  zu  erken- 
nen, dass  der  ganze  olmehin  schon  sehr  angefressene  Zusatz 
hier  am  unrechten  Orte  ist.  Die  Worte  lauten  aQTOv  &eov  d^eXco, 
0  iöTiv  auQ^  yjrioov^  JCqiotov ,  xal  n6f.ia  &iX(x)  to  ui(.ia  avTov, 
o  ioTiv  ayan7\  u(f&a(JTog.  Wer  wollte  leugnen,  dass  der  Zusatz 
TOV  ytvof.iivov  xtX.  ganz  müssig  und  unmotivirt  in  diesem  Zusam- 
menhange ist?  Syr.  hat  eben  wiederum  den  ursprünglichsten,  von 
allen  spätem  Einschiebseln  reinsten  Text.  Uhlhorn  i)  meint 
freilich  auf  einem  andern  Wege  nachweisen  zu  können ,  dass  wir 
„hier  bei  Syr.  einen  weniger  ursprünglichen  Text  und  eine  Er- 
leichterung des  Satzes  durch  Aenderungen"  haben.  Ein  Punkt 
muss  ihm  dazu  behilflich  sein.  Im  Cod.  ß  lauten  die  Worte  näm- 
lich folgendermassen:  \j]  |^o  .oiiöjo  Ix^aa^^dj  0}^^^^  ^cnot*]} 
V^n«     qui    est    corpus   Christi   et  sanguis  eius ;  peto  potum  etc.^ 

1)  p.  57. 


134     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

10  (xlf.ia  avxov  ist  also  zum  Vorhergehenden,  niclit  zum  Folgen- 
den gezogen.  Hierauf  gründet  ühlhorn  nun  ein  ganzes  Ge- 
bäude von  Folgerungen,  weiss  den  Grund  anzugeben,  warum  Syr. 
die  Interpunktion  und  folglich  auch  die  Construction  änderte,  und 
nennt  die  von  Cureton  und  Bunseu  vorgenommene  Aenderung 
der  Tnterpunktion  willkürlich.  Hätte  er  indessen  nur  einen  Blick 
auf  die  im  Corpus  Ignatianum  gesammelten  V^arianlen  des  Cod.  y 
geworfen,  so  würde  ihm  selbst  die  Einsicht  gekommen  sein,  dass 
alles,  was  er  hier  an  Mühe  und  Scharfsinn  aufgewendet,  vergeb- 
lich war.  Cod.  y  setzt  nämlich  ganz  richtig  den  Punkt  vor 
cn.liO)0)  und  bestätigt  damit  die  Aenderung  Curetons  und  Bun- 

sens    (denen    übrigens    auch    Peter  mann    durch    seine    Ueber- 
setzung  „et  sanguinem  eius  peto  potum"    beistimmt)    vollkommen. 
Was  endlich  den  bei  Syr.  fehlenden  Anfang  von   Cap.  2:    ov 
yinQ  &iXü)  vfiTv  uvd^Mnageoy.ijoai,    aXXa    &e(p  [ägiaai],  wgmQ  xul 
agtaxere  anlangt,  so  meint  ühlhorn  ^)  selbst,  dass  es   sich   hiei 
nicht  mit  Sicherheit  entscheiden  lasse,    ob  er    bei   Syr.  weggelas- 
sen oder  bei  A  hinzugefügt  worden  sei.    Ausser  Cod.   Colb.  lesen] 
hier  übrigens  alle  Zeugen  vf^iäg ,    was    daher    auch    Peterman 
und  ühlhorn    für   den    richtigen  Text    ansehn.     Der  bezeugten 
ists  offenbar.     Aber  was  soll  nun  der  vSatz  hier?    wer    sind    dem 
die  Menschen,    von    denen  Ignatios    will,    dass    die    Römer    ihnei 
nicht  gefallen  sollten?     Ich    kann    keine    Antwort    hierauf   findenJ 
Der   Gedanke  würde  in   den  Zusammenhang    passen,    wenn    Igna- 
tios von  sich  redete:  „ich  fürchte,   dass  mir  eure  Liebe  ünrechi 
zufüge,  denn   euch   ists  leicht,    was  ihr  wollt  zu    thun ;    mir  abei 
ists   schwer,   Gottes  theilhaftig  zu  werden,  wenn  ihr  meiner  nichj 
schont.     Denn    ich    will    nicht   Menschen   gefallen ,    sondern    Gotl 
Denn    ich    werde    nie    eine    so    günstige   Gelegenheit  haben,    Gol 
tes    theilhaftig    zu    werden".       Aber    dies    steht    eben    nicht    daj 
man    müsste    denn    gegen    alle    Auctoritäten    das    r^iiv    des    Codi 
Colb.   wiederherstellen    und    übersetzen    wollen    ,,nolo   enim  vobiSjj 
hominibus,    placere,    sed    Deo".      Dann    müsste    aber    das    ägnii 
xai  dgioxets  als  späteres   Einschiebsel    gegen    alle    Zeugen    abgei 
sondert  werden.     Lassen  wir  daher    den  Zusatz    ganz    weg,    um 
folgen  auch    hier    dem    syrischen    Texte,    so    sind    wir    über    all( 
Schwierigkeit  hinaus,  und  der  Gedanke  schreitet  einfach  und  klai 
fort,  indem  auf  die   Worte  „mir   aber    ists    schwer,    Gottes    theil- 
haftig zu  werden,    wenn   ihr  meiner  nicht  schont"  unmittelbar  diel 
vortrefflich  sich  anschliessende  Wendung  folgt    „denn    ich    werdei 
nie    eine    so    günstige    Gelegenheit    haben,    Gottes    theilhaftig    zi 
werden".     Wollte  man    trotzdem    an    der    Aechtheit   der    bei    SyrJ 
fehlenden  Worte    festhalten,    so    bliebe   jedenfalls    die    von    ühl 
hörn    p.    53    ausgesprochene    Ansicht    stehn ,    die    Worte    seiei 

1)  p.  52. 


Lipsius ,  über  den  srjrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     135 

bei  Syr.  durch  ein  Verselin  ausgefiillen ,  was  allerdings  leicht 
mog-lich  war,  da  dieser  Satz  ebenso  wie  der  nächstfolgende  mit 
ou  yuQ  anfängt.  Die  Weglassung  wäre  also  sicher  nicht  durch 
eine  secundäre  Gestalt  des  vom  Syrer  benutzten  Textes  zu  er- 
klären. 

Zwei  Weglassungen  sind  im  Römerbrief  noch  übrig,  in  denen 
wir  einen  Irrthuni  des  syrischen  Uebersetzers  anerkennen  müssen. 
Die  erste  findet  sich  Cap.  5.  In  den  Worten  ovyyvu'inriv  (.loi 
fX^re  '  Ti  /LiOL  ov(.i(ftQii  lyto  yivcoaxu).  vvv  äg/Of-iat  (.lad^rjrrjq  ilvai 
fehlt  nämlich  alles  beim  Syrer  von  lyio  yivwaxco  an ;  und  ovy- 
yvcüfiTiv  (.101  l'/jTi: '  ri  /.loi  ov(.i(peQei  verbindet  er  zu  einem  Satz 
>^1^  «.,w.n^  l^"^  >-iÄ.2iJ  _!iD  ^!^  alk5  noscite  me  ex  anima  mea 
quod  expedit  (oder  quid  expediat  mihi).  Die  Worte  !:o  >-«^  Qi^j 
^M.SLJ    sind    die    gewöhnliche    üebersetzung    für    avyyvaifirjv   (.loi 

fyjre,  avyyvcüTt  (.loi^  ovyyvü}f.ioveiTe  fwi.  An  unsrer  Stelle  haben 
Syr.  Eus.  und  Fr.  II  ganz  dieselben  Worte;  Trall.  5.  stehn  eben 
diese  bei  Syr.  (bei  Arm.:  scio  ex  anima  mea)  und  Rom.  6  in 
einer  bei  Syr.  fehlenden  Stelle  auch  bei  Arm.  1  (cognoscite  me 
ex  anima  mea).  Die  Worte  bilden  nach  der  gewöhnlichen  Ver- 
bindung einen  Satz  für  sich;  so  finden  sie  sich  auch  Trall.  5  bei 
unserm  Syrer  und  dem  Armenier  gebraucht,  Rom.  6  bei  Arm.,  an 
unsrer  wStelle  bei  Eus.  Syr.,  wie  allenthalben  die  Interpunktion, 
theilweise  auch  die  Construction  der  folgenden  W^orte  lehren  kann. 
Die  Verbindung  dieser  Worte  mit  ji  (.loi  avf.t(feQ£i  nun  wie  sie 
an  unsrer  vStelle  auftritt,  ist  eine  harte  und  ungewöhnliche,  die 
nur  durch  die  Noth  und  die  Dunkelheit  der  Worte  entschuldigt 
wird.  Der  Sinn  muss  freilich  der  sein,  den  Cureton  annimmt 
„I  crave  your  indulgence  to  leave  the  knowledge  of  what  is  ex- 
pedient  for  me  to  my  own  conscience";  aber  dieser  Sinn  ist  nichts 
weniger  als  leicht,  und  die  ganze  Verbindung  wurde  nur  dadurch 
möglich,  dass  das  lyco  yivcücf^ü)  irrthümlich  ausgefallen  war.  Von 
einer  absichtlichen  Unterdrückung  des  iyco  yivMaxo),  wie 
ühlhorn^)  annimmt,  kann  ebenso  wenig  die  Rede  sein,  als 
man  mit  Cure  ton  avyyvwjLiTjV  (.loi  fyjTe ,  rl  (loi  ovf.i(f)tgei  ix\s  ur- 
sprünglichen Text  annehmen,  und  eyo)  yivcoaycü  als  Interpolation 
verwerfen  darf.  Die  Worte  geben  in  dieser  Verbindung  im  Syri- 
schen nur  einen  nothdürftigen,  im  Griechischen  gar  keinen  Sinn. 
Wenn  nun  aber  an  dieser  Stelle  eine,  freilich  sehr  unab- 
sichtliche, Lücke  beim  Syrer  anzuerkennen  ist,  so  ists  wol 
einfacher,  auch  das  folgende  vvv  ugyo^^ai  (lad^rjr^g  tivai  ^  was 
nicht  so  störend  ist  als  Runsen  meint,  von  dieser  Lücke  betrof- 
fen sein  zu  lassen,  als  dass  man  hier  dem  Syrer  Recht  gibt,  und 
die  Worte  aU   spätere  Interpolation   betrachtet. 

1)  p.  21  f. 


136    Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

Cap.  9.  endlich  mag  ovx  cog  naQoöelovra  durch  Versehen 
ausg-efallen  sein;  dass  Syr.  es  nicht  verstanden,  und  deshalb 
wcgg-elassen  haben  sollte,  ist  Avenig-  glaubhaft,  da  auch  die 
beiden  Armenier  keinen  Anstoss  an  den  Worten  nahmen.  Die 
Annahme,  dass  Syr.  hier  nur  aus  dem  Zusammenhange,  aber 
unglücklich  gerathen  habe,  gründet  CJhlhorn^)  auf  die  Weg- 
lassung des  einzigen  ^ti?;.  Allein  dieses  findet  sich  wieder 
im  Cod.  y,  es  liegt  mithin  im  Griechischen  wie  im  Syrischen, 
mit  Ausnahme  des  ovx  cog  naQoStvovja,  derselbe  Text  vor.  üebri- 
gens  ist  selbst,  wenn  das  /Lii)  bei  Syr.  sicher  nicht  vorhanden 
wäre,  die  ühlh  orn'sche  Ansicht  der  Sache  nichts  weniger  als 
gewiss.  Wie  nun,  wenn  f^irj  ursprünglich  gefehlt  hätte,  und  der 
Sinn  eben  einfach  der  gewesen  wäre,  ,,die  am  Wege  liegenden 
Gemeinden  nahmen  mich  auf"?  Dies  war  Späteren  vielleicht  nicht 
genug,  und  man  erweiterte  den  Gedanken  durch  ein  eingescho- 
benes fifj ,  sodass  nun  nicht  blos  die  näheren,  sondern  auch  die 
ferneren  Gemeinden  allenthalben  zur  Verherrlichung  des  im  Namen 
Christi  reisenden  Märtyrers  herbeieilend  gedacht  wurden?  Dieser 
Hergang  der  Sache  ist  grade  der  wahrscheinlichere,  und  im  Cod.  y 
ist  dieses  /.li]   ein  nach   Gr.  eingetragener  Zusatz. 

Es  bedarf  aber  wol  kaum  noch  der  Bemerkung,  dass,  wenn 
auch  in  allen  den  zuletzt  genannten  Stellen  (desgl.  Cap.  1.  und 
Cap.  2.)  Syr.  irrthümlich  einige  Worte  weggelassen  hätte,  hier- 
aus noch  keinerlei  Schluss  zu  ziehn  ist  gegen  den  hohen  Werth 
des  von  ihm  gebotenen  Textes.  Derartige  Auslassungen  finden 
sich  in  den  besten  und  vorzüglichsten  Handschriften  und  es  würde 
ein  Wunder  sein,  wenn  Syr.  sich  von  allen  derartigen  und  ähn- 
lichen Fehlern  frei  erhalten  hätte. 

Ziehn  wir  nun  aus  dem  bisher  Erörterten  das  Resultat,  so 
ergibt  sich,  dass  Syr.  weder  zur  Familie  A  noch  zur  Familie  B 
gezählt  werden  kann.  Aus  den  zusammengestellten  Varianten  er- 
hellt, dass  der  Syrer  unabhängig  von  A  und  von  B  den  jedes- 
mal besten  Text  an  einer  grossen  Reihe  von  Stellen  bietet;  dass 
er  dem  älteren,  zusatzreineren  Texte  von  Lat.  A  überall  da  ent- 
spricht, wo  in  Gr.  A  und  in  B  Zusätze  eingedrungen  sind;  dass 
er  aber  eine  Reihe  von  Zusätzen  auch  bei  Lat.  A  kenntlich  macht, 
und  dadurch  seinen  eignen,  vorzüglichen  Text  beurkundet;  dass 
er  endlich  an  einer  Reihe  von  Stellen  dem  Texte  B  näher  tritt, 
als  dem  Texte  A,  aber  so,  dass  Syr.  die  ursprünglicheren,  B  die 
secundären  Lesarten  bietet.  Syr.  hat  also  offenbar  den  vorzüg- 
lichsten Text  unter  allen  Zeugen  aufbewahrt,  wenn  auch  selbst- 
verständlich damit  nicht  gesagt  sein  soll,  dass  er  von  allen  Irr- 
thümern   oder  Verderbnissen  freigeblieben  sei. 

Wir  fassen  jetzt  eine  weitere  Frage  ins  Auge:  wie  über- 
setzte Syr.  den  ihm  vorliegenden  Text? 

1)  p.  22. 


\ 


Lipsius,  üler  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios,    137 

Hier  werden  wir  kürzer  seiu  können,  da  wir  Uhlborn  un- 
bedenklicli  zugeben,  dass  eine  Reibe  von  scbeinbaren  Abweicbun- 
gen  des  Syr.  aus  dem  Streben  liervorgegangen  sind,  den  Sinn 
der  Worte  mÖglicbst  deutlicb  wiederzugeben ,  andre  aucb  einer 
niissvcrständliclien  Auslegung  des  griecbiscben  Textes  ibren  Ur- 
sprung verdanken.  Docb  ist  freilieb  sebr  Vieles,  was  Üb  1  hörn 
gegen  den  Syrer  geltend  inacbt,  bereits  im  Obigen  durch  Ver- 
gleicbung  der  verscbiedencn  Texte  erledigt  worden. 

Zu  den  Uebersetzungs  e  ige  ntbüml  i  c  bk  ei  ten  gehört  die 
Wiedergabe  von  o  y.vQiog  durch   ^•^'^  dominus  noster,  desgleichen 

die  häufige  Beifügung  dieses  -vq  zum  Namen  Christi  aucb  ohne 
dass  sich  im  Griechischen  etwas  Entsprechendes  findet;  die  um- 
ständliche Uebersetzung  des  aviOTuvai  durch  JAaÜd  A*a  _iaO  >oaD 
surgere  a  domo   mortuorum    (weil  in  >Oqd  ,     welches    bäußg    für 

das  einfache  stare  gebraucht  wird,  die  Bedeutung  des  Auferste- 
hens  nicht  deutlich  genug  ausgedrückt  zu  sein  schien);  eniTvy- 
yuvtiv  mit  dignum  fieri,  joA^I    sq.    1;^;  aonateod^ui  mit  >abiÄ  ^\m 

sciscitari  salutem ;  dvat^irjv  c.  genit.  durch  Jj)  lo5  }j|   sq.  i^,  gau- 

deo  in  aliquo ;    einmal  durch  Jj)  c^jatc  sq.   V^   desidero   aliquem ; 

drjQtof.taxM   durch  }j]  Jv^^  ]Za*.JS  Aaü    inter  bestias  coniectus  sum 

u.  s.  w.  Im  Einzelnen  noch  Folgendes.  Polyc.  2  ist  der  Zu- 
satz (iiovov  zu  (pdj]Ci  wie  es  scheint  zur  Schärfung  des  Gegen- 
satzes gemacht.  Die  folgenden  Worte  ov  nav  TQav(.ia  t/J  olvxji 
ifxnluGTQM  &igu7ieitT(At'  Tovg  nuQo^vofxovQ  f/Lißgox^T?  navt  über- 
setzt er,  weil  er  die  medicinischeu  Ausdrücke  nicht  verstand, 
durch  „non  omnia  ulcera  una  medicina  curantur.  Abscissionem  in 
lenitate  esto  tranquillans  "  (^^^idIA:^  {iüic  ^jj.^  ^ij-iia^  ^s  a!^ 

.«.jaaJ-^  £\jOai  j.aoofO  |Hv>-^)  Weiter  unten  sind  die  Worte 
0  y.uiQog  unaiTH  ae  cog  xvßeQvijrut  uv/fiovg  xui  ibg  yu(A.al^6(.ievog 
hlÄiva  durch  )o\c,  \ju.]  ^x]o  .}ali.}J  ]^x2;^aD  ^A  ^z^Z  Jj.3l 
,}j}iaa^li>  pQAjAinii  tempus  posce,  ut  gubernator  navem,  et 
ut  is  qui  stat  in  procella,  portum.     Wie  die   Punctation  des  ^^z:^^ 

zeigt,  bat  der  Uebersetzer  uTiaiTet  für  den  Imperativ  (für  unal- 
Tii)  gehalten,  und  daraufliin  übersetzt:  insbesondre  ist  aus  diesem 
Missverständnisse  die  Weglassung  des  ae  und  die  Beziehung  von 
y.vßiQVTjTui  und  yu(,iaC,6(.uvog  auf  Polykarp  hervorgegangen,  daher 
wol  auch  ).^AjjOCLC  im  Singular,  ohne  Ribbui.  Die  einzige  Ver- 
schiedenheit vom  griechischen  Texte,  die  noch  übrig  bleibt,  ist 
das   Ja!::^!]  vavv  für  uvtfiovg.     Dies  scheint  eine  alte  Variante  zu 


1  38     Lipsius,  über  den  stjrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

sein,  von  der  sicli  indessen  aiicli  bei  B  in  dem  folgenden  vi]f  eine 
Spur  crlialten  liat.  Wäre  die  Lesart  bei  B  ursprünglicb,  und  bätte 
vielleicbt  im  Texte  gestanden  ojg  xvßfQvrirai  avti-iovg,  xut  (hg  vuvg 
/etjuuCo/iitvt]  lii-itva,  so  liesse  es  sicli  erklären,  dass  ein  Abscbrei- 
bcr  das  vuvg  irrig  an  die  Stelle  von  ave(,iovg  setzte,  was  um  so 
leicbter  anging,  weil  vuvg  aucli  als  Acc.  Plur.  gefasst  werden 
konnte.  Dann  müsste  vavg  das  zweite  Mal  als  scbon  vorausge- 
nommen ,  nicbt  ausgedrückt  worden  sein.  Da  aber  aucb  bei 
A  das  vuvg  felilt,  so  liesse  sieb  aucb  ein  vom  syrisclien  Ueber- 
setzer  vorgefundener  Scbreibfebler  annebmen ,  nacb  welcliem 
vuvg  irrig  für  das  damit  ziemlicb  leicbt  zu  vertauscbende 
avffiovg  gesetzt  worden  wäre.  B  verrietbe  dann  durcb  die 
bei  ihm  vorauszusetzende  Lesart  wg  xvßtQVTJiai  uvtfiovg  xai 
wg  vavg  /€i{.ial,ofi€vr]  hf.i(va  (die  Lesart  w?  xvßeQvrjTrj  uvif.iog 
av/iißuX).€Tut ,  y.ai  wg  vrfl'  /fijLtuKofifvjj  Xiutreg  yrl.  ist  jeden- 
falls spätere  Aenderung)  einen  aus  A  und  Syr.  gemiscbten 
Text,  indem  er  beide  I^esarten  uvi[.iovg  und  vuvg  böte.  Un- 
ter den  übrigen  Abweichungen  mag  das  nuvTa  vor  dem  di* 
ii^iog  vnofiaivuvTU  Cap.  3.  aus  dem  Bedürfnisse  des  üeber- 
setzers,  einen  Objectsaccusativ  zu  haben,  liervorgegangen  sein. 
Cap.  5.  die  Uebersetzung  äyunuv  iv  xvqim  für  uyanuv  xov 
y.vQiov  ist  vielleicht  blos  aus  einem  Schreibfehler  im  Syri- 
sclien hervorgegangen  (Codd.  u.  y.  .f^o  _Ci>j.J)  für  oj^Jj 
^l^D^ik)  5  obwol  sie  fast  einen  vorzüglicheren  Sinn  bietet  als 
der  gewölmliche  Text  (daher  aucli  von  Cureton  beibehal- 
ten) ;  dagegen  ist  die  Lesart  von  Cod.  ß  ^jiQO  ^^oiZ/o^  ^j.>j) 
(teneant  maritos  suos  in  Domino)  offenbar  erst  hieraus  hervor- 
gegangen.    Cap.  6.  5jiQj  rebellet  für  SeoegiwQ  tvQi&fiy  ^z^^\ 

thesauri   vestri    für    tu    öenoona   Vfiiov )    )ai2^5  )Ai:joiai:0    donum 

dei  für  t«  uyxtnra  Vf.ifov  sind  keine  Veränderungen  des  Tex- 
tes, sondern  geben  nur  die  römischen  Ausdrücke  so  gut  es  ging 
dem  Sinne  nach  wieder;  und  ebenso  ist  die  Uebersetzung  des  clg 
uy/iiiov  TVTiTOfiivog  durch  \\!^::i)  ^.^a^Z]    yx]  ut  atliletha  qui  per- 

cutitur  keine  absichtliche  Wegschaffung  des  Bildes  vom  Ambos, 
wie  Uhlhorn  wilP)?  sondern  nur  ein  in  diesem  Zusammenhange 
selir  verzeihliches  Missverständniss  eines  griechischen  Wortes.  Er 
fasste  uyfi(x)v  nämlich  in  der  Bedeutung  von  uy.(.t7]g  (vgl.  Call. 
Dian.  146.  Aoy/7j^  uyf-toveg  Aescli.  Pers.  51),  wodurch  er  dann 
leicht  weiter  dazu  gebracht  werden  konnte,  das  Wort  hier  sub- 
stantivisch zu  nehmen,  und  dem  Sinne  nach,  wie  er  meint  richtig, 
durch    „Kämpfer"    wiederzugeben.     An    zwei   andern    Stellen    hat 


1)  p.  29. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios.     139 

ühlliorn  ')  sicher  ünreclit,  wenn  er  bei  Sjr.  eine  erlcicliterntle 
Uebersetzung  sucht:    Cap.    2.    in   dem    Zusätze   ^::^cj^^2   ,-^jD 

ad  ea  quae  requiruntur,  von  dem  wir  schon  oben  g-esproclien  Ija- 
ben,  und  bei  welclieni  nur  darüber  ein  Zweifel  entsteho  kann,  ob  efg 
a  dti  des  Syrers  oder  tlouti  von  B  ursprünglicher  ist.  Sodann  Cap.  3. 
die  Uebersetzung  des   arrjd^i  de  tÖQaToq  I^^ao  .5  Snnn  „sta  vero 

in  veritate"  soll  einen  Zusatz  verrathen,  „mit  welchem  Syr.  dem 
Verständnisse  seiner  Leser  zu  Hilfe  kommen  will".  Allein  der 
angebliche  Zusatz  js^jao  ist  nichts  als  die  Uebersetzung  des 
fSgaiog,  wie  Cap.  1.  die  Uebersetzung  des  rjdQfxa(.ih'fjv  durch 
9j.jk^  zur  Genüge  lehren  kann. 

Im  Epheserbriefe  finden  wir  in  der  Inscr.  rjV(ouevi]v  mit 
Jil^iöAiDO  et  perfecta   übersetzt.      Cureton    vermuthete    in    der 

ersten  Ausgabe ,  und  P  e  t  e  r  m  a  n  n  und  ß  u  n  s  e  n  stimmten  ihm 
darin  bei,  dass  der  Syrer  7jvv(jf.itvrjV  gelesen  Iiabe.  Im  Corpus 
Ignatianum  schlägt  Cureton  unriQxia(.tivr}  vor.  Eher  hätte  hier 
U  hl  hörn  2)  das  Richtige  getroffen,  wenn  er  annimmt,  das  Wort 
j[Al::ibQjitia3  sei  durch  einen  Schreibfehler  aus  dem  Obigen,  wo  das- 
selbe Wort  vorkam,  an  dieser  Stelle  wiederholt  worden.  Doch  ist 
wol  gar  keine  Aenderung  nÖthig.  Auch  sonst  wird  ivcaatq,  evw- 
TriQ  mit  liaiaib^A  perfectio  übersetzt  vgl.  Philad.   3   und   4  (Syr. 

Fragm.  p.  199  Curet.).  Aehnlich  Peschito  2  Cor.  VI,  15  {övfi- 
(fwvr^atg).  Dagegen  ist  wol  Cap.  1.  ein  Schreibfehler  in  der 
Uebersetzung    {j^^oic   ^<£j    ab    actionibus    (Cod.  y,   Jj^i^qa)    ohne 

Ribbui)  für  l^taED  ^bD  ano  2voiug  anzuerkennen,  obwol  Cure- 
ton im  Corpus  Ignatianum  gegen  seine  frühere  Ansicht  die  Les- 
art des  Syrers  aufrechterhalten,  und  das  Jj^vq^  von  Cod.  y,  durch 
„visiting"  wiedergeben  will,  wie  auch  B  u  n  s  e  n  (Hipp.  1.  c.)  evTiv'iecog 
in  den  Text  setzt.  Desgleichen  müssen  wir  Cap.  10.  Of^UZ  \io 
yOaiZi  »neque  miremini  in  iis'«  trotz  Curetons  neuerlicher  Ein- 
sprache für  einen  Schreibfehler  halten,  und  annehmen,  dass  für 
^'f'^^ZZ  vielmehr  ^QliDjZZ  „imitemini"  zu  lesen  ist,  entsprechend 
dem  griechischen  /iif)  onovdu^ovieg  uvt  if,it(j,rjO  aa&  at  uvrovg. 
Die  Uebersetzung  ferner  des  (pLOti  öixaia  Cap.  1.  durch  {i^^a 
{äjjIo  )j]ij  lxAr:)^o  in  natura  voluntate  recta  et  iustu  („by  nu- 


1)  p.  22  und  29, 

2)  p.  19. 


I 


140     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios. 

iure  in  a  will  pure  and  just"  Cur.)  erklärt  sich  wol  am  einfach- 
sten durch  die  Annahme,  dass   Jj}o  I-LaCj^^  ein  vom  Rande  ein- 

g-edrung-enes  Glossem  sei.  Bunsen  (Hippolyt  l.  c.)  liest  yva)f.ir] 
öiy.ala  (l).  Wichtiger  würde  eine  andre  Stelle  sein,  wenn  sich 
liier  zu  einem  bestimmten  Resultate  kommen  Hesse.  Cap.  8.  liest 
nämlich  A :  neQiip7]f.iu  ^ [.aov  y.ai  ayvil^ofxai  v(xiov  'Etftoiojv  ixxX?]- 
aiag  rijg  diutßoijTov  roTg  aiwoiv.  So  wie  die  Worte  hier  stehn, 
ist  sicher  ein  Fehler  darin:  die  einfachste  Heilung  wäre,  ein  iycu 
nach  7iiQi\pri[.ia  anzunehmen.  B  las  die  Worte  ziemlich  wie  sie 
hier  stehn,  negiiprjfia  vfiwv  y.ai  Trjg  uyvoTdrrjg  'Eq^eatwv  (y.xX7](jiag 
Trjg  öiaßoTiTov  xul  no'kvv(.ivi]%ov  roTg  aicoaiv  ^).  Soviel  steht 
wol  fest,  dass  Ignatios  negiipriina  auf  sich  bezog  vgl.  Cap.  18. 
n(Qiyj7]fÄa  To  €f.i6v  nvivfj.a  tov  oxavQOv,  Vergleichen  wir  nun 
hiermit  den  syrischen  Text,  so  lesen  wir:  tSXAsAliC'O  .aao  ij]  ),.>^ 

^QüAal  ^^ls.  \i\   gaudeo  in  vobis  et  supplico  in  vobis.     Dass  nun 

hier  insbesondre  das  gaudeo  in  vobis  keine  Uebersetzung  des 
7itQL\prif.ia  v(A.(jüv  ist,  liegt  auf  der  Hand.  Uhlhorn^)  erklärt 
nun  die  Entstehung  des    c2iA::)Aic  ftir  uyvit,of.iai    wie    mir  scheint 

richtig  „er  dachte  an  Opfer,  und  kam  auf  dieses  Verbum,  mit  welchem 
die  syrischen  Kirchenschriftsteller  das  Lesen  oder  Sprechen  der 
Liturgie  bezeichnen  (vgl.  Act.  XUI,  1  wo  XiiTovpyovvriov  damit 
übersetzt  wird)".  Wenn  Uhlhorn  aber  weiter  hinzusetzt,  „dass 
er  aber  7ifQi\prjf.ia  durch  Jj]  ]^  ,, gaudeo"  übersetzt,  erklärt  sich 

nur  daraus,  dass  er  in  Verlegenheit  über  den  Sinn  aus  dem  Zu- 
sammenhange rieth",  so  müssen  wir  dem  entgegentreten.  Es  ist 
nämlich  gar  nicht  glaubhaft,  dass  Syr.  den  Sinn  des  Wortes  nicht 
sollte  verstanden  haben.  Denn  weiter  unten,  wo  das  Wort  noch- 
mals vorkommt,  Cap.  18.  nigiyjrjfia  tu  ifibv  nvtv^ia  tov  aiuvgou 
übersetzt  Syr.  einstimmig  mit  dem  von  ihm  unabhängigen  Fr. 
XHI  (p.  219)  v_,>j05  Irsjc^  "^^*"   Geist  beugt  sich    nieder    (beugt 

sich  in  den  Staub,  vgl.  die  (aus  Syr.  geflossene)  armenische 
Uebersetzung  adorat  oder  terram  osculatur  bei  Peter  mann. 
Dies  ist  nun  hier  sicher  kein  Rathen  aus  dem  Zusammenhang, 
sondern  wirkliche  Uebersetzung  des  negiipr]f.ia,  und  wie  das  andre 
syr.  Fragment  lehrt,  keine  ganz  ungewöhnliche.  Dass  damit  die 
biblische  Bedeutung  des  Wortes,  nach  welcher  es  piaculum  be- 
deutet, nicht  ganz  genau  getrnfl^en  ist,  ist  freilich  wahr.  Allein 
man  sieht  doch,  wie  aus  der  Urbedeutung  des  Wortes  scobs,  pur- 
gamentum  die   Uebersetzung  sich  niederwerfen,  in  den  Staub  beu- 


1)  Cod.  BFORV.  —  Cod.  Nydpr.  schiebt  Se  nach  neqixprjfxa,    und    ix- 
ßaXlsTs  nach  atcöaiv  ein.     Willkürliches  Interpretament. 

2)  p.  21. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     141 

gen  entstehen  konnte');  und  wir  liaben  sonacli  kein  Recht  zu 
der  Behauptung",  der  Syrer  habe  hier  wie  dort  nur  aus  dem  Zu- 
saninienhange  gerathen.  Er  liatte  an  der  zweiten  Stelle  eine 
üebersetzung  in  Kereitschaft,  die  wenigstens  nach  seiner  Ansicht 
den  Sinn  des  Wortes  wiedergab :  folglich  ist  es  unerklärlich,  wie 
ihm  eine  solche  an  der  ersten  gemangelt  haben  sollte.  Wie  mir 
nun  scheint,  liegt  ein  Fehler  in  den  syrischen  Worten,  der  auf 
Rechnung  des  Abschreibers  kommt,  und   statt  j.j]  }^^  ist  jLj]  ]]xi 

„Staub  bin  ich"  zu  lesen.  Dann  ist  alles  in  Ordnung,  und  Syr. 
setzt  obendrein  das  bei  A  fehlende  fyco  richtig  in  den  Text, 
was  schon   Cotelier  und  nach   ihm  mehre  Andre  ergänzten-). 

Weniger  wörtlich  und  genau  scheint  noch  Cap.  10.  die  üeber- 
setzuug  der  Worte  n()dg  rag  ogyug  aviwv  vfAsTg  nQUiig,  ngbg  rüg 
(ÄtyuXuQ^fjfioavvag  avTwv  tf.iiTg  zanetvocp^oveg  zu  sein.     Syr.  gibt 

hier  ]2qx»,aJloo  aii.5  Jj-a^^  Zaü^iikio  JAaaij  ^oid*^^  ^ojdq^ 

contra  verba  eorum  dura  in  humilitate  mentis  pavete  (reconcilie- 
mini)  et  inquiete.  Vielleicht  las  Syr.  oQydg  nicht,  (so  Cureton,  Pe- 
termann, Bunsen  im  Hippolyt)  und  die  verba  dura  sind  üeber- 
setzung  von  f.tiyaXoQQi]fioavvag,  Das  Verbum  qv,^  könnte  aus 
dem  Anfange  des  vorhergehenden  Wortes  mit  Wiederholung  des 
nachfolgenden  o  geflossen  sein;    doch  ist  richtig,    dass  Syr.  nach 

dem  Folgenden  ein  Verbum  vorauszusetzen  scheint,  daher  denn 
Cureton  yivtod^e  aus  B   in  den  Text  nimmt.     Liegt    hier  wirklich 


1)  Es  ist  folglich  auch  unnöthig,  mit  Bunsen  (Hippolyt  II,  Vorrede 
p.  XIV)  anzunehmen,  dass  Syr.  und  Arm.,  wenn  auch  irrig,  nQoaxvvtjfia  in 
ihrem  Texte  gelesen  hätten. 

2)  Das  „gaudeo"  ist  natürlich  auf  jeden  Fall  irrig,  und  die  Vermuthung 
Petermanns,  Syr,  habe  rionofiai  oder  re^xpo/uni  vficov  gelesen,  führt  niclit 
zum  Ziele.  Cure  ton  im  Corpus  Ignatianum  (p.  282)  weiss  auch  keinen  an- 
dern Rath,  als  die  Bemerkung:  ,,it  does  not  seem  probable,  Iherefore,  that  the 
Syriac  translator  read  the  passage  exactly  as  it  now  Stands",  und  will  ausser- 
dem, Syr.  habe  für  ayvi^cofiai  gelesen  ayojvi^ofiai  cäAdAJ^,  was  wieder  in 
cajiLl)£\iO  verwandelt  worden   sei  (wie  Kol.  f,  29  bei  Peschito).  Dies  zu  com- 

plicirt.  Eine  Möglichkeit  wäre  noch ,  wenn  man  unsre  Conjectur  verwirft, 
eine  vom  Rande  eingedrungene  Glosse  anzunehmen ,  da  Peschito  Phil.  I,  4  die 

Warte  PI   cSäadA^  Pf  ||.>J  fQO  als  Uebersetzung  von  hbto.  xaqSi  r^p 

derjaiv  notovfievog  bietet.  Möglich ,  dass  diese  Bibelworte  von  irgend  einem 
Leser  oder  Abschreiber  am  Rande  beigefügt  wurden  ,  und  späterhin  statt  der 
ignatianischen  Formel  in  den  Text  geriethcn.  Indess  ist  dies  eben  nur  ein 
iNothbehelf,  wenn  auch  zuzugeben  ist,  dass  die  Uebereinstimmung  unseres  Tex- 
tes mit  jener  Philippcrstelle  auffallend  ist.  —  Bunsen  (Hippol.  1.  c.)  ent- 
scheidet sich  ebenfalls  für  die  Ursprünglichkeit  von  neQiiprjfia ,  meint  aber, 
Syr.  und  Arm.  hätten  irrig  neqiooev/xa  xal  dyeoviojna  in  ihrem  Texte  ge- 
esen  (?). 


142     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

eine  Zusanunenziehung-  zweier  Sätze  in  einen,  und  eine  Weglas- 
sung des  ogyag  vor,  so  beweist  dies  allerdings  so  viel,  dass  Syr. 
liier  in  seiner  üebertragung  wider  sonstige  Gewohnheit  etwas 
freier  zu  VV^erke  ging.  Doch  dürfte  sich  der  syrische  Text  auch 
noch  anders  erklären  lassen,  ß  liest  nämlich  einfach  yivtoda 
TJQOQ  Tag  ogyäg  aviiov  v/ntTg  xannvocjQOvtg.  Nun  wäre  doch 
möglich  ,  dass  die  verba  dura  Uebersetzung  von  zug  vQyug  sein 
sollten.  Syr.  las  dann  nQog  rüg  ogyug  avicov  vfiug  Taneiv6(fQQ- 
7ig  yiviod^e  y.a)  ngaetg,  A  machte  daraus  zwei  Sätze,  B  Hess  y.ul 
ngang  weg,  und  ebenso  Arm.,  der  übrigens  den  Text  von  A  vor 
sich  hatte,  und  die  ,,dura  verba"  irrig  als  Uebersetzung  von  i.u- 
yaXogQ?]f.ioovvag  nahm.  Unmittelbar  darauf  liest  A:  ngog  zag 
ßXao<fr^f.daQ  aviiuv  ifuig  TWf  ngootv/ug.  Dass  hier  ein  Fehler 
vorliegt,  ist  klar:  es  fehlt  das  regierende  Verbum  zu  rüg  ngoa- 
iv/^ug.  B  bietet:  uvma^uTa  ngog  rag  ßXaacp}]fiiag  uvxcov  i\ueT^ 
Tug  ixTtrtTg  ev/^ug.  Dies  hilft  dem  Fehler  ab,  aber  das  einge- 
schobene Adjectiv  ixievtig  macht  die  Acndcrung  sehr  verdächtig. 
Vergleichen  wir  nun  den  Syrer,  so  liest  dieser  .ocjiaSjjQva.  ^^^^^ 
-il^^liD  ^oAjOCI  ^oAj|  contra  blasphcmias  eorum  vos  fuistis  (viel- 
mehr estote)  orantes.  Bunsen  gründete  hierauf  früher  seine 
kaum  zu  billigende  Conjectur  ngog  Tf).^  ßXua(f.  aviwv  vf-itig  exie- 
riTg  Tf)^  ti/ug.  Das  ixTeriTg  steht  aber  nicht  da,  und  kann  ohne- 
hin kaum  von  Personen  gesagt  werden.  Das  Richtige  hat  schon 
Peter  mann  gesehn,  welcher  zuGOiit  ngooev/jAg  vorschlägt. 
Dass  dies  oder  etwas  Aehnliches  wirklich  ursprünglich  im  Texte 
stand,  lehrt  insbesondre  die  jetzige  Lesart  bei  B:  hier  sind 
das  voraufgenommene  uvxiTu^uTe  ,  und  weiter  unten,  da  wo 
TuoGtre  hereingehört,  das  nun  mit  einem  Male  sein  rechtes  Licht 
erhaltende  rüg  fXTtveTg  avy/xg  deutliche  Anzeichen.  TACCETEUPOC 
wurde  corrumpirt  in  TACEKTENEIC.  Eine  Spur  von  TaaotTa  ent- 
hält auch  bei  A  der  Artikel  rag.  Was  endlich  den  Syr.  bctrijfft, 
so  übersetzte  er  sein  jaoatTi  (oder  uvTaa^uTt  wie  er  mit  B  ge- 
lesen zu  haben  scheint)  nooötvy^u.g  dem  Sinne  nach  durch  fuistis 
orantes  richtig,  und  fehlte  nur  darin,  dass  er  Taoaite  für  das 
Verbum  finitum  nahm  statt  für  den  Imperativ  ^).  Nun  folgen  die 
Worte  TTQog  ttjv  n)iuv7]v  avxtov  vfuTg  tdgaToi  rj]  nioiei,  oder  wie 
sie  bei  B  lauten  avicov  nXavwfitvcüv  oiiy/.iTt  v(.uig  iv  rj]  niaiu 
iÖQaioi.    Syr.  j^axl^jaio  qj-j^i]  ^ooiZq*^  \iiijCQl::iO    et  contra 

errorem  eorum  armati  estote  (in)  tide.  Jedenfalls  ist  zuzugeben, 
dass  Syr.  auch  hier  wieder  das  Verbum  freier  und  nur  dem  Sinne 
nach  wiedergibt;  doch  setzt  er,  wie  schon  bemerkt  wurde,  wol 
die  Lesart  ngog   Ttjv   nXavr]v    avrojv    oii^xexi   Vfitig  iv    rj]    niom 


1)  Gegenwärtig  liest  ßunsen  (im  Hippolyt)  xal  tiqos  ras    ßkaofrjfiias 
avXüiv  Vfiels  Tt^qsXs  rag  nQoosvxäsj  freilich  ziemlich  hart. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     143 

tÖQmoi  voraus,  vgl.  Arm.  et  contra  insaniam  (vielmehr  errorem) 
firmi  State  in  fide.  Der  letzte  dieser  parallelen  Sätze  lautet  bei  A 
7i()()g  To  ayQiov  aviwv  vfieig  rjfiaQOi ,  bei  ß  rixrjaaze  tö  uy(jiov 
^dog  iv  fjfie^iOTr^rt ,  to  oQyiXov  iv  tiquotyiti.  Syr.  \^CijDQ-^0 
^aI^jOi^o  ^AiAÄlaD  0001   ^oiZQj^jjl^  ')    et  contra  feritatem  eo- 

rum  estote  pacifici  et  tranquilli.  Arm. :  et  contra  amentiam  eorum 
vos  tranquilli  State.  B  ist  jedenfalls  secundär,  und  seine  Lesart 
scheint  entstanden  zu  sein  aus  der  bei  Syr.  vorausgesetzten  ngbg 
TO  uyQiov  uvTc7)v  [yiveaite]  l^atg  7]f.te^ot  xai  ngatig.  Arm.  mochte 
xai  ngatig  weglassen,  weil  er  es  bei  A  nicht  fand.  —  Fassen 
wir  nun  den  ganzen'  Abschnitt,  den  wir  jetzt  im  Einzelnen  be- 
sprochen haben,  zusammen,  so  ist  es  nichts  weniger  als  ausge- 
macht, wie  ühlhorn  -)  annimmt,  dass  hier  beim  Syrer  ein  ganz 
secundärer  Text  vorliege.  Wenn  Syr.  sich  auch  in  der  üeber- 
tragung  einzelner  Worte  mehr  nach  dem  Sinne  als  nach  der  Wort- 
bedeutung gerichtet  hat,  so  führen  doch  mannigfacbe  Spuren 
darauf,  dass  bei  ibm  der  ursprüngliche  Text  vorlag.  Die  Grund- 
lage der  Texte  von  B  und  Arm.  ist  der  syrische  Text  jedenfalls. 
Nur  darüber  könnte  noch  gestritten  werden,  ob  in  dem  ersten 
und  letzten  Satze  yiveod^e  zu  i^/ung  hinzuzufügen  sei.  Dass  im 
zweiten  und  dritten  Satze  ein  Verbum  stdit  (Taaoiie  und  OT7]xtJi), 
beweist  nichts  Sicheres ;  Syr.  konnte  blos  das  vfuTg  durch  das 
Verbum  ausgedrückt  haben ,  und  A  wurde  umgekehrt  durch  das 
ein-  oder  zweimalige  Fehlen  des  Verbum  der  Concinnität  halber 
verleitet,  es  überall  wegzuschaffen.  Auf  Grund  unsrer  Erörte- 
rung constituiren  wir  demnach  den  Text  folgcndermassen :  Tipo^ 
rag  ogyug  uvtcov  vf.iHg  ranetvöcpQOvag  ylread^e  yul  ngatig^  Tigbg 
Tug  ßXuacpfj/Liiug  uvtmv  vfieig  avTiTu^are  (oder  raoaeTt)  ngooev/üg, 
Tigbg  n]v  nXuvriv  uvtcov  OTTjxeTt  vfieTg  Iv  zfj  nioTU  tögaioiy  ngbg 
TO  ägyiov  uvtcov  vfuTg  ^fitgoi  [xul  ngaug]. 

Noch  haben  wir  die  letzten  Worte  f.i^  anovöu(^ovTeg  uvTifii- 
f-irjauod^at  uvTovg.  IdötXcfol  uvtcov  ivged^djf.tav  Tfj  inieixetu'  fuft'i]- 
Tul  öi  Toi;  xvgiov  onovdu'C,M(A.av  tlvui  bis  jetzt  ausser  Acht  gelas- 
sen. Nach  der  gewöhnlichen  Interpunktion  ist  das  firj  onovöu- 
^ovTtg  uvTifitfii^naa&ui  a^TOt'^noch  parallel  mit  dem  vorhergehenden 
vfitig  rif,ugoi  x«t  ngang.  Dann  aber  hat  ßunsen,  wie  ühl- 
horn ausdrücklich  anerkennt.  Recht,  den  folgenden  Satz  uötX(fol 
uviwv  avgf&w/iifv  einen  unsinnigen  zu  nennen,  ühlhorn  ^)  schlägt 
daher  als  Heilung  vor,  nach  tvgt^w(,uv  zu  interpungiren ,  und  so 
zu  übersetzen :  „dass  wir  nicht  uns  beeifernd  ihnen  nachzuahmen, 


1)  ^jf^iz^O    plur.  feri ,    davon  20i.Ji.i^ii  fentas,  also  das  Jud  vor  der 

Feminiiialendung  zu  streichen. 

2)  p.  .30. 

3)  p.  40. 


144     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

als  ihre  Brüder  erfunden  werden.  Lasset  uns  vielmehr  in  Milde 
Nachahmer  des  Herrn  sein."  Hier  geben  wir  ihm  insoweit  Recht, 
als  er  t//  inteiytia  mit  (Ätf-iriToi  zov  xv()iov  verbindet.  Allein  ge- 
gen seine  Verbindung  des  uöel(poi  uvtcüv  ivged^w/Liev  mit  dem  Vo- 
rigen wenden  wir  ein  1)  dass  durch  den  so  entstehenden  Final- 
satz der  Periode  alle  oratorische  Schönheit  geraubt  wird,  welche 
grade  in  den  fortlaufenden  parallelen  imperativischen  Sätzen  liegt. 
2)  dass  dadurch  udeXq)oi  sensu  malo  gebraucht  würde,  was  in  der 
biblischen  und  kirchlichen  Gräcität  ganz  unerhört  ist.  Es  bleibt 
also  gar  keine  Wahl :  der  Satz  adeXcfol  avicov  evQtd^w^itv  ist  zu 
streichen,  uad  es  lehrt  ein  einziger  Blick  auf  den  nun  entstehen- 
den Satiebau,  dass  erst  so  das  richtige  Ebenmass  der  Glieder  her- 
gestellt wird:  fxrj  onovdul^ovTeg  dvTi/iit(.ti^oaG^ui  aixovg*  (.iif.i7]Tul 
di  Toij  y.VQiov  anovöul^wfitv  aivai  rf}  inteixeta  (so  auch  Cureton) 
oder  mit  engerem  Anschlüsse  an  die  Wortstellung  des  griechi- 
schen Textes  T/y  enieixtia  de  intf.ir]Tai  tov  xvqiov  onovdui^wfiev 
tivai  (Bunsen  im  Hippolyt)  ^).  Entstanden  mag  die  Lesart  da- 
her sein,  dass  in  einigen  Handschriften  das  vocativische  adt'kq)ol 
eingeschoben  worden  war,  was  denn  nun  mit  dem  (vielleicht  von 
unten  heraufgenommenen)  r/y  Intti/Ma  zu  einem  neuen  Satz  ver- 
webt wurde.  Sehen  wir  nun  auf  den  Syrer,  so  bietet  derselbe 
völlig  den  von  uns  hergestellten  Text,  und  seine  Lesart  wird  be- 
stätigt tlieils  durch  den  Armenier,  der,  obwol  in  der  Satzform  ab- 
weichend, dennoch  das  aöaXifol  uvtwv  ivQtd^üJf.itv  wcgiässt  („sed 
in  mansuetudine  State  et  imitatores  Dei  studeamus  fieri"),  theils 
durch  den  Cod.  Njdpr.,  welcher  ebenfalls  den  Zusatz  nicht  kennt 
(dass  er  übrigens  zugleich  ifj  intetxeia  weglässt,  erklärt  sich  aus 
der  falschen  Verbindung  und  der  Unsicherheit  über  die  Stellung 
dieses  Wortes).  —  Also  bewährt  sich  auch  an  dieser  letztem 
Stelle  der  vorzügliche  Text  des  Syrers,  und  mit  Ausnahme  von  sehr 
geringen  Kleinigkeiten  muss  auch  seine  Uebersetzung  im  Epheser- 
briefe  als  wörtlich  und   zuverlässig  gelten. 

Im  Römerbriefe  endlich  ist  die  Uebersetzung  in  der 
Hauptsache  ebenfalls  sehr  wörtlich  und  getreu.  An  einzelnen 
Kleinigkeiten  fehlt  es  allerdings  auch  hier  nicht,  wo  Syr.  sich 
durch  das  Streben  nach  möglichst  deutlicher  Wiedergabe  des  Sin- 
nes zu  scheinbaren  Abweichungen  vom  Texte  hat  verleiten  las- 
sen. Doch  scheint  auch  U  h  1  h  o  r  n  anzuerkennen  ,  dass  grade 
der  Römerbrief  zu  der  Anklage  blos  paraphrastischer  Wieder- 
gabe des  Sinnes  wenig  Anlass  biete,  denn  er  entlehnt  aus  die- 
sem Briefe  nur  sehr  wenige  und  obendrein  meist  sehr  zweifelhafte 
Belege,     üeber  den  Anfang  de«  ersten  Capitels  haben  wir   schon 


I 


1)  Es  ergibt  sich  aus  diesen  Worten  für  das  Vorhergehende,  womit  sie 
eng  Zu  verbinden  sind,  dass,  wie  das  Part.  OTtovSd^ovree  kein  Verbum 
fordert,  so  auch*  zu  v/ueTs  rlfieqot  xai  n^asTs  kein  yiveod'e  zu  ergän- 
zen ist. 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignalios,     145 

oben  g-esproclien  ^).  Dalier  folgen  hier  einige  andre  Belege  da- 
für, dass  Syr.  zuweilen  in  unbedeutenden  Dingen  um  der  üeber- 
setzung  willen  abzuweichen  scheint.  Hierher  gehört  wol  Cap.  2. 
die  üebersetzung  des  xquttovl  fgyw  'f'x^Te  iniyQaqjrjvat  durch 
^Oj^oI\mZ  Ijoi  ^i^    ^Aa^dj  li-CilkO    in  opere  pracstantiori  quam  hoc 

inveniremini.  Hier  ist  quam  hoc  der  Deutlichkeit  halber  beige- 
fügt, und  inveniremini  kann  blos  Wiedergabe  des  undeutlichen 
iniyQucpr^vai  sein  (wenn  nicht  itfjedrjvut  ursprünglich  im  Texte 
stand).  —  7i)Jov  fioi  /nr"  nugua/tjad^e  ist  übersetzt  durch:  .q^2Z  IJ 
jjoi  ^^£>  ^AaI^dj  >o,.:iO  ^lü::*  non  dabitis  mihi  quidquam  quod  prae- 
stantius  quam  hoc.  Cap.  3.  u)la  y.ai  tvQid^oj  durch  ^a]  p] 
^^jI?  c>*I;A*]  verum  etiam  inveniar  quod  s  u  m.  —  uXXu  fieye&ovg 
hl IV  bXQtaTtariOfiog  durch  ]Za±^l^£D-^D  s^(y]  Jo^  ]}]  sed  raagnus 
est  Christianismus.  Cap.  4.  iuvneQ  vfutg  jurj  y.cüH'orjTe  durch 
^2.j>ci^dZ  ]}  ^o£\j]^  GOT  J  IdvniQ  vf^ietg  /.irj  y.toXtarjrt  fj.  t  (was 
doch  eine  ursprüngliche  Variante  sein  kann).  —  (.irj  ivvota  uxutgog 
ytvi]a^i  fxoi  durch  cnicivo  Pj  Jr^Q/^iiä  v-.2Qb:i  ^oooiZ  Ü   f^n    [h] 

tvvoia  äxaiQü)  yhria^l  (.loi.  Dies  wol  ebenfalls  keine  Variante, 
sondern  eine  aus  dem  Streben  nach  Deutlichkeit  hervorgegangene 
Üebersetzung. —  ßagvg  durch  das  vSubstant.  |i.i:Qj    onus.      Cap.  5. 

o\  ya)  evegyaTOv/Lievoi  yjigovg  yivovTui  durch  Jj]  c£il.g^i05  \^  «.2>J) 

^.•^  ^A^i:^^  pA^  ^ooi!^  qui  etiam  quando    benefacio    Ulis    magis 

malefaciunt  mihi.   Zweifelhaft  ist  die  üebersetzung  von  ov/  woneg 

Ttrwv    dedatvofiivu    ot/     ijxpuvio    durch    \m.j]    _io    \ix»5j*-ji]    ]}o 

^ooi^  tOjX)  Wo  IjfXi]  et  non  sicut  qui  metuit  ab  hominibus  aliis 

et  non  appropinquat  iis.  Hier  ist  das  aXXwv ,  welches  Syr.  zu 
Tivdiv  setzt,  auch  anderwärts  hinreichend  bezeugt;  auch  avjwv 
setzen  zum  Schlüsse  Arm.  1  Arm.  2  Eus.  Syr.  hinzu;  für  TJxpavTO 
liest  auch  Syr.  Eus.  und  Gr.  Eus.  rjxputo.  Doch  scheint  Syr.  ge- 
lesen zu  haben  ov/  wamg  uXXcov  tiv(Zv  deiXatvojuevog  ov/  rjijjaTO 
avTotg,  und  gradeso  las  Syr.  Eus.,  während  Arm.  1  Arm.  2  avrwv 
nicht  auf  die  Thierc,  sondern  auf  die    ukXot    jiiig    beziehn.     Mir 


1)  Wir  lassen  hier  die  Möglichkeit  ofTen ,    dass  die  Üebersetzung  A*-^* 

(V>j(9  (oAajj   (cnjiiP    precatus  suni  deum  ut  dignus    ficrem  ut   viderem    die 

griccliischen    Worte    tTtev^fifieros    ^ecp    initvxov    iSeip    wiedergeben    soll  ; 

ebenso  dass  sich  vvv  3i    C^?  i^Ol)  vor  Sedefupos  nur   um  des  ndXai  wil- 

h'n  eingesetzt  ist,  doch  Iblgt  hieraus  durchaus  nicht,    dass  Syr.   den  Sinn  der 
griechischen  Worte  ahsichtlich  habe  ändern  wollen. 

Abbandl.  d.  D.MG.  I,  5.  10 


146     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios, 

scheint,  dass  Syr.  durch  ein  Missverständniss  der  Worte  zu  die- 
ser Üebersetzung-  kam ,  da  bei  dem  buchstäblich  vorausgesetzten 
Texte  unklar  bleibt,  auf  wen  das  uXlcov  jtvwv  zu  beziehn  sei. 
Syr.  Eus.,  der  unsern  Syr.  jedenfalls  benutzte,  schrieb  seinen  Irr- 
thum  nach ;  Arm.  1  verbesserte  ihn.  In  den  Worten  xav  avru  de 
uxovxa  fxi]  d^ilrjarj  (Cod.  Colb.)  scheint  Syr.  durch  seine  Ueber- 
setzungf  ^bk  aOjcAl^!::^  ^^x^  V  ^*JOi  ^a]  etiamsi  haec  non  ve- 
lint  appropinquare  mihi  die  Weglassung  des  uxovia  anzudeuten. 
Indessen  führen  doch  die  beigefügten  Worte  appropinquare  mihi  weit 
eher  darauf,  dass  Syr.  mit  B  und  Lat.  A  die  richtige  Lesart 
ixovju  statt  axovTa  vor  sich  hatte,  oder  vielmehr  für  EKONTA 
die  Variante  HKONTA,  und  demgemäss ,  freilich  falsch,  über- 
setzte. In  demselben  Capitel  stellt  Syr.  die  Worte  oxognia/nog 
ooTfMv  avyxonrj  fieXcov  um,  und  übersetzt  J^jqoo  j^^^oi?  {.Qüia 
J.^j,^-^5  abscissio  membrorum  et  dispersio  ossiuni ,  allerdings  ge- 
gen die  übrigen  Zeugen;  doch  muss  es  unentschieden  bleiben, 
wer  den  richtigen  Text  bietet. 

Zwei  andre  Stellen  bieten  kleine  Zusätze  bei  Syr.  So 
Cap.  1.  zu  ttg  To  tov  xkr^QOV  fiov  avif.tnodioTü)q  dnoXußeiv  fügt 
er  ein  öiä  tov  na&etv  (Aj1.äQa>j).  Ebenso  Cap.  2.  zu  *iva  tig 
avTov    uvuTiiXü)    fügt    er  hinzu  iv  l^corj    (Ujj.o).    Letzteres  findet 

sich  auch  im  Citate  des  Joannes  Monachos  und  wird  bestätigt 
durch  das  unabhängige  Zeugniss  von  dem  syr.  Ucbersetzer  des 
Martyriums  (Syr.  2j  bei  Cureton  S.  225,  desgl.  der  von  Cu- 
reton S.  291  angeführten  alten  lateinischen  Version,  ist  daher 
vielmehr  als  eine  ursprüngliche  Variante,  denn  als  eine  genauere 
üebersetzung  des  ävux^XXttv  zu  betrachten;  ersteres  ist  jeden- 
falls Interpretament,  vielleicht  vom  Rande  eingedrungen. 

In  den  dem  Römerbriefe  einverleibten  zwei  Capiteln  des 
Trailerbriefes  macht  ühlhorn  als  ein  erleichterndes  Ein- 
schiebsel die  ^aIi^^ct  yt*]^  ToiavTa  nach  ot  yag  XlyovTtg  (xoi  gel- 
tend*). Allein  es  ist  klar,  dass  der  Text  A  ol  ydg  Xtyovitg  fnoi 
/LiaoTiyovaiv  /.le  von  einem  Fehler  behaftet  ist;  die  Lesart  von  B 
ot  yug  Inaivovvflg  fia  ist  ojffenbares  Interpretament ;  und  es  ist 
unbedingt  nöthig,  zu  )Jyovieg  einen  Objectsaccusativ  zu  ergänzen, 
wo  dann  die  Lesart  von  Syr.  die  einfachste  Abhilfe  bietet,  da  die 
Annahme  einer  Aposiopese  aus  Bescheidenheit  (ühlhorn)  schwer- 
lich gebilligt  werden  kann.  Vi^ir  haben  also  allen  Grund,  bei 
Syr.    den    richtigen    Text   anzuerkennen.      Weiter    unten    Cap.    5. 

mag  die  üebersetzung  ,^amiö!^  ^q^^mZ  V  Jia^j  »*s5^ '^^  t-»OTl 
^Q-^1jii»Z^o    cautus  enim  sum  ne  forte  non  possitis    capere  et 

1)  p.  23. 


1 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.       147 

implicemini  für  das  einfache  fii^noTt  ov  Svvr^d^ivTiQ  xcoQijaai 
OTQayyuXwd^TjTe  wol  blos  uniständlicliere  Uebersetzung  sein,  und 
wir  hüben  wol  kein  Recht,  mit  Cure  ton  cpvXuaaofiai  yuQ  in 
den  Text  zu  nehmen.  Endlich  die  letzten  Worte  dieses  Capitels 
nolla    yuLQ    i^f.uv    Uinei    *iva    d^eov    fu)    Xein6f.ie9^a    übersetzt    Syr. 

]o\2^lJ  Uqaj  Uo^Aiö^^iO  \j]  jAm>j  ^Jl^^-.^^  multum  enim  de- 

ficiens  ego  a  perfectione  quae  dignu  dei.  Bunsen  will  hier 
lesen  noXXu  yuQ  Itinti,  ^Ivu  ^iw  Jiltiajf,iat ,  Cure  ton  noXXu  yu() 
(.101  Xtinti,  "la  [u^noq]  &eov  Tildw^ai.  Wahrscheinlicli  las  Syr. 
noXXu  yug  (.iol  Xtintt  ^Iva  &e(p  unoitleicod^Wi  eine  allerdings  wol  irrige 
Variante  für  &€0v  fu]  unoXet(pd^cd,  Arm.  kommt  unserm  Syr,  nä- 
her durch  die  üebcrsctzung  sed  quod  valde  deminutus  (deficiens) 
sum  a  similitudine  dci ;  Sever.  und  Fr.  I  (198)  geben  den  Text 
von   Cod.   Med. 

Die  zusammengestellten  Beispiele  beweisen  alle,  dass  Syr. 
sich  hie  und  da  zur  genaueren  Wiedergabe  des  Sinnes  kleine  Ab- 
weichungen und  Erweiterungen  der  Textesworte  erlaubt  habe;  im 
Allgemeinen  können  jedoch  auch  diese  unser  ürtheil  nicht  ändern, 
und  wie  wir  früher  gefunden  haben,  dass  Syr.  im  Römerbriefe 
den  vorzüglichsten  Text  aufbewahrt  habe,  so  müssen  wir  jetzt 
unbeschadet  einzelner  kleinerer  Abweichungen  und  selbst  aus 
Missverständniss  hervorgegangener  Unrichtigkeiten  die  üeber- 
setzung  als  eine  sorgfältige  und  den  Urtext  möglichst  treu  wie- 
dergebende anerkennen.  Von  willkürlichen  Abänderungen  und 
blosser  Paraphrase  aber  ist  der  Syrer  so  weit  entfernt,  dass  bei 
Weitem  die  meisten  seiner  Aenderungen  aus  einem  zu  ängstlichen 
Streben,  den  Sinn  der  griechischen  Worte  so  genau  als  möglich 
auszudrücken,  hervorgegangen  sind.  Die  übrigen  kommen  auf 
Rechnung  von  Missverständnissen  oder  rühren  von  den  Schwierig- 
keiten her,  die  die  syrische  Sprache  einer  buchstäblichen  und  doch 
zugleich  auch  dem  Sinne  nach  treuen  Wiedergabe  der  griechischea 
Wendungen    entgegenstellte. 

Wir  wenden  uns  jetzt  zu  der  letzten  il\ufgabe,  die  bei  ge- 
genwärtiger 'i'extkritik  uns  noch  obliegt:  zu  der  Untersu- 
chung des  Verhältnisses  unseres  Syrers  zu  der  vor- 
ausgesetzten weite  reu  syrischen  Recension.  Hier 
ist  unsre  Aufgabe  zuvörderst  diese,  das  Verhältniss  zu  be- 
stimmen, welches  zwischen  unserem  Syrer  und  dem 
Armenier  stattfindet. 

Peter  mann  ')  hat  nun  die  Ansicht  zu  begründen  gesucht, 
dass  der  Armenier  eben  dieselbe  syrische  Version,  von  welcher 
gegenwärtig  nur  noch  drei  Briefe  vorlägen,  vor  sich  gehabt  habe, 
und  stützt  diese  Ansicht  auf  Uebereinstimmungen  theils  in  einer 
Anzahl  Varianten,  theils  insbesondre   auf  gewisse    auch    bei  Arm. 


1)  Üe  versionc  Armeniaca  p.    XXII    sqq. 

10 


I 


148     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignatios. 

sich  findende  Üebersetzungseig-entliüinlicbkeiten  unseres  Syrers. 
Wir  müssen  diese  Thatsacbe  nicbt  nur  einfach  anerkennen,  son- 
dern auch  im  Interesse  unserer  weiteren  Erörterung  nochmals  aus- 
fübrlicber  feststellen.  Wir  geben  demnach  alle  drei  Briefe  der 
Reibe  nach  wiederum  durch. 

Polyc.  inscr.  xul  y.vgiov  'Ir^aoü  Xqigiov  Syr.  \iaA*  -ißo 
•iö  IjAAjiIiD  et  a  Jesu  Christo  domino  nostro.  Ebenso  Arm,  et 
a  Domino  nostro  Jesu  Christo.  —  uXtiaia  yaiQuv  Syr:  >q1^ä  ^v>cP 
multa  Salus.  Ebenso  Arm.  —  Cap.  1.  U7i€y.dex6f.iev6g  oov  ti]v  Iv  diu 
yvco/in]V  rjdQuof.iii'r]v  Syr.  joil^io?  001  »^J-A^^^i  ^^iu  ^^üißj  ^^^ 
yM.'^Q  quoniam  accepta  super  me  mens  tua  quae  in  Deo  firmata. 
Ebenso  Arm.  (nur  acceptabilis,  und  apud  me).  —  Zu  vneQÖol^al^ü) 
setzt  Syr.  ^for,  ebenso  Arm. —  ovaifujv  durch  j.j)  ,.x»Qa)  desidero, 

Arm.  desiderabam.  —  rj  iröedvoui  Syr.  ^ACi^^j  ^oi  quam  induisti. 
Arm.  quam  indui  (pungirt  AAiilis  statt  Ajti;::^!^). —  n'a  acol^wv- 
Tai  Syr.  . ax».^?  ut  yiyant.  Arm.  ebenso.  —  ixöiy.tt  aov  rov  jonov  Syr. : 
)Aa1:;^'d  ^sio  et  vindicans  (I.^oZo  et  vindica)  convenientia.,Ebenso 
Arm.  iam  expete  convenientia.  —  jijg  ivwaecog  Syr :  IZa^o)  ^i^  de  cod- 
cordia.  Ebenso  Arm.  — fjg  ovöev  lifietrov  ^Aa^O  oiJ-iß)  >o^  A^ibkjquod 

non  est  quidquamquod  ea  praestantius.  Ebenso  Arm.  —  wg[xai]  oiHyr. 
und  Arm.  fügen  bei  ßaaiu^u.  —  xuiU  ßorjd^eiuv  diov  secundum  vo- 
luntatem  dei    (Syr. :    joi^?   IxaO  .    ^j) )  beide.    Cap.  2.  jovg  loi- 

fWTtQOvg  Syr.  xm..m^^  tt^^I^  ^^^  4"^  mali.  Ebenso  Arm.  malos. — 
iuv  (fiXjig  mit  dem  Zusätze  (.lovov  bei  Beiden. —  ttj  uvifj  ff.i7i\uaTQM 
Syr.  \<£xai  ^ jaS^  una  medicina.  Ebenso  Arm.  —  %ovg  naQo'^vof.iovg  f(A.- 
ßQoy^atg  navt  Syr.  abscissionem  in  lenitate  Tj^DOg-O )Hs>^) 

esto  tranquillans.  Arm.  ebenso  sed  abscissionem  in  lenitate 
tranquilla.  Hier  hätten  wir  zwei  Fälle,  wo  Arm.  offenbar  weniger  ge- 
naue Uebersetzungen  des  Syr.  nachbildet.  —  tig  ngooconov  mit  coram 
facie  tua  Syr.  Arm. —  tig  id  itfov  i/inv/Hv  beide  mit  ut  dignus 
fias  Deo.  Diese  Uebersetzungseigentbümlichkeit  kehrt ,  wie 
schon  von  Petermann  bemerkt  wird,  bei  Arm.  überall  wieder.  — 
t6  &tf^a  Syr.  mit      ^    -i'Nsp?    x^r^    quidquid    promissum    (oder 

promitteus)  nobis.  Arm.  quoniam  quidquid  promisit  nobis  (hier 
hat  Arm.  den  Syr.  missverstanden).  —  aov  uviiipvxov  iyiu 
Syr.  ego  ero  pro  anima  tua.  Ebenso  Arm.  persona  mea  sit 
vice  personae  tuae.  Cap.  3.  ol  doxovrug  aitoniaioi  elvui  Syr. 
>0j.^  ^ooijAj]?  ^jj-^Aml^J -A^äj]  ii  qui   putantur   esse    all qui 


i 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     149 

Ebenso  Ann.  (nur:  at  illi  etc.).  —  aiij&i  da  tögaiog,  Syr.  und  Arm. 
sta  vero  in  veritate.  —  wg  ux^cor,  Syr.  sicut  athleta,  ebenso 
Arm.  (ut  vir  fortis).  —  rovg  y.aiQOig  xuiufAuv&uvf,  Syr.  ^oA^  i^jOCJi 
Jj-O].^  esto  animum  advertens  ad  tempora.  Ebenso  Arm.  (et  ani- 
mum  adverte  ad  tempus,  ohne  Ribbui).  —  rov  vntg  xuigöv  ngoadoxa 
gibt  Syr.  durch    ^üm^  A*ooi     .}j.£l  ^^  >-.l:ii»iD?  ooili  eum   qui 

elatior  a  temporibus.  esto  exspectans.  Arm  et  ad  eum  qui  supe- 
rior  est  quam  tempora;  et  exspecta  etc.  Durch  die  syrische 
Interpunction  veranlasst,  verband  Arm.  TiponJoxa  mit  dem  Fol- 
g-enden,  und  knüpfte  daher  mit  et  an.  — tov  xktu  nayxa  XQonov 
dl*  i,fiug  vnoftenuvTa,  Syr.  und  Arm.  schieben  ein  nurra  (omne 
aliquid)  ein.  Cap.  4.  yvbjftrjg  zu  uvev  d^eov  bei  beiden  gesetzt. — 
uXXu  fitjöf  avTo)  (fvaiova&waav ,    Syr.    ^q^qaj  .Qjoi  ]]2))  ]J|  sed 

etiam  non  illi  contemnant.  Arm.  ebenso:  itidem  et  illi  ne  con- 
temnant  eos.  —  uXX*  tig  do'^uv  d^eov,  Syr.  und  Arm.  ulX"  wg  dg 
do'^av  &tov.  Cap.  5.  iv  uvofiuTt  ^l7]aov  Xqigtov  durch  oi^aO 
|>*AAi£)  ^QAj  <^iiOJ  in  nomine  domini  nostri  Jesu  Christi.  Ebenso 
Arm.  Ein  auch  sonst  bei  beiden  vorkommender  Zusatz.  —  wg  6  xv~ 
Qiog  7i]v  exxXrjoiuv i  Syr.  oiZf^iik  .^iö  ^*1  quemadmodum  domi- 
nus noster  ecclesiam  suam.  Ebenso  Arm.  Cap.  6.  die  Ueber- 
setzung  des  avjixpv/^ov  iyw  wie  oben.  —  Beide  lassen  wie  es  scheint 
das  a/eiv  nach  tü  /.itgog  yivotjo  weg.  —  agtaxtit  w  aigarevtad^ei 
Syr.  N_,oiax».l^aao   oibi  o^a.*  placete  (grati  estote)  ei  et  servite 

ei.  Ebenso  Arm.  —  t^tjxig  {/.iiov  dtatQTMQ  fvge&i] ,  Syr.  ne  quis 
(non  homo)  e .  vobis  rebellet  (desciscat).  Ebenso  Arm.  et  unus 
aliquis  rebellis  inveniatur  (nach  Petermann  zu  lesen:  et  n  e 
quis  etc.).  —  t«  denoatra  rficov  %a  i'gya  1(.i(jüv,  Syr.  Qüji^ 
\^i  yQ.^-»t^^  ^ooaiJ  thesauri  vestri  sint  (erunt)  opera  vestra 
bona.  Ebenso  Arm.  —  tu  axxenra  v(iiu)v  beide  durch  donum  dei.  — 
ovaifiriv  r/jwf ,  Syr.  ^£i^  {j)  loi  \j]  gaudeo  in  vobis.  Ebenso 
Arm.  (Während  beide  oben  desidero  vos  übersetzen).  Cap.  7. 
aXX«  ^füi  ayolut^H,  Syr.  ^ci::^Ajtj,    *.Ci*.^iö    Icnb^V  P)     sed    deo 

paratus  est  ut  se  subjiciat.  Arm.  wenigstens  ebenso  sed  deo 
paratus  est. 

Ephes.  inscr,  rjv(üuevi]v  Syr.  et  perfecta  Ebenso  Arm.  quac 
perfecta  est.  Cap.  1.  liest  Syr.  für  q)vaii  öixuta  in  natura 
in  voluntate  recta  et  iusta  (s.  oben)  Arm.  „  revera  immaculata 
voluntate"  wo  das  voluntate  offenbar  auf  das  Glosscm  beim  Syr. 
zurückweist;  revera  ist  vielleicht  Uebersetzung  des  Jj^ao»  im- 
maculata desgl.   des   Ij?0. —  TtXfiwf,  Syr.  ^s^»3   Ta;j*wf(?)    con^ 


I 


150     Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignalios. 

tinuo,  festinanter.  Arm.  in  araore  (ob  beide  anovdalux;  lasen  ?).  — 
T^  TiQOOivyJ]  r(.iMV  Syr.  und  Arm.  den  Plural.  Derselbe  Fall  kebrt 
ffleicb  in  den  näcbsten  Worten  wieder.  —  iXTi/^ojT«,  Syr.  j.j]   jr:iini;DO 

et  spcro  (durcli  die  vorbergebende  Structur  bedingt;.  Ebenso  Arm. 
(et  exspecto).  —  Itciiv/hv  h  ^Pcofii]  d^7]Qio/iia/Jjaui.  Heide  lassen 
intTV/jTv  weg",  und  lesen  ut  devorer  a  bestiis  (a  bcstiis  devorari 
Romae,  Syr.  j.:^ooi^o  ]Iqjlx»  ^"^  ^^s]^]?)-  —  fiu^tjTtjg  thai,  Syr. 
und  Arm.  fügen  bei  &eov.  —  xiXTrja^ai  scbeint  bei  beiden  zu  feblen. 
Cap.  3.  onwg  avvTQix^Xi,  Syr.  ^^si-wZZj  ut  studeatis;  äbnl. 
Arm.:  in  studendo  vos.  Cap.  8.  ojav  yuQ  fn]öe/iiia  l'gtg  (vtiQtoiui 
ivv^uv,  Syr.  JA^j^^l  ^1^  ]fj^  ^Qno  }a*^J  V?  r-^v^i^  <!"»'"- 
diu  enim  non  pl  antat a  in  vobis  una  ex  concupiscentiis.  Ebenso 
Arm.:  quamdiu  non  est  plantatum  in  vobis  quidquam  ex  concu- 
piscentiis mundi.  —  negiyjr^fia  vfidiv ,  Syr.  und  Arm.  gaudco  in 
vobis  (s.  oben).  —  xa)  ayviL,0(Aa.i  rjnior,  Syr.  und  Arm.  et  supplico 
pro  vobis;  für  joTg  alwatv  liest  Syr.  Jü^ol^v»  .ocTibjliO  in  omnibus 
saeculis;  Arm.  in  omnibus  gentibus ;  durcb  i^lissverständniss  oder 
einen  Scbreibfebler  veranlasst,  Jiaink  für  )voSs  •  Cap.  9.  iig 
&e6v,  Syr.  ]oi^l  ia!:^  J^Ojli  in  altum  ad  deum  (keine  Va- 
riante, sondern  nur  umstandlicbere  Uebertragung  des  uvucpegovau), 
Arm.  ebenso.  Cap.  10.  nQog  jug  ß\ao(jri(.iiag  avxwv  vfxiTg  tm^  ngoa- 
ii;;^af,  Syr.  contra  blaspbemias  eorum  vos  fuistis  orantes.  Aebnl.  Arm. : 
contra  scbisma  eorum  (.ooii2<\%_^s  nacb  Peter  mann  Scbreibfebler 
für  ooixSjQ^t  )  orate.  —  ädik(fo\  tvQidwjitev  lassen  beide  weg  (s. 
oben).  Cap.  15.  aiwnuv  ycai  tlvai,  Syr.  ^oioAj]  fD  caj)  «.öjA^  joaiJ? 
/Qf^  quod  sit  silens  bomo  cum  sit  aliquid.  Arm.  quod  sit  ali- 
quid quispiam  et  audiat  (für  audiat  scblägt  Peter  mann  sileat 
mit  leicbter  Aenderung  des  armeniscben  Textes  vor).  Cap.  18. 
TttQixprif.ia  t6  if^öv  7iviV(.ta  rov  otuvqov  ,  Syr.  adorat  Spiritus  mens 
crucem  banc.  Ebenso  Arm.  (nur  obne  banc).  —  rj^iiv  dt,  Syr.  und 
Arm.  IfxTv  Si  (.  qü^}.  Cap.  19.  iv  rjov/Ja  ^lov,  Syr.  )2q>*aJO 
Iai-^5  in  lenitate  Dei.     Ebenso  Arm. 

Rom.  Cap.  1.  eüvneQ  tig  7i(()ag  f/iar/w  statt  iavueg  //xQtrog 
tniTvyoi)  (s.  oben).  Cap.  2.  ov  yaQ  lyu)  nort  I'^m  y.aiQov  toiovtov 

&eov  t7ttivxtTv.SyT,'.]otA]  laiÜ^^^]]?  Ijch^-jI  hf»^]  l-i-ö1  f*^A.»l^ 
noü  est  enim  tempus  aliud  sicut  boc  ut  Deo  dignus  fiam,  Arm.  non 
enim  est  aliud  tempus  sicut  boc  quo  dignus  fiam  Deo.  —  i'x^Ti 
intyQucpijvtti  ^  Syr.  inveniemini,  Arm.  inveniatis.  Cap.  3.  iyw  di 
diXü)  —  ivTfXXeod^a  feblt  bei  Syr.  und  Arm.  —  /novov  /not  dvvafxiv 
ahtiadty    Syr.    ^\,  t.»ai.iAJ5  qI^}.»  ]3-*.k»  jQj^lr^a    tantumraodo 


LipsiuSf  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios,     151 

potentiam  petite  ut  detur  milii.  Ebenso  setzt  Arm.  ut  detur  mihi 
bei. —  y.al  Tore  htaicg  (Ivat,  Syr.  {j.iQjoiiD  \j]  ]o<n  rr*r*^  *""^ 
sum  (sim)  fidelis.  Ebenso  Arm.  —  uXXu  /ueyeO^ovg  eoTiv  b  Xqi- 
üiiaviG(.ioq,  Syr.  sed  magnus  est  Cbristianismus  (s.  oben) ,  Arm. 
ebenso  :  sed  mng^num  aliquid  est  Christianismus.  — oiav  fuarJTai  vnb 
xüOf-iov,  Syr.  )va\v.  m\  }jl£05  Jio  cum  odit  eum  mundus.  Ebenso 
Arm.  —  Der  Zusatz  iv  ^wjj  nach  uvutiiXü)  bei  beiden.  Cap.  4.  xal 
hriWof-iaif  Syr.  )i  S'*oV>"  et  notum  facio.  Ebenso  Arm.  —  öi'  o)v 
l'vtoTtv  d^eov  iniTV/Hv ,  Syr.  Joib^P  ]oA^|  ^jaijj.jfoj  ut  per  ma- 
nus  eorum  (quarum  manibus)  dignus  fiam  deo.  Arm.  ebenso:  et 
per  manus  eorum  (per  quas)  dignum  fieri  deo.  —  Xtravivaars  rov 
XntOTov  (rbv  xvQiov)y  Syr.  -Vß  V)  Qii»0  petite  a  domino  nos/ro. 
Arm.  ebenso.  —  (xetvoi  unoaroXot ,  Syr.  |.>AA-i»j*  ^ooijAjJ)  Qjoi 
illi  qui  sunt  apostoli.  Arm.  qui  erant  electi  apostoli. —  xai  uva- 
GT'fjoof.iai,  Syr.  mit  dem  Zusätze  a  domo  mortuorum.  Ebenso  Arm. 
a  mortuis.  Cap.  5.  &riQtOfiuxM }  inter  bestias  coniectus  sum 
(}j|  \^S  ]laA^  Ä*o)   Syr.  und   Arm.   —  diu  yijg  y.al  ^aXaaai]gy 

Syr.  umgestellt  l^^iA^o  ).^a1^  in  mari  et  terra  (ariditate).    Ebenso 

Arm.  in  mari  et  in  arido. —  o\' y.al  tviQytrovfXivoi  x^^QOvg  yivovTai, 
Syr.    qui    etiam    quando    benefacio    iis ,    magis    malefaciunt  mihi. 

Ebenso  Arm.:  et  quantum  (JI^qd)  benefacio  iis,  magis  etiam  male- 
faciunt erga  nie.  —  ovuifirjv  twv  &rjQi(jüv  wie  Polyc.  6.  laetor  bestiis 
beide.  —  eroif^u  beide  mit  confestim  W  .  v«~^^  {avvTOfxa  oder  ovvtü- 

/.ifog),  —  xav  avvä  de  uxovja  /tirj  &£X'^ar],  Syr.  etiamsi  haec  non 
velint  appropinquare  mihi.  Ebenso  Arm.,  nur  setzt  er  ein 
„nam"vor(s.  übrigens  oben).  —  eyo)  nQOGßtaaofxaii  Syr.  |^A^.ai:i  Jj| 
^jOIj^I:;*  {j|  Nilj  ego  cum  vi  eo  ( ibo )  super  eas.  Arm.  ego 
coactus  (diese  üebersetzung  Missverständniss  des  ]:A^n^)» — 
tVa  *Irjaov  Xqkttov  iniTv^w,  Syr.  Arm.  ut  Jesu  Christo  dignus 
fiam.    —     &T}gi(ov    rt     avajuaitg ,     Syr.     _CiA.^i^5     I^Qa^Jj     et 

bestiae  quae  paratae.  Ebenso  Arm.  —  f.i6vov  'Iva  ^Ttjaov  Xgiatov 
fnixvyo) ,  Syr.  und  Arm.  lassen  'Iva  weg  und  übersetzen  mit  dem 
bekannten  dignum  ßeri.  Cap.  7.  xai  ovx  taxiv  iv  ifiol  nvg  <pt- 
XovXov,  Syr.  (Cod.  y)  ]Z-^]  ]£^iax»5)  jiQj  -^s  i^Al:i.0  et  non  est 
in  me  ignis  alius  amoris.  Ebenso  Arm.  (et  non  est  in  me  älius 
aestus  amoris).  —  ovx  ^So/iiat  TQO(pfj  q)&OQug,^  Syr.  «-svJvO^^  V 
U-CÄijj  IZ^riiAm-:^  \j]  non  desidero  cibum  corruptionis.  Arm.  liest 
non  desiderat  senectus  lac,  ein  nur  aus  dem  Syrischen  zu  erklä- 


152     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

rendcr  Irrtliuin:  statt  ji^CiAin^li»  las  er  IZa^Ainbi,  statt  pci^jj 
aber  {ciI^jj,  und  Ij|  strich  er  nun  (vgl.  Peterm.). —  jov ßiovioirov, 
Syr.  Ann.  tov  xonfiov  roviov.  Cap.9.  tJg  ovo^iu,  Syr.  cTi.'iQA.V,  ^^j,] ,  (5, 
tlg  ovOf.ia.  Arm.  sicut  imagineni,  las  wol  oil^!:^^?  für  oiiQAli,^  (Pe 
term.).  Trall.  4  fehlt  das  nXwv  vor  nolefitthei  Beiden.  Cap.  5.  inrj 
ov  övva/iiai  vfuv   —  yQuipui  Syr.    qü!^  cCäoAo)^  Ij.>j,cjaLd  pos- 

sum  ut  scribam  vobis.  Ebenso  Arm.  (possum  scribere  vobis).  — 
vt^nioig  ovoiv  fehlt  bei  Beiden.  —  zal  avyyvwjnovtiTt  f^oi  Syr.  noscite 
me  ab  anima  mea.  Arm,  ähnlich  scio  e\  anima  mea.  —  fii^noTe  ov 
Svvrid^ivxeQ  —  OTQuyyaXov  &iJTe  Syr.  schiebt  hier  ein  cautus  enim 
sum  vorher  ein  (s.  oben).  Dieses  liest  aucb  Arm.  (et  caveo), 
lässt  aber  alles  Andre  weg.  —  xrx/  rag  Tono&ioiag  Syr.  ]Zo'')Z]q 
Arm.  et  provincias,    weil  ]5Z)  auch  provincia  bedeutet.  —   noXXu 

yuQ  Tjf.itv  Xdnti  'na  &£0v  (.itj  Xemo^ieda  Syr.  multum  enim  deficien 
sum  a  perfectione  qnae  digna  Deo  ,  ebenso  fast  Arm.:  sed  quo 
valde  deminutus  (deiiciens)   sum  a  similltudine  Dei,    — 

Es    ergibt    sich    aus    obiger    Zusammenstellung    soviel ,    dasa 
Arm.   mit  unserm   Syrer  in   einem   sehr   engen    Verwandtscliaftsver 
hältnisse  steht.     Eine  Reihe    von    Varianten ,    Uebersetzungseigen 
thümlichkeiten ,    irrthümliclicn   üebersetzungen   oder  Schreibfehler 
bei  Arm.  sind  nicht  allein  aus  dem    Syrischen    zu    erklären,    so 
dern  wie  es   scheint,    speciell  aus  unserer  syrisclien   Recension 
Allein  wir  wissen   aus    uns^erer    früheren    Erörterung,    dass    Ar 
eine  weitere  syrische  Recension  voraussetzt  als    die    gegenwärti 
in  den  drei  Briefen  uns    vorliegende.      Da   nun    das    Ziel    unsere 
gegenwärtigen  Untersuchung  dieses  ist,  zu  erkunden,  ob  die  kür- 
zere oder  die  weitere   syrische    Recension    die    ursprüngliche    sei 
so  gilt  es  jetzt,  auch   die  Abweichungen   des  armenischen  Texte 
vom   syrischen   ins  Auge  zu  fassen,  sofern  daraus  für  die  Ursprung 
lichkeit    des    einen    oder    des    andern     etwas    zu    erschliessen    ist. 
Zuerst    stossen    wir    auf   die    Erscheinung,     dass    Arm.    in    einer 
Reihe  von  Stellen    dem    Griechischen,    insbesondre    dem 
Texte  A,    wieder  näb er  tritt.     Polyc.    inscr.  Arm.   epis- 
copo  ecclesiae  Smyrnae   urbis  für  ep.  Smyrnae  (Syr.).    A   iniaxono) 
ixxXi^aiag  2(iiv^vaicor,     Cap.   1.  nuvTcov  avixov  Syr.   caj.!^d  >Qi» 
^j^oh    \^J\     cum    omni    homine     protrahe     spiritum    tuum.      Arm. 

wörtlich  nach  dem  Griechischen  patiens  esto  ad  omnes.  Cap.  7. 
lässt  Arm.  den  Zusatz  von  Syr.  „ut  se  subiiciat"  nach  „sed  deo 
paratus  est"  weg,  wol  weil  er  sich  im  Griechischen  nicht  fand. 
Freilich  ist  dadurch  die  Uebersetzung  „sed  deo  paratus  est" 
allein  für  aXA«  '^eip  axoluKei  ziemlich  hinkend  geworden.  Cap.  8. 
wird  uanu(^of.iut  wörtlich  nach    dem    Griechischen    übersetzt   (Syr. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Texl  der  Briefe  des  Ignatios,     153 

rog-o  salutem,  Arm.  saluto).  Für  tig  *Arii6xtiav  (Syr.)  Ann.  mit 
Gr.  dg  2vQtav.  Dass  gleich  darauf  bei  Ann.  «jt*  ((.lov ,  yMd^ojg 
diera^o.ftTjv  aoi  fehlt,  beruht  auf  dem  Unterschiede  der  längeren 
und  weiteren  Recension  überhaupt.  —  Kph.  inscr.  liest  Arm. 
nXrjQM^iuTi  mit  Gr.  gegen  ns7i).fjQü)jitevf]  (Syr.).  —  ev  na&ti  uXt]~ 
&IVCÜ  Arm.  mit  Gr.,  gegen  in  praposito  veritatis  (Syr.).  Hierüber 
vgl.  man  meine  Abhandlung  in  Niedners  Zeitschrift  1856,  I,  24  ff. 
Die  gewöhnliche  Annahme,  dass  hier  im  Syr.  ein  Schreibfehler 
J^^ii;:)  für  lÄ.>Aii  vorliege,  ist  möglich,  doch  kann  ebenso  gut  xuiu 

TiQod^eaiv  dlrjdeiag  der  ursprüngliche  Text  sein.  Arm.  hat  dann  ent- 
weder nach  dem  Griechischen  corrigirt  oder  die  üebereinstimmung 
mit  Gr.  ist  zufallig  und  der  Schreibfehler  auf  seiner  Seite.  Ganz 
denselben  Fall  haben  wir  schon  oben  zu  Trall.  II.  Smyrn.  1  bei 
Arm.  kennen  gelernt.  An  ersterer  Stelle  las  Arm  umgekehrt  i  n 
signo  (}aaXC))  für  in  passione  ((aj^^),  an  letzterer  ähn- 
lich a  signo  als  üebersetzung  von  passionis.  Ueidemale  hat 
also  der  armenische  üebersetzer  zwei  syrische  Worte  ver- 
wechselt und  dasselbe  wird  wol  auch  an  unserer  Stelle  der  Fall 
sein.  Fernere  Abweichungen  der  armenischen  üebersetzung  im 
Epheserbriefe  sind  noch  folgende:  Cap.  1.  dno  2vgiag  Arm.  rich- 
tig mit  Gr. ,  gegen  den  Schreibfehler  bei  Syr.  ab  operibus  (s. 
oben).  Cap.  10.  xai  vn^Q  töJv  ukXcov  di  ävd^Qibnwv  statt  Syr. 
vniQ  TiuvTcov  dv&QCOTiMv,  uud  eniTQiXpaxi  ovv  aviotg ,  wofür  Syr. 
einfach  fiulXov  (und  im  Folgenden  das  Verbum  finitum  liest). 
Beidemale  Arm.  mit  Gr.  —  (.u]  onovödt^ovxig  drTtjuiuHfj&ai  avrovg 
Arm.  richtig  ,,et  ne  studeatis  similes  fieri  eorum'*  für  Syr.:  et  ne 
miremini  eos.  Selbst  wenn  Arm.  hier  in  der  syrischen  Hand- 
schrift „et  ne  imitemini  eos"  gefunden  hätte,  so  könnte  doch 
hieraus  die  üebersetzung  et  ne  studeatis  etc.  nicht  erklärt 
werden.  Dieser  Fall  tritt  gleich  nachher  nochmals  ein  ,  wo  Syr. 
„simus  autem  imitatores  domini  nostri"  (^jVq:^  lij^^^liO  _.j5  ]ooij) 

liest.  Arm.  liest  hier  „imitatores  dei  studeamus  fieri'S  wo  auch  die 
Variante  ^tov  statt  y.v^iov  auf  den  Text  von  f-^at.  A  zurückweist, 
abweichend  von  den  übrigen  Auctoritäten.  Diese  Stelle  ist  wich- 
tig, weil  sie  uns  beweist,  dass  in  der  armenischen  Version  der- 
selbe Text  auch  in  den  mit  Syr.  gemeinsamen  Abschnitten  neben 
Syr.  benutzt  wurde,  welcher  dem  übrigen  bei  Syr.  fehlenden 
Theile  der  ignatianischen  Literatur,  wie  wir  wissen,  zu  Grunde 
lag.  Cap.  19.  weicht  nun  Arm.  ganz  von  Syr.  ab,  und  stimmt, 
mit  Ausnahme  einiger  eignen  secundärcn  Varianten ,  ganz  mit  A 
zusammen.  —  Im  Römerbriefe  geht  Arm.  ebenfalls  oft  gegen 
Syr.  mit  Lat.  A;  so  in  den  Zusätzen  Cap.  J.  uig  —  Xußtir. 
Cap.  2.  od  yuQ  —  ug^axeTf.  (Dieser  Zusatz  auch  in  der  Gestalt 
wie  er  bei  F^at.  A  steht,  ohne  ugtoat.)  Cap.  3.  o  yug  ^thg 
rjfA.(tiv  —  (paivtjat.     Cap.  4.  ßogäv.    Cup.  5.  iyw  yivcoaxu)  —  ^ad; 


1 


154     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

tlvnt,  Cap.  7.  rov  Ix  oniQf.ia%oq  z/a/?/cJ.  Cap.  9.  ovx  wC  nago^ 
öevovra.  Ebenso  stimmt  ganz  allein  mit  Lat.  A  Cap.  4.  die  Weg-- 
lassung-  des  h  avito.  Unter  den  Varianten  vgl.  noch  Cap.  5. 
fitjöiP  f.is  i^TjUoar]  [l^f]lc6o(M] ,  wo  Arm.  mit  F^at.  1  den  Infin.  tf]- 
Xwaat  voraussetzt,  was  wiederum  nicht  aus  Syr.  geflossen  sein 
kann.  Cap.  4.  /iiad^ijTtjg  u.Xrj&r]g  mit  Lat.  A  und  Gr.  \l  gegen 
/nad".  aXfjd^wg  wie  Syr.  Lat.  B  Gr.  A  lesen.  Ebenso  übersetzt  er 
Inscr.  a^/o;i()«7r^c wörtlich  nach  dem  Griechischen  mit  „et  digna  aequi- 
täte"  statt    des    syr.    j.A>^l:i,  JIjQao    et  digna  vita    (letzteres  nach 

Petermann  wol   ein  Schreibfehler  für  J*}*^  IjQäo)«     Cap   L   lässt 

er  das  diu  jov  na^tTv  des  Syr.  zu  unoXaßeTv  weg.  Auch  die 
übrigens  ziemlich  secundäre  Uebersetzung  des  ov^  wgneg  jivwv 
ddXaivofitva  ov/  ij^uvTO  Cap.  5.  durch  ac  nc  fiat  iis  metuere  a  me 
sicut  a  quibusdam  qui  noH  appropinquarunt  iis  ist  nicht  aus  dem 
Syrer,  sondern  aus  dem  gewiihnlichen  Texte  von  A  geflossen.  — 
axoQntGfiog  oöTtwv  ovyy.onrj  ^tXwv  hei  Arm.  in  der  gewöhnlichen, 
von  Syr.  abweichenden  Wortstellung.  Cap.  9.  danaCtiui  v(.iug  ti 
([,i6v  nvev/^ia  wörtlich  aus  dem   Griech. 

Diese  üebereinstimmungen  beweisen  schon  soviel,  dass  di 
vom  Arm.  gebotene  Text  nach  derselben  griechischen  Recensioif" 
revidirt  wurde,  aus  welcher  die  beim  Syrer  fehlenden  Briefe  und 
Briefabschnitte  geflossen  sind.  Wie  aber  in  diesen  letzteren  bei 
Arm.  ein  aus  A  und  B  gemischter  Text  vorlag,  so  triffst  es  sich 
auch  hier,  obwol  sehr  selten,  dass  Arm.  Varianten  des  Textes  B 
enthält.  So  ist  dies  einmal  der  Fall  im  E  ph  eserb  ri  ef  e:  Cap.  1. 
der  Zusatz  6  &t6g  zu  ivkayi^rog  (der  indess  auch  selbständig  bei- 
gefügt sein  könnte);  im  Rom  erb  riefe  Cap.  5.  die  I^esart  u 
xui  evxo/Liat,  die  übrigens  auch  sonst  verbreitet  gewesen  zu  sein 
scheint.  Ebenso  bietet  Arm.  an  einigen  Stellen  des  Römerbriefes 
schon  gemeinschaftliche  Varianten  von  B  und  Cod.  Colb. ;  so 
Cap.  L  das  intl  ev^u/LUVog  für  inividfievog  (eine  Stelle,  wo  Arm, 
entschieden  unabhängig  von  Syr.  geschaltet  hat).  Cap.  3.  die 
Lesart  naXiv  too^ai  tq^x^^'  ^«'P*  ^-  ^^r  Zusatz  diuigiaig ,  wel- 
cher wenigstens  theilweise  das  Einschiebsel  von  Colb.  B  uvaio- 
f^ai,  ötaigeotig  wiedergibt.  Cap.  \.  hat  Arm.  eine  Variante,  den 
Zusatz  &eov  zu  d^iXfj/na  mit  Cod.  Colb.  allein;  Cap.  9.  eine  Va- 
riante mit  B  allein,  die  Weglassung  von  jfj  xurä  odgxa  (secundär). 

Hierzu  kommen  nun  eine  Reihe  Stellen,  in  welchen  Arm. 
einen  offenbar  aus  Syr.  und  A  (seltner  aus  Syr.  und 
B)  gemischten  Text  bietet.  So  Polyc.  2  b  xaigbg  unantT 
a€,  wg  xvßtQVi]xai  drff.iovg.  Wir  hatten  oben  gesehn,  dass  Syr. 
l^x!^)^  l.^jjoa£)  j^-j]  ^s2  ].JLOl  tempus  posee  ut  gubernator  na- 
vem  bietet.  Arm.  liest  nun  pete  tu  tibi  in  tempore,  sicut  sapiens 
gubernator  ventum.  Er  nimmt  also  uvfßovg  aus  dem  Griechi- 
schen   herüber,     behält    aber    den    Fehler    des    Syr.    {unairei    für 


( 


LipsiuSf  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios»     155 

änuiTei)  bei,  und  las  sehr  walirsclieinlicb  auch  das  Ja^^,  leitete  es 
aber  ab  von  .  o\  V]   docere,  daher  denn  die  üebersetzung  sapiens 

(doctus)  g-ubernator.  Eine  aus  Syr.  und  Gr.  g^einischte  Version 
liegt  auch  Eph.  10.  in  der  Stelle  ngog  t«?  oQyug  xtL  vor.  Hier 
las  Arm.  zuerst:  et  contra  magna  verba  eorum  in  humilitate  state  j 
der  Ausdruck  magna  verba  entspricht  dem  griech.  jntyaXo^^r^ov- 
vag  von  A  besser  als  dem  syr.  dura  verba.  Letzteres  lag  wol 
ursprünglich  vor,  wurde  aber  nach  A  in  magna  verba  verändert; 
ebenso  blieb  das  xui  npaetg  des  Syrers  weg,  weil  es  auch  A  an 
dieser  Steile  nicht  las.  Dagegen  fehlen  nun  in  Folge  der  üeber- 
setzung des  Armeniers  die  Worte  Trpo^  jug  ogyu^  avTwv  v^ng 
TiQuiig  ganz  ,  was  sich  eben  nur  aus  der  Benutzung  unseres 
syrischen  Textes  erklärt.  Weiter  unten  lehrt  die  üebersetzung 
,,et  contra  amentiam  eorum  vos  tranquilli  State"  bei  Arm.  eben- 
falls eine  Benutzung  des  Textes  von  A.  Cap.  18.  liest  Syr. 
v(.uv  df  oiuTr](Jia  B  joTg  de  tiiütoTq  odnrjQia  Arm.  v  (.iTv  de  toTg 
ntOTotg  o(oii]Qia,  Im  Römerbriefe  verräth  einen  gemisch- 
ten Text  die  Lesart  (Inscr.)  u^iayvog  a^ioi.ivi]f.i6viVXQg.  Hier 
liest  nämlich  A  und  B  a^ioenhevxTogi  a^iayvog;  Syr.  dagegen 
Q>j.^^i£il:ä  JjQ*o    l  l-JpOf^o    et    commemoratione    (sc.    digna) 

et  digna  prosperitate.  Letzteres  ist  offenbar  üebersetzung  von 
u^itniTevxTog,  esteres  aber  entspricht,  wie  Cureton  richtig  ge- 
sehn hat,  dem  griechischen  u^io^ivrijuoviviog  (vgl.  ep.  ad  Tars. 
Inscr.).  Syr.  las  also  uiiiof.iyrij.wvtvTog,  a^ioininvxiog  und  Hess 
a^lnyvog  weg.  Arm.  übersetzt  nun  „et  precibus  et  sanctitate". 
Letzteres  entspricht  dem  griech.  uS,iayvogi  ersteres  aber  kann 
nicht  das  a^toeniTtvy.iog  wiedergeben,  sondern  vielmehr  das  u^io- 
f.ivrif.i6vtvTog  des  Syrers  (fivfj^toveieiv  vom  Gebete  ist  durch  pau- 
linischen  Sprachgebrauch  constatirt).  Arm.  liess  also  a^iOini- 
Tivxxoc,  trotzdem  dass  es  alle  Andern  haben,  weg,  nahm  u^iojuvtj' 
^lovfVTog  aus  Syr.,  u^iuyvog  aus  Gr.,  bietet  also,  wie  gesagt, 
einen  gemischten  Text.  Cap.  2.  liest  er:  nam  si  siletis  a  nie 
verbo ,  ego  pars  dei  fiam.  Dies  setzt  ebensowol  die  I^esart  von 
Syr.  und  Lat.  A  iuv  yag  aiMnriarjTt  «ti'  ifAOv,  iycü  yevfjOOfj^ut 
Xoyog  d^eov,  als  auch  die  von  Cod.  Colb.  und  B:  tyco  yevi^aojLKxi 
&iov  voraus.  Letzteres  ist  durch  die  Worte  „ego  pars  dei  fiam*' 
offenbar  ausgedrückt;  dass  aber  die  F>esart  Aoyof  ebenfalls  vorlag, 
ergibt  sich  daraus,  dass  Arm.  auch  dieses  hat,  nur  am  unrechten 
Orte.  Cap.  5.  setzt  die  üebersetzung  et  malae  turbationes  Sa- 
tanae  ebensowol  die  Lesart  von  Syr.  und  A  xaxul  xoXuoeig  i  als 
die  Lesart  von  B  Met.  Eus.  Syr.  xul  xoXuoiig  (xoXaatg)  voraus. 
Cap.  4.  bietet  Arm.  für  die  Lesart  von  A  Syr.  iöiu  tlüv  ogyuvwv 
TOLTMv  i^fw  d^voia  ivgidw  vielmehr  ut  hoc  opere  vas  sacrificii 
deo  inveniar.  Die  Lesart  erklärt  sich  aus  Lat.  B  und  Arm.  2, 
welche  Sio  rwv  egycov  tovtwv  lasen.     Arm.    verbindet   nun    beides 


156     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

iovMv  und  oQyuvwv,  und  inuss  nun  uatürllcli  etwas  ung-enauer  über- 
setzen. Dies  beweist  wol  nicbt  Abbang^igkeit  des  Arm.  von 
Arm.  2,  wol  aber  von  einigen  Codd.  von  B.  —  Hierzu  füge  man 
endlich  noch  zwei  »Stellen,  wo  bei  Arm.  eine  doppelte  üeber- 
setzung  vorliegt,  die  eine  aus  unserm  Syrer,  die  andre  aus  dem 
griecbischen  Texte  geflossen.  Cap.  4.  übersetzt  Sjr.  die  Worte 
jiiäXlov  xoXaxtvaajf  tu  &r]Qia  durch  J^Q*!*.!;^  ^ii]  Ciyi^sx.  Q^viv^;^ 
provocando  provocate  eas ,  bestias,  welche  Wendung  das  /näV.ov 
schon  mit  ausdrückt.  Arm.  aber  bietet  sed  potius  provocando 
provocate  bestias  illas ,  übersetzt  also  das  (.luXkov  de  noch  ein- 
mal aus  dem  Griechischen.  Ganz  derselbe  Fall  kehrt  Cap.  7.  bei 
den  Worten  o  if^iog  l'gayg  iajuvQWjai  wieder.  Hier  hat  Syr. : 
ocn  )*~^«V^  ^1:^j9  ^b)^^So  et  amor  meus  crucifixus  est.  Da- 
gegen  lesen  wir  bei  Arm.:  amor  meus  crux  est,  meum  dcside- 
rium  crucifixum   est.     Nämlich   1.1:^!^.   konnte    sowol    durch    crux 

als  durch  crucifixus  wiedergegeben  werden.  V'erstand  man  es 
ersterem  Sinne,  so  fehlte  der  passende  Ausdruck  für  ioTaigayrau 
Daher  finden  wir  denn  hier  zuerst  die  Uebersetzung  der  syrischei 
Worte  „amor  meus  crux  est"  und  diesen  ward  nun  noch  aus  dei 
Griechischen  beigefügt  „meum  desiderium  crucifixum  est."  Nacl 
Peter  mann  hätte  der  letztere  Satz  auch  beim  Arm.  nicht  ui 
sprünglich  im  Texte  gestanden,  sondern  wäre  eine  aus  dem  gri( 
einsehen  Texte  geflossene  Randbemerkung.  Dafür  könnte  die  einfache 
Nebeneinanderstellung  der  Sätze  zu  sprechen  scheinen  ;  doch  kani 
auch  diese  aus  einer  wirklichen  Mischung  der  Texte  erklärt  werdet 

Jedenfalls  erweist  auch  abgesehn  von  der  letzteren  Stelle  du 
vorstehende  Erörterung  mit  völliger  Sicherheit,  dass  der  armeni^ 
sehe  Text  ein  ziemlich  secundärer  ist.  unser  Syrer  lag  ihm  zl 
Grunde,  aber  nach  griechischen  Handschriften,  die  wie  es  schein! 
selbst  schon  einen  aus  A  und  B  gemischten,  wenn  auch  überwies 
gend  mit  Lat.  A  stimmenden  Text  enthielten,  wurde  der  Ursprung«! 
liehe  syrische  Text  vielfach  corrigirt. 

Den  im  Vergleich  mit  unsrem  Syrer  secundären  Ursprung  dei 
Textes  der  armenischen  Recension  mag  schliesslich  auch  noch  eil 
Blick  auf  die  eigenthüralichen  Varianten  des  Armeniers  zeiget 
(wobei  wir  vorläufig  die  mit  den  syrischen  Fragmenten  der  weite« 
rcn   Recension  gemeinsamen  Varianten  mit  aufnehmen). 

Polyc.  Inscr.  fehlt  /nuXXov  iniaxonri/iiercü.  Cap.  2.  ist  xi 
"kay.trtjt;  mit  corrigas  gegeben  (wahrscheinlich  eine  Emendatioi 
nach  B:  inavoQ&wGrjg).  Cap.  3.  /ar]  ae  y.aTanXrjaatiioaav  durclf 
ne  mirare  eos. —  Tvmo^itvog  durch  qui  percutitur  et  non  cadit 
(qui  percutitur  ist  aus  unserm  Syr.  geflossen;  et  non  cadit  ist 
Interpretament).  —  vnofitutv  runag  dei  durch  decet  nos  pati  et  susti- 
nere.'  Cap.  4.  nii]  vntgr^ffuvii  durch  doceas  non  contemnere  domi- 
nos. —  nUov  dovXevhcoaav  einfach  durch  serviant.  —  uno  rov  xoivov 


Lipsius^  über  den  syrischen  Teotl  der  Briefe  des  Ignalios.      j  57 

durch  a  commurii  Servitute  (Interpretament).  Cap.  5.  ntgi  tovtuv 
üjLitliav  noiov  durch  loquere  cum  sororibus  ineis  propter  has 
(cum  sororibus  meis  aus  dem  Folgenden  heraufgenommen).  —  il' 
ng  dvi'UTut  tv  (xyvtia  jLiireiv  et  si  quis  continentiam  ha- 
beat,  et  potest  manere  cum  castitate.  Cap.  6.  Gwa^XeTre  und 
av^jQf/iTt  fehlen  ganz. —  Für  to  ßanTio(.ia  v/hlov  West  er  nioTtg, 
und  an  der  Stelle  von  niaiig  gleich  nachher  iXntg.  —  E  p  h.  inscr. 
fehlt  iv  &i)irj/iiuit  und  dann  heisst  es  ,,dei  ac  domini  nostri  Jesu 
Christi".  Cap.  1.  fehlt  uvuCatTivgi^auviig  h  utfiaii  &eov.  —  Für 
/Va  öia  TOü  (7TiTv/fTv  dvy>rji^(7)  (.laSriTr^g  ilvui  Oeov  (Syr.)  liest 
Arm. :  et  quando  hoc  dignor  et  perfero,  spem  habeo  fieri  disci- 
pulus  Dei,  eine  ganz  secundäre  Lesart,  vgl.  Petermann  zur 
Stelle.  —  iöeh'  ianovdaouTe  (Syr.:  uaJ.jo].>jZo  ^oijZj  ^^^sx^l] 
studuistis  ut  veniretis  et  videretis  me)  Arm.  et  vos  studuistis  re- 
creare  me  (nach  Petermann  aus  s^..j.jq>j.aj2)  .  oAj]  entstan- 
den. Wol  möglich;  wenigstens  scheint  das  oZJZj  i»it  folgendem 
O  sicher  als  ein  Irrthum  einiger  syrischen  Handschriften  für 
oAj]   betrachtet  werden  zu  können).  Cap.  8.  fehlt  das  öiußorjTov, 

Cap.  9.  statt  eU  otxoöof.if}v  ^tov  nuzQog  liest  Arm.  ad  aedificia 
templi  spiritualis.  Cap.  10.  lig  nXtov  udtxf^&jj  —  u&trrj&fi  fehlt 
ganz.  Cap.  14.  ov  yuQ  vvv  inayyeXiug  to  l'Qyov,  oXX*  iv  dvvüfiet 
niaTicog,  euv  %ig  tvqtd-fj  dg  lilog  (Syr.    J^rüi^.   ocn    Jj^oqaj    ali 

|2^>Ali^  li;Dj.:i  cAj]  .>a2Aaj  liQJ-iQiOij  1Ja>aO?  I^l  non  quod 
promissio  (promissionis)  hoc  opus,  sed  quod  in  vi  fidei  invenietur 
homo  usque  ad  finem).  Arm. :  non  est  bonum  poUiceri  habere 
opera  tantum  sine  executione  et  vi  fidei  usque  ad  finem.  —  Rom, 
Cap.  2.  oTi  tIv  inioy.onov  ^vgiag  o  d^eog  xuir/^itoaev  evgt&ijvat 
iig  dvaiv  äno  uvuToXtjg  (.itianef.i\lJUf.ievog,  Dafür  liest  Syr.  oxl 
%ov  tniöy.onov  [^vgiag  nur  bei  Cod.  y.]  yuTif^uüOiv  ^iov  elvat 
[oder  vielmehr  ivgti^rjvui]  und  avuioXfig  tlg  duoiv  mTU7iff.iipa/ii€~ 
vog.  Arm.  qui  episcopum  Syriae  dignatus  est  vocare  ab  Oriente  in 
occidentem,  lässt  also  \^tog  oder  Ö^iov  ebenso  wie  evgt&rjvai  ganz 
weg  (im  Uebrigen  angeschlossen  an  Syr.).  Cap.  3.  /.lovov  ^loi 
dvvfx/Liiv  uiTHode  öod^ijvat  (Syr.  etc.).  Arm.:  una  virtute  petite, 
ut  detur  mihi  vis.  —  Ttaaiiiovrjg  (ein  Cod.  M  nlt]aiiiovijg)  Syr.  Lat.  A 
etc.  atcüTirjg  (,i6vov  Colb.  vanitatis  Arm.  Eine  dritte,  secundäre 
Variante.  Cap.  4.  fehlt  näai  bei  evjeXXoftai.  —  Vv«  (itij  xoif^irjd^eig  ßa- 
Qvg  Tivi  yivcü/iiai  fehlt.  —  ixiTvot  anoaioXot  qui  erant  (s.  Syr.)  e  I  e  c  t  i 
apostoli.  electi  eigne  Zuthat.  Cap.  5.  die  Umstellung  tj/nfgag 
xal  vvxiog.  —  iv  de  roig  udixtjfiaaiv  uvidiv  fiaXXov  f.ia&j]Tivo^iui 
Arm.  sed  et  per  hoc  niagis  erudior  (ob  hier  ein  blosser  Schreib- 
fehler vorliegt^). —  a  xul  xoXuxevaw  owTOfnog  fit  xatacfaytTv  ein- 
fach mit  „et  comedent  me"  übersetzt.  —  ovyyvcofir^v  fioi  i'/,iTi  ist 


158     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

weggelassen.  Cap.  9.  für  xai  rj  uyanTj  tvüv  h.xli^aicov  liest  Arm. 
et  omnes  ecclesiae  (vgl.  den  secundären,  hieraus  mit  geflossenen 
Text  von  Arm.  2).  Die  Sclilussformel  eggcaad^e  (tg  TtXog  h'  vno- 
fiovfj  *Triaov  Xqiotov.  ^^/Lttjv  (Colb.  etc.)  übersetzt  durch  salvi 
estote  et  firmi  manete  patientia  Jesu  Christi.  Gralia  Domini  no- 
stri  vohiscum  omnibus.  Amen.  VValirscheinlich  las  er  nach  'It^aov 
X^iaiov  noch  rov  xvqiov  tj/ncdv.  ?;  XUQtg,  woraus  der  weitere 
Zusatz  dann  entstand.  —  Trall.  4  joTg  qvaioioip  f.ie  (Syr. 
^lii  _jVa>aJ^5  .  Qjaio  ad  eos  qui  superbirc  me  faciunt)    Arm.    ad 

eos  qui   censentur  auferre  mc    (ob    ^y^xt.)iD^  ^ür  _j5A>*i^)  qui  1  i- 

berant?  Peterm.).  Cap.  5.  t«  Inovguria  durch  altiora  et  coe- 
lestia.  —  fi^noTt  —  GiQUiyyuXov  &i]Te  Arm.  einfach  et  caveo  (s. 
oben).  —  xfAi  yuQ  lyM  vor  ov  y.ud^oit  didtfiui  fehlt.  —  xai  lug 
ovoTuaeig  tag  uQ/^ovTtxäg  Arm.  et  potestates  et  principatus. 

Ziehen  wir  nun  aus  dem  Erörterten  das  Resultat,  so  ist  es 
völlig  klar,  dass  bei  Arm.  ein  späterer  und  überarbeiteter  Text 
vorliegt.  Arm.  setzt  überall  da,  wo  unser  Sjr.  vorhanden  ist, 
denselben  voraus^  gehört  also  hier  wesentlich  derselben  Textge- 
stalt an  wie  Syr.  Nun  hatten  wir  aber  gesehn,  dass  die  syrische 
Recension  eine  besonders  alte  und  vorzügliche  ist,  die  weder  der 
Familie  A  noch  der  Familie  B  zugezahlt  werden  durfte,  obwol 
sie  dem  ältesten  Texte  von  ß  relativ  näher  stand.  Dagegen  hat- 
ten wir  im  vorhergehenden  Abschnitte,  wo  wir  die  armenische 
Textgestalt  einer  sorgfältigeren  Prüfung  unterzogen,  gefunden, 
dass  Arm.  wesentlich  dem  Texte  von.  A,  speciell  von  Lat.  A, 
entspricht,  obwol  mit  allerhand  Reimischungen  anderer  Art,  ins- 
besondre auch  aus  B,  welche  auf  eine  secundärere  Textrecension 
schliessen  Hessen.  Hieraus  ergibt  sich,  dass  Arm.  in 
denjenigen  Briefen  und  Briefabschnitten,  welche 
bei  unserm  Syrer  fehlen,  eine  andre,  und  zwar  spa- 
tere Textgesalt  voraussetzt,  als  in  denen,  die  Arm. 
mit  unserm  Syrer  gemein  hat;  und  zwar  ist  die  in 
jenen  zu  Grunde  liegende  Textgestalt  dieselbe, 
nach  welcher  diese  späterhin  dur  che  orrigirt  wor- 
den  sind. 

Nun  setzt  aber  Arm.  auch  da,  wo  der  kürzere  Syrer  nicht 
vorhanden  ist,  einen  syrischen  Text  voraus,  den  er  übersetzte, 
welcher  in  einzelnen  Ausdrücken  und  Wendungen  mit  unserm 
kürzeren  Syrer  zusammenstimmte.  Hierher  gehört  die  häufige 
(obwol  durchaus  nicht  regelmässige)  Beisetzung  des    jjjo  (o  avqiog 

rifxüjv)  zum  Christusnamen ;  die  ähnlichen  üebersetzungen  des  bvai' 
/ni]v  durch  „gaudeo"  Eph.  2  Magn.  12  Tars.  8  oder  durch  „de- 
sidero"  Magn.  2.  aviixpvxov  durch  ooiAaäJ  t.^!^^  ]oa\]  Jj] 
(persona   mea   vice    personae   [auimae]   eorum)    Eph.    21    Mar.   3 


I 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios.     159 

Tars.  8  Ant.  7  Her.  1.  9  Philipp.  14.  (ntTvy/ureiv  durch  dignuin 
fieri  Miign.  14  Trall.  12  Phiiad.  5  Smyrn.  11.  avyyvMTe  fnoi 
Rom.  6  vgl.  Rom.  5  noscite  me  ex  anima  mea.  uvaa%r{vai  mit 
dem  Zusätze  a  mortuis  (a  domo  mortuorum)  Eph.  11  Rom.  6 
Smyrn.  2,  vgl.  auch  die  üebersetzung  des  nQoxa&r]j,tiVOV  rov 
IniOAonov  Mago.  6  et  sedeat  episcopus  in  capitibus  vestris  mit 
Syr.  Rom.  Inscr. 

Allein  diese  Uebereinstimmungen  sind  einmal  nicht  durchge- 
hend. So  ist  inixvyßv  Rtirn.  8  mit  assequi  übersetzt;  ovfxtfitjv 
mit  fruur  ad  Mar.  2  Änt.  12  Her.  6  u.  s.  w.  Zum  andern  sind  sie 
nicht  ausschliesslich  dieser  üebersetzung  der  13  Briefe  mit  un- 
serm  Syrer  gemeinsam:  so  übersetzt  z.  B.  Syr.  Eus.  Rom.  5  zwei- 
mal das  intxv/Hv  ebenfalls  durch  dignum  fieri.  —  Es  ist  daher 
unmöglich,  von  diesen  Uebereinstimmungen  auf  die  Identität  des 
syrischen  üebersetzers  der  3  Briefe  (unseres  kürzeren  Syrers) 
und  des  der  13  Briefe  (des  Verfassers  der  weiteren  syrischen  Re- 
cension)  zu  schliessen.  Nur  soviel  ergibt  sich  aus  dem  bespro- 
chenen Umstände,  dass  die  Üebersetzung  aller  13  Briefe  in  irgend 
welchem  Verwandtschaftsverhältnisse  zu  unserer  kürzeren  syrischen 
Recension  stehen  müsse.  Hierzu  reicht  völlig  aus,  dass  wir  an- 
nehmen ,  ein  Späterer  habe  den  kürzeren ,  3  Briefe  enthaltenden 
syrischen  Text  zu  einer  die  13  Briefe  enthaltenden  üebersetzung 
erweitert;  hatte  er  nämlich  jene  kürzere  Recension  zur  Ueberar- 
beitung  und  Ergänzung  vor  sich,  so  war  es  natürlich,  dass  er 
vielfach,  aber  eben  auch  nicht  durchgängig,  die  Ausdrucksweise 
jenes  Üebersetzers  adoptirte.  Ein  ganz  analoger  Fall  läge  dann 
bei  Eus.  Syr.  vor,  dessen  Üebersetzung,  insbesondre  vom  5.  Cap. 
des  Römerbriefes,  ebenfalls  theils  nach  dem  Griechischen  des 
Eusebios,  theils  nach  unserm  kürzern  Syrer  gearbeitet  ist. 

Ist  also  die  Identität  dieses  vom  Arm.  vorausgesetzten  syri- 
schen Üebersetzers  der  13  Briefe  und  des  Üebersetzers  der  uns 
vorliegenden  3  Briefe  aus  obiger  Erscheinung  nicht  erweislich, 
so  fragt  sich,  ob  die  armenische  Üebersetzung  einen  Anhalte- 
punkt  andrer  Art  bietet,  um  über  die  Identität  jener  Uebersetzer 
ins  Klare  zu  kommen;  oder  mit  andern  Worten,  ob  aus  Arm. 
etwas  erschlossen  werden  kann  für  die  ürsprünglichkeit  der  kür- 
zeren  oder  der  weiteren  syrischen  Recension. 

Nun  ist  allerdings  von  vornherein  zuzugestehn,  dass  das  Urtheil 
über  den  armenischen  Text  nicht  ohne  Weiteres  übergetragen 
werden  kann  auf  den  ihm  zu  Grunde  liegenden  weiteren  syrischen 
Text.  Vielmehr  sind  wol  eine  Anzahl  insbesondre  der  dem  Arm. 
eigenthümlichen  Weglassungen,  Interpretamente  u.  s.  w.  nicht  auf 
Rechnung  des  ihm  vorliegenden  syrischen  Textes ,  sondern  auf 
seine  eigne  Rechnung  zu  schreiben.  Andrerseits  aber  ergibt  sich 
aus  unserer  früheren  Erörterung  über  den  armenischen  Text,  dass 
diese  Abweichungen  secundärer  Art  im  Einzelnen  doch  kaum  in 
die  Wage  fallen  gegeu   die  im    Ganzen   und    Grossen   vom   Arm. 


I 


160     Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios, 

vorausg-esetzte  Textgfestalt.  Und  auch  diese  nicht  aus  der 
ihm  vorliegenden  syrischen  Quelle ,  sondern  aus  seihständiger 
üeberarheitung  herleiten  zu  wollen,  ist  unmöglich  im  Hinblick 
auf  die  vielen  Spuren  oft  bis  zum  Unsinn  buchstäblicher  Ueber- 
setzung  aus  dem  Syrischen. 

Mag  also  im  Einzelnen  noch  so  viel  auf  Rechnung  des  Ar- 
meniers selbst' zu  setzen  sein,  sobald  man  zugesteht,  dass  die 
arm.  Recension  auch  in  den  beim  kürzeren  Syrer  fehlenden  Thei- 
len  aus  dem  Syrischen  geflossen  ist,  so  muss  unbedenklich  fest- 
gehalten werden,  dass  die  allgemeine  Textgestalt,  welche  Arm. 
bietet,  die  Textgestalt  dieser  von  ihm  vorausgesetz- 
ten weiteren   syrischen   Recension   ist. 

Hieraus  folgt  aber,  dass  auch  die  weitere  syrische  Recension 
eine  doppelte  Textgestalt  voraussetzt:  eine  andre  in  den  aus  dem 
kürzeren  Syrer  entlehnten  Briefen  und  Briefabschnitten,  eine  andre 
in  den  beim  kürzeren  Syrer  fehlenden.  Krstere  ist  selbständig 
ebensowol  von  Familie  A  als  von  Familie  B ;  ursprünglich  ,  rein 
von  mancherlei  späteren  Zusätzen.  Letztere  ist  aus  Familie  A 
geflossen,  schon  behaftet  mit  mancherlei  späteren  Beimischungen 
insbesondre  aus  B.  Aber  diese  letztere  hat  Einfluss  gehabt  auf 
die  Gestaltung  des  Textes  auch  da,  wo  erstere  Recension  die 
Grundlage  bildete.  Während  eine  Anzahl  Varianten  oder  üeber- 
setzungsfehler  der  erstem  Recension  beibehalten  wurden ,  sind 
andere  nach  dem  letztern  Texte  geändert  oder  berichtigt,  wie 
ein  flüchtiger  Blick  auf  die  obigen  Collationeu  zur  Genüge  leh- 
ren kann. 

Hieraus  ergibt  sich  mit  Nothwendigkeit:  die  kürzere  syrische 
Recension  von  3  Briefen  ist  älter  als  die  weitere,  13  Briefe  ent- 
haltende; die  letztere  ist  erst  eine  spätere  Erweiterung  der  er- 
steren,  angefertigt  unter  Benutzung  einer  griechischen  Handschrift, 
die  aus  der  Familie  A  geflossen  war. 

Wir  müssen  uns  vorläufig  mit  diesem  allgemeinen  Resultate 
begnügen,  da  der  Nachweis  desselben  im  Einzelnen  fortwährend 
erschwert  wird  durch  die  sich  dazwischendrängende  Vorfrage,  ob 
diese  oder  jene  einzelne  Variante  auf  Rechnung  des  Arm.  selbst 
oder  des  von  ihm  benutzten  weiteren  syrischen  Textes  zu  setzen 
sei.  Doch  gewährt  schon  dieses  allgemeine  Resultat  hinlängliche 
Sicherheit,  da  die  doppelte  Textgestalt  des  Armeniers  durchaus 
auf  keine  andre  Weise  erklärt  werden  kann,  selbst  wenn  man  an- 
erkennt, dass  die  armenische  üebersetzung  im  Einzelnen  nach 
griechischen  Handschriften  corrigirt  worden  ist.  Denn  die  ver- 
schiedene Beschaff*enheit  der  beim  kürzeren  Syr.  vorhandenen  und 
der  bei  ihm  fehlenden  Theile  der  armenischen  üebersetzung  lässt 
nur  eine  Möglichkeit  zu:  dass  unser  kürzerer  Syrer  einen  selb- 
ständigen und  ursprünglichen  ßestandtheil  der  armenischen  Üeber- 
setzung ausmacht ,  trotz  aller  später  mit  ihm  vorgenommenen 
.^mendationen ;    ist  aber  dies   der  Fall,    und    alle    13   Briefe   sind 


l 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.    161 

aus  dem  SyriscLen  geflossen,  die  Textgestalt  der  übrigen  ist  aber 
bei  Arm.  eine  andre  als  die  der  drei,  so  bleibt  auch  wieder  nur 
eine  Möglichkeit,  nämlich  dass  der  weitere  Syrer  eine  üeberar- 
beitung  und  Ergänzung  des  kürzeren,  nicht  aber  umgekehrt  der 
kürzere  ein   Excerpt  des   weiteren  ist. 

Wir  sind  indessen  glücklicherweise  im  Stande,  die  Richtig- 
keit unseres  Resultates  wenigstens  durch  einige  Bruchstücke 
der  weiteren  syrischen  Recension  im  Einzelnen  zu  erproben.  Wir 
erinnern  uns,  dass  zwei  von  Cureton  abgedruckte  Fragmentsamm- 
lungen PV.  1  (p.  197  fF.)  und  Fr.  II  (p.  201  f.),  desgleichen  (wie 
wir  wenigstens  vorläutig  annahmen)  ein  grösseres  Fragment  aus 
dem  Römerbrief  Fr.  p.  296  den  weiteren  syrischen  Text 
enthalten.  Diese  Fragmente  stimmen,  soweit  der  kürzere  syrische 
Text  mit  ihnen  verglichen  werden  kann,  so  wörtlich  ja  buchstäb- 
lich mit  ihm  überein,  dass  offenbar  nur  die  Alternative  bleibt,  ent- 
weder ist  die  in  diesen  Fragmenten  noch  aufbewahrte  weitere  Re- 
cension eine  üebwarbeitung  der  kürzeren,  oder  die  letztere  ist  ein 
Excerpt  aus  der  ersten.  Wir  stellen  jetzt  die  betreffende  Verglei- 
chung  im   Einzelnen  an. 

Für  Polyc.  3,  ol  doxovvreg  —  rifj.ug  vno^ieivT]  haben  wir 
ein  Fragment  aus  der  Sentenzensammlung  I  p.  198.  Es  stimmt 
buchstäblich  mit  unserm  Syrer  überein;  nur  3  Varianten  sind  zu 
bemerken:    den  Anfang  leitet  das  Fr.  mit     jj  ^aI^j]    »t    illi    statt 

mit  dem  einfachen  ^a^j]   ein  ;     für    J^\Al:i>i£]    wi*)  (ut  athleta)  liest 

CS  J  jAl^jija    j^*]    ut    potens    ( oder    ut    robustus )  ;    endlich    für 

001  cä]  .  iCumj?    ut    sustineat    nos    etiam    hie    liest    er    ijLrjj| 

OOl  cs]  .  i.ixiiaj5  quemadmodum   quod   sustinet  nos  etiam  hie.     In 

allen  diesen  drei  Varianten  stimmt  Arm.  mit  dem  Fragmente  gegen 
Syr.  (at  illi;  ut  vir  fortis ;  nam  et  hie  sustinuit  propter  nos). 
Die  erste  und  dritte  weichen  gemeinschaftlich  von  Syr.  und  den 
griechischen  Handschriften  ab ;  die  zweite  ist  offenbar  In- 
terpretation des  fremden  Wortes  J^,a!^Z1  j  welches  sich  zwar  wei- 
ter unten,  aber  nicht  an  dieser  Stelle  im  griechischen  Texte 
befand.  Vielleicht,  dass  der  Ueberarbeiter  u&lT^Trjg  daher  an 
dieser  Stelle  nicht  beibehielt ,  jedenfalls  fand  er  die  Lesart 
unseres  Syrers  schon  vor.  —  Das  Fragment  aus  dem  6.  Ca- 
pitel,  TW  iniaxono)  —  o/jtv  Iv  &e(xf  stimmt  mit  Syr.  und  Arm. 
buchstäblich  überein,  gewährt  also  keine  weiteren  An- 
haltepunkte.  Ein  andres  Fragment  aus  Cap.  7  (aus  derselben 
Sammlung,  s.  unten)  ;f()mrmvof  —  a;foXa?€t  stimmt  wörtlich  mit 
Syr.  und  Arm.:  nur  uXXa  &e(^  a/oX«?ft  gibt  unser  Syr.  )c7i2::ip  ]}] 
fZ:i^l\jLjy  -nr^^  sed  Deo  paratus  est  ut  sc  subiiciat;  dagegen 
Abbandl.  d.  DMG.  1,5.  11 


162     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios, 

lässt  das  Fragment  ut  se  subiiciat  weg-,  und  liest  dafür  nach  p)  ein 
^jIxa^I  constanter.  Arm.  lässt  beides  weg.  Das  ut  se  subiiciat 
hat  wol  ursprünglich  gestanden,  wurde  aber  später  nach  dem 
Griech.  weggelassen.  Aus  dem  Epheserbriefe  kommt  jetzt 
nur  ein  Fragment  aus  der  Sentenzensammlung  Nro.  1  p.  197  in 
Betracht,  aus  dem  15.  Cap.,  nämlich  diel  Worte  äfieivov  iaviv  aiwnav 
y,al  eivui  rj  XaXovvTa  f,ir]  dvai.  Sie  stimmen  buchstäblich  mit  unserm 
Syr.,  und  ebenso  mit  dem  Arm.  zusammen  (nur  löst  letzterer  der  be- 
quemeren Üebersetzung  halber  die  Participien  auf,  die  Lesart  et  sileat 
für  et  audiat  aber  ist,  wie  schon  oben  bemerkt,  nur  Schreibfehler 
im  Armenischen).  Dann  folgt  im  Fragment  ein  bei  Syr.  fehlen- 
der Satz  yiokov  %o  ÖLdaomiv  iuv  o  "kiycov  noifj  j*^.  <-iOi  jf^^iA 
♦  001  flii»  f^^]?  liö  0015  ooij)  cAj)  ti^l^J?  melius  (bonum)  id 
enim  quod  docet  vir  si  id  quod  loquitur  facit  (for  it  is  good 
that  a  man  teach  if  it  be  that  he  do  what  hg  says  Curet.).  Die 
armenische  üebersetzung:  „bonum  est  docere  id  quod  et  faciat 
primum  ipse  et  tunc  dicat"  weicht  etwas  ab,  kann  aber  doch  aus 
der  syrischen  des  Fragm.  hervorgegangen  sein. 

Wichtiger  sind  die  beiden  grössern  Fragmente  p.  201  f.  und 
p,  296  (ersteres  in  der  Sammlung  Nro.  W)  für  den  Römer- 
brief. Sie  enthalten  Cap.  4  —  6,  freilich  nicht  vollständig,  son- 
dern mit  mancherlei  Lücken,  wie  dies  der  Zweck  der  Sammlung 
erklärlich  macht.  Uns  geht  zunächst  nur  Cap.  4.  und  5.,  und 
aus  Cap.  6  ein  einziger  Passus  an.  Im  Allgemeinen  sind  hier 
die  Abweichungen  beider  Fragmente  von  unserm  Sy- 
rer sehr  unbedeutend,  die  meisten  beziehn  sich  auf  die 
Wortstellung  und  Orthographie  (wie  sich  dergleichen  Unterschiede 
auch  zwischen  den  Handschriften  des  Syrers  selbst  finden).  Beide 
Fragmente  gehen  zunächst  Cap.  4.  bis  zu  den  Worten  tov  oto- 
fAOLiog  fiov.  Fr.  p.  296  hat  eine  einzige  bemerkenswerthe  Variante: 
es  liest  öia  tov  oTOf-iarog  (JliDaao)  für  Jm  twv  oöovtwv.  Fr. 
p.  201  lässt  lavniQ  vf.itTg  (xij  xuyXvofjTe  weg,  desgleichen  das 
«,Za^  (erga  me)  hinter  ivvoia  uxuigco   'yiV7]a&e.     Fragm.  p.    296 

scheint   sonach    das    relativ    dem   kürzern  Syrer  näher    kommende 
zu  sein. 

Von  den  Worten  Vv«  furj  xoi^tj&elg  xtA.  an  verlassen  uns 
beide  Fragmente.  Fr.  201  hat  eine  weit  grössere  Weglassung, 
und  fängt  erst  in  der  Mitte  von  Cap.  5.  wieder  an.  Bei  Fragm. 
296  fehlen  nur  die  Worte  "va  furj  xoifirjd^tlg  ßaQvg  rivt  yivwfxai. 
Toxe  h'aofiai  jnad^7]Tfjg  uX7]d-tüg  *I?]aov  Xqiotov  ots  ovdi  to  awfid 
IA.OV  0  x6o/,iog  oxptiai.  Dass  übrigens  hier  eine  Weglassung  sei, 
deutet    das    Fragment    selbst    an,    indem    es    die    nun    folgenden 


Lipsius,  üher  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios.     163 

Worte  hravevaaTe  xih    durch    ein    «.ooZ     (wiederum)    einleitet. 

Merkwürdig  ist  nun  hier,  dass  diese  Lücke  theiiweise  auf  Arm. 
überging,  nämlich  bis  zu  yivcü/,iai;  die  übrigen  Worte  fehlen  aber 
auch  (mit  dem  nächsten  vSatze  —  tvged^w)  bei  Cod.  Baliol.  Dann 
steht  bei  Fr.  p.  296  die  Stelle  Xiiavivattje  —  iv  avTw  iXev&efJog. 
Hier  sind  zwischen  Syr.  und  Fr.  p.  296  gar  keine  Varianten  zu  no- 
tiren,  während  einige  Varianten  auf  Rechnung  des  Armeniers  al- 
lein kommen.  Darunter  ist  besonders  bemerkenswerth  die  secun- 
däre  üebersetzung  des  diu  twv  OQyavMv  ^  und  die  Weglassung 
des  Iv  avTM  (erstere  auf  Grund  von  Lat.  B,  letztere  auf  Grund 
von   Lat.  A). 

Cap.  5.  beginnt  bei  den  Worten  ovyyvco/nTjv  (xoi  f/£r£  das 
Fragment  der  zweiten  Sammlung  p.  201  aufs  Neue.  Hier  ist  zu- 
nächst zu  bemerken,  dass  dieses  Fragment  ebenso  wie  Arm.  die 
Worte  iycj  yivcoayjx).  vvv  UQ/Ofiai  (,ia&riT^g  ilvai  gegen  beide  Codd. 
unsres  Syrers  enthält.  Wir  hatten  oben,  als  wir  auf  diese  Stelle 
zu  sprechen  kamen,  die  Meinung  zu  begründen  gesucht,  dass  die 
Worte  nur  irrthümlich  bei  Sjr.  ausgefallen  sein  könnten,  und  dass 
die  Verbindung  von  ovyyrwfxTjV  (aol  l'/eja  %i  (lioi  GV^i(f(QeL  eine 
höchst  gezwungene,  nur  durch  die  Noth  entschuldigte  sei.  Gehen 
wir  nun  zum  Fragm.  201,  so  bietet  dieses  ganz  dieselbe  Verbin- 
dung dar,  und  fügt  trotzdem  das  lyco  yivcoaxo)  xxh  bei.  Syr. 
schreibt  nämlich  ,,«,b^  uj^sis^  |j-!iD  v_ia£1J  -^  »«.I^  o:^?,  und  grade- 
so  finden  wir,  dass  bei  Fr.  p.  201  nach  ^^  interpungirt  ist  statt 
nach  ^Aaj}  und  das  folgende  Jj)  \Jj.j  Jj)  {lyu)  yivwaxco)  nicht 
mit  dem  vorhergehenden,  sondern  mit  dem  folgenden  ),.a^  \mc\ 
]^A<a!^Z  jooilj  jj)   v^^   äg/o^ai   fiu&?]T7jg    ilvai   verbunden   wird; 

„ich  erkenne,  jetzt  fange  ich  an  ein  Schüler  zu  seines  Diese 
ganz  naturwidrige  Verbindung,  die  bei  Syr.  Eus.  und  Arm.  mit 
vollem  Rechte  verlassen  ist,  kann  nur  so  erklärt  werden:  der 
spätere  Uebersetzer  fand  die  Worte  avyyvi6f,iT]v  —  ov^icpeQsi  in 
der  vom  Syrer  überlieferten  Gestalt  vor,  und  behielt  diese  bei,  so- 
gar mit  Einschluss  der  Interpunction.  Aus  dem  Griechischen  aber 
fügte  er  noch  die  Worte  iycj  —  ilvai,  welche  bei  Syr.  fehlten, 
hinzu;  da  er  aher  in  der  Interpunction  nichts  ändern  wollte,  so 
kam  er  dazu,  nicht  nur  die  unnatürliche  Verbindung  des  tI  fxot 
av(Ä(ffQii  beizubehalten ,  sondern  ausserdem  auch  noch  das  lyut 
yivwaxü)  verkehrt  zu  verbinden.  Es  leuchtet  wol  ein ,  dass  dies 
die  einzig  mögliche  Erklärung  des  Herganges  ist,  da  es  schlech- 
terdings unbegreiflich  wäre,  wie  Syr.  Fr.  201  zu  dieser  Inter- 
punction käme,  wenn  die  Werte  iyib  xtX.  ursprünglich  im  syri- 
schen Texte  gestanden  hätten.  Erhält  aber  diese  Interpunction 
nur  aus  unserm  syr.  Texte  ihr  Licht,  so  ist   auch  offenbar,  dass 

11* 


164     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios. 

durch  die  vorliegfende  Stelle  die  ürsprüngliclikeit  unseres  Syrers, 
und  eine  erst  nacli  dem  Griecliisclien  überarbeitete  Textgestalt 
der  dein  Fr.  p.  201  zu  Grunde  liegenden  Recension  erwiesen  wird. 
Ein  zweiter  Beweis  für  den  secundären  Ursprung  dieser  Recen- 
sion ergibt  sich  noch  aus  dem  Folgenden.  Hier  fehlt  einstimmig 
bei  Syr.  und  den  besten  Handschriften  von  A  der  Zusatz  von  B 
uvuTO/Liui  duuQLGfig,  Dagegen  findet  sich  bei  Fr.  201  wenigstens 
das  eine  dieser  Worte:  J^v^bäO^o  et   divisio,    also    öiaiQiOtg,   und 

eben  dieser  Zusatz  wird  von  Arm.  geboten.  Es  bedarf  wol  kei- 
ner Beweisführung,  dass  hier  ebensowol  wie  bei  Cod.  Colb.  und 
B  ein  secundärer  Zusatz  vorliegt,  von  dem  Syr.  ebenso  wie  A 
noch  frei  ist.  Also  bestätigt  diese  Stelle  abermals  unser  Urtheil, 
dass  bei  Syr.  ein  ursprünglicherer  und  älterer  Text  vorliegt,  als 
bei  Fr.  201 :  und  zwar  setzt  grade  der  Zusatz  öiuigeaig  voraus, 
dass  schon  einige  Mischung  der  Familien  A  und  B  eingetreten 
sei,  während  grade  der  umgekehrte  Fall  beim  kürzeren  Syr.  vor- 
liegt. Ein  ganz  ähnlicher  Fall  liegt  noch  vor  in  den  Worten 
xuxul  xoXdatig  zov  diußoXov.  Dass  Fr.  201  hier  xoldang  mit 
)£Lm.aO  et  contritioues  übersetzt,  ist  wol  blos  auf  Rechnung  des 
Abschreibers  zu  setzen,  der  oben  statt  et  contritio  (uXriO(.iug) 
vielmehr  et  tormentum    j.ja.jaüO  schrieb,   also   die  beiden  ähnlichen 

Wörter  ).a>AA£>  und  J^ja^o  mit  einander  vertauschte.    Wichtiger 

ist,  dass  seine  üebersetzung  im  Griechischen  xcai  xay.ai  xoXuaeig 
voraussetzt,  ganz  wie  Arm.  Dies  ist  aber,  wie  wir  schon  oben 
erwiesen  haben,  eine  Mischung  von  Syr.  (hier  auch  A)  und  dem 
(grade  hier  sehr  verbreiteten)  Texte  von  B  (auch  von  Syr.  Eus.). 
Folglich  ist  Syr.  wiederum  ursprünglicher.  Dies  geht  übrigens 
auch  aus  der  wörtlichen  Üebersetzung  des  xaxal  durch  ).ajlO 
malae  hervor,  während  Syr.  \^mJd  „durae"  braucht.  Wie  näm- 
lich ein  Epitomator  darauf  kommen  sollte ,  malae  in  durae  zu 
verwandeln,  sieht  man  nicht  ein,  während  umgekehrt  sehr  klar 
ist,  warum  ein  üeberarbeiter,  der  den  griechischen  Text  vor  sich 
hatte,  das  dem  Griechischen  zu  wenig  entsprechende  J.aa£>  in  das 
wörtlichere  |.aa^  umwandelte.     Schwer  zu   unterscheiden    ist  der 

Hergang  der  Sache  in  den  Worten  oxoqjitafÄog  oaxlwv ,  avyxonrj 
fitXcüv ,  wo  Fr.  201  in  Uebereinstimmung  mit  Arm.  1  (und  hier 
auch  mit  Syr.  Eus.)  ^.^joij  ].£ifioaao  V^VvsJ  l'J^^O  ®^  disper- 
sio  ossium  et  amputatio  membrorum  liest,  wogegen  bei  Syr.  die 
Worte  umgestellt  sind  J^iso'^^  hjQiiO  l-^joi)  }-Ama  abscissio 
membrorum  et  dispersio  ossium.  Eine  absichtliche  Aenderung  bei 
einem  Epitomator  anzunehmen,  ist  gar  kein  Grund  vorhanden;  die 


t 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     \  65 

walirscbeinlicliste  Annähme  ist  vielmehr  die ,  dass  die  durch  einen  Irr- 
thum  des  üebersetzers  in  die  syrisclien  Handschriften  g-eiiommene 
Umstellung-  späterhin  nach  dem  Griechischen  wieder  berichtigt 
wurde. 

Soweit  also  V^erschiedenheiten  der  syr.  Fragmente  von  unserm 
Syr.  sich  ergeben,  so  tragen  dieselben  ganz  entschieden  das  Ge- 
präge späterer  Üeberarbeitung  nach  dem  Griechi- 
schen. Es  stimmt  dies  mithin  mit  unserm  Urtheile  über  den 
armenischen  Text  zusammen.  Nur  Fr.  p.  296  macht  eine  Ausnahme: 
dieses  bietet  eine  einzige  Variante  vom  syrischen  Texte  (Rom.  4 
öia  Tov  aiofiuTog),  wo  dieser  indessen  durch  alle  übrigen  Aucto- 
ritäten  gesichert  ist.  Fast  scheint  es  sonach,  als  ob  dieses  Fragm. 
dem   kürzern   Syr.   ohne  Weiteres  zugehörte. 

Dass  übrigens  Arm.  und  die  beiden  Sentenzensammlungen  im 
Ganzen  derselben  Textesrecension  angehören,  ergab  sich  schon 
durch  einige  übereinstimmende  Varianten  ini  Briefe  an  Polykarp, 
Aus  dem  Römerbriefe  lernen  wir  eine  andre  Erscheinung  kennen, 
die. diese  Thatsache  aufs  Evidenteste  bestätigt:  aus  der  weiteren 
Recension,  die  ins  Armenische  übersetzt  wurde,  sind  Schreibfehler 
ins  Armenische  übergegangen,  die  sich  wol  bei  dem  Fragment 
p.  201  f.  und  bei  Arm.,  aber  noch  nicht  bei  unserm  Syr.  finden. 
So  übersetzt  Fr.  201  Cap.  5.  t/  fcoi  av(.i(piQH  fälschlich  durch  ]  tSp*' 
^V^  piÄÄ  quid  mandatum  sit  mihi,  indem  ^^^Si  irrig  für 
^xD.2i  i  wie  Syr.  liest,  geschrieben  wurde.  Ebenso  Arm.  quid 
mandatum  sit  mihi.  Ebenso  übersetzt  Fr.  201  die  Worte  o  öe 
Toxeiög  durch    ]Zqvo5    ]1  ^^     dolores    mortis ,    Schreibfehler   für 

I  l:ial^5  P-.0>j  dolores  partus,  wie  Syr.  liest.  Arm.  stimmt  auch 
hier  mit  Fragm.  201  überein.  Zunächst  mag  hier  noch  beachtet 
werden,  dass,  wenn  der  Text  von  Fr.  201  der  urprüngliche,  un- 
ser Syr.  aber  ein  Epitomator  wäre,  es  nicht  begreiflich  ist,  wie 
er  zur  richtigen  üebersetzung  käme;  denn  eine  Benutzung  des 
griechischen  Originals  kann  wol  bei  einem  Ueberarbeiter,  nicht 
aber  bei  einem  Epitomator  angenommen  werden.  Schreibfehler 
also,  die  bei  unserm  Syr.  sich  nicht  finden,  sondern  allein  bei  den 
Documenten  der  weiteren  Recension ,  sind  Zeugnisse  für  den  äl- 
teren Text  des  ersteren;  Schreibfehler  aber  unseres  Syrers,  die  in 
jenen  Documenten  vermieden  sind,  brauchen,  durchaus  nicht  als 
Zeugnisse  für  den  altern  Text  der  letztern  zu  gelten ,  sondern 
erklären  sich  ebenso  gut  bei  der  Annahme  späterer  üeberarbei- 
tung durch  Vergleichung  mit  dem  griechischen  Texte. 

Folglich  ergibt  sich  aus  dieser  Erscheinung  für  die  Text- 
vergleichung unseres  Syrers  mit  den  syrischen  Fragmenten  und 
dem  Armenier   wiederum :     Der   kürzere    Syr.    hat    den   Ursprung- 


166    Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

liehen  Text,    die    in    den    Frag-menten    und    bei    Arm.    vorliegende 
weitere  Recension  den  späteren. 

Eben  diese  Erscheinung  erweist  aber  auch ,  dass  wir  Recht 
haben,  Ann.  auch  in  der  Textgestalt  mit  den  syrischen  Fragmen- 
ten näher  zusammenzustellen  als  mit  unserm  kürzern  Syrer.  Es 
ist  also  nicht  ganz  richtig,  wenn  Peter  mann  behauptet,  die  ins 
Armenische  übertragene  syrische  Recension  sei  dieselbe  mit  un- 
serer von  Cureton  bekannt  gemachten  syrischen.  Es  ist  nur 
eine  sehr  nahe  verwandte ,  oder  vielmehr  es  ist  eine  allerdings 
auf  Grund  derselben  späterhin  nach  dem  Griechischen  überarbeitete 
und  erweiterte  Recension. 

Natürlich  soll  damit  nicht  behauptet  werden,  dass  diese  vom 
Arm.  benutzte  syrische  Recension  nun  allüberall  mit  der  armeni- 
schen üebersetzung  zusammenstimme.  Vielmehr  ist  dieselbe  in 
Vergleich  mit  dieser  verhältnissmässig  rein  und  genau,  und  hat 
eine  Reihe  von  späteren  Irrthümern,  oder  auch  ziemlich  planlosen 
Emendationen  und  Glossemen  noch  nicht,  welche  bei  Arm.  sich 
verratben.  So  fehlen  bei  ihr  Polyc.  3  der  Zusatz  „et  cadit",  die 
Weglassung  des  (xeyaXov,  Rom.  4  die  Weglassung  nuai  nach  h- 
lÖXotxaiy  der  Zusatz  ßoQuv ,  die  doppelte  Üebersetzung  des  fiuX- 
Xov  xoXaxevGUTt.  Rom.  5  die  secuudäre  üebersetzung  des  ötu 
Tü)V  oQydvcov  und  die  Weglassung  des  iv  avrip  (erstere  mit  Lat, 
B,  letztere  mit  Lat.  A).  Diese  Aenderungen  setzen  voraus,  dass 
auch  der  arm.  Text  theilweise  von  Lesern,  die  das  griechi- 
sche Original  bei  der  Hand  hatten,  corrigirt  wurde.  Nur  ist 
diese  Correctur  schwerlich  eine  durchgängige  und  planmässige 
gewesen,  obwol  sie  grade  hinreiclit,  um  an  den  Stellen,  wo  der 
syrische  Text  der  von  Arm.  benutzten  Recension  fehlt,  die  Ent- 
scheidung unmöglich  zu  machen,  welche  Emendationen  des  ur- 
sprünglichen syrischen  Textes  nach  dem  Griechischen  auf  Rech- 
nung des  syrischen  Ueberarbeiters  oder  späterer  Leser  der 
armenischen  Version  zu  setzen  sind.  Nur  das  ist  sicher:  sowol 
der  älteste  syrische  Text  als  auch  die  erweiterte  armenische  Ver- 
sion ist  nach   griechischen  Handschriften  corrigirt  worden  ^). 

Etwas  anders  scheint  sich  das  Verhältniss  bei  dem  von  un- 
serm Syrer  dem  Römerbriefe  einverleibten  5.  Cap.  des  Traller- 
briefes  zu  stellen.  Von  diesem  Capitel  enthält  die  Sentenzen- 
sammlung I  ein  p.  198  abgedrucktes  Fragment,  welches  die  Worte 


1)  Es  versteht  sich  übrigens  wol  von  selbst,  dass  mit  dieser  Verwandt- 
schaft der  weiteren  syrischen  Recension  und  des  Armeniers  allerhand  Irrthü- 
mer  sehr  wol  vereinbar  sind,  welche  sich  in  die  gegenwärtigen  Handschriften 
der  betreEFenden  Fragmente  eingeschlichen  haben,  bei  Arm.  aber,  der  weit  frü- 
her übersetzte,  als  jene  Manuscripte  abgeschrieben  worden,  noch  fehlen.  Ein- 
zelnes der  Art  ist  schon  oben  mit  erwähnt.    Hier  nur  ein  Beispiel :  zu  bestiae 

quae   paratae   setzt  Fr.  201    ein    >-j!^,   mihi,  offenbar  ein  späteres  Interpre- 
tament. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignaiios.     167 

von  xal  yag  iyw  an  bis  zum  Schlüsse  enthält.  Dieses  Frag-ment 
hat  in  der  Hauptsache  denselben  Text  mit  unserm  Syr.  dtöef^ai 
übersetzt  es  richtig  mit  {.aO)]?,  statt  J^aO)]),  wie  unser  Syr.  bie- 
tet; letzteres  ein  Schreibfehler,  den  schon  Petermann  verbes- 
serte.    Das  vOHv  übersetzt  es  nicht  mit   ^J,i£lb:i    (Syr.),    sondern 

mit  Vi?]jj  bei  xul  jug  rono&eaiag  knüpft  es  nicht  mit  o  (et),  son- 
dern mit  vs)  (etiara)  an,  lässt  offenbar  irrig  bei  |.Dp_^5  angelorum 
das  Zeichen  des  Plurals  weg,  schreibt  statt  |^.<^\/  ^i:^  Aao'oi 
sum  mihi  discipulus  vielmehr  j^^ial^^  ^1^  .  oAooi  estis  mihi 
discipuli,  ebenfalls  irrthümlich,  und  übersetzt  zum  Schlüsse  über- 
einstimmend mit  A:  i^oAj  ß  lcn2^  ^iiOj  :  ^i*j*m>^  ^Ask,  ^<^ 
multum  enim  deficit  nobis  ut  a  Deo  non  destituti  simus.  Diese 
letztere  Stelle  weicht  von  Syr.  ebenso  wie  von  Arm,  und  B  ab, 
welche  /not  statt  rjf^Tv  und  zum  Schlüsse  uTToXeicp^io  statt  Xeino- 
fjt^oi  lesen.  Dass  der  kürzere  Syrer  nach  B  corrigirt  worden 
sein  soll,  ist  ohne  Beispiel,  und  unerklärlich,  mögen  wir  seinen 
Text  nun  als  den  ursprünglichsten  oder  als  einen  Auszug  aus  der 
weiteren  Recension  betrachten  wollen.  Es  bleibt  also  hier  nur 
die  andre  Annahme  übrig,  däss  der  vom  Fragment  gebotene  Text 
ein  nach  A  corrigirter  ist,  Syr.  mit  Arm.  also  die  ursprünglichere 
Lesart  bietet:  dies  wird  dadurch  um  so  wahrscheinlicher,  weil 
ganz  unbegreiflich  bleibt,  wie  ein  Epitomator,  hätte  er  den  vom 
Fragment  gebotenen  Text  vorgefunden,  die  Worte  ,,ut  a  Deo 
non  destituti  simus"  in  die  ziemlich  freie  Uebersetzung  „a  per- 
fectione  quae  digna  Dei"  hätte  verwandeln  sollen.  Hier  ist  wie- 
der der  umgekehrte  Fall  der  einzig  mögliche:  ein  Späterer,  dem 
diese  Uebersetzung  zu  frei  erschien,  änderte  sie  nach  dem  Grie- 
chischen um.  Auftällig  bleibt  hierbei  nur  dieses,  dass  Arm.  dies- 
mal nicht  mit  dem  Fragmente,  sondern  mit  unserm  Syrer  geht. 
Es  tritt  dieser  Fall  in  den  besprochenen  Varianten  noch  zweimal 
ein :    bei  ]_i)p_i05  steht  bei  Arm.  richtig  Ribbui,  denn  er  übersetzt 

„angelorum",  und  f,ia9^f]T/jg  ei(.ii  ist  ebenfalls  wie  Syr.  durch 
„factus  sum  discipulus",  nicht  durch  „estis  discipuli"  übersetzt, 
mit  der  einzigen  Abweichung,  dass  Arm.  das  mihi  nicht  las,  ab- 
weichend von  beiden,  aber  übereinstimmend  mit  dem  griechischen 
Text.  —  Wir  haben  sonach  an  dieser  Stelle  den  umgekehrten 
Fall  von  dem  oben  constatirten:  Arm.  geht  mit  Syr.,  während  das 
Fragment  einen  offenbar  nach  A  corrigirten  Text  enthält.  Dies 
erklärt  sich  am  einfachsten  daraus,  dass  bei  dem  Fragment  eine 
noch  spätere  Correctur  vorliegt,  von  welcher  der  vom  Arm.  be- 
nutzte Text  noch  frei  war,  was  nicht  auflfallen  kann,  wenn  man 
bedenkt,  dass  die  Handschrift   der   Sentenzensammlung   bedeutend 


168    Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnatios. 

jünger  ist  als  die  arraeniscbe  Version ;  und  wir  hätten  hier  nur 
einen  neuen  Beweis  dafür,  dass  mit  unserm  syrischen  Texte  spä- 
terhin wiederholte  Aenderungen  nach  dem  Griechischen  vorgenom- 
men worden  sind.  Auf  jeden  Fall  liegt  aber  auch  hier  bei  Syr. 
der  ursprünglichere  Text  vor:  denn  auch  Arm.  verräth  wenig- 
stens eine  offenbar  nach  dem  Griechischen  gemachte  Correctur 
(die  Weglassung  des  f/nol  bei  fAud^fjTfjg  dfii):  unsere  oben  ge- 
wonnenen Resultate  von  dem  Verhältnisse  der  kürzern  und  der 
weitern  syrischen  Recension  sind  also  bestätigt.  Nur  eine  Frage 
kann  hierdurch  noch  nicht  zur  Entscheidung  gebracht  werden :  ob 
der  ganze  fragliche  Abschnitt  ursprünglich  im  Römerbriefe,  wo 
ihn  Syr,  liest,  oder  im  Trailerbriefe,  wohin  ihn  das  Fragment 
ebenso  wie  Arm.  stellen ,  gestanden  habe.  Doch  ist  durch  die 
sonst  erwiesene  grossere  Ursprünglichkeit  des  kürzern  Syrers 
allerdings  die  VS^ahrscheinlichkeit  dafür  nahegelegt,  dass  der  kür- 
zere Syrer  auch  hierin  die  ältere  Textgestalt  der  syrischen  üeber- 
setzung  aufbewahrt  habe. 

Wir  müssen,  ehe  wir  die  ganze  Untersuchung  über  das  Ver- 
hältniss  der  verschiedenen  Recensionen  zu  einander  beschliessen, 
noch  einen  Blick  auf  die  bei  Syr.  fehlenden  Abschnitte 
des  in  den  genannten  Fragmenten  auf  uns  gekommenen  weiteren 
syrischen  Textes  und  deren  Verhältuiss  zu  den  entsprechenden 
Abschnitten  des  Armeniers  werfen. 

Die  meisten  Fragmente  bietet  die  Sentenzensammlung 
Nro.  I  p.  197  ff.  Am  auffallendsten  sind  die  Uebereinstimmun- 
gen  dieser  Fragmente  mit  Arm.  im  Magnesier-  und  Trall  er- 
briefe. Aus  dem  Magnesierb riefe  ein  Fragment  aus  Cap. 
5.  und  6 ,  Ol  uniOToi  rov  xoofnov  tovtov  —  xul  twv  dtaxovwv 
(p.  197).  Im  Griechischen  geht  vorher  ixaoxov  avTtov  l'diov  /a- 
QaxziJQa  enixti/Litvov  l'/ei,  und  nun  die  Worte  ol  untoTOi  (sc.  ya- 
QaKTfjga  tyovGi)  tov  xoainov  tovtov.  Der  Fragmenlist  beginnt 
nun  mit  }.iQV.v,,  ^qj)  oiJQii^]]?  ,UQj.iü..oi  ^oais  ijtli.?  ^aI:;^*! 
\.j(Jl  ii  in  quibus  non  est    fides,    archontis    huius    mundi    sunt. 

Demgemäss  übersetzt  auch  Arm. :  „sie  et  qui  non  habent  rectam 
fidem ,  imago  principis  huius  mundi  sunt",  wörtlich  mit  dem 
Fragment,  nur  dass  Arm.  noch  zwei  secundäre  Einschiebsel  hat, 
das  Interpretament  rectam,  und  der  aus  dem  Folgenden  herauf- 
genommene Beisatz  imago.  —  iv  Totg  nQoyeyQctfif.uvoig  n^ootonoig 
steht  auch  beim  Fragmentisten,  aber  mit  dem  Glossem:  ],^rLmt:^|? 
f.i  mSXM.'^iO-iO  }.aaa£150  AaS  id  est,  episcopi  et  presbyteri  et  dia- 
coni.  Arm.  nimmt  nun  dieses  Glossem  in  den  Text,  lässt  aber 
das  ursprüngliche  ngoautnoig  weg,  und  übersetzt  et  quoniam  in 
eo  quod  antea  scripsi  („of  whom  [  have  written  above"  Fr.)  de 
episcopo  et  presbyteris  et  diaconis.  Für  ovvedgiov  twv  anoaxo- 
Xmv    las    Fr,    anoaioXcov    tov    avveÖQiov ,   fai^i^o  uAajL^'j .     Er 


I 


1 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios.    169 

fasste  also  anoaioXog  im  eig^eutlichen  Sinne,  und  übersetzte  das 
Wort  mit  }.i)p_JiO  ayyelog.  Arm.  macht  nun  aus  den  äno- 
GToXoi  Tov  avvtSglov  „Boten  des  Königs"  angeli  regis.  Er 
las  nämlich  ].abii^  rex  statt  ]^«i\sn  consilium.    So  liegt  also  bei 

Arm.  ein  nur  aus  unserni  Fragment  erklärbarer  Text  vor,  der 
um  so  secundärer  ist,  da  das  Fragment  selbst  ohne  Zweifel  mit 
Unrecht  tov  avvedgiov  tw»'  oTtooToXwv  in  xaii'  anooTolwv  rov 
ütviögiov  umgestellt  hat.  Zu  xal  twv  öiaxovcov  fügt  Fr.  eine  Ap- 
position, und  liest  ^>j.a1^ä5   ).maa.^ii  ^.xji^Qa^o  et  diaconi  in 

typo  apostolorum  (h  tvtim  unooTo'kwv).  Dies  ist  wieder  ein  of- 
fenbares Glosseni,  welches  genau  so  bei  Arm.  sich  findet  et  dia- 
coni in  fonuis  (specie,  similitudine)  apostolorum.  Eine  andre  Va- 
riante des  Arm.  (im  5.  Cap.)  erklärt  sich  ebenfalls  aus  dem 
(übrigens  hier  wörtlich  übersetzenden)  Fragment.  Die  Worte  Jt* 
ov  iuv  f,ii]  uv&aigejMg  t/w^iv  ro  uno&avHv  sig  to  uviov  nud^og 
übersetzt  Arm.  mit  „et  si  noliimus  pati  et  mori  propter  nomen 
eins".  Das  syr.  Fr.  liest  nämlich  :  oiZl^^io  /n^  ^  V^t-^  P  \\^ 
oiAjAli  et  si  noiumus  mori  propter  illum  in  passione  eins.  Hier 
scheint  Arm.  nämlich  oi^ai:)  statt  oiAj^Si  gelesen  zu  haben  (das 

pati  kann  aus  dem  Griechischen  beigefügt  worden  sein)  oder  er 
übersetzte  die  beiden  letzten  syrischen  Worte  freier,  so  dass  sein 
propter  nomen   eins  dem   oiA^^^iD  entspricht. 

Ein  andres  Fragment  aus  Cap.  6.  und  7.  des  Magnesier- 
briefes  in  derselben  Sammlung  p.  200  (aXX*  hcu&^Tt  —  qjaivta&ai 
idia  r/iiiv)  erweist  sich  ebenfalls  offenbar  als  Original  zur  arme- 
nischen Version.  Hier  stimmt  die  armenische  Uebersetzung  ,,et 
ne  tentando  tentate"  wörtlich  mit  der  syrischen  (q  . rr^  i  v>  P-ä) 
•  amjZ)    überein;    ebenso    fehlt    bei    beiden    das    rjvcofAevog   wv  (in 

Uebereinstimmung  mit  B).  Die  Abhängigkeit  des  Arm.  von  un- 
serm  Frugm  wird  aber  ganz  augenfällig  in  den  letzten  Worten 
fif]ö(v  7iti()uar]Te  evXoyov  ti  (paiviod^ut  tdia  Vfih\  Dieses  idia 
v^iTv  gibt  der  Fragmentist  durch  ,oi^o  oiiiö  ^aj.b£»  ,.>j  ^j*^ 
tanmiS)]     ,Ja3     ^^^^    unicuique    e    vobis  a  se    ipso,    sibi    ipsi, 

absque  episcopo  Wir  haben  also  eine  glossirende  Umschreibung 
des  griechischen  Textes  vor  uns,  dessen  Sinn  übrigens  richtig 
getroffen  ist.  Arm.  behält  bei  unusquisque  e  vobis  a  se  ipso, 
lässt  das  Uebrige  weg,  und  macht  alles  sinnlos.  Secundär  ist 
endlich  auch  seine  Uebersetzung  des  iig  jvnov  Qha^^b:^)  durch  in 
conspectum  bonum. 

Aus   dem  Tral  lerbrie  f  e   bietet  die    genannte    Sentenzen- 


I 


170    Lipsius ,  nher  den  syrische  Text  nder  Briefe  des  Ignalios, 

Sammlung-  drei  Fragmente,  das  erste  aus  Cap.  2.  und  3.  orav 
y(\Q  —  ov  xuXeTiai  (p.  198).  Auch  hier  setzt  Arm.  den  Text 
des  Fragmentes  voraus  (trotz  einzelner  secundärer  Abweichungen 
vom  Fragment  und  dem  Texte  von  A  zugleich).  So  lesen  beide 
für  yaza  üvd^QConov  vielmehr  xaT«  aa^xa  (•f^j-3LCi)-^ür  iv  lo  Siayov- 
inveniamur  in  eo  dum  in  eo  vivimus.  Arm.  inveniatur  vita  vestra 
cum  iis,  ein  sehr  secundärer    Text,    der    aber     xa^    voraussetzt, 

und  es  nur  anders  punktirte  (s.  oben).  Die  Pe  (e  rm  an  n'sche 
Vermuthung  wird  also  durch  den  syr.  Text  bestätigt,  vn^ghai 
lassen  beide  weg.  Ergibt  sich  aus  diesem  Fragmente,  dass  die 
weitere  syrische  Recension  sammt  der  armenischen  Uebersetzung 
im  Ganzen  dem  Texte  von  A  folgt,  aber  ziemlich  secundären  Ur- 
sprungs ist,  so  haben  wir  hier  wenigstens  eine  Stelle,  von  wel- 
cher anerkannt  werden  muss,  dass  das  Fragment  allein  gegen 
alle  Zeugen  den  richtigen  Text  aufbewahrt  hat.  Dies  sind  die 
Worte  Cap.  2,  Avelche  im  Cod.  Med.  lauten  wg  xul  tov  iniaxonov 
ovia  vtov  TOV  nuTQog.  Lat.  A  bietet  hier  um  nichts  besser  y.al 
tuv  iniaxonov  tag  ^Trjoovv  Xgioiov  ovtu  vlnv  tov  nuT^og,  eine 
offenbar  aus  der  F^esart  von  Cod.  Med.  hervorgegangene  Cor- 
rectur.  B  bietet  a>^  xal  o  inioxonog  zov  nujQog  Ta^v  ohjov  Tvnog 
vnuQ/ei,  ebenfalls  ohne  irgend  welche  Heilung  der  Schwierigkeit. 
Die  einfachste  Lesart  bietet  Antonius,  welcher  xal  tov  iniaxo- 
nov wg  TOV  naiiQa  liest:  und  diese  Lesart  setzt  Petermann 
in  den  Text.  Aber  trotzdem,  dass  sie  auch  durch  Arm.  bestätigt 
wird,  der  hier  vom  syr.  Fragm.  abweicht  und  xal  tov  inioxonov 
u)g  &e6v  naTe(ja  bietet,  so  ist  diese  Lesart  deshalb  schwerlich 
die  richtige,  weil  sie  uns  nicht  erklärt,  wie  vlov  bei  A  oder  tv' 
nov  bei  B  daraus  entstehen  konnte.  Dagegen  bietet  syr.  Fr. : 
l^])  lm2>Q.^o  s«,oioA*l)  IsinmAal  ^o  et  ab    episcopo    qui    est 

(in)  typo  patris.  Dies  gibt  xai  tov  iniaxonov  tjg  ovxa  Tvnov  tov 
naTQog,  unzweifelhaft  die  richtige  Lesart.  Bei  B  liegt  noch  das 
Ursprüngliche  vor,  aber  mit  späteren  Zusätzen ;  bei  A  ward  durch 
ein  Versehn  vlov  für  Tvnov  gelesen ,  woraus  sich  dann  weitere 
Aenderungen  bei  Lat.  A  ergaben  (der  übrigens  (hg  an  der  richti- 
gen Stelle  liest).  Die  Lesart  von  Anton,  und  Arm.  ist  nur  er- 
leichternde Correctur.  Ob  nun  die  vom  Fragmentisten  benutzte 
griechische  Handschrift  zur  Familie  A  oder  B  gehört  habe,  mag 
dahingestellt  bleiben:  ursprünglich  lasen  wol  beide  gleich. 

An  andern  Stellen  stimmt  das  Fragm.  mit  A  gegen  den  se- 
cundären Arm.:  so  Cap.  2.  7ra  niaTtvaavTsg  eig  tov  &dvaT0v  av- 
Tov.  Arm.  bietet  dafür  et  quando  creditis  ortum  eins  et  mor- 
tem. Weiter  unten  schreibt  er  statt  ^Itjaov  XgiaTOv  Trjg  iXniöog 
t]f.iwv  einfach  Xqiotov,  ebenfalls  gegen  A  und  Fragm. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios,     171 

Dann  folg^t  unmittelbar  darauf  das  schon  oben  erörterte 
Fragment  aus  Trall.  5,  und  hieran  schliesst  sich  Cap.  6.  ganz 
und  von  Cap.  7.  die  Anfangsworte  qvluriea&e  ovv  rotoi'jovg. 
Hier  sind  zunächst  zwei  Stellen  von  grösserer  Wichtigkeit,  in 
welchen  die  Verwandtschaft  des  Fragments  und  der  armen,  üeber- 
setzung  augenfällig  ist,  beide  aber  einen  secundären  Text  bie- 
ten. Die  Lesart  ol  xaigoi  nage^inUxovaiv  'Trjaovv  X^taibv  wird 
von  Beiden  ersetzt  durch  „qui  (Arm.  iam)  miscent  auimas  suas 
(personas  suas)  cum  Jesu  Christo'*'  (^ooiaäJ  ^^I^ja^Dj  ^qjoij 
1>aaa1;0  VSQAASi)  tl.  i.  0?  [y.u}]  eavToTg  7iaqi(.niXhovötv  eine  se- 
cundäre  Lesart,  s.  oben.  Endlich  das  onfQ  o  äyvoMV  r^dicog  Xa/ii- 
ßürti  xai  tv  7]öovfj  /.axf,  tu  uno&areiv  gibt  Fr.  mit  pj  Ji.*)?  }x^.*) 
\SiiiÄj  ]2a!iD  ]Avt.^^iO  ^^f*  ita  ut  is   qui    ignorat    in   concupiscentia 

mortem  accipiat.  Aehnlich  übersetzt  Arm.:  ut  ii  quos  non  cogno- 
scunt  (dies  ein  Irrthum  des  Arm.)  cum  voluptate  mortem  accipiant. 
üeide  lasen  also  rjdtwg  und  y.uxfj  nicht.  Eine  Spur  des  Ursprüng- 
lichen liegt  dagegen  Cap.  6.  in  der  Beibehaltung  des  xar'  u^iuv 
7itOTev6f.ievoi  (Cod.  Med.  vgl.  Dam.)  vor,  wo  das  Fragment 
.Qj-iajcnAj?  )j-i^.»)    ('ta  ut  creditum  est  iis)  liest.     Arm.  hat    den 

Zusatz  auch:  ,,  ut  simplices  crederc  faciant. "  Die  üeberein- 
stimmung  beider  liegt  wieder  auf  der  Hand :  aber  Arm.  er- 
weist sich  als  secundärer.  Ein  umgekehrter  Fall  liegt  Cap.  6. 
in  den  Worten  /hopt^  t/J  XotaTiavfj  TQO(ffj  /griO^ai  vor,  wo 
Arm.  richtig  „cibo  CJiristianismi  tantum  nutriamur"    bietet.     Hier 

übersetzt  das  Fragment:    I^Q^a.^    Vi-OOD?    jQ/aI^O     jijCiAiao? 

^cu^M^j^lL   quod  cibo  solum,  epulo  gratiae  uteremini,  bietet  also 

ein   dem  Arm.  unbekanntes   [nterpretament. 

Ein  drittes  Fragment  findet  sich  in  derselben  Sammlung 
p.  200  aus  Cap.  8.  vf^itig  ovv  —  al(.ia  ^Irjaov  XgtoTov,  Im  Gan- 
zen folgt  auch  hier  das  Fragm.  wieder  dem  Texte  von  A,  ist 
aber  wol    sccundär  in  der  Variante  in  laetitia  (  J^iDQCiSi)    für  iv 

uydnr],  während  Arm.  hier  Aan  richtigen  Text  durch  seine  Lesart 
in  coena  (d.  i.  eben  h  uyun?]  nur  in  missverständlicher  Bedeu- 
tung) voraussetzt.  Dagegen  zeigt  die  Lesart  des  Arm.  für  iv 
nioTH  0  (GXiv  aoLQ^  Tov  y.vgiov  „fide  et  spe"  einen  ganz  secundä- 
ren Text,  der  nur  aus  der  Abhängigkeit  vom  Texte  des  syr.  Fr. 
erklärbar  wird.  Dieses  liest  nämlich  oijAj])  v-iOi  ♦]2axi£ljicn.C> 
li.Cimo  in  fide  illa  quae  est  in  spe;  das  in  spe  aber  beruht  auf 
einem  einfachen  Schreibfehler,  l^ooiÄ  für  lifitt^  (corpus),  toi;  hv- 

piov  fehlt  bei  beiden.  Secundär  ist  endlich  bei  Arm.  allein  die 
doppelte  Uebersetzung  des  ttjv  nQuvnud^eiav  durch  liumilitatem  et 
mansuetudinem. 


172     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

Ein  viertes  Fragment  endlich  aus  derselben  Sammlung  geht 
von  den  Worten  y.wq)W&J]T£  ovv  Cap.  9.  bis  ovjag  ^tXri  avxov 
Cap.  11.  Auch  hier  geht  das  Fragment  wesentlich  mit  A:  unter 
den  Abweichungen  sind  zu  bemerken:  die  Weglassung  des  og  in 
og  xai  dX7]&wg  riytQdri  xtX.  ;  im  Folgenden  die  F^esart  wg  y.ul 
rjfiäg  xrA.  und  die  Weglassung  des  o  7iuti]q  aviov  iv  Xqigiw 
'Ii]aov.     Für  wg  xai   steht  im  Texte  ».slj  Ijli5j]>   tl«ber  denn  der 

Armenier,  welclier  ganz  denselben  Text  bietet,  seinen  syrischen 
Text  nicht  missverstand,  wie  Peterraann  meint,  sondern  ganz 
richtig  übersetzt.  Wie  weit  übrigens  diesen  gemeinschaftlichen 
Text  der  Vorwurf  späterer  Correctur  treffe,  ist  schon  oben  bei 
Erörterung  der  armen.  Üebersetzung  nachgewiesen  worden.  Rich- 
tig ist  dagegen  die  gemeinschaftliche  Weglassung  des  ov  vvv 
yarayjtvöofiai  Cap.  10.  Secundär  aber  wiederum  Cap.  11.  die 
üebersetzung  der  Worte  di^  ov  iv  tw  nd&ti  uvtov  ngocyMAHTai 
v(xag  ovTug  (aHt]  avrov  durch  ooi  ^^clD'^}  cjiOaI^.j  (ax*.!:) 
♦:♦  v_»oiQiö?oi  ^anjAj)^  »n  passione  crucis  Domini  nostri,  cuius  estis 

membra.  Es  ist  also  6i*  ov  und  n^GOxaliTmi  weggelassen.  Arm. 
genau  so,  nur  dass  er  „in  signo  crucis"  übersetzt;  er  las  näm- 
lich irrig   {aaü^?    setzt  aber  grade  dadurch    seine    Abhängigkeit 

vom  Texte  des  Fragmentisten  in  das  hellste  Licht;  wie  dies 
übrigens  auch  aus  der  gemeinschaftlichen  üebersetzung  des  &tjoio- 
f.iaxfjoui  durch  „von  den  Thieren  verzelirt  werden",  des  yagndg 
&avaTr](pÖQog  durch  „fructus  mortis"  u.  s.  w.  erhellt.  Nicht  aus 
diesem  syr.  Texte  scheint  dagegen  das  ,,secundum  speciem"  für 
t6  doxtiv  geflossen   zu  sein,    da    das    Fragment   ^iü^i»)     0:i:i£\mi;D 

„putando  ille  putabatur"  hat.  Hier  stimmt  Arm.  genauer  mit  dem 
Griechischen.  —  Ausserdem  kommen  noch  eine  Reihe  von  Weg- 
lassungen auf  des  Arm.  alleinige  Rechnung,  so  insbesondre  die 
des  Tiveg  —  rovitariv  Cap.   10  und  mehres  Andre  (s.  oben). 

Wenig  Neues  bieten  die  Stellen  des  Philadelphener- 
briefs,  welche  in  der  Sentenzensammlung  Nro.  I  enthalten  sind 
(p.  199).  Das  erste  Fragment  geht  von  x(xl  oaoi  yu^)  Cap.  3. 
bis  tlg  l'vcüoiv  rov  aifiarog  uvtov.  —  evcjutrjg  Cap.  3.  und  tvwatg 
Cap.  4.  ist  beidemale  mit  jZaiiQ^j»  perfectio  (aber   auch    concor- 

dia,  pax)  wiedergegeben;  Arm.  übersetzt  das  erstemal  mit  unio,  das 
zweiteraal  mit  eucharistia.  gxi^ovti  übersetzt  Frägm.  durch  oxi%ovti 
TTjv  eyxXi]aiav  &eov  (A  einfach  a/Jl^ovri^  B  gxi^ovti  and  rrig  dXfj- 
d^iiag),  Aehnlich  Arm.  und  ein  monophys.  Fragment  bei  Cure- 
ton (p.  48  ed.  I.  218  ed.  II)  a/Jl^ovxi  rrjv  exxXtjaiuv  ohne  d^eov. — 
Das  zweite  Fragment  enthält  die  Worte  des  7.  Cap.  ixgav- 
yaaa  —  f^r]div  noitiii,  Syr.  Fragm.  und  Arm.  setzen  wieder 
wesentlich    den    Text  A   voraus.     Zu    ixgavyaaa    fügt    aber    Syr. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     173 

]1   n«^  qpwv/J,  woraus  Arm.  ftiyaXi]  qjwvj]  inaclit,  und  das  jLuydlj] 

(pcovfj  im  Fülgeaden  weglässt.  diov  <fO)vfj  setzen  auch  Fragm. 
und  Arm.  im  Einklänge  mit  Lat.  A  voraus  (Arm.  nur  irrig:  verbo 
Dei).  Weiter  unten  lasen  beide  für  and  GUQxog  avd^QMnivrjg  (A) 
wie  es  scbeint  an*  uv&qcüjhüv  (Fr.   J.aj_aJLO  ^^j    ^   filiis     homi- 

num;  Arm.  ab  bominibus).  B  liest  and  OTO/iarog  avd^Qtonov, 
Höcbst  wabrscbeinlicb  ist  die  Lesart  des  Fragm.  und  des  Arm. 
die  secundärste  von  allen.  Irrtliünilicb  übersetzen  endlicb  beide 
das  iy.riQVüaiv   mit  clamare  (l:^c).   —    Das    dritte    Fragment 

entbält  Cap.  10.  ganz.  Verwandt  ist  bier  die  üebersetzung  des 
Fragments  und  Armeniers  bei  den  Worten  dg  rb  n^toßeioai  ixtt 
Oeov  nQtoßeiav:  ^^oAli»  ^Jyl^-J)  ]o\^5  1rs*s^*1  ]ooiJ5  ut  sit  lega- 
tus  Dei  qui  proficiscatur  illuc;  Arm.:  qui  poscit  fieri  praecursor 
(nuncius)  Dei  ut  proficiscatur  iliuc.  Beide  scbeinen  bier  d^eoÖQO' 
^log  gelesen,  und  &eov  nQtoßiiav  weggelassen  zu  baben.  Ebenso 
fügen  beide  zu  rd  ovofiu  ein  rov  y.vQiov  binzu.  Ausserdem  feblt  beim 
Fragm.  h  IdvTioyjlay  was  bei  Arm.  sieb  findet;  d^iXovaiv  öi  ifiTv 
ist  irrig  zum  vorbergebenden  Satze  gezogen,  wo  Arm,  wieder  mit 
dem  Griecb.  übereinstimmt. 

Aus  dem  Smyrnäerbriefe  findet  sieb  in  der  genannten 
vSammlung  ein  Fragment  ( p.  199),  welcbes  von  den  Worten 
Cap.  8.  ovx  i'^ov  lazi  —  Cap.  9.  tw  dtaßoXio  Xargnti  gebt.  Be- 
merkenswertb  ist  die  Bezeicbnung  der  Kircbe  von  Smjrna  als  der 
Kircbe  von  Asien  (JIaIX)]?  jZ^i^)  i»  der  Ueberscbrift  des  Fragments, 
Die  Abbängigkeit  des  Arm.  vom  Fragm.  ist  bier  wieder  sebr  klar; 
so    die    üebersetzung    des    ayunriv    nonTv    durch    IAaaaj    r^:^^!^ 

facere  requietera  („make  refresbments"  nacb  Cureton,  richtig  we- 
gen des  Ribbui};  ebenso  des  ivXoyov  toxi  durch  conveniens  est 
(^01  IAaI^o).     Dagegen  lässt  Arm.    allein  das  dg  &e6v  vor  uva- 

Vfjipai  weg. 

Als  gemeinschaftliches  Resultat  für  die  besprochenen  4  Briefe 
lässt  sich  wol  ansehn,  dass  die  Sentenzensammlung  einen  Text 
enthält,  der  in  der  Hauptsache  dem  armenischen  Ueber- 
setzer  vorlag.  Andrerseits  ist  die  Abhängigkeit  des  Arme- 
niers nicht  so  durchgängig,  dass  aller  und  jeder  Einfluss  des 
griechischen  Originals  auf  denselben  geleugnet  werden  müsste. 
Vieles  ist  im  gegenwärtigen  armenischen  Texte  nach  dem  Grie- 
chischen corrigirt,  obwol  schwerlich  vom  Uebersetzer  selbst.  Die 
Sentenzensammlung  endlich  selbst  enthält  zwar  im  Allgemeinen 
den  Text  der  weiteren  griechischen  Reccnsion,  doch  scheint  es, 
als  ob  sich  schon  eine  Reihe  von  spätem  Irrthümern  in  denselben 
eingeschlichen  haben,  von  denen  er  zur  Zeit  seiner  Uebertragung^ 
ins  Armenische  noch  frei  war. 


174     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios, 

Wenden  wir  jetzt  unser  Aug-enmerk  auf  die  in  derselben 
Sammlung  enthaltenen  Frag-mente  des  Briefes  an  Polykarp  und 
des  Eplieserbriefes,  so  kommt  aus  ersterem  ein  Fragment  des 
7.  Cap.  in  Betracht,  welches  sich  p.  200  findet,  und  die  Worte 
nginii  TIoXvy.aQnt  —  unaQiiatjTe  enthält.  Der  F'ragmentist  bietet 
hier  im  Ganzen  ziemlich  genau  den  Text  von  A;  kleinere  Zu- 
sätze sind  Goi  zu  n()e7ntg  (gleich  am  Anfange),  ein  yuQ  zu  Tovro 
TO  iQyov'i  avffßovhov  uyuytiv  ^tongentOTUTov  ist  etwas  weitschwei- 
fig umschrieben  durch  ]{,,  Jiil:^:^!::;»  in!:::»iO  ^JLZi  j^l^  caJ-dZj 
)cib;>)J  ut  congreges  ad  te  consiliarios  (filios  consilii)  ad  concilium 
quod  decet  deum.  o?  dvvriGtTui  &e6dQo/.iog  y.aXiiod^ai  übersetzt 
er  durch  joii^j  lrv:s^*l  Ir^^JO  looij?  c^üaI^Dj  ooi  qui  poterit 
esse  etvocari  legatus  dei,  während  Arm.  blos  qui  possunt 
fieri  hat.  Wie  es  scheint,  bewahrte  hier  x4rm.  einen  älteren 
Text  auf,  das  Fragment  aber  verband  diesen  mit  der  Lesart  des 
Griechischen.     do'§uaf]  endlich    gibt    er    mit   -Qjj,ciJtjO   ^o'^uacüai. 

ähnlich  wie  Arm. ,  während  Sjr.  P>agm.  sonst  allenthalben  den 
Singular  beibehält.  Stimmt  aber  das  Fragment  in  allem  Wesent- 
licLön  mit  dem  Texte  von  A  übercin,  so  gibt  Arm.  eine  mehrfach 
abweichende  und  theilweise  verkürzte  Textgestalt.  So  übersetzt 
er  das  -d iOf^KxxuQLGiMTaii ,  welches  das  Fragm.  wörtlich  ins  Sy- 
rische überträgt,  einfach  durch  beate,  das  GVf.ißovXiov  uyaytTv  &io- 
TiQtntOTaxov  durch  congregare  consuito  consiliarios  dignos  Dei, 
ganz  abweichend  vom  Fragm. ;  iivä  ov  uyunfjtov  Xlav  l'/jn  (Fr. 
wörtlich  wie  A;  B  h  xiva  xrX.)  durch  qui  valde  dilecti  sunt, 
und  nun  fortwährend  den  Plural  statt  des  Singular;  lioxvov  durch 
homines  virtute  praeditos ;  og  dvvijGtTai  dtoögofiog  xuXata&ai  durch 
qui  possunt  fieri  praecursores ;  tovtov  yMia^iwöai  ^lia  noQtvd^ttg 
ilg  ^VQiav  durch  et  mittere  in  Syriam ;  So'^daj]  v/.tcuv  ttjv  aoxvov 
ayuntjv  dg  öo'^av  d^iov  durch  ut  glorificent  amorem  vestrum.  Es 
scheint  hiernach  doch  misslich ,  alle  diese  Aenderungen  blos  auf 
Rechnung  des  armenischen  Uebersetzers  zu  setzen ,  und  die  wei- 
tere syrische  Recension  mag  gemäss  ihres  secundären  Ursprungs, 
selbst  einen  mehrfach  schwankenden  und  verschiedenartigen  Text 
enthalten  haben,  was  recht  begreiflich  wird  grade  in  den  Abschnit- 
ten, die  im  kürzeren  Syrer  fehlten. 

Aus  dem  Epheserbriefe  bringt  die  Sentenzensammlung  gleich 
zu  Anfange  p.  197  zwei  Fragmente.  Das  erste  geht  von  den 
Worten  Cap.  5.  Gnovöuacof-uv  ovv  —  Cap.  6.  rov  xvgtov  öh 
ngooßXineiv.  Bemerkenswerth  ist  hier  unter  andern  die  wörtliche 
Uebersetzung   anov8aa(x)(j.iv    durch    ^.^a^^Jj    eine    üebersetzung, 

die  auch  Arm.  voraussetzt;  der  kürzere  Syrer  gibt  anovdd^tiv  in 
den  beiden  Stellen,  wo  es  in  dem  von  ihm  übersetzten  griechi- 
schen Texte  vorkommt  (beide   Stellen    finden    sich    Eph.    10)    nie 


Lipsius ,  üher  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios.     175 

wörtlich,  während  Arm.  die  wörtliche  üebersetzung  durch  u^£i>jZl 

beidemale  voraussetzt.  Es  ist  diese  Abweichung  des  Sprachge- 
brauches zwischen  dem  kürzeren  und  dem  weiteren  Syrer  um  so 
mehr  zu  beachten,  als  die  üebersetzung  des  kürzeren  Syrers  nicht 
aus  dem  Interesse  eines  Epitomators  abgeleitet  werden  kann,  es 
vielmehr  schlechthin  unerklärlich  bleibt,  warum  er  bei  seinem  son- 
stigen Streben  nach  Wörtlichkeit  die  vorgefundene  wörtliche 
üebersetzung  hätte  ändern  sollen.  Dagegen  liegt  auf  der  Hand, 
Avie  ein  Späterer  darauf  kommen  konnte,  eine  üebersetzung,  die 
ihm  den  griechischen  Text  nicht  treu  genug  wiederzugeben  schien, 
nach  dem  Griechischen  zu  emendiren.  —  Im  Üebrigen  bietet  das 
Fragment  wenig  Bemerkenswerthes ;  iig  iöiav  oly.ovo(xiav  ist  durch 
oi^j5  ■  .rnnmi^oo^V   iu  alimenta    sua    übersetzt,    was    Arm.    wol 

bei  seiner  üebersetzung  ad  necessitatem  suam  vor  Augen  hatte^j 
dagegen  fehlt  Cap.  6.  bei  Arm.  das  örj'kov  or/,  welches  sich  im 
Fragment  findet.  —  Das  zweite  Fragment  ist  aus  Cap.  13.  ent- 
nommen, und  geht  von  onovöat^tTt  —  iniyeiwv.  Dieses  stimmt 
wieder  wesentlich  mit  A  zusammen;  nur  setzt  es  d^eov  nicht  zu 
ivxuQiOTiuv,  sondern  zu  öo'^uv  (wie  Lat.  B),  dagegen  liest  es  mit 
Lat.  A  iv  T?7  bfdovoia  jrjg  niazewg  vficHv.  Für  o  oXeO^Qog  avtov 
hat    er    durch   einen    Schreibfehler    cnJ,.>jo]    possessio    eius    statt 

cnjj.al  pernicies  eius,  woraus  Arm.  ou^soj  memoria  eius  gemacht 

hat.  Aus  welchem  von  beiden  die  arm.  Lesart  entstanden  sei,  ist 
schwer  zu  sagen.  —  Arm.  lässt  oben  ^eov  sowol  bei  tvxuQiOJiav 
als  bei  öo'^uv  weg,  desgleichen  den  ganzen  »Satz  or'  av  y^Q 
nvxvwg  im  t6  avio  yivea&e ;  dagegen  liest  er  unten  statt  iiQtjvrjg 
vielmehr  niaitwg  xal  eiQfjvrjg, 

Das  Resultat  bleibt  also  im  Ganzen  stehn;  die  Sentenzen- 
sammlung I  bietet  den  Text  von  A,  obwol  theilweise  schon  ziem- 
lich secundär;  Arm.  hat  zwar  nicht  ganz  denselben  Trxt,  aber 
docli  einen  sehr  nahe  Verwandten  vor  sich  gehabt,  der  ebenso  wie 
jener  der  weiteren  syrischen  Recension  angehört,  verändert  diesen 
selbst  aber  wiederum  mehrfach  nicht  unerheblich. 

Noch  bleibt  uns  übrig,  den  Text  der  Sentenzensamm- 
lung Nro.  11,  p.  201  bei  Cureton  in  ähnlicher  Weise  durchzu- 
gehn.  Es  ist  schon  oben  bemerkt  worden,  dass  diese  Sentenzen- 
sammlung hauptsächlich  einen  grösseren  Abschnitt  aus  dem  Rö- 
merbriefe enthält,  Cap.  4  —  6.  Die  beiden  ersteren  Capitel, 
die  sich  auch  beim  kürzeren  Syrer  finden,  sind  bereits  im  Obigen 
verglichen  worden,  und  es  hat  sich  herausgestellt,  dass  der  kür- 
zere Syrer  offenbar  eine  ältere,  ursprünglichere  Recension  ent- 
hielt, als  das  Fragment  des  weiteren  sammt  dem  Armenier.  Was 
nun  das  noch  übrige  6.  Cap.  betrifft,  wo  der  kürzere  Syrer  fehlt, 
so  stimmen  hier  das  Fragm.    201    und  Arm.    so  buchstäblich    zu- 


1 


1 76     Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios. 

sammen,  dass  über  ihr  gegenseitiges  Verliältniss  gar  kein  Zwei- 
fel obwalten  kann.  Statt  ovde  al  ßaaiXiTat  %ov  uhovog  tovtov 
lesen  beide  oiiaii^iD  P-£>)  oiöe  al  ßuoiliiai  uvtov  oder  tovtov 
(Arm.  et  non  regnum  huius,  ohne  Ribbui).  Zu  rcov  neQUTwv  rijg 
yrg  setzen  sie  tcuvtiüv  hinzu ;  für  vnfQ  tji^wv  lesen  beide  vnio 
i/Liov;  öi^  f](Liag  lassen  sie  ganz  weg,  und  zu  avnaTuvra  setzen 
sie  a  mortuis  (a  domo  mortuorum)  hinzu ;  Gvyyvcoie  /not  übersetzen 
beide  mit  der  bekannten  Phrase  ^^^aj  ^  ^b:»  ai^j  noscite  me 
ab  anima  mea  (a  persona  mea);  jnri  efinodiar^Te  jlwi  i^ijoat  durch 
J1a>j  ^iD  >-»ijaiiai^Z  P  ne  impedite  me  a  vita  (Arm.  ne  expellite 
me  e  vita);  f^rj  d^tXrjOt^Tt  f.u  unod-avtiv  durch  ^^al^Qli  %9^\^  P 
ne  velitis  mortem  meam;  rov  tov  &tov  &eXovTa  dvui  xoa/nco  (.it] 
Xagiatjod^e  durch  ]^(t^  v-iAJO^a^Z  D  JiaQl::^»!»^^  jooij^  l^.*  jJj  ooi\ 

eum  qui  non  vult  esse  in  mundo  ne  honorate  me  in  hoc  (Arm* 
qui  nolo  esse  in  mundo,  ne  honorate  sie)  abweichend  von  Cod. 
Colb.  und  ß  wie  von  Lat.  A;  neque  per  materiam  seducatis  (den 
Zusatz    von    A)    durch    ^^^juAliJ)   ^^^    ^j.jQi^]2  Po    et    ne 

aemulatorem  facite  me  eorum  quae  conspiciuntur  ( Arm.  et  ne 
aemulatorem  facite  visibilium)  ' ).  —  Von  ucptTt  f,ie  xu&agov  (fwg 
XaßeTv  an  tritt  auch  das  Fragm.  p.  296  noch  ein,  welches  fast  nur 
einige  orthographische  Abweichung  vom  Fragm.  p.  201  verräth. 
Für  ixH  7iaQuyiv6fA.tvog  äv^Qconog  &eov  i'oofxai  (Colb.  B)  oder 
.  . .  uv^Qwnog  taoi^ai  (Lat.  A)  liest  Fr.  p.  296  l\\^]]^  J^d  ^icil> 
\j]  ]ooi  }a1::^^a1^  l-^Jr^  "'^'"^  (sursum)  quando  ibo,  filius  homi- 
nis (homo)  perfectus  eio.  Ebenso  Arm.;  Fr.  201  desgleichen,  nur 
liest  es  wol  irrthümlich  )>oiQiO  in  luce  für  J^aj^o,  und  stellt 
liiVsVnft^  ans  Ende.   Hier  hört  Fr.  p.201  auf;  Fr.p.  296  bietet  aber 

auch  noch  das  Folgende  bis  &eov  f,wv ,  und  liest  hier  statt  tov 
na^ovg  den  Plural  (mit  Ribbui),  was  Arm.  wol  nach  einer  andern 
sjr.  Handschrift  unterlässt.  Bemerkenswerth  ist  hierbei  der  um- 
stand, dass  in  der  einen  Stelle,  in  welcher  Fragm.  p.  296  von 
Fr.  p.  201   abweicht,  ersteres  einen  richtigeren  Text  darbietet. 

Wir  haben  diese  Erscheinung  schon   oben,    wo  wir  den  kür- 
zeren syr.  Text  vergleichen  können,  beobachtet,    und    namentlich 


1)  Ich  stelle  den  griechischen  Text  der  fragliehen  Worte,  wie  er  dem 
Syrer  zu  Grunde  lag  und  ohne  Zweifel  der  richtige  ist,  folgenderinassen  her: 
vöv  fiij  d'elovxa  elvac  iv  xoo/ucp ,  (irj  xo-Qiorja&e  avitö ,  firjd"^  vlrj  naQa- 
^rjXcöorjTB  [fie].  Dass  zuletzt  naQa^rjXovv,  nicht  i^anaräv  (Petermann) 
zu  lesen  ist,  lehren  ausser  der  mit  dem  syr.  Fragm.  stimmenden  armenischen 
üebersetzung  auch  die  selbständigen  Versionen  der  Worte  bei  Arm.  2  und  in 
dem  Fragm.  des  Timolh. 


Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios.     177 

aucb  gefunden,  dass   Fr.  p.   296  dem  kürzeren  syr.  Texte 
näber  trat,   als  Fr.  p.  201. 

Die  Abweichungen  des  Arm.  sind  kaum  der  Rede  wertb: 
für  T«  negara  liest  Arm.  irrig  tbesaurus ,  was  wol  ein  einfacber 
vScbreibfebler  des  arm.  Textes  ist;  wenigstens  bat  er  niebt,  wie 
Petermann  vermutbet,  J^b^lioa«  (plenitudines,  fines),  sondern 
^(Tio'fcl:^  (transitus,  termini)  im  syriscben  Texte  gelesen,  folg- 
lich kann  der  Fehler  nicht  aus  dem  Syrischen  entstanden  sein. 
Weiter  unten  für  yM&agdv  (fcog  ]^r^j  l^oiQJ  (F**.  p.  201  und  296 
gleicb'mUssig)  liest  Arm.  lucem   infinitam  (indeficientem). 

Wir  haben  also  in  den  beiden  Fragmenten  p.  201  und  296 
(vgl.  aucb  das  schon  oben  bei  ihnen  Bemerkte)  einen  dem  Arme- 
nier noch  näber  stehenden  Text  als  in  der  Sentenzensammlung 
p.  197  ff.  Bezüglich  seines  Verhältnisses  zu  den  übrigen  Text- 
familien gilt  wiederum  dasselbe,  was  schon  früher  vom  Armenier 
gesagt  wurde.  In  der  Hauptsache  gehn  beide  Fragmente  (sammt 
dem  Armenier)  mit  Lat.  A:  so  die  Lesart  negara  für  TfQnvu, 
xa).dv  für  f.iäXXov,  die  Weglassung  des  Bibelcitats  t/  yuQ  —  Ct]- 
(iiKjod^fii  der  Zusatz  des  neque  per  materiam  seducatis,  endlich  die 
Lesart  tov  nud'ovq  tov  &iov  /iiov.  Ebenso  mag  aus  der  Lesart 
von  Lat.  A  ävd^Qwnog  ioofiui  (ohne  &eov)  die  Lesart  der  weite- 
ren syrischen  Recension  „homo  perfectus  ero"  entstanden  sein  j 
und  das  „ne  impediatis  me  a  vita''  ist  wol  auch  auf  jlu)  ifinodi- 
fTTjT*  /Lioi  i^ijaui  (A)  nicht  auf  firj  e^nodiOTjii  (.lot  tlg  tvoriV  (pd^uoat 
(B)  zurückzuführen.  Mit  Cod.  Colb.  haben  sie  nur  die  Lesart 
unoO-avHv  iig  'Ji^aovv  Xqiotov  (oder  mit  Sim.  Met.  kv  'T7]G0v 
Xqiotm,  sie  lesen  nämlich   die  Praep.  t!!))  gemein,  mit B  gar  keine 

Variante.  Dagegen  geben  sie  statt  zweier  Lesarten  von  A  eineu 
eigenthümlichen  Text:  für  toV  tov  &iov  d^eXovTu  elvai  hoo^ko  (.itj 
XaQiai]G&e  (oder  [ev]  xuofHM  {.i^  X(x}Qiaf]Te  Lat.  A  Tim.)  die  Weg- 
lassung des  &eov ,  die  Verbindung  des  f.i7]  mit  &i\ovTüt.  und  des 
(tv)  y.6af.i(p  mit  tlvaty  endlich  die  üebersetzung  ne  honorate  in 
hoc  (mit  wiederholtem  jur)) ,  der  übrigens  jedenfalls  die  Lesart 
von  Cod.  Colb.  /agiar^od^e  zu  Grunde  liegt;  sodann  für  „neque 
per  materiam  seducatis"  die  (nach  unsrer  obigen  Bemerkung  rich- 
tige) üebersetzung  „et  ne  aemulatorem  facite  visibilium".  Im 
Ganzen  also  der  grade  hier  besonders  reine  Text  von  Lat.  A, 
Arm.  verhältnissmässig  weit  weniger  abweichend,  als  an  vielen 
Stellen  der  Sentenzensammlung  I.  Bemerkenswerth  ist  jeden- 
falls die  Erscheinung,  dass  grade  im  6.  Cap.  des  Römerbriefea 
dieFragm.  p.  201  und  296  einen  besonders  ursprünglichen  Text  zu 
verrathen  scheinen,  und  namentlich  gilt  dies  von  Fragm.  p.  296. 
Wir  glauben  nun  durch  anderweitc  Erörterung  wahrscheinlich 
gemacht  zu  haben ,  dass  eben   dieses  Capitel    dem    ursprünglichen 

Abhaiidl.  d.  D.VIG.  I,  5.  12 


I 


178    Lipsius,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

syrischen  Texte  ang-eliört  habe,  und  nur  irrthümlich  in  den  uns 
jetzt  erhaltenen  Handschriften  ausgefallen  sei  »).  Wäre  diese 
Annahme  unverwerflich ,  so  würde  sie  in  selir  einfacher  Weise 
erklären  wie  es  denn  komme,  dass  insbesondre  Fragm.  p.  296 
dem  kürzeren  syrischen  Texte  so  auffallend  nahe  steht:  es  würde 
nämlich  wirklich  aus  demselben  geflossen  sein,  aber  aus  einer 
Handschrift,  die   Cap.  6  mit  enthielt. 

Die  übrigen  in  der  Sammlung  H  enthaltenen  Fragmente  sind 
weit  unbedeutender.  Zuerst  zwei  Fragmente  aus  dem  Eph  es  er- 
briefe, aus  Cap.  15.  und  20.  Das  erstere  geht  von  ovöev  lav- 
^avet  bis  zum  Schlüsse  des  Capitels,  Der  syrische  und  armeni- 
sche Text  bieten  übereinstimmend  den  Text  von  A,  aber  mit 
Weglassung  der  Worte  oneQ  xui  ioTiv  y.ul  q)uv^asTai  nyu  nQoa- 
(JÜ710V  fj/.iwv ,  wogegen  die  letzten  Worte  i'^  wv  xtI,  sich  ganz 
wie  bei  A  wiederum  finden    (  a^j]    io  steht  bei  Syr.  Fr. ,  daher 

wol    anch  Arm.    t'^    wv,    und    nicht    idvneQ ,    wie    Petermann    ver- 
muthete,    las).     Die    Weglassung    der    Worte    ontQ  —  nfjoaconov 
jj^Mv  wird  aulfällig  dadurch,    dass  auch   B  dieselben  nicht   kennt.    ^_ 
Allein    beide  Zeugen    der   weiteren    syrischen    Recension    deshalb    fl 
zur  Familie  B  zu  weisen,  geht  deshalb  nicht  an,  weil  die  folgen-    ^ 
den  Worte    *§   wv    xrl.    ebenfalls    bei    B    fehlen.     Will    man    also 
jene  üebereinstimmung  in  Weglassung  des    ersteren   Satzes    nicht 
für  einen  blossen  Zufall  ausgeben ,    so    lehrt    uns    gegenwärtiges 
Sachverhältniss ,    dass    der   syr.   armen.  Text  der  weiteren   Recen- 
sion   aus    der  Familie  A    geflossen    ist,    aber    zu   einer    Zeit,    in 
welcher  der   erste    Zusatz    oneQ    xjX»    noch    fehlte.     Dagegen  war 
der  zweite  Satz  e'^  wv  xtX.  bereits    im    Texte    von   A   vorhanden, 
während  B  keinen  von  beiden  kannte,  und  dafür  einen  andern,  sei 


1)  Vgl.  meine  Abhandlung  in  Niedners  Zeitschrift  1856,  I,  S.  141  ff.  Ich 
weiss  recht  gut,  dass  jene  dort  aufgestellte  Hypothese  nicht  zur  Gewissheit  ge- 
bracht werden  kann ;  wenn  aber  Herr  Uhlhorn  in  seiner  Recension  S.  1525  mich 
hier  „derselben  Willkür"  zeiht,  „der  sich  B  u  n  s  e  n  so  ofi  in  seiner  Verthei- 
digung  des  syrischen  Textes  schuldig  gemacht  habe",  so  wird  ihn  vielleicht 
obige  Erörterung  überzeugen,  dass  mich  zu  meiner  Annahme  doch  noch  andre 
Beweggründe  bestimmt  haben,  als  blos  subjectives  Belieben ,  oder  die  Furcht, 
durch  Inhalt  und  Zusammenhang  des  6.  Capitels  den  Gegnern  des  syrischen 
Textes  eine  gefahrliche  Waffe  in  den  Händen  zu  lassen,  üebrigens,  wenn  ich 
wirklich  bewiesen  hätte,  dass  bei  Syr.  sonst  allenthalben  der  ursprüngliche 
Text  und  bei  A  ein  interpolirter  zu  finden  wäre;  was  habe  ich  denn  da  so 
Willkürliches  gethan,  wenn  ich  vermuthete,  die  Stelle,  wo  mich  die  sonstigen 
Kriterien  des  Interpolators  verlassen ,  möchte  wol  gar  nicht  vom  Interpolator 
herrühren?  Glaubt  also  Herr  Uhlh  o  r  n  ,  dass  bei  A  der  bessere  Zusammenhang 
vorliege,  so  möge  er  meine  anderweiten  Nachweise  entkräften ;  dagegen  muss 
ich  mir  ausbitten,  die  vorliegende  Stelle  so  lange  aus  dem  Spiele  zu  lassen, 
bis  durch  Wider  legun  g  meiner  Darlegung  der  sonstigen  Me- 
thode des  Interpolators  das  Urtheil  wider  den  Syrer  entschieden  ist. 
Dann  erst  würde  es  an  der  Zeit  sein,  mein  Verfahren  im  vorliegenden  Falle 
der  Willkürlichkeit  zu  bezichtigen. 


Lipsius,  über  den  .syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnalios.    179 

es  durch  den  späteren  Interpolator,  sei  es  nocb  vor  dessen  Zeit, 
erhielt.  Im  üebrigen  stimmt  das  Frag-m.  wörtlich  mit  Ä:  nur 
statt  avTOv  vuüp  liest  es  ^^oi;  vuov  (allein)  und  in  &e6g  rifitov 
lässt  es  fjfiwv  weg-  (mit  B) ,  Arm.  geht  in  beiden  Fällen  mit  A, 
lässt  aber  dafür  h'  7]^ur  vor  ^«oc  Ti/lküv  weg.  Das  zweite  Fragment 
aus  Eph.  20  enthält  die  Worte  iv  (.itu  nioiei  —  vIm  S^eov 
(p.  201  flg.)  ganz  nach  dem  Texte  von  A;  nur  das  y.al  vor  h 
^h]Oov  XgioTü)  (was  übrigens  auch  bei  B  steht)  fehlt  im  Fragm., 
ebenso  wie  bei  Arm.  Sonst  bietet  das  Fragm.  nichts  Bemerkens- 
werthes,  ausser  etwa  die  üebersetzung  des  iy.  yarovg  &(ov  durch 
i.*0J5  AaOj  Jiiil  _iD  ex  semine    domus    Davidis    (x4rm.    einfach    ex 

prole  Davidis)  eine  auch  sonst  wiederkehrende  Uebersetzermanier. 
Es  folgen  nun  p.  202  zwei  Fragmente,  aus  dem  Magnesier- 
und  Smyrnäerbriefe.  Magn.  10.  aionov  eaiiv  —  ovvrjxd^^'  Hier 
stimmt  das  Fragm.  mit  dem  Arm.  abermals  buchstäblich  zusam- 
men; den  Satz  'Ttjoovv  Xoigtov  laXtiv  verwandeln  beide  in  einen 
Vordersatz,  (und  streichen  daher  das  verbindende  xal  (\Sqaj  |.s^ 
^bilioAi^)  ).>j..i.a1^  ubi  Jesus  Christus  nunciatur);  'lovöu'i'utv  über- 
setzen sie  durch  Judaice  vivere  (das  Fragm.  wörtlich  AjIjooij  -i>j 
-j.*^0)AiD  ]ooiJ  „that  we  should  conduct  ourselves  like  Jews", 
uos  Judaice  esse  nos  gerentes);  endlich  das  c^c  näoa  yXwaoa, 
niOTtvouoa  übersetzen  sie    durch      ^joi  oiCi?  J^  ^:^}  »ut  omnis 

qui  credit  in  eum",  lesen  also  statt  nuaa  yX^aoa  etwas  anderes, 
und  stimmen  sodann  hier  einmal  mit  B  in  der  Lesart  i\g  ov  zu- 
sammen.    Im  üebrigen  bieten  sie  ganz  den  Text  von  A. 

Smyrn.  4.  d  de  to  öoxeTv  xtX.  bis  zum  Schlüsse  des  Capi- 
tels,  mit  den  Anfangsworten  von  Cap.  5,  ov  rivtg  ayvoovvifg  uq- 
vovvTut.  Auch  hier  stimmen  Syr.  Fr.  und  Arm.  wie  unter  einan- 
der, so  mit  der  Recension  A  zusammen,  während  B  grade  hier 
sehr  bedeutende,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ursprüngliche,  Dif- 
ferenzen hat.  Bemerkenswerth  ist,  dass  to  doxHV  hier,  abwei- 
chend von  Trall.  10  (Sentenzensammlung  I),  aber  übereinstimmend 
mit  Arm,  durch  l^oj^amiQa  (opinione)  übersetzt  ist.  Abweichend 
von  A  ist  die  syrische  üebersetzung  von  TtjJ  d-avdno  uQog  nvQ 
TiQüg  f.iayuiQav  TiQug  ^rjgia  durch  Ja^ml^O  ]  >>^«~^Vn  j^a^i:^ 
] /r> . » B  V r^  morti  et  ignominiae  (irrisioni)  et  gladio  et  bestiis. 

Arm.  setzt  diese  Lesart  voraus,  wenn  er  übersetzt  im  mortem  et 
in  ignominiam  ferarum,  ignis  et  gladii.  Doch  ist  seine  üeber- 
setzung die  sccundärste,  weil  sie  die  syrische  und  die  griechische 
Lesart  zu  verbinden  sucht.  Die  letzten  Worte  von  Cap.  4,  «v- 
jov  (.u  ivövvufiovvxog  tov  jiXtiov  uvd^gwnov  ytvofitvov  gibt  Fragm. 
abweichend  :  joil^  i.K»KiA:^  \iQJi.i  ^^^>AiöO  et  corrobat  me  Jesus 

12* 


180    Lipsius,  üher  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Ignalios. 

Christus  deus,  was  Arm.  in  einig-er  Anbequemung  an  die  griecli. 
Structur  durch  per  eum  qui  corroborat  me  Jesus  Christus  deus 
noster  übersetzt,  /uallov  de  rjQvridi^oav  vn^  avTOv  übersetzt  Fr. 
durch   ^ooio   {.as   ooi  ,.»•)  QJCJi    id    est    vero    ille    denegavit    eos. 

Ebenso  fast  Arm. :  itidem  et  hie  ipse  eos  negat.  Ausserdem  ist 
die  Uebersetzung  vou  aW  eyyvg  /.la/uigag  y.xX.  durch  sed  is,  qui 
etc.  (Arm.  nam  qui),  und  des  f.itTaS,v  d^rjQuov  f.uTu§v  &eov  durch 
OCT  ]c7i2^  >Qi^  locfiJ  UqI>j  ^J~kO  ^)o  et  si  inter  bestias  erit, 
cum  deo  (apud  deum)  est  (Arm.  grade  so)  zu  beachten.  Zu  f.i6- 
vov  iv  TW  övo/iiaTi  ^Tfjoov  Xqiotov  setzt  das  Fragment  allein  ein 
x2>|  ^iii  Aa^d?  ooi  jjqui  mortuus  est  pro  nobis"  hinzu,  während 
Arm.  diesen  Zusatz  nicht  kennt. 

Endlich  findet  sich  zum  Schlüsse  dieser  Sammlung  ein  Citat, 
welches  folgendermassen  lautet:    ^^ci^^   asiccaial^  }j|    cmAa^ 

).iö52  yl^  A.»l  13?  l^^-*]  liortor  ut  addas  ad  cursum  tuum:  per- 
severa  in  ieiuniis  et  in  supplicationibus  ad  Deum,  sed  non  immo- 
dice  (sine  mensura)  ne  temetipsum  abiicias.  Diese  Worte  gehö- 
ren zum  1.  Cap.  des  Briefes  an  Heron,  und  lauten  im  griech. 
Texte:  naQaKalto  ae  iv  d^tM  nQoa&tivui  t(ü  dQOf.io)  aov  ..  *\vriaxiiaig 
xal  öe^oeai  o/oXa^e,  uXXu  f.irj  af-ihgioc,  Vy«  f.iij  oavibv  y.aTußaXrjg, 
Arm.  stimmt  mit  dem  Fragra.  in  der  Weglassung  des  h  d^t(Z 
nach  naQaxuXw  rr«,  während  letzteres  das  iv  ^e(b  oder  ag  d^ebv 
nach  ötTjOiai  gesetzt  zu  haben  scheint,  wo  es  bei  Arm.  ebenfalls 
fehlt. 

Dass  der  Brief,  dem  dieses  Citat  entnommen  ist,  unächt,  und 
issbesondre  unsre  Stelle  nichts  als  eine  Nachbildung  des  ersten 
Capitcls  des  Briefes  an  Polykarp  ist,  bedarf  kaum  der  Erinnerung. 
Wichtig  aber  ist  dies,  dass  wir  durch  dieses  Citat  über  den  spä- 
ten und  secundären  Ursprung  der  weiteren  syrischen  Recension 
als  einer  auch  anerkannt  untergeschobene  Briefe  mitenthalten- 
den, vollständig  vergewissert  werden. 

Wenn  in  der  spätem  syrischen  Literatur  Machwerke,  wie 
der  Brief  an  Heron,  so  allgemeinen  Eingang  ßnden  konnten,  dass 
man  einzelnen  Stellen  daraus,  als  ächten  Aussprüchen  des  gros- 
sen syrischen  Kirchenvaters,  sogar  kanonische  Kraft  beilegte, 
so  lässt  sich  leicht  ermessen,  wie  viel  Gewicht  in  kritischen  Fra- 
gen dieser  ganzen  weiteren  Recension  überhaupt  zuzuerken- 
nen sei. 

Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  daher  auch  das  Citat  aus 
Tars.  2,  welches  Cureton  p.  363  f.  aus  zwei  Fragmenten  ab- 
druckt, zur  weitern  syrischen  Recension  zu  rechnen.  Es  stimmt 
wörtlich  mit  den  griech.  Codd.,  speciell  mit  den  Codd.  von  B,  in 


Lipsius ,  über  den  syrischen  Text  der  Briefe  des  Jgnatios.     181 

der  Wegflassung  des  xal  doxi^att  uni&uvev.  Arm.  schiebt  „et 
opinione  passus  est"  vor  fnravQw^J]  ein.  (xul  doxr/oei  l'nad^tv 
y.ai  laxavQco^ri)  liest  statt  ol  di  oti  avTog  iariv  b  enl  nuvTWv 
&i6g  vielinelir  „et  non  ipse  Creator  et  non  deus  super  omnia", 
also  grade  das  Gegentlieil.  —  Das  zweite  dieser  Fragmente  bringt 
übrigens  noch  die  Worte  aus  Cap.  1.  gleich  zu  Anfang  dno  2v- 
Qiug  (.uyoL  ^PcofATjg  &riQtof.ia/aj  mit  der  ausdrücklichen  Bemerkung, 
dass  sie  von  hier  entnommen  sind.  Benierkenswerth  ist  hier  die 
wörtliche  üebersetzung  des  &7]gtojna/(x)  durch  ^^AdA^  I-Zqä^  >Q^ 
J.j)    cum  bestiis  pugno,  womit  auch  Arm.  zusammenstimmt.  Diese 

wörtliche  üebersetzung  ist  bekanntlich  beim  kürzeren  Syrer  nie 
angewendet,  — 


Die  syrische  Literatur  kennt  demnach  eine  doppelte 
Sammlung  ignatianischer  Briefe:  eine  kürzere,  drei  Briefe  enthal- 
tende, und  eine  längere  von  dreizehn  Briefen.  Die  kürzere  ist 
der  längeren  an  Alter  vorzuziehn  (denn  sie  ist  bis  ins 
4.  Jahrhundert  hinauf  bezeugt);  sie  enthält  ferner  keine  Spur  von 
den  offenbar  unächten  Briefen,  welche  die  kritische  Zuverlässig- 
keit der  weiteren  Recension  verdächtig  machen;  ihre  Textgestalt 
ist  ferner  eine  besonders  reine,  zusatzfreie  ursprüngliche,  die,  ohne 
einer  bestimmten  Textfamilie  zugewiesen  werden  zu  können,  doch 
am  meisten  mit  dem  vorauszusetzenden  ältesten  Texte  von  B 
stimmt;  wogegen  die  weitere  Recension  allerdings  die  kürzere 
zur  Grundlage  hat,  aber  als  eine  Ueberarbeitung  nach  dem  Grie- 
chischen sich  kundgibt,  und  überall  da,  wo  sie  selbständig  von 
jener  auftritt ,  einen  wesentlich  zu  A  gehörigen,  theilweise  noch 
recht  guten  und  brauchbaren,  aber  theilweise  auch  schon  ziemlich 
gemischten  und  secundären  Text  verräth.  Also  nicht  der  kür- 
zere Syrer  ist  Epitomator  des  weiteren,  sondern 
der    weitere   Syrer    ist   Ueberarbeiter    des    kürzeren. 


BerlchtiguDgeiit 


S.     2     Z.    1    V.  u.  lies  worden  für  werden. 
„      8     „    24  und  25  V.  u.  1.  115  für  114. 
„  128   ,,    9  V.  0.  I.  vorhergehendem  für  vorhergenden. 
„  141    „  17  V.  0.  l.  in  quiete  für  inquicte. 
Kleinere  Versehn  in    Setzung  der  Accente ,  Spiritus  u.  s.  w.    ist  der  ge- 
neigte Leser  gebeten  selbst  zu  berichtigen. 


i 


IGNATII   ANTIOCIIENI 

EPISTOLAE    TRES    GRAECE 

CUM  VEESIONE  SYRIACA. 


Textum  Graecum  ad  oplimorum  testium  fidem  recensui,  leclionem  variantem 
apposui,  versionem  Syriacam  ex  Curetoni  Corpore  Ignatiano  ad  literam 
repetitam  cum  eiusdem  et  Pelermanni  critica  adnotationc  adieci.  De 
ratione  quam  in  textu  recensendo  secutus  sum,  leclorem  ad  praecedcntem 
dissertalionem  remitto. 


184 


ITNATIOY   EniSTOAAI. 


npoE  noATKAPnoN, 

'Tyvdrioc  [o  y.ai  &eo(p6Qog]  TIolvnaQ-nto  imaxono)  *  ^/uvgvtjg, 
f.idiXXov  lneaxoTirifA.lvM  vnb  d^tov  naTQog  xal  avQiov  ^TfjOov  Xqiotov, 
nXetara  /aiQHV. 

I.  lAnexSt/^ofievog  cov  rr^v  ev  &e(S  yviof-iriv  rjÖQaofttvfjv  cog 
ini  nixQav  uxIvt^tov  vntQÖo'^uI^a)  ^  d^ebv ,  xaTu^tw&tig  tov  ngoa  • 
(JÜ710V  oov^  j  ou  dvaifÄ7]v  iv  d^ew.  TlagaxaXcü  ^  ae  ev  /uqiti  ,  tj 
ivöiövGui ,  TiQOod^Hvai  TM  Sgof-iM  oov  xal  *  vneQ  navTcov  TiQoaiv/e- 
ad^ai  ^  "va  G(x)t,a}VTai,  *Exöixet  ^  rö  nginov  Iv  naarj  Enif.itXeia  oagxixfl 
T£  xou  nviVfiartxTJ'  ^  rijg  iviuGiwg  qjQovTit^e ,  r]g  ovöfv  uf.teivov' 
navTag  ßuoTut^e  ü)g  ^  \_xai]  ak  ^  ßaaiuCei  o  y.vQiog-  nuvTwv  avi- 
Xov  iv  dyunrj,  waneg  ^  °  [xal]  nouig.  ÜQoaevxutg  c/oXate  ^  ^  [uöia- 
Xdmoigl'  ahov  ovvtöiv  nXeiova,  ^g  l'/jig'  ygrjyoQei  äxotfirjrov 
nvev(.ia  xexTr]/.ih'og.  ToTg  xwt'  livöga  xaxu  ^^  bfio-^d^etav  d^iov 
XdXei '  ndvTWv  * '  tag  vooovg  ßuaral^e  wg  reXtiog  dd-Xi]Trjg  •  cnov 
^*yuQ  nXticOv  xonog,  noXv   ^  ^  xal  ib  xagöog, 

II.  KaXovg  /na&TjTug  iäv  g)iXfjg  ^ ,  X^Q^Q  (^oi  ovx  toTiv,  (.lüX- 
Xov  Tovg  XoifioTegovg  iv  ngaoTi^ri  vnoTaaae.  Ov  ^  nuv  jgavfxa 
rfj  avTJ]  *  i(.in'kdaTQO)  d^eganavtrat*  rovg  *  nago'§vafiovg  ^  ifjßgo- 
Xutg  nav€.  Og6vif.iog  yivov  wg  bcpig  iv  anaaiv  ,  xal  dxegaiog 
^  ilaatl  ^g  rj  negiöxegd.     /lid  jovto  oagxtxbg  el  xal  nvivf-iarixogy 

loser.  1  cum  Syr.  ...  Arm.  add.  exxXr,aias  ...AB  ixxXrja/as  ^/uvq- 
vaicov  Lat.   ß  om.  ixxX. 

I.  1  cum  Syr.  Arm.  ...AB  om.  —  2  cum  Syr.  Arm.  ...AB  add. 
rov  aficöfiov,  —  3  Syr.  Arm.  add.  d&.  —  4  cum  . . .  Syr.  Arm,  (et  sie 
petas  pro  omnibus  filiis  hominum )  ...  Aß  ndvras  naQaxaXelv.  — 
5  cum  AB...  Syr.  Arm.  ut  vivant.  —  6  cum  Syr.  Arm.  ...AB  oov  rov 
roitov.  —  7  cum  AB...  Syr.  Arm.  de  concordia  {öfiovolasl),  —  8  cum 
A  B  Arm.  ...  Syr.  om.  —  9  cum  Syr.  Arm.  ...AB  om.  —  10  cum  A 
B  Arm.  ...  Syr.  om.  —  11  cum  AB  ...  Syr.  in  orationibus  persevera. 
Arm.  precibus  vaca.  —  12  cum  B  Lat.  A  consuetudinem  .  . .  Syr.  Arm.  vo- 
luntatem,  A  ßoiqd-einv.  —  13  cum  AB...  Syr.  Arm,  morbum.  —  14  cum 
Syr.  Antioch.  ...AB  Arm.  om.  —  15  cum"  Syr.  Arm.  Antioch.  ...AB 
om.  xal  To. 

II.  1  Syr.  Arm.  add.  fiovov.  — ,  2  Syr.  Arm.  ndvra  xqavfiata,  — 
3  Syr.  Arm.  medicina.  —  4  Syr.  Arm.  abscissiones.  —  5  Syr.  Arm.  in  le- 
mtate.  —     6  cum  B  ...  Syr.  ad  illa  quae  requisita,    ßts  «  ^bI,  A  mael.  — 


I 


185 


06)  .  *^o,v^  JS*OJSJt/l  J0JS.JJ  W  w.-^^^»  WwN*  .>^j)S2D  ^  JJj 
♦  Jlic  ^^^^J    JlCL»0/  \bÄ.    ,  w^O^JO  Vs^?  Q^s-^a^  ^^O^  jhs\Ö  N»io  ^ 

^i^  )oi.  vp5  ^i^  ^j  |o-/  .ftiXA^  ^  ♦  iJ^^-^  6>i>Di  )o^>o  J^^j 

iboOD  ^jjt  .^/l/  Jlc^p  »W  f2b.J  \^/  jl^OwO  ^oi  v^ 
j^i/  ^/  ^  jü^j  '  JjO)^co  ,\;^  Jojl^j  Jj^,  ^/  uaiSj^ 
h.^\.K  .  ^  JS-^  <p^  ia-\)  hss/  )Q^i  J^  )».^.2o\l  ^,  II. 

1  Inscriptionem  ipse  apposui.  Cftr.  quod  epistolae  ad  Rom.  in  Cod.  ß 
Bubscriptum  est.  —  2  sie  Cureton  in  libro  impresso.  ^cu^JuV  ^'»»j  )lVx/ 
)2>ßOQ2>/  Cod.  a  5DQ*^Ji^/?  jl-,^  Cod.  ß  Uou^^j  lajQQQs/  .-^o^^j^/j  )JL^^ 
Cod.  y.  —  3  5Da.^i^  Cod.  ß.  500*^0^/  Cod  y.  —  4  ^DO-^/JL  Cod.  y.  — 
5  )2>QuQ0Q*2>/   Cod.  |3  iSQXiCDS/  Cod.  y.   —     G  )j»Q>Ojj  Cod.  p.  — 

I.  1  cod  a.  v^jifcs»  Cod.  ^  et  y.  —  2  |«Jlj5  Cod.  |3.  —  3  1.  \öto  feterm. 
--  4  Cod.  a,  Jü/  \^  Cod.  ^  et  y.  —  5  1.  jio  Peterm.  —  6  Cod.  a.  Jü/  ^ 
Cod.  ß  et  y.  —  7  Jü/  \öj  Cod.  ß.  — 

II.  1  ^QO  VsvQ^  Cod.  y.  —  2  Peterm.  leg.  coniicit  j-Vq.  irritatidnes 
vel  JlOQ^  incitationes.  —  3  Pj»  ^^aa  Cod.  y.  — 


186 

*lva  XU  (patvof^evu  ^  oov  dg  ngoaconov  ^  xoXaxtvrjg  •  tm  di  aogara 
aliei  tV«  aoi  (paveQwd^fjy  ^  onwg  iii7]divdg  Xeinfj  xcu  lo  navxog  yaQi" 
(TfiuTog  negtaaev]]g,  '0  yMiQog  änaiTit  oe,  cbg  *  ^xvßeQvrjTtjg  ^^  uvi- 
fiovg,  xal  wg  ^^vavg  /jif,ittt^0fiiv7]  h(.itva  elg  t6  ^£o£i  imTV/jTv. 
Nijcpe  cog  d^tov  a&X^Tfjg '  t6  d^t(.ia  u(p&agoia  y.al  Jw^  uicoviog,  negl 
i]g  y.al  gv  ntneioai,  Kura  ndvTa  oov  uvtiipv/^ov  lyto  y.ai  tu  ötaf.tu 
(,10V,  u  rjyuuTjaag, 

HL  Ol  doxovvTeg  '  ftvai  xi  xai  hiQOÖi8uGy,a\ovvTtg  (.itj  ae 
yaxunXriGöhwGav'  GX^di  ^  de  ^  Idgutog  Mg  *  ux/ncov  xvnxo/LiE- 
vog'  (uayuXov  ^  yuQ  iaxiv  u&l^xov  xb  ötQtG^ut  yui  vtxuv.  Md- 
XiGxa  ^  [da]  evextv  &iov  nuvxu  vnof^avetv  7](.iug  J*r,  'ivu  y.ai  uv- 
xog  rjf.iug  vnofuttvT].  TlXaov  GnovöuTog  yivov  ov  tl*  xovg  xutgovg 
xuxu(.iuv&uva'  xov  vnaQ  y.uiQov  ngoGÖoxa,  xöv  uygovov,  xbv  uoqu- 
xov ,  xbv  öl*  rjfxug  oquxov  ,  xov  uxfJtjXucptjxov ,  xov  unad^ij ,  xov 
dl*  ri[.Lag  7iu^7]t6v,  xbv  xuiu  nuvxu  xgonov  ^  [nuvxu]  öi*  r]f.iug 
vnofialvuvxu. 

IV.  XiJQut  (4.1]  ufiaXaiG^WGuv  •  *  f,iaxu  xbv  xvqiov  gv  avxwv 
(pQOvxiGxi^g  I'go,  Mfiöav  avav  yvwf-irjg  gov  yivaG&a),  fitjda  gv  uvav 
d^aov  2  yv(jü(i7]g  xt  nguGGa '  onag  ovöe  nguGGatg.  ^  EvGXud^ai. 
*  Hvxvoxagov  Gvraywyui  yivaGd^coGav  •  a'§  dv6f.iuxog  nuvtug  t,rixai. 
/tovXovg  xai  öovXug  (xi)  v7iegf](pdvai  y  uXXu  fxrjda  avxot  q)vaiova&w- 
Gav f  ulX*  5  [(Lg]  alg  öo^uv  d^aov  nXaov  dovAavaiWGUv ,  'ivu  xgaix- 
xovog  aXav&agiag  unb  d^aov  xvitOGiv*  (irj  (guxMGav  unb  xov  xoi- 
vov  aXav&agovGd^ui ,  "va  fir]  öovXoi  avga&(7)Giv  antd^v^iiag.  lug 
xuxoxayvlug  q)avya'  (tuXXov  da  nagi  xovxcov  üf.iiXiuv  noiov, 

V.  TaTg  udaXcpuTg  [xov  ngoaXuXai  uyanuv  ^  av  xvgiM  xui  xotg 
Gv/iißiotg  ugxaiGd^ui  Gugxi  xui  nvav/Liaxi.  '^  O/^iouog  xut  xoTg  udaX' 
(poig  ftov  naguyyaXXe  av  dr6f.iuxi  ^  *Ti]gov  XgiGXOv  ,  uyunuv  xdg 
GVf.tßiovg,  cjg  o  xvgiog  xr]v  axxXi]Giav   *  [uvxov],     Ei    xig    dvvaxui 

7  cum  Syr.  A  ...  B  ooi.  —  8  cum  Syr,  A  Arm,  ...  B  Damasc.  inavoq- 
&(6aTjs.  —  9  cum  Syr.  A  Arm.  ...  B  i'i^a  firjSev  ooi.  —  10  Syr.  Arm. 
ndvrcov  xotQiafiÜTCov.  —  11  cum  Syr.  Arm.  B  ...  X  xvßsQv^rat.  —  12  cum 
A  B  Arm.  ...  Syr.  vavv.  —  13  ex  coniect.  cf.  ß  vr}\'  x^t/^f^^Ofierrj  ...  Syr. 
Arm.  A  %Eifxat,6inEvoi. 

III.  1  cum  Syr.  Arm.  ...AB  ä^ioTtioroi.  —  2  cum  Syr.  B  Arm.  ... 
A  om.  —  3  cum  Aß  ...  Syr.  Arm  in  veritate.  —  4  cum  AB...  Syr.  Arm. 
a&Xrjrrjs  . , .  fragm.  Syr.  ap.  Curet.  vir  fortis.  —  5  cum  Syr.  Arm.  Lat.  A 
om.  A  B.  —     6  Syr.  öm.  Sä.  —     7  cum  Syr.  Arm.  . .  .  A  B  om. 

IV.  1  Syr.  propter  {8ia).  —  2  cum  Syr.  B  Arm.  Chrysost.  . .  .  A  om.  — 
3  cum  Syr.  B  Arm.  . . .  A  svata&ijs.  —   ^t  Syr.  assiduae.  —  5  cum  Syr.  Arm. 

V.  1  cum  Syr.  ...  A  B  Arm.  rov  xvqiov.  —  2  Syr.  Arm.  add.  rov 
xvqIov  [fjfiüiv].  —     3  cum  Syr.  Arm.  ...AB  om.  — 


187 

.iis*U  ^o)Qio  \coo  «;^CY)>»  Joo^l  JJ  )o«»3j  .  J^  x:\^?  '^j*' 
.Jjlxi^  JÜQA--.2QO  )oii3j  W  ^/o  .|a\JÜ  )^*tZ5aO  *  ^/  >^i.  JjO) 
^  .j^j  )Ot>D  JoJJi^i  Jfr-^y  ^^  V-^  ^?^  JojScJJ  Jofc^itb 
^^a:^  />^op)  ^qq2j:d  Isj/ ""  ^/j  >^6j  .JUb^  jJj  )c^iS.j  ocm  |x^ 

p<pQj  ii5^cL  >^oN>oo   :  )o^x>  ^^o^^*/1  ^p>)^.QaiDj  ^/  III. 

.  ^l^/j  Jio  ^  ^   *^N.  «^^-^^-^  -»0O1  •  oo)   ^/  ^p-Äuj   .  ;zv.cpti 

.  V^^    PUQD    )OOtY>/  ^ 
.^Oj^l    ^«^   ^OOJ    W    ^  ^^>^    «^{Y>^)^ü    JJ    jÄJDiV    IV. 
^   V=^  -   )0*>D  1Q\Qd1  )^/   jü    .£>/  ^    *^f^-^}  ^  ^  'A^COl  JJ  )0*tX)0 

^/"'  il/  .^QJtl  JJ  JlojiJJo  J^ijii  .opajL  ^  Ji^  ^ooi  W  ^^^^ 

JJj  v^v^fco  ^^^^?  >^2a-v^  JJ  Jo^  ^j  jt^hss  Jlo^JJs.  >$o^jüj 
^j  Ww^*   .JDo*A  JiW3  J^i.    ^    '^^^^^^^^    Jf?^   >$uo^jtj 

^OJ^V^^^oJS.  >^jQ2iQCSJO   VpQZä  ^p^J^  'tX)/  J^OO)  wlouljj    V. 
^J    OJ^XJJO    »Cl^V>     fc^OOl    w^JJ     ^/    ^J    ^Ol     .w^O*t250    ^c^^ 
J^    JU/     7     .0)lA     vi»    ^/     >$Öj.-.JU    >9.2WJJ     .^..äX)    >Ci.QJU 

4  )[^;3QX>  Cod.  ^.  —  5  Cod.  a  W  ^oSi»  W  Cod.  ß  et  7.  — 

III.  1  jjÄ^Syr.  fragm.  p.  198.  —  2  \0j2CJ^  Cod.  ß  et  y.  —  3  Cod.  ß  et 
y.  om.  Cod.  a.  —  4  JU>DtA»  Cod.  ß.  —  5  Cod.  of.  )qood/  Cod.  |3  et  y.  — 

IV.  1  Cod.  a,  l]3i/  Cod.  ßety.  —  2  ^  Cod.  |3.  —  3  JJ  ä/  Cod.  o'.  — 
4  Cod.  a.  JLfisaV  Cod.  ^  et  y.  —  5  JJ  ^/  Cod.  y.  — 

V.  1  \^z^  Cod.  |3,  ubi  etiam  additur  statim  ^o^VA^  ^a^iritos  suos.  -»- 


188 

iv  ayveta  (xivtiv  ilg  Jif^rjv  *  rijg  ougxdg  jov  xvgiov ,  Iv  äxav/t}- 
aia  (.uvtxci).  *Euv  xavxriaf]Tai ,  anojXtro*  xal  iuv  yvcüad^fj  ^  nXrjv 
JOV  eniaxonov,  t(fd-uQTnu  llQtnti  ^  Si  ToTg  yaf.LovGi  xul  JuTg 
faf.iovf.uvaig  ^era  yvwfitjg  tov  Iniaxonov  ttJv  ivwatv  notHo&ai, 
'iva  0  ya/uog  fi  xara  ^  xvqiov  xul  {xri  xut"  inid^vfiiav.  TlavTa 
8  [df]  dg  Tt/^t^v  d^eov  yiviad^oj, 

VI,  Tw  imaxonü)  ngoae/tTf,  'Iva  xal  b  d^eog  *  Vjiitv,  lAvrl- 
tpv/ov  lyM  TMV  vnoTaaaof.itv(ov  zw  Iniaxonw ,  ngiaßvxtQOig,  6ta~ 
xovoig'  2 /U6t'  avTMV  /lioi  to  fA.iQog  yivono  '  [^';ff «i^]  "^  naga  ^  &€w. 
2vyxontuTa  dXXfjXotg,  owadliiTe,  avvTQe/jTS^  ovf.i7idaxtTe  ^  ^  avy- 
xotf-iäa^ey  ovviyeigto^e  wg  ^eov  oixovninot  ^  xal  nageSgot  xal 
^  vnr]getai.  ^  lAgioxeJt,  to  aigajtvtad^e,  u<f)^  ov  ^°  [xa<]  tw  ot//cu- 
vta  xo(xiatod^i»  Mriztg  vficHv  *  *  deolgjwg  evged^fj,  To  ßamiaf^a 
'  2  vf.iMv  *  ^  fiivhü)  ütg  onXuj  ^  ♦  ^  nloTig  wg  mgixiifa'kala,  tj  ayani] 
wg  öogv  f  7]  vnof.iov7]  Mg  navonXia.  **  Tä  ötnoairä  v^c5v 
^®  T«  * ''  [rlyad-o]  Vgya  Vjuwv,  "va  ^^  tu  uxxenTa  ^^  [t-f-icuv]  a^ia 
^°  d-iov  xof^iarjad^f.  **  Maxgo^vfifjoart  ^^  /u£T*  aXXi^Xwv  iv 
ngaoTTjTi,  ^^wg  b  ^edg  ^  *  ^t&*  v(xü)v,  ^  ^^OvuifATjv  v^imv  öiu'nav- 
Tog.  'O  XgiGTiavbg  tavjov  l^ovaiav  ovx  eyjt  aXX«  ^^&iw  o/oXa- 
^ei.  'Aa7tüi^of,tat  ^''tov  ^AXorra  Ixara'^iovo&ai  tov]  ilg  "^^lAvrto- 
Xtiav  nogeveod^ai  ^^  [uvil  i(.t0Vf  ^  °  xad-Ufg  Steia^aiArjv  aot}.  ^  ^tj  /dgig. 

4  cum  Syr.  Lat.  A  B  Ann.  Aütioch.   Anton.  . , .  A  rov  xvqiov  rrjg  aaQxos,  — 

5  cum  Syr.B  Arm.  . . .  A  nleov.  —  6  cum  Syr.  Cod.yff. ;/  A  B  . . .  Syr.  Cod.  «  enim.  — 
7   cum  Syr.  Arm.  Lat.  A  B  Antioch.   . . .  A  xaTo.  &edv,  —     8  cum  Syr. 

VI.  1  Syr.  spectet  in  vos,  —  2  cum  Syr.  Arm.  B  Antioch.  Damasc.  ... 
A  praemitt.  xai.  —  3  cum  B  ..  .  A  axeiv  ...  Syr.  Arm.  om.  —  4  cum  Syr.  B 
Arm.  ...  A  iv.  —  5  cum  Syr.  Aira.  B  (Codd.  0  V)  ...  reliqui  Mss.  ap.  B 
et  Met.  d'eov.  —  6  Syr.  Cod.  ß  om.  exstat  in  Codd.  a.  y,  —  7  Syr. 
filii  domus  eius  Arm.  et  domestici.  —  8  Syr.  Arm.  ministri  eius.  —  9  cum 
AB...  Syr.  Arm.  placete  ei  et  servite  ei.  —  10  cum  AB...  Syr.  Arm. 
om.  xal.  —  11  cum  A  Arm.  . .  .  B  Cod.  August.  SeasQxcoQsvd'fi  (Cod.  Nydpr. 
SiaaaXevS-fj ',  Dressel  in  editione  nuUam  lectionis  varietatem  notavit).  Syr.  dub. 
(desciscat)!  —  12  Syr.  Cod.  «  vobis  ß.  y  apud  vos.  (Arm.  in  vobis).  Num 
legendum  Ttaq^  vfiXvt  —  13  cum  A  ß  Arm.  ...  Syr.  erit(sit);  ex  scribendi 
errore  pro  manebit.  —  14  ^  nians  —  rj  dy.  —  17  vnofi.  apud  Syr.  Arm. 
Polysyndeton:  et -et -et.  —  15  Syr.  Arm.  thesauri.  —  16  Syr.  add.  sint. 
—  17  cum  Syr.  —  18  Syr.  donum.  —  19  Syr.  Arm.  om.  —  20  cum 
Syr.  B  Arm.  ...  A  om.  —  21  cum  A  .  ..  B  fiaxgo&vfieTre.  —  22  cum  Syr. 
Arm.  Damasc.  ...AB  add.  ovv.  —  23  cum  A  Syr  Arm.  ...  B  xai.  — 
24  cum  Syr.  Arm.  B  . . .  A  vfiedv.  —  25  Syr.  Arm.  gaudeo  in  vobis.  — 
26  Syr.  Deo  paratus  est  ut  se  subiiciat.  Arm.  Deo  paratus  est.  Syr.  Iragm. 
ap.  Cur.  constanter  Deo  paratus  est.  —  27  Syr.  qui  coosentiens  est  (om. 
xata^iovad-ai)  similiter  Arm.  qui  paratus  est.  —  28  cum  Syr.  ...  A  B 
Arm.  JSvqiav.  —    29  cum  Syr.  —    30  cum  Syr.  —    31  cum  Syr.  Cod.  a. 


189 

J;o^JJ   ^j    )o^^    -J^p  J^°  N?^  ^^°^  ^°°^?  •'^^JPo 

♦  JooM  Joj^j 
Jj/  ,  s^rri  ia«j  Joi^  xä/j  }2)oocy>0)|^  ^  ^V-**  v^i^ooj  VI. 

O^V»?^  Jj^Il  )Qi.  QJU*  Jl*^  )0i.  Q^^O)  Jj^l  )Qi.  JjCV^  OpX 
0)^-0    wJlSo     .-Joi^J    JJ^S*    .-JiV    ^(^    Jl^Il    )Q^    QiDCLD    .  Jj^Il    )Qi. 

♦  luj  ^/  >^^\'  Joojl  >9^^^io.so-\>o  »ipaj  >^.njL>o  .ju(^  JJ 
^/    jLoj;r^oCY>Y>o    .|op    ^/   Jbcu.o   JIiqjlQd   ^/   JIcu>q-0)0 

joi!^5  ^/  JIomwü^  Jjv**  Id^  >^2L*0^  ^♦^^  J°^^  '^J)?  ^<^ 
Jj^Qjt  ojl  NX  ju^Vril  .^j^i::^'    >giD^  Jj/  jo^  Jj/  .>^ldSw 

2  Cod.  a.  jiScuQ0Q*2><'  Cod.  |5  |g>or>CT>o>/  Cod.  y.  —  3  cum  Cod.  ß  et  y.  Vsv 
Cod.  a.  —  4  Cod.  a  |2>or>CY>.o>/?  Cod.  ß  |anQQ2>/j  Cod.  y.  —  5  p»»  ^ 
Cod.  y.  — 

VI.  1  Cod.  (X.  Ji2>QQQcu2>i=i  Cod.  ß  i2ißQQa|3  Cod.  y.  —  2  Cod.  a.  JlSQuQQOÄJJ 
Cod.  ß  laofloaJJ  Cod.  y.  —  3  )jj^  )Qic  oCiJOj  om.  Cod.  ß.  —  4  IjLqjlqqS)/ 
Cod.  |3.  —  5  Cod.  a.  >^i.c^  Cod.  |3  et  y.  —  6  o^QO  Cod.  y.  —  7  ^j  \a;i 
Cod.  ß,  —  8  Peteimann  |*3*^JJ  Antioclüam  o  margine  in  textum  venisse 
et  logendum  putat  ^iocdi^  in  Syriam.  Vix  crediderim.  —  9  \t«ß3J  Cod.  y. 
—  10  Cod.  a.  ^>cÄJt  Cod.  ß  JÄ^Äjö  A^X^  Cod.  y.  — 


190 


nP02  EOE^IOTS. 


*IyvaTioQ  [o  xul  d^toqjOQoq]  Trj  tvloyrifxlvri  Iv  f^eyt&ei  diov 
nu.TQog  ^  xai  ^  ntnXfjQW/^ivj] ,  ttJ  nQOWQiOfievrj  tiqo  alwvwv  elrai 
diu  navTog  dg  öo^av  nuQUfiOvov ,  ^argtriTov,  "^  riv(x)y.lvriv  xai 
ixXeXeyfxevTjv  ^  y.uTu  ngo^taiv  uXTj&tvrjV  y  iv  &ekr}(.iuTL  lov  nuiQog 
^  ^ItjGOv  Xqiotov  toi  d^iov  ^(.iwv,  rfj  ixxXi]aia  Tfj  uiio/naxaglaTO)  rfj 
OVO]]  tv  ^Eq)tO(p  nXtiOTa  Iv  ^Ir]aov  Xqiotw  «y  u/nuf^M  ^  x.aQä  /aiQttv, 

J.  Vlnoöt'idfxevog  iv  ^ecZ  rb  noXtayaniiTOv  *  vf^oJv  ovofia, 
0  y.ixT7]G&e  ~  q)vaei  drxuia  ^  [xui]  xuTa  nioriv  xal  uyunrjV  *^Trj- 
oov  Xqiotov  tov  acoTtJQog  tj^wv,  ^  [on]  /nt/^riTul  ovitg  &iov,  äva- 
^(jüTivQrjoavug  iv  uI/autl  ^  d^iov  zb  ovyytviy.bv  Igyov  ''  tif^auv  ^  anov- 
duiwg  dn7]QTioaTt'  uxovauvTeg  ^  yu^  ^^(.le  dtöi^ivov  ^^dnb  2v- 
Qiag  vneQ  tov  xoivov  ovofiarog  xal  l^niöog,  iXni(^ovTu  ^^raig 
ngootv/aig  vfiwv  * '  [innvyjtv]  iv  '^Pwf.irj  ^riQiofxayriöat,  'Iva  *  *  diu 
TOV  initv/^Hv  dvvfjd^cd  (j.ad^i]TTig  tlvat  ^  ^  d^iov ,  ^^löttv  ianovdu" 
ouTt  •  ind  ovv  rrjv  noXvnXrjd^lav  v(.im'  iv  uvo^uTi  &tov  *  ^  unti- 
Xri(fa  iv  'OvrjaifiM  tco  iv  uyunr]  ddiriyrjTCp  ^^ijiwv  imaxonM ,  ov 
ev)^Ofiat  xaTu  ^  ^  ^Irioovv  Xqiotov  vfxuig  dyanuv  xul  ndvTug  v/nug 
^°fv  biJ.oiWfiaTt  avTOv  dvai'  ivXoyrjTog  yuQ  b  xuQiodfÄivog  vfiiv 
d'^loig  ovai  toiovtov  ^^  inioxonov  —  dW  ind  t]  dydnt]  ovx  iä  (A.t 
GiMTiuv  neQi  vf^iüiv,  diu  tovto  nQoiXußov  nuQUKaXuv  vuäg,   ^  ^  bncog 

GVVTQfX^^^    '^fl    yVWf.iri    TOV    d^EOV. 

Inscr.  1  cum  Syr.  Lat.  A  Mss.  B  ...  oiii.  aal  Arm,  A  et  al.  Mss.  ß. 
—  2  cum  Syr.  et  repleta  Lat.  B  repletae  ...AB  Ann.  nlrjQcifiatt.  —  3  cum 
Arm,  AB  ...  Syr.  xai  äx^enTov.  —  4  Syr.  Arm.  perfecta.  —  5  cum 
Syr.  in  proposito  veritatis  ...AB  Arm.  iv  ndd'et  dlr]d-tv(^.  —  GAB  add. 
xai.  —     7  cum  Syr.  B   ...  A  ;ta(><T«. 

I.  1  cum  Syr.  B  ...  Arm.  A  oov.  —  2  Syr.  in  natura  in  voluntate 
proba  et  iusta  (in  voluntate  proba,  ex  margine  in  textura  irrepsisse  videtur).  — 
3  cum  Syr.  Cod.  ß  ß  (Mscr.  Bodlei.)  . . .  Cod.  /AB  om.  otai.  —  4  cum  Syr. . . .  iv 
'/.  Xq.  A  iv  X^.  7.  Lat.  AB.—  5  cum  Lat.  A  (Syr.?)  . . .  om.  xai  A  ß.  — 
6  cum  Syr.  A  .. .  Lat.  A  Xqiotov  rov  d'eov  . . .  B  Xqiotov.  —  7  cum  Syr.  et 
Arm.  . . .  om.  Aß.  —  8  cum  Syr.  in  festinatione  Arm.  cum  amore  ...AB 
rsXeicog.  —  9  cum  A  B  Syr.  Cod./  ...  Cod.  ß  Arm.  om.  yaQ.  —  10  cum 
B  ...  A  om.  Syr.  dub.  —  11  cum  AB.,.  Arm.  in  Syria  ...  Syr.  ab  ope- 
ribus  (ex  calarai  lapsu).  —  12  cum  Syr.  Arm.  Lat.  ß  ...  A  B  ttj  ttqoo- 
^^Xfj'  —  13  cum  AB...  Syr.  Arm.  om.  ijuTvx^tv.  —  14  cum  Syr.  ... 
Lat.  A  (Cod.  Caj.)  om.  Sid  rov  A  Lat.  A  (Cod.  Mont.)  Sia  tov  inir, 
fiaQTVQiov.  B  8iä  rov  fiaQT.  om.  inir.  ...  apud  Arm.  locus  corruptus  est.  — 
15  cum  Syr.  ...  Lat.  A  (Cod.  Caj.)  om.  iteov  ..AB  rov  vnsQ  fjfiwv 
eavTov  dveveyxovros  ■d'stp  nQOOfOQav  xal  d'vaiav.  —  16  cum  Syr.  Lat.  A 
...  Arm.  similiter  ...AB  om.  —  17  cum  A  B  Arm.  ...  Syr.  accepimus.  — 
18  A  add.  8e  iv  oaQxi.  —  19  Syr.  add.  rov  xvqiov  tj/uojv,  —  20  cum 
Syr.  B  ...  A  (Arm.?)  avr^  iv  o/uoiottjti.  —  21  cum  Syr.  ...  A  add. 
tcbXTjiod'ai,  B  x6XTr,ad-ai  iv  Xqiotc^.  —  22  cum  A  B  ..  .  Syr.  ut  stu- 
deatis  (oncos  OTtovSdotjrel)  Arm.  ^simifiter. 


191 


♦  I^Q^  l-»QA.J  ^Öj^  »vpj^  j^^..>.X>  N\CLJL^1  wO)CO/j  OM-^3p 
1^020    JJl    Jlo^-M^JZä    ^-.-..-.JLiD    >\CUl-wZ>    ^CLQCl2>|o    C^J^/j    w.6^ 

:  ci-j^A*   s^^cioi  OCH    >$;)^v>ft.  Jo)!S^|zi  ^^  ^Cioj  ^^>^  I. 

.>^^.^>QJt    ^s^     N^iaUx./    J*6i.O     Joi^J     |>Dp    >^^j/     ^*--lV0^ 

.  Jeu?  J;:^cx>o  Jxül  w^/  \>x  )j'p.qqd  "^  ^  Jj/  v^qd/j  ^^\>o,«.  ^  ^ 
Jjo)  ♦aZji  ,J>ooo);3  JlaJl  ^  ^/l/?  >5iDlQ!Sc-p  \i/  *o  cy>  >oo 
>$J^v^s2ul/ ■'     Joj^?  J»^^I    joo)/j  JüL-  j^I/  öjb.  Jj/  joJ^sJüDJ 

.♦JoJ^wJ  OJ.2QJO  ^iJ3  >^loJ*^^\j  ^J  \s^  »wJJOl^lo  s^Ul^ 
:\^]^  JÜJ  to^O  >^o\»1  12>QJQQCU2>/  ^   ^0)ON*/l  OOJ  ^pQÄXDjt^ 

>5oo)l  >$>n\>o  ^  %»^OMCCL-b  v^  J^AJt»  N^Qju:^  W  JJ)»?  oo) 
j2>ciQQa3/  ^  Jjo)  ^/?  >5dS.  ^o)-»?  o6j  Vs^v  ^^  Y*^^^  *  oilci>Dp 

♦  ^oiY>  jdoNjl/j  w^  wQZ^  jj  JzjQa*?  ^"^^  Jj/  .  ^$^J/  x^^  T^ 


1  |-m2>/  JLcb.j  ^IVIJ  )tv^  Cod.  y.  —  2  ^DO^^'i.  oo^j  500.^0^  Cod.  y. 
—  3  Peterm.  legendura  esse  censet  jjuo  sed  et  Cod.  y  legit  JbuJO. 

I.  1  om.  Cod.  y.  —  2  >^j^A.Iio  Cod.  y.  —  3  Cod.  y  addit  ;*^.  — 
4  jJ'titOQD  Cod.  y.  Sed  legcndum  est  cum  Peterm.  et  Curet.  (ed.  1) 
Mqcd.  —  5  legendum  videtur  «JJO^.JLj  >^W  y^ls^SH^U  (cf.  Arm.).  — 
C  Ji2uacQ2>/  Cod.  y.  —  7  >92iswCOO  Cod.  y.  —  8  IscuaQoa/  Cod.  y.  — 


192 

II.  "Otav  yag  /n^öf/Liia  *  ini&vinia  2  IvdQiaTün  h  vf-uv  r]  Sv- 
fUfievt]  l/iiäg  ßaoaviaat,  uga  y.aja  &tdv  ^tJtc.  ^  IltQixprifxa  Ifiwv 
iyw,  xal  ayvi%Ofiat  vneQ  v^wv  ''Eqeatwv  «xxXjjamg  Trjg  diaßorj- 
fov  *  TOig  aiiOGiv,  ^  Ol  oagxixol  tu  nvevfiaTixu  jiQuaauv  ov  dv- 
vavtai  ovöi  01  nvevf.iaTtxoi  tu  oagxixu  y  üantQ  ovöi  tj  niatiq  %a 
jfjg  untaTiag,  ovde  t]  uniaTia  tu  j^g  niaTecog.  *yl  ^  de  xat  xara 
ougy.a  nguaüiTe,  Tavra  nvevfiuTixu  ioTiv ,  Iv  ^Ij]O0v  yuQ  Xqiotm 
nuvTU  nQuaaaTij  rjTOtfxaof^ivoi  iig  oixodo/^ifjv  d^eov  naTQog,  uva- 
q)iQ6(.iivoi  iig  tu  vipt]  diu  r^g  f^i]X^^^i?  *Ti]oov  Xqiotov  ,   og  eoiiv 

GTUVQOg  ,     O^OlvicO    XQüJ(.ltVOl     TW     TlViVf^UTl     TU)    UyiM  '     7]    öi    ntOTtg 

vf^wv    uvaycoytvg  vfA.Cüi',    tj    di    "^  ayuni^  oöog   rj    ^  uvttq)tQovaa  dg 

III.  ^^Ynig  ^  tcuvtcüv  ^  [de]  tüjv  uv&gconwv  '^  ngoaevxio&e' 
töTiv  yuQ  ^  uvTotg  iXnlg  (.itTuvoiug,  'ivu  deov  tv/cooiv,  ^^EtiitqI- 
ifjuTe  avToTg  ^  ex  tcuv  egywv  ^  v^iwv  fj.u&riTfv&jjvai '  ngog  Tug 
vgyug  uvtüjv  vf^ittg  TunetvoqQOveg  yiveo&a^  xul  ngaeig ,  ngog  Tug 
ßXaaqjtjfiiug  uvtwv  vfitig  ^  °  uvTiTu^are  ngooev/ag  y  ngog  t/Jv  7iXuv7]v 
UVTÜJV  vfieTg  *  *  edgutoi  Tfj  nioTet ,  ngog  t6  uygiov  uvt&v  vfietg 
■ijfiegot  ^^[yivtad^e  xul  tjav/joijj  f^rj  onovdui^ovTeg  ^^uvTiy.ifxrioaad^UL 
avTOvg  ^*T/y  de  enitixelu  f.iifi7]Tut  tov  xvgiov  anovda.^wi.iev  elvai' 
1  s  —  jig  jiXeov  udixi]d-fji  Tig  unooTegi^&fj,  Tig  u&eT7]&i'] ;  —  *  ^  ov/ 
oTi  ennyyeXia  To  egyoVf  ^''  uXV  Iv  dvvufiet  niaTiwg  luv  Tig  evged^fj 
eig  Telog.  ^!AfA.HVüv  iariv  aiwnuv  xut  elvai  ^^y  rj  XuXovvTa  fx^  elvui, 
tV«  di^  ü)V  ).uXtL  nguoarj  xai  di*   o)v  oiyä  yiv(vaxT]Tat, 


II.  1  cum  Syr.  Arm.  B  ...  A  e^tg,  —  2  cum  A  ...  Syr.  plantata  est. 
Lat.  A  complexa  est.  B  vnaqx^i.  —  3  cum  A  ...  Syr.  Arm.  gaudeo  in 
vobis  et  supplico  pro  vobis.  —  4  Syr.  praemitt.  näoi.  —  5  Syr.  Lat.  A 
Antioch.  add.  enim.  —  6  Syr.  enim.  —  7  Syr.  Arm.  amor  vester.  —  8  Syr. 
Arm.  add.  in  altum. 

III.  1   A  B  Arm.  xal  vneQ.  —     2  cum  Syr.  ...Aß  Arm.  rc5v  aXXcov. 

—  3  Syr.  Arm.  om.  de.  —  4  A  B  add.  aSmleinrcos.  —  5  cum  Syr.  B 
...  A  Lat.  ß  add.  iv,  —  6  Syr.  legisse  vid.  fiäXXov  de  ix  rcov  'dqyutv  vfiwv 
fia&Tjxevd'woi.  —  7  A  xäv  ix  r.  i.  —  8  cum  Syr.  ...AB  vfiTr.  — 
9  cum  ß  Syr,  Arm.  om.  A.  —  10  Syr.  vos  fuistis  orantes.  Videtur  legisse 
cum  B  avTird^ars  uQOoevxas ,   sed  imperativum  cum  verbo  finito  permutavit. 

—  11  fortasse  Syr.  cum  ß  legit  bSquIoi  orr/xers  tjj  itioxei.  —  12  cum 
Syr.  sitis  pacifici  et  tranquilli  ...  A  Arm.  om.  —  13  Syr.  ne  miremini  eos. 
Sed  lege  ne  imitemini  eos  (Cur.  ed.  1.  Peterraann).  —  14  Syr.  pauIo  inverso 
ordine:  simus  autera  imitatores  domini  nostri  in  mansuetudine.  Sed  ordo  in 
textum  receptus  ab  Arm.  A  ß  commendatur.  —  15  Syr.  add.  xai.  —  16  cum 
Syr.  non  quod  promissio  est  factum.  A  ov  ya.Q  vvv  inayysXiai  i6  sQyov.  — 
17  Syr  sed  (nisi)  quod  in  vi  fidei  invenietur  horao  usque  ad  fiuem.  Sed  le- 
gisse vid.  ut  A.  —     18  Syr.  legisse  vid.  elvai  ti. 


I 


193 

.  ^«>*^«Y>  JJ  >^*AQCü?   JNu**oV   . )j'<K^  >50p W?  V-s^v  ^/   . Jn^\ 
^V^Qjj^   ^/   Jlov>n.O)   JJ  ^/j   Jjn-/   .J^^V,^    Jbu*oV   JUl2>/ 

>^W    >A^)^o    .Jii/   JoJ^j    luiSv    ^W   ^:^-^o    ♦  ^$l;^>CY> 
^♦^fc^o "   ,  JL:^^ .  ^ojoWj  ).^^iL>o  >\CLJu^i  JjLoJba^  )j»o;\ 

Jlocub  Jvi^QD  v-^  >$ojS.  CO)  W  .  Iaxjc)  >5oJSd\^  ck,  III. 
joop   *>$CH^  >$ W^^  '  i^o   ♦  ^cH2>o  ^xuR^  oooj  ^0)!.a«*t^*t^  ^ 

U.  1  cum  Cod.  y.  J^x^sOV  Cod.  |3.  —  2  Peterm.  corrigit  jajÄXis. .  —  3  1.  JÜL . 
—  4  ^•♦OQJJ  Cod.  y.  —  5  Peterm.  supplet  ^Z.  —  6  p,y>\)  Cod.  y.  — 
7  Cod.  y  addit  >^W.  —  8  >^:iL\«^o  Cod.  y.  —  * 

111.  1  1.  v^ojJLo*^*,^) .  —  2  1.  >^jU  JJ  iie  imitemini  eos.  Curet.  (ed.  1) 
Peterm.  —  3  Cod.  y  addit  %*oj.  — 


Abhandl.  d.  DM6.  I,  5.  13 


194 

IV.  ^  neQirpJ]fia  t6  ifÄOP  nvii/ia  tov  axavQov^  o  lau  axuv- 
Salov  ToTg  "^  äniaiovoiv ,  ^  rßiiv  de  awTt]Qiu  xul  ^wtj  aiwvioq, 
'Elad-tv  TOV  agxovra  tov  ahovog  tovtov  tj  naQ&tviu  Maglug  xal 
b  TOXiTog  *  tov  ycvQiov  ^  xal  TQia  (xvoTtiQia  xgavyrig^  axiva  Iv 
6  r^av/Ja  &aov  InQaxO^J]  ''  «^o  tov  uoTegog,  ^^'Ev&av  « (pavtqov- 
(.itvov  vlov  *  °  iXveTO  fiuyela ,  xal  nag  dto(.i6g  *  *  riq)aviC,ixo  ^  ^  y.ai 
na'kaia  ßaaileia  [xadrjQtTro]  xal  ayvoia  xaxiag  Sieg)d^eiQaT0.  ^'Evd^av 
TU  nävTa  ovvexivtiTO  ^  ^  diu  t6  /.lekeTaad^ut  d^avuTOv  xuTuXvotv  • 
ägxTjv  Ö£  iXu(.ißuve  to  tzuqu  &eM  anr^QTioi-uvov. 


nPOS  PSIMAIOTI. 

*IyvuTiog  [b  xal  &£oq)6Qog]  ttj  ri'ktru.dvri   iv   f.ieyaX(i6Tr]Ti  na- 
TQog  vxpiöTOV  exxXt]oiu,   iJTig    ^  nQOxad^riTat  Iv  totim  /cogiov  ^Pco- 
(xatojv  uE,i6d'aogf   ^  a^ionganrig,  a^iofiaxuQioTog,  a^ianatvog,   ^  ä'^io- 
fxvr}(A.6viVTog  j   *  u'iientTevxTog  xal  ngoxa&rjf^ivt]   ^  iv    ayunj] ,    \xa)]  ^ 
®  XQiGTovofxog  ''  a/.iü)fj.og  nleiaTU  /aigeiv.  «j^ 

I,  ^  ^Enev'^äfuvog  d^tM  ^  iniTV/ßv  idtiv  v/nüiv  tu  a^iöd^ta  ngoa- 
wna  '  [0^5  xal  ndXat  fiT0Vf.u]v  XaßtTv],  *  vvv  ^  öaöefiavog  iv  Xqigtm 
^ItjaoZ  iXnil^o)  vfiug  uandaaadat,  idvnaQ  ^&aXrii.ia  rj  tov  u'itcod-TJvai  fis 
ilg  TiXog  '' ,  "^H  (xav  yuq  uq/^ri  avoixovofitjTog  ioTiv,  idvnaQ  ^  ilg  nagag 

IV.     l  Syr.  adorat  s.  incurvat  se.    Item  Arm.    et   fragra.   Syr.   ap.  Cur. 

—  2  Syr.  anei&ovaivt  sed  Arm.  et  fragm.  Syr.  apud  Curet.  ut  A.  — 
3  Syr.  Arm.  vfjXv  . . .  fragm.  Syr.  ut  A.  —  4  A  ß  Arm.  et  duo  fragmenta 
Syr.  ap.  Cur.  6  roxerös  avt^g ,  ojiioicog  xal  6  d'dvaxos  tov  xvqIov  Cod.  y 
add.  xal  6  d'dvaxos  avrov.  —  SAB  Arm.  om.  xai.  —  6  Syr.  Arm.  ex 
scribendi  errore :  in  lenitate  pro  in  tranquillitate.  —  7  cum  Syr.  ...AB 
Arm.  om.  Sed  änö  rov  dareQog  cum  sequentibus  videtur  coniungendum  esse. 
Legere  placet:  "Evd'ev^  dno  rov   doxeQOs  vlov  faveqcod'ivTOs,    bXvexo  xxl. 

—  8  cum  Syr.  ß  . . .  A  od'EV.  —  9  cum  Syr.  . . .  A  d'tov  dvd'QcoTtivws 
g)avEQOVfiivov.  —  10  Syr.  coepit  cessare.  —  11  Syr.  destrui  (evanescere).  — 
12  Syr.  om.  xad'rjgslxo  . ..  A  xaxias  dyvota  xadrjQsTxo  xai  naX.  ßaa.  diecpd'. 
quod  fortasse  praeferendum  est.  —  13  cum  AB...  Syr.  et  solutio  mortis 
meditata  fuit. 

Ins  er.  1  Lat.  A  B  add.  xai  ...  om.  B  Syr.  1.  2.  —  2  cum  Aß... 
Syr.  1  digna  vita.  ~  3  cum  Syr.  1  digna  recordatione  ...AB  Arm.  1.2  Syr.  2 
om.  —  4  A  B  Arm.  1.  2  Syr.  2  add.  d^ioayvos,  quod  fortasse  pro  d^iofivrj- 
fiovevxos  legendum  est.  —  5  cum  Syr.  1  Lat.  A  ...  AB  Arm.  1.  2  Syr.  2 
xTjs  dyaTtTjs.  —  6  cum  Syr.  1  perfecta  in  lege  Christi  Lat.  A  Arm.  1.  2  Syr.  2 
Christi  habens  legem  A  x^^oxcow^ios.  —  7  cum  Syr.  1  ...  AB  Arm.  1.  2  Syr.  2 
Ttax^covvfios- 

I.  1  cum  Syr.  1  Lat.  A  Lat.  ß  Simeon  Metaphr.  Syr.  2  . . .  A  B  Arm.  1.  2 
in  ei  Ev^dfiEvog.  —  2  cum  Syr.  1  reliqui  inexvxov.  —  3  cfr.  nota  ad  textum 
Syr.  —  4  cum  Syr.  1.  Arm.  1  . . .  A  B  om.  —  5  Lat.  A  B  Arm.  2  add.  ydg. 
--  6  cum  Syr.  1.  2.  Lat.  AB  ...  A  Arm.  1  add.  xov  ^eov.  —  7  A  B  add. 
Blvai,  —  8  cum  Syr.  1.  Arm.  1.  ...  AB  x'^Qt'^og.  Syr.  2.  Arm.  2.  ek 
niqas  x^Q^T^os.     ß  eis  niqag  post  xk^^ov  fcov.  — 


I 


195 
•:•  )c3i^jüo  JojS^Jbi  )o^>oV  j-^ojt  Joojo  .  joo)  \>ju*^ä  Jloioi  o^vio 

>^6)    . >^-2u2)o,v^  )l^/?  jofc^/j  Jo^jy  fc^;  )a**-0  ^  I. 

IV.  1  )JÄ.QßJL  Cod.  y.  —  2  Cod.  y  addit  o^JLoiOO.  —  3  1.  |^>  -»^  in  tran- 
quillitate  Peterm.  —  4  Peterm.  1.  |nv>0  sive  JnY> ,  —  5  O^Ju\vj  Cod.  y.  — 
6   Qi-Ji./  Cod.  y.  —  7  pjid^  Cod.  y.  --  8   ^rjJLj  jlvw*  J^X^•.  Cod.  y.  — 

1  Cod.  y  Ä.IJ  )^W'  ceteris  omissis.  — 2  Cod.  y  ^po\3>^L.  — 3  Cod.  y 
)ji*»Z>.  —  4  Cureton  1.  jjA  (cc^ionQSTCT]^).  —  5  Peterm.  1.  )Z.q*o^o  (cc^iccy- 
vog).  —  G  Cod.  y  \»,\2i.  — 

I.  1  Cod.  y  Jb/  •,'>fV>Y» .  —  2  Peterm.  vocem  >(>.'?>Mo/i  ex  errore  huc  trans- 
latam  censet.  Fortasse  Syrus  paullo  supra  in  graeco  exemplari  legit 
ovg  %al  nccXuL  rjtovfirjv  XaßeCVy  x.  e.  >^i2b^o/i  Ä\)ä.  )Qu*i3  ;d  ^/j ,  quae  qui- 
dem  verba  ex  errore  partim  transposita,  partim  omissa  sunt.  Nimirum 
cum  infra  ^)«,/o  sequeretur,  calaraus  facillime  aberrare  potuit.  —  3  Cod.  y 
>j>nY>\t  ^\«yo.  —  4  Cod.  y  ^saxi'^U.  — 

13* 


196 

fnitvyto  Tov  xXtiQOV  (.lov  uve/^inodiarwg  unolaßtiv  ^  [tm  nadiiv], 
Ooßomui  y«(>  T^v  v[.iMV  uyanriv,  ^17  «^'^^  /^te  uöixr^arj.  'YfiTv 
1 "  ydo    evyjfjtg   Igtiv  ,    0    d^iXtra   noirjaat ,    i/^iol    de  diaxoXov  eart 

II.  Ov  yoLQ  iyio  nore  *  aXlov  T^w  xatQov  toiovrov  &eov  int- 
Tvyßv,  ovTi  vf^itg  luv  aiwnr^üriTi  y  "^  xQiixTOvi  i'gyto  l'xtTt  ^  Int- 
yQaq)r]vai.  **Edv  oiconrjaT^Te  an*  i^iov,  iyw  yer^aoinai  d^tov 
^Xoyog'  luv  de  eQuad^iJTS  fijg  auQxog  ^ov ,  ndhv  laofAUi^  ff^av- 
TOV  rjXM'  TTkIov  [xol  ''  /LiTj  nagua^i^r^a^e  rov  Gnovöio&tjvut  ^«w, 
(hg  Iri  ^VGiaoxriQiov  ixoiuov  Igtiv'  'Iva  iv  uyunj]  x^9^?  yiv6f.iivoi 
aor^Tf  ^  &e(p  naxgl  Iv  ^Jrjaov  Xqigtm^^  oti  [toj]  IniGxonov^^ 
xarrj'^icooev  ^  ^  ilrai  &tov ,  eig  dvoiv  uno  dvaroXijg  ^^  (neianmyjd- 
ftivog.  KaXov  tÖ  övvai  dno  xoGfiov  *^  ngog  d^tov,  'Iva  tig  avjbv 
dvatiiXü)   *  *  fv  ^(üfj.  'U 

III.  OvSenore  ißuGxuvare  ovdiva,  ciXXovg  tötöuiure.    Movov   " 
fioi  övvafxiv  aheiGd^e  öodijvat   ^  l'aw^ev  xai  Tico^tv,  'Iva  fitj  fiovov 
Xiyw,  dXXa  xal  &iXa)y   "^  xai  (.it]  fiovov  Xeywfxai  X^iGTiavog,  dXXä 
xal  ivQe&ü)»     *Eav  yuQ   ^  evQed^cd,  xal  XiytG^ai  övvaf.iui ,  xal  zore 
niGTog  *  iif.11,  oTuv  ^  x6g/.im  firj  (paivcofiat.    Ovöiv   ^  yäg  cf,aiv6(.uvov 

'  dya&ov.  Ol  ^  mtGjnovrjg  t6  i'gyov ,  uXXa  ^  (.leyi&ovg  touv  6 
^^  XQiGTiaviGfibg^   ^  ^  ojav  f.tiorJTat  vno  xoGfiov. 

IV.  ^Eyw  ygacpo)  ^  nuGatg  ratg  fxxXrjGiuig ,  xu}  iritXXofiai 
nuGiv,  ort  iyu)  excov  vnfQ  &iOv  dno^vr^Gxci) ,  luvntQ  vfitig  fit] 
*  xcoXvatjTS.     naQuxu7.ü)   vfxag  /.u]    ^  ttvota    äxutgog   yfvtjG^i  fioi, 

9  cum  Syr.  1.  —  10  Syr.  1.  vft'tv  Se.  —  11  cum  Syr.  1.  Arm.  1.  Lat.  A  B 
. . .  A  Lat.  B  Syr.  2.  Arm.  2.  Met.  om. 

II.  1  cum  Syr.  1.  Arm.  1.  Metaphr.  Cod.  0.  —  2  Syr.  1.  in  praestan- 
tiori  opere.  —  3  cum  A  B  Arm.  2.  . .  .  Svr.  1.  Arm.  1.  inveniemini.  —  4  cum 
Syr.  1.  Metaphr.  ...Aß  Syr.  2.  Arm.  1.  2.  add.  yaQ.  —  5  cum  Syr.  1.  2. 
Arm.  2.  Lat.  A  ...  AB  Met.  om.  Arm.  1.  pars  Dei.  —  6  cum  Syr.  1.  2. 
Arm.  1.  Lat.  A  factus  sum  vox  ...AB  Arm.  1.  xQBxan'.  —  7  Lat.  A  Met.  om. 
fiTj.  —    8  cum  Syr.  1.  Lat.  B.  —    9  Syr.  1.  Arm.  1.  add.  xc5  xvqico  [rjfiiov]. — 

10  Syr.  Cod.  y  AB  Arm.  1.  2.  add.  2!v^iag.  —  11  cum  Syr.  ...AB  evge- 
&^vai.  —  12  cum  AB  .  . .  Syr.  (cf.  Arm.  1.2)  vocavit  (xaXcov).  —  13  Syr.  ut 
Cod.  Nydpr.  legisse  videtnr  eis  ^eöv.  —    14  cum  Syr.  Arm.  1 .  Joh.  Mon. . . .  rel.  om. 

in.  1  cum  Syr.  Arm.  1.  Met.  Cod.  0  Thuan.  —  2  cum  Syr.  Arm.  1.  2. 
...  iva  AB.  —  3  A  praemitt.  xai  reliqui  om.  —  4  cum  Syr.  Arm.  1.  (eao- 
fiai'i')  ...  A  B  elvai.  —  5  Syr.  in  seculo.  —  6  cum  Syr.  Met.  Thuan. 
Lat.  ß  ...  om.  A  Arm.  1.  2.  et  rell.  Mss.  B.  —  7  cum  Syr.  Arm.  1.  2.  Lat. 
A  . . .  A  B  Met.  aicovtov.  —  8  cum  Syr.  Lat.  A  B  Arm.  2.  . . .  A  oiconijs 
fiovov.  —  9  Syr.  magnus.  —  10  cum  Syr.  Lat.  A  B  Arm.  1.  ...  A  Lat. 
B  XQ^ortavoi^   —     11  Syr.  Arm.   1.  cum  odit  eum  mundus. 

IV.  1  cum  Syr.  B  Arm.  1.  2.  ...  A  om.  ndaais.  —  2  Syr.  Arm.  1. 
add.  me.  —  3  cum  Aß...  Syr.  in  amore ,  qui  non  in  tempore  suo 
(jEvvoic^   OLHaiqfo),  — 


I 


197 

»w^  ^^QDQ^jL  jy 
jui2>/ '  .  joW  )o{s.ii?  lio,  ^/  Jiw/  |o)  -.^^  ^  n:^  IL 

.JÜLo  w^  Jj/  Jooj  »sol  >92wl   ^k^  x^?  J  Jooj/  )oi!^j  J&>Jo 
.^-.^  A  Joi^jy  -**i?^/?    ♦*)?<>)    ^   i^-Äj    )Ot»   w^   >^Ll   JJ 

JL**  jcu^  .  >$^.^5^  )JV**JJ  .  .jüj^  >^^>oqn..»  )oofcOQ>D  jJ  III. 

.A^D^jt/  ^/    11/    %iQ^  Jj/   JväJn^  Joo)/  JL^.cd*^oj  Jüo  »Iz),/ 

00)1  j^N»? '  ;-s^^    fc^  .  )j|**fc^  JJ  )>o\^i  j>D  |i>Q-.oji>o  Jj/  Jo6| 
Jjcbj   )»  JIqi*^.qd^d  ^o)  Jzäi   JJ/    »J*:^  ooj   joa^j   d^   .V^ajt 

ssA-A-A   JLi.jQ.AO  ^    :Jl4-l   ^ojlXüS.   Jj/  ^)^o  Jj/  IV. 

.w^AJO\0l     JJ     >$W?     OOp/     .-JoJlI^     ^ja^    Jj/     IJJO     Jli,  ^     4J3J 

.OM^)^    JJ?    )-::^o-^3    w»la\    >$oo)l    JJ    >^_aju>o   j_j/    \j^ 

5  Cod.  y  ^.jb.QJk.a^.  —  6  Cod.    y  ^aj.  —  7  sie  legendum.     Apud  Curet. 
ex  typographi  ut  vid.  errore  exstat  ;trii\YK  ♦  —  8  Cod.  y  om.  — 

II.  1  cum  Cod.  y.  om.  Cod.  ß.  —  2  Cod.  y  jJ  ä/.  —  3  Cod.  y 
jlSQQQQajJj,  et  add.  cum  A.  B.  Arm.  )L»QflDj ,  SvqCcc^.  —  4  Cod.  y  et  Jo- 
hannes Mon.  add.  *A .  — 

III.  1  Cod.  y  JJj.  —  2  cum  Cod.  y  )vx>JL/  Cod.  |?.  —  3  Cod.  y  add 
Pj2D.  —  4  Cod.  y  Jj<'  |)a*ÄJD. 

IV.  1  Cod.  y  et  fragm.  p.  201.  296  )j/  Ni.jQ»o.  —  2  Cod.  y  et  fragm. 
p.  201.  296  V  bj .  — 


198 

jig)tTi  (.u  ^riQiMV  *  uvat^  Si^  wv  Ivioriv  &iov  intiv/itv.  Iijog 
tlfu  &£OVy  y.ai  di^  oöovTWV  &r]Qiwv  ^  ukrj&oinat  y  'Iva  xa&UQog  ug- 
Tog  ^  d-fov  evQe&üJ.  MulXov  y.oXaxtvouTe  t«  &t]gia,  "va  f.ioi  raifog 
yivMvTai  yal  (A.ri$h  xaraUnwoi  tov  otüf-iarog  f40v ,  'Iva  ^  f,ii]öa 
xoif.t7]^eig  ^  ßagvg  rtvi  yivwf^iai.  Tore  laof^iat  f.ia&7]Trjg  ^ttAT^^aif 
^^^JriGOv  Xqiotqv i  oTi  ovöa  xo  owftd  (ädv  b  xooftog  oxjjtTui. 
ytiTavtvGave  rov  *  ^  xvQtov  vneg  ffiov,  'Iva  öiu  tmv  ogyavcov  rov- 
Twv  *  2  d^iM  ^  ^  d^vaia  dge&cü»  Ovx  Mg  Tlixgog  xal  HavXog  öia- 
Tuaao/nai  v(xlv  •  ixtTvoi  änoaJoXoi,  iyco  ^  *  Jf  xaTuxgiTog '  ^  ^  ixtivoi 
eXev&tgoi,  lycj  öe  {ne/gt  vvv  SovXog'  uXk*  iav  Tid&io,  untXtv- 
d^tgog  *  ^  yevi^aofiai  *lf]0ov  *  ^  XgtoTOVi  xai  dvaOTi^ao/iiat  ^  *  iv  avKu 
iXev'&egog,      ^^Kal  vvv  f-iav^dvo)  dtöi(A.ivog  /ntjdiv  Imd^vf.itiv'^^, 

V.  1^710  2vgiug  i-i^XQ'^  ^Pwf^tjg  ^  &r]gio/iiaxcü  diu  ^  &aXuaor]g 
xal  yijg,  vvxjog  xal  rjfAegag ,  ^  fvöidif.uvog  dexa  Xtondgdoig,  *o 
lau  argaricoTCüv  Tuyf.ia,  oV  xal  avegytrovfAtvoi  /eigovg  yivovrat. 
^Ev  de  ^  ToTg  äSixrifxaaiv  aviwv  f^iäXXov  f.iad^tjravo(j,at ,  uXX*  ov 
nagä  tovto  öiöixaicDi^ai.  *Oyai(.i^v  xmv  ^fjgicüv  jaiv  efiol  tjtoi- 
liiaaf,uvcji)Vy  ^  xal  tvxof^ai  '' ovvjof^d  f.iot  ivgid^T]vui*  a  xal  xoXaxevau) 
ovvTOf^cog  fA.i  xaracpaytTvy  ^  ov/  woneg  ^  uXXwv  Tivuiv  ötiXatv6f.ieva 
ovx  ^  °  TJyjavo,  Kav  avid  de  *  *  ixovTa  /.irj  ^eXriOtj ,  iyw  ngoa- 
ßtdaoiA,ai.  ^vyyrwfitjv  fiot  f^ere  *  ri  (äoi  ovfiqx'gn  *  *  iyco  yivwaxio  * 
vvv    agxo/j,ai    fia&rjr^g    tlvai,      Mtjdev    fxe    I^tjXwot]   xwv    ogaiojv 

4  A  add.  ßoQav ^  B  ßgafia.  —  5  cum  Syr.  Arm.  1.  2.  AB  Iren.  V,  18. 
Euseb.  III,  36  . . .  Lat.  A  Lat.  B  molar,  aXrid'ojfini.  —  6  cum  Syr.  B  ...  A 
Arm.  1.  2.    Met.  rov  Xqioxov   Eus.    om.    —     7  cum    Syr.  ...AB    firj.    — 

8  cum  A  B  Arm.  2.  . . .  Syr.  onus ,  ßd^og.  —  9  cum  Syr.  A  . . .  Lat.  A  B 
Met.  Arm.  1.  aXrjd'iqs.    —     10   cum  Syr.  Lat.  A  B  ...  A  Met.  om.  "irjoov.  — 

11  cum  Syr.  B  Arm.  1.  2.  ...  A  Xgiarov  Met.  Cod.  0  in  marg.  rcp  X^iortä. 

—  12  cum  Syr.  Arm.  1.  2.  Lat.  AB...  A  om.  —  13  Met.  Cod.  0  in  marg. 
add.  xa&agd.  —  14  cum  Syr.  B  Arm.  1.  2.  ...  A  om.  —  15  Syr.  Cod.  ß 
Lat.  B  add.  8e,  —  16  cum  Syr.  Arm.  1.  Lat.  A  B  Cod.  Paris.  1531  ...  A 
Met.  om.  —  17  cum  Syr.  Lat.  A  Arm.  1.  2.  B  Met.  ...  A  om.  —  18  Lat. 
A  Arm.  1.  om.  dv  avrc^.  —  Syr.  Arm.  1.  add.  e  domo  mortuorum.  —  19  cum 
Syr.  Lat.  A  Arm.  1.  ...  A  B  Met.  Arm.  2.  om.  xai.  —  20  cum  Syr.  Arm. 
1.  2.  Lat,  A  ...  AB  Met.  add.   xoofiixov  i^  fidjaiov. 

V.  1  Syr.  Arm.  1.  inter  bestias  coniectus  sum.  —  2  cum  Syr.  Arm.  1. 
Eus.  Syr.  ...AB  Arm.  2.  Eus.  Met.  yiji  xai  d'aXäoarii,  —  3  cum  Syr. 
Arm.  1.  B  Eus.  ...  A  SsSefievos.  —  4  cum  A  B  Met.  Eus.  . .  .  Syr.  Arm.  1.  2 
qui  sunt.  —  5  cum  A  B  Met.  . . .  Syr.  Arm.  2.  reo  dSixr;/uart.  —  6  cum 
Syr.  A  Met.  ..  .  B  Eus.  Arm.  1.  2.  a  xai  evx-  —  *7  cum  Syr.  B  Eus.  Arm. 
1.  2.  ...  A  Med.  Cod.  0  in  marg.  Sroifia.  —     8  cum  AB...  Syr.  et  non.  — 

9  cum  Syr.  Lat.  B  ...  A  B  Arm.  1.  2.  om.  —  10  cum  Syr.  Eus.  (hinc  apud 
Syr.  error  natus   quo   scripsit  Sedaivofisvos)  ...AB  Arm.  1.  2.  Met.  ij\f/avro. 

—  11  cum  Lat.  AB...  Syr.   Arm.    1.   rjxovra  ut  vid.  A  Met.  axovxa.  — 

12  cum  A  B  Syr.  fr.  ap.  Curet.  p.  201  Arm.  1.  2  ...  Syr.  om.  iyco  yivcoaxco 

—  fia&ijrrjs  elvai,  — 


199 


Joj^J    \h^    JojS.JJ   Jo)^/    ^CH-^i')3J    Jla^l    JoO)/j^     ^QJCTÜQJL 

.  joi^^  j^Äj   J>oA  ^.oNit/i  .  Jj/  ^^1^  jLcuili  jijoo  ^   .  ^h*/ 

JOO)    OO)    ^^O)    .Jü/^^    JVJOCL.    JoO)/    fcOnJtJ    J>D   JJl2>/v'    ♦  ^ »^^ 

^/  Joof  D  .  JojScJJ  JÄwZ)i  ,..*ofc<jt/  ^o)  Jj'l»  ^j  .  .--.^^  v^  ^ 
JJ/   .JjLoJ^  )^A  Jt^  x:?  ^^  *j'^*   *-^  K^^    "^^  j^--Ä  ^J^ 

)S-0    ^    CH^    )OQO/o     i*/    JOO)    )*>>Jl>P   >^QJUJ   JlV«Ä    W    Jtj^   ^ 

>$o^W?  '^i:^  JvQQ^  )^<J-^  W  V^Qd/  p  jiQ>a.|:io  j^  .Jmzuzjo 

JiX^o^  »sA  ^^.^1  JJLo-Jl^  Jj/  jo^  »sA  fcuojj)/  Jjo) 
^/  JJo  ..-jjiöjj  ^\^?  vH/  ^^^^°  '"t^  ^*o^a>d'^  ^^^^? 
^•ü  JJ  ^ö)  ^/  ,>$0)^  ^V^  JJo  Jjv^/  J-äjV  ^  ^ij 
^jiQ)j  ^  A  Qi.j  .^ov^   Jb/  ^)/  Jv-^dQ^  Jj/   .  Jl  covo)^s>dS. 

^I^^JÖJ     ^/     ^    )0*»    wO    ^^     JJ A  ^     wwJQ2>  *     Jj>D 

3  fragm.  p.  296  )oo)/.  —  4  fragm.  p.  296  Jx>Q2O0.  —  5  Cod.  y  JJ  ^/j.  — 
6  fragm.  p.  296  ^DOV^Jfi).  —  7  fragm.  p.  ^DoVoja.  —  8  fragm.  p.  296  om. 
—  9  Cod.  y  et  fragm.  p.  296  om    — 

V.  1  Cod.   y   M*ri.  —  2  Cod.    y  W  \^JßO.  —  3  Cod.  y   ,^jsjü.  — 

4  fragm.  p.  201  rO^  —  5  addendum  videtiir  cum  fragm.  p.  201  vSl«-,  jj/ 
.|««X^JL  Joo)/j  jj/  );»»  |ä.O)J  )j/  fy^^  yrvcü'axw  vvv  äqxoncct  (icc^r^Tris  etvai. 
Interpunctio  post  »A  delenda  est.  Lacunae  signiim  ipse  addidi.  — 


200 

xal  Twv  dogdrcJVj  'Iva  *Tr^aov  XQiaiov  Innvyw.  Ilvg  xal  aravQog, 
» ^d^figlwv  Tf  '  *  avaruaetg,  *  ^avyxonri  ^iUov,  »  ^öxoQnia^oq  oariwv, 
^^uXt]Ofiog  oXov  Tov  awftaTog,  ^  ^  xaxul  xoXuaeig  tov  diußoXov 
en     i/ni  f()//fT^waav,    ^  ^  f.i6vov  \'va  ^Irjoov   Xqiotov   Innv/^w, 

VI.  f  Oidiv  fioi  aKpiXrjait  tu  *  ulguTa  tov  xoa(ÄOv,  oi Si  al 
ßuaiUTui  2  joi5  alcüvog  tovtov,  '  KaXov  fioi  ano&avttv  *  tlg 
*Tr]üovv  Xqiaiov  //  ßaaiXevttv  *  nuvTwv  tcov  nfgaTwv  Tijg  ®  ytjg. 
'Exeivov  f^Tw,  TOV  ^  vneo  ^fxaiv  dno&uvovTa,  ixeivov  &(Xa)  tov 
*  [vneg  rjf.iwv]  uraoidvTa.  f  o  ^  [öi]  TOxtTog  f^oi  InixtiTui.  f  avy- 
yvtüTt  f^ioiy  udiX(poi,  furj  (finoöiaTjri  fxoi  ^ijofxi'  /^i^  &eX7Jaf]Ti  f.u 
uno&avuv  tov  ^^furj  &iXovTa  eivut  '*  iv  xoafiM  f,i^  ^  "^ /ugtorjaO^e 
^^avTcp,  ^  *  f.iT}d-^  vXji  nagal^rjXwGriTt.  ucftTE  (Ai  xa&agov  (fwg 
XaßiTv  ixet  nugayivo^tvog  ^  ^  uv&gconog  ioo/iiai  *^[TAf/og]. 
EniTQ^xfjaTt  fioi  fÄififjTViV  ilvat    * '  tov  nd&ovg  tov  &eov  (lov,  f 

VII.  1  '0  ff^iog  iQbjg  loxaxQioTai  xal  ovx  toxiv  iv  ff^ol  nvg 
^  q)iXovv  uXXo  Tl.  Ovx  ^öofiai  Tgocpfj  (fd-ogag  ovdi  Tjdovaig  tov 
^  alüjvog  tovtov    ugTov   &tov    *dlXü),    og  ioTtv  cog'^    ^  XgiaTov, 

13  Syr.  Arm.  1  bestiae  quae  paratae.  —  14  A  ß  Met.  add.  avajofiai  Siaige- 
oeig  Arm.  1.  Syr.  fragm.  Stai^sois  ...  Syr.  Lat.  A  Eus.  om.  —  15  cum 
Syr.,  reliqut  inverso  ordine  oxoQn.  oor.  avyx,  fiel,  ...  Syr.  Lat.  A  Arm.  1. 
2.  Syr.  fragm.  Lat.  ß  avynoTtr]  ...AB  Eus.  ovyxonai.  —  16  Syr.  a4d. 
©t  . . .  oxogTito/ios  cum  Syr.  Arm.  1.  2  Syr.  fragm.  Lat.  B  oxoQTtiOfioi  A  B  Met.  — 
17  aXrjofidi  cum  Syr.  Arm.  1.  2.   fragm.  Syr.  Lat.  B  ...   AB  Eus.  aXrjofiol, 

—  18  cum  Syr.  A  xai  xoXaois  B  Met.  ...  xal  xaxai  xoXäostt  Arm.  1. 
fragm.  Syr.  ...  Eus.  om.  utruraque.  —  19  Syr.  1.  fragm.  Syr.  Arm.  1.  xal 
fiövov ,  sed  Arm.  1.  om.   iva, 

VL     1  cum  Lat.  A  B  Arm.  2.  ...  A  Met.  Cod.  0    in  marg.  re^nva.    — 

2  Arm.  1.  et  fragm.  Syr.  om.  aicofos.  —  3  cum  Lat.  A  ß  Arm.  1.  fragm. 
Syr.  ...  A  Arm.  2.  fiaXXov,  —  4  cum  A  et  (ut  vid.)  Arm.  1.  fragm.  Syr. 
...  Met.  Lat.  ß  iv  ...  Lat.  A  ß  8id.  —  5  cum  Arm.  1.  et  fragm.  Syr.  ... 
reliqui  om.  nävxwv.  —  6  A  ß  Met.  add.  ri  yaQ  uKpeXelrai  dvd^Qconos, 
iav  öXov  xbv  xoofiov  xsqS^otj  ,  t^v  Si  xfjvxr;v  avxov  ^Tjuicod'TJ ;  ...  Lat.  A 
Arm.  1.  2.  fragm.  Syr.  om.  —  7  Arm.  1.  fragm.  Syr.  vtisq  ifiov! —  7  Arm  1. 
fragm.  Syr.  om.  —  9  ö  xoxtxöi  fioi  inixEixat  legitur  etiam  apud  Syr.,  sed  om. 
Se,  —  10  cum  Arm.  1.  fragm.  Syr.  ...AB  Arm.  2.  tov  rov  d'eov  d'iXovxa  el~ 
vai.  —  11  cum  Arm.  1.  fragm.  Syr.  ...Aß  Arm.  2.  om.  iv,  et  coniungunt 
xoa/utp  cum  sqq.  —  12  cum  A  B  Arm.  2.  ...  Lat.  A  x^oior]T8  ...  Arm.  1. 
fragm.  Syr.  honoretis  (^agio.  an  rifiriorjxe'i').  —     13  cum  Arm.  1.  fragm.  Syr. 

—  14  Arm.  1.  fragm.  Syr.  ne  ad  aemulationem  me  provocetis  in  iis  quae 
conspiciuntur  Lat.  A  neque  per  materiam  seducatis  Arm.  2.  et  ne  elementis 
quibusdam  seducimini  Timoth.  etiamnon  per  hylem  persuadeatis  ...AB  om.  — 
15  cum  Lat.  A  Arm.  1.  fragm.  Syr.  p.  296  Timoth.  ...  A  B  Met.  ävd'Qconoe 
'9'eov  fragm.  Syr.  p.  201  in  luce.  —  16  cum  fragm.  Syr.  p.  201.  296  Arm. 
2.    —     17  fragm.  Syr.  p.  296  passionum. 

Vn.  1  Syr.  praemitt.  xai.  —  2  cum  Syr.  Arm.  1  (qui  est  alius  amoris). 
Similiter  legit  glossema  apud  Arm.  2.  ...  Lat.  A  B  (ptXovv  ri  (sed  etiam 
lectionis  aXXo  reliquiae  apud  utrumque  reperiuntur)  . . .  A  Met.  ^tXovX.ov.   — 

3  cum  Syr.  Arm.  1.  et  Mss.  ap.  Lat.  ß  ...  A  B  Met.  ßiov.  —  4  A  B  Met. 
add.  ä^Tov  ov^dviov  uqxov  t^aiji  ...  Lat.  A  Syr.  Arm.  1.  2.  om.  —    5  cum 


I 
i 


201 

Jlox^o  |.^^A,o  )^Qj  Jofc^r^  )^.^.jlX)  n\qjlAj  .^p^^:o  JJjo 
.j;,^  ojtoj  Jä-Ljlo^  *j^^^?  J^jQ2>o  jaDjö)?  JÄcb2>'   .,^p*^j^ 

J^*^»    >\QJL^     ICU^O      .>9l|j     ^^      j*V^    ^/l     j.^^     Jo^l 

.w-^i.^  ^^^ÄJÖ  )^Q»j  j^^  VI. 

6  fragm.  p.  201  add.  »A.  —  7  fr.  p.  201  jbcßoao  )»u  ?  jVjaao  )s^Q20 
.JbojojJ  yiocl  diaLQSGig  xat  oiOQTnüiiog  ogtscov  xat  avy-noniq  iislcov.  —  8  fragm. 
p.  201  jkUQftX>  pro  )a*l«.o,  et  infra  JbÖMjiO  pro  \a^sä.l,  —  9  fragm.  p.  201 
jtc^f    quod  Cureton  in  textum    putat   recipiendum   esse.  — 

VI.  1  Lacunam  in  textu  Syriaco  ex  fragm.  p.  201  explendam  esse  statuo. 
Ante  l:^  legatur:  Iqä/j  »A  oo)  ^  .  o^lonNv)  iJs<'  )»\\i  -ojoviii.  w\  ^Uc52D  U 
pßj  6o^  . |j/  )ii  wÄ/  ^^  JU.J  oo^  . |\V?  o).*v=ii^  >^o^  ^^  1^/?  o<' ).>.tY> vi.CMu^ 
.Jj/  Ji^:  )^-i>  J^-Iä  ;d  ovdsv  [XOL  oacpslrjasL  vcc  TtSQCctcc  xov  -noGfiov,  ovds  cct 
ßciCiXeiai.  avtov.  ytcclov  (loi  dnod'avsiv  sCs  'irjGOvv  Xgiatov  rj  ßccailsv- 
SLV  Ttdvtcov  t(ov  nsQccTtov  t^s  yrjg.  i-aetvov  ^rjtc5  zbv  vtisq  (lov  nccd^ovta. 
i-KSLVOv  ^7^T(ö  tov  dvaaravta.  In  sqq.  fragm.  p.  201  leglt  jJLaCDj  jl'^^.o.f) 
.^2Cuo  et  dolores  mortis  surgentes ,  om.  -\i>..  —  2  lacunam  post  -Aa 
rursiis  ex  fragm.  p.  201  et  296  explendam  statuo.  Addantur  haec :  oi^j 
.  )xt>v>  )oopi  )::^j  i)i  o6^  ^Icnoiä  >^^iE.  11  .  jJl  ;d  wJJQ3q\1  )J  ,^^  >>ao>i  ;o  «A 
(fr.  p.  201  N^iozioa)  wjQfiOQjL  .^^^ibJ  ^o)3  ..ajov^/I  jJo  .  )jo^  .-jjovci*!  U 

^o^/j  s->.o^a«ulj  noscite  me  ab  anima  mea  fratres  mei  ne  proliibeatis  me 
a  vita.  Ne  velitis  mortem  meara.^i  qui  non  vult  esse  in  mundo,  ne  honoretis 
(oneretis)  me  in  hoc;  neque  ad  aemulationcm  provocetis  me  eonim  quae 
visibilia  sunt.  Permittite  mihi  recipere  lucem  puram.  illuc  quando  pro- 
ficiscar,  homo  perfectus  ero  (fragm.  p.  201  |<\x>ax>  Jj/  joöj  JiojQJLS  in  luce 
perfectus  ero).     Permittite  mihi  ut  «im  Imitator  passionum  dei  mei.  — 

VII.  1  Cod.  y  |^5a-»j.  — 2  Cod.  y  oj*.^^.  —  3  cum  Cod.  y.  Cod.  ß 
falso  post  opD^o  interpungit  interpunctatione  post  )L*«jüOi  praetermissa.  — 


202 

xal  ^  7i6[xa  d^i'kbt)  xo  at(.ia  avTOv,  o  loxiv  äyuni]  ^  u(pd^aQTog, 
*Aa7iut,tTai  vfxug  ib  i/^iov  nvevfxa  xul  ^  äyunrj  tmv  exxXtjaiwv  twv 
deiaf-itviov  fie  ^  wc  dg  ovofxa  'l7]0ov  ^  Xqigtov  •  xul  yäo  al  ^  ^  uQoa- 
Tjxovoui  tfl  oö(Z  TT/  xara   ou.Qxa  xavu  nohv  fia  ngo^yov, 

Vlll.  ^  Nvv  iyyvg  mv  'Pwf^iTjg  nolXa.  (pgovM  iv  &(m'  «XX' 
ff.iavidv  fUXQWf  'ivuf.17]  Iv  xavyr^oii  unoXwfAai,  Nvv  yuQ  f.u  öeT  nXeov 
(foßttod^ai  xul  f.if]  TiQooi/eiv  roig  (pvatovoiv  fie,  Ol  yag  llyovjig 
1.101  2  [xoiama]  f,iaaTtyovoiv  (.le.  Ayanoj  ^  yuQ  lo  na&itv,  uXX* 
ovx  olöuy  d  a^iog  tif^i,  To  yug  ^rjXog  no)loig  f.iiv  ov  (pa/veiai, 
i/^€  öi  ^  7ioXi(AH,  XQfjt^o)  olv  TiQuoTfjTog,  Iv  fi  xuTaXverai  6 
uQX^wv  lov  alwvog  ^  tovjov. 

Villi.  1  ^vvafiat  ^  V(.dv  tu  InovQuvta  ygaipai^  äX\u  (poßov- 
jiiuti  fx^  ^  vfxiv  ßXaßrjv  naQa&aJ'  *  ovyyva)f.wvHTt  (.loi'  ^  (.i^noie 
ov  dvvr]d^ivTeg  /WQ^aui  otQuyyaXwd^iJTe»  ^  Kai  yäg  eyw ,  ov  xce- 
^oTi  öideiiat ,  xal  ''  dvva/^ai  votiv  t«  Inovgavia  xal  zug  rono&e- 
oiag  Tag  dyyihxug  xal  rag  avaidoetg  rag  aQ/ovrtxag,  bgard  Jt 
xal  aogara,  nagd  ^  tovxo  f.iad^r^j'^g  d(.iL'  noXXd  yuQ  ^  f^ioi  Xdnet, 
fV«  ^°&iw  unoTaXetw^ü),  ^  ^^'EgQwa&e  iig  xtXog  Iv  vno(.iovi]  ^Ttj- 
aov  Xqiöjov   *  ^  T0t5  dtov  rif.aov^^, 

Syr.  et  Mscr.  ap.  ß  ...  A  B  Arm.  1.  2.  "Inoov  Xq.  Codd.  FOV  'irio.  rov  Xg, 

—  AB  Met.  add.  rov  viov  rov  d'eov  .  . .  Syr.  Lat.  A  Arm.  1.  2.  om.  — his  ad- 
dunt  A  ß  Met.  rov  ytvofiivov  iv  voregcp  ix  ondQ/naroi  JaßiS  xal  ^Aßgaüfi 
...  Arm.  1.  rov  ysvofiivov  ix  ott,  Jaß.  Lat.  A  rov  ix  an.  Jaß.  ...  Syr. 
om.  omnia.  —  6  cum  Syr.  Lat.  A  B  Arm.  1.  2.  ...  A  Met.  Cod.  0  in  marg. 
nofia  d'BOv.  —  7  A  B  Met.  add.  xal  asvvaos  l^mr]  ...  Syr.  Lat.  A  Arm.  1. 
2.  ora.  —  8  cum  Syr.  . . .  A  Codd.  ß  0  V  ek,  B  Cod.  Nydpr.  Lat.  ß  tos.  — 
9  cum  Syr.  —  reliqui  add.  ovx  cos  nagoSevovra.  —  10  cum  Cod.  ß  ...  A 
B  Arm.  1.  2.  Syr.  Cod.  y  add.  firj.  —  AB  Arm.  2.  add.  fioi  ...  Syr.  Arm.  1.  om. 

Vin.  Apud  A  B  in  ep.  ad  Trall.  Cap.  IV  et  V.  —  1  vvv  —  'Pc6/u.T]e  cum 
Syr.  reliqui  om.  —  2  cum  Syr.  —  3  cum  Syr.  Lat.  B  ...  om.  A  ß  Arm. 
/uiv  yaQ  Cod.  Pal.  —  4  A  praemitt.  nliov  ...  Syr.  Arm.  ß  om.  —  5  ß  Joano. 
Damasc.  Anton,  add.  6  StaßoXoi  . . .  A  Syr.  Arm.  om. 

Vlin.  1  A  add.  fiTj  ov  Syr.  Arm.  om.  —  2  cum  Syr.  Lat.  A  B  . . .  A 
om.  —  SAB  add.  vrjniois  ovaiv  Syr.  Arm.  om.  —  4  A  ß  add.  xal ,  B 
avyyvoiri  fioi.  —  5  Syr.  praemitt.  cautus  ego  enim  (<pv?.daoo/uac  yaQ  ?)  Arm. 
et  caveo  (reliquis  omissis).  —  6  Arm.  Lat.  B  om.  xal  yaq,  Lat.  ß  om.  etiam 
ov.  —    7  cum  Syr.  ß  Arm.  . . .  Lat.  A  potens  scire,  A  8vvd/u.Evos  om.  voeiv. 

—  SAB  add.  rjSq  xai  . . .  Syr.  Arm.  fragm.  Syr.  ap.  Curet.  om.  —  9  cum 
Syr.  B  Arm.  . .  .  A  ^filv  Lat.  A  vobis.  —  10  cum  Syr.  (a  perfectione  quae 
digna  deo)  Arm.  legisse  videtur  d<pofioi(od'di.  A  fragm.  Syr.  ap.  Cur.  d'BOv 
fiT}  XeinojfxE&a.  ß  d'BOv  fit]  d.TtoleKfd'di  (quae  lectio  fortasse  praeferenda 
est).  —  11  Apud  A  ß  in  fine  ep.  ad  Rom.  —  12  cum  Syr.  ...  Arm.  2. 
rov  xvQiov  rificöv  ...Aß  om.  —  13  Syr.  addidisse  vid.  ij  ;ta^«s.  Arm.  1. 
rov   xvQiov    rjfidiv  tj  j^aotg  juerä  ndvroov  vfiwv  A  B  Arm.   1.  add.  auriv. 


I 


203 


^Sc;/  Vs^v    >^/    >)^.Jfc2P  N^QJUj   CH>qAi    y»/   .'sJ^lOI  JlÄ?  )^CL-0 

)j/  N\^  JlK^ö  ♦  jiooc»;^  te^/? '  oo)  W  ^^^VJö  ^^-o>D  VIII. 

^/   ^   ^Vl^wooi    >9jci:i    1CU*/   JJo    .WwN*  ^^.V?   ^   JJo 

.-.ioi.    .j\^h^   JJ  J^s^ü^  V-sjsj^  lu^    .W  joi  ^   Jj/  vi.^  JJ    W 
J^^jix>   opj    JIOmwJ  ''"^w.do)  s-^    wO)    )--.ju»   »cJS^   W  Izivo    ^j 

jj\lr  üi/  J>^i>>v>ft.  >9.ri^  j^oW?  iu-^-nji^'  villi. 

"^^^  d^  ;-s^  Jj/   ^/   .  >^)-AlIo   .riO)or>>n\    >^>,>:^aj,  JJ  j>c^i 
.♦JüJJ^j    jloVl/o    :  jfcs.ju>QiL    >\t>ds.    Jj/    .^qa>oo    Jj/    v-cx>/j  ^ 

^     l^OOJ    JJOJ    ^^^     .-^1**^^    JJjO     y^^hi>J     \%^^     J»QiOO  ^ 
OOO)    .  JoJScJJ    i>QJLl    Jlov^Ä^  ^    Jj/     V-CD^   Vs:j^  "-N^    •  J»^^l 

:)dSjL''  ^  #  #  ^pji^c  J*>>.»>o  N\Qjuj  Jlcü^-^.CYtvi::^  W;*iQ>^  y*.xi^ 
•Jjo^o  :jo>cuaQQ,.2)/  .:.  3pa.^a^/j   :M  :Jlts^ 

4  Cod.  y  cum  Gr.  .^^.yT)  jjj  ^Z.  — 

VIII.  1  cum  Cod.  y.  |^/  Cod.  ß.  —  2  Cod.  y  W  cx^^.  ~ 

Villi.    1    Cod.   y   K     >«rfY>.   —    2   Cod.   y   W   V.J.   _  3   Sic   recte 

apud  Curet.  legltur.  —  4  1.  jiOQDO  et  statioims.  —  5  Cod.  y  Ä.lj  Ky>\fi  ,  — ■ 


Druck  von  G.  Kreysing  in  Leipzig. 


1 


Abhandlungen 

für  die 

Runde  des  Morgenlandes 

herausgegeben  von  der    ^ 

Deutschen  Morgenländischen  Gesellschaft 

unter  der  verantwortlichen  Redaction 

des    Prof.    Dr.    Hermann    Brockhaus. 

II.    Band. 

M  2. 

Die 

Gäthäs    des    Zarathustra. 

Herausgegeben,  übersetzt  und  erläutert 
von 

Dr.    Martin    Haug. 
Zvreite  Abtheilang. 


Leipzig  1860 

in  Commission  bei  F.    A.    Brock  haus. 


Die 
Gäthä's    des    Zarathustra. 


Zweite  Abtheilung. 


Abtiandliing^en 


der 


Deutschen  Morgenländischen  Gesellschaft. 


II.     B  a  n  d. 

JW.  2. 


Die  funr  mw^ 

oder 

Sammlungen   von  Liedern  und  Sprüchen 
Zarathustra's, 

seiner  Jünger   und  Nachfolger. 


Herausgegeben,    übersetzt    und    erklärt 


Dr.  Martin  Haug, 

Professor  des  Sanskrit  am  College  zu  Poona  in  Ostindien,   Superintendent   der  Sanskrit- 
studien  am    College,    in    der   College    School   und    Normal   School,    Ehrenmitglied    der 
Asiatischen    Gesellschaft    zu    Bombay,    correspondirendes    Mitglied    der   Asiatischen    Ge- 
sellschaft von  Bengalen  zu  Calcutta  etc. 


Kureite  Abtheilung. 

Die   vier  übrigen   Sammlungen  enthaltend. 
Nebst  einer   Schlussabhandlung. 


Leipzig  1860 

in  Commission  bei  F.  A.  Brock  haus. 


Seinem  hochverehrten  Lehrer 

Herrn    Professor 

Heinrich   von   Ewald 

als    Zeichen 
inniger  Verehrung  und  Dankbarkeit 

zum 

Scheidegriiss  aus  Europa 

gewidmet 
von  dem 

Verfasser. 


Vorwort. 


Uiesem  zweiten  Theil  habe  ich  nur  Weniges  vorauszuschicken. 
Vor  allem  muss  ich  mein  Bedauern  darüber  aussprechen,  dass 
ich  nicht  die  Grammatik  und  das  Glossar  beigeben  kann.  Der 
an  mich  ergangene  Ruf  nach  Indien  (sowie  andere  Abhaltungen) 
Hess  mir  leider  keine  Zeit  mehr,  um  die  für  beides  vorhandenen 
Materialien  so  zu  bearbeiten,  wie  ich  es  gern  gewünscht  hätte. 
Dagegen  hoffe  ich,  sobald  mir  meine  neuen  Aemter  in  Puna  Zeit 
gestatten,  beides  in  nicht  zu  langer  Frist  nachzuliefern.  Das 
Studium  des  Zendawesta,  dem  ich  bereits  eine  Reihe  von  Jahren 
gewidmet,  werde  ich  auch  in  Puna  fortsetzen,  wo  mir,  wegen 
der  Nähe  Bombay's,  alle  Gelegenheit  gegeben  ist,  einerseits  mich 
mit  den  Pärsen  direkt  in  Verbindung  zu  setzen  und  ihre  Sitten 
und  Gebräuche  aus  eigener  Anschauung  kennen  zu  lernen, 
andrerseits  aber  auch  auf  Begründung  eines  wissenschaftlichen 
Studiums  ihrer  heiligen  Schriften  unter  ihnen  selbst  hinzuwirken. 

Auf  den  neulichen  Angriff  des  Herrn  Prof.  Spiegel  gegen 
meine  Methode  eingehend  zu  antworten,  halte  ich  für  vollkommen 
überflüssig.  Unter  Sachkennern,  die  nur  die  Wahrheit  wollen  und 
daher  in  der  Wissenschaft  Niemandem  ein  Monopol  zuzuerkennen 
vermögen,  kann,  wie  auch  bereits  schon  Stimmen  laut  geworden 
sind  (Zarncke'sches  Centralblalt  1858,  Nr.  52)  und  wie  Herr  Spiegel 
noch  weiter  hören  wird,  über  die  Richtigkeit  der  von  mir  ein- 
geschlagenen Methode  gar  kein  Zweifel  herrschen,  da  sie  ganz 
dieselbe  ist,  durch  welche  die  Classiker  und  namentlich  das  alte 
Testament  philologisch  erklärt  worden  sind.  Die  ganz  kürzlich 
veröffentlichte  Spiegel'sche  Uebersetzung  der  Gathä's,  die  kaum 
besser  ist  als  Anquetil's  im  vorigen  Jahrhundert  gemachte,  und 
in  einem  wirklich  schreienden  Contraste   zu   den  richtigen  jetzt 


YllI  Voiwort. 

von  der  orientalischen  Philologie  gebotenen  Mitteln  steht,  liefert 
den  deutlichen  Beweis,  dass  durch  bhnde  AnhängHchkeit  an  die 
Tradition,  Verachtung  der  so  unentbehrhchen  Vergleichung  der 
Parallelstellen  und  von  Grammatik  und  gesunder  Etymologie  ^j, 
die  Gatha's  für  ewige  Zeiten  ein  versiegeltes  Buch  bleiben  werden. 
Herr  Spiegel  dollmetscht  Worte,  die  aber  meist  keinen  verständ- 
lichen Sinn  geben;  viel  Mühe  auf  Formen  zu  \ erw enden  [ishathä, 
ihr  kommt,  ist  ihm  das  Erwünschte,  gtütam  —  gen.  plur.  part. 
praes.  —  heisst  beim  Preisen  u.  s.  w.)  scheint  ihm  ebenso  über- 
flüssig, als  den  Sinn  oder  Gedankengang  nur  einzelner  Verse  oder 
gar  ganzer  Stücke  zu  ergründen.  Daher  wird  auch  Niemand  aus 
seiner  Uebersetzung  lernen  können,  was  in  den  Gatha's  steht. 
Von  ihrem  wahren  Inhalt  hat  er  keine  Ahnung.  Letzterer  kann 
auch  unmöglich  anders  als  durch  eine  jahrelang  dauernde  Be- 
schäftigung mit  diesen  Stücken,  durch  mühsame,  oft  viele  Tage 
in  Anspruch  nehmende  Untersuchungen  einzelner  Worte  und 
Formen,  sowie  durch  stete  Rücksichtnahme  auf  den  Sinn  und 
Zusammenhang  des  Verses  oder  ganzen  Stücks,  wieder  erkannt 
werden.  Dass  Herr  Spiegel  diess  nicht  gethan,  gesteht  er  selbst 
in  der  Vorrede  p.  VH,  hält  sich  aber  dessenungeachtet  für  voll- 
kommen befugt,  zu  einer  Zeit,  wo  an  philologische  Arbeiten, 
selbst  auf  dem  orientahschen  Gebiet,  mit  Recht  hohe  Forderungen 
gestellt  werden,  eine  allen  Anforderungen  einer  gesunden  Philo- 
logie Hohn  sprechende  Uebersetzung  zu  veröffentlichen.  Für  Sach- 
kenner ist  weiter  nichts  zu  bemerken.  Die  Laien  werden  einfach 
nach  derjenigen  Uebersetzung  und  Erklärung  greifen,  die  sie  am 
besten  verstehen  und  woraus  sie  am  meisten  lernen  können. 

Die  Correctur  wird  mein  lieber  Freund  G.  W.  Hermann  in 
Wildbad  besorgen,  dem  ich  zum  voraus  meinen  besten  Dank 
für  seine  Freundlichkeit  hiermit  ausspreche. 

Bonn,  den  27.  Januar  1859. 

Der  Verfasser. 


0  Drigu  soll  Bettler  heissen,  weil  es  mit  dem  Pärsi  darjös  identisch 
sei.  Weiss  denn  Herr  Spiegel  nicht,  dass  letzteres  nur  das  baktrische 
driwis,  Armuth,  ist?  Baktrisches  g  wird  in  den  spätem  iranischen  Spra- 
chen kein  j. 


Nachs  ehr  if  t. 


Uas  Erscheinen  des  zweiten  Theils  meiner  Schrift,  den  ich  schon 
ein  halbes  Jahr  vor  meiner  Abreise  nach  Bombay  (18.  Juli  1859) 
zum  Druck  eingesandt  hatte,  ist  wider  Erwarten  sehr  lange  ver- 
zögert worden  aus  Gründen ,  die  früher  zu  beseitigen  nicht  in 
meiner  Macht  war.  Gern  hätte  ich  mancherlei  Verbesserungen  an- 
gebracht, die  ich  bei  einer  wiederholten  Durchsicht  der  Gäthä's  behufs 
einer  englischen  Bearbeitung  des  Hauptinhalts  meiner  Forschungen 
und  Entdeckungen  über  die  ältesten  Theile  des  Zendawesta  und 
die  ursprüngliche  Lehre  Zoroaster's,  der  ich  mich  auf  den  Wunsch 
meiner  parsischen  Freunde  unterzogen,  für  nöthig  befunden  hatte; 
aber  da  die  grosse  Entfernung  vom  Druckorte,  in  der  ich  jetzt  (und 
wohl  noch  für  lange  Zeit)  lebe,  mich  verhindert,  sie  am  passenden 
Orte  aufzunehmen  und  einzuschalten,  so  muss  ich  leider  jetzt  darauf 
verzichten.  Es  bleibt  daher  Alles,  wie  ich  es  hinterlassen  habe. 
Nachträge  hoffe  ich  später  zugleich  mit  der  Grammatik  und  dem 
Glossar  zu  liefern. 

Den  lächerlichen  Streit  über  die  richtige  Interpretation  des 
Zendawesta  oder  Weda,  den  Herr  Spiegel  aus  mir  leicht  begreif- 
lichen Gründen  neuestens  wieder  anzufachen  sucht,  aufzunehmen,  halte 
ich  für  eine  reine  Zeitverschwendung.  Jeder  mit  der  Wissenschaft 
der  neuern  Philologie  etwas  Vertraute  weiss,  dass  alle  bedeutenden 
Resultate  in  der  Auslegung  der  classischen  sowohl  als  der  hebräischen 
Schriften  nur  durch  Anwendung  der  auch  von  mir  befolgten  Methode: 
sorgfältige  Vergleichung  der  Parallelstellen  und  gesunde  grammatische 
Formerklärung  und  regelrechte  Etymologie  erzielt  worden  sind. 
Diese  Methode  ist  in  allen  philologischen  Schulen  so  allgemein  an- 
erkannt, dass  wenn  z.  B.  heutzutage  einer  das  Alte  Testament  nur 
nach  Septuaginta  und  der  chaldäischen  Paraphrase  ohne  alle  Rück- 


X  '  Nachschrift. 

sieht  auf  Parallel  st  eilen  und  die  Etymologie  im  Kreise  des 
Hebräischen  und  der  nächstverwandten  semitischen  Sprachen,  ebenso 
ohne  alle  Rücksicht  auf  Verständlichkeit  oder  Unverständlichkeit  ins 
Deutsche  übertragen  würde,  er  allgemein  verlacht  und  sich  niemand 
die  Mühe,  solch  verkehrtes  Treiben  zu  widerlegen,  nehmen  würde! 
Ungefähr  so  verfährt  Herr  Spiegel  mit  dem  Zendawesta.  Vor  der  Ge- 
fahr, allen  Ruf  als  Philologe  zu  verlieren,  war  er  hauptsächlich  durch 
den  glücklichen  Umstand  geschützt,  dass  der  Zendawesta  noch  zum 
grössten  Theile  eine  terra  incognita  war,  worüber  man  der  un- 
eingeweihten Menge  mancherlei  Mahrchen  erzählen  konnte.  Es  handelt 
sich  zwischen  Herrn  Spiegel  und  mir  nicht  um  einen  Principien- 
streit,  sondern  nur  um  eine  wissenschaftliche  und  methodische  oder 
eine  unwissenschaftliche  und  charakterlose  Auslegung.  Herr  Spiegel 
wird  freilich  nicht  müde,  als  seine  Interpretationsgrundsätze:  zuerst 
Benutzung  der  Tradition ,  dann  Controle  derselben  durch  die  ira- 
nischen Sprachen  und  in  letzter  Instanz  erst  Sanskrit  und  Sprach- 
vergleichung, vorzutragen;  und  sein  Freund  Julius  Mohl  hat  in 
seinem  letzten  Jahresbericht  auch  nicht  verabsäumt,  diess  nach- 
drücklich hervorzuheben,  um  den  Vergleich  mit  meinen  Arbeiten  zu 
seinen  (Spiegel's)  Gunsten  ziehen  zu  können,  was  aber  nur  durch 
die  Verschweigung  eines  Hauptunterschieds,  nämlich  die  von  mir 
stets  in  den  Vordergrund  gestellte  Vergleichung  der  Parallel- 
stellen, von  Herrn  Spiegel  ganz  vernachlässigt,  möglich  geworden 
ist.  Hätte  Herr  Mohl  diess  in  reifliche  Erwägung  gezogen  oder 
ziehen  wollen,  hätte  er  nur  auch  ein  oder  zwei  Verse  der  Spie- 
gel'schen  und  meiner  Uebersetzung  wirklich  mit  einander  zu  ver- 
gleichen sich  die  Mühe  genommen,  so  würde  er  bald  gesehen  haben, 
dass  meine  Arbeit  nach  einer  nur  nach  langer  mühsehger  Vorbe- 
reitung ausführbaren  Methode,  Herrn  Spiegel's  dagegen  ohne  alle 
Vorbereitung  (die  Mühe,  sich  Glossare  zu  machen,  scheint  derselbe 
für  ganz  überflüssig  zu  halten)  unter  höchst  oberflächlicher  Be- 
nutzung der  Tradition  und  einer  mehr  zufälligen  als  planmässigen 
Herbeiziehung  der  neuern  iranischen  Dialekte  gemacht  worden  ist. 
Der  Grundsatz,  die  Tradition  durch  die  iranische  Philologie  zu 
controliren,  sieht  sehr  plausibel  aus,  aber  zwischen  blossem  Auf- 
stellen und  Ausführen  ist  ein  grosser  Unterschied.  Die  Aufgabe 
ist  bei  der  grossen  Verderbniss  der  alten  Worte  in  den  neuern 
iranischen  Dialekten  (die  grammatischen  Formen  sind  fast  gänzlich 
verloren  und  können  nur  durch   die  Beihilfe  des  Sanskrit  wieder  er- 


Nachschrift.  '  XI 

kannt  werde«)  eine  sehr  schwierige  und  erfordert,  um  consequent 
durchgeführt  zu  werden,  ganz  andere  Vorbereitungen,  als  sie  Herr 
Spiegel  zu  machen  gewohnt  ist,  einen  weit  grössern  philologischen 
Scharfsinn  und  umfassendere  Kenntnisse,  als  ich  sie  bis  jetzt  aus 
seinen  Büchern  ersehen  konnte.  Die  Art  von  Controle,  die  er  übt, 
wird,  wenn  er  nicht  wirklich  gesunde  philologische  Interpretations- 
grundsätze annimmt,  nur  zur  Verwirrung  statt  zur  Entwirrung  des 
Knotens  beitragen. 

Dass  man  die  Tradition  ganz  bei  Seite  lassen  müsse,  habe  ich 
nie  behauptet,  sondern  nur,  dass  man  sie  entschieden  verwerfen 
müsse,  wenn  sie  sich  nicht  mit  einer  wirklichen  philologischen  Aus- 
legung verträgt.  Letzteres  ist  aber  so  häufig  der  Fall,  dass  man 
nur  mit  der  grössten  Vorsicht  sie  benutzen  kann.  Die  Pehlewi- 
version  des  Japia,  wie  die  danach  gemachte  Sanskritübersetzung 
des  Desturs  Neriosengh  wimmelt  von  den  gröbsten  Verstössen  gegen 
die  Grammatik,  was  sich  fortgeerbt  hat,  da  selbst  heutzutage  die 
gelehrtesten  Desturs  keinen  Begriff  von  grammatischen  Endungen 
haben.  Casus  und  Verbalpersonen  werden  nach  Belieben  ver- 
wechselt 1),  und  den  Worten  werden  keine  feste  bestimmte  spezi- 
fische, sondern  möglichst  vage  und  abgeblasste  Bedeutungen  ge- 
geben (wie  ich  in  meiner  englischen,  zunächst  für  die  Parsen  be- 
stimmten Bearbeitung  der  Gäthä's  näher  zeige).  Dessenungeachtet 
sind  diese  traditionellen  Uebersetzungen  von  höchstem  VVerth,  sowie 
es  sich  um  Gegenstände  des  Cultus  und  Auslegung  von  Gesetzen 
handelt,  Dinge,  die  die  Uebersetzer  aus  täglicher  Anschauung  und 
Beschäftigung  sehr  gut  kannten  und  verstanden.  So  unentbehrlich 
aber  die  Tratlition  auch  für  das  Verständniss  des  Jüngern  Jagna 
und  des  Vendidad  ist,  so  können  wir  nicht  dasselbe  von  dem  ältesten 
Theile  des  Zendawesta,  den  sogenannten  Gäthä's,  sagen,  weil  hier 
weder  liturgische  Ausdrücke  noch  gesetzliche  Bestimmungen  vor- 
kommen^ sondern  der  Inhalt  ein  mehr  philosophischer  und  poetischer 
ist.  Obschon  sie  fin-  die  heihgsten  Gebete  galten  und  noch  gelten 
(wie  mir  der  Destur  hier  sagte),  so  kümmerten  sich  die  Desturs 
und  Mobeds  doch  wenig  um  den  oft  schwer  verständhchen  Sinn, 
da    nach    ihrer  Anschauung    das    mechanische  Geplapper    der   Zend- 


^)  Wie  noch  jetzt.  Der  Destur  bat  mich  einmal,  ihm  den  Unterschied 
von  mazdäo ,  niazdäm,  mazdäi  zu  erklären,  woraus  ich  bald  sah,  dass  er 
gar  keine  Idee  von  einer  Zendgrammatik  hat!  Casusendungen  waren 
ihm  böhmische  Dörfer! 


XII  Nachschrift. 

Worte  ohne  alles  Verständniss  des  Inhalts  als  vollkommen  zureichend 
für  Beförderung  des  leiblichen  wie  des  geistigen  Wohls  gehalten 
wurde  und  noch  gehalten  wird.  Weit  grössere  Aufmerksamkeit 
mussten  die  Priester  aber  solchen  Capiteln  und  Stellen  schenken, 
die  Bezug  zum  täglichen  Leben  hatten,  wie  Reinigungen  und  Ver- 
unreinigungen, Behandlung  von  Leichen,  Heirathen,  Bereitung  des 
Homa,  Anwendung  der  heiligen  Geräthschaften  und  Dinge,  wie  des 
Barsom,  der  Milch  etc.;  daher  können  wir  uns  auch  so  ziemlich  auf 
ihre  Auslegung  solcher  Stellen  verlassen. 

Wie  wenig  aber  gerade  Herr  Spiegel  diese  in  vielen  wichtigen 
Punkten  verstanden  hat,  will  ich  an  einigen  Beispielen  zeigen,  die 
ich  leicht  bedeutend  vermehren  könnte,  zum  Beweis,  wie  gering  die 
Verlässlichkeit  seiner  auf  die  Tradition  sich  stützenden  Uebersetzung 
des  „Avesta"  ist.  Die  Möglichkeit  diess  zu  thun,  ist  mir  nur  durch 
meinen  V^erkehr  mit  den  besten  Kennern  der  parsischen  Tradition, 
den  Desturs  oder  Ober p riestern  der  Pärsen  gegeben.  Ich  er- 
freue mich  der  besondern  Freundschaft  des  hiesigen  Desturs,  Nu- 
schirwandschi  Dschamaspdschi,  den  ich  jeder  Zeit  in  seiner  Woh- 
nung, dem  hiesigen  Feuertempel,  besuchen  kann  und  der  mir,  wie 
sein  Bruder,  jeder  Zeit  über  alle  Cultusgebräuche  etc.  die  genaueste 
Auskunft  giebt.  Mit  ihm  habe  ich  theils  mündlich,  theils  schriftlich 
über  verschiedene  Stellen  des  Zendawesta  verhandelt;  ich  gedenke 
später  meine  Unterredungen  mit  ihm  und  seine  Correspondenz,  die 
im  Verlauf  der  Zeit  noch  beträchtHch  werden  kann,  zu  veröffentlichen. 
Nun  zur  Sache! 

Vor  einiger  Zeit  war  unter  den  Pärsen  zu  Bombay  ein  Streit 
über  die  richtige  Bedeutung  von  hü-fräshmo-dditm  (Vend.  7,  58. 
Ja9.  57,  10.  16.  Jt.  4,  9.  5,  94.  10,  95).  Ein  jüngerer,  vor  kurzem 
aus  Europa  zurückgekehrter  Pärse,  Kharsedschi  Rustemdschi  Cama, 
der  sich  ganz  dem  Studium  seiner  heiligen  Schriften  widmen  will, 
empfahl  die  Spiegel'sche  Uebersetzung  des  Worts  durch  „Sonnen- 
aufgang"; die  Desturs  verwarfen  sie  als  gegen  die  Tradition  strei- 
tend und  erklärten  es  durch  Mitternacht.  Da  sich  die  Parteien 
nicht  einigen  konnten,  ersuchte  mich  Cama  um  mein  Gutachten. 
Ich  machte  sie  vor  allem  auf  den  Unterschied  von  hü-frdshmo-dditim 
und  pa^ca  hü  -  frdshmo  -  dditm ,  den  sie  nicht  beachtet  zu  haben 
schienen,  aufmerksam  und  erklärte,  auf  die  Jt.  4,  9  befindliche 
Glosse  (Pdzend)  mich  stützend  (pagca  hvo  noit  uzukhshayamno, 
nachdem  sie  —   die  Sonne  —    noch  nicht    aufgegangen  ist),   pa^ca 


Nachschrift.  XIII 

hü-frdshmo-dditm  als  die  Zeit  der  Nacht,  in  der  der  Genius 
Serosch  gegen  die  bösen  Geister  kämpfen  muss  (Ja^.  57,  10); 
hü-fräshmo-ddüm  deutete  ich  zuerst  als  die  Nachmittagszeit,  nach- 
dem die  Sonne  den  Meridian  passirt  hatte;  bei  weiterer  Unter- 
suchung fand  ich  aber,  dass  es  Sonnenuntergang  bedeutet,  wie 
aus  dem  Gegensatz  zu  hüvakhshat,  Sonnenaufgang  (Jt.  5,  94), 
und  aus  dem  aus  hü-frdshmö-däüim  verstümmelten  neupersischen 
shdm,  Abendzeit,  mir  deutlich  hervorging.  Die  Desturs  zu  Bombay, 
Pastondaru  und  Ardeschir,  sowie  der  hiesige  Destur  gaben  dieser 
Erklärung  ihre  Zustimmung,  die  auch  durch  eine  mir  nachträglich 
mitgetheilte  Stelle  des  Neringistan  (soviel  ich  weiss,  unbekannt  in 
Europa,  er  ist  in  Zend  und  Pehlewi  geschrieben)  vollkommen  be- 
stätigt ward.  Es  heisst  dort,  dass  uzayeirina  gdh  (von  3  Uhr  Nach- 
mittags bis  Sonnenuntergang,  wie  mir  mein  Freund,  der  Destur 
hier,  sagte)  bis  hü-frdshmo-dditim  und  der  aiwi^ruthrema  gdh  (von 
Einbruch  der  Nacht  bis  Mitternacht)  von  hü-frdshmo-ddüim  bis  Mit- 
ternacht dauere,  woraus  mit  völliger  Sicherheit  hervorgeht,  dass 
das  Wort  nur  Sonnenuntergang  bedeutet.  Vor  dem  groben 
Irrthum,  ein  Wort,  das  Sonnenuntergang  bedeutet,  mit  Son- 
nenaufgang zu  übersetzen,  wäre  Herr  Spiegel  bewahrt  worden, 
wenn  er  die  Parallelstellen  sorgfältig  vergUchen  und  die  iranische 
Philologie  befragt  hätte! 

Einen  noch  grobem  Irrthum  hat  er,  Uebersetzung  des  Avesta 
II,  p.  XV,  in  die  Welt  hineingeschrieben,  indem  er  die  Mobeds 
und  Desturs  für  so  ziemlich  identisch  erklärt.  Ueber  diesen 
Punkt  habe  ich  verschiedene  genaue  Erkundigungen  eingezogen, 
die  mich  in  den  Stand  setzen,  diese  Ansicht  als  völlig  irrig  zu 
widerlegen.  Pärsen  der  niedern  Classe,  die  ich  zuerst  befragt, 
sagten  zwar  allerdings,  dass  zwischen  Desturs  und  Mobeds  nur  ein 
geringer  Unterschied  sei,  ersteres  sei  nur  ein  etwas  höherer  Titel; 
aber  Manokdschi  Kharsedschi,  Judge  in  the  small  Cause  Court  zu 
Bombay  (der  vor  20  Jahren  in  Europa  und  näher  mit  Burnouf  be- 
kannt war),  belehrte  mich  dahin,  dass  zwischen  beiden  ein  bestimm- 
ter und  grosser  Gradunterschied  sei.  Die  Desturs  glichen  den 
Bischöfen  in  Europa,  sagte  er,  die  Mobeds  dagegen  den  Pfarrern 
und  Kaplanen.  Bei  einer  meiner  Zusammenkünfte  mit  dem  Destur 
hier,  der  (wie  öfter)  ausser  seinem  Bruder  mehrere  Mobeds  an- 
wohnten, theilte  ich  dann  nachher  auch  Spiegel's  neue  Ansicht  mit 
und    bat   um    genaue  Auskunft.     Der   Destur   antwortete   mir,    dass 


XIV  Nachschrift. 

die  Destur-  und  Mobedwürde  wohl  zu  unterscheiden  sei.  Der  Mobed 
habe  nur  die  Gebete  zu  sprechen,  Cereraonien  vorzunehmen  und 
müsse  zu  diesem  Zweck  den  ganzen  Zendawesta  auswendig  wissen 
(wie  der  Destur  auch ;  mein  Freund  weiss  ihn  auch  wirklich  ganz 
auswendig!),  aber  er  brauche  den  Sinn  nicht  zu  verstehen.  Der 
Destur  dagegen  habe  das  geistliche  Oberaufsichtsamt  über  alle 
Ceremonien  und  den  ganzen  Feuerdienst,  bei  dem  er  selbst  nicht 
activ  sein  muss,  wenn  er  nicht  will,  da  auf  sein  Geheiss  die  Mobeds 
alles  besorgen  müssen;  dagegen  werde  von  ihm  verlangt,  dass  er 
den  Zendawesta  vollkommen  verstehe  und  auslegen  könne  und  in 
allen  Glaubenssachen  werde  nur  an  ihn  appellirt.  Die  Mobeds 
können  nie  Desturs  werden,  da  die  Würde  sich  nur  auf  die  Söhne 
forterbt.  Ein  Destur  hat  mehrere  Gemeinden  unter  sich;  so  ist  der 
hiesige  Destur  zugleich  das  geistliche  Oberhaupt  der  Gemeinden  zu 
Sholapur,  Ellitschpur  und  Mhow,  wo  einer  seiner  Brüder  für  ihn 
beständig  vicarirt.  Zum  Beweis  der  geistlichen  Suprematie  der 
Desturs  führte  er  mir  eine  Stelle  des  Jagna  (11,  9.  West.)  an,  die 
er,  mit  der  Pehlewiübersetzung  im  wesenthchen  übereinstimmend, 
folgenderinassen  deutete :  Für  uns  ist  nur  ein  Destur  thätig  (beim 
Gottesdienst),  d.  i.  der  Züota,  der  die  Gebete  verrichtet;  dieser 
kann  sich  von  einer  bis  zu  zehn  Personen  (worunter  er  die  ver- 
schiedenen dienstthuenden  Mobeds,  den  Atarwakhsho ,  Agndtd,  Fra- 
bereta  etc.  versteht)  vervielfachen  (er  begreift  diese  als  deren 
geistliches  Oberhaupt  in  sich).  Diese  Erklärung,  die  wirklich  die 
richtige  sein  kann,  wird  man  vergebens  bei  Herrn  Spiegel  suchen, 
und  doch  beruht  sie  gerade  nur  auf  der  ihm  zugänglichen 
Tradition ! 

Auch  Herrn  Spiegel's  neue  Erklärung  von  Mobed  durch  nmäna- 
paiti,  Hausherr,  wird  von  dem  Destur  und  seinem  Bruder  verworfen. 
Letzterer  sagte  mir,  diese  Deutung  sei  aus  dem  Grunde  unmöglich, 
weil  nmänapaiti  nur  einen  Hausherrn  ohne  Rücksicht  auf  den  Stand 
bedeute,  die  Mobeds  aber  nur  der  Athrava  oder  Priesterkaste  an- 
gehören und  nur  die  Söhne  von  Mobeds  wieder  Mobeds  werden 
können  und  nicht  jeder  Hausvater,  wie  es  nach  Spiegel's  Erklärung 
der  Fall  sein  müsste.  Das  Pehlewiwort,  das  Herr  Spiegel  mdnpat 
liest,  lesen  die  Desturs  mit  Recht  magupat. 

Pag.  125  seiner  Uebersetzung  des  Ja^na  spricht  Herr  Spiegel 
von  qaetüs,  airjama  und  verezena  als  wichtigen  dogmatischen  Begriffen. 
Ich  bat  den  Destur,    der  mit  allen  pärsischen  Glaubensartikeln  aufs 


Nachschrift.  XV 

genaueste  vertraut  ist  und  eine  grosse  Belesenheit  in  den  traditio- 
nellen Schriften  besitzt,  mir  dieselben  doch  zu  erklären.  Er  sagte, 
es  seien  gewöhnliche  Worte  und  hätten  weiter  keine  nähere  Be- 
ziehung zum  Glauben.  Airjama  erklärte  er  als  Diener  des  Glaubens, 
worunter  jeder  fromme  Ormuzdverehrer  verstanden  werden  könne, 
von  dem  „freudigen  Gehorsam"  Spiegel's  weiss  er  nichts.  Ueber 
die  einzig  richtige  Bedeutung  vgl.  man  meine  Note  zu  46,  1. 

Einst  fragte  ich  den  Destur  über  die  Erzeugung  des  heiligsten 
aller  Feuer,  des  Behramsfeuer.  Er  belehrte  mich,  dass  seine  Er- 
zeugung Vend.  farg.  8  beschrieben  sei  und  dass  die  dort  gegebenen 
Vorschriften  jetzt  noch  in  Anwendung  kommen ;  es  müsse  von 
16  verschiedenen  Feuern  bereitet  werden.  Unter  anderem  müsse 
man  unter  gewissen  Ceremonien  das  Feuer  (oder  besser  die  Elektri- 
cität)  aus  einem  frischen  Leichname  herausbekommen,  welches  Feuer 
na^uspäka  heisse.  Liest  man  das  betreffende  Capitel  bei  Spiegel 
nach,  so  wird  man  leicht  sehen,  dass  er  es  völlig  missverstanden 
hat,  da  er  gar  nicht  weiss,  wovon  eigentlich  darin  die  Rede  ist. 

Ich  habe  hier  nur  solche  Irrthümer  berührt,  die  Herr  Spiegel 
bei  längerem  Nachdenken  und  sorgfältigem  Studium,  wovon  in  allen 
seinen  Büchern  sich  nur  wenig  Spuren  entdecken  lassen,  hätte  leicht 
vermeiden  können.  Eine  nähere  Kenntniss  der  im  Jüngern  Japia 
und  Vispered  vorkommenden  Kunstausdrücke  zu  erwarten,  wäre  viel 
zu  viel  verlangt.  Wer  nicht  mit  einem  Destur  fieissigen  Umgang 
hat,  kann  sie  nicht  verstehen,  da  die  Berichte  Anquetil's  hierüber, 
der  sonst  treu  und  wahr  das  Treiben  der  Desturs  schildert,  nicht 
immer  zureichend  sind.  Welqhe  tolle  Missverständnisse  in  Folge  seiner 
Unbekanntschaft  mit  dem  Cultus  in  seine  Uebersetzung  hineipgekom- 
men  sind,  will  ich  an  einigen  wenigen  Beispielen  zeigen.  Gdo 
hudhäo  übersetzt  Spiegel  mit  „wohlgeschaffene  Kuh";  der  Destur 
aber  sagte  mir,  es  sei  der  Kunstausdruck  für  „Butter",  die  er  dem 
Feuer  opfere.  Gdo  gtvja  ist  nach  Spiegel  „das  Fleisch  von  lebenden 
Wesen",  der  Destur  belehrte  mich,  es  sei  die  „frischgemolkene 
Milch",  die  er  darbringen  müsse;  um  sie  stets  frisch  zu  haben, 
müsse  er  neben  dem  Tempel  Kühe  halten;  wenn  man  keine  Kühe 
auftreiben  könne,  so  genüge  eine  Ziege.  Was  der  Baum  hadhd- 
naepata,  der  in  den  liturgischen  Formeln  so  häufig  wiederkehrt,  sei, 
;jsagt  Spiegel  meines  Wissens  nirgends;  er  lässt  das  Wort  einfach 
unübersetzt.  Der  Destur  sagte  mir,  es  sei  der  Zweig  eines  Granat- 
baunis  (dirakht-i-dnar,  Fehl,  anvalc),    der    zur    Bereit inig    des  Houia 


XVI  Nachschrift. 

genommen  und  mit  ihm  zerstossen  wird.  Er  hat  mir  einen  solchen 
nebst  den  heiligen  von  Nosairi  in  Guzerat  kommenden  Homzweigen 
geschenkt  und  mir  ganz  ausführlich  die  Bereitung  des  Homa  gezeigt. 

Nach  diesen  Bemerkungen  wird  man  den  Werth  der  Spiegel'schen 
Arbeiten  nach  der  traditionellen  Seite  hin  zu  würdigen  wissen.  Von 
der  andern  wissenschaftlich  sein  sollenden  schweige  ich,  da  mein 
Werk  eine  hinreichende  Würdigung  derselben  für  jeden  Denkenden 
darbietet. 

Poona  College,  Sanscrit  Department,  den  10.  Mai  1860. 


M.  Hang. 


3tt>eite  biö  fünfte  Sammlung. 


Gäthä     ustavaiti 


bis 


Gäthä     vahistöisti. 


Ja^na  capp.  43 — 53. 


Abhandl.  der  DMG.     II,  2. 


IL 
Gäthä    UQtavaiti, 

(Jacna  capp.  43  —  46-) 


8.    (43.) 

Nemo  ve  gdthdo  ashaonis. 

1.  Ustd  ahmdi  jahmdi  usid  kahmdicit 
Va^e-khshajäQ   Mazddo  ddjdt  ahuro 
Vtajüitt  fevishim  gat  toi  vagem? 
Ashem  deredjdi  tat  moi  ddo  Armaite 
Rdjo  ashis  vanheus  gaem  manaiiho. 

2.  Atcd  ahmdi  vigpandtn  vahistem 
Qdthrojd  nd  qdthrem  daidttd 

Thwd  cict  thwd  ^peiiistd  mainjü  Mazda 
Ja  ddo  ashd  vanheus  mdjd  mananho 
Vigpd  ajdre  darego-gjdtdis  urvddanhd. 

3.  At  hvo  vanheus  vahjo  nd  aibi  gamjdt 
Je  ndo  erezüs  gavanho  patho  pshoit 
Ahjd  anheus  aQtvato  mananhagcd 
Haithjeng  d  <^tis  jeng  d  shaeti  ahurö 
Aredrd  thwdväg  huzentuse  gpefito  Mazda. 

4.  At  thwd  meng,hdi  takhmemcd  gpeiitem  Mazda 
Hjat  td  zagtd  jd  tu  hafshi  avdo 

Jdo  ddo  ashis  dregvdite  ashdunaecd 
Thwahjd  garemd  äthro  ashd-aoganhö 
Hjat  moi  vanheus  haze  gimat  mananho. 

5.  ^pentem  at  thwd  Mazdd  menhi  ahura 
Jjat  thwd  anheus  zäthoi  dare^em  paourvim 
Hjat  ddo  skjaothand  mizdavän  jdcd  ukhdhd 
Akem  akdi  vahuhim  ashim  vanhave 

Thwd  hunard  ddmöis  urvae^e  apeme. 


IL 
Carmen,   quod  u^tavaiti  dicitur. 


8.     (43.) 

Laus  vobis,   carmina  veracia! 

Salus  illi  cui  (quicunque  est),  salus  cuique!  cui  sponte- 
regnans  Sapiens  det  vivus  duas-perpetuas  vires.  Idem  e-te 
rogo  ad  verum  tenendum;  id  mihi  des.  Pietas !  divitias, 
veritates,  bonae  possessioneip  mentis  ! 


2.  Itaque  huic  mundo  omnium  Optimum  lucis-fontem-venerabor; 
vir  lucis  fontem-habentem  sibi-det  (eligat),  te  quisquis 
sanctissime  spiritus  Sapiens !  Quae  das  vera  bonae  sa- 
pientiä  mentis,    omnia  hoc-die    longae-existentiae  promisso. 


Ita  ille-ipse  bono  melius  vir  circuraeat,  qui  nos-duos  rectas 
salutis  vias  doceat  hujus  vitae  existentis  mentisque,  prae- 
sentes  ad  creationes  ad  quas  habitat  vivus  fidelissimus  tui- 
similis  nobilis  sanctus,  Sapiens! 


4.  Ita  te  cogitem  fortemque  sanctum,  Sapiens!  quum  hac 
manu  qua  tu  largiris  auxilia,  Utas  dedisti. quae  su7ä  veritates 
mendaci  veracique  tui  calore  ignis  veri-vigorem-praebentis, 
quum  mihi  bonae  robur  venit  mentis. 

5.  Sanctum  ita  te  Sapiens  cogitem  vive!  quum  te  vitae  in- 
procreatione  vidi  primum  tum  das  actiones  praemia-habens ! 
et  quae  dicta,  malnm  das  m3.\o ,  bonam  veritatem  bono,  te 
cogitem  illustris !   creationis  in  fine   extremo. 


1* 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.   II. 

0.    Jahni  ^pefitä  thwd  mainju  urvaege  ^uqo 
Mazda  khshathrä  ahmt  vohü  mananhd 
Jehjd  skjaothandis  gaethdo  asftd  frddente 
Aeibjo  rains  ^eng,haiti  Armaitis 
Thwahjd  khrateus  jem  naecis  ddbajeiii. 

7.  Qpentem  at  thwd  Mazda  menhi  ahurd 
Hjat  md  vohü  pairi-ga^at  mananhd 
Pere^afcd  md   eis  ahi  kahjd  ahi 
Kathd  ajdre  dakhshdrd  fera^jdi  dtshd 
Aibi  thwdhü  gaethdhü  tanushecd. 

8.  At  hoi  aogt  Zarathusfro  paourvim 
Haithjo  dvaeshdo  hjat  i^ojd  dregvdite 
At  ashdune  rafeno  qjem  aogonhvat 
Hjat  d  büstis  vaqa^i  khshathrahjd  djdi 
Javat  d  thwd  Mazdd   {'taomt  ufjdcd. 

9.  ^pentem  at  thwd  Mazdd  menhi  ahurd 
Hjat  md  vohü  pairi-ga^at  mananhd 
Ahjd  fra^cm  kahmdi  vividuje  vashi 

At  d  thwahmdi  dthre  rdtäm  nemanho 
Ashahjd  md  javat  igdi  mainjdi. 

10.  At  tu  moi  ddis  ashem  jjat  md  zaozaomf 
Armaiti  hacimano  H  drem 

Pere^äcä  ndo  jd  toi  ehmd  parstd 
Purstem  zi  thwd  jathand  tat  emavantdm 
Jjat  thwd  khshajd^  aeshem  djdt  emavantem. 

11.  Qpentem  at  thwd  Mazdd  menhi  ahurd 
Jjat  md  vohü  pairi-ga^at  mananhd 
Jjat  khshmd  ukhdhdis  didanhe  paourvim 
Qddrd  moi  ^ä(^  mashjaeshü  zarazdditis 
Tat  verezjeidjdi  hjat  moi  mraotd  vahistem. 

12.  Jjatcd  moi  mraos  ashem  gago  frdkhshnene 
At  tu  moi  lioit  agrustd  pairjaoghzd 
Uzireidjdi  pard  jjat  moi  dgimat 
^raosho  ashi  mäzdrajd  hacimno 

Jd  ve  ashis  rdiidibjo  gavoi  viddjdt. 

13.  ^pentem  at  thwd  Mazdd  menhi  ahurd 
Jjat  md  vohü  pairi-gagat  mananhd 
Arethd  voizdjdi  kdmahjd  tem  moi  ddtd 
Dar eg ahjd  jaos  jem  vdo  naecis  ddrstd 

Ite  vairjdo  gtois  jd   thwahmi  khshathroi  vdci. 


I 


Haugy  die   Gdthä's  des  Zarathustra.   II.  5 

6.  In-qiio  sancte  te  vidi  spiritus  exitu  venisti  Sapiens !  pos- 
sessione  in-hoc  bona  inente.  Cujus  actionibus  praedia  per- 
petuo  circumvallantur  :  iis  lege«  indicat  Pietas  tui  intel- 
lectus  quem  nemo   decipiat. 


7.  Sanctum  ita  le  Sapiens!  cogitem  vive!  quod  me  bona  cir- 
cum-ivit  mente  interrogavitque  me :  quis  es?  cujus  es? 
Quomodo  hodie  valida  incremento  meditaris  pro  tuis  praediis 
corporibusque? 


Sic  huic  dixi :  Zarathustra  primum  ego  sum;  praesens  inimi- 
citias  quum  exhibeam  mendaci  tum  veraci  auxilium  velim- 
esse  robustum.  Taradiu  expergefactiones  in-quoque-cupido 
possessionis  ponam   quamdiu  te  Sapiens  laudo  et-amplifico. 


9.  Sanctum  ita  te  Sapiens!  cogitavi  vive!  quod  me  bona  cir- 
cumivit  mente.  Hujus  incrementum  cui  indicam,  tu-vis? 
Ita  in  tuo  igne  sacrificantium  laude  veritatis  me  quamdiu 
potero,  commonefaciam ! 


10.  Sic  mihi  des  verum  :  quod  me  appello  Pietate  comitatus 
quidem  pium ;  interrogemque  nobis-duobus  quae  a  te  haec- 
illa  interrogata  (interroganda)  sunt,  ut  interrogatum  enim 
te,  sicut  ahquis  id  e-potentibus  facit,  ut  te  rex  incendium 
faciat  potens. 

11.  Sanctuuj  ita  te  Sapiens!  cogitavi  vive!  quod  me  bona  cir- 
cunriivit  mente,  itaque  vos,  quum  verbis  deleam  primum 
inimicos  mihi  quum-sum  inter  hoinines  animum-proniptum- 
habens,  hoc  perficiendum  illud  mihi  dicite  optimum. 


12.  Et-quod  mihi  dixisti  verum,  venisti  ad-cognoscendum;  sed 
tu  milii  non  sine-tradita-doctrinä  imperasti  j)rodire,  ante- 
quam  mihi  adiit  (^raosha  a-veritate  magnifica  comitatus 
quae  vestrüm  veritates  lignis-ad-ignem-eHciendum-destinatis 
utilitati  distribuat. 

13.  Sanctum  ita  te  Sapiens!  cogitavi  vive!  quod  me  bona 
circumivit  mente;  res  venire  amoris!  iliam  mihi- date  longin- 
qui  aevi  quem  vestrum-duorum  nemo  detineat  itioni  excel- 
ientis  mundi   qui   in-tuo  regno   <lictus-esf. 


Haui»;,   die   Gdthas  des   Zarathiistra.    II. 


14.  Hjat  nd  frjäi  vaMemnu  i^'vd  dg^idit 
Maibjo  Mazda  tavd  rafenu-frdkhshnenetn 
Jjat  thwd  hhshathrd  as/idt  hacd  frästd 
Uzireidjdi  azem  garedando  f^enhahjd 
Maf  täis  Vi^pdis  joi  toi  mäthrd  marente. 

15.  ^peritem  af  thwd  Mazdd  meiihi  ahurd 
Jjat  md  vohü  pairi-gagat  mananhd 
Dakhshaf  ushjd  tüsnd-maitis  vahistd 

Noit  nd  paourus  dregvato  qjdt  cikhsknusho 
At  toi  vigpeng  angrehg  ashdimo  ddare. 

16.  At  ahurd  hvo  mainjüm  Zarathustro 
Verente  Mazdd  jegte   ciscd  gpenisto 

Agtvat  ashem  qjdt  ustdnd  aogonhvaf 
Qeng-daregol  khshathroi  qjdt  Armaitis 
Ashim  skjaothandis  vohii  daidit  mananhd. 


9.     (44.) 

1.  Tat  thwd  peregd  eres  möi  vaocd  ahurd 
Nemanho  d  jathd  neme  khshmdvato 
Mazdd  frjdi  thwdväg  gaqjdt  mavaite 
At  ne  ashd  fr  ja  dazdjdi  hdkurend 
Jathd  ne  d  vohü  gimat  mananhd. 

2.  Tat  thwd  peregd  eres  moi  vaocd  ahurd 
Kathd  anheus  vahistahjd  paourvim 
Käthe  güidjdi  je  i  paitishdt 

Hvo  zi  ashd  gpento  irikhtem  vigpoibjo 
Hdro  mairijü  ahübis  urvatho  Mazdd. 

3.  Tat  thwd  peregd  eres  moi  vaocd  ahurd 
Kagnd  zäthd  patd  ashahjd  paourujo 
Kagnd  qeng  gtaremcd  ddt  advdnem 

Ke  jd  mdo  ukhshjeiti  nerefgaiti  thwat 
Tdcit  Mazdd  vagemi  anjdcd  vtduje. 

4.  Tat  thwd  peregd  eres  moi  vaocd  ahurd 
Kagnd  deretd  zämcd  ade  nabdogcd 
Avapagtois  ke  apö  urvardogcd 

Ke  vdtdis  dvänmaibjagcd  jdo  get  dgü 
KaQud  vanheus  Mazdd  dämis  mananhd. 


1 


Haug,   die   Gäthas  des   Zarattiustra.    IL  7 

14.  Idcirco  vir  aiiiico  possidens  potens  dedit  mihi  Sapiens !  tuae 
felicitatis  cognitionem,  quia  postquam  a-te  possessiones  veri- 
tatis  causa  profectae-sunt,  prodire  ego  promptus-fui  varia- 
genera-habens  orationis  cum  illis  omnibus  qui  tibi  carmina 
recitant. 

15.  Sanctum  ita  te  Sapiens!  cogitem  vive!  itaque  me  bona 
circumivit  mente.  Flagrans  lucenda  sit  beatitudo  optima! 
Non  vir  multus  mendacis  sit  venerator!  sed  hi  vmerentur 
omnes  inflammatores  veracis  ignis. 


16.  Sic  vive!  ille-ipse  spiritum  sanctum  Zarathustra  eligenti 
Sapiens!  adorat  et  quisque  sanctissimus.  Existens  veritas 
sit  substantiae  valida,  in-solem-spectante  possessione  sit 
Pietas!      Veritatem  actionibus  bona  dedit  mente. 


9.    (44.) 

1.  Hoc  te  interrogem  rectum  mihi  die  vive!  in  laude  quo- 
modo  laudem  vestram  Sapiens  amico  tui-similis  amicus  in- 
dicet  mei-simili  et  nobis  vera  amica  dare  sacrificia  quomodo 
ad  nos  bona  veniat  mente. 


2.  Hoc  te  interrogem  rectum  mihi  die  vive!  Quomodo  vitae 
optimae  primum?  Unde  utilitatem  afferre  illi  qui  hie 
praesens-sit?  Ille-ipse  enim  vere!  sanctus  depulsio  malorum 
omnibus,  custos,  spiritus !  vitis   adjutor  Sapiens! 


Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Qui-vir  genitor 
pater  V^eri  primus?  qui-vir  solem  (soIi)  stellamque  (stellis- 
que)  creavit  viam?  Quis  efficit  quae  (ut)  luna  crescat  et 
diminuatur  praeter-te?  Haec-omnia  Sapiens!  cupio  aliaque 
scio-mihi. 

Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Qui-vir  tenebat 
terramque  supra  nubesque?  Campi  quis  aquas  arboresque? 
quis  cum-ventis  tempestatibusque  est  quippe-quae  veloces? 
Qui-vir  bonae  Sapiens!  creaturas-habens  mentis? 


Haag,  die   Gdthas  des   Zarathusira.   II. 

5.  Tat  ihwd  pere^ä  eres  moi  vaocd  ahurd 
Ke  hvdpdo  raocdogcd  ddt  temdo^cd 

Ke  hvdpdo   qafnemcd  ddt  zaemdcd 
Ke  jd  ushdo  arem-püfnod  khshapdcd 
Ja  manot/ms  cazdonhvantem  arethahjd. 

6.  Tat  thwd  pere^d  eres  moi  vaocd  ahurd 
Jd  fravakhshjd  jezi  td  athd  haithjd 
Ashem  skjaothandis  debäzaiti  Armaitis 
Taibjo  khshathrem  vohu  cina^  mananhd 
Kaeibjo  azim  rdnjo^keretim  gäm  tashö. 

7.  Tat  thwd  pere^d  eres  moi  vaocd  ahurd 

Ke  berekhdhäm  tdst  khshathrd  mat  Armaitim 
Ke  uzemem  coret  vjdiiajd  puthrem  pithre 
Azem  tdis  thwd  frakhshne  avdmi  Mazda 
(^pentd  mainjii  vi^pandm  ddtdrem. 

8.  Tat  thwd  pere^d  eres  mni  vaocd  ahurd 
Menddidjdi  jd  toi  Mazdd  ddistis 
Jdcd  vohü  ukhdhd  frashi  mananhd 
Jdcd  ashd  anheus  arem  vaedjdi 

Kd  me  urvd  vohu  urvdkhsat  dgemat  td. 

9.  Tat  thwd  pere^d  eres  moi  vaocd  ahurd 
Kathd  moi  jdm  jaus  daenäm  jaozddne 
Jdm  huddnaos  paitis  ^aqjdt  khshathrahjd 
Ereshvd  khshathrd  thwdvdt;  aqistis  Mazdd 
Hademoi  ashd  vohucd  skj(7^  mananhd. 

10.  Tat  thwd  pere^d  eres  moi  vaocd  ahurd 
Tarn  daendm  jd  hdtdm  vahistd 

Jd  moi  gaethdo  ashd  frddoit  hacemnd 
Armatois  ukhdhdis  skjaothand  eres  daidjdt 
Maqjdo  ä\t6is   thwd  istis  u^en  Mazdd. 

11.  Tat  thwd  pere^d  eres  moi  vaocd  ahurd 
Kathd  teng  d  ve  gamjdt  Armaitis 
Jaeibjo  Mazdd  thwoi  vashjeite  daend 
Azem  toi  dis  paourujo  fravoivide 

Vi^pmg  anjeng  manjeus  gpagjd  dvaeshanhd. 

12.  Tat  thwd  pere^d  eres  moi  vaocd  ahurd 
Ke  ashavd  jdis  pere^d  dregvdo  vd 
Katarern  d  anrö  vd  hvo  vd  angro 

Je  md  dregvdo  thwd  ^avd  paiti  erete 
CjanghaJ  hvo  noit  ajem  anrö  mainjete. 


I 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathusira.  IL  9 

5.  Hoc  te  interrogein  recte  mihi  die  vive!  Quis  bonis-operi- 
bus-praeditas  lucesque  creavit  tenebrasqiie?  Quis  bonis- 
operibiis-praeditos  somnumqiie  creavit  actumqiie?  Quis 
creavit  quae  aurora  meridies  noxque  quae  inveutrices  divi- 
nam-revelationem-habenti  rerum  sunt? 

6.  Hoc  te  interrogein  recte  mihi  die  vive!  quae  praedicare- 
velim  si  haec  porro  praesentia  (sequentia)  praedicata  sunt. 
Verum  actibus  duplicat  Pietas.  Tibi  possessionem  bona 
colligens  est  mente.  Quibus  invictam  Ränjoskereti  appella- 
tam  bovem  finxisti? 

7.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Quis  excelsam 
finxit  cum  possessionibus  Terram?  Quis  excelleutem  in-cursu 
texturä  filium  a-patre?  Ego  harum-rerum-causa  te  cogni- 
tioni  adeo,  Sapiens!  sanete  spiritus!  omnium  rerum  crea- 
torera. 

8.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  ad-cogitationem- 
faeiendam  quae  tibi  sit  Sapiens  ratio,  et-quae  bona  dieta 
promotio  mente  et-quae  vera  vitae  in-promptu  sint  ad-pos- 
sidendum,  qui  animus  bonum  edieit  ut  appropinquet  idem? 


9.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Quomodo  mihi 
illam  religionem  quam  sanete  religionem  sanetificem,  quam 
bonis-donis-praedito  eoram  praedieet  rege  magno  imperio, 
tuus  amicus  integritates  Sapiens!  in-consessu  verä  bonäque 
adjuvans-est  mente. 

10.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  hanc  reHgionem 
quae  earum- quae -sunt  optima,  quae  mihi  praedia  vero 
tueatur  comitata,  Pietatis  verbis  cerimonias  recte  faciat, 
meae  scientiae  te  veneratio  petens  Sapiens! 


11.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Quomodo  ad  eos 
vestrum  veniat  Armaitis,  quibus  Sapiens  per-te  affertur 
doctrina.  Ego  tibi  ab-his  primus  agnitus-sum;  omnes  alios 
spiritu  aspiciam  odio. 


12.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Quis  est  verax 
quorum-causa  interrogem  aut  mendax?  Apud  utrum  vel 
niger  spiritus  iile-ipse  vel  lucidus?  Qui  me  mendax  te 
robore  aggreditur,  qua-de-causa  ille-ipse  non  idem  niger 
creditur? 


10  Haug,  die   Gdthd's  des  Zarathustra.   IL 

13.  Tat  thwd  pere^ä  eres  moi  vaocd  ahurd 
Kathd  dru^em  nis  ahmat  d  nis-ndshdmd 
Terlg  d  avd  joi  a^rustois  perendohho 
Noit  ashahjd  ddi  vjeinti  hacfmnd 

Noit  fraqjd  vanheus  cähhnare  mananho. 

14.  Tat  thwd  -pere^d  eres  moi  vaocd  ahurd 
Kathd  ashd  drugem  djäm  zagtajö 

Ni  Mm  meräzdjdi  thwahjd  mdthrdis  ^eng.hahjd 

Emavaitim  ^inäm  ddvoi  dregva^u 

A  is  dvafsheng  Mazdd  andsc  ä^tä^cd. 

15.  Tat  thwd  peregd  eres  moi  vaocd  ahurd 
Jezi  ahjd  ashd  poimat  khshajehi 

Hjat  hem  Qpddd  anaocanhd  gamaete 
Avdis  urvdtdis  jd  tu  Mazdd  didereghzo 
Kuihrd  ajdü  kahmdi  vananäm  daddo. 

16.  Tat  thwd  peregd  eres  moi  vaocd  ahurd 
Ke  verethrem  gd  thwd  p6i^erig,hd  jvi  henti 
Cithrd  moi  dam  ahubis  ratüm  cizdi 

At  hol  vohü   (^raosho  gantü  mananhd 
Mazdd  ahmdi  jahmdi  vashi  kahmdicit. 

17.  Tat  thwd  pere^d  eres  moi  vaocd  ahurd 
Kathd  Mazdd  zarem  cardni  hacd  khshmat 
Agkitim  khshmdkdm  jjafcd  moi  qjdt  vdkhs  aesho 
(^aroi  büzdjdi  haurvdtd  ameretdtd 

Avd  mäthrd  je  rdthemo  ashdt  hacd. 

18.  Tut  thwd  peregd  eres  moi  vaocd  ahurd 
Kathd  ashd  tat  mizdem  haudni 

Da^d  agpdo  arshnavaitis  ustremcd 
Jjat  moi  Mazdd  apavaiti  haurvdtd 
Ameretdtd  jathd  hi  taeibjo  ddonhd. 

19.  Tat  thwd  pere^d  eres  moi  vaocd  ahurd 
Ja^tat  mizdem  hanente  noit  dditi 

Je  it  ahmdi  erezukhdhdi  na  ddite 
Kd  tem  ahjd  mainis  anhat  paouruje 
Vidvdo  aväm  jd  im  anhat  apemd. 

20.  Cithend  Mazdd  hukhshathrd  da4vd  donhare 
At  it  pere^d  joi  peshj&iilti  aeibjo  kam 

Jdis  gäm  karapd  u^ikhscd  aeshmdi  ddtd 

Jdcd  kavd  änmaine  urüdüjatd 

N6it  him  mizen  ashd  vdgtrem  frddanhe. 


Haug,  die  Gdthä's  des  Zarathustra.   II.  11 

13  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Quomodo  menda- 
cium  furas  ab-hoc-/oco  depelleiites-deleamus  ad  eos  iliuc 
qui  inobedientiae  pleiii  non  pro  Vero  pugnant  id  tanquam- 
sequentes,  non  promotione  bonae  acquiescunt  mentis? 


14.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Quomodo  vero 
Mendaeium  tradam  in-manus  ad  id  interficiendum  tnae  car- 
minibus  laudis?  efficacem  incantationem  in-dando  (quum 
das)  in-mendaces,  in  bis  ambiguitates  Sapiens!  deleo 
angustiasqne. 

15.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Si  hujus  Vere! 
medullam  possides  quum  duö-exercitus  non-loquentes  con- 
grediuntur,  illis  dictis  quae  tu  Sapiens!  confirmare-volens 
e*  ubi  aut  cui  dominorum  illam  dedisti? 


16.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive !  Quis  daemones- 
inimieos  necavitve  forma  qui  sunt  diversä  ut  mihi  ponerem 
eum-vitis  legem  in-cognitione?  Sic  igitur  bona  ^raosha 
pugnet  mente,  Sapiens!   ei  cui  propitius-es  unieuicunque. 


17.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Quomodo  Sapiens! 
ad-cantum  curram  a  vobis  factum  in-habitationem  vestram? 
itaque  mihi  est  vox  petens  in-tutela  me  futurum-esse  in- 
cohimitate  immortalitate,  illo  carmine,  quod  thesaurus  est 
Veri. 

18.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Quomodo  Vere! 
hanc  oblationem  largiar  decem  equas  gravidas  et-amplius, 
unde  mihi  Sapiens !  futurae-duae  sint  incolumitates  immor- 
talitates-duae  sicut  duas  his  dare-possis. 


19.  Hoc  te  interrogem  recte  mihi  die  vive!  Qui  hanc  oblatio- 
nem largienti  non  dat  qui  id  huic  recte-dicenti  non  dat, 
quae  ei  ejus  cogitatio  erat  prima,  quufn  sciens  sit  illam, 
quae  ei  erat  ultima? 


20.  Quid  enim  Sapiens  bonum-regnum-habens!  Daevae  erant? 
Sie  id  interrogem  qui  oppugnant  sibi  existentiam,  quibus- 
cum  terram  saerificulus-idolorum  augurque  Impetui  tradidit, 
et-quae  pontifex-deorum  sibi-ipsi  nactus-est.  Non  ei  largiens 
sis  Vere!  agrum  hereditati! 


12  Haag,  die   Gdthd's  des  Zarathustra.   IL 

10.     (45.) 

1.  At  fravakhshjd  nü  gushödüm  nü  ^raotd 
Jaecd  a^andf  jaecd  durdt  ishathd 

Nu  im  vi^pd  cithre  zi  mazddonho  dum 
Noit  daibitim  dus-^a^tis  ahäm  meräs/ijdt 
Akd  varand  dregvdo  hizvd  d  vareto. 

2.  At  fravakhshjd  anheiis  mainju  paouruje 
Jajdo  ^panjdo  uiti  mravat  jem  anrem 
Noif.  nd  mundo  noit  ^engjtd  noit  khratavu 
Naedd  varand  noit  ukhdhd  naedd  skjaothand 
Noit  daendo  noit  urväno  hacainti. 

3.  At  fravakhshjd  anheus  ahjd  paourvim 
Jäm  möi  vidvdo  Mazddo  vaocat  ahurd 
Jöi  im  ve  noit  ithd  mäthrem  vareshenti 
Jathd  im  mendicd  vaucacd 

Aeibjo  anheus  avöi  anhat  apemem. 

4.  At  fravakhshjd  anheus  ahjd  vahistem 
Ashdt  hacd  Mazddo  vaedd  je  im  ddt 
Ptarem  vanheus  verezjafito  mananho 
At  hoi  dugedd  huskjaothand  Armaitis 
Noit  diwzaidjdi  vigpd  hisha^  ahuro. 

5.  At  fravakhshjd  jjat  mSi  mraot  ^peiltöiemo 
Vace  ^ruidjdi  jjat  maretaeibjo  vahistem 
JSi  moi  ahmdi  ^eraoshem  ddn  cajat^cd 
Upd  gimen  haurvdtd  ameretdtd 

Vanheus  manjeus  skjaothandis  Mazddo  ahuro. 

6.  At  fravakhshjd  vi^pandm  mazistem 
^tava^  ashd  je  huddo  joi  henti 
(^pentd  mainju  ^raotü  Mazddo  ahuro 
Jehjd  vahme  vohü  frashi  mananhd 
Ahjd  khratü  fro  md  (;d<^tü  vahistd. 

7.  Jehjd  gavd  ishdonti  rddanho 
Joi  zi  gvd  donharecd  bvaintiöd 
Ameretditi  ashaonö  urvd  aesho 
Utajütd  ja  neräs  «;ddrd  dregvato 
Tdcd  khshathrd  Mazddo  dämis   ahuro. 

8.  Tem  ne  ^taotdis  nemanho  d  vivaresho 
Nü  zit  cashmaini  vjddare^em 

Vanheus  manjeus  skjaothanahjd  ukhdhaqjdcd 

Vidus-ashd  jem  Mazdäm  ahurem 

At  hol  vahmeng  demdne  garo  niddmd. 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.   IL  13 

10.     (45.) 

1.  Sic  pronnnciabo  nunc  aures-praebete,  nunc  audite,  et-qui 
comminus  et-qui  eininus  venistis,  nunc  quidem  oinnia  pro- 
nnnciabo; noverunt  enim  sapientes  par  spirituum.  Ne  se- 
cundam  male-loquens  vitam  occidet,  nequam  religionem 
mendax  in  linguä  confitens ! 

2.  Sic  pronnnciabo  vitae  spiritus-duos  primos,  quorum-duorum 
ita  sanctior  dixit  ad-eum-qm  improbus  spiritus  est :  Nonne 
cogitationes,  nonne  verba,  nonne  intellectus,  neque  doctrinae, 
nonne  dicta  neque  ceremoniae,  nonne  meditationes,  nonne 
animi  me  sequuntur? 

3.  Sic  pronunciabo  vitae  hujus  primam  meditationem ,  quam  mihi 
sciens  Sapiens  dixit  vivus;  iis  qui  illud  vestrüm  non  ita 
effatum  exercent,  sicut  id  et-cogitem  et-dicam :  bis  vitae 
auxilio  sit  ultimum ! 


4.  Sic  pronunciabo  vitae  hujus  optimum  veri  Sapiens  gnarus- 
est  qui  id  dedit,  pater  bonae  efficacis  mentis.  Etiam  ei 
filia  bonum-faciens,  Pietas;  non  i\eci\n-potest  omnia  esse- 
faciens  vivus. 


5.  Sic  pronunciabo  quod  mihi  dixit  sanctissimus  verbum  ad- 
audiendum,  quod  hominibus  optimum,  iis  qui  mihi  huic 
voci  auditum  praebent  et-qui  huc  venerunt.  Incolumitate, 
immortalitate  bonae  mentis  actionibus  praeditus-est  Sapiens 
vivus. 

6.  Sic  pronunciabo  omnium  maximum  laudans  vera,  qui  bonum- 
faciens,  qui  bonum-facientes  sunt  cum-sancto  spiritu.  Audito 
Sapiens  vivus,  cujus  bonitas  bona  promotio  est  mente,  ejus 
intelhgentiä  me  gubernet  optima. 

7.  Cujus  potentiä  veniunt  actus  (gen.)  qui  enim  viventes 
et-erant  et-erunt;  in-immortalitate  veracis  animus  studens 
aeternä  quae  virorum  deletrix  improborum  est.  Et-häc 
possessione  Sapiens  creaturas-habens  vivus  praeditus  est. 

•8.  Hunc  nostrum  laudationibus  in  veneratione  amplificare-cu- 
piens  nunc  enim  oculo  perspexi,  boni  spiritus,  bonae  actionis 
boni  verbique,  sciens-verum  qui  est  Sapiens  vivus.  Ita  ei 
bonitates  in  habitatione  cantorum  deponemus. 


14  Haug^   die    Gdthas  des   Zarathustra.    IL 

9.     Tern  7ie  vohit  mai  manahhd  cikhshiuishd 
Je  ne  u^en  coret  gpeilcd  a^pencd 
Mazddo  hhshathrd-varezmdo  djdt   ahtiro 
Pagus  vir  eng  ahmdkeng  fradathdi  d 
Vanheus  ashd  haozäthwdf  d  manahho. 

10.  Tem  ne  ja^ndis  drmatois  mimaghzo 
Je  änmaini  Mazddo  ^rdvi  ahuro 
Jjaf  hoi  ashd  vohucd  coist  mananhd 
Khshathroi  hol  haurvdtd  ameretdtd 
Ahmdi  ^toi  ddn  tevishi  utajüiti. 

11.  Ja^td  daeveng  aparo-mashjä^cd 
Tarem  mdgtd  joi  im  tarem  mainjantd 
Anjefig  ahmdi  je  hoi  arem  mainjdtd 
^aoshjanto  deng-patois  ^peiltd  daend 
Urvatho  brätd  ptd  vd  Mazdd  ahurd. 


11.     (46.) 

1.  Kam  nemoi  zäm  kuthrd  nemo  ajeni 
Pairi  qaeteus  airjamanagcd  dadaiti 
Noit  md  khshndus  ja  verezend  hecd 
Naedd  daqjeus  joi  ^dgtdro  dregvailtd 
Kathd  thwd  Mazdd  hhshnaoshdi  ahurd. 

2.  Vaedd  tat  ja  ahmt  Mazdd  anaesho 
Md  kamnafshvd  hjatcd  kamndnd  ahmt 
Gerezoi  toi  d  it  avaerA  ahurd 
Rafedhrem  cagvdo  jjat  frjo  frjdi  daidif 
Akhgo  vanheus  ashd  istim  mananho. 

3.  Kadd  Mazdd  joi  ukhshdno  a^näm 
Anheus  darethrdi  fr 6  ashahjd  frdrente 
Verezddis  geng^hdis  gaoshjafitdm  khratavo 

Kaeibjö  üthdi  vohü  gimat  mananhd 
Maibjo  thwd  gdgtrdi  verene  ahurd. 

4.  At  teng  dregvdo  jefig  ashahjd  vazdreng  pdt 
Gdo-froretois  shoithrahjd  vd  daqjeus  vd 
Duzazobdo  hdg  qdis  skjaothandis  ahem-ugto 
Jaqtem  khshathrdt  Mazda  moithat  gjdteus  vd 
Hvo  teng  fro  gdo  pathmeng  hucigtois  carat. 


I 


Haug,   die  Gdthd's  des  Zarathusira.   IL  15 

9.  Hunc  nostriim  bona  cum  inente  venerari-cupiens  sum  qui 
nobis  ,propitiiis-est  semper  cum-hix-sit  tum  non-lux-*if  ,• 
Sapiens  possessiones-cum-labore-faciens  det  vivus  pecudes  et 
viros  nostros  in-incrementum,  bonae  vera  protegat  per  no- 
bilitatem  mentis. 

10.  Hunc  nostris  precibus  pietatis  extollere-cupiens  sum,  qui 
per-se-ipsum  Sapiens  audiebatur  esse  vivus,  quum  sibi 
vera  bonäque  intelligens  sit  mente.  In  regno  ejus  incolu- 
mitates  immortalitates-duae;  huic  mundo  dans  est  vires- 
duas  aeternas. 

11.  Qui  eo  daemones  et-porro-homines  perversos  esse  credidit 
ülos,  quippe  qui  perversum  cogitent,  alios  illo  qui  rectum 
esse  cogitat,  ut  ignem-infiammantis  domini  meditatio  sancta 
est  —  :  sie  est  ejus  amicus  frater  vel  pater  Ahurä-mazdä. 


\ 


11.     (46.) 

1.  Tn-quam  vertam-me  terram?  quo  fugitum  eam?  quae  cir- 
cumdet  domesticum  clientemque.  Nemo  est  me  venerans 
omnium,  quae  mancipia  ulJa  sunt,  neque  ii  qui  provinciae 
tyranni  iraprobi  sunt.     Quomodo  te  Sapiens!  venerer  vive? 


2.  Scio  hoc,  quod  sum  Sapiens!  inops;  me  inter  fideles, 
etenim  fidelis-vir  sum,  querentem  apud  te  de-hoc  aspice 
vive!  fortunam  distribuens !  quum  amicus  amico  dedit,  tenes 
bonae,  Vere!  beneficium  mentis. 


3.  Quando  Sapiens !  ii  qui  indicatores  dierum  sunt  vitae  susten- 
tationi  veri  prodeunt.  —  Confectis  carminibus  ignem-inflam- 
mantium  intelligentiae  sunt.  —  Quibus  auxilio  bona  venit 
mente?  —  Mihi  te  laudatori  eligo  vive! 


4.  Sic  hos  mendax  Veri  campos  tenet  terram-tuentis  sive  re- 
gionis  sive  provinciae,  malum-invocans  qui-est  suis  actioni- 
bus  non-successum-habens.  Qui  hunc  e-regno  Sapiens! 
detrudit  vel  possessiones  ille-ipse  porro  terrae  vias  bonae- 
scientiae  ingreditur. 


16  Hang,  die   Gät/iäs  des  Zarat/iusfrn.    IL 

5.  Je  vd  khshajäf^  add^  dntd  ajantem 
Urvätois  vd  huzentas  mithroibjo  üd 
Rashnd  ^väg  je  ashavd  dregvafitem 
Vieira  häg  tat  fro  qaetave  mrujdt 
Uzüithjoi  im  Mazda  khrdnjdt  ahurd. 

6.  At  jagtem  7i6it  nd  i^mann  djdt 
Drügo  hvö  ddmän  haethahjd  gut 
Hvo  zi  dregvdo  je  dregvdite  vahistö 
Hvo  ashavd  jahmdi  ashavd  frjo 
Jjat  daendo  paourujdo  ddo  ahurd. 

7.  Kern  nd  Mazdd  mavaite  pdjüm  daddt 
Jjat  md  dregvdo  didareshatd  aenanhe 
Anjem  thwahmdt  dthraccd  mananha^cd 
Jajdo  skjaothandis  ashem  thraostd  ahurd 
Tarn  möi  dd(;tväm  daenajdi  frdvaocd. 

8.  Je  vd  moi  jdo  gaethdo  dazdi  aenanhe 
Noit  ahjd  md  dthris  skjaothandis  frögdt 
Paitjaoget  td  ahnidi  ga^oit  dvaeshanhd 
Tanvem  d  jd  im  hugjdtois  i)djdf 

Noit  duzgjdtöis  kdcit  Mazdd  dvaeshanhd. 

9.  Ke  hvo  je  md  aredro  coithat  paourujö 
Jathd  thwd  zevistim  uzemohü 
Skjaothanoi  qpentem  ahurem  ashavanem 
Jd  toi  ashd  jd  ashd  geus  tashd  mraot 
Ishenti  md  td  toi  vohü  mananhd. 

10.  Je  vd  moi  nd  gend  vd  Mazdd  ahurd 
Ddjdt  anheus  jd  tii  voi^td  vahistd 
Ashim  ashdi  vohü  khshathrem  mananhd 
Jd^cd  hakhshdi  khshmdvatäm  vahmdi  d 
Fro  tdis  vigpdis  cinvato  frafrd  perefüm. 

11.  Khshathrdis  jügen  karapano  kdvaja^cd 
Akdis  skjaothandis  ahüm  merengedjdi  mashim 
Jeng  qe  urvd  qaecd  khraozdat  daend 

Jjat  aibi-gemen  jathrd  cinvato  peretus 
Javoi  vigpdi  drü^o  demdndi  a^tajo. 

12.  Jjat  wf  ashd  naptjaeshü  nafshiicd 
Türahjd  uzgen   Frjdnahjd  aogjaeshü 
Armatois  gaethdo  frddo  thwakhshanhd 
At  IS  vohü  hem ,  aibi-moi^t  mananhd 
Aeibjo  rafedhrdi  Mazddo  ^a^ti  ahuro. 


I 


Hang  f  die   Gdthas  des  Zarathustra.   IL  17 

Qiii  vel  regnans  futurus  teilet  exeuritem  ex-jurejurando  vel 
qui  nobilis  aliquem  e-promissis  vel  rectitndine  viveiis  qui 
verax  tenet  mendacem,  cogaoscens  hic-qui-est,  hoc  domin o 
indicet,  in-inopia  is  Sapiens  miser-sit  vivus! 


6.  At  qui  eiim  non  vir  quum-potest  adeat  mendacii  ille-ipse 
ad-statuta  praesentis  eat;  ille-ipse  eniin  mendax  est  qni 
mendaci  optimus,  ille-ipse  verax  cui  verax  amicus  est.  Sic 
sententias  antiquas  dabas  vive! 


7.  Quemnani  Sapiens!  meo  tutorem  dedit,  quum  me  mendax 
aggredi-studeret  damno,  alium  te  igneqne  menteqne,  quo- 
nim-duorum-actionibus  verum  creavisti  vive!  Hanc  mihi 
virtutem  religioni  indica. 


8.  Qui  vel  mihi  praedia  dat  damno,  non  suis  me  ut  ignera- 
venerans  actionibus  eligit;  ultor  eodem  huic  veniat  odio  in 
corpus,  quä-de-causä  eum  a-bonä-possessione  detineat,  non 
a-mala-possessione  quaque  Sapiens !  inimicitiä  praeditih 


9.  Quis  ille-ipse,  qui  me  adjuvans  cognoscentem-fecit  primus, 
ut  te  venerabunduin  in-maximis-rebus,  in-actione  vivum, 
veracein?  Quae  tibi  vera,  quae  vera  terrae  formator  dixit, 
veniunt  ad  me  ea  tuä  bona  mente. 


10.  Qui  vel  mihi  vir  vel  mulier,  Sapiens  vive!  faciat  vitae, 
quae  tu  scis,  optima,  veritatem  vero,  bona  regnum  mente, 
et-quos  sequar  ad  vestrüm  laudem,  —  ciun-his  omnibus 
coUectoris  transibo  pontein. 


11.  Regnis  praediti-sunt  sacrificuli  et-vates  daemonum,  maus 
actionibus  vitam  ad-interficiendam  humanam,  quos  suus 
animus  suaque  stimulat  cogitatio,  ut  circumeant  hie  ubi 
collectoris  pons  est,  diuturnitati  omni  mendacii  habitationi 
existentiam-habentes. 

12.  Quum  vera  inter-gentiles  gentesque,  inimici  oriantur  Frjanae 
victores,  Pietatis  praedia  circumsepsisti  contignatione.  Sic 
illa  bona  cunctim  circum-vallavit  mente,  et  his  (gentilibus) 
fortunae  Sapiens  assignavit  vivus. 

Abhandi.  der  DMG.    H,  i.  2 


\^  Haiigy  die   Gdthas  des  Zarathustra.    IL 

13.  J^  t^püämem  Zarathustrem  rudanhä 
Maretaeshü  khshndus  hvo  na  fra^rüidjdi  eretfnvii 
At  hol  Mazdäo  ahüm  dadät  ahuro 

Ahmdi  gaethdo  vohü  frädat  mananhd 
Tem  ve  ashd  mehmaidi  hus-huhhaim. 

14.  Zarathustra  ka^te  ashavd  urvatho 
Mazoi  magdi  ke  vd  fra^rüidjdi  va^ti 
At  hvo  kavd    Vistd^po  jdhi 
Jeng-gtu  Mazdd  hademdi  minas  ahiird 
Teilg  zbajd  vanheus  Jikhdhdü  mananhd. 

15.  Haecaf-a^pä  vakhshjd  ve   ^pitamdonho 
Jjat  ddtheng  vicajathd  addthä^cd 

Tdis  jus  skjaothandis  ashem  khshmaihjd  daduje 
Jdis  ddtdis  paoirjdis  ahurahjd. 

16.  Frashaostrd  athrd  tu  aredrdis  idi 
Hvdgvd  tdis  jeng  u\'vahi  ustd  ^toi 
Jathrd  ashd  hacaite  drmaitis 

Jathrd  vanheus  mananho  istd  khshathrd 
Jathrd  Mazddo  varedemäm  shaeite  ahuro. 

17.  Jathrd  ve  afshmdm  ^enhdni 

Noit  anafshmäm   De-gdmd^pd  hvogvd 
Hadd  vi^td  vahmevg  ^raoshd  rddanho 
Je  vicinaof  ddthemcd  addthemcd 
Darigrd  mafitü   ashd  Mazddo  ahuro. 

18.  Je  maihjd  jaos  ahmdi  a<;cit  vahistd 
Maqjdo  istois  vohü  coishem  manaiihd 
Ägterig  ahmdi  je  ndo  d^td  daiditd 

Mazdd  ashd  khshmdkem  vdrem  khshnaoshemnd 
Tat  moi  khrateus  ma?ianha^cd  vicithem. 

19.  Je  moi  ashdt  haithtm  hacd  vareshaifi 
Zarathustrdi  hjat  va^nd  frashStemem 
Ahmdi  mizdem  hanentt  pardhiim 
Mane  vigtdis  mat  vi(;pdis  gavd  azi 
Tdcit  moi  faf   tvem  Mazdd  vaedisid  ahi. 


Hang,  die   Gdthas  des  Zaratftustra.   II.  19 

13.  Qni  sanctissimum  Zarathustram  indiistriä  inter-homines  ve- 
nerans-es/j  ille-ipse  vir  ad-pronimciandam  ejus-doctrinam  aptiis 
est;  et  hiiic  Sapiens  vitam  dedit  viviis,  liuic  praedia  bona 
circumsepsit  mente ;  eum  vobis ,  Vere !  putamus  esse  bonum- 
amicnni. 

14.  Zarathustra!  qiiis  tibi  verax  cultor  est  magnae  inagnitiidiuiV 
-    vel  qnis   proniinciare  id  vult?     Sic  ille-ipse  Kavä  Vistä9pa 

talia  vult.     Qiios  tu  Sapiens  in-consessn   separas  vive!    hos 
adorabo  bonae  vocibiis  nientis. 


15.  Haecat-a9pae !  dicam  vobis  sancti!  quoniam  jiira  distinguitis 
injuriasque,  bis  vestris  actionib.us  verum  a-vobis  datum-est, 
quibus  legibus  primis  vivi ! 


16.  Fi;ashaostra  illuc  tu  cum-adjutoribus  i  auguste !  bis  quos 
diligimus-nos-duo  saluti  mundi,  ubi  veritates  sequitur  Pietas, 
ubi  bonae  nientis  cultRe-simt  possessiones^  ubi  Sapiens 
arcem  inhabitat  vivus. 


17.  Ubi  vobis  fausta  verba  sunt,  non  infaustam-rem  Degämä9pae 
augusti!  sed  semper  habentes  bona  cerimonias  instituentis- 
et-perficientis,  qui  distinxit  et-jus  et-injuriam  vehementi  in- 
telligentiä  verä  Sapiens  vivus. 


18.  Qui  mihi  salutem  praebet,  ei  valde-quaecunque  optima  meae 
fortunae  bona  colligam  mente;  angustias  colligam  ei  qui 
nos-duos  angentes  faciat.  Sapiens  vere !  vestram  opem  im- 
plorans  sim  hoc  mei  intellectus  et  mentis  consilium  est. 


19.  Qui  mihi  per  veritatem  realem-mundum  efficit  Zarathustrae 
ut  sit  sponte  maximum-incrementum-habens,  huic  ut  prae- 
mium  tribuunt  primam-vitam  et  mentein  (vitam  spiritualem) 
comparatis  cum  omnibus  rebus  in-terrä  indelebili;  hacc-quae- 
cunqiie,  mihi  qui-es,  tu  Sapiens!  maxime-possidens  es. 


2* 


IIL 
G  ä  t  h  ä     g  p  e  ii  t  ä  -  m  a  i  n  j  ü. 

(Jagna  capp.  47  —  50.) 

Nemo  ve  gdthdo  ashaonh. 

12.     (47.) 

1.  ^peiitd  mainju  vahistdcd  mananhd 
Hacd  ashdt  skjaothandcd  vacanhdcd 
Ahmdi  da  haurvdtd  ameretdtd 
Mazddo  khshathrd  drmaüi  ahuro. 

2.  Ahjd  manjeus  ^penistahfd  vahistem 
Hizvd  ukhdhdis  vanheus  eed  nü  mananho 
Armatoü  zagtoihja  skjaothand  verezjat 
Ojä  cigti  km  ptd  ashahjd  Mazddo. 

3.  Ahjd  manjeus  tvem  ahi  td-^pefito 

Je  ahmdi  gdm  rdnjugkeretim  hem-tashaf 

At  hol  vd^trd  rdmd  däo  drmaitim 

Jjat  kern  vohü  Mazdd  hem-frastd  mananhd. 

4.  Ahmdt  manjeus  rdreshjaTiti  dregvatd 
Mazddo  qpefitdt  nöit  ithd  ashaono 
Ka^uscH  nd  ashaone  kdthe  anhat 
I^vdcit  häg  paraos  akö  dregvdite. 

5.  Tdcd  ^pentd  mainju  Mazdd  ahurd 
Ashdune  cois  ja  zi  cicd  vahistd 

Hanare  thwahmdt  zaoshdt  dregvdo  hakhshaiti 
Ahjd  skjaoihandis  akdt  d-skjd^  mananho. 

6.  Td  ddo  ^pentd  mainju  Mazdd   ahurd 
Athrd  vaiihdu  vidditim  rdnoibjd 
Armatois  dehdzaiihd  ashaqjdcd 

Hd  zi  paoiirus  ishefito  vdrdite. 


m. 

Carmen,   quod  ^pentä-mainjü  dicitur. 


Laus  vobis  carmina  veracia! 

12.     (47.) 

1.  Sancto  spiiitu  optimäque  mente  veritatis  et-actioiie  et- voce 
huic  mundo  largiens  est  incolumitates  immortaKtates-duas 
Sapiens  in-regno,  et  pietate  vivus.  •► 

2.  Hujus  Spiritus  sanctissimi  Optimum  est  linguä  dictis  bonae 
quae  nunc  sunt  mentis;  pietatis  raanibus  actiones  perpetrat 
tali  scientiä  ille-ipse  pater  veritatis  Sapiens. 

3.  Hujus  Spiritus  tu  es  hoc-modo-sanctus  qui  huic  mundo 
bovem  (terram)  Ränj69keretim  appellatam  conformavit.  Tum 
ei  campis  amoenis  fecisti  Armaitim,  quum  simul-cum  bona 
Sapiens!  consultavisti  Mente. 

4.  Hoc  spiritu  nocere-student  improbi  mendace,  Sapiente  sancto 
non  ita  agunt  verace.  E-perpaucis  aliquis  veraci  quä-dc- 
causa  est,  quum  potens-quisque  est  e-multis  malus  men- 
daci? 

5.  Et-haec  sancte  spiritus  Sapiens  vive!  veraci  in-quäcunque- 
re  sunt,  quae  enim  et-qualia  optima.  Largitionem  tuä  gratiä 
praebitam  mendax  profundit,  in-hac  actionibus  mala  per- 
sistens  mente. 

6.  Hoc  posuisti  sancte  spiritus  Sapiens  vive !  igne  bono  in- 
structam  donationem  in  lignis-ad-eliciendum-ignem-destinatis, 
pietatis  duplicatione  vcritatisque-,  illa  enim  ujultos  advenien- 
tes   protegit. 


22  Hang,   die   Gdt/uVs  des   Zaraihustta.   Hl. 


13.     (48.) 

1.  Jezi  addis  ashd  drugem  vtfinhaiti 
Jjat  ä^ashutd  ja  daibitdnd  fraokhtd 
Ämeretditi  daevdiscd  mashjdiscd 

At  toi  ^avdis  vahmem  vakhshat  ahurd. 

2.  Vaucd  moi  ja  tvem  vidvdo  ahurd 
Pard  hjat  md  jd  mefig-perethd  gimaiti 
Kat  ashavd  Mazdd  venhat  dregvaiitem 
Hd  zi  anheus  vaiiuhi  viqtd  dkeretis. 

3.  At  vaedemndi  vahistd  ^dpiancini 
Ja  huddo  gd^ti  ashd  ahurd 

Qpento  vidvdo  ja^cit  güzrd  {enhdonho 
Thwdvä^  Mazdd  vanheus  khrathwd  manaiiho. 

4.  Je  ddt  mano  vahjö  mazdd  ashja^cd 
Hvo  daenäm  skjaothaiidcd  vacanhdcd 
Ahjd  zaosheng  ustis  varemng  hncaiti 
Thwq^ni  khratdo  aptmem  nand  anhat. 

5.  Hukhshathrd  khshentdm  7nd  ne  dus-khshathrd  khshentd 
Vanhujdo  cigtois  skjaothandis  Armaite 

Jaozddo  mashjdi  aipi  zäthem  vahistd 
Gavoi  verezjdtdm  t(ifn  ne  qarethdi  fshvjo. 

6.  Hd  zi  ne  hushoithemd  hd  ne   utajuiti 

'  Ddt  tevishi  vanheus  manaiiho  berekhdhe 
At  aqjdi  ashd  Mazddo  urvardo  vakhshat 
Ahnro  anheus  zdthoi  pourujehjd. 

7.  Ni  aeshemo  nt-djdtäm  paiti  remem  paiti-godum 
Joi  d  vanheus  mananhu  didraghzo  duje 

Ashd  vjäm  jehjd  hithaos  nd   ^pefitö 
At  hoi  damCin  thwahmi  dddm  ahurd. 

8.  Kd  toi  vanheus  Mazdd  khshathrahjd  istis 
Kd  toi  ashois  thwaqjdo  maibjö  ahurd 
Kd  thwoi  ashd  dkdo  aredreng  ishjd 
Vanheus  manjeus  skjaothananäm  gavare. 

9.  Kadd  vaedd  jezi  cahjd  khshajathd 

.  Mazdd  ashd  jehjd  md  dithis  dvaethd 
Eres  moi  ereiucdm  vanheus  vafus  mananho 
fidjdt  ^aoskjä^  jathd  hoi  ashis  anhat. 


Haugf  die  Gdthu's  des  Zarathustra.   HJ.  23 


13.     (48.) 

1.  Si  Ins  rebus  Vere!  mendaciiim  delet  quura  hereditate-pro- 
pagatae  sunt  quae  infestae-voces  dictae  su7it  in-immortali- 
tatem  et-a-daeinonibus  et-ab-hominibus :  sie  tuis  auxiliis 
precem-salutis  dicat  vive ! 

2.  Die  mihi  quae  tu  scieus  es  vive!  antequam  ad-me  ea  quae 
mentis  pugna  est  venit.  Numquid  verax  Sapiens!  delet 
mendacem?  hoe  enim  vitae  bonum  notum-est  facinus. 


3-  Sic  gnaro  optima  sunt  legum,  quas  bonum-faeiens  promul- 
gat  vere  vivus  sanctus  sciens  et  omnes  quicunque  arcana 
indicantes  sunt,  tui-similis  Sapiens !  bonae  intellectu  mentis. 


4.  Qui  creavit  meutern  meliorem,  pejoremque,  ille-ipse  medi- 
tationem,  et-actione  et-voce.  Hujus  arbitria  salus  et  doctri- 
nas  sequitur.  In-te  intelligentiarum-duarum  ultimum  nonne 
erat? 

5.  Bene-regnantes  regnanto,  ne  nobis  male-regnantes  regnent! 
bonae  scientiae  actionibus  Armaiti,  fortunam-das  homini 
in  genus  optimas-res,  terrae  eulturam  hane  nobis  nutri- 
mento  auges. 

6.  Haec  enim  nobis  optimam-habitationem-habens,  haec  nobis 
aeternas-duas  creavit  vires-duas  bonae  mentis  alta  (Armaiti). 
Sed  huic  vero  Sapiens  arbores  crescere-fecit  vivus,  vitae 
generi  primae! 

7.  Deponatur  impetus  deponatur!  in  destructionem  impugnate! 
quos  per  bonam  meutern  vincens-est  duos.  Vera  sequor 
cujus  officii  vir  sanctus  est  et  ejus  creaturas  in-te  pono 
(tibi  trado)  vive! 


8.  Quae  est  tibi  boni  Sapiens !  regni  comparatio  quae  tibi  ve- 
ritatis  tuae  comparatio  mihi  vive?  quae  in-te  positae  res- 
verae  ad-reales  adjutores  vcniendac  su7it,  boni  Spiritus  actio- 
Mum  praesidium? 

9.  Quando  scio,  num  et  qualis-rei  participes-eslis,  Sapiens  j 
Vere!  cujus  me  ad-rem  misistis?  Recte  mearum  rectarum- 
vocum  bonae  tclam  mentis  noscat  ignem-colens  ut  ei  veri- 
tas  sit! 


24  Hang,  die   Gdthas  des  Zarathustra.   III. 

10.  Kadd  Mazda  mänarois  naro  vigente 
Kadd  agen  müthrem  ahjd  madhahjd 
Ja  afigrajd  karapano  iirüpajemti 
Jdcd  khratü  dus-khshathrd  daqjunäm. 

11.  Kadd  Mazda  ashd  mat  Armaitis 
Gimat  khshathrd  hushitis  vdgtravaitt 
Koi  dregvodebis  khrurdis  rdmäm  ddonte 
Keng  d  vanheas  gimat  mananhu  ci^tis. 

12.  At  toi  anhcn  gaoskjanto  daqjiuidm 
Jüi  khshnum  vohü  mananhd  hacdojite 
Skjaothandis  ashd  thwahjd  Mazdd   ^enhahjd 
Toi  zi  ddtd  hamaeqtdro  aeshemahjd. 


14.     (49.) 

1.  At  md  jaüd  Beüdvö  pafre  mazisto 

Je  dus-erethris  cikhshnmhd  ashd  Mazdd 
Vanheus  ddd  gaidi  moi  d  moi  arapd 
Ahjd  vohü  aoshn  vidd  mananhd. 

2.  At  ahjd  md  Bendvahjd  mdnajeiti 
Tkaesho  dregvdo  daibitd   ashdt  rdresho 
Noif  ^pentäm  durest  ahmdi  gtoi  Armaitim 
Naedd  vohü  Mazda  frastd  mananhd. 

3.  Afcd  ahmdi  varendi  Mazdd  niddtem 
Ashem  ^üidjdi  ikaeshdi  rdshfanhe  drukhs 
Td  vanheus   ^are  izjd  manaiiho 

Autor e  vi^peng  dregvatö  hakhmeng  antare  mruje 

4.  Joi  das-khrathwd  aeshemem  vareden  rememcd 
Qdis  hizubis  fshuja^ü  afshajanto 

Jaeshäm  noif  hvarstdis  vä^  duzvarstdis 
Toi  daeoeng  ddn  jd  dregvatö  daend. 

5.  At  hvo  mazddo  izdcd  dzüitiscd 
Je  daenäm  vohil  ^drstd  mananhd 
Armatois  ka^cit  ashd  huzentus 

Tdiscd  vi^pdis  thwahmi  khshathroi  ahurd. 

6.  Fr 6  vdo  fraeshjd  Mazdd  ashemcd  mruje 
Ja  ve  khrateus  khshmdkahjd  d  mananhd 
Eres  vicidjdi  jathd  i  0-dvajaemd 

Tarn  daenäm  jd  khshmdvathö  ahurd. 


Haugy  die  Gdthd's  des  Zarathustra.   III.  25 

10.  Quando  Sapiens!  auimi-et-virtutis  viri  apparent?  Qiiando 
faciunt  contaminationem  hiijus  inebriantis-potionis?  qua  arte- 
nigra  sacrificnli-daernonum  superbiunt  et-quä  intelligentiä 
malam-possessionem-habente  provinciarum. 

11.  Quando  Sapiens!  Vere!  unä  Armaitis  venit  cum-regno, 
bonam-habitationem-praebeus,  campis-praedita  ?  Qui  contra- 
mendaces  crudeles  voluptatem  comparant?  Ad  quos  bonae 
venit  mentis  sapientia? 

12.  Sic  ii  sunt  ignem-colentes  pii  homines  provinciarum,  qui 
cultum  bona  mente  persequuntur  actionibus  vere!  tuae  Sa- 
piens! doctrinae;  tuae  enim  leges  deletrices  sunt  impetus. 


14.    (49). 

1.  Sic  ne  perpetuo  Panduides  interimens  maxiinus  sit!  qui 
raalum-incitatrices  cum-venerante  est  vere  Sapiens !  Boni 
donatione  veni  mihi,  me  adjuva,  hujus  bona  damnum  re- 
move  mente. 

2.  Sic  hujus  me  Panduidis  meditantem-facit  reh'gio  mendax 
dupliciter  veritati  nocens  est.  Non  sanctam  conservat  huic 
mundo  Armaitim  neque  bona  Sapiens!  coUoquitur  cum- 
mente. 

3.  Atque  huic  doctrinae  Sapiens  inditum  Verum  est  ad-utili- 
tatem-afferendam ;  religioni  mendaci  ad-nocendum  vanitas 
inest.  Ula  bonae  creatio  veneranda  est  mentis ;  sed  contra 
omnes  mendaces  socios  dico. 

4.  Qui  malä-intelligentiä  impetum  augent  perniciemque  suis 
unguis,  in-opulentis  non-opulenti,  quorum  nullus  bonis-factis 
praeditus  est  sed  malis-factis  :  hi  daemones  gignunt  ed  quae 
mendacis  meditatio  est. 

5.  Sic  ille-ipse  sapiens  est  et-veneratio  et-invocatio,  qui  medi- 
tationem  bona  tuetur  mente,  Pietatis  quisque  vere !  nobilis; 
et-his  Omnibus  in-tuo  regno  est  vive! 


6.  Prommdo  a-vobis-duobus  mittenda  Sapiens!  verumquc  pro- 
nuncio,  quae  vobis  intelligentiae  vestrae  in  mente  sunt., 
recte  ad-dignoscendam,  ut  id  audire-faciainus,  hanc  medi- 
tationem  quae  vestra  est,  vive! 


2G  Hang,  die   Gäthd's  des  Zarathiistra.   HL 

7.  7\itca  vohü  Mazda  graotd  mananhd 
^raotu  ashd  giishahvä  tu  ahurd 

ke  airjamd  ke  qaehis  ddtdis  anhat 
Je  verezendi  vanuhim  ddf  fraga^tim. 

8.  Frashaostrdi  urvdzistam  ashahjd  ddo 
^arem  tat  thwd  Mazdd  jd^d  ahurd 
Maibjdcd  jäm  vanhdu  thwahmi  d  khshathioi 
Javüi  vi^pdi  fraestdonho  donhdmd. 

9.  ^raotü  ^d^ndo  fsheiigjijö  ^uje  tasto 
Nüit  eres-vacdo  (^arem  dadä^  dregvdtd 
Hjat  daendo  vuhiste  jügen  müde 
Ashd  jukhtd  jdhi  De-gdmd^pd. 

10.  Tatcd  Mazdd  thwahmi  ddäm  nipdonhe 
Mario  vohü  uruna^cd  ashaonäm 
Nemagcd  jd  drmaüis  izdcd 

Mäzd  khshathrd  vazdanhd  avenürd. 

11.  At  diis-khshathreiig  dus-skjaothaneTig  duzvacariho 
Bazdaeneng  dusmananho  dregvato 

^Akdis  qarethdis  paiti  urväiio  paiti-janti 
Drügo  demdne  haithjd  anhen  a^tajo. 

12.  Kat  toi  ashd  zbajefite  avanho 
Zarathusirdi  kat  toi  vohii  mananhd 
Je  ve  ^taotdis  3Iazdd  frindi  ahurd 
Avaf  jaffff  hjat  ve   isfd  vahistem. 


15.     (50.) 

1 .  Kat  möi  urvd  i^e  cahjd  avanho 

Ke  möi  jiageus  ke  mend  thrdtd  vi^do 
Anjo  ashdt  thwatcd  Mazdd  ahurd 
Azdd  zütd  vahistdatcd  mananho. 

2.  Kathd  Mazdd  rdnjo-^'keretim  gum  isha^oit 
Je  him  ahmdi  vdgtravaitim  gtvi  u{-jdt 
Erezgis  ashd  pourushü  hvare-pishjapi 
AkdgteFig  7nd  nishd^jd  ddthem  ddhvd. 

3.  Atcit  ahmdi  Mazdd  ashd  anhaiti 

Jäm  hoi  khshathrd  vohucd  cöist  mananhd 

Je  7id  ashois  aoganhd  varedajaetd 

Jäm  nazdistäm  gaethäm  dregvdo  hakhshaiti. 


Hang,   die   Gdthas  des  Zarathustra.   III.  27 

7.  Et-hoc  bona  Sapiens!  audi  mente,  aiuli  Vere!  aures-praebe 
tu  vive!  Qui  cliens,  qui  domesticus  in-rebus-constitutis 
est,  qui  servo  bonam  tradat  laudationem? 


8.  Frashostrae  maxiuie-excellentem  veritatis  dedisti  creationeml 
hoc  a-te  Sapiens  precer  vive!  et-mihi  eam-quae  in  bono 
tuo  regno  est;  tempori  omni  missi  (nuncii)  simus! 

9.  Audiat  leges  ditior  (ditissimus)  ntilitati  creatus,  non  rectum- 
loquens  creationein  praebens  sit  mendaci !  quum  meditatio- 
nes  optimo  conjungantur  praemio,  vero  conjuncti  qui-iidem- 
duo  sunt  Degämä9pae. 

10.  Et-hoc  Sapiens!  in-te  posui  ad-tuendum  mentera  bonam 
animosque  veracium  adorationemque  quae  est  pietas  pre- 
catioque,  magnitudine,  regno,  possessione  auxilium-lar- 
giente. 

11.  At  in-male-regnantes,  male-facientes,  male-loquentes  male- 
raeditantes,  male-sentientes  improbos  nequam  intellectibus 
animi  aggrediuntur ;  mendacii  in-domo  profecto  erunt  eoriun 
Corpora. 

12.  Quid  tuas  veritates  invocanti  auxilii  Zarathustrae  ?  Quid 
tuä  bona  mente?  qui  vos  laudibus  Sapiens!  praedicem 
vive !  illud  precans  quod  a-vobis  precatus-est  Optimum. 


15.     (50.) 

1.  Quid  mens  animus?  particeps  est  cujus  auxilii?  Quis  mihi 
pecoris,  quis  mei-ipsius  servator  est,  alius  Vero  et-te  Sa- 
piens vive!  magnopere  laudati-duo  et-optimä  jnente? 


2.  Quomodo  Sapiens!  Ranj69keretim  appellatam  bovem  (terram) 
formavit,  ille  qui  eam  huic  campis-praeditam  generi  desti- 
navit?  Rectum-obtinentes  Vere!  in-multis  solem-adspicien- 
tibus  illustrationes  mc  deponcre-sinc,  justitiam  da. 

'S.  Sic-omnino  huic  wmwdo  Sapiens  \ere\  justitia  sit,  quam  sibi 
regno  bonäqne  intellcxit  mente  ille  qui  vir  veritatis  vigore 
circumsepiat  eum,  quem  proximum  agrum  mendax  pro- 
fundit. 


28  Haag,  die   Gdt/tas  des  Zarathustra.    II l. 

4.  At  vdo  jazdi  c^tavag  Mazda  ahurd 
Hadd  Ashd   vahistdcd  Mananhd 
Khshathrdcd  ja  isho   ^tdonhat  d  j)aithi 
Äkdo  aredreng  demdne  gar 6  ^raoshdne. 

5.  Aroi  zt  khsfimd  Mazdd  Ashd  ahurd 
Jjat  jüshmdkdi  mäthrdne  vaordzathd 
Aibi-derestd  doishjd  avanhd 
Za^td-istd  jd  ndo  qdthre  ddjdt. 

6.  Je  mäthrd  vdcim  Mazdd  baraiti 
Urvatho  ashd  nemanhd   Zarathustra 
Data  khrateus  hizvö-raithim  ^toi 
Mahjd  rdzeng  vohu  gdhit  inanankd. 

7.  At  ve  jaogd  zevistjälg  urvatho 
Gjdis  jjerethüs  vahmahjd  jushmdkahjd 
Mazdd  ashd  ugreng  vohu  mananhd 
Jdis  azdthd  mahmdi  qjdtd  avanhe. 

8.  Mat  vdo  j)addis  jd  fra^rütd  izajdo 
Pairi-ga^di  Mazdd  u^tdnaza<^t6 

At  vdo  ashd  aredraqjdcd  nemanhd 
At  vdo  vanheus  mananhd  hunaretdtd. 

9.  Tdis  vdo  ja^ndis  paiti-^tavag  ajeni 
Mazdd  ashd  vanheus  skjaothandis  mananho 
Jadd  ashois  maqjdo  va^e  khshajd 

At  huddndus  ishjäg  gerezdd  qjem. 

10-     At  jd  vareshd  jdcd  jmiri  dis  skjaothand 
Jdcd  vohu  cashmäm   aregat  mananhd 
Raocdo  qefig  a^näm  ukhshd   aeurus 
Khshmdkdi  ashd  vahmdi  Mazdd  ahurd. 

11.     At  ve  ^taotd  aogdi  Mazdd  donhdcd 
Javat  ashd  tavdcd  i^dicd 
Ddtd  anheus  aredat  vohu  mananhd 
Haithjd-varstäm  hjat  va^nd  frashotemem. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   III.  29 

4.  Sic  vos-duos  venerer  laudans  Sapiens  vivel  simul-cum  Vero 
optimäque  Mente  Regnoqiie  :  quae  petentes  posuit  (Zara- 
thustra) in  via  tanquam  reales  promotores  in-habitaculo 
laudis  (paradiso)   audienti. 

5.  In-promptu  enim  estote  vos  Sapiens!  vere!  vive!  ut  vestro 
poetae  opem-feratis  circum-circa-vincente  manifeste  auxilio, 
manu-missä  :  quae  nobis-duobus  ignem-suum  habens  prae- 
beat ! 

6.  Qui  carmine  vocem  Sapiens!  fert  cultor  Vere!  laude  Za- 
rathustra; opera  intelligentiae,  linguae-gubernationem  ge- 
neri  humaiio,  mea  arcana  bona  indicat  raente. 


7.  Sic  vos  conjungam  invocatos-bona-praebentes  cultor  cum- 
adipiscentibus  pontes  beatitudinis  vestrae  Sapiens!  Vere!**©- 
bustos  bona  mente,  quibus  praediti-estis ;  meo  sitis  auxilio! 


8.  Simul  vos-duos  versibus,  qui  noti-sunt  venerationum-duarum 
circumibo  Sapiens!  erectas-manus-habens  sie  et  vos-duos 
Vere  promotorisque  laude  et  vos-duos  bonae  mentis  vir- 
tute. 

9.  His  vobis  precationibus  obviam  laudans  eam  Sapiens!  vere! 
bonae  actionibus  mentis.  Quoniam  naturae  meae  arbitrium 
possideas,  sie  bonis-praediti  cupidus  clamator  sim ! 


10.  Sic  quae  corpora-splendida  et-quae  in  illis  actiones  et-quae 
bona  oculo  lucido  mente  stellae,  sol,  dierum  indicator,  in- 
grediuntur  vestrae  Vere !   beatitudini  Sapiens  vive ! 


11.  Sic  vestrum  laudator  appellatus-sim  Sapiens;  et-ero;  quamdiu 
vere!  et-potero  tamdiu  et-compos-ero,  leges  vitae  provehens 
bona  mente  rerum-praesentium-perfectionem  ut  mnndus 
sponte  maxime-progrediens  sit. 


IV. 
Gätha     vohukhshathra. 

(Japia  cap.   51.) 


16.     (51.) 

1.  \  ohu-khshathrem  vairtm  bdgem  aiht-hairi stein 
Vidiishemndis  izdclt  ashd  aüiare-caraiti 
Skjaothandis  Mazda  vahistem  tat  m  iiüctt  vares/tdne. 

2.  Td  ve  Mazdd  paourvim  ahurd  ashd  jecd 
Taibjdcd  Armaite  döis  d  moi  istois  khshathrem 
Khshmdkem  vohü  mananhd  vahmdi  ddidi  ^avanho. 

3.  A  ve  geiis  d  hemjanti  joi  ve  skjaothandis  ^dreiite 
Ahuro-ashd  hizvd  ukhdhdis  vanheus  mananho 
Jahhäm  tu  paouritjo  Mazdd  fradakhstd  ahU 

4.  Kuthrd  drois  d  f^eratus  kuthrd  mizdikd  akhstat 
Kuthrd  ja<^6  qjen  ashem  kii  ^pentd  Armaitis 
Kuthrd  mano  vahistem  kuthrd  thwd  khshathrd  Mazdd. 

5.  ViQjid  td  jjeregäg  jathd  ashdt  hacd  gdm  vidat 
Vdgtrji)  skjaothandis  ereshvö  häg  hukhratus  nemanhd 
Je  ddthaeibjo  eres  ratüm  khshaja^  ashivdo  ci^td. 

G.  Je  vahjö  vanheus  dazdi  jagcd  hin  vdrdi  rddat 
Ahuro  khshathrd  Mazddo  at  ahmdi  akdt  ashjo 
Ja  hoi  noit  vi-dditi  apeme  anheas  urvae^e. 

7.  Ddidi  moi  je  gäm  tasho  apagcd  urvardo^cd 
Ameretdtd  haurvdtd  ^penistd  mainju  Mazdd 
Tevishi  utajüiti  mananhd  vohii  genhe. 

8.  At  zi  toi  vakhshjd  Mazdd  vtdushe  zi  nd  mrujdt 
Jjat  akojd  dregvdite  iistd  je  ashem  dddre 

Hvo  ZI  mdthrd  skjdto  je  vi'dushe  mravaitt. 


1 


IV. 
Carmen,  quod  bona  possessio  dicitur. 


16.     (51.) 

1.  Bonam  possessionem^  tutantem,  fortunam  maxime-circumferen- 
tem  ad-obtinendum-adaptes  adoratio-quaecurique  Vere !  inter- 
venit  actionibus  Sapiens!    Optimum  hoc  nobis  mmc  perficiam! 

2.  Haec  a-vobis  Sapiens  primmn  vive!  vere!  precer  et-te  Pietas! 
in  meditatione  mihi  salutis  possessionem  vestram  bona  mente 
felicitati  da  auxilii. 

3.  Ad  vos  ad  terram  conveniunt  qui  vos  actionibus  tuentur,  Vive! 
Vere!  linguä  diclis  bonae  mentis,  quorum  tu  primus  Sapiens 
confirmator  es ! 

4.  Ubi  in-proraptu  est  opulentiae-dominus?  ubi  praemia  exstant? 
ubi  venerantes  sunt  veritatem?  ubi  sancta  Pietas?  ubi  mens 
optima?  ubi  per-te  regna  comparanda  Sapiens? 

5.  Omnia  haec  interrogans  est  ut  perpetuo  terram  possideat  agri- 
cola  actionibus  validus  quum-est  bonam-intelligentiam-habens 
laude  illuin  qui  creaturis  recte  legem  possidens  veritatem-habens 
cognitus-est, 

6.  Qui  melius  quam-bonum  largitur  ei  qui  propugnaculo  peragit 
aliquidj  vivus  cum-regno  Sapiens;  sed  illi  malo  pejus  (pessi- 
mum)  qui  sibi  non  distribuit  aliquid  in  ultimo  vitae  exitu. 

7.  Da  mihi  qui  terram  formasti  et-aquas  et-arbores,  immortali- 
tates-incolumitates-duas  sanctissime  Spiritus  Sapiens,  vires-dnas 
aeternas  mente  bona  cano. 

8.  Sic  enim  tibi  dicam  Sapiens!  scienti  enim  vir  (aliquis)  indicet: 
quod  mala-faciam  mendaci  est,  salutem  illi  qui  verum  tenet. 
llle-ipse  enim  carniina  tutans  est  qui  scienti  indicat. 


32  Hang,  die   Gdthd's  des  Zarathustra.   IV. 

y.    Jdm  khshnütem  rdnoihjd  ddo  thwd  dthrd  qukhrd  Mazdd 
Ajanhd  Uishu^td  aihi  ahvdhu  dakhstem  ddodi 
Rdshajanhe  dregvafitem  ^avajo  ashavanem. 


10.    At  je  md  nd  marekhshaite  anjdthd  ahmdt  Mazdd 
Hvo  ddmois  drügo  himustd  duzddo  joi  hefiti 
Maibjo  zbajd  ashem  vuhujd  ashem  gat  te. 


11.  Ke  urvatho  ^pitamdi  Zarathiistrdi  nd  Mazdd 
Ke  vd  as/td  dfrastd  kd  ^peiltd  Armaitis 

Ke  vd  vanheus  mananhö  aci^td  magdi  ereshvo. 

12.  Noit  id  im  khshndus  vaepajo  kevino  pereto  zemo 
Zarathustrem  ^piidmem  jjat  ahmt  uriirao^t  a^tn 
Jjat  hoi  im  carata^cd  aoderescd  zoishenü  vdzd. 


13.  Td  dregvato  maredaite  daend  erezdas  haithim 
Jehjd  -v,rvd  khraodaüi  cinvaio  peretdo  dkdu 

Qdis  skjaothandis  hizvagcd-ashahjd  nägvdo  patfio. 

14.  Noit  iirvdtd  ddtoibja^cd  karapanö  vd\trdt  arem 
Gavöi  druis  d  ^endd  qdis  skjaothcmdiscd  ^enhdiscd 
Je  IS  ^enho  apemem  drugo  demdne  d  ddf. 

15.  Jjat  mizdem  Zarathiistro  magavabjo  coist  pard 
Garö  demdne  ahuro  Mazddo  ga^at  jyaourujo 
Td  ve  vohü  mananhd  ashdicd  ^avdis  tevishi. 


16.  Tarn  kavd    Vistd^pö  magahjd  khshathrd  nä^at 
Vanheus  padebis  mananhd  jäm  ci^tim  ashd  mantd 
Qpeiito  Mazddo  ahuro  athd  ne  ^azdjdi  tistd. 

17.  Berekhdhäm  moi  Frashaostro  hvogvo  daedoist  kehrpeni 
Daenajdi  vanhujdi  jäm  hoi  ishjäm  ddtü 

Khshajäg  Mazddo  ahuro  ashahjd  dzdjdi  gerezdüm. 

18.  T(im  cigtim  De-gdmdgpd  hvogvd  istois  qarendo 
Ashd  varefite  tat  khshathrem  mananhd  vanheus  vido 
Tat  moi  ddidi  ahtird  jjat  Mazdd  rapen  tavd. 

19.  Hvo  tat  nd  Maidjo-mdonhd  ^pitamd  ahmdi  dazdi 
Daenajd  vaedemuo  je   ahüm  isha^cig  aibi 
Mazddo  data  mraot  gajehjd  skjaothandis  vahjo. 


Haugf  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IV.  33 

9.  Quam  oblationem  lignis-duobus-ad-ignein-elicienduiii  destinatis 
das  tuo  igne  rubente  Sapiens!  tempore  elabente  in  vitis-dna- 
bus  robur  ad-ponendum,  ad-nocendum  mendaci,  ad-adju- 
\andum  veracem. 

10.  Sic  qui  me  ^ir  protrudere-studet  aliorsum  de  hoc  loco  Sapiens, 
ille-ipse  est  artifex  creationis  mendacii  eorum  qui  malum-facientes 
sunt.  Mihi  invocabo  verum  cum- bona  creatione,  verum  idem 
tibi  est. 

11.  Qui  amicus  sanctissimo  Zarathustrae  vir  est  Sapiens?  vel  quis 
Vero  colloquitur?  quae  sancta  Pietas?  vel  qui  bonae  mentis 
cognitus-est  raagnitudini  validus? 

12.  Non  est  hacce  re  venerans,  nempe  progenies  ejus-qm  vati-deo- 
rum-addictus-e^t,  deletoris  terrae,  Zarathustram  sanctissimum, 
quod  in-eo  crevit  mundus,  quod  ei  e-moventibusque  nterisque 
affluentes  sunt  divitiae. 

13.  Haec  mendacis  interimit  religio  probi  naturam,  cujus  animus 
appetens-est  Congregatoris  animorum  pontium-duorum  re-vera, 
suis  factis  linguae-quoque-veritatis  nancisci-studens  vias. 

14.  Non  effata  ortis-quoque  sacrificuli  e-campo  praesto-sunt,  terrae 
in  promptu  sahibria  suis  factis  vocibusque,  pro  illo  qui  ea 
tanquam  ultimam  vocem  Mendacii  in  domicilio  posuit. 

15.  Itaque  praemium  Zarathustra  vires-arcanas-possidentibus  (Magis) 
decrevit  antea.  Ad  laudatorium  locum  (Paradisum)  vivus  Sa- 
piens venit  primus.  Hae-duae  vobis  bona  mente  Veroque 
auxiliis  praedita  vires-duae  sunt. 

16.  Hanc  scientiam  Kava  Vista9pa  thesauri-arcani  possessioue  nactus- 
est  bonae  versibus  Mentis,  quam  scientiam  ope-veri  excogi- 
tavit  sanctus  Sapiens  vivus.     Sic  nobis  accidat  salus ! 

17.  Altam  meam  Frashaostra  nobilis  videre-cupivit  formam  religioni 
bonae :  quam  huc  venientem  faciat  regnans  Sapiens  vivus. 
Veritatis  nactioni  clamatis! 

18.  Hanc  scientiam  sapientes  Gäma^pae  nobiles,  fortunae  lumina, 
veritate  eligunt;  hanc  possessionem  mentis  bonae  habentes. 
Hoc  mihi  da  vive!  quod  Sapiens!  tenax-sum  tui. 

19.  Ille-ipse  hoccine  —  Maidjo-mäohhae-duo  sanctissimi  ei  attri- 
buunt-ambo  —  fide  possidens  est  qui  vitam  creaus-est  circum- 
circa?  Sapiens  leges  pronunciavit  existentiae,  actionibus  melius. 

Abhandl.  der  DMG.     II,  2.  3 


34  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.   IV. 

20.  Tat  ve  ne  hazaoshdunho  vigpäotihö  daidjdi  ^avo 
Ashem  vohü  mananhd  ukhdhd  jdis  drmaitis 
Jazem7idonh6  nemanhd  Mazddo  rafedhrem  cagedo. 

21.  Armatois  nd  gpeilto  hvo  cigtt  ukhdhdis  skjaothand 
Daend  ashem  ^penvat  vohü  khshathrem  mananhd 
Mazddo  daddt  ahurö  tem  vanuhim  jd^d  ashim. 

22.  Jehjd  moi  ashdt  hacd  vahistem  j4(^ne  paiti 
Vaedd  Mazddo  ahiiro  joi  donharecd  heilticd 
Td  jazdi  qdis  vdmenis  pairicd  ga^di  vailid. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.   IV.  35 

20.  Hoc  vestrum  nobis  congregati  cuncti!  dare  velitis  auxilium, 
veritatem  bona  inentc  voce  qiiibus  consistü  Pietas,  adorati 
laude !  Sapiens  fortunam  praebens-eÄf. 

21.  Pietatis  nonne  sanctus  ille-ipse  sapientiä  dictis,  actione,  reli- 
gione  veritatem  lucentem  bona  possessionem  mente  Sapiens 
creavit  vivus?     Hanc  bonam  venerer  veritatem! 

22.  Cujus  mihi  perpetuo  optimum  in  adoratione  sit,  novit  Sapiens 
vivus,  in  illa  eoriim  qui  fueruntque  suntque.  Hos  venerer  suis 
nominibus  et-circum-ibo   tanqiiam  laudator. 


3* 


V. 
Gäthä     vahistöisti. 

(Jacna  cap.   53.) 

17.     (53.) 
Nemo  ve  gdthdo  ashaonis. 

1.  Vahisid  istis  ^^rdvi  Zarathustrahe 
Qpitdmahjd  jezi  hol  ddt  djaptd 

Äshdt  hacd  ahuro  Mazddo  javoi  vi^pdi  d  hvan/wim 

Jaicd  hol  daben  ^askcTcd  daenajdo  vanhujdo  ukhdhd  skjaothandcd. 

2.  Atcd  hol  ^cantü  manahhd  ukhdhdis  slijaothandiscd 
Khshnüm  Mazddi  vahmdi  d  fraoret  ja^nd^cd 
Kavacd   Visidgpö  Zarathustris  ^pitdmu   Frashaostara^cd 
Ddonho  erezüs  pathö  jäm  daenäm  ahuro  ^aoskjanto  daddt. 

3.  Temcd  tu   Paouru-ci^td  Haecat-a^pdnd 
^pitdmi  jezvi  dügedhrdm  Zarathustrahe 

Vanheus  paitjd^tim  mananho  Ashahjd  Mazddo^cd  taibjd  ddt  ^.arem 
Athd  hem  ferashvd  thwd  khrathwd  ^penistd  Armatois  huddnu-vnreshvd. 

4.  Tem  ZI  vegpereddni  vardni  jd  fedhro  daddt 
Paithjaecd  vd^trjaeibjo  atcd  qaetaeve 

Ashdune  ashavabjo  mananho  vanheus  qenvat  hanhus  mebeedus 
Mazddo  daddt  ahuro  daenajdi  vanhujdi  javoi  vt^pdi  d. 

5.  ^dqent  vazjamndbjö  kainibjo  mraomi 
Khshmaibjdcd  vademno  mencd  i  mäzdazdüm 
Vaedödüm  da&ndbis  abja^cd  ahum  je  vanheus  mananhd 
Ashd  ve  anjo  aintm  vivanhatü  tat  zi  höi  hushenem  anhat. 

6.  Ithd  i  haithjd  naro  athd  ^enajo 

Drügö  hacd  rdthemd  jeme  ^pashuthd  frdidim 

Brügo  dje^e  höis  pithd  tanvö  pard 

yajü-beredubjö  dus-qarethem  nä^at  qdthrem 

Dregvddebjo  degit  aretaeibjö  andis  d  maytahm   ahum  merefigeduje. 


V. 
Carmen   qiiod  vahistöisti  dicitur. 


17.    (53.) 
Laus  vobis  carmina  veracia! 

1.  Summum  bonum  auditum-est  Zarathustrae  esse  sancti  quam  ei 
dedit  adipiscenda,  perpetuo  vivus  Sapiens  in  tempus  omne 
td-(/wocZ-bonain-vitam-habet  omnibusque  qui  ejus  minuunt  ampli- 
ficantque  religionis  bonae  verba  actionesque. 

2.  Sic  ejus  perficiant  mente  vocibus  actionibusque  venerationem 
Sapienti  ad  laudationem  religiöse  precesque  et-Kava  Vistä^pa 
Zarathustrae-assecla,  et  sanctissimus  Frashaostra  facientes  rectas 
vias  ad  eam  quam  fidem  vivus  ignicolis  dedit. 

3.  Hancque  vero  Pouru-ci9tä  Haecat-a9pida  sanctissiuia,  illustris- 
siina  filiarum  Zarathustrae  bonae  tanquam  iinaginem  Mentis,  Veri 
Sapientisque  tibi  fecit  creationem.  Itaque  consule  te  intellectu 
sanctissiino  Terrae  in  bona-habentibus-regionibus. 

4.  Hanc  enim  vobis  aemuler,  eligam  qua  felix  dedit  dominoque 
agricolis  et-sic  propinquo  veraci  veracibus  Mentis  bonae  splen- 
didam  pulchritudinem  saepe-distribuens;  id  Sapiens  dedit  vivus 
fidei  bonae  in  tempus  omne. 

5.  Voces  nubentibus  puellis  clamo  vobisque  dicens  dnimadvertite 
in  id  animadvertite.  Possidetis  meditalionibus  illisque  vitam 
quae  est  bonae  mentis.  Sinccritate  vestrum  alius  aliiim  acci- 
piat;  haec  enim  bona  habitatio  erit. 

P).  Sic  re-vera  viri  atque  mulieres  Mendacii  causa,  largitor  enm 
est  Jimus,  speculamini  providentiam ;  Mendacii,  veneror  eum, 
hujus  deletor  corporis  antea  erat.  Vajus  .co/ifra-ferentes  malum- 
splendorem  obtinet  lucis-fontem;  mendacibus  sapientiä-victor 
aggrcdientibus  illis  rebus  spiritualem  vitam  ad-interficiendum. 


38  Hang,   die   Gäthä\s  des  Zamthustra.    V. 

7.  Atcd  ve  mizdein  anhat  ahjd  magahjd 
Javat  Azus  zarzdistö  bünöit  hakhfjdo 

Paracd  mraocäg  aordcd  jathrd  mainjus  dregvaiö   unä^at  pard 
Jvizajathd  magein  tem  af  ve    Vajö  anhaut  apemem  vacö. 

8.  Andis  d  duzvarsnanhö  dafshnjd  heutu 
Zaqjdcd  vtgpdonhö  JchraogeilMm  upd 

Hukhshathrdis  Genaräm  khrüneramcd  rdmdmcd  dis  daddtü  skjeitibjö 

vizihjo 
Iratü  IS  dvafsho  hvö   derezd  merethjdus  mazisto  moshucd  a^tü. 

9.  Duzvarendis   Vaeshö  rdgti  toi  narepis  ragis 
Aeshagd  degit  aretd  peshö  tanvö 

Kü  ashavd  ahiiro  je  is  gjdteus  hemithjdt  vage-itöiscd 

At  Mazdd  tavd  khshathrem  ja  ereiigjoi  ddhi  dregave  vahjö. 


Hang,  die   Gatfid's  des  Zarathustra.    V.  39 

7.  Et-sic  Vobis  praemium  sit  hujus  thesauri,  quamdiu  Azus  inaxime- 
addictus  sit  societatis,  antiqua  profereiis  novaque,  ubi  Spiri- 
tus sa7ictas  mendaces  capiebat  antea.  Progiguitis  thesaurum 
hiiiic,  sed  Vobis  Vaju!   erit  ultima  vox. 

8.  Per  haec  malefactores  diminueiidi  sint,  et  in  gignendo  (the- 
sauniin  hunc)  omnes  clauient!  Bonis-possessionibus  Genaram 
Khrüneramque  anioenamque  bis  donet  habitaculis,  vicis!  Ve- 
iiiat  ad-illos  deletor  ille-ipse  vehementiä  mortis  maximus  mox- 
que  esto! 

9.  Malis-doctriiiis  Veshu  doiiat  tibi  viros-augeiites  leges;  creaturas 
sapientiä-vincens  est  hostiles  deletor-corporis.  Ubi  verax  vivus 
est,  qui  eos  ab-existentiä  protrudat  libero-arbitrioque?  At 
Sapiens!  tui  (tibi)  regnum  est,  quo  rectum-habenti  das  trini- 
lati  melius. 


S)eutfd^e  Uebevfe^ung  ber  jt^eiten  ®dt^d. 


8.     (43.) 

1.  «§eil  iji  jebem,  ^eil  ifl  allen,  irelc^en  ber  ©eisp^eufd^er,  ber 
teBenbtge  SBeife,  bie  Beiben  einigen  .Gräfte  öerlei^en  mag.  ^arum 
Bitte  i^  U^,  um  bie  SÖa^r^eit  fefiju^alten.  3)aö  gieB  mir, 
5Ivmaiti :  SSermogen,  Sortbauer,  ben  58eji^  beS  guten  (Binne?. 


2.  3)id&,  ben  al(er6c|len,  »ere^re  id)  aW  Urlic^t  btefer  SBelt;  bic^, 
t^eiUgfler  ©eiji  50?ajba  I  möge  jeber  fid)  gum  :^eitfiern  trä^Ien. 
kiie§  SBa^re  gieBjl  bu  bur(!^  beS  guten  @inne0  SBeia^eit  unä 
ie^t,  unb  öer|>rid^ji  un0  baburd^  langeö  5)afein. 


3.  3ener  (^raoffja)  fann  baö  aUerBefie  erreidjen,  ber  unö  Beioe  bie 
geraben  SSege  im  irbifci^en  unb  im  geifiigen  l^eBen  gu  lehren  öer= 
mog,  bie  f;infü^ren  ju  ben  hjirflid^en  (B^opfurxQen ',  auf  biefen 
SCBegen  it^ol;nt  er,  ber  !^eBenbige,  ber  ^reuergeBene,  bein  (EBenBilb, 
ber  ^ble,  ber  «^eilige,  3Beifer! 


S)ein  will  i<i)  benfen  aU  beg  @tarfen,  «^eiligen,  SÖeifer!  5)enn 
mit  ber  «i^anb,  mit  ber  bu  «^ilfe  f:penbeft,  »erlie^ft  bu  bem  QiBa()r= 
Saftigen,  \vk  bem  !Si^ügner  bie  ^ortbauer  Betinrfenben  »Gräfte  burcf) 
bie  äÖärme  beineö  «l^euerS,  n?oburd^  baö  SÖirfüc^e  geftärft  it-irb. 
5Dabur^  itirb  mir  beä  guten  ^inneö  ^raft  ^u  if)nh 

©0  backte  itf)  bein  aU  bee  «^eiligen,  leBenbiger  SBeifer!  3)enu 
bid)  ^ah'  iä)  gefc&aut  aU  ben  Urgrunb  Bei  ber  (^r^eugung  be^ 
^eBenS,  tr»ell  bu  ®aBenrel(!^er !  bie  :^eiligen  ©eBräu^e  einfe|tefl 
unb  bie  SÖorte  i^erfünbigteft;  bem  9Zid^tigen  Befc^ecrj!  bu  0lid)tigi 
feit,  bem  ©Uten  bie  gute  SGBefen^eit.  5)ein  n?iU  id)  benfcn,  ^err; 
lieber!  Beim  legten  Qlu0gang  biefeS  '5)afein§. 


Hang,  die  Gdlhas  des  Zarathusira.   II.  41 

6.  3n  h?elc^em  5(uägang  (bem  erflen  obei  Ie|ten)  ic^  bicf}  fc^auen 
mag,  teienbiger  SSeifcv!  in  bem  fornrnfl  bu  mit  ^Befißt^um  unb 
mit  gutem  <£inn,  bur(^  beffen  "Xijaten  bie  l^anbgütev  Beftänbtg  ge= 
fc^ü^t  werben.  3)iefcn  ^it-r  (beinen  SSere^rern)  ijerfünbet  5(rmaitt 
bie  @ffe|e  beiner  (Sinfic^t,  bie  0^iemanb  ju  Betrügen  üermag. 


7.  (So  backte  ic^  beiu,  beö  »^eiligen,  leBenbiger  Sßßeifer!  bal;er  tarn 
er  (ßraof^a)  §u  mir  mit  gutem  ©eifte  unb  fragte  mid) :  lüer  Bift 
bu?'lüef|'en  (So^n  Stjt  bu?  äöie  benfft  bu  je^t  auf  (Stärfung 
beö  ©ebei^enä  beiner  Sanbgüter  unb  i^rer  2ßefen? 

8.  3)iefem  anttüortete  i^  alfo  :  erfttid^  Bin  id^  3«t«t^«fiva ;  je|t  Wiil 
icf)  ^einbfc^aft  ben  Sügnern  f^n?ören,  bem  SBat}r^aftigen  aBer  eine 
fiarfe  «i^ilfe  fein.  <Bo  lange  alö  i^  bic^,  SBeifer!  loBe  unb  greife, 
mü  i^  erttjetfen  unb  erleudpten  alle,  bie  nad^  ®efi|  trauten. 

9.  <So  backte  i^  beiu,  beö  <§eiligen,  leBenbiger  SBeifer!  ba^er  fam  er 
^u  mir  mit  gutem  ©eifte,  (unb  fragte  i:^n) :  3Bem  W'iüfi  bu,  bag 
icfc  bag  @ebeil;en  beö  irbifc^en  SeBenä  mitt^eilen  foü?  (&o  tviii 
x&)  unter  benen,  bie  bein  ^-euer  burci)  :&oB  öere^ren,  fletö  on  baö 
SCÖa^re  beuten,  fo  lang  i(i)  eä  öermag. 

10.  ®o  mogeji  bu  mir  ba§  SBa^re  üerlei^en;  benn  öon  ber  @rgeBen= 
l;eit  Begleitet,  nenne  ic^  mic^  einen  (SrgeBenen  unb  fragen  wiU  i^ 
für  unö  Beibe,  n?aä  eBen  nur  öon  bir  gu  erfragen  ijt.  5Da^er 
möge  ber  ^önig  bic!^,  ben  ©efragten,  gu  einem  gcn^altigen  ^euer= 
Branbe  fc^üren,  trie  bieß  nur  @ad^e  ber  9)Zä(i^tigen  ift. 

11.  «So  badete  i^  bein,  beö  J^eiligen,  leBenbiger  SÖeifer!  batjcr  fam 
er  §u  mir  mit  gutem  ©eifte.  3)a  iä)  alö  euer  ergeBenfier  Wiener 
unter  ben  QJienfd^en  guerfl  mit  euren  (S^rüc^en  bie  ^einbe  ^er= 
nid^ten  mU,  fo  »erfünbet  mir  ba6  SSefte,  iüa6  id^  t^un  foU. 

12.  Unb  aU  bu  mir  baö  SEa^re  fagteft,  tamft  bu  mid)  ju  Belet;ren. 
^u  Befa^Ijt  mir,  nid^t  ot;ne  üor^erem^fangene  OffeuBarung  auf= 
zutreten,  e§e  ba§  (Sraof^a  öon  ber  er^aBenen  SBa^xf)dt  Begleitet, 
bie  eure  SßefenBeiten  in  bie  JKeiBt;üI§er  jum  «^^eile  legen  möge, 
^u  mir  gefommen  fei. 

13.  ®o  badete  ii)  bein,  beö  »^eiligen,  leBenbigcr  SCßeifer!  ba^er  fam 
er  ju  mir  mit  gutem  ©eifie.  ^a^t  mir  bie  JDinge  ujerben,  bie 
icf)  ern^ünfcl)t;  bie  ©aBe  langen  SeBenö  üerlei^t  mir,  feiner  von 
eud^  ^alte  eö  mir  ^urücf  für  baS  ©ebeil)en  ber  guten  5ÖeIt,  bie 
beincr  Ǥervfc{;aft  untert(;an  ifl. 


42  Hang,  die   Gdthd's  des  Zarathustra.   II. 

14.  2)avum  gab  ber  iuäcl)tige  33efi^ei-  ber  ©üter  (gi-ao((;a)  mir  bem 
g^vcunbe  bie  (Sufenntnif  beiner  ^i(fe,  hjeil  id)  im  S3efil^e  bei-  ijon 
bir  iHn-Iie(;eneu  iüal)ren  ©ütev  in  ben  mannigfachen  5(rtcn  bev  Diebe 
^ugleid;  mit  alten  benen,  bie  beine  (S^rücf;e  :^erfagen,  aufzutreten 
SBiKenS  umr. 

15.  <Bo  bac^t  id^  bein,  be§  ^eiligen,  lebenbiger  SSeifer!  bat;er  fam 
er  ju  mir  mit  gutem  ©cij^e.  «^eK  leu^tc  au§  ber  flamme  baö 
i)o^\U  ©liicf!  SBenige  feien  eg  ber  33ere()rer  bcg  J^ügneröl  5(l(e 
biefe  mögen  fi(^  ben  ^rieftern  beg  tim^rt)aftigen  ^euer6  guixnntben! 

16.  ©0  Uki,  leBenbiger  SSeifer!  .3^i'«t^"fi^^^  ii«b  jeber  <§eiUge  für 
aüe,  bie  ben  (^eiligen  (Seift  fi^  (jjum  l^eiter)  mahlen.  3)aö  2Öirf= 
M)e  unb  äBa()rc  luerbe  mäd^tig  in  ber  3BeIt!  3n  jebem  Söefen, 
baö  ber  «Sonne  ^ic!^t  fc^aut,  möge  5(rmaiti  (bie  (Srge6en(;eit) 
iüof)nen!  fie,  bie  bur^  i(;re  ^f)aten  mit  bem  guten  @inne  baö 
@ebeil;en  giebt. 


9.     (44.) 


5r)ief  wili  [^  bidj  fragen,  fag'  e§  mir  redjt,  ^^ebenbiger!  ob  euer 
g^reunb  ^um  i^ob^reiS  euer  lijoblieb  bem  meinen  lun-fimbigen  mödjte, 
SKeifer!  unb  ob  er  ju  unö  fommen  n.nirbe  mit  gutem  Sinn,  um 
unö  bie  ivar;ren  Srfunbc§tl)aten  gu  üoK-bringen. 


2.  5)ie§  mü  id)  bid^  fragen,  fag'  eö  mir  rec^t,  ^ebenbiger!  Sßie 
UHU-  ber  ^Itnfang  beö  beften  (njirnid^en)  Sebenö?  SBoburd)  mag 
man  bem  nützen,  baö  i^^t  ba  ijl?  Sener  felbfl,  ber  ^eilige 
((Sraof^a),  tvat^rer  ®eiji !  SBeifer!  i\t  Sädjter  ber  ®ef(i^ö^fe,  »on 
alten  bie  Ue^el  abh.ie^renb,  ber  SSefßrberer  alteg  Menö. 


.3.  ,^ie§  iüilt  id)  bi^  fvageti,  fag'  eö  mir  rec^t,  ^ebenbiger!  Ser  ift 
ber  2Öal)rl;eit  erfter  33ater  unb  Srjeuger?  SKer  fd^uf  ber  (Sonne 
unb  ben  Sternen  i^re  SSa^^n?  2Ber  lä^t  ben  3)?onb  n^adbfen  unb 
fd)tuinbfn,  ivenn  nid)t  bu?  5(tt  biejj  n.nuifd)e  ic^  ^n  bem  ^u 
uuffen,  \va§  i^  fc^on  iin'i^. 

4.  3)ie§  tuilt  id)  bid^  fragen,  fag'  cß  mir  red)t,  l^ebenbiger!  äöer 
^ätt  bie  (Erbe  unb  bie  äÖolfen  brüber?  Ser  fdjuf  bie  SBaffer 
unb  bie  SSäume  auf  ber  g^tur?  SBer  ift  in  ben  SBinben  unb 
Stürmen,  baß  jie  fo  fd)nelt  gelten?  SÖ^er  ift  ber  >^err  ber  ®e= 
fc^ö^fe  beg  guten  (Sei|te0,  ^Bcifer? 


(. 


Haag,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.   II.  43 

5)ie§  tviü  id)  bic^  f^i^c^^^^,  fag'  «?ö  mir  red^t,  i^eknbiger!  3öcr 
fc^uf  ble  ®ute0  iini-fenben  ^idfjter  unb  bie  ^yinfterniffe  ?  iucr  fdjuf 
ben  @uteö  irirfenben  @d)(af  unb  bie  ^'()ätigfeit?  2öev  bcn  9)?orijcn, 
SD^üttag  unb  bie  dladjt,  bie  ben  Neuner  bev  göttlichen  Offenbarung 
j^etg  an  feine  ^flic^ten  mal;nen? 


6.  ^ief  tviü  id)  bic^  fragen,  fag'  e3  mir  red^t,  ^ebenbiger!  njeld^e 
QSerfe  id)  laut  i:erfünbigen  fott,  Irenn  bie  eben  j;e|t  folgenben  tter= 
fünbigt  ftnb  :  1)  £ie  ^rommigfeit  ijerbo^^elt  burd^  il;re  3:l;aten 
baS  äßa^re.  2)  gur  bid^  fammelt  er  93efi|t^um  mit  bem  guten 
(Sinn.    3)  SBelc^en  fd}ufeft  bu  bie  unüergänglid)e  Stiii)  Oidnjccfereti? 


5Dief  wiU  id)  bic^  fragen,  fag'  eä  mir  rec^t,  Menbiger!  SBer 
bilbete  bie  l;ol)e  ßrbe  mit  if;ren  ©ütcrn?  SBer  bilbet  fortirä()renb 
ben  beflen  «So^n  an^  bem  SSater  t;eraua,  hjie  burd)  SBeberfunfi? 
^d)  fomme,  SSeifer !  um  biefe  5£)inge  ju  erfennen,  ju  bir,  l^eiliger 
@ei^!  bem  ©djö^fer  ader  ^inge. 


8.  ^ie§  njitl  id)  bid)  fragen,  fag'  eö  mir  rec|t,  Menbiger!  SGßel(|e 
©cele  (lüeld^er  @d)U^geift)  jeigt  mir  ©uteö  an,  baf  fie  mic^ 
erinnere  an  beine  ;^e^re  unb  an  bie  ^orberung,  bie  üom  guten 
©eiji  üer^ei^en,  unb  an  alle  n^al^ren  3)inge  beg  ^^eBenö,  bie  ba 
finb,  um  fie  ju  beji^en;  biefe  @eele  möge  fid)  mir  na^)en. 

9,  ^ieß  trill  id)  Ud)  fragen,  fag'  e§  mir  rec^t,  ^eBenbiger!  SGßie  foU 
id)  jenen  ©laufen  ^eilig  galten,  ben  bein  g^reunb  i)or  bem  mä^= 
tigen  ^^errfd^er  mit  ber  gen^altigen  ^errfdjaft  öerfünbigen  möge, 
ber  in  ber  SSerfammlung,  SBeifer!  burd^  ben  guten  @eifl  aUeö 
OSoKfornmcne  (®ute)  fd}ü|t. 

10.  ^ie§  it>iK  id)  bid;  fragen,  fag'  mir  rec^t,  ^ebenbiger!  jenen  ®lau= 
Ben,  njelc^er  ift  ber  aderbefte,  ber  meine  l^anbgüter  fd;ü^e  unb 
bie  hja^ren  (guten)  ^l^aten  in  ?5olge  ber  3Öorte  ber  5lvmaiti 
rid^tig  vollbringe,  ^ad)  meiner  (Srfenntni^  ((Sinfld&t)  nninfd^e  id^ 
bic^,  Söeifer!  ^u  i?eve^ren. 

11.  ^ie^  njitt  id^  bid^  fragen,  fag'  eö  mir  red;t,  IH'benbiger!  njie  eure 
^2lrmaiti  ^n  benfenigen  gelange,  benen  burd)  bid^  felbft,  Reifer! 
ber  ©laube  üerfünbigt  nnrb.  S3on  biefen  bin  id)  als  bein  (Svfier 
0^ro!pl;et)  anerfannt;  alle  anberö  ©efinnten  follen  mir  \)er^apt  fein. 


12.  !X)ie§  ivill  ic^  bid)  fragen,  fag' eö  mir  rcd^t,  !(?ebenbiger !  SBer  ifl 
Der  2Ba^rt;aftige,  tuer  ber  Hgner,  nad;  benen  id)  mid)  erfunbigen 
tuill?  33ei  unlc^em  ift  ber  fd^n^arjc  (®cifi),  bei  tvelc|)em  ber 
glän^enbe?  SCBarum  tvirb  ber  l^ügner,  ber  mid)  ober  bic^  mit  ®e; 
umlt  angreift,  nid^t  mit  91ed)t  für  einen  (Sd^ivarjen  gehalten? 


44  Hang,  die   Gdthas  des  Zarathusira.   11. 

13.  3)ieß  iv'di  id)  bid)  fragen,  fag'  eg  miv  xeä)t,  :^e6enbigei:!  SBie 
füKen  mv  bie  ^üge  öon  biefem  Ort  öeviageu  unb  fte  ^u  benen 
treiben,  bie  voU  üon  Unge(;orfam  baö  äÖabre  nid^t  burd^  93efoI= 
gung  e^^ren,  no&)  fi^  um  ba§  ®ebei(;fn  br§  guten  @inneö  be- 
flimmern? 

14.  3)ie^  wiü  i<i)  bi(^  fragen,  fag'  eö  mir  rec|t,  IVbenbiger!  SlJie  foU 
id)  bem  äÖa^ren  bie  J^üge  in  bie  «^änbe  liefern,  bamit  fie  burd) 
beineö  J2oBe§  IMeber  öernic^tet  irürbe?  iSöenn  bu,  SCöeifer!  einen 
iüirffamen  geheimen  (S)3rud)  mir  nUtt^eilft,  fo  wiU.  i^  baburd) 
alter  OZot^  unb  aKem  (Slenb  ein  (§nbe  mad)enl 


15.  2)ie§  n)iü  i^  bi^  fragen,  fag'  eg  mir  rec^t,  Sebenbiger!  SSo  ober 
mem  uon  ben  «i^erren  giebj^  bu,  2öal;rer!  aU  SBefi^er  biefer  fetten 
beerbe  biefelbe,  n?enn  bie  Reiben  ^eere  loutloS  fid)  jum  ^am!pfe 
fdjaaren,  vermöge  jener  (B^^rüd^e,  bie  bu,  SBeifcr!  fel&ft  feft- 
fleUen  n^itift? 

16.  ^ieß  n^iU  ic^  bici^  fragen,  fag'  eö  mir  rcd^t,  Menbiger!  SGßer 
töbtete  bie  feinbUd)en  Dämonen,  bie  fo  ijerfd)ieben  gejtaltet  finb, 
bamit  i^  baS  @efe|  ber  beiben  ^eUn  erfennen  möchte?  (&o  möge 
benn  Sraof^a  mit  bem  guten  @inne  fäm^fen,  SÖcifer!  für  einen 
jeben,  bem  bu  gnäbig  Bip. 


17.  ®ieg  mü.  iä)  bi^  fragen,  fag'  eö  mir  red^t,  ^ebenbiger!  fBie 
ttiog  id^  in  eure  SBo^nung  ju  eurem  ©efang  gelangen?  ^aut 
njünfd^e  iiS),  öon  ber  3}oUfommen^eit  unb  UnfierbUd^feit  befd^ü^t 
ju  a^erben  bur^  jeneg  IHeb,  baö  ein  (Sä;)a1^  beg  Sßa^ren  ijl. 

18.  ^ief  wiii  i^  bid^  fragen,  fag'  eä  mir  rec^t,  l^ebenbtger!  SÖie 
foU  i&),  SCßa^rer!  biefe  (^aU  f^jenben,  ^e^n  fd^n^angere  (Stuten 
unb  noc^  me^r,  bamit  mir,  SBeifer!  in  ßwfunft  bie  beiben  ^^räfte 
ber  Q3oUfommen:^eit  unb  Unfterblic^feit  »erliefen  n?erben,  fotrie  bu 
beibe  biefen  liier  geben  fannft. 

19.  5)ie§  will  id^  bid^  fragen,  fag'  eg  mir  rec^t,  Sebenbiger!  3Öaä 
ift  baö  erfle  3)enfen  beffen,  —  fein  le|teö  fenn'  id^  fd^on  —  ber 
bem  3)arbringer  biefer  ®abc  nid^t  tineber  giebt,  ber  bem,  ber 
ri^tig  f^rid^t,  nic^tö  giebt. 

20.  3ÖaÖ  fmb  benn,  guter  ^errfdjer  aJlajba !  bie  5£)aeüa'g?  <Bo  möd^t' 
i(^  bi^  nad^  benen  fragen,  bie  für  ftc^  baö  3)afein  (bie  gute 
S(^i3)3fung)  befäm^fen,  mit  bereu  <§iife  ber  ®Ö|en^riefler  unb 
^ro^f)et  bie  ^rbe  bem  25erberben  ^?reiägab ,  unb  n^ag  baburd)  ber 
falfd^e  (Selber  für  ftd^  felbft  geh^ann.  'iRi<S)t  mögej^  bu  i^m,  SBa^rer! 
ein  t^e^b  terlei^en,  ba§  er  eö  einzäune. 


Hang,  die   Gdthd's  des  Zarathustra.   IL  45 

10.    (45.) 

1.  (So  mevft  ie^t  auf  unb  ^oret  ju,  bie  if)x  öon  ferne  unb  l^on  naf) 
gefommen  feib;  öerfünbigen  tintl  i(!^  eud^  je^t  aWea  üon  bem 
©eiftev^aar,  n?ic  eö  bie  SBeifen  erfannt  i^abtn.  ^n  UeSeliebcnbe 
\oU  baö  ^hjeite  !?e6en  nic^t  ertÖbtcn,  nod^  ber,  lüeld^er  aU  J^ügner 
mit  feiner  Bunge  fid)  gum  nid)tigen  (®o|en=)  ©tauten  Befennt. 

2.  S3ertobigen  iriü  id)  euc^  üon  bcä  J^e6en6  Selben  erpen  ©eiflern, 
»on  benen  ber  irei^c  ju  bem  fc^trar^en  fagte :  folgen  nic^t  mir 
bie  ©ebanfen,  nid^t  bie  äßorte,  nic^t  bie  (Sinfid^ten ,  nic|t  bie 
l^e^ren,  nid^t  bit  S^rüc^e,  nic^t  bie  SBerfe,  nid;!  bie  a3etrac^tun= 
gen,  nic^t  bie  (Seelen? 

3.  23erfünbigen  wiU.  i^  ben  erfien  ©ebanfen  biefeö  ^etenö,  ben  mir 
ber  lebenbige  SBeife  fagte,  benen,  bie  euren  @^ru^  nid^t  fo  öoll- 
bringen,  n?ie  ic^  i^n  benfe  unb  rebe :  liefen  möge  beö  SeSenö 
®nbe  (bie  (Erfahrung)  eine  .^ilfe  fein. 

4.  (Bo  mll  i(^  öerfünbigen  baö  6ejte  SBefen  biefeä  Mmß,  ben 
SCBeifen,  ber  be6  SÖa^ren  funbig  i\t,  ba  er  eö  fc^uf,  ber  ber  S3ater 
beö  n?irfenben  guten  (Sinnet  ift;  feine  3:üd^ter,  bie  baö  ®utc 
fc!^afft,  ift  Qtrmaiti.  91ic^t  fann  ber  OtHeg  (Sc^affenbe  betrogen 
ii^erben. 

5.  So  njill  ic^  ijerfünbigen,  njaö  mir  ber  J&eiligpe  fagte,  baö  Sßort, 
baS  für  bie  ?D?enfc^en  ju  ^ijren  baö  aUerbejie  ift,  alim  benen,  bie 
mir  ^ieju  ©e^or  öerleit^en  unb  bie  beg^alb  t)ie^er  gefommen  fmb : 
SSoUfommen^eit  unb  Unfjerblic^feit  burd)  bie  5Berfe  beö  guten 
(Sinneä  ^at  ber  lebenbige  SSeife. 

6.  (So  will  iiS)  öerfünbigen  ben  aUergröften  (ßraof^a),  ber  baö 
HBa^re  lobt,  baö  ®ute  t^ut,  unb  aUt  bie,  n?ei(^e  um  ben  ^eiligen 
©eifi  gefc^aart  finb.  (So  ^öre  mici^  ber  lebenbige  SBeife,  bcffen 
©Ute  baö  ©ebei^en  beä  guten  (Sinneä  ben?irft}  mit  feiner  befien 
SOBeiö^eit  mi?ge  er  mid^  regieren. 

7.  2)urd^  feine  OJJac^t  unb  burd^  fein  SÖalten  beftanben  bie  öer= 
gangenen  ©efd)Ied)tcr  unb  aud^  bie  zukünftigen  loerben  burd^  fic 
befielen,  ^eö  2Ba^r(;aftigen  (Seele  flrebt  nad^  ber  immerbauernben 
Unjierblic^feit,  ber  33ernid^terin  ber  Streuten  biefc  ijl  im  SSeji^ 
beä  lebenbigen  SBeifen,  beö  «§ervn  ber  ©efd^ö^jfe. 

8.  3§n,  ben  ic^  burd()  unfere  ßoblieber  ^u  feiern  unb  ^u  i)erel;reu 
tt)ünfc|e,  fc^aute  ic^  ihn  jie^t  mit  meinem  5fuge,  i^n,  ben  ba6 
SCÖa^re  ^cnnenben,  ben  lebenbigen  Sßeifen,  als  bie  ÖueUe  beö 
guten  ®ei|leÖ,  ber  guten  ^ijat  unb  beö  guten  SGÖorteÖ.  @o  laft 
unö  benn  unfere  ^obeögaben  im  »§aufe  ber  ^obfänger  nieberlegen. 


46  Hang,   die   Gäthä's  des  Zarathustra.   IL 

9.  3^11  ivitt  ic^  «lit  unfevem  guten  @inue  anbeten,  i^n,  bcr  unS 
immer  gncibtg  ift  Bei  :^icl)t  unb  2)un!el;  er,  ber  leBenbigc  Seife, 
ber  burcö  feine  9)?ü^e  bie  33eft|t(;ümer  f(J)afft,  möge  baö  ©ebei^en 
wnferS  3Sie()ä  unb  unferer  9J?änner  förbevn,  unb  bur^  bie  ^o(;eit 
bea  guten  ©innö  baö  SBa^re  fd}ü|en. 

10.  3(;n  itnU  ic^  mit  ben  ®e6eten  unferer  Qlnbadjt  ^jreifen,  ber  für 
ftcf)  aüein  als  ber  le6enbige  äöeife  gilt,  ba  er  öerftänbig  unb  non 
tt^a^rem,  gutem  Sinne  ifi.  .3n  feinem  dUii)  fmb  ii^ottfümmenl^eit 
unb  UnperBUdjfeit;  biefer  SBelt  öerlei^t  er  jene  Beiben  eivigen  Jträfte. 


31.  9Ber  bie  ®ü|en  unb  ferner  aUe  jene  CDtonfdjen  fiir  i)erfel;rt  ^ält, 
bie  nur  33erfet;rteö  benfen,  unb  \i^  öon  benen  unterfc^eibct,  bie  baS 
Otec^te  benfen  :  beffen  i^rennb,  trüber  ober  33ater  ifl  Sl^uramajba 
felbft.     So  lautet  be§  ^aug(;errn,  beö  ^euer^riefter^  S).n-u(Ii. 


11.     (46.) 

dUd)  tt^elc^em  l&anb  foÜ  id)  mid^  n?enben?  SBo^in  füll  id)  mi* 
flüdjten?  SCÖeldjeö  Sanb  geiuä^rt  S(^u^  bem  -§errn  unb  feinem 
©efä^rten?  S^iemanb  üon  ben  5)ienern  üere(;rt  mic^,  nod^  üon 
ben  v!g>errfc]^ern  beö  l^anbeö,  bie  ungläubig  fmb.  9Bie  foll  i(^, 
lebenbiger  SÖeifer,  bid^  ferner  i?erel;ren? 

M)  iveif  eö,  t>a^  id)  t;ilfloö  bin.  Siel;  auf  mid),  ben  Streuen 
unter  beinen  ©etreuen,  fiel),  tt)ie  id^  be§l)alb  tveinenb  ^u  bir 
fomme,  Menbiger,  ber  bu  baa  ®liicf  öerleil;fl,  wie  ea  ein  ^''"funb 
bem  i^veunbe  giebt.  5Daa  ®ut  beS  guten  Sinnea  befi^cfi  bu  gu 
eigen,  2Ba:^rer! 


SÖann  erfd^einen,  3Beifer!  bie  33erfünbiger  ber  ^age,  um  baa 
n>irflid)e  ^eben  ju  erl^alten?  —  3n  ben  funftreid)  gebic^teten 
Siebern  ber  f^euer^riefter  liegen  bie  l;o^en  @infid}ten  lu'rborgen.  — 
2Bel($en  fam  er  mit  bem  guten  Sinne  ^u  J&ilfe?  —  3c^,  aia  bein 
I^ob^reifer,  ertt>ä^le  bic^  mir,  l^ebenbiger! 


4. 


$)er  Lügner  befi|t  bie  gelber  bea  SBa^ren,  ber  bie  @ibe  fd)ü|t, 
in  bem  SSejirfe  tine  in  ber  ^ro^inj,  aber  ata  ein  baa  Sd)led^te 
3Seret;renber  ^at  er  in  feinen  eigenen  ^l^aten  feinen  glütfli^en 
Erfolg.  2Öer  biefen,  iffieifer!  aua  feiner  ^errfc^nft  ober  axh^  feinem 
93cfi§  vertreibt,  gerabe  ber  iranbelt  treiter  bie  $ßege  guter  fc 
fenntnt^. 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  II.  47 

5.  ilßenn  in  ßuhrnft  ein  ^crvfc|er  einen  eujreift,  ber  ben  (Eib  bvi^t, 
ober  n>enn  ein  33ornef)mer  einen  ercjveift,  ber  bie  35erträge  öerte|t, 
ober  njenn  ein  gerecJ^t  lebenber  2Ba^r^aftiger  einen  Öiigner  ergreift, 
fo  foK  er,  foBatö  er  bie§  crfannt  (;at,  bem  ^errn  anzeigen  :  in 
9fZot^  unb  OJZangel  foK  ein  fold^er  §n  feinem  Ungliicf  geflogen  fein. 

6.  SKer  ater,  obfc^on  er  fann,  nic^t  jn  i^m  (bem  ^errn  ber  ®e= 
meinbe)  get;t,  ber  möge  nur  ben  (Sa^ungen  ber  j;e|t  ^errfd)enben 
£üge  folgen,  ^enn  ber  ifl  ein  Siigner,  ber  bem  iHtgner  alö  ein 
3Sortre[flid[)er ^  ber  ein  SBat^r^aftiger,  bem  ber  Söa^r^aftige  ein 
?5rcunb  ifi.     (So  gabji  bu  alte  @^rü(^e,  Menbiger! 

7.  Söen,  SBeifer!  machte  man  jum  (ö(f)ü§er  beö  9)?einigen,  hjann 
mir  ber  l^ügner  gu  fc^aben  trad^tet,  n^en  anberg  aU  bein  ^euer 
unb  beinen  (Sinn,  burd^  beren  SBirfungen  bu  ba0  3Sirf(ic|e  fd^ufeft, 
l^eBenbiger!  —  SSerfünbige  mir  jene  ,^raft  für  ben  ©kufien! 

8.  SÖer  meine  l^anbgüter  i^ernjüjlet,  nic^t  burcf)  feine  ^^atcn  olö 
^enerbiener  mic^  erirä^lt,  bem  möge  für  feine  ^^erfon  gleic^eriDeife 
vergolten  n^erben.  23on  gutem  33efi|tt)um  fei  er  fern,  aOer  ni^t 
öon  ^öfem,-mit  iegli(f)em  lleSel  erfüllten,  SBeifer! 

9.  SÖer  if!  .eö,  ber  aU  mein  ^^elfer  mici^  guerft  erfennen  lief,  baf 
bu  am  meiften  öerel;rungön?iirbig  tjift  aU  ber  Menbige,  2Öa^r= 
Saftige  in  ber  ^t)at'^  5)ie  2Öa^rt)eiten ,  bie  bir  ber  JBitbner  ber 
6rbe  üerfünbete,    n^erben  mir  gu  ^^eil  burd^  beinen  guten  «Sinn. 

10.  SÖelc^er  9)?ann  ober  wel^e  i^xan,  leBenbiger  SiÖeifcr!  bie  beften 
3^l?aten,  bie  bu  fennfi,  für  biefeö  Men  vollbringt,  inbem  er  fo 
für  baö  SKa^re  bie  2Bal;rl)eit  unb  burc^  ben  guten  (Sinn  bie 
>^errfc^aft  förbert,  fo  n?ie  alle,  bie  in  meinem  ©efolge  ju  eurem 
;&oS:^rei0  kommen :  mit  allen  biefen  unll  i^  über  bie  ^rücfe  beö 
3Serfammlerö  :^inü6er  (ing  ^arabieö)  geilen. 

11.  3)ie  ^errfd^aft  ifl  in  ben  J^änben  ber  ^viefler  unb  !]]roVl;eten  ber 
©ö^en,  bie  burd^  i^re  Xi^aUn  baä  menfct;Iid^e  J^eben  ju  ertöbten 
fu^en.  5)iefe  treibt  il;r  eigener  ®eifl  unb  i()r  eigener  «Sinn,  baf; 
fie  vorbei  ge^en  muffen  an  ber  33rücfc  be0  ißerfammlerö,  um  für 
alle  @n?igfeit  in  ber  i}ügenrt)ol;nung  (^ötte)  gu  »erbleiben. 


12.  Qllö  \\a^  23eftegung  beö  geinbeä  ^t'iana  unter  ben  (ivanifd^en) 
(Stämmen  unb  i^ren  ©enoffen  bie  n)a:^ren  ©ebräud^e  (Der  %än^ 
bau  unb  ^euerbienft)  anffamen,  gäuntcfi  bu  mit  hatten  ber  (Srbe 
©runbflüffe  ein.  (So  umzäunte  fie  alle  ber  lebenbige  iißeife  burd) 
feinen  guten  @inn  unb  iüieö  fic  jenen  ^jum  93efi^tl;um  an. 


48  Httugj  die  Gdthd's  des  Zarathusfra.   IL 

13.  5Ber  beu  r;ü(l)(;eiligcn  ßarat^ufira  mit  isln^  unter  ben  5)?tnf(^en 
üeie^rt,  ber  t^  gef^irft,  feine  ^e:^re  öffentlid^  ju  yerfünbigen.  3^m 
(bem  3«^at^«ftva)  iiOergaB  bei*  leBenbige  SÖeife  baö  !^el3cn;  für 
t^n  umzäunte  er  mit  gutem  «Sinn  bie  :S^anbgüter;  i(;n  galten  n.nr, 
SÖa^rer,  für  euren  guten  S^reunb. 

14.  Brtvat^ufira!  wer  ijl  betn  ira^r:^afttger  ^reunb  6ei  bem  großen 
2Berf?  ober  irer  mü  eß  öffentU^  oerfünbigen?  Mai^o,  S^ictdc^a 
gerabe  n?ilX  baö  t^un.  SBelc^e  bu,  lebenbiger  Seifer!  in  ber 
(^immlifc^en)  @i|ung  au0eriräl;lt  ^aft,  bie  irnÜ  icf)  mit  ben 
äÖorten  be^  guten  @innä  üere^^ren. 

15.  3(;r  ^eiligen  ^aecat  =  ac))iben,  ju  eud^  mli  id)  reben;  benn  i^r 
uttterf(^eibet  baö  Oiec^t  unb  baö  Unre^t;  burd)  eure  XhaUn  ift 
üon  eud)  baä  Söa^re  6egrünbet,  treidle  in  bcn  alten  @o|ungen 
beö  \?e6enbigen  niebergelegt  ifi. 

16.  ö(;rn?ürbiger  f^raf^aofira !  ge^  bu  mit  jenen  «geifern,  bie  itür 
beibe  für  bag  SBo^l  ber  SBelt  un6  errtjä^tten,  bort(?in,  n?ü  bie 
?5frömmigfeit  im  ©eleit  ber  SBa^r^eit  i|t,  wo  bie  $öefi^tt;ümer  beö 
guten  ©inneä  enr»or6en  u>erben,  wo  bie  2Öol)nung  beö  lebenbigen 
SGBeifen  tj^. 

17.  2Bo  üon  eu^  nur  (Segenöfprüc^e,  feine  i^lüci^e,  i^r  e^rhjürbigen 
2)e?gdmdc^3a'S,  gu  :^ören  ftnb,  inbem  i^r  immer  bie  @üter  beffen 
Befigt,  ber  bie  ^eiligen  ©ebräud^e  anorbnet  unb  öoUbringt,  ber 
baö  0^ed)t  unb  Unred^t  unterfc^eibet,  nämlid^  be0  lebenbigen  SÖeifen, 
ber  öon  fiarfer  ßinfic^t  ift. 


18.  9ßer  mir  gehjogen  ifi,  für  ben  fammle  id)  all  baö  93efte  meiner 
©üter  mit  gutem  ©eifie;  aber  0Zot^  bringe  ic^  über  alie  bie, 
treidle  unö  in  ^otf)  bringen.  SÖeifer!  Söa^rer!  eure  <^i[fi  wiä 
id)  anflehen.  3)ief  ijl  mein  (Sntfc^luf  nac^  meiner  @inftd)t  unb 
meinem  @inn. 

19.  2Öer  mir,  bem  S^tratl^uflra,  bicfeö  njir!li(!^e  Men  burd^  bie  aBaf;r= 
^eit  jum  größten  ®ebei(;en  bringt,  bem  njirb  aU  ^ot)n  baS  (h?a^re) 
erfie  unb  baS  ©eijleäleben  üerliefjen,  mit  alten  ©ütern,  bie  auf 
ber  unöergänglid^en  @röc  gu  finben  jinb.  QlUi  biefe  ®inge  be= 
fi|efi  ober  bu,   SBeifer,  ber  bu  mein  (^reunb)   U]t,   im   rei^ften 


2)eutfc^e  Ueberfe^ung  ber  brüten  ®att)a. 


12.     (47.) 

1.  ^er  leSenbigc  SCßeife  yeilei^t,  tofvmöge  fcincö  ^eiligen  ©eifieö ,  ^n-^ 
möge  be0  befien  «Siiineö  iinb  ber  wa^xm  %f:)at  unb  beS  ma^re» 
Sßorteö  biefer  Sßelt  bie  beibcn  i^räfte  ber  33otlfomment)eit  iiub  Un; 
fterSUd^feit  in  bem  did(i)c  auf  ber  @rbe. 

2.  33on  biefem  ^elligfien  ®eiji  fommt  aUcö  ®\iU,  ba0  f((^  ie|t  in 
ben  mit  ber  3w"9f  ge]>rod^enen  SBorten  be^  guten  (Sinnet  offene 
Bart.  Wlit  feinen  «^änben  »oKBringt  ber  Sßetfe  atö  ber  QSater 
beg  SÖa^ren,  vermöge  feiner  (Srfenntni§,  bie  ^^eiligen  SBerfe  ber 
5lrmaiti  (ten  *2(cf erbau). 

3.  S3on  füld&em  ©eifle,  eSenfo  ^eilig,  6iji  bu,  ber  biefer  SBelt  bie 
(Srbe  mit  bem  in  i^rem  ©ci^oof  ru^enbcn  ^euer  f^uf.  9J?it  lieb- 
lichen fjluren  f^mücfteft  bu  bie  @rbe,  nac^bem  bu,  Sßeifer,  bid) 
mit  bem  guten  (Sinn  berat^en  ^attefi. 


4.  9'^ur  burd^  ben  Sügengeifl  fuc^en  bie  ©otttofen  ju  fc!^aben,  burd) 
ben  n)a^v(;aftigen  SBeifen  fonnen  fie  eä  nid)t  t§un.  SGÖarum  jä(;lt 
ber  Sßa^rt)aftige  fo  n?enig  ^In^änger,  n?ä:^renb  bem  i^ügner  in 
großer  ßai)[  alle  3)Zäc^tigen,  bie  ungläubig  finb,  folgen? 

5.  Unb  boc^  geboren,  ^eiliger  @eijt  ^^^uramajba!  alte  bie  beften 
©üter  bem  2öat;r()aftigen.  ^er  ßügner  \3erfc^ir>enbet  beine  ©naben^ 
gäbe  unb  bebarrt  bod)  burc!^  feine  $l)aten  bei  feinem  f(^lecf)ten 
@inn. 


6.  5)u,  ^eiliger  ®eiji  Sl^uramajba  I  legteft  bie  @abe  beö  guten  S^euerö 
in  bie  O^eibt^öljer,  burc^  bie  ß^^fi^fit  i^on  9Ba(;r^eit  unb  von 
i^tömmigfeit.     ^nwn  biefe  fc^ii^t  bie  93ielen,  bie  fid)  naiven 


Abhandl.  der  DMG.     II,  2. 


50  I1«ng,  (ii<^'   Gdthas  des   ZamtfiHsha.   III. 

13.    (48.) 

1,  3Bt'nii  ev  biivc^  i^lefe  ^tnge,  SBa^rer!  bie  ^üge  öernid^tet,  ba§  bi 
fdjlimmctt  gegen  bte  Unfier6Iic^feit  i^on  ben  2)ämonen  unb  SWenfd^ei 
gefproc^enen  2Borte  ftc^  nidjt  üerevBen :  \o  möge  er  bur^  bein 
^tlfetei|lungen,  ^eBenbiger!  baö  ^obgebet  fpredpen. 


2.  ©ag'  mir,  ivaö  bu  ivei^t,  :^ebenbtger!  e(;e  tc^  ben  @eif!eefamVt 
^u  befielen  ^cibe.  S3erni(f)tet  n?ol;l,  SBeifer!  ber  Söa^r^aftige  ben 
J^ügner?     5)ie§  gilt  aU  eine  gute  l^ebenet^at. 


^em  ber  ®efe|e  v^unbigen,  iveI(J)e  ber  baö  ®ute  fci^njfenbe  :2e6enbige, 
^eilige,  bein  greunb,  Söeifer!  bur^  bie  @tnnc!^t  beö  guten  ©inneö, 
ijerfünbigt,  SÖa^rer!  im  ä^erein  mit  aUen,  Wcldjc  beine  ®e(;eimniffe 
beuten  fönnen,  n>irb  baö  6efte  Ji?oü^. 


5)en  3Keinungen  unb  l^e^ren  beffeii ,  ber  einen  guten  unb  fc^leci^ten 
©eiji  in  ©ebanfen,  SBort  unb  ^(;at  ^uerfl  Ie(;rte,  folgt  »Segen 
unb  «§eil.  —  ^iegt  nicf)t  ber  Seiben  SSeiö(;eiten  UrgrunD  in  bir? 


5.  3)ie  ©Uten  foUen  iihn  unS  l;crvfd^en,  nid^t  bie  93öfen!  ^urc^ 
SBerfe  guter  SrfenntniJ  üevlei(;fi  bu  ©lücf  beut  ÜJJenfci^engefc^ted^t, 
Qtrmaiti!  unb  bie  heften  ©aljen.  3)u  Inpt  ju  unferer  S^a^rung 
ben  Selbbau  gebei^en! 

6.  @ie,  bie  u>o(;nIi^fie,  ga"6  un§  biefe  Deiben  endigen  »Gräfte  beä  guten 
©innö;  fic,  bie  t)ol)c  (5(rmaiti),  tijat  e^.  g^ür  fie  lä§t  ber  lebenbige 
2öei[e  burc^  baS  SBal^re  S3äume  njn(i)frn  für  baa  ®efd;Iec[)t  beö 
erf^en  Sebenä. 


5.  0?ifber  mit  bem  5(ngveifer !  Jlämpft  gegen  bie  ßf^'ftövung !  33eibe 
Befiegt  er  burd^  ben  guten  (Sinn.  2)er  2Ba^r^t'it  folge  i^,  bereu 
93efolgung  ^^f!id;t  beö  ^eiligen  SD'Janneö  ift,  unb  feine  ©ef^cpff 
Ü6erge6e  i<i)  bir,  Sebenbiger! 

8.  Sie  ift  bein  guteö  Dfleid),  Söeifer,  nue  beine  2öa^rr;eit  für  mid^ 
gu  erreid^en,  Sebenbiger?  SBelc^e  tta^ren  3)inge  ru^en  in  bir, 
bie  ben  nnrfUc^en  geifern  (beö  ©laubenö)  mitgetl;eilt  irerben  follen, 
unb  bie  eine  (Sd;u§n)e^r  ber  '^i^aUn  beä  guten  Sinneö  finb? 

9,  äÖann  erfal^re  id),  oB  i^r,  Steifer!  Saurer!  mid)  jur  Börberung 
beö  ©ebietg,  baö  i^r  be^errfd)et,  fanbtet?  2)er  &eueiüerel;rer  foK 
genau  bie  auö  bem  guten  Sinn  gefloffenen  rid)tigen  Sid)tern?orte 
erfahren,  bamit  bie  2öal;r:^eit  i^m  ju  ^(;eil  n>erbe. 


I 


Hang,  die   Gdlhas  des  Zarathustra.   III.  51 

10.  SBann  erfc^einen,  3Beifer!  bte  a)iänner  üon  ^Mit)  unb  ^raft? 
tuann  öerunrcinicjm  fle  biffen  O^aufc^tvanf?  3)urd)  biefe  3:eufel0= 
funjl  finb  bic  @i>|enprtef^er  üBermüt^ig  unb  burc^  ben  fd)Ied}teu 
@eijl,  ber  in  ben  S^änbern  :^errfcl;t. 

11.  SBann  fommt,  Söeifer!  Söa^rcr!  bie  2lrmaiti  unb  i:erlei(}t  «^evr^ 
f^aft  unb  fd^öneä  fturenveid^eö  a3eji|t^um?  —  SBelc^e  öevmügen 
tro§  ber  graufamen  iMigner  (tro§  il^rfi^  Eingriffe)  5{nneI;mUd^fcit 
5U  üevfc^affen?  —  3u  n?elc^en  gelangt  bte  (Sr!enntni(?  be^  guten 
©innä  ? 

12.  f5euerüere(;rer  (ßaosfjanto)  in  ben  Räubern  ftub  ^ie,  \vM)i  beut 
@otteöt>ienft  mit'  gutem  «Sinn  buri^  ^^aten  oBIiegen,  SBn^rer!  — 
^ie  @efe^e  beiner  !^et)re,  SSeifer!  ^ernid)ten  ben  feinblic^eu  Eingriff. 


14.    (49.) 

1.  ^^ici^t  für  immer  fotl  ber  mäcl)tige  33enbüa  ^erj^ören,  ber  fi^  mit 
bem  33ere^rer  ber  @d)Iimmeg  ftiftenben  ^eren  bereinigt,  Söa^rer, 
SSeifer!  Äomm  mit  ber  ®a6e  beg  ®uten  ^u  mir,  ^ilf  mir,  ent= 
ferne  baö  üon  jenem  bro^enbe  Unheil  burd^  ben  guten  @inn! 

2.  @ü  fommt  mir  ber  ©ebanfe,  ba§  ber  ^ügenglauBe  biefeö  33enböa 
ber  3Ba(;r^eit  bop)3clt  fc^abet :  er  ert;ält  biefer  SBelt  bie  QUmaiti 
nid^t  unb  üerfei^rt  nic^t  mit  bem  guten  Sinne,  SQBeifer! 

3.  Sn  biefer  Se^re  ru^t  baö  2öa^re,  um  0lu^en  gu  jHften;  in  ber 
fölfc^en  Oieligion  bagegen  bie  S^ic^tigfeit,  um  Sä)ciben  an^uridjten. 
^iefe  Scf}üVfu«3  ^f^  QVitcn  ©eifieö  iji  ju  ijere^ren;  a6er  gegen 
alte  *2(n^änger  ber  Süge  Mi  iäj  reben. 

4.  ^ie,  irelc^e  burc!^  i(;re  fd)Iimme  (Sinfid^t  bie  S^^f^t^vwng  unb  baö 
9Serber"6en  öerme^ren  burcf)  il;re  SÖorte,  bie  al§  nic^tö  ®cft|enbe 
unter  ben  33ejtl^enten  finb,  unb  »on  benen  ffiner  gute,  fcnbern 
nur  fc^(ecl}te  :l!()aten  vollbringt :  foI(^e  SSJJenfd^en  erzeugen  bie  üöfen 
©eifter  burd^  il;ren  2öat;ng(au6en. 

5.  ^er  ÜBeife  ift  eS,  ber  mit  5ln6etung  unb  SSerei^rung  burd;  ben 
guten  @eift  ben  ®lau6en  fc^i'U^t,  fo  irie  jeber  ^ble,  ber  ber  5lrr 
maiti  angel)ört,  2BaC;rer!  SO^it  aUcn  biefen  tM;t  er  unter  beiner 
^errfc^aft,  l^eBenbiger! 


6.  3c^  fpredjc  an&,  iraö  mir  ijon  eud^  oufgctragen,  baS  2Ba(;re'  unb 
bie  ©ebanfen  eureö  ©eifteö,  um  rid)tig  gu  ernennen  euren  ®lau-- 
ben,  bamit  loir  i(;n  i-^erfimben  mögen,  Sebenbiger! 

4' 


52  Hang,  die   Gdtftas  des  Zarathustra.   III. 

7.  ^Öre  bie§  mit  gutem  ©elfie,  Sßcifer!  fjöre  e8,  SÖa^rev!  Slcige 
bctne  D^ren,  J^eBenbiger !  SBeld^er  @(l^u|genoffe  ober  icelci^er  9(n= 
üenimnbte  6efi|t  bte  ®efe|e,  um  ben  5)tener  ben  guten  ©tauben 
teuren  ju  können? 

8.  5)u  ütjergabji  bem  Sva[(;aofira  bie  auögegeid^nfte  ©(^ö))fung  bev 
SGßa^v^elt  —  unb  auc^  mir  —  td^  Wit  bic^  barum,  leSenbiger 
SBeifer!  —  jene  bie  in  beinern  guten  D^eicfee  ift.  ^ür  alte  ^di 
iüüUen  irir  beine  S3oten  fein ! 

9.  ^er  33ermögenbe,  n)elc[)er  gum  9?u|en  gefc^affen  ijJ,  möge  bie 
@efe|e  C;ören;  nic^t  folt  n^er  bQ§  iHi(^tige  rebet,  bie  @cl)ö:pfung 
bem  Lügner  übergeben.  !Denn  bte  alten  @^rii(^e  bringen  ben 
größten  ^^ovt^eil,  ba  (i^re  Urheber  itnb  93eiünl)rer)  bie  beiben 
2)e  =  gamacpa'S  baö  äöa^re  befi^en. 

10.  2)aö,  SÖeifer,  iibergab  ic^  bir,  um  ben  guten  (Sinn  unb  bie  (Seelen 
ber  SSa^r^aftigeU;  fon?ie  ben  ©otteSbienp,  ber  in  ^^römmigfeit 
unb  ©ebet  \ii\Ui:jt,  ^ii  bef(^ü|en,  burc^  beine  9J?ac|t,  bein  S^teid^ 
unb  bein  JBefilt^um,  baö  «§ilfe  bringt. 

11.  5£)ie  (Seelen  (ber  233af)rf)aftigen)  (breiten  gegen  bie  Lügner,  beren 
©inftc^t  nichtig  ifi,  bie  fc^led^t  fmb,  bie  fc^led^t  ^anoeln,  reben, 
benfen  unb  glauben.  3a  fürlt»a^r  in  ber  l^ügentüo^nung  («i^ötte) 
iverben  einft  i^re  ^Ör^er  fein. 

12.  aSelc^e  ^ilfe  h?urbe  bem  S^rat^uftra  ju^^^eil,  aia  er  bie  Sa^r:: 
Reiten  anrief?  SBaä  iüurbe  i^m  burc^  ben  guten  «Sinn?  (Sud) 
untt  id^,  ©eifei!  !?ebenbiger!  (oben  unb  :preifen,  inbem  ic^  bon 
eu^  baffelbe  erfd-^n^  n?ag  jener  als  ba§  bcjle  ®\\i  jic^  erfleht  ^at. 


15.    (50.) 

1.  SÖelc^e  ^ilfe  mirb  meiner  (Seele  gu  5^l;eil?  SBer  anberö  ijl  be= 
fannt  alö  ber  @r:^alter  meineö  ^ie^§  unb  meiner  felbfl,  n^enn 
nic^t  ber  SBa^re  unb  bu,  lebendiger  SSeifer,  il;t  ^od^ge))riefenen 
unb  ber  gute  ©eift? 

2.  aöie,  iiBeifer!  bilbete  ber  bie  ^u^  ^lanjocfereti  (bie  Srbe),  n?elc^er 
fie  biefem  ©efd^le^t  jum  SÖo^nfi^  beftimmte?  £af  mic^  bie  üielen 
aCBefen,  bie  ber  (Sonne  Sic^t  fc^auen,  erleud^ten  unö  auf  ben  rechten 
SBeg  führen!     (Schaffe  ®ere(^tig!eit ! 

3.  (So  möge  benn,  lebenbiger  SBeifer!  biefer  Sßelt  ©erec^tigfeit  ju 
^^eil  n^erben!  a)iefe  ernannte  mit  «^ilfe  beS  33eft|eS  unb  beä 
guten  Sinneä  nur  ber  2J?ann  ber  Sa^rl^eit,  ber  mit  ^a^i  ba0 
näc^ftgelegene  ©ebiet  einzäunt,  melc^eS  ber  l^ügner  tergeubet. 


I 


Hang,   die   Gdthas  des  Zarathustra.   111.  53 

4.  @o  rtjitt  i^  eu(^  Mbc  burc^  5^o6  ijere^ren,  USenbiger  SlBeifer! 
gugleic^  mit  bem  Salven  unb  bem  guten  «Sinne  unb  ber  ^^errfd^aft. 
^k,  tüelc^e  nac^  biefen  @ütern  ftreSen,  leitet  er  (ßarat^upra)  auf 
ben  2Öeg,  ber  ^infü(;rt  gu  bem,  ber  bie  l^obUeber  bcr  a^a^r^oft 
^frommen  im  ^arabiefe  ^ört. 

5.  @eib  Bereit,  3Ba^rer,  Sebenbiger!  eurem  ^ro^^eten  33eif}anb  ju 
leiten  burd^  eine  ringsum  fic^tBare  mächtige  v^üfe,  burc^  eure  au0= 
geftrecfte  J^anb!  3)er  UrqueU  beö  geuerö  möge  biefe  «^ilfe  unö 
Beiben  geträ^ren! 

6.  Sarat^uftra  ift  eg,  aöcifer!  ber  alö  bein  SSere^rer,  Sßa^rer! 
:^ü6eön.iorte  darbringt,  ber  bie  SBerfe  beö  HJerftanbeö,  iveld^e  bie 
Bunge  t)er!ünbet,  ber  meine  ©e^eimniffe  bem  menf(^Ii(^en  ®e[c^Ied)te 
offenbart. 

7.  (So  n,nü  td^  alö  S3ereX;rer  eud^  inögefammt  anrufen,  bie  i^r  ®\\U^ 
f^enbet,  fottne  at(e  bie,  trelc^e  bie  ftarfen  SSrücfen  eurer  @lücffelig= 
feit  erreid^en,  Äßeifer!  SCBa^rer!  mit  gutem  ©eifie,  iene  33riicfen, 
bie  eu^  get)ören^  fommt  mir  ju  «J^ilfe! 

8.  Wii  ben  SSerfen,  bie  §u  eurem  SoBc  gebid^tet  unb  ütterllefert  jinb, 
h)it(  ic^  mid^  unter  5luf^ebung  meiner  «§änbe,  SBeifer!  euc^  Reiben 
na^en.  (Sud^  beibe,  SBa^rer!  n.HK  id^  mit  bem  !?ob  beS  ^^rommen 
unb  mit  ber  a?ortrefflid^feit  beö  guten  ©inneö  tierel^ren. 

9.  ^\i  biefen  ©ebeten  tt?iU  \ä:i  euc^,  SBeifer!  äÖa^rer!  lobenb  ent^ 
gegenge:^en  unb  mit  ben  SCßerfen  beö  guten  (Sinneg  2BeiI  bu 
«§err  meiner  ^Zatur  bijl,  [o  tierlange  \6:)  nad^  bir  alä  bem  baö 
(^wit  ^efi^enben  unb  bringe  bir  meine  Älage  üor, 

10.  5(üe  ^eüglänjenben  ,^or:|3er  mit  i^ren  @rfc|einungen ,  alieä,  tüaö 
burd^  ben  guten  (Sinn  ein  leud^tenbeg  5luge  :^at,  bie  (Sterne  unb 
bie  «Sonne,  bie  33erfünbigerin  ber  ^age,  ii^anbeln  ^u  eurem  Sobe, 
lebenbiger  21'eifer! 

11.  @uer  Sob^reifer  anCl  ic^  genannt  fein,  SBeifer!  unb  eg  a\\6) 
bleiben,  fo  lang  alä  id^  üermag  unb  fann,  inbem  idf;  bie  @efe|e 
beö  ^i^tx^^,  bie  bie  23oUfomment)eit  biefer  5Dinge  anpreben,  be= 
förbere,  bamit  baö  ^eben  ber  SBelt  toon  felbfl  fortgebe. 


3)eiitfd^e  Ueberfe^ung  ber  merten  ®dtp. 


16.     (51.) 

1.  3ebe  QirtBetung,  SÖa^rerl  befielt  in  ^anblungen,  ivoburc^  man 
fi^  Qukn  S3cft^,  ijoU  (Std^er^eit  unb  ©lücf  ringsum,  crmevben 
fann.  (Bim  fold^e  üortreff(icJ)e  tDitt  idj  je^t  i^n  unferem  ^eil  ^oU- 
bringen. 


2)ieg   erflehe   ii)   öon   euc^,   ?«ftft  öon  bir,   SÖetfer!    Menbiger! 

SSa^rcr!   unb  öon  bir,   Qtrmaiti!  SSerlei^  mir  burc!^  mein  @in= 

nen  ben   93eft^   eurer   @üter,    mit  gutem   Sinn,   mir   §um  «§eile 
unb  gur  ^itfe! 


3.  3u  eurer  (Srbe  fommen  bie,  wd^e  euc^  burc|)  i^re  ^anblungen 
fcl)ü|en,  Menbiger!  2öfl()rer!  burcf)  bie  ijom  9)?unbe  ge|>ro(^enen 
SGBorte  ber  guten  ©ejlnnung,  benen  bu,  3Seifer!  juerft  bie  «Stärfe 
ga6j!. 

4.  SBo  ijt  ber  ^err  ber  @^ä|e?  2Bo  fmb  bie  greife?  SGßo  ftnb 
bie,  n^elc^e  bie  Sßa^r^eit  üere^ren?  hjo  ift  bie  :^eilige  5lrmaiti? 
wo  ber  Uftt  @inn?  tt3ü  finb  bur(|  bi(i^,  sißeifcr  ^  JKeid^'t^ümer  ^u 
erlt»erBen  ? 

5.  5tWe0  biefeg  fragt  ber  !?anbmann,  ber  jiar!  burd^  feine  ^anblungen 
ift,  um  Bejlänbig  bie  @rbe  ^u  Befi^en,  ber  bie  gute  (Sinft(^t  Ijat, 
unter  ÖoB:^veifuttg  jienen,  ber  un6  aU  «^err  beö  für  bie  ®ef(|ö))fe 
geltenben  ©efe^eö,  aU  3n()a6er  ber  SBa^r^eit  befannt  ifi; 

6.  S)er  bie  aUerbejte  ©abe  bem  öerlei^^t,  n^elci^er  gum  @c^u|e  (beö 
©Uten)  n^ivft,  ber  lebenbige  Söeife  mit  feiner  ^^a^t;  aber  jenem 
glebt  er  bie  atterfc^limmfte  (®aBe),  ber  für  ii^  xM)t^  t^ut  bei 
beg  Sebenö  Qtuögang. 


Haag,  die   Gäthd's  des  Zarathuslia.   IV.  55 

7.  ®ieb  mir,  fcev  bu  bie  (Srbc  bilbetej!,  bie  SBaffcv  unb  bie  SSäume, 
bie  Unjler6licf)feit  unb  QSoUfommen^cit,  ^»ciligfier  ©cijt!  bicfe 
bctben  etingen  Jträfte  bcfinge  ic^  mit  gutem  ©eift. 


(So  tviü  ic|  bir  beiu  ^ot)  üevfünbigen,  Seifer!  benn  bem  Söif:; 
fenbeu  möge  man  e5  fagen,  ba§  ic^  Uebleö  bem  Lügner,  ^eil 
a6er  bem  Derleii^eit  \m\i,  ber  baS  2Öa^re  fefi:^ält.  3)enn  gerabe 
ber  6etüa(;rt  bie  S^rüc^e,  ber  fic  bem  SBiffenbeu  U)ieber  fagt. 


9.  5Diefe  @oBe  beineö  ^eUglänjenben  ^euerö  legft  bu  iu  bie  6eiben 
^t'il^Uin,  SSeifer!  um  im  SSerlauf  ber  ^nt  bie  BeiDeu  lieben 
lu  jlärfeu,  bem  !2ügner  gu  fc^aben,  bem  SSa^r^aftigen  ju  nü|en. 

10.  3Ber  mid;  Don  biefer  (Stelle  anberStuo^in  ju  fto§en  fudjt,  ©Reifer! 
ber  ijl  ein  S3ilbncr  ber  t)öfeu  (S(J)üpfung,  nämltd)  berer,  bie  baö 
93öfe  t^un.  ?5ür  mic^  iritt  ic^  baö  llÖo^re  anrufen  ^uglei^  mit 
ber  guten  (S^iJ^fung;  baö  ä'Öa^re  gehört  bir! 

11.  SGBer  ift  ein  ?5^eunb  beö  :^od}^eiUgen  ßarat^ujlra,  3Beifer?  ober 
trer  unterrebet  fic^  mit  bem  Sauren?  2Ber  ifl  bie  (^eilige  5lr^ 
maiti?  ober  n?er  ifl  Befannt  üon  gutem  (Sinn  al6  ein  «Reifer  ju 
bem  großen  SGBer!? 

12.  ^ein  Of^ad^fomme  beö  5(nt)ängerö  ber  ©ijtter^riefter,  beö  S3enDÜfter3 
ber  Srbe,  ijere^rt  t;ieburc^  ben  ^oc|(;eiIigen  ßarat^uftra  alö  foId)en, 
burd^  ben  bie  2Belt  emvorgelvac^fen,  bem  bie  9teic|t^ümer  von  bem 
niaö  fd)on  lebt,  fonne  bon  bem,  )MCi^  noc^  geboren  nnrb,  juffiegen. 

13.  3)iefe  JReligion  beö  l^ügnerö  vernichtet  bae  SBefen  beö  9^ed)tfd)affenen, 
beffen  Seele  n)irflic|  gu  ben  Beiben  93rücfen  beö  33erfammlerö  (in 
ben  «Fimmel)  ^u  fommen  trautet  unb  burd^  i^re  SÖerfe  bie  ^fabe 
ju  bem  n^a^ren  SQBort  §u  erlangen  flreOen. 

14.  t^eine  (;ei(igen  S^rüdje  fmb  für  baö,  ivaö  baö  f^elb  ber  ®ö^en= 
^ro^^eten  {)eröor6ringt,  Vorlauben;  bie  (Srbe  a^er  l;at  ^eil  in 
ifjren  Serfen  unb  Sorten  für  ben,  ber  ba8  93ernid;tungaiüOvt 
ber  Sügenhjo^nung  ü6ergieBt. 

15.  ßaratfjuftra  verwieg  längfl  ben  9)?agaüa'a  (SOJagiern)  einen  :^of;n. 
3um  ^arabiefc  fam  guerjl  ber  leSenbige  Seife.  3ene  treiben  Jlräfte 
mit  i()ren  «Hilfen  feefi^t  i^r  burci^  ben  guten  Sinn  unb  baö  Sa(;re. 

16.  3)iefe  ^Vnntniß  erlangte  R<x^i\  3^iftac)3a  mit  bem  93efi(j  beö  ge> 
(;eimen  Sd^at^eö,  nämlid^  mit  ben  ißerfen,  bie  ber  gute  Sinn  ge= 
ticktet;  biefe  erfann  mit  «^ilfc  beö  Sa(;ren  ber  (^eilige  lettenbige 
Seife.     So  möge  unö  ^eil  iuerben! 


)()  Haag,   die   Gdthu's  des   Zarathustra.   IV. 

17.  9)Zcin  «igjo^lattb  luünfc^te  ber  eble  graf^aoj^ra  ju  bcfud^en,  um  bort 
ben  Qütm  ©laufen  gu  öerbreiten.  ^k\m  niöqe  ber  ^ervfc^er,  ber 
lebenbige  2ßeife,  bort^in  gelangen  laffen.  Oluft  laut,  baf  man 
ber  SBa^r^eit  nac^ftveBen  foKe. 

18.  2)iefen  ©lauOen  irä^lten  fiel)  bie  n^etfen  ©amac^a'ö,  üotl  glänjenbcr 


sDiefen  ©lauben  iraplten  jic^  bte  n^etjen  (äJamac^a'ö 
©üter,  fie  bie  im  ®eft§  beö  guten  «Sinneö  finb. 
mir,  leBenbiger  SBeifer!  rt?eil  ic^  an  bir  fefi^alte. 


19.  33efi|t  bief  jener  burc!^  ben  ©laufen  —  bie  6eiben  ^od&^eiligen 
9)Zaiblomaon^a  fc^reiBen  (§  i^m  ^u  —  ber  nac^  aUen  (Reiten  baö 
mcn  Wafft?  5Der  ^Beife  üerfünbigte  bie  ©efe^e  beö  3)afeing, 
baS  S3effere  üoü bringt  er  burc^  feine  SGBerfe. 


20.  ^i)x  alte  ^ufammen  möget  vereint  unö  biefe  eure  ^ilfe  gemä^ren, 
bie  SH^a^r^eit  burd)  ben  guten  (Sinn  unb  ba§  gute  S33ort,  njorin 
bie  i^römmigfeit  befielt.  (Beib  ge^riefen  unb  gelobt!  3)er  2Öeifc 
oerlei^t  baö  ©Utcf. 


21.  •^at  nid)t  ber  »^eilige,  ber  lebenbigc  SBeife  felbjl  burc^  bie  njeifen 
(S:^rüci)e  ber  5frmaiti,  burc^  i^re  Xf)ai  unb  if;ren  ©lauben  bie  :^elt= 
leud}tenbe  SSat)rt}eit,  ben  SSefi^  mit  bem  guten  (Sinne  gefc^affen? 
^iefe  gute  SBat;r^eit  mü  id)  üere^ren! 


22.  Saö  für  mid^  beflänbig  baS  S3ej!c  fei  Bei  ber  93ere^rung  berer,  bie 
ivaren  unb  bie  noc^  finb,  ireif  ber  leBenbige  SBeife.  Jt)iefe  ujitt 
id^  mit  S'Zennung  i^rer  S^amen  anrufen  unb  al0  I^obpreifer  mic^ 
i^nm  na^en. 


J)eut[d^e  Ueberfe^ung  ber  fünften  ®dtp, 

17.    (53.) 
5(nbetung  fei  euc^,  i^r  tra^r^aftigen  ü^ieber! 

1.  m  ifl  Mannt,  baf  Barat^uftra  im  SSefil  beg  ^oc^ficn  ©uteö  ijl; 
benn  i^m  ga6  ber  lebenbige  2Beife  ftctö  für  at(c  ß^it  at(eö,  traö 
§u  erlangen  ift,  aUeÖ,  njaö  bem  guten  Seben  angei^ort,  fo  roie 
benen,  bie  me^r  ober  minber  bic  SBcrtc  feinet  guten  ©lauBcnö 
öerfünbigen  unb  beffen  SCBerfc  öoKBringen. 

2.  @o  mögen  ^a)ia  S3ij!acVa,  B^^^^^upva'ö  ©efä^^rte,  nnb  ber  l^od)- 
:^eiUge  graf^aojira,  bie  bie  rechten  ^fabe  für  ben  ©lauben  bahnen, 
ben  ber  lebenbige  ben  f^euer^riejiern  gab ,  in  feinem  (Biitat^uftva'Ö) 
©inn,  mit  feinen  SGBortcn  unb  feinen  SBerfen  ben  9)iajba  gläubig 
»ere^ren  unb  anbeten! 

3.  ^iefe  l^e^re  bilbetc  bie  ^ourutfc^ijta,  bie  ^etfc^ataä^ibin,  bie  ^o^^ 
l^eilige,  bie  auSgejeidjuetpe  üon  ben  $Ö(^tern  B^^at^nfi^^'^  ^  fliö 
ein  (S^jiegelbilb  beö  guten  @inneg,  beö  SSa(;ren  unb  be6  SBeifen. 
SSerat^e  Vi^  mit  bem  f}oi)m  S3erjlanb  in  ben  mit  ©ütern  ge= 
fegneten  93ejirfen  ber  (Srbe. 

4.  liefen  euren  ©lauben  njilt  ic^  eifrig  befennen,  ben  ber  ©lürffelige 
bem  «§errn  für  bie  ^ontleute,  unb  bem  n)a^rt;aftigen  «^auö^errn 
für  bie  9Ba^r^aftigen  beftimmte,  fletä  ben  ©lan^  unb  bie  (S(^ön= 
^eit  M  guten  @inneö  üerbreitenb,  njeld^en  ber  lebenbige  3Beife 
bem  guten  ©tauben  für  alle  ßnt  »erlief. 


5.  (Segenön?ortc  rufe  i^  ben  ^eirat^enben  üJläbc^en  ^u :  9J?erft  auf, 
mcrft  barauf !  3^r  befi^t  burd^  jene  <Bpxü(i)e  baö  lieben  beö  guten 
@inneö.  3)?it  aufrichtigem  «bergen  ne()me  ber  eine  ben  anbern  auf; 
benn  nur  fo  n?irb  eö  eu^  njo^l  ge'fjen. 


58  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.    V. 

6.  31;v  3i)iänner  imb  aßeibev  fc&aut  eud;  tüirflid^  nud)  einer  J^ilfe  g/cjeu 
t)ie  a^nQ^  um;  :3ima  ^at  bie  ©aBen;  er,  ben  ic^  üere^re,  gerjlßrte 
frü(;er  il)x  Söefen.  U^aju  erijreift  baö  Urlic^t  unb  richtet  eö  gegen 
bie,  ivel^e  ^unfel  machen;  er  fiegt  burc^  SSeiöfjeit  über  bie,  treibe 
burd^  jene  £)inge  ba§  ©eifteöle&en  angreifen,  um  e8  ^u  üernic^ten. 

7.  @o  foW  eud^  biefer  geheime  @c^a|  aU  :^oljn  i>erlie^en  fein,  fo 
lange  -^tjuä  mit  ganzem  «^erjen  ber  ©emeinbe  ergeBen  ift,  bort 
alte  unb  neue  (^prüd^e  i?erfünbenb,  tt)0  ber  l^eüige  ©eift  früher 
bie  Sügner  fefi^ielt.  ^^x  Bringt  l^erüor  biefen  gel;eimen  ©ci^a|; 
aBer  eu^,  Sßajul  n?irb  ber  Ie|tc  ^pxn^  ju  ^^eil. 

8.  ^ieburd^  foüen  bie  UeBelt^äter  tierminbert  h^erben.  @ie  mögen 
Bei  ber  J^erüorBringung  beö  geheimen  (S(l)a|e0  immerhin  taut  auf= 
fci^reien.  SJiit  biefen  guten  S3e|i|tt)ümern,  ben  3Bo(;nungen,  ben 
2)ürfern  möge  er  ^fd^enara  unb  ba0  lieBIidje  ^(;runera  Befc^enfen. 
Senen  na^e  ber  gen^altigfie  B^^pörer  mit  tÖbtli(^er  ©eiualt  unb 
fomme  Balb! 

9.  ^erberBIic^e  Sel;ren  jlreut  bir  33ef§a  unter  bie  menfci^enBeglücfenben 
(Sa|ungen;  bie  i:^m  feinblid^en  ©efdjö^fe  Befiegt  ber  3Serni(^ter  beö 
^ör^jera  burd^  SBeig^eit.  3Bo  ifi  ber  iüa^r^aft  Menbige,  ber  fie 
aus  i(;rem  (Sigent^uui  ijertreiBen  unb  i^nen  bie  ^rei^eit  nel;men 
mag?  SBeifer!  bir  geBü^rt  bie  »§errfcl)aft,  vermöge  ii>elcl)er  bu 
ber  rid^tigen  5Drei^eit  (©ebanfen,  SSorte,  S^^aten)  baö  SBeffere 
i>erleit;ji. 


Commentar  zur  Gäthä  ustavaiti 


Capitel  43. 

Uieses  Stück  scheint  auf  den  ersten  Anblick  ein  grösseres  Ganze 
zu  bilden.  Mehrere  Verse  haben  die  gleiche  Eingangsformel,  so  be- 
ginnen 5.  7.  9.  11.  13.  15.  mit  den  Worten  :  gpentem  at  thwd  menhi, 
und  V.  4  steht  das  dem  Sinne  nach  gleichbedeutende  at  thwd 
meng,häi  zu  Anfange.  Der  Inhalt  ist  ein  verwandter;  Lobpreisungen 
Ahuramazda's  als  des  leuchtenden,  heiligen,  lebendigen,  starken 
Gottes  und  Erinnerungen  an  seine  dem  Zarathustra  durch  den 
Genius  (^raosha  gemachten  Offenbarungen.  Da  sich  aber  dessen- 
ungeachtet kein  wirklicher  innerer  Zusammenhang  und  Fortschritt 
der  Gedanken  nachweisen  lässt,  so  können  wir  das  Stück  nicht  als 
ein  ursprünglich  zusammenhängendes  Ganze  betrachten,  sondern  wir 
müssen  es  als  ein  erst  von  einem  Sammler  zusammengestelltes  an- 
sehen.    Es  lässt  sich  in  folgende  Theile  zerlegen  : 

a)  Die  Verse  1  —  3  stehen  ganz  vereinzelt,  ohne  einen  eigent- 
lichen Zusammenhang.  Der  erste  Vers  ist  ein  allgemeiner  Segens- 
spruch, der  wohl  die  ganze  Gäthd  würdig  einleiten  soll.  Alle  die, 
welchen  von  Ahiiramazda  die  hohen  Kräfte  der  Vollkommenheit 
und  Unsterblichkeit  verliehen  wurden,  werden  glücklich  gepriesen. 
Im  Besitz  dieser  Kräfte  scheint  sich  der  Dichter  bereits  zu  fühlen. 
Daher  bittet  er  nicht  mehr  darum,  sondern  fleht  die  Armaiti  nm 
den  fortdauernden  Besitz  des  Wahren  und  Wesenhaften,  irdischer 
Güter,  wie  des  guten  frommen  Sinnes  an.  Der  Dichter  kann  Za- 
rathustra sein,  doch  fehlt  ein  genügender  Beweis. 

Der  zweite  Vers  ist  eine  Lobpreisung  Ahuramazda's.  Der 
Dichter  erkennt  nur  den  Ahuramazda  als  das  Urlicht  dieser  Schöpfung 
an,  d.  h.  als  den,  der  durch  sein  eigenes  Licht  die  Schöpfung  er- 
leuchtet, und  von  dem  alles  den  Glanz  borgt,  im  physischen  wie 
im  geistigen  Sinn  (vgl.  31,  7).  Jeder  möge  ihn  daher  sich  zu 
seinem  Urlicht,  d.i.  Leitstern  wählen;  denn  er  allein  verleiht  alles 
Wahre  und  Wesenhafte  und  verspricht  jetzt  langdauernden  Besitz. 
Verfasser  ist  Zarathustra  selbst  (vgl.  31,  7). 

Der  dritte  Vers  bezieht  sich  auf  den  Genius  Qraosha;  er  ist  der 
„Deinige**  in  Bezug  auf  Mazda,  d.  i.  des  Mazda  Freund  (vgl.  44,  1). 


60  Hang,  die^Gdthd's  des  Zarathustra.  II.    Cap.  43- 

Die  beiden  sind  Zarathustra  und  Vigtd^pa  oder  ein  anderer  seiner 
Gefiihrten ;  ^raosha  erreicht  das  Allerbeste  (über  den  Ausdruck  vauheus 
vahjo  vgl.  51,  6),  d.  i.  das  höchste  Glück  und  die  höchste  Weis- 
heit, und  ist  somit  im  Besitz  desselben;  daher  kann  er  auch  dem 
Dichter  und  seinem  Freunde  die  geraden  und  richtigen  Wege  zeigen 
in  den  gegeil^ärtigen  Schöpfungen,  d.  h.  lehren,  wie  alle  Wesen 
der  guten  Schöpfung  zum  Heil  und  Glück  geleitet  werden  möchten, 
er  als  der  Lebendige  und  als  der  eifrigste  Freund  des  Ahiiramazda 
und  sein  Ebenbild  wohnt  auf  denselben.    Verfasser  Zarathustra  selbst. 

h)  4:  —  6  ein  Erinnerungslied  an  die  Offenbarung  Ahuramazda's 
an  den  Dichter,  seine  Hilfeleistungen,  Schöpfungen  und  Gesetze  für 
den  Gläubigen  wie  den  Ungläubigen,  sowohl  in  der  irdischen  Welt 
des  Daseins  als  in   der  geistigen  der  Intelligenz. 

Der  vierte  Vers  beginnt  mit  der  Formel :  at  thwd  meng^hdi,  ich 
will  dein  denken,  und  enthält  die  Erinnerung  nicht  nur  an  die  Hilfe- 
leistungen des  Ahuramazda  überhaupt,  der  dem  Wahrhaftigen  wie  dem 
Lügner  die  wahrhaftigen  wirklichen  Dinge,  d.i.  irdischen  Besitz,  ver- 
liehen habe  durch  die  Kraft  des  hellleuchtenden  und  alles  schützenden 
und  stärkenden  Feuers,  sondern  auch  noch  besonders  daran,  dass 
er  dem  Dichter   die  Kraft  des  guten  Sinnes   zu  Theil  werden  Hess. 

Der  fünfte  Vers  enthält  die  Erinnerung  an  eine  frühere  Offen- 
barung. Der  Dichter  schaute  (28,  6)  ihn  als  den  zuerst  bei  der 
Erzeugung  des  Lebens  Thätigen,  d.  i.  als  den  Urheber  und  Er- 
zeuger dieses  irdischen  Lebens  (44,  3);  als  solcher  setzte  er  die 
heiligen  Gebräuche  des  Feuerdienstes  fest  und  dichtete  die  wirk- 
samen Sprüche  und  Worte,  da  er  im  Vollbesitze  aller  Gaben  war. 
Aber  von  Anfang  an  machte  er  schon  einen  Unterschied  zwischen 
dem  Gläubigen  und  Ungläubigen;  jenem  giebt  er  allein  das  Gute, 
diesem  nur  das  Schlechte,  Nichtige,  wenn  schon  beide  das  Feuer 
verehren.  Der  Dichter  schaute  ihn  indess  nicht  bloss  in  der  irdischen 
Schöpfung  thätig,  sondern  auch  im  letzten  oder  geistigen  Theile, 
d.  i.  in  der  Welt  der  Intelligenz. 

Hieran  schliesst  sich  der  sechste  Vers.  In  M^elchem  Theile  der 
Schöpfung,  d.  i.  im  leiblichen  oder  geistigen  Theile,  der  Dichter 
den  Ahuramazda  thätig  schauen  mag,  überall  ist  er  von  dem  Besitz 
und  dem  guten  Sinn  begleitet.  Letzterer  schützt  durch  seine  Hand- 
lungen, d.  i.  den  Feuerdienst,  die  irdischen  Besitzthümer,  welchen 
die  Armaiti  die  ewigen  Gesetze,  die  Mazda's  eigene  Weisheit  ge- 
geben und  die  Niemand  umgehen  kann,  anweist.  Diese  Gesetze 
sind  der  Wechsel  der  Tages-  und  Jahreszeiten,  die  für  das  Ge- 
deihen und  Wachsthum  der  äussern  Natur  durchaus  noth wendig  sind. 

Da  in  diesem  Liede  ganz  die  Zarathustrische  Anschauung  weht, 
so  haben  wir  allen  Grund,  es  dem  Propheten  selbst  zuzusprechen. 

c)  7  — 16  enthalten  eines  der  wichtigsten  Stücke,  die  Berufung 
Zarathustra's  zum  Prophetenamte.  Diese  geschah  durch  den  Genius 
^raosha,   d.  i.  das  Hören,    in  Begleitung    des    guten  Sinnes    (s.  die 


1 


Hang,  die  Gdihd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  43.  61 

Einl.).  Denn  das  Siibject  zu  der  7.  9.  11.  13.  15  regelmässig  im 
zweiten  Versgliede  wiederkehrenden  Formel:  „als  er  zu  mir  kam 
mit  dem  guten  Sinne"  kann  nur  Qraosha  sein,  wie  deutlich  v.  12 
zeigt.  Da  Qraosha  aber  bloss  eine  Personification  des  Vernehmens 
oder  Hörens  der  Offenbarung  und  dieser  selbst  ist,  und  Zarathustra 
demnach  eigentlich  mit  Ahuramazda  selbst  redet,  so  erklärt  es  sich 
leicht,  warum  er  das  Gespräch  mit  (^raosha  (8)  verlassen  und  sich 
wieder  direkt  an  den  höchsten  Gott  selbst  wenden  konnte  (9  fF.). 
Der  Sinn  der  fünfmal  wiederkehrenden  Formel  „Dein  dachte  ich, 
als  er  zu  mir  kam  mit  dem  guten  Sinn**  kann  nur  sein:  während 
ich  anhaltend  dein  dachte,  mich  mit  meinen  Gedanken  ganz  in  dich 
versenkte,  vernahm  mein  geistiges  Ohr  deine  Stimme;  die  heilige 
Begeisterung  kam  über  mich   und  ich  wurde  des  guten  Geistes  voll. 

Diese  Formel  steht  indess  nur  im  siebenten  Verse  in  einem 
engern  Zusammenhang  mit  dem  Folgenden;  bei  den  übrigen  scheint 
sie  nur  zugesetzt,  um  einen  neuen  Gedanken  einzuleiten.  Betrach- 
ten wir  den  Inhalt  näher. 

Dem  Zarathustra  erscheint,  als  seine  Gedanken  auf  den  höchsten 
Gott  gerichtet  waren,  (^raosha  mit  dem  guten  Sinn  und  fragt  ihn, 
Wer  er  sei,  von  wem  er  stamme  und  wie  er  jetzt,  wo  der  Un- 
glaube und  die  Lüge  so  weit  herrsche,  die  ihm  zugehörigen  Grund- 
stücke, sowie  alle  guten  Geschöpfe  kräftig  schützen  und  für  ihr 
Gedeihen  sorgen  wolle  (7).  Der  Prophet  antwortet,  er  heisse  Za- 
rathustra und  wolle  in  der  jetzigen  Zeit  als  ein  Gegner  und  Feind 
der  Lügner,  aber  als  Freund  und  mächtiger  Schützer  der  Wahr- 
haftigen und  Frommen  auftreten.  Während  seines  ganzen  Lebens 
will  er  durch  stete  Verkündigung  des  Lobes  Ahuramazda's  die 
Menschen  zur  wahren  Religion  zu  bekehren  suchen,  namentlich 
jeden,  der  nach  festem  Besitz  strebt,  d.  i.  vom  Nomadenleben  zum 
sesshaften  Leben  des  Ackerbaus  übergehen  will  (8). 

Wieder  vernimmt  der  Prophet  in  heiliger  Begeisterung  Ahura- 
mazda's Stimme.  Die  nun  folgende  Frage  geht  indess  nicht  von 
Ahuramazda  aus,  sondern  ist  von  Zarathustra  an  diesen  gerichtet. 
Er  fragt  ihn,  mit  wem  er  sich  über  das  Gedeihen  dieses  irdischen 
Lebens  besprechen  solle.  Eine  direkte  Antwort  Ahuramazda's  ist 
nicht  gegeben;  aber  sie  ist  in  den  nun  folgenden,  vom  Dichter  selbst 
gesprochenen  Worten  enthalten.  Er  will  beim  Aufflammen  des  hei- 
ligen Feuers  unter  Lobgesängen  der  Opferer,  d.  i.  der  Priester, 
stets  an  die  Förderung  des  Wahren  und  Guten  denken.  Sonach 
ist  es  das  Feuer,  mit  dem  er  sich  über  das  Gedeihen  der  guten 
Schöpfung  befragen  soll.  Diess  geht  auf  Weissagen  aus  den  Flam- 
men, vgl.  30,  1  (9).  Der  Prophet  bittet  aber  vor  allem  den  Mazda, 
ihm  die  Wahrheit  zu  verleiben,  damit  er  dafür  wirken  könne.  Er 
nennt  sich,  als  von  der  Armaiti  oder  Ergebenheit  begleitet,  einen 
dazu  Bereitwilligen.  Für  sich  und  seinen  Genossen,  den  Kavä  Vistd^pa, 
möchte  er  alles  von  Ahuramazda  erfragen,  was  von  ihm  nur  erfragt 
werden  kann.    Dieser  sein  Freund  und  König  wolle  dann,  wie  diess 


(52  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathiistra.  IL    Cap.  43. 

nur  Sache  der  Mächtigen  seyn  könne,  den  Ahuramazda  zu  einem 
gewaltigen  Feuerbrande  machen,  d.  i.  s  eine  Verehrung  weithin  ver- 
breiten (10). 

Bei  einer  neuen  Offenbarung  Ahiiramazda's  bittet  der  Dichter 
den  höchsten  Gott  mit  ^raosha  und  dem  guten  Sinn  um  Mitthei- 
lung der  besten  Art  und  Weise,  um  mit  seinen  Worten  die  Feinde 
zu  vernichten.  Er  glaubt  um  so  eher  Anspruch  auf  diese  Mitthei- 
lung zu  haben,  als  er  unter  allen  Menschen  der  ergebenste  Diener 
Ahuramaida's  ist  (11).  Er  erinnert  Ahuramazda  an  eine  frühere 
Offenbarung,  als  er  ihm  das  Wahre  und  Wesenhafte  mittheilte.  Da- 
mals befahl  er  ihm,  nicht  ohne  ^raosha  öffentlich  zur  Verkündigung 
der  neuen  Lehre  aufzutreten,  sondern  zu  warten,  bis  dieser  Genius 
mit  der  Wahrheit,  die  das  wahre  untrügliche  Feuerorakel  schon  in 
die  Reibhölzer  lege',  zu  ihm  gekommen  sei  (12). 

Bei  einer  abermaligen  Offenbarung  bittet  der  Dichter  den  Ahura- 
mazda und  (^raosha,  die  schon  lang  gewünschten  Güter  (33,  8.), 
namentlich  lange  Lebensdauer,  mögen  ihm  zu  Theil  werden.  Keiner 
von  den  höhern  Geistern  möge  diesem  Wunsch  entgegenhandeln, 
da  es  sich  nicht  etwa  um  bloss  persönliches  Wohlergehen,  sondern 
um  das  Heil  der  ganzen  guten,  unter  Ahiiramazda's  Leitung  stehenden 
Schöpfung  handelt  (13).  Bei  dieser  neuen  Offenbarung  erklärt  er  sich 
bereit,  öffentlich  aufzutreten.  Qraosha  hatte  ihm  die  wahre  Gottes- 
erkenntniss  geoffenbart  und  ihm  zum  Besitz  der  wahren  geistigen 
Güter  und  der  verschiedenen  Sprüche,  Worte  und  heiligen  Hand- 
lungen, durch  die  das  irdische  Wohlergehen  gefördert  wurde,  ver- 
holfen.  Er  will  aber  nicht  allein,  sondern  in  Gemeinschaft  mit  denen, 
die  schon  Ahuramazda  s  frühere  Offenbarungen  kennen,  also  mit  seinen 
Glaubensgenossen  und  Freunden,  zu  denen  Vigtä^pa,  Frashaostra  und 
Gdmdgpa  gehören,  auftreten. 

Bei  der  letzten  Offenbarung  hat  Zarathustra  bereits  den  höhern 
Auftrag  Ahuramazda' s,  als  Prophet  der  wahren  Religion  aufzutreten, 
erfüllt  und  theilt  dieses  ihm  mit.  Er  steht  vor  dem  Feueraltar  und 
ruft  das  heilige  Feuer  an,  ihm  Glück  und  Heil  zu  verkünden;  der 
Erfüllung  seines  Wunsches  ist  er  um  so  gewisser,  als  Qraosha  mit 
der  untrüglichen  Wahrheit  zu  ihm  gekommen  war.  Sein  sehnlichster 
Wunsch  ist,  dass  den  Lügnern  und  Lügenpropheten' keine  Verehrung 
mehr  gezollt,  d.  h.  dass  der  Lügenglaube  und  Götzendienst  ver- 
nichtet, dagegen  die  Priester  des  reinen  heiligen  Feuers  hochgeehrt 
werden  möchten  (15).  Er  verheisst  jedem,  der  sich  zum  wahren 
Glauben  bekennt,  bleibenden  und  dauernden  Besitz  der  Wahrheit. 
In  jedem  Besitzthum,  das  die  Sonne  schaue,  d*  i.  in  jedem  lebenden 
Wesen,  möge  die  Armaiti  wohnen,  d.  h.  alles  möge  sich  dem  wahren 
Glauben  zuwenden ;  denn  jene  schuf  durch  ihre  Thaten  und  den 
guten  Sinn  das  Gedeihen. 

Aus  dieser  Inhaltsangabe  ersieht  man  leicht,  dass  das  Stück 
keinen  strengen  Zusammenhang  hat  und  desshalb  schwerlich  aus 
einem  Gusse  ist;  nur  die  Verse  12  — 16  scheinen  enger  zusammen- 


l 


Hang,  die  Gdihd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  43,  1.  63 

zuhängen  nnd  einen  wirklichen  Gedankenfortschritt  zu  enthalten,  den 
Entschluss  Zarathiistra's,  öffentlich  als  Verkündi^er  der  neuen  Re- 
ligion aufzutreten  und  die  wirkliche  Ausführung  dieses  Entschlusses. 
Die  Verse  7  — 11  dagegen  zeigen  weder  unter  sich,  noch  mit  den 
folgenden  einen  solchen  genauem  Zusammenhang;  nur  7.  8.  gehören 
als  Frage  und  Antwort  zusammen.  Aber  ohne  alle  Beziehung  zu 
einander  und  zum  Folgenden  sind  sie  nicht.  Hier  fiagt  Ahuramazda 
durch  fraosha  bei  Zaraihusira  an  (7),  wie  er  die  gute  Schöpfung 
schützen  wolle,  in  welcher  Anfrage  die  natürliche  Voraussetzung 
Ahuramazda' s  liegt,  dass  Zarathustra  dazu  fähig  und  bereit  sei.  Za- 
rathustra erklärt  sich  bereit  (10)  und  nennt  sich  einen  dem  höchsten 
Gott  ganz  ergebenen  Diener  (11);  aber  er  will  vorher  genau  unter- 
richtet sein.  Vom  öffentlichen  Auftretenwollen  ist  zwar  nichts  ge- 
sagt; aber  darin,  dass  sich  Zarathustra  einen  „Bereitwilligen"  nennt, 
ist  diess  wenigstens  angedeutet.  Dort  sehen  wir  ihn  wirklich  auf- 
treten, nach  vorangegangener  Mahnung  Ahuramazda' s. 

Wenn  nun  das  Stück  in  der  jetzigen  Fassung  nicht  von  Za- 
rathustra selbst  ist,  so  enthält  es  doch  sicher  ächte  Aussprüche  des 
grossen  Propheten,  die  von  einem  Sammler  ihres  verwandten  In- 
halts wegen  durch  die  Formel  „dein  dachte  ich  etc.''  zu  einem 
Ganzen  vereinigt  wurden.  Diese  wurde  wohl  öfter  von  Zarathustra 
angewandt,  wie  v.  4.  5.  und  7,  die  gewiss  ganz,  wie  sie  jetzt  vor- 
liegen, von  Zarathustra  herrühren,  mir  zu  beweisen  scheinen;  daher 
konnte  sie  ein  Sammler  zur  Einkleidung  Zarathustrischer  Reflexionen 
ebenso  gut  verwenden,  als  die  Formel  „diess  will  ich  dich  fragen" 
im  folgenden  Capitel  bei  Fragen,  die  Zarathustra  an  Ahuramazda 
richtete. 

Vers  1.  Ustd  —  kahmdicit  Ner. :  sudarah  (für  sundarah)  sa 
jasja  ^ubham  kebhjagcit ;  kila  kebhja^cit  manushjebhjah  ^ubhdt  jasja 
^ubham  asti  kagcit  evam  brüte  jat  (^ubham  dinitah  gubhah  sarvasja 
kasjacü  ^ubham.  Ustd  ist  ursprünglich  kein  Substantiv,  wie  bisher 
geglaubt  wurde;  wir  finden  es  in  den  Gdthd's  nirgends  flectirt,  sogar 
da  nicht,  wo  es  die  Structur  zu  fordern  scheint,  wie  Ja9.  46,  16. 
Meiner  Ansicht  nach  ist  es  die  als  Imperativ  plur.  flectirte  Präposition 
w^,  aus,  empor,  und  bedeutet  eigentlich:  seid  auf!  d.i.  wohlan, 
Glück  auf.  Glück  zu!  Von  ti^-^sthä,  stehen,  lässt  es  sich  nicht 
ableiten;  ein  Substantivum  von  derselben  kann  es  aus  dem  eben 
angeführten  Grunde  nicht  sein;  der  Imperativ  lautet  sonst  immer 
u^ehistd,  stehe  auf.  Jedenfalls  ist  es  in  den  Gdthd's  ein  Ausruf, 
da  die  Verbindungen,  in  denen  es  vorkommt,  nur  in  diesem  Sinn 
gefasst  werden  können  Später,  nachdem  sich  seine  ursprüngliche 
Bedeutung  eines  Glücksrufs  so  alhuählig  verlor  und  in  die  von 
Glück,  Heil,  überging,  fing  man  an  dasselbe  zu  flectiren,  so 
M.  19,  42  ustem,  Afer.  1,  3  ustahä.  —  Ahmdi  jahmdi  ist  seiner  Be- 
deutung nach  ebenso  viel  als  kahmdicit^  einem  jeden,  d.i.  allen.  — 
L'iajüüi  —  va^emi  Ner. :  adhjavasdjasja  balavatah  prdptdu  tava  kdmdt. 


G4  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  43,  1.  2. 

Für  ieoUhim  der  meisten  Handschriften  schreibt  K.  11  tevhht.  So 
gut  dieses  auch  zii  dem  vorhergehenden  Adjectiv  utajüiti  dem  Casus 
nach  stimmt,  müssen  wir  doch  Bedenken  tragen,  diese  Lesung  als 
richtig  anzunehmen;  sie  sieht  nur  wie  eine  Emendation  eines  Ab- 
schreibers aus.  Aber  wie  kann  tevishim  mit  der  offenbaren  Accusativ- 
endung  das  Substantiv  zu  utajüiti  seyn?  Die  einzige  Aushilfe  ist 
die  Annahme  tevishim  sei  hier  aus  tevishi  im  zusammengeflossen. 
Dieses  im,  das  sonst  öfter  nach  dem  Relativum  steht  (Ja^.  44,  19. 
46,  8.  45,  3.  4),  ist  eigentlich  ein  Casus  obliquus  des  Demonstra- 
tivums  i  und  kann  auch  noch  zur  Bezeichnung  von  ihn  (Ja9.  46,  5.) 
dienen ;  aber  es  ist  meist  schon  zu  einer  blossen  Deutepartikel  ver- 
steinert, die  ohne  Rücksicht  auf  Geschlecht  und  Casus  gebraucht 
wird;  so  haben  wir  sie  44,  19  bei  einem  Feminin;  51,  12  bei  einem 
Neutrum;  44,  19  bei  einem  Nominativ,  30,  9  bei  einem  Accusativ. 
Sie  gehört  zu  gat  und  ist  nicht  mehr  auf  utajüiti  tevtshi,  welche 
Accus.  Dualis  von  dem  Optativ  ddjdt  abhängig  sind,  zu  beziehen.  — 
Gat  ist  durchaus  nicht  als  dritte  Person  Aoristi  der  Wurzel  gä, 
gehen,  zu  fassen,  wie  man  auf  den  ersten  Anblick  geneigt  sein 
könnte,  sondern  es  ist  eine  Partikel,  die  das  Sanskrit  in  dieser 
vollem  Form  verloren  hat;  sie  ist  eigenthch  das  Neutrum  eines  De- 
monstrativstammes ga,  den  der  Wedadialekt  in  der  Form  gha  aber 
nur  als  Partikel  in  der  Bedeutung  des  damit  identischen  griechischen 
yz  bewahrt  hat.  Vergleiche  J.  51,  10;  dasselbe  ist  gat  46,  6  und  get 
44,  4.  Solche  neutrale  Demonstrativstämme  hat  das  Baktrische  über- 
haupt in  grösserer  Zahl  als  das  Sanskrit;  so  avat ,  avavat,  dit.  Die 
Bedeutung  des  gat  anlangend,  so  hebt  es  nur  den  Begriff  des  De- 
monstrativs im  hervor:  ja  dieses,  dieses  gewiss.  —  Das  Pronom. 
toi  wird  am  passendsten  mit  im  verbunden.  Das  gaem  (Accus,  von 
gaja)  vanheus  mananho  ist  nur  Apposition  zu  ashis. 

V.  2.  Ner.  verbindet  ahmai  mit  vahistem,  indem  er  tasmdi  ut- 
kishthardja  diesem  besten  übersetzt;  aber  diess  ist  ganz  gegen 
die  Grammatik;  ebenso,  dass  er  den  Genitiv  vi^pandm  durch  den 
Dativ  erklärt.  —  Qdthrojd  —  daiditd  Ner. :  ^ubhamate  nardja  c^uhham 
praddtavjam,  dem  glücklichen  Mann  ist  Glück  zu  verleihen.  Diese 
Erklärung  verstösst  in  allen  Punkten  gegen  die  Grammatik;  qdthrojd 
kann  kein  Adjectiv  und  7id  nicht  Dativ  eines  Nomen  sein.  Qdthrojd 
ist  ein  Denominativ  von  qdthra,  eigenes  Feuer  habend,  Licht- 
quell, und  zwar  erste  sing,  conjunct.  wie  pere^d,  ich  will  fragen; 
vgl.  i^ojd  V.  8.  V.  9  und  akojd  51,  8  (s.  die  Note);  dem  Sinne  nach 
bedeutet  es  soviel  als  das  gleichfolgende  qdthrem  daiditd,  sich  einen 
zum  Lichtquell  machen,  d.  i.  als  solchen  verehren.  —  Ueber  nd, 
unser  man,  s.  v.  3.  14.  15.  u.  die  Grammat.  —  Thwd  cici  Ner.: 
toam  prakd^aja ;  kila  tvam  brühi  jat  ^ubhamdn  narah  kah ,  erkläre  es 
du,  d.  i.  sprich  du,  wer  der  glückliche  Mann  ist.  Ner.  betrachtet 
demnach  das  cici  als  eine  Verbalform,  wahrscheinlich  der  Wurzel  ci, 
wissen,  wie  ich  auch  lange  vor  der  Kenntnissnahme  der  Sanskrit- 


Haiig,  die  Gathas  des  Zunühustra.  IL    Cap.  43,  2.  3.  65 

Übersetzung  that;  aber  das  Fehlen  einer  Personalendung  verbietet 
diese  Fassung.  Bf.  und  Bb.  schreiben  cicühwd;  aber  diese  Schrei- 
bung sieht  nur  wie  ein  Verbesserungsversuch  des  unverständlichen 
cici  aus.  —  Man  kann  es  unter  Vergleichung  von  47,  5  (cicd)  nur 
als  eine  Pronominalbildung  betrachten,  und  zwar  als  Interrogativum 
oder  Indefinitivum.  Die  Wiederholung  des  einfachen  ci  in  cici  ver- 
allgemeinert den  Begriff:  jeder,  vgl.  quisquis.  Für  mdjd  lesen 
K.  5,  P.  6,  Bf.  mdjdo;  letztere  für  das  Relativ  ja  auch  jdo.  Diese 
Lesung  lässt  sich  indess  nicht  wohl  vertheidigen,  da  ashd  als  In- 
strumental gefasst  und  mit  dem  Genitiv  vanheus  mananho  verbunden 
werden  müsste,  was  keinen  guten  Sinn  giebt;  es  hiesse:  welche 
Weisheiten  du  giebst  durch  Förderung  (Wachsthum)  des  guten 
Geistes.  —  Vi^pd  —  urvddanhd  Ner. :  vigveshu  vdaareshu  dirghagivi- 
tajd  ^avasja  (?)  ddtd,  alle  Tage  ein  Geber  der  Stärke  mit  langem 
Leben  (Ormuzd  ist  dieser  Geber).  Für  ajare,  wie  Westergaard 
bloss  nach  K.  5  schreibt,  ist  sicher  richtiger  mit  den  andern  Hand- 
schriften ajdre  zu  lesen;  ebenso  v.  7.  Man  vgl.  (;aqdre  J.  29,  4  für 
^aqare.  Ner.  deutet  es  durch  Tag;  aber  dann  kann  vi^pd,  alles, 
als  Plural,  nicht  mit  ajare  etwa  in  dem  Sinn  von  ,jalle  Tage"  ver- 
bunden werden,  sondern  ist  noch  von  ddo  abhängig  zu  denken. 
Indess  lässt  sich  diese  Deutung  nur  halten,  wenn  es  in  dem  ad- 
verbialen Sinne  von  heute,  jetzt,  genommen  wird;  hiefür  spricht 
ganz  deutlich  v.  7.  —  Urvddanhd  deutet  Ner.  als  Geber  der 
Stärke;  aber  diese  Fassung  ist  sicher  ganz  falsch;  da  hienach  wrra 
und  danhd  getheilt  und  ersteres  als  Stärke,  letzteres  als  Geber 
erklärt  werden  müsste ;  beides  lässt  sich  aber  mit  nichts  beweisen. 
Als  Thema  lässt  sich  nur  eine  Neutralform  urvddanh  annehmen ;  die 
Wurzel  ist  vad,  sprechen  ~\-  Präposition  ur  (ut) ,  also  ausspre- 
chen, verkündigen,  vgl.  iirvdidjdo  34,   6. 

V.  3.  Af  hvo  —  gamjdt  Ner. :  evaih  tasmin  uttame  uttamatvam 
nare  upari  prdpnotu  prasddah.  Vanheus  vahjo  gehört  enge  zusammen; 
dieselbe  Fügung  siehe  51,  6.  Da  vahjo  nur  Neutrum  ist,  so  dürfen 
wir  es  nicht  ohne  weiteres  mit  hv6-nd,  das  die  Masculinendung 
fordern  würde,  verbinden.  Es  ist  Comparativ  von  vanhu,  vohu,  gut, 
und  kann  in  der  Verbindung  mit  dem  Genitiv  —  Ablativ  seines  Po- 
sitivs „das  Bessere  als  das  Gute"  nur  das  Allerbeste  bedeuten. 
Der  Construction  nach  muss  es  als  Accusativ  von  aibi-gamjdf  ab- 
hängig gemacht  werden.  Diesem  Verbum  legt  Ner.  die  Bedeutung 
erreichen  bei;  eigentlich  heisst  aibi-^am  (j==gam,  gehen)  um- 
hergehen, zu  einem  gehen,  besuchen.  Da  eine  solche  Thätig- 
keit  mehr  auf  Personen  als  auf  Sachen  gerichtet  ist,  so  ist  man 
leicht  geneigt,  unter  vanheus  vahjo  eine  Person  zu  verstehen.  Man 
kann  dazu  manS  ergänzen,  wie  30,  3.  48,  4  zeigen  und  darunter, 
weil  an  letztern  Stellen  dem  vahjd  manö  „dem  bessern  Sinn"  der 
akem  manö  oder  „nichtige  Sinn"  gegenübersteht,  das  zarathustrische 
Grundprincip  des  Seins  in  seinem  höchsten  Grad  verstehen.  Wenn 
Abhandl.  der  DMG.    II,  2.  5 


66  Hang,  die  Gdthns  des  Zarathustra.   IL    Cap.  43,  3.  4. 

dieses  nun  an  sich  keine  Person  ist,  so  konnte  es  leicht  personificirt 
werden,  wie  diess  ja  auch  mit  dem  Positiv  vohü  mano  geschehen 
ist.  Aber  an  unserer  Stelle  ist  eine  solche  Personification  schwer- 
lich anzunehmen,  da  dieselbe  den  ältesten  Stücken,  zu  welchen 
ohne  Zweifel  unser  Capitel  gehört,  fremd  ist.  Ist  demnach  vahjo 
vanheiis,  das  Bessere  als  das  Gute,  d.  i.  das  Beste,  als  blosser 
Begriff  zu  denken,  so  können  wir  aibi-gam  nicht  in  dem  Sinn  von 
besuchen  fassen,  sondern  wir  müssen  ihm  mit  Nerios.  die  Bedeu- 
tung erreichen  beilegen.  —  Die  Genitive  ahjd  —  mananhat^ca  sind 
adverbiale  Zusätze  zu  erezüs  —  patho :  für  dieses  irdische  Leben 
und  den  Geist  (das  geistige  Leben).  —  Haithjeng  d  ^tis ,  die 
gegenwärtig  existirenden  Schöpfungen  und  Geschöpfe, 
ist  nicht  mit  dem  Verbum  aiht  gamjdt,  sondern  mit  (^ishöit  zu  ver- 
binden. —  Für  huzentus ,  wie  Westergaard  nach  einigen  Mss. 
(K.  4,  9)  schreibt,  liest  K.  6  huzentuse  und  K.  5  hier  und  J.  60,  1, 
wo  sich  unser  Vers  ebenfalls  findet,  huzentuse.  Da  wir  indess  nirgends 
in  dem  Satze  einen  Grund  sehen,  der  einige  Abschreiber  bewegen 
konnte,  hier  ein  e  zu  setzen,  denn  kein  Wort  dieses  Satzes  schliesst 
sonst  mit  einem  e,  so  thun  wir  besser,  die  Lesarten  mit  e  als  die 
ursprünglichen,  die  ohne  e  als  die  corrigirten  anzusehen.  Dieses  e 
ist  indess  nicht  ein  Casuszeichen  von  huzentus,  etwa  der  Dativ,  wie 
es  die  Abschreiber,  die  es  corrigirten,  wohl  ansahen,  da  huzentus 
hier  nothwendig  ein  Nominativ  sein  muss,  sondern  es  ist  rein 
euphonischer  Art.  Die  Lesung  e  ist  unrichtig,  da  dieses  e  nie  bloss 
euphonisch  gebraucht  wird;  richtiger  ist  e,  aber  dieses  ist  hier  wie 
öfter,  z.  B.  in  avare,  rdzare  etc.  nur  als  eine  Verlängerung  eines 
ursprünglichen  kurzen  e  anzusehen.  Dieses  e  wird  öfters  zwischen 
den  Schlussconsonanten  eines  Worts,  namentlich  des  Relativs  ja^, 
und  den  Anfangsconsonant  des  folgenden  zur  Milderung  eingeschoben, 
z.  B.  jage-thwd.  Hier  ist  das  Einschieben  des  e  um  so  eher  ge- 
rechtfertigt, als  das  eine  Wort  mit  einem  Zischlaute  schhesst,  das 
andere  gpentö  mit  einem  Zischlaute  wieder  beginnt,  so  dass  ohne 
einen  dazwischentretenden  Vokal  die  beiden  *,  die  in  der  Aussprache 
auseinander  zu  halten  waren,  nicht  deutlich  gehört  worden  wären.  — 
Das  thwdvä^ ,  dir  gleich,  dein  Ebenbild,  geht  auf  Ävd-na,  worunter 
(^raosha  zu  verstehen  ist,  zurück. 

V.  4.  Nach  der  Fügung  thwd  takhmemcä  ^pentem  scheint  es, 
dass  takhma  und  <^penta  sich  nicht  auf  thwd,  worunter  Ahuramazda 
gemeint  ist,  beziehen,  sondern  ein  anderes  Wesen  darunter  zu  ver- 
stehen sei.  Aber  ^pefitem  ist  in  diesem  Capitel  so  sehr  ein  Prädikat 
des  Ahuramazda,  dass  es  sich  nur  auf  ihn  beziehen  kann.  Das  ca 
hinter  takhmem,  das  die  Störung  des  Sinnes  bewirkt,  ist  versetzt; 
es  sollte  bei  ^pentem  stehen.  Somit  sind  beide  Worte  Prädikate 
Ahuramazda'' s.  —  Hjat  —  avdo  Ner. :  jat  tat  dvitajam  ^aktjä  jas  tvatri 
ja^cajam  (?)  sahdji-tavdn  asi ;  kila  kimcit  ihalokijaiti  paralokijam  tvam 
pravrdhatavdn   asi.     Ueber   hafshi   s.    31,  22.      Der   Dual    td   zastd. 


I 


Hang,  die  Gäthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  43,  4.  5.  67 

diese  beiden  Hände,  ist  als  Accusativ  von  dem  Verbum  meng.häi 
abhängig  zu  denken.  Ja  hafshi  avdo  steht  für  aväo  jd  hafshi  Der 
Plural  avdo  ist  Apposition  zu  za^td,  diesen  bildlichen  Ausdruck  er- 
klärend. Die  gleiche  Umstellung  wie  bei  jd-avdo  ist  mit  jdo  ashis 
vorzunehmen:  ashts-jdo;  der  Acc.  plur.  ashis  ist  ebenfalls  von  meiig.hdi 
abhängig. 

V.  5.  Für  meng.hdi  von  v.  4  haben  wir  hier  und  7.  9.  11.  13.  15 
menhi.  Ersteres  ist  eine  Voluntativform  oder  eine  erste  Person  sing. 
Conjunctivi  medii,  letzteres  eine  erste  Person  sing.  Aoristi  medii. 
Wir  haben  somit  hier  keine  Anrufung  Ahiiramazda's ,  wie  man  leicht 
vermuthen  könnte,  sondern  die  einfache  Angabe  des  Dichters,  dass 
er  an  Ahuramazda  gedacht  habe.  —  Zu  anheiis  zcXthöi  vgl.  J.  48,  6.  — 
Thwd  —  ajyeme  Ner. :  tava  guneshu  srishfi  (eh)  paribhramati  niddne. 
Für  ddmois  urvae^e  apeme  haben  wir  51,  6  apeme  anheus  urvae^e, 
woraus  wir  deutlich  sehen,  dass  ddmi  an  unserer  Stelle  so  viel  als 
anhu,  Leben,  bedeutet.  Mehr  Schwierigkeit  macht  die  Erklärung 
der  Worte  urvae^e  apeme.  Oroüeesö  (urvae^o)  soll  nach  der  Tradition 
in  dem  Anquetilschen  Glossar  einen  öffentlichen  Platz,  oroüeese 
(iirvaege),  machen,  ausführen,  bedeuten.  Ner.  giebt  es  durch 
paribhramati,  herumirren.  Diese  Erklärungen  halten  aber  bei  näherer 
Prüfung  der  Parallelstellen  nicht  Stand,  wenn  schon  auf  der  andern 
Seite  nicht  zu  läugnen  ist,  dass  wenigstens  die  erstere  noch  eine 
dunkle  Erinnerung  an  die  ursprüngliche  Bedeutung  enthält.  Ver- 
gleichen wir  die  Parallelstellen  Si.  8,  35:  (Tistrjö)  jd  fravazaiti  du- 
rae-urvae^em  paiti  paMäm,  welcher  auf  einem  Wege  von  fernem 
urvae^a  hinfährt.  Denselben  Ausdruck  durae-urvae^em  mit  dem  Ge- 
nitiv adhwano  haben  wir  Jt.  13,  58.  Wir  denken  am  nächsten  an 
die  Bedeutung  Ende,  Gränze.  Diese  passt  auch  in  14,  29.  16,  7, 
wo  es  von  dem  bekannten  Fische  (magjo,  Neupers.  mdhi)  heisst : 
j6  dpa  urvae^em  mdrajeiti  *),  welcher  die  Gränze  des  Wassers  be- 
stimmt; ebenso  in  24,  29:  aparat  haca  iirvae^dt  fratarem  urvae^em^ 
vom  hintern  Ende  zum  vordem  Ende.  In  Jt.  21,  15  hau  (asho- 
^tüitis)  ha  —  jäm  bd  nd  u^teme  urvae^e  gajehe  ashem  gtaoiti  haben 
wir  urvae^a  in  dem  gleichen  Sinne,  wie  in  den  Gdthd's;  ugtema  ist 
nicht  der  Gegensatz  von  apema,  wie  es  leicht  scheinen  könnte, 
sondern  beide  Ausdrücke  sind  identisch;  der  eigentliche  Gegensatz 
von  apemem,  das  letzte,  ist  paourvim,  das  erste;  ugtema  ist  das 
fernste  und  fällt  dem  Begriff  nach  mit  apema,  das  letzte,  zu- 
sammen. Gaja  ist  ein  anderer  Ausdruck  für  anhus  oder  ddmi  und 
bezeichnet  die  daseiende  Welt  überhaupt,  worunter  nach  Parsischer 
Anschauung  nur  die  lebende  verstanden  wird.  Dieselbe  Fügung 
findet  sich  J.  71,  14.  15:  aeti  (vdcu)  —  u^teme  urvae^S  gajehe 
frdmrüidhi,  diese  Worte  sprich  am  äussersten  Ende  des  Lebens. 
(Dass  hier  das  eigentliche  Lebensende    gemeint  ist,    geht  aus  v.  15 


^)  Causativ  der  Wurzel  mere,  sagen,  verkündigen. 

5* 


68         Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  11.    Cap.  43,  5.  6.  7. 

klar  hervor.)  Dass  urvae(;.a  die  durch  den  Zusammenhang  erschlos- 
sene Bedeutung  Ende,  Gränze,  wirklich  habe,  wird  durch  die 
Etymologie  bestätigt.  Es  ist  in  ur  und  vaega  zu  zerlegen;  ur  ist 
die  Präposition  wf  (skr.  wt),  aus,  deren  f  vor  weichen  Lauten  gern 
in  r  übergeht;  vae^a  ist  ein  Nomen  der  Wurzel  vi^ ,  gehen,  ein- 
gehen, so  dass  das  Ganze  wörtlich  Ausgang  heisst,  was  auch  in 
unserer  Sprache  soviel  als  Ende  bedeutet  ^). 

V.  6.  Jahmt  —  gfiQo  Ner. :  evam  mahattaratvam  adfgjamürttih 
paribhramatd  prdpiiotu.  Der  Accusativ  thwä  ist  noch  von  dem  Verbum 
menhi,  v.  5,  abhängig.  Ahmi  lässt  eine  doppelte  Erklärung  zu;  es 
kann  die  erste  Person  sing,  praes.  des  Verbums  as  sein  und  ich 
bin  bedeuten,  aber  auch  der  Locativ  sing,  des  Pronominalstammes  a, 
in  dem.  Das  jahmi  (in  welchem)  im  Vordersatze,  sowie  ahmi 
J.  51,  12  lässt  die  letztere  Auffassung  als  die  richtige  erscheinen. 
Die  Stelle  jehjd  —  frddente  findet  sich  auch  in  J.  19,  17.  Visp.  2,  5. 
3,  4.  Nerios.  giebt  es  durch:  jeshdmca  karmabhih  bhdvabhüteh  pim- 
jdimanjdh  vrdhir  ddti  (vrddhiddtih). 

V.  7.  Kathd  —  dishd  Ner.:  kathamvdsarasja  cihnapra^nakdritd 
adhi  nidr^itim  (drshtim)  asti;  kila  cihnam  kathd  karomi.  Für  feragajdi 
mehrerer  Mss.  liest  richtig  Westergaard  fera^jdi  nach  K.  5,  6.  Es 
ist  keine  erste  Person  sing.  Conjunct.  von  pereg,  fragen,  wie  man 
vermuthen  könnte,  sondern  der  Dativ  sing,  von  fra^i  oder  frashi, 
s.  zu  30,  9.  —  Tanushica  Ner.:  tanogca.  So  schreibt  Westergaard 
nach  K.  5.  Die  Lesart  ist  aber  schwerlich  richtig,  was  Westergaard 
selbst  zu  fühlen  scheint,  da  er  in  der  Note  tanushu  vermuthet. 
P.  6  hat  tanusemcd,  K.  4  tanusecd,  Bf.  tamisecd,  Bb.  tanusaecd.  Hand- 
schriftlich am  meisten  verbürgt  ist  demnach  der  e-Laut  am  Ende; 
ianushi  sieht  wie  eine  blosse  Correctur  aus,  um  den  Locativ  von 
tanu,  Körper,  wegen  des  parallelen  Locativs  gaethdhii  zu  gewin- 
nen. Aber  sollte  dieses  tanushi  vor  allem  von  tanu,  Körper,  stam- 
men, so  wäre  auffallend,  warum  das  Wort  nicht  in  den  Locativ  Plu- 
rahs,  den  wir  in  gaethdhii  haben,  gesetzt  ist,  da  der  Plural  dieses 
Wortes  wirklich  vorkommt    (vgl.  Y>i.  pl.  tanubjo  Jt.  5,  53.   10,  94). 


*)  Von  diesem  urvaeQa  ist  ein  denominatives  Verbum  iirvae^aj  öfter  im 
Gebrauch;  es  heisst  eigentlich  endigen,  vom  Wege  (Jt.  4,  5),  einen  Weg 
zurücklegen,  vollenden,  vom  Pferde  (Jt.  5,  131);  zuletzt  kann  es  in 
die  allgemeine  Bedeutung  von  machen  übergehen  (Jt.  13,  89  jö  paoirj6 
cakhrem  urvaeQajata,  der  zuerst  das  Rad  —  den  Himmelskreis  —  machte). 
Dieses  Denominativum  wird  öfter  mit  Präpositionen  zusammengesetzt;  so 
haben  -wir  pairi-urvaeQajSiti,  herumschweifen  lassen,  vom  Auge 
(Jt.  14,  56);  fraonrva^Qaj ,  ein  Ende  machen,  vernichten  (Jt.  9,  31. 
10,  86).  Jt.  10,  51  ist  pouru-fraourvaßQJd ,  mit  den  vielen  Enden  d.  i. 
Gipfeln,  ein  Prädikat  des  Harö-berezaili  (Alburz).  In  der  Verbindung  mit 
ava  (avaouvvaeQajeiti  Vend.  4,  22-  W.)  ist  es  ein  technischer  Ausdruck 
für  eine  leichte  Art  körperlicher  Misshandlung,  zunächst  soviel  als  be- 
gränzen  bedeutend,  dann  in  dieser  kriminalistischen  Sprache  einen  fest- 
pressen, drücken. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  43,  7.  8.  69 

Wir  werden  daher  gut  thim,  tanusha  als  Grundform  anzunehmen 
und  dieses  als  ein  Collectivum  von  tanu  zu  fassen;  sein  regelrechter 
Locativ  ist  tanushe,  diess  halte  ich  für  die  richtige  Lesart. 

V.  8.  Aogi  Ner. :  avocat.  Sonach  wäre  es  eine  dritte  Person 
sing.  act.  von  vac,  reden.  Dass  vac  die  Wurzel  sein  muss,  lässt 
sich  wohl  nicht  bestreiten;  die  Erweichung  des  c  zu  g  findet  sich 
öfter  in  Bildungen  derselben,  vgl.  das  part.  med.  aoganö,  sprechend, 
sagend,  Jt.  5,  76.  10,  53.  19,  49,  die  dritte  Person  sing,  conjunct. 
ao^aiti  Jt.  8,  51.  53;  aber  eine  dritte  Person  sing,  iraperf.  act. 
oder  med.  kann  es  unmöglich  sein;  denn  diese  lautet  im  Activ 
vaocat,  im  Medium  aokhta.  Wiegen  des  auslautenden  i  könnte  man 
aber  leicht  geneigt  sein,  eine  dritte  Person  sing,  imperf.  passivi 
darin  zu  sehen ;  doch  diese  lautet  väct  Dagegen  lässt  es  sich  ohne 
alle  Schwierigkeit  als  eine  erste  Person  sing,  imperf.  medii  fassen, 
man  vgl.  menhi  und  die  entsprechenden  Sanskritformen,  und  diese 
Fassung  giebt  allein  einen  richtigen  Sinn.  Zarathustra  ist  nämlich 
der  Sprechende  selbst  im  ganzen  Stück.  Auf  die  v.  7  von  Ahura- 
inazda  an  ihn  gerichteten  Fragen  kann  er  desshalb  die  Antwort  nur 
mit  den  Worten:  ich  sagte  zu  ihm,  einleiten.   — 

Haithjo  —  dregvdite  Ner.:  parisphutam  pidajitd  jdvad  icchajd  dur- 
gatinah  [Aharmanasja  nikrshtdndinca  jad  icchajd  prakatam  pidajitd 
^smi].  Schwierig  ist  i^ojd.  Ner.  giebt  es  durch  icchajd,  mit  Wunsch, 
Verlangen,  wornach  es  der  Instrumental  eines  Abstractums  der 
Wurzel  wÄ,  wünschen,  wäre;  aber  gegen  diese  Fassung  spricht 
der  ganze  Zusammenhang.  Dieser  verlangt  vielmehr  eine  erste 
Person  sing.  Verbi,  da  wie  haithjo  dvaeshdo  dem  rafenö  aogonhvat  des 
folgenden  Gliedes,  und  dregvdite  dem  ashdune  entsprechen,  ebenso 
i^ojd  dem  qjem,  ich  will  sein,  entsprechen  muss,  Dass  es  wirk- 
lich eine  erste  Person  sing.  Verbi  und  zwar  des  Conjunct.  ist,  zeigen 
die  ganz  analogen  Bildungen  qdthrojd  v.  2  und  akojd  51,  8,  die 
ebenfalls  so  erklärt  werden  müssen.  Eben  diese  Formen  zeigen 
aber  auch  deutlich,  dass  es  eine  Denominativbildung  sein  nmss;  wie 
diese  sich  von  den  Nominibus  qdthra,  aka  ableiten,  so  muss  igöjd 
auf  ein  Nomen  i^a  zurückgeführt  werden;  6  ist  die  Nominativendung, 
an  die  sich  der  Verbalcharakter  anhing,  ähnlich,  wie  in  der  Com- 
position  von  Substantiven  das  vordere  Glied  nicht  das  reine  Thema 
zeigt,  wie  im  Sanskrit,  sondern  ebenfalls  den  Nominativ  o.  Einem 
Thema  i^a  begegnen  wir  wirklich  schon  in  den  Gdthn's,  i^e  für 
i^o  50,  1,  und  öfter  in  den  spätem  Büchern  Jt.  19,  56.  59:  tat 
qareno  i^ö  jat  a^ti  airjanäm  daqjunum,  19,  82:  i<^6  qarenn  Zara- 
thustrdi,  wo  es  eigen,  zugehörig,  heissen  muss.  Dass  ihm  diese 
Bedeutung  zukommen  könne,  zeigt  die  dritte  Person  imperf.  sing,  i^at 
Jt.  19,  56.  82  ganz  deutlich,  da  die  Worte  jat  (qareno)  i^at  mairjd 
tüirjö  Franra^e  heissen  müssen:  welchen  (Glanz)  sich  aneignete 
der  verderbliche  Turanier  Franra^e.  Denn  i^at  steht  dem  upanhacat 
der  übrigen  Paragraphen    des  ZamjÄd- Jescht   parallel;    dieses  heisst 


70  Haag,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  43,  8. 

haften  an,  von  jenem  Glänze  oder  jener  unsichtbaren  Kraft,  die 
die  Helden  der  Vorzeit,  Jima,  Thraetaona  etc.,  stets  begleitete; 
dem  Turanier  Franrage  (Afräsiab),  dem  grossen  Feind  der  Iränier, 
der  ebenfalls  wunderbare  Thaten  verrichtete,  konnte  ein  Zoroastrischer 
Schriftsteller  aber  sicher  nicht  jenen  Glanz  als  einen  ihm  stets  an- 
haftenden zuschreiben,  sondern  nur  als  einen,  den  er  sich  selbst 
angemasst.  Daher  ist  hier  statt  des  upanhacat  ein  anderes  Verbum, 
igat,  gesetzt.  Beide  Verben  drücken  indess  nur  die  Idee  des  Be- 
sitzens,  Habens,  aus.  Dass  ig,  haben,  besitzen,  bedeute, 
zeigt  auch  Jt.  10,  45  igenti,  13,  92  igen.  Jt.  13,  145  steht  wpa  no 
igentu  dem  gageiitu  „sie  mögen  kommen"  parallel  und  muss  „sie 
mögen  bei  uns  sein,  uns  angehören"  heissen.  Die  dritte  Person 
sing,  optat.  medii  igaeta  steht  Jt.  19,  53  dem  ishdonhaeta  „er  möge 
herzukommen"  gegenüber  und  kann  nur  „er  möge  da  sein,  an- 
wesend sein"  heissen.  Die  Bedeutung  daseiend,  sich  befindend, 
ist  auch  dem  Partie,  praes.  med.  igemno  Jt.  14,  20  beizulegen.  So- 
nach ergeben  sich  für  den  spätem  Dialekt  als  Bedeutungen  der 
W^urzel  ig,  haben,  besitzen,  im  Activ,  und  da  sein,  sich  be- 
finden, im  Medium.  Der  ältere  Dialekt  zeigt  ausser  igojd  und  ige 
die  Formen  igdi  (43,  9.  28,  5)  und  igdmaide  J.  35,  7.  An  eine  Ab- 
leitung von  jag,  verehren,  woran  ich  lange  festhielt,  kann  nicht 
gedacht  werden,  da  diese  Wurzel  sich  in  den  Präsensformen  nicht 
zu  ig  verkürzen  kann.  Wir  müssen  ihm  entweder  dieselbe  Bedeu- 
tung, wie.  im  Jüngern  Dialekt,  oder  wenigstens  eine  ähnliche  bei- 
legen. Der  Sinn  von  haben,  besitzen,  stimmt  nicht  ganz  zum 
Zusammenhang  der  Stellen;  aber  der  mediale,  sich  verhalten  (se 
habere),  vermögen,  können,  giebt  den  passendsten  Sinn.  Die 
Etymologie  dieses  ig  anlangend,  so  ist  es  nur  eine  verstümmelte 
Reduplication  der  Wurzel  as,  sein,  und  steht  für  hig  (man  vgl. 
khgdi  für  higdi  28,  5.  s.  die  Note  dazu),  gerade  wie  ishag  neben 
hishag  vorkommt.  Im  Sanskrit  entspricht  ig,  zu  eigen  haben, 
besitzen,  vermögen.  Um  nun  auf  die  eigentliche  Bedeutung  des 
denominativen  igojd  zurückzukommen,  so  heisst  es  eigentlich  „ich 
will  zu  eigen  machen",  d.  i.  besitzen  lassen;  das  Object  ist  dvaeshdo, 
Nom.  acc.  plur.  von  doaeshanh,  Hass. 

Hjaf  —  djdi  Ner. :  jo  gobhajishjati  svacchajd"  rdgjasja  data ;  kila 
vapushi  pdgcat  (?)  rdgjasamihitena  ddsjati.  Büstis  ist  hier  als  eine 
dritte  Person  sing,  futuri  des  Sinnes  „er  wird  glänzen  oder 
schmücken"  gefasst;  aber  diese  Fassung  lässt  sich  weder  der  Form 
noch  der  Bedeutung  nach  begründen.  Der  Form  nach  ist  es  nur 
Accusativ  plur.  eines  Abstractums  husti;  als  Wurzel  würde  sich  zwar 
das  sanskr.  hhush,  schmücken,  darbieten  —  und  hieran  dachte 
Ner.  gewiss  —  aber  sie  lässt  sich  sonst  im  Iranischen  nicht  nach- 
weisen. Bush  in  den  Formen  hushjaüiäm  (Jt.  13,  21),  hüshjägta 
(Jt.  10,  97.  134.)  ist  der  Futurstamm  von  hii,  sein;  hievon  abge- 
leitet würde  es  „die  zukünftigen  Zeiten"  heissen;  aber  dieser  Sinn 
verträgt  sich  nicht  gut  mit  dem  Zusammenhang.    Richtiger  ist  wohl 


Uaug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  II.    Cap.  43,  8.  9.  10.       71 

die  Zurückfuhrung  auf  tue  Wurzel  budhy  erwachen,  aufmerken, 
so  dass  es  mit  dem  sanskr.  huddhi,  Einsicht,  identisch  ist.  Dass 
von  dieser  Wurzel  wirklich  ein  solches  Abstractum  sich  bilde,  zeigt 
apaüi-biisti  Vend.  13,  10.  W.,  ohne  Aufmerken,  d.  i.  unvermerkt, 
deutlich.  Dem  büsti  an  unserer  Stelle  nun  ist  die  Bedeutung  Er- 
wachen oder  Erweckung  im  geistigen  Sinne  beizulegen;  man 
vgl.  in  diesem  Sinn  das  sanskr.  buddha,  der  Erweckte,  innerlich  Er- 
leuchtete. Einen  geistigen  Sinn  hat  auch  baodafito  30,  2.  —  Für 
va^a^i  (West,  nach  K.  5)  lesen  K.  4  va^a^e,  K.  11  vagage,  K.  6,  9. 
Bf.  va^e,  Bb.  va^e.  Die  beiden  letztern  Lesarten  geben  sich  leicht 
als  Correcturen  zu  erkennen;  statt  des  ungewöhnüchen  va^agi  setzte 
man  das  in  Verbindung  mit  kbshajä^  und  khshathra  öfter  vorkommende 
va^e.  Indess  lässt  sich  dieses  va^a^i  als  Locativ  sing,  des  part.  praes. 
va^ag  =  va^at  {\g\.^tavaf  =  ^tavaf),  wollend,  verlangend,  fassen; 
der  Locativ  hängt  von  djdi  ab.  Die  Erklärung  Nerios.  durch  „Ge- 
sundheit" giebt  weder  einen  Sinn,  noch  lässt  sie  sich  begründen. 

V.  9.  Ahjd  —  vasht  Ner. :  enam  apracchata  Hormizdah  jat  te 
kasja  vi^ishte  giidne  kdmah ,  den  fragte  Ormuzd :  wessen  Verlangen 
ist  nach  deiner  ausgezeichneten  Erkenntniss?  Dass  fra^em  keine 
Verbalform  und  am  allerwenigsten  eine  dritte  Person  ist,  bedarf 
keines  nähern  Beweises;  es  ist  der  Accusativ  eines  Nomens  fraise, 
fragt  (s.  d.  Gl.).  Vashi  wird  sich  kaum  anders  wie  als  eine  zweite 
Person  praes.  von  der  Wurzel  vag,  wollen,  erklären  lassen,  wenn 
schon  Ner.  an  seiner  Stelle  den  Nominativ  kdmah  hat.  Schwierig 
wird  indess  diese  Erklärung  durch  vivlduje,  was  kein  Infinitiv  sein 
kann,  vgl.  viduje  29,  3,  sondern  eine  erste  Person  sing,  medii  oder 
passivi  sein  muss.  Da  die  nominale  Fassung  —  man  müsste  nur 
annehmen,  es  stehe  für  vagaht,  in  dem  Wunsche,  nach  dem 
Wunsche —  grosse  Schwierigkeiten  hat,  so  schlage  ich  vor,  vashi 
als  ein  eingeschobenes  Verbum  „du  willst"  zu  fassen,  oder  anzu- 
nehmen, dass  die  Partikel,  welche  es  mit  vividuje  verbinden  sollte, 
etwa  jathd,  dass,  ausgefallen  sei.  Letzteres  wäre  eine  semitisch- 
artige Verbindung  eines  Verbum  finitum  mit  einem  andern.  —  At 
d  thwahmdi  —  mainjdi  Ner. :  evam  mdsd  (?)  tvadijdja  agnaje  dakshini- 
bhavdmi  prandmena  puvjamca  aham  jdvad  icchami  dhjajdmi.  Die  Deu- 
tung von  rdtäm  durch  dakshmibhavdmi,  ich  bringe  Opfer  dar,  ist 
dem  Sinn,  aber  nicht  der  Form  nach  richtig,  s.  zu  33,  14.  Md 
ist  nicht  nach  K.  5  imt  juvat  zusammenzuschreiben,  sondern  getrennt 
zu  halten.  Syntaktisch  kann  es  nur  mit  mainjdi  verbunden  werden. 
Dieses  fasst  Nerios.  richtig  als  eine  erste  Person  sing.;  es  ist  aber 
nicht  einfaches  Präsens,  sondern  eine  sogenannte  erste  Person  Im- 
perativi  oder  Voluntativ. 

V.  10.  Zaozaomt  lässt  sich  auf  doppelte  Weise  ableiten ;  ein- 
mal kann  es  mit  der  sanskrit.  Wurzel  hu  (hve),  rufen,  dann  aber 
auch  mit  gu,  eilen,  zusammengebracht  werden.    Beide  sind  in  den 


72  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  43,  10. 

iranischen  Sprachen  vertreten;  die  Wurzel  zu  z=  hu  haben  wir  öfter 
sogar  in  den  Gäthas;  die  andere  gu  ist  wenigstens  in  dem  neu- 
persischen züd,  geschwind,  schnell,  enthalten.  Da  aber  diese 
letztere  in  den  Gdthd's  nicht  nachweisbar  ist,  so  werden  wir  am 
besten  thun,  die  erstere  festzuhalten.  Der  Form  nach  entspricht 
ganz  das  sanskr.  ^uhomi,  ich  rufe.  Ner.  hat  prdrthandja  prdrthaja 
„durch  Verlangen  verlange''^,  wonach  er  es  als  Nomen  fasst,  was 
es  schlechterdings  nicht  sein  kann.  —  Armaiti  ist  hier  ein  Instru- 
mental, nach  AYedischer  Art  gebildet.  —  lieber  ehmd  s.  zu  29,  11.  — 
Jathand  tat  emavaiitäm,  das  eine  Vergleichung  bildet,  kann  doppelt 
verbunden  werden,  erstens  kann  es  sich  auf  parstem  thwd,  zweitens 
aber  auch  auf  aeshem  emavafitem  beziehen.  Die  erstere  Beziehung 
würde  nothwendig  sein,  wenn  jathand  in  jatha  und  nd  =  narj  Mann 
(indefinit  einer),  aufzulösen  wäre  und  wie  einer  hiesse,  Diess 
ist  aber  nicht  der  Fall,  wie  die  zwei  andern  Stellen  J.  31,  22  und 
35,  2  deutlich  zeigen,  wo  eine  solche  Deutung  von  nd  geradezu 
dem  Sinne  zuwiderläuft.  Das  nd  ist  hier  nur  ein  enklitisches  Wörtchen, 
das  wedische  na,  das  sich  leicht  anhängen  kann,  so  dass  jathand 
nur  ein  verstärktes  wie  ist.  Schon  aus  diesem  Grunde  wird  man 
gut  thun,  die  zweite  Beziehung  anzunehmen.  Diese  empfiehlt  sich 
auch  wegen  des  emavantäm^  das  ohne  Zweifel  der  Ausgangspunkt 
der  Vergleichung  ist.  Das  tat  weist  im  Allgemeinen  auf  ahhem  hin ; 
das  Neutrum  statt  des  Acc.  masc.  tem  steht  hier,  weil  das  De- 
monstrativ von  dem  Nomen,  auf  das  es  sich  bezieht,  durch  mehrere 
Worte  getrennt  ist.  Noch  besser  ist  es  indess,  das  tat  auf  den 
ganzen  Satz  aeshem  djdt  emavaiitem  zu  beziehen.  Zu  dem  Gen.  plur. 
emavantäm  ist  der  Genitiv  von  khshajäg  zu  ergänzen,  so  dass  das 
Ganze  heisst  „wie  diess  (das  Anzünden  eines  starken  Feuers)  Sache 
der  Starken  (Könige)  ist".  —  Für  aeshem  lesen  mehrere  Mss. 
(K.  5,  11.  Bf.  Bb.)  aeshmem.  Diese  abweichende  Lesart,  die  sicher 
ein  alter  Erklärungsversuch  des  dunkeln  aesha  ist,  kann  auf  die 
richtige  Deutung  desselben  führen.  Aeshma  bedeutet  in  den  Gdthd's 
sonst  Angriff,  Gewaltthat  (s.  das  Gloss.);  diese  Bedeutung  passt 
aber  an  unserer  Stelle  gar  nicht.  Dagegen  findet  sich  in  dem  übrigen 
Zendawesta  häufig  das  Wort  aegma  (für  edhma^,  Holz,  Brenn- 
holz, wofür  bei  dem  öftern  Wechsel  der  ZiscWaute  auch  aeshma 
geschrieben  werden  konnte.  An  dieses  dachten  die  verbessernden 
Abschreiber.  Aeshem  selbst,  wie  zweifelsohne  die  ursprüngliche  Les- 
art lautet,  ist  seiner  Bedeutung  nach  gewiss  nicht  identisch  mit  aegma, 
Holz,  wohl  aber  wurzelverwandt.  Die  gemeinschaftliche  Wurzel  ist 
das  wedishe  idh,  griech.  al'^-G),  brennen,  das  e  ist  durch  Gunirung 
des  i,  der  Zischlaut  durch  Erweichung  der  Dentalaspirate  entstanden. 
Im  Sanskrit  bildet  sich  von  dieser  Wurzel  edha,  Brennholz,  edhas, 
dasselbe,  im  Weda  namentlich  lähma^  Holz.  Diese  Bedeutungen 
geben  indess  keinen  rechten  Sinn  für  das  aesha  unserer  Stelle ;  am 
besten  ist  es,  wenn  es  im  abstracten  Sinne  Brand  genommen  wird. 
Wollte  man  das  Wort  auf  die  nahverwandte  Wurzel  edh,  gedeihen. 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  II.    Cap.  43,  10-  11.         73 

zurückführen,  so  wäre  der  Begriff  „gewaltiges  Gedeihen",  der  sich 
ergeben  würde,  etwas  zu  vag.  An  eine  Ableitung  von  den  Wur- 
zeln ish,  gehen  und  wünschen,  wie  sie  Ner.  (abhipsajä)  versucht, 
ist  hier  nicht  zu  denken-,  sie  geben  hier  ebenso  wenig  einen  Sinn 
als  in  den  Parallelstellen  48,  12.  28,  8  (s.  weiter  das  Glossar).  Und 
von  dem  sanskritischen  Demonstrativ  esha,  das  sich  im  Baktrischen 
eigentlich  nicht  findet,  kann  vollends  keine  Rede  sein. 

V.  11.  Jjaf  khshmd  —  paourvtm  Ner.:  ja  jujam  vdiitm  praro- 
hinapraropita  prathamam  dinim.  Durch  prarohiiiajiraropita ,  lasst  her- 
vor —  hervorwachsen,  soll  didanhe  übersetzt  werden,  so  dass  die 
Reduplicationssylbe  di  durch  lyrarofiina,  danhe  durch  iiraropita  wieder- 
gesehen ist.  Diese  Erklärung  ist  indess  sicherlich  unrichtig,  da  sich 
für  dank  eine  Wurzelbedeutung  wachsen  nicht  nachweisen  lässt. 
Die  richtige  Erklärung  des  didanhe  bietet  mannigfache  Schwierig- 
keiten, da  es  sich  nur  an  dieser  Stelle  findet.  Auf  den  ersten  Bhck 
giebt  es  sich  als  eine  durch  Rednplication  entstandene  Bildung  zu 
erkennen,  wenn  man  Formen  wie  dtdereghzo  und  mimaghzo  vergleicht, 
so  dass  beim  Aufsuchen  der  Wurzel  von  der  Anfangssylbe  di  abzu- 
sehen ist.  Als  solche  ergiebt  sich  dank.  Im  Sanskrit  entspricht  der- 
selben nach  den  Lautgesetzen  dans  oder  auch  bloss  das;  erstere 
Wurzel  ist  soviel  als  dan^,  griech.  Sax-vo,  beissen;  die  zweite 
heisst  zerstören,  vernichten.  Ausser  diesen  zwei  am  nächsten 
liegenden  Ableitungen  ist  noch  eine  dritte  möglich,  nämlich  die 
Zurückführung  auf  das,  geben,  verleihen,  eine  Erweiterung  der 
bekannten  Wurzel  da.  Auf  die  erstere  Ableitung  miiss,  da  sie 
keinen  passenden  Sinn  giebt,  verzichtet  werden.  Dagegen  ist  die 
zweite  zu  beherzigen,  um  so  mehr,  als  sich  im  Baktrischen  von  der 
Wurzel  das  unverkennbar  Nomina  abgeleitet  finden,  z.  B.  dahdka, 
verderblich,  dahma,  Zerstörung  oder  Zerstörer  des  Bösen 
(victor);  auch  der  Nasal  schleicht  sich  bereits  ein,  danhu,  Land, 
Provinz,  =z  dasju  im  Weda  (auch  ohne  Nasal  in  der  Form  daqju 
vorkommend),  dafigra  =  skr.  dasra,  zerstörend.  Der  Form  nach 
ist  das  in  Frage  stehende  didanhe  nur  eine  erste  Person  sing,  praes. 
medii.  Das  unmittelbar  vorhergehende  khshmd  könnte  leicht  als  sein 
Accusativ  erscheinen,  aber  die  der  Accusativcndung  ermangelnde 
Form,  so  wie  die  Parallelstelle  J.  50,  5,  wo  es  kein  Accusativ  sein 
kann,  sprechen  dagegen;  khshmd  ist  nur  Noirunativ  und  wird  am 
besten  mit  dem  mraotd  im  letzten  Versgliede  verbunden,  so  dass 
didanhe  —  zarazdditis  als  Zwischensatz  gefasst  werden  muss.  — 
(^ddrd  —  zarazdditis  Ner. :  pishmdca  maji  avocat  antar  manushjeshu 
pravHtiddtaje.  faf  ist  mit  avocat  übersetzt,  gewiss  falsch,  s.  darüber 
zu  46,  19;  zarazdditis  ist  durch  pravHtiddtaje  „für  das  Gedeihen- 
machen"  wiedergegeben.  Der  erste  Theil  des  Wortes  lässt  lautlich 
eine  doppelte  Ableitung  zu;  er  kann  erstens  mit  aared  =  skr.  hrd, 
Herz,  identisch,  zweitens  aber  auch  eine  Ableitung  der  Wurzel 
zar  =  skr.  gar  (gf),    lobsingen,    und    zwar    in    diesem  Falle    die 


74         Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  43,  11.  12. 

thematische  Form  des  Partie,  praesentis  sein.  Nach  der  ersten  Ab- 
leitung heisst  es  „Herzenshingabe",  was  soviel  als  Frömmig- 
keit wäre;  nach  der  zweiten  Gabe  des  Lobenden  oder  die 
Gabe  lobend.  Welche  von  den  beiden  Erklärungen  die  richtige 
sei,  ist  etwas  schwer  zu  entscheiden,  weil  beide  im  Zusammenhang 
der  Stellen,  in  welchen  sich  das  Wort  findet,  einen  guten  Sinn 
geben.  Das  Wort  ist  zunächst  ein  Abstractum  von  zarazdd,  das 
sich  im  Sinne  eines  Adjectivs  J.  31,  1  mit  dem  Dativ  construirt 
findet;  diese  einfache  Bildung  lässt  sich  nicht  wohl  auf  die  zweite 
Art  erklären,  da  es  nur  „das  Lobende  gebend"  heissen  könnte, 
was  weit  fremdartiger  klingt  als  „das  Herz  hingebend".  Hievon 
finden  '  wir  zwei  Superlative  zarzdisto  J.  53,  7  und  zarazddtema 
Jt.  13,  25.  36.  In  den  zwei  letztern  Stellen  jathra  naro  ashavano  ashem 
henti  zarazddtema  passt  die  Bedeutung  „Herz-hingebendst"  nicht 
in  die  Construction;  das  Wort  ist  mit  ashem  zu  verbinden,  was  aber 
ein  Accusativ  und  kein  Dativ  ist,  wie  wir  ihn  J.  31,  1  in  mazddi 
haben.  Dieser  Umstand  schadet  indess  der  gegebenen  Ableitung 
weiter  nicht,  da  das  Wort  im  Verlauf  der  Zeit  leicht  seine  ursprüng- 
Uche  Bedeutung  „herzhingebend"  verloren  und  die  allgemeinere 
von  „liebend"  angenommen  haben  kann,  was  vortrefflich  in  den 
Zusammenhang  der  ausgehobenen  Stelle  passt.  Das  Substantiv  za- 
razdditi  nun  findet  sich  öfter  in  den  Jeschts,  aber  immer  (ausser 
13,  115)  in  derselben  Verbindung.  So  Jt.  10,  9.  51  (vgl.  13,  47.  92)  : 
jatdra  vd  dim  (Mithrem)  jmurva  frdjazeilte  fraoret-frakhsni  avi  mano 
zarazddtoit  arihiijat  haca  dtarathra  fraoin^jeite  Mithru  etc.,  je  öfter 
sie  ihn  (Mithra)  in  gläubigem  Fragen  im  Innern  durch  lebendige 
Herzenshingabe  (Liebe)  verehren,  desto  öfter  geht  dorthin  Mithra. 
So  gut  nun  an  dieser  Stelle  die  Bedeutung  Liebe  passt,  so  will 
sie  sich  in  den  Zusammenhang  unserer  Stelle  nicht  recht  fügen. 
Jedenfalls  hat  es  hier  keine  abstracte  Bedeutung,  wie  die  deut- 
liche Beziehung  auf  das  Subject  zeigt;  demnach  müsste  es  zum 
Mindesten  der  Ergebene,  der  Liebende  bedeuten.  So  kann  sich 
der  Sprecher  dem  Ahuramazda  gegenüber  bezeichnen;  aber  besser 
scheint  es  wegen  des  ukhdhdis  zu  sein,  das  Wort  auf  zar,  lob  sin- 
gen, zurückzuführen  und  als  Lobesgabe,  Lobesgeber  zu  fassen.  — 
Für  verezidjdi,  wie  West,  nach  K.  5  schreibt,  lesen  K.  9  verezjedjdi, 
K.  4  verezjeidjdi,  K.  6  verezjeidjdi;  nach  diesen  wird  richtiger  verez- 
jeidjäi  gelesen,  s.  zu  33,  6. 

V.  12.  Jjatcd  —  frdkhshnene  Ner. :  jacca  maji  avocah  punja- 
jyrdptiprabhütanaram.  Sonach  deutet  Ner.  frdkhshnene  durch  „einen 
(in  der  Erreichung  des  Reinen,  —  er  verbindet  es  mit  ashem)  vor- 
züglichen Mann";  aber  eine  solche  Auflösung  des  Wortes  in 
frdkhshna,  das  gleich  prabhüta  sein  soll,  und  in  nd,  Mann,  ist  eine 
etymologische  Spielerei  und  verdient  weiter  keine  Beachtung.  Das 
Wort,  das  sich  nur  in  den  Gdthas  findet  (29,  11  u.  43,  12.  14), 
lässt   eine    doppelte  Ableitung  zu,    entweder   von  der  Wurzel  pere^, 


Haugf  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  43,  12.  13.         75 

fragen,  oder  von  einer  Wurzel  khshnd -\- fra.  Die  Ableitung  von 
peref  hat  mannigfache  lautliche  und  etymologische  Schwierigkeiten; 
man  müsste  eine  Endung  shnenay  shnana,  annehmen,  die  sich  aber 
nirgends  nachweisen  lässt;  ebenso  ist  eine  Verwandlung  des  schlies- 
senden  f  in  kh  im  Baktrischen  kaum  nachweisbar.  Mehr  für  sich 
hat  die  andere  Erklärung.  Eine  Wurzel  khshnd  findet  sich  zwar  im 
Zendawesta  sonst  nicht;  aber  die  arische  Keilschriftsprache  kennt 
eine  Wurzel  khshnd^,  erkennen,  wissen,  und  das  Neupersische  hat 
ein  shindkhtan,  wissen,  aufzuweisen.  Hievon  ist  es  eine  kürzere  Form, 
wahrscheinlich  ist  es  nur  eine  härtere  Aussprache  für  ziznd  =  i^ignd, 
so  dass  gjid,  wissen,  erkennen,  die  zu  Grunde  liegende  Wurzel 
ist.  Die  dem  durch  Suff,  iia  gebildeten  Substantiv  frdkhshnena  zu 
Grunde  liegende  Bedeutung  ist  wohl  Erkenntniss.  —  A(^rustd  sieht 
seiner  Bildung  nach  wie  das  Partie,  pass.  einer  Wurzel  grus  oder 
Qrush  aus.  Aber  eine  solche  Erweiterung  der  Wurzel  prw,  hören, 
so  leicht  auch  ihre  Bildung  wäre,  finden  wir  nicht  im  Zendawesta; 
zudem  würde  die  Bedeutung,  die  nur  un gehört,  oder  unhörbar 
sein  könnte,  gar  nicht  in  den  Zusammenhang  des  Satzes  passen. 
Mit  der  genannten  Wurzel  ^u  muss  es  indess  auf  irgend  eine  Weise 
zusammenhängen.  Ich  halte  es  für  den  Instrumental  von  a^rusti, 
dem  wir  J.  33,  4  und  44,  13  begegnen,  für  a^rustjd  stehend,  so  dass 
das  schwache  i  ausgestossen  ist.  Man  kann  dagegen  einwenden, 
dass  wie  im  Weda  die  Nomina  mit  schliessendem  i  einfach  durch 
Verlängerung  des  i  zu  i  den  Instrumental  bilden  können,  so  auch  im 
Baktrischen  diess  manchmal  Statt  habe,  z.  B.  Armaiti  v.  10.  unsers 
Capitels  für  Armaitjd  mit  oder  von  der  Armaiti  (begleitet).  Will 
man  aber  a<;rustd  nicht  für  a^rustjd  oder  agrustajd  gesetzt  gelten 
lassen,  so  leicht  auch  diese  Annahme  ist,  so  wird  man  zu  Annahmen 
getrieben,  die  eine  weit  geringere  Wahrscheinlichkeit  haben,  da  sich 
dieses  a^rustd  nur  als  Instrumental  fassen  lässt.  A^rusti  bildet  einen 
deuthchen  Gegensatz  zu  ^raosha,  so  namentlich  J.  10, 16  ^raoshahe  ahmt 
agriLstois  noit  ahmi  ashaono  ahmi  drvato  nöit  ahmi  (von  Haoma).  Auch 
an  unserer  Stelle  lässt  sich  dieser  Gegensatz  bemerken,  wenn  man 
die  Worte  para  jjat  moi  dgimat  ^raoshö  bedenkt.  Die  Bedeutung 
des  agriisti  wird  somit  nach  der  von  ^raosha  zu  bestimmen  sein. 
Dieses  heisst  eigentlich  das  Horchen,  Hören,  die  Ueberliefe- 
rung,  und  wurde  der  Name  eines  Genius;  a^rusti  ist  das  Ent- 
behren der  Ueberlieferung,  der  Mangel  derselben,  und  daher 
gleichbedeutend  mit  Unwissenheit.  —  Eine  Anspielung  auf  die 
Worte:  dgimat  —  hacimno  ist  Vp.  12,  1  enthalten:  tan/ms  ^raoshö 
j6  ashahe  hacaite  mdzdraja  heca  idha  a^tu,  der  gute  ^raosha,  der 
von  der  Hoheit  des  Asha  begleitet  wird,  sei  hier.  Pairjaoghzd 
zweite  Person  imperf.  medii  von  vac,  reden,  s.  das  Gloss.  Ueber 
mäzdrajd  Instrum.  fem.  eines  Adject.  nidzdra  vgl.  das  Gloss. 

V.  13.    Arethd  —  ddtd  Ner. :  njdjanivedajatuh  kdmam  tarn  inahjam 
dehi.     Vgl.  33,  8.     Syntaktisch  ist  arethd   (Nom.  Acc.  plur.  neutr.) 


76     '   Hang,  die  Gathas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  43,  13.  14. 

mit  kdmahjd  und  data  zu  verbinden:  gebt,  macht,  dass  die  Dinge 
des  Wunsches  kommen!  Data  bezieht  sich  nämlich  nicht  bloss  auf 
<!en  zunächst  gelegenen  Accusativ  tem,  sondern  arethd  muss  aucli 
davon  abhängig  gemacht  werden.  Letzterer  Annahme,  die  indess 
gar  nichts  Bedenkliches  hat,  kann  man  nur  dadurch  entgehen,  wenn 
man  arethd  voizdjdi  als  einen  Interjectionalsatz  fassen  will,  so  dass 
der  Infinitiv  für  den  Imperativ  gesetzt  wäre.  —  Daregahjd  ist  nicht 
mit  kdmahjd,  wie  ich  lange  that,  sondern  mit  jdus  zu  verbinden; 
diese  beiden  letztern  Genitive  sind  von  tem  abhängig,  was  sich  auf 
kdmahjd  zurückbezieht.  Ner.  deutet  daregahjd  jaos  durch  dirgha- 
jrrdptogivasja  vapiishi,  also  durch  langlebig,  welche  Erklärung  sich 
unter  Vergleichung  von  daregdjü  28,  7,  daregem  djü  31,  20  als  die 
richtige  erweist.  Jaos  kann  daher  nicht  mit  dem  wedischen  jos^ 
Glück,  Heil,  (s.  Z.  d.  D.  M.  G.  VllI,  p.  740  ff.)  zusammengestellt 
werden,  sondern  steht  für  djaos  von  djü;  das  anlautende  d  ist  mit 
dem  Schluss-a  von  daregahjd  zusammengeflossen.  —  Je  —  ddrestd  ite 
Ner. :  jo  jushmdkam  naka^cit  upakramena  pracdram.  Ddrstaite  West.'s 
i»ach  K.  6  ist  ein  Unding.  Die  Handschriften  schwanken;  K.  4  hat 
ddristaiti,  K.  5  darstite ;  Bb.  ddresta  te.  Auf  den  ersten  Blick  ist 
man  versucht,  das  Wort  zu  trennen,  wie  Bb. ;  aber  die  Theilung 
ddresta  und  tS  giebt  schlechterdings  keinen  passenden  Sinn ;  das  t^, 
gleichviel  ob  man  es  als  Dativ  des  Pronom.  zweiter  Person  dir  oder 
als  Nomin.  plur.  des  Demonstrat.  fasst,  ist  in  der  Construction  des 
Satzes  nicht  unterzubringen.  Will  man  das  Wort  als  Dativ  einer 
Nominalbilduiig  ddrs-tat,  die  an  sich  leicht  möglich  wäre,  nehmen, 
so  könnte  der  Acc.  jem  nicht  erklärt  und  dem  Nomin.  naects, 
keiner,  keine  pausende  Stelle  angewiesen  werden.  Wir  können 
das  Wort  nur  als  ein  Verbum  betrachten ;  aber  als  Verbalform  sieht 
es  ganz  seltsam  aus.  Am  nächsten  läge  eine  Wurzel  darst,  aber 
eine  solche  kennen  wir  weder  aus  dem  Zendawesta,  noch  aus  dem 
Weda.  Eine  Bildung  aus  dem  Participium  darsta  ~\- aite  (er  geht) 
wäre  detikbar,  aber  es  finden  sich  keine  Analoga  in  den  Zend- 
schriften.  Kurz  als  eine  Verbalbildung  der  Wurzel  dars^  darsh,  an- 
greifen, wagen,  oder  auch  von  dere^ ,  sehen,  lässt  es  sich  nicht 
genügend  erklären.  Der  einzig  sichere  Ausweg  ist  Trennung  des 
Worts  und  zwar  in  ddresta  und  ite ;  das  erste  ist'  die  dritte  Person 
sing,  imperf.  medii  der  Wurzel  daresh,  das  zweite  Dativ  des  Sub- 
stantivs iti,  Gang,  contrahirt  aus  itaje  (den  Genit.  itois  s.  J.  53,  6). 
Von  diesem  letztern  sind  die  Genitive  vairjdo  ^tuis  abhängig.  K.  5 
liest  für  vairjdo ,  was  als  eine  Verkürzung  von  vairjajdo  zu  betrach- 
ten ist,  vairjd;  hiemit  lässt  sich  aber  wenig  anfangen. 

V.  14.  Hjat  —  daidit  Ner. :  jo  nardja  mitrdja  vi^ishtagfidnine 
Idbham  daddti.  Ueber  i<;vd  s.  zu  47,  4.  Frjdi  (dat.  sing.)  ist  mit 
maibjo  zu  verbinden.  Maibjo  —  frdkhshnenem  Ner. :  mahjam  mahd- 
gndnin  te  pramodakdri-prabhütaram.  Die  Worte  rafeno  frdkhshnenem 
fasst  man  am  besten  als  ein  Compositum  des  Sinnes:  Hilfs erkennt- 


Hang,  die  Gdtha's  des  Zarathustva.  II.    Cup.  43,  14.  15.         77 

niss;  das  Ganze  ist  als  Accusativ  von  daidit  abhängig  zu  denken. 
Frästd  Ner.  prdvocat,  er  verkündigte.  Das  Wort  lässt  sich  von  der 
Wurzel  af,  im  Sanskrit  erreichen,  erlangen,  -\-fra,  aber  auch 
von  dem  adverbialen  aus  der  Präposition  fra  gebildeten  fräs  ab- 
leiten. Dem  Adverbium  frds  begegnen  wir  öfter  in  den  Jeschts ; 
es  ist  das  sanskrit.  prdnc,  weiter,  vorwärts  (gehend).  So  Jt.  8,  56- 
14,  48:  noit  ithra  airjdo  danhdvo  fräs  hjdt  haena,  noit  voighna  etc., 
nicht  soll  dort  in  den  arischen  Ländern  fortwandeln  das  feindliche 
Heer,  nicht  Plagen  etc.  10,  71:  j6  fräs-taco  hamerethdt,  welcher 
(Mithra)  weiter  gehend  nach  der  Schlacht  (vgl.  auch  19,  40).  Von 
diesem  frds  ist  frästd  ein  partic.  pass.  in  der  Bedeutung  fortge- 
gangen, ausgegangen.  Wollte  man  das  Wort  auf  dg,  er- 
reichen, zurückführen,  so  müsste  man  es  als  eine  dritte  Person 
imperf.  medii  nehmen  und  thwd  als  Accusativ  davon  abhängig  machen. 
Aber  diese  Fassimg  hat  mannigfache  Schwierigkeiten,  —  z.B.  khshathrd 
könnte  nicht  gut  construirt  werden,  —  daher  ist  die  erstere  vorzu- 
ziehen. Thwd  ist  indess  dann  nicht  Accusativ,  sondern  Instrumen- 
tal. —  Uzireidjdi — genhahjd  Ner. :  Jaf  uccdih  sthdpaja  mahjam  svd- 
minam  dinivaktdram.  Hienach  löst  Ner.  das  ocTU.  XsyoiJL.  garedando  in 
gare  und  dando  auf,  ersteres  mit  gara,  Haupt,  letzteres  mit  daend, 
Glaube,  identifizirend.  Wie  verkehrt  diess  ist,  bedarf  keines  nähern 
Beweises.  Der  Form  nach  karm  garedando  ein  Nom.  Acc.  plur.  neutr. 
eines  Thema's  garedananh  oder  auch  ein  Adjectiv  der  Bildung  do  =  ds 
von  demselben  Thema  sein.  Der  Zusammenhang,  namentlich  das 
azem,  empfiehlt  die  letztere  Fassung.  Die  Ableitung  des  Worts  an- 
langend, so  hat  es  damit  dieselbe  Bewandtniss  wie  mit  garedjajdo 
33,  9  (s.  die  Note),  indem  es  sowohl  auf  gareda,  Jahr,  als  gareda, 
Art,  Geschlecht,  zurückgeführt  werden  kann.  Letztere  Ableitung 
verdient  den  Vorzug.  Das  davon  hergeleitete  Substantiv  gare- 
dananh mag  die  Bedeutung  Mannigfaltigkeit  haben,  indem  es 
als  Collectivum  von  gareda  zu  fassen  ist;  dann  hat  garedando  als 
Adjectiv  die  Bedeutung  „mit  Mannigfaltigkeit  begabt"  und  ist  enge 
mit  dem   Genitiv  genhahjd  zu  verbinden. 

V.  15.  Dakhshat  —  vahistd  Ner.:  cihnamcatanjena  vjavasdjind 
manasi  samunmilatu.  Dakhshat  ist  hier  von  Ner.  als  Substantiv  ge- 
fasst  und  nach  der  Tradition  als  Zeichen  erklärt.  Als  Substantivum 
lässt  sich  das  Wort  indess  nicht  gut  erklären,  das  ,*  am  Ende  würde 
Schwierigkeit  machen,  man  müsste  es  nur  als  Ablativ  von  dakhsha 
fassen  wollen;  aber  dann  wäre  dakhshdt  zu  erwarten,  wie  wir  von 
asha  den  Ablativ  ashdt  haben.  Als  Verbalform  lässt  es  sich  leichter 
erklären  und  diese  stimmt  auch  besser  zum  Zusammenhang.  Im 
Zendawesta  lässt  sich  die  Wurzel  dakhsh  im  Verbum  sonst  nicht 
nachweisen;  wir  müssen  also  zum  Sanskrit  unsere  Zuflucht  nehmen. 
Hier  bietet  sich  uns  zunächst  daksh,  wachsen,  gedeihen,  stark 
sein,  und  dah  (für  dagh),  brennen;  erstere  ist  eine  zu  spezifisch 
sanskritische  Wurzel,  als  dass  wir  sie  ohne  weiteres  auf  das  Baktrische 


78  Haug,  die  Gdthas  des  Zarathtisira.  L   Cap.  43,  15. 

anwenden  könnten;  letztere  ist  ursprünglicher  und  mehr  altarisch. 
Ich  gebe  daher  dieser  Ableitung  den  Vorzug.  Die  Form  anlangend, 
so  ist  es  entweder  die  dritte  Person  sing.  Aor.  I  oder  das  Particip. 
dieses  Tempus,  das  durch  Anhängung  eines  s  gebildet  wird.  Zu- 
dem weist  der  Weda  wirklich  eine  Form  dahhat  auf  (s.  Benfey, 
Samaveda  Glossar  p.  88  s.  v.  dah).  Ich  nehme  es  als  absolut  stehendes 
Particip  (man  vgl.  fraoret),  das  adverbial  gebraucht  den  Zustand 
von  ushjd  beschreibt.  Letzteres  ist  als  Verbaladjectiv  zu  fassen  und 
nicht  von  va^,  wählen,  sondern  \on  ush,  leuchten,  glänzen,  ab- 
zuleiten. —  Die  Erklärung  des  tüsnd-maitis  durch  vjavasäjino  manasi 
„des  sich  im  Geiste  (geistig)  Anstrengenden"  lässt  sich  nicht  recht- 
fertigen. Sie  stützt  sich  wohl  auf  eine  Ableitung  von  der  Wurzel 
tu,  stark  sein,  die  aber  nicht  statthaft  ist.  Das  Wort  tüsndmaitis 
ist  sonst  nur  noch  einmal  Jt.  13,  139  und  zwar  als  ein  Name  nach 
ustavaiti  (dem  Namen  der  ganzen  Gdthd,  die  dieses  Capitel  eröffnet) 
nachweisbar;  tushni-shddho  Jt.  13,  29  ist  ein  Prädikat  der  Fravaschi's 
und  steht  neben  amavaitis,  stark,  mächtig,  und  hudoühriSy  mit 
gutem  Gesicht.  Im  JRigveda  finden  wir  tushnim  (Acc.  von  tushni) 
neben  bhadram,  das  Glückliche,  Glück  (II,  43,  3).  Die  zu 
Grunde  liegende  Wurzel  ist  tush^  zufrieden,  vergnügt  sein; 
dieselbe  ist  auch  in  tüsiid  zu  erkennen;  tüsnd-maitis  selbst  ist  ge- 
bildet wie  Armaitis,  taromaitis  und  entspricht  ungefähr  unserem  Zu- 
friedenheit, Glückseligkeit.  Vielleicht  ist  es  nur  ein  anderer 
Name  für  Armaitis j  was  um  so  weniger  auffallen  dürfte,  als  dieser 
Vers  manches  Seltene  enthält,  wie  angreng,  ddare  (s.  weiter  die  Ein- 
leitung zu  43).  —  Noit  —  cikhshnusho  Ner. :  md  narah  pracuram 
durgatindm  bhiijdt  jathdkathamcit  satkarjd.  Diese  streng  wörtlich  sein 
sollende  Uebersetzung  giebt  keinen  verständlichen  Sinn.  Nd  ist  mit 
pourus  eng  zu  verbinden;  es  kann  aber  hier  nicht  eine  streng  sin- 
gulare Bedeutung  „der  Mann"  haben,  sondern  ist  gerade  wegen 
des  pourus y  das  nur  viel  heissen  kann,  collectivisch  zu  fassen,  wie 
auch  Nerios.  thut,  der  es  im  Plural  übersetzt.  So  heisst  7id  pourus 
viele  Leute,  Viele.  Ob  dregvato  als  Plural  zu  fassen  ist,  wie 
Ner.  thut  (er  hat  den  Genitiv  plur.  durgatindm  dafür),  ist  fraglich. 
Da  es  einen  deutlichen  Gegensatz  zu  dem  ashdunö^des  letzten  Gliedes 
bildet  und  letzteres  ein  deutlicher  Genit.  sing,  ist,  so  nehme  ich 
keinen  Anstand,  es  ebenfalls  als  Genit.  sing,  (von  dregvdo")  zu  fassen. 
Der  dregvdo  oder  Lügner  ist  hier  natürhch  das  böse  Princip,  das 
auch  drukhsy  Lüge,  heisst.  —  Ueber  cikhshnusho,  das  hier  miss- 
bräuchlich  als  Nominativ  sing,  steht,  s.  zu  32,  8.  —  At  toi —  ddare 
Ner.:  evam  te  samagrdn  hamtrn  punjdtmano  dadhate;  kila  balishthatardn 
dadhate,  so  macht  er  alle  deine  Reinen  zu  Schlägern,  d.  h.  er  macht 
sie  viel  kräftiger.  Doch  diess  kann  nicht  der  Sinn  der  schwierigen 
Worte  sein,  da  angreng  weder  Schläger  bedeuten  kann,  noch  ddare 
eine  auf  dhd,  machen,  setzen,  zurückzuführende  Verbalform  ist. 
Ueber  angreng  =  den  Angiras  des  Weda  s.  zu  44,  12.  Adare  ist 
der  Genitiv  sing,  von  dtar,  Feuer,  vgl.  ddreng  29,  3  mit  der  Note. 


Haug,  die  Gäthas  des  Zarathustra.  IL   Cap.  43,  16.   Cap.  44.     79 

V.  16.  Verente  giebt  Ner.  durch  mürajdmi  „ich  mache  mir 
zum  Freund''.  Von  einer  ersten  Person  sing,  praes.  kann  aber  hier 
gar  keine  Rede  sein;  entweder  ist  es  dritte  Person  plur.  praes.  medii 
oder  Dativ  sing,  partic.  praes.  Das  Verbum  finit.  in  der  dritten 
Person  phir.  lässt  sich  im  Zusammenhang  gar  nicht  unterbringen, 
da  nirgends  ein  Nominativ  phir.  sich  entdecken  lässt,  wohl  aber 
Nominat.  sing.,  wie  Zarathustro,  ^penisto  sich  finden;  zudem  steckt 
in  je^tä  das  Verbum  finitum.  Daher  ist  kaum  eine  andere  Fassung 
als  die  zweite  angegebene  möghch.  Die  zu  Grunde  liegende  Wurzel 
ist  vere,  vare,  wählen,  dann  glauben;  mainjüm  ist  ein  davon 
abhängiger  Accusativ.  —  Mazda  —  gpenisto  Ner.:  mahdgndninah 
prdptd'sti  jathdkathamcü  mahattamatd,  des  grossen  Weisen  hohe  Grösse 
ist  irgendwie  erreicht.  Diese  üebersetzung  ist  ganz  ungrammatisch, 
da  weder  mazdd  ein  Genitiv,  noch  Qpeitisto  ein  Abstractum  ist.  Je^t^ 
durch  erreicht  zu  erklären,  ist  gewiss  irrig,  da  die  einzig  mög- 
liche Wurzel  jöf  nie  diese  Bedeutung  haben  kann.  Vielleicht  wurde 
es  mit  ajapta  verwechselt,  dem  die  Bedeutung  erreicht  zukommt. 
Es  ist  dritte  Person  sing,  medii  von  ^af,  verehren,  man  vgl.  dje^i 
53,  6  und  häufig  im  Jüngern  Japia.  Für  die  Bildung  vgl.  man  das 
Substantiv  j^^tiy  Verehrung,  woraus  Jescht  geworden  ist.  — 
A^tvat  —  aogonhvat  Ner.:  tanumadbhjagca  pwijam  asti  givamadbhja^ca 
balishthatamarh.  Agtvat  als  Dativ  zu  übersetzen,  was  es  der  Form 
nach  unmöglich  sein  kann,  wurde  der  Uebersetzer  wohl  durch  die 
Dative  des  folgenden  parallelen  Gliedes  qeilg-daregoi  khshathroi  be- 
wogen. Ustdnd  ist  ebenfalls  so  übersetzt  und  hier  scheint  es  richtig 
zu  sein.  Ein  Nominativ  sing.,  wie  a<;tvat  ashem,  ist  es  sicherHch 
nicht;  Nom.  plur.  (sing,  ustdnern)  könnte  es  der  Form  nach  wohl 
sein,  aber  dieser  Hesse  sich  syntaktisch  nicht  rechtfertigen,  ebenso 
wenig  als  der  Instrumental.  Der  in  den  Zusammenhang  einzig  pas- 
sende Casus  ist  der  Dativ ;  ustdnd  steht  für  ustdndiy  eine  Abstumpfung 
wie  sie  sich  öfter  im  Gäthädialekt  findet,  z.  B.  mazdd  für  mazddi.  — 
Zu  qeng- dar 6(^01,  dem  Sonne  sehenden,  d.i.  lebenden,  vgl.  hx)are-pishja(;u 
50,  2  und  das  wedische  svardf<^,  Sonne  sehend,  d.  i.  lebend. 


Capitel   44. 

In  diesem  umfangreichsten  Stück  der  Gdthd's  beginnt  jeder  Vers, 
der  letzte  ausgenommen,  mit  der  Formel:  „Diess  will  ich  dich  fragen, 
sag's  mir  recht,  Lebendiger."  Dadurch  gewinnt  es  den  Anschein 
eines  zusammenhängenden  Ganzen.  Bei  näherer  Betrachtung  lässt 
sich  auch  ein  gewisser  Fortschritt  der  Gedanken  erkennen.  Aber  da 
ein  eigenthcher  innerer  Gedankenzusammenhang  dem  Ganzen  fehlt, 
so  lässt  es  sich  nicht  als  ein  ursprüngliches  imtrennbares  Ganzes 
erkennen,  sondern,  wie  das  vorhergehende  Capitel,  als  eine  mehr 
äusserliche  Aneinanderreihung  verwandter  Gedanken.  Ein  Sammler 
stellte   hier   verschiedene  Fragen    Zarathustra's   an   Ahuramazda   zu- 


80  Hang,  die  Gathas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  44. 

saiiimen,  und  bediente  sich  zu  der  Einleitung  d,?r  gewiss  häufig  von 
Zarathustra  gebrauchten  Formel  „diess  will  ich  dich  fragen''  (vgl. 
31,  14  ff.),  die  im  letzten  Vers  gewiss  nur  desswegen  weggelassen 
ist,  weil  im  zweiten  Versgliede  fast  dieselben  Worte,  „diess  will 
ich  fragen",  stehen.  Die  einzelnen  Verse  stammen  gewiss  von  Za- 
rathustra selbst  und  mehrere  haben  auch  unter  sich  einen  wirklichen 
innern  Zusammenhang,  wie  3  —  5,  12  — 14,  die  als  kleinere  Lieder 
betrachtet  werden  können.  9  — 11  aber  haben  nur  einen  schein- 
baren Zusammenhang;  der  Grand  ihrer  Zusammenstellung  ist,  weil 
sie  sich  alle  auf  die  daSnd  oder  den  Glauben  beziehen.  Ans  einem 
ähnlichen  Grunde  sind  18  —  20  zusammengestellt,  weil  in  allen  vom 
Spenden  die  Rede  ist.  So  stehen  15  und  16  zusammen,  weil  in 
beiden  von  Kämpfen  und  Siegen  geredet  wird.  Aeusserlich  können 
wir  folgende  Versgruppen  unterscheiden  : 

aj  1  und  2  sind  als  Einleitung  vorangeschickt,  und  zwar  ist  1 
die  allgemeine,  2  die  spezielle  zu  dem  schönen  Schöpfungshymnus. 
Der  erste  Vers  ist  eine  Frage  des  Dichters,  ob  Ahiiramazda's  Freund, 
^raosha,  hier  durch  der  Dein  ige  schlechthin  bezeichnet,  dem  Freunde 
des  Dichters,  der  meinige  genannt,  worunter  Kavd  Vhtd^pa  oder 
ein  anderer  Freund  Zarathustra's  zu  verstehen  ist  (vgl.  v.  9),  die 
Lob-  und  Preisgesänge  des  höchsten  Gottes  (vgl.  30,  1)  verkün- 
digen würde  und  ob  derselbe  zur  Mittheilung  der  guten,  das  irdische 
und  geistige  Wohl  fördernden  Werke  mit  dem  guten  Geiste  zu  ihm  und 
seinen  Gefährten  komme  (vgl.  43,  7.  9  etc.).  Da  in  diesem  Vers  die 
zwei  Hauptpunkte  der  Religion,  die  Gebete  und  die  Opfer,  inbegriffen 
sind,  so  können  wir  ihn  füglich  als  eine  Art  Einleitung  betrachten. 

Im  zweiten  Vers  ist  vom  Ersten  des  besten  Lebens,  d.  i.  vom 
irdischen  Leben  (vgl.  45,  3)  die  Rede.  Dieses  ist  gegen  die  An- 
griffe der  feindlichen  Geister  zu  schützen.  Daher  fragt  der  Dichter, 
wodurch  dem,  was  da  sei,  genützt  werden  könne,  worunter  nur 
das  gegenwärtige  irdische  Leben  zu  verstehen  ist.  Er  beantwortet 
sich  indess  diese  Frage  sogleich  selbst.  Der  Freund  und  Genosse 
Mazda'Sf  (^raosha,  ist  es,  der  das  Wächter-  und  Schützeramt  für 
alle  Lebendigen  versieht  und  die  Angriffe  der  Bösen  abwehrt  (vgl. 
31,  13).  Gerade  die  Beziehung  dieses  Verses  auf  (^raosha  war  der 
Grund,  warum  er  dem  vorhergehenden  angeschlossen  wurde.  Weil 
aber  darin  zugleich  vom  ersten  Leben,  d.  i.  vom  Irdischen,  die  Rede 
ist,  so  bildete  er  einen  passenden  Uebergang  zu  den  folgenden 
Fragen  nach  Erschaffung  einzelner  Theile  der  Welt. 

h)  3  —  5  bilden  ein  zusammenhängendes  Ganze  und  enthalten 
einen  schönen  und  einfachen  Schöpfiingshymnus  in  Form  von  Fragen. 
Wer  ist  der  erste  Erzeuger  und  Vater  des  Wahren,  d.  h.  wer  hat 
zuerst  diese  irdische  Welt  geschaffen?  Wer  hat  der  Sonne  und  den 
Sternen  die  Wege  gewiesen  (vgl.  Rv.  VII,  87,  1  von  Varuna:  er 
öffnete  der  Sonne  die  Pfade).  Wessen  Werk  ist  es  sonst  als  Mazda's, 
dass  der  Mond  ab-  und  zunimmt.  Nicht  bloss  hierüber  will  er  nähere 
Auskunft   haben,    sondern   auch   über  andere  Dinge   der  Natur  (3). 


I 


Haag,  die  Gdthd's  des  Zarathusira.  II.   Cap.  44.  81 

Er  möchte  ferner  wissen,  wer  die  Erde  festhalte  und  die  Wolken, 
d.  i,  den  Himmel  über  derselben,  wer  die  Wasser  auf  den  Feldern 
fliessen  lasse  und  wer  die  Bäume  geschaffen  habe?  Wer  in  den 
Stürmen  walte,  dass  sie  rasen?  Wer  der  Herr  und  Besitzer  aller 
guten  Schöpfungen  sei?  (4).  Wer  schuf  Licht  und  Finsterniss,  von 
deren  Wechsel  die  Thäligkeit  und  der  Schlaf  der  Menschen  ab- 
hängt? Wer  schuf  die  drei  Tageszeiten,  den  Morgen,  Mittag  und 
die  Nacht,  die  den  Weisen  stets  an  seine  Pflichten  mahnen,  d.  h. 
die  durch  ihren  beständigen,  gleichmässigen  Wechsel  die  verschiedenen 
Geschäfte  und  die  Thätigkeiten  des  Weisen,  d.  i.  des  Priesters  be- 
stimmen, dass  er  die  Opfer  zur  rechten  Zeit  darbringt  und  zur 
rechten  Zeit  die  Loblieder  zu  Ehren  Gottes  singt?  (5). 

c)  6.  7.  Beide  Verse  haben  einen  rein  äusserHchen  Zusam- 
menhang. Der  einzige  Berührungspunkt  ist,  dass  in  beiden  von  der 
Erschaffung  der  Erde  die  Rede  ist.  Der  sechste  Vers  rührt  in  dieser 
Fassung  schwerlich  von  Zarathustra  her;  er  enthält  zwei  Sprüche 
und  das  Bruchstück  eines  Liederverses,  die  hier  als  Gebete  oder, 
wie  es  scheint,  als  Anfänge  von  Gebeten  zusammengestellt  sind. 
Sie  werden  als  schon  bekannte  angeführt;  der  Dichter  möchte  wissen, 
welche  andere  er,  nachdem  er  diese  verkündigt,  seinen  Anhängern 
und  Glaubensgenossen  verkündigen  solle.  Der  erste  Spruch  klingt 
räthselhaft:  Die  Armaiti  verdoppelt  das  Wirkliche  durch  Handlungen 
(vgl.  denselben  Gedanken  47,  6).  Der  Sinn  kann  nur  sein:  wenn 
die  Andacht  und  Frömmigkeit  in  guten  Thaten,  namentlich  in  der 
Pflege  und  Verehrung  des  heiligen  Feuers,  sich  offenbaren,  so  wird 
dadurch  das  Gedeihen  der  guten  Schöpfung  doppelt  so  weit  ge- 
fördert, als  wenn  es  nur  bei  der  Gesinnung  bleibt.  Der  zweite 
Spruch  ist :  für  dich  sammelt  er  durch  den  guten  Geist  die  Macht, 
d.  i.  dir  verleiht  er  Macht  durch  den  guten  Geist.  Der  Verleihende 
kann  nur  Ahuramazda  sein;  wem  die  Macht  aber  verliehen  wird, 
ist  nicht  klar.  Wahrscheinlich  ist  es  eine  Verheissung  Zarathustra's 
an  Kavä  Vi^tä^pa.  —  Das  letzte  Versglied  enthält  das  Bruchstück 
eines  Liedes ,  in  dem  gefragt  ist :  für  welche  Wesen  Ahuramazda  die 
unvergängliche  Kuh  Rdnjoskereti  geschaffen  habe,  worunter  nur  die 
Erde  oder  die  Erdseele  zu  verstehen  ist  (vgl.  29,  1).  Die  Antwort 
ist  47,  4  gegeben,  nämlich  für  diese  Welt,  das  irdische  Leben. 
Ueber  Ränjuskereti  s.  den  Commentar  zu  diesem  Vers. 

Der  siebente  Vers  beginnt  mit  einer  ganz  ähnlichen  Frage,  wer 
die  hohe  Armaiti  mit  den  Besitzthümern  geschaffen  habe.  Dass  Ar- 
maiti hier  nicht  die  Frömmigkeit,  Ergebenheit  bedeuten  kann, 
sieht  man  leicht;  sie  ist  hier  ein  Name  für  die  Erde,  in  welcher 
Bedeutung  das  Wort  unzweifelhaft  im  Veiididad  sich  findet  (vgl.  47,  3 
und  das  Gl.).  In  Verbindung  mit  berekhdhd,  iioch,  nun  bezeichnet 
es  das  baktrische  Land  (s.  die  Note),  Etwas  räthselhaft  und 
dunkel  ist  die  zweite  Frage :  wer  wob  den  Sohn  aus  dem  Vater 
heraus?  d.  i.  wer  Hess  aus  dem  Vater  den  Sohn  hervorgehen j  wie 
ein  Gewebe  aus  dem  Webstuhl  ?  (über  das  Bild  vgl.  29,  G).  Diess 
Abhandl.  der  DMG.    II,  2.         *  0 


82  Hang,  die  Gathd's  des  Zarathustra.  IL   Cap.  44. 

scheint  mir  auf  das  Hervorgehen  des  Feuers  aus  Ahuramazda,  dem 
ürlichte,  zu  gehen;  das  Feuer  heisst  ja  oft  Ahuramazda  s  Sohn.  Solche 
Geheimnisse  will  der  Dichter  von  Ahuramazda  erkunden,  der  als  der 
Schöpfer  aller  Dinge  ihm  die  beste  Belehrung  dariiber  geben  kann. 

d)  S  — 11.  In  diesen  Versen  ist  von  geistigen  Dingen  die  Rede, 
von  der  Lehre  und  Unterweisung  Mazda's  und  seinen  daenas  oder 
den  heiligen ,  dem  Seher  geoffenbarten  Sprüchen  und  Liedern ,  dem 
Hauptinhalte  des  Glaubens,  daher  das  Wort  später  gewöhnlich  den 
Glauben  bezeichnet  (s.  die  Einleit.).  Unter  sich  haben  die  Verse 
keinen  innern  Zusammenhang.  Der  Grund  ihrer  Zusammenstellung 
war  ein  mehr  äusserlicher,  die  darin  vorkommende  Erwähnung  der 
daenä.  Der  achte  Vers  bildet  eine  Art  Einleitung,  indem  hier  nach 
der  Lehre  und  Unterweisung  Mazda's,  deren  Früchte  gerade  die 
daenas  sind,  gefragt  wird.  Der  Dichter  fragt,  welche  Seele,  d.  i. 
welcher  Schutzgeist  (urvd  ist  der  Name  der  Fravashi's  in  den  Gdthas) 
ihm  Gutes  verkündigen  würde  und  wünscht,  dass  dieser  ihm  er- 
scheinen möge,  um  ihn  an  die  Unterweisung  des  Ahuramazda  zu 
erinnern,  d.  h.  ihn  in  der  Lehre  des  höchsten  Gottes  zu  unterrichten, 
um  ihm  die  zum  Wohle  der  ganzen  guten  Schöpfung  vom  guten 
Geist  verkündigten  Worte  und  alle  andern  sonst  vorhandenen  Wahr- 
heiten für  die  Förderung  des  irdischen  Lebens  mitzutheilen.  Hieran 
schliesst  sich  die  Frage,  wie  Ahuramazda' s  Freimd,  Qraosha,  in  der 
grossen  Versammlung  vor  dem  mächtigen  Könige  durch  den  wahren 
und  guten  Sinn  dem  Sprecher  helfen  würde,  denjenigen  Glauben, 
den  er  für  den  glück-  und  heilbringendsten  halt«,  der  alles  Gute 
in  seiner  ursprünglichen  Vollkommenheit  erhalte,  öffentlich  zu  ver- 
kündigen (9).  Das  Folgende  giebt  eine  nähere  Beschreibung  dieses 
Glaubens;  er  ist  der  allerbeste,  schützt  den  erblichen  Familienbesitz 
und  vermag  von  dem  Wahren  begleitet  durch  die  Worte  der  Armaiti 
die  heiligen  und  guten  Handlungen  in  der  richtigen  Ordnung  her- 
vorzubringen, d.  h.  aus  dem  wahren  Glauben,  der  eine  völlige  Hin- 
gebung an  Gott  jst,  entspringen  alle  frommen,  wahren  und  guten 
Thaten.  Diesen  Glauben  will  der  Sprecher,  nachdem  er  ihn  er- 
kannt, mit  Ahuramazda's  Hilfe  sich  erwählen  (10).  An  diese  Be- 
schreibung des  Glaubens  schloss  der  Sammler  die  Frage,  wie  in 
denjenigen,  welchen  der  Glaube  an  Mazda  (das  geistige  Versenken 
in  ihn)  verkündigt  sei,  die  rechte  Frömmigkeit  und  Ergebenheit 
entstehe,  d.  h.  wie  aus  diesem  Glauben  die  wahre  Gottesfurcht  kom- 
men könne.  Der  Sprecher,  Zarathustra,  wünscht  diess  um  so  mehr 
zu  wissen,  als  er  für  diese,  welche  ihn  als  des  Mazda  Ersten, 
d.i.  als  seinen  höchsten  Gesandten  und  Propheten,  anerkannt  haben, 
auf  alle  Weise  zu  schützen  und  zu  berathen  hat,  während  er  alle, 
die  anderer  Gesinnung  sind,  also  alle  Ungläubigen,  nur  mit  Hass 
betrachtet  (vgl.  31,  18.   43,  8),  d.  h.  zu  vernichten  sucht  (11). 

e)  12 — 14  bilden  ein  zusammenhängendes  Ganze.  Alles  dreht 
sich  hier  um  den  Grundunterschied  zwischen  Gläubigen  und  Un- 
gläubigen und  die  Vernichtung  der  letztern.    Der  Schluss  des  vorigen 


Haugy  die  Gdt/tan  des  Zarathustra.  II.   Cap.  44.  83 

Verses,  in  dem  Zarathustra  seinen  Hass  gegen  alle  Andersgesinnten 
ausspricht,  bildete  einen  passenden  Uebergang,  was  gewiss  den 
Sammler  bewog,  das  kleine  Lied  hieher  zu  setzen.  Zarathustra 
fragt,  wer  ein  Gläubiger  oder  ein  Ungläubiger  sei,  d.  h.  worin  ihr 
Grundunterschied  bestehe.  Darauf  weist  die  unmittelbar  folgende 
Frage,  bei  welchem  von  beiden  der  Schwarze,  Schlechte,  und  bei 
welchem  der  Hellglänzende,  Gute  sei.  Offenbar  ist  hier  ein  Wort- 
spiel zwischen  anro  und  aiigro,  die  fast  gleichlauten,  aber  ganz  ent- 
gegengesetzte Begrifl'e  bezeichnen,  beabsichtigt.  Der  gewöhnliche 
Gegensatz  von  anro,  schwarz,  bös,  ist  ^peüto,  weiss,  heilig. 
Des  Wortspiels  wegen  wurde  für  letzteres  das  seltenere  angro  ge- 
wählt. Da  unter  anro  nur  Anro  mainjus  (45,  2),  der  Geist  des 
Bösen,  verstanden  werden  kann,  so  haben  wir  bei  angro  an  den 
^pefito  mainjus,  d.  i.  Ahiiramazda,  zu  denken  (s.  den  Commentar). 
Durch  diese  neue  Frage  wird  die  erste  nach  dem  Gründunterschied 
zwischen  den  Gläubigen  und  Ungläubigen  beantwortet.  Bei  dem 
Wahrhaftigen  und  Gläubigen  weilt  der  helle  Geist  des  Lichts,  bei 
dem  Lügner  und  Ungläubigen  der  schwarze  Geist  der  Finsterniss. 
Nachdem  der  Dichter  fragend  den  Grundunterschied  zwischen  beiden 
hervorgehoben,  so  fragt  er,  warum  derjenige,  welcher  den  Dichter 
und  den  Ähuramazda  mit  Macht  angreife  und  verfolge,  nicht  eben- 
falls ein  Schwarzer,  Böser,  genannt  werden  solle,  d.h.  ob  die- 
jenigen Menschen,  die  das  Gute  bekämpfen,  nicht  dem  Grundargen, 
dem  Teufel  selbst,  gleichzuachten  seien?  (12).  Hat  der  Fromme, 
Gläubige,  das  Böse  in  seiner  wahren  Gestalt  erkannt,  so  ist  es 
seine  Pflicht,  dasselbe  zu  bekämpfen.  Daher  knüpft  sich  an  das 
Vorhergehende  die  Frage  nach  der  Vertreibung  und  Vernichtung  der 
Lüge.  Lüge  und  Wahrheit,  Glaube  und  Unglauben  können  nicht 
neben  einander  bestehen  (vgl.  30,  2  flf'.).  Die  Lüge  muss  aus  der 
Gemeinschaft  der  Wahrheit  vertrieben  und  denen  überlassen  werden, 
die  keine  Offenbarung  anerkennen,  nicht  der  Wahrheit  folgen,  noch 
dafür  streiten,  und  nichts  für  die  Förderung  des  guten  Sinnes  thun; 
mit  andern  Worten:  die  Gläubigen  und  Ungläubigen  müssen  sich 
scheiden  (vgl.  29,  5)  und  können  nicht  mehr  wie  bisher  friedlich 
beisammen  wohnen  (13).  So  ist  ein  grosser  Kampf  unvermeidlich, 
da  sich  die  Ungläubigen  nicht  gutwillig  vertreiben  lassen.  Vor  allem 
entsteht  dann  die  Frage,  wie  man  der  Lüge,  d.  i.  der  Lügner,  hab- 
haft werden  könne.  Erst  dann  können  sie  vernichtet  werden.  Diess 
hofft  der  Dichter  durch  die  heiligen  Sprüche  und  Gebete,  in  denen 
Ähuramazda  gepriesen  ist,  erreichen  zu  können.  Wenn  dieser  ihm 
die  gegen  die  Lügner  wirksamen  Sprüche  mittheile,  so  könne  er 
von  allen  Zweifeln,  in  die  ihn  die  Macht  der  Lügner  gestürzt 
und  wodurch  er  fast  am  Bewusstsein  seiner  höhern  Sendung  irre 
wurde,  sowie  von  aller  Noth  und  allem  Elend,  das  ihm  diese  be- 
reitet, befreit  werden  (14). 

f)  15.  16  sind  nur  zusammengestellt,  weil  in  beiden  vom  Kampf 
die  Rede  ist;  im   erstem  sind  zwei  schlagfertige  Heere,  im  letztern 

6* 


84  Ilaugy  die  Gdthas  des  Zarathustra.  II.   Cap.  44. 

die  Besiegung  von  Feinden  erwähnt.  Der  Sinn  des  15.  Verses  scheint 
der  zu  sein:  Zwei  Heere  stehen  sich  lautlos  gegenüber:  ehe  sie 
indess  den  Kampf  beginnen,  warten  sie  einen  Orakelspruch  ab,  der 
den  Streit  um  den  Besitz  eines  grossen  Vermögens,  etwa  einer 
fetten  Rinder-  oder  Schafheerde,  schlichten  könne.  Da  dieses,  wie 
alles  Gute  und  Schöne  in  dieser  Welt,  eigentlich  dem  Ahuramazda 
kraft  seiner  ewig  fortwirkenden  Worte,  die  er  gleich  Marksteinen 
zum  Schutze  der  guten  Schöpfung  hinstellt,  zngehört,  so  wendet 
der  Sprecher  sich  an  ihn  um  Entscheidung  und  fragt,  wem  von  den 
Mächtigen  er  jenes  Besitzthum  vediehen  und  wo  dieses  geschehen 
sei.  Ob  die  beiden  Heere  die  der  Gläubigen  und  Ungläubigen  sind, 
ist  fraghch,  lässt  sich  aber  vermuthen. 

Der  16.  Vers  fragt  nach  dem  grossen  Bekämpfer  und  Besieger 
der  Dämonen,  (^raosha.  Er  schlägt  alle  Feinde  des  Wahren  und 
Guten,  welcher  Art  sie  sein  und  welche  Gestalt  sie  haben  mögen. 
Er  hat  das  Gesetz,  wodurch  alle  Lebendigen  bestehen;  dieses  möchte 
der  Dichter  gern  wissen.  Aber  er  wünscht  auch,  dass  (^raosha  für 
jeden,  dem  Ahuramazda  gnädig  sei,  d.  h.  für  jeden  Bekenner  des 
wahren   Glaubens,  kämpfen  möge. 

g)  17  —  20.  Der  Grund  der  Zusammenstellung  dieser  Verse 
ist  wieder  ein  rein  äusserlicher,  die  Erwähnung  von  Gaben  und 
Spenden.  Die  Verse  18.  19  haben  gemeinsam  den  Ausdruck  mizdem 
han,  eine  Gabe  spenden,  womit  mizen  v.  20,  spenden,  fast 
identisch  ist.  Der  17.  Vers  ist  nur  desswegen  hieher  gestellt,  weil 
in  ihm  von  der  Ameretdt  und  Haurvatdt  die  Rede  ist,  welche  beide 
im  folgenden  Vers  erwähnt  sind.  Der  Dichter  fragt  darin,  auf  welche 
Weise  er  zum  Lobgesang,  den  die  himmlischen  Geister  anstimmen, 
in  deren  Wohnung,  d.  i.  ins  Paradies,  gelangen  möge  (vgl.  28,  10. 
34,  2).  Er  hofft,  wenn  er  in  den  Lobgesang  einstimmen  kann,  da- 
durch des  besten  Schutzes  theilhaftig  zu  werden,  indem  er  die  Voll- 
kommenheit und  Unsterblichkeit  gewinne,  sowie  jenes  Lied,  das  ein 
wahrer  Schatz  von  Wahrheit  (vgl.  31,  6).  Während  in  diesem  Verse 
jene  beiden  hohen  Güter  durch  Lobpreis  erworben  werden  können, 
so  werden  im  folgenden  18.  Opfer  zu  diesem  Zwecke  dargebracht. 
Der  Dichter  fragt,  aufweiche  Weise  er  das  Opfer  von  zehn  trächtigen 
Stuten  oder  das  von  noch  einer  grössern  Zahl  darbringen  solle,  um 
dadurch  für  die  Zukunft  jener  beiden  hohen  Kräfte,  der  Vollkom- 
menheit und  Unsterblichkeit,  theilhaftig  zu  werden,  ebenso  wie  die 
andern,  denen  sie  Mazda  verliehen.  Ob  die  hier  genannten  Thiere 
zum  Schlachten  bestimmt  waren  oder  sonstwie  dem  Ahuramazda  ge- 
weiht wurden,  lässt  sich  nicht  näher  bestimmen.  Blutige  Opfer  sind 
sonst  in  den  Gdthas  nicht  erwähnt. 

Hieran  reiht  sich  v.  19  eine  etwas  allgemeinere  Frage,  wie  es 
sich  mit  dem  ersten  Denken  und  Sinnen,  d.  h.  mit  der  angebornen 
Anlage  dessen  verhalte,  der  dem,  welcher  eine  Gabe  darbringe, 
nichts  wieder  gebe,  noch  dem,  der  recht  und  wahr  spreche.  Nach 
dem    ersten    Denken    fragt    der    Dichter    desswegen,    weil    er    das 


HuHgf  die  Gdthiis  des  Zarathastra.  IL    Cup.  44,  1.  85 

letzte  schon  kennt,  d.  h.  die  in  der  That  sich  offenbarende  Ge- 
sinnung des  Nichtgebens.  Der  Sinn  dieser  räthseihaften  Frage  ist 
wohl  der,  ob  der,  welcher,  ein  Opfer  nicht  durch  Gaben  erwiedere, 
seinem  ursprünglichen  Wesen  nach  gut  oder  böse  sei.  Der  Geber, 
dessen  Huld  durch  Opfer  gewonnen  werden  soll,  kann  nur  einer 
der  höhern  Geister  sein.  Nur  der  gute  Geist  Ahuramazda  spendet 
Güter  denen,  die  ihn  verehren,  da  er  allein  der  wahre  lebendige 
Gott  ist;  die  Da^va's,  die  nichtigen  Götzen,  vermögen  es  nicht. 
Daher  sind  diese  die  nicht  gebenden.  Ihr  Wesen  ist  Schein, 
Trug  und  Unraacht.     S.  31,  15   eine  ähnliche  Frage. 

Während  im  19.  Vers  die  Daeva's  nur  angedeutet  sind,  sind 
sie  V.  20  ausdrücklich  genannt.  Hier  ist  gefragt:  was  sind  denn 
eigentlich  die  Daevas,  was  bewirken  sie?  Sie,  die  Nichtigen,  be- 
kämpfen das  Wirkliche  und  Wahre  als  ihrem  Wesen  entgegengesetzt. 
Ihre  Verehrer,  die  wedischen  Sänger  und  Priester,  die  Kavi's,  stiften 
nur  Unheil  und  Schaden,  indem  sie  die  Erde  der  Verwüstung  preis- 
geben und  ihre  Güter  durch  Raub  sich  aneignen.  Ahuramazda  solle 
ihnen  daher  kein  Feld  zum  erblichen  Besitz  geben,  d.  h.  ihnen  das 
Geraubte  wieder  abnehmen  (vgl.  46,  4).  Dieser  letzte  Vers,  wo- 
durch wir  mitten  in  <len  grossen  Religionskampf  versetzt  werden,  ist 
unverkennbar  von  Zarathustra  selbst;  man  vgl.  hauptsächlich  32,  12  ff. 
Die  übrigen  drei  Verse  mögen  ebenfalls  von  Zarathustra  herrühren ; 
nur  der  Inhalt  von  18.  19  ist  etwas  befremdend  und  scheint  nicht 
recht  Zarathustrisch  zu  sein. 

V.  1.  ^)  Nemanho  —  mavaiU  Ner. :  namaskdri  sa  jah  evam  na- 
maskrte  jushmdkam  dinim  mahdgndnin  mitrd  (mitrdja)  me  tvattiUjah 
samtoshdja  bhaved  utsahena;  kila  me  samtoshah  svasmiu  kdle  jadd 
karttftvana  (-ena)  jathdsaktjd  puyjah  tvajd  sambhüto  hhavdmi,  d.  i.  der 
ist  ein  Darbringer  des  Lobes,  der  mir,  dem  euren  Glauben  ver- 
ehrenden Freunde,  dir  gleich,  zum  Glücke  mit  Eifer  wirken  mag, 
nämlich  mein  Glück  wird  dann  erreicht,  wann  ich  durch  Thätigkeit 
rein  in  der  Verbindung  (mit  dir)  geworden  bin.  Diese  Erklärung 
des  schwierigen  Verses  ist  sicher  ganz  falsch,  da  nicht  einmal  die 
grajnmatischen  Formen  richtig  erkannt  sind;  nemanho  ist  weder  ein 
Nominativ,  noch  neme  ein  Dativ.  Letzteres  kann  nur  für  nemo 
stehen  und  ist  deutlich  Nominativ.  Auch  hat  <;aqjdt  sicher  nicht 
die  Bedeutung  von  samtoshdja  hhavet ,  zum  Glück  möge  er  sein, 
sondern  ist  Optativ  der  Wurzel  foA,  fa/iA,  sagen  (s.  Zeitschr.  der 
D.  M.  G.  Vlir,  p.  765);  ebenso  wenig  ist  mavaiU  durch  utsahena 
„durch  Anstrengung,  Eifer"  zu  übersetzen,  sondern  ist  einfach  der 


^)  Dieses  Capitel  wurde  von  mir  bereits  in  meinen  „Zendstudien", 
Deutsch- Morgenländische  Zeitschrift  Bd.  VII,  p.  314  —  337;  p.  50«  — 526; 
Bd.  VIII,  73*J— 771,  ausführlich  behandelt.  Ich  werde  daher  der  Kürze 
halber  öfter  darauf  verweisen,  sofern  ich  die  vor  mehreren  Jahren  gegebenen 
Erklärungen  noch  billigen  kann. 


86  Hang,  die  Gdthäs  des  Zarathustra.  IL    Cap.  44,  1.  2. 

Dativ  von  mavat,  der  meinige  (vgl.  Bd.  VII,  p.  335  das  über  thwdvä^ 
Gesagte).  Syntaktisch  ist  mavaite  mit  frjdi  zu  verbinden  und  zu 
thwaväg  dann  entsprechend  frjo  zu  ergäijzen.  Ein  Freund  gleich 
dir,  ein  Freund  gleich  mir  sind  nur  stärkere  und  poetischere 
Ausdrücke  für  du  und  ich,  man  vgl.  das  a^CkoQ  bei  Homer.  Um 
einen  guten  Sinn  zu  gewinnen,  muss  nemanhö  d  khshmcivato  nicht 
„bei  eurem  Lobpreis",  sondern  „zu  eurem  Lobpreis"  gefasst 
werden.  —  At  ne  —  hdkurend  Ner. :  evamca  jam  pu7]jena  mitram 
daddmah  sahakarttdram ;  kila  tubhjam  sddhjapdratajdgishjam  daddmah. 
Dazdjdi  ist  Infinitiv  des  Verbums  da,  geben,  setzen,  und  keine 
erste  Person  pliir.  Auch  der  dem  hdkurend  beigelegte  Sinn  „Mit- 
wirker", oder  nach  der  Erklärung  „ein  Schüler  in  Vollbringung  des 
Guten"  ist  nicht  richtig,  wie  eine  Vergleichung  der  einzigen  Parallel- 
stelle 33,  9  zeigt,  da  das  Wort  seiner  ganzen  Bildung  nach  kein 
nomen  actoris,  sondern  ein  Abstractum  ist.  Die  Ableitung  von  hd=^sa 
und  kurena  =■  karana,  Wurzel  kar,  machen,  lässt  sich  zwar  nicht 
läugnen  (s.  Bd.  VH,  p.  337),  aber  seine  Bedeutung  ist  eine  andere, 
nämlich  die  von  Zurüstung,  Opfer  (s.  VIII,  p.  765),  welche  am 
besten  zu  dem  Zusammenhang  als  Parallele  von  nemo  stimmt. 

V.  2.  Kdthe  —  jMÜishdt  Ner. :  Ko  Idbhasja  ddtd  jah  tasmin 
düitaje  navatn  navam  samihate  avistdvdci  avistdrthica  (-eca) ,  wer  ist  der 
Geber  des  Heils?  Der,  welcher  in  diesen  beiden  Dingen  immer 
Neues  anstrebt,  im  Avesta  und  im  Zend.  Zu  kdthe  vgl.  47,  4.  Es 
ist  sicher  nicht  gleich  ko,  wer?  dem  sonst  ke  entspricht,  sondern 
steht  für  katho,  was  ein  kathas  voraussetzt;  der  Bildung  nach  kann 
es  nur  woher  heissen,  vgl.  sanskr.  jatas ,  kutas,  tatas.  —  Dem 
paitishdt,  wofür  K.  5  paiii  sdt  liest,  soll  samihate,  er  strengt  sich 
an,  entsprechen;  aber  diess  ist  gewiss  irrig.  Es  ist  entweder  eine 
A^erbalbildung  von  dein  Adverbiiim  paüis,  d.  h.  an  dieses  ist  un- 
mittelbar die  Verbalendung  dt  (Conjunctiv)  gehängt  oder  eine  Zu- 
sammensetzung des  Verbum  substant.  as  (^shdt  kann  eine  Conjunctiv- 
forra  sein  und  für  hdt  stehen  wegen  des  vorhergehenden  i)  mit  der 
Präposition  paiti.  Die  Bedeutung  ist  in  beiden  Fällen  die  gleiche, 
nämlich  die  von  dabei  sein,  anwesend  sein;  man  vgl.  paitisdna 
paitümaremna  Ja9.  55,  6,  die  gegenwärtigen  in  (Gegenwart  (Jemands) 
gesprochenen  (Worte).  Die  erstere  Erklärung  verdient  den  Vorzug, 
da  im  letztern  Fall  das  Partie,  med.  paitisdna  nicht  gut  erklärt 
werden  könnte;  denn  eine  Bildung  sdna  von  as,  sein,  ist  sowohl 
dem  Sanskrit  als  dem  Baktrischen  unbekannt  (s.  VII,  p.  508).  — 
flüd  —  irikhtem  Ner.:  sa  jatah  punjena  pravardhajanti  nrgamsdt;  kila 
sadhjdpdratajd  dadhdti  pdpakdritardn.  Ueber  irikhtem  s.  zu  32,  7. 
Dieses  kann  hier  doppelt  gedeutet  werden,  entweder  als  „Abwehr", 
also  „eine  Abwehr  für  alle",  oder,  wenn  man  es  eng  mit  i^pento 
verbindet  und  die  ursprüngliche  Bedeutung  der  Wurzel  ric ,  leeren, 
festhält,  „rein  heilig,  ganz  heilig"  (geleert  =■  rein,  lauter)  gefasst 
werden.     Erstere  Erklärung    ziehe  ich  vor,    wenn  auch  das   irikhtem 


Hang,  die  Gdt/tas  des  Zaralhusiia.  IL    Cap.  44,  2.  3.  4.         87 

der  Form  nach  dem  hdro  und  urvathö  nicht  ganz  adäquat  ist.  — 
Vigpoibjo  hdro  —  Mazda  Ner. :  sarvdd  eva  svdmi  paraloke  bhuvane 
dvaje  ^pi  mitro  mahd^fidnin  dinimitrah.  Lieber  hdro  8.  zu  31,  13  nnd 
über  urvathö  s.  Bd.  VllI,  p.  766  f.  u.  das  Gkiss.  Der  Instrumental 
ahuhis  muss  hier  dem  Sinn  und  Zusammenhang  nach  eine  adverbiale 
Bedeutung  haben. 

Y.  3.  Ke  ja  mdo  —  thwat  Ner. :  kasmdt  jat  candrah  unmilati 
nimilatica  te;  kild  ^sja  dadhih  kshaja^ca  kasmdt.  Dass  ukhshj^üi  sich 
auf  das  Wachsen,  jieref^aiii  (s.  VII,  p.  512)  aber  auch  auf  das  Ab- 
nehmen des  Mondes  sich  bezieht,  zeigt  Jt.  7,  2:  hat  mdo  ukhshjeüi 
hat  mdo  neref^aiti.  Pancada^a  mdo  ukhshjeüi  pancada^a  mdo  ne- 
ref^aiti  n.  s.  w.  Wie  lange  nimmt  der  Mond  zu,  wie  lange  nimmt 
der  Mond  ab?  Fünfzehn  Tage  nimmt  der  Mond  zu,  fünfzehn  Tage 
nimmt  der  Mond  ab.  —  Tdcif  —  vidujS  Ner. :  tacca  fnahd^ruhiin 
vdnchdja  anjasjaca  vettd  ^smi,  Viduje  erklärte  ich  früher  (VII,  p.  512) 
als  Infinitivform.  Wenn  schon  der  Zusammenhang  dieser  und  anderer 
Stellen  (43,  9)  für  eine  solche  Fassung  sprechen  würde,  so  lässt  sich 
die  Form  nicht  leicht  als  ein  Infinitiv  erklären.  Nach  den  von  mir 
aus  den  Weden  angeführten  Beispielen  kftvi,  vishtvi  etc.  hätten  wir 
vit-tvt  oder  nach  iranischen  Lautgesetzen  vigtvi  zu  erwarten.  Dieser 
Form  liegt  aber  viduje  ziemlich  fern.  Man  muss  es  als  eine  erste 
Person  sing,  medii  betrachten;  das  u  ist  ein  Nachhall  des  an- 
lautenden V. 

V.  4.  Ka^nd  —  nabdoi^cd  Ner. :  ko  dharte  gagatimca  anddhdratve 
^pi;  kila  ddhdro  gagatjd  iidsti,  wer  hält  die  Welt  auch  im  Grund- 
losen? d.  h.  die  AVeit  hat  keine  Grundlage.  Wie  unrichtig  diese 
Deutung  sei,  leuchtet  ein;  zäm  heisst  nicht  Welt,  sondern  Erde, 
und  ade  ist  kein  a  privat.,  sondern  die  Präposition  adhiy  über. 
Nabdogcd  heisst  nicht  Grundlage,  sondern  Wolke  (vgl.  vscpOi;,  ue- 
bula,  skr.  nabhas).  West,  schreibt  nach  K.  6  adenabdo^cd,  K.  5  hat 
ade  nabdogcd,  K.  4  adinabdogcd.  Jene  Schreibung  lässt  sich  aber  gar 
nicht  genügend  rechtfertigen  und  scheint  nur  der  Neriosengh'schen 
Uebersetzung  anddharatve  zu  Liebe  gewählt  zu  sein.  Dass  nicht  das 
kurze  e  ursprünglich  war,  sondern  nur  aus  Missverständniss  des  e 
durch  einen  spätem  Abschreiber  eingeführt  wurde,  zeigt  die  Variante 
adinab;  i  kann  mit  e  wechseln,  aber  nicht  mit  e.  Die  Westergaard'sche 
Schreibung  Hesse  sich  nur  dann  halten,  wenn  man  annehmen  könnte, 
dass  denabdo  ein  wirkliches  Wort  im  Baktrischen  oder  VVedischen 
sei.  Das  Griechische  zeigt  neben  v^^o^  ein  hvocpOQy  das  Litthanische 
hat  debesis  für  nabhas ,  nubes,  woraus  die  Existenz  eines  Anlauts  dn 
bei  nabhas  für  einige  alte  arische  Dialekte  sicher  gestellt  ist.  Allein 
dieser  Umstand  berechtigt  noch  nicht  zur  Einfiihrtuig  einer  solchen 
Form  in  das  Baktrische,  die  sich  zudem  auf  die  Autorität  nur  einer 
Handschrift  stützen  würde.  Der  sich  nach  dieser  Lesung  ergebende 
Sinn    „und    die    Nichtwolken"    oder    „und   das  Wolkenlose"    würde 


88  //««/g,  die  Gäihd's  des  Zaraihustru.  II.    Cap.  44,  4. 

zudem  ganz  unpassend  sein.  Den  einzig  richtigen  Sinn  gewinnen 
wir  durch  die  Trennung  ade  nabdo^cd,  wie  schon  die  zuverlässigste 
und  älteste  Handschrift  K.  5  hat.  Ade  ist  gleich  dem  sanskritischen 
adhi,  oben,  darüber,  in  adverbialem  Sinne  (s.  VIT,  p.  513).  — 
Avapagtois  ist  durch  na  nipatati  erklärt,  wonach  das  Wort  mittelst 
des  a  priv.,  einer  Präposition  (ava)  aus  der  Wurzel  pat,  fallen, 
gebildet  sein  soll.  Wie  abgeschmackt  aber  eine  solche  Erklärung 
„er  fällt  nicht  nieder"  ist,  leuchtet  auf  den  ersten  Blick  ein.  Der 
Zusammenhang  verlangt  noth wendig  die  Bedeutung  Flur,  Aue. 
Dass  sich  diese  wirkUch  begründen  lässt,  ist  VII,  p.  513  f.  gezeigt.  — 
Ke  —  ägu  Ner. :  kasmdt  vdtdh  arbuddgca  upakramanti  dgiikdrjdja. 
Ueber  dvänmaihjo^  das  hier  durch  arbuddh,  Massen,  Millionen, 
wiedergegeben  ist,  vgl.  VII,  p.  514  und  VIII,  p.  767.  —  Für  jaoget 
wie  West,  nach  K.  4,  6  (Bf.  hat  ebenso)  schreibt,  Hest  K.  5  jdo  get 
und  Bb.  jö  get.  Jenes  jaoget,  das  nur  hier  vorkommt,  Hesse  sich 
doppelt  erklären,  entweder  als  eine  dritte  Person  Imperf.  der  Wurzel 
jug,  binden,  oder  als  Partie,  praes.  neutr.  derselben  Wurzel.  Erstere 
Deutung  wäre  syntaktisch  die  leichteste  „wer  verband  mit  den 
Winden  und  Stürmen  Schnelles  (Schnelligkeit)?";  aber  die  Wurzel 
jug  geht  im  Präsensstamme  nicht  in  die  Form  jaog  über.  Dasselbe 
Bedenken  waltet  bei  der  zweiten  Fassung,  bei  der  man  fraoret  ver- 
gleichen könnte,  vorj  letztere  hätte  auch  syntaktische  Schwierig- 
keiten. Das  Ja9.  16,  8.  Jt.  8,  51.  53  vorkommende  paitjaoget-tbai- 
shahjdicd  ist  nicht  hieher  zu  ziehen;  pai/jiaogef  ist  hier  aus  paiti-\-aoget 
(Partie,  praes.  von  vac)  zusammengesetzt  und  heisst  eigentlich  ant- 
wortend^ entgegnend,  das  Ganze  „Gegenvernichtung".  Ent- 
schiedene Aehnlichkeit  mit  diesem  jaoget  hat  hdget  in  JaQ.  58,  1, 
einem  offenbar  altern  Verse.  Sowie  man  jaoget  auf  jug  zurückzu- 
führen geneigt  ist,  so  ist  man  versucht,  hdget  von  der  Wurzel 
hac  =  sac,  folgen,  abzuleiten.  Aber  dagegen  spricht  a;  die  Wurzel 
hac  erscheint  überall  nur  mit  kurzem  a.  Auch  der  Zusammenhang 
ist  dieser  Ableitung  nicht  günstig,  da  hdget,  um  als  Verbum  einen 
genügenden  Sinn  zu  geben,  eine  Conjunctivform  sein  müsste,  als 
welche  es  sich  aber  nicht  erklären  lässt.  Ich  fasse  es  als  eine  Zu- 
sammensetzung von  hd  =  sd  und  der  Partikel  gat  (s.  zu  43,  1),  die 
als  Enklitikum  in  die  kürzeste  Vokalaussprache  gel  übergehen  konnte. 
Demnach  heissen  die  Worte :  hjat  neme  hucührem  ashis  hdget  drmaüis 
hdget  —  nipdtu,  daher  möge  das  schöne  (Gebet):  diese  Wahrheit 
da,  diese  Armaiti  da  (^jenhe  —  hvarstemcd  enthält  nur  eine  Erklärung 
des  hucührem)  uns  schützen  gegen  die  Daeva's  etc.  Nach  dieser 
gewiss  einzig  richtigen  Erklärung  des  hdget  haben  wir  allen  Grund, 
in  unserer  Stelle  die  Lesung  jdo  get  vorzuziehen,  da  hier  das  Re- 
lativum  ja  in  eben  der  Weise  mit  der  Partikel  get  verbunden  ist, 
wie  dort  hd,  eine  Verbindung,  die  genau  an  die  des  lautlich  ent- 
sprechenden griech.  »ys  tnit  den  Pronominibus  mahnt.  Bei  dieser 
Fassung  ist  als  Verbum  zu  dem  Subject  ke  das  Verb,  substant.  agti 
hinzuzudenken,  gerade  wie  im  letzten  Gliede  kagnd  —  dämü.    „Wer 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  II.    Cup.  44,  4.  5.  89 

ist  mit  den  Winden  und  den  Stürmen,  die  da  so  schnell"  (dass  sie 
so  schnell  sind).  —  Kagnd —  mananho  Ner. :  ha  iittamasja  mahd^nänin 
grühiir  manasah.  Die  Uebcrsetzung  des  dämis  mit  Schöpfung  ist 
nicht  ganz  genau;  es  ist  eher  concret:  Schöpfer  zu  nehmen  (s. 
das  Gloss.). 

V.  5.  Ke  hvdpdo  —  zaemdcd  Ner. :  kah  sunirikshanam  svapnam 
daddu  ^dgaranamca.  Dass  hvdpdo  nicht  „von  schönem  Anblick" 
heissen  kann,  ist  bereits  Vli,  p.  514  gezeigt.  Die  dort  vorgeschla- 
gene Aenderung  des  qafnem,  das  nur  Schlaf  heissen  kann,  in 
tafnenij  Wärme,  finde  ich  jetzt  zu  gewagt,  da  sie  jeder  hand- 
schriftlichen Autorität  entbehrt.  Aber  die  Erklärung  des  zaemd  macht 
dann  grosse  Schwierigkeit.  Einige  Handschriften  lesen  zemd,  wo- 
nach man  es  als  Winter  deuten  könnte;  auch  bei  der  weit  ver- 
bürgtem Lesart  zaemd  ginge  diese  Deutung  noch  an,  wenn  man 
das  sanskr.  hemantay  Winter,  bedenkt.  Aber  Winter  bildet  gar 
keinen  Gegensatz  zu  Schlaf  und  eiuen  «olchen  fordert  nothwendig 
der  Zusammenhang.  Auch  durch  Herbeiziehung  von  sanskr.  hema, 
Gold,  lässt  sich  dieser  nicht  gewinnen.  Eine  verbale  Fassung  ist 
hier  kaum  zulässig,  obschon  uns  hiefür  Ja^.  41,  4  hanaemdcd  zaemdcd 
sehr  zu  statten  käme,  an  welcher  Stelle  zaimd  eine  erste  Person 
plur.  der  Wurzel  zi  =.  gi,  gewinnen,  oder  =  hi,  senden, 
schicken,  ist.  Die  von  Neriosengh  gegebene  Deutung  das 
Wachen,  Erwachen,  ist  sicherlich  nur  gerathen,  um  den  noth- 
wendigen  Gegensatz  zu  gewinnen,  und  stützt  sich  auf  keine  irgend- 
wie richtige  Etymologie.  Da  wir  aber  ohne  Aenderung  des  Textes, 
Verwandlung  des  qafnem  in  tafnem  und  des  zaemd  in  zima,  Winter, 
andere  Gegensätze  gar  nicht  gewinnen  können,  so  müssen  wir  es 
vorläufig  bei  der  Erklärung  des  Neriosengh  bewenden  lassen.  Durch 
Herbeiziehung  von  zaja,  Werkzeug,  lässt  sich  die  Bedeutung  des 
zaema  vielleicht  als  Thätigkeit  bestimmen,  was  auch  einen  Gegen- 
satz zu  qafnem  bildete.  —  Arem — pithwd  Ner.:  rapithvanakdla ,  d.i. 
Mittagszeit.  Dieselbe  Bedeutung  habe  ich  bereits  früher  VII,  p. 515—21 
für  das  Wort  ermittelt.  —  Jd  —  arethahjd  Ner. :  ja^ca  pramdnam 
sakhjd  vivektu  njdjena;  kila  tarn  kdlam  jatra  rdugtrugah  prdpnoti  ko  daddu. 
lieber  cazdonhvantem  s.  zu  31,  3.  Der  Accusativ  ist  von  manothris 
abhängig,  ebenso  wie  der  Genitiv  arethahjd.  Manothris  ist  zunächst 
Apposition  zu  ushdo  arem-pithwd  khshapdcd.  K.  5  liest  mando  thris, 
was  „die  drei  Gedanken"  hiesse;  aber  dieser  Sinn  lässt  sich  hier 
nicht  gut  unterbringen,  da  an  die  Dreiheit  von  Gedanken,  Wort  und 
That  nicht  gedacht  werden  kann.  Zudem  hätte  die  syntaktische  Ver- 
bindung Schwierigkeit.  Wovon  sollte  der  Accusativ  cazdönhvaiitem 
abhängen?  Wir  müssen  wohl  bei  der  Lesung  manothris  bleiben. 
Vend.  13j,  30.  37  finden  wir  manothrim,  wo  es  dem  Zusammenhang 
nach  einen  Körpertheil  bezeichnen  nniss,  vermuthlich  den  Kopf; 
dasselbe  scheint  es  Jt.  5,  127  upa  tiim  griräm  manothrim  zu  bedeu- 
ten.   Jt.  9,  30.  17,  50  bezeichnet  gtui-mamthris  etwas  an  den  Pferden 


90  Hang,  die  GdtluVs  des  Zarathustra.  II.    Cap.  44,  5.  6. 

Befindliches.  Die  Bedeutung  lässt  sich  hier  nicht  mit  Sicherheit 
bestimmen,  obschon  die  Etymologie  ganz  klar  ist.  Es  ist  ein  nomen 
actoris  fem.  von  tnano,  Sinn,  Gedanke,  gebildet  durch  thri  (fem. 
von  tar)  und  heisst  eigentlich  die  Denkerin,  Merkeriii,  was  nun 
mannigfach  übertragen  sein  kann,  auf  Kopf,  Gehirn  oder  die 
Sinne.  Im  Weda  entspricht  manotar,  Erfinder,  Ersinner  (Rv. 
1,46,2  maiiotard  rajindm,  Erfinder  der  Reichthümer  neben  vasuvidä 
Schätze  findend,  von  den  Ägvin;  II,  9,  4:  fvam  —  Agtii  —  gukrasja 
vacasah  maiiotd,  du  bist  der  Denker  der  hellen  Rede).  An  unserer 
Stelle  nun  ist  weder  die  Bedeutung  Kopf,  noch  die  von  Sinne 
passend.  Am  nächsten  kommt  die  wedische,  „Erfinder".  Die  Mor- 
genröthe,  die  Mittagszeit  und  die  Nacht  können  ganz  passend,  wenn 
sie  persönlich  als  Genien  gefasst  werden,  die  Erfinderinnen  des 
Geschäfts  (arethahjd ,  aretha  ganz  das  wedische  artha,  s.  d.  Gl.) 
genannt  werden,  insofern  nach  ihnen  das  ganze  Thun  und  Treiben 
der  Menschen  sich  richten  muss  oder  durch  sie  seine  bestimmte  Ein- 
theilung  erhält.  Nur  will  der  Accusativ  cazdonhimutem  sich  syntak- 
tisch nicht  erklären  lassen.  Entweder  muss  man  annehmen,  der 
Accusativ  stehe  missbräuchiich  für  den  Dativ  (cazdonhvate)  „für  den 
Weisen",  oder  man  muss  dem  manothris  eine  causative  Bedeutung, 
denken  machend,  d.  i.  erinnernd,  „den  Weisen  an  das  Geschäft 
erinnernd"  beilegen.  Da  der  erstere  Fall  sich  leichter  denken  lässt 
(vgl.  V.  3  die  Accusative  qeng  und  gtarem  im  Sinne  des  Dativ)  als  der 
zweite  sich  begründen,  so  gebe  ich   der  erstem  Fassung  den  Vorzug. 

V.  6.  J^zi  —  haithjd  Ner. :  jadi  tat  evam  pansphutntaram ;  kila 
vigadataram  vapushi  pagcdt  b/iavati.  Die  Uebersetzung  des  haithjd 
durch  offenbar,  augenscheinlich,  ist  sicher  unhaltbar,  da  sich 
diese  Bedeutung  des  Worts  weder  aus  den  Parallelstellen,  noch 
etymologisch  erweisen  lässt.  Als  eine  Adjectivbildung  des  Part, 
praes.  der  Wurzel  as ^  sein  (hat=sat),  heisst  es  eigentlich  „was 
seiend  ist",  d.  i.  das  WirkUche,  Gegenwärtige.  Als  Bezeichnung  der 
gegenwärtigen  Zeit  findet  es  sich  deutlich  Ja9.  52,  1:  haithjdica 
baväithjäica  bilshjäithjdicaf  für  das  Gegenwärtige,  das  Vergangene  und 
Zukünftige;  vgl.  43,  3  haithjmg  gtis^  die  gegenwärtigen  Schöpfun- 
gen. Weiter  kann  dem  Wort  auch  die  Bedeutung'des  entsprechenden 
sanskritischen  satja,  wahr,  wahrhaft,  beigelegt  werden  (s.  das  Gl.). 
An  unserer  Stelle  scheint  letztere  nicht  anwendbar.  Wir  müssen  bei 
der  ursprünglichen  Bedeutung  bleiben.  Haithjd  (plur.  neutr.),  „die 
gegenwärtigen"  seil.  Dinge,  geht  auf  die  unmittelbar  folgenden  drei 
Verszeilen,  welche  Anführungen  alter  berühmter  Sprüche  enthalten 
(s.  die  Einl.).  Diese  konnten  als  die  gegenwärtigen,  daseienden, 
bezeichnet  werden,  entweder  weil  sie  unmittelbar  folgten,  oder  weil 
sie  gerade  dem  Geiste  des  Redenden  gegenwärtig  waren.  Ersteres 
ist  das  richtigere;  das  dem  haithjd  vorhergehende  athd,  so,  also, 
ferner,  weist  deutlich  auf  das  Folgende  hin.  Dem  ganzen  Be- 
dingungssatze fehlt  das  Verbum ;  am  einfachsten  ergänzt  man  dieses 


I 


Haugy  die  Gdtha's  des  Zarathustra.  II.    Cap.  44,  6.  91 

aus  fravakhshjd  und  zwar  fraokhtä  „wenn  die  gerade  folgenden 
(Worte)  verkündet  sind".  —  Äskem —  Armaitis  Ner. :  pmjchiäm 
karmabhih  sthülatara  sampürnamanasatd  bhavati.  Debäzaiti  ist  durch 
dicker,  grösser  werden  erklärt;  Der  zu  Grund  liegende  Stamm 
debäz,  der  als  Verbmn  sonst  nirgends  weiter  vorkommt,  findet  sich 
nur  noch  in  dem  Nomen  debdzanhd  drmatois  47,  6,  was  denselben 
Gedanken  ausdrückt,  der  hier  enthalten  ist.  Beim  Fehlen  weiterer 
Parallelstellen  können  wir  uns  nur  durch  Etymologie  helfen.  Am 
nächsten  liegt  die  Sanskritwurzel  dfiva^',  dhvamg,  gehen,  sich  be- 
wegen, die  aber  als  tiectirtes  Verbum  noch  nicht  nachgewiesen  ist. 
Das  Subst.  dhvaga  heisst  Fahne  (schon  im  Rigveda  VII,  85,  2). 
Ausserdem  lässt  es  sich  als  ein  Causativum  der  Wurzel  dab,  deb, 
verkleinern,  betrügen,  erklären,  wenn  man  Bildungen  wie 
merehc,  meräi,  tödten,  von  mere,  sterben,  bedenkt.  Auch  als 
causatives  Verbum  \ on  dva,  zwei,  lässt  es  sich  deuten;  dass  dieses 
zu  dab  werden  kann,  beweist  daibitim,  das  zweite,  =  d'oitijam; 
so  hiesse  es  verdoppeln.  Von  diesen  drei  möglichen  Erklärungen 
widerspricht  die  zweite  ganz  dem  Zusammeuhang;  die  erste  gäbe 
einen  erträglichen  Sinn,  wenn  man  nach  derselben  debäzaiti  in  dem 
Sinn  von  gehen  lassen,  machen,  fassen  könnte;  aber  da  debiXz 
schon  die  Wurzel  wäre,  die  nur  in  der  intransitiven  Bedeutung 
gehen  und  zwar  bloss  von  den  indischen  Lexikographen  aufgeführt 
ist,  so  würde  es  sehr  gewagt  sein,  derselben  ohne  weiteres  die 
causative  Bedeutung  zu  geben.  Die  dritte  Erklärung  scheint  die 
beste.  Der  Begrifi'  des  Verdoppeins  nimmt  leicht  den  des  Ver- 
mehren s  an,  der  zu  dem  Zusammenhang  trefflich  stimmt.  Dass 
dem  enc,  äz  wirklich  causative  Kraft  inwohnt,  beweist  mereiic, 
tödten,  von  mere,  sterben,  ganz  deutlich.  —  Taibjo  —  mananhd 
Ner.:  tvadijebhjo  rdgjam  lätamam  dgvddajati  manah.  Dass  taihjo  dir 
und  nicht  den  deinigeu  bedeutet  s.  zu  30,  8;  über  cinag  s.  zu 
32,  5.  —  Kaeibjo  —  tasho  Ner. :  keb/tjah  agindmnim  dakshindm  kardgdm 
aghatajah.  Ueber  azim,  das  Nerios.  stets  als  Eigennamen  fasst,  s. 
VIII,  p.  771.  Für  rdnjög  keretim  schreibt  West,  ränjo-gkerethn  hierin 
den  Mss.  folgend,  die  das  g  zu  keretim  ziehen.  Wenn  sich  auch 
nicht  läughen  lässt,  dass  Bildungen  der  Wurzel  kere  =  kar  sich  durch 
ein  vortretendes  g,  s  verstärken  (man  vgl.  gkarena,  rund,  Jt.  5,  38. 
10,  95;  auch  Wurzeln  mit  anlautenden  c  lassen  g  vortreten,  vgl. 
gcind  =:  skr.  chiiid),  so  ist  doch  hier  eine  solche  Verstärkung  nicht 
wohl  annehmbar,  da  sich  rdiijo  sonst  nicht  gut  erklären  liesse.  Dass 
dieses  zu  dem  öfter  vorkommenden  Dativ  plur.  rdnoibjd^  als  dessen 
Thema  ich  rdni  =.  arani  des  Weda  nachgewiesen  habe  (s.  zu  31,  3); 
gehört,  unterliegt  gar  keinem  Zweifel.  Die  Form  rdnjo  nun  liesse 
sich  allenfalls  als  Adjectiviun  erklären;  aber  es  liesse  sich,  da  es 
keine  Accusativendung  hätte,  sondern  Nominativ  sein  müsste,  gar 
nicht  construiren.  Zieht  man  dagegen  das  g  noch  zu  rdnjS,  so  hat 
man  den  ganz  regelrechten  Genitiv  Dual.,  im  Weda  aravjos;  diesen 
regiert  kerethn.    Obschon  diese  Bildung  das  ursprüngliche  schliessendc 


92  Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  II.    Cup.  44,  6.  7- 

s,  Q  einbüssen  kann,  mau  vgl.  za^taju,  so  «glaube  ich  doch  hier  das  9 
zu  rd7ij6  ziehen  zu  müssen,  da  iin  Compositum  vor  dem  k  die  vollere 
Form  nicht  gut  entbehrt  werden  kann  (man  vgl.  die  Wiederkehr  der 
vollen  Nominativendung  ap  für  0  vor  ca,  ferner  ka^nä  für  ke  nd 
oder  ko  nd).  Der  Sinn  des  Ganzen  hängt  noch  von  der  Erklärung 
des  keretim  ab  (über  rdnjö  s.  zu  rdnoibjd  31,  3).  Dieses  entspricht 
ganz  einem  sanskritischen  krti,  das  von  kar  abgeleitet,  Thun,  Aus- 
führung, Handlung,  Werk,  auf  krnt,  schneiden,  zurückge- 
führt, dagegen  Schnitt,  Waffe,  Messer  (Rv.  I,  168,  3)  bedeutet. 
Sonach  hiesse  das  Ganze  entweder  Werk  der  beiden  Reibhöl- 
zer oder  Schnitt  der  beiden  Reibhölzer  (Messer  für  die  beiden 
Reibbölzer).  Beide  Deutungen  klingen  etwas  sonderbar.  Daher  ist 
es,  zumal  sich  das  Wort  nicht  gut  als  Adjectiv  erklären  lässt,  sehr 
wahrscheinlich,  dass  es  ein  Eigenname  ist.  Es  kommt  nur  in  Ver- 
bindung mit  g-rtwi,  Kuh  (47,  3.  50,  2),  vor,  worunter,  wie  sich 
klar  aus  50,  2  ergiebt,  bloss  die  Erde  verstanden  werden  kann. 
Rd7ij6g-kereti  war  wohl  eine  alte  Bezeichnung  der  Erde,  als  die  Er- 
zeugerin der  beiden  Hölzer,  durch  deren  Reiben  das  heilige  Feuer 
sich  entzündete.  Da  die  altarischen  Völker  sich  die  Erde  unter  dem 
Bilde  einer  Kuh  dachten,  so  wurde  dieses  Prädikat  auch  auf  diese 
übertragen  und,  da  es  hier  keinen  klaren  Sinn  mehr  gab,  zum 
Eigennamen. 

V.  7.  Ke  —  Armaitim  Ner. :  kah  prijataram  aghatajat  rdgjam 
samam  sampumamanasd.  Dem  herekhdha,  einem  auch  sonst  vorkom- 
menden Prädikate  der  Armaiti,  die  Bedeutung  lieb  beizulegen,  ist 
sicher  irrig  und  wahrscheinlich  nur  Folge  einer  falschen  Etymologie. 
Dieses  Wort  ist  deutlich  ein  Participium  pass.  der  Wurzel  hereg, 
sich  erheben,  hoch  sein,  Jt.  10,  90:  haraithjo  paiti  berezajdo  be- 
regajat  ahuro  mazddo  beregajen  ameshdo  ^.pentd,  auf  dem  hohen  Ge- 
birge thronte  erhaben  Ahuramazda,  thronten  erhaben  die  Amesha 
f^penta.  Im  Pärsi  entspricht  burzidan,  erheben,  rühmen,  burzisn, 
Ruhm,  im  Neupersischen  gehört  barz,  Statur,  Höhe,  Grösse, 
hieher  (wohl  identisch  mit  beregd  Ja9.  35,  1).  Das  Armenische  bietet 
bartsanü,  erheben.  Im  Sanskrit  entspricht  vrg ,  reinigen  (von 
der  Streu,  eigentlich  emporheben,  schütteln^.  Wollen  wir  dem 
berekhdha  die  Bedeutung  des  ihm  lautlich  entsprechenden  wedischen 
vfkta  beüegen,  so  würde  es  gereinigt,  d.  i.  glänzend,  schön, 
heissen.  Aber  diese  scheint  nicht  recht  zu  dem  Begriff  der  Armaiti 
zu  passen.  Am  besten  giebt  man  ihm  die  Bedeutung  erhaben, 
hoch,  die  auch  besser  im  iranischen  Sprachgebrauch  begründet  ist. 
Von  grosser  Bedeutung  wird  aber  dieses  Wort  noch  dadurch,  dass 
es  die  eigentliche  Grundform  des  Ländernamens  Baktrien,  der 
Heimath  der  zarathustrischen  Rehgion,  enthält  und  in  den  Gatha's 
dieses  Land  wirklich  bezeichnet.  Wir  finden  gewöhnlich  den  Accu- 
sativ  fem.  berekhdhäm^  auf  Armaiti,  Land,  Heimath,  Erde  (so 
34,  9),  und  an  unserer  Stelle  isti,  Gut  (32,  9),  oder  kehrpi,  Ge- 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  44,  7.  93 

st  alt,  bezüglich  (51,  17),  und  einmal  den  Nominat.  sing.  berekhdfiP 
(für  berekhdhi),  51,  17,  ebenfalls  mit  IJezug  auf  die  Armaiti  gesagt. 
Die  hohe  oder  erhabene  Heimath  ist  das  baktrische  Hochland. 
Der  jetzige  Name  Balkh  ist  eine  Verstümmelung  aus  herekhdhd  mit 
Uebergang  des  r  in  /  (letzteres  ist  ja  den  altern  iranischen  Spra- 
chen überhaupt  unbekannt)  und  Wegfall  des  schliessenden  dh,  wie 
in  sdl,  Jahr,  aus  caredha,  dil,  Herz,  aus  zaredhaja  u.  s.  w.,  und 
Hesse  sich  auf  gar  keine  andere  baktrische  Urform  zurückführen. 
Bdkhdhi  Vend.  1,  7  ist  eine  wohl  dialektische  Verderbniss  des  alten 
berekhdhi,  die  hohe  (Heimath,  Erde);  Baxrpa  der  Griechen  ist  eine 
einfache  Umstellung  des  berehhdha,  welch  letzteres  für  einen  grie- 
chischen Mund  schw  erer  zu  sprechen  war.  —  Ke  —  pithre  Ner. : 
kah  jnatjakarot  jat  gfhndti  putram  pitd;  kila  pratijatnam  karoti, 
wer  wirkt  entgegen,  wenn  der  Vater  den  Sohn  ergreift,  d.  i.  wer 
übt  Vergeltung.  Dass  diess  nicht  der  Sinn  der  dunkeln  Worte  sein 
kann,  lehrt  die  nähere  Betrachtung  der  einzelnen  Worte;  uzemem 
kann  nicht  die  Bedeutung  von  prati  haben,  so  wenig  als  vjdnafd 
die  von  grhndti;  überdiess  kann  piYÄre  kein  Nominativ  sein,  sondern 
ist  ein  deutlicher  Genitiv- Ablativ.  Uzemem  (vgl.  uzemohü  46,  9),  ganz 
das  sanskritische  uttama,  der  äusserste,  höchste,  d.i.  vortreflf- 
lich,  ist  als  Adjectiv  zu  puthrem  zu  nehmen.  Coret,  das  sich  bloss 
noch  45,  9  findet,  lässt  eine  dreifache  Ableitung  zu:  1)  von  kar, 
machen,  cor  wäre  dann  eine  dialektische  Aussprache;  2)  von  cur, 
stehlen,  entwenden;  3)  von  car,  gehen,  wandeln.  Gegen  die 
erste,  der  Ner.  folgt,  ist  einzuwenden,  dass  eine  solche  Veränderung 
der  Wurzel  kar  in  cor  weder  im  Verbum  noch  Nomen  im  Baktrischen 
nachweisbar  ist.  Die  zweite  würde  wohl  hier,  aber  nicht  45,  9 
einen  Sinn  geben.  Dagegen  hat  die  dritte  Ableitung  am  meisten 
für  sich;  die  Verwandlung  des  a  in  o  konnte  leicht  durch  Einfluss 
des  r  erfolgen,  welcher  Consonant  das  unmittelbar  vorhergehende 
helle  a  gern  verdunkelt.  Der  Form  nach  kann  es  indess  nur  die 
Neutralform  des  part.  praes.  sein,  also  eigentlich  gehend,  laufend, 
was  dann  in  die  Bedeutung  von  fortwährend  leicht  übergehen 
konnte.  Der  Accusativ  puthrem  ist  noch  von  tdst  im  vorhergehenden 
Verse  abhängig.  Daher  werden  wir  uns  zu  der  zweiten  bequemen 
müssen.  Ueber  vjdnajd  s.  zu  29 ,  6 ;  über  den  Sinn  des  ganzen 
Spruches  s.  die  Einl.  —  Azem  —  mazdd  Ner. :  aham  tdsdm  tvatah 
pracuram  sdhadhjam  ('?)  dhjajdmi  mahdgndnin;  tdsdm  ^rishtmdm. 
Frakhshne  dürfte  nicht  wohl  auf  pereg,  fragen,  zurückgeführt  werden, 
da  ein  Suffix  sna  angenommen  werden  müsste,  das  wir  sonst  im 
Baktrischen  nicht  finden;  es  ist  sicherlich  nur  eine  Verkürzung  des 
frakhshnene ,  worüber  die  Note  zu  43,  12  zu  vergleichen  ist.  K.  4 
liest  sogar  frakhsneni.  —  Dass  avdmi  ganz  die  sanskritische  Wurzel 
av,  gehen,  wünschen  etc.,  enthält,  leuchtet  jedem  von  selbst 
ein.  Woher  Neriosengh  die  Bedeutung  nachdenken  bringt,  ist 
schwer  zu  sagen. 


94  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathiistra.  II.    Cap.  44,  8. 

V.  8.  Mmddidjdi  —  ddistis  Ner. :  me  ddtim  brühi  ja  te  ma- 
hdgndnin  sd  vikramjatd.  Die  Auflösung  des  menddidjdi  in  zwei  Worte, 
in  mt'w,  das  mir,  meiner  (also  gleich  mand)  lieissen,  und  in  ddidjdi, 
das  ein  Substantiv  im  Sinne  von  däti,  Gabe,  sein  soll,  ist  nur  eine 
etymologische  Spielerei,  die  den  Sinn  des  Ganzen  verzerrt.  Früher 
erblickte  ich  darin  die  Wurzel  mand,  sich  freuen.  Aber  diese  giebt 
keinen  rechten  Sinn.  S.  weiter  zu  31,  5.  Zu  ddistis  s.  Vil,  p.  526 
und  das  Glossar.  —  Jdcd  —  mananhd  Ner. :  jdca  uttamena  vacasdm 
^ratd  [Qritd^  manasd;  kila  dinih  inavartamdnd  kadd  bhavishjati.  Die 
Erklärung  des  frashi  durch  hineingegangen,  befördert  werden, 
beruht  wohl  auf  der  Zurückfiihrung  des  Worts  auf  das  Adverbium 
fräs,  vorwärts,  weiter.  Vor  allem  fragt  es  sich  indess,  ist  es 
eine  Verbal-  oder  eine  Nominalbildung.  Der  Zusammenhang  scheint 
sowohl  hier  als  in  der  Parallelstelle  45,  6  eine  Verbalform  zu  ver- 
langen. Aber  als  solche  lässt  sich  frashi  nicht  gut  erklären.  Es 
könnte  nur  eine  dritte  Person  imperf.  passivi  der  Wurzel  pere^, 
fragen,  sein;  aber  dann  sollte  das  a  zu  d  verlängert  sein,  vgl. 
grdvi,  vdci.  Ausserdem  wäre  der  Sinn  „nach  welcher  vom  guten 
Geist  gesprochen,  gefragt  wurde"  nicht  ganz  zutreffend.  Der  30,9. 
34,  15  vorkommende  Accusativ  frashem,  dem  ein  Thema  frashi  zu 
Grunde  liegen  muss,  veranlasst  mich  hier  eine  Nominalform  und 
zwar  gerade  dieses  frashi  anzunehmen.  Da  es  Nominativ  sein  muss, 
so  bleibt  der  Mangel  des  charakteristischen  s  etwas  auffallend, 
das  bei  dem  kurz  vorhergehenden  ddistis  sich  findet;  doch  kann 
dieses  beim  femininum  leicht  fehlen.  Die  demselben  zukommende 
Bedeutung  (s.  zu  30,  9)  Fortdauer  stimmt  im  Allgemeinen  mit  der 
von  der  Tradition  angegebenen.  —  Jdcd  —  vaedjdi  Ner. :  jdca 
pmijeshu  hhuvaneshu  [?]  pürnd  vetrtd  miiktdtmandm  durgatindmca.  lieber 
arem,  das  hier  durch  voll  wiedergegeben  ist,  s.  VIII,  p.  768.  — 
Kd  me  —  td  Ner.:  katham  idaiii  ganme  dtmani  uttamdndm  prdpnoti 
tdbhjdm  kimcit  jat  ihalokijam  paralokijamca  gudha[dtn]  karomi.  Die 
von  Westergaard  wohl  auf  Grund  der  überwiegenden  Mehrzahl  der 
Mss.  gemachte  Trennung  des  kdme  in  kd  me  ist  aus  mehreren 
Gründen  zu  verwerfen.  1)  Das  Interrogativ,  das  auf  einmal  mehreren 
Relativsätzen  folgte,  giebt  keinen  rechten  Sinn;  wir  hätten  jd  er- 
warten müssen.  2)  Urvd,  worauf  kd  allein  als  Interrogativ  bezogen 
werden  könnte,  ist  ein  Masculinum,  kd  aber  ein  Femininum.  Liest 
man  kdme  als  ein  Wort  (Bb.  hat  kdm^),  so  ergiebt  sich  ein  weit 
besserer  Sinn.  Dieses  steht  entweder  für  kdmö  oder  für  kdmi. 
Letztere  Fassung  verdient  den  Vorzug,  da  so  urvd  ein  passendes  Ad- 
jectiv  erhält,  „liebende,  mit  Verlangen  erfüllte  Seele".  Für  urvdshaf, 
wie  West,  schreibt,  wird  richtiger  tirvdkhsat  mit  K.  4,  6  gelesen  (vgl. 
34,  13).  Es  ist  aber  nicht  Verbum  finitiim  —  dieses  ist  dgemat  — 
sondern  Partie,  praes.,  und  nicht  von  vakhsh  wachsen,  sondern  von  vac, 
reden,  abzuleiten;  vohü  ist  ein  davon  abhängiger  Accusativ.  Td  ist 
Instrumental  in  adverbialem  Sinn:  dadurch,  so.  Auch  Neriosengh 
fasst  es  als  Instrumental,  aber  des  Duals,  nicht  des  Singulars. 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra   II.    Cap.  44^,  9.  95 

V.  9.  Kathd  —  jaozddne  Ner. :  katham  idam  aham  jat  dinipa- 
vitrataram  pavitrajämi.  Ueber  jaos  und  jaozddne  s.  die  Ausführung 
in  VIII,  p.  740  ff.;  über  <;aqjdt  (Nerios.  ^ishjdpajati)  s.  VIII,  p.  765.  — 
Ereshvd  —  mazdd  Ner. :  satjo  rdgje  tvattuljah  vikramatajd  inahdgndnin. 
Ueber  aqistis  s.  zu  allstem  34,  3.  —  Hademöi  —  mananhd  Ner. : 
sahasthdnatajd  dharmasja  uttatnasja  nivasati  manasja  [manasaK]  saha- 
sakhajajd  [sakhjajd^].  Die  Uebersetzung  des  skjä^  mit  wohnen 
stützt  sich  auf  Zurückführung  dieser  Form  auf  die  Wurzel  khshi, 
wohnen.  Da  sich  diese  Wurzel  in  den  Gdthd's  nie  zu  skj  ver- 
ändert, sondern  zu  khshaj  oder  khshe  wird  (s.  das  Gl.),  so  müssen 
wir  von  dieser  Ableitung  abstehen.  Wir  müssen  eine  eigene  Wurzel 
ski  annehmen,  die  sich  in  dieser  Form  nicht  im  Sanskrit  nach- 
weisen lässt.  Dem  sk  entspricht  im  Sanskrit  c,  wie  z.  B.  skjaothana, 
Handlung,  genau  das  wedische  cjdutna,  Bewegung,  ist.  Sonach 
wäre  das  entsprechende  Sanskritwort  ci,  wissen,  oder  sammeln. 
Aber  wir  finden  das  Wort  in  eben  dieser  Form  und  Bedeutung  auch 
im  Baktrischen.  Dass  indess  in  den  altern  arischen  Sprachen  neben 
ci=:  kl  noch  eine  vollere  Form  ski  nebenher  ging,  scheint  mir  das 
lateinische  scire,  wissen,  zu  beweisen.  Diese  Bedeutung  stimmt 
jedoch  nicht  zu  dem  Zusammenhang  der  Stellen  J.  37,  2 :  ja^najidm 
jyaiirvatdtd  jazamaide  joi  geus  hacd  skjaiiti;  J.  39,  3:  joi  vanheus  d 
mananlw  skjanti  (vgl.  47,  5),  und  noch  weniger  zu  dem  Substantiv 
skjeiti  (J.  53,  8).  Man  könnte  leicht  geneigt  sein,  ihm  den  Sinn 
von  sein,  dasein,  bestehen,  beizulegen,  aber  dieser  liesse  sich 
weder  etymologisch  begründen  —  denn  eine  Bildung  von  as  könnte 
es  unmöglich  sein  —  noch  würde  er  zu  den  Stellen  stimmen,  wie 
Jt.  10,  38:  ma^thanjdo  jdJwa  mithrodrugo  skjeinti.  Hier  scheint  es 
die  Bedeutung  von  wohnen,  weilen,  zu  haben.  Aber  damit  un- 
vereinbar ist  Jt.  14,  48 :  Jim  (Verethraghna)  skjeiti  dditjotemo  ja^na^ca 
vahma^ca  ashdt  haca,  wo  es  ein  transitives  Verbum  des  Sinnes  „um- 
geben" zu  sein  scheint.  Da  sich  aus  dem  Zusammenhang  der 
Stellen  keine  überall  passende  Grundbedeutung  ergiebt,  so  müssen 
wir  unser  Heil  wieder  in  der  Etymologie  suchen.  Dem  sk  kommt 
wohl  das  ch  des  Sanskrit  näher,  als  das  einfache  6;  man  vgl. 
chid  =<icindere,  baktr.  ^kend.  Dem  Sanskrit  chdjd,  Schatten,  ent- 
spricht axta  (engl,  sky  hängt  wohl  auch  damit  zusammen);  als  seine 
Wurzel  müssen  wir  ein  =  ski  annehmen,  das  sich  in  den  Wurzel- 
verzeichnissen al)er  nicht  findet;  es  ist  eine  kürzere  und  abgeschwäch- 
tere Form  für  c/md,  bedecken  (wovon  das  deutsche  Schatten), 
welche  dem  Baktrischen  unbekannt  ist.  Die  Bedeutung  ist  wohl  die- 
selbe: bedecken,  bergen,  schützen,  verbergen,  sich  bergen. 
So  heisst  Jt.  10,  38:  die  Wohnungen,  in  denen  sich  die  Mithrabelüger 
verbergen;  Jt.  14,48:  welchen  (Behram)  die  ausgezeichnetste  Ver- 
ehrung (seitens  der  Menschen)  und  Verherrlichung  schützt  (zu  Hilfe 
konnnt);  J.  37,  2:  wir  machen  den  Anfang  mit  den  Gebeten,  welche 
zum  Schutz  der  Erdseele  dienen;  J.  39,  3:  die  im  guten  Geist  sich 
bergen.    Letzteres  ist  auch  der  Sinn  an  unserer  Stelle  und  47,  5. 


96  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  44,  10. 

V.  10.  Ueber  hdtäm  s,  VIII,  p.  746.  —  Ja  —  hacemnd  Ner. : 
ja  me  bhiivibhütam  dharmasja  vfddhiddtjd  dglishajati.  Ueber  gaethd 
(Ner.  bhuvibhüta)  s.  VITI,  p.  746  ff.  u.  das  Gl.  Frddoit,  von  Ne- 
riosengh  als  Substantiv  „Wachsthummachen,  Waclistbumsförderung" 
erklärt,  leitete  ich  früher  VIII,  p.  748  von  fra-hdd  ab,  so  dass  es 
eigentlich  fortschaffen  hiesse.  Aber  diese  Ableitung  geht  nicht 
an,  weil  sich  der  Optativ  der  W.  dd  nicht  zu  doü  zusammenziehen 
kann,  sondern  die  vollere  Form  ddjat  erhält.  Gegen  diese  Ableitung 
sprechen  auch  andere  Formen  wie  frddente,  was  frddamte,  und  frddo 
(46,  12),  was  frdddo  heissen  müsste.  ^^\r  müssen  eine  besondere 
Wurzel  frdd  zu  Grunde  legen,  deren  ursprüngliche  Form  frddh  ge- 
wesen ist,  wie  sich  diess  auch  Vend.  2,  4.  Jt.  10,  142  u.  s.  w.  be- 
weisen lässt.  Diese  Wurzel  ist  noch  deutHch  im  neupersischen  fardz 
(z  für  baktrisches  dh  ist  nicht  selten,  vgl.  zer,  unten,  aus  adhairi), 
oben,  hoch,  erhaben,  vermehrend,  vergrössernd,  erhalten. 
Im  Sanskrit  findet  sich  nichts  Entsprechendes;  denn  prath,  aus- 
breiten, kann  nicht  verglichen  werden,  da  das  hieher  gehörige 
baktrische  perethu  das  th  bewahrt  hat.  Dieses  frddh  ist  entweder 
eine  Erweiterung  der  Präposition  fra  durch  das  causative  Anhängsel 
dh,  so  dass  es  fortmachen,  weitermachen,  fördern,  oder  ein 
Causativum  der  Wurzel /rrt=:]}ra,  voll  sein,  so  dass  es  anfüllen, 
erfüllen  hiesse.  Hierüber  müssen  die  Stellen  entscheiden.  Am  ge- 
wöhnlichsten wird  es  von  den  gaethd's,  den  abgegränzten  Familien- 
grundstücken, gebraucht,  wie  denn  frddat-gaetha  ein  häufig  vor- 
kommendes Adjectivum  ist.  Vend.  2,  4  (vgl.  5)  lesen  wir:  me  gaethdo 
frddhaja,  dat  me  gaethdo  varedhaja,  was  Spiegel  „breite  meine  Welten 
aus,  dann  mache  meine  Welten  fruchtbar"  übersetzt,  hier  gegen 
seine  Grundsätze  die  Huzüreschversion  ganz  verlassend.  Diese  hat 
für  frddhaja  "^V^NCT^S,  und  erklärt  es  durch  „viel  machen",  für 
varedhaja  -pi^Nl,  dem  die  Glosse:  -,^?;ri5^?:  xm  '^nC-:'^2  ^)  „mache 
sie  ganz  umzäunt"  beigegeben  ist.  Da  diese  Erklärung  des  va- 
redhaja gewiss  richtig  ist  (s.  zu  varedaiti  28 ,  4)  und  zu  dem  Begriff 
der  gaethd's  als  eingefriedigter  Besitzstücke  auch  recht  gut  stimmt, 
so  muss  frddhaja,  das  ihm  ganz  parallel  steht,  eine  auf  die  Ein- 
friedigung bezüghche  Bedeutung  haben.  Viel  machen,  mehren 
^  verträgt  sich  nicht  gut  mit  dem  Begriff  der  gaethd's,  die  bereits 
von  Ahiiramazda  selbst  (s.  die  wichtige  Stelle  46,  12)  fest  bestimmt 
und  angeordnet  sind  und  daher  von  den  Menschen  nicht  wohl  ver- 
mehrt werden  können.  Wir  müssen  ihm  die  Bedeutung  auffüllen, 
erhöhen  geben,  was  sich  dann  auf  die  Wälle,  welche  die  gdethas 
umgaben,  bezieht.  Sonach  ist  die  Ableitung  von  frd,  voll  sein, 
vorzuziehen.  Von  dieser  Bedeutung  des  Anfüllens,  Auffüllens 
leitete  sich  die  von  erhöhen  ab,  die  dem  Wort  nicht  bloss  im 
Neupersischen    zukommt,    sondern    die    es    deutlich    auch    schon    im 


^)^  Dieses  Wort  ist  deutlich  im  armenischen  parisp,   Mauer,    parspel, 
lit  einer  Mauer  umgeben,  enthalten,  latein.  sepio. 


I 


Haiigi  die  Gdthd's  des  Zarathiisira.  IL    Cap.  44,  10.  11.         97 

Zendawesta  hat  (Jt.  15,  52  fradhajamanö,  sich  aufrichtend,  er- 
hebend). Ueber  die  von  anfüllen,  auffüllen  s.  Jt.  8,  7  frddhajat 
pajitäm,  er  füllte  den  Weg  auf  (machte  ihn  durch  Auffüllung), 
Jt.  10,  14  hat  frddhajen  die  tropische  Bedeutung  „Ueberfiuss 
haben".  —  Maqjdo  —  Mazdd  Ner. :  me  nü-vdna^ndiiine  ie  lahshinhn 
[ja  nirvdna^ndnajn  Jämcit  sadhjdpdratajd  vetti  tasmdi  prasddaja] ;  sam- 
tiishto  ^smi  mahagndnin.  Ueber  maqjdo  s.  VIII,  p.  749.  U^en  ist 
von  Nerios.  fälschlich  als  eine  erste  Person  sing,  praes.  gefusst;  es 
kann  nur  dritte  Person  imperf.  plur.  oder  part.  praes.  der  Wurzel  vap^ 
wollen,  im  Baktrischen  auch  verehren,  sein.  Letztere  Fassung 
stimmt  allein  zum  Zusammenhang. 

11.  Jaeibjo  —  daend  Ner. :  je  mahdgndnin  ivadijdm  samudgiTanU 
dinim.  Die  Uebersetzung  des  vashjeite  durch  au  sgiessen  (verbrei- 
ten) fällt  sehr  auf.  Ihre  Unrichtigkeit  ergiebt  sich  schon  aus  der 
Construction,  in  der  kein  Verbum  transitivum  Platz  hat,  da  der  so 
nothwendige  Accusativ  fehlt.  Für  vashetS,  wie  West,  schreibt,  wird 
richtiger  mit  K.  11  vashjete  oder  mit  K.  6  vashjeite  gelesen;  Bf.  hat 
vasjete,  Bb.  visj^iti.  Vashete  könnte  nur  dritte  Person  sing,  praes« 
medii  der  Wurzel  vash  sein,  wofür  iedocH^vashaite  regelrechter  sein 
würde;  vashjeite  ist  dagegen  Passivura,  was  ganz  gut  zu  dem  Zu- 
sammenhang stimmt.  Von  vakhsh,  wachsen,  lässt  es  sich  nicht 
gut  ableiten,  da  es  dann  uhhshjeiti[e]  heissen  müsste.  „Welchen 
der  Glaube  an  dich  wächst"  kann  zudem  nicht  der  richtige  Sinn 
sein,  da  daend  (s.  das  Gl.)  von  v.  9  an  nicht  Religion,  Glauben, 
wie  später  allgemein,  sondern  Lied,  Spruch  bedeutet.  Einen 
bessern  Sinn  würde  die  Ableitung  von  vac,  reden,  geben;  vashjeite 
stünde  dann  für  vakhshjeite ;  dass  das  khsh  zu  sh  sich  vereinfacht) 
beweist  aoshaite  von  derselben  Wurzel.  Aber  auch  hier  wäre  eine 
Zusammenziehung  zu  ukhshjeit4  oder  aoshjeiti  zu  erwarten.  Wir 
thun  daher  am  besten  es  von  der  Wurzel  vaz=:vahf  führen,  die 
im  Baktrischen  auch  vash  lautet  (Jt.  14,  39  vashata  und  vashdonte)^ 
abzuleiten.  So  hat  es  den  Sinn  geführt,  gebracht  werden,  von 
der  daend  oder  dem  Spruche,  überbracht,  mitgetheilt  werden.  — 
Azem  —  fravuivtde  Ner. :  mahjatu  tvam  tebhjah  jyrathamam  praddnam 
dehi;  kila  amarebhju  mahattarebhjah  prathamam  ^ubhatvam  dehi.  Ais 
ist  hier  als  Dativ  plur.  des  Demonstrativs  gefasst  und  auf  die  Amesha 
^peiita  bezogen.  Beides  ist  unrichtig,  denn  dis  giebt  hier  nur  als 
Instrumental,  was  es  der  Form  nach  auch  ist,  einen  Sinn ;  von  den 
Amesha  ^penta's  ist  aber  nirgends  in  dem  Verse  die  Rede.  Es  geht 
auf  jaeibjo  zurück.  Das  letzte  Wort  fravoivide  wird  von  Nerios. 
durch  „gieb  das  Geschenk"  übersetzt,  wonach  er  fravöi  und  vidi 
abgetheilt  zu  haben  scheint.  Als  Wurzel  nahm  er  vid,  finden^ 
gewinnen,  erlangen.  Wenn  auch  letzteres  zugegeben  werden 
könnte,  so  kann  jedoch  die  Form  kein  Imperativ  sein.  Der  Form 
nach  ist  es  nur  eine  erste  Person  sing,  praes.  Intensivi  und  steht 
so  dem  Qpa^d  des  letzten  Gliedes  parallel.  Sonach  wäre  zu  über« 
Abhandl.  der  DMG.    II,  2.  7 


98         Haug)  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Ca}^.  44,  11.  12. 

setzen :  ich  bin  zuerst  im  Besitz  deiner  durch  diese.  Aber  bei  dieser 
Fassung  lässt  sich  keine  passende  Sinnterbindung  mit  dem  Folgenden 
„alle  von  anderem  Geiste  will  ich  mit  Hass  betrachten"  herstellen. 
Wir  thun  besser,  voivide  von  vid,  wissen,  abzuleiten-,  die  Präpo- 
sition fra  dient  nur  zur  Verstärkung,  wie  auch  im  Sanskrit  jpravid 
fast  soviel  als  das  einfaclie  vid  bedeutet,  erkennen,  einsehen. 
Legen  wir  dem  Medium  eine  passive  Bedeutung  bei,  was  wir  gut 
können,  so  heisst  es  „ich  bin  erkannt  (anerkannt)  von  diesen 
als  dein  Erster".  Hiedurch  gewinnen  wir  den  erwünschten  Fort- 
schritt in  der  Rede.  Die,  welche  deine  Lehre  besitzen,  erkennen 
mich  als  deinen  ersten  Gesandten  an ;  die,  welche  andern  Geistes  sind, 
nicht;  daher  betrachte  ich  diese  mit  Hass. —  Vi^pefig  —  dvaeshanhd 
Ner. :  vi^vebhjo  anjehhjo  adr^jamürttibhjah  jyrajatnajdmi  piddkarebhjah ; 
kila  aharmandt  doshebhja^ca  vibhinno  bhavdmi.  Auffallend  ist  die  Ueber- 
setzung  des  (^pa^jd  durch.  prajat7iajdmi,  ich  mache  Anstrengung, 
kämpfe  an  (gegen);  der  Uebersetzer  dachte  vielleicht  an  das  neu- 
persische sipdh.  Dass  aber  fpaf  spähen,  erspähen,  sehen  be- 
deutet, beweist  Jt.  10,  82:  dbjo  doithrdbjo  ^pa^j^üi,  mit  diesen 
Augen  erspäht  er  (Mithra),  und  die  Etymologie  (^pa^  pa^,  specio) ; 
vgl.  das  Substant.  ^pa<^  (plur.  fpa^o),  Späher,  von  den  dienstbaren 
Geistern  des  Mithra  (10,  45),  ganz  das  wedische  spa<;. 

V.  12.  Katarern  —  angro  Ner.:  ko  ^sdu  hantd  vd  sa  vd  hantd. 
Anro  und  afigr 6  sind  hier  gleichmässig  durch  hantd,  Mörder,  über- 
setzt. Dass  aber  beide  Worte,  so  ähnlich  sie  auch  dem  Laute  nach 
sind,  nicht  ein  und  dieselbe  Bedeutung  haben  können,  zeigt  nicht 
bloss  das  disjunctive  vd,  das  bei  einem  jeden  steht,  sondern  auch 
der  unverkennbare  Parallelismus  mit  ashavd  dregvdo  vd  im  vorher- 
gehenden Gliede.  Dieser  zeigt  deutlich,  dass  anro  uud  a?7gr6  Gegen- 
sätze sind.  Die  Bedeutung  des  anro  ist  aus  dem  Namen  des  bösen 
Princips  Anro  mainjus  hinreichend  bekannt;  es  ist  die  von  böse, 
schlecht.  Hinsichtlich  der  Ableitung  herrscht  völlige  Unsicherheit 
und  Verwirrung.  Ich  leitete  das  Wort  früher  (Zeitschr.  IX,  p.  694) 
mit  Benfey  von  skr.  dasra,  schrecklich,  verderblich,  ab.  Aber 
dieses  Sanskritwort  wird  im  Baktrischen  zu  daiigra,  mit  Beibehaltung 
des  d.  Um  zu  einer  richtigen  Ableitung  zu  gelangen,  muss  man 
vor  allem  den  Gegensatz  des  anro  mainjus  zu  gpeiito  mainjus  wohl  be- 
achten. Dass  gpento  ursprüngUch  weiss,  helle  bedeutet,  unterliegt 
gar  keinem  Zweifel.  Wenn  somit  der  gpeTitö  eigentlich  der  weisse 
oder  helle  Geist  ist,  so  wird  sein  Gegensatz  anro  mainjus  wohl 
schwarzer  oder  dunkler  Geist  heissen  (s.  Jt.  19,  44).  Sonach 
haben  wir  denn  ganz  die  mythologischen  Gegensätze  der  den  Iräniern 
nahverwandten  Slaven,  Biel  bog,  weisser  Geist,  und  Czerny  bog, 
schwarzer  Geist.  Wenn  wir  nun  schon  aus  diesen  beiden  Um- 
ständen allein  mit  Wahrscheinlichkeit  dem  anro  die  Bedeutung 
schwarz  beilegen  können,  so  wird  dieselbe  durch  die  Ableitung 
vollends    zur    Gewissheit    erhoben.      Anra    musste   im    Sanskrit    asra 


Hang,  die  Gathas  des  Zarathusira.  II.    Cap.  44,  12.  99 

lauten  (vgl.  anhat  =  asat) ,  was  eine  Wurzel  as  voraussetzt.  Auf 
eine  solche  ist  das  wedische  asita,  fem.  asikni,  schwarz,  dunkel, 
zurückzuführen,  ein  Wort,  das  sonst  ganz  vereinzelt  dasteht.  Von 
eben  dieser  Wurzel  as,  schwarz  sein,  ist  anra  abzuleiten;  nur 
das  Suffix  ist  verschieden.  ÄTÜgTo  ist  der  Ableitung,  wie  der  Be- 
deutung nach  von  ihm  ganz  verschieden.  Hierin  glaube  ich  mit 
Recht  das  wedische  angiras  zu  erkennen;  das  i  ist  ausgestossen, 
gerade  wie  in  dem  damit  identischen  litthauischen  anglis,  Kohle. 
Angiras  ist  eigentlich  ein  Neutrum  (man  vgl.  das  Adject.  angiras-tama^f 
dem  dieselbe  Bedeutung  wie  aiigdra,  nämlich  Kohle,  zukommt,  wie 
das  Litthauische  und  Slawische  beweist.  Hiervon  bildete  sich  durch 
Dehnung  des  as  zu  ds  ein  besitzanzeigendes  Wort  (man  vgl.  manas, 
Gesinnung,  mit  surnands,  ein.en  guten  Sinn  habend,  gut- 
gesinnt); angirds  ist  demnach  einer,  der  Kohlen  hat  oder 
macht,  d.  i.  Köhler.  An  eine  Identificirung  mit  dem  griechischen 
ayysXo«^  oder  gar  mit  dem  altpersischen  ayyapog',  wie  sie  im  Peters- 
burger Sanskrit- Wörterbuch  I,  p.  55  behauptet  und  von  Weber 
(Zeitschr.  der  D.  M.  Ges.  VIII,  p.  393)  gebilligt  wurde,  ist  nicht  zu 
denken.  Diese  beiden  Worte  sind  eines  ganz  verschiedenen  Ur- 
sprungs. ''AyysXoi^,  dessen  ursprüngliche  Bedeutung  Bote  ist,  stammt 
deutlich  vom  Verbum  aYysXXo,  verkündigen.  Dieses  ist  aus  der 
Wurzel  jek  ==  skr.  gar,  gar,  singen,  deutsch  gellen  (treuer  be- 
wahrt in  Nachtigall)  +  Präpos.  ava  entstanden  und  heisst  eigent- 
lich gegen  einen  laut  sprechen,  so  dass  er  es  hört,  d.  i.  ver- 
kündigen. Das  von  den  Griechen  erwähnte  altpersische  Wort 
ayyapoi;,  womit  die  reitenden  Staatsboten  des  grossen  persischen 
Reichs  bezeichnet  wurden,  ist  nicht  einmal  arischen  Ursprungs» 
Weder  der  Zendawesta  noch  die  Keilinschriften  erster  Gattung 
kennen  dieses  Wort,  ja  nicht  einmal  eine  Wurzel,  auf  die  es  mit 
guten  Gründen  zurückgeführt  werden  könnte.  Das  baktrische  haii-^ 
kdrajemi,  sowie  das  daraus  entstandene  angdrdan  im  Pehlewi-Pärsi 
und  angarden  im  Neupersischen,  die  Spiegel  (Zeitschr.  der  D.  M.  Ges. 
IX,  p.  183.  not.  2)  damit  zusammenbringt,  sind  gar  nicht  verwandt. 
Dem  hankare  =.  skr.  samkr,  vollenden,  kommt  die  Bedeutung  ver- 
kündigen gar  nicht  zu.  Die  bekannte  Anfangsformel  von  Ge- 
beten nivaedhajemi  hafikdrajemi  kann  nicht  heissen  „ich  benachrichtige 
und  verkünde",  sondern  einfach  „ich  bringe  Gebet  und  Opfer  dar". 
Die  aus  Ja«j-.  71,  1  angeführte  Stelle:  kat  agti  rathwdm  frameretis 
kat  gdthanäm  hafikeretis  spricht  nicht  für  die  Bedeutung  verkün- 
digen, wenn  man  den  Zusammenhang  näher  betrachtet.  Es  findet 
sich  in  der  gleich  folgenden  Antwort  Zarathustra's  auf  jene  Frage 
Frashaostra's  die  Aufzählung  einer  langen  Liste  von  Gebeten. 
Gerade  auf  diese  Aufzählung  beziehen  sich  die  beiden  Worte  fra^ 
meretis  und  hefikeretis,  von  denen  das  erste  füglich  mit  Angabe, 
Verzeichniss  (index),  das  zweite  mit  Aufzählung  übersetzt 
werden  kann.  Denn  die  Bedeutung  zählen  kommt  wirklich  dem 
angart  =  heftkereta   im   Bundehesch    zu    p.  59,  Hn.   13.  14    West.: 

7* 


100  Hmig,  die  Gdtha's  des  Zarathustra.  II.    Cap.  44,  12. 

n5i73'^ip*^  n^:i2N  •^nriS  iib^  ^wXäSNns  m:,  6  rr^i^  es  werden  sechs 
Gah-Gahanhar  in  einem  Jahre  gezählt.  Neriosengh  giebt  in  seiner 
Uebersetzung  des  Mmo-Khired  dem  angdrdan  ebenfalls  die  Bedeu- 
tung zählen  (ganajatij,  die  indess  in  den  beiden  Stellen  (s.  Spieg. 
Pärsigrammat.  p.  133,  ün.  6  und  p.  329  der  Burnoufschen  Hand- 
schrift: ^akhün  ves  goeiit  \l  kunasni  u  karddri  awirtar  angdrenf),  wo 
es  mit  sagen,  sprechen  parallel  steht,  nicht  ganz  zutreffend  ist. 
In  der  zweiten  Stelle  kann  es  den  Sinn  von  ausführen,  voll- 
bringen haben,  der  dem  han-kere  ursprünglich  zukommt;  auch  in 
der  ersten  ist  dieser  anwendbar.  Jedoch  giebt  man  ihm  in  beiden 
besser  die  Bedeutung  denken,  überdenken,  wovon  leicht  sich 
die  von  rechnen  und  weiter  zählen  ableiten  lässt.  Die  Bedeu- 
tung zählen  ist  erst  eine  abgeleitete.  Das  neupersische  angdreh 
ist  Ereigniss,  Erzählung,  Rechnungsbuch,  angdrdan  soll 
meinen,  glauben  heissen.  Somit  lässt  sich  nirgends  dem  Wort 
die  Bedeutung  verkündigen  beilegen.  Jenes  ayyapoc;  kann  also 
schlechterdings  nicht  hiervon  abgeleitet  werden.  Es  ist  vielmehr 
tartarischen  Ursprungs.  In  den  Keilinschriften  der  zweiten  oder 
tartarischen  Gattung  wird  das  thäti,  er  verkündigt,  der  arischen 
Gattung  stets  durch  nan-ri  wiedergegeben;  als  dessen  Wurzel  sich 
nang  ergiebt  (Col.  II,  81,  wo  das  entsprechende  athaham  der  ersten 
Gattung  Col.  III,  14  durch  nanga  übersetzt  ist).  Durch  das  Suffix 
ra,  das  vom  umfassendsten  Gebrauche  ist,  wird  das  nomen  unitatis 
gebildet  (s.  meine  Abhandlung:  Ueber  Schrift  und  Sprache  der 
zweiten  Keilschriftgattung,  p.  24  f.),  so  dass  in  dieser  Sprache 
nang-ra  ein  Verkündiger,  oi'^ys\o^,  heisst.  Hievon  nun  stammt 
ayyapo«;,  ebenso  wie  das  rTnr.N,  Brief,  der  spätem  Bücher  des 
Alten  Testaments  und  das  syrische  igarto,  Brief.  Kehren  wir  nach 
dieser  zur  Vermeidung  falscher  Deutungen  des  baktrischen  angra 
nothwendigen  Abschweifung  zu  angiras  zurück.  Der  Weda  erwähnt 
häufig  die  Angirasah  als  ein  altes  berühmtes  Geschlecht,  das  sich 
der  besondern  Gunst  der  Götter  zu  erfreuen  hatte;  nach  Rv.  10,  62,  1 
hatten  sie  durch  ihre  Verdienste  die  Unsterblichkeit  erlangt.  Sie  zu 
rein  mythischen  Wesen  zu  machen  und  sie  mit  unsern  Engeln  zu- 
sammenzustellen, wie  im  Petersburger  Wörterbuch  geschehen,  halte 
ich  für  verkehrt.  Angirasah  (Angirasiden)  simY  wie  Bhrgavah  und 
Atharvdnah  nur  verschiedene  Namen  der  nur  das  Feuer  verehrenden 
Vorväter  ^) ;  denn  alle  drei  beziehen  sich  deutlich  auf  den  Feuer- 
dienst der  Etymologie  wie  der  Sage  nach.  Agni,  der  Feuergott, 
ist  der  erste  und  oberste  der  Angirasah;  ihr  Name  heisst  „die 
feurige  Kohlen  Habenden",  denn  angiras  scheint  nicht  schlechthin 
nur  Kohle,  sondern  spezieller  die  glühende  Kohle  bedeutet  zu 
haben,  wie  aus  dem  Prädikat  angirastama,  das  dem  Agni,  Indra 
und   der    Morgenröthe    beigelegt   wird,    hervorgeht.      Denn    es   hat, 


')  Die   weitere   Ausführung    dieser  Ansicht   behalte    ich  mir  für  einen 
andern  Ort  vor. 


Haag,  die  Gdthas  des  Zarathusira.  IL    Cap.  44,  12.  13.       101 

namentlich  bei  der  Moigenröthe  nur  dann  einen  Sinn,  weini  mau 
ihm  die  Bedeutung  ganz  feurig,  glänzend  beilegt,  da  bei  der 
Ushds  ja  gerade  die  Lichterscheinungen  in  den  mannigfaltigsten  Bei- 
wörtern gepriesen  werden.  Das  baktrische  aftgro  nun,  das  dem 
Laute  nach  schon  mit  angiras  identisch  ist,  hat  auch  dieselbe  Be- 
deutung wie  mich  43,  15,  wo  von  den  angrevg  des  Feuers,  d.  i. 
von  den  Anzündern  des  Feuers,  die  Rede  ist.  Es  ist  eine  fast 
verschollene  Beziehung  der  Rechtgläubigen  und  Frommen,  der  treuen 
Anhänger  des  alten  Feuerdienstes.  An  unserer  Stelle  ist  dieses  sonst 
ganz  seltene  Wort  nur  desswegen  gebraucht,  um  eine  Paronomasie 
mit  anro  bilden  zu  können.  Die  Form  angro  anlangend,  so  ge- 
hört sie  zu  der  verkürzten  wedischen  angira  (für  angiras^  — 
Cjajlghat  —  mainjete  Ner. :  kasmdt  tan  na  ägmdna  ^)  hantfmanja;  kila 
kimartham  cet  tan  jjat^jämi  devatvena  na  vedmi.  Das  erste  Wort 
cjailghat  ist  sonach  als  Ablativ  sing,  des  Interrogativums  gefasst, 
wie  ich  glaube  dem  Sinne  nach  richtig,  aber  nicht  der  Form  nach. 
Der  Sinn  ist  warum?  wess wegen?  Aber  cjanghat  kann  nicht 
wohl  ein  Ablativ  von  ci,  was?  sein,  da  im  Baktrischen  sowohl  als 
im  Sanskrit  jedes  Analogon  fehlt.  Es  ist  ci  und  afighat  aufzulösen, 
ersteres  das  Interrogativum ,  letzteres  gleich  anhat  =.  erat  oder 
esset,  also  was  wäre  es?  d.  i.  wozu?  warum?  Das  Ganze  ist  somit 
eine  adverbial  gewordene  kurze  Redeweise.  Meine  früher  (VIII,  p.  752) 
versuchte  Ableitung  von  ci,  büssen,  strafen,  ist  irrig  und  stört 
den  Zusammenhang. 

V.  13.  Kathd  —  nis-ndshdma  Ner.:  kadd  drügu  nirgacchati  tena 
vinirgamena.  Der  Präposition  nis  ist  hier  die  Bedeutung  heraus- 
gehen beigelegt,  aber  wie  ich  glaube  mit  Unrecht.  Sie  steht  hier 
zweimal,  das  erste  mal  ohne,  das  zweite  mal  mit  dem  Verbum 
ndshdma,  dem  aber  nicht  die  Bedeutung  Weggang  gegeben  werden 
kann.  Bei  dieser  Deutung  ist  der  Accusativ  drügem  ganz  ausser 
Acht  geblieben.  Würde  der  Sinn  des  Satzes  wirklich  sein:  Wann 
geht  die  Drukhs  durch  diesen  Ausgang  (Weggang)  fort,  so  müssten 
wir  1)  statt  drugem  den  Nomin.  drukhs,  2)  bei  nis,  das  für  sich 
kein  Verbum  sein  kann,  noeh  eine  Verbalform  haben,  3)  ndshdma 
irgendwie  als  Nomen  einer  Wurzel  nash,  gehen,  erklären  können. 
Letzteres  ist  aber  nicht  möglich.  Meine  VIII,  p.  753  gegebene  Ab- 
leitung von  na(^,  untergehen,  causal  vernichten,  halte  ich  für 
die  einzig  richtige.  Die  Präposition  nis,  weg,  hinweg,  ist  hier 
nur  zur  Verstärkung  des  Begriffs  zweimal  gesetzt:  ganz  weg- 
treiben, völlig  vertreiben.  —  Avd  ist  hier  Präposition  oder 
Adverbium  weg,  hin  und  kein  Pronomen,  wie  man  vermuthen 
könnte;  sie  ist  eng  mit  d  zu  verbinden.  Beide  geben  dann  den 
Begriff  hin  —  zu.     Ncrios.  giebt   avd  fälschlich   durch  evaiii,  so.  — 


^)  Wohl  in  dgamdn  zu  verbessern. 


102       Haugy  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  44,  13.  14. 

TVoit  —  hacemnd  Ner. :  iia  pwijdjii  pratipddajaiite  ^pi ^d^lishjanti ;  kila 
kimcü  jat  sadlijdpdrisamudgiranti  uaca  kurvanti.  Ädivjeifiti  ist  ein 
aTT.  Xs^opi.  und  lässt  sich  mehrfach  deuten.  Die  von  Nerios.  qg- 
gehene  Deutung  pratipddaj ante,  führen,  überliefern,  herstellen, 
gründet  sich  wahrscheinlich  auf  eine^  Ableitung  von  der  Wurzel  vi, 
gehen,  welche  sehr  nahe  liegt.  Adi  kann  dann  nur  das  sanskri- 
tische adhi  (Adverb  und  Präposition),  über,  sein,  das  wir  v.  4  als 
ade  treuer  bewahrt  finden.  Da  wir  dieses  Wort  nie  als  eine  Prä- 
position vor  Verben  im  Baktrischen  finden,  so  halte  ich  für  besser, 
es  hier  zu  trennen.  Auffallend  ist  immer  das  anlautende  d  für  a, 
da  solche  Dehnungen  wohl  im  In-  und  Auslaut  gebräuchlicher  sind 
als  im  Anlaut  (vgl.  jedoch  dtar,  Feuer,  dthrava,  Priester,  skr. 
atharvan).  Von  dieser  Präposition  ist  dann  der  Genitiv  ashahjd  ab- 
hängig und  nicht  von  hacemnd,  das  sonst  (v.  10)  mit  dem  Instru- 
mental verbunden  wird.  Dieses  kann  indess  hier  nur  einen  ad- 
verbialen Sinn  indem  man  folgt,  durch  Folgen  haben.  Ein 
passiver  Sinn,  wie  v.  10  und  43,  12,  begleitet  von  kann  dem 
hacemnd  hier  nicht  zukommen,  da  es  dann  in  der  Zahl  mit  dem  in 
vjeinti  liegenden  Subjecte  übereinstimmen  müsste.  Der  Büdung  nach 
ist  es  Medium  und  hat  somit  ursprünglich  keine  active  Bedeutung. 
Diese  legen  wir  hier  dem  Wort  bei.  Um  auf  ddi  vjeiiiti  zurückzu- 
kommen, so  könnte  man  es  auch,  wenn  man  es  nach  den  Mss.  zu- 
sammenliest, als  ein  Denominativum  von  daeva  erklären,  so  dass  es 
als  Daeva  handeln,  d.i.  schlecht  handeln,  zu  schaden  suchen,  hiesse. 
Aber  durch  diese  Fassung  würde  der  schöne  Parallelismus  mit  dem 
folgenden  Gliede  gestört,  der  aber  hergestellt  ist,  sowie  man  dem 
ddi  vjeifiti  die  Bedeutung  gehen  über,  d.  i.  schützen,  kämpfen, 
beilegt.  —  Fragjd  lässt  sich  nicht  mit  Nerios  als  prapia,  Frage, 
deuten;  eine  Ableitung  von  peieg,  fragen,  wäre  hier  völlig  sinnlos. 
Es  ist  Instrumental  von  frashi,  fra^i,  Fortwachs,  Fortgang 
(s.  V.  8),  und  wird  von  cdkhnare  (dritte  Person  plur.  perf.  von  kan, 
zufrieden  sein,  s.  d.  Gl.  s.  v.  khan^  regiert. 

V.  14.  Kathd  —  za^tajo  Ner. :  kadd  puiijdtmandm  drügd  ddsjanti 
hasteshu.  Djäm  ist  hier  als  eine  dritte  Person  plur.  futur.  genom- 
men, es  kann  aber  nur  eine  erste  Person  sin^.  optativi  von  da, 
geben,  setzen,  sein.  Vgl.  30,8.  —  Emavaitim  —  dregva^u  Ner.: 
utsdham  satvamca  dadanti  dalasja  durgatinah.  Sehr  schwierig  ist  das 
OLTZ.  XsyofJL,  gi7iäm.  Nach  Neriosengh  soll  es  Kraft,  Stärke  be- 
deuten, welche  Erklärung  mir  eine  reine  Vermuthung  und  sich  bloss 
auf  die  wohlbekannte  Bedeutung  des  bei  ihm  stehenden  emavaitim, 
stark,  mächtig,  zu  stützen  scheint.  Früher  schwankte  ich  zwischen 
der  Bedeutung  schneidend,  scharf  von  ^t,  ^6,  schärfen  (VIII, 
p.  754),  und  Segensspruch.  Letztere  war  bloss  gerathen.  Dem 
Zusammenhang  nach  ist  es  ein  Substantiv,  als  dessen  Adjectiv  ema- 
vaitim anzusehen  ist.  Aus  dem  Neupersischen  könnte  sen,  Speer, 
verglichen   werden,    aber   der    sich   ergebende  Sinn    „einen   starken 


I 


Haag,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  44,  14.  15.       103 

Speer  (Waffe)  gegen  die  Lügner  zu  machen"  scheint  mir  nicht  recht 
angemessen.  Am  besten  stimmt  „  Glücks -Segensspnich"  zum  Zu- 
sammenhang, welche  Bedeutung  ich  nun  auch  etymologisch  recht- 
fertigen kann.  Das  wedische  ^am.  Glück,  Heil,  wird  im  Baktrischen 
zu  fc'/T,  wie  ^mdäo,  Glück  bringend,  beweist.  Von  dieser  Wurzel 
ist  es  eine  Femininbildung  durch  d.  Für  ^inäm  scheint  mir  indess  die 
Lesung  von  K.  5  (^andrn  richtiger.  • —  A  is  —  ä^tdgcd  Ner. :  te  eta[e] 
prataritd  santi  dnä^e  ndstikdh;  kila  pagcdtgdnanti  jat  pratdritdh  sma 
je  ^sjdm  dindu  ndjdnti  vdcamca  anjeshdm  vüiipanti.  Die  Erklärung 
des  dvafsheng  durch  betrogen  gründet  sich  wohl  auf  eine  Ablei- 
tung von  daeva  oder  diwz ;  diese  kann  aber  sprachlich  nicht  gut 
gebilligt  werden.  In  53,  8  wird  der  Nominativ  dvafsho  ganz  ab- 
weichend durch  prasddah,  Gunst,  erklärt,  woraus  zur  Genüge  er- 
hellt, dass  der  richtige  Sinn  den  üebersetzern  längst  verloren  ge- 
gangen war.  Die  von  mir  VIII,  p.  755  gegebene  Erklärung  Stärke, 
Macht  hat  manches  für  sich,  sie  müsste  aber  auf  die  böse  Macht 
beschränkt  werden.  Dass  der  erste  Theil  des  Worts  dva,  zwei, 
ist,  leuchtet  ein ;  der  zweite  fsheng  lässt  sich  doppelt  ableiten,  ein- 
mal von  f^a  =  skr.  psd,  essen,  zunehmen,  dann  von  pig,  bilden, 
wovon  pae^anh,  Gestalt.  Letztere  Deutung  gefällt  mir  nun  besser. 
Doppelgestalt,  d.  i.  Truggestalt  scheint  eine  vortreffliche  Be- 
zeichnung der  bösen  Mächte,  deren  Wesen  Lug  und  Trug  ist  und 
von  deren  Vernichtung  hier  der  Dichter  redet.  Ändse  ist  eine  erste 
Person  medii  imperf.  (eigenthch  praes.)  mit  dem  Augmente;  vgl. 
avaenatd  30,  2. 

V.  15.  Jezi  —  kkshajehi  Ner. :  cet  tadd  pimjena  prakatatajd 
sam^lishfapdrthivir  asi.  Dem  poi  scheint  in  dieser  Uebersetzung 
prakatatajd  „durch  Deutlichkeit"  zu  entsprechen;  sie  kann  aber  nicht 
gerechtfertigt  werden.  In  v.  16  wird  es  abweichend  durch  pdtdrah 
„die  Schützer"  übersetzt,  wobei  dem  Uebersetzer  wohl  die  Wurzel 
pdy  schützen,  vorschwebte.  Aber  diese  Herleitung  ist  geradezu 
unmöglich.  Dass  poi  mit  Sanskrit  pivan,  fett,  tclov,  TzUiga.  ver- 
wandt und  noch  im  neupersischen  pi,  Fett,  erhalten  ist,  lässt  sich 
nicht  bezweifeln;  ebenso  wenig,  dass  poi  mit  dem  folgenden  mat  in 
poimat  zusammengelesen  werden  muss,  da  sonst  poi  ein  Indeclinabile 
sein  müsste,  zu  welcher  Annahme  doch  gar  kein  Grund  vorhanden 
ist  (s.  darüber  VIII,  p.  755  u.  Gott.  Gel.  Anz.  1854,  p.  258.  Note). 
Sein  Fettes  hat  hier  wohl  eine  tropische  Bedeutung,  wie  unser 
Mark  und  das  hebr.  äbn,  Fett,  und  heisst  soviel  als  sein  Bestes, 
Edelstes.  Worauf  der  Genitiv  a^/d,  sein,  der  nur  mit  j^oimat  ver- 
bunden werden  kann,  bezogen  werden  soll,  ist  nicht  recht  klar,  da 
der  Vers  in  keinem  rechten  Zusammenhang  mit  dem  vorhergehenden 
steht.  Aus  dem,  was  folgt,  vernnithc  ich,  es  bezeichne  den  Feind, 
der  besiegt  ist  oder  besiegt  werden  soll,  dessen  Schätze  dann  dem 
Sieger  zuiallen.  —  Hjat  —  ^amaUe  Ner. :  jadd  samagrdmdnca  ana^a- 
ram  [ane^aram]  samdgamishjati ;    kila  dtmd  nah  punaru   tano  [tandu] 


104  Hang,  die  Gdthä's  des  Zarathustra.  II.    Cap.  44,  16. 

bhavati.  In  der  Erklärung  des  ^pddd  durch  samagrdma  (für  san- 
grdma),  Krieg,  Schlacht,  liegt  ein  Rest  von  Wahrheit,  wogegen 
meine  frühere  Deutung  (Vlll,  p.  756)  von  selbst,  aus  freien 
Stücken  entschieden  irrig  ist.  Dass  es  zunächst  der  Form  nach 
ein  Nom.  Dualis  ist,  zeigt  die  sich  unmittelbar  darauf  beziehende 
dritte  Person  dual,  verbi :  ^amaete  deutUch.  Für  die  Bedeutung  sind 
mehrere  Stellen  der  Jeschts  entscheidend,  wie  5,  68:  täm  jazata 
Gdmd^pö  jat  gpadhem  pairi-ava^nat  dürdt  ajcmtem,  diese  (die  And- 
hüd)  verehrte  Gdmd^pa,  als  er  das  Heer  von  ferne  nahen  sah,  vgl. 
14,  43:  jat  ^pddha  hangagdonte,  als  die  Heere  zusammentrafen,  und 
14,  58:  jatha  azem  aom  ^pddhem  vandni^  dass  ich  dieses  Heer  ver- 
nichte (s.  noch  13,  37  pouru-^pddhdo,  mit  vielen  Heerschaaren,  von 
den  Fravaschi's,  und  5,  68.  10,  35).  Die  Bedeutung  Heer  giebt 
an  allen  Stellen  den  besten  Sinn  und  wird  durch  das  aus  ^pddd 
verstümmelte  neupersische  sipdh,  Heer,  vollkommen  bestätigt.  — 
Avdis  —  dtdereghzo  Ner. :  teshu  prasiddhishu  jathd  mahdgndnin  pra- 
rohena  praropüa  [pajataj;  kila  dineh  pravfttih  sainpüriid  hhavishjati 
antas  tasmin  kdle.  Die  Uebersetzung  des  didereghio  durch  wachsen 
machen,  hervorgehen  lassen  ist  im  Allgemeinen  richtig,  da 
der  Wurzel  derez  =  drh  die  Bedeutung  wachsen  zukommt.  Nur 
ist  diese  Grundbedeutung  weder  hier,  noch  in  der  Parallelstelle 
48,  7  anwendbar,  sondern  didereghio  (Adjectiv  der  Desiderativbildung 
s.  zu  45,  9)  hat  die  abgeleitete  von  fest  machen,  kräftigen, 
wie  auch  den  Derivatis  dereza  und  derezra  (Jt.  14,  46  neben  ughra, 
gewaltig,  13,  75  neben  ^urdoj  ^vistdo,  stark,  sehr  stark),  die 
von  fest,  stark  zukommt.  S.  weiter  darüber  meine  Erklärung  von 
ö^^fnlN  in  Ewald's  Jahrbüchern  der  Biblischen  Wissenschaft,  Bd.  V, 
p.  152  f.  —  Kuthrd  —  daddo  Ner.:  kasja  nigraham  kasmdica  jidrthi- 
vatvam  ddsjaii.  Die  Deutung  des  ajdo  durch  nigraham,  Enthal- 
tung, Zurückziehung,  ist  höchst  auffallend,  da  dieses  nur  der 
Genitiv-Ablativ  des  Duals  sein  kann  s.  30,  5.  6.  Vend.  13,  41  {katdro 
ajdo  vehrkajdo,  welcher  von  diesen  beiden  Wölfen).  Im  Pärsi  findet 
es  sich  in  der  Bedeutung  oder  (s.  Spiegel,  Pärsigrammatik  p.  134, 
lin,  11),  woraus  dann  das  neupersische  ja,  oder,  geworden  ist. 
An  unserer  Stelle  will  die  ursprüngliche  Dualbedeutung  „von  diesen 
beiden"  keinen  rechten  Sinn  geben,  obschon  es  auf  die  „beiden 
Heere"  zurückbezogen  werden  könnte;  denn  dann  wäre  auch  für 
den  Genit.  plur.  vananäm  ein  Gen.  dual,  vanajao  zu  erwarten.  Nimmt 
man  es  dagegen  in  der  spätem  persischen  Bedeutung  oder,  so  be- 
kommen wir  einen  guten  Sinn ;  und  auf  diese  Weise  wird  auch  das 
schroffe  Zusammenstehen  der  Fragewörter  kuthrd,  wo?  und  kahmdi, 
wem?  gemildert.  Vananäm  ist  nicht  auf  vana,  Holz,  Baum, 
zurückzuführen,  wie  ich  früher  that;  denn  obschon  sich  vana  im 
Zendawesta  wirklich  in  dieser  Bedeutung  findet  (Vend.  5,  1,  vgl. 
das  persische  van,  Baum;  Spiegel,  Grammat,  der  Pärsisprache, 
p.  143,  lin.  1),  so  giebt  es  hier  keinen  erträglichen  Sinn^  wesshalb 
>yir  davon   absehen    n^üssen.     Die  Uebersetzung  Nerios.  durch  pdr- 


Hang,  die  Gdthä's  des  Zarallnisirn,  IL    Cup.  44,  15.  16.       105 

thivatvam,  Herrschaft,  kommt  der  Wahrheit  näher.  Im  neupersischen 
bdn,  Herr,  Gebieter,  ist  unser  vana  noch  erhalten;  die  Dehnung 
des  a  zu  a  darf  nicht  befremden,  da  sie  öfters  im  Neuiränischen 
im  Verhältniss  zu  der  altern  Sprache  sich  findet  (vgl.  Iran  aus 
Airjana).  Die  Wurzel  ist  van,  besiegen,  vernichten,  die  häufig 
genug  im  Zendawesta  gebraucht  ist.  In  fine  compos.  finden  wir 
vana  in  der  Bedeutung  vernichtend,  so  Ja9.  9,  17  drugeni-vano, 
die  Drukhs  vernichtend,  neben  fbaesko-taurvdo,  den  Hass 
überwindend.  So  heisst  es  eigentlich  vernichtend,  siegend 
und  wurde  dann  eine  Bezeichnung  für  Herr,  Gebieter,  der  von 
den  orientalischen  Völkern  leicht  als  der  Sieger  gefasst  wird.  In 
unserer  Stelle  lässt  sich  ihm  wohl  diese  abgeleitete  Bedeutung 
beilegen. 

V.  16.  Ke  verethrem  —  heilti  Ner. :  ke  vigajatajd  hanüdram  pd- 
tdrah  ^ikshdjdm  je  samti.  Vgl.  Jt.  1,  20,  wo  die  Stelle  citirt  ist. 
Die  Uebersetzung  des  verethrem  durch  Besiegung  gründet  sich  auf 
die  diesem  Wort  in  den  spätem  Büchern  zukommende  Bedeutung 
Sieg  (Jt.  13,  24.  40  jdo  ddthris  verethrem,  die  sieggebenden, 
von  den  Fravaschi's),  die  noch  in  dem  daraus  entstellten  neu- 
persischen firuz,  siegreich,  Sieg,  erhalten  ist.  Sie  ist  aber  auf 
unsere  Stelle  so  wenig  anwendbar,  als  auch  in  vielen  andern  der 
spätem  Schriften.  So  19,  54:  tem  hacdt  verethrem  vigpo-ajdrem  etc.; 
dat  ana  verethra  hacimno  vandt  haenajdo  khrvishjeitis  dat.  ana  verethra 
hacimno  vandt  vi^pe  tbishjato,  ihm  möge  folgen  Verethrem,  das  allen 
Helfende,  von  diesem  Verethrem  begleitet  möge  er  die  feindlichen 
Heere  vernichten,  von  diesem  Verethrem  begleitet  möge  er  alle  Feinde 
vernichten.  13,  38:  jüzem  tadha  taurvajata  verethrem  ddnundm  türa- 
näm,  ihr  besiegt  hier  das  Verethrem  der  feindlichen  Bdnu's  (Name 
von  Dämonen).  5,  69:  avat  djaptem  dazdi  me — jatha  azem  avatha 
verethra  hacdne,  lass  mich  das  erreichen,  dass  ich  dort  den  Verethra's 
folgen  möge.  13,46:  naro — jdhva  verethra,  Männer,  in  denen  die 
Verethra's  (sind).  Das  Adjectiv  verethrava^tema  (Superlat.  von  ve- 
rethravaf)  finden  wir  Jt.  14,  3  neben  amavagtema,  sehr  stark; 
11,  3  heisst  das  heilige  Gebet  Ahuna  vairja  ein  verethra  verethra- 
va^tema,  d.  i.  am  meisten  mit  der  Eigenschaft  des  Verethrem  begabt. 
Nach  diesen  Stellen  ist  verethrem  nicht  sowohl  der  Sieg,  als  etwas, 
was  den  Sieg  verleiht,  ein  Sieges  gen  ins,  die  innere  geistige  Kraft, 
durch  die  der  Sieg  allein  möglich  wird.  Wie  verethrem  im  Zendawesta 
zu  dieser  Bedeutung  kommt,  ist  schwer  zu  sagen,  da  dieses  Wort 
mit  dem  vHra  des  Weda,  dem  Wolkendämon,  der  die  himmlischen 
Wasser  zu  entführen  sucht  und  gegen  den  stets  Indra  ankämpft, 
identisch  ist  und  ausserdem  die  Worte  verethraga  =  vrtraha,  d.  i. 
Fr^ratödter,  Frirabesieger  (ein  Beiname  Indra's),  im  Zendawesta 
in  der  Bedeutung  siegreich  und  Verethraghna  (von  der  gleichen 
Bedeutung)  als  Name  eines  guten  Genius  {Behrdm  der  Pärsen)  be- 
kannt genug  sind.     Die  Bedeutung  Feind   überhaupt,   die  vHra  im 


106  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  II.    Cap.  44,  16- 

Wethi  auch  hat,  lässt  sich  dem  verethrem  in  den  spätem  Stücken 
nirgends  mit  Recht  beilegen.  An  unserer  Stelle  hängt  nun  alles 
von  der  Fassung  des  folgenden  Worts  ab.  Die  meisten  Codd.  haben 
gdthwdf  das  von  West,  nach  K.  6  in  gd  thwd  getrennt  wird.  Diese 
Trennung  giebt  indess  keinen  irgendwie  vernünftigen  Sinn,  da  gd 
allein,  ohne  mit  verethrem  als  letzter  Theil  eines  Compositums  ver- 
bunden zu  werden,  grammatisch  ebenso  wenig  erklärt  werden  kann, 
als  ein  Accusativ  thwd,  dich,  zu  der  Structur  des  Satzes  passt. 
Die  Schreibung  gdthwd  giebt  indess  auch  keinen  genügenden  Sinn ; 
es  könnte  nur  Instrumental  sing,  oder  Nom.  plur.  eines  Thema's 
gdthwa  sein,  das  Tödtung  bedeuten  könnte;  aber  hiemit  Hesse  sich 
das  an  der  Spitze  des  Satzes  stehende  ke,  wer?  nicht  reimen; 
dieses  verlangt  hier  ein  Verbum  finitum  oder  zum  mindesten  einen 
Nominat.  sing.,  also  entweder  gdt ,  er  schlug,  oder  gdtd,  ein 
Mörder.  Letztere  Fassung  ist  unhaltbar.  Wenn  sich  auch  der 
Accusativ  verethrem  von  einem  Nomen  actoris  gdtd  abhängig  machen 
Hesse  (man  bedenke^  dass  diese  Bildungen  im  Sanskrit  als  dritte 
Person  sing,  futuri  gebraucht  werden  können),  so  würde  das  w,  das 
alle  Codd.  zeigen  und  das  schwerlich  nur  von  Abschreibern  her- 
rühren kann,  gar  nicht  erklärt  werden  können.  Dagegen  heben  sich 
alle  Schwierigkeiten,  wenn  man  gdth  wd  trennt,  gdth  als  dritte 
Person  sing.  Aorist  II  von  gan,  schlagen,  und  wd  als  gleich- 
bedeutend mit  der  Partikel  vd  fasst.  Die  Verwirrung  der  hand- 
schriftlichen Lesarten  rührte  davon  her,  dass  das  schliessende  t  un- 
mittelbar vor  dem  v  des  folgenden  vd  gleich  th  gesprochen  und  in 
Folge  davon  das  v  in  w  verwandelt  wurde  nach  dem  bekannten 
Gesetze  der  Aspiration  (thwd,  dich,  =  tvd).  Gegen  diese  leichte 
Emendation  könnte  man  einwenden,  dass  dem  disjunctiven  vd  kein 
zweites  vd  folge.  Diess  ist  aber  nicht  nothwendig,  wie  v.  12  ke 
ashavd-dregvdo  vd  zeigt.  Da  zudem  der  Vers  irgend  einem  alten 
Liede  entlehnt  ist  und  mit  dem  vorhergehenden  in  gar  keinem  Zu- 
sammenhange steht,  so  Hegt  immerhin  auch  die  Annahme,  nahe^  dass 
ihm  in  dem  Stücke,  zu  dem  er  gehörte,  ein  Satz  mit  einem  vd 
vorhergegangen  sei.  Dass  gdt  für  das  regelmässigere  gut  gesetzt 
ist  (man  \q\.  gata,  geschlagen)  darf  nicht  befremden;  der  ältere 
Dialekt  liebt  solche  Dehnungen;  man  vgl.  v.  10  hdtäm  für  hatäm 
=  satdm.  Nach  dieser  Erklärung  des  gdthwd  der  Handschriften 
lässt  sich  nun  auch  die  Bedeutung  von  verethrem  bestimmen.  Es 
kann  dem  Zusammenhang  nach  hier  nicht  Siegesgenius  bedeuten, 
sondern  es  ist  in  dem  alten  wedischen  Sinn  von  Feind  zu  nehmen; 
aber  es  ist  nicht  Feind  überhaupt,  sondern  bezeichnet  wohl  die 
überirdischen  Feinde,  die  Dämonen.  Die  folgenden  Worte,  welche 
durch  das  Relativum  joi  an  den  kleinen  Hauptsatz :  wer  schlug  den 
Feind  ?  angeschlossen  werden ,  dienen  bloss  zur  nähern  Bestimmung 
des  Feindes  oder  der  Feinde.  Sie  geben  aber  so,  wie  die  Mss. 
abtheilen,  keinen  Sinn.  Poi  ge7ig,hd  wird  man  nicht,  selbst  beim 
besten    Willen,   vernünftig   als    zwei   Worte    erklären    können.      Poi 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  44,  16.  107 

mahnt  sogleich  an  poimat  im  vorhergehenden  Verse;  aber  Fett  giebt 
hier  nicht  nur  gar  keinen  Sinn,  sondern  das  Wort  Hesse  sich  auch 
gar  nicht  construiren ;  ebenso  wenig  würde  ^e)lg,hd  erklärt  werden 
können.  Die  leichteste  und  sicherste  Aushilfe  ist  poi  ^efig,hd  als 
ein  Wort  poi^efig^hd  zu  schreiben;  dieses  ist  der  Instrumental  von 
pai^anh,  Gestalt,  Form  (skr.  pe^as,  armen,  pes).  Zu  der  Tren- 
nung und  dem  Missverständniss  gab  wohl  die  von  der  spätem  etwas 
abweichende  Orthographie  Veranlassung ;  6i  steht  im  Gathädialekt 
oft  gleich  e,  a^,  z.  B.  vöi^td  für  vae^td  und  engjid  ist  für  anhd  ge- 
setzt, vgl.  mengjidi  für  manhdi.  Zu  diesem  Instrumental  gehört 
cührd  aus  dem  Anfang  der  folgenden  Zeile  als  Adjectiv.  Das  Re- 
lativum  ist,  obschon  verethrem,  worauf  es  sich  bezieht,  im  Singular 
steht,  im  Plural  (jpij  gesetzt,  da  verethra  als  Collectiv  gefasst 
werden  kann.  —  Cührd  —  cizdi  Ner. :  prakatatajd  me  ^rishtije  hhu- 
vanam  dvaje  ^pi  gurutdm;  a^vddajitd  ddegam  ihalokijaih  paralokijaguru- 
tajd  grahifo  ^smi.  Mit  moi  beginnt  ein  neuer  Satz.  Für  ahübis,  wie 
Westergaard  richtig  die  handschriftlichen  Lesarten  ahüm  bis  und 
ahü  bis  corrigirt,  hat  Nerios.  bhuvanam  dvaje;  durch  dvaje  wollte 
er  bis,  das  er  für  das  Zahladverbium  bis,  zweimal,  hielt,  über- 
setzen, was  aber  ganz  künstlich  und  unthunlich  ist.  Das  letzte 
Wort  cizdi  ist  von  Nerios.  gar  nicht  übersetzt;  denn  gurutd  ent- 
spricht dem  ratilm.  Dieses  cizdi  hielt  ich  früher  (VllI,  p.  757)  für 
einen  Imperativ  von  ctsh,  verehren;  aber  der  Imperativ  hat  in 
dem  ganzen  Satze  keine  rechte  Stelle;  man  müsste  ihn  nur  als 
einen  Satz  für  sich  nehmen,  wodurch  aber  kein  guter  Sinn  gewon- 
nen würde.  Jetzt  sehe  ich  in  cizdi  nur  den  Locativ- Instrumental 
(nach  wedischer  Art)  von  cigti ,  Erkenntniss,  Wissenschaft; 
die  Dehnung  des  wurzelhaften  i  zu  i  darf  nicht  auffallen,  wenn 
man  kagcit  und  kagcif,  vigta  und  vigta  bedenkt;  die  Erweichung  des 
gt  zu  zd  ist  derselben  Art  wie  die  von  ddreiig  aus  dthrefig,  wohl 
nur  eine  Folge  des  langen  Vokals.  —  At  hoi  —  mananha  Ner. : 
evam  tasja  uttamena  (^rogasja  samdgamanam  manasd;  kila  uttamena 
manasd  saha  Qrogasja  iti  Gustäspasja  uttamena  manasd  dtndii  samd- 
gamanam. Einige  Schwierigkeit  macht  hui  hinter  at;  Nerios.  giebt 
es  durch  tasja  und  verbindet  es  mit  Qraosho,  was  aber  kein  Genitiv, 
sondern  ein  Nominativ  ist.  Auf  ein  Wort  im  vorhergehenden  Satze, 
auf  moi  oder  ratüm  kann  dieser  enklitische  Genitiv -Dativ  des  De- 
raonstrativstammes  hi  nicht  bezogen  werden;  dagegen  lässt  es  sich 
im  nachfolgenden  mit  ahmdi,  diesem,  verbinden.  Aber  es  lässt 
sich  auch  in  adverbialem  Sinne  davon,  desshalb  nehmen,  wie  in 
der  später  so  häufigen  Phrase  paititem  he  „es  ist  dafür,  desshalb 
gcbüsst".  Dann  bezieht  es  sich  auf  die  „Feinde  von  mannigfacher 
Gestalt"  zurück.  Diese  Fassung  ist  entschieden  der  so  schwer- 
fälligen. Verbindung  mit  ahmdi  vorzuziehen.  —  Gantü  ist  von  Nerios. 
durch  samdgamanam,  Zusammenkunft,  wiedergegeben,  wonach 
er  es  offenbar  von  gam,  gim,  gehen,  ableitete  imd  als  ein  durch 
tu  gebildetes  Nomen  abstractum   wie  zafitu  fasste.     Beides  ist  aber 


108       Hmigj  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  4:4,,  16.  17. 

entschieden  falsch  und  giebt  auch  keinen  erträglichen  Sinn.  Gantu 
ist  hier  eine  dritte  Person  sing.  Imperativi  von  gan=ihan,  schlagen, 
tödten.  So  gefasst  ist  es  ein  ganz  passendes  Prädikat  zu  (^raosha. 
dem  Genius,  der  mit  dem  Schwert  in  der  Hand  die  Feinde  ab- 
wehren und  vernichten  soll.  Das  Fehlen  eines  Objects  begreift  sich, 
wenn  man  schlagen  allgemein  in  dem  Sinn  von  kämpfen  fasst.  — 
Mazda  —  kahmdictt  Ner. :  mahdgndnin  tasja  me  kdmah  jasja  kdmah 
hbhjagcit  Vashi  ist  hier  durch  kdmah  wiedergegeben  und  demnach 
als  Substantiv  gefasst.  Obschon  die  Analogie  von  frasht,  fragt  und 
die  ähnliche  Stelle  43,  1,  wo  anstatt  des  vasht  ein  anderes  Sub- 
stantiv ustd  gesetzt  ist,  fiir  die  substantivische  Fassung  angeführt 
werden  konnte,  so  ist  sie  doch  weder  hier,  noch  in  der  Parallel- 
stelle 43,  9  befriedigend.  Viel  passender  nimmt  man  vashi  als  eine 
zweite  Person  sing,  praes.  von  vag,  wollen.  Dass  diese  wirklich 
vashi  lautet,  beweist  Jt.  1,  10  unwiderleglich.  Dem  Sinn  nach  ähn- 
lich ist  29,  4 :  jathd  hvo  vagat. 

V.  17.  Kathd  —  khshmat  Ner.  :  mahdgndnin  saniajakartrtvam 
jushmdkam;  kila  kdlo  jah  ■pagcdt  asja  kadd  prdpsjati,  grosser  Weiser ! 
eure  Zeiterfüllung;  d.  h.  wann  wird  die  Zeit  nach  dieser  Zeit  (die 
zukünftige,  das  Ende  der  Tage)  eintreffen?  Zarem  wird  somit  als 
Zeit  erklärt,  eine  Deutung,  die  sich  etymologisch  rechtfertigen 
lässt,  wenn  man  das  skr.  garas,  Alter,  herbeizieht.  Unser  Ueber- 
setzer  hielt  es  wohl  für  verwandt  oder  einerlei  mit  zrvdna,  Zeit. 
Aber  der  BegriiSf  Zeit  widerspricht  ganz  dem  Zusammenhang  und 
namentlich  der  Verbindung  des  zarem  mit  cardni  „ich  will  gehen", 
das  von  Ne.r.  ganz  irrig  auf  die  Wurzel  kere,  machen,  zurückge- 
führt wird.  Auch  das  entweder  identische  oder  jedenfalls  nah  ver- 
wandte zaragca  Jt.  9,  26  spricht  dagegen.  Dieses  steht  im  Parallelis 
mus  mit  da6näm  mdzdajagnim  und  vanuhim  fragagtim  und  scheint 
demnach  eine  ähnliche  Bedeutung  wie  Glaube,  Lehre  zu  haben. 
Früher  (VIII,  p.  757  f.)  führte  ich  es  auf  die  Wurzel  zar  =  gar, 
lob  sin  gen,  preisen,  zurück,  und  ich  sehe  noch  keinen  genügenden 
Grund,  hievon  abzugehen.  Der  Weda  bietet  das  Substantiv  gard, 
Lob  (Rv.  I,  38,  13),  und  das  Compositum  gardhodha,  Lob  er- 
kennend (Rv.  I,  27,  10).  Zarem  heisst  somit  Lf)b,  Lobpreis  und 
setzt  ein  Thema  zara  voraus  und  ist  eng  mit  cardni  zu  verbinden, 
so  dass  beide  zusammen  „ich  will  zum  Lobe  gehen"  heissen.  In 
diesem  Ausdruck  mag  eine  Anspielung  auf  den  Namen  Zarathustra 
liegen,  der,  wie  ich  schon  anderwärts  (IX,  p.  693)  gezeigt  habe, 
„grössler  Liederdichter  oder  Sänger"  heisst.  Hacd  khshmat  ist 
euretwegen,  eurethalben.  Diess  wird  durch  das  Folgende  näher 
bestimmt.  —  Agkitm  —  aesho  Ner. :  sd  vikramatd  ja  jushmdkam 
[kila  kdrjdni  jushmdkam  kadd  saittpurndni  karishjati]  jeca  me  hhavanti 
vacasdm  ihajitdrah.  ÄQkitim,  wie  West,  richtig  nach  K.  5  schreibt, 
ist  hier  durch  Kraft,  Tapferkeit  übersetzt.  Aber  diese  Ueber- 
setzung   lässt   sich   bei   diesem   ocTC.    Xsyofj..    etymologisch    nicht   be- 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathuslra.  IL    Cap.  44,  17.  18-      109 

gründen.  Die  Wurzel  ist  ski,  s.  darüber  zu  v.  10;  47,  5  treffen 
wir  das  Partie.  d-<^hjd<^ ,  weilend,  wohnend  in,  wonach  es  Woh- 
nung, Herberge  heissen  muss  und  somit  nur  ein  anderer  Aus- 
druck für  das  gewöhnliche  demäna  ist;  vgl.  skjeitibjo  neben  vizibjo 
53,  8.  Da  dieses  ä^kitim  von  card?n,  einem  Verbum  des  Gehens, 
abhängig  ist  und  dieses  zunächst  eine  Präposition  der  Richtung  wie 
d,  zu,  nach  —  hin,  fordern  kann,  so  Hesse  sich  d^kittm  auch  auf- 
lösen in  d  ^kititn.  Weil  der  Accusativ  allein  aber  auch  die  Richtung 
ausdrückt  und  die  Handschriften  nichts  von  dieser  Trennung  des  d 
wissen,  so  können  wir  von  dieser  Aenderung  abstehen.  Ueber  das 
Lobsingen  in  Ahuramazda's  Wohnung  vgl.  34,  2.  Vdkhs  wird  von 
West,  mit  aeshö  zu  einem  Compositum  verbunden.  Diess  ist  aber 
sicher  unrichtig,  weil  auf  diese  Weise  der  Satz  wohl  ein  Subject 
nebst  Copula,  aber  kein  Prädikat  hätte;  gerade  letzteres  muss 
aeshö  sein.  Die  Deutung  Nerios.  „die  Antreiber  der  Worte"  ist 
nicht  ganz  stichhaltig,  enthält  aber  etwas  Richtiges.  Ich  fasse  hier 
aeshü  im  Sinne  von  aesha  28,  5,  Trachten,  Streben,  Suchen. 
Mit  jjatcd,  daher  auch,  w esshalb  auch,  wird  der  ganze  Satz 
eingeleitet.  —  Caroi  —  ameretdtd  Ner. :  svdmino  hhavishjanti  upari 
Ävirddde  Amirddde.  Qaroi  ist  demnach  als  Plural  in  der  Bedeutung 
„Herren"  genommen;  aber  es  kann  kein  Nom.  plur.  sein,  sondern 
ist  ein  Locat.  sing.  Die  Bedeutung  Herr  gründet  sich  zwar  auf 
das  neupersische  sar,  Haupt,  Oberhaupt,  aber  sie  giebt  nirgends 
in  den  Gdthas  einen  guten  Sinn  (s.  das  Gloss.).  Sollte  unser  (^ara 
indess  mit  diesem  neupersischen  Worte,  dem  im  Sanskrit  das  Neutrum 
giras,  Haupt,  entspricht,  identisch  sein,  so  wäre  in  den  Gdthd's 
gewiss  die  neutrale  Form  garanh  zu  erwarten;  wir  finden  sie  aber 
nirgends.  Die  ihm  in  den  alten  Liedern  zukommende  Bedeutung  ist 
nur  die  von  Schutz,  Hilfe,  gleich  dem  sanskr.  ^arman  (s.  das  Gl.). 
Der  Infinitiv  huzdjdi  ist  von  Nerios.  als  dritte  Person  plur.  futuri  der 
Wurzel  6m,  sein,  gefasst.  Diese  Ableitung  ziehe  ich  jetzt  meiner 
frühern  von  bug ,  geniessen  (VIII,  p.  759),  vor.  Wir  haben  in 
dieser  Form  wirklich  den  Infinitiv  futuri  besagter  Wurzel,  deren 
Futurstamm  büshj  lautet.  Die  folgenden  Worte  haurvdtd  ameretdtd 
sind  Instrumentale  „im  Schutz  sein  werden  durch  Haurvat  und 
AmeretdV^,  d.  i»  von  ihnen  geschützt  werden.  —  Avd —  hacd  Ner.: 
evam  mdmthravdvjdh  je  ddnam  dharmasanmi^ram ;  kila  prasddam  eva 
daddti.  Avd  nidthrd  müssen  als  Instrumentale  genommen  und  noch 
mit  büzdjdi  verbunden  werden  in  demselben  Sinne  wie  Ameretdtd.  Die 
Deutung  des  rdthemo  durch  Gabe  ist  ganz  richtig,  vgl.  53,  6.  Ebenso 
fasste  ich  es  auch  schon  früher  (VIII,  p.  759  f.). 

V.  18.  Kathd  —  handnt  Ner.:  katham  satjatajd  tasja  prasddasja 
anurupo  bhavdmi;  kila  me  apratdranatajd  svddhtno  bhavet.  Ashd  ist 
hier  als  Instrumental  und  in  der  Bedeutung  eines  Abstractums 
Wahrhaftigkeit  genommen.  Aber  beides  ist  unrichtig.  Der  In- 
strumental lässt  sich  nicht  construiren,   und  die  Bedeutung  Wahr- 


110  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  II.    Cap.  44,  18. 

haftigkeit  ist  unpassend.  Es  ist  vielmehr  Vocativ  in  der  Bedeu- 
tung Wahrer,  Wahrhaftiger,  dem  Mazda,  dessen  Bezeichnung  es 
ist,  in  der  dritten  Zeile  parallel  stehend.  Müdem  handni  kann  nicht 
„ich  bin  dieser  Gunst  würdig"  bedeuten,  wie  es  von  Ner.  gefasst 
ist.  Denn  handni  ist  deutlich  eine  erste  Person  sing.  Iinperativi  der 
Wurzel  han  =  san,  spenden.  Dass  von  einer  Opferspende  und 
nicht  von  einem  Verdienste  die  Rede  ist,  beweist  die  gleich  fol- 
gende Zeile,  in  der  die  Opfergabe  näher  beschrieben  ist.  x\uch  die 
in  der  Glosse  gegebene  Deutung  frei,  selbstständig  ist  unpas- 
send. —  Dago,  —  ustremcd  Ner. :  dagdndm  agvdndm  sabigdndm  tishfhrd- 
ndmca.  Ueber  arshnavaitts ^  eigentlich  raännerbegabt,  d.  i.  schwanger, 
trächtig,  s.  VIII,  p.  760.  Ustrem  lässt  sich  nicht  mit  Ner.  als 
Kameel  deuten,  obschon  wir  das  Wort  in  dieser  Bedeutung  wirk- 
lich im  Zendawesta  finden,  da  neben  der  bestimmt  angegebenen 
Zahl  von  Stuten  die  Nennung  nur  eines  Kameeis  (sogar  ohne  das 
Zahlwort)  sehr  sonderbar  sein  würde.  Das  Wort  kann  hier  nur 
soviel  als  das  skr.  uttara  sein  und  höher,  darüber  hinaus,  d.  i. 
eine  grössere  Anzahl,  bedeuten.  —  Jjat  —  Ameretdtd  Ner.:  jathd 
me  magdah  jad  evam  vedmi  Avidadisja  Aniidadasja.  Ajyavaiti  ist  hier 
in  mehrere  Worte,  wie  es  scheint,  in  zwei,  aj>a  und  vaiti  aufge- 
löst. Letzteres  soll  ich  weiss  beissen,  also  von  der  Wurzel  vid, 
wissen,  stammen.  Diese  Deutung  ist  indess  eine  reine  Spielerei. 
Früher  (VIII,  p.  760)  fasste  ich  es  als  eine  dritte  Person  conjunct. 
imperf.  der  Wurzel  pu,  läutern,  reinigen;  aber  diese  Wurzel  ist 
in  dieser  Bedeutung  im  Baktrischen  nicht  gebräuchlich  und  würde 
überdiess  nur  einen  sehr  gezwungenen  Sinn  geben.  Aus  dem  Sub- 
stantiv apavaidite  Vend.  9,  52  lässt  sich  nichts  für  die  Bedeutung 
des  apavaiti  unserer  Stelle  erschliessen,  da  die  Lesung  jenes  Worts 
nicht  sicher,  vermuthlich  eher  falsch  ist;  auch  mit  dem  ebenfalls 
zweifelhaft  gelesenen  apivaüi  Jt.  10,  27,  das  sicher  ein  Verbum  ist 
und  den  Sinn  von  wegnehmen  zu  haben  scheint,  lässt  sich  wenig 
anfangen.  Der  Zusammenhang  und  die  Construction  unserer  Stelle 
scheint  eine  Verbalform  zu  verlangen ;  aber  es  lässt  sich  keine  pas- 
sende Wurzel  finden.  Die  den  Dualen  haiirvdtd  ameretdtd  sonst 
beigegebenen  Prädikate  utajuiti  und  tevishi  veranlassen  mich  in  apa- 
vaiti eben  ein  solches  (im  Dual)  zu  sehen.  T)ie  Bedeutung  an- 
langend, so  würde  das  wedische  apavat  „mit  Wasser  versehen" 
lautlich  vollkommen  entsprechen;  aber  die  Bedeutung  will  nicht 
recht  passen.  Besser  empfiehlt  sich  eine  Ableitung  von  apa  (Ad- 
verbium und  Präposition),  weg,  darauf,  mittelst  des  Suffixes  mit, 
so  dass  es  eine  ähnliche  Bedeutung  wie  der  Superlativ  apema,  der 
äuss erste,  in  der  Verbindung  tirvaegS  apeme  (43,  5)  hat,  etwa 
wie  die  von  zukünftig.  Das  Verbum  substant.  ist,  wie  oft,  zu 
ergänzen.  —  Jathd  —  ddonhd  Ner. :  evam  jathd  tubhjamca  daddmi. 
Ueber  ddonhd,  das  irrig  als  eine  erste  Person  gefasst  ist,  s. 
zu  34,  1. 


Ilaug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  44,  19.  111 

V.  19.  *Ja^  —  däite  Ner. :  jah  präptam  prasddatn  anurüpmi- 
no  [?]  1)  daddti.  Ueber  haneiite  (Dat.  sing,  des  part.  praes.)  s.  zum 
vorigen  Vers.  —  Je  —  ddite  Ner. :  jah  asti  tasmdi  satjavaktd  naro 
daddnah  [iittamo  nd].  If  ist  hier  durch  asti  und  nd  durch  iiarah 
wiedergegeben.  Der  bei  dieser  Deutung  sich  ergebende  Sinn  „wel- 
cher Mann  diesem  Wahressprechenden  giebt"  würde  indess  dem 
vorigen  GHede,  dem  das  unsere  allem  Anschein  nach  parallel  sein 
muss,  völlig  widersprechen.  Der  Parallelismus  verlangt  auch  für 
diesen  Satz  durchaus  eine  Negation.  Diese  wird,  wie  ich  schon 
früher  (VIII,  p.  761)  annahm,  dadurch  gewonnen,  dass  man  nd  und 
it  als  eine  Auflösung  der  gewöhnlichen,  aber  zusammengesetzten 
Negation  jioit  (aus  7ia  -f-  it)  betrachtet.  —  Kd  —  paouruje  Ner. :  kirn 
tasja  tena  dosheiia  asti  prathamam ;  kila  tasja  tena  pdpakarmatvena 
prathamafh.  Die  dem  mainis  hier  gegebene  Bedeutung  Frevelthat, 
Verbrechen  scheint  nur  gerathen  zu  sein;  sie  lässt  sich  weder 
aus  den  Stellen  (dieser  und  31,  15)  beweisen,  noch  etymologisch 
begründen.  Dagegen  wäre  die  Bedeutung  Strafe,  Ahndung, 
Rache  nicht  unpassend,  die  sich  auch  etymologisch  begreifen  Hesse, 
wenn  man  die  Wurzel  man,  denken,  in  dem  Sinne  von  gedenken 
(einem  etwas  gedenken  :=  sich  an  Jemand  zu  rächen  suchen)  fasst. 
Da  aber  diese  Bedeutung  weder  durch  Stellen  aus  dem  Zendawesta 
noch  aus  dem  Weda  bewiesen  werden  kann,  da  sich  ferner  die  nahe 
Verwandtschaft  des  maiids  mit  dem  so  häufigen  wedischen  manishd, 
Andacht,  Loblied,  nicht  verkennen  lässt,  so  werden  wir  wohl 
von  jener  Deutung  abstehen  müssen.  Ich  halte  es  für  das  beste, 
bei  der  nächsten  Bedeutung  Dichten,  Trachten  zu  bleiben.  Die 
Accusative  tem  und  im  (in  der  folgenden  Zeile)  müssen  hier  wegen 
ihrer  Verbindung  mit  dem  Verbum  substant.  anhat  im  Sinne  eines 
Dativs  gefasst  werden ;  denn  ein  transitives  Verbum ,  von  dem  sie 
abhängig  gemacht  werden  könnten,  lässL  sich  nicht  finden.  Paouruje 
steht  wahrscheinlich  für  paourujd  und  ist  das  Femininum  von  paou- 
rujü  (z=  pürvja,  früher),  wie  K.  5  falsch  corrigirt.  Man  vgl.  seinen 
Gegensatz  apemd,  ein  deutliches  Feminin,  im  folgenden  Gliede.  — 
Vtdvdo —  apemd  Ner.:  cettd  ^smi  tasja  jad  asja  asti  niddne;  niddne 
jmiijasja  durgatih.  Die  Deutung  des  apemd  durch  niddne,  wonach 
es  der  Locativ  eines  Substantivs  wäre,  Aufhören,  Ende,  hat  etwas 
Richtiges;  Substantiv  ist  es  zwar  nicht,  aber  Adjectiv  femin.  und 
im  Nominativ  mit  der  Bedeutung  die  letzte  (seil,  mainis).  Einige 
Schwierigkeit  macht  die  syntaktische  Verbindung  von  vtdvdo,  wis- 
send, von  dem  jedenfalls  der  Accusativ  aväm,  worin  ich  nur  das 
Pronom.  demonstrat.  ava  erkennen  kann,  abhängig  ist.  Man  kann 
es  von  peregd  zu  Anfang  des  Verses  abhängen  lassen,  „ich  will 
fragen —  kennend  jenes  Denken  etc.";  aber  die  beiden  Sätze  sind 
von    einander    zu    weit    entfernt.      Daher    möchte    ich    lieber   hinter 


i 


^)  Wohl  anurüpine  na  zu  lesen. 


112      Hang,  die  Gdihd's  des  Zarathustra.  IL   Cap.  44,  19.  20. 

vidvdo   das  Verbum  substant.   ich    bin  (ahmt)    oder   m   seiner  Con- 
junctivform  ich  sei  (qjem)  ergänzen. 

V.  20.  Die  Worte  von  cithend  —  doiihare  finden  sich  nicht 
übersetzt  in  dem  von  mir  copirten  Manuscripte  Neriosengh's.  Cithend 
erklärte  ich  früher  (VIII,  p.  761)  als  einen  Infinitiv  der  Wurzel  ci, 
büssen,  wovon  citha,  Strafe.  Aber  die  Infinitivformen  auf  tana 
sind  wohl  der  ersten  Keilschriftsprache,  aber  nicht  dem  Zendawesta 
bekannt;  zudem  müsste  man,  wäre  es  wirldich  ein  solcher  Infinitiv, 
entweder  den  Dativ  cithandi  oder  den  Locat.  cithane  erwarten.  Aus 
diesen  Gründen  ist  die  alte  Erklärung  zu  verlassen.  Ich  halte  jetzt 
dieses  cithend  für  eine  Zusammensetzung  von  cit,  dem  Neutrum 
des  Interrogativstammes  ci  i.  e.  quis  und  des  Enklitikums  7m.  Das  e 
ist  blosser  Bindevokal,  der  häufig  an  die  Interrogativ-  und  Relativ- 
pronomina antritt,  wenn  sie  enger  mit  einem  folgenden  Wörtchen 
verbunden  werden  sollen,  wie  ja^e  thwd,  ka^e  thwd.  Das  t  wurde 
zu  aspirirtem  th  vor  na,  gerade  wie  skjaothana  oder  skjaothna  einem 
cjdutna  gegenübersteht.  So  ist  das  Sätzchen  eine  an  Ahuramazda 
gerichtete  Frage  nach  den  Daivas,  was  sie  seien  oder  wozu  sie 
da  seien.  —  At  —  ddtd  Ner. :  evam  idam  prcchdmi  je  pratiskhala[n]ti ; 
teshdm  je  jushmdkam  gavdm  kadarthakdndm.  Hier  ist  die  Ueber- 
setzung  Neriosengh's  sehr  lückenhaft;  wahrscheinlich  wussten  die 
Erklärer  des  Zendawesta  aus  der  Säsänidenzeit  nicht  alle  Worte 
dieses  höchst  schwierigen  Verses  zu  deuten.  Peshjeintt.  So  corrigirt 
Westergaard  richtig  das  peshjeiti  von  K.  5.  Die  Lesung  anderer 
Mss.  inskjeifiti  (K.  6,  11)  lässt  keine  richtige  und  verständliche  Er- 
klärung zu.  Wollte  man  nämlich  diese  Lesung  festhalten,  so  würde 
als  Wurzel  das  v.  9  besprochene  ski,  weilen,  sich  herausstellen, 
die  erste  Sylbe  pi  aber  müsste  als  Verkürzung  der  Präposition  aipi 
genommen  werden.  Sonach  könnte  es  verweilen,  vielleicht  auch 
bewohnen  heissen.  Aber  die  Präposition  aipi  wird  in  den  Gdthd's 
nie  zu  pf  verkürzt  und  die  Bedeutung  widerspricht  dem  Zusam- 
menhang, da  joi  auf  die  daSvä  sich  zurückbeziehen  und  daher  von 
kämpfen,  streiten  oder  schaden  die  Rede  sein  muss.  Zu  einer  voll- 
kommen richtigen  Erklärung  des  auf  den  ersten  Anblick  höchst 
schwierigen  Worts  gelangen  wir  durch  eine  nähere  Betrachtung  von 
peshana  und  peshand  der  spätem  Bücher.  Jt.  5,  109:  jat  bavdni 
aiwivanjdo  —  duzdaSnem  peshanemca  da^vajapiem  drvantemca,  dass  ich 
überwindend  sein  möge  den  Schlechtgläubigen  und  den  peshaiia,  den 
Daevaverehrern  und  Gottlosen  (eigentHch  feindlich  Angreifenden); 
vgl.  19,  87.  Jt.  9,  30  (vgl,  17,  50):  jatha  azdni  peshane  asta  aur- 
vanto,  dass  ich  acht  Renner  treiben  möge  gegen  den  Peshana.  Aus 
diesen  Stellen  ergiebt  sich  klar,  dsLss  peshana  so  viel  als  Feind  und 
zwar  Glaubensfeind  bedeuten  muss.  Das  femm.  peshand  bedeutet 
dagegen  deutlich  Kampf,  Schlacht,  so  Jt.  13,  17:  tdo  ughrdhu 
peshandhu  upa^täm  henti  ddhistdo  jdo  fravashajo  ashdunäm,  die  Fra- 
vaschi's    der  Reinen    bringen   am    meisten   Hilfe   in    den   gewaltigen 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  44,  20.  113 

Schlachten.  13,  23:  jäo  zaojdo  vanhuthwaeshu  jdo  zaojdo  verethragh- 
njaeshujdo  zaojdo  lieshandhu ,  welche  schnell  sind  in  Gntthaten,  schnell 
bei  Siegen,  schnell  bei  Kämpfen.  13,27:  tdo  zaojdo  tdo  verethragh- 
njaeshu  tdo  peshandhu;  tdo  idha  jat  naro  takhma  peretente  verethragfi- 
njaeshu,  die  schnellen  in  Siegen  in  Kämpfen,  die  da  sind,  wo  die 
starken  Männer  um  den  Sieg  kämpfen.  Die  letzten  Worte  von  tdo 
idha  —  verethraghnjacshii  sind  deutlich  eine  Glosse,  welche  das  Vor- 
hergehende, namentlich  das  peshandhii  erklären  sollen.  Die  er- 
klärenden Worte  idha  jat  pereteftie,  da  wo  kämpfen,  lassen  somit 
keinen  Zweifel  mehr  übrig  über  die  Bedeutung  von  peshand  als 
Schlacht,  Kampf  1).  Es  ist  vollkommen  das  wedische  pHaiid, 
Schlacht;  dieses  musste  nach  demselben  Gesetze  zu  pesha?id  werden, 
nach  welchem  fta  zu  asha,  amrta  zu  amesha  etc.  ward.  Im  Weda 
findet  sich  noch  einfacher  pH  im  Sinne  von  Kampf.  Hievon  ist 
unser  peshjeifiti  ein  Denominativ  und  heisst  somit  kämpfen,  transit. 
bekämpfen.  Aübjo  kann  hier  nur  in  reflexivem  Sinn  „für  sich" 
(zum  eigenen  Besten)  genommen  werden.  Das  Subject  müssen  die 
Daeva  sein.  Der  Accusativ  kam  ist  von  peshjeihti  abhängig;  aber 
es  hat  hier  keine  interrogative  Bedeutung,  sondern  die  33,  6  an- 
gegebene allgemeinere  Wesenheit,  Bestand.  Der  Instrumental 
jdis,  mit  welchen,  durch  welche,  bezieht  sich  auf  die  Daeva's. 
üeber  karapd  s.  zu  32,  12;  über  u^ikhs,  einen  andern  Namen  der 
von  Zarathustra  so  angefeindeten  und  verwünschten  wedischen  Seher, 
Priester  und  Liederdichter,  s.  VIII,  p.  762.  Das  Verbum  data  steht 
zwar  im  Singular  (aor.  medii),  bezieht  sich  aber  sowohl  auf  karapd 
als  ugikhs.  —  Jdcd  —  iLvixdujatd  Ner. :  jeca  kikdh  anirvittajah  avja- 
pdraddtfbhjah.  Ueber  dnmaine,  das  nur  gleich  dtmane,  für  sich 
selbst,  sein  kann,  s.  zu  30,  7.  Die  dem  urüdujatd  gegebene  Be- 
deutung: „Geber  der  Nichtvollbringnug"  ist  gewiss  irrig.  Vor  allem 
ist  das  Wort  kein  Substantiv,  sondern  ein  Verbum  und  zwar  die 
dritte  Person  sing,  imperf.  medii  einer  Wurzel  md.  Diese  lässt 
sich  auf  das  sanskritische  rudh,  abhalten,  hemmen,  oder  ruh 
(für  rudh),  wachsen,  zurückführen.  Ersteres  ist  nur  selten  im 
Zendawesta;  der  sich  ergebende  Sinn  „was  der  kavd  für  sich  ab- 
wehren Hess"  widerspricht  dem  Zusammenhang.  Das  zweite  ist 
häufiger  und  auch  noch  im  neupersischen  rustan,  wachsen,  erhal- 
ten; aber  die  ursprüngliche  Bedeutung  wachsen  ist  hier  nicht  an- 
wendbar. Dagegen  giebt  die  wedische  Bedeutung  erlangen  einen 
guten  Sinn.  Letztere  ergiebt  sich  leicht  aus  der  Causativform  rudaj, 
wachsen  lassen,  machen,  im  Medium  für  sich  wachsen  lassen, 
d.  i.  sich  zukommen  lassen,    erlangen.     Der  ursprüngliche  Causativ- 


^)  Peshu  Jt.  ,5,  77 :  huskem  Peshüin  raicajai ,  er  bewässerte  das  trockene 
Peshu,  und  Jt.  24,  42:  frdjantö  tard  Peshüm  dhraö-Qrülam,  gehend  durch 
das  weitberühmte  Peshu,  gehört  nicht  hieher,  sondern  ist  Name  eines  Landes. 
Da  esh  lautliche  Veränderung  für  ursprüngliches  art  ist,  so  erhalten  wir 
den  Namen  Parlu,  d.i.  Parthuwa  der  Keilinschriften,  Parthyene  der  Alten. 
Abhandl.  der  DMG.    II,  2.  8 


114     Hang,  die  Gäthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  44,  20.    Cap.  45. 

stamm  rüdaj  wurde  zu  urüduj  durch  Einfluss  des  wurzelhaften  in- 
lautenden u,  das  eine  grosse  Macht  über  die  benachbarten  Vokale 
ausübt;  das  anlautende  u  ist  ein  einfacher  Vorschlag,  wie  er  sich 
bei  dieser  Wurzel  gewöhnlich  findet,  vgl.  uru^ta,  urüraot  u.  s.  w. ; 
das  zweite  ü  trat  an  die  Stelle  des  a,  als  Nachhall  des  u  der 
Wurzelsylbe.  Was  die  syntaktische  Verbindung  des  Sätzchens  an- 
langt, so  ist  es  von  it  pere^d  abhängig  und  dem  joi  peshjeinti. 
coordinirt.  —  Noit  —  frddanhe  Ner. :  na  te  prasddeshu  puvjakdrjarh 
pradadanti ;  kila  jah  prasddah  tebhjo  dtjate  tena  kimcidapi  sadhjdpdri- 
taram  na  kurvanti.  Der  von  der  Tradition  diesen  Worten  gegebene 
Sinn  „sie  fördern  nicht  bei  den  Gunstbezeugungen  das  reine  Han- 
deln" ist  vollkommen  falsch.  Hirn  ist  kein  Nominativ  plur.,  sondern 
ein  Accusativ  sing,  des  Pronominalstammes  hi;  aber  die  streng  accu- 
sative  Bedeutung  lässt  sich  hier  so  wenig  festhalten,  als  bei  im  im 
vorhergehenden  Verse.  Wir  müssen  es  ebenfalls  im  Sinne  eines 
Dativs  nehmen,  wollen  wir  nicht  annehmen,  dass  das  Verbum  mizen 
mit  zwei  Accusativen  construirt  sei,  was  höchst  unwahrscheinlich 
ist.  Mit  mizen,  das  schlechterdings  kein  Substantiv  in  der  Bedeu- 
tung Gunst  sein  kann,  hat  es  dieselbe  Bewandtniss  wie  mit  u^en 
V.  10.  Es  ist  entweder  dritte  Person  plur.  imperf.  activ.  oder  der 
Nominat.  des  part.  praes.,  in  beiden  Fällen  für  mizjan  stehend. 
Da  nirgends,  ausser  daevd,  ein  Plural  ist,  worauf  eine  dritte  Person 
plur.  bezogen  werden  könnte,  von  diesen  aber  sicher  nicht  der  In- 
halt dieses  Schlusssatzes  ausgesagt  sein  kann,  so  werden  wir  am 
besten  thun,  uns  der  zweiten  Auffassung  zuzuwenden.  Das  Subject 
des  Satzes  ist  dann  der  Vocativ  ashd,  Wahrer!  ein  Name  des 
Ahuramazda.  Zu  ergänzen  ist  nur  wie  in  v.  10  das  Verbum  snb- 
stantivum.  Die  Bedeutung  von  miz  =  mih ,  spenden,  ist  nicht  im 
mindesten  zweifelhaft.  Frddanhe  ist  kein  Verbum  wie  Ner.  annimmt, 
auch  nicht  von  dd~\~frd  abzuleiten,  sondern  es  ist  ein  aus  der  zu 
V.  10  besprochenen  Wurzel  frdd  gebildetes  neutrales  Abstractum, 
„Auffüllung,  Umzäunung".  Da  dieses  gewöhnUch  von  den  gaethd's, 
den  eingefriedigten  erblichen  Familiengrundstücken,  ausgesagt  ist,  so 
kann  frddanh  leicht  die  weitere  Bedeutung  „bleibender  Besitz,  Erb- 
theil,  Eigenthum"  annehmen.  ^ 


Capitel  45. 

Dieses  Stück  enthält  ein  grösseres,  vor  einer  grossen  Versamm- 
lung vorgetragenes  Lied,  das  der  Form  und  dem  Inhalt  nach  eine 
unverkennbare  Aehnlichkeit  mit  Cap.  30  zeigt.  Einer  grossen,  von 
fern  und  nah  zusammengeströmten  Volksmenge  werden  hier  die 
Hauptsätze  der  neuen  Religion  verkündigt,  die  Lehre  von  den  zwei 
uranfänglichen  Geistern  und  deren  Verhältniss  zu  einander,  von  der 
Urweisheit  und  von  Ahuramazda ,  als  dem  besten  und  allergrössten 
in  der  Schöpfung.     Dem  Lobe    dieses  grossen  Gottes   ist  dann  ein 


Haugy  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  II.    Cap.  45.  115 

grösserer  Theil  (6  — 10)  gewidmet.  Die  sechs  ersten  Verse  be- 
ginnen jedesmal  mit  den  Worten:  at  fravakhshjd,  so  will  ich  ver- 
kündigen, und  leiten  dadurch  jeden  neuen  Gedanken  ein.  Der 
letzte  Vers  (11)  gehört  nicht  zum  Ganzen  und  kam  wohl  nur  zu- 
fällig hieher.  Der  Inhalt  und  Gedankengang  des  Liedes  ist  im  Ein- 
zelnen folgender: 

Der  Prophet  fordert  alle  seine  Zuhörer,  die  aus  den  ver- 
schiedensten Gegenden  zusammengeströmt  waren,  auf,  seinen  Worten 
ein  aufmerksames  Ohr  zu  leihen;  er  wolle  ihnen  alles  mittheilen, 
vor  allem  die  von  den  Weisen  erkannte  Existenz  eines  ursprüng- 
lichen Geisterpaars,  eines  guten  und  eines  bösen  Wesens.  Diese 
Verkündigung  der  neuen  Lehre  sollen  weder  der  böse  Geist,  der 
nur  Uebles  und  Verderbliches  redet  und  das  zweite  Leben,  d.  i.  das 
Geistesleben,  dadurch  zu  vernichten  sucht,  noch  seine  Anhänger, 
die  Lügner,  die  die  nichtige  Religion  des  Götzendienstes  mit  ihrer 
Zunge  bekennen,  stören  (1).  Nach  diesen  einleitenden  Worten 
spricht  er  über  das  Verhältniss  dieser  beiden  Geister  zu  einander,  und 
zwar  theilt  er  dieses  in  Form  eines  Gesprächs  des  weissen,  guten 
Geistes  mit  dem  schwarzen,  bösen  mit.  Der  gute  Geist  sagt  zu 
dem  bösen,  dass  alle  guten  Dinge,  wodurch  die  Welt  bestehe,  die 
Gedanken,  die  Loblieder,  die  Intelligenzen,  die  Glaubenssätze,  die 
heiligen  Worte  und  Handlungen,  die  heiligen  Sprüche  und  die  Seelen, 
die  Schutzgeister  der  Schöpfung,  nur  seiner  Leitung  folgen,  und 
dass  er  dadurch  in  den  Stand  gesetzt  sei,  die  ganze  gute  Schöpfung 
gegen  Angriffe  der  Bösen  zu  schützen  (2).  Da  als  eine  Haupt- 
macht gegen  das  Böse  die  Kraft  des  Verstandes  und  der  Einsicht 
(vgl.  30,  10)  hervorgehoben  ist,  so  wird  der  Sprecher  auf  die  zwei 
Arten  derselben,  die  erste  und  die  letzte,  im  Folgenden  hingeleitet. 
Die  erste  ist  die  ursprüngliche,  dem  Menschen  von  Gott  mitgetheilte, 
die  letzte  die  durch  Erfahrung  vom  Menschen  selbst  gewonnene 
Weisheit  (vgl.  44,  19).  Der  Sprecher  will  nun  allen  denen,  welche 
die  göttliche  Weisheit  noch  nicht  kennen  und  die  ihnen  bereits  mit- 
getheilten  Sprüche  nicht  so  anwenden,  wie  er  selbst  sie  denkt  und 
spricht,  jene  ihm  von  Gott  selbst  mitgetheilte  Urweisheit  verkün- 
digen, damit  ihnen  die  selbstgewonnene  Weisheit  fiir  dieses  Leben 
desto  förderlicher  und  nützlicher  sein  könne  (3).  Die  Urweisheit 
ruht  aber  in  Mazda.  So  wendet  sich  der  Dichter  ihm  zu  und  ver- 
weilt nun  länger  bei  der  Beschreibung  seines  Wesens,  seiner  Offen- 
barungen und  schliesst  mit  einem  Lobespsalm.  Er  ist  das  vortreff- 
lichste Wesen  der  Schöpfung;  er  als  der  Weise  kennt  das  Wahre 
(ashdt  hacd  vaedd  =  vidus-ashd  v.  8),  er  ist  der  Vater  des  alles 
Gute  wirkenden  Geistes  und  die  das  Gute  vollbringende  Thätigkeit, 
die  Armaiti  ist  seine  Tochter  (vgl.  31,  8.  9).  Er,  der  Lebendige, 
der  alles  ins  Dasein  gerufen,  kann  nie  betrogen  und  getäuscht 
werden  (4).  Er,  der  Heiligste,  hat  seinem  Propheten  das  Wort, 
das  denen,  die  ihn  zu  hören  gekommen  sind,  das  nützlichste  und 
beste  sein  wird,    mitgetheilt.     Sie  werden  dadurch   der  Unsterblich- 

8* 


116  Hang,  die  GdtluVs  des  Zarathiistra.  II.    Cap.  45. 

keit  und  der  Vollkommenheit  theilhaftig,  welche  aus  den  Werken 
des  guten  Geistes  entspringen,  mit  welchen  Kräften  Ahiiramazda 
selbst  ausgestattet  ist  (5).  Der  Dichter  will  nun  sein  Lob  ver- 
künden. Er  preist  zuerst  den  (^raosha,  die  Offenbarung,  als  den 
allergrössten  (vgl.  33,  5)  unter  den  das  Gute  vollbringenden  Geistern, 
die  um  den  Ahuramazda  geschaart  sind.  Er  bittet  diesen,  sich  ihm 
zu  offenbaren  mit  den  Worten :  es  höre  der  lebendige  Wei^e!  d.h. 
er  schenke  meinen  Fragen  Gehör.  Er,  dessen  Güte  durch  den 
guten  Sinn  stets  wächst,  soll  den  Dichter  mit  seiner  besten  Weis- 
heit erfüllen  und  regieren  (6).  Durch  sein  Walten  und  Wirken, 
durch  seine  Macht  bestehen  alle  Lebendigen,  die  vergangenen  Ge- 
schlechter wandelten  nur  durch  ihn  ihren  Weg  wie  die  gegenwär- 
tigen und  kommenden.  Aber  unsterblich  ist  nur  des  Frommen  Seele, 
die  nach  Unsterblichkeit  strebt;  die  Frevler  und  Gottlosen  dagegen 
werden  als  Feinde  des  wahren  Lebens  durch  diese  hohe  Kraft,  die 
im  Besitze  des  Herrn  der  Schöpfung,  des  Allweisen,  ist,  vernich- 
tet (7).  Diesen  will  der  Sänger  mit  Lobliedern  verherrlichen.  In 
heiliger  Begeisterung  schaut  er  ihn  mit  seinen  Augen  selbst,  ihn, 
den  lebendigen  Weisen,  die  Quelle  alles  Guten  in  Gesinnung,  Wort 
und  That,  der  das  Wahre  kennt  und  weiss.  Das  Loblied  des 
Sängers  und  seiner  Genossen  soll  zum  Himmel  dringen  und  in  den 
Gesang  der  himmlischen  Schaaren  (28,  10)  einstimmen  (8).  Diesen 
will  er  mit  frommem  Sinne  verehren,  der  ihm  und  seinen  Leuten 
stets  gnädig  ist,  zu  jeder  Zeit  in  Licht  und  Dunkel.  Er  bittet  ihn, 
als  den  der  durch  sein  Wirken  jegHches  Besitzthum  schafft,  Vieh 
und  Menschen  zu  beschützen  durch  die  Kraft  des  guten  Sinnes,  eine 
Bitte,  der  man  so  oft  in  den  wedischen  Liedern  begegnet  (9). 
Nicht  zufrieden  mit  den  eigenen  Lobliedern  ruft  der  Dichter  noch 
die  Armaiti  herbei-,  mit  ihren  Gebeten  will  er  noch  den  Höchsten 
feiern.  Er  hat  sich  als  den  durch  sich  selbst  Weisen  und  Lebendigen, 
d.i.  als  Quelle  der  Weisheit  und  des  Lebens  (31,8)  geoffenbart; 
daher  hat  er  den  wahren  und  guten  Gedanken ;  daher  sind  die 
beiden  hohen  Kräfte,  die  Vollkommenheit  und  Unsterblichkeit,  die 
er  dieser  AVeit  verliehen  und  wodurch  allein  sie  besteht,  in  seinem 
Besitz  (10). 

Ob  das  Lied  aus  einem  Gusse  und  von  einem  Verfasser  sei, 
möchte  fast  zu  bezweifeln  sein.  Wie  es  jetzt  vorliegt,  ist  es  zwar 
ein  Ganzes,  dem  ein  gewisser  Plan  nicht  abgesprochen  werden 
kann;  aber  die  einzelnen  Glieder  haben  zu  wenig  Ebenmass.  Die 
ersten  fünf  Verse  haben  mehr  einen  didaktischen,  die  letzten  fünf 
mehr  einen  panegyrischen  Charakter.  Vergleichen  wir  damit  das 
acht  zarathustrische  Lied  cap.  30,  so  scheint  es,  wenigstens  die  vier 
ersten  Verse,  mehr  eine  Nachahmung  als  ein  Originalprodukt  zu 
sein.  Diese  rühren  schwerlich  von  Zarathustra  her,  da  in  der  An- 
schauung dieses  Stücks  und  in  der  von  cap.  30  einige  Differenzen 
sich  auffinden  lassen,  theils  sprachliche,  theils  in  der  Anschauung 
begründete.     In  jenem  schönen  Liede    heisst  das  Geisterpaar  jemd, 


Hang,  die  Gdt/id's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  45,  1.  117 

Zwillinge,  hier  dum,  die  zwei;  dort  heisst  der  böse  Geist  ako, 
der  nichtige,  hier  anroy  der  schwarze,  eine  Benennung,  die 
Zarathustra  noch  nicht  geläufig  ist;  denn  44,  12  ist  anrö  nur  «les 
Wortspiels  mit  aiigro  wegen  gewählt.  Dort  werden  die  Anwesenden 
aufgefordert,  zwischen  beiden  Geistern  zu  wählen,  entweder  dem 
guten  oder  dem  bösen  zu  folgen ;  hier  scheint  die  Scheidung  bereits 
erfolgt  zu  sein;  denn  es  ist  von  keiner  Wahl  mehr  die  Rede.  Der 
ersten  Hälfte  fehlt  die  Kraft  und  Gedrungenheit  jenes  herrlichen 
Liedes,  die  zweite  dagegen  ist  sehr  schön  und  erhaben  und  hat 
eine  unverkennbare  Aehnlichkeit  mit  wirklich  zarathustrischen  Versen, 
wie  31,  7.  8;  aber  die  Sprache  ist  doch  eine  etwas  abweichende; 
so  vermisst  man  z.  B.  das  Prädikat  Ahuramazda's  qdthra,  mit 
eigenem  Feuer,  Urlicht,  das  hier  ganz  an  seinem  Platz  gewesen 
wäre.  Aus  diesen  Gründen  möchte  ich  das  Lied  dem  Zarathustra 
absprechen  und  einem  seiner  Schüler  und  Gefährten,  der  zara- 
thustrische  Gedanken  nach  seiner  Auffassung  benutzte,  zuschreiben. 
Der  letzte  (elfte)  Vers  steht  in  keinem  nähern  Zusammenhange 
mit  dem  vorstehenden  Liede.  Der  Sinn  desselben  ist  wohl  folgender. 
Nach  der  heiligen  Lehre  des  Hausherrn  und  Feuerpriesters  ist  Ahura- 
mazda  der  nächste  Verwandte  und  Freund  eines  jeden,  der  den 
Götzendienst  für  falsch  und  verkehrt  imd  die  Götzendiener  für 
Lügner  hält  und  sie  streng  von  dem  unterscheidet,  der  fromm  und 
wahr  denkt.  Der  Grundgedanke  dieses  Verses  kehrt  zwar  oft  genug 
in  den  Gdthd's  wieder,  aber  die  Ausdrucksweise  ist  eine  so  eigen- 
thümliche,  dass  er  ganz  vereinzelt  dazustehen  scheint.  Dem  Zara- 
thustra gehört  er  gewiss  nicht  an.  Wahrscheinlich  ist  er  unter  dem 
Hausherrn  und  Feuerpriester  gemeint;  dann,  könnte  der  Vers  von 
einem  seiner  Freunde,  Kavd   Vistd^pa  oder  Gdmd^jm,  herrühren. 

V.  1.  At —  ^raotd  Ner. :  evam  prakfshtam  bravimi  nanu  kar- 
ndbfijdm  ^rüjate.  Güshodüm  ist  hier  fälschlich  als  ein  Nomen  im 
Dual  genommen,  während  es  deuthch  eine  zweite  Person  plur.  Im- 
perativi  medii  von  gush,  hören,  ist.  Der  üebersetzer  verwechselte 
es  mit  gaosha,  Ohr.  —  Jaecd  —  ishathd  Ner.:  jathd  dsannät  jat^ca 
dürdt  samihnte.  Dass  a(;andt,  von  nahe,  heissen  muss,  wie  Ner. 
hier  richtig  übersetzt,  geht  deutlich*  aus  dem  Gegensatze  dürdt, 
von  ferne,  hervor.  Ishathd  kann  keine  dritte  Person  sing,  praes. 
medii  sein,  sondern  ist  eine  zweite  sing,  activi  der  Wurzel  ish, 
kommen,  herzukommen,  und  nicht  von  ish,  wünschen  (s.  zu 
30,  1).  —  Nu  —  dum  Ner.:  jad  nanu  idam  sarvam  prakatam  jato 
mahdgndni  daddu.  Eine  Anspielung  auf  unsere  Stelle  enthält  Jt.  17,  2. 
Der  Üebersetzer  scheint  durch  das  vorgesetzte  Relativ  die  ersten 
Worte  dieses  Versgliedes  mit  dem  ersten  nü  ^raotd  zu  verbinden, 
was  meiner  Meiming  nach  ganz  richtig  ist.  Denn  mit  cithre  be- 
ginnt ein  neuer  Satz.  Einige  Schwierigkeit  macht  im,  das  von 
Nerios.  neutral  durch  idam,  dieses,  wiedergegeben  wird.  Da  es 
mit  vi^pd  einem  Nom.  Acc.  plur.  neutr.  verbunden  ist,  so  liegt  die 


118  Hangy  die  Gdthd's  des  Zarathustm.  IL    Cap.  45,  1. 

Annahme  nahe,  es  sei  eine  Verkürzung  für  imd  =  haec.  Diess  ist 
jedoch  nicht  nöthig,  da  wir  durch  den  wedischen  Sprachgebrauch 
berechtigt  sind,  es  als  eine  blosse  Verstärkungspartikel,  die  sich 
gern  an  dt  jat  etc.  hängt,  zu  fassen,  ein  Gebrauch,  der  in  den 
Gdthd's  noch  nicht  herrschend  ist,  da  es  sich  an  den  meisten  Stel- 
len als  obliquer  Casus  des  Fürworts  der  dritten  Person  ihm,  ihn, 
es  übersetzen  lässt  (s.  v.  3).  —  Cithre  erklärt  Ner.  durch  offen- 
bar, wornach  er  es  mit  dem  bekannten  cithra  =  citra  identifizirt. 
Sonach  wäre  es  ein  Adjectiv;  aber  dieses  passt  gar  nicht  zur  Con- 
struction.  Der  Plural  mazddonho  verlangt  einen  Plural  des  Verbums, 
und  zwar  wo  möglich  in  der  dritten  Person.  Diesen  finden  wir 
auch,  wenn  wir  cithre  auf  die  Wurzel  cith,  wissen,  kennen, 
zurückführen;  dann  ist  es  wie  donhare  eine  dritte  Person  imperf. 
medii.  Mazddonho  ist,  obschon  es  ein  deutlicher  Plural  ist  (vgl. 
ahurdonho  30,  9.  31,  3)  von  Nerios.  durch  den  Singular  wieder- 
gegeben, vermuthlich  weil  der  PUiral  des  höchsten  Gottesnamens 
den  Auslegern  entweder  unverständlich,  oder  anstössig  war.  Indess 
ist  der  Zusammenhang  des  ganzen  Stückes,  sowie  der  Inhalt  dieses 
Verses  insbesondere,  entschieden  gegen  eine  Beziehung  dieses 
Plurals,  etwa  im  Sinne  eines  plural.  majestaticus,  auf  Ahuramazda; 
ja  nicht  einmal  an  die  Amesha-gpenta's ,  deren  Oberster  Mazda  ist, 
darf  gedacht  werden,  sondern  jener  Plural  „die  Weisen"  ist  hier 
im  eigentlichen  Sinne  von  Menschen  zu  verstehen,  von  den  weisen 
Priestern  der  Vorzeit  oder  den  in  die  göttlichen  Geheimnisse  ein- 
geweihten Propheten;  ähnlich  wird  der  Plural  ahurdanho  Jt.  5,  85 
als  eine  Bezeichnung  der  Fürsten  (danhu-patajoj  gebraucht.  Wie 
hier  der  Plural,  so  bezieht  sich  der  Singular  mazddi  in  dem  berühm- 
ten Ahunavairja- Gehet  (Jt.  27,  13)  ebenfalls  auf  einen  Menschen 
und  nicht  auf  Ahuramazda.  Für  einen  solchen  Gebrauch  des  Got- 
tesnamens bietet  das  Alte  Testament  eine  treffende  Parallele,  wo 
d'^ri'bN  auch  von  Menschen,  im  Sinne  von  Richter  oder  Anführer, 
ausgesagt  wird.  —  Einige  Schwierigkeit  macht  auf  den  ersten  An- 
blick dum.  Vergleicht  man  aber  v.  2  und  die  ersten  Verse  des  diesem 
Stücke  ganz  analogen  30.  Capitel,  wo  von  den  zwei  Geistern  die 
Rede  ist,  so  kann  es  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass  wir  in 
dum  das  Neutrum  von  dva,  zwei,  in  einer  etwas  verkürzten  Form 
haben.  Dass  sich  dvain  zu  diim  im  Baktrischen  zusammenzieht,  be- 
weist ganz  deutlich  die  Verbalendung  dhvam,  die  im  Baktrischen 
(wenigstens  im  Gäthädialekt)  stets  zu  dum  wird.  Diesem  dum,  zwei, 
ein  Paar  (vgl.  im  Sanskr.  die  Verdoppelung  dvathdvam.  Paar),  ent- 
spricht in  30,  3  jema,  Paar.  Dass  unter  diesem  Paar  der  weisse 
und  schwarze  Geist  zu  verstehen  sei,  ergiebt  sich  klar  aus  v.  2. 
Die  Erklärung  Nerios.  durch  daddu,  er  gab,  beruht  auf  der  ganz 
verkehrten  Ableitung  von  der  Wurzel  dd,  geben.  —  Noit  —  me- 
räshjdt  Ner.:  na  dvittjakdle  dush-^ishjajitd  Aharmanah  jagdn  [jugdn] 
mdrajishjati  vapushi  pdgcdt  etja  akshaje.  Diese  Uebersetzung  ist  im 
Allgemeinen    richtig;    nur   ist   daibitim   ahum   keine   Zeitbestimmung 


I 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zaraihustra.  II.    Cap.  45,  1.  2.         119 

„in  dem  zweiten  Leben",  sondern  ein  von  merushjdt  abhängiger 
Accusativ.  Die  Beziehung  auf  den  zukünftigen  unvergänglichen 
Auferstehungslcib  ist  jedenfalls  falsch,  da  diese  Vorstellung  der  spä- 
tem Bücher  den  Gdthd's  noch  fremd  ist.  Auch  merashjdt  ist  fälsch- 
lich als  ein  Fiiturum  gedeutet;  das  shj  wurde  nämlich  als  Futur- 
charakter genommen,  während  das  sh  noch  zum  Stamme  gehört; 
denn  meräsh  ist  nur  eine  andere  etwas  erweichte  Aussprache  für 
merefic,  das  Causativum  von  mere,  sterben;  jdt  ist  die  dritte 
Person  sing.  Conjunctivi  (des  sogenannten  Precativ  im  Sanskr.).  — 
Akd  —  vareiö  Ner. :  7iikhhtakdmi[i]  durgatijam  gihvajd  prabodhakah. 
Dass  die  beiden  ersten  Worte  akd  und  varand  zusammengehören' 
ist  klar.  Varand  ist  nur  eine  breitere,  vielleicht  unrichtige  Aus- 
sprache für  das  öfter  vorkommende  varena,  eigentl.  Wahl,  d.  i.  Glau- 
ben (vgl.  30,  2,  wo  von  der  grossen  Glaubenswahl,  der  Scheidung 
nach  dem  Bekenntniss,  die  Rede  ist).  Die  Uebersetzung  durch 
kdmi,  verlangend,  wünschend,  ist  nicht  ganz  zutreffend.  Den 
Casus  anlangend,  so  ist  varand  entweder  Instrumental  sing,  oder 
Nominativ  Pluralis.  Was  vorzuziehen  sei,  hängt  von  der  Fassung 
des  vareto  ab.  Westergaard  verbindet  damit  die  Präposition  d, 
welche  man  indessen  besser  trennt  und  zu  hizvd  zieht,  welches  der 
ganzen  Structur  des  Satzes  nach  kein  Nominativ  sein  kann,  sondern 
ein  Instrumental  z=  hizvajd  sein  muss;  vgl.  31,  3.  Die  mangelnde 
äussere  Endung  wird  nun  durch  die  Präposition  (hier  Postposition)  d 
ersetzt.  Vareto,  das  der  Bildung  nach  ein  Partie,  pass.  ist,  kann 
von  vare,  bedecken,  verhüllen,  oder  vare,  wählen,  abgeleitet 
werden;  aber  da  der  Begriff  verhüllt  zum  Zusammenhang  nicht 
passt,  so  werden  wir  uns  am  besten  zu  der  andern  Wurzel  wenden, 
von  der  ja  auch  varand  abstammt.  Aber  dann  kann  vareto  keine 
eigentliche  passive  Bedeutung  haben,  sondern  es  ist  ihm  die  active 
beizulegen,  welche  da^  passive  Partie,  im  Baktrischen  wie  im  Neu- 
persischen tragen  kann,  man  vgl.  bereto  meretagca,  tragend  und 
verkündigend,  im  zweiten  Farg.  des  Vend.  Bei  dieser  Fassung 
des  vareto  sind  akd  varand  die  von  ihm  abhängigen  Accusative.  In- 
strumentale könnten  diese  nur  sein,  wenn  sich  vareto  als  verhüllt 
fassen  Hesse.  Deutlicher  wird  der  Sinn,  wenn  wir  dem  vare  hier 
die  Bedeutung  von  fra-vare,  glauben,  bekennen,  beilegen. 

V.  2.  Jajdo  —  aiirem  Ner.:  jdbh^ca  mahattamah  Hormizdah 
evam  abravid  enam  hantdram  Aharmanam.  Dass  der  Dual  (gen.  Loc.) 
jajdo  sich  auf  die  mainjü  paouruje  „die  beiden  ursprünglichen  Geister" 
zurückbezieht,  ist  einleuchtend.  Das  jdbhih  des  Neriosengh  weist 
aber  nicht  auf  diese  zurück,  da  er  unter  paouruje  nicht  „die  beiden 
ersten  Geister",  sondern  die  Gdthd's  (er  hat  ddjam  gdthdbhuvah) 
versteht,  eine  ganz  willkührliche  und  verkehrte  Annahme.  Unter 
^panjdo  kann  dem  Zusammenhang  nach  nur  der  (^pento  mainjus,  der 
weisse  Geist,  Ahuramazda,  verstanden  werden,  wie  es  Ner.  auch 
richtig  deutet.     Der  Form  nach    kann  es   bloss  ein   Comparativ  und 


120         Haug,  die  Gdthas  des  Zaratimstra.  IL    Ca;).  45,2.  3. 

zwar  nur  der  Nominat.  sing.  masc.  sein;  als  Genitiv  Dualis,  der 
wegen  jajdo  verinuthet  werden  könnte,  lässt  es  sich  nicht  deuten. 
Der  Comparativ  ist  unmittelbar  von  der  Wurzel  ^pan  gebildet,  wie 
7nazjo  von  maz;  im  Nominat.  masc.  muss  die  Endung  j6  =jas  zu 
jdo  =jäs  werden.  Obschon  die  Comparativform  hier  ganz  sicher 
ist,  so  lässt  sich  derselben  hier  doch  nicht  die  Comparativbedeu- 
tung  beilegen.  Der  Comparativ  hat  öfter  den  Sinn  des  Superlativs, 
und  so  ist  auch  hier  ^panjdo  im  Sinne  von  <;imnsta  zu  nehmen  (vgl. 
kavitara  neben  kavitama  im  Weda).  —  Noit  nd  mando  Ner. :  kila 
asmdkam  manah  aham  na  tad  manje  jat  tvam  mavjase  jato  ^haifi 
sadhjdpdntaram  manjaivamca  [adhjdpdrüaram  maiijase?^.  Nd  ist  von 
Neriosengh  als  gleichbedeutend  mit  ndo  genommen,  was  aber  nicht 
wohl  angeht,  da  sich  letzeres  nie  zu  nd  abschleift.  K.  6  verbindet 
es  mit  mando,  indem  er  ndmando  liest,  was,  wäre  es  ein  Wort,  nur 
auf  ndman,  Name,  zurückgeführt  werden  könnte.  Aber  da  sich 
die  Form  grammatisch  nicht  gut  erklären  Hesse  und  da  „Namen" 
zudem  keinen  Sinn  giebt,  so  ist  diese  Lesung  zu  verwerfen.  Ebenso 
wenig  ist  an  nemanh,  Lobpreis,  zu  denken.  Nd  als  gesondertes 
Wörtchen  lässt  sich  entweder  als  Nominativ  von  nar ,  Mann,  auch 
im  Sinne  eines  unpersönlichen  Pronomens  man  gebraucht,  oder  als 
die  enklitische  Partikel  na  fassen,  wie  in  jathand.  Als  Nominativ 
sing,  giebt  es  keinen  Sinn  und  lässt  sich  nicht  construiren,  da  lauter 
Nominative  sing,  und  das  Verbum  im  Plural  folgen.  Es  lässt  sich 
nur  als  Partikel  fassen;  aber  es  fragt  sich,  welcher  Sinn  ihr  bei- 
zulegen ist.  Ich  nehme  es  als  angehängte  Fragepartikel,  so  dass 
noit-nd  vollkommen  dem  nana  48,  4  :=  7ionne?  entspricht.  Da  es 
hinter  dem  ersten  noit  des  Verses  steht,  hat  es  die  Kraft,  den 
ganzen  Satz  zu  einem  Fragesatz  umzuwandeln.  Nur  bei  dieser 
Fassung  erhält  das  Ganze  einen  befriedigenden  Sinn.  Die  negative 
Frage  non7ie?  ist  nämlich  eine  sehr  starke  Affirmation  ist  es  nicht 
so  ?  =  ja  gewiss  (man  vgl.  hebr.  N'bSr;  und  arab.  ald).  —  Für  den 
Singular  daend,  wie  West,  nach  K.  4  schreibt,  wird  richtiger  mit 
den  übrigen  Codices  der  Plural  daendo  gelesen,  da  der  Satz  lauter 
Nominative  plur.   enthält. 

V.  3.  Die  Beziehung  des  Accusat.  sing.  fem.  des  Relativs  jdm 
hat  Schwierigkeit.  Das  zunächst  vorhergehende  Wort  paoiirmm  ist 
wegen  seines  Gegensatzes  ajiemem  (mau  vgl.  auch  44,  2)  nur  als 
Neutrum  sing,  zu  fassen.  Daher  müssen  wir  entweder  einen  Schreib- 
fehler annehmen  und  jat  für  jäm  lesen,  wie  diess  Nerios.  zu  thun 
scheint,  oder  jäm  auf  ein  ausgelassenes  weibhches  Substantiv,  etwa 
daend  oder  gdthd  beziehen.  Die  Beziehung  auf  daeiid  ist  dem  In- 
halte des  Satzes  ganz  angemessen  und  findet  im  Schlusssatze  des 
vorhergehenden  Verses,  wo  die  daendo  wirklich  genannt  sind,  eine 
Stütze.  Ich  halte  diess  für  die  befriedigendste  Erklärung.  —  Joi 
im  —  vaocacd  Ner. :  je  end  bhavadbhjah  na  endm  vdnim  samdcaranli 
jathd   ijam   manasi  vacasi.     Die   Deutung   von    mendi  und    oaoca    als 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  45,  3.  4.         121 

Locative  sing,  ist  sicher  falsch.  Es  können  überhaupt  keine  Nomiual- 
forinen  sein,  da  sich  der  Zusammenhang  gegen  diese  Annahme 
sträubt  und  die  grammatische  Erklärung  derselben  nicht  wohl  mög- 
lich wäre.  Es  sind  vielmehr  erste  Personen  sing,  des  Conjunctivs. 
Vaoca(cä)  ist  sicherlich  verkürzt  für  vaocd(cd);  die  Verkürzung  konnte 
in  Folge  der  Anhängimg  des  cd  eintreten. 

V.  4.  Ashdf  —  ddt  Ner. :  puiijasain^lishtam  Hormizdo  vettd  jad 
idam  daddu.  Vor  allem  fragt  es  sich,  ob  mazddo  das  Subject  des 
Satzes  ist,  wie  Nerios.  annimmt,  oder  ob  dieses  in  vaedd  liege. 
Nach  der  erstem  Fassung  wäre  zu  übersetzen:  „von  dem  Wahren 
weiss  Mazda,  wer  ihn  schuf,  den  Vater  etc.";  nach  der  zweiten 
„von  dem  wahren  Weisen  weiss  ich,  wer  ihn  schuf,  den  Vater  etc." 
Die  erstere  ist  unstreitig  die  richtige,  wie  klar  aus  der  Parallel- 
stelle 51,  22  ashdt  hacd  vahistem  —  vaedd  mazddo  ahuro  hervorgeht. 
Eben  diese  Stelle  zeigt  uns  aber  auch  weiter,  dass  ashdt  hacd, 
welches  nur  eine  Umschreibung  des  Genitivs  ist,  wie  aus  27,  13 
erhellt,  mit  vahistem  verbunden  werden  müsse.  Ahjd  aiihhis  vahistem 
ashdt  hacd  ist  „dieses  Lebens  grösstes  Glück,  nämlich  des  jetzigen, 
wirklichen",  so  dass  ashdt  hacd  eigentlich  nur  eine  nähere  und  deut- 
lichere Bestimmung  von  ahjd  ist  (vgl.  den  Ausdruck  ashdt  haithim 
hacd  46,  19).  Sinnschwierigkeit  haben  die  Worte  je  im  dat  ptarem. 
Dass  je  sich  auf  mazddo  zurückbezieht  ist  klar.  Der  wörtliche  Sinn 
ist:  der  ihn,  den  Vater  des  guten  Geistes,  schuf.  Aber  dieser 
„Vater  des  guten  Geistes"  oder  „der  guten  Gesinnung"  kann 
Niemand  anders  sein,  als  Ahuramazda  selbst,  der  47,  2  ganz  deut- 
lich und  unmissverständlich  ptd  ashahjd  „Vater  des  Wahren"  ge- 
nannt ist.  Wie  kann  er  sich  selbst  schaffen?  Es  ist  mir  desshalb 
nicht  unwahrscheinlich,  dass  hier  ein  alter  Textfehler  steckt,  und 
für  ptarem  wohl  der  Nominativ  ]j<a  oder  pitd  zu  lesen  sein  wird. 
Die  Aenderung  mag  durch  im-mäthrem  v.  3  veranlasst  worden  sein, 
indem  man  dem  im  auch  einen  Accusativ  folgen  lassen  wollte.  Das 
im  unsers  Verses  bezieht  sich  dann  auf  anheus  zurück.  Pitd  ist 
dann  Apposition  zu  Mazda.  Verezjafito  kann  nur  Nominat.  plur.  oder 
Genit.  sing,  des  part.  praes.  von  verez,  machen,  wirken,  sein. 
Da  im  ganzen  Verse  sonst  nirgends  ein  Plural  ist  und  dieser  sich 
auch  syntaktisch  hier  gar  nicht  construiren  lässt,  so  nehmen  wir 
es  am  besten  als  genit.  sing.,  so  dass  es  ein  Prädikat  „der  guten 
Gesinnung"  als  der  das  Gute  wirkenden  Kraft  ist.  —  At  —  diwzaidjdi 
Ner. :  evam  sd  duhitd  uttamaharmam  saifipurnamanasi  prthivi  na  vjdmo- 
hita[d].  Die  Deutung  des  diwzaidjdi  durch  verwirrt,  bestürzt 
ist  nicht  genau.  Es  ist  Infinitiv  einer  Wurzel  diwz,  die  auch  in 
der  Redeweise  diwzat  haca  Vend.  18,  3.  4  enthalten  ist.  Spiegel 
übersetzt  dieselbe  (Uebersetzung  des  Vend.  p.  228)  durch  betrü- 
gerisch nach  der  Huzüreschversion.  Dass  diess  der  Sinn  sein  muss, 
zeigt  deutlich  der  ganze  Inhalt  und  Zusammenhang  des  18.  Fargard, 
wo   von    dem    Unterschied    des    unächtcn,   falschen    vom    wirklichen 


122         Hang,  die  Gäthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  45,  4.  5. 

Priester  die  Rede  ist.  Der  Form  nach  ist  diwzat,  wie  die  folgende 
Präposition  (Postposition)  haca  zeigt,  der  Ablativ  eines  sonst  nicht 
vorkommenden  diwza.  Dieses  halte  ich  für  eine  erweiterte  Form 
von  daiwis,  das  Vend.  2,  37  sich  neben  driwis,  Armuth,  als  ein 
Ahrimanisches  Uebel  erwähnt  findet.  Es  ist  sich  von  daeva  ab- 
leitend, zunächst  die  Teufelskunst,  dann  in  weiterem  Sinne  Be- 
trug (s.  weiter  zu  divamnem  31,  20).  Von  diesem  daiwis  nun,  das 
sich  durch  Ausstossung  des  i  der  letzten  Sylbe  leicht  zu  daiwz  und 
weiter  zu  diwz  zusammenziehen  konnte,  ist  unser  diwzaidjdi  ein 
denominativer  Infinitiv  in  dem  intransitiv-passiven  Sinne  betrogen 
sein,  betrogen  werden.  Für  die  passive  Bedeutung  vgl.  büzdjdi 
44,  17  und  über  den  Sinn  43,  6.  —  Vi^pd  —  ahurö  Ner, :  sar- 
va^fidnim  Hormizdijd,  worunter  nach  der  Glosse  der  Glaube  (dinih^ 
verstanden  wird.  Dass  vi^pd  als  Accusativ  mit  hishag  verbunden 
werden  müsse  und  beide  zusammen  ein  Prädikat  Ahuramazdas 
bilden,  ist  einleuchtend;  aber  die  Deutung  des  hisha^  macht  einige 
Schwierigkeit.  Die  von  Nerios.  gegebene  „erkennend"  ist  sicher 
falsch.  Am  nächsten  denken  wir  an  ishagoit  50,  2  und  hishai^at 
32,  13  (s.  die  Noten),  so  dass  die  Wurzel  sha^  =  sadh,sidh  wäre.  Aber 
der  Umstand,  dass  hier  die  nackte  ganz  unflektirte  Wurzel  stünde, 
macht  die  Ableitung  etwas  bedenklich.  Hisha<^  könnte  zwar  auch 
für  hishad-s  stehen,  wie  ^tava^  für  ^tavat-s ,  aber  was  sollte  es  für 
eine  Form  sein?  Ich  bin  daher  geneigt,  dasselbe  als  ein  Particip. 
praes.  mit  Reduplication  der  Wurzel  as,  sein,  anzusehen  und  ihm 
gemäss  der  Kraft  der  Reduplikation  eine  causative  Bedeutung  bei- 
zulegen. Dass  eine  solche  Form  von  as  im  Baktrischen  wirklich 
bildbar  ist,  zeigt  p«f  (46,  19),  das  für  sant-s  steht  und  seiend 
heisst.  Bei  der  reduplicirten  Form  wurde  statt  der  vollem  Endung 
aiit  die  kürzere  at  gewählt,  wie  in  ^tavag,  cinaq,  um  das  Gewicht 
der  Reduplikationssylbe  nicht  zu  schwächen.  Demnach  steht  hishag 
eigentlich  für  sishat-s  und  heisst  „der  seinmachende",  was  in  Ver- 
bindung mit  viq)d  „der  alles  ins  Dasein  rufende"  ein  ganz  pas- 
sendes Prädikat  des  höchsten  Gottes  ist. 

V.  5.  Joi  —  caja^cd  Ner. :  jo  madijo  tasrj^di  ^ro^dja  daddti 
agvddajatica;  (^rogdja  dcdrjdja  daddti  svijam  vapuh.  (^eraoshem  ==: 
^raoshem  kann  hier  nicht  der  Genius  Craosha  sein,  sondern  muss 
so  viel  als  Gehör  bedeuten,  da  dieser  Genius  gewiss  nicht  dem 
redenden  Propheten  von  den  Menschen  (auf  diese  bezieht  sich  joi 
zurück)  gegeben  werden  konnte,  was  der  Sinn  sein  würde,  wenn 
man  Qeraosha  für  den  bekannten  Genius  halten  würde.  Caja^cd  ist 
von  Neriosengh  ganz  falsch  durch  geniessen  erklärt.  Es  ist  der 
Plural  des  Relativ -Interrogativums  ci  (s.  das  Gl.)  und  bezieht  sich 
auf  die  maretaiihjo  zurück;  das  dazu  gehörige  Verbum  ist  upagimen. 
Mit  Haurvdtd  beginnt  ein  neuer  Satz,  dessen  Subject  mazddo 
ahuro  ist. 


Haug,  die  Gäthas  des  Zarathustra.  IL   Caj).  45,  6.  7.  8.       123 

V.  6.  ^tava^  —  hefiti  Ner. :  stuttpunjdndm  asja  uttamagnänino 
je  santi.  Die  Verbindung  des  gtava^  mit  ashd  ist  richtig,  aber  nicht 
die  gegebene  Deutung  ,,in  Lobpreisung  rein",  da  ^tava^  kein  Nomen 
abstractuin,  sondern  der  Nominat.  sing,  des  partic.  praes.  ist.  Äshä 
lässt  sich  nicht  als  Yocativ  fassen,  so  wenig  als  ^pentd  mainju  in 
der  folgenden  Zeile,  sondern  entweder  als  Accusativ  plural.  neutr. 
„die  wahren,  wirklichen  Dinge"  oder  als  Instrumental,  sing.  Für 
letztere  Fassung  spricht  das  sogleich  folgende"  je  huddo  „welcher 
gutthuende";  doch  kann  dieses  auch  auf  vi^paiiäm  mazistem  sich  be- 
ziehen. Da  aber  das  transitive  ^tava^,  lobend,  preisend,  kein 
Object  hätte  und  letzteres  nicht  gut  entbehrt  werden  könnte,  so 
thun  wir  am  besten,  wenn  wir  ashd  als  Objectsaccusativ  nehmen. 
Je  huddo  und  joi  hefiti  sind  sich  coordinirt;  zu  ersterem  muss  ist 
ergänzt  werden,  letzteres  ist  mit  dem  folgenden  ^petltd  mainju,  das 
als  Instrumental  sing,  zu  fassen  ist,  zu  verbinden.  Unter  je  huddo 
ist  nur  der  höchste  Geist  Ahuramazda,  unter  joi  hefiti,  wozu  der 
Plural  huddonhd  ergänzt  werden  muss,  sind  dagegen  die  übrigen 
hohen  Genien  zu  verstehen.  —  J^hjd  —  mananhd  Ner.:  jasja  pra- 
ndmah  uttamasja  pragnatajd  manasah.  Ueber  vahme  s.  zu  34,  2,  und 
über  frashi,  das  auch  hier  kein  Verbum  ist,  zu  44,  8. 

V.  7.  Jehjä  —  rddanhd  Ner. :  asja  Idbhdt  samihe  dakshind  [m]. 
^avd  ist  indess  kein  Ablativ,  sondern  ein  Instrumentalis,  und  ishdonti 
ist  keine  erste  Person  sing.,  sondern  eine  dritte  plur.  Auch  ist  die 
dem  letztern  Wort  gegebene  Bedeutung  verlangen,  trachten 
nicht  passend;  es  hat,  wie  anderwärts  in  den  Gdthd's  (s.  v.  1  n. 
30,  1)  die  Bedeutung  von  kommen,  gehen.  Rddanho  (Genit. 
eines  Thema's  rddanh)  heisst  nicht  Gabe,  Geschenk,  da  es  sich 
nicht  von  m,  geben,  ableiten  lässt,  sondern  Handlung,  That 
(s.  über  rdd  zu  33,  2).  Der  Vers  ist  citirt  Ja^.  7,  24.  —  Aesho 
giebt  Ner.  durch  abhtpsajah.  S.  über  aesho  zu  der  ähnhchen  Stelle 
44,  17.  —  Etwas  fraglich  ist  die  Form  utajütd,  der  wir  sonst  nir- 
gends in  den  Gdthd's  begegnen.  Das  Thema  ist  utajuiti,  wie  uta- 
jüitis  30,  7  deutlich  beweist.  Da  es,  wie  anderwärts,  nur  ein  Prä- 
dikat von  ameretditi  ist  und  dieses  ein  Locativ  sing,  sein  muss,  so 
liegt  die  Annahme  nahe,  dass  utajutd  eigentlich  für  utajütjd  stehe 
und  der  im  Sinne  eines  Instrumentals  gebrauchte  Locativ  (wie  häufig 
im  Weda)  sei.  Doch  ist  es  auch  möglich,  utajütd  als  Nom.  femin.  sing, 
zu  fassen,  aber  dann  muss  als  Thema  die  verkürzte  Form  utajüt 
(vgl.  ishud)  angenommen  und  mit  dem  folgenden  Relativum  „welche 
ewige"  verbunden  werden.  Die  erstere  Fassung  verdient  indess 
den  Vorzug. 

V.  8.  Tem  —  vivareshö  Ner. :  tasmdi  asmabhih  stutih  prandmah 
lato  ^dhikam  vidhejjah,  diesem  müssen  wir  noch  mehr  Lob  und  Ver- 
ehrung darbringen.  Für  Westergaard's  ve  varesho  schreibt  man 
besser  vivareshö  als  ein  Wort  (K.  6,  P.  6  haben  vi  für  ve).    So  be- 


124         Hmig,  die  Gdth4's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  45,  8.  9. 

kommen  wir  eine  rediiplizirte  Form,  gerade  wie  uns  das  erste  Glied 
der  zwei  folgenden  Verse  solche  aufweist,  cikhshnusho  v.  9  und 
mimaghzö  v.  10.  Auch  die  Bedeutung  muss  eine  ähnliche  sein.  Dass 
die  \VuTze\  varesh,  eine  Erweiterung  von  verez,  thun,  machen,  ist, 
scheint  unzweifelhaft  zu  sein.  Aber  die  Bedeutung  machen,  wir- 
ken, ausführen,  vollbringen,  die  es  sonst  hat  (s.  das  Gl),  will 
hier  keinen  genügenden  Sinn  geben,  da  das  Object  zu  vivareshö, 
das  auf  Ahuramazda  zurückweisende  tem  ist.  Den  Ahuramazda 
vollenden  kann  aber  nur  den  Sinn  von  ihn  verherrlichen  haben; 
und  diess  stimmt  ganz  zu  den  parallelen  Wörtern  der  zwei  folgenden 
Verse  cikhshnusho,  verehrend,  anbetend,  und  mimaghzö,  rüh- 
mend, verherrlichend.  Der  Form  nach  scheint  es,  wie  die  beiden 
andern,  eine  zweite  Person  sing.  Aoristi  zu  sein;  aber  der  Zusam- 
menhang in  allen  drei  Versen,  namentlich  in  dem  achten,  spricht 
dagegen.  Alle  drei  Formen  haben  die  Reduplicatiou  und  die  Endung 
sho.  Letztere  ist  der  Nominativ  von  sha.  Da  dieses  keine  Participial- 
endung  ist,  der  Accusativ  Um  aber  ein  Particip  oder  ein  Verbum 
finitum  fordert,  so  werden  wir  irgend  eine  Verbaladjectivform  hier 
zu  suchen  haben.  Das  sh,  s  und  die  Reduplicatiou  weisen  auf  das 
Desiderativura.  Von  diesem  bilden  sich  im  Sanskrit  durch  u  solche 
Verbaladjective,  z.  B.jujiitsu,  gern  kämpfen  wollend.  Im  Baktrischen 
wurde  statt  des  u  das  a  angewandt.  Sonach  kommt  dem  vivaresho 
die  Bedeutung  zu  verherrlichen  suchend,  strebend,  zu.  Zu 
diesen  Bildungen  gehört  auch  didereghzo  44,  15.  —  Nil  —  vjddare^em 
Ner. :  nanu  jatah  idam  locandbhjditi  vidf^jate.  Zit  ist  hier  ganz  richtig 
in  551  (jatah)  und  it  (idam)  aufgelöst.  —  Vidus  ist  mit  ashd  zu  einem 
Compositum:  vtdus-ashd,  zu  verbinden  (s.  zu  28,5  vidus-mazddo). 
Ashd  ist  Nominal,  acc.  plur.:  die  kundigen,  wahren,  worunter  indess, 
wie  das  gleich  folgende  zeigt,  nur  der  eine  Mazda  verstanden 
werden  kann. 

V.  9.  Je  —  agpeiicd  Ner. :  jo  asmdkam  samtushtjdca  kdrasa- 
mddhdnam  samadhänim  nah;  kila  tasjdm  durgatimdn  samddhdnajat  [?] 
kimcit  asti  Hormizddt.  Ueber  u<^m  s.  zu  44,  10  und  über  cöret  zu 
44,  7.  Qpencd  und  a^pencd  sind  deutlich  Gegeiisätze  und,  wie  es 
auf  den  ersten  Anblick  scheint,  Substantive.  Da  beide  keine  Casus- 
zeichen haben,  weder  die  des  Nominativs  noch  die  eines  Casus 
obliquus,  so  scheint  die  rein  Substantive  Fassung  etwas  bedenklich 
zu  sein.  Man  kann  sie  gleichwie  u^en  für  Participia  praesentis  er- 
klären, so  dass  sie  für  ^pjan  und  a^pjan  stehen  und  die  Wurzel  gpi 
ist.  Die  Parallelstelle  34,  7,  wo  a^pencit  dem  ^ddrdcit  parallel  steht, 
spricht  wenigstens  nicht  dagegen.  Auf  eine  Form  gpm  weist  deut- 
lich das  Adjectiv  (^pemat  51,  21,  der  Superlativ  (^penista  und  das 
participiale  Adjectiv  (^penta.  Dass  aber  (^pen  nicht  die  eigentliche 
Wurzel,  sondern  erst  aus  dieser  abgeleitet  ist,  zeigt  der  Superlativ 
^pitama,  dem  deutlich  eine  Wurzel  ^pi  zu  Grunde  liegt.  Von  dieser 
wurde    durch  Anhängung    der  Participialendung  an   die   Form  (^pjan 


Haiig,  die  Gdfhd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  45,  9.  10.        125 

gebildet,  die  sich  nach  Aiisstossung  des  schwachen  a,  einem  Falle, 
dem  wir  im  Sanskrit  oft  genug  begegnen,  zu  ^ptii  zusammenzog, 
das  dann  weiter  zu  cpen  wurde,  wie  denn  ja  e  oft  genug  aus  i  ent- 
steht (s.  die  Graramat.).  Die  Bedeutung  der  Wurzel  ^pi  ist  im  andern 
Dialekte  wegnehmen;  ihre  ursprüngliche .  war  aber  „helle,  licht 
sein"  (s.  zu  ^pajathrahja  30,  10),  die  dann  in  die  metaphorische 
von  „heilig  sein"  überging.  Hier  ist  die  ursprüngliche  Bedeutung 
„helle"  vorzuziehen.  Die  Construction  anlangend,  so  sind  beide 
Wörter  als  adverbiale  Bestimmung  zu  n(^tn  zu  fassen,  „hell  seiend 
und  nicht  hell  seiend",  d.  i.  mag  es  hell  oder  dunkel  sein,  in  Licht, 
wie  in  Finsterniss.  —  Für  khshathrd  varezi,  wie  West,  nach  K.  5 
schreibt,  lesen  K.  6,  P.  6  varezindo,  K.  4,  9  verezmjdo.  Die  Wester- 
gaard'sche  Lesung  bietet  mannigfache  Schwierigkeiten;  erstens  statt 
eines  Verbums,  djdt,  würden  wir  zwei  in  den  Satz  bekommen,  da 
varezi  doch  kaum  anders  wie  als  eine  dritte  Person  imperf.  pass.  ge- 
fasst  werden  könnte;  diess  würde  aber  den  Zusammenhang  des  Satzes 
stören,  da  man  khshathrd  varezi  durch  zur  Herrschaft  gemacht, 
d.  i.  herrschend  gemacht,  deuten  müsste,  eine  Verbindung  und  Fas- 
sung, die  ohne  Analogieen  ist.  Zweitens  würde  das  ndo,  uns 
beiden,  schwier  zu  beziehen  sein,  da  im  ganzen  Capitel  von 
„zweien"  nirgends  die  Rede  ist.  Diese  Schwierigkeiten  werden  ver- 
mieden, wenn  man  die  varezindo  als  ein  Wort  liest.  Das  i  steht 
für  e,  welches  auch  einige  Codd.  haben;  die  richtigste  Lesung  ist 
varezendo.  Diess  ist  entweder  der  Nomin.  plur.  femin.  eines  Thema's 
varezmd  oder  eine  Adjectivbildung  von  dem  in  den  Gdthd's  häufig 
vorkommenden  Substantiv  varezena  (verezena).  Die  erstere  Fassung 
hat  einige  Schwierigkeit;  die  zweite  dagegen  keine.  Da  varezena 
das  Thun,  Arbeiten,  die  Arbeit  (concret  Dien  en)  ist,  so  heisst 
varezendo  der  arbeitende,  khshathrd  muss  damit  zu  einem  Compo- 
situm „der  die  Herrschaft  machende"  verbunden  und  das  Ganze 
auf  Ahuramazda  bezogen  werden.  —  Haozäthwdt  —  mananho  Ner. : 
susdinjatäm  Gvahmanena  asmabhjam  dehi.  Hienach  soll  haozäthwdt 
gutes  Kriegsheer  bedeuten,  welcher  Erklärung  die  Ableitung  von 
haendf  Heer,  zu  Grunde  zu  liegen  scheint.  Diese  Deutung  ist 
indess  entschieden  falsch,  da  sie  sich  durch  keine  vernünftige  Ety- 
mologie, auch  nicht  durch  Parallelstellen  rechtfertigen  lässt.  Es  kann 
nur  eine  Abstractbildung  von  huzentus  „edelgeboren"  (s.  das  Gl.) 
sein.  „Durch  edles  Wesen,  hohe  Natur"  bezieht  sich  auf  Ahura- 
mazda zurück. 

V.  10.  lieber  das  Desiderativ  mimaghzo  s.  zu  8  und  das  Gloss. 
s.  v.  maz.  —  Coist,  eine  verkürzte  Form  der  dritten  Person  sing, 
imperf.  für  cuithat  von  der  Wurzel  cith,  wissen,  kennen,  muss  hier 
absolut  genommen  werden,  da  ashd  nicht  sein  Accusativ  sein  kann, 
sondern  als  Adjectiv  mit  mananhd  verbunden  werden  muss.  Dafür 
spricht  ganz  deutlich  das  cd  nach  vohü,  das,  wollte  man  ashd  als 
Substantiv  nehmen,    gar  keinen  Sinn  hätte    imd    auch    nicht  zu  er- 


126      Hang,  die  Gdthäs  des  Zarathustra.  IL    Cap.  45,  10.  11. 

klären  wäre.  —  Haurvätd  ameretätd  sind  hier  zwei  Nominative  Dualis, 
während  einer  genügte,  haurvdt- ameretätd ;  vgl.  die  wedischen  Ver- 
bindtingen  Indrdvarundu ,  djdvdbhümi.  Dan  kann  hier  nicht,  wie  v.  5 
und  49,  4  die  dritte  Person  plur.  Aoristi  sein,  da  sie  sich  auf  kein 
Subject  beziehen  Hesse.  Haurvdtd  ameretätd  kann  nicht  Subject  sein, 
da  die  von  dä?i  abhängigen  Worte  tevishi  utajüiti  nur  Prädikate  von 
Haurvdtd  ameretätd  in  den  Gdthd's  sind;  man  müsste  nämlich  über- 
setzen „der  Wohlstand  und  die  Unsterblichkeit  geben  dieser  Welt 
die  beiden  ewigwirkenden  Kräfte",  während  die  „beiden  Kräfte" 
ja  gerade  Haurvdtd  Ameretdtd  sind,  welche  Uebersetzung  daher  ganz 
sinnlos  sein  würde.  Zudem  würden  diese  Duale  auch  den  Dual  des 
Verbums  erfordern,  was  dän  auf  keinen  Fall  sein  kann.  Es  steht 
indess  noch  ein  anderer  Ausweg  offen,  um  dän  als  dritte  Person  plur. 
fassen  zu  können,  nämlich  die  Annahme,  dass  hier  die  Gesammtheit 
der  höhern  Genien,  die  Mazda's,  die  spätem  Amesha  gpenta''s,  ge- 
meint sei.  Diess  wäre  aber  sehr  auffallend,  da  gerade  in  diesem 
Verse  nur  von  einem  Ahuramazda  die  Rede  ist  und  nur  seine 
Herrschaft  (khshathroi  hoi)  erwähnt  wird.  Fasst  man  dagegen  dän 
als  Partie,  praes.  (ebenso  in  der  Parallelstelle  47,  1),  so  bezieht  es 
sich  ohne  alle  Schwierigkeit  auf  Mazdäo  ahuro  zurück.  Syntaktisch 
ist  das  letzte  Glied  als  ein^eigenes  Sätzchen  zu  fassen,  in  dem  nur, 
wie  so   oft,   das  Verbum  substantivum   ergänzt  v^-erden  muss. 

V.  11.  Jat^td  —  mainjantd  Ner. :  samdgagmuh  devdh  pa^cad 
manushjdndmca  hinamdnasa\s6?\  ja  endm  hindm  manjante  [endm 
grishti\m\].  Für  ja^td  liest  K,  11  ja^cd,  was  indess  dem  unbe- 
fangenen Auge  sich  leicht  als  Conjectur  eines  Abschreibers,  dem 
jagtd  nicht  mehr  verständlich  war,  kundgiebt.  Es  ist  indess  nicht, 
wie  man  vermuthen  könnte,  Nomen  actoris  von  jag,  verehren, 
wonach  es  „Verehrer"  hiesse,  noch  auf  die  Wurzel  jd,  gehen, 
zurückzuführen  und  als  Verbum  zu  fassen,  wie  Nerios.  thut  („zu- 
sammenkommen"), sondern  es  ist  wie  31,  7  in  das  Relativum  jag 
und  das  Demonstrativ  td  aufzulösen.  Letzteres  kann  formell 
dreierlei  sein,  Nominat.  femin.  sing.,  Instrumental,  mascul.  sing. 
und  Nom.  Acc.  plur.  neutr.  Die  erste  und  dritte  Fassung  haben 
grosse  syntaktische  Schwierigkeiten,  die  zweite  dagegen  nicht,  wenn 
man  es,  wie  man  muss,  im  adverbialen  Sinn  so,  somit  oder  hie- 
durch  nimmt.  —  Aparo  fasst  Nerios.  adverbial  nachher;  aber 
dieser  Fassung  scheint  die  Form,  welche  deutlich  der  Nomin.  sing, 
eines  Thema's  apara  ist,  zu  widersprechen.  Sie  ist  übrigens  da- 
durch zu  vertheidigen,  dass  man  aparo  in  parö,  vorher,  -f-  a  privat., 
also  nicht  vorher  =  nachher  zerlegte,  wobei  man  sich  auf 
apaourvim  28,  4  berufen  könnte.  Aber  dieser  Erklärungsversuch  ist 
allzukünstlich;  zudem  steht  in  keinem  der  vorhergehenden  Verse  der 
Gegensatz  parö,  während  wir  28,  2  paourvim  als  deutlichen  Gegen- 
satz zu  apaourvim  28,  4  haben.  Auch  würde  die  Construction  einige 
Schwierigkeit  machen ;  das  cd  nach  mashjägcd  wäre  dann  überflüssig. 


Haug^  die  Gäthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap,  45,  11.  127 

Ist  nun  aparo  nicht  als  Adverbium  für  sich  zu  fassen,  so  scheint  die 
adjective  Fassung  und  Beziehung  auf  ja^  die  nächste.  Dann  müsste 
es  wohl  in  seiner  spätem  Bedeutung  „andere"  (Jt.  10,  125),  noch 
erhalten  in  aware ,  andere,  im  Pärsi,  genommen  werden.  Aber 
hiebei  „welcher  andere  glaubt"  wäre  der  so  nothwendige  Gegen- 
satz im  Vorhergehenden  ebenfalls  nicht  aufzufinden.  Die  einfachste 
und  sicherste  Lösung  dieser  Schwierigkeiten,  scheint  mir  die  Ver- 
bindung des  aparo  mit  mashjd^cd  zu  einem  Compositum  zu  sein. 
Dass  apara  wirklich  als  erstes  Glied  von  zusammengesetzten  Wör- 
tern vorkommt,  zeigen  aparo-apdkhtara  (Jt.  3,  17),  apara-zdtahe 
(Jt.  13,  127),  apara-irithento  (Jt.  13,  11).  In  dem  erstem  Beispiel 
hat  es  eine  örtliche  Bedeutung  „weit  nördlich"  oder  „fern  im 
Norden",  in  den  beiden  andern  eine  zeitliche  „nachgeboren"  und 
„nachher  sterbend",  d.  i.  künftig  sterbend.  Wenn  auch  beide  Be- 
ziehungen auf  aparo-mashjä^cd  nicht  anwendbar  sind,  so  lässt  aparo 
glücklicherweise  auch  noch  eine  weitere  Beziehung  zu.  Seinem  Ur- 
sprung nach  Comparativ  der  Präposition  apa,  weg,  hinweg,  be- 
zeichnet es  von  zwei  Gegenständen  nur  den  fernem,  dem  Raum, 
der  Zeit  oder  auch  der  blossen  Anordnung  nach.  In  letzterer  Be- 
ziehung nimmt  es  die  Bedeutung  der  andere,  zweite  an,  ebenso, 
wie  sein  Superlativ  apemem,  das  „letzte",  dem  paourvim,  das  „erste", 
gegenübersteht.  Und  diese  stimmt  am  besten  zum  Zusammenhang, 
indem  so  den  daeva's  die  Menschen  als  zweites  gegenübergestellt 
werden.  Der  Sinn  des  Compositums  ist  somit:  „und  die  Menschen 
als  zweites",  d.  i.  sowohl  die  Daeva's  als  die  Menschen.  Die  Worte 
joi  im  tarem  mainjaiitd  sind  ein  die  mashjä^cd  näher  bestimmender 
Relativsatz;  denn  nur  die  schlechten  Menschen  können  in  eine 
Linie  mit  den  Daeva's  gestellt  werden.  Im  ist  hier  wie  im  Weda  nur 
ein  das  Relativ  hervorhebendes  Enklitikum ,  ebenso  hoi  im  folgenden 
Gliede.  Anjeng  ist  von  tarem  mä^td  abhängig,  da  mainjantd  als  Passiv 
gefasst  werden  muss,  wie  mainjete  44,  12.  —  ^aoshjafito — daend 
Ner. :  Idhhamatdm  guruh  paiit^ca  mahatjd  dineh.  Die  Erklärung  des 
^aoshjantö,  das  der  Form  nach  übrigens  hier  nur  Genitiv  sing,  (nicht 
Nomin.  plur.)  sein  kann,  durch  „die  Nützlichen"  stützt  sich  auf  die 
Ableitung  des  Wortes  von  fu,  nützen,  helfen.  Diese  ist  schon 
im  Zendawesta  selbst  zu  lesen  Jt.  13,  129:  j6  anhat  gaoshjä^  ve- 
rethraga  ndma  a^tvnt-ereta^ca  näma  avatha  gaoshjd^  jatha  vi^pem  ahum 
a^tvafitem  (^dvajaf,  wonach  der  künftige  Todteuerwecker  desswegen 
Qaoshjä^.  heisst,  weil  er  allem  irdischen  Leben  nütze.  Auf  eine 
solche  Ableitung  führt  auch  eine  ältere  Stelle  Ja^.  55,  4,  wo  von  den 
gaethd's  der  ^ujamandmca  (^aoshjafdäm  „der  jetzt  Nützenden  und  in 
Zukunft  Nützenwerdenden"  die  Rede  ist.  Dieser  alten  Autoritäten 
ungeachtet  ist  dieselbe  falsch  und  hat  hauptsächlich  nur  einen  dog- 
matischen Entstehungsgrund.  Denn  am  Ende  der  Tage  wurde  ein 
(^aoshjäq  als  Wiederbringer  alles  zu  Grunde  gegangenen  Lebens,  als 
Erwecker  der  Todten,  mit  dem  eine  neue  Aera  des  Glücks  und 
Friedens    beginnen    sollte,    erwartet.     Was  war  natürlicher,    als  den 


128  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  45,  11. 

Naineii  desselben  auf  die  so  nahe  liegende  Wurzel  ^u ,  nützen, 
helfen,  zurückzuführen,  da  er  ja  der  durch  die  Ahrimanischen  Uebel 
so  arg  heimgesuchten  Schöpfung  wieder  helfen  sollte?  Diese  Her- 
leitung war  um  so  verführerischer,  als  gaoshjä^  auch  der  Form  nach 
ein  Particip.  fnturi  zu  sein  schien  und  dieser  grosse  Helfer  erst  in 
der  Zunkunft  erwartet  wurde.  Da  aber  weder  die  Vorstellung  von 
einem  am  Ende  der  Tage  kommenden  (^aoshjäg  den  Gdthd's  be- 
kannt, noch  irgendwo  darin  auf  die  Ableitung  von  (^u,  nützen, 
angespielt  ist,  so  haben  wir  schon  Grund  genug,  an  dieser  Her- 
leitung wenigstens  zu  zweifeln.  In  diesen  alten  Liedern  sind  die 
(^aoshjanto  (der  Plural  ist  gewöhnlicher  als  der  Singular,  s.  das 
Gloss.)  nur  wirklich  lebende  Menschen,  die  der  Verbreitung  des 
Glaubens  auf  alle  Weise  förderHch  sind  (vgl.  namentlich  48,  12,  wo 
eine  nähere  Definition  gegeben  ist).  Nach  Ja9.  12,  7  werden  Za- 
rathustra, Vistdgpa,  Gdmd^pa  und  andere  berühmte  Glaubensmänner 
der  Vorzeit  mit  den  ^aoshjafito's  zusammengestellt;  Jac.  9,  2  wird 
Zarathustra  von  Haoma  aufgefordert:  „preise  mich,  wie  mich  alle 
übrigen  ^aoshjaflto  priesen  (^tavän)''^  und  diesen  frühern  Verehrern 
sind  im  Verlauf  des  Capitels  Vivanhäo  der  Vater  Jima^s,  Athwja, 
Thrita,  lauter  Persönlichkeiten  des  iranischen  Mythenkreises,  bei- 
gezählt. Hieraus  ergiebt  sich  klar,  dass  die  ^aoshjanto  als  keine 
erst  in  ferner  Zukunft  erscheinenden  Wesen,  sondern  als  solche,  die 
längst  der  Vergangenheit  oder  wenigstens  nur  der  Gegenwart  an- 
gehören, gedacht  wurden.  Wie  könnte  nun  auf  dieselben  die  Be- 
ze'chnung  „die  nützenwerdenden"  anwendbar  sein?  Gegen  diese 
PvUtung  spricht  indess  nicht  bloss  die  ältere  Vorstellung  über  die 
Qaoshjanto's,  sondern  auch  die  ältere  Form,  unter  der  es  sich  ge- 
wöhnlich in  den  Gdthd's  findet.  Diese  ist  gaoskjä^ ,  Qaoskjantö. 
Sk  und  sh  sind  aber  nicht  so  ohne  weiteres  gleichbedeutend  und 
etwa  bloss  orthographisch  verschieden.  Sk  kann  zwar  zu  sh  werden, 
aber  nie  umgekehrt.  In  den  Gdthd's  finden  wir  nirgends  das  sk 
aus  *  oder  sh  hervorgegangen  (s.  über  skjäg  zu  44,  9),  sondern 
dasselbe  entspricht  entweder  einem  sanskritischen  cha  oder  ca  (vgl. 
skjaothana  =  skr.  cjdutna) ;  mit  diesen  Lauten  beginnt  aber  nie, 
weder  im  Sanskrit,  noch  im  Baktrischen  die  Futiirendung,  sondern 
mit  s,  sh.  Somit  ist  die  Deutung  des  ^aoshjäq  als  eines  Particip. 
futuri  entschieden  gegen  die  Lautgesetze.  Die  einzig  richtige  Ab- 
leitung ist  die  von  der  Wurzel  fwc,  leuchten,  die  ich  schon  früher 
gab.  Sie  findet  sich  sowohl  im  Weda,  als  in  den  Gdthd's  (^ogucdiiah, 
leuchtend,  ist  ein  öfter  gebrauchtes  Prädikat  Agiii's  im  Weda). 
Qaoshjä^  könnte  nun  Partie,  praes.  davon  sein,  da  diese  Wurzel  nach 
der  vierten  Conjugation  flectirt  wird,  und  „der  Leuchtende'*  heissen. 
Diese  Benennung  der  alten  Helden  würde  auch  nicht  auffallend  sein, 
wenn  man  bedenkt,  dass  die  Sage  sie  von  einem  Lichtglanz  (qarenöj 
umgeben  sein  lässt,  kraft  dessen  sie  ihre  grossen  Werke  vollbrach- 
ten, wie  uns  der  19.  Jescht  zeigt.  Aber  gegen  diese  Fassung 
spricht  das  ao  =  o.    Wäre  es  wirkliches  Particip.  praes.  des  einfachen 


Hang,  die  Gäthd's  des  Zaraifiustra.  II.    Cap.  45,  11.   Cnp.  46.      129 

Stammes,  so  hätten  wir  guskjä^  zu  erwarten.  Die  Guninmg  weist 
auf  den  Causativstamm.  Dieser  lautet  nach  32,  14  ^aocaj,  so  dass 
eigentlich  ^aoskajd^  =  ^aocajd^  zu  erwarten  wäre.  Aber  dieser  kann 
sich  auch  durch  Ausstossung  des  a  vor  aj  verkürzen,  wie  uns  diess 
ukhshjeüi  44,3,  wachsen  machen,  deutlich  zeigt.  In  Folge  einer 
solchen  Verkürzung,  wie  sie  in  den  Gäthd's  öfter  vorkommen  (man 
vgl.  ptd  für  patd  oder  pitd),  wurde  ^aocajdg  zu  ^aocjdg ,  unmittelbar 
vor^  konnte  sich  aber  c  nicht  halten,  sondern  ging  wie  in  skjaothana 
(für  cjotnd)  in  sk  über.  Als  Partie,  praes.  des  Causativs  heisst  nun 
^aoskjdg  „helle  machend,  licht  machend",  was  nur  auf  das  An- 
zünden und  Unterhalten  des  heiligen  Feuers  sich  beziehen  kann. 
Hierauf  spielt  auch  32,  14  je  duraoshem  (^aocajat  avo  an,  welche 
Worte  wahrscheinlich  nur  ^aoskjd(^  umschreiben  und  erklären,  ^aoskjdg 
ist  sonach  wie  aiigru  (s.  zu  44,  12)  nur  ein  Name  der  uralten  arischen 
Feuerpriester,  wie  die  Atharvan's  und  die  Bhrgu's  im  Weda.  Wie 
sich  daraus  die  Idee  eines  Messias  entwickeln  konnte,  werde  ich 
anderswo  zeigen.  —  Ueber  deng-pati  =z  dathjmti,  Hausherr,  s. 
Zeitschr.  der  D.  Morgen).  Ges.  VIII,  p.  767,  not.  1  und  das  Gloss. 
Zusammengezogen  ist  das  erste  Glied  deilg  aus  damas,  Genit.  eines 
Thema's  dam,  Haus,  wovon  demdna,  Wohnung^  eine  Weiterbildung 
ist;  man  vgl.  vanas-pati,  Holzherr  (von  Agni)  im  Weda,  in  welcher 
Composition  ein  Thema  van  und  nicht  das  gewöhnliche  vana,  Holz, 
angenommen  werden  muss.  Als  Accusativ  plur.  eines  Thema's  di,  das 
„Nachdenken"  heissen  könnte,  lässt  es  sich  nicht  gut  fassen;  dagegen 
spricht  sowohl  die  Construction  als  der  Sinn  und  Zusammenhang.  — 
Syntaktisch  betrachtet  sind  die  Worte  von  ^aoshjafito  —  da4nd  ein 
Zwischensatz,  dem  die  Copula  fehlt  und  dessen  Subject  daend  ist; 
„des  feueranzündenden  Hausvaters  heiliger  Ausspruch  ist."  Der  Nach- 
satz für  jagtd  etc.  beginnt  erst  mit  urvaihö.  Dieses  letzte  Versglied 
giebt  Nerios.  durch :  müro  hhrdtd  päd  vä  Hormizdah  richtig  wieder. 
Schwierigkeit  macht  die  Verbindung  von  ahiird  mazdd.  Vocativ  kann 
es  hier  nicht  sein,  da  nicht  nur  der  ganze  Zusammenhang  des  Verses 
einem  solchem  Ausrufe  widerstrebt,  sondern  die  übrigen  Worte  dieses 
Gliedes  auch  gar  nicht  construirt  werden  könnten.  Wir  müssen  die 
beiden  Worte  entweder  als  Nominat.  Dual,  oder  als  Dative  sing, 
fassen.  Ich  ziehe  erstere  Fassung  vor,  da  auf  diesen  Dual  oft  genug 
durch  das  Pronomen  vdo  (genit.  Dualis)  zurückgewiesen  wird. 


Capitel   46. 

Wir  haben  hier  nicht,  wie  im  unmittelbar  vorhergehenden  Stücke, 
ein  grösseres  zusammenhängendes  Lied,  sondern  meist  nur  einzelne, 
oft  in  gar  keinem  Zusammenhange  stehende  Verse,  ähnlich  wie  im 
Cap.  31.  Der  Inhalt  ist  zu  verschieden  und  ungleichartig,  als  dass 
sich  nur  eine  äussere  Einheit,  wie  in  44,  könnte  erkennen  lassen. 
Das  Klagelied  des  Propheten  über  seine  Verfolgung  steht  neben 
Abhandl.  der  DMG.    II,  2.  9 


130  Hang^  du  Gäthas  des  Zarathustra.  II.    Cap.  46. 

allgemeinen  Sentenzen,  die  Zurufe  und  Ermunterungen,  die  Zara- 
thustra und  seinen  Freunden  gelten,  neben  der  Geschichte  vom  Ur- 
sprünge der  Gäthd's.  Betrachten  wir  die  einzelnen  Verse  und  Vers- 
gruppen für  sich. 

a)  1.  2.  Klage  Zarathustra's  iiber  Verfolgung.  Der  Prophet 
ist  von  feindlichen  Machthabern,  die  seiner  neuen  Lehre  abhold 
waren,  aus  seinen  gewöhnlichen  Aufenthaltsorten  vertrieben.  Er  muss 
von  Land  zu  Land  irren  und  weiss  nicht,  wo  er  für  sich  und  seinen 
Begleiter  eine  Zufluchtsstätte  finde.  Weder  die  Fürsten  noch  ihre 
Diener  glauben  und  huldigen  ihm.  Dessen  ungeachtet  will  er  bei 
seinem  Glauben  beharren  und  sich  nur  an  den  wahren  lebendigen 
Gott  Ahuramazda,  nicht  an  die  nichtigen  Götzen  wenden.  Aber  wie 
kann  er,  verfolgt  und  verbannt,  diesen  Glauben  ausüben?  (Mit 
dieser  Frage  wendet  er  sich  an  Ahuramazda.  Unter  qaetiis^  der 
Eigene,  der  Herr,  ist  der  Prophet  selbst  zu  verstehen,  wie  der 
Zusammenhang  lehrt.  Der  airjama  ist  einer  seiner  Gefährten, 
De-gdjiidqja  oder  Frashaostra.')  Er  fleht  in  seiner  verlassenen  hilf- 
losen Lage  den  Ahuramazda  um  Hilfe  an.  Da  er  sein  treuergebener 
Diener  sei,  so  möge  er  sein  Weinen  ansehen  und  seine  Klage  hören. 
Er  könne  ja  als  der  Mächtige,  der  über  alle  Glücksgüter  gebiete 
und  sie  vertheile,  ihm  leicht  helfen.  Als  sein  Freund  erwarte  er 
diese  Hilfe  um  so  eher,  nach  dem  alten  Spruche,  „dass  ein  Freund 
dem  Freunde  giebt"  (vgl.  43,  14).  Zum  Schlüsse  hebt  er  noch- 
mals des  wahren  Gottes  Macht  als  des  Besitzers  aller  Güter  und 
Gaben  des  guten  Sinnes  hervor,  um  sein  Vertrauen  zu  stärken. 

Dass  beide  Verse  von  Zarathiistra  selbst  herrühren  und  die 
Erinnerung  an  eine  seiner  heftigsten  Verfolgungen  enthalten,  scheint 
mir  ganz  sicher  zu  sein.  Die  Ausdrücke  qaetus,  airjamdy  verezena 
(32,  1.  33,  3)  sind  acht  zarathustrisch,  namentlich  in  ihrer  Zusam- 
menstellung; ebenso  findet  sich  die  Redeweise,  „wie  der  Freund 
dem  Freunde  giebt"  in  sicher  ächten  Stücken  (43,  14.  vgl.  44,  1). 

b)  3.  Dieser  Vers  steht  nicht  nur  weder  mit  dem  Vorher- 
gehenden noch  mit  dem  Nachfolgenden  in  irgend  einem  Zusammen- 
hange, sondern  selbst  seine  einzelnen  Glieder  gehören  gar  nicht  zu- 
sammen, da  sich  wirklich  kein  Gedankenfortschritt  entdecken  lässt. 
Er  enthält  ähnlich  wie  44,  6  verschiedene  Fragmente  von  Lieder- 
versen. Die  zwei  ersten  Glieder  gehören  zusammen.  Ahuramazda 
wird  darin  gefragt,  wann  die  Verkündiger  der  Tage  zur  Erhaltung 
der  Ordnung  in  der  Welt  entstanden  seien.  Dass  unter  diesen  nur 
die  Himmelslichter  verstanden  werden  können,  zeigt  50,  10  deut- 
lich genug.  Gerade  desshalb  kann  auch  das  folgende  dritte  Glied, 
in  dem  von  den  sich  in  künstlichen  Liedern  kundgebenden  Einsich- 
ten der  Feuerpriester  geredet  wird,  in  keinen  Zusammenhang  damit 
gebracht  werden,  man  müsste  nur  annehmen,  „die  Verkündiger  der 
Tage"  seien  hier  bildlich  von  den  Liedern  zu  verstehen,  welche  die 
Priester  jeden  Morgen  erschallen  lassen,  was  aber  sehr  unwahr- 
scheinlich  klingt.      Ich    glaube,    dass   unter    diesen    „Einsichten    der 


Hang,  diu  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  46-  131 

Feuerpriester"  die  beiden  folgenden  Sprüche  gemeint  sind,  oder 
wenigstens,  dass  der  Sammler  dieselben  darunter  verstanden  hat 
und  desshalb  dieses  GHed  von  ihm  hieher  gesetzt  ist.  Der  erste 
derselben  (viertes  Glied)  fragt,  welchen  Ahuramazda  mit  dem  guten 
Geist  zu  Hilfe  komme.  Im  zweiten  bekennt  der  Sprecher  sich  als 
einen  Anhänger  und  Lobpreiser  Mazda's.  Was  die  Zusammenstel- 
lung dieser  Fragmente  hier  bedeuten  soll,   ist  schwer  zu  sagen. 

cj  Der  vierte  Vers  ist  ein  Bruchstück  aus  einem  acht  zara- 
thustrischen,  gegen  die  Götzendiener  gerichteten  Liede.  Der  Gott- 
lose oder  Ungläubige  hat  den  Frommen  aus  seinem  Besitze  ver- 
drängt. Dieser  herrscht  jetzt  über  die  Fluren,  die  dem  wahren 
Schützer  und  Beförderer  des  irdischen  Wohlergehens,  dem  Geus  urvd, 
angehören,  und  dehnt  seine  Herrschaft  über  kleinere  und  grössere 
Bezirke  aus.  Aber  seine  Macht  kann,  da  sie  nur  auf  Aberglauben 
und  Götzendienst,  also  auf  Lug  und  Trug  sich  stützt,  nicht  von 
langer  Dauer  sein.  Daher  kann  und  muss  er  wieder  vertrieben 
werden.  Jeder,  der  dazu  beiträgt,  ihn  aus  dem  geraubten  Besitz 
zu  verdrängen,  der  wandelt  auf  den  vom  Erdgeist  angewiesenen 
und  gelehrten  Bahnen  der  Weisheit. 

dj  5.  6.  sind  Verse  über  den  Abfall  von  Glaubensgenossen,  die 
unter  sich  zusammenhängen.  Beide  sind  äusserst  merkwürdig,  da 
sie  ein  altes,  wahrscheinlich  von  Zarathustra  selbst  herrührendes  Ge- 
setz enthalten.  Wenn  ein  Fürst  unter  seinen  Leuten  einen  treffe, 
der  den  Eid  übertrete,  oder  wenn  ein  Vornehmer  einen  finde,  der 
die  mithra's  oder  Verträge  nicht  halte  (s.  Vend.  4,  2  ff.),  oder  wenn 
irgend  ein  rechtschaffen  lebender  Anhänger  der  wahren  Religion  einen 
andern  der  Gemeinde  Angehörigen  als  Lügner  und  heimlichen  Götzen- 
diener finde,  so  soll  er,  sobald  er  einen  sichern  Beweis  der  Schuld 
habe,  ihn  dem  Herrn  der  Gemeinde,  d.  i.  dem  Zarathustra  anzeigen, 
damit  der  Abtrünnige  und  Gesetzesübertreter  sofort  ausgestossen 
und  aller  Hilfe  beraubt  in  Noth  und  Elend  die  gerechte  Strafe  für 
sein  Vergehen  erleide  (5).  Wer  nun  diese  Vorschrift  nicht  beachtet 
und  nicht,  obschon  er  kann,  zum  Herrn  der  Gemeinde  geht  und 
Anzeige  macht,  der  kann  selbst  kein  Mitglied  mehr  bleiben,  sondern 
solle  nur  zu  seinen  Geistesverwandten,  den  Götzendienern,  zurück- 
treten und  die  Satzungen  der  jetzt  herrschenden  Lüge  wieder  an- 
nehmen; denn  der  Wahrheitgläubige  und  der  Lügner  vertragen  sich 
nicht.  Wer  dem  Ungläubigen  hilft,  der  ist  selbst  em  Ungläubiger; 
der  Gläubige  hat  nur  einen  Gläubigen  zum  Freimd.  Diese  alten 
Sprüche  sind  von  Mazda  selbst  gegeben  (6).  Unter  diesen  Sprüchen 
sind  die  unmittelbar  vorhergegangenen  Aussprüche  (5.  6)  gemeint, 
als  deren  Urheber  Ahuramazda  selbst  genannt  ist.  Sie  rühren  wahr- 
scheinlich von  Zarathustra  selbst  her;  jedenfalls  kamen  sie  aus  seiner 
Zeit  und  seinem  engsten  Freundeskreise.  Denn  der  qaetus,  Herr, 
kann  hier  nur  Zarathustra  sein;  ebenso  nennt  er  sich  ja  selbst  im 
ersten  Vers.  In  dem  Schlusssatz  von  G  sind  diese  Sprüche  als 
frühere  oder  alte  bezeichnet.    Im  Munde  Zarathustra's  oder  seiner 

9* 


132  Huiigf  die  Gdtha's  des  Zarathustra,  II.    Cap.  46. 

Freunde  könnte  diess  nur  heissen,  sie  seien  von  altern  Weisen  ihnen 
überliefert  worden.  Da  aber  der  hier  ausgesprochene  strenge  und 
scharfe  Gegensatz  von  Wahrheitgläubigen  und  Liigengläubigen  erst 
ein  Werk  Zarathustra's  ist,  so  kann  dieser  Schlusssatz  nicht  von 
dem  eigentlichen  Verfasser  der  Sprüche  herrühren,  sondern  ist  erst 
von  einem  spätem  Bearbeiter,  um  die  Versglieder  vollzählig  zu  machen, 
hinzugesetzt  worden. 

e)  7  —  11  handeln  von  dem  Schutz  gegen  das  Böse,  der  Be- 
lohnung der  Frommen  und  der  Bestrafung  der  Gottlosen.  Unter 
sich  hängen  sie  nicht  zusammen. 

Im  siebenten  Vers  sagt  der  Dichter,  dass  er  gegen  die  An- 
griffe des  Lügners  keinen  andern  Helfer  als  das  Feuer  und  den 
Geist  Ahuramazdas  kenne;  durch  die  Thätigkeit  dieser  beiden  Kräfte 
sei  ja  das  Wirkliche,  d.  i.  die  ganze  gute  Schöpfung  ins  Leben  ge- 
rufen worden.  Sollte  es  indess  sonst  noch  eine  Stütze  für  den  Glau- 
ben geben,  so  bittet  er  den  höchsten  Gott  um  deren  Kenntniss. 

Im  achten  Vers  wird  dem,  der  die  Landgüter  verderbe  und 
nicht  als  Feueranbeter  dem  Dienste  des  heiligen  Feuers  obliege, 
Rache  und  Vergeltung  angedroht.  Ahuramazda  soll  über  dessen 
Person  alles  Unglück  verhängen  und  alles  thun,  was  ihn  aus  einer 
glücklichen  Lage  herausstossen  könne.  Störend  ist  im  letzten  Vers- 
gliede  Mazda.  Ist  dieses  wirklich  acht,  so  ist  der  ganze  Vers  eine 
Anrede  an  Ahuramazda.  Dann  muss  sich  „meine  Gdthas'-'-  und  „nicht 
verehrt  er  mich"  auf  den  Sprecher,  der  vermuthlich  Zarathustra  ist, 
beziehen.  Da  diese  Beziehung  etwas  sonderbar  klingt,  so  möchte 
ich  fast  vermuthen,  das  fünfte  V^ersglied,  das  überdiess  ziemlich  matt 
nachhinkt,  sei  der  Zusatz  eines  spätem  Bearbeiters. 

Der  neunte  Vers  fragt,  wer  dem  Propheten  die  erste  Kenntniss 
von  Ahuramazda  als  dem  am  höchsten  durch  gute  Werke  zu  ver- 
ehrenden Gotte,  als  dem  heiligen,  lebendigen,  wahrhaftigen  zuerst 
mitgetheilt  habe.  Die  zwei  letzten  Vcrsglieder  enthalten  die  Ant- 
wort. Jener  Helfer  und  Freund  ist  der  Erdgeist,  dessen  Worte  ihm 
durch  Ahuramazda's  Geist  geoffenbart  wurden  (vgl.  29,  1). 

Im  zehnten  Vers  sind  die  genannt,  welche  über  die  Brücke 
Cinvat  in  das  Paradies  gelangen.  Jeder,  Mann  (wler  Weib,  der  des 
Propheten  Lehre  folgend  das  thut,  was  Ahuramazda  als  die  besten 
Thaten  zur  Förderung  des  Lebens  erkannt  hat,  indem  er  dem  Wirk- 
lichen die  Wirklichkeit  oder  dem  Wahren  die  Wahrheit  giebt  (d.  h. 
indem  er  nur  solche  Werke  vollbringt,  die  der  guten  Schöpfung 
nützen  und  sie  forterhalten)  und  durch  fromme  Gesinnung  Besitz 
erwirbt,  sowie  alle  Jünger  des  Propheten,  mit  denen  er  zum  Lobe 
der  höchsten  Geister  geht,  d.  h.  alle  entferntem  und  nähern  An- 
hänger der  neuen  Religion,  werden  von  ihrem  Herrn  und  Meister 
über  die  Brücke  Ci7ivat  oder  die  Himmelsbrücke,  wo  die  Abge- 
schiedenen sich  versammeln  und  über  ihren  Wandel  befragt  werden 
(daher  eigentlich  Brücke  des  Versammlers,  welch  letzterer  wahr- 
scheinlich der  Genius   (^raosha  ist),  hinüber  ins  Paradies  geführt. 


I 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  46.  133 

Hieran  ist  der  eilte  Vers  nur  desswegen  geschlossen,  weil  darin 
den  Ungläubigen  und  Feinden  des  wahren  Lebens  die  Hölle  an- 
gedroht und  dabei  die  Brücke  Cinvat  wieder  erwähnt  ist.  Ein  näherer 
Zusammenhang  mit  dem  Vorhergehenden  lässt  sich  nicht  nachweisen. 
Sein  Inhalt  ist  merkwürdig  und  stimmt  zu  32,  14.  44,  20.  Die  Götzen- 
priester und  heidnischen  Sänger  haben  die  Oberherrschaft;  sie  miss- 
brauchen diese  dazu,  um  durch  ihre  schlechten  Werke  das  mensch- 
liche Leben  zu  Grunde  zu  richten,  d.  h.  sie  schaden  durch  ihre 
Zauberlieder  und  Ceremonien  dem  menschlichen  Leben ;  ihre  eigene 
Seele  und  ihr  eigenes  Denken  führt  sie  vom  wahren  Weg  zum 
Himmel  ab  und  treibt  sie  von  der  Brücke  Cinvat  hinweg  und  stürzt 
sie  auf  ewig  in  die  Lügenwohnung,  d.  i.  die  Hölle.    Man  vgl.  51,  13- 

f)  12.  Dieser  Vers  steht  ganz  vereinzelt  in  der  ganzen  Samm- 
lung; er  ist  höchst  merkwürdig,  da  er  Aufschluss  über  die  Grün- 
dung der  so  oft  genannten  GaethcCs  giebt.  Dieses  wichtige  Ereigniss 
ist  an  eine  historische  Thatsache  geknüpft.  Als  die  iranischen  Stämme 
und  ihre  Genossen  den  Feind  Frjdna  besiegt  hatten,  kamen  die 
wahren  Dinge  zum  Vorschein,  d.  h.  diejenigen  Sitten  und  Gebräuche 
entstanden,  welche  zur  ßefcirderung  des  Wohlstandes  dienten;  hieher 
gehören  vor  allem  der  Feuerdienst  und  der  Ackerbau.  Um  beide 
zur  Erhaltung  der  guten  Schöpfung  durchaus  nothwendige  Dinge  auf 
die  Dauer  vor  feindlichen  Angriffen  zu  schützen,  umzäunte  Ahura- 
mazda  selbst  einzelne  Ackerstücke  und  schied  so  die  Gaethd's  (Be- 
sitzthümer),  worunter  wir  einen  geschlossenen  Hof  mit  Ackerland, 
Weide  und  Wohngebäuden  zu  verstehen  haben.  Nachdem  sie  also 
hergerichtet  und  befestigt  waren,  wurden  sie  den  Siegern  als  bleibender 
Besitz  angewiesen.    Von  Zarathustra  rührt  der  Vers  schwerlich  her. 

g)  13  — 17  handeln  von  Zarathustra,  seinem  Werke  und  seinen 
Gefährten  den  Haecat-a^pa's,  dem  Gdmd^pa  und  Frashaostra.  Man 
vgl.  51,  14—19. 

Wer  unter  den  Menschen  dem  Zarathustra  als  dem  Heiligsten 
durch  die  That  Ehrfurcht  bezeugen  will,  der  sei  auch  bereit  seine 
Lehre  öffentlich  zu  bekennen.  Diese  Verehrung  verdient  der  Prophet 
um  so  mehr,  als  ihm  Ahuramazda  das  Leben,  d.  i.  die  ganze  gute 
irdische  Schöpfung  übergab  und  für  ihn  die  Gaethd''s  gründete.  Da 
er  so  hoher  Gnade  gewürdigt  wurde,  so  ist  er  als  Freund  und 
Genosse  der  himmlischen  Geister  zu  betrachten  (13).  Auf  diesen 
allgemeinern  Satz  folgt  nun  die  Anfrage  an  Zarathustra,  wer  ihm 
Freund  und  Helfer  bei  seinem  grossen  Werke  sei,  und  wer  es  ver- 
kündigen wolle.  Die  Antwort  folgt,  wie  öfter,  sogleich.  Kavd 
Vistd(;:pa  ist  sein  nächster  Freund,  der  solches  thim  will.  Ihn,  sowie 
alle  andern,  die  Ahuramazda  in  der  Versammlung  der  himmlischen 
Geister  zur  Verbreitung  des  wahren  Glaubens  auserwählt  hat,  will 
der  Dichter  mit  Worten  frommen  Sinnes  preisen  (14).  Er  wendet 
sich  zuerst  an  die  Haecat-aQpa's,  eine  mit  Zarathustra  verwandte 
Familie,  wie  aus  53,  3  erhellt,  wo  eine  Tochter  Zarathustra's 
Haecat-a^pdnd  heisst.    Sie  führen  das  Prädikat  fjpitema,  hochheilig, 


134  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  46- 

das  sonst  nur  Zarathustra  und  seiner  Familie  zuzukommen  scheint 
(53,  3  führt  seine  Tochter  ebenfalls  das  Prädikat  ^pitämi);  vermuth- 
lich  war  es  der  Name  von  Zarathustra's  Familie  selbst.  Der  Ruhm 
dieser  Familie  besteht  darin,  dass  sie  das  Recht  und  Unrecht  unter- 
scheidet; durch  ihre  Handlungen,  die  in  Ausübung  der  alten  Ge- 
setze Ahuramazdas  bestehen,  wird  ihnen  die  Wahrheit  verliehen. 
Nach  diesen  Andeutungen  zu  urtheilen,  war  diese  Familie  im  Be- 
sitz richterlicher  Würden ;  darauf  gründet  sich  wahrscheinlich  auch 
die  Bezeichnung  ^pitama  (15). 

Diesem  Zuriif  an  die  Haecaf-agpa's  folgt  eine  Aufforderung  an 
Frashaostra  mit  seinen  treuergebenen  Anhängern,  die  sie  beide,  der 
Sprecher  und  Frashaostra,  sich  zum  Wohle  der  Schöpfung  erwählt 
haben,  dorthin  zu  kommen,  wo  die  Armaiti  mit  den  Wahrheiten 
ist,  wo  die  Besitzthümer  des  guten  Sinnes  sind,  wo  die  Wohnung 
Ahuramazda's  ist,  d.  h.  in  das  Paradies  (16).  Nun  wendet  er  sich 
an  die  De-^dmd^pa's ,  sie  ebenfalls  einladend,  dorthin  zu  kommen, 
wo  nur  Heils-  und  Segensworte  und  kein  Fluch  zu  hören  sei.  Wie 
die  Haecat-a^pa's  das  Recht  verwalten,  so  sind  sie  im  stetigen  Be- 
sitz der  Güter  des  die  Offenbarungen  bewirkenden,  vollbringenden 
Ahuramazda,  d.  h.  all  der  Lieder  und  Gebete,  die  der  höchste  Gott 
in  seinen  Offenbarungen  den  Propheten  mitgetheilt  hat.  Dieser 
machte  nach  seiner  tiefen  Einsicht  einen  Unterschied  zwischen  Recht 
und  Unrecht,  d.  h.  er  theilte  in  seinen  Offenbarungen  stets  das 
Rechte  und  dem  Gedeihen  der  guten  Schöpfung  Förderliche  mit  (17). 

Diese  Verse  (13 — 17)  hängen  ursprünglich  nicht  zusammen  und 
wurden  von  einem  spätem  Bearbeiter  nur  desswegen  zusammenge- 
stellt, weil  darin  von  den  Personen,  die  zu  Zarathustra  in  einem 
engern  Verhältniss  standen,  die  Rede  ist.  Die  drei  ersten  (13.  14.  15) 
können  nicht  von  Zarathustra  sein,  da  er  darin  Qntama  genannt 
und  sogar  in  der  zweiten  Person  angeredet  ist.  Auch  der  Zuruf 
Zarathustra's  an  die  Haecat-a^pa's  würde  etwas  sonderbar  klingen. 
Dagegen  halte  ich  die  Verse  16.  17  für  acht  zarathustrisch.  Deut- 
lich führt  darauf  der  Ausdruck  „wir  beide  wählten",  worunter  (vgl. 
28,  7 — 9)  nur  Frashaostra  und  Zarathustra  zu  verstehen  ist. 

h)  18.  19  beziehen  sich  auf  die  Belohnung''der  Bekenner  und 
Verehrer  der  Lehre  Zarathustra's.  Da  der  Prophet  in  der  ersten 
Person  von  sich  redet  und  zugleich  seinen  Namen  dabei  nennt,  so 
ist  kein  Zweifel,  dass  er  selbst  der  Verfasser  ist.  Wer  ihn  verehrt 
und  ihm  gewogen  ist,  für  den  sammelt  er  die  allerbesten  Gaben, 
die  er  durch  seine  eigene  Glaubens-  und  Gebetskraft  mit  frommem 
Sinne  erfleht  hat  und  verleiht  sie  ihm.  In  Noth  und  Elend  will  er 
dagegen  denjenigen  bringen,  der  ihn  und  seinen  Gefährten  (wahr- 
scheinlich Frashaostra)  selbst  in  eine  solche  Lage  stürzte.  So  zu 
handeln,  nämlich  seine  Freunde  zu  belohnen  und  seine  Feinde  zu 
bestrafen,  erklärt  er  als  seinen  festen,  aus  reiflicher  Ueberlegung 
hervorgegangenen  Entschluss  und  ruft  den  Ahuramazda  und  seine 
himmlischen  Geister    um    Beistand    dazu   an  (18).     Wer    der  Lehre 


Haug,  die  Gdthas  des  Znrat/iustia.  IL    Cap.  46,  1.  135 

Zarathustra's  folgend,  am  meisten  zur  Forterhaltung  dieses  Lebens 
der  Wirklichkeit  beiträgt,  d.  h.  wer  das  Gedeihen  des  Guten  in  der 
Schöpfung  fördert,  dem  verleihen  die  himmlischen  Geister  das  höhere 
geistige  Leben  und  im  irdischen  den  Besitz  aller  Güter,  die  auf 
der  unvergänglichen  Erde  sich  finden  und  die  alle  dem  Ahiiramazda, 
dem  Freund  des  Propheten,  gehören  (19). 

V.  1.  Kam  —  ajeni  Ner. :  kam  namaskaromi  gatuh  Hormizddh 
(wohl  —dasja)  ^ishjo;  kasminca  namaskftjd  pracarämi,  welche  Weise  soll 
ich,  des  Ormuzd  Schüler,  als  Lob  darbringen;  in  welcher  Verehrung 
soll  ich  wandeln?  Obschon  die  Uebersetzung  des  nemoi  und  jiemo 
durch  namas,  Lob,  das  so  oft  im  Baktrischen  sich  findet,  am  nächsten 
liegt,  so  kann  ich  sie  bei  näherer  Besichtigung  der  Stelle  nicht  theilen; 
denn  erstens  ist  nemoi  keine  regelrechte  Dativform  von  nemafih  und 
zweitens  kann  auf  diese  Weise  der  Accus,  kam  —  zdm  nicht  genü- 
gend erklärt  werden.  Nemoi  aber  als  Denominativ  von  nemafth  zu 
fassen,  ist  grammatisch  nicht  möglich,  da  dessen  Thema  nemaqja 
lautet  (vgl.  die  erste  Person  Plur.  praes.  med.  nemaqjdmahi  36,  5. 
38,  4.  39,  4  und  das  Part,  praes.  nemaqaitis  33,  7).  Es  kann  hier 
nur  eine  erste  Person  sing,  praes.  medii  der  Wurzel  nem  =:  nam^ 
beugen,  wenden,  sein,  der  wir  öfter  im  Zendawesta  begegnen 
(s.  nemaiti  ii.  24,  51;  nemdonU,  sich  wenden,  fliehen  von  den  Daeva's, 
Jt.  9,  4.  17,  25)  und  die  im  neupersischen  numildan,  zeigen,  noch 
erhalten  ist.  Das  zweite  Glied  des  Satzes  kuthrd  nemo  ajeni  ent- 
spricht dem  Sinne  nach  vollkommen  dem  ersten;  nemo  ajeni  ist 
ebenso  viel  als  nemoi  allein,  so  dass  nemo  hier  nicht  im  übertragenen 
Sinne  von  Lob,  Anbetung,  sondern  im  ursprünglichen  von  Beu- 
gung genommen  werden  muss.  Vgl.  Jt.  24,  65.  —  Pairi — dadaiti 
Ner. :  upari  svddhineshu  ddigamanam  ^)  supradattvö  ^smi,  für  die  Unab- 
hängigen habe  ich  den  Anweiser  ganz  hingegeben.  Diese  Ueber- 
setzung, in  der  svddhineshu  dem  qaeteus  und  ddi^amanam  dem  airja- 
mana^ca  entspricht,  ist  grammatisch  nicht  richtig.  Beide  stehen  im 
Genitiv,  der  von  pam  abhängig  ist.  Dass  qaetus  selbstständig, 
unabhängig  oder  auch  Eigenthümer,  Herr  bedeutet,  ist  ausser 
allem  Zweifel,  da  hier  Etymologie  (für  qajatu,  was  einem  sanskr. 
svajatu  entspräche),  Tradition  und  der  Zusammenhang  der  Stellen 
aufs  beste  übereinstimmen.  Etwas  schwieriger  ist  die  genauere  Be- 
deutung des  Airjama  zu  bestimmen,  das  in  deti  Gdthas  gewöhnlich 
neben  qaetu,  dem  Eigenthümer,  Herrn,  und  verezejia,  dem  Ge- 
sinde oder  Sklaven  (eigentl.  das  Arbeitende,  gerade  wie  ^^y  iin 
Hebr.),  vorkommt.  Nerios.  giebt  das  Wort  an  den  vier  übrigen 
Stellen,  wo  es  sich  noch  in  den  Gdthd's  findet,  immer  durch  Ab- 
leitungen   der    Wurzel    dif-f-d;    so    33,  3    durch    das   Abstractum 


')  So  lesen  die  Mss. ;  das  Wort  findet  sich  so  im  Sanskrit  nicht;  es  soll 
eine  Nächbildung:  des  Airjama n  sein;  als  Wurzel  ist  (li<;-\-d  genommen. 


136  Haag,  die  Gaihas  des  Zarathustra.  II,    Cap.  46,  1. 

Migakatdy  Anweisung,  33,4  durch  dd^VaA-a,  Anweiser,  Lehrer, 
32,  1  durch  diqatd,  Weisung,  49,  7  durch  dde^a,  Anweisung. 
Worauf  sich  diese  Uebersetzungen  stützen,  ist  etwas  schwer  zu 
sagen.  Neben  dieser  Tradition  scheint  es  indess  noch  eine  andere 
gegeben  zu  haben,  wonach  Airjama  der  Name  eines  Landes  wäre. 
So  fasst  es  Anquetil.  Beide  Erklärungen  sind  indess  entschieden 
falsch,  da  sie  nirgends  näher  betrachtet,  einen  auch  nur  halb  be- 
friedigenden Sinn  gewähren.  Die  gewöhnliche  Zusammenstellung  mit 
qaetus  und  verezena  lässt  mit  Sicherheit  darauf  schliessen,  dass  auch 
airjama  irgend  ein  bürgerliches  oder  staatliches  Verhältniss  bezeichne. 
Hierüber  habe  ich  schon  weiter  in  der  Kieler  Monatsschrift,  Oktob. 
1854,  geredet  und  will  nur  das  Wichtigste  ausheben.  Es  ist  iden- 
tisch mit  dem  wedischen  arjaman,  welches  nicht  bloss  Eigenname 
eines  häufig  neben  Mitra  und  Varuna  genannten  Äditja  ist,  sondern 
auch  noch  in  dem  appellativen  Sinn  von  Freund,  Genosse  sich 
findet.  Ja9.  40,  4  finden  wir  neben  qaetus  und  verezena,  die  mit 
airjaman  gewöhnlich  eine  Dreitheilung  machen,  an  der  Stelle  des 
letztern  hakhemä,  Genosse,  Gefährte,  was  deutlich  genug  dafür 
spricht,  dass  dem  airjaman  eine  ähnliche  Bedeutung  in  wohnte.  Hiezu 
ist  eine  Notiz  des  Burhdn-i  qdti  über  irmdn,  was  lautlich  vollkom- 
men dem  airjaman  entspricht  und  nur  daraus  entstanden  sein  kann, 
zu  stellen.  Nach  diesem  trefflichen  Wörterbuche  bezeichnet  irmdn 
,, einen  Gast  oder  Genossen,  der  seine  Freunde  an  irgend  einen 
„Ort  begleitet,  oder  einen,  der  von  selbst  kommt,  ohne  dass  man 
„ihn  holt;  auch  einen,  der  sich  ohne  Erlaubniss  in  die  Wohnung 
„oder  auf  das  Eigenthum  irgend  eines  begiebt."  Hieraus  kann  man 
klar  sehen,  dass  wir  unter  airjaman  einen  Schutzgenossen,  eine  Art 
dienten,  überhaupt  einen  Mann  zu  verstehen  haben,  der  ohne  mit 
der  Familie  blutsverwandt  zu  sein,  doch  zu  ihr  in  einem  nahen 
Verhältnisse  steht,  aber  nicht  in  dem  eines  Knechtes  oder  Sklaven, 
sondern  in  dem  eines  Freien.  Am  besten  scheint  der  cliens  der 
Römer  und  der  l.n  der  Hebräer  zu  entsprechen.  Nur  eine  solche 
Bedeutung  hat  das  Wort  in  den  Gdthd's.  In  andern  Stücken  des 
Zendawesta  dagegen  finden  wir  Airjama  als  Nomen  proprium  eines 
Genius,  der  gewöhnlich  das  Prädikat  ishjo,  daseist  nicht  der  er- 
wünschte, auch  nicht  der  nahrungsreiche,  wie  ich  früher  er- 
klärte, sondern  „der  zu  sendende",  was  zu  seinem  Wesen  sehr  gut 
passt.  Er  ist  nach  dem  22.  Capitel  des  Vendidad  ein  Heilgott. 
Ahuramazda  schickt  den  Genius  Nairjo-ganha  in  seine  Wohnung  mit 
dem  Auftrage,  er  solle  heilen  die  zahllosen  Krankheiten,  die  Anrn 
mainjiis  geschaffen;  dafür  solle  er  tausend  Pferde  erhalten  etc.  Be- 
rühmt ist  ein  altes  an  ihn  gerichtetes  Gebet  (Ja9.  54.  Vend.  20,  26  ff. 
Sp.;  vgl.  Jt.  3,  5).  —  Das  Subject  zu  diesem  Satze  pairi —  dadaiti 
kann  nur  zäm  im  vorhergehenden  Gliede  sein ;  das  Relativum  muss 
daher  vor  pairi  ergänzt  werden. 

Noit  —  hecd    Ner. :    na    mdm   samvidanti    svagronajo    ^pi,    nicht 
kennen   mich    die    eigenen    Lenden    (wohl    figürlicher    Aus(lruck   für 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  46,  1.  2.         137 

Kinder  oder  das  Hausgesinde).  Khshndus  ist  von  Nerios.  als  dritte 
Person  Plur.  praes.  gefasst,  und  der  Zusammenhang  scheint  ganz 
diese  Fassung  zu  bestätigen,  während  v.  13,  ebenso  51,  12  ent- 
schieden dagegen  spricht.  Nach  diesen  ist  es  sicher  ein  Singular. 
Aber  da  us  keine  Endung  einer  dritten  Person  sing,  des  V^erb.  finit. 
ist,  so  müssen  wir  von  einem  Verb,  finit.  absehen.  Es  ist  der  No- 
minativ sing,  rein  aus  der  Wurzel  k/ishnü  durch  Antritt  der  Nomi- 
nativendung s  und  durch  Vriddhirung  des  u  gebildet,  gerade  wie  die 
Wurzel  djii,  div,  glänzen,  im  Sanskrit  den  Nominativ  djdus,  der 
Himmel  (eigentl.  das  Glänzende),  bildet.  Die  Bedeutung  ist  eine 
participiale :  verehrend.  Khshndus  ist  eng  mit  iiöit  zu  verbinden: 
kein  mich  verehrender  ist  da.  Die  folgenden  Sätze  ja  verezend 
und  naMd  daqjeus  etc.  sind  eine  nähere  Erklärung  dieses  kurzen 
Sätzchens.  —  Kathd  —  ahurd  Ner. :  katham  [d]  tvdm  mahdgndnin. 
satkdrajdmi  svdmiii:  wie  nehme  ich  dich,  Ahuramazda ,  auf? 

V.  2.  Faedd  —  anaesho  Ner.:  vedmi  tat  jad  asmi  mahdgndnin 
aprdrthavit,  ich  weiss  das,  dass  ich  einer  bin,  der  kein  Verlangen 
kennt  (nicht  begehrlich  bin).  Das  anaesho  leitet  der  üebersetzer 
demnach  von  einer  Wurzel  wÄ,  wünschen,  ab.  Dass  das  Wort 
aber  einen  andern  Sinn  hat,  beweist  29,  9,  s.  dazu.  —  Für  md 
kamnafshvd  hat  Ner. :  aham  kimcit  naracajah  kila  me  vibhüti[Ii]  kimcii 
naro,  ich  (bin)  in  jeglichem  Ding  eine  Menschenmenge  (so  stark 
wie  eine  Menschenmenge),  nämlich  meine  Stärke,  ein  Mann  in  jeg- 
lichem Ding.  Aus  dieser  Uebersetzung,  wie  aus  der  der  folgenden 
Worte  hjatca  kamndnd  ahmi  durch  jacca  kimcit  naro  ^smi  sieht  man, 
dass  Ner.  kamnafshvd  in  drei  Worte,  kam  =  kimcit,  na  =.  nara  und 
fshvd  =  caja,  und  kamndnd  in  zwei  Worte  kam  und  na  zerlegt  hat. 
Dieses  Verfahren  war  ein  verzweifeltes  Mittel,  das  oLiz.  Xsy.  zu  er- 
klären, dessen  richtiger  Sinn  längst  verloren  gegangen  war.  Wir 
müssen  diese  Erklärung  entschieden  verwerfen,  da  sie  völlig  sinnlos 
ist.  Kamnafshvd  als  ein  Wort  betrachtet,  muss  entweder  Locat. 
plur.  von  einem  Adjectivum  kamna  oder  eine  zweite  Person  Impera- 
tivi  medii  der  Wurzel  kam,  lieben,  sein.  Die  letztere  Fassung 
wäre  für  den  Zusammenhang  die  passendste;  aber,  da  wir  durchaus 
nicht  nachweisen  können,  dass  dieses  Verbum  nach  der  sogenannten 
neunten  Conjugation  flectirt  werde,  was  hier  der  Fall  wäre,  so 
müssen  wir  von  dieser  Erklärung  abstehen.  Das  kamna  als  Adjectiv 
findet  sich  zwar  nicht  weiter  im  Zendawesta,  aber  wir  haben  es  in 
der  arischen  Keilschriftgattung  (Bisut.  I,  56.  II,  2)  in  dem  Sinn  von 
„Getreuer".  Die  Locativendung  fshvd  (vgl.  varefshvd  53,  3  von 
vare  oder  vara^  macht  keine  Schwierigkeit.  Der  Accus,  mdme  ist 
mit  dvaend  zu  verbinden.  Kamndjid  ist  ein  adjectivisches  Compo- 
situm und  in  kamna  und  nd.  Mann,  zu  zerlegen.  —  Gtrezoi —  ahurd 
Ner.:  kranddmi  tvaji  tad  etad  dlukaja  svdmin,  ich  schreie  zu  dir,  sieh 
doch  dieses  da  an,  Herr!  Für  dvaend,  wie  West,  nach  K.  4,  9, 
P.  6  schreibt,  wird  besser  mit  K.  5,  6  avaend  gelesen.    Das  Augment 


138  Jlaug,  die  Gdthäs  des  Zaraihastra.  II.    Cap.  46,  2. 

beim  Imperativ  darf  im  Baktrischen  nicht  befremden,  man  vgl.  die 
zweite  Person  plur.  imper.  avaenaid  30,  2.  Gerezoi  ist  hier  keine 
erste  Person  praes.  medii,  sondern  Infinitivform,  eigentlich  Dativ 
der  blossen  Wurzel. 

Rafedhrem  cagväo  Ner. :  pramodafn  samihitaitica,  Freude  luid 
Erwünschtes-,  ähnlich  werden  rafedhrem  cagedo  51,  20  durch: 
dnande  pramodeca,  in  Freude  und  Lust,  übersetzt.  Grammatisch 
ist  diese  Fassung  jedenfalls  zu  verwerfen,  da  rafedhrem  als  Accusativ 
von  cagvdo  abhängig  ist.  Zur  Ermittlung  der  Bedeutung  ist  noch 
38,3:  uboibjd  ahubjd  cagemd  zu  vergleichen.  Im  Sanskrit  bietet 
sich  zur  Erklärung  zunächst  die  Wurzel  cak,  leuchten,  wovon  das 
bekannte  caksh,  sehen,  cakshus,  Auge,  im  Baktrischen  cashma; 
aber  die  Bedeutung  sehend,  erblickend,  passt  für  cagvdo  (ge- 
bildet wie  dreg-vdü  von  der  Wurzel  dreg  =  driih)  nicht  recht,  noch 
weniger  für  cagemd  38,  3  mögen  wir  dieses  für  ein  Verbum  (eine 
erste  Person  plur.)  oder  ein  Nomen  abstract.  halten.  Richtiger  ist 
wohl  die  Zurückführung  auf  kan,  lieben,  dessen  Perfectum  im 
Activum  zwar  cakdna,  aber  im  Medium,  wenigstens  in  Verbindimg 
mit  «,  nur  cake  lautet  (s.  das  Petersburger  Sanskritlexikon,  s.  v.  kan). 
So  ergiebt  sich  für  cagvdo  die  Bedeutung  liebend,  gern  habend, 
womit  die  traditionelle  Auffassung  erwünscht  und  Freude  sich 
vereinigen  lässt.  Für  cagemd  38,  3  würde  nun  zwar  die  Bedeutung 
Freude,  Annehmlichkeit  nicht  unpassend  sein;  aber  die  Rede- 
weisen rafedhrem  cagvdo  oder  rafedhrem  cagedo,  welche  von  Ahura- 
mazda  gebraucht  werden,  durch  der  Glück  liebende  zu  über- 
setzen, wäre  nicht  zutreffend.  Der  Zusammenhang  an  unserer  Stelle 
scheint  noth wendig  den  Begriff  verleihen  oder  verkünden  zu 
verlangen.  Die  letztere  Deutung  scheint  durch  caksh,  das  in  Ver- 
bindung mit  Präpositionen,  wie  a,  wirklich  erzählen,  verkünden 
bedeutet,  begründet  werden  zu  können;  aber  das  Fehlen  des  sh  in 
allen  baktrischen  Formen,  das  in  dem  Substantiv  cashma,  Auge, 
sich  zeigt,  ist  ein  gewichtiges  Zeugniss  gegen  diese  Ableitung. 
Ausserdem  passt  die  sich  ergebende  Bedeutung  durchgängig  nicht 
so  gut,  als  die  von  verleihen,  zutheilen,  wenn  sich  diese  wirk- 
lich erweisen  lässt.  Eine  Verbalwurzel,  die  unmittelbar  diesen  Sinn 
giebt,  können  wir  im  Sanskrit  nicht  finden.  Am  nächsten  liegt  ki 
oder  ci  (ciketi  im  Weda,  gewöhnlich  zu  kü  gerechnet),  erkennen, 
wissen,  und  das  Substantiv  cihna,  Erkennungszeichen,  Symbol, 
welches  gewiss  erst  aus  cikna  abgeschwächt  ist.  Damit  ist  das  neu- 
persische cak,  Diplom,  Document,  zusammenzustellen.  Darnach 
sind  wir  einigermassen  berechtigt,  dem  cag  oder  cig  (K.  4  liest 
cigvdo,  ebenso  Bf  cigedo  in  51,  20)  die  Bedeutung  durch  ein 
Zeichen  markiren,  kenntlich  machen  beizulegen.  Diess  führt 
uns  auf  die  allgemeinere  Bedeutung  zutheilen,  bestimmen  (für 
einen  bezeichnen).  Da  nun  rafedhrem  nicht  Freude  bedeutet,  wie 
die  Tradition  erklärt  (s.  zu  28,  2),  sondern  Antheil,  Glück, 
Schicksal,    so    bekommt    nach    dieser    Untersuchung    die    Phrase 


Hang,  die  Gät/id's  des  Zurat/tustra.  IL    Cap.  46,  2.  3.         139 

rafedhrem  cagvdo  den  Sinn  „der  das  Schicksal  bestimmt,  zutheilt", 
oder  genauer  „der  den  Antheil  bezeichnet",  welches  Prädikat  nicht 
nur  am  besten  dem  höchsten  Gotte  an  sich  schon  zukommt,  son- 
dern auch  trefflich  in  den  Zusammenhang  unserer  Stelle  passt.  — 
Akh^o  —  mananha  Ner. :  ^ikshajd  utiamasja  puiijalakshmi  manasah  cet 
sadhjdpdritajd  ^ikshito  ^smi  tan  mahjam  prasddam  dehi,  wenn  icii  in 
der  Lehre  des  höchsten  Geistes,  in  der  des  Reinen  Glück  besteht, 
in  der  V^ollbringung  des  Guten  unterrichtet  bin,  so  gewähre  mir 
diese  Gunst.  Ak/tgo  ist  hier  mit  gikshd,  Lehre,  wiedergegeben, 
was  aber  eine  ungenügende  und  irrige  Uebersetzung  ist.  Vor  allem 
kann  das  Wort  hier  kein  Nomen,  sondern  es  muss  ein  Verbum 
sein,  da  der  Accus.  Mim  sonst  gar  nicht  genügend  erklärt  werden 
könnte.  Weiter  lässt  sich  aber  auch  die  Bedeutung  lehren  weder 
etymologisch  —  der  Uebersetzer  verwechselte  es  wohl  mit  ^ish, 
lehren  —  beweisen,  noch  giebt  dieselbe  irgend  einen  vernünftigen 
Sinn.  Der  Zusammenhang  scheint  die  Bedeutung  besitzen  oder 
eine  ähnliche  zu  fordern.  Darauf  kann  uns  auch  die  Etymologie 
fuhren.  An  die  Wurzel  M^Ai,  herrschen,  besitzen,  -f- «  ist  nicht 
zu  denken,  da  wir  dann  zum  mindesten  dkhshojo  haben  müssten. 
Auch  fi,  liegen,  das  mit  d  diesen  Begriff  geben  könnte,  liegt  wohl 
zu  fern.  Jedenfalls  ist  es  derselben  Wurzel  wie  kh<^di  28,  5.  Da 
eine  Wurzel  khi;a  nirgends  existirt,  so  müssen  wir  hier  wohl  eine 
Reduplikation  annehmen,  so  dass  kh^a  eigentlich  für  /«V«  steht. 
Dass  die  Syibe  hi  vor  s,  f  wirklich  zu  kh  verkürzt  wird,  beweist 
khshmdvat  für  hishmdvat,  khstd  für  hi^ta  deutlich  genug.  In  diesem 
khga  =  hi^a  nun  können  wir  nur  eine  Formation  des  Verbum 
substant.  as,  sein,  haben,  das  im  Imperfect.  a^  lautet  und  von  dem 
sich  eine  Participialform  gu^  46,  19  (Nominat.)  findet.  In  dieser 
verstärkten  Form  hat  es  wohl  die  stärkere  Bedeutung  bleiben; 
was  in  28,  5  den  besten  Sinn  giebt.  Mit  der  Präposition  d  kann 
es  die  Bedeutung  bleiben  bei,  d.i.  bewahren,  behüten  oder 
auch  bleiben,  halten  an  etwas,  d.  i.  besitzen,  bedeuten. 

V.  3.  Kadd  —  at^näm  Ner. :  kadd  tdh  ddtajo  mahdgndnin  ja 
vikd<^ajitrj6  ahndm  akshajakardh ;  kila  sakdlah  kadd  prapnoti  jatndin 
nardineshu  [?]  kdrjam  pu)ija[jn]  pravardhajanti.  Ukhshdno  ist  hier 
durch  vikdgajatrijo ,  Erhellerinnen,  übersetzt;  akshajakara,  Un- 
vergänglichkeit  machend,  ist  ein  Beiwort  dazu  oder  eine  Er- 
klärung davon.  An  eine  Identifikation  mit  dem  wedischen  ukshan^ 
befruchtend,  dann  Stier,  ist  wohl  nicht  zu  denken,  wenn  auch 
die  beiden  Worte  äusserlich  sich  ganz  gleich  sind.  Auf  die  Wurzel 
ush,  leuchten,  wovon  iisharih,  Morgenröthe,  womit  es  wahrschein- 
lich die  Tradition  zusammenbrachte,  lässt  es  sich  auch  nicht  zurück- 
führen. Am  nächsten  liegen  die  Wurzel  ukhsh  ==:  vaksh,  wachsen, 
und  vac,  reden,  das  sich  häufig  genug  zu  nkh  verkürzt.  Ukhsh, 
wachsen,  wird  gewöhnlich  mit  der  Sylbe  /a  conjugirt;  sollte  ukhshan 
davon    kommen,   so    hätten    wir   eher  ukhshjan   zu   erwarten.     Doch 


140        Hang,  die  Gdthäs  des  Zarathustra.  IL    Cap.  46,  3.  4.  W 

die  Ableitung  von  ukhsh,  wachsen,  auch  zugegeben,  würde  die 
Bedeutung  „die  Mehrer  der  Tage",  wie  übersetzt  werden  müsste, 
nicht  recht  befriedigen.  In  Cap.  50,  10  wird  der  Ausdruck  ukhshd 
a^näm  von  den  Sternen  und  der  Sonne  gebraucht,  wozu  die  Ab- 
leitung von  vac,  reden,  verkünden,  am  besten  passt,  indem  die 
Himmelslichter  als  die  Verkündiger  der  Tage  und  Zeiten  auf 
Erden  gefasst  werden.  Gebildet  ist  xihhshan,  Verkündiger,  wie 
^raoshan,  maretan,  avanhan  etc.  —  Kaeibjo  —  mananhd  Ner. :  heshu 
Idbhah  uttamena  präpnoti  manasd  [kila  tarn  prasddatn  jam  sadhjdpära- 
tajd  dadanto  |?|  kebhjo  dadantij.  Die  üebersetzung  des  üthdi  durch 
Idühah,  Nutzen,  scheint  auf  den  ersten  Anblick  richtig  zu  sein, 
da  es  sich  von  av,  helfen,  wovon  avanh,  Hilfe,  ableiten  lässt  und 
dem  wedischen  üti,  Hilfe,  sehr  ähnlich  sieht.  Aber  bei  einer  Ab- 
leitung von  av  wäre  im  Baktrischen  nicht  utha,  sondern  avatha  oder 
aotha  zu  erwarten;  va  zieht  sich  wohl  zu  u  zusammen,  jedoch 
nicht  av.  Mit  diesem  uthdi,  das  nur  Dativ  eines  Theraa's  utha  sein 
kann,  hängt  offenbar  uzüithjoi  v.  5  zusammen.  Ich  kann  hierin  nur 
die  Wurzel  vat,  vath,  verkündigen,  sprechen,  sehen,  wovon 
urvatho,  der  Sprecher,  Lobpreiser,  und  urväta,  der  Ausspruch, 
kommt.     Diese  giebt  auch  einen  bessern  Sinn  als  av,  helfen. 

V.  4.  At  —  gdo-froretois  Ner. :  evam  te  durgatinah  je  dharmarn 
sim  (sam)  dcaratah  rakshati  gdm  samdda^dt(de^dt) ;  kila  jah  kdrjam 
piüijam  kurute  tasja  gdm  ddndt  kebhja^cit  pratiskhalaiiti.  Diese  Üeber- 
setzung ist  streng  wörtlich,  aber  grammatisch  kaum  im  Zusammen- 
hang zu  verstehen.  Das  Compositum  gdo-froretois  ist  eng  mit  ashahjd 
im  Sinne  eines  Adjectivs,  die  Erde  schützend  (froreti  =  fravarti, 
Schützer,  schützend)  zu  verbinden.  Nerios.  fasst  fröretois  als 
Ablativ,  was  möglich,  aber  hier  durchaus  nicht  nothwendig  ist.  - — 
Duzazobdo  —  ahem-ugto  Ner.:  dushto  baldtkdri  bhavati  svijdih  karmabhih 
adho  mrtah;  kila  apagivo  bhavati.  Der  Schlechte  in  Kraft  handelnde 
wird  durch  seine  eigenen  Handlungen  todt.  In  dem  ersten  Worte 
sieht  Ner.  mit  Recht  ein  Compositum,  aber  die  Deutung  ist  nicht 
ganz  richtig;  er  trennt  duza  =  diishta,  und  zobäo,  das  ihm  eine 
Adjectivbildung  von  zdvare,  Kraft,  ist.  Die  Treanung  duz -\- azobdo, 
welche  als  die  naturgemässeste  erscheint,  da  wir  sonst  kein  Sub- 
stantiv duza  (wohl  aber  duzanh')  kennen,  würde  auf  zu  grosse 
Schwierigkeiten  der  Erklärung  stossen,  als  dass  wir  sie  annehmen 
können  (etwa  az6  =  ahas,  ahhas ,  Angst,  und  bdo,  glänzend,  das 
Ganze:  durch  schHmme  Noth  sich  auszeichnend?).  Trennen  wir 
duza  zobdo,  so  heisst  ersteres  nur  das  Schlechte,  Schlechtig- 
keit, das  zweite  ist  eine  Bildung  der  Wurzel  zbe  =  hve ,  rufen, 
anrufen,  so  dass  das  Wort  „der  das  Schlechte  verehrt"  bedeutet, 
was  einen  guten  Sinn  giebt.  —  Die  Üebersetzung  des  ahem-u^tö 
durch  adho  mrtah  „unten  todt"  hat  noch  eine  Spur  richtiger  Auf- 
fassung bewahrt.  An  das  Verbum  vaf,  wollen,  oder  an  vas,  woh- 
nen,   ist   nicht    zu  denken;    sondern    das   u^to    ist    gleicher  Abstam- 


Haug,  die  Gathas  des  Zarathustra.  IL    Cap.  46,  4.  5.  141 

inimg  mit  dem  bekannten  usta.  Glück,  Heil,  und  dem  ustdiia, 
Erhebung,  das  auch  Dasein,  Leben  bedeutet,  womit  die  Tra- 
dition dieses  Wort  (ui;tSj  zusammenbrachte.  Der  Ableitung  nach 
ist  es  nur  eine  Participialbildung  der  Präposition  ut  (uz,  ur)  und 
kommt  nicht  von  ut  +  sthd  her.  Bleiben  wir  bei  der  Bedeutung 
des  usta  als  Heil,  Glück  (43,  1),  eigentl.  was  empor  geht,  her- 
vorragt, so  heisst  ahem-u<^t6  (das  hem  =  sam  ist  blosse  Verstärkung, 
und  Verallgemeinerung  des  Begriffs)  nicht  beglückt,  ohne  Er- 
folg. —  Jagtem  —  gjdteus  vd  Ner. :  prdpie  rdgje  mahdgnduin  prati- 
cchedajitd  hantdro  vd;  kila  manushjdn  pdpdt  anjathd  samihate  dharttum, 
nach  erlangter  Herrschaft  ist  er  ein  Vernichter  oder  Mörder;  durch 
Frevel  sucht  er  auf  andere  Weise  die  Menschen  festzuhalten.  Diess 
kann  nur  auf  den  bösen  Feind  der  Menschheit  gehen,  'auf  Ahriman; 
aber  dregvdo  ist  hierauf  nicht  zu  beziehen,  sondern  auf  den  Gott- 
losen überhaupt.  Das  Imperf.  moiihat  ist  entweder  auf  müh, 
stossen,  wovon  ma^thana,  Wohnung  (eigentlich  das  Festgeschla- 
gene, Festgemachte),  abzuleiten,  oder  es  hängt  mit  mitha,  Lüge, 
zusammen  (s.  zu  31,  12).  Ich  halte  das  Erstere  für  das  Richtige, 
was  auch  mit  der  Tradition  praticchedajitd  stimmt.  Dagegen  ist  die 
Uebersetzung  des  gjdteus  durch  hantdro j  wonach  es  von  gan=.han, 
schlagen,  tödten,  kommen  müsste,  entschieden  irrig;  es  kann 
nur  auf  4"*,  ersiegen,  und  dann  besitzen,  zurückgeführt  werden 
(s.  das  Gl.).  —  Hvo  —  carat  Ner. :  ete  te  prakrshfain  gavdm  samüheshu 
sunirvdnignatarah  karmdnah ;  kila  pratijatnam  gopagündm  suparigndna- 
tajd  kurvanti;  nirdarQajanam  Zarathustrasja,  Diese  haben  bei  Riiider- 
heerden  am  meisten  die  höchste  Erkenntniss;  sie  trachten  durch  die 
höchste  Erkenntniss  nach  Vieh.  Der  Sinn  und  Zusammenhang  des 
Ganzen  spricht  gegen  diese  Erklärung;  gdo  ist  hier  nicht  im  Sinne 
von  Kuh  zu  nehmen,  sondern  muss  Erde  heissen.  Die  Genitive 
shoithrahjd  und  daqjeus  bestimmen  gdo  näher. 

V.  5.  Je  —  ajantem  Ner. :  jo  jushmdkam  rdgje  addtdnrgansasa- 
mdgamanah;  kila  antar  asmin  gagati  ddnam  na  kuriite  cchadam  (cche- 
dam)  karttumca  djdti;  wer  in  eurem  Reiche  sich  zur  gesetzlosen 
Grausamkeit  zusammenrottet,  nämlich  in  dieser  Welt  keine  Gerech- 
tigkeit übt  und  Zerstörung  zu  machen  trachtet  ^).  Addg,  hier  durch 
addta,  ungerecht,  wiedergegeben,  lässt  mehrere  Deutungen  zu. 
Es  kann  sein  1)  part.  praes.  von  ad,  essen,  also  der  cssende, 
vernichtende;  aber  diese  Wurzel  findet  sich  im  Baktrischen  nicht; 
in  diesem  Fall  müsste  ajantem  davon  abhängig  gemacht  werden ; 
rP  2)  =  a-dant,  nicht-gebend ,  oder  a-dhant,  nicht  setzend; 
3)   Nom.    sing,    einer    Adjectivform    des    Adverbiums    «da,    darauf, 


I 


^)  addtänrQansa  kann  nicht  wohl  in  addta  -+-  anvQansa  (nicht  grau- 
sam, milde)  zerlegt  werden,  da  die  Glosse  gar  nicht  dazu  stimmen  würde, 
sondern  in  addld  -h  nri^ansa ;  addla  ist  kein  Sanskritvrort,  sondern  ein 
baktrisches,  man  müsste  nur  adäna,  das  Nichtgeben,  lesen  wollen. 


142  Hang,  die  Gäthas  des  Zarathustra.  II.    Cap.  AQ,  5. 

vgl.  vag  49,4;  4)  könnte  auch  noch  an  adhas,  unten,  oder  an 
eine  Erweichung  der  wedischen  Wurzel  ai ,  gehen,  wandern,  ge- 
dacht werden ;  beides  hat  aber  geringe  Wahrscheinlichkeit.  Die  tra- 
ditionelle Bedeutung  ungerecht,  die  durch  eine  Ableitung  des  adäg 
von  da  oder  dhä  gestützt  werden  könnte,  ist  dem  Sinn  und  Zu- 
sammenhang nach  nicht  zulässig.  Zudem  würde,  wäre  es  Particip. 
praes.  der  besagten  Wurzeln,  nicht  dag,  sondern  dadäg  zu  erwarten 
sein.  Die  einzig  richtige  und  stichhaltige  Erklärung  ist  die  unter  3 
gegebene.  —  Das  Verbura  finit.  dritd  ist  nicht  auf  skr.  dri,  zer- 
reissen  =  neupers.  daridan,  zerreissen,  oder  das  wedische  dar, 
zerstören,  zurückzuführen,  wozu  die  traditionelle  Erklärung  leicht 
verleiten  könnte,  sondern  es  ist  eine  dritte  Person  imperf.  medii 
optat.  der  Wurzel  dhf ,  dare,  halten,  festhalten  =  besitzen.  Ueber 
die  Form  vgl.  khshnvishä.  —  Urvdtois  —  mühröibjagcd  Ner. :  su- 
prasiddho  vd  satkdratajd  mitratajd  vdceh  (?)  impakarmandm  nigraham 
kuriite.  Der  Genitiv  urvdtois  und  der  Dativ  mithroibjagca  sind  beide 
von  ajantera  abhängig,  das  den  Sinn  gehend  gegen  oder  aus, 
d.i.  übertretend,  hier  haben  muss.  'Urvdtois.  Ner.  nimmt  dieses 
Wort  als  identisch  mit  dem  öfter  vorkommenden  urvdta,  Ausspruch, 
Orakel,  obschon  das  Thema  urvdti  davon  verschieden  lautet,  wenn 
auch  die  Wurzel  dieselbe  ist.  Die  richtige  Erklärung  dieses  Wortes, 
sowie  der  ganzen  Stelle  lässt  sich  bloss  durch  nähere  Betrachtung 
im  Vend.  4,  2  —  4-'^)  gewinnen.  Hier  finden  wir  fünfmal  die  For- 
mel: adhdt  framarezaiti  adhdt  afitare  urvaitja  fradathaiti,  von  den 
fünf  letzten  der  sechs  mithra  oder  Verträge,  die  nach  ihrer  grössern 
oder  geringern  Wichtigkeit  in  aufsteigender  Reihe  hier  aufgezählt 
und  mit  besondern  Namen  bezeichnet  werden.  Bei  dem  ersten, 
dem  mithro  vacahino ,  dem  blossen  mündlichen  Versprechen, 
finden  wir  sie  nicht,  wahrscheinlich  weil  dieser  nur  ein  einfacher 
sein  konnte,  während  alle  andern  doppelter  Art  waren.  Diese  zwie- 
fache Art  derselben  bezeichnet  deutlich  jene  Formel.  Die  Verba 
framarezaiti  und  fradathaiti  stehen  sich  entgegen ;  ersteres  eigentlich 
wegnehmen,  bezeichnet  eine  Abnahme,  letzteres,  eigentlich  för- 
dern, dagegen  eine  Zunahme,  oder  mit  andern  Worten  einen 
niedern  und  einen  höhern  Grad.  Jeder  mithr»  wird  durch  antare 
urvaitja  in  Ci^n  höhern  Grad  versetzt.  AVenn  aber  von  Verspre- 
chungen oder  Verträgen  die  Rede  ist,  so  kann  nur  den  mit  einem 
feierlichen  Schwur  bekräftigten  eine  höhere  Wichtigkeit  bei- 
gelegt werden.  Und  diesen  bezeichnet  die  Formel  ant(fte  urvaitja 
unzweifelhaft.  Wörthch :  er  nimmt  zu,  wird  grösser  durch  Aus- 
sprechen, d.  i.  durch  Schwur.  An  unserer  Stelle  nun  muss  es  ganz 
die  Bedeutung  von  Schwur,  Eid  haben,  während  dem  Plural 
mithroibja  die  von   Versprechungen,  Verträgen  zukommt. 


^)  In  Jt.  8,  40  hat  urvditis  die  Bedeutung  von  fortströmend,  aus- 
strömend; av6-urv(iüis,  Hilfe,  Segen  ausströmend  (von  den  Wassern) 
in  die  sieben  Zonen  der  Erde. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  II.    Cap.  46,  5.  6.  143 

Für  rashnd  gvä^  hat  Ner.  richtig  satvena  givamjah,  der  nach 
der  Wahrheit  leben  soll.  West,  schreibt  gaväg  nach  K  5 ;  ich  glaube, 
dass  man  richtiger  mit  andern  codd.  ^vä<;  liest,  da  das  Wort  nur 
Partie,  praes.  der  Wurzel  g-iü,  leben,  sein  kann,  das  im  Baktrischen 
gvä^  oder  auch  gvo  lautet,  nicht  aber  von  einer  Wurzel  ga  oder 
gav  abzuleiten  ist.  Das  rashnd  ist  Instrumental  wohl  für  rashnavd, 
rectitudine,  stehend.  —  Uzüühjoi — ahurd  Ner.:  uccdir  nigato  ^sti  j6 
mahdghdnin  kadartlianatvdt  svämin  durgatvdt,  welcher  weit  entfernt 
ist  von  der  Verachtung,  von  der  Schlechtigkeit.  Nach  dieser  Ueber- 
setzung  scheint  uzüithjui  von  uz  -}-  i  abgeleitet  zu  sein.  Aber  diese 
Ableitung,  sowie  die  angegebene  Bedeutung  ist  sicher  irrig.  Dass 
uz  die  Präposition  ist,  kann  leicht  ersehen  werden;  aber  das  uithjoi 
hat  eine  zu  grosse  Aehnlichkeit  mit  uthdi  v.  3,  als  dass  wir  es  nicht 
damit  zusammenbringen  sollten.  Führen  wir  dieses  auf  skr.  uti, 
Hilfe,  zurück,  so  würde  uz-uUhja  das  was  hilflos  ist  (vgl.  uz- 
ustdna,  leblos)  heissen;  aber  gegen  diese  Deutung  spricht  der  Sinn 
und  Zusammenhang;  was  sollte:  „er  strafe  ihn  in  dem  Hilflosen 
oder  er  schlage  ihn  in  dem  Hilflosen"  für  einen  Sinn  haben?  Leiten 
wir  es  von  vat~\-ur  ab,  so  gewinnen  wir  die  Bedeutung:  das  Aus- 
zusprechende =  das  Urtheil,  was  trefflich  in  den  Zusammen- 
hang passt.  Lautlich  lässt  sich  überdicss  nichts  gegen  diese  Ab- 
leitung einwenden,  da  die  Zusammenziehung  eines  anlautenden  va 
zu  u  bekannt  genug  ist.  —  Das  Verhum  khrünjdt  (dritte  Person 
sing,  optat.)  kommt  zwar  nur  hier  vor;  aber  seine  Bedeutung  lässt 
sich  unschwer  erkennen.  Die  zu  Grunde  liegende  Wurzel  ist  khrün^ 
oder  auch  nur  khru^  wovon  khrura,  grausam  (skr.  krüra),  khrümja 
id.,  khrvishjat,  feindlich,  verheerend,  stammt.  Wir  können  der 
Wurzel  somit  die  Bedeutung  grausam  sein  beilegen.  An  unserer 
Stelle  ist  khrünjdt  aber  wegen  des  Accusatives  im  in  transitiven« 
Sinne  zu  nehmen  und  bedeutet  wohl  verletzen,  beschädigen, 
allgemeiner  züchtigen,  strafen. 

V.  6.  Für  i^mano  liest  K.  4  i^emno.  Die  Form  kann  nach 
beiden  Schreibweisen  nur  ein  Partie,  medii  sein;  die  letztere,  die 
indess  wie  eine  Correktur  aussieht,  ist  die  gewöhnliche,  später  vor- 
kommende Jt.  15,  53.  16,  15.  14,  20.  Aber  die  erstere  war  gewiss 
die  ursprünglichere,  da  mno  immer  erst  aus  mano  mend  verkürzt  ist. 
Die  Wurzel  ist  jaf,  verehren,  nicht  ish,  wünschen,  woran  Nerios. 
zu  denken  scheint,  der  es  mit  prdrthajüum ,  verlangen,  übersetzt,  -r- 
Für  haethahjd  liest  K.  6  haühahjd,  K.  5  haethahjd,  K.  11  haithjd. 
Letztere  Schreibweise  ist  eine  offenbare  Correktur,  indem  eine  ganz 
gewöhnliche  Form  für  eine  minder  gewöhnliche  gesetzt  i>t.  Es  fragt 
sich  nun,  ist  haethahjd  von  ganz  anderer  Abstammung  als  haithja 
oder  ist  es  damit  identisch.  Da  ein  haHha  sonst  nicht  vorkommt 
und  die  allenfallsige  Etymologie  desselben  auf  haetu,  Brücke,  =  skr. 
setu,  oder  das  wedische  siti  (m  prasiti,  Ban<l,  Strick)  führte,  da- 
durch aber   kein  genügender  Sinn   gewonnen  würde,    die  dem  Sinn 


144      Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  II.    Cap.  46,  6.  7.  8. 

nach  ganz  passende  Zurückführung  auf  haühja  dagegen  aucli  laut- 
lich sich  rechtfertigen  lässt,  so  ist  letztere  Ableitung  unbedingt  vor- 
zuziehen. Haethahjd  steht  für  haithjahjd,  was  eine  etwas  übelklin- 
gende Form  wäre,  indem  das  ja  in  die  erste  Sylbe  getreten  und 
mit  dem  wurzelhaften  a  zu  ae  zusammengeschmolzen  ist.  Zu  unserm 
Gunsten  spricht,  dass  die  ganz  regelrechte  Genitivform  sich  nie 
findet.  Nerios.  giebt  es  durch  trasanija  „der  zittern  muss",  und 
erklärt  es  weiter  durch  hantavjah  „der  zu  schlagen  ist",  eine  Er- 
klärung, die  sich  philologisch  schlechterdings  nicht  begründen  lässt. 
Sie  ist  gewiss  nur  gerathen,  weil  es  offenbar  mit  drugo,  Lüge 
(nach  der  Tradition  nom.  propr.  eines  verderblichen  weiblichen  Un- 
holds), verbunden  ist,  die  der  aufrichtige  Ahuramazda -Yerehrer  stets 
zu  bekämpfen  und  zu  vernichten  hat. 

V.  7.  Mavaite  wird  von  Ner.  durch  mahjam  madfjebhja^ca ,  mir 
und  den  Meinigen,  wiedergegeben;  unter  den  „Meinigen"  ver- 
steht er  die  Schüler.  —  Nd  nicht  Mann,  sondern  Fragepartikel,  s.  zu 
45,  2.  —  Jjat  —  aenanhe  Ner.:  jato  maß  durgati[r]  a^mogah[o]  vidi- 
tvd  dadhdti  dvesham;  hila  majd  saha  dvesha\i}x\  dadhäti  me  raksham  ke 
kurvanti,  dadurch  in  Kenntniss  gesetzt,  wirft  der  schlechte  Ashemogha 
einen  Hass  auf  mich;  wirft  er  diesen  Hass  auf  mich,  wer  rettet 
mich?  Hienach  übersetzt  Ner.  didareshata  nur  mit  dadhdti,  er 
macht,  setzt,  was  zu  allgemein  ist;  viditvd  scheint  vom  Ueber- 
setzer  eingeschoben  zu  sein.  Ueber  diese  Form  s.  unter  daresh.  — 
Ueber  thraostd  s.  zu  34,  3.  —  Das  oCK.  Xsy.  dd^tväm  giebt  Ner. 
durch  ddegana,  Anweisung;  aber  diese  Bedeutung  lässt  sich  ety- 
mologisch nicht  begründen.  Es  ist  mit  dem  wedischen  darnsa, 
Werk,  zusammenzustellen,  wovon  es  eine  Abstractbildung  ist. 

V.  8.  Noit  —  fro^jdt  Ner.:  7ia  tasjdham  nrgasoh  (nr^amsah) 
karmmabhih  prakhhtam  prasarpimjüd  i.  e.  non  ejus  ego  crudelis  actio- 
nibus,  optimi  promotor.  Die  Deutung  des  dthris  durch  nrgamsahj 
grausam,  das  in  der  Glosse  weiter  durch  Aharman  chedakara,  Ahri- 
man  der  Vernichter,  erklärt  wird,  und  die  durch  Zurückführung  auf 
die  Wurzel  ad,  essen  (Fresser  kann  von  bösen-'Geistern  gebraucht 
werden),  etymologisch  begründet  werden  könnte,  ist  indess  nicht 
zulässig  an  unserer  Stelle,  sondern  dieses  Wort  ist  identisch  mit 
dem  wedischen  Namen  Atri,  womit  ein  uraltes  Priestergeschlecht 
bezeichnet  wird;  seine  ursprüngliche  Bedeutung  war  wohl  „Feuer- 
priester", und  in  dieser  müssen  wir  es  hier  nehmen.  Gebildet  ist 
es  von  dtar,  Feuer,  wie  Zarathustris  von  Zarathustra.  —  Das  td 
könnte  man  geneigt  sein,  für  einen  Nominat.  sing,  des  Demonstrat. 
im  femin.  zu  nehmen;  aber  die  Schwierigkeit,  eine  richtige  Be- 
ziehung zu  finden,  mahnt  davon  ab.  Ebenso  ist  die  Annahme,  es 
sei  Nomin.  plur.  neutr.,  wegen  des  Verb,  ga^oit  nicht  wohl  zulässig. 
Am  sichersten  ist  es,  das  td  mit  dvaeshanhä  zu  verbinden  und  als 
Instrumental   zu   fassen.      Als  Subject   des  Satzes   ist  paitjaoget   an- 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarafhustra,  IL    Cap.  46,  8.  9.  10.     145 

zusehen,  wenn  man  auch  leicht  geneigt  sein  könnte,  dieses  für 
blosses  Ädverbium  „zur  Vergeltung,  dagegen"  zu  fassen;  Ner.  hat 
pratjabhimukha.  Es  ist  seiner  Bildung  nach  partic.  praes.  von  der 
Wurzel  aog  =  vac -\- paiti ,  sodass  es  eigentlich  antwortend,  er- 
wiedernd  heisst.  Aber  in  diesem  buchstäblichen  Sinne  lässt  es 
sich  nicht  nehmen,  sondern  nur  der  übertragene  vergeltend.  Ver- 
gelte r  ist  anwendbar.  Es  gehört  zu  Mazda  im  letzten  Gliede,  das 
nur  als  Nominativ  (verkürzter  Dual  für  ahurd-mazda) ,  nicht  aber 
als  Vocativ  einen  Sinn  giebt,  vgl.  v.  5. 

V.  9.  Ke  — paournjo  Ner.:  ko  ^säu  j6  mahjam  dahshinä[m\ 
äsvädajati  prathamam ;  hila  nie  prathamafh  chafratvam  kah  kurute, 
d.  i.  wer  ist  der,  der  mich  zuerst  das  Glück  kosten  lässt;  nämlich, 
wer  schafft  mir  zuerst  Schutz?  Die  dem  aredro  und  cnithat  ge- 
gebenen Bedeutungen  sind  indess  entschieden  irrig  (s.  d.  Wörter).  — 
Jatha  —  uzemohü  Ner. :  jathd  tava  prito  iiccdir  uitishthdmi  dino  (di- 
neh?)  te ,  wie  ich,  dein  Geliebter,  mich  hoch  erhebe  (wegen  deines 
Glaubens).  Dieser  Satz  hat  Schwierigkeit  wegen  de?  uzemohu.  Die 
Anlage  des  Satzes  scheint  zu  verlangen,  dass  es  als  Verbum  zu 
nehmen  sei,  wogegen  aber  die  Form  sich  sträubt;  denn  wir  kennen 
keine  Verbalformen,  die  sich  auf  mohü  endigen.  Ner.'s  Ueber- 
setzung  durch  uccdir  uttishihdmi  ist  bloss  aus  der  ersten  Sylbe  des 
Worts  uz  gerathen.  Diese  Form  ist  indess  nichts  als  der  Locat. 
plur.  von  uzema,  das  äusserste,  höchste,  das  6  für  a  durch  Einfluss 
des  schliessenden  w,  was  öfter  im  Gäthädialekt  vorkommt  (s.  die 
grammat.  Uebersicht).  Die  Verbindung  des  Satzes  mit  dem  vorher- 
gehenden lässt  sich  auf  zweifache  Weise  denken:  1)  man  fasst  jathä 
als  Vergleichungspartikel  wie,  als  und  macht  die  Accusative  davon 
abhängig  in  dem  Sinn:  wer  anders  ist  der  Förderer,  als  du.  2)  Man 
macht  die  Accusative  von  coithat  abhängig;  wer  erkannte  mich,  wie 
dich  etc.  Da  letztere  Erklärung  auf  einem  bessern  philologischen 
Grunde  ruht,  so  ist  sie  hier  vorzuziehen. 

V.  10.  Der  Genitiv  anheus  ist  mit  ja  —  vahisid  zu  verbinden.  — 
Bei  ashim,  khshathrem  kann  die  Frage  entstehen,  ob  diese  Accusative 
von  ddjdt  oder  von  hakhshdi  abhängen.  Auf  den  ersten  Blick  scheint 
das  letztere  am  wahrscheinlichsten  zu  sein ,  da  der  Accusativ  des 
Relativs  durch  ca,  und,  angeschlossen,  unmittelbar  vor  hakhshdi 
steht,  was  noch  auf  ein  anderes  von  diesem  Verbum  abhängiges 
Object  oder  auch  auf  mehrere  zu  deuten  scheint.  Aber  gegen  diese 
Verbindung  des  ashim  —  khshathrem  mit  hakhshdi  spricht  entschieden 
der  Sinn  und  Zusammenhang  des  Ganzen;  denn  „ich  will  folgen 
der  Wahrheit,  dem  Besitzthum  und  welchen  ich  folgen  will"  giebt 
keinen  erträglichen  Sinn.  Das  einf[ichs(e  ist,  ashtm  khshathrem  als 
Apposition  zu  jd  —  vahistd  zu  fassen  und  noch  von  ddjdt  abhängig 
zu  machen,  mit  jiX(^ca  aber  einen  neuen  dem  je  vdnd  coordinirten 
Satz  beginnen  zu  lassen.  Zu  diesem  Relativ  ist  dann,  wie  oft, 
Abhandl.  der  DMG.     II,  2.  10 


I 


146      Haug,  die  Gäthas  des  Zarathustra.  II    Cap.  46,  10.  11.  12. 

ein  Demonstrativ  im  Nominativ  zu  ergänzen.  —  Diese  Worte 
jagcd  —  vahmdi  d  giebt  Ner.  durch :  jdnca  utthdpajdmi  jushmdkarh 
namaskfiaje,  diiiaje  jushmdkarh.  —  Den  Nachsatz  bildet  fro  —  peretüm. 
Ner.:  prakrshtam  te  vi^ve  ^pi  Candori  prabruvanti  uttare;  kila  je  Za- 
rathustrasja  bhavanti  te  sarve  api  Garothmdiiambha^o  bhavanti,  d.  i. 
das  Vorzüglichste  verkünden  alle,  die  auf  dem  äussersten  Candor 
(Name  einer  himmlischen  Brücke)  sind;  nämlich  alle  die,  welche 
Zarathustra  angehören,  haben  Antheil  am  Gorotman  (Paradies). 
Die  Erklärung  des /rafra  durch  verkündigen  ist  sicher  falsch.  Dass 
es  eine  Verbalform  und  nicht  etwa  die  verdoppelte  Präposition 
fra  =  pra  ist,  kann  leicht  ersehen  werden.  Das  erste  fra  ist  zwar 
die  Präposition,  aber  das  zweite  frd  eine  Verbalform.  Die  einzig 
passende  Wurzel  ist  par,  pare,  vollenden,  vollbringen;  das  d 
ist  Endung  der  ersten  Person  des  Voluntativ;  das  wurzelhafte  a 
wurde  ausgestossen  und  das  p  musste  nach  den  Lautgesetzen  in  f 
verwandelt  werden,  so  dass  frd  eigentlich  für  pard  steht.  Ueber 
die  Bedeutung  fortkommen,  hingelangen  kann  kein  Zweifel 
sein,  wenn  wir  das  frafrdo  in  dem  sehr  alten  Segensspruche 
Vend.  7,  136  Spieg.  vergleichen :  usta  itha  te  narem  j6  ithjeganhatat 
haca  anhaot  aühjeganhem  ahum  d  frafrdo,  Heil  sei  also  dir,  dem 
Manne,  der  du  von  dem  vergänglichen  Leben  zu  dem  unvergäng- 
lichen kämest  (gelangtest). 

V.  11.  Khshathrdis  jugen  giebt  Ner.  durch  rdgjdja  upakramanti, 
„auf  die  Herrschaft  gehen  sie  los",  gewiss  irrig,  da  jwg- =  jüngere 
nicht  die  Bedeutung  von  upa-kram  haben  kann.  Karapano  wird 
nicht  übersetzt,  sondern  nur  durch  karapdh  umschrieben;  für  kd- 
vaja^ca  steht  ein  seltsames  Wort  kikdgca,  das  sogleich  weiter  durch 
agrotdro  adargakäh  erklärt  ist,  s.  zu  32,  14.  —  Jeng —  dahid  Ner.: 
je  7iigdja  dtmane  nigdjaca  dkrogam  dadanti  dindja,  welche  die 
eigene  Seele  und  den  eigenen  Glauben  schmähen,  ein  im 
allgemeinen  richtiger  Sinn. 

V.  12.  Jjat —  aogjaeshü  Ner.:  je  uccdir  puiijer  (?)  yidbher 
ndbhigabhjah  ndbhithakd  (für  kah)  gurutkdndm  (f)  tdm  (?)  utthdpa- 
janti  pragnasamldpajogca ;  kila  teshdm  tatra  pratikftir  bhavati,  d.  h. 
welche  von  reiner  Verwandtschaft  ^)  verwandt  den  von  den  Ver- 
wandten Gehörnen  hoch  aufrichten  (emporheben)  die  Meisterschaft  (?) 
durch  Frage  und  Unterredung;  ihnen  wird  nämlich  dort  vergolten. 
Diese  Uebersetzung,  deren  allgemeiner  Sinn  nicht  ganz  klar  ist, 
ist  in  manchen  Einzelnheiten  entschieden  unrichtig;  so  namentlich 
in  der  Deutung  des  frjdna  durch  Frage,  als  ob  das  Wort  von 
peref,  fragen,  stammte,  und  des  aogjaeshü  durch  Gespräch,  wie 


')  ndhhi  hat  hier  gewiss  nicht  die  im  spätem  Sanskrit  vorkommende 
Bedeutung  König,  Fürst,  sondern  die  ursprüngliche  Verwandter,  Ver- 
wandtschaft.    Es  ist  offenbar  wegen  des  baktrischen  naptja  gewählt. 


Hang,  die  Gdt/id's  des  Zaraihustra.  IL    Cap.  46,  12.  147 

wenn  es  von  vac,  sagen,  herkäme.  Dass  die  zwei  Worte  naptjeshü 
und  nafshü  desselben  Stammes  sind,  ist  leicht  zu  ersehen;  das  ab- 
geleitete steht  voran.  Als  Wurzel  bietet  sich  nabh^  dessen  Grund- 
bedeutung wohl  verhüllen,  bedecken  ist;  im  Weda  lässt  sich 
nur  die  abgeleitete  Bedeutung  vernichtet  werden  nachweisen, 
s.  Rv.  8,  39,  1  u.  10,  133,  1  (nabhaiitdm  anjakeshäm  ^jdkd  ad/ii  dhan- 
vasu,  zu  Grunde  gehen  mögen  die  Sehnen  der  Andern  auf  den 
Bogen);  s.  Roth,  Erläut.  zum  Nir.  p.  135.  Davon  stammt  nabhiy 
Nabe  des  Rades  (Rv.  2,  39,  4),  nabhas  =  nubes ,  nabln,  Nabel  etc. 
Das  bekannteste  Derivat  ist  napdt,  Sohn,  Enkel,  im  Weda,  lat. 
nepos,  im  Baktr.  napdo,  Sohn,  Nachkomme  bedeutend;  so  Jt.  13,  95: 
idha  apäm  napdo  fradhdt  viQpdo  fratematdtd  daqjunäm,  hier  schuf  der 
Sohn  der  Wasser  alle  Vortreiflichkeiten  der  Länder;  19,  51:  ddim 
hathra-  ha?lgeiirvajat  apäm  napdo  aiirvat-a^po,  ihn  (den  Glanz)  ergriflf 
dort  der  Sohn  der  Wasser  Aurvat-agpn  ^) ;  vgl.  8,  34.  Neben  der 
Form  naj)do  (Nom.  sing.)  geht  naptar  her,  von  der  nur  Cass.  obliq. 
nachzuweisen  sind,  und  zwar  mit  Erweichung  des  p  und  t  durch 
das  schliessende  r,  so  Gen.  nafedhro  apam  Jt.  2,  4,  Abi.  nafedhrat 
Jt.  8,  4;  vgl.  Rv.  2,  35,  11  naptur  (Gen.  sing.)  aj)dm  (7,  18,  22)  und 
v.  14  naptre  (Dat.).  Desselben  Stammes  ist  ndfo,  Nabel,  neupers.  ndf. 
Jt.  13,  87:  frdthwere^at  ndf 6  airjanäm  daqjunäm,  er  schuf  den  Nabel 
(Mittelpunkt)  der  arischen  Länder,  vgl.  24,  9.  37.  Dahin  gehört 
auch  das  bekannte  ndbanazdUta  „der  nächste  Anverwandte."  Nur 
zu  diesen  Wörtern  sind  napijaeshu  und  nafshü  in  unserem  Verse  zu 
ziehen;  beides  sind  Locative  plur.,  ersteres  von  einem  Thema  naptja, 
letzteres  von  naf,  nab,  also  der  reinen  Wurzel.  Wenn  auch  For- 
men von  naf,  nab  unmittelbar  abgeleitet  sich  sonst  nicht  finden, 
so  können  wir  mit  einem  gewissen  Recht  ihnen  doch  dieselbe  Be- 
deutung wie  napdo,  Sohn,  Enkel,  zuschreiben;  vielleicht  war 
nafshü  der  gebräuchlichste  Locat.  plur.  davon.  In  dieser  Ansicht 
bestärkt  uns  naptja,  was  für  naptija  zu  stehen  scheint,  gebildet  von 
napti  -\-  ja;  napti  muss  Verwandtschaft,  Geschlecht  überhaupt 
bedeuten,  wie  aus  Vend.  13,  3  nava-naptajecit  he  urvanem  para-me- 
reilcaüi,  bis  zum  neunten  Geschlecht  tödtet  er  seine  Seele,  erhellt. 
Demnach  ist  naptja  der  zum  Geschlecht  Gehörige,  der  Ver- 
wandte. Jt.  13,  102  lesen  wir  den  Genitiv  naptjihi;  hier  scheint  es 
jedoch  ein  Eigenname  zu  sein.  Im  Rigveda  treflfen  wir  ebenfalls 
ein  naptjah  an ,  I,  50,  9 :  ajukta  sapta  ^undhjuvah  sürö  rathasja  naptjah ; 
aber  es  ist  hier  kein  Nom.  sing.,  wie  man  auf  den  ersten  Anblick 
anzunehmen  versucht  sein  könnte,  sondern  ein  wedischer  accus,  plur. 
von  napti,  Genossenschaft,  Genosse;  „er  spannte  die  sieben 
reinen  hellen  Genossen  des  Wagens  (die  Pferde)  an";  vgl.  3,  31,  1: 

')  Dieses  Wort,  „schnellrossig"  bedeutend,  ist  ein  Prädikat  der  Sonne. 
In  der  spätem  iranischen  Sage  ist  der  Held  LohrdQp  daraus  geworden.  Das 
Prädikat  der  Sohn  der  Wasser  mahnt  an  die  wedische  Bezeichnung 
Agni's  apäm  napdt  (Nir.  10,  18),  der  Wasser  Sohn.  Hiedurch  kommen 
wir  auf  einen  rein  mythologischen  Ursprung  dieses  iranischen  Helden. 

10* 


148  Hmig,  die  Gdthas  des  Zarathusha.  IL    Cap.  46,  12. 

duhüur  naptjdm  (wohl  für  napthn).  Nach  diesen  Auseinandersetzungen 
glaube  ich  mit  einem  gewissen  Recht  dem  naptja  die  Bedeutung 
Stammesgenossen,  Verwandte  im  weitern  Sinne,  dem  naf  die 
von  Verwandten  im  engern  Sinn,  Familienglied,  beilegen  zu 
können.  Beide  bezeichnen  in  ihrer  Zusammenstellung  jede  Art  von 
Verwandtschaft.  —  TürahS  (Gen.  von  türd)  kann  nur  die  Be- 
deutung Feind  haben,  nicht  etwa  die  von  Sieger,  wie  sie  dem 
wedischen  tura  in  fine  compos.  inwohnt;  diess  beweisen  Parallel- 
stellen deuthch;  so  türo  Franrage  Jt.  19,  57.  93,  der  von  Kavd 
Hugrava  überwunden  wird;  tura,  feindliches,  5,  73-  Daher  der 
Name  der  Erbfeinde  Irans,  der  Turanier.  Frjdna  ist  hier  deut- 
lich ein  Eigenname  und  zwar  der  eines  berühmten  Turaniers  (viel- 
leicht des  Weisen  Pirdn).  Wir  treffen  noch  zweimal  den  Genit.  plur. 
frjdnanäm  Jt.  5,  81.  13,  120,  wo  es  ebenfalls  ein  Name  ist,  in  der 
Verbindung:  joisto  frjdnanäm^  der  Verehrte  unter  den  Frjdna' s. 
Wollte  man  es  mit  frjo,  Freund,  zusammenbringen  und  es  als  ein 
reines  Appellativ  fassen,  so  würde  sich  kein  genügender  Sinn  er- 
geben. Nerios.  hat  das  Wort  auf  eine  jämmerliche  Weise  miss- 
verstanden. Aogjaeshü  ist  nicht  auf  die  W^urzel  vac,  reden,  zurück- 
zuführen, obschon  die  Form  aogaite  Vend.  13,  3,  er  redet,  eine 
solche  Ableitung  stützen  könnte,  sondern  von  aogo.  Stärke,  Kraft, 
abzuleiten,  und  zwar  ist  es  eine  Comparativbildung  davon,  wie  maQJa, 
grösser,  von  mago,  Grösse,  stammt.  Ebenfalls  ein  Comparativ  ist 
die  Form  aogjehis  (Accus,  plur.  fem.)  Jt.  13,  17.  64;  der  Superlativ 
lautet  aogisto.  Der  Genitiv  Frjdna  ist  davon  abhängig:  stärker 
als  Frjdna  (ihn  überwindend).  —  Uzgen,  eine  dritte  Person  plur. 
imperf.  auf  ashd  bezüglich;  uz  ist  die  Präposition,  gen  steht  wohl 
für  gaja7i  und  führt  auf  die  Wurzel  gi,  gewinnen,  er  sie  gen, 
aber  auch  eine  Ableitung  von  gau,  erzeugt  werden,  wäre  nicht 
unmöglich.  Die  Bedeutung  des  Worts  ist  an  unserer  Stelle  aber 
augenscheinlich  intransitiv,  gewonnen  sein,  gehören,  vgl.  giti, 
Besitz,  Habe.  Die  Präposition  uz,  die  wegen  der  Wichtigkeit 
ihres  Begriffs  zweimal  gesetzt  ist  (im  ersten  Gliede  wf),  hat  den 
Sinn  des  Vertheilens,  Austheilens;  so  dass  uz-gi  eigentlich  aus- 
besitzen, d.  i.  einen  Antheil  von  etwas  besitzen,  bedeutet.  — 
Das  thwakhshanhd  (Instrum.  von  thwakhshanh)  darf  hier  nicht  in 
dem  gewöhnlichen  erst  übertragenen  Sinn  Schaffen,  Schöpfung 
genommen  werden,  sondern  in  dem  ursprünglichen  Zimmern,  da 
hier  ganz  eigentlich  von  dem  Zimmern  der  gaethd's,  der  Hürden, 
wodurch  das  Besitzthum  eingezäunt  wurde,  die  Rede  ist  (s.  darüber 
die  Einleit.).  —  Aibi-möigt  giebt  Ner.  durch  nivasanti,  sie  woh- 
nen, wobei  er  ohne  Zweifel  an  maethana,  Wohnung,  dachte-  Dass 
es  wurzelhaft  damit  zusammenhängt,  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln; 
aber  diese  Bedeutung  is^t  hier  nicht  am  Platze.  Wir  müssen  an 
dem  ursprünglichen  Sinne  des  moith  =  meth ,  stossen,  die  im  Weda 
nachweisbar  ist,  festhalten.  Es  geht  auf  das  Einstossen  der  ein- 
zelnen Balken,  welche  die  gaethd's  bilden. 


Haag,  die  Gdthd's  des  Zaraihiisha.  IL    Cap.  4G,  13.  14.  15.       149 

V.  13.  Je  —  rddanhd  Ner. :  jah  spitatnagdja  Zarathustrdja  dak- 
shindm  ddtd  [d(ttte?]  „wer  dem  von  Spitama  gebornen  Zarathustra 
Glück  verleiht",  eine  sehr  vvillkiihrliche  üebersctzung.  —  Mare- 
ta^shu  —  erethwo  Ner.:  manushjeshu  satkdrjdni  jah  sa  narah  prakfshta- 
^Idghdddii&na  statjd  sadhjdparind  evam  tasmdi,  i.  e.  inter  homiries 
veneranda;  qui  idem  vir  exiiniae  gloriae  donatione,  laude  bona  per- 
ficiente,  ita  eidem.  Schwierig  ist  die  Fassung  von  fra^rüidjdi  erethwo. 
Nerios.  deutet  fra^r.  durch  berühmt  werden,  was  an  sich  leicht 
möglich  ist;  aber  <ler  Sinn  spricht  entschieden  gegen  diese  Fassung 
und  namentlich  v.  14:  ke  fraQrüidjdi  va^ti,  was,  wollte  man  über- 
setzen: wer  will  berühmt  werden?  völlig  gegen  den  Zusammenhang 
wäre.  Tn  Ja^.  9,  14  und  daraus  wiederholt  Jt.  19,  81  finden  wir 
fra^rdvajat  vom  Hersagen  des  Gebets  Ahu  vairjo  gebraucht.  Eine 
ähnliche  Bedeutung,  wenn  auch  nicht  diese  beschränkte,  müssen  wir 
dem  Worte  hier  beilegen.  Es  heisst  verkündigen  überhaupt  und 
geht  auf  die  Verbreitung  der  Zarathustrischen  Lehre  im  Allgemeinen. 

V.  14.  lieber  jdhi,  das  Ner.  mit  samgrdmi,  ein  Krieger, 
wiedergiebt,  s.  zu  49,  9.  —  Jefig  —  ahiird  Ner.  :  jah  stotd  ma- 
hdgndnin  as  savdsino  vjdvarttajati  svdminah ,  i.  e.  qui  laudator 
Magna- cognoscentes,  cohabitantes  separat  (onmes  singulos  laudat) 
Dominos.  In  der  Erklärung  des  schwierigen  minas  durch  sondern, 
trennen  liegt  gewiss  etwas  Richtiges;  aber  es  ist  anders  zu  ver- 
binden, als  Nerios.  thut,  und  manches  anders  zu  fassen;  jeng  ist 
Accus,  plur.  und  nicht  Nom.  sing. ,  t^tu  nicht  die  Wurzel  ^'fit,  loben, 
sondern  einfach  das  Pronomen  der  zweiten  Person,  indem  f  reines 
Einschiebsel  ist,  wie  wir  es  öfter  haben.  Minas  nun  ist  sicher  eine 
zweite  Person  imperf.  sing.,  einer  Wurzel  min,  die  mir  im  Zendavesta 
weiter  nicht  bekannt  ist.  Man  könnte  zunächst  versucht  sein,  es 
auf  die  bekannte  Wurzel  md,  messen,  mit  der  Bildimgssylbe  na 
zurückzuführen;  aber  Spuren  einer  solchen  Abwandlung  der  Wurzel 
kann  ich  sonst  nicht  finden.  Am  nächsten  liegt  skr.  mi,  nach  der 
neunten  Conjugation  gebildet,  mind  (s.  Benfey,  Sämaveda-Glossar, 
s.  h.  v.)  nach  den  Nighant.  gehen  und  verletzen,  welch  letztere 
die  gewöhnliche  Bedeutung  ist;  damit  hängt  das  lateinische  minus, 
miniio  zusammen.  Aber  mit  dieser  Bedeutung  lässt  sich  an  unserer 
Stelle  nichts  anfangen.  Wenn  wir  sie  im  lateinischen  Sinne  ver- 
ringern, verkleinern  nehmen,  was  leicht  möghch  ist,  so  werden 
wir  auf  den  Begriff  von  trennen,  sondern  geführt,  wie  ihn  die 
Tradition  hat.  Aber  dieses  Sondern  ist  hier  mehr  ein  Aus- 
sondern, Auslesen  zur  Mitgliedschaft  der  Gemeinde.  Will  man 
bei  der  Wurzel  md,  messen,  stehen  bleiben,  so  kann  dem  Worte 
die  Bedeutung  zumessen,  zählen  unter  beigelegt  werden. 

V.  15.  Haecaf-a^pd  muss  hier  ein  Plural  und  zwar  im  Vocativ 
sein;  53,  3  haben  wir  einen  Singular  Haecat-a^pdnd ,  wo  es  der 
Name    einer    der  Töchter  Zarathustra's    ist.     Ob   an   unserer   Stelle 


150       ffaug,  die  Gaihd's  des  Zaraihusira.  IL    Cap.  46,  15.  16. 

ebenfalls  Töchter  Zarathustra's  gemeint  sind ,  ist  fraglich ;  die  Form 
des  Prädikats  ^pitamdonho  (nom.  plur.  masc.)  spricht  dagegen.  Am 
einfachsten  ist  es,  den  plur.  neutr.  hier  anzunehmen,  so  dass  ganz 
allgemein  geredet  ist  und  vielleicht  ein  ganzes  Geschlecht  darunter 
verstanden  wird. —  Ms  z=jüzem,  ihr,  scheint  an  unserer  Stelle  als 
Gas.  obliq.  gefasst  werden  zu  müssen,  im  Sinne  von  ve.  Will  man 
es  als  Casus  rectus  nehmen,  wie  32,  3.  4,  so  muss  es  noch  mit 
dem  vorhergehenden  Satze  (vicajathd)  verbunden  werden.  Die  erstere 
Annahme  ist  mir  die  wahrscheinlichere.  Daduje  (Ner.  ddsjate  pra- 
sddah)  ist  so  wenig  als  viduje  (29,  3  s.  d.  Note)  eine  Infinitivform, 
wie  ich  anfänglich  glaubte,  sondern  eigentlich  eine  erste  Person 
sing.  pass.  praesentis  oder  eine  erste  und  dritte  sing.  pass.  per- 
fecti.  Da  nur  die  dritte  Person  sich  hier  construiren  lässt,  so  ist 
letztere  Fassung  vorzuziehen.  Das  u  mahnt  an  die  dritte  Person 
sing.  perf.  activi  daddu  im  Sanskrit. 

V.  16.  Hvogvd.  Nerios.  fasst  es  als  Eigennamen;  aber  diess 
ist  entschieden  irrig,  da  sich  aus  dieser,  wie  aus  den  übrigen  Stellen 
V.  17.  51,  17.  18  ergiebt,  dass  es  nur  ein  Prädikat  ist,  das  dem 
Frashaostra  und  De-gdmd^pa  beigelegt  ist.  In  der  spätem  Sprache 
ist  hvova  daraus  geworden,  aber  ebenfalls  Prädikat  der  genannten 
zwei  Beförderer  Zarathustrischer  Religion,  Jt.  13,  103.  Wir  finden 
auch  ein  Feminin  hvowi,  das  indess  wie  ein  Eigenname  behandelt 
ist  und  Name  einer  Tochter  Zarathustra's  geworden  zu  sein  scheint, 
Jt.  13,  139.  16,  15;  als  solcher  steht  es  auf  gleicher  Stufe  mit 
pouru-cistd,  eigentlich  nur  Prädikat  „vielgekannte",  später  ebenfalls 
Name  einer  Tochter  Zarathustra's.  Für  die  ursprüngliche  appel- 
lative  Bedeutung  des  Worts  spricht  Jt.  5,  98,  welche  Stelle  auch 
zugleich  über  den  Sinn  belehren  kann:  täm  (Ardvi-^üra)  jazenta 
hvovdohho,  täm  jazenta  naotairjäohho  ^)  istim  gaidhjafiti  hvovo  d^u-aqnm 
naotaire,  moshu  paccaeta  hvovo  istim  haon  ^evista  moshu  pagcaeta 
naotairS,  Vistdgpo  donhdm  daqjunäm  dgu-agpotemo  bavat.  Diese  ver- 
ehren die  Tapfern,  diese  verehren  die  Krieger,  sie  bitten  um  Reich- 
thum  an  schnellen  Pferden,  der  Tapfere,  der  Krieger;  sobald  darauf 
der  Tapfere  um  Reichthum  (fleht)  soll  das  Stärkste  (ihm)  sein,  so- 
bald der  Krieger  (darum  fleht) ;  Vigtdgpa  hatte  am  meisten  schnelle 
Pferde  in  diesen  Ländern.  Im  Neupersischen  ist  aus  diesem  hvovo: 
khob,  gut,  tapfer,  schön,  geworden,  das  fälschlich  bis  jetzt  aus 
dem  skr.  Qubha,  schön,  erklärt  wurd«,  einem  Wort,  das  im  Iranischen 
gar  nicht  existirt.  Die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Worts,  als  dessen 
ältere  vollere  Form  hvogva  bezeugt  ist,  führt  uns  auf  den  Weda.    Ich 


^)  Das  Thema  muss  naotairja  lauten,  das  sich  aber  zu  naotairS  zu- 
sammenziehen kann,  was  kein  Dativ,  sondern  ein  Nominativ  ist.  Das  Wort 
ist  im  neupersischen  nüdarah,  kühn,  kriegerisch,  erhalten.  Davon  ab- 
geleitet ist  Naotairj(7n6 ,  Beiname  eines  alten  Helden  Vigtaurus  (Guderz?) 
Jt.  5,  76.  Der  Name  des  Helden  Nüder  im  Shdhndmeh  hängt  wohl  damit 
zusammen. 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathiistra.  II.    Cap.  46,  16.  17.       151 

zerlege  das  Wort  in  hvo  =:z  suus  und  gva;  letzteres  ist  identisch  mit 
dem  zweiten  Theil  der  wedischen  Worte  nava-gva,  da^a-gva,  die 
bis  jetzt  so  gut  wie  nicht  erklärt  sind.  Beide  Ausdrücke  kommen 
häufig  nebeneinander  vor  und  sind  gebraucht  von  den  pitarak,  den 
Manen,  so  Rv.  3,  39,  5,  namentlich  aber  von  den  Angirasiden,  wie 
10,  14,  6,  wo  sie  ausdrücklich  genannt  sind;  bestimmt  gemeint  sind 
sie  5,  29,  12.  45,  7.  1,  33,  6.  62,  4',  auch  dem  Ag?ii,  als  dem  ersten 
der  Angiras,  werden  diese  Prädikate  beigelegt  10,  62,  6;  von  seinen 
Strahlen  6,  6,  3.  Da  die  Wörter  meist  von  den  Angirasiden,  deren 
He  er  den  Indra  nach  vielen  wedischen  Liedern  aus  dem  Versteck 
hervorholt,  gebraucht  werden,  so  können  wir,  da  die  Zahlen  jiava 
und  daga  nur  eine  Vielheit  überhaupt  bezeichnen  (man  vgl.  das 
häufige  nava  navati  99  von  den  Burgen,  die  Indra  zerstörte,  für 
eine  grosse  Zahl  überhaupt),  sie  füghch  als  neun  oder  zehn  Kühe 
habend,  d.  i.  viele  Kühe  habend  =  heerden reich,  woraus  im  Alter- 
thum  der  Begriff  vornehm  sich  leicht  ergeben  konnte,  übersetzen. 
Das  baktrische  hvo-gva  nun,  dem  ein  genaues  Respondens  im  Sanskrit 
nicht  nachgewiesen  werden  kann  —  es  müsste  svagva  lauten  — 
heisst  demnach  eigentlich:  der  eigene  Kühe  hat,  d.i.  der  selbst 
Kühe  besitzt;  dieses  gab  zunächst  den  Begriff  reich.  Da  aber  in 
der  ältesten  Zeit  die  Kühe  gewöhnlich  geraubt  wurden;,  was  man 
aus  unzähligen  Wedastellen  ersehen  kann,  der  Raub  aber  nur  durch 
Tapferkeit  gelingen  konnte,  so  nahm  es  allmähHg  den  Sinn  von 
tapfer,  vornehm  an.  Es  ist  als  Prädikat  dem  Kavi  parallel,  nur 
bezeichnet  es  einen  etwas  niedrigem  Grad.  ■ —  Varedemäm  shaeite 
Ner. :  sthdnam  nivasati,  i.  e.  locum  habitat.  Dass  varedemäm  hier 
nicht  von  der  Wurzel  vared,  wachsen,  abgeleitet  werden  kann, 
leuchtet  aus  dem  Zusammenhang  ein.  Es  scheint  eher  mit  dem 
skr.  vartman,  Weg,  Pfad,  das  schon  im  Weda  sich  findet  (Rv. 
1,  85,  3),  zu  stimmen.  Aber  auch  diese  genügt  nicht  ganz.  Am 
nächsten  liegt  das  medische  der  Keilschriften ,  vardanam^  Stadt,  das 
ursprünglich  so  viel  als  Schutzwehr  bedeutet.  Auf  eben  diese 
Bedeutung  führt  varedat  in  dem  häufigen  Compos.  varedat-gaethay 
die  Besitzthümer  mit  einer  Wehr  umgebend,  sie  schützend. 
Auch  varedhaja  Veiid.  2,  4  f.  heisst  umgeben,  schützen,  nicht 
vermehren.  Die  zu  Grunde  liegende  Wurzel  vared  ist  eine  Er- 
weiterung von  var,  bedecken;  im  Neupersischen  entspricht  girdy 
rund,  Kreis  (s.  zu  44,  10). 

V.  17.  Afshmäni  Ner.:  pramdnam,  Maass,  Zeugniss,  Be- 
weis, in  der  Glosse  durch  dini,  Glauben,  erklärt.  Der  Form  nach 
ist  es  Nom.  acc.  neutr.  plur.  eines  Thema's  afshman;  sonst  finden 
wir  auch  af^mana  Vp.  13,  2.  Die  wichtigste  Stelle  über  den  Sinn 
dieses  Worts  ist  Ja^.  19,  6:  aetatca  vaco  mazddo-ukhtem  thri-afQtnem; 
kais  hA  af^män:  hümatem  hükhtem,  hvantem,  „dieses  von  Mazda  ge- 
sprochene Wort  ahü  vairjo  hat  drei  afi^ma;  welches  sind  seine 
af^ma's:    das    gut   Gedachte,  gut  Gesprochene    und    gut  Gethane." 


152  Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IL    Cap.  46,  17. 

Diese  Griindlehren  Zarathustra's  von  der  Dreiheit  des  Gedankens, 
tles  Wortes  und  der  That  also  werden  durch  af^ma  bezeichnet. 
Auch  sonst  finden  wir  die  afpnana  neben  Wörtern,  die  sich  auf  die 
heiligen  Offenbarungen  beziehen  Vp.  13,  2.  14,  1.  16,  4,  wo  von 
af^manas  des  Abschnittes  Ja^na  haptanhaiti  (Ja9.  capp.  35 — 42)  die 
Rede  ist;  Jt.  13,  126  raocdo  perethu-af^mo,  24,  24  vi<^p6-af^manäm, 
ein  Prädikat  des  Glaubens.  Im  Neupersischen  ist  es  noch  als  afsun, 
Zauberei,  Besprechung,  erhalten,  womit  es  bereits  von  Spiegel 
zusammengestellt  wurde.  Die  Etymologie  ist  etwas  schwierig.  Nehmen 
wir  afshman  als  Thema,  so  ist  es  in  af  und  shman  zu  scheiden; 
af  ist  entweder  die  Präposition  aipi  =  api  oder  aibi=abhi;  in 
shman,  ^man  haben  wir  sicherlich  die  Wurzel  ^airif  die  im  Weda 
sehr  häufig  vorkommt  und  von  der  sich  einige  sichere  Spuren  auch 
im  Zendawesta  nachweisen  lassen.  Ihre  ursprüngliche  Bedeutung 
ist  eine  rein  gottesdienstliche,  wie  die  häufige  Segnungsformel  ^aih 
Jos,  Glück,  Heil  dem  Geschlecht!  zeigt.  Die  eigentliche  Be- 
deutung ist  das  Opferthier  schlachten,  wie  das  nom.  actoris 
^amitd,  der  Opfer  schlechter,  in  einer  alten  Opferformel,  die  aus 
den  A^valdjana-Sütras  von  Roth  in  seiner  Einleitung  zum  Nirukta 
p.  XXXVII  f.  mitgetheilt  ist,  und  ^amt,  das  Schlachten,  Rv.  1,  20,  2. 
83,  4.  110,  4  deutlich  beweist.  Nachher  nahm  es  die  allgemeinere 
Bedeutung  beruhigen,  besänftigen  an.  Im  Baktrischen  findet 
sich  davon  das  nom.  propr.  Qdma,  der  Held  Sdm  des  Schdhndmeh; 
Ja^n.  9,  10  haben  wir  den  Plural  (;dmandm  ^evisto,  der  stärkste  der 
Sdme,  worunter  wohl  im  Allgemeinen  Heilkünstler,  eigentl.  Be- 
ruhiger, verstanden  werden.  Hieher  gehört  auch  das  Adj.  ^endd, 
heilbringend,  J.  38,  5.  51,  14.  Af^man  nun,  für  aipi-^aman 
stehend,  bezeichnet  wohl  die  Gebetsformel,  die  bei  der  Schlachtung 
des  Thieres  hergesagt  wurde;  der  ursprüngliche  Begriff  verdunkelte 
sich  so  allmählig  und  nahm  die  allgemeinere  von  Segensspruch 
an,  die  wir  dem  Wort  mit  Fug  und  Recht  vlndiziren  können.  — 
Ob  genhdnt  erste  Person  Imperativi  oder  Nom.  plur.  neutr.  ist,  könnte 
fraghch  sein.  Der  deutliche  Accusativ  anafshmdm  verlangt  ein  Verbum; 
als  solches  lässt  sich  nur  genhdni  auffinden.  Ausserdem  ist  ^eftha, 
das  Wort,  Lob,  in  den  Gdthd's  ein  Masculinum.  —  Hadd — 'rd- 
danho  Ner. :  sahaddtja  ['^^  vah  asti  namahstütaje  grogadaksha[i]nd  ddne  ; 
sahaddtir  ijam  jat  (a)ddti[m]  Jushmdkain  brüte  vapugca  dakshijikurute. 
Nach  dieser  Uebersetzung  vi^äre  für  vtgtd :  ve  <^td  zu  lesen,  wie  K.  6. 
P.  6  schreibejä.  Aber  der  Accusativ  vahmeng  macht  Schwierigkeit; 
zudem  wäre  die  zweite  Person  ^td,  ihr  seid,  hier  nicht  am  Platze. 
Bleiben  wir  desshalb  bei  vigtd.  Der  Form  nach  ist  es  ein  Partie,  pass. 
der  Wurzel  vid,  finden,  erlangen  (nicht  von  vid,  wissen),  aber 
nicht  etwa  der  Instrumental  sing.,  wie  es  den  Anschein  haben  könnte, 
sondern  der  Nom.  plur.  neutr.  und  bezieht  sich  auf  Degdmd^pd 
zurück.  Es  hat  indess  die  Bedeutung  des  activen  Particips  gerade 
wie  varetö  45,  1  (s.  dazu)  und  regiert  den  Accusativ  vahmeng ,  wie 
unzweifelhaft  aus  51,  18  folgt,  wo  wir  an  der  Stelle  des  vigtd  das 


Haiigy  die  Gdthas  des  Zarai/iustra.  IL    Cap.  46,  17.  18.       153 

deutlichere  vido  haben.  —  Baiigra  —  ahurd  Ner. :  gndte[fi]  pramditain 
satjatajd  mahdgndnm  svdmin,  i.e.  cognitionis  autoritas  veritate  magna 
noscens  Doinine !  religionis  Hormizdae.  Dass  dangra  huithch  soviel 
als  das  wedische  dasra  ist,  leuchtet  ein,  weniger  aber  will  die 
wedische  Bedeutung  Zerstörer  gefallen.  Als  Prädikat  der  Götter, 
des  Indra  und  der  A^vin,  kann  es  indess  auch  die  allgemeine  Be- 
deutung Sieger  haben.  Diese  kann  sich  in  unsere  Stelle  besser 
fügen.  Vielleicht  ist  das  Wort  noch  in  dem  neupersischen  daiigü, 
frech,  unwissend,  mit  freilich  etwas  veränderter  Bedeutung  er- 
halten. Der  dem  Worte  von  Ner.  gegebene  Sinn  „Erkenntniss" 
=  Religion,  lässt  sich  etymologisch  nicht  beweisen.  Er  dachte 
wohl  an  dahma,  das  auch  ohne  Zweifel  verwandt  ist  (s.  zu  32,  16) 
und  durch  Gebet,  Vernichtungsgebet  in  Bezug  auf  die  Daeva's 
erklärt  wird. 

V.  18.  Agcit  giebt  Nerios.  durch  vapushd,  i.  e.  corpore,  und 
fasst  es  demnach  als  Substantiv,  wohl  verführt  durch  das  bekannte 
a^ti,  existentia.  Das  angehängte  cit,  qiiodcunque,  scheint  diese 
Auffassung  zji  bestätigen.  Da  sich  aber  nirgends  ag  als  Substantiv 
nachweisen  lässt  und  zudem  das  Adject.  vahistd  (nom.  plur.  neutr.  oder 
Instrum.  sing.)  nicht  dazu  stimmen  würde,  so  müssen  wir  davon  ab- 
stehen. A^  kommt  nur  vor  1)  als  dritte  Person  Imperf.  sing.  act.  von 
as,  sein,  =  erat;  2)  als  Verstärkungspartikel  vor  Norainibus  =  valde, 
s.  d.  Gl.  Weil  wir  vahistd  damit  nothwendig  in  Verbindung  bringen 
müssen,  so  ist  die  Fassung  als  „erat"  schon  wegen  Nichtübereinstim- 
mung des  Numerus  unzidässig;  wir  müssen  es  als  Verstärkungswort 
fassen;  das  cit  ist  an  dieses  af  statt  an  vahistd  gehängt  worden. 
Das  Verbum  ist  coishem  im  Folgenden.  —  Maqjcio  —  mananhd  Ner.: 
mahjam  lakshmivatah  uttamam  dsvddajati  manah;  kila  jo  mahjam 
lakshmim  daddti  tasmdi  gvahmd  prasddam  daddti,  i.  e.  mihi  felices 
optima  praebet  mens;  nempe  qui  mihi  fortunam  dat,  eidem  Bah- 
manus  gratiam  dat.  Coishem  ist  kein  Substantiv,  zu  welcher  An- 
nahme arenat-caeshem  Jt.  10,  35  leicht  verleiten  könnte,  da  dieser 
Accusatlv  von  keinem  Verbmn  abhängig  gemacht  werden  kann,  son- 
dern es  ist  entweder  eine  erste  Person  sing.  Imperf.  der  Wurzel 
mA,  flehen,  bitten,  J.  35,  5.  39,  4  oder  eine  erste  Person  sing. 
Aor.  l  von  ci,  sammeln.  Letztere  Bedeutung  ist  die  passendste.  — 
Schwierig  ist  d^tefig,  d^td,  dem  wir  fast  nur  in  den  Gdthd's  be- 
gegnen (vgl.  noch  Jt.  24,  44).  Ner.  hat  zum  erstenmal  andstikatvam, 
zum  zweiten  anjdstitvam;  34,  8  andstikatvam,  44,  14  ndstika.  Da 
nur  das  letzte  ein  wirkliches  Sanskritwort  in  der  Bedeutung  Un- 
gläubiger, Gottesläugner  ist,  die  übrigen  im  Sanskrit  gar  nicht 
vorkommen,  so  haben  wir  allen  Grund  zu  der  Annahme,  dass  sie 
das  unverständliche  ä^ta,  d^teng  nur  umschreiben  sollen.  Der  Deu- 
tung durch  ndstika,  was  von  na-\-  astika,  d.i.  einer,  der  nicht  das 
Sein  hat  oder  nicht  daran  glaubt,  liegt  die  Auflösung  in  das  negative 
an^agti,  Sein,  zu  Grunde.    Diese  Etymologie  ist  aber  nicht  mög- 


154       Haugj  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  II.    Cap.  46,  18.  19. 

lieh,  da  wir  anagti  haben  müssten  und  mia  sich  nie  zu  ä  zusam- 
menzieht. Sehr  nahe  Hegt  skr.  am^a,  Theil,  Antheil,  aber  diese 
Bedeutung  giebt  keinen  guten  Sinn  und  passt  namentlich  nicht  zu 
44,  14.  Ich  sehe  darin  nur  das  wedische  amhati,  Angst,  Noth, 
Bedrängniss ;  dieses  musste  im  Baktrischen  zunächst  zu  äzati 
werden,  das  sich  sehr  leicht  durch  Elidirung  des  a  und  Verwand- 
lung des  z  in  9  wegen  des  t  zu  ä^ti  verkürzen  konnte.  In  der 
spätem  Sprache  haben  wir  äzo  =:  skr.  amhas,  das  aber  nie  in  den 
Gdthd's  vorkommt.  Durch  diese  sehr  einfache  Erklärung  gewinnen 
wir  überall  einen  sehr  befriedigenden  Sinn  und  namentlich  an  unserer 
Stelle  den  nöthigen  Gegensatz. 

V.  19.  Je  —  vareshaiti  Ner. :  jö  me  punjam  prakatam-samdcaratij 
i.  e.  qui  mihi  purum  manifestum  exsequitur.  —  Zarathustrdi  —  frasho- 
temem  Ner.  :  Zarathustras (6)  jah  kdmeh[ine]  prakrshtatamah ;  kila 
^rdjd  [?]  Zarathustrasja  nidar^atir  asti,  i.  e.  Zarathustra  qui  volentis 
(volenti  cuique)  excellentissimus.  Die  Beziehung  des  frashötemem 
(s.  darüber  zu  30,  9)  als  eines  Adjectivs  auf  Zarathustrdi  ist  gram- 
matisch nicht  zulässig:  es  muss  mit  parahüm  im  Folgenden  ver- 
bunden werden.  Dieses  giebt  Ner.  durch  ubhajor  bhuvanajoh,  der 
beiden  Leben.  Doch  gegen  diese  Fassung  spricht  entschieden 
das  pard;  was  nie  die  beiden  heissen  kann.  Ebenso  wenig  kann 
das  andere  Leben  übersetzt  werden,  wie  ich  früher  that,  da  para 
nie  der  andere  heisst,  dafür  müsste  apara  stehen.  Für  pard  lässt 
sich  in  den  Gdthd's  nur  die  Bedeutung  vorher,  früher  =  skr.  purd 
nachweisen.  Wir  können  daher  unter  dem  Compositum  pardhü  nur 
das  paourjo  ahn,  das  erste  Leben,  verstehen.  —  Azi  fasst  Ner. 
als  Eigenname;  er  hat  agindynnim  (eine  Kuh),  Agi  mit  Namen,  s.  zu 
44,  6  u.  das  Gl.  —  Qlg.  Ner.  scheint  es  an  unserer  Stelle  durch 
samtoshah,  Glück,  wiederzugeben  (doch  ist  die  Lesung  nicht  ganz 
sicher);  in  der  Parallelstelle  43,  11  hat  er  aber  sicher  avocat,  er 
sagte,  wornach  er  es  von  der  Wurzel  fawgÄ  =  skr.  gams,  loben, 
preisen,  abgeleitet  hat.  An  beiden  Stellen  steht  es  hinter  moi  und 
bezieht  sich  auf  einen  Nominativ,  aber  ein  Accusativ  scheint  nicht 
davon  abhängig  zu  sein;  denn  tdcit  wird  am  besten  mit  vaedisto 
verbunden.  Eine  Form  der  Wurzel  ^afigh  kann  es  indess  nicht  sein, 
man  müsste  nur  annehmen,  es  sei  eine  Verkürzung  aus  Qajighd^, 
was  wohl  ohne  Analogie  ist.  Ich  halte  es  für  ein  Participium  praes. 
der  Wurzel  as,  sein,  die  in  der  Flexion  oft  genug  das  a  weg- 
wirft. Man  würde  hag  vermuthen,  was  auch  vorkömmt;  aber  der 
unmittelbar  vorhergehende  Vokal  in  moi  begünstigte  die  Erhaltung 
des  ursprünglichen  Zischlauts,  wie  wir  auch  sonst  wissen.  Dem  Sinn 
nach  ist  dieses  moi  gä^  mir  seiend  =  mir  gehörig,  mein,  so  dass 
wir  darin  nur  einen  andern  Ausdruck  für  das  bekanntere  mdvat, 
mdvä^  =  meus  haben. 


Commentar  zur  Gäthä  9pentä-mainjü, 


Capitel  47. 

JL)ieses  kleine  Stück  ist  in  drei  Theile  zu  zerlegen,    die  unter  sich 
nicht  zusammenhängen. 

a)  1  —  3.  Lobpreisung  Ahuramazdas  als  des  Herrn  aller  guten 
Kräfte  und  des  Gebers  alles  Guten  und  des  Schöpfers  dieser  Welt. 
Die  spätem  Amesha  ^peitta's  erscheinen  hier  deutlich  nur  als  Kräfte, 
die  Ahuramazda  besitzt  und  die  er  seinen  Anbetern  verleiht.  Diese 
Anschauung  ist  ein  genügender  Grund,  das  kleine  Stück  Zarathustra 
selbst  zuzuschreiben.     Der  nähere  Inhalt  ist  folgender. 

Ahuramazda  verleiht  vermöge  seines  heiligen  Geistes,  seines  nur 
das  Allerbeste  denkenden,  seines  nur  die  Wahrheit  verkündenden 
Worts  und  seiner  nur  die  Wahrheit  vollbringenden  That  (vgl.  34,  1) 
jene  beiden  hohen  Kräfte,  die  Vollkommenheit  und  Unsterblichkeit, 
dieser  Schöpfung  und  lässt  sie  in  dem  Reich  auf  der  Armaifi,  d.  i. 
der  Erde,  wirken  (1).  Merkwürdigerweise  ist  hier  dem  Ahuramazda 
der  gpeiito  mainjus  oder  heilige  Geist  zugeschrieben,  unter  dem 
er  sonst  selbst  genannt  ist.  Diesem  heiligsten  Geiste,  fährt  der 
Prophet  weiter  fort,  gehört  alles  Gute,  durch  die  Worte  seines 
eigenen  Mundes,  die  aus  dem  guten  Sinne  geflossen;  mit  seinen 
eigenen  Händen  wirkt  er  die  frommen  Werke  der  Armaiti  und  ist 
vermöge  dieser  hohen,  in  Gedanken,  Wort  und  That  sich  oflfen- 
barenden  Weisheit  der  Vater  des  WirkHchen,  d.  i.  alles  Daseins  (2). 
Von  solchem  Geiste  ist  Ahuramazda,  der  selbst  ebenso  heilig  ist, 
wie  jener  ihm  inwohnende  Geist.  Er  schuf  für  dieses  irdische  Leben 
die  heilige  Erde,  in  deren  Schooss  das  Feuer  ruht;  er  schmückte 
sie  mit  lieblichen  Fluren.  Alles  diess  that  er,  nachdem  er  sich  mit 
dem  guten  Geiste  bcratlien  hatte,  d.  h.  nachdem  er  die  Schöpfung 
der  Erde  als  etwas  zur  Förderung  des  Guten  durchaus  Noth- 
wendiges  erkannt  hatte  (3). 

b)  4.  5.  schildern  das  gegenseitige  Verhältniss  der  Wahrhaftigen 
und  der  Lügner,  das  dem  Dichter  als  ein  sehr  ungünstiges  er- 
scheint, indem  die  Mehrzahl  dem  Lügengeiste  huldigt  und  von  dem 
wahren  Glauben  sich  abwendet  und  die  von  dem  höchsten  Gott  ge- 
botenen  Gnadengaben    verschwendet.     Beide  Verse    scheinen   einem 


156        Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.    Cap.  47,  1.  2. 

grössern  LIede  entnommen  zu  sein,  das  der  Proi)het  dem  kleinem 
Kreise  seiner  Freunde  und  Anhänger  vortrug.  Die  Lügner,  sagt 
er,  suchen  durch  den  Lügengeist  zu  schaden  und  können  diess  nur 
auch  durch  diesen  thun,  da  dem  guten  heiligen  Geist  ein  solcher 
aufs  Verderbliche  gerichteter  Sinn  ganz  zuwider  ist.  Die  Lügner 
sind  jedoch  im  Vortheil;  alle  Reichen  und  Mächtigen  unter  dem 
grÖssten  Theile  des  Volks  sind  schlecht  und  huldigen  dem  Lügen- 
geiste. Warum,  fragt  nun  der  Prophet,  hat  der  Wahrhaftige  Geist 
nur  unter  dem  kleinsten  und  geringsten  Theile  des  Volks  An- 
hänger? (4).  Indess  sollen  sich  durch  dieses  Missverhältniss  die 
wahrhaft  Gläubigen  nicht  abschrecken  lassen.  Ihm  gehört  alles  Gute, 
wo  es  auch  sich  zeigen  mag.  Der  Lügner  missachtet  diese  Gaben^ 
die  ihm  der  wahre  Gott  durch  seine  Gnade  giebt,  und  vergeudet 
sie,  indem  er  durch  seine  Handlungen  das  Verharren  bei  der  schlech- 
ten  Gesinnung  kundgiebt  (5). 

c)  6.  Dieser  Vers  bezieht  sich  augenscheinlich  auf  die  auch 
im  Weda  bekannte  Weise,  das  Feuer  durch  Reiben  zweier  Hölzer, 
eines  weichen  und  harten,  zu  erzeugen.  Die  so  einfach  schönen 
Worte  können  von  Zarathustra  selbst  herrühren.  Er  steht  vor  den 
brennenden  Hölzern,  die  sich  soeben  entzünden,  und  ruft  vor  der 
grossen  zu  dieser  heiligen  Ceremonie  herbeigeströmten  Menge  den 
Ahuramazda  als  den  Geber  dieser  guten  Gabe  an,  der  sie  vermöge 
der  unzertrennlichen  Zweiheit  von  Wahrheit  und  Frömmigkeit  her- 
vorbringt. Gerade  die  fromme  gottergebene  Gesinnung  ist  es,  die 
alle  Versammelten  vor  dem  Bösen  schützen  kann. 

V.  1.  Vgl.  45,  5.  10.  So  einfach  dieser  Vers  auf  den  ersten 
Anblick  erscheint,  so  schwierig  ist  die  richtige  Wort-  und  Sinn- 
abtheilung.  Man  ist  zunächst  versucht,  ^pefitd  mainjü  als  Vocativ 
zu  fassen,  aber  dagegen  spricht  das  unmittelbar  folgende  vahistdcd 
manaiihd;  denn  wie  sollte  sogleich  ein  Instrumental  mit  und  an- 
geknüpft werden?  Daher  ist  es  das  Beste,  gperdd  mainju  ebenfalls 
als  Instrumental  zu  fassen  und  eng  mit  den  folgenden  Instrumen- 
talen manaiihd  etc.  zu  verbinden.  Zu  ahmdi  ist  ^toi  zu  ergänzen, 
wie  45,  10  zeigt.  Da  ist  nicht  dritte  Person  j)lur.  aor.,  sondern 
partic.  praes.  wie  in  der  angeführten  Stelle ;  sein  Subject  ist  Mazddo 
ahuro.     Hacd  ashdt  hat  ganz  den  Sinn  eines   Genitivs. 

V.  2.  Zu  eed  nu  vgl.  32,  16  (s.  weiter  zu  28,  12);  es  be- 
zieht sich  hier  auf  den  Plural  uhhdhdis  zurück.  Ojd  hielt  ich  lange 
für  einen  Genit.  dual,  des  Demonstrativums  a\  aber  diese  Ansicht 
ist  haltlos,  da  sich  qdthrojd  43,  2  und  akojd  51,  8  ebenfalls  nicht 
als  Duale  nachweisen  lassen.  Man  kann  es  nur  als  eine  Form  oder 
Bildung  von  ava,  jener,  nehmen,  entweder  als  Instrumental  eines 
Feminins  avi  oder,  da  die  Feraininbildung  durch  t  bei  den  De- 
monstrativen nicht  vorkommt,  als  eine  Conctraction  des  regelrechten 
Instrumental  femin.  sing,  avajd,    indem   av   zu    6   zusammengezogen 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.    Cap.  4:1 ,  2.  3.  4.      157 

und    das    a    aiisgestossen    ist.      Letztere   Erklärung    ist    die    wahr- 
scheinlichste. 

V^  3.  Der  Genitiv  ahjd  mainjeus  steht  hier  im  Sinne  eines 
Ablativs,  das  Abstammungsverhältniss  ausdrückend,  wie  43,  7.  — 
Zu  td-^peiltö,  so  heilig,  d.  i.  ebenso  heihg,  als  der  heilige  Geist, 
vgl.  jd-varano,  welches  Glaubens,  Ja9.  12,  7.  —  Das  Relativum 
je  geht  nicht  auf  ^pefito,  sondern  auf  ahjä  mainjeus  zurück.  Ahmdi 
kann  nicht  auf  ahjd  mainjeus  zurückbezogen  werden,  sondern  es 
geht  auf  das  irdische  Leben  oder  die  Aussenwelt,  vgl.  30,  7. 
45,  10.  —  Für  Am,  wie  West,  schreibt,  ist  mit  K.  4  hem  zu  lesen, 
da  ersteres  als  Accusativ  des  Pronomens  der  dritten  Person  schlech- 
terdings keinen  passenden  Sinn  giebt.  Hern  ist  zwar  nach  dieser 
Emendation  in  demselben  Satze  zweimal  gesetzt;  eine  solche  Wieder- 
holung der  Präposition  findet  sich  aber  in  den  Gdthd's  öfters,  vgl. 
44,  13  zweimal  nis. 

V.  4.  Man  ist  bei  der  Erklärung  dieses  höchst  schwierigen 
Verses  leicht  versucht,  für  dregvato  mit  den  meisten  Handschriften 
dregvanto  zu  lesen;  aber  wegen  des  entsprechenden  Gegensatzes 
ashaonoy  das  deutlich  ein  Genitiv  singul.  oder  Acc.  plur.  ist,  können 
wir  diese  Lesart  nicht  annehmen,  obschon  sie  der  Plural  des  Verbum 
rdreshjanti  zu  verlangen  scheint.  Das  Subject  ist  ausgelassen  und 
kann  nicht  in  dem  Vorhergehenden  gesucht  werden,  mit  dem  der 
Vers  in  gar  keinem  Zusammenhang  steht.  Der  Sinn  verlangt  „die 
Lügner,  die  Gottlosen",  überhaupt  die  Gegner  des  guten  Geistes 
und  seiner  Schöpfungen.  —  Für  kdthe,  was  schwer  abzuleiten  und 
zu  erklären  wäre,  ist  kdthe  zu  lesen,  wie  es  44,  2  lautet.  —  Am 
meisten  Schwierigkeit  macht  bei  der  ersten  Untersuchung  i^vdcit. 
Man  ist  versucht,  es  von  der  Wurzel  jag,  verehren,  mit  SujQf.  va 
abzuleiten,  so  dass  es  Verehrer  bedeutete;  aber  diese  Bedeutung 
hat  schon  an  sich  etwas  Bedenkliches,  sowohl  hier  als  in  der 
Parallelstelle  43,  13;  zudem  wird  die  Ableitung  auch  grammatisch 
verdächtig,  da  das  Wort  eine  Casusendung  haben  müsste  und  im 
Nominativ  z.  B.  iQvdo  heissen  sollte.  Nerios.  übersetzt  es  43,  13 
mit  Idbha,  Gewinn,  was  eine  offenbare  Verwechslung  mit  ^avo,  das 
sonst  richtig  so  übersetzt  wird,  ist.  Nach  langer  Erwägung  fand 
ich,  dass  es  ein  pronomen  indefinitum  ist  und  dem  altern  deutschen 
etwer=:  irgendjemand  entspricht.  Es  ist  eine  Zusammensetzung 
des  Pronomen  demonstr.  is  mit  dem  Suffix  ua,  das  öfter  mit  Pro- 
nominalstämmen verbunden  wird  und  ihnen  eine  eigenthümliche  Be- 
deutung giebt,  so  z.B.  kva,  wo?  (für  kava)  und  aeva,  eins;  vgl. 
im  Sanskrit  noch  das  so  häufige  iva,  wie.  Im  germanischen,  wie 
im  lateinischen  Fragepronomen  hat  sich  dieses  va  ebenfalls  erhalten ; 
denn  wer,  was  für  hwer,  hwaz  stehend,  sind  aus  dem  zu  h  ver- 
stümmelten Interrogativstamm  ka  und  va  zusammengesetzt;  ebenso 
latein.  quis.    Wegen  des  f  vor  v  fasse  ich  es  als  mascul.  =  etvver ; 


I 


158    Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IIL   Cap.  47,  4.  5.  6.   Cap.  48. 

aber  es  Hesse  sich  auch  die  Deutung  etwas  näher  begründen, 
wenigstens  in  43,  13,  aber  nicht  wohl  an  unserer  Stelle.  Das 
Wort  gehört  nur  dem  Gäthädialekte  an.  —  Paraos  kann  nur  Ge- 
nitiv-Ablativ von  j)(i^^  ^ür  pouru,  viel,  sein  und  bildet  einen  deut- 
lichen Gegensatz  zu  ka^eus,  wenig,  gering. 

V.  5.  In  cois  vermuthet  man  zunächst  eine  zweite  Person  verb 
der  Wurzel  ci.  Da  aber  solche  Bildungen  unmittelbar  aus  der 
Wurzel  durch  blosse  Anhängung  der  Personalendungen  bei  ci  sich 
sonst  nicht  nachweisen  lassen  und  ausserdem  die  Bedeutungen  des- 
selben sammeln,  wissen,  keinen  rechten  Sinn  geben,  so  müssen 
wir  von  dieser  Fassung  absehen.  Auch  spricht  31,  3  ashdcd  cois 
deutlich  dagegen.  Wir  können  es  nur  als  Genitiv  des  Pronom. 
interrog.  indefinitum  ci  fassen  und  von  ashaone  abhängig  machen. 
Auf  diese  Weise  hat  der  Satz  von  td  —  cois  eigentlich  gar  kein 
Verbum.  Wenn  man  aber,  wie  auch  aus  andern  Gründen  geschehen 
muss,  das  ja  —  vahistd  eng  mit  td  verbindet,  so  hat  man  nur  nöthig, 
das  einfache  verb.  substant.  zu  ergänzen,  was  keine  Schwierigkeit  hat. 

V.  6.  Für  viddiU,  wie  Westerg.  nach  K.  5,  wohl  durch  die 
Form  vnrdite  am  Ende  des  Verses  verführt,  schreibt,  ist  gewiss  mit 
der  Mehrzahl  der  Handschriften  vidditim  zu  lesen.  Jenes  viddit^ 
könnte  der  Form  nach  eigentlich  nur  Verbum  sein,  und  ein  solches 
wäre  hier  schwer  zu  rechtfertigen;  dagegen  geht  der  Accusativ  ganz 
gut  und  ist  sogar  nothwendig,  wenn  man  td  als  Instrumental  mit 
dthrd  verbindet.  Ha  bezieht  sich  nur  auf  Armaiti  zurück.  —  Paourus 
muss  mit  ishento  (Accus,  plur.  part.  praes.)  verbunden  werden  und 
ist  wahrscheinlich  eine  Verkürzung  für  paourus;  sonach  steht  es  für 
den  Accusativ  plur.  Als  Nominativ  sing,  lässt  es  sich  nicht  con- 
struiren;  denn  das  Subject  des  Satzes  ist  das  weibliche  Demon- 
strativ hd. 


Capitel  48. 

Hier  laufen  verschiedene  Verse  aus  früherer  und  späterer  Zeit, 
zarathustrische  und  nichtzarathustrische,  durch  einander.  Nur  5.  6 
und  8  — 11  hängen  unter  sich  etwas  lose  zusammen;  die  übrigen 
sind  alle  vereinzelt  und  mehr  zufällig  zusammengereiht. 

Im  ersten  Vers  redet  ein  Freund  des  Zarathustra  über  diesen 
selbst  zu  Ahurarnazda.  Er  steht  ganz  abgerissen  da,  mit  addis  „durch 
diese"  auf  etwas  Vorhergegangenes  hinweisend.  Was  darunter  ge- 
meint ist,  lässt  sich  nur  errathen.  Wahrscheinlich  bezieht  es  sich  auf 
„Sprüche".  Der  Sinn  ist  folgender.  Wenn  der  Prophet  durch  seine 
ihm  von  Gott  geoffenbarten  Sprüche  die  Lüge  vernichten  kann, 
die  sich  in  alten,  aus  früherer  Zeit  ererbten  Zaubersprüchen  zeigt, 
welche  von  den  Daeva's  und  ihren  Verehrern  gegen  die  Unsterblich- 


Haugy  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.   Cap.  48.  159 

keit,  d.  i.  gegen  die  Fortdauer  des  guten  irdischen  Lebens,  ange- 
wandt werden,  so  solle  er  diess  nur  thun  und  jetzt  unter  dem  Bei- 
stand Ahuramazda's  das  Heilsgebet  sprechen. 

Im  zweiten  Verse  bittet  der  Dichter  den  Ahuramazda  als  den 
Wissenden  um  Mittheilung  seiner  Erkenntniss.  Dieser  bedarf  er  um 
so  mehr,  als  ihm  ein  gewaltiger  geistiger  Kampf,  der  Kampf  der 
Wahrheit  gegen  die  Lüge,  bevorsteht.  Fast  zweifelnd  am  glück- 
lichen Ausgang  des  Kampfs  fragt  er  den  Ahuramazda,  ob  der  Wahr- 
haftige den  Lügner  besiege,  welcher  Sieg  um  so  nothwendiger  sei, 
als  dadurch  das  Leben  erschaffen,  d.  h.  das  Leben  der  guten 
Schöpfung  festgegründet  würde. 

Der  dritte  Vers  ist  ein  allgemeinerer  Satz  über  den  Kenner 
der  Gesetze  des  Ahuramazda  und  über  diese  selbst.  Das  beste  Loos 
wird  dem  zu  Theil,  der  die  Sprüche  und  Gesetze  kennt,  welche 
der  gute  lebendige  heilige  Freund  des  Ahuramazda,  ^raosha,  ver- 
kündigt im  Verein  mit  allen  den  höhern  Geistern ,  welche  die 
Geheimnisse  den  Propheten  offenbaren,  durch  die  Einsicht  des 
guten  Sinns. 

Der  vierte  Vers  bezieht  sich  auf  Zarathustra  als  den  Urheber 
der  Lehren  vom  guten  und  bösen  Sinn,  sowie  der  von  der  Drei- 
heit:  Denken,  Wort  und  That.  Dass  unter  je,  welcher,  Zara- 
thustra zu  verstehen  ist,  kann  kaum  einem  Zweifel  unterliegen;  denn 
nur  von  ihm  konnte  mit  Recht  gesagt  werden,  dass  er  den  guten, 
wie  den  bösen  Sinn  geschaffen,  d.  h.  die  Lehre  von  diesen  zwei 
Grundprincipien  zuerst  aufgestellt  habe;  von  Ahuramazda  oder  einem 
der  andern  höhern  Genien  konnte  diess  nicht  ausgesagt  werden;  da 
diese  ja  den  strengsten  Gegensatz  zum  Bösen  bilden.  Zudem  ist 
gleich  im  Folgenden  von  Lehren  und  Meinungen  {varenmg)  die 
Rede.  Daend  hat  hier  nicht  den  Sinn  von  Glauben,  sondern  seine 
ursprüngliche  Bedeutung  Nachdenken ;  es  steht  hier  für  das  sonst 
gebräuchliche  mano,  Gesinnung,  als  das  erste  der  von  Zarathustra 
verkündigten  Dreiheit :  Gedanken,  Wort  und  That  (vgl.  33,  14  und 
weiter  30,  3).  Diesen  Lehren  Zarathustra's  folgt  Glück  und  Heil, 
d.  h.  wer  den  Grundunterschied  des  Guten  und  Bösen  in  der  Drei- 
heit: Gedanken,  Wort,  That,  erfasst  und  nach  dieser  Erkenntniss 
nur  dem  Guten  als  dem  segenbringendsten  sich  zuwendet,  wird  glück- 
lich sein.  —  Der  letzte  Satz  über  die  beiden  Weisheiten  steht 
in  keinem  Zusammenhang  mit  dem  übrigen  Theile  des  Verses.  Er 
wurde  wahrscheinlich  nur  hinzugesetzt,  um  die  Versglieder  vollzählig 
zu  machen.  Sein  Sinn  ist,  dass  beide  Weisheiten,  die  erste  und 
die  letzte,  die  Urweisheit  wie  die  Erfahrungs Weisheit,  in  Ahuramazda 
ihr  Ende  und  Ziel,  d.  i.  ihre  letzte  Grundursache  hätten  (vgl.  44,  19). 

Der  fünfte  und  sechste  Vers  gehören  zusammen  und  bilden 
ein  kleines,  die  Armaiti  als  Genie  der  Erde  preisendes  Lied.  Zuerst 
spricht  der  Dichter  den  Wunsch  aus,  dass  nur  die  Guten,  nicht  die 
Bösen  auf  Erden  herrschen  sollen.  In  Folge  der  aus  der  richtigen 
Einsicht  und  dem  guten  Sinne  geflossenen  Thaten  verleiht  die  Armaiti 


1 


160  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.   Cap.  48.  fl 

dem  Menschengeschlecht  die  besten  Gaben,  befördert  namentlich 
den  Ackerbau  und  spendet  dadurch  Nahrung  den  Menschen  (5). 
Für  sie,  als  die  Schutzgenie  des  Hochlandes  (berekhdfd),  schuf  Ahura- 
mazda  die  beiden  ewigen  Kräfte  der  Vollkommenheit  und  Unsterb- 
lichkeit durch  den  guten  Sinn  und  machte  so  Baktrien  zum  an- 
genehmsten Wohnort;  durch  diese  lässt  er  für  sie  Bäume  wachsen 
für  das   Geschlecht  des   ersten,  d.  i.  irdischen  Lebens  (6). 

Der  siebente  Vers  steht  wieder  ganz  vereinzelt.  Man  könnte 
ihn  mit  dem  vierten  Vers  in  Verbindung  bringen,  da  er  sich  wahr- 
scheinlich ebenfalls  auf  Zarathustra  bezieht.  Der  Dichter  fordert  die 
Anwesenden  auf,  gegen  die  Gewalt  und  die  Zerstörung  (vgl.  29,  1) 
von  Seiten  der  Götzendiener  anzukämpfen.  Beide  vermag  Zarathustra 
festzubannen,  d,  i.  zu  besiegen  durch  den  guten  Sinn.  Der  Dichter, 
welcher  hier  in  der  Rolle  des  Geus  urvci  aufzutreten  scheint,  will  in 
der  Wahrheit  wandeln  und  alles  erfüllen,  was  der  heilige  Mann 
(vgl.  34,  2),  worunter  nur  Zarathustra  verstanden  werden  kann, 
angeordnet  hat;  für  seine  Geschöpfe,  d.h.  die  ganze  gute  Schöpfung, 
wünscht  der  Dichter  den  Schutz  des  Ahuramazda.  Dass  hier  Zara- 
thustra sonach  als  Herr  der  Schöpfung  oder  selbst  als  Schöpfer  er- 
scheint, darf  nicht  befremden,  da  wir  51,  12  deutlich  dieselbe  Vor- 
stellung ausgesprochen  finden  und  diese  in  den  spätem  Büchern 
geradezu  ein  Hauptdogma  ist.  Der  Vers  ist  natürlich  nachzara- 
thustrisch;   er  scheint  nicht  von  einem  seiner  Gefährten  herzurühren. 

Die  Verse  8  — 11  bilden  scheinbar  ein  Ganzes.  Sie  enthalten 
lauter  Fragen,  von  denen  die  meisten  mit  kadd,  wann?  beginnen. 
Unter  einander  haben  sie  keinen  engern  Zusammenhang.  Dieser 
könnte  höchstens  darin  bestehen,  dass  die  Fragen  sich  auf  die  Mittel 
zur  Abwehr  der  Lügner  beziehen. 

Im  achten  Verse  fragt  der  Dichter  den  Ahuramazda  nach  der 
Gabe  der  Herrschaft  und  Macht,  sowie  nach  der  Wahrheit,  welche 
er  gern  besitzen  möchte;  er  fragt  ferner  den  höchsten  Gott  nach 
den  in  ihm  wohnenden  Kräften,  worunter  die  Ameretdt  und  Haur- 
vatät  gemeint  sind,  und  die  den  eifrig  ergebenen  Dienern  des  wahren 
Glaubens  mitgetheilt  werden  sollen  als  eine  Schutzwehr  der  guten 
Werke,  des  Feuerdienstes  und  des  Ackerbaus ,' gegen  die  Angriffe 
der  Bösen. 

Im  neunten  Verse  werden  Mazda  und  Asha  vom  Dichter  um 
Mittheilung  über  das  Gebiet,  welches  diese  beherrschen,  gebeten 
und  zugleich  gefragt,  ob  er  wirklich  von  ihnen  zur  Förderung  des 
Glaubens  in  diesem  Gebiet  gesandt  sei.  Er  möchte  hierüber  um 
so  eher  Gewissheit  haben,  als  die  frommen  Feuerverehrer  die  dem 
guten  Sinn  entsprungenen  wahren  Dichterworte  wissen  sollten,  um 
der  Wahrheit  theilhaftig  zu  werden.  Der  Sinn  ist  wohl  dieser:  Der 
Dichter,  welcher  wahrscheinlich  Zarathustra  selbst  ist,  ist  an  seiner 
Sendung  durch  die  vielen  Verfolgungen,  die  über  ihn  ergangen  sind, 
irre  geworden;  die  Grenzen  des  Gebiets  der  Gläubigen  und  Un- 
gläubigen,  das    sonst    streng  geschieden  werden  soll  (29,  5),    sind 


I 


Hang,  die  GdthcVs  des  Zarnihustra.  IIL    Cap.  48,  1.  161 

verwirrt,  so  dass  er  nicht  mehr  weiss,  welches  den  guten,  und 
welches  den  bösen  Mächten  gehört.  Er  muss  hierüber  Gewissheit 
haben,  da  seine  Anhänger,  die  Feuerdiener,  ihm  nicht  mehr  glau- 
ben, wenn  seine  Sprüche  und  Worte  und  Verheissungen  keine  Wahr- 
heit und  Richtigkeit  mehr  haben. 

Höchst  wichtig  und  merkwürdig  ist  der  zehnte  Vers,  weil 
darin  der  Somacult  angegriflfen  und  als  ein  Dienst  der  Götzenver- 
ehrer dargestellt  ist,  der  vernichtet  werden  soll.  Der  Gedanken- 
gang scheint  folgender.  Die  Götzendiener  sind  durch  die  Kraft  des 
berauschenden  Somatranks  mächtiger  geworden  und  haben  den  Ver- 
ehrern Ahuramnzdas  wohl  eine  Niederlage  beigebracht.  Daher  wünscht 
der  Dichter  sehnlich,  dass  diese  Teufelskunst  vernichtet  würde.  Er 
fragt  daher  den  Ahüramazda,  wann  denn  endlich  die  muthigen  und 
tapfern  Männer  erscheinen,  die  den  Somatrank  verunreinigen,  d.  h. 
ihm  seine  Kraft  nehmen  und  seine  Wirkungen  unschädlich  machen. 
Durch  diese  Zauberkunst,  sowie  durch  die  nur  auf  Unheil  in  den 
von  den  Wahrhaftigen  bewohnten  Landestheilen  gerichtete  Geistes- 
kraft zeichnen  sich  die  Götzenpriester  aus  und  sind  stolz  darauf. 
Wegen  der  unverkennbaren  Aehnlichkeit  des  Inhalts  mit  dem  acht 
zarathustrischen  Stück  cap.  32  kann  der  Vers  mit  einigem  Recht 
dem  Zarathustra  selbst  zugeschrieben  werden. 

Der  eilfte  Vers  enthält  drei  Fragen  :  1)  Wann  die  fiuren- 
reiche  Armaiti,  die  eine  gute  Wohnstätte  bereitet,  mit  dem  irdischen 
Besitz  erscheine,  d.h.  wann  die  Erde  wieder  von  den  Zerstörungen 
und  Verunreinigungen  der  Feinde  sich  erhole  und  fruchtbar  werdend 
ihre  Gabenfülle  spende.  2)  Welche  Männer  fähig  seien,  den  Lügnern 
zu  widerstehen  und  ihrer  Roheit  ungeachtet  sich  eine  liebliche  an- 
genehme Stätte  zu  bereiten,  d.h.  das  Land  zu  bebauen.  3)  Welchen 
die  Weisheit  und  Erkenntniss  des  guten  Geistes  mitgetheilt  sei. 

Da  unter  diesen  das  Gute  in  der  Schöpfung  befördernden 
Männern  die  Caoskjafitas  leicht  verstanden  werden  konnten,  so  schloss 
ein  Sammler  hier  einen  das  Wesen  und  die  Thätigkeit  derselben 
beschreibenden  Vers  an  (12).  Hieraus  erkennt  man  deutlich,  dass 
es  ein  allgemeinerer  Name  war;  denn  alle  die,  welche  dem  Dienste 
Ahuramazda's  mit  frommem  Sinne  ergeben  sind  und  in  ihren  Thaten, 
durch  Feuerdienst  und  Ackerbau,  die  Befehle  Gottes  erfüllen,  ge- 
hören zu  ihnen.  Sonach  sind  sie  mit  den  Mazdaverehrern  überhaupt 
identisch  oder  nur  eine  höhere  Klasse  derselben.  Letzteres  ist  wohl 
das  Richtige. 

V.  1.  Zu  dem  Pronom.  demonstr.  adais  (instrum.  pl.)  fehlt 
das  Substantivum ;  sonach  ist  es  ganz  absolut  zu  fassen  „durch 
diese  (solche)  Dinge".  Diess  geht  sichtlich  auf  den  folgenden  Satz: 
jjat  —  fraokhtd,  demnach  weist  das  Demonstrativ  statt  auf  etwas 
Vorhergehendes,  das  wir  ohnehin  nicht  ermitteln  könnten,  auf  das 
Folgende  hin.  Nicht  unmöglich  wäre  es  auch,  den  Instrum.  ^avdis 
im  Nachsatz  damit  in  Beziehung  zu  bringen,  sodass  dieses  addis 
Abhandl.  der  DMG.     II,  2.  11 


t 


162        Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.    Cap.  48,  1.  2. 

im  Anfang  für  addis  ^avdis  stände.  Die  Deutungen  Neriosengh's, 
der  es  durch  asja  datta  übersetzt  und  nachher  mit  vapushi  erklärt, 
sind  jedenfalls  irrig  und  bedürfen  keiner  Widerlegung.  —  Den  höchst 
schwierigen  Satz  \onjjat  —  fraokhtd  übersetzt  Neriosengh  folgender- 
massen :  je  (jo)  avistdvdni  gikshati  teshdm  bodhäkardh  prakfshtam 
abravit  jat  idam  prdpnuvanti  vipratdrakdh ,  wenn  einer  die  Avestä- 
sprache  (amstdvdni)  lehrt,  so  verkündigt  der  Lehrer  dieser  Dinge 
das  Vortrefflichste,  dass  die  Betrüger  dasselbe  erlangen.  In  der 
Glosse  sagt  er:  man  erkläre,  sie  (die  Betrüger)  erlangen  die 
Avestd-vdnt  nicht.  Man  sieht  deutlich  an  dieser  Uebersetzung,  dass 
der  Uebersetzer  keinen  klaren  Begriff  mehr  von  dem  Wortsinn  hatte. 
Agashutd  erklärte  er  durch  prdpnuvanti ,  weil  er  an  die  Sanskritwurzel 
ag  amg,  erreichen,  dachte.  Das  daibitdnd  giebt  er  durch  vipra- 
tdrakdh, Betrüger,  wieder,  indem  er  es  auf  die  Wurzel  dab, 
eigentlich  verkleinern,  schmälern  oder  betrügen,  zurückführt. 
Was  vom  Avesta  gesagt  ist,  ist  rein  zugesetzt.  Wenn  nun  die  Er- 
klärung des  daibitdnd  durch  pratdraka  vieles  für  sich  hat,  so  ist  die 
des  ägashutd  durch  prdpnuvanti  zu  verwerfen,  obschon  es  schwer 
hält,  eine  richtige  Erklärung  dieses  ocTT.  Xs^o^a.  zu  geben.  Am 
nächsten  liegt  freilich  die  Wurzel  amg  ag,  erreichen;  aber  diese 
lässt  sich  im  Baktrischen  sonst  nicht  als  Verbalform  nachweisen; 
zudem  könnte  diese  nur  zur  Erklärung  des  «fa,  aber  nicht  des 
shutd  ausreichen,  das  nicht  als  blosse  Verbalendung  erklärt  werden 
kann.  Ich  halte  es  für  ein  zusammengesetztes  Wort  und  erkenne 
im  ersten  Theil  c7ga  das  sanskritische  amga,  Antheil  (im  Weda) 
und  namentlich  Erbantheil  (im  Manu),  wieder;  in  shutd  dagegen 
sehe  ich  das  Partie,  pass.  der  Wurzel  shu,  welche  nicht  mit  dem 
häufigen  ^w,  nützen,  zu  identifiziren  ist,  sondern  für  shju  steht, 
wie  sie  in  den  arischen  Keilschriften  lautet  und  im  Neupersischen 
zu  shudan,  eigentl.  gehen,  dann  sein,  geworden  ist.  So  heisst 
das  Ganze  „zum  Erbantheil  geworden",  d.  1.  vererbt,  überliefert. 
Wollte  man  die  Lesung  dgashutd  etwas  ändern  und  mit  K.  5,  6 
d  .  gashutd  trennen,  so  würden  die  Schwierigkeiten  der  Erklärung 
noch  grösser.  —  Das  Wort  daibitdnd  kann  ausser  der  Wurzel  dab 
=  skr.  dabh,  dambh  auch  auf  dvi,  zwei,  zurückgeführt  werden; 
denn  dass  die  Lautverbindung  dvi  wirklich  zu  daibi  im  Gäthädialekte 
wird,  beweist  die  Form  daibish  für  das  bekannte  skr.  dvish,  hassen, 
und  das  daibitim  45,  1,  wo  es  deutlich  dem  sanskritischen  dvitijam 
entspricht.  Die  Stellen  32,  3  und  49,  2  sprechen  für  die  Zurück- 
führung  auf  die  Wurzel  dabh.  Es  ist  ebenfalls  Part,  pass.;  das  nd 
am  Ende  des  Wortes  kann  nur  als  enklitische  Partikel  gefasst 
werden;  denn  imperativisch,  wozu  ähnliche  Sanskritimperative  ver- 
führen könnten,  lässt  sich  daibitdnd  seiner  ganzen  Stellung  nach 
nicht  fassen. 

V.  2.     Pard  —  gimaiti  Ner. :    sarve  manushjdh  pfthivjd  amtardle 
prdpnuvanti   margasja  taradhasjaca    (wofür  taradagca  zu  lesen),    was 


Hang,  die  Gdthäs  des  Zarathustra.  IIL    Cap.  48,  2.  3.        1(38 

ganz  ungenau  und  sehr  frei  ist.  Die  Worte  pard  hjat  mä  ja  scheinen 
gar  nicht  übersetzt,  es  sei  denn,  dass  das  sarve  dem  pard  ent- 
sprechen solle;  meng  ist  durch  maiiushjdh,  perethd  durch  pfthivjä 
antardle  übersetzt  und  durch  margasja  taradagca  erläutert.  Dass  die 
ganze  Uebersetzung  verfehlt  ist,  leuchtet  jedem,  der  kein  abergläu- 
bischer Anhänger  der  Tradition  ist,  von  selbst  ein.  Ueber  ])«r« 
hjat,  ehe  als,  vgl.  43,  12,  welche  mit  der  unsern  überhaupt  grosse 
Aehnlichkeit  hat.  Für  mdme  steht  dort  mui.  Die  meiste  Schwierig- 
keit hat  meilg  perethd;  eines  dieser  beiden  oder  beide  zusammen 
müssen  das  Subject  des  Satzes  sein,  da  sie  grammatisch  betrachtet 
die  Stelle  des  graoshö  in  43,  12  einnehmen.  Mmg  lässt  sich  nicht 
als  casus  obliquus  des  Pronomens  der  ersten  Person  fassen,  wozu 
man  leicht  verführt  werden  könnte;  an  eine  Identification  mit  mashja 
=  manushja,  Mensch,  die  Ner.  vorbringt,  ist  nicht  im  entferntesten 
zu  denken.  Wir  müssen  bei  der  Wurzel  man  stehen  bleiben,  wo- 
von wir  in  den  Gdthas  die  Verbalform  menhi  als  eine  erste  Person 
sing,  conjunct.  med.  haben,  mit  der  mefig.hdi  wechseln  kann  (43,  13). 
Meng  ist  nur  das  durch  s  =  baktr.  h  (g)  erweiterte  man.  Im  Neu- 
persischen entspricht  vollkommen  mang,  Ueber muth,  Stolz,  Be- 
trug, Spiel,  dessen  Bedeutungen  zum  Theil  wirklich  auf  unsere 
Wurzel  zurückgeführt  werden  können.  Da  aber  dieselben  im  Zend- 
avesta  weiter  nicht  nachzuweisen  sind,  so  wollen  wir  davon  absehen. 
Am  besten  scheint  mir  die  engere  Verbindung  desselben  mit  perethd 
zu  einem  Compositum,  in  dem  das  meng  soviel  als  mano  bezeichnet. 
Das  feminine  perethd  selbst  ist  aber  nicht  durch  das  sanskritische 
pfthim,  Erde,  zu  erklären,  wie  Ner.  thut;  ebenso  wenig  ist  es  auf 
perethu.  Brücke,  auch  nicht  in  seiner  ursprünglichen  Bedeutung 
breit  zurückzuführen.  AVir  müssen  es  von  der  Wurzel  pereth  =: peret, 
einer  Erweiterung  der  Wurzel  pere,  zerstören,  vernichten,  ab- 
leiten. Dieses  pereth,  peret,  identisch  mit  dem  wedischen  pft, 
Schlacht,  Kampf,  hat  die  Bedeutung  kämpfen  Jt.  5,  50.  13,  27. 
19,  77;  das  Substantiv  pairithnem  Vend.  18,  22  die  von  Vernich- 
tung. Das  ganze  Wort  meng-perethd  deutet  man  sonach  am  besten 
durch  Geisteskampf,  d.  i,  Widerstreit  der  bösen  Gesinnung  gegen 
die  gute,  eine  Bedeutung,  die  vollkommen  in  den  Zusammenhang 
des  Verses  passt. 

V.  3.  Der  Dativ  vaedemndi  ist  noch  auf  vi^td  im  zweiten  Vers  zu 
beziehen.  Der  Relativsatz :  jaecit  güzrd  genhdonho  ist  ein  Erklärungs- 
satz zu  ^pentö  vidvdo,  und  weiter  zu  dem  ganzen  Satze  ja  —  ahurö, 
indem  er  näher  den  Namen  derjenigen  nennt,  welche  die  hei- 
ligen Lehren  überhaupt  verkündigt  haben.  Ner.  giebt  die  Worte 
^pento  —  ^enhdonho  folgendermassen^  wieder  :  dadhignunam  vedasja  sa- 
mipe  ^ishjeta  jat  tad  adhogdmmah  Aftarmanasja  vdkjam  tasja  upariva- 
dati,  was  sehr  frei  ist.  Deju  giizrd  eutspricht  adhogdminah,  der 
unten  wandelnde;  es  schwebte  dem  Uebersetzer  wohl  das  hier  und 
da  vorkommende  zemar-güza  Jt.  19,  81.  frag.  4,  8,  unter  der  Erde 

11* 


1G4        Hcmg,  die  Gaihas  des  Zarathustra.  III.    Cap.  48,  3.  4. 

sich  bergend,  von  Ahriman  und  seinen  Schaaren  gebraucht  (hau 
figer  ist  das  Wort  im  Pärsi),  vor.  Dass  dieses  güz  dem  sanskri- 
tischen giih,  verbergen,  entspricht,  wird  sich  auch  an  unserer 
Stelle  nicht  läugnen  lassen;  aber  die  Beziehung  auf  Ahriman  ist 
jedenfalls  irrig.  Güzrd,  eigentlich  ein  neutr.  plur.  des  Adjectivs,  ist 
van  ^enhdonho  abhängig,  so  dass  diese  Verbindung  „das  Tiefe  oder 
die  tiefen  Dinge  (Geheimnisse)  anzeigend"  heisst.  —  Thwdväg  giebt 
Ner.  mit:  te  utkhhfabhuvanam,  woran  man  deutlich  sieht,  dass  er 
dieses  Wort  in  zwei  zerlegt  hat,  in  thwd  und  vä^,  welch  letzteres 
ihm  identisch  mit  vanhus  war,  das  gewöhnlich  durch  utkfshta  über- 
setzt wird.  In  der  Parallelstelle  31,  16  dagegen  ist  es  mit  tvattulja, 
dir  gleich,  wie  du,  wiedergegeben,  was  den  Sinn  des  Wortes 
im  Ganzen  treu  wiedergiebt.  Von  jener  Zerlegung  des  Worts  müssen 
wir  absehen,  obschon  K.  5  ebenfalls  thwd  vag  abtheilt,  da  der  Ac- 
cusativ  thwd  nicht  wohl  erklärt  werden  könnte.  Es  steht  collectivisch 
und  ist  Apposition  zu  dem  Vorhergehenden. 

V.  4.  Für  ashjagcd,  wie  West,  mit  Recht  nach  K.  4,  9  schreibt, 
lesen  K.  5  ashajagcd  und  K.  11  ashd  jdcd,  welche  Lesungen  nur 
aus  Missverständniss  des  ashjagcd  entsprungen  sind.  Dass  dieses 
nicht  auf  das  bekannte  asha  zurückzuführen  ist,  beweist  die  Stelle 
51,  6,  wo  es  einen  deutlichen  Gegensatz  zu  vanhus  bildet.  Nerios. 
giebt  es  durch  utkfshtatara ,  in  welcher  Uebersetzung  die  äussere 
Form,  der  Comparativ,  richtig  erkannt  ist.  Ueber  seine  Ableitung 
von  akö,  nichtig,  s.  d.  Grammat.  (Lautlehre).  —  Die  Worte  ahjd 
zaosheng  hacaiti  giebt  Ner.  mit :  teshdm  mitratvam  gundatvam  fgundhat- 
vam  oder  Qubhatvam?)  abhildshdja  sammdjate  und  erklärt  es  durch 
kdrjena  punjejia  nirmajatvam  kdrajati  piinjagrdhandja  rnanasd  kdrjam. 
Die  Plurale  zaosheng  vareneng  hat  der  Uebersetzer  ebenso  wenig  w 
berücksichtigt,  als  die  Casus.  Wenn  er  vareneng  mit  abhildshdja  ■■ 
„zum  Verlangen"  übersetzt,  so  ist  er  von  der  Wurzelbedeutung 
var,  wählen,  geleitet  worden.  Sie  ist  aber  gegen  den  Zusammen- 
hang und  die  spezielle  Bedeutung  des  varena  in  den  Gdthd's, 
worüber  das  Glossar.  —  Thwahmi  —  anhat  Ner. :  jat  ajam  te  bud- 
dhinirvdno  nardndm  ndrindm  asti,  was  mehr -' oder  minder  Missver- 
ständniss ist.  Naiid  ist  nur  eine  Partikel,  ganz  dem  lateinischen 
nonne  entsprechend,  und  hat  mit  nar.  Mann  (Nom.  nd),  nichts  als 
die  zufälhge  Lautgleichheit  gemein.  Schwierig  ist  die  Fassung  des 
khratdo.  Es  ist  sicher  eine  Form  von  khratu,  Verstand,  mit  Ausfall 
des  zu  V  verwandelten  u  vor  der  Endung,  da  ein  Nominativ  khrata 
oder  khratd  sich  weder  im  Zendawesta  noch  Weda  belegen  lässt. 
Eine  ähnliche  Form  ist  peretdo  .L  51,  13,  das  nur  von  peretu  ab- 
geleitet werden  kann.  Die  Endung  do  führt  auf  einen  Nomin.  plur. 
fem.  oder  neutr.  oder  auf  einen  Genitiv  dual.  (vgl.  vdo,  ahvdo  etc.); 
letzterer  Casus  stimmt  am  besten  zum  Zusammenhang.  Die  beiden 
Intelligenzen  (s.  die  Einl.)  finden  sich  auch  in  den  spätem  Büchern 
erwähnt.    Auf  diese  Weise  erhält  die  Neriosengh'sche  Uebersetzung 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.    Cap.  48,  4.  5.  6.      165 

buddhmirvdna y    des  Verstandes    Entschwinden,    d.  i.    des  Verstandes 
Höchstes,  ihre  richtige  Deutung. 

V.  5.  Jaozddo  —  vajiistd  Ner.  :  pavürikaranam  manushjdndni 
pa^cdt  jag  gdtdndm  utkfshfahhuvanam.  Jaozddo  kann  aber  hier  nur 
als  eine  zweite  Person  sing,  Verbi  gefasst  werden  und  schlechter- 
dings kein  Nomen  sein.  Aipi  ist  kein  Adverbium  im  Sinn  von 
pa^cdt,  nachher,  sondern  eine  Präposition,  die  mit  zäthem  ver- 
bunden werden  muss ;  sie  hat  ganz  denselben  Sinn,  wie  v.  6  der 
Dat.  zäthui.  Diese  Redeweise  ist  eine  nähere  Bestimmung  zu  mashjdif 
„dem  Menschen  nach  dem  Geschlecht",  d.i.  dem  Menschengeschlecht. 
Jaozdd  kann  hier  noch  nicht  die  im  Vendidad  gewöhnliche  Bedeutung 
von  reinigen  haben,  welche  Ner.  diesem  Worte  ebenfalls  hier  bei- 
legt, sondern  es  hat  die  ursprünglichere  Bedeutung  Glück,  Heil 
verleihen;  das  vahistd  ist  accus,  plur.  neutr.,  von  jaozddo  ab- 
hängend und  seinen  Begriff  näher  erklärend.  —  Für  gavoi  verezjd- 
tdm  hat  Ner. :  gavdviracajüd  pa^updtd  kutumbi,  drei  Ausdrücke  für 
denselben  Begriff;  der  erste  gavd-viracajüd  ist  die  wörtliche  üeber- 
setzung  „der  mit  dem  Vieh  bestimmte  Anordnungen  trifft";  da  diese 
Uebersetzimg  zu  unverständlich  war,  so  wird  sie  weiter  erläutert 
durch  pa^updtd  „Viehbeschützer";  aber  dem  Uebersetzer  genügt 
dieser  engere  Begriff  noch  nicht,  er  giebt  ihm  eine  aligemeinere 
Bedeutung,  indem  er  ihn  durch  kiifumbi,  Hausherr,  erklärt.  Alle 
diese  Erklärungen  sind  sicher  falsch,  da  dem  ganzen  Sinn  und  Zu- 
sammenhang nach  gavui  nicht  Vieh,  sondern  Erde  bedeuten  muss, 
und  verezjdtäm  kein  Nominativ,  sondern  Accusativ,  und  überdiess 
kein  nomen  actoris,  sondern  ein  nomen  abstractum  der  Bildung 
nach  ist,  wörtlich  das  Gearbeitetwerden  in  der  Erde.  — 
Tarn.  —  fshujo  Ner.:  sau  (asdu)  asmabhjam  svddjam  svijajati,  der 
macht  uns  das  zu  Essende  zu  eigen,  erklärt  durch:  asmattanum 
vardhati.  Die  Deutung  des  fshujo  durch  vermehren  ist  gewiss 
richtig  (nur  ist  es  keine  dritte,  sondern  eine  zweite  Person);  aber 
die  ganze  Satzverbindung  ist  eine  falsche. 

V.  6.  Für  utajuüim,  wie  West,  ohne  Angabe  von  variae 
lectiones  schreibt,  haben  Bf.  und  Bb.  utajuitt,  für  tevishim  Bb.  eben- 
falls tevtsht  So  richtig  die  Westergaard'sche  Schreibung  auf  den 
ersten  Anblick  auch  erscheinen  mag,  so  wird  sie  zweifelhaft,  wenn 
man  dem  berehhdhe  seine  Stellung  im  Satze  anweisen  will.  Dieses, 
wofür  eine  Handschrift  berekhdhim  corrigirt,  nur  um  es  mit  tevishim 
in  Einklang  zu  bringen,  kann  seiner  Form  nach  nur  ein  Vocativ 
feminini  oder  ein  Locat.  des  Neutrums  oder  Masculinums  sein ;  beide 
Fassungen  widerstreben  dem  Sinn  und  Zusammenhang.  Der  Vo- 
cativ könnte  sich  nur  auf  Armaiti  im  vorhergehenden  Vers  beziehen, 
aber  eine  solche  Beziehung  ist,  weil  unser  Vers  nur  dritte  und  keine 
zweiten  Personen  hat,  nicht  wohl  möglich;  die  Erklärung  durch  den 
Locativ  geht  aber  noch  weniger.    Wir  müssen  die  Westergaard'sche 


I 


166         Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.    Cap.  48,  6.  7. 

Schreibweise  ändern.  Für  berekhdhe  liest  Bf.  berekhdhe ;  diese  Lesung 
weist  auf  ursprüngliches  berekhdhi  hin,  da  dieses  e  meist  aas  {  ent- 
standen ist  (s.  die  Graminat.).  Für  jenes  e  setzen  die  Handschriften 
häufig  e,  aus  welcher  Verschreibung  das  .berekhdhe  der  meisten  Mss. 
erklärt  werden  kann.  Dieses  berekhdhe  =  berekhdhi  ist  indess  nicht 
auf  tevishi,  die  beiden  Kräfte,  sondern  auf  Armaiti  im  vorigen 
Verse  zurückzubeziehen,  ebenso  wie  hushuithemd  und  der  Form  nach 
dennoch  Norainat.  sing.  S.  über  die  Bedeutung  zu  44,  7.  Nerios. 
fasst  sie  als  Accusative  sing. ;  für  berekhdhe  hat  er  prijataram. 

V.  7.  Von  diesem  schwierigen  Vers  giebt  Ner.  keine  wörtliche 
Uebersetzung,  sondern  mehr  eine  Paraphrase,  die  den  Sinn  im  All- 
gemeinen wiedergeben  soll.  Die  Worte  von  ni — paiti-gjodum  lauten 
bei  ihm  :  nüdmtam  kdrjam  nitdtrdam  dadhjdt  pratikulam  irshjdlmnanu- 
shasja  jo  ^pramdnam  vadati  sapratikülam  ^ishjdpojdmi,  Ausserordent- 
liches möge  er  thun  gegen  den  neidischen  Menschen,  der  Ungesetz- 
mässiges  verkündigt;  ich  bilde  ihm  entgegen  Anhänger  (Anhänger, 
die  ihn  bekämpfen).  Die  Erklärung  des  nidjdUJm  durch  nitdmtam 
dadhjdt  ist  sicher  falsch,  da  die  einfache  Präposition  ni  nie  die  Be- 
deutung von  nitdiTitam,  übermässig,  ausserordentlich,  hat; 
ni -\- dhd  heisst  nur  niederlegen,  hinlegen.  Aeshm.6,  das  mit 
irshjdlumanushja  übersetzt  ist,  ist  nothwendig  als  Subject  und  nicht 
als  Object  zu  fassen.  Pratikiilam  =  paiti;  ^jodum  ist  mit  ^ishjdpa- 
jdmi  gedeutet,  was  auf  offenbarer  Verwechslung  der  Wurzel  91  mit 
^ish  beruht.  Zu  beachten  ist,  dass  die  Präposition  ni  und  paiti 
wegen  des  besondern  Nachdrucks  des  durch  sie  ausgedrückten  Be- 
griffes zweimal  gesetzt  sind.  Mit  Unrecht  schreibt  West,  daher 
jtaiti  remem  zusammen  als  ein  Wort.  Die  Worte  irshjdlamaniishjasja 
jo  apramdnam  vadati^)  sind  eine  Uebersetzung  von  remem,  wie  aus 
29,  1,  wo  wir  ebenfalls  remo  haben,  deutHch  zu  ersehen  ist.  Diese 
Deutung  ist  etwas  zu  umständlich.  Als  Wurzel  darf  nicht  an  ram, 
sich  freuen,  wovon  rdma,  lieblich,  gedacht  werden.  Im  Neu- 
persischen findet  sich  ram  in  zwei  ziemlich  verschiedenen  Bedeu- 
tungen, die  wohl  auf  verschiedenen  Ursprung  hinweisen:  1)  Heerde 
(Pehl.  ramai:  öfters  in  den  Uebersetzungen  vorkommend);  2)  Schrecken, 
Flucht.  Das  Verbum  ramidan  heisst  erschrocken  sein,  sich  fürch- 
ten, erschreckt  fliehen;  erschrecken.  Der  Wedadialekt  kennt 
neben  dem  gewöhnUchen  ram,  sich  freuen,  eine  andere  Wurzel 
ram,  die  den  Präsensstamm  nach  der  siebenten  Conjugation  bildet 
und  1)  befestigen,  einschlagen,  einrammen,  2)  tödten  be- 
deutet. Hierauf  können  die  Bedeutungen  des  neupersischen  ram 
zurückgeführt  werden;  hieher  ist  auch  unser  remem,  was,  wie  wir  aus 
remo  29,  1  sehen  können,  Accusativ  ist,  zu  ziehen.  Seine  Bedeu- 
tung ist  wohl  Vernichtung  (eigentl.  Einschliessung).  —  Joi —  duje 
Ner.;   jat   sarve    Bahmanasja   ddti   grahanabhavitavjam,    alle    müssen 


^)  Für  vadati,  er  spricht,  steht  29,  1  vadhjati,  er  schlägt. 


r 


Hang)  die  Gdthas  des  Zaratlnistra.  III.    Cup   48,  7.  167 

Bahman's  Schöpfung  ergreifen,  diese  Schöpfung  ist  weiter  durch 
(^ariram  svijam  bestimmt.  Das  j6i  fasst  der  Uebersetzer,  wie  aus  jat 
sarve  zu  schliessen  ist,  als  Nomin.  phir.,  was  auf  den  ersten  Anblick 
die  einzig  richtige  grammatische  Erklärung  zu  sein  scheint*,  aber  das 
Verbum  didaraghzo  und  duje  lassen  sich  damit  nicht  reimen ;  das 
erstere  verlangt  nothwendig  einen  Accusativ,  das  zweite  diije,  der 
Dual  von  dvi,  zwei,  einen  Dual.  Letzterer  ist  an  unserer  Stelle 
auch  allein  richtig;  und  zwar  ist  es  der  Accus.  Dual.;  über  die  Form 
siehe  die  Grammat.  Duje  scheint  gar  nicht  übersetzt  zu  sein,  es 
müsste  nur  das  sarve  seine  Stelle  vertreten.  Die  zwei  Dinge,  die 
hier  gemeint  werden,  sind  aeshemö  und  remem.  —  Ashd — ^pento 
giebt  Ner.  durch  :  jat  idam  piuijamanobhjah  prakatam  narena  gurund. 
Das  schwierige  hithaos  ist  hier  augenscheinlich  durch  prakatam^  of- 
fenbar, deutlich,  wiedergegeben.  Da  sich  diese  Bedeutung  des 
hithaos  etymologisch  nicht  wohl  erweisen  lässt,  • —  was  beachtungs- 
werth  ist,  da  bei  Ner.  gerade  Etymologieen  eine  Hauptrolle  spie- 
len, —  so  ist  Grund  anzunehmen,  der  Uebersetzer  sei  einer  andern 
Lesart  gefolgt.  West,  giebt  nur  die  Variante  hithdus  K.  4;  aber 
Bf.  hat  haithdis  und  Bb.  hithdis.  Die  erstere  Lesung  führt  auf  das 
bekannte  haithja,  wirklich,  wahrhaft,  und  dieses  hat  wohl  dem 
Uebersetzer  vorgeschwebt.  Diese  Lesung  ist  indess  zu  wenig  be- 
glaubigt und  sieht  mehr  wie  eine  Correktur  des  weniger  verständ- 
lichen hithaos  aus,  als  dass  wir  dieselbe  aufnehmen  könnten;  zudem 
giebt  sie  auch  keinen  passenden  Sinn.  Dass  es  als  Genitiv  zu 
fassen  und  enger  mit  jehjd  zu  verbinden  ist,  scheint  mir  ausser 
Zweifel.  Die  Wurzel  ist  hi,  nicht  etwa  hith ,  welche  nirgends  nach- 
weisbar ist,  und  entspricht  dem  skr.  si,  binden  ^).  Dem  Part,  hita 
begegnen  wir  öfter  in  den  Jesht's,  so  5,  53.  10,  11.  94  in  der 
Phrase:  hitaeibjö  tanubjo  dwatcttem,  was  nur  heissen  kann:  den 
kranken  Körpern  ertiehe  ich  Gesundheit.  Dieselbe  Bedeutung 
krank,  eigentl.  gebunden,  hat  es  auch  13,  100.  19,  86  in  der 
Phrase:  ^tdtdm  hitäm  laaitim  uzvazat,  den  wirklich  kranken  (ge- 
bundenen) Zustand  nimmt  er  weg.  Dahin  gehört  auch  der  häufige 
Name  Hitd^pa,  der  gebundene  (kranke)  Pferde  hat.  Im  Weda  ist 
die  Wurzel  sehr  verbreitet;  davon  pra-sita,  Band,  Streif,  setu. 
Brücke,  siman,  Gränze  (eigentl.  Festsetzung,  Bindung).  Als  eine 
solche  Ableitung  von  hi  =  si  ist  hithu  an  unserer  Stelle  zu  fassen, 
es  ist  ein  Abstractinn,  eigentl.  Bindung,  Band  bedeutend,  und 
hat  hier  den  übertragenen  Sinn  von  Verpflichtung,  Obliegen- 
heit. Der  Satz  lautet  wörtlich:  vera  persequor,  cujus  officii  vir 
sanctus,  was  nur  heissen  kann:  dem  Wahren  gehe  ich  nach,  wie  es 
Pflicht  des  frommen  Mannes  ist.  —  Das  hoi  im  folgenden  Satze 
geht  nicht  auf  nd  ^pento,  sondern  auf  ashd  zurück  und  entspricht 
ganz  unserem  davon. 


')  Die  von  den  Grammatikern   als  so  aufgeführte  Wurzel   ist  eigentlich 
dieselbe,  wie  die  Flexion  deutlich  zeigt. 


168        Hang,  die  Gdthas  des  Zaralhustra.  IIL    Cap.  iS,  8.  9. 

V.  8.  Das  InteiTogativum  kd  im  zweiten  Satz  bezieht  sich  auf 
istü  im  ersten  Satze  zurück.  Der  Sinn  ist  nach  Ner. :  wie  ^ishjdh 
fighram  prasädam  te  prdpmivaiiti ,  was  gewiss  nicht  richtig  ist,  da 
von  ^ishjdhj  Schülern,  nirgends  im  Verse  die  Rede  ist.  Schwie- 
riger ist  der  folgende  Satz  kd  —  ishjd,  Ner.  hat:  kadd  te  parisphu- 
tam  prakatam  dakshind  samihe.  Diese  Uebersetzung  ist  ungenau. 
Das  ashd  scheint  gar  nicht  übersetzt,  es  müsste  denn  durch  pa- 
risphutarn,  klar,  offenbar,  ausgedrückt  sein,  was  sonst  nicht  der 
Fall  ist.  Ishjd  fasst  Ner.  als  erste  Person  sing,  praes. ,  indem  er 
es  durch  samihe ,  ich  strebe,  trachte,  giebt;  ebenso  übersetzt  er 
auch  istis.  Er  leitet  es  wohl  von  ish,  wünschen,  ab,  aber  diese 
Bedeutung  hat  diese  Wurzel  im  Baktrischen  nicht,  s.  zu  30,  1  u. 
das  Gloss.  üeber  dkdo  s.  zu  33,  6.  —  Syntaktisch  sind  zu  ver- 
binden: kd  ashd  ishjd  =  quae  veritates  eundae  sunt;  der  davon  ab- 
hängige Accusativ  ist  aredreng  und  eine  adverbiale  Bestimmung  zu 
letzterem  ist  äkdo.  —  Schwierig  ist  gavaro  im  letzten  Satze.  Ner. 
giebt  es  mit  dhdranam  wieder.  Auf  welcher  Ableitung  diese  Ueber- 
setzung beruht,  lässt  sich  schwer  sagen.  Als  Wurzel  bietet  sich 
zunächst  gu,  eilen,  die  auch  im  Weda  vorkommt;  davon  haben 
wir  den  Imperativ  gava,  eile,  Jt.  5,  63,  und  davon  stammt  das 
neupersische  züd,  schnell.  Eine  Ableitung  von  der  Wurzel  giv, 
leben,  ist  nicht  wohl  statthaft,  da  die  Ableitungen  davon  gewöhn- 
lich verkürzt  sind,  wie  gva,  gvdg.  Eben  soviel  Schwierigkeit  wie 
die  Ableitung  bietet  die  Form  dem  syntaktischen  Zusammenhang. 
Dem  Anschein  nach  ist  es  ein  Adjectiv  durch  die  Endung  ra 
gebildet,  und  zwar  Nominativ;  aber  eine  solche  Form  passt  nicht 
in  den  Zusammenhang  des  Satzes,  der  hier  einen  Vocativ  erfordert, 
da  der  Nominativ  hier  eigentlich  auf  nichts  bezogen  werden  kann. 
Daher  fragt  es  sich  vor  allem,  ob  die  Lesung  richtig  ist.  West. 
giebt  keine  Variante  an;  Bb.  hat  gvaro,  was  an  der  Sache  nichts 
ändert.  Ich  glaube,  dass  dieses  6  durch  einen  Abschreiber  miss- 
bräuchlich  für  e  gesetzt  ist,  was  um  so  leichter  der  Fall  sein  kann, 
als  das  schliessende  e  des  altern  Dialekts  gewöhnlich  einem  6  des 
Jüngern  entspricht;  man  vgl.  ke  für  ko,  ve  für  v6  etc.  Dieses  e  ist 
am  Ende  aber  manchmal  auch  eine  missbräucjiliche  Verlängerung 
des  e  in  den  Neutralbildungen,  wie  avare  für  avare  (avasj.  So  halte 
ich  es  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  an  unserer  Stelle  für  gavaro 
gavare  =  gavare  zu  lesen  ist.  Dieses  ist  nun  wohl  identisch  mit 
dem  in  den  spätem  Theilen  des  Zendawesta  vorkommenden  zavare, 
Stärke,  Kraft,  Jt.  1,  22.  23.  2,  16.  3,  16,  neupersisch  ziir,  wäh- 
rend die  Gdthas  es  in  dieser  Form  nie  zeigen.  An  dieses  Wort 
dachte  Neriosengh,  wenn  er  gavaro  mit  dhdranam,  Festhalten, 
übersetzt.  Diese  Deutung  stimmt  auch  am  besten  zu  dem  Zusam- 
menhang; grammatisch  ist  das  Wort  als  Vocativ  zu  fassen,  auf 
Ahuramazda  sich  beziehend. 

V.  9.     Cahja  khshajathd  und  jehjd  dvaethd  sind  Zwischensätze. 


Haug,  die  Gdt/täs  des  Zaruthmtra.  III.    Cap.  48,  9.  10.       169 

Die  Phrase  jehjd  dithis  dvaethd  findet  sich  nur  noch  32,  16.  Ner. 
giebt  den  ganzen  Satz  von  mazdd  —  dvaethd:  svdmin  parisphutam 
asmin  samaje  kadd  me  ^ishjdh  prakatd  bhavishjanti,  d.  i.  Herr,  wann 
werden  ineine  Schider  in  dieser  Zeit  offenbar  (bekannt,  berühmt) 
werden?  Dabei  findet  sich  die  Glosse:  asja  samajasja  me  samdehah, 
mein  Zweifel  an  dieser  Zeit.  32,  IG  sind  die  Worte:  jehjd  md 
dithi^cit  dvaethd  so  übersetzt :  jathd  mddljdndju  prakdtajate  aam- 
digdha7n  ^ishjdndm  me,  damit  meiner  Schüler  Zweifel  offenbar  werde. 
Nach  diesen  Uebersetzungen  ist  klar,  dass  dem  Nerios.  dithis  soviel 
als  prakatam  bhavati,  offenbar  sein,  oder  prakdtajati,  offenbar 
machen,  bedeutete,  während  dvaethd  ihm  gleich  samdeha ,  Zwei- 
fel, galt,  da  er  es  ohne  Zweifel  von  dvi,  zwei,  ableitete.  Die 
Erklärung  beider  Worte  ist  aber  sicher  falsch,  da  sie  weder  in  den 
Zusammenhang  passt,  noch  sich  etymologisch  rechtfertigen  lässt. 
Aithis  findet  sich  ausser  den  Gdthd's  noch  Jt.  10,  37  :  avi  dis  aem 
khshajamno  dithim  baraiti  thwjdmca,  wo  es  Verderben,  Unheil,  als 
Synonym  von  thwjäm  (Jt.  10,  23,  vgl.  den  Superlativ  thwjä^tema 
Yend.  2,  53  Sp.)  bedeuten  muss.  Wovon  das  Letztere  abzuleiten 
ist,  lässt  sich  schwer  sagen.  Ich  vermuthe,  es  ist  auf  die  sanskr. 
Wurzel  vjath,  quälen,  welche  sicher  nur  aus  a/A  +  Präpos.  vi  zu- 
sammengesetzt ist,  zurückzuführen.  Vielleicht  ist  auch  an  at,  gehen, 
oder  das  uralte  ath,  brennen,  zu  denken.  Das  dithis  der  Gdthd's 
nun  hat  mit  diesem  gar  nichts  zu  thun,  sondern  ist  vielmehr  ganz 
andern  Ursprungs.  Dass  es  kein  deklinirbares  Substantiv  sein  kann, 
sieht  man  leicht  aus  der  ganzen  Structur  der  Sätze.  Um  es  kurz 
zu  sagen,  es  ist  zusajumengesetzt  aus  d-\-  this ;  letzteres  ist  identisch 
mit  dem  in  den  spätem  Schriften  öfter  vorkommenden  Demonstrativ 
dis.  In  den  Parsischriften  begegnen  wir  sehr  häufig  einem  Wörtchen 
this,  das  Ner.  mit  kimcit,  etwas,  wiedergiebt  und  das  wirklich 
öfter  diese  Bedeutung  hat.  Die  Verbindung  des  d  mit  Pronominal- 
stämmen kommt  wirklich  vor,  vgl.  das  skr.  dkim  (aus  d  +  kirn), 
von  —  her.  Die  Bedeutung  des  dithis  ist  eigentl.  zu  diesem, 
d.  i.  wegen  diesem,  was  dann  in  den  Begriff  des  wegen  schlecht- 
hin überging  und  so  den  Genitiv  (j^hjd)  regieren  konnte.  Das  md 
kann  nur  me  heissen  und  ist  von  dvaethd  regiert,  das  ebenso  sicher 
eine  zweite  Person  plur.  praes.  ist,  als  khshajathd  im  vorhergehenden 
Satze.     S.  weiter  das  Gloss.  s.  v.  du. 

V.  10.  Kadd — vi^ent^  Ner.:  kadd  ^jam  kdlaJi  svdmin  eteshdm, 
manushjdndm  madhje  mdnnvdh  pratikaranatd  bhavanti,  wann  ist  diese 
Zeit,  Herr,  (dass)  in  der  Mitte  dieser  Menschen  die  Männer  ent- 
sprechend handeln?  Erklärt  wird  der  Sinn  durch:  asmin  kdle  kadd 
prdpmivanti  jat  me  ^ishjdh  pracalanam  sanqmrjiam  bhavati,  wann  er- 
langen es  in  dieser  Zeit  meine  Schüler,  dass  ein  vollkommener  Fort- 
gang ist  (Statt  findet)?  Das  schwierigste  Wort  des  Satzes  ist  md- 
naröis,  welchem  in  der  Uebersetzung  manashjdvdm  madhje  entspricht. 
Der  Form  nach  ist  es  Genitiv  sing,    und  lässt  auf  einen  Nominativ 


170         Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  III.    Ciq).  48,  10. 

mditari  zurückschliessen.  Dass  es  ein  zusammengesetztes  Wort  ist, 
aus  md  und  'tiari  bestehend,  ist  leicht  zu  sehen.  Ersteres  lässt  sich, 
nur  auf  die  bekannte  Wurzel  man,  denken,  letzteres  auf  nar^ 
Mann,  zurückführen.  Am  leichtesten  wird  man  bei  7iari  an  de 
femin.  wegen  der  Endung  i  denken;  allein  dieses  bildet  sich  ii 
ßaktrischen  stets  mit  Dehnung  des  stammhaften  a,  ndiri  oder  mit' 
ha:  ndirilid,  Weib.  Schon  aus  diesem  Grunde  müssen  wir  eine  Identi- 
fizirung  des  nari  mit  7idiri  abweisen.  Eine  Adjectivbildung  kann  es 
auch  nicht  wohl  sein,  da  wir  dann  wenigstens  die  Endung  in  haben 
sollten.  Wir  sind  genöthigt,  nari  zu  Grunde  zu  legen  und  ihm  die 
Bedeutung  eines  Abstractums  zu  geben;  mä-nari  ist  somit  wörtlich 
Gesinnungsmannheit,  d.  i.  männliche  Gesinnung,  Muth. 
Aus  denselben  Elementen,  nur  in  umgekehrter  Folge,  ist  der  be- 
kannte Eigenname  Nare-mando  (im  Shähnämeh  Neriman)  zusammen- 
gesetzt, den  Männlichen,  Muth  igen  bedeutend.  Die  schwierigei 
Worte  kadd  agen  —  madahjd  giebt  Ner.  durch:  kadd  iitthdpajani 
uttamdndm  kadd  nirmalatd  nikhhfatard  bhavatt,  wann  lassen  sie  (di( 
Bösen)  entstehen,  wann  wird  der  Besten  Fleckenlosigkeit  schlechtel 
(wann  verschlechtern  sie  sich)?  Dem  müthrem  soll  augenscheinlicl 
nirmalatd,  Fleckenlosigkeit,  dem  madhalijd  nikhhtatara,  ge- 
meiner, schlechter,  entsprechen.  Das  nmthra  findet  sich  nocl 
Vend.  6,  29  West,  als  ein  möglicherweise  im  Wasser  gefundene) 
Theil  eines  Leichnams,  neben  vaühutdt,  das  sicher  das  Blut, 
die  Blutmasse  überhaupt  bedeutet.  Die  Pehlewiübersetzung  giebl 
es  durch  müt  wieder,  was  mehr  einer  Umschreibung  als  üebersetzung' 
ähnlich  sieht.  Das  Sanskrit  bietet  mutra,  Urin,  Harn.  Dass  diesem 
eine  alte  arische  Wurzel  der  Bedeutung  nass  sein  zu  Grunde  liegt, 
kann  das  griech.  [XuSoi;,  Flüssigkeit,  das  englische  mud,  Schlamm 
(deutsch  Moder)  lehren;  zu  derselben  Wurzel,  die  ohne  Zweifei 
mud  gelautet  hat,  gehört  auch  das  lateinische  mollis ,  weich,  für 
mod-lis  (nach  dem  bekannten  Assimilationsgesetze).  Herbeizuziehen 
ist  noch  das  litthauische  myzu,  harnen,  das  lautlich  aus  einer 
Wurzel  mud  hervorgegangen  sein  muss.  Das  sanskr.  mud  hat  eine 
übertragene  Bedeutung  sich  freuen,  vergnügt  sein  oder  es  ist 
vielleicht  dem  Ursprung  nach  grundverschieden.  ^  Wenn  nun  die  Be- 
deutung Urin,  Harn  oder  wenigstens  die  einer  unreinen  Flüs- 
sigkeit vollkommen  in  den  Zusammenhang  der  angeführten  Stelle 
des  Vendidad  passt,  kann  diese  auch  an  unserer  Stelle  angewandt 
werden?  Sollte  es  vielleicht  nicht  die  Bedeutung  des  aus  einem 
muthra  verstümmelten  neupersischen  muhr ,  Siegel  (wie  mihir,  Sonne, 
aus  mithra)  haben?  Die  Antwort  auf  diese  Frage  hängt  von  der 
richtigen  Fassung  des  madhahjd  ab.  Westerg.  schreibt  madahjd, 
ohne  eine  Variante  anzugeben.  Bf.  hat  maf  ahjd,  Bb.  madhahjd. 
Da  wir  im  ganzen  Zendawesta  nur  ein  madha,  aber  kehi  mada 
finden,  so  wird  die  Westergaard'sche  Schreibung,  auch  wenn  sie 
sich  auf  die  Mehrzahl  der  Handschriften  stützt,  verdächtig.  Weil 
im  Zendawesta  keine  strenge  Orthographie  herrscht,   so  konnten  d 


I 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathudra.  III.    Cap.  48,  10.         171 

und  dh  leicht  verwechselt  werden.  Zudem  ist  das  im  Weda  so  be- 
kannte Verbum  mad,  sich  freuen  (eigentl.  berauscht  sein  vom  Soma), 
wovon  mada  am  Ende  nur  abgeleitet  werden  könnte,  im  Zendawesta 
nicht  nachweisbar.  Daher  wird  am  besten  madhahjd  geschrieben. 
Hievon  finden  wir  den  Nominativ  sing,  madhö  Jac.  10,  14.  19.  ^) 
Jt.  17,  5  und  den  Nom.  plur.  madhdonho  Jt.  17,  5.  In  allen  diesen 
Stellen  bezeichnet  es  deutlich  etwas  dem  Haoma  Angehöriges,  und 
zwar,  da  in  allen  diesen  Stellen  Haoma  als  Person  gefasst  ist,  den 
Haoma-  oder  Somatrank  selbst  und  ist  mit  madhu  des  Weda,  eine 
sehr  gewöhnliche  Bezeichnung  des  Somatrankes,  zusammenzustellen. 
Das  Neupersische  hat  es  als  bädeh,  Wein,  bewahrt.  Kehren  wir 
nun  zu  müthrem  zurück.  Dieses  ist  abhängig  von  dem  Verbum  agen 
und  bildet  mit  demselben  eine  Phrase;  seine  Genitive  sind  offenbar 
ahjd  madhahjd.  Wenn  nun  muthra  als  Siegel  gefasst  wird,  so 
würde  der  Sinn  des  Satzes  sein:  wann  bringen  sie  das  Siegel 
dieses  süssen  Trankes,  was  vollkommen  sinnlos  sein  würde. 
Halten  wir  fest  an  der  wirklich  nachgewiesenen  Bedeutung  des 
Wortes  unreine  Flüssigkeit,  so  heisst  es:  wann  machen  sie 
Verunreinigung  dieses  süssen  Trankes?  Diese  Deutung  scheint  auf 
den  ersten  Anblick  zu  befremden;  aber  bei  näherer  Betrachtung  des 
Zusammenhangs  der  einzelnen  Sätze  unseres  Verses  wird  sie  sich 
als  die  einzig  richtige  erweisen  (s.  die  Einl.  zur  Gdthd).  Zarathustra 
wünscht  nämlich  hier,  dass  die  muthigen  Männer  kommen  und  den 
Somatrank,  der  seinen  Gegnern,  den  Lügnern,  so  überaus  heilig 
war,  verunreinigen  möchten.  Der  ganze  Vers  wirft  ein  eigenthüm- 
liches  Licht  auf  das  Verhältniss  Zarathustra's  zur  Volksreligion  und 
ihren  Gebräuchen  (s.  zu  32,  3  und  weiter  die  Einleitung).  —  Ja 
angrjd  —  karapano  urupajeinti  Ner. :  jat  anjdjinah  santi  nihantdrah 
santi  a^rötdro  kimcit  hdidm  karüdrah  adar^akah  santi  rakshakd  jad 
rakshakoja  (für  rakshikdrja)  qrshtindm  rakshdm  na  kurvanti,  dass  sie 
Ungerechte,  Mörder,  Ungehorsame  sind;  jeglichen  Schaden  (Ver- 
lust) zulassend  sind  sie  achtlose  (nicht  zusehende)  Wächter,  da  sie 
nicht  die  zur  Hut  anvertrauten  Geschöpfe  behüten.  Das  anjdjinah 
entspricht  dem  angrajd.  Aber  dieses  ist  schwerlich  ein  Nominat. 
plur.,  sondern  ein  Instrumental  eines  Nomens  angri  oder  besser 
angrd.  Liest  man  mit  K.  4  angrjd,  so  könnte  es  ein  von  angra 
durch  Suff,  ja  abgeleitetes  relatives  Adjectiv  sein ,  was  aber  unwahr- 


^)  Dass  madhö  wirklich  Nom.  singular  ist  und  nicht  Plural,  wozu  eine 
flüchtige  Betrachtung  von  Ja9.  10,  14.  19  leicht  verführen  könnte,  zeigt 
10,  19  deutlich :  ren(jj6  vazaitö  madhö  värcthraghnis  heut  cm  d^taoiti 
hathra  ana  (jälhwja  raca,  der  farbige  Honigtrank,  der  siegreiche  kommt 
herzu;  er  (der  Priester)  preist  ihn  mit  diesem  Liederwort.  Ganz  klar  wird 
der  Nominat.  sing,  madhö  durch  Jt.  17,  5:  hö  jö  haomahe  madhö  asha 
hacaiti ;  nemo  haomdi  jat  viQp^  anjß  madhdonho  a('shma  hncahtC'  khrvi-drrö. 
Der  Honigtrank  des  Haoma  begleitet  die  Wahrheiten;  Preis  dem  Haoma! 
während  die  andern  süssen  Getränke  den  grausamen  A^shma  (einen  Dämon) 
begleiten. 


172      Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  III.    Cap.  48,  10.  12. 

scheinlich  ist,  da  angra  selbst  als  Adjectivum  gebraucht  wird  (s.  weiter 
zu  44,  12).  Ueber  karapano  s.  zu  32,  12.  Urüpajiifiti.  Die  ein- 
zigen Wörter  im  Baktrischen,  woran  wir  es  anschliessen  können, 
sind  uriipis,  womit  Venu.  c.  5  eine  Art  von  Hunden  bezeichnet 
wird  und  das  gewiss  mit  Recht  bereits  mit  dem  lateinischen  vulpes 
zusammengestellt  worden  ist,  und  urnpa  Jt.  15,  11.  19,  28.  23,  2, 
das  mit  takhmo  zusammen  einen  Eigennamen  bildet,  Takhmo-uriqm, 
worin  ohne  Zweifel  der  Diwbändiger  Tahmüras  des  Shähnameh  zu 
erkennen  ist.  Im  Neupersischen  steht  rubüdan,  dem  das  gothische 
raubon,  engl,  rob,  deutsch  rauben,  litthauisch  rubijit  rapere  (ruba, 
Raub)  entspricht,  am  nächsten.  Im  Sanskrit  ist  die  entsprechende 
Wurzel  aus  riip  in  lup  erweicht.  Ob  mit  diesen  Wörtern  das  uru- 
pajeinti  unserer  Stelle  zusammengebracht  werden  kann,  ist  zweifel- 
haft; denn  in  den  Zusammenhang  will  die  Bedeutung  rauben,  weg- 
nehmen durchaus  nicht  passen.  Eine  Ableitung  von  dem  sanskri- 
tischen rupa,  Gestalt,  oder  eine  Identifizirung  mit  dem  Causale 
von  ruh  (rudh)  ropajati  gäbe  zwar  einen  weit  bessern  Sinn,  aber 
diese  Wörter  sind  spezifisch  sanskritisch  und  lassen  sich  nicht  in 
den  iranischen  Sprachen  nachweisen;  zudem  ist  eine  solche  Causal- 
bildung  im  Baktrischen  eigentlich  nicht  erhört.  Wir  können  das 
schwierige  Wort  auch  in  ur  und  npajemti  zerlegen,  indem  wir  den 
ersten  Theil  als  Präposition  =  ut  fassen  und  eine  Wurzel  up  an- 
nehmen, die  aus  vap  verkürzt  wäre.  Allein  auch  diese  Annahme  hat 
zu  viel  Unsicheres,  als  dass  wir  viel  darauf  bauen  können.  Bleiben 
wir  somit  bei  der  erst  versuchten  Ableitung  stehen,  weil  sie  im 
Iranischen  wirklich  eine  Begründung  hat.  Für  die  spezielle  Bedeu- 
tung rauben  nehmen  wir  besser  die  allgemeinere  Gewalt  ge- 
brauchen, unrechtmässig  handeln,  wodurch  der  Sinn  erträg- 
lich wird. 

V.  12.  Kritische  Schwierigkeit  hat  der  letzte  Satz :  toi  zi  data 
hamae^täro  ahhemahjd.  West,  liest  hamae^tro  aeshem  mahjd.  Die 
Lesung  hamaegtro  hat  nur  die  Autorität  einer  einzigen  Handschrift, 
von  K.  5,  und  sieht  mehr  wie  eine  Correktur  wegen  eines  folgenden 
Genitivs  (auf  -ahjd)  aus.  Aeshem  mahjd  trennen  die  meisten  Hand- 
schriften, K.  11  hat  aegemem  ahjd.  West,  scheint  die  recipirte  Les- 
art selbst  nicht  recht  zu  gefallen,  da  er  für  aeshem  in  der  Note  2 
aeshemem  als  das  richtigere  vermuthet.  Nerios.  übersetzt  folgender- 
raassen :  jatah  teshdrh  dadantah  santi  pratipakshdndm  teshdih  kopanam, 
denn  sie  (das  Subject  des  vorigen  Satzes  ist  anjdjinah,  die  Un- 
gerechten) sind  veranlassend  den  Zorn  dieser  Gegner.  Die  Ueber- 
setzung  teshdm  kopanam  setzt  die  Lesart  aeshem  oder  aeshemem  ahjd, 
nicht  mahjd  voraus.  Letzteres  kann  nur  eine  zweite  Person  sing, 
des  Pronomens  der  ersten  Person  mei  sein  (vgl.  50,  6)  und  steht 
ganz  dem  thwahjd  tni  parallel.  Aber  es  fragt  sich,  ob  mahjd  mei 
hier  einen  erträglichen  Sinn  giebt.  Es  wäre  zunächst  mit  aeshem 
zu  verbinden,  was  hier  nur  den  Sinn  des  bekannten  aeshemo  haben 


Haug,  die  Gathäs  des  Zarathustra.  IIL   Cap.  48,  12.   Cap.  49-     173 

kann,  da  die  Bedeutungen  des  aesha  schlechterdings  hier  nicht  an- 
wendbar sind.  Dieses  aeshem  könnle  aber  nur  als  Accusativ  von 
hamaegtdro  abhängig  genommen  werden,  welche  Construction  zwar 
nicht  unmöglich,  aber  doch  befremdend  ist.  Das  einzige  Mittel, 
den  vielen  Schwierigkeiten,  die  sich  noch  weiter  namentlich  wegen 
toi  data  ergeben  würden,  zu  entgehen  und  einen  ganz  einfachen, 
und  klaren  Sinn  herzustellen,  ist  die  beiden  letzten  Worte  aeshem 
mahjd  zusammen  als  aeshemahjd  zu  lesen.  Die  jetzige  Lesung  der  Mss. 
ist  entstanden  1)  aus  einem  phonetischen  Grunde,  indem  die  Sylbe 
em  einen  Versfuss  endigt,  die  folgende  ah  einen  beginnt,  so  dass 
der  Schlussconsonant  der  ersten  Sylbe  leicht  zum  Anfang  der  fol- 
genden herübergeschleift  werden  konnte.  2)  Hatte  sich  einmal  diese 
fehlerhafte  Aussprache  gebildet,  so  konnte  sie  leicht  auch  bei  der 
schriftlichen  Aufzeichnung  Eingang  finden,  da  die  Schreibung  des 
Zendawesta  nie  so  geregelt  war,  wie  die  des  Weda;  und  konnte 
diess  an  unserer  Stelle  um  so  mehr,  als  im  vorhergehenden  Satze 
ein  thwahjä  dem  mahjd  gegenüberstand,  ein  Umstand,  der  überhaupt 
mannigfach  auf  die  Schreibweise  eingewirkt  hat. 


Capitel  49. 

Dieses  Stück  enthält  zwei  Lieder,  die  unter  sich  keinen  nähern 
Zusammenhang  haben. 

1)  1  —  5.  Der  Styl  dieses  Liedes  ist  etwas  eigenthümlich.  Die 
Worte  bendvo,  pafre,  erethrts,  arapd  finden  sich  nur  hier.  Eigenthüm- 
lich ist  auch  seine  Anschauungsweise.  Die  Lehre  Ahuramazda's  ist 
varena,  die  der  Andersgläubigen  dagegen  tkaesha  genannt,  ein  Un- 
terschied, der  später  ganz  verwischt  ist  (3).  Die  Dämonen  werden 
durch  die  schlechten  Thaten  der  Menschen  hervorgerufen  (4),  was 
eine  den  Gdthd's  nicht  geläufige  Vorstellung  ist;  ein  Anklang  daran 
findet  sich  34,  9.  Jedoch  sind  in  letzterer  Stelle  nur  die  Khraf^tra's^ 
worunter  zunächst  schädliche  Geschöpfe  zu  verstehen  sind,  genannt; 
in  diesem  Liede  sind  es  die  Da^va's  selbst,  die  also  erzeugt  werden. 
Das  Lied  selbst  hat  den  Grundunterschied  zwischen  den  Ahuramazda- 
verehrern  und  den  Götzendienern  zum  Gegenstand.  Die  Götzen- 
diener haben  die  Uebermacht  und  verfolgen  die  an  den  lebendigen 
Gott  Glaubenden;  aber  diese  haben  in  ihrem  Glauben  eine  starke 
Wafife  gegen  ihre  Feinde,  und  dieser  wird  von  ihrem  Weisen,  näm- 
lich Zarathustra,  geschützt.  Der  Inhalt  ist  im  Einzelnen  folgender. 
Ein  mächtiger  Fürst,  Bifidvö  genannt,  welcher  Name  dem  indischen 
Pdndava  vollkommen  entspricht,  wonach  er  ein  Abkömmling  des  be- 
rühmten Pandugeschlechts  ist,  hat  viel  Unheil  im  Verein  mit  dem 
Priester  der  bösen  Genien  gestiftet,  und  es  scheint,  als  ob  seine 
Gewaltthaten  gegen  die  Wahrhaftigen  nicht  endigen  wollen.  Daher 
bittet  der  Dichter  den  Ahiiramazda,  ihm  die  Gabe  des  guten  Geistes 
zu  verleihen  und  dadurch  all  jenes  Unheil  abzuwenden  (1).    Dieses 


174  Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  III.    Cap.  49. 

rührt  von  dem  Wahn  -  und  Lügenglauben  des  Bendvo  her.  Dadurch 
schadet  er  der  Wahrheit  auf  doppelte  Weise;  erstens  er  erhält  dieser 
Schöpfung  die  Armaüi  nicht,  d.  h.  er  fördert  nicht  den  Landbau, 
denn  aus  allen  unbebauten  Gegenden  entflieht  die  Erdgöttin;  zwei-i 
tens  er  verkehrt  nicht  mit  dem  guten  Geiste,  d.  h.  er  wendet  sich' 
.nicht  an  den  guten  lebendigen  Gott  um  Rath  und  Hilfe,  sondern 
an  die  bösen  Mächte,  da  ihm  der  gute  Sinn  ganz  fremd  ist  (2). 
Indess  dürfen  die  Frommen  nicht  zagen;  ihr  Glaube  trägt  die  Wahr- 
heit, die  Heil  und  Segen  bringt,  in  sich;  der  Glaube  jenes  Herr- 
schers dagegen  ist  nur  Lüge  und  Wahn,  bloss  aufs  Schaden  ge- 
richtet und  hat  keinen  Bestand.  Jener  Glaube  ist  festzuhalten  als 
das  kräftigste  Schutzmittel  gegen  die  Lügner,  gegen  deren  Gesammt- 
heit  der  Dichter  seinen  Fluch  schleudert  (3).  Das  Wesen  dieser 
Lügner,  der  Unterthanen  jenes  Befidoo,  wird  nun  näher  geschildert. 
Aus  lauter  Mangel  an  wahrer  Einsicht  und  richtigem  Verstand  suchen 
sie  durch  ihre  Zungen,  d.  i.  durch  ihre  Sprüche,  das  Unheil  und 
Verderben  zu  vermehren  (vgl.  29,  1).  Da  sie  als  Unvermögende, 
die  kein  festes  Besitzthum  haben,  unter  den  Vermögenden  und  Be- 
sitzenden wohnen  und  kein  einziges  gutes  Werk  vollbringen,  so. 
rührt  alles  Unheil  nur  von  ihnen  her.  Ihrem  schlechten  Glauben 
entspringen  die  Daevas,  d.  i.  all  die  schädHchen  und  der  guten 
Schöpfung  verderblichen  Mächte  (4).  Der  Weise,  Zarathustra,  wirkt 
dagegen  mit  Anbetung  und  Andacht,  die  beide  als  Genien  gedacht 
sind,  und  beschützt  den  wahren  Glauben  durch  den  guten  Geist. 
Ihn  unterstützt  jeder  Edle,  der  der  Armaüi,  d.  i.  dem  Landbau  er- 
geben ist.  Mit  allen  diesen  Edlen  steht  er  unter  Ahuramazda's 
Herrschaft  und  weilt  in  seinem  Reich  (5).  Dass  unter  dem  mazddo 
nicht  Ahuramazda  verstanden  werden  kann,  ergiebt  sich  klar  aus 
dem  letzten  VersgUed.  Es  ist  entweder  ein  anderer  höherer  Geist 
oder  ein  Mensch  damit  gemeint.  Von  den  höhern  Geistern  könnte 
es  nur  ^raosha,  von  den  Menschen  nur  Zarathustra  sein.  Letzteres 
ist  mir  das  wahrscheinliche.  Dass  mazddo  von  Menschen  gebraucht 
wird,  beweist  45,  1  und  27,  13  (der  Schhiss  des  Jathd-ahü-vairjo- 
Gebetes)  deutlich. 

2)  6  — 11  enthalten  ein,  wie  es  scheint  vorf  Zarathustra  selbst 
im  Kreise  seiner  Freunde  vorgetragenes  Lied,  worin  er  die  Weis- 
heiten Ahuramazda's  zu  verkündigen  verspricht  und  diesen  als  den 
Schützer  des  Guten  um  Beistand  für  sich  und  seine  Freunde  bittet, 
den  Gegnern  aber  den  Untergang  und  die  Hölle  verheisst. 

Der  sechste  Vers  bildet  die  Einleitung.  Der  Prophet  erklärt 
sich  mit  seinen  Freunden  bereit,  die  ihm  von  Ahuramazda,  der  hier, 
wie  öfter,  als  eine  Zweiheit  (mazda  und  ahura)  erscheint,  aufge- 
tragene Mission  auszuführen  und  die  ihm  geoffenbarten  Wahrheiten, 
die  der  Sinn  und  Verstand  der  höchsten  Geister  ausgedacht,  aus- 
zusprechen. Um  die  Menschen  auf  die  richtige  Wahl  zu  leiten, 
dass  sie  den  Ahuramazda-G\auhen  nämlich  wählen,  will  er  die  Ge- 
danken  Gottes  mit  seinen  Gefährten  verkündigen. 


Haug,  die  Gdthä's  des  Zurathustra.  III.    Cap.  49,  1.  175 

Nun  folgt  eine  Bitte  an  Ahuramazda,  dass  er  dem  Dichter 
Gehör  schenken,  d.  h.  sich  ihm  offenbaren  und  ihm  sagen  soll, 
welcher  Schutzgenossc  und  welcher  Herr  die  Gesetze  habe,  um  dem 
Diener  die  gute  Lehre  zu  übergeben,  d.  h.  welcher  Höherstehende, 
Herr  oder  Schutzgenosse  die  Gesetze  habe,  um  sie  den  Diener  zu 
lehren,  und  ihm  dadurch  den  guten  Glauben  zu  verkündigen  (7). 
Die  Antwort  auf  diese  Frage  scheinen  die  folgenden  Verse  zu  ent- 
halten. Der  Schutzgenosse  und  Freund  ist  Frashaostra ,  der  Herr 
Zarathustra  selbst;  die  Diener  scheinen  die  De-gämd^pa's  zu  sein. 
Diese  Antwort  ist  indess  nicht  direkt,  sondern  indirekt  gegeben. 
Der  Prophet  giebt  nämlich  den  Grund  an,  warum  er  mit  seinem 
Gefährten  Frashaostra  stets  den  Ahuramazda  verehren  will  und  beide 
zu  jeder  Zeit  seine  Boten  sein  wollen.  Dieser  ist,  weil  ihnen  der 
höchste  Gott  die  seinem  Reiche  unterworfene,  von  Reinheit  über- 
strömende Schöpfung  (vgl.  43,  13)  als  Wächter  übergeben  hat.  Sie 
sind  es  desshalb,  ^lie  die  Gesetze  der  Schöpfung  kennen  und  sie  zu 
lehren  im  Stande  sind  (8).  Diese  Gesetze  und  Gebote  soll  indess 
nur  der  Vermögende,  d.  i.  der  Landmann  (im  Gegensatz  zu  den 
kein  festes  Besitzthum  habenden  Nomaden)^  der  zum  Nutzen  der 
guten  Schöpfung  von  Gott  bestnnmt  ist,  hören.  Dem  Lügner  aber 
giebt  der  wahr  und  richtig  Redende,  d.  i.  Ahuramazda,  seine  gute 
Schöpfung  nicht.  Da  unter  dieser  zunächst  die  geistige  Schöpfung, 
der  die  da6nas  oder  Gedanken  Gottes  angehören,  zu  verstehen  ist 
(vgl.  v.  3),  so  werden  diese  passend  sogleich  angeschlossen.  Diese 
dürfen  dem  Lügner  um  so  weniger  anvertraut  werden,  als  sie  die 
beste  und  heilsamste  Gabe,  der  grösste  Lohn  sind.  Die  beiden 
De-gämd^pä's  als  die  treuen  Diener  dagegen  sollen  die  Wahrheiten 
und  somit  anch  die  daend's  bes^itzen  (9).  Mag  das  Reich  des  Guten 
auch  viele  Angriffe  erleiden,  es  hat  Ahuramazda  zum  Oberherrn  und 
Schützer;  von  ihm  erwartet  daher  getrost  der  Dichter  alle  Hilfe, 
dass  er  den  guten  Sinn,  die  Seelen  der  Frommen,  d.  i.  die  guten 
Genien,  die  Frömmigkeit  und  den  Gottesdienst  durch  seine  Macht 
und  seinen  an  Gabenreichthum  unerschöpflichen  Schatz  beschützen 
und  bewahren  möge  (10).  Gerade  die  Seelen  der  Frommen  (die 
Fravashi's)  sind  in  Ahuramazda's  Händen  die  tapfersten  Streiter  gegen 
die  Bösen  in  Gedanken,  Gesinnung,  Glauben,  Wort  und  That.  Dieser 
Kampf  kann  nur  damit  endigen,  dass  die  Lügner  für  immer  in  die 
Wohnung  der  Lüge,  d.  i.  die  Hölle,  gestürzt  werden  (11). 

Ein  Anhang  zu  dem  Liede  ist  der  zwölfte  Vers.  Der  Dichter, 
welcher  sicherlich  nicht  Zarathustra  ist,  bittet  den  Ahuramazda ,  dass 
er  ihm  als  seinen  Lobpreiser  dasselbe  Gut  verleihen  möge,  welches 
Zarathustra  zu  Theil  wurde,  als  er  um  die  wahre  Hilfe  und  um 
den  guten  Geist  den  höchsten  Gott  anrief. 

V.  1.  Den  ersten  Satz  at  —  mazisto  giebt  Nerios.  durch:  evam 
me  sarveshdm  jävat  antar  nikrshtatareshu  rakshdm  mahattardiidm  kuru, 
beschütze    alle   meine  Grossen    so    lange    sie    unter    den    Schlechten 


176  Haag,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  III.    Cap.  49,  1. 


sind.    Diese  Uebersetziing  ist  aber  grammatisch  und  lexikalisch  theils 
ungenau,    theils  falsch    und   verfehlt  ganz    den  richtigen  Sinn.     Der 
Sinn  des  befidvo  durch   a7itar  Jiikhhtafareshu  wiedergegeben,  ist  nicht 
ein  so   allgemeiner,   sondern  ein  bestimmterer.    Eine  klare  Ableitung 
schwebte  dem  Uebersetzer  nicht  vor-,  v.  2  giebt  er  es  durch  Aharman. 
Dass  irgend  etwas  Böses  und  Schlimmes  damit  bezeichnet  wird,  er- 
giebt    sich   klar    aus    dem  Zusammenhang.     Ableitungen    bieten  sich 
mehrere  dar  von  der  AVurzel  band,  binden,  ba7i,  bäuj  sprechen, 
verkündigen,    und    bidh    =  skr.    bhid,    bhind,    Andere,    spalten. 
Von    der  erstem   wäre  es    durch  ein  SufF.  va  gebildet,    oder  besser 
von  einem  bandii    mit  hinzugetretenem   «  abgeleitet;    der  Sinn  wäre 
Binder,  Fessler  oder  vielleicht  auch  Bindun  g,  Fessln ng.    Diese 
Ableitung,    so  nahe  sie  auch  liegt,    ist  wenig  befriedigend,    da  wir, 
um  die  angegebenen  Begriffe  auszudrücken,  sicher  andere  Bildungen,, 
wie  bagtar  oder  ba^thwa,  zu  erwarten  hätten,    das  wedische  bandh\ 
aber,    das    nur  Verwandtschaft,    Genossenschaft    bedeutet   ii 
Baktrischen   gar  nicht  vorkommt.     Von  der   Wurzel  ban,    spreche! 
(prophetisch)    abgeleitet,   könnte    es    durch   tva   (dva   stände   dafütj 
wegen   des  b  nach  der  Consonantenerweichung)  gebildet  die  Rede 
kunst,  namentlich  die  geheimnissvolle,  und  zwar  hier  in  schlimmem] 
Sinne  Zauberei  bedeuten  (Besprechen,  Segensprechen),  was  einen] 
guten  Sinn  gäbe.  Aber  bei  dieser  Ableitung  wäre  eher  die  Form  b(7dva\ 
statt  befidva  zu  erwarten.    An  eine  Identifizirung  mit  dem  im  gewöhn- 
lichen Dialekte  des  Baktrischen  so  oft  vorkommenden  viithwa,  Füllej 
Leberfluss    (s.  I,  p.  62,  not.  1),    ist   aus   verschiedenen  Gründen' 
nicht    zu    denken.      Richtiger    ist    unstreitig    die    Ableitung    von    der 
Wurzel  bhid,  bhimd,  spalten,  zerstören.    Vollkommen  entsprechend 
scheint  das  wedische  bhinduh,    von  Indra  gebraucht    (Rv.  I,  11,  4: 
puräm  bhinduh,  Spalter  der  Städte),  Spalter,  Zerstörer,  nur  dass 
dem  Baktrischen  bendva  noch  ein  a  zugesetzt  ist.    Dass  diese  uralte 
arische  Wurzel,  die  in  den  iranischen  Sprachen  fast  verschwunden  ist, 
wirklich  im  Zendawesta  vorkommt,  beweist  Vend.  4,  37.  39.  W.  das 
Wort  agto-bidhem,  Knochen  spaltend,  zerbrechend,  ohne  Zweifel 
ein  alter  kriminalistischer  Ausdruck.    Unter  diesem  Spalter  oder  Zer- 
störer könnte  nun    entweder  der  böse  Geist   Afigrö  mainjus,   worauf 
das  Prädikat  mazisto,    der    grösste,    zu    deuten    scheint,    oder    ein 
irdischer  Tyrann   verstanden  werden.     Da  aber  dieses  befidvo   gleich 
grehmo  (32,  12)  dem  Sinn  und  Zusammenhang  nach  eher  ein  Eigen- 
name als  ein  Nomen  appellativum  ist,  bhindu  indess  als  solcher  nicht 
nachgewiesen   werden   kann,    so    müssen   wir   davon    abstehen.     Bei 
näherer  Betrachtung    stellt    es   sich    wirklich    als    ganz    identisch    mit 
dem  berühmten  altindischen  Namen  Pdndava  heraus.    B  steht  für  p 
nach    dem   im   altern    Dialekt    so    gewöhnlichen    Gesetze    der   Laut- 
erweichung (vgl.  ddreng  =  dthreiig  etc.') ,  e  =  a,  d  findet  sich  eben- 
falls   (jem  =2  jam)    und   das    kurze  a   wird  öfter    ausgestossen  (vgl. 
ptd  =zpatd,  Vater).  —   Pafre ,  wofür  mehrere  Codd.  pafre  schreiben, 
scheint  eine  Verbalform   zu  sein ,   da  wir  sonst    das  md  :=  me   nicht 


I 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zaraihustra.  III.    Cap.  49,  1.  2.        177 

abhängig  machen  können.  Java  ist  nämlich  sicher  das  Verbum  nicht, 
da  es  nur  Imperativ  sein  könnte,  was  sich  mit  dem  Zusammenhang 
des  Satzes  gar  nicht  verträgt.  Aber  die  Erklärung  desselben  als 
einer  Verbalform  hat  Schwierigkeiten.  Der  Zusammenhang  fordert 
nothwendig  eine  dritte  Person;  eine  solche  kann  aber  pafre  nicht 
sein,  sondern  nur  eine  zweite,  für  pafro  (oder  papero)  stehend, 
ausser  wir  wollten  annehmen,  dass  wie  öfter  im  Weda  so  auch  im 
Baktrischen  die  zweite  für  die  dritte  Person  stehen  könnte.  Da 
wir  aber  hiefiir  keine  weitern  Belege  haben,  so  müssen  wir  von  der 
verbalen  Fassung  abstehen.  Wir  haben  somit  pafre  als  Adjectiv  zu 
nehmen,  aber  nicht  im  Sinn  des  ganz  analog  und  zuletzt  von  der- 
selben Wurzel  gebildeten  wedischen  papri^),  voll,  füllend,  spen- 
dend, sondern  wir  müssen  es  von  der  baktrischen  Bedeutung  der 
Wurzel  pere,  zerstören,  ableiten,  und  es  somit  als  der  vernich- 
tende, zerstörende  fassen.  Damit  aber  der  ganze  Satz  einen 
grammatischen  Sinn  giebt,  müssen  wir  denselben  als  einen  Aus- 
rufesatz fassen,  und  zwar  so,  dass  md  hier  gleich  [itJ?  nicht  me  ist; 
die  Auslassung  des  Verbums  in  solchen  Sätzen  ist  leicht  verständ- 
lich. —  Arapd  giebt  Nerios.  durch  prdpnoti,  was  sowohl  in  gram- 
matischer als  lexikalischer  Beziehung  zu  verwerfen  ist.  Der  Form 
nach  ist  es  nur  ein  Imperativ,  parallel  mit  gaidi  und  vidd  stehend, 
und  zwar  von  der  Wurzel  rap  (s.  das  Gloss.);  das  anlautende  a  ist 
entweder  Augment  oder  phonetisch  (s.  die  Grammat.).  —  Den  Im- 
perativ vidd  übersetzt  Ner.  mit  ^dnijate,  führt  ihn  also  auf  die 
Wurzel  vid,  wissen,  zurück.  Aber  diese  Bedeutung  passt  nicht 
recht  in  den  Zusammenhang.  Ich  fasse  es  als  zusammengesetzt  aus 
vi-\-dd,  weggeben,  d.i.  entfernen  (s.  das  Gl.).  Die  kürzere 
Form  des  Imperativs  da  für  dazdi  ist  wohl  des  Metrums  wegen  ge- 
wählt, oder  in  der  Bildung  mit  vid  verwechselt. 

V.  2.  Tkaisho.  Dieses  Wort,  das  Ner.  hier  durch  7i;a;i,  der 
gerechte,  v.  3  durch  prasddaddnam ,  Gunstbezeugung,  wiedergiebt, 
ist  an  diesen  beiden  Stellen,  den  einzigen  der  Gdthä's,  in  denen 
wir  es  finden,  deutlich  eine  Bezeichnung  des  Glaubens  und  der  Re- 
ligion der  vom  Propheten  verfolgten  und  Lügner  genannten  Partei 
und  steht  im  strengen  Gegensatz  zu  varenaj  womit  Zarathustra  seine 
eigene  Lehre  bezeichnet.  Eine  Erinnerung  an  diesen  Unterschied  hat 
sich  auch  später  noch  erhalten,  obschon  das  Wort  keine  schlimme 
Bedeutung  mehr  hat.  Wir  finden  es  meist  neben  varena,  aber  ge- 
wöhnlich  nach    diesem    gesetzt,    so    Ja9.   12,  7    tdvarena    tkaeskdca 


^)  Rv.  I,  52,  3  paprir  andhasah,  der  voll  ist  vom  Soma  (von  Indra 
gesagt);  I,  91,  21  prtanäsu  paprih  (von  Soma),  in  Schlachten  (Beute) 
spendend;  II,  23,  10  paprind  sasnind  (von  Brhaspati).  Paprivän,  erfül- 
lend, I,  73,  8.  Nur  der  Aussprache  nach  von  papri  rerschieden  ist  pa- 
purih  I,  46,  4. 

Abhandl.  der  DMG.     II.  2.  12 


I 


I 


178        Hang,  die  Gäthäs  des  Zarathustra.  III.    Cap.  49,  2.  3. 

mazdajaQno  ahmi,  dieser  Lehre  und  dieses  Glaubens  bin  ich  ein 
Mazdaja^ner;  16,  2:  Zarathustrahe  varenem  tkaeshemca;  Vend.  12,  21 
15,  2.  W.  anjüvarena,  anjofkahha.  Bedeutsam  ist  namentlich  die 
Verbindung  imoirjo-tkaesha^  vom  ersten  Glauben,  Ja^.  3,  22. 
22,  27.  Jt.  13,  148.  150  u.  oft;  nie  kommt  in  dieser  Verbindung 
(mit  paoirja)  varena  vor.  Dass  das  Wort  die  Bedeutung  Glauben, 
Religion  hatte,  ist  unzweifelhaft,  was  auch  noch  das  neupersische 
kesh,  Religion,  beweist.  Aber  neben  dieser  finden  wir  im  Jüngern 
Japia,  und  zwar  in  den  Stücken,  die  zur  Erläuterung  der  heihgen 
Gebete  dienen  sollen  (19.  20),  eine  andere;  es  bezeichnet  hier  die 
einzelnen  Theile  dieser  Gebete.  So  hat  ahü  vairjö  fünf 
tkaesha  (19,  14),  ashem  vohü  deren  drei  (20,  3);  darunter  sind  die 
einzelnen  Grundgedanken  dieser  Gebete  zu  verstehen,  von  denen 
jeder  leicht  eine  Lehre  genannt  werden  konnte.  Die  Ableitung  des 
Worts  hat  die  grössten  Schwierigkeiten.  Unter  den  vielen  von  mir 
angestellten  Versuchen  halte  ich  eine  Zusammenstellung  mit  dem 
sanskritischen  dikshd,  Opfer,  Cultus,  und  weiterhin  eine  Ableitung 
von  der  Wurzel  dif  =  8£txvU[Ji.l,  dico  für  den  richtigsten.  Man  muss 
in  diesem  Fall  eine  Metathesis  —  ohne  dieses  Mittel  lässt  sich  hier 
durchaus  keine  auch  nur  halb  befriedigende  Erklärung  finden  —  an- 
nehmen, indem  nämlich  tkaesha  für  daekhsha  gesetzt.  Dass  ur- 
sprüngliches d  unmittelbar  vor  einem  Consonanten  zu  t  wird,  sehen 
wir  an  tbish  =  dvish,  hassen.  Bei  dem  so  häufig  gebrauchten 
Wort  konnte  leicht  das  k  in  der  Aussprache  vorgeschoben  und  un-  Mi 
mittelbar  hinter  das  d  gesetzt  werden.  Seine  ursprüngliche  Bedeu-  ■' 
tung  ist  Lehre,  Anweisung.  Die  Sprache  war  sich  der  Ableitung 
nicht  mehr  klar  bewusst.  —  Daibüd  ist  hier  nicht  auf  die  Wurzel 
dab  zurückzuführen,  sondern  Adverb,  von  dvi,  zwei,  für  dvüa 
stehend;  diese  zwei  Dinge  sind  in  den  zwei  folgenden  Sätzen  noit 
^pefitäm  und  naeda  vohü  angegeben.  — ■  Dorest  kann  nur  für  darest 
stehen  von  der  Wurzel  daresh  =  skr.  dhrsh;  das  6  ist  rein  euphonisch 
wegen  des  r;  man  vgl.  coret  für  caret.  An  eine  Ableitung  von  der 
Wurzel  dvar,  laufen,  namentlich  vom  Laufen  böser  Geister  ge- 
braucht, ist  wohl  nicht  zu  denken;  wir  müssten  eine  erweiterte  Form 
dieser  Wurzel  dvarsh  annehmen,  die  sich  aber  nirgends  nachweisen 
lässt.  Diese  Etymologie  liegt  indess  Neriosengh's  Uebersetzung  du- 
rdgaccha  zu  Grunde. 

V.  3.  Für  rdshajanhiy  wie  West,  nach  K.  11  liest,  wird 
besser  räshjanhe  oder  rdshjenhe  mit  andern  Mss.  gelesen;  man  vgl. 
rdreshjdn  32,  11  und  rdreshjanti  47,4.  —  ^are  =  ^ari,  das  sich 
auch  v.  8.  9  und  sonst  in  den  Gäthd's  findet,  ist  nicht  mit  ^ara, 
Schutz,  zu  identifiziren,  sondern  es  muss  mit  dem  sanskritischen 
^artra,  Körper,  zusammengestelllt  werden.  Die  Ableitung  führt 
auf  die  Wurzel  ^ar,  hervorgehen.  Wir  deuten  es  am  besten  als 
Schöpfung. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.    Cap.  49,  4.  5.        179 

V.  4.  Für  das  sinnlose  rdmem  aller  Handschriften,  das  nur 
Vergnügen,  Lust  bedeuten  könnte,  was  ganz  dem  Sinn  und  Zu- 
sammenhang entgegen  ist,  ist  mit  Sicherheit  reinem  oder  ramem 
(48,  7),  Verderben,  Vernichtung,  zu  lesen.  —  VäQ  scheint  auf 
den  ersten  Blick  eine  Partikel  zu  sein  und  mit  vd  zusammenzu- 
hängen; aber  bei  näherer  Betrachtung  zeigt  sich,  dass  es  die 
Nominativform  des  bekannten  Suffixes  vat  ist,  das  hier  absolut 
gesetzt  ist,  ähnhch  wie  oft  das  nahverwandte  mat.  Die  zwei  In- 
strumentale hvarstdü  —  duzvarstdis  sind  davon  abhängig,  ebenso 
der  Genitiv  jaeshum;  eng  damit  zu  verbinden  ist  7mt :  quorum 
nullus  bonis  factis  praeditus  (sed)  malis  factis.  Nerios.  hat  vdnchita, 
erwünscht,  das  hier  ganz  sinnlos  ist  und  nur  auf  zufäUiger  Laut- 
ähnlichkeit beruht.  Die  sanskritische  Wurzel  vdilch,  wünschen, 
lässt  sich  überdiess  im  Baktrischen  nicht  nachweisen.  —  Ja  dregvato 
daend,  Dregvato  wird  hier  als  Genitiv  sing.,  nicht  als  Accus,  plur. 
zu  fassen  sein. 

V.  5.  At  —  dzuitüca.  Für  mazddo,  wie  nach  den  meisten 
Handschriften  gelesen  wird,  lesen  K.  11,  Bf.  und  Bb.  mazdd,  also 
den  Vocativ.  Für  den  Nominativ  spricht  der  Umstand,  dass  so- 
gleich zwei  Nominative,  jeder  mit  cd,  folgen;  der  erste  von  beiden 
scheint  offenbar  einen  vorauszusetzen  (s.  v.  10);  ja  die  beiden  Wör- 
ter izdcd  und  dzuitiscd  scheinen  sogar  eine  Erklärung  des  mazddo 
geben  zu  wollen.  —  Für  je  daenäm  vohü  ^drstd  mananhd  hat  Nerios. 
jat  asjd  diner  adhipatir  bahmano  ^sti,  weil  dieses  Glaubens  Oberherr 
Bahman  ist.  Die  Erklärung  von  ^drstd  durch  adhipatir  asti  enthält 
dem  Sinn  nach  unstreitig  etwas  Richtiges;  der  Uebersetzer  identi- 
fizirt  es  wahrscheinlich  mit  dem  sanskritischen  ^iras,  Haupt,  dem 
neupersischen  sar  id.,  womit  es  auch  zusammenhängen  kann;  nur 
ist  es  nicht  als  Denominativ  zu  betrachten ,  da  ihm  der  nothwendige 
Denominativcharakter  fehlt  (nämlich  die  Sylbe  aja  oder  eine  ähn- 
liche). Gewiss  hängt  es  mit  <;are  (v.  3)  für  (^ari,  das  Nerios.  eben- 
falls mit  adhipati  wiedergiebt,  zusammen.  Für  die  richtige  etymo- 
logische Erklärung  bieten  sich  zwei  Möglichkeiten:  1)  man  nimmt 
eine  Wurzel  ^arsh  oder  ^ard  an  ;  2)  man  betrachtet  das  s  als 
Aoristzeichen  und  legt  eine  Wurzel  f«r  zu  Grunde.  Das  erstere 
ist  unstreitig  das  Richtigste.  Da  sich  eine  Wurzel  <}arsh  sonst 
nicht  nachweisen  lässt,  so  müssen  wir  zu  ^ard  die  Zuflucht  neh- 
men. Dieses  ist  mit  dem  wedischen  i^rdh  =  ^ardh  zusammenzu- 
stellen, welches  Rv.  7,  21,  5  überwältigen,  besiegen  {sa 
^arddhat  arjö  vishunasja  gantoh,  er  —  Indra  —  besiegte  die  Feinde 
verschiedener  Art)  bedeutet;  aber  diese  Bedeutung  ist  an  unserer 
Stelle  nicht  anwendbar,  aber  eine  daraus  abgeleitete,  etwa  die 
von  beherrschen  oder  beschützen,  s.  weiter  zu  32,  2.  —  Die 
Worte  von  Armatuis  —  huzentus  hängen  nicht  mehr  mit  dem  Vor- 
hergehenden zusammen,  sondern  bilden  mit  dem  folgenden  einen 
eigenen  Satz. 

12* 


180     Haug,  die  Gäthas  des  Zarathustra.  III.    Cap.  49,  6.  7.  8.  9. 

V.  6.  Fraeshjd  giebt  Ner.  mit  ddegajdmi,  der  Bedeutung  nach 
im  Ganzen  richtig,  aber  nicht  der  Form  nach.  Es  ist  nicht  eine 
erste  Person  sing.  Voluntativ  wie  peregd,  sondern  ein  part.  fut.  pass., 
und  zwar  im  piur.  neutr.  von  fra  -}-  ish,  schicken  (s.  ish). 

V.  7.  Für  mazdd,  wie  alle  Mss.  lesen,  vermuthet  West,  in  der 
Note  mazddo,  den  Nominativ  für  den  Vocativ.  Hiezu  kann  aller- 
dings leicht  das  güshahvd  tu,  höre  du,  des  folgenden  Satzes  ver- 
leiten, wenn  man  ^raotü  mazdd  damit  in  Parallele  bringt;  zur  drit- 
ten Person  graotü  kann  nämlich  der  Vocativ  nicht  passen,  wenn 
mazdd  Subject  davon  sein  soll.  Aber  auf  der  andern  Seite  will  sich 
eine  solche  Aufforderung  zum  Hören  an  den  Mazda  \md  die  andern 
höchsten  Geister  nicht  schicken,  namentlich  wenn  dieselbe  Auffor- 
derung V.  9  verglichen  wird.  Man  wird  mazdd  als  Vocativ  beibe- 
halten müssen,  dagegen  als  Subject  zu  ^raotü  dasselbe  zu  nehmen 
haben,  das  in  mrüite  v.  6.  Hegt,  nämhch  huzefdus.  Aber  die  zweite 
Person  güshahvd  bringt  wieder  ins  Gedränge.  Erwägt  man  über- 
diess,  dass  nach  jedem  Verbum  ein  Vocativ  mazdd  —  ashd  —  ahurd 
folgt,  so  liegt  die  Annahme  nahe,  in  diesen  die  Subjecte  zu  sehen. 
In  diesem  Fall  aber  müssen  wir  annehmen,  dass  die  dritte  Person 
graotu  für  die  zweite  stehe,  was  der  leichteste  Ausweg  ist.  Im 
andern  Fall  müssten  wir  güshahvd  für  eine  dritte  Person  erklären, 
was  wegen  des  tu  noch  weniger  möglich  ist. 

V.  8.  Der  Accus,  jäm  bezieht  sich  auf  ^arem,  das  auf  ein 
Feminin  ^ari  zurückzuführen  ist,  s.  v.  3.  5. 

V.  9.  Die  Worte  ^vj4  tasto  nach  Westergaard's  Schreibung 
sind  von  Nerios.  durch  Idbham  abhildshaja  wiedergegeben.  Hieraus 
scheint  hervorzugehen,  dass  der  Uebersetzer  eine  andere  Lesart  vor 
sich  hatte  oder  wenigstens  anders  trennte ;  er  las  wahrscheinlich 
gujet  isto;  denn  die  Uebersetzung  abhildshaja,  verlange,  trachte 
danach,  beweist  sicher,  dass  Ner.  nicht  tasto,  geschaffen,  ge- 
macht, was  ein  sehr  bekanntes  Wort  ist,  gelesen  hat.  Obschon 
gegen  die  von  West,  recipirte  Lesart  manches  einzuwenden  wäre, 
so  behalten  wir  sie  doch  bei,  da  wir  uns  sonst  in  gar  zu  vielen 
vielleicht  grundlosen  Vermuthungen  erschöpfen  müssten.  Sie  giebt 
wenigstens  einen  erträglichen  Sinn.  Nerios.  hat  die  Glosse:  mache 
den  Glauben  des  Frashaot^tra  grösser.  —  Für  jiSit  —  dregvdtd  hat 
Ner.:  na  satjavacanasja  rdgjam  dehi  asja  durgatimatah.  Der  satja- 
vacana  ist  nach  der  Glosse  wieder  Frashaostra.  Dregvdtd  ist  der 
Form  nach  zwar  Instrumental,  aber  in  der  Construction  kann  es 
nur  den  Sinn  eines  Dativs  haben.  —  Ashd  ist  Instrumental  sing.; 
jukhtd  dagegen  ist  Nom.  dualis  und  mit  den  folgenden  Dualen :  jdhi 
De-gdmd^pd  eng  zu  verbinden.  Jdhi  ist  zusammengesetzt  aus  dem 
Relativura  jd  (nom.  dual.)  und  dem  Demonstrativum  hi  (nom.  dual.). 
Man  nimmt  sie  am  besten  in  dem  Sinne  eben  dieselben,  gerade 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  III.   Cap.  49,  9.  10.  11.     181 

dieselben.  Gegen  die  verbale  Fassung,  die  in  Betreff  der  Wur- 
zel und  Bedeutung  (Ja,  gehen,  oder  jäh,  das  aber  im  Baktrischen 
weiter  nicht  existirt)  schon  grosse  Schwierigkeiten  bietet,  spricht 
unsere  Stelle  entschieden.  Nerios.  hat :  pai^cdi  imvjam  nijogajet 
kdrjam  njajam  Gdmdspasja ,  wovon  kdrjam  njdjam  dem  jdhi  ent- 
sprechen soll,  was  durchaus  irrig  ist.     Vgl.  46,  14. 

V.  10.  Mdzd  —  avemird  Ner. :  ju  manasd  asja  svdminahsna 
pa^jati  avjdpdri)ia(d)  tasja  aghe  narake  pratjag  (für  das  sinnlose 
pratkar)  bhujdt,  wer  durch  einen  Geist  (Gesinnung),  der  sich  mit 
diesem  Herrn  (Ahuramazda)  nicht  beschäftigt,  nicht  sieht,  der  möge 
in  seiner  Sünde  künftig  in  der  Hölle  sein.  Diese  Worte  Neriosengh's 
sind  aber  mehr  eine  Paraphrase,  als  eine  Uebersetzung,  so  dass  es 
schwer  ist  zu  ermitteln,  wie  jeder  einzelne  Ausdruck  des  Originals 
verstanden  wurde.  Wahrscheinlich  soll  dem  schwierigen  a7ü.  XsyofJl. 
avemird  das  avjdpdrwd  entsprechen,  eine  Bedeutung,  die  sicher 
ebenso  wenig  richtig  sein  kann,  als  wenn  na  pa^jati  dem  vazdanhd 
er»tsprechen  soll.  Die  ganze  traditionelle  Auffassung  des  Verses  ist, 
wie  gewöhnlich  in  schwierigen  Stellen,  ganz  falsch  und  willkührlich. 
Die  Form  vazdanhd  zeigt  deutlich,  dass  wir  hier  Instrumentale  haben. 
Avemird  ist  x4djectiv  und  zusammengesetzt  aus  ave  =  avö,  Hilfe, 
und  mird.  In  diesem,  das  im  Baktrischen  weiter  nicht  zu  finden 
ist,  erkenne  ich  das  wedische  milha  =  midha,  spendend,  (W.  mih) 
wofür  im  Baktrischen  zunächst  miza  oder  miza  zu  erwarten  wäre. 
Aber  so  gut,  als  sich  im  Sanskrit  ein  /  aus  dem  eigenthümlichen 
Cerebrallaute  entwickelte,  konnte  im  Baktrischen  ein  r  daraus 
werden,  da  dieses  bekanntlich  kein  /  hat.  Die  sich  so  ergebende 
Bedeutung  hilfespendend,  hilfegewährend  ist  ganz  passend, 
da  es  zunächst  ein  Adjectiv  zu  vazdanh  =  skr.  vedas,  Schatz,  ist. 

V.  11.  Qaretha  kann  hier  nicht  die  gewöhnliche  Bedeutung 
Speise  haben,  da  sich  der  Sinn  ganz  dagegen  sträubt.  Wir 
müssen  es  mit  qar,  glänzen,  qareno,  Glanz,  in  Verbindung  brin- 
gen, ihm  aber  einen  tropischen  Sinn,  den  von  Einsicht,  Ver- 
stand, beilegen.  So  fasst  es  auch  Nerios.,  der  akdis  qarethdü 
durch  nikfshtataram  bodham  wiedergiebt.  —  Vor  dem  letzten  Satze 
drügo  —  aqiajo  haben  mehrere  Mss.  vishd  atcd  oder  adhcd.  Sowie 
diese  Worte  überliefert  sind,  geben  sie  gar  keinen  Sinn;  liest  man 
aber  vishdatcd  als  ein  Wort,  was  sehr  leicht  geht,  so  haben  wir  den 
Ablativ  von  visba,  Gift  (\q\,  vishavat,  giftig  von  einer  Schlange, 
Jt.  19,  40).  Diess  giebt  zwar  einen  in  den  Zusammenhang  pas- 
senden Sinn,  indem  durch  und  wegen  Gift  der  Grund,  warum 
die  Lügner  in  der  Hölle  wären,  angegeben  wäre.  Aber  da  sich 
eine  solche  Vorstellung  in  den  Gdthd's  gar  nicht  belegen  lässt,  so 
können  wir  dieses  Wort  nur  als  eine  möglicherweise  alte  Glosse  an- 
sehen. Fast  identisch  mit  unserer  Stelle  ist  der  Schluss  von  46,  11. 
Das  letzte  Wort  affa;o,  das  nur  Plural  von  a^ti,  Körper,  Wesen, 


182    Hang,  die  Gdthas  des  Zarat/msira.  III.   C«p.  49, 11.  12.  Cap.  50. 

sein  kann,  giebt  Ner.  hier  durch  Umschreibung:  devdndm  mftjugänäm 
madhje,  in  46,  11   durch  asthitvam,  was  viel  treuer  ist. 

V.  12.  Für  toi  und  zbajente  sind  zweierlei  Erklärungen  mög- 
lich; ersteres  kann  nom.  pl.  des  Demonstrativpronomens  =  skr.  te, 
diese,  und  Dativ  des  Pronomens  der  zweiten  Person  tibi,  letzteres 
dritte  Person  Plural,  praes.  und  Dativ  participii  praes.  sein.  Sind 
es  Dative,  so  muss  Zarathustrdi  damit  verbunden  werden;  aber  diese 
Fassung  stösst  auf  bedeutende  Sinnschwierigkeiten,  namentlich  in 
Betreff  des  Zusammenhangs  mit  den  zwei  letzten  Sätzen,  wo  der 
Redner  in  der  ersten  Person  (frindi)  von  sich  selbst  und  in  der 
dritten  (istd)  von  Zarathustra  spricht.  Am  besten  ist  wohl  die  andere 
Fassung.  Nerios.  ist  hier  wieder  sehr  ungenau ;  er  hat :  jathd  te 
parisphutam  prakatam  gdndmi  dkdrajdmi  aham  sadhdjt  Zarathustro 
bhavdmi  jathd  te  Bahmanah  uttamamanasah ,  wodurch  die  Worte  von 
kat  —  mananhd  wiedergegeben  werden. 


Capitel  50. 

Dieses  Stück  ist  ein  fortlaufendes  Ganze.  Die  redende  Person, 
die  zugleich  als  Dichter  erscheint,  ist  der  Gens  urvd  oder  die  Erd- 
seele. Dieser  tritt  hier  als  Lobpreiser  der  höchsten  Genien,  des 
lebendigen  Weisen,  des  Wahren,  des  Besitzes  und  des  guten  Sinnes 
auf,  diese  zu  seinem  Schutze  und  Beistand  anrufend.  Aber  er  ver- 
kündet seine  Lieder  nicht  unmittelbar  den  Menschen  selbst,  sondern 
durch  Zarathustra,  seinen  Propheten  und  Sprecher.  Das  Lied  hat 
grosse  Aehnlichkeit  mit  Cap.  29,  in  welchem  Geus  urvd  ebenfalls 
redend  auftritt.      Geben  wir  den  Inhalt  desselben  näher  an. 

Die  Erdseele  ist  in  Bedrängniss,  d.h.  die  Erde  ist  verunreinigt, 
die  Felder  sind  verwüstet  worden.  Sie  weiss,  dass  nur  die  höchsten 
Geister,  der  lebendige  Weise,  der  Wahre  und  der  gute  Sinn  ihr 
helfen  können.  Diesen  Gedanken  spricht  sie  in  Form  einer  Frage 
aus,  dass  weder  sie  selbst  noch  das  von  ihr  ernährte  Vieh  einen 
andern  Erhalter  und  Beschützer  als  eben  jene  höchsten  Geister 
hätten  (1).  An  diese  Frage  nach  einem  Helfer  gegen  feindliche 
Gewalten  schliesst  sich  die  weitere :  wie  der  Schöpfer  die  Kuh 
Rdnjo^kereti,  die  Bereiterin  der  beiden  Reibhölzer,  bildete, 
worunter  die  Erde  selbst  oder  ihre  Vegetationskraft  zu  verstehen 
ist,  eine  Frage,  die  wir  mehrmals  in  den  Gdthd's  finden  (44,  6. 
47,  3).  Der  Schöpfer  dieser  Kuh  ist  nach  diesem  Verse  weder 
Ahuramazda  noch  der  Geus  urvd,  sondern  wohl  diejenige  Persönlich- 
keit, welche  29,  2  tashd  geus,  Bildner  der  Erde,  heisst,  welche 
indess  schliesslich  mit  geus  urvd  identisch  sein  muss.  Dieser,  die 
redende  Person,  bittet  den  Ahuramazda  um  die  Kraft,  in  die  vielen 
Wesen,    die   die  Sonne   schauen,    d.  h.  die   auf  dieser  Erde    leben. 


Hang,  die  Gätha's  des  Zarathustra.  III.    Cap.  50.  183 

das  Licht  des  Guten  anzuzünden  und  sie  auf  den  rechten  Weg  zu 
führen,  sowie  darum,  dass  er  Gerechtigkeit  schaflfen  möge  (2).  Diese 
soll  der  Welt  zu  Theil  werden.  Der  Mann  der  Wahrheit,  der  nur 
Zarathustra  sein  kann,  erkannte  durch  den  Genius  des  Besitzes  und 
den  guten  Sinn  diese  Gerechtigkeit,  die  der  Welt  vediehen  werden 
soll,  d,  h.  er  sah,  dass  nur  durch  die  Herstellung  des  richtigen 
Maasses  und  Verhältnisses  zwischen  dem  Geistigen  und  Körperlichen 
die  Welt  in  ihrem  Gange  erhalten  werde,  was  sich  auf  die  ewigen 
Natur-  wie  Geistesgesetze  bezieht.  Jener  Mann  der  Wahrheit,  Za- 
rathustra, ist  hier  noch  näher  bezeichnet  als  ein  solcher,  der  die 
von  Ungläubigen  in  Besitz  genommene,  zunächst  gelegene  Gaethä 
oder  Grnndstück  einzäunt,  d.  h.  dem  wahren  Glauben  gemäss  be- 
baut (3).  Weil  die  himmlischen  Geister  allein  Glück  und  Segen 
verleihen  können,  so  will  der  Erdgeist  sie  mit  Lobliedern  verehren, 
den  lebendigen  Weisen,  das  Wahre,  den  guten  Sinn  und  den  Be- 
sitz. Sein  Prophet,  Zarathustra,  ist  der  Führer  aller  derer,  welche 
nach  den  höchsten  Gütern  streben;  er  leitet  sie  ins  Paradies  hin 
zu  Qraosha,  der  die  Loblieder  der  seligen  Geister  hört  und  diese 
den  vom  Propheten  Geleiteten  mittheilt  (4).  Nun  folgt  eine  An- 
rufung der  höchsten  Genien  seitens  des  Erdgeistes,  dass  diese  mit 
ihrer  Hilfe  nahen  und  mit  den  Geschossen  ihrer  Hände  die  feind- 
lichen Gewalten  vernichten  möchten.  Der  Selbstleuchtende,  der  Ur- 
quell alles  Lichts  und  Lebens  vermag  diese  Hilfe  den  beiden  ihn 
darum  Bittenden,  dem  Erdgeist  und  Zarathustra,  zu  gewähren  (5). 
Gerade  Zarathustra  ist  es,  der  dem  Ahuramazda  Lobeslieder  dichtet, 
der  die  vom  höchsten  Verstände  ausgedachten  Werke  in  deutlicher 
und  vernehmlicher  Sprache  den  Menschen  verkündet  und  ihnen  die 
Geheimnisse  des  Erdgeistes  anzeigt,  vgl.  29,  8  (6).  Der  Erdgeist 
wiederholt  nach  dieser  Erklärung  über  Zarathustra  seinen  Willen, 
die  höchsten,  das  Gute  spendenden  Geister  anzurufen;  aber  nicht 
bloss  diesen  allein,  sondern  auch  allen  Frommen,  welche  über  die 
Himmelsbrücken  zum  Paradiese  eingehen,  ist  sein  Lob  geweiht. 
Alle  diese  seligen  Geister  sollen  ihm  zu  Hilfe  kommen  (7).  Der 
Dichter  will  nicht  nur  die  schon  vorhandenen  und  überlieferten  Lieder 
unter  andächtiger  Aufhebung  der  Hände  anwenden,  sondern  auch 
mit  neuen,  mit  dem  Lobliede  des  frommen  Förderers  der  Wahrheit, 
des  Zarathustra,  und  mit  dem  erhabenen  Gesänge  des  guten  Geistes 
auftreten  (8).  Da  der  Erdgeist  sich  als  einen  eifrigen  Verehrer 
Ahuramazda's  bekennt,  so  klagt  er  ihm  auch  seine  Noth  und  sein 
Leiden,  namentlich  weil  dieser  nicht  nur  alles  Gute  schafft,  sondern 
auch  sein  Herr  und  Gebieter  ist  (9).  Indess  ist  es  nicht  bloss  der 
Erdgeist,  der  das  Lob  und  den  Preis  der  höchsten  Genien  verkün- 
digt, sondern  auch  alle  hellstrahlenden  Hunmelskörper,  die  Sonne 
an  der  Spitze,  und  die  Sterne  wallen  zu  ihrem  Lobe  (10).  Zum 
Schlüsse  versichert  der  Dichter,  dass  er  ein  steter  Lobpreiser  der 
hohen  Geister  genannt  werden  wolle;  denn  er  werde,  so  lang  als 
seine   Kräfte   reichen,   d.  h.    so    lang   er  lebe,   ihr  treuer  Verehrer 


184        Hang,  die  Gdthus  des  Zaratkustra.  IIL    Cap.  50,  1.  2. 

bleiben  und  das  Gedeihen  und  Wohl  des  irdischen,  wie  geistigen 
Lebens,  das  auf  der  strengsten  Erhaltung  ewiger  Satzungen  beruhe, 
auch   auf  alle  Weise  fördern  (11). 

Dass  dieses  Lied  nachzarathustrisch  ist,  leuchtet  wohl  jedem 
von  selbst  ein.  Dem  Dichter,  der  den  Erdgeist  (Gens  urvä)  als 
redend  einführt,  schwebte  wohl  das  29.  Capitel  vor,  welches  un- 
verkennbar älter  ist. 

V.  1.  Für  ife,  wie  West,  nach  mehreren  Mss.  schreibt,  haben 
P.  6,  sowie  Bf.  und  Bb.  i^e.  Diese  Lesart  ist  ohne  Zweifel  die 
richtige,  da  das  Wort  keine  Verbalform  ist,  wie  W.  zu  vermuthen 
scheint.  Nerios.  giebt  es  durch  abhildshajdmi ,  indem  er  es  wohl 
von  ish  in  der  falsch  angenommenen  Bedeutung  wünschen  ableitete. 
Es  stammt  aber  sicher  von  einer  Wurzel  i^  =  ig,  haben,  besitzen, 
und  ist  nur  ein  Substantiv  davon,  so  dass  es  dem  skr.  i^a,  Herr, 
entspricht.  S.  zu  43,  8.  —  Für  me  nd,  wie  West,  die  offenbar 
verderbten  Lesarten  der  Mss.  mi  ndthrdtd,  me  ndthrdtd  corrigirt,  ist 
mend  als  ein  Wort  zu  schreiben,  da  me  eigentlich  gar  keine  Form, 
mend  aber  der  Genitiv  des  Pronomens  der  zweiten  Person  für  mana, 
meiner,  ist.  Diess  passt  auch  vortrefflich  in  den  Zusammenhang, 
denn  dem  Genitiv  pa^eus  entspricht  der  Genit.  mend,  beide  sind 
abhängig  von  thrdtd.  —  Azdd  —  mananho  Ner. :  diner  upari  su^ilam 
satjamcakdrjam  tatah  param  bhuvanam  svargam  manasd  dkdrjate;  pa^cdt 
jathd  atah  paraih  bhuvanam  sarve  gdnanti,  für  den  Glauben  ist  Tugend 
und  Wahrheit  zu  üben,  dadurch  wird  mit  dem  Geiste  das  andere 
Leben,  der  Himmel  erworben,  nachher  erkennen  alle  daraus  das 
andere  Leben.  Schwierig  ist  die  Erklärung  von  azdd.  Bedenkt  man 
die  eigenthümliche  Imperativform  zdi .,  sei,  31,  17  von  «f,  sein,  so 
könnte  man  leicht  azdd  für  seinen  Plural:  seid  nehmen;  aber  hiegegen 
spricht  der  Zusammenhang,  in  welchen  sich  ein  solcher  Ausruf  nicht 
recht  fügen  will,  und  die  Form  zutd,  welche  nur  ein  plur.  neutr. 
sein  könnte,  den  wir  hier  nicht  brauchen  können.  Eine  Ableitung 
von  der  Wurzel  az  =  agy  ageve,  ist  nicht  zulässig,  ebenso  wenig  eine 
Zurückführung  auf  a^ti,  wozu  dessen  Instrum.  plur.  azdebis  leicht 
verleiten  könnte,  denn  der  erweichende  Laut  fehlt.  Die  richtigste 
und  befriedigendste  Erklärung  dieses  aTU.  XsyofX.  ist,  es  als  ein  Ad- 
verbium zu  nehmen  und  in  az  und  dd  aufzulösen;  az  =  ag,  das 
häufig  Adjectiven  und  Substantiven  vorgesetzt  wird,  um  einen  höhern 
Grad,  etwa  unserem  sehr  entsprechend,  auszudrücken;  dd  ist  ein 
bekanntes  Adverbialsuffix,  z.  B.  idd,  hier,  tadd,  dort,  hadd,  mit  etc. 
So  hat  es  die  Bedeutung  sehr,  hoch,  ausserordentlich,  die  Be- 
deutung des  Vocativs  zütd,  angerufen,  verehrt,  verstärkend; 
diesen  fasst  man  am  besten  als  Dual,  da  er  sowohl  auf  Asha,  als 
Mazdd  ahurd  bezogen  werden  muss. 

V.  2.  Kaihd  —  isha^oit  Ner. :  jathd  tvam  svdmin  ajam  dakshindm 
kuru  gospandam  pa^u  samihe,  also  mache  du  da,  Herr!  ein  Geschenk, 


Hang,  die  Gäthus  des  Zarathustra.  III.    Cap,  50,  2.  185 

ich  trachte  nach  den  Schafen.  Dieselbe  Uebersetzung  des  rdnjo- 
^keretim  durch  dakshmdm  kuru  ^)  ist  44,  6  gegeben.  Für  isha<;6it 
steht  samihe.  Grammatisch  sind  diese  Uebersetzungen  jedenfalls 
ganz  zu  verwerfen,  und  JexikaHsch  gewähren  sie  wenig  Sicherheit. 
Isha^oit  scheint  der  Uebersetzer  für  ish  in  der  Bedeutung  wünschen 
genommen  zu  haben.  Dass  diese  aber,  von  dem  matten  Sinn  ganz 
abgesehen,  nicht  angeht,  zeigt  eine  genauere  Vergleichung  von  44,  6 
u.  47,  3,  wo  derselbe  Gedanke  wie  hier  ausgedrückt  ist,  an  der 
Stelle  von  ishaguit  aber  tashat  steht.  Wir  haben  demnach  gewiss 
in  dem  ishagoit  ein  Wort  von  ähnlicher  Bedeutung  wie  tash,  schaf- 
fen, machen,  zu  suchen.  Als  Wurzel  haben  wir  shag,  anzusehen; 
das  i  im  Anlaut  ist  eine  Verkürzung,  und  zwar  entweder  der  Re- 
dupHcationssylbe  hi  oder  der  Präposition  ni.  Die  erstere  Annahme 
ist  allein  die  richtige,  da  wir  neben  dem  Partie,  isha^äg  51,  19 
und  dem  Imperativ  ishagd  31,4  auch  ein  Imperf.  hishagat  32,  13 
haben;  dass  dieses  völlig  dieselbe  Bedeutung  hat  wie  die  Formen 
mit  anlautendem  i  statt  hi,  zeigt  deutlich  der  Zusammenhang  bei 
der  genauem  Vergleichung  der  Stellen.  Wie  gelangen  wir  aber  auf 
etymologischem  Wege  zur  Bedeutung  schaffen?  Im  Sanskrit  giebt 
es  keine  Wurzel  t^as  oder  sat;,  die  etwas  derartiges  bedeutet;  <;as, 
schlagen,  und  sas,  schlafen,  wären  ganz  unpassend,  ebenso  fa*, 
befehlen,  das  auch  schon  wegen  des  d  bedenklich  wäre.  Wir 
müssen  eine  Lautveränderung  annehmen.  Am  nächsten  liegt  die 
Entstehung  des  zweiten  Zischlauts  aus  einem  Dental.  Dieser  an 
sich  sehr  leicht  denkbare  und  in  den  verschiedensten  Sprachen  vor- 
kommende Uebergang  wird  durch  aegma,  Holz,  :=:  skr.  idhma  be- 
stätigt. Bei  dieser  Annahme  bieten  sich  mehrere  Wurzeln  sad, 
sitzen,  und  sddh,  vollbringen,  oder  sidh,  vollbracht  werden. 
Am  besten  passen  die  zwei  letztern ;  da  sidh  offenbar  mit  sddh  ver- 
wandt ist  und  seine  neutrale  und  passive  Bedeutung  hauptsächlich 
Folge  der  Sylbe  ja  ist,  mit  der  es  conjugirt  wird,  so  können  wir 
getrost  ein  ursprüngliches  sadh  annehmen,  da  das  i  gewöhnlich  eine 
Verkürzung  des  a  ist  (man  vgl.  sanskr.  vap  =  baktr.  vif).  So 
kommen  wir  zur  Bedeutung  von  vollenden,  fertig  machen,  was 
ganz  zu  der  bisherigen  Untersuchung  stimmt.  —  Erez^is  —  jnshjagu 
Ner. :  jat  satjena  givet  asdu  puvjdtmd  jat  dhdrajet  tat  idain  prabhutaih 
rahshdm  gubhamcay  eine  allzu  willkührliche  Uebersetzung.  Gis  ist 
vor  allem  keine  Verbalform  und  die  Wurzel  gi  kann  etymologisch 
nicht  mit  giv,  leben,  zusammenhängen.  Die  Worte  hvare  pishjaqü 
bilden  ein  Compositum,  der  Bedeutung  nach  dem  wedischen  svar-df^, 
die  Sonne  schauend  =  lebend,  vollkommen  entsprechend,  und 
sind  der  Form  nach  Locativ  plur.,  wovon  keine  Spur  in  Neriosengh*s 
Uebersetzung  zu  finden  ist.  Da  der  Satz  kein  Verbum  hat,  weil 
erezgis   entweder  Nom.    oder    eher  Accus,  plur.  ist,    so    müssen    wir 


^)  In  meiner  Abschrift  steht  hier  Ixara,    was  aber  gewiss  nach  unserer 
Stelle  in  kuru  zu  corrigiren  ist. 


186  Hang,  die  Gdthas  des  Zarathiistra.  III.   Cap.  50,  2. 

entweder  die  Copula  ergänzen  oder  ihn  mit  dem  folgenden  ver- 
binden. Letzteres  ist  wohl  das  Richtigste,  da  erezgh  kein  Sub- 
stantiv, sondern  ein  Adjectiv  ist.  Die  folgenden  Worte  dkd  —  ddhvd 
bieten  aber  grosse  Schwierigkeiten.  Ner.  hat:  prakatam  pfthivjacü 
(wohl  prthivjdmcit)  ajam  nashah(6)  mamopavishfasja  satah  atah  grhe 
ddtiddtm  pradehi  prabhütam  dehi,  das  soll  wohl  heissen :  Bekannt  ist 
auf  der  Erde  dieser  mein  Nosk  bei  meinem  Auftreten ;  dadurch  gieb 
im  Hause  jegliche  Gabe,  gieb  Grosses  (Vieles).  Die  zwei  ersten 
Worte  des  Uebersetzers  sind  rein  erklärender  Zusatz;  ajam  soll  dem 
dkd  entsprechen,  wofür  K.  6  ddd  liest;  diese  Lesung  lag  dem  Ueber- 
setzer  vor,  er  identifizirte  ddd  mit  dem  Demonstrativ  add;  das  Wort 
naska,  welches  nur  das  bekannte  na^ka  =  Nosk  sein  kann,  womit 
die  Hauptabtheilungen  des  Zendawesta  bezeichnet  werden,  entspricht 
dem  gUng;  mama  upavishtasja  dem  md  nishä^jd,  satah  atah  grh6  ist 
erklärender  Zusatz,  ddtiddtim  pradehi  entspricht  dem  ddthem  ddhvd. 
Der  sich  hiedurch  ergebende  Sinn  kann  gewiss  nicht  der  richtige 
sein,  da  wieder  stark  gegen  Grammatik  und  Etymologie  gesündigt 
ist.  Vor  allem  fragt  es  sich,  ob  dkd  gteng  als  zwei  Worte,  oder 
ob  sie  in  eins,  dkdgteng,  zu  schreiben  seien.  Mehrere  Handschrif- 
ten sind  für  das  letztere,  und  ich  glaube,  dass  diese  Schreibung 
mit  Recht  den  Vorzug  verdient.  Akd,  sowie  ^tetlg  würden  als  be- 
sondere Worte  betrachtet  der  Exegese  unüberwindhche  Schwierig- 
keiten in  den  Weg  legen,  da  dkd  hier  mindestens  dkdo  wegen  des 
^teilg  lauten  sollte  und  letzteres  Schöpfungen  bedeuten  müsste, 
was  gar  nicht  zu  dem  Sinn  des  Verses  passt.  Akd^teiig  als  ein 
Wort  dagegen  lässt  sich  genügend  erklären  als  ein  Abstractum  der 
Wurzel  kd^--\-d,  erleuchten,  erhellen,  und  giebt  in  Verbindung 
mit  erezgis  einen  trefflichen  Sinn.  Bei  md  nishd^jd  fragt  es  sich 
zuerst,  ob  wir  md  als  Accus,  des  Pronomens  azem,  ich,  gleich  lat. 
me,  oder  der  Negation  [xi^  zu  nehmen  haben;  danach  muss  sich 
auch  die  Fassung  des  nishä^jd  richten.  Dieses  bringt  Ner.  (upavishta) 
offenbar  mit  sanskr.  ni-shad,  sich  niedersetzen,  neupersisch  ni- 
shastan  zusammen.  Obschon  sich  hiedurch  ein  recht  guter  Sinn  ge- 
winnen lässt,  so  ist  die  Ableitung  etwas  bedenklich,  weil  sich  das  ä, 
das  meines  Wissens  nie  für  blosses  a  steht,*  nicht  gut  erklären 
Hesse,  da  die  Wurzel  sad  nicht  nasaHrt  wird.  Daher  liegt  eine 
Wurzel  shd^  nahe,  der  wir  aber  als  Verbum  nirgends  im  Zendawesta 
begegnen.  Im  Sanskrit  entspricht  vollkommen  gattis,  loben,  prei- 
sen, das  aber  in  den  Gdthas  die  Forjn  gmgh  oder  auch  kürzer 
gaq  annimmt;  dass  aber  auch  gäg  bekannt  war,  beweist  wenigstens 
das  Nom.  actoris  gägid  29,  1.  In  der  Verbindung  mit  der  Präpo- 
sition ni  aber  muss  sie  eine  andere  Bedeutung,  und  zwar  eine  dem 
ursprünglichen  Sinn  fast  entgegengesetzte,  annehmen;  wörtlich  würde 
ni-shag  weg-loben,  d.h.  schmähen,  verwünschen,  heissen.  Da 
aber  auf  diese  Weise  nur  ein  höchst  unbefriedigender  Sinn  sich  er- 
giebt,  so  werden  wir  gut  thun,  bei  der  von  Ner.  gegebenen  Be- 
deutung  zu  bleiben,    um  so  mehr,    als  gams,  gengh    sich    nicht   mit 


Haagj  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  III.  Cap.  50,  2.  3.  4.      187 

der  Präposition  ?ii  verbunden  findet,  während  sad  sehr  häufig  damit 
zusammengesetzt  wird.  Das  ä  für  a  lässt  sich  als  eine  Eigenthüm- 
lichkeit  des  altern  Dialekts  fassen.  Der  Form  nach  möchte  ich 
nishäfja  als  Imperat.  des  Causativs  fassen,  so  dass  es  für  shd^a 
stände,  vgl.  ukhshjeiti  für  ukhshajeüi,  er  lässt  wachsen. 

V.  3.  Ätcit  —  anhaiti  Ner. :  evamca  asmdkam  svdmin  jat  jnivjasja 
jogjam.  Für  anhaiti,  was  nur  die  dritte  Person  sing.  Conjunctivi  praes. 
sein  kann,  hat  Ner.  jogjam ,  passend;  in  der  Glosse  erklärt  er: 
pa^avo  jogjatardh  saiiti,  worin  zugleich  dem  Satz  ein  Subject  (pa- 
^avo)  gegeben  ist.  Aber  es  ist  durchaus  kein  Grund  vorhanden, 
pa^avo  (pecora)  zum  Subjecte  zu  nehmen.  Ner.  holt  es  aus  der 
ersten  Strophe  des  zweiten  Verses  (gäm).  Das  Subject  kann  auch 
in  den  nächstfolgenden  Sätzen  gesucht  und  als  solches  nazdistdm 
gaethäm  angesehen  werden.  Aber  ddthem  am  Schlüsse  des  zweiten 
Yerses  liegt  am  nächsten.  Ahmdi  sowie  hol  sind  mit  je  nd  zu  ver- 
binden, während  jäm  des  zweiten  Satzes  sich  auf  ddthem  zurück- 
bezieht. —  Jäm  —  mananhd  Ner. :  jat  idam  rdgjain  Bahmanasja  ds- 
vddajet,  dass  er  diese  Herrschaft  des  Bahman  geniessen  möge.  Aber 
coist  kann  die  Bedeutung  geniessen,  kosten  nicht  haben,  da  es 
nur  als  eine  dritte  Person  imperf.  sing,  auf  die  Wurzel  ciM,  wis- 
sen, erkennen,  zurückgeführt  werden  kann.  —  Jäm  —  hakhshaiti 
Ner. :  jat  atah  pfthivjdh  ajam  diirgatimdn  vinaih  (wohl  vind)  gandn 
dhdrajet,  dass  dadurch  dieser  Böshandelnde  die  Erde  menschenleer 
macht.  Auf  diese  sonderbare  Uebersetzung  kam  Neriosengh  wahr- 
scheinlich durch  die  falsche  Ableitung  des  nazdistäm,  das  nur  das 
sanskrit.  nedhishtha  sein  kann,  indem  er  darin  die  Negation  na  oder 
naedhd  und  ^ti,  Welt,  Leute,  erblickte. 

V.  4.  Khshathrdcd  —  paithi  Ner.  :  rdgjam  jat  asja  samt  he  jat 
sarhprdpteh(r)  ajam  mdrgah  [kila  asja  mdrgasja  suvjdpdram  asti],  nach 
dessen  (des  Asha^  Herrschaft  strebe  ich,  dieses  ist  der  Weg  zur 
Erreichung.  Ishö  ist  keine  erste  Person  sing,  praes.,  wie  Ner.  an- 
nimmt, sondern  entweder  Nomin.  sing,  eines  Nomens  isha  oder 
Accus,  plur.  von  der  nominal  gebrauchten  Wurzel  ish.  Das  Nomen 
isha  würde  dem  skr.  t^a,  Herr,  entsprechen,  aber  da  letzteres  mit 
Verkürzung  d^s  i  und  Beibehaltung  des  9  if«  (s.  v.  1)  im  Bak- 
trischen  lautet,  so  müssen  wir  davon  absehen.  Die  zweite  Fassung 
scheint  die  einzig  richtige  zu  sein.  Abzuleiten  ist  es  von  ish  =  ishy 
verlangen,  begehren,  also  die  Verlangenden.  Vgl.  29,  9. 
32,  12.  Abhängig  ist  es  von  ^tdonhat.  Dieses  Verbum  kann  nur 
auf  die  Wurzel  ^td,  stehen,  zurückgeführt  werden,  die  aber  nicht 
in  neutraler,  sondern  in  transitiver  Bedeutung  stellen  gebraucht 
sein  mjiss;  vgl.  Vend.  7,  52:  7i6it  zi  ahmi  paiti  nairi  dva  mainju  rena 
ava-^tdonhat,  denn  nicht  stellen  die  zwei  Geister  bei  diesem  Manne 
einen  Kampf  an.  Die  Form  anlangend,  so  ist  es  Aorist;  aber  das 
nh  =  s   scheint   nicht   ohne   Einfluss   auf  die   transitive   Bedeutung 


188        Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  III.    Cap.  50,  4.  5. 

gewesen  zu  sein.  Hieher  ist  auch  das  Adject.  gtähjo  Jt.  13,  52 
neben  vjdkhano,  weise,  zu  ziehen.  Das  Subject  zu  ^täonhat  ist 
ausgelassen;  als  solches  haben  wir  Ahuramazda  zu  denken.  — 
Akdo  —  ^raoshdne  Ner. :  prakatdm  ajam  dakshanäm  dehi  svdmin  jat 
antah  Gorothmanasja  ^tutim  drddhandm  prakatatdm  karomi.  Dem 
^raoshdnd  soll  ^tutim  karomi,  ich  mache  Lobpreisung,  entsprechen; 
aber  diese  Form  ist  nicht  etwa  eine  erste  Person  Iraperativi,  wie 
man  auf  den  ersten  Anblick  vermuthet,  sondern  der  Dativ  eines 
Nomens  graoshan  von  ^raosha,  dem  mehrere  gleich  gebildete  im 
Gäthädialekte  zur  Seite  stehen,  wie  mdthran  von  mäthra,  avanhan 
von  avanh,  maretan  von  mareta.  Diese  Nomina  haben  die  Bedeu- 
tung eines  Partie,  praes.  oder  auch  die  eines  Nomen  actoris.  Der 
Accusativ  aredre?lg,  zu  dem  dkdo  eine  nähere  Bestimmung  bildet,  ist 
von  ^raoshdne  abhängig. 

V.  5.  Aroi  —  ahurd  Ner. :  sampürnd  jat  jushmdkam  bhaktim  ka- 
romi. [Kila  bhaktim  ^ilatdni  jushmdkam  sampiirnain\drrt\  kurvann  asmi."] 
Die  Uebersetzung  ist  frei;  denn  äroi  leitet  einen  Interjectionalsatz 
ohne  Verbum  ein,  so  dass  bhaktim  karomi  bloss  vom  Uebersetzer 
hinzugedacht  ist.  Der  Sinn  ist  somit  verfehlt,  um  so  mehr,  als 
droi  nicht  sampünia,  voll,  sondern  bereit,  willfährig  bedeutet 
(s.  das  Gl.).  —  Jjat  —  oaordzathd  Ner. :  sarve  jat  tat  avistdvdnhU  tava 
vdmcchajet  pramodena  harsheim;  [kila  dinim  tava  pradattdm  dndm  (dnafh- 
ddm)  karomi  sarve  jat  dnamdam  kurvanti],  jedermann  soll  verlangen 
deinen  Avesta  und  die  Erklärung  aus  Freude;  [deine  überlieferte 
Lehre  mache  ich  zu  einer  freudigen,  alle  machen  Freude].  Hier  ist 
mäthrdne  auf  Avesta  und  Zend  bezogen,  enthält  somit  den  Begriff 
der  göttlichen  Offenbarung  nebst  ihrer  Auslegung;  aber  mäthrdne 
steht  nicht  für  mdthra,  sondern  ist  als  Nomen  actoris,  Lobsänger, 
Sprecher,  zu  fassen,  s.  zu  v.  4,  worunter  nur  Zarathustra  ver- 
standen werden  kann,  wie  klar  aus  dem  folgenden  Vers  erhellt. 
Das  OLK.  Xsy.  vaordzathd  wird  durch  er  verlange  mit  Freude 
übersetzt  und  durch  alle  machen  Freude  erläutert.  Im  ersten 
Theile  des  Worts  sah  der  Uebersetzer  wahrscheinlich  die  Wurzel 
var,  wählen,  was  er  im  zweiten  gesehen,  lässt-sich  nicht  deutlich 
erkennen.  In  einigen  Mss.  K.  6  und  Bb.  ist  vaord  zathd  getrennt 
geschrieben,  aber  diese  Schreibung  ist  gewiss  unrichtig,  da  die  Er- 
klärung auf  diese  Weise  allzu  verwickelt  und  künstlich  werden 
müsste.  Zuerst  fragt  es  sich  indess,  ist  vaordzathd  einfaches  oder 
zusammengesetztes  Wort;  dass  es  der  Form  nach  eine  zweite  Person 
plur.  praes.  ist,  leuchtet  ein.  Nehmen  wir  es  als  ein  einfaches  Wort, 
so  liegt  die  Wurzel  verez,  varez,  machen,  thun,  am  nächsten.  Das 
vao  für  blosses  va  würde  keine  grossen  Schwierigkeiten  machen,  da 
solche  Verdunklungen  des  a  bei  folgendem  r  häufig  sind,  z.  B. 
haurva  für  harva,  vdurajd  =  vdrajd,  pouru  für  paru  u.  s.  w.;  schwie- 
riger aber  wäre  das  d  für  e,  was  sich  höchstens  aus  metrischen 
Gründen   erklären   Hesse.     Da    aber   bei   dieser   Fassung   ausserdem 


Haugy  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  III.    Cap.  50,  5.  189 

ein  viel  zu  matter  und  vager  Sinn  sich  ergeben  würde,  so  müssen 
wir  von  derselben  abstehen.  Ein  Denominativ  von  vardza,  das  mir 
indess  nur  in  der  Bedeutung  Eber  bekannt  ist,  anzunehmen,  ver- 
bietet das  gänzliche  Fehlen  der  denominativen  Endung.  Am  rich- 
tigsten theilt  man  das  Wort,  und  zwar  in  vaor  und  dzaihd;  ersteres 
kann  die  reine  Wurzelform  var,  wählen,  oder  auch  das  Substantiv 
vara  oder  vare  enthalten,  dessen  e  vor  dem  starken  d  sich  nicht 
halten  konnte;  der  zweite  Theil  enthält  dann  das  Verbum  aa=rag-, 
thun,  treiben,  machen.  Ich  halte  den  ersten  Theil  für  das 
Substantiv  vara  oder  vare,  eigentlich  Bedeckung,  dann  ein  be- 
stimmter Platz,  eingefriedigter  Platz,  sodass  das  Composi- 
tum vaor  az,  Platz  machen,  Raum  machen,  heisst,  aber  in  über- 
tragenem Sinn  zu  nehmen  ist,  man  vgl.  die  wedische  Redeweise 
uru  kr,  weit  machen,  oder  auch  als  Denominativum  urushjati  für 
befreien,  helfen.  —  Aibi-derestd  —  avanhä  Ner. :  asmdkam  upari 
dlokajet  prakatatd  ekam  alam  kuru.  Asmdkam  ist  hinzugesetzt,  upari 
entspricht  der  Präposition  aibi,  und  dlokajet,  er  schaue  an,  dem 
derestd,  prakatatd,  Deutlichkeit,  dem  dvishjd,  ekam  alam  kuru, 
schmücke  das  Eine,  dem  avanhd.  Ob  die  Uebersetzung  des  de- 
restd  durch  ansehen  richtig  ist,  fragt  sich.  Man  ist  sehr  versucht 
an  die  Wurzel  daresh  =  skr.  dhrsh,  wagen,  unternehmen,  zu 
denken;  die  Präposition  aibi  scheint  eher  für  dare^  ^==z  dfg y  sehen, 
zu  sprechen  (vgl.  aibivaen,  umhersehen,  J.  31,  13),  obschon  sie  sich 
auch  in  der  Zusammensetzung  mit  daresh,  wagen,  genügend  er- 
klären lässt.  Da  derestd  34,  4  (s.  die  Note)  nur  auf  daresh  =  dhrsh, 
nicht  aber  auf  dareg  =  dr^  zurückgeführt  werden  kann,  an  unserer 
Stelle  aber,  sowie  31,  2  die  Bedeutung  ringsherum  gewagt, 
unternommen  besser  passt,  als  die  ringsherum  gesehen  (all- 
bekannt), so  wollen  wir  hier  von  der  traditionellen  Erklärung  ab- 
gehen und  uns  an  daresh  =  dhrsh  halten.  Der  Form  nach  ist  de- 
restd hier  Partie,  pass.  im  Instrumental.  Eine  Anspielung  auf  unsere 
Stelle  enthält  Jt.  13,  146:  tdo  no  dzahicit  hatd  thrdjeiüte  aiwi-derestdis 
avebis,  diese  (die  Fravaschi's)  schützen  uns,  wenn  wir  in  irgend 
einer  Noth  sind,  durch  ihre  allgegenwärtige  Hilfe  (die  überall  ge- 
leistet wird).  —  Bei  prakatatd  für  dvishjd  mag  wohl  an  das  sanskri- 
tische dvis,  offenbar,  gedacht  worden  sein.  Da  wir  dieses  33,  7 
finden  und  es  zudem  auch  im  Weda  häufig  in  dieser  Bedeutung 
vorkommt,  so  ist  kein  triftiger  Grund  vorhanden,  von  der  traditio- 
nellen Erklärung  abzugehen,  zumal  da  sie  einen  guten  Sinn  giebt. 
Der  Form  nach  ist  dvishjd  ein  von  dem  Adverbium  dvis  durch  ja 
gebildetes  Adjectivum.  Sonst  könnte  man  bei  diesem  Wort  an 
ä -\- vish  =  vi^ ,  herzukommen,  denken.  —  Zagtd  —  ddjdt  Ner.: 
jat  drogjatdm  samihe  [tat  drogjam  samdhajatdm  —  wohl  samihjatdm  — ] 
kuru  jat  asmdkam  ^ubhe  dehi.  Die  Uebersetzung  des  za<;td  durch 
drogjatd,  Gesundheit,  Wohlbefinden,  ist  sehr  befremdend,  um 
so  mehr,  da  es  in  der  Parallelstelle  34,  4  (ebenfalls  mit  istd  ver- 
bunden) ganz  richtig  durch  hasta,  Hand,  wiedergegeben  wird;  istd 


190        Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.   Cap.  50,  5.  6- 

ist  wieder  irrthümlich  auf  ish,    wünschen,   verlangen,    zurückge- 
führt.    Ueber  die  Bedeutung  s.  I,  p.  225  fg. 

V.  6.  Mäthrd  vdcim  Ner. :  dvistdvdni.  —  Urvatho  —  Zara- 
thustra Ner. :  mitratdm  ddddrasja  [von  Pärsi  ddddr  =  ddtar]  punjasja 
rakshdm  namaskrtim  karomi;  kila  jat  kdrjarn  punjasja  susamrddho  aham 
Garathugtrö  bhavdmi,  d.  i.  ich  mache  die  Freundschaft  des  Schöpfers, 
ich  mache  Beschützung,  Verehrung  des  Reinen;  was  von  Reinem 
zu  thun,  dessen  bin  ich,  Zarathustra,  Förderer.  Ueber  urvatho  s. 
das  Gloss.  —  Data  —  ^toi  Ner. :  daddmi  buddhim  gihväjd  mdrgasja 
samsthitim,  ich  gebe  die  Einsicht  der  Zunge,  den  Aufenthalt  auf 
dem  Wege.  Ddtd  könnte  hier  verbum  finitum,  aber  nur  nicht  eine 
erste  Person  sing.,  wie  Ner.  es  fasst,  sondern  höchstens  eine  dritte 
Person  sing,  sein;  in  diesem  Falle  müsste  ddt  d  getrennt  werden. 
Besser  aber  ist  es  als  Plur.  neutr.  im  Acc.  von  ddta,  gesetzt,  d.  i. 
Gesetz,  Verordnung,  zu  nehmen.  Hizvo-raithim  schreibt  West. 
ganz  richtig  als  ein  Compositum.  Ner.  giebt  raithim  mit  mdrga, 
Weg,  wobei  wohl  an  das  neupersische  rdh,  Weg,  das  allerdings 
ähnlich  genug  ist,  gedacht  wurde.  Aber  diese  Bedeutung  von  rauht 
oder  raithja,  wie  das  Thema  von  raithim  lauten  muss,  lässt  sich  im 
Zendawesta  sonst  nicht  nachweisen;  ausserdem  ist  rdh,  Weg,  auf 
rdti,  das  auch  in  der  arischen  Keilschriftgattung  sich  findet  (awahjd 
rdthija  Bis.  I,  6.  51),  zurückzuführen.  Der  Etymologie  nach  kann 
es  nur  mit  ratha,  Wagen,  zusammenhängen,  und  zwar  ist  es  ent- 
weder ein  durch  i  gebildetes  Abstractum  oder  ein  durch  ja  gebil- 
detes Adjectivum.  Dieses  Adj.  raithja  finden  wir  Jt.  10,  38.  17,  17, 
wo  es  mit  Wagen  versehen,  kriegsgerüstet  heisst.  An  unserer 
Stelle  passt  die  adjectivische  Bedeutung  nicht  recht,  da  wir  kein 
Substantiv  haben,  worauf  es  sich  bezieht.  Im  Parallelismus  mit  ddtd 
und  rdzeng  stehend,  kann  es  nur  die  Bedeutung  eines  abstracten 
Substantivs  haben.  So  sind  wir  auf  ein  Thema  raithi  gewiesen.  Im 
Weda  heisst  das  entsprechende  rafAz*  Wagenlenker,  auch  in  über- 
tragenem Sinne  gebraucht,  so  Rv.  I,  77,  3  adbhutasja  rathih,  des 
Wunderbaren  Lenker;  ferner  III,  2,  8:  rathih  rtasja  —  agrdh,  des 
Opfers  Lenker,  Herr  ist  Agni  (vgl.  11,  24,  15).-  An  unserer  Stelle 
müssen  wir  ihm  die  abstracte  Bedeutung,  die  es  seiner  Bildung 
nach  gehabt  haben  muss,  geben,  und  zwar  die  von  Lenkung. 
Grammatisch  ist  hizvo-raithim  Zungenlenkung,  eine  Apposition  zu 
ddtd  khrateus,  die  Gesetze  der  Erkenntniss,  denn  vom  Verstand 
und  der  Einsicht  wird  die  Zunge  regiert.  —  Mahjd  —  mananhd 
Ner. :  jat  ajam  samdracanam  mama  ^ishjd7idm  kuru ,  tat  Bahmanasja 
fishjd  (p'shjdnj  dehi.  Die  Uebersetzung  des  rdzeng  mit  samdracanam, 
Anordnung,  hat  manches  für  sich,  da  die  Wurzel  rdz  =.  skr.  rdg- 
in  der  Bedeutung  anordnen,  richten  sich  wirklich  findet,  s. 
Jt.  10,  14.  14,  56.  19,  47,  aber  die  Bedeutung  geheimnissvolles 
Wort  oder  Spruch  ist  passender,  s.  zu  34,  12. 


Hang,  die  Gdthas  des  Znrathustra.  IIL    Cap.  50,  7.  191 

V.  7.  At  —  urvatho  Ner. :  evam  jat  tvdm  nijömi  (?)  idam  Icdrjam 
njdjasja  naca  mitrasja  vdiTicchdm  karomi  vega  (vegu)  na  *)  kdrjam  upari 
bhavet,  so  trage  ich  dir  auf  das,  was  Billiges  (Gerechtes)  zu  thuri 
ist  und  nicht  verlange  ich  es  von  einem  Freunde,  nicht  möge  das 
zu  Thuende  übereilt  werden.  Dem  zevistjefig  entspricht  kdrjam  njdjasja, 
was  zu  thun  ist  von  Billigkeit,  28,  10  wird  es  aber  durch 
abhüdshaka,  verlangend,  und  46,  9  durch  priiah,  geliebt,  über- 
setzt; das  einfache  zevini  31,4  wird  durch  nimantraka,  Anrufer, 
zaveiig  28,  4  durch  dmantraiia,  Anrufung,  29,  3  dasselbe  durch 
kdrjam  punjam  übersetzt.  Aus  diesen  mannigfachen  abweichenden 
Uebersetzungen  derselben  Wörter  ist  ersichtlich,  dass  die  Tradition 
ihre  genaue  ursprüngliche  Bedeutung  nicht  mehr  kannte.  Am  rich- 
tigsten ist  indess  die  durch  nimantraka,  Anrufer,  und  dmantrana, 
Anrufung,  die  uns  auf  die  Wurzel  hve,  hu,  anrufen,  führen. 
Das  zevistjeng  oder  zevistojeng,  wie  K.  4  liest,  ist  sichtlich  ein  zu- 
sammengesetztes Wort,  und  zwar  aus  zevi  und  istjeng  oder  istajeiig; 
das  erstere  ist  eine  Abstractbildung^von  der  Wurzel  zuz=zhu,  rufen, 
anrufen,  und  bedeutet  die  Verehrung  (man  vgl.  im  Sanskrit 
hava,  Anrufung,  havja,  havis)',  im  zweiten  erkennt  man  leicht  das 
Wort  isti,  Gut,  Besitz,  so  dass  das  Ganze  Gut  der  Anrufung, 
d.  i.  ein  durch  Anrufung  der  höhern  Geister  erworbenes  Gut,  heisst. 
Von  diesem  so  sich  ergebenden  Compositum  zevisti  ist  durch  an- 
gehängtes a  oder  ja  ein  Adjectiv  gebildet,  das  aber  nur  zevistja 
oder  zevistijay  aber  sicher  nicht  zevistaja  gelautet  haben  kann,  wie 
West,  hier  und  28,  10  annimmt.  Zwar  finden  wir  Jt.  13,  21  ze- 
mstajdo  zemstajanäm  daqjundm  ohne  Angabe  einer  Variante  ge- 
schrieben, aber  in  diesen  spätem  Stücken  kann  es  leicht  ungenaue 
Schreibweise  sein.  —  Gjdis  —  jushmakahjd  Ner. :  jat  prdpnomi  etat 
antardle  prandmas  tava  hetoh  [kila  jdvat  antarhhuvane  |'?|  prdp7i6mi 
namaskfiim  te  balishthatdih  karomi],  dieses  erreiche  ich  in  dem 
Zwischenräume  ^)  deinetwegen  [so  lange  mir  in  der  Zwischenwelt 
Lobpreis  wird,  mache  ich  deine  grösste  Stärke].  Für  ^jdis  haben 
K.  5,  6  gjditis.  Beide  Lesungen  bereiten  grosse  Schwierigkeiten. 
Am  wenigsten  lässt  sich  indess  gjditis  rechtfertigen,  da  es  der  Form 
nach  nur  Nominativ  sein  kann,  welcher  Casus  aber  in  dieser  Satz- 
verbindung gar  nicht  erklärt  werden  könnte.  Sie  ist  wohl  eine 
Correktur  des  unverständlichen  gjdis.  Dieses  ist  seiner  Form  nach 
ein  Instrumental  des  Plural  von  einem  Thema  gja.  Aber  hier  waltet 
der  missHche  Umstand  ob,  dass  dieses  Wort  sonst  gar  nicht  vor- 
kommt, ausser  wenn  wir,  was  möglich  ist,  den  Dual  goja  32,  7 
(s.  zu  der  St.)  hieherziehen  wollen,  während  gjditis  sich  öfter  findet. 
Von  Ner.  ist  gjdis  als  Verbum  (prdpnomi)   und  zwar  in  der  Bedeu- 


^)  Vielleicht  vegena,  mit  Eile,  schnell,  zu  lesen. 
2)   Unter    diesem    antardla    ist    das    Andarvdi    der    Pärsibücher,    der 
Zwischenraum  zwischen  Himmel  und  Hölle,  zu  verstehen. 


192        Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  III.    Cap.  50,  7.  8. 

tung  erlangen,  erreichen  gefasst.  Etwas  Richtiges  ist  gewiss 
darin  enthalten;  denn  gjdis  ist  auf  die  Wurzel  gi,  gewinnen,  er- 
siegen,  zurückzuführen.  Das  Substantiv  gja  steht  für  gaja  und 
hat  noch  die  verbale  Kraft,  einen  Accusativ  zu  regieren,  bewahrt. 
Perethüs  (acc.  pl.)  bedeutet  indess  nur  Brücke;  der  Uebersetzung 
antardla ,  Zwischenreich,  liegt  wohl  ein  dogmatischer  Grund 
unter.  —  Jdis  azaihd  —  avanhe  Ner. :  asja  grahitdrö  [grahitd]  bhavdmi 
jat  tvam  svdmin  sahdjatd  asti  [kila  sahdjatd  jat  gaktmdn  na  ^aknomi 
kartiim].  Die  Uebersetzung  des  azdthd  durch  grahitdro.  Ergreifer, 
ist  sicherlich  irrig.  Dieses  Wort  lässt  zunächst  eine  dreifache  etymo- 
logische Erklärung  zu:  1)  kann  es  die  Wurzel  az  =  ag,  treiben, 
machen,  enthalten;  2)  die  Wurzel  zan,  gebären;  3)  zan  =z  han, 
tödten.  In  allen  Fällen  ist  es  eine  zweite  Person  Pluralis;  im  ersten 
des  Präsens,  im  zweiten  und  dritten  des  Imperfecturas  mit  dem 
Augment.  Gegen  die  erste  Erklärung  spricht  namentlich  das  d  der 
zweiten  Sylbe  für  a;  dann  ist  der  sich  ergebende  Sinn  „durch 
welche  (perethüs,  Brücken)  ihr  treibet"  etwas  zu  vag.  Aber  die 
zweite  und  dritte  haben  auch ,  sowohl  der  Form  als  dem  Sinne 
nach,  ihre  Schwierigkeiten;  mit  welchen  ihr  geboren  seid,  d.  i. 
welche  ihr  von  Anfang  an  hattet,  scheint  nicht  gut  auf  die  höchsten 
Geister  bezogen  werden  zu  können.  Doch  möchte  ich  dieser  Er- 
klärung den  Vorzug  geben,  da  sie  eher  den  von  der  Tradition  aus- 
gedrückten Begriff  ergreifen,  d.  i.  in  Besitz  nehmen,  besitzen, 
ausdrückt,  als  die  erste  Erklärung.  An  dem  allgemeinen  Sinn, 
welche  ihr  besitzt,  kann  wohl  kein  Zweifel  sein. 

V.  8.  Mat  —  izajdo  Ner. :  samapdddbhjdm  te  prakrshtam  vikhjdto 
^smi  mahattaro  ^ham  jat  idam  balam  dijamdnam  asti;  tatah  avistd- 
vanim  vaddmi,  durch  deine  beiden  gleichen  Versfüsse  (Avesta  und 
Zend)  bin  ich  vorzüglich  als  der  grössere  bekannt,  dass  diese  Stärke 
(mir)  gegeben  ist;  daher  spreche  ich  Avesta  und  Zend.  Die  Be- 
ziehung des  Instrum.  plur.  paddis  (sg.  pada}  auf  Verse,  d.  h.  auf 
Lieder,  die  der  Höchste  verkündet,  lässt  sich  gewiss  nicht  bestrei- 
ten. Dagegen  ist  jd  fra^rütd  falsch  bezogen;  es  geht  auf  paddis, 
Verse,  und  bezeichnet  diese  als  gehörte  und- verkündete,  die 
immer  noch  weiter  verkündet  werden  sollen.  Ebenso  ist  die  Deu- 
tung des  izajdo,  was  nur  Genit.  dual,  von  izd,  Verehrung,  sein 
kann,  durch  mahattarah,  major,  entschieden  irrig.  —  Pairiga^di —  u^td- 
nazagto  Ner. :  upari  prdpnomi  jat  svdmin  uttdnahastah  sana[d]nivdsanam 
karomi,  dafür  erreiche  ich,  dass  ich,  Herr,  mit  erhobener  Hand  (betend) 
eine  dauernde  Wohnung  gründe  ^).  Die  Uebersetzung  ist  zu  frei, 
der  Sinn  verfehlt.  —  At  vdo  —  nemanhd  Ner. :  evam  jat  te  parisphutam 
dakshindm  karomi  jat  namaskftim,  so  mache  ich,  was  dir  klar  ist, 
die  Verehrung,  nämlich  die  Lobpreisung.  Ganz  richtig  wird  hier 
ashd   nicht  mit  punja,   wie  sonst  meist,  übersetzt;    es  ist  hier   kein 


0  Darunter  ist  wohl  die  Fortdauer  der  Avesta  -  Zendlehre  gemeint. 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.    Cap.  50,  8.  9.        193 

Nomen  proprium,  sondern  ein  reines  Appellativ,  parallel  mit  nemanhd, 
aber  nicht  derselben  Bedeutung;  am  besten  legt  man  ihm  die  Be- 
deutung das  Beständige,  die  Beständigkeit  bei,  die  es  seinem 
Ursprünge  nach  leicht  tragen  kann,  s.  das  Gl.  Dahhinäm  karomi 
für  den  Genitiv  aredraqjd  ist  grammatisch  ungenau,  aber  der  Sinn 
ist  im  Allgemeinen  nicht  unrichtig.  —  At  vdo  —  hunaretdtd  Ner. : 
evam  jat  tat  Bahmanasja  gundh  pravarttamdudh  santi;  kila  suvjdpdra- 
gund  asja  madhje  santi,  also  (in  solchem  Zustande)  befinden  sich 
die  Eigenschaften  Bahmans;  die  Eigenschaften  der  glücklichen  Aus- 
führung sind  mitten  in  ihm,  d.  h.  er  besitzt  sie  vollständig.  Die 
Deutung  des  hunaretdtd  durch  guna  lag  sehr  nahe,  da  man  unwill- 
kührlich  an  das  neupersische  hunar ,  Eigenschaft,  Tugend,  erin- 
nert wurde,  s.   das  Gl. 

V.  9.  Tdis  —  ajeni  Ner. :  tava  drddhandm  sammukham  stuHm 
pracardmi  karomi,  deiner  Günstiges  vollbringenden  Lobpreisung  gehe 
ich  offenbar  nach.  In  der  Präposition  paiti,  die  mit  sammukham, 
angesichts,  offenbar,  übersetzt  wird,  hat  Ner.  gewiss  das  neu- 
persische paidd,  offenbar,  gesehen.  Diese  Bedeutung  liegt  nun 
in  der  Präposition  paiti  an  sich  nicht,  aber  sie  kann  aus  dem  Zu- 
sammenhang erschlossen  werden.  Dem  Sinn  nach  ist  paiti  eher  mit 
ajeni  als  mit  ^tavag  zu  verbinden ;  wörtlich  hiesse  es :  entgegenlobend 
will  ich  gehen,  d.  i.  lobend,  mit  Lob  will  ich  entgegengehen.  — 
Jadd  —  khshajd  Ner. :  evam  lakshmi  me  bhaktigildm  dehijatdt  ^)  bhaktim 
karomi  jat  ahhildshajdmi  [kila  rdgjasja  ahhildshaih  karomi].  Äshi  mit 
lakshmi,  Glück,  zu  übersetzen,  ist  nicht  zutreffend,  da  es  vielmehr 
das  Wesen,  4lie  Wesenheit  bedeutet  (s.  das  Gl.);  me  entspricht 
ganz  richtig  dem  maqjdo;  die  Worte  bis  karomi  sind  Erklärung; 
abhildshajdmi  zizz  vage,  rdgjasja  =:^  khshajd.  Diese  Uebersetzung  und 
Deutung  ist  viel  zu  gezwungen  und  künstlich  und  zudem  ganz  un- 
grammatisch, als  dass  sie  im  Ganzen  richtig  sein  könnte.  Vage 
(vgl,  43,  1)  ist  enge  mit  khshajd  zu  verbinden  und  eigentlich  nur 
ein  Adverbium  zu  diesem  Verbum ;  die  Genitive  ashois  maqjdo  sind 
davon  regiert.  Für  khshajd  lesen  einige  Manuscripte  khshajdt,  was 
entweder  Ablativ  von  einem  Nomen  khshaja  oder  dritte  Person 
Conjunct.  sing,  von  khshi  wäre.  Beide  Fassungen  würden  aber 
schlechterdings  keinen  Sinn  geben;  daher  müssen  wir  davon  abstehen. 
Khshajd  kann  hier  nur  zweite  Person  sing.  Conj.  sein,  für  khshajdo 
stehend.  —  At  —  qjem  Ner. :  evam  te  suddninam  ahhildshajdmi  grahi- 
tdro  [grahitd]  hhavdmi  prasddam,  so  erflehe  ich  von  dir  einen  guten 
Geber,  ich  ergreife  die  Gunst,  d.  h.  ich  Zarathustra  erflehe  von 
dir,  Ahuramazda,  einen  guten  Geber,  einen,  der  mein  Wirken  för- 
dert; du  gewährst  mir  diese  Gunst,  ich  ergreife  sie.  Die  Ueber- 
setzung des  gerezdd  durch  Ergreifer  ist  sicher  verfehlt  und  beruht 
auf   einer   Verwechslung    der    Wurzeln    gerez,    schreien,    weinen, 


^)  Dafür  ist  wohl  dehi  jat  te  zu  lesen. 
Abhandl.  der  DMG.    II,  2.  13 


194      Hang,  die  Gdtlias  des  Zarathustra.  III.    Cap.  50,  9.  10. 

und  gere6,  ergreifen.  Gerezdd  ist  mit  qjem  zu  verbinden;  es 
kann  kein  Partie,  pass.  sein,  wie  man  leicht  vermuthet,  da  ihm  die 
hier  nothwendige  Nominativendung  6  fehlt;  aber  als  nomen  actoris 
lässt  es  sich  leicht  begreifen.  Es  steht  für  gere^td  (Thema  gere^tar)', 
die  Erweichung  des  t  in  d  ist  durch  das  wurzelhafte  z  bewirkt  (s. 
weiter  zu  29,  1).  Zu  huddndus  (gen.  sing,  von  huddnii)  ist  khsha- 
thrahjd  zu  ergänzen,  s.  44,  9.  Der  Genitiv  ist  von  ishjä^y  gehend 
nach  =  strebend  nach,  «bhängig. 

V.  10.  At  ja  vareshd  giebt  Ner.  durch  evam  tat  samdcardmi, 
so  gehe  ich  diesem  nach;  er  hält  somit  vareshd  für  eine  erste  Person 
Verbi.  Der  Zusammenhang  spricht  dagegen  und  verlangt  ein  Sub- 
stantiv. An  das  sanskritische  varsha,  Jahreszeit,  kann  nicht  ge- 
dacht werden,  da  sich  dieses  Wort  im  Baktrischen  nicht  mit  Sicher- 
heit nachweisen  lässt.  Ebenso  wenig  kann  das  baktrische  vare^a 
=  neupers.  gurz,  Keule,  in  Betracht  kommen,  da  es  einen  gar 
zu  abgeschmackten  Sinn  geben  würde.  Der  Zusammenhang  erfordert 
ein  Wort  der  Bedeutung  Glanz,  Glanzkörper.  Diese  gewinnen 
wir  auch,  wenn  wir  var^Aa  auf  uarca* ,  Glanz,  zurückführen,  sodass 
es  eigentlich  für  varkh-sha  stände.  —  Jdcd  —  mananhd  Ner. :  jasja 
jat  Bahmanasja  locane  nirmale;  Ulla  svahhdvina[n{\  siivjdpdreiid  ddtim 
kuru,  in  dem  fleckenlosen  Auge  dieses  Bahman;  mache  durch  glück- 
liche Vollendung  (That)  eine  selbstständige  (durch  sich  selbst  be- 
stehende) Schöpfung.  Aregaty  das  durch  nirmala,  fleckenlos, 
wiedergegeben  wird,  scheint  eine  dritte  Person  sing.  Imperf.  und 
kein  Adjectivum  zu  sein.  Seine  richtige  Bedeutung  ist  indess  nicht 
leicht  zu  ermitteln.  Es  findet  sich  sonst  nur  noch  in  dem  Namen 
Aregat-a^pa.  Da  mit  diesen  Worten  die  von  v.  11  unsers  Capitels 
ddtd  anheiis  aredat  vohü  mananhd  verwandt  sein  können,  so  fragt 
es  sich  zunächst,  ob  nicht  aredhaf  zu  lesen  sei,  was  dem  aredat 
gleich  wäre.  Das  g  und  dh  sind  einander  so  ähnHch,  dass  eine 
Verwechslung  leicht  Statt  haben  kann.  Doch  der  sich  auf  diese 
Weise  ergebende  Sinn  „was  das  Auge  fördert,  dem  Auge  nützlich 
ist"  hat  so  wenig  Empfehlendes,  dass  wir  von  dieser  Aushilfe  ab- 
stehen wollen.  Aref^at  für  eine  dritte  Person  sing.  Imperf.  zu  nehmen, 
hat  manche  Schwierigkeiten,  da  man  wegen  des  Plur.  relat.  ja  im 
Anfang  auch  den  Pluralis  Verbi  erwarten  sollte.  Bleiben  wir  bei 
der  traditionellen  Fassung,  die  sich  etymologisch  gut  erklären  lässt, 
wenn  man  aregat,  wofür  mehrere  Mss.  indess  eregat  lesen,  mit  dem 
bekannten  Worte  erezata  =:  skr.  ragata,  armenisch  ardsat,  latein. 
argentum,  Silber,  zusammenbringt.  Im  Weda  bietet  sich  noch  ar- 
guna,  weiss,  lichthell,  dar,  von  der  Morgenröthe  gebraucht;  auch 
rgra,  röthlich,  von  Pferden  gebraucht,  gehört  hieher.  Um  indess 
die  Uebersetzung  Neriosengh's  „in  fleckenlosem,  d.i.  reinem,  hellen 
Auge"  grammatisch  zu  erklären,  so  ist  aregat  mit  cashmdm  zu  einem 
Compositum  zu  verbinden  und  somit  aregat-cashmdm  zu  Grunde  zu 
legen.     Dass  eine  solche  Trennung  der  Composita  wirklich  möglich 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.   Cap.  50,  10.  11.      195 

sei,  beweist  demani  garo  v.  3  unsers  Verses  für  gard-demdnS,  Garotman 
der  Parsen,  dem  bekannten  Namen  des  Paradieses.  Aregat-cäshmdm 
heisst  hienach  mit  weissen,  hellen  Augen,  wonach  der  Eigen- 
oame  Aregat-agpa,  einer,  der  weisse  Pferde,  der  Schimmel 
hat,  ganz  passend  erklärt  werden  kann.  An  eine  Ableitung  von 
arg,  gerade  sein,  welche  Wurzel  im  Baktrischen  durchgängig  eres 
lautet,  kann  nicht  wohl  gedacht  werden.  Syntaktisch  ist  der  Accus. 
cashmdm  adverbial  zu  fassen  und  eng  mit  den  folgenden  Worten 
raocäo  zu  verbinden.  —  Raocäo  —  aeurus  Ner. :  nirmalah  sürjah  atah 
divasja  cetanjam  ajam  samdraca7idm  karoti;  kila  sarveshäm  mauxishjdndm 
^tghram  ddtim  kurute,  die  fleckenlose  Sonne  bewirkt  das  Sichtbar- 
werden des  Tages,  sie  macht  die  Anordnung.  Die  Uebersetzung  des 
raocdo,  des  gewöhnlichen  Wortes  für  Himmelslichter,  Sterne, 
durch  nirmalah,  fleckenlos,  und  die  Fassung  desselben  als  eines 
Adjectivs  ist  entschieden  zu  verwerfen;  der  Plural  verb.  aeurus,  den 
der  Sing,  verbi  doch  sicher  nicht  regieren  kann,  spricht  dagegen. 
Zur  nähern  Erklärung  vgl.  46,  3,  wo  dem  aeurus,  dritte  Person 
perf.  von  ir,  gehen  (das  erste  u  ist  rein  phonetischer  Vorschlag), 
frdrente  entspricht. 

V.  11.  At  —  donhdcd  Ner.:  eoaih  jushmdkam  stomi  jad  balam 
asti  [kila  balam  tat  stutim  te  pracuram  dhdrajdmi],  so  preise  ich,  was 
eure  Stärke  ist;  diese  Stärke,  dein  Lob,  halte  ich  sehr  fest.  Aogdi 
ist  durch  balam,  Stärke,  übersetzt;  aber  es  fragt  sich,  ob  der  Zu- 
sammenhang ein  Nomen  hier  erlaubt.  Ziehen  wir  donhdcd  nicht 
zum  folgenden  Satze,  so  muss  aogdi  als  erste  Person  Verbi  gefasst 
werden.  Aber  auch  ohnediess  hat  die  Erklärung  des  aogdi  als  eines 
Nomens  Schwierigkeit.  Von  dem  Nomen  aoganh,  Stärke,  an  welches 
Ner.  hier  dachte,  lässt  sich  ein  Casus  aogdi  auch  nicht  wohl  durch 
Verkürzung  erklären.  Gäbe  man  dieses  indess  auch  zu,  so  würde 
schwerlich  mit  einem  Dativ  aogdi  hier  etwas  anzufangen  sein.  Wir 
stellen  das  Wort  zu  aogi  43,  8,  aogedd  32,  10,  aogemadae  41,  5, 
welches  lauter  Verbalformen  einer  Wurzel  aog,  aog  =  vac,  reden, 
sind,  und  nehmen  es  als  eine  erste  Person  Voluntativi  (s.  zu  43,  8).  — 
Javat  —  i^dicd  Ner. :  jdvan  magam  puvja  (puvjam)  tdvanmdtram  gaktim 
punjasja  abhildsham  karomi  jat  gfhiidmi,  wie  lange  ich  nach  der 
reinen  Macht  strebe,  ebenso  lange  strebe  ich  nur  nach  der  Gewalt 
über  das  Reine,  dass  ich  es  ergreife.  Tavdcd  als  Correlat  von  javat 
zu  fassen  und  es  gleich  dem  sanskritischen  tdvat  zu  nehmen,  wie 
Nerios.  thut,  streitet  ganz  gegen  die  Construction;  ebenso  wenig 
kann  tava  hier  Genitiv  des  Pronomens  der  zweiten  Person  sein,  da  die 
Zusammenstellung  tavdcd  i^dicd  nicht  wohl  begriffen  werden  könnte. 
Es  ist  hier  vielmehr  eine  erste  Person  sing,  des  Voluntativ  der  Wurzel 
tu,  können,  vermögen,  die  sich  in  dem  Baktrischen  ebenso  gut 
als  im  Wedischen  findet.  Eine  Erinnerung  an  diese  richtige  Bedeu- 
tung enthält  auch  Neriosengh's  Uebersetzung,  die  hier  mehr  um- 
schreibend ist ;  denn  für  die  Worte  tdvanmdtram  ^aktim  hat  der  Grund- 

13* 


196         Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  III.    Cap.  50,  11. 

text  nur  taväcd.  —  Dem  aredat  entspricht  in  Ner.  sarupümaddti, 
eigentl.  vollkommene  Schöpfung,  wohl  so  viel  als  Vollkommenheit. 
Eine  dritte  Person  Imperf.,  wie  man  auf  den  ersten  Anblick  leicht 
vermuthet,  ist  aredat  gewiss  nicht,  sondern  das  Neutrum  des  Par- 
ticip.  praes.  der  Wurzel  ared,  gedeihen,  adverbialiter  gebraucht, 
gerade  wie  fraoret.  —  Haithjd  —  frashotemem  Ner. :  jathd  prakata- 
karmindm  jat  jo  ^bhildshaprakfshtatarah,  wie  unter  den  offenbar  han- 
delnden der  im  Verlangen  vorzüglichste ;  dieser  ist  nach  der  Glosse 
Zarathustra.  Die  Deutung  des  va^-nd  durch  ahhüdsha  ist  nicht  ganz 
richtig;  es  ist  in  der  Verbindung  mit  frashotemem  (s.  über  frasha 
zu  30,  9)  nur  Adverbium  im  Sinn  von  selbst,  gern. 


Commentar  zur  Gäthä  vohukhshathra. 


Capitel   51. 

Uiese  kleine  Sammlung  sieht  wie  ein  Nachtrag  zu  den  drei  vorher- 
gehenden grössern  Sammlungen  aus.  Die  darin  enthaltenen  Verse 
bilden  unter  sich  kein  Ganzes ;  sie  sind  aber  theilweise  wenigstens 
rücksichtlich  des  Inhalts  zusammengestellt.  Sie  hat  manche  Aehn- 
lichkeit  mit  der  alten  Cap.  31  erhaltenen  Sammlung  und  mit  Cap.  46. 
Mehrere  Verse  sind  völlig  vereinzelt,  wie  1.  2.  3.  8.  9.  10.  20.  21.  22, 
andere  hängen  nur  äusserlich  zusammen,  wie  11  — 19",  einen  wirk- 
lichen inneru  Zusammenhang  haben  aber  nur  die  v.  4  —  7. 

a)  Der  erste  Vers  scheint  eine  Art  Einleitung  zu  dem  Ganzen 
zu  sein,  ähnlich  wie  der  Anfang  des  31.  Capitels.  Es  handelt  über 
das  Wesen  und  den  Zweck  der  religiösen  Verehrung.  Diese  soll  in 
Handlungen  bestehen,  wodurch  man  sich  guten  sichern  Besitz  er- 
werben kann.  Unter  diesen  ist  zunächst  der  Ackerbau  und  dann 
der  Feuerdienst  gemeint.  Eine  solche  Glück  bringende  Handlung 
will  der  Dichter  vollziehen.  Wahrscheinlich  war  er  im  Begriff,  ein 
neues  Besitzthum,  eine  gaethä,  einzufriedigen  oder  einen  neuen 
Ackergrund  umzupflügen. 

h)  Der  zweite  Vers  enthält  eine  kurze  Bitte  an  Ahuramazda 
und  Armaiti  um  Verleihung  ihrer  Gaben  und  Güter,  worunter  wir 
die  UnsterbHchkeit  und  Vollkommenheit,  sowie  irdischen  Besitz  uns 
zu  denken  haben.  Der  Dichter  hofft  diese  Güter  durch  sein  Sinnen, 
d.  i.  durch  seine  Lieder  und  Sprüche,  denen  schon  in  den  Weden 
eine  gewisse  magische,  die  Götter  gleichsam  zwingende  Kraft  bei- 
gelegt wird,  erlangen  zu  können. 

c)  Der  dritte  Vers  ist  eine  Einleitung  zu  dem  nun  folgenden 
kleinen  Liede.  Um  die  Erde  oder  vielmehr  um  die  Erdseele  (geus 
steht  für  geus  urvci  wie  30,  2)  schaaren  sich,  d.h.  helfen  ihr  gegen 
feindliche  Angriffe,  alle  Anhänger  der  Genien  des  Lebens  und  för- 
dern alles  Gute  durch  Verkündigung  weiser  frommer  Spriiche,  denen 
der  höchste  Gott  Kraft  und  Stärke  verliehen,  sowie  durch  ihre 
frommen  Werke,  d.i.  durch  Ackerbau  und  Feuerdienst.  Hiedurch 
ist  deutlich  der  innige  Zusammenhang  der  Ahuramazdareligion  mit 
dem  Ackerbau  hervorgehoben. 


198  Hang,  die  Gdthä's  des  Zarathustra.  IV.    Cap.  51. 

dj  4  —  7  enthalten  verschiedene  Fragen  des  Landmanns  an 
Ahuramazda,  als  den  Herrn  der  Natur  und  den  Beschützer  des  Guten, 
sowie  Bestrafer  des  Bösen,  sowie  eine  Bitte  um  Verleihung  seiner 
hohen  Güter.  Wer  der  Verfasser  sei,  lässt  sich  kaum  vermuthen. 
Die  einfache  klare  Sprache  könnte  auf  Zarathustra  selbst  hinführen; 
doch  ist  schwerlich  anzunehmen ,  dass  acht  zarathustrische  Verse  von 
den  Sammlern  in  einen  blossen  Nachtrag  verwiesen  wurden.  Der 
Inhalt  im  Einzelnen  ist  folgender. 

Der  Dichter  fragt  nach  dem  f^eratus,  d.  i.  dem  Herrn  des 
irdischen  Besitzthums,  worunter  wahrscheinlich  der  Geus  urvd  oder 
Erdgeist  zu  verstehen  ist,  nach  den  Belohnungen,  welche  den  Wahr- 
haftigen zu  Theil  würden,  nach  den  Verehrern  des  Wahren,  d.  i. 
den  Anhängern  des  Ackerbaus,  nach  der  Armaiti,  der  Genie  der 
Erde^  nach  der  guten  Gesinnung,  nach  den  Reichthümern,  die  durch 
Ahuramazda  zu  ererben  sind  (4).  Solche  Fragen  richtet  der  Land- 
mann, der  mit  Fleiss  und  richtiger  Einsicht  die  Erde  bebaut,  um 
ihr  einen  Ertrag  abzugewinnen,  an  den  Herrn  des  Naturgesetzes, 
den  Inhaber  der  Wahrheit,  d.  i.  den  Ahuramazda  (5).  Von  ihm 
kann  der  Fromme  um  so  mehr  Hilfe  erwarten,  als  er  gerecht  ist; 
denn  die  guten  Gaben  verleiht  er  nur  dem,  der  zum  Schutze  des 
Guten  wirkt,  d.h.  der  die  gute  Schöpfung  fördert;  demjenigen  aber, 
der  sein  ganzes  Leben  lang  durch  nichts  das  Gute  fördert,  im  Gegen- 
theil  der  guten  Schöpfung  noch  schadet,  wird  das  Schlimmste  zu 
Theil  (6).  Nach  dieser  Schilderung  bittet  der  Dichter  den  Ahura- 
mazda als  Herrn  und  Bildner  der  Erde,  der  Wasser  und  der  Bäume 
um  jene  beiden  guten,  oft  genannten  Kräfte,  die  Unsterblichkeit 
und  Vollkommenheit,  und  preist  dieselben  (7). 

d)  Die  Verse  8  — 10  stehen  weder  mit  dem  Vorhergehenden, 
noch  mit  dem  Nachfolgenden,  noch  unter  sich  selbst  in  irgend  wel- 
chem deutlichen  Zusammenhang.  Sie  scheinen  mehr  zufällig  hieher 
gekommen  zu  sein.  Der  achte  Vers  erinnert  theils  an  43,  8,  theils 
an  31,  7.  Der  Dichter  will  das  Lob  Ahuramazda' s  verkündigen,  und 
zwar  für  den  Wissenden,  d.i.  Einsichtigen,  Verständigen,  den  An- 
hänger des  wahren  Glaubens,  im  Gegensatz  zu  dem  Unwissenden 
oder  Götzendiener.  Er  ist  überzeugt,  dass  er -gerade  durch  Ver- 
kündigung der  alten  überlieferten  Sprüche,  die  nur  durch  Mitthei- 
lung an  die  Einsichtigen  und  Verständigen,  die  ihren  hohen  Werth 
zu  schätzen  wissen,  bewahrt  werden  können,  zum  Unheil  und  Ver- 
derben der  Lügner,  dagegen  aber  zum  Heil  und  Segen  der  Wahr- 
haftigen wirken  könne  (vgl.  30,  11).  —  Der  neunte  Vers  ist,  ob- 
schon  eines  ganz  andern  Inhalts,  hier  wohl  desswegen  angeschlossen, 
weil  in  ihm  ebenfalls  die  Absicht,  den  Lügnern  zu  schaden,  den 
Wahrhaftigen  aber  zu  nützen,  ausgesprochen  ist.  Der  Hauptinhalt 
bezieht  sich  auf  das  in  den  Reibhölzern  ruhende  heilige  Feuer  (wie 
31,  3),  welches  die  Kraft  hat,  die  beiden  Leben,  das  leibliche  wie 
das  geistige,  zu  stärken,  das  leibliche  als  erwärmendes  und  be- 
lebendes Element,  das  geistige  als  Licht  der  Einsicht.  —   Die  Be- 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathmtra.  IV.    Cap.  51.  199 

Ziehung  des  zehnten  Verses  ist  dunkel.  Der  Dichter  scheint  an  einer 
heiligen  Stelle,  wahrscheinlich  vor  dem  Feueraltar,  zu  stehen  und 
fürchtet  von  seinen  Feinden  von  derselben  vertrieben  zu  werden. 
Er  erklärt  die,  welche  diess  wagen  wollen,  für  Urheber  des  Bösen 
und  der  bösen  Menschen,  d.  h.  für  die  verderblichsten  Feinde  des 
Guten,  weil  er  ein  Verehrer  und  Beförderer  des  Wahren  ist,  das 
dem  Ahuramazda  zugehört. 

e)  11  — 19  sind  eine  ganz  ähnliche  Zusammenstellung  von 
Versen,  die  über  Zarathustra  und  seine  ersten  Jünger  handeln,  wie 
wir  sie  46,  13  — 17  haben.  An  beiden  Orten  sind  Kavd  Vistd^pa, 
Frashaostra  und  die  Gdmä^pas  als  Anhänger  Zarathustra's  bezeich- 
net; die  Hecat-agpas  dagegen  kommen  nur  46,  15,  die  Maidjo- 
mdonhd's  nur  in  unserem  Capitel  vor.  Einen  innern  Zusammenhang 
haben  diese  Verse  hier  ebenso  wenig  wie  Cap.  46 ;  sie  sind  aus  der 
rein  äusserlichen  Rücksicht,  um  Verse,  die  die  Wirksamkeit  Zara- 
thustra's und  seiner  ersten  Genossen  schildern,  beisammen  zu  haben, 
zusammengestellt.  Nur  zwei  Verse  (13.  14)  enthalten  keine  Namen, 
sondern  sind  des  Inhalts  wegen  an  Vers  12  angeschlossen,  mit  dem 
sie  ursprünglich  indess  ein  kleines  Lied  gebildet  haben  mögen.  Der 
eilfte  Vers  enthält  mehrere  Fragen,  wer  ein  Freund  und  Genosse 
Zarathustra's  sei,  wer  sich,  wie  er,  mit  dem  Wahren  unterrede, 
d.  h.  nur  das  Wahre  denke  und  spreche,  die  Armaiti,  die  Genie 
der  Erde,  hoch  halte  und  mit  gutem  Sinn  das  grosse  Werk  der 
Bekehrung  zu  fördern  suche.  —  Die  Verse  12  — 14  schildern  die 
Angriffe  der  Lügner  und  Götzendiener  auf  die  Lehre  Zarathustra's, 
aber  auch  die  Gewissheit  ihrer  Besiegung.  Sie  sind  entschieden 
nachzarathustrisch,  da  Zarathustra  nach  v.  12  bereits  als  Herr  und 
Haupt  der  Welt  und  sogar  als  Urgrund  der  ganzen  guten  Schöpfung 
erscheint.  In  ihm,  heisst  es,  sei  die  Welt  emporgewachsen,  d.  h. 
die  ganze  gute  Schöpfung  ist  durch  seine  Geisteskraft  wie  neu  ge- 
boren worden,  indem  er  durch  seine  neue  ihm  von  Gott  mitgetheilte 
Lehre  auf  das  Natur-  wie  das  Geistesleben  einen  wohlthätigen  um- 
gestaltenden Einfluss  ausübte.  Ihm,  als  dem  Herrn  der  Schöpfung, 
stehen  alle  Güter  und  Schätze  zu  Gebot,  sowohl  die,  welche  im 
Besitz  der  Genien  der  schon  gebornen  Wesen  sind,  als  die,  welche 
in  dem  der  Schutzgeister  künftiger  Generationen  sich  finden  werden. 
(Letztere  Vorstellung  von  Genien  der  gegenwärtigen  und  zukünf- 
tigen Wesen  lässt  sich  am  deutlichsten  aus  dem  an  die  Fravashi's 
gerichteten  Jescht  erkennen.)  Wenn  auch  die  Lehre  Zarathustra's 
von  den  Anhängern  und  Nachkommen  der  Götterpriester  aufs  hef- 
tigste bekämpft  wird,  so  wird  die  Religion  derselben  zuletzt  doch 
durch  die  Wirksamkeit  des  Rechtschaffenen,  des  eifrigen  Anhängers 
Ahuramazda' s,  in  ihren  schädlichen  Folgen  vernichtet.  Denn  dieser 
trachtet  stets  danach,  die  beiden  Brücken,  d.  i.  das  irdische  und 
geistige  Leben,  die  zur  wahren  Seligkeit  führen,  zu  erreichen  und 
durch  gute  Thaten  auf  die  Pfade,  die  zum  Urquell  der  wahren 
Weisheit,  dem  wahren  Wort,  selbst  führen,  zu  kommen  (13).    Ihm 


200  Hang,  die  Gäthas  des  Zarathustra.  IV.    Cap.  51. 

werden  die  heiligen  Segenssprüche  mitgetheilt ;  die  Götzenpropheten 
kommen  nicht  in  ihren  Besitz;  daher  sind  auch  ihre  Felder  wüste. 
Der  Erdgeist  verkündet  Heil  und  erwirkt  Glück  für  alle  die,  welche 
den  Sitz  der  Lüge  verdammen  und  ernstlich  bekämpfen  durch  Wort 
und  That  (14).  —  Hieran  schloss  der  Sammler  wieder  einen  Vers, 
in  dem  der  Name  Zarathustra's  wieder  erwähnt  ist.  Dieser  ist  sehr 
merkwürdig,  weil  darin  von  einem  Verhältniss  Zaruthustra's  zu  den 
Magava's,  d.  i.  den  spätem  Magern  die  Rede  ist.  Zarathustra  er- 
kannte, heisst  es,  den  Magava's,  d.  i.  den  Inhabern  des  maga  oder 
Schatzes,  worunter  heilbringende  Worte  und  Handlungen  (und  in 
weiterem  Sinn  die  ganze  zarathustrische  Religionsstiftung)  zu  ver- 
stehen sind,  einen  Lohn  zu.  Worin  derselbe  bestehen  sollte,  scheinen 
die  folgenden  Worte  anzuzeigen,  wonach  Ahuramazda  zuerst  in  den 
Garo-demäna  (die  Liederwohnung),  d.i.  den  Himmel,  gelangte  und 
die  beiden  hohen  Kräfte  der  Unsterblichkeit  mit  all  ihren  Wirkun- 
gen besitzt.  Die  höchsten  Gaben  Ahuramazda's  also,  wodurch  das 
leibliche  und  geistige  Wohl  der  Menschen  gefördert  wird,  sowie  die 
himmlische  Seligkeit  sind  der  von  Zarathustra  verheissene  Lohn  (15). — 
In  den  folgenden  Versen  (16 — 19)  sind  diese  Magava's,  die  wir  als 
die  ältesten  und  bedeutendsten  Anhänger  Zarathustra's  uns  zu  denken 
haben,  mit  Namen  aufgeführt.  Zuerst  ist  Kavd  Vtstd^pa  genannt, 
welcher  „diese  Kenntniss",  d.  i.  die  Lehre  Zarathustra's,  wie  sie  in 
den  ihm  vom  guten  Geist  eingegebenen  und  vom  höchsten  Gott 
selbst  gedichteten  Liedern  dargelegt  war,  erlangt  habe  (16).  Fra- 
shaostra,  ein  anderer  Anhänger  Zarathustra's,  will  in  das  Hochland 
(wörtl.  die  hohe  Gestalt)  der  Armaiti,  worunter  Baktrien  zu  ver- 
stehen ist  (s.  zu  44,  7)  gehen,  um  dort  den  guten  Glauben,  d.  i. 
die  Lehre  Zarathustra's,  zu  verbreiten.  Der  Dichter  bittet,  dass 
Ahuramazda  ihn  an  sein  Ziel  gelangen  lassen  solle.  Frashaostra  soll 
dort  angekommen  mit  seinen  Gefährten  die  Menschen  öffentlich  zum 
Bekenntniss  der  Wahrheit  auffordern,  d.  h.  sie  zum  wahren  Glauben 
bekehren  (17).  Die  weisen  Gdmdgpas ,  die  so  reich  und  angesehen 
sind,  haben  ebenfalls  den  zarathustrischeu  Glauben  angenommen  und 
dadurch  Glück  und  Segen  gefunden.  Um  Verleihung  dieser  Güter 
fleht  der  Dichter  den  Ahuramazda  als  sein  treuer  Alihänger  an  (18).  — 
Der  folgende  V  ers  ist  sichtlich  nur  wegen  der  zufälligen  Erwähnung 
der  beiden  Maidjo  mdonhd^  die  Anhänger  Zarathustra's  waren,  hieher- 
gesetzt, obschon  er  auf  Zarathustra  selbst  zu  gehen  scheint.  Denn 
er  ist  schon  nach  alter  Anschauung  Herr  und  Erhalter  der  irdischen 
Schöpfung;  ihm  sind  von  Ahuramazda  die  ewigen  Naturgesetze  ge- 
offenbart und  die  das  Beste  der  Wesen  fördernden  Handlungen 
mitgetheilt  (19). 

f)  Die  drei  letzten  Verse  scheinen  rein  zufällig  hieher  gekommen 
zu  sein,  da  sie  weder  unter  sich,  noch  mit  dem  Vorhergehenden 
im  geringsten  Zusammenhang  stehen.  Der  zwanzigste  enthält  eine 
Anrufung  der  Amesha  ^penta.  Nach  dem  einundzwanzigsten  ist  Ahura- 
mazda  der   Schöpfer   des  Wahren,    des    irdischen   Besitzes   und   des 


Hang,  die  Gäthd's  des  Zarathustra.  IV.    Cap.  51,  1.  2.         201 

guten  Sinnes;  seine  Gehilfin  ist  die  Armaiti,  die  Genie  der  Erde. 
Der  Sinn  ist:  der  walire  Glaube  ist  unzertrennlich  mit  dem  Acker- 
bau verknüpft,  da  nur  dadurch  das  Gute  in  der  Schöpfung  gedeihen 
kann.  —  Im  zweiundzwanzigsten  ist  von  der  Verehrung  der  Fra- 
vaschi's  der  Dahingeschiedenen  ilnd  der  Lebenden  die  Rede.  Der 
Dichter  will  sie  mit  Namen  anrufen  (was  auch  im  Fravardin-Jescht 
geschieht)  und  ihr  Lobpreiser  sein. 

V.  1.  Vohü  —  aibi-bairistem  Ner. :  utta?nasvdmikdmme  vibhütiiu 
uparivarshdmi ;  kila  vibhütim  tasmdi  daddmi  jo  rdgnah  gubham  vdmccha- 
jet.  Dem  vainm  (kdmine)  ist  die  Bedeutung  wünschend,  verlan- 
gend beigelegt.  Aber  diese  Bedeutung  giebt  weder  hier  noch  34,  14 
und  43,  13  einen  genügenden  Sinn.  Ebenso  wenig  ist  die  Verbin- 
dung Neriosengh's  „der  dem  Herrn  das  Beste  wünschende"  zulässig, 
da  vohu-khshathrem  nicht  von  vainm  abhängig  sein  kann,  sondern 
letzteres  ihm  einfach  coordinirt  ist.  Am  besten  nimmt  man  es  wie 
34,  14  als  Schutz,  Hilfe,  eigentl.  etwas  schützendes.  Ueber 
bdgem  s.  das  Gl. ;  es  ist  von  aibi-bairistem  abhängig.  Letzteres  ist 
kein  Verbum,  wie  Ner.  annimmt,  sondern  ein  aus  der  Verbalwurzel 
nach  wedischer  Art  gebildeter  Superlativ  von  bare,  bringen;  man 
vgl.  Jt.  12,  7  rashnvö  arethamat  bairista,  die  am  meisten  Gedeihen 
bringende  Gerechtigkeit.  An  eine  Zusammenstellung  mit  bdrdn, 
Regen,  und  somit  an  eine  Ableitung  von  vfsh^  regnen,  was  Ner. 
vorschwebte,  ist  nicht  im  entferntesten  zu  denken.  Die  Präposition 
aibi  verstärkt  und  verallgemeinert  den  Begriff:  ringsum.  —  Vi- 
dushemndis  —  caraiti  Ner. :  jad  ddtim  vfddhim  satjena  atniardle  karomi; 
kila  ddtim  satje  ja  dijate  jad  mamishjdminah  [?]  ^iibham  abhipsajat 
Für  vtdushemndi,  wie  West,  nach  K.  5  corrigirt,  ist  mit  der  über- 
wiegenden Mehrzahl  der  Handschriften  vidashemndis  zu  lesen,  da 
sich  das  Wort  auf  skjaothandis  im  dritten  Gliede  beziehen  muss. 
Ueber  die  Bildung  s.   die  Grammat. 

V.  2.  Jecd  (Ner.  kuru)  ist  hier,  wie  30,  1,  erste  Person  Con- 
junctivi  von  jac  (s.  zu  30,  1).  —  Taibjdcd  —  khshathrem  Ner.:  jat  te 
suvjdpdram  pHhivjdm  sampürnamanasd  karomi  dehi  mahjam  vdmcchitam 
rdgjam.  Dois  ist  durch  dehi  übersetzt  und  somit  von  da,  geben, 
abgeleitet,  Obschon  diess  eine  zweite  Person  sing,  einer  Conjunctiv- 
Optativform,  ganz  entsprechend  dem  lateinischen  des,  sein  könnte, 
und  die  Bedeutung  „gieb"  zudem  recht  gut  zu  dem  Zusammen- 
hang des  Satzes  stimmen  würde,  so  müssen  wir  diese  Herleitung 
dennoch  entschieden  verwerfen,  da  sich  derartige  Bildungen  von  dd 
im  Baktrischen  nicht  nachweisen  lassen ;  der  Optativ  lautet  sonst 
ddjdo,  ddjdt  ohne  Contraction.  Wir  müssen  dois  auf  die  Wurzel  dt, 
sehen  und  nachdenken,  zurückführen.  Als  Verbalform  könnte 
es  nur  eine  zweite  Person  sing,  aoristi  sein;  aber  der  Sinn  „du 
mögest  sehen  oder  nachdenken"  empfiehlt  sich  wenig  dem  Zusam- 
menhang.     Allein    wir   können    des    Verbums   im    zweiten   Versglied 


202      Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IV.   Cap.  51,  2.  3.  4. 

ganz  entrathen,  da  däidt  im  dritten  darauf  zurückbezogen  werden 
kann.  Ich  halte  es  fiir  einen  Genitiv  des  aus  den  Weden  hin- 
reichend bekannten  Substantivs  dhih,  Andacht,  Nachdenken,  dem 
wir  auch  im  Baktrischen  in  dem  Namen  De-gdmd^pa  (s.  zu  v.  17) 
begegnen.  Es  steht  entweder  dem  istois  ganz  parallel  und  ist  wie 
dieses  von  khshathrem  abhängig,  oder  es  bildet  mit  d  eine  adver- 
biale Redeweise.  Letztere  Fassung  ist  die  wahrscheinlichste  „durch 
Nachdenken '^  Der  Ausdruck  bezieht  sich  auf  das  Dichten  der  daind*s 
oder  heiligen  Aussprüche,  deren  Kräftigung  gerade  der  Armaiti  zu- 
geschrieben wird,  vgl.  33,  13. —  Khshmdkem  —  ^avanho  Ner. :  toam 
Bahmanasja  uttamasja  manaso  dehi  Idhham. 

V.  3.  A  —  ^drente  Ner.:  jaA  te  ajam  Idbhah  sarve  pracaranti 
^ubhena  karmatid  adhipatjam  bhavet;  kila  aham  pdpasja  punjasja  lekhja- 
kam  karomi.  Diese  üebersetzung  scheint  ziemlich  frei  gegen  die 
sonstige  Regel.  Die  Lesarten  der  Mss.  schwanken  bei  den  ersten 
Worten;  das  Richtige  lässt  sich  leicht  herstellen  und  ist  bereits  von 
West,  geschehen,  dem  ich  folge.  Nerios.  scheint  indess  eine  ganz 
andere  Lesart  als  die  von  West,  notirten  unbedeutenden  Varianten 
vor  Augen  gehabt  zu  haben.  Merkwürdig  ist  es,  dass  das  sonst 
so  bekannte  Wort  geus  gar  nicht  übersetzt  ist;  statt  seiner  scheint 
Ner.  ^avo  =  Idbhah  gelesen  zu  haben.  Sarve  soll  dem  hem  ent- 
sprechen, wofür  Ner.  wohl  Ama  las,  wie  auch  einige  Mss.  (s.  K.  4) 
thun,  und  dieses  mit  dem  neupersischen  ham,  alles,  ganz,  identi- 
fizirte.  Dem  ^drente  ist  die  Bedeutung  „die  Oberherrschaft  haben" 
beigelegt ;  diese  stützt  sich  aber  auf  die  ganz  falsche  Ableitung  von 
^ara  =  neupers.  sar,  Haupt,  und  giebt  zudem  keinen  erträglichen 
Sinn.  Wir  müssen  bei  der  Bedeutung  schützen,  schirmen  (s.  zu 
32,  2  u.  das  Gl.)  bleiben.  —  Ahuro  —  mananho  Ner.:  svdmin  pa- 
risphutam  jad  jushmdkam  gihvdjd  vacandni  xMamena  manasd  gdndmi. 
Für  den  Nomin.  ahuro  scheint  Ner.  den  Vocativ  ahurd  gelesen  zu 
haben,  und  ich  glaube,  mit  einigem  Recht;  denn  der  Nominativ 
lässt  sich  nicht  gut  construiren.  Da  die  Mss.  nur  den  Nominativ 
bieten,  so  müssen  wir  ihn  wohl  beibehalten.  Die  nächste  Aushilfe  ist, 
ahuro  mit  ashd  zu  einem  Compositum  zu  verbinden ;  als  erstes  Glied 
eines  Compositums  kann  ahura  die  Endung  ö  haben.  —  Jaeshäm —  ahi 
Ner. :  teshdm  tvam  svdmin  ptirvam  prakrshtam  ddtiiii  pfthak  karoti. 

V.  4.  Kuthrd  —  akhstat  Ner.:  katham  sampurnam  adhipatjam 
dtnivdhikdh  samti;  [katham  adhipatjam  sampurnasthdne  kftam  jat  sarve 
samdracand\e\  pracaranti;  katham  adhipatjam  sampurnasthdne  akarot; 
katham  ajam  prasddah  svargasthdne  asti\  Für  mizdakd,  wie  ich  mit 
K.  5  schreibe,  schreibt  West,  merezdikdi  nach  K.  4.  P.  6.  Vor  allem 
ist  der  Dativ  auffallend,  da  er  nach  dem  ganzen  Parallelismus  des 
Verses  hier  unpassend  ist;  denn  die  andern  Glieder  haben  nach  dem 
fragenden  kuthrd  einen  Nominativ.  Auch  der  sich  ergebende  Sinn 
wäre  nicht  passend.    Bleibt  man  nämlich  bei  der  Lesung  merezdikdi, 


Haag,  die  Gdthd's  des  Zarathiistra.  IV.   Cap.  51,  4.  5.  6.     203 

so  müsste  man,  da  merezdika  Freude,  Vergnügen  (Jt.  10,  5. 
vgl.  die  Note  zu  marezddtä  33,  11)  heisst,  übersetzen:  wo  ist  es 
zum  Vergnügen  da?  was  schlecht  zu  dem  ersten  Gliede:  wo  ist  das 
höchste  Gedeihen  vorhanden?  (eigentl.  des  Reichthums  Gesetz)  stim- 
men würde.  Beachten  wir  den  unleugbaren  Parallelismus  dieser 
beiden  ersten  Sätze,  so  entspricht  dem  drois  d,  in  Bereitschaft, 
vorhanden,  das  akhstat,  es  ist  da,  im  zweiten;  dem  fgeratus  muss 
dann  merezdakd  oder  mizdakd  entsprechen.  Mizdakd,  das  sonst  nicht 
weiter  vorkommt,  lässt  sich  leicht  als  eine  Ableitung  von  mizda, 
Lohn,  Gabe,  das  sich  auch  zu  mizda  verkürzen  kann  (vgl. 
Jt.  24,  30),  mittelst  des  Suffixes  ka  erklären;  es  bezeichnet  somit 
das,  was  sich  auf  den  Lohn  bezieht,  die  als  Belohnung 
gegebenen  Dinge.  Diese  Bedeutung  stimmt  gut  zu  der  von 
f^eratus,  des  Reichthums  Gesetz.  Der  Form  nach  ist  mizdakd 
einfach  der  Nominativ  plur. ,  der  aber,  wie  öfter  ashd,  als  nächste 
thematische  Form  auch  für  den  Singular  steht  (vgl.  die  Grammat.). 
Die  Lesung  merezdikdi  ist  nur  eine  Correction  des  seltenen  und  miss- 
verstandenen mizdakd;  man  setzte  ein  später  geläufiges  Wort  für 
ein  ungewöhnliches  und  ausser  Gebrauch  gekommenes.  Die  Deutung 
Neriosengh's  durch  dinivdhikdh,  die  den  Glauben  Führenden, 
lässt  sich  auf  keine  Weise  begründen.  —  Kuthrd  —  Armaitis  Ner. : 
katham  jah  prdpiioti  puiijam  jat  parisphutatn  pfthivjdm  sampürnamanasd, 
Ueber  kü  s.  das  Gl. 

V.  5.  Vigpd  —  vidat  Ner.:  sarveshdm  jad  jathd  evath,  punjam 
kathamcid  gavdm  pa^ilndni  labdhirh  samakdrjena  punjena  kurvanti.  Der 
Satz  jathd  —  vidat  giebt  den  Zweck  der  Frage  an  und  ist  nur  von 
|)eref«f  abhängig.  —  Je  —  ci^td  Ner. :  jo  ddtim  satjena  sa  gurum 
dhdrajad  ahhildsham  kurjati  (kurute);  kilajad  rdgjain  antar  (^^)  vidhatte; 
tanur  eva  ddndm  dadhjdt;  jat  tat  punjam  nirvdna[m'\;  kila  7iirvdna[in] 
kimcit  suvjdpdram  gdnijdt  Die  Deutung  des  ashivdo  durch  abhildsham. 
Verlangen,  Wunsch,  beruht  sicher  auf  einer  falschen  Etymologie. 
Der  Uebersetzer  dachte  wohl  an  die  Wurzel  ish,  wünschen,  die 
aber  keinenfalls  verglichen  werden  kann.  Es  ist  eine  einfache  Ad- 
jectivbildung  mittelst  vat  von  ashi,  Wahrheit;  Jt.  2,  5  ist  ashivat 
ein  Prädikat  des  ^raosha.  —  Ci^td,  dritte  Person  imperf.  medii  von 
cith  (s.  das  Gl.). 

V.  6.  Je  —  rddat  Ner. :  jah  uttamdndm  uttamatvam  dadhjdt  pra- 
sddamca  asja  hhildhokshildjd  [?]  dijate  svdmin,  vgl.  zu  33,  2.  Ueber 
apeme  urvae^e  s.  zu  43,  5.  —  Ahurd  —  ashjo  Ner.:  asja  7iikfshta[m] 
Aharmanasja  nikfshtatardih,  kurjati y  asja  nigraham  vidhtjate.  Die 
Deutung  des  ashjo  als  eines  Comparativs  von  aka^  schlecht,  ist 
ganz  richtig;  ich  war  indess  selbstständig  schon  vor  Einsicht  Ne- 
riosengh's auf  dieselbe  gekommen.  S.  zu  ashibjd,32y  10.  AshjS  ist 
nur  eine  weichere  Aussprache  für  askjo  =  a6j6;  das  k  wurde  wegen 
des  unmittelbar  folgenden  j  zum  Palatal. 


204        Haug,  die  Gcitkd's  des  Zarathustra.  IV.    Ca]>.  51,  8.  9. 

V.  8.  Jjat  —  dädre  Ner. :  jo  nihamtd  durgatimatdm  jad  ^ubfm 
punja[m]  dhärajet;  bhaved  jad  nirbhajena.  Das  nur  hier  vorkommende 
akojd  ist  durch  iiihamtä ,  Vernichter,  erklärt.  Aber  dem  Zusam- 
menhang nach  kann  es  kein  nomen  actoris  sein,  sondern  muss  dem 
ustd,  Heil,  Glück,  parallel  stehen  und  das  Gegentheil,  Unglück, 
Verderben,  bedeuten.  An  eine  Ableitung  von  kavi -\- a  inixat., 
wonach  es  für  akavjd  stände,  ist  nicht  zu  denken,  da  kavi  in  den 
Gdthd's  (s.  zu  32;,  14)  die  schlimme  Bedeutung  von  Götzen priester, 
Lügner  hat,  das  Wort  mit  dem  a  privat,  also  nur  die  Bedeutung 
„nicht  götzendienerisch"  haben  könnte ;,  die  aber  dem  Zusammen- 
hange widerspricht.  Das  in  den  Jeschts  häufig  vorkommende  kaojäm 
ist  nur  Genitiv  plur.  von  kavi  und  hat  eine  schlimme  Bedeutung. 
Wir  müssen  akojd  von  aka,  schlecht,  ableiten.  Die  Form  macht 
Schwierigkeit;  zunächst  ist  man  versucht,  sie  für  eine  durch  das 
Suffix  ja  vermittelte  adjectivische  Weiterbildung  zu  halten,  aber 
dann  sollte  man  nicht  akojd,  sondern  akja  erwarten.  Der  Umstand, 
dass  der  Hauptsatz  unseres  Gliedes  kein  Verbum  hat,  bestimmte 
mich,  in  dem  akojd  eine  Denominativbildung  zu  sehen,  und  die 
nähere  Betrachtung  der  ganz  analogen  Formen  qdthrojd  43,  2  und 
i^ojd  43,  8  bestätigt  diese  Meinung.  Es  ist  entweder  eine  zweite 
Person  Imperativi  sing,  oder  eine  erste  Conjunctivi  sing.  Hier  und 
43,  8  ist  letzere  Fassung  vorzuziehen.  Sonach  heisst  es:  ich  will 
schlimm  sein  für  den  Lügner,  d.  i.  ihm  Schaden  zufügen.  Man 
vgl.  47,  4  hd^  ako  dregvdite,  wo  das  Denominativ  aufgelöst  ist.  — 
Skjdto,  Part,  pass.,  jedoch  mit  activer  Bedeutung,  wie  varetu  45,  1 
von  ski,  skjd  (s.  zu  44,  9),  bergen,  schützen. 

V.  9.  Ajanhd  —  ddvoi  Ner. :  anupakdrindm  ni^cdjaii  upari  ubhajor 
bhuvanajor  drddhanam  dehi  jat  tad  gdtham  tanolr]  akshajat.  Ueber 
ajanhd  s.  zu  30,  7.  Khshu^td  ist  durch  nigcdjan  fnigcajanj,  be- 
schliessend,  gewiss  wissend,  wiedergegeben,  was  aber  hier 
weder  einen  Sinn  giebt,  noch  sich  etymologisch  begründen  lässt. 
Man  kann  das  Wort  nur  auf  eine  Wurzel  khshud  oder  khshtit,  khshutli 
zurückführen,  und  einer  solchen  begegnen  wir  sowohl  im  Sanskrit 
als  im  Baktrischen.  Das  Sanskrit  bietet  kshud,  bewegen,  schüt- 
teln, zerstossen,  wovon  kshudra,  klein;  kshodas  ist  im  Weda 
Wasser,  Strom,  Fluss,  von  der  Bewegung  so  genannt.  In  dem- 
selben Sinn  treffen  wir  auch  khshaodanha  (Instr.)  Jt.  10,  14;  das 
Verbum  khshaothat  (dritte  Person  imperf.)  Jt.  8,  6.  37  heisst  deut- 
lich flies sen,  strömen.  Von  dieser  Wurzel  khshuth  oder  khshud 
nun  ist  khshu^tä  (instr.)  das  Part,  pass.,  hat  aber  wie  vareta  45,  1 
activen  Sinn  und  eine  figürliche  Bedeutung  „in  fiiessender  Zeit", 
d.  i.  im  Verfluss,  im  Verlauf  der  Zeit.  —  Ahvdhü  ist  kein  einfacher 
Locativ  des  plur.,  sondern  ein  von  dem  Genit.  dual,  ahvdo  durch 
Anhängung  der  pluralen  Locativendung  Am  gebildeter  Locativ  dualis 
von  ahu,  Leben.  Gegen  die  plurale  Fassung  spricht  das  lange  d; 
man  müsste  einen  Singular  ahvd   zu  Grunde   legen,    der  aber  nicht 


n 


Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.  IV.    Cap.  51 ,  9.  10. 11.  12.     205 

existirt.  —  ^avajo,  Accus,  eines  Thema's  gavajanh,  steht  für  fa- 
vajanh4,  wie  wir  rdshajanhe  in  demselben  Versgliede  haben.  49,  3 
steht  an  seiner  Stelle  der  Inf.  ^üidjdi,  30,  11   das  Subst.  ^avä. 

V.  10.  Marelihskaite  lässt  sich  nicht  wohl  von  merenc,  tödten 
(Causat.  von  mere,  sterben),  ableiten,  da  „wer  mich  anders  tiidtet, 
als  dieser"  einen  schlechten  Sinn  geben  würde.  Es  ist  wohl  auf 
die  Wurzel  marez,  wegtreiben,  z=z  mrg  zurückzuführen  und  davon 
eine  Desiderativbildimg  mit  Wegfall  der  Verdoppelung.  —  Hunusta  ist 
von  Ner,  nur  umschrieben,  nicht  erklärt.  Dieses  oltz.  Xsy.  ist  man  zu- 
nächst mit  hunavo  (nom.  plur.),  das  Jt.  5,  54.  57.  10,  113.  19,  41  als 
Name  feindlicher  oder  dämonischer  Wesen  vorkommt,  zu  vergleichen 
geneigt.  Da  diesem  Plural  ein  Singular  hwtit  entsprechen  muss,  so 
könnte  hunusta  ein  Superlativ  davon  sein;  aber  da  hvo  =  eben  der 
vorhergeht  und  hunusta  darauf  bezogen  werden  muss,  so  sollten 
wir  hunusto  haben.  Aus  diesem  Grunde  kann  diese  Ableitung  nicht 
richtig  sein.  Mit  hunn,  auspressen  (vom  Soma),  lässt  sich  eben- 
falls wenig  anfangen.  Die  einzig  richtige  Ableitung  scheint  mir  die 
von  hunare  =  neupers.  hunar,  Kunst,  Geschick,  List,  zu  sein; 
tä  (Thema  tar)  ist  das  nomina  actoris  bildende  Suffix,  so  dass  hu- 
nusta der  Künstler,  Schöj)fer  heisst.  Ueber  die  Veränderung  der 
Endung  ar  in  us  {hunusta  steht  für  hunarta)  s.  Zeitschr.  der  D.  Mor- 
genland. Gesellsch.,  Bd.  IX,  p.  693,  u.  die  Gramraat.  —  Zu  dem 
Instrumental,  fem.  sing,  vohiijä  des  Adject.  vohu  ist  aus  dem  vorher- 
gehenden GHede  dämi,  Schöpfung,  zu  ergänzen,  —  Zu  gat 
vgl.  43,  1. 

V.  11.  Nd  ist  mit  ke  zu  verbinden  und  steht  gleich  ka^nd 
44,  3,  welcher  Mann  z=:  wer?  —  Ke  —  Armaitis  Ner.:  kas  te  puitja- 
sarvam  apracchat;  kila  jat  satjatajd  sampurnamanasd  sarvam  apracchat. 
Afrastd  lässt  sich  als  nomen  actoris  und  als  dritte  Person  imperf. 
sing,  medü  der  Wurzel  pere<^,  fragen,  erklären;  die  Vergleichung 
von  hem-frastd  47,  3  und  frastä  49,  2  spricht  für  letztere  Fassung. 
Nach  diesen  Stellen  muss  ashd  der  Instrumental  sein.  Dem  Sinne 
nach  ist  es  so  viel  als  sich  befragen  mit,  —  Ke  —  ereshvo  Ner.: 
ko  jushmdkam  uttamam  mano  nirvdne  samaje  kimcit  suvjdpdram  gdndti 
jad  uttamatvena  satjatajd  nirmalatajd  gdndti. 

V.  12.  N/iit  —  zem6  Ner.:  na  tad  jad  lobhjam  gdnanti  aiTitardlt 
dsit  kdlasja  svddjavastramca.  Die  Deutung  des  khshndus  durch  lobhjam 
gdnantiy  sie  halten  für  begehrenswerth,  beruht  auf  falscher  Etymo- 
logie, wie  auf  Unkenntniss  der  Grammatik.  Dass  khshndns  aber  ein 
Nom.  sing,  von  khshnu  ist,  s.  zu  46,  1.  —  Vaepajö  lässt  der  Form 
nach  mehrere  Deutungen  zu,  einmal  als  Nom.  plur.  eines  Thema's 
vaepi,  dann  als  zweite  Person  imperf.  sing.  Caus.  der  Wurzel  vip, 
säen,  =  skr.  vap,  Vend.  8,  26  Saamen  lassen.  Die  zweite  Fas- 
sung stimmt  nicht  zu  dem  Zusammenhang,  da  eine  zweite  Person  sing. 


206      Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IV.   Cap.  51,  12.  13. 

hier  keine  Stelle  hat.  Wir  müssen  uns  an  die  erste  halten.  Den 
Nom.  plur.  vaepaju  finden  wir  auch  sonst  wie  Vend.  8,  32  arsha- 
vaepajo,  Männerbesaamungen,  d.  i.  Päderastie,  vgl.  Vend.  1,  12 
narö-vaepaja.  Hier  kann  es  diese  Bedeutung  nicht  haben,  sondern 
wir  müssen  ihm  die  Bedeutung  Sprösslinge,  Nachkommen  geben. 
Kevhw  ist  Genit.  sing,  eines  Thema's  kevin,  d.  i.  einer,  der  zum 
kevi  oder  dem  kevi  gehört.  Es  steht  für  kavin,  man  vgl.  kevitäo  für 
kavitdo  32,  15.  Hierunter  sind  die  Anhänger  der  Kavi's,  der  Götzen- 
priester, gemeint.  Pereto,  Gen.  sing,  von  peret  =  pH,  feindlich, 
zerstörend,  s.  zu  peshjeAnti  44,  20.  Die  Structur  des  Satzes  an- 
langend, so  steht  noit  td  im  khshndus  absolut  voran:  nicht  ist  also 
ein  Verehrender,  d.  i.  Niemand  verehrt;  die  folgenden  Worte  vaS- 
pajo  —  zemo  enthalten  eine  nähere  Bestimmung  derer,  welche  nicht 
(den  Zarathustra)  verehren.  —  Jjat  —  vdzd  Ner. :  ajam  me  gdtigite 
kdle  pracarati  mitratdm.  Dem  aoderes,  welches  nur  Genit.  sing,  eines 
Thema's  aodar  sein  kann,  scheint  in  der  Uebersetzung  ^dti,  Ge- 
burt, zu  entsprechen.  Die  Ableitung  führt  auf  das  sanskritische 
üdhar,  Euter.  Hiezu  stimmt  auch  das  folgende  Adjectiv  zoishenu, 
das  von  der  Wurzel  zish==.gish,  ausgiessen,  ausfliessen,  sich 
ableitet,  aber  nicht  die  schlimme  Bedeutung  des  derselben  Wurzel 
entstammenden  Superlativs  zoizdista,  hässlich,  garstig  (eigentlich 
am  stärksten  ausfliessend  von  Eiter  und  andern  unreinen  Flüs- 
sigkeiten), angenommen  hat;  wir  dürfen  ihm  die  von  ausströmend 
beilegen.  Den  Casus  anlangend,  so  ist  es  Nom.  plur.  neutr.  einer 
Adjectivbildung  zoishenu  und  bezieht  sich  auf  vdzd  (nom.  plur.  neutr.) 
=  skr.  väga,  Speise,  Kraft. 

V.  13.  Td  —  hdithim  Ner. :  ubhajor  bhuvanajor  durgatigdminah 
gandndm  asti  dininirmalatd  prakatatd  bhavishjati.  Warum  das  Verbum 
maredaiti  durch  gaiia,  Schaar,  wiedergegeben  ist,  lässt  sich  schwer 
sagen.  Wir  müssen  es  entweder  mit  dem  sanskritischen  mrd  (für 
mard),  erheitern,  erfreuen,  identificiren  oder  als  eine  causale 
Erweiterung  der  Wurzel  mare^  sterben,  also  tödten,  fassen,  wo- 
zu das  Substantiv  maredhd,  Mord,  Vend.  1,  6  sehr  gut  stimmt.  Hier 
passt  nur  die  letztere  Bedeutung,  da  der  Sinn  unmöglich  der  sein 
könnte:  die  Lehre  des  Lügners  erfreut  das  Wesen  des 
Rechtschaffenen;  es  muss  heissen:  die  Lehre  des  Lügners  ver- 
nichtet das  Wesen  des  Rechtschaffenen.  —  Jehjd  —  dkdo  Ner. :  ete- 
shdm  dtmd  pdtajati  Cinüadandm-parisphutatn.  Vgl.  46,  11,  wo  aber 
für  khraodat  von  den  besten  Handschriften  khraozdat  gelesen  wird, 
welches  an  unserer  Stelle  keine  einzige  zeigt.  Da  sonst  weder  ein 
Verbum  khraod,  noch  khraozd  sich  findet,  so  ist  es  eigentlich  schwer 
zu  entscheiden,  welche  Lesart  die  richtige  ist.  Der  öfter  vorkom- 
mende Superlativ  khraozdista,  am  gewaltigsten,  stärksten,  weist 
auf  einen  Positiv  khraozda,  der  sowohl  auf  eine  Wurzel  khraod,  als 
khraozd  zurückgeführt  werden  kann;  jedenfalls  aber  ist  khraod,  das 
vollkommen  dem  skr.  krudh,  zürnen,  entspricht,   die  ursprüngliche 


Haugf  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  IV.   Cap.  51,  13.  14.      207 

Form.  Ich  möchte  mich  an  beiden  Stellen  für  die  Lesung  khraod 
entscheiden.  Die  sanskritische  Bedeutung  zürnen  können  wir  ihm 
aber  weder  hier,  noch  46,  11  beilegen.  Es  hat  an  beiden  Stellen 
ein  Object  nach  sich,  46,  11  einen  Accusativ  (jeng),  hier  einen  Ge- 
nitiv, peretdo.  Denn  nur  als  Genit.  dual,  lässt  sich  letzteres  fassen, 
indem  es  aus  jyeietvdo  (von  peretiC)  ebenso  verkürzt  ist,  wie  khratdo 
48,  4  aus  khratvdo  (von  khratu).  Die  von  Nerios.  ihm  hier  gegebene 
Bedeutung  von  stürzen  ist  nicht  ganz  unpassend;  richtiger  und 
besser  zu  46,  11,  wo  es  einen  antreiben,  anreizen  bedeutet, 
stimmend  ist  die  von  losstürmen  gegen,  auf.  Die  Seele,  des 
Frevlers  stürmt  los  auf  die  beiden  Cmvaibrücken  (s.  die  speziale 
Einleitung),  um  sie  zu  zerstören.  Ueber  dkdo  s.  T,  p.  198.  — 
Qdis  —  pathu  Ner. :  jad  eteshdm  svtjate  karmano  gihvd  vind^ajate 
[punjasja  pamthdndm  suvjdpdra^ca  vindgitd].  Hizva^cd-ashahjd  ist 
eigentlich  ein  Compositum,  an  dessen  erstes  Glied  das  ca,  und, 
statt,  wie  zu  erwarten,  an  sein  letztes,  gehängt  ist.  Hizvag  =:  hizvo 
lässt  sich  nur  als  erster  Theil  eines  Compositums  fassen  und  nicht 
als  irgend  ein  Casus  von  hizvd,  Zunge,  erklären;  man  vgl.  hizvo-vago 
31,  19,  hizvu-raithim  50,  6;  es  steht  für  hizvo-ashahjaca  und  heisst 
eigentlich  Zungenwahrheit,  d.  i.  die  Wahrheit,  welche  laut  und  öf- 
fentlich verkündet  wird.  Nd^do  ein  partic.  praes.  der  Wurzel  nd^, 
erlangen  =  nanciscor,  vgl.  nd^at  v.  16.  An  na^ ,  untergehen, 
vernichten  ist  nicht  zu  denken,  wie  Ner.  thut,  da  hiedurch  ein 
ganz  falscher  Sinn  entstehen  würde. 

V.  14.  Nöit  —  arem  Ner.:  7ia  mitrasja  datvam  d^rotasja  kdrjam 
sampürnam  kftam  [kila  kimcit  savjdpdram  abhipsitam  sampurnani  ni- 
krtam].  Urvdthd,  wofür  richtiger  tirvdtd  geschrieben  wird,  wird  von 
Ner.  als  gleichbedeutend  mit  urvatha,  Freund,  genommen,  was  aber 
keineswegs  der  Fall  ist;  denn  letzteres  ist  ein  Masculiuum,  wogegen 
urvdthd  nur  ein  Neutrum  (nom.  plur.)  sein  kann,  und  hat  stets  ein 
kurzes  a  in  der  vorletzten  Sylbe;  ausserdem  würde  diese  Bedeutung 
hier  auch  keinen  Sinn  geben.  Wir  müssen  es  als  gleichbedeutend 
mit  urvdtd  (s.  zu  31,  1),  die  Aussprüche,  nehmen.  Karapam 
kann  hier  nur  Genit.  sing,  von  karapan,  Götterpriester,  nicht 
Nom,  plur.  sein,  wie  46,  11.  Als  solchen  fasst  es  auch  Neriosengh. 
Vd^trdt  ist  von  ddt6ibja(;:cd  abhängig.  Ueber  arem  s.  T,  p.  222  fg.  — 
Gavoi  —  ^enhdiscd  Ner.  :  gavdm  pa^ü?idm  sampurnamanasd  ^ikhjdpa- 
janti  [nirvdnanihanti]  jat  svijdt  karmanah  ^ikhjdpajanti  [pagcdd  avjd- 
pdram  kurvanti].  Für  ^endd,  das  mit  dem  gleichen  Worte  wie  ^enha 
übersetzt  ist,  scheint  Neriosengh  ebenfalls  ^enha  gelesen  zu  haben, 
welche  Lesung  aber  sicher  irrig  ist.  Es  ist  wohl  nur  ein  reines 
Missverständniss  des  Uebersetzers,  der  mit  dem  seltenen  ^efidd  nichts 
anzufangen  wusste.  Der  Abstammung  wie  der  Bedeutung  nach  ist 
es  aber  von  ^enha  (W.  fenÄ  =  fa?Ä*,  loben,  preisen),  Wort, 
Lob,  völhg  verschieden;  denn  es  ist  aus  ^bti -{-dd  zusammengesetzt; 
few   entspricht  völlig  dem  wedischen  ^am,    am   bekanntesten    in    der 


208      Hang,  die  Gathas  des  Zarathustra.  IV.    Cap.  51,  14.  15.  16. 

Formel  gam  Jos  (s.  darüber  Zeitschr.  der  D.  M.  G.  VIII,  p.  742), 
Heil,  Glück,  so  dass  gendd  nur  Glück  bringend  bedeutet. 
J.  38,  5  ist  es  Prädikat  der  „Mütter"  (gefiddo  mätaro).  Gramma- 
tisch bezieht  sich  hier  gendä  auf  urvdtd  zurück.  —  Je  —  ddt  Ner. : 
jat  te  pkhjdpajanti  teshdm  nirvdne  drugasja  samdsatram  ddadäti  [dt- 
mane  sv^jam]. 

V.  15.  Jjat  —  pard  Ner.:  jat  prasddam  kuru  Garathustro  [^hajn 
bhavami]  svargalokam  dsvddajdmi  drgatuljapunjam.  Auffallend  ist  die 
Uebersetzung  des  Dat.  plur.  magavabju  durch  svargaloka,  Himmels- 
welt,  Paradies,  während  wir  doch  deutlich  darunter  Personen, 
die  magava's  (die  spätem  Mager),  zu  verstehen  haben.  Der  Ueber- 
setzer  wurde  wohl  durch  das  im  folgenden  Gliede  vorkommende 
garo  demdna  (^Gorotmdn,  Paradies)  hiezu  verleitet.  Zu  coist  vgl. 
50,  3.  —  Td  —  civtshi  Ner.:  jat  te  uttamasja  manasqh  punjasja 
Idbham  dsvddajdmi  [kila  Idbhaiu  jat  savjdpdram  kuru].  Civishi  ver- 
wechselt Ner.  mit  coist  oder  leitet  es  wenigstens  von  derselben  Wurzel 
ab,  da  er  beide  gleichmässig  durch  ich  lasse  geniessen  wieder- 
giebt.  Diese  Identifikation  ist  aber  nicht  möglich,  da  6i  nie  aus 
Uj  V,  sondern  nur  aus  a  ~\- i  entsteht.  Der  grossen  Aehnlichkeit 
wegen  mit  tevishi  kann  man  es  für  eine  Verschreibung  statt  dieses 
häufiger  vorkommenden  Wortes  oder  wenigstens  für  die  gleiche  Form 
(Nom.  Acc.  dual.)  halten,  und  diese  Annahme  gewinnt  dadurch  an 
Bestand,  dass  civishi  weder  als  Verbum,  noch  als  Nomen  gut  er- 
klärt vk^erden  könnte.  Man  müsste  es  auf  die  Wurzel  cju  (wovon 
cevista  34,  13  s.  die  Note),  fliessen,  strömen,  gehen,  zurück- 
führen, und  es  entweder  als  eine  zweite  Person  sing.  Optativi 
oder  als  einen  Nom.  Accus,  dual,  eines  Thema's  civis  fassen,  was 
beides  unwahrscheinlich  ist;  denn  die  zweite  Person  sing,  optativi, 
die  überdiess  civtshd  lauten  (vgl.  khslmvishd)  sollte,  gäbe  gar  keinen 
passenden  Sinn,  da  die  angeredete  Person  hier  nicht  zu  bestimmen 
wäre  —  denn  Ähuramazda,  auf  den  das  im  Sätzchen  Ausgesagte 
allein  passen  würde,  kann  sie  nicht  sein,  ebenso  wenig  Zarathustra  — 
und  der  Nominat.  dual.:  die  beiden  Gänge  würde  zu  sonderbar 
lauten  und  wäre  kaum  zu  erklären.  Liest  man  dagegen  tevishi,  so 
erklärte  sich  alles  einfach;  die  „beiden  Kräfte"  sind  die  haurvatdt 
und  ameretdt;  hiezu  stimmt  alles  sehr  gut.  Die  Verschreibung  ist 
bei  der  graphischen  Aehnlichkeit  des  c  mit  t  leicht  erklärhch. 

V.  16.  Täm  —  nä(^at  Ner.:  kai  Gustdspd  nirmolo  rdgd  jogja- 
tarah.  Ndgat,  das  nur  eine  dritte  Person  sing,  imperf.  activ.  der 
Wurzel  nag  (s.  zu  nägvdo  v.  13)  sein  kann,  giebt  Ner.  durch  ein 
Adjectiv:  jogjatarah,  sehr  gewandt,  geschickt,  welche  Deutung 
indess  völlig  irrig  ist.  Ebenso  ist  die  Uebersetzung  des  magahjd 
durch  nirmala,  fleckenlos,  kaum  zu  begreifen.  —  Vaiiheus  —  mantd 
Ner. :  uttamena  manasd  tasja  suvjdpdrena  sagndh  evarh  kuru  [kila  nir- 
vanam  kimcit  suvjdpdram  evam  jathd  jugjate  gndtum].    Ueber  padebis 


Hang,  die  GdtluVs  dts  Zarathustra.  IV.    Cap.  51,  16.  17.  18-     209 

s.  zu  50,  8,  wo  es  Ner.  richtig  durch  Versfiisse  erklärt,  während 
er  es  hier  mit  gutvollbringend  wiedergiebt.  • —  Qmlto  —  ustd 
Ner. :  giirutardn  sväminah  mahägndninah  evam  ^akjate  ^ub/iam  gfidtiim. 
Der  Infinitiv  gazdjdi  (W.  ^ad,  s.  zu  30,  2)  ist  hier  durch  ^aljate, 
er  kann,  vermag,  >vicdergegeben ,  wonach  der  Uebersetzer  es  un- 
zweifelhaft mit  dem  sanskrit.  sah,  können,  zusammengebracht  hat, 
eine  Herleitung,  die  nicht  zu  billigen  ist.  Die  Wurzel  ^ad  ist  noch 
im  neupersischen  sdzad,  es  schickt  sich,  geziemt  sich,  erhalten 
(s.  I,  p.  116).  Die  Pehlewi-Uebersetzung  des  Vendidad  giebt  sie 
gewöhnlich  durch  inc:!?:?:^?:,  sinnen,  denken,  dünken  (s.  mein 
Schriftchen:  Ueber  die  Pehlewi- Sprache,  p.  14),  wieder,  aber  ich 
glaube  mit  Unrecht.  Eigentlich  identisch  mit  dem  sanskrit.  ^ad, 
fallen,  lat.  cadere,  bedeutet  es  in  der  Uebertragung  zufallen,  zu 
Theil  werden,  sich"  ereignen  und  dann  weiter  sich  schicken, 
passen.  Man  vgl.  die  Parallelstellen:  Vend.  2,  24:  idha  Jima  anuhe 
actvaite  ^adajdt  jat  idha  pageus  anumajehe  padhem  vaendite,  hier  Hess 
Jima  dem  irdischen  Leben  die  Sorge  für  einen  iiufenthalt  des  Viehs 
zu  Theil  werden.  3,32:  hdm-iirvi^donho  ^adajeiti  (ü\r  -einti),  d.i. 
es  ereignet  sich,  trifft  sich,  dass  sie  (die  Deva's)  zu  Grunde  gehen. 
18,  19:  avi  me  dzis  daevö-ddto  paroit  pairithnem  anhvdm  ava-darenän 
^adajeiti,  der  von  den  D^va's  geschaffene  Azi  will  mich  vernichten; 
eine  Zerstörung  alles  Lebens  will  er  eintreten  lassen.  Jt.  22,  7: 
thritjdo  khshapo  thraosta  vjugä  gadajeiti,  wenn  es  nach  Verfluss  der 
dritten  Nacht  helle  wird  (wörtl.  sich  ereignet  helle  zu  sein).  An 
unserer  Stelle  kann  man  ihm  füglich  ebenfalls  die  Bedeutung  zu 
Theil  werden  beilegen. 

V.  17.  Berekhdhdm  s.  zu  44,  7.  —  Daedoist  (Ner.:  gurutvam 
karttum)  ist  die  dritte  Person  sing,  imperf.  des  Desiderativs  der 
Wurzel  dt  (neupers.  didari),  sehen,  skr.  dhjdi,  denken,  also  hier: 
zu  sehen  wünschen,  wollen.  Ein  Intensivum,  woran  man  zu- 
nächst denkt,  kann  die  Form  desswegen  nicht  sein,  weil  das  s,  das 
nicht  wurzelhaft  ist,  sonst  nicht  erklärt  werden  könnte;  denn  eine 
Wurzel  dis  kennt  das  Baktrische  nicht.  —  Azdjdi  Ner. :  bhütiiTi  kuru. 
Diese  Deutung  stützt  sich  auf  die  Ableitung  von  as,  sein,  welche 
möglich,  aber  nicht  wahrscheinlich  ist;  es  wäre  dann  entweder  der 
Infinitiv  oder  der  Dativ  des  Substantivs  a^tt  (mit  Lauterweichung: 
azdi),  das  Sein;  aber  die  Ableitung  von  der  Wurzel  af,  awif,  er- 
langen, hat  weit  mehr  für  sich.  Es  ist  jedenfalls  (wegen  des  da- 
von abhängigen  Genitivs  ashahjd)  ein  Substantiv  und  identisch  mit 
dem  wedischen  ashti,  Erreichung. 

V.  18.  Tdm  —  qarendo  Ner.:  asdu  nirvdnagnah  sadgiirutvajdm 
dsja  [?]  durugavdgah  jdcajati  hastdbhjdtn  svijena  kdrjena.  —  Tat  —  tavd 
Ner. :  tat  me  dehi  svdmin  mahdgndnin  tvatri  dnandam  pracdrajitum  pra- 
sddam  kuru.  Rapen  wie  wft/t  Nom.  sing.  masc.  praesentis  act.  für 
rapjan  W.  rap  ==  mbh,  s.  I,  p.  47  fg. 
Abhandl.  der  DMG.     II,  2.  14 


210      Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathtistra.  IV.    Cap.  51,  19.  20.  22. 

V.  19.  Maidjo-mdonhd  ist  deutlich  ein  Dual,  wie  die  darauf 
sich  beziehende  Verbalform  dazde  (s.  zu  30,  4.  I,  p.  101)  beweist. 
Mit  diesem  Yerbum  bildet  es  einen  besondern  Zwischensatz.  Da 
aber  ahmdi,  diesem,  nur  auf  Mazdäo  bezogen  werden  kann,  so 
können  wir  da  nicht  in  der  Bedeutung  von  schaffen,  machen 
nehmen,  «oudern  müssen  ihm  die  von  beilegen,  zuschreiben 
geben.  Denn  die  beiden  Maidjo-mdonhd  konnten  dem  Ahuramazda 
die  Gesetze  nicht  machen,  sondern  nur  sagen,  dass  sie  von  ihm 
herrühren  und  sie  andern  verkündigen.  —  Ueber  isha^d^  s.  zu  50,  2. 

V.  20.  Jazemndonhö  —  cagedo  Ner. :  jadi  manasd  namaskrtim 
svdminah  dnande  pramodena  kurute  tat  svdmi  karoti  prasddam.  Ueber 
cagedo  s.  zu  cagvdo  46,  2. 

V.  22.  Dieser  Vers  findet  sich  mit  einigen  Abweichungen  auch 
J.  4,  26. 


Commentar  zur  Gäthä  vahistöisti, 


Capitel  53. 

Diese  letzte  und  kleinste  Sammlung,  die  wie  die  vorhergehende 
nur  als  ein  Anhang  zu  betrachten  ist^  hat  hinsichtlich  der  Sprache 
soviel  Eigenthümliches  und  von  den  übrigen  Gdthd's  Abweichendes, 
dass  wir  nicht  nur  einen  kleinen  Zeit-,  sondern  auch  einen  Orts- 
unterschied annehmen  dürfen.  So  sind  die  Formen  mebeedus ,  pithä 
sicher  Provinzialismen,  ebenso  scheint  degit  eine  örtliche  Redeweise. 
Merkwürdig  sind  namentlich  die  vorkommenden  Eigennamen,  wie 
Azus,  Vesha  und  die  Ortsnamen  Genard  und  Khrüiierd,  die  sich  sonst 
nirgends  weiter  im  Zendawesta  finden.  Auffallend  ist  auch  die  Er- 
wähnung des  Gottes  Vajuy  der  wir  nirgends  sonst  in  den  Gdthd's 
begegnen.  Dem  Inhalte  nach  lässt  sich  das  Stück  in  drei  Theile 
zerlegen:    a)  1  —  4,    bj  5,    c)  6  —  9. 

a)  1  —  4.  Diese  Verse  beziehen  sich,  wie  51,11  — 19  auf  Za- 
rathustra  und  seine  ersten  Genossen.  Merkwürdig  ist  die  Erwäh- 
nung der  Tochter  Zarathustra's,  Pourutschista,  d.  i.  die  Viel- 
wisserin, welche  einen  wesentlichen  Antheil  an  der  Ausbildung  und 
Verbreitung  der  Lehre  ihres  Vaters  gehabt  zu  haben  scheint. 

Zarathustra  und  seine  Anhänger  sind  in  Folge  ihres  Glaubens 
im  Besitze  der  höchsten  Güter;  denn  ihnen  ist  diess  Glück  von 
Ahuramazda  selbst  verliehen  (1).  Die  Förderung  und  Verbreitung 
der  Lehre  Zarathustra's,  die  Verkündigung  seiner  Lieder  und  Sprüche, 
sowie  das  Vollbringen  der  von  dem  grossen  Meister  angeordneten 
Handlungen,  wird  zunächst  von  seinen  bedeutendsteu*Anhängern, 
dem  Vistdgpa  und  Frashaostra  erwartet  (2).  An  ihrer  Ausbildung, 
dass  sie  die  wahrsten  und  reinsten  Gedanken  der  höchsten  Genien, 
des  Mazda,  des  guten  Sinnes  und  des  Wahren,  also  die  grösst- 
mögliche  Vollkommenheit  erhielte,  hatte  Zarathustra's  ausgezeich- 
netste Tochter,  die  nach  der  Familie  ihres  Vaters  (s.  46,  15)  die 
Hetschataspidin  heisst,  einen  wesentlichen  Antheil.  Ueber  diese  ihre 
grosse  und  segensreiche  Wirksamkeit,  die  namentlich  auch  der  Be- 
fcirderung  des  Ackerbaus  gewidmet  war,  kann  der  Erdgeist  (geus  urvd) 
die  beste  Auskunft  geben  (3).  Der  Dichter  bekennt  mit  Freuden 
diesen   glückbringenden    Glauben,   den    der  Glückselige,    d.  i.  Zara- 

14* 


212  Hang,  die  Gdthas  des  Zaratfiustra.  V.    Cap.  53,  1. 

tliustra,  die  Herrn  und  Gebieter  zur  Mittheilung  an  die  Landleute 
und  die  Wahrhaftigen  gelehrt  hat,  um  dadurch  das  Gute  in  der 
Schöj)fung  zu  fördern  (4). 

b)  Der  fünfte  Vers  steht  ganz  abgerissen  da.  Er  enthält  einen 
an  die  heirathenden  Mädchen  gerichteten  Spruch,  dessen  Sinn  ist, 
dass  die  Ehe  nur  dann  glücklich  sein  und  sie  sich  nur  dann  des 
Wohlstandes  erfreuen  könnten,  wenn  sie  Zarathustra's  Lehren  fol- 
gend, mit  Wahrheit  und  Aufrichtigkeit  des  Herzens  ihrem  Gatten 
ergeben  seien. 

cj  6  —  9  hängen  unter  sich  zusammen,  sind  aber  etwas  schwer 
zu  verstehen.  Der  Dichter  oder  Prophet  macht  die  ganze  auf  Hilfe 
harrende  Gemeinde,  Männer  wie  W^eiber  darauf  aufmerksam,  dass 
es  eine  Hilfe  gegen  das  Böse  gebe.  Schon  Jima  hat  in  der  Vor- 
zeit dagegen  gekämpft.  Aber  auch  jetzt  sind  die  wahrhaft  Gläu- 
bigen nicht  verlassen ;  denn  der  Genius  Vajn  (der  Vdju,  Morgenwind, 
des  Weda)  kämpft  mit  der  Macht  des  Lichts  gegen  die  an,  welche 
es  verdunlceln  wollen;  er  besiegt  alle,  welche  das  Geistesleben,  die 
gute  Gesinnung,  verderben  wollen  (6).  Die  Gemeinde  harrt  aber 
nicht  umsonst.  Sie  soll  für  ihren  Glauben  und  ihr  Handeln  belohnt 
werden,  und  zwar  durch  den  geheimen  Schatz,  d.  i.  durch  Mitthei- 
lung der  kräftigen,  gegen  das  Böse  wirksamen  Sprüche  und  Hand- 
lungen. Diess  geschieht  durch  Azus  (vielleicht  Appellativum :  der 
Hersager,  Verkündiger),  der  die  Sprüche  aus  alter  und  neuer  Zeit, 
welche  zur  wirksamen  Vernichtung  des  Bösen  angewandt  wurden, 
der  Gemeinde  verkündet.  Die  letzten  Worte  sind  dem  Znsammen- 
hang nach  sehr  dunkel  (7).  Die  Frevler,  welche  der  Verkündigung 
und  Ausübung  der  wirksamen  Sprüche  und  Handlungen  entgegen- 
stehen und  laut  darüber  aufschreien,  sollen  vernichtet  oder  wenigstens 
verringert  werden.  Während  Ahuramazda  die  Orte  Dschenara  und 
Khrunera,  d.  h.  ^'W)  die  siegreichen  und  tapfern  Männer  wohnen, 
mit  allen  guten  Besitzungen  beschenkt,  soll  die  Frevler  in  Bälde 
Verderben  ereilen  (8).  Einer  der  Hauptfeinde  ist  Vesha,  der  die 
alte  Lehre  zu  verdrehen  und  zu  verderben  sucht;  die  feindlichen 
Wesen  besiegt  der,  welcher  bereits  zum  Verderben  der  bösen  Ge- 
schöpfe gewirkt  hat,  nämlich  Jima  (vgl.  6).  Ahiiramnzda  ist  im 
Stande  die  Lügner  völlig  zu  vernichten  und  aus  ihrem  Eigenthum 
zu  vertreiben  (vgl.  46,  4);  daher  gebührt  auch  ihm  die  Herrschaft; 
denn  er  verleiht  durch  die  Drciheit  des  guten  Gedankens,  des  guten 
Worts  und  der  guten  That  der  Menschheit  Heil  und  Glück. 

V.  1.  Jezi  lässt  sich  hier  nicht  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung 
wenn  fassen,  sondern  wir  müssen  es  in  dem  Sinne  von  da,  dass 
nehmen,  da  wir  sonst  keinen  passenden  Sinn  zu  gewinnen  vermögen. 
Man  vgl.  das  griechische  d  in  der  Bedeutung  von  dass  nach  ge- 
wissen Verben.  —  Ashäf  —  hvanhvim  Ner. :  jat  piüijam  sampattim 
svdmin  mahdgndnin  sarvam  dehi  sarvaih  jdvat  dhdujasarveshdm  govindin 
dehi  [kila  jdvat  tano  akshajatvam  eteshdm  apardiidm  dehi'].    Das  a.iz.  Xsy. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarat/iastra.  V.    Cup.  53,  1.  2.  3-  4.     213 

hvahhvim  lässt  sich  nur  als  Zusammensetzung  von  hu-\-an/ivi  „das 
Lebendige"  fas:sen.  Ueber  letzteres  s.  I,  p.  174.  —  Jaecd  —  f^askäcd 
Ner. :  tat  jad  asdii  jjratdrajati  Aharmatah  ^ishjdpajati.  Die  Deutung 
des  dahen  durch  betrügen  ist  hier  nicht  zulässig;  wir  müssen  es 
in  der  ursprünglichen  verkleinern,  verringern  (vgl.  skr.  dahhra, 
klein,  gering)  nehmen;  in  Verbindung  mit  den  Accusativen  ukhdhd 
und  skjaothand  bedeutet  es  dann  weniger  davon  sprechen  und 
thun.  Den  natürlichen  Gegensatz  bildet  gaskd  (dritte  Person  sing. 
imperf.  von  ^ask=zfac,  ^ak ,  stark  sein)  s.  zu  30,  11.  I,  p.  115  fg. 

V.  2.  Atcd  —  shjaothandiscd  Ner. :  evam  jad  asdu  ^ishjapajati  tvam 
uttamaih  manasd  vdkjam  kuru  jat  pürvani.  ^caiitü  ist  die  dritte  Person 
plur.  imper.  von  fac,  vollbringen,  machen,  mit  Ausstossimg 
des  a;  man  vgl.  jytd  für  püd;  khshmd  für  kishmd  u.  s.  w.  —  ^aoskjafito 
ist  der  Form  nach  nur  Nom.  oder  Acc.  plur. ;  aber  hier  passt  weder 
der  eine  noch  der  andere  Casus  in  die  Construction;  wir  müssen 
nothwendig  annehmen,  es  sei  zwar  ein  Accusativ,  aber  er  stehe 
missbräuchlich  für  den  Dativ,  da  nur  auf  diese  Weise  ein  passender 
Sinn  herauskommt. 

V.  3.  Vanheus  —  ^arern  Ner. :  uttamasja  manasah  sthdtum  suujd- 
pdram  evam  asti  [punjasja  gndnam  evam  —  dehi  adhipatitvaih'].  Das 
aiu.  Xs^.  paitjd^tim  löst  man  am  besten  in  paiti-\-  dgtim  auf;  letzteres 
ist  auf  agti,  Sein,  Dasein  (mit  Dehnung  des  a  zu  d  vgl.  Qpitdma 
für  (^pitama)  zurückzuführen,  so  dass  das  Ganze  eigentlich  Gegen - 
sein,  d.  i.  Gegenstand,  bedeutet;  man  vgl.  paitikara  in  der  ersten 
Keilschriftgattung  =  neupers.  paikar,  Bild,  eigentl.  Gegenmachung, 
Contrefey.  —  Für  garem,  Schutz,  liest  man  mit  K.  4  passender 
garem,  Schöpfung. 

V.  4.  Tem  —  vidat  Ner. :  jat  tvam  gobhanam  paripurnam  ddnam 
dehi;  jad  diner  anena  pitrd  ddiim  dattdtanusrijah  (?)  samprdpti.  Für  vi 
scheint  mit  den  meisten  Handschriften  besser  ve  geschrieben  werden 
zu  müssen.  Die  Schreibung  Westergaard's  gpere-ddnivardni  kann  ich 
auf  keine  Weise  billigen;  entweder  muss  man  gperedd-riivardni  oder 
gpereddni  vardni  trennen ;  ich  möchte  die  letztere  Theilung  vorziehen, 
so  dass  wir  zwei  erste  Personen  des  Imperativs  neben  einander  haben. 
^pereddni  lässt  sich  nur  auf  das  sanskritische  spfdh,  wetteifern, 
zurückführen.  —  Mananho  —  mebeedus  Ner. :  jiad  uttamamanasvHam  (?) 
suvjdpdram  svijagotrindm  upari  asti  [tasja  susvddiisampürnakhddam  vas- 
traprasddam  prasddapuritam  gurukdrjam  anjagiidnatvam  sukhena  dehi]. 
Hafihus  ist  a7C.  Xey.  und  wird  von  Ner.  durch  suvjdpdram  erklärt. 
Es  lässt  mehrere  Ableitungen  zu,  einmal  von  der  Wurzel  sas,  schla- 
fen, wonach  es  Schlaf  hiesse,  dann  von  anhus,  Leben,  -h  ha, 
wobei  aber  das  kurze  a  auffallend  wäre.  Weit  sicherer  als  diese 
beiden  Ableitungen  ist  die  von  hus  =  neupers.  kfwsh,  gut,  -f-  ha, 
so   dass    das   Grinze    ein  Neutrum   wäre    und    perpulchnim    bedeutete. 


214         Haiigy  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  V.    Cap.  53,  4.  5. 

Man  vgl.  hus-hakhd  qenvdtd  32,  2.  Noch  weit  schwieriger  ist  das 
aTü.  Xsy.  mebeedus.  Die  Handschriften  trennen.  Me ,  wofür  mehrere 
Codd.  wie  K.  4,  9,  11.  P.  6  mem  haben,  wird  als  besonderes  Wort 
betrachtet,  wie  ich  glaube,  ohne  Grund.  In  diesem  Fall  könnte  es 
nur  für  ma-s  stehen  und  der  Meinige  bedeuten,  oder  es  könnte 
auch  für  md,  mich,  oder  md  =  i)jTi  gesetzt  sein.  Aber  weder  durch 
die  eine,  noch  durch  die  andere  Annahme  bekommen  wir  einen  er- 
träglichen Sinn.  Wir  müssen  me  nothwendig  mit  beedus  zusammen- 
schreiben, da  es  nur  eine  Reduplikationssylbe  sein  kann.  Da  so- 
wohl im  Sanskrit  als  im  Baktrischen  bei  der  Reduplikation  die  Re- 
duplikationssylbe eine  Modifikation  des  Consonanten  der  Stanimsylbe 
Hebt  (wie  z.  B.  die  Reduplikationssylbe  einen  Palatal  hat,  wenn  die 
Stammsylbe  einen  Guttural  zeigt,  so  in  girgerezat,  cikoiteres  u.  s.  w.), 
so  liegt  auch  hier  diese  Annahme  nahe,  um  so  mehr,  als  m  zu  der- 
selben Lautklasse  wie  i),  nämlich  zu  den  Lippenlauten  gehört.  Dieser 
Wechsel  ist  im  Baktrischen  um  so  eher  erklärhch,  als  es  b  und  bh 
nicht  mehr  unterscheiden  kann,  wie  das  Sanskrit,  das  für  das  bh 
der  Stammsylbe  b  in  der  Reduplikationssylbe  setzt.  Für  beedus 
hat  K.  9  beetus,  K.  6  beedus ,  K.  4  biedhus,  P.  6  bee  dus,  K.  11 
beredhus.  Westerg.  schreibt  biet  us.  Er  scheint  Ner.  zu  folgen, 
welcher  nach  seiner  Üebersetzung  upari  zu  schliessen,  us  als  ein 
besonderes  Wort  fasste;  diess  ist  aber  entschieden  irrig,  da  beet 
als  eigenes  Wort  nicht  gut  erklärt  werden  kann.  Beedus  scheint 
mir  die  einzig  richtige  Schreibung.  Abzuleiten  ist  das  Wort  von 
bid=zbhid,  spalten,  als  eine  Adjectivbildung;  das  e  ist  wie  in 
eed  nur  als  leiser  Nachhall  zu  betrachten  und  hat  nicht  den  ge- 
ringsten Einfluss  auf  die  Herleitung.  Wir  müssen  das  vollständige 
Wort  mebeedus  als  eine  Intensivbildung  fassen  und  ihm  die  Bedeu- 
tung austheilend,  vertheilend,  spendend  beilegen. 

V.  5.  Mencd  i  mäzdazdum.  Das  mencä  gehört  zu  mäzdazdütn 
und  ist  eigentlich  nur  eine  Vorausnahme  der  in  letzterem  liegenden 
Verbalwurzel  man.  Mäzdazdum,  selbst  ist  ein  zusammengesetztes 
Verbum  ähnlich  wie  jaozdd;  der  erste  Theil  mäz  ist  gleich  mdns 
(vgl.  mimdnsy  Desiderativ  von  man),  der  zweite  dazdüm  ist  die 
zweite  Person  Imperativi  medii  von  dd  =  dhd  'Zi^ri\kl.  Der  Verbal- 
stamm ist  men-mäz,  der  identisch  mit  dem  sanskritischen  Desidera- 
tivum  mimdns  ist.  Das  Ganze  heisst  Nachdenken,  Ueberlegung 
machen,  d.  i.  ernstlich  nachdenken.  Ueber  die  Trennung  des  mm 
von  dd  s.  zu  31,  5  (I,  p.  132).  —  Für  abjaQcd  lesen  K.  11,  P.  6 
aibja^cd,  K.  5  abjacta.  Es  kann  nicht  mit  der  Präposition  aibi  zu- 
sammengebracht werden,  sondern  wir  müssen  es  als/J)ativ  plur.  des 
Demonstrativstammes  a  nehmen,  wenn  wir  auch  diese  Bildung  weiter 
nicht  mehr  in  den  Gdthd's  nachweisen  können.  Am  besten  bezieht 
man  dieses  Demonstrativ  auf  ^aqeni  zurück.  —  Vivanhatu  (dritte 
Person  imperat.  sing.)  hat  ganz  den  Sinn  des  lautlich  völlig  ent- 
sprechenden Sanskrit,  vi-vas,   annehmen,    aufnehmen.     Hushenem 


1 


Haag,  die  Gdthas  des  Zarathmtra.  V.    Cap.  53,  5.  6.         215 

steht  dialektisch   für  hushajanem  Jt.  8,  2.    10,  4,    gute  Wohnung, 
wie  khshmtäm  48,  8  für  khshajantäm  gesetzt  ist. 

V.  6.  Haithjd  lässt  sich  hier  nur  in  adverbialem  Sinn  nehmen; 
es  ist  wohl  Instrumental  und  bedeutet  wirklich  oder  auch  jetzt. 
Ueber  rdthemo,  das  hier  Concretum  im  Sinne  von  Geber  sein  muss, 
s.  zu  44,  17.  —  Frdidim.  K.  5  hat  fraidim,  K.  6  fraedim.  Da  wir 
sonst  nirgends  mehr  dieses  Wort  im  Zendawesta  finden,  wohl  aber 
ein  ähnlich  lautendes  fraetim  hie  und  da  im  Ja^na  vorkommt  (62,  11. 
71,  6)  in  der  Verbindung:  fraetimca  paititimca  aibigaretmca ,  so  liegt 
die  Vermuthung  nahe,  dass  beide  identisch  und  die  Verschiedenheit 
nur  eine  orthographische  sein  könnte.  Die  Bedeutung  des  fraeti, 
in  Verbindung  mit  Wörtern,  die  Lob,  Preis  heissen,  kann  gar 
nicht  zweifelhaft  sein;  es  ist  auf  die  Wurzel  pn,  lieben,  zurück- 
zuführen, die  aber  in  den  iranischen  Sprachen,  namentlich  in  Ver- 
bindung mit  der  Präposition  d  loben,  preisen,  beten  bedeutet 
und  heisst  wohl  Gebet.  Diese  Bedeutung  giebt  an  unserer  Stelle 
zwar  einen  Sinn,  „ihr  erspähet  (sucht  zu  bekommen)  ein  Gebet, 
das  gegen  die  Brukhs  wirksam  ist";  aber  der  Umstand,  dass  die 
Handschriften  kein  t,  sondern  ein  d  haben,  und  nur  eine  ein  «e, 
statt  di  oder  ai  der  andern  zeigt,  spricht  gegen  die  Identifikation. 
Wir  müssen  es  als  ein  ocTT.  Xsy.  ansehen,  deren  es  überhaupt  meh- 
rere in  unserem  Capitel  giebt.  Zu  einer  richtigen  Erklärung  kann 
uns  hier  nur  die  Etymologie  helfen.  Wir  müssen  das  Wort  von 
der  Wurzel  di  =  skr.  dhjdi,  nachdenken,  die  aber  in  den  ira- 
nischen Sprachen  die  Bedeutung  sehen  angenommen  hat  (vgl.  das 
Intensiv  daedoist  51,  17),  und  der  Präposition  fra  ableiten,  so  dass 
es  eigentlich  Voraussicht,  Vorsorge  heisst,  welche  Bedeutung 
auch  besser  zu  dem  Verbum  spashuthd,  ihr  seht,  erspäht,  wie 
West,  richtig  schreibt,  zu  passen  scheint.  Die  Tradition  fvrddhiddtjd- 
pahara  karttd  =  ^pashuthd  frdidim)  bringt  es  mit  frdd,  frddanh  zu- 
sammen, dem  die  Bedeutimg  wachsen,  fördern  beigelegt  wird.  — 
Einige  Schwierigkeit  macht  die  Construction.  Rdthemo  Jeme  muss 
als  Zwischensatz  genommen  und  drugo  von  frdidim  abhängig  ge- 
macht werden.  —  Ajege,  ich  verehre,  steht  ganz  absolut,  ohne 
Object;  als  solches  ist  Jeme  =  Jima  zu  ergänzen.  —  Grosse  Schwie- 
rigkeit macht  pithu.  Ner.  übersetzt  es  mit  mftjuh,  Tod,  und  er- 
klärt es  durch  avagivatvam,  Ableben.  Diese  Deutung  enthält  etwas 
Wahres;  aber  auf  etymologischem  Wege  —  denn  die  Parallele  pithe 
Jt.  10,  84  ^)  ist  zu  wenig  verständlich  —  lässt  sich  dieselbe,  wenn 
wir  die  Lesung  beibehalten,  nicht  wohl  begründen.  An  pi  ==  pjäi, 
fett  sein,  ist  nicht  zu  denken;  ebenso  wenig  ist  pavaiti,  Fäul- 
niss,  herbeizuziehen.     Wegen  der  Verbindung  mit  tanvö,  Körper, 


^)  Der  Ausdruck  dvdcina  pithS  hacimna  bezeichnet  dem  Zusammenhang 
nach  einen  geringern  Grad  ah  nmänd-paitis ,  Familienoberhaupt;  wahr- 
scheinlich ist  jedes  Ehepaar  darunter  gemeint. 


216  Haugj  die  Gdthd's  des  Zarathustra.  V.    Cup.  53,  6.  7. 

liegt  die  Vermuthung  nahe,  pithd  sei  eine  verdorbene  dialektische 
Aussprache  für  peretho,  da  der  Ausdruck  perethd-taim  „dessen  Kör- 
per vernichtet  ist"  (Selbstmörder)  den  Zendbüchern  sonst  geläufig 
ist.  In  der  Form  pesho  (peretho)  =  tanvo  findet  sich  das  Wort  im 
neunten  Verse  unsers  Capitels.  Indess  können  wir  es  dem  peretho 
nicht  vollkommen  gleichstellen,  noch  als  Theil  eines  Compositums 
fassen;  wir  müssen  es  als  ein  Nomen  actoris  nehmen,  der  Zer- 
störer, was  freilich  schhesshch  denselben  Sinn  giebt,  wie  das  Com- 
positum peretho-tanvu.  —  Vajü  scheint  hier  für  den  Nominativ  vajus 
zu  stehen.  Es  ist  der  Genius,  dem  der  sogenannte  Rdm-Jesht  ge- 
widmet ist,  der  fünfzehnte  in  Westergaard's  Ausgabe.  Ueber  dm- 
qarethem  s.  I,  p.  150.  —  Degit  kommt  nur  in  diesem  Stücke  vor; 
Parallelstellen  helfen  also  nichts.  Will  man  es  als  eine  Verbalform 
fassen,  so  muss  man  es  auf  eine  Wurzel  deg,  dig  zurückfiihren ,  die 
aber  das  Baktrische  so  wenig  kennt,  als  das  Sanskrit.  Ich  halte 
es  für  ein  aus  de  und  gif  zusammengesetztes  adjectivisches  Particip ; 
de  =  dhi  im  Sanskrit  entspricht  ganz  dem  de  in  De-gämdgpa  und 
bedeutet  weise  oder  eher  Weisheit;  gif  ist  das  sanskritische  git, 
siegend,  erlangend  (von  gi,  siegen),  häufig  in  fine  composito- 
rum  gebraucht,  also  „durch  Weisheit  siegend",  —  Areta  ist  auf  die 
Wurzel  ar^  gehen,  zurückzuführen;  mit  dem  Dativ  losgehen  auf 
Jemand. 

V.  7.  Azus.  Dieses  ocTT.  Xey.  macht  grosse  Schwierigkeit.  Man 
hält  es  am  passendsten  für  einen  Eigennamen.  Etymologisch  könnte 
man  es  auf  die  Wurzel  zu  =  hu  (hve),  rufen,  anrufen,  zurück- 
führen und  als  der  Anrufer  deuten.  —  Zarzdisto  ist  deutlich  ein 
Superlativ  von  zarazdao,  s.  zu  31,  1.  —  Bünoit  kann  Ablativ  sing. 
eines  Thema's  büni  und  dritte  Person  sing,  optat.  von  einer  W^irzel 
oder  einem  Verbalthema  bün  sein.  Das  Nomen  büui  würde  nach 
dem  neupers.  bun  Grund,  Ursprung  heissen;  doch  finden  wir 
letzteres  eher  in  buiia  Jt.  19,  51  wieder.  Als  Verbalwurzel  könnten 
wir  nur  bü,  sein,  annehmen;  bün  wäre  eine  eigenthümliche  dia- 
lektische Erweiterung  derselben.  Ich  glaube,  letztere  Erklärung  vor- 
ziehen zu  müssen.  —  Para  und  aora  (avara)  bilden  hier  augenschein- 
lich Gegensätze  und  heissen  entweder  Früheres  und  Späteres 
oder  Höheres  und  Niederes.  Ich  möchte  es  in  der  erstem  Be- 
deutung nehmen  und  auf  ältere  und  neuere  Sprüche  beziehen.  — 
Jmzajathd.  Das  i  ist  reiner  Vorschlag  wie  das  u  in  ururaogt.  Die 
Wurzel  ist  indess  nicht  zi==hi,  werfen,  schicken  (wovon  zaja, 
Werkzeug),  wie  man  vermuthen  könnte,  sondern  zan,  erzeugen. 
Man  vgl.  zajeüS  Jt.  13.  16,  zajdofite  Jt.  23,  5,  geboren  werden. 
Aber  wir  können  es  der  Construction  nach  nicht  als  Passivura  fassen, 
sondern  wir  müssen  ihm  einen  transitiven  Sinn  beilegen.  Dieses  ist 
leicht  möglich,  wenn  wir  es  wie  gdjate  im  Sanskrit  als  Deponens 
nehmen.  —  Für  mageus,  wie  West,  nach  K.  5,  6  schreibt,  ist  mit 
K.  4,  9,  11,   P.  6  magern  zu  lesen.     Denn  nicht  nur  giebt  es  sonst 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zaraihustra.  V.    Cap.  53,  7.  8.  9.       217 

keine  Bildung  magu,  sondern  der  Genitiv-Ablativ  wäre  wegen  des 
Accus,  tem  gar  nicht  zu  erklären.  Das  Demonstrativ  tem  weist  deut- 
lich auf  magahjd  des  ersten  \'ersgliedes  hin. 

V.  8.  Dafshnjä  Ner.  avjdpäram.  Dieses  a7C.  Xsy.  lässt  sich  nur 
von  der  Wurzel  dab  =  dambh,  klein  sein,  betrügen,  täuschen, 
ableiten.  Zunächst  ist  es  ein  Adject.  relativum  eines  Nomens  dafshna, 
wohl  aus  dafshana  verkürzt,  das  aus  dab  ebenso  gebildet  ist,  wie 
Sanskr.  dhishaiid,  Lobgesang  (eigentl.  Produkt  des  Nachdenkens), 
aus  dhi,  dhjdi.  Sonach  ist  es  das  Verringern,  Abnehmen, 
Schwinden,  und  dafshvja,  sich  verringernd,  abnehmend.  — 
Zaqjdy  ebenfalls  ocTü.  Xsy. ,  kann  nur  Genitiv  sing,  eines  Nomens  za 
seiuj  das  wir  am  passendsten  auf  die  Wurzel  zan,  erzeugen,  der 
wir  im  vorigen  Verse  begegneten,  zurückführen  und  mit  dem 
sanskritischen  ga  (in  fine  compos.),  erzeugt,  geboren,  zusammen- 
stellen. Es  weist  auf  ivizajathd  magern  zurück.  —  Genard  und  khrü- 
nerd  sind  sicher  Eigennamen,  und  zwar  wie  der  Zusamijjenhang  zu 
lehren  scheint,  von  Ortschaften;  das  erstere  Wort  besagt:  die 
welche  siegreiche  Männer  hat,  das  zweite  die  welche  krie- 
gerische (harte,  rauhe)  Männer  hat.  Rdmämcd  ist  sicher  nur 
Prädikat,  zu  den  beiden  vorhergehenden  Namen  gehörig.  Auffallend 
ist  indess  das  cd,  das  eigentlich  nicht  hieher  gehört.  —  Die  Dative 
skj^üibjo  vizibjo  stehen  (wie  öfter)  für  den  Instrumental.  —  Ueber 
dvafsho  s.  zu  44,  14.  —  Derezd  ist  als  Instrumental  von  derez  =  dfh, 
fest,  stark  sein,  zu  nehmen  und  bedeutet  mit  Macht,  Stärke. 

V.  9.  Vaeshd,  ein  ocTü.  Xsy. ,  das  hier  Eigenname  eines  Feindes 
zu  sein  scheint.  Das  ocTT.  Xsy.  narepis  ist  ein  Adjectiv  und  leitet  sich 
am  besten  von  narey  Mann,  H- p?%  fett  sein,  transit.  ernähren, 
Gedeihen  geben,  ab.  Für  rigis,  wie  West,  schreibt,  wird  am 
besten  mit  K.  9  ragis  gelesen,  als  Accus,  plur.  von  ragi  Ja^.  19,  18. 
Verehrung,  Religion  von  skr.  rag,  ergeben  sein,  verehren.  — 
Aeshacd  lässt  sich  nur  als  eine  Nominalbildung  des  Verbalstammes 
ishag,  bilden,  schaffen  (s.  zu  50,  2),  fassen  und  als  Geschöpf, 
Gebilde  deuten.  —  Pesho-tanvo  ist  soviel  als  perethö-tanvo;  der 
Uebergang  von  eret,  ereth  in  esh  oder  art^  in  ash  ist  im  Baktrischen 
sehr  häufig  (s.  bei  peshjeinti  44,  20).  —  Gjäteus  hemühjdt  vgl.  46,  4, 
woraus  klar  hervorgeht,  dass  hemühjdt  Verbum  (dritte  Person  Potent.) 
der  Wurzel  müh,  stossen,  heran sstossen,  ist;  he  lässt  sich  nur 
als  eine  Verkürzung  für  hem=:sam  erklären.  —  Vage-iti,  das  von 
selbst  Fortgehen,  ist  soviel  als  sonst  vagnd  frashem.  —  Ueber 
dregave  (von  dregu  =  drigu)  s.  zu  34,  5. 


Schlussabhandlung. 


1.    Bedeutung  und  Stellung  der  Gdthd's  im  Zendawesta. 

JJas  Wort  gdthd  findet  sich  im  Zendawesta  in  zwei  Bedeutungen. 
Erstens  bezeichnet  es  einzelne  Liederverse,  so  stets  in  der  zu 
Anfang  einer  jeden  Liedersammlung  stehenden  Segensformel:  Lob 
sei  euch  ihr  wahrhaftigen  Gdthd's.  In  dieser  Bedeutung  treffen  wir 
es  auch  im  Sanskrit,  sowie  im  Päli  (vgl.  Dhammapadam  ed.  Faus- 
böll,  p.  76,  wo  die  einzelnen  Verse  gdthd  genannt  sind).  Aber 
es  bezeichnet  nicht  etwa  Dichterverse  überhaupt,  sondern  solche, 
die  gesungen  oder  wenigstens  mit  einer  gewissen  Modulation  der 
Stimme  vorgetragen  wurden  ^).  Zweitens  ist  es  die  Benennung 
einer  ganzen  Sammlung  von  Liederversen.  Diesen  Sinn  hat  das 
Wort  in  den  spätem  Theilen  des  Zendawesta,  wo  bereits  von  den 
fünf  Gdthd's  (Ja^.  57,  7.  8.  71,  6)  die  Rede  ist  und  jede  einzelne 
einen  bestimmten  Namen  hat  (Afrig.  2,  1).  Dass  hier  nur  die  jetzt 
noch  vorhandenen  fünf  Liedersammlungen  verstanden  werden  können, 
leuchtet  von  selbst  ein  ^). 

Diese  fünf  Sammlungen  nun  bildeten  schon  in  sehr  früher  Zeit 
ein  geschlossenes  Ganzes,  wie  wir  aus  allen  spätem  Theilen  des 
Zendawesta  zur  Genüge  sehen  können.  Nicht  nur  werden  sie  oft 
im  Aligemeinen  (Ja9.  3,  4.  9,  1.  Jt.  22,  13.  24,  59.  Vend;  18,  111.  Sp.) 
und  auch  mit  ihren  besondern  Namen  im  Einzelnen  (Visp.  1,  5  ff. 
20,  2.  14,  4.  Ja9.  71,  16.  Afrig.  2,1.  u.  s.  w)  angeführt,  sondern 
die  einzelnen  Verse  sind  häufig  genug  wörtlich  citirt,  namentlich  im 
Vendiddd,  dessen  zehnter  Fargard  grossentheils  aus  solchen  Citaten 
besteht  (man  vgl.  Ja9.  7,  24,  wo  45,  7.  10,  20,  wo  48,  5.  19,  17, 
wo  43,  6.    21,  3,  wo  43,  1.    Vend.  8,  20,  wo  46,  7  u.  44,  16. 


0  Vgl.  Gdthd  Rv.  VIII,  5,  2,  1.  8,  2,  14.  9,  12,  2.  10,  5,  9.  IX,  1,  11,  4. 
X,  7,  1,  6. 

^)  Man  vgl.  denselben  Doppelsinn  von  Mischnah,  als  Name  einzelner 
Gebote  und  Gesetzesabschnitte,  wie  der  ganzen  Sammlung. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.    SchlussabhandUng.       219 

Vend.  8,  107,  wo  49,  11  angeführt  sind  u.  s.  vv.).  Schon  früh  wurde 
mit  den  fünf  Sammlungen  von  Liederversen  der  sogenannte  Jagna 
haptanhaiti  (^Jagna  von  sieben  Capiteln,  Ja^.  35 — 42)  nebst  einigen 
kleinern  Gebeten  verbunden,  welche  in  Prosa  abgefasst  sind  und 
sicher  aus  einer  Jüngern  Zeit  als  die  Gdthas  stammen.  An  den 
Anfang  der  Sammlungen  scheinen  die  drei  heiligsten  Gebete  der 
Pärsen  gestellt  worden  zu  sein.  Alles  diess  ergiebt  sich  aus  der 
für  die  Geschichte  der  Entstehung  des  Zendawesta  höchst  wichtigen 
Stelle  Visp.  1,  5  ö".  Hier  sind  nämlich  die  heiligen  Schriften  in 
folgender  Ordnung  aufgezählt:  1)  das  Ahuna-vairja-Gehet\  2)  das 
Ashem-vohu-G ehet;  3)  das  Jenhe-hdtäm-Gehet;  4)  die  Gdthd  ahuna- 
vaüi  (Ja9.  28—34);  5)  Ja(^Jia  haptan/iaüi  (35 — 42):  6)  die  Gdthd 
ustavaiti  (43 — 46);  7)  die  Gdthd  (^pefitö-mainjus  (47 — 50);  8)  die 
Gdthd  vohü-khshathrem  (51);  9)  die  Gdthd  vahisto  istis  (53);  10)  das 
^irjama-Gebet  (54);  11)  das  Fshüsu-fnäthro-Gehet  (58);  12)  Fragna 
dhuri,  tkaesho  dhuri,  worunter  nur  der  Kern  des  Vendidad  ver- 
standen werden  kann.  Diese  hier  aufgezählten  Theile  dürfen  wir 
mit  Recht  als  die  ältesten  und  wichtigsten  Stücke  des  Zendawesta 
betrachten,  die  als  der  eigentliche  Avesta  oder  als  die  eigentliche 
göttliche  Offenbarung  galten.  Unter  diesen  standen  die  Gdthas 
oben  an,  wie  aus  Vend.  18,  111.  Sp.  erhellt,  wo  drei  Arten  heiliger 
Schriften:  1)  Gdthd's;  2)  Jagna  (haptanhaiti);  3)  Paiti-parstem  fra- 
gafighem,  die  Lehre  in  Antworten  (wohl  ein  Theil  des  Vendidad 
selbst),  aufgezählt  sind.  g 

Das  Recitiren  der  Gdthd's  war  eine  der  wichtigsten  Handlungen 
beim  Gottesdienst  und  wird  -neben  der  Unterhaltung  des  heiligen 
Feuers  (Ja^.  9,  1)  und  dem  Streuen  des  Bere(^ma  oder  heiligen 
Opfergrases  (Ja^.  3,  4.  57,  6  ff.)  genannt.  Der  erste,  der  diese 
Lieder  sang  und  überhaupt  den  ganzen  Gottesdienst  begründete, 
wie  Agni  im  Weda,  war  der  Genius  ^raosha,  wie  diess  deuthch  aus 
Ja9.  cap.  57  und  dem  Serosch-Jesht  hervorgeht.  Als  Verfasser  galt 
Zarathustra  (s.  weiter  unten).  Schon  früh  waren  sie,  wie  die  Weda- 
verse, Gegenstand  des  Studiums  bei  den  iranischen  Feuerpriestern 
geworden.  Spuren  davon  lassen  sich  noch  aufzeigen.  Man  theilte 
die  noch  aufbewahrten  Liederverse  1)  in  hariddti's  oder  Sammlungen, 
deren  es  fünf  sind,  mit  besondern  Namen;  2)  in  hditi's  oder  ein- 
zelne Abschnitte,  deren  wir  17  haben  und  die  gewöhnlich  nach 
ihren  Anfangsworten  benannt  sind;  3)  in  afgmän  oder  einzelne  Verse 
(eigentl.  Segenssprüche);  4)  in  vaca  oder  Verszeilen;  5)  in  vacatasta 
oder  einzelne  Worte.  \  gl.  darüber  Visp.  14,  4  und  Juc^.  57,  8;  in 
der  letztern  Stelle  sind  Azainti'sy  d.  i.  Erklärungen  (Zend),  und 
Paitifragdo  oder  Antworten  als  eine  Zugabe  zu  den  Gdthd's  ge- 
nannt. Hierunter  haben  wir  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  das  Zend 
oder  den  dogmatisch  liturgischen  Commentar  und  das  P uzend  oder 
die  Glossen  zum  Zend ,  in  Form  von  Antworten ,  zu  verstehen. 
Zu  den  drei  heiligsten  Gebeten  ist  die  Azaiuti  noch  erhalten  von 
Ja9.  cap.  19  —  21,    wodurch  wir  einen  Einblick   in  die  Exegese  der 


220        Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathiistra.    SchhssabhandUng. 

alten  Feuerpriester  zu  thun  vermögen.  Zu  den  Gdthd's  scheint  nur 
ein  Theil  des  Pd:iend  in  Vend.  10  erhalten  zu  sein.  Hier  werden 
drei  Klassen  von  Gdthd's  oder  Liederversen,  zu  denen  indess  auch 
der  prosaische,  ^h^v  dXie  Jagna  haptanhaiti  gerechnet  ist,  angeführt, 
1)  bisdmrüta,  d.  i.  solche,  die  zweimal,  2)  thrisdmruta ,  solche,  di< 
dreimal,  und  3)  cathrusdmrüta ,  solche,  die  viermal  hergesagt  werden 
müssen.  Die  zu  den  einzelnen  Klassen  gehörigen  Verse  sind  mit 
den  Anfangsworten  angeführt. 

Da  wir  fast  alle  in  den  spätem  Theilen  des  Zendawesta  citirten 
Verse  in  der  altern  Visp.  1,  5  ff.  beschriebenen  und  im  Ja^jia  noch 
erhaltenen  Sammlung  nachweisen  können,  so  dürfen  wir  daraus  mit 
einiger  Sicherheit  schliessen,  dass  diese  längst  vor  Entstehung  des 
jetzt  sogenannten  Zendawesta  ein  geschlossenes  und  als  heilig  an- 
erkanntes Buch  bildete. 


2.    Beschaffenheit    der   vorhandenen    Sammlungen. 

Die  noch  vorhandenen  fünf  Gdthd's  sind  fünf  Sammlungen  theils 
ganzer  Lieder,  theils  einzelner  Liederverse,  die  oft  den  Charakter 
von  Sprüchen  tragen.  Von  ganzen  Liedern  sind  nur  sehr  wenige 
erhalten;  dagegen  desto  mehr  Liederfragmente  und  vereinzelte  Verse, 
wie  diess  ganz  dem  fragmentarischen  Zustand  des  Zendawesta  ent- 
spricht. Ihr  äusserer  Umfang  ist  verhältnissmässig  gering.  Alle  fünf 
Sammlungen  enthalten  nur  17  Capitel  oder  Abschnitte,  von  denen 
7  auf  die  erste,  je  4  auf  die  zweite  und  dritte,  und  je  1  auf  die 
vierte  und  fünfte  Sammlung  kommen.  An  äusserem  Umfang  sind 
die  erste  und  zweite  Sammlung  so  ziemlich  gleich,  die  dritte  ist 
bedeutend  kleiner  und  in  den  beiden  letzten  ist  derselbe  noch 
weit  geringer. 

Fragen  wir  zunächst  nach  dem  Grund  dieser  fünffachen  an 
Umfang  so  ungleichen  Abtheilungen  der  alten  Lieder  und  Lieder- 
verse, so  scheint  dieser  zunächst  ein  liturgischer  gewesen  zu  sein. 
Der  Tag  wurde  nämlich  in  fünf  Zeiten  eingetheilt,  und  in  jeder 
mussten  bestimmte  Gebete  hergesagt  werden.  Da  die  überHeferten 
alten  Liederverse  die  kräftigsten  und  wirksamsten  Gebete  gegen  die 
bösen  Geister  enthielten,  so  vertheilte  man  dieselben  auf  die  fünf 
Tageszeiten,  welche  desshalb  später  ebenfalls  gdthd's  genannt  worden 
sein  müssen,  wie  die  pärsische  Benennung  dieser  Tageszeiten,  gdh, 
deutlich  beweist;  denn  dieses  kann  nur  aus  g-ai/ia  verstümmelt  sein; 
im  Neupersischen  hat  sich  dann  diese  Bedeutung  zu  der  allgemeinern 
von  Zeit  erweitert.  Die  umgekehrte  Erklärung  der  fünf  Tages- 
zeiten aus  der  Vertheilung  der  fünf  einmal  vorhandenen  und  über- 
lieferten Sammlungen  ist  nicht  wohl  statthaft,  da  die  Namen  der 
erstem  mit  denen  der  letztern  nicht  im  mindesten  übereinstimmen. 
Freilich  lässt  sich  die  Eintheilung  des  Tages  in  fünf  Zeiten  (ratu 
=  skr.  Hu)  in  den  alten  Liedern  nicht  nachweisen;    diese  scheinen 


Hang,  die  Gdthd'a  des  Zaraihustra.    Schlussabhandlung.        221 

nur  drei,  Morgen  (ushdoj,  Mittag-Abend  (arem - inthwd)  und 
Nacht  (khshapd),  gekannt  zu  haben  (s.  44,  5).  Aber  die  den  ein- 
zelnen Zeiten  gegebenen  bestimmten  Namen :  hdvanja  (Vormittag), 
rapithwina  (Mittag  und  Nachmittag),  uzajeirina  (Abend  und  Vor- 
mitternacht), aiwi^ruthrema  (Mitternacht  bis  zum  Frühroth)  und 
iishahina  (Morgen),  die  in  keiner  Beziehung  zu  den  fünf  Gdthd's 
stehen,  deuten  darauf  hin,  dass  diese  Tageseintheihmg  unabhängig 
davon   entstanden  ist. 

Wenn  nun  auch  die  Fünfzahl  der  Gdthd's  auf  einem  liturgischen 
Grunde  beruht,  so  soll  damit  nicht  gesagt  sein,  dass  die  Samm- 
lungen überhaupt  nur  zu  diesem  Zweck  veranstaltet  wurden.  Bei 
näherer  Betrachtung  finden  wir,  dass  bei  der  Anordnung  der  Samm- 
lungen namentlich  auf  Metrum  und  auch  auf  den  Inhalt  Rück- 
sicht genommen  wurde.  So  enthält  die  erste  Sammlung  nur  drei- 
zeiiige,  die  zweite  nur  fünfzeilige  (mit  der  einzigen  Ausnahme  des 
Schlussverses  von  Cap.  44,  der  vierzeilig  ist),  die  dritte  nur  vier- 
zeilige  Strophen  von  meist  dem  gleichen  Metrum ;  die  vierte  nur 
aus  einem  Capitel  bestehende  Sammlung  hat  wieder  dreizeilige,  die 
fünfte  vierzeilige,  aber  von  denen  der  dritten  metrisch  abweichende 
Strophen.  Die  Berücksichtigung  des  Inhalts  bei  der  Sammlung 
und  Anordnung  der  einzelnen  Bruchstücke  lässt  sich  indess  nur  theil- 
weise  erkennen;  ein  bestimmter  Plan  und  Zweck  eigentlich  nur  bei 
der  zweiten  nachweisen. 

Die  erste  Sammlung  wird  durch  eine  Ueberschrift  (s.  darüber 
den  Commentar  p.  41  fl.)  eingeleitet,  in  der  die  folgenden  Stücke 
als  eine  an  Zarathustra  vom  höchsten  Gott  gemachte  Offenbarung 
bezeichnet  werden.  Sie  ist  die  wichtigste  und  älteste  und  enthält 
nur  Verse  von  Zarathustra  selbst  oder  von  seinen  nächsten  Freunden. 
Das  erste  Stück  enthält  ein  Gebet  an  die  höchsten  Genien,  um 
Verleihung  irdischer  und  geistiger  Güter,  dem  mehrere  alte,  aus  Za- 
rathustra's  Zeit  stammende  Sprüche  einverleibt  sind  (s.  p.  38  ff.) 
und  bildet  höchst  passend  den  Eingang  der  Sammlung.  Wegen  der 
hohen  Bedeutung,  welche  die  Erdseele  und  deren  Orakel  bei  den 
alten  Iraniern  hatte,  Hess  man  sogleich  ein  Lied  folgen  (Cap.  29), 
welches  die  Entstehung  eines  wichtigen  Orakelspruchs  zum  Gegen- 
stand hatte,  um  so  wichtiger,  weil  daraus  das  heiUgste  Gebet  der 
Pärsen,  das  Ahuna-vairja  (Honover)  hervorgegangen  ist.  Weil  Za- 
rathustra selbst  in  demjenigen  Liede,  das  wohl  die  erste  öffentliche 
Verkündigung  seiner  neuen  Lehre  enthält,  sich  auf  die  Aussprüche 
der  Erdseele  beruft,  so  war  Grund  genug  vorhanden,  dieses  wich- 
tigste Stück  der  Sammlung  (Cap.  30)  an  das  Orakel  anzuschliessen. 
Da  am  Schlüsse  dieses  Liedes  der  Prophet  zur  Befolgung  der  Aus- 
sprüche (urvdtd)  Ahuramazda's  auffordert,  so  war  hier  der  passendste 
Ort,  um  eine  schon  früher  gemachte  Sammlung  solcher  Aussprüche 
einzuschalten.  Denn  als  solche  betrachte  ich  das  31.  Capitel  (s. 
p.  118),  wie  sich  aus  seiner  Ueberschrift  (v.  1)  ergiebt.  Es  sind 
diess  Sprüche,    die   theils  von  Zarathustra    selbst,    theils  von  altern 


222        Hmig,  die  Gdthd'.s  des  Zarathusfra.    Schlussab/mndltmg. 

Weisen,  theils  auch  von  seinen  Anhängern  herzurühren  scheinen,  die 
bei  verschiedenen  Anlässen  gedichtet  wurden  und  auch  an  Inhalt 
etwas  verschieden  sind.  Da  indess  namentlich  in  den  spätem  Theilen 
der  kleinen  Sammlung  Sprüche  und  kleine  Lieder,  die  den  grossen 
Unterschied  zwischen  dem  wahren  Glauben  und  der  Abgötterei  zum 
Gegenstand  haben,  vorkommen,  so  Hess  sich  hier  des  verwandten 
Inhalts  wegen  das  32.  Capitel  anbringen,  das  aus  mehreren  zum 
Theil  historischen  Liederfragmenten  besteht  und  den  Kampf  gegen 
den  Götzendienst  theils  im  Allgemeinen,  theils  ganz  speziell  den 
grossen  geschichtlichen  Religionskampf  gegen  die  stammverwandten 
Inder  schildert.  Darauf  konnte  passend  das  kleine,  vor  dem  Feuer- 
altar von  Zarathustra  in  Gegenwart  seiner  nächsten  Freunde  vor- 
getragene Lied  33,  1  —  5  folgen,  in  welchem  der  selbst  in  den 
Schooss  der  einzelnen  Familien  eingedrungene  religiöse  Zwiespalt 
uns  entgegentritt.  Nun  folgen  mehrere  Bruchstücke  bis  zum  Ende 
der  Sammlung,  die  weder  unter  sich,  noch  mit  dem  Vorhergehenden 
in  einem  engern  Zusammenhang  stehen  und  hauptsächlich  des 
gleichen  Metrums  wegen  angeschlossen  wurden.  Es  sind  meist  Ge- 
bete an  die  höchsten  Genien  um  Verleihung  irdischer  und  geistiger 
Güter  und  Fragen  nach  verschiedenen  Gegenständen. 

Während  der  äussere  Charakter  der  ersten  Gdthd  vorwiegend 
nur  der  der  blossen  Sammlung  und  Aneinanderreihung  alter  über- 
lieferter Lieder  und  Sprüche  ist,  bietet  uns  die  zweite  Gdthd  das 
Bild  einer  Bearbeitung  gesammelter  Liederverse.  Spuren  eines  Be- 
arbeiters lassen  sich  zwar  auch  in  der  ersten  Gdthd  (28,  6.  10) 
nachweisen,  aber  nicht  so  durchgreifend  und  planmässig  wie  in  der 
zweiten.  Hier  tritt  ganz  sichtlich  das  Bestreben  hervor,  eine  Reihe 
älterer  überHeferter,  meist  acht  zarathustrischer  Verse,  die  unter  sich 
in  keinem  nähern  Zusammenhang  stehen,  durch  gewisse  stehende 
Formeln  zu  einem  grössern  Ganzen  zu  verbinden.  Diess  ist  durch- 
gängig der  Fall  bei  Cap.  44,  wo  alle  Verse  (den  letzten  ausgenom- 
men) mit  der  Formel:  Diess  will  ich  dich  fragen.  Lebendiger! 
verkünde  es  mir  recht,  eingeleitet  werden;  in  Cap.  43,  das  die 
Gdthd  eröffnet,  treffen  wir  7.  9.  11.  13.  15  jedesmal  die  Eingangs- 
worte: Dein  dachte  ich  als  des  Heiligen,  Ahuramazda!  da- 
her kam  er  (^raosha)  zu  mir  mit  dem  guten  Geiste.  Cap.  45 
finden  wir  vv.  1  —  6  die  Formel:  so  will  ich  nun  verkündigen  (at 
fravakhshjd).  Weder  in  der  ersten,  noch  in  einer  der  übrigen  Samm- 
lungen finden  wir  so  oft  und  theilweise  durchgängig  diese  Formeln 
angewandt.  Da  sie  öfter,  wie  aus  den  Einleitungen  zu  Capp.  43 
und  44  zu  ersehen  ist,  in  gar  keiner  nähern  Beziehung  zu  dem 
übrigen  Inhalt  der  betreffenden  Verse  stehen,  so  liegt  die  Ver- 
muthung  nahe,  sie  seien  nur  hinzugesetzt,  um  dem  Stück  den  An- 
schein eines  wohlgegliederten  Ganzen  zu  geben  oder  auch  nur,  um 
das  fünfzeilige  Metrum  herzustellen.  Jene  Formeln  sind  indess  nicht 
erst  vom  Bearbeiter  erfunden,  sondern  riihren  in  der  Hauptsache 
gewiss    von  Zarathustra    selbst   her.     Die  Formel:    diess   will    ich 


Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra     Schlussabhaiidlung.        223 

dich  fragen,  finden  wir  auch  in  einem  kleinen  acht  zarathustrischeu 
Stück  der  ersten  Sammlung  (31,  14 — 16),  die  beiden  andern,  dein 
dacht'  ich  und  so  will  ich  nun  verkündigen,  ebenfalls  (31,  8. 
30,  1).  In  dem  letzten  Stück  (Cap.  46)  der  zweiten  Sammlung 
fehlen  diese  Formeln  ganz,  aber  dennoch  ist  es  nicht  ohne  Absicht 
an  das  Ende  gesetzt,  wie  wir  gleich  sehen  werden.  Ausser  diesen 
regelmässig  wiederkelirenden  Formeln  lassen  sich  auch  andere  Spu- 
ren einer  Bearbeitimg  entdecken.  Wir  finden  nämlich  einige  Verse, 
deren  einzelne  GHeder  weder  mit  einer  vorhergegangenen  Formel, 
noch  unter  sich  zusammenhängen,  wie  diess  bei  44,  6  nnd  46,  3 
der  Fall  ist;  diese  sind  nämlich  aus  verschiedenen  kleinen,  meist 
nur  eine  Zeile  haltenden,  dem  Inhalte  nach  aber  nicht  verwandten 
Versen  zusammenge.<etzt.  Die  Sammlung  enthält  vorwiegend  zara- 
thustrische  Verse,  mehr,  als  die  erste  Gdthd.  Der  Plan  des  Sammlers 
und  Bearbeiters  scheint  der  gewesen  zu  sein,  den  Anhängern  der 
zarathustrischeu  Religion  ein  möglichst  getreues  Bild  der  Thätigkeit 
des  grossen  Mannes  zu  geben,  sowohl  seines  innern  geistigen  Ver- 
kehrs mit  Gott,  als  seiner  Wirksamkeit  nach  aussen.  Den  pas- 
sendsten Vordergrund  zu  diesem  Gemälde  bildeten  die  Verse,  in 
denen  Zarathustra  seinen  Beruf  zum  Propheten  und  Religionsstifter 
ausspricht  und  sich  auf  einen  höhern  Auftrag  beruft  (Cap.  43).  Aber 
ehe  er  öffentlich  auftreten  kann,  muss  er  von  Ahurafaazda  belehrt 
sein;  daher  richtet  er  an  diesen  Fragen  über  verschiedene  Gegen- 
stände, die  Schöpfung  der  Welt,  den  wahren  Glauben,  den  Grund- 
unterschied zwischen  Wahrheit  und  Lüge,  über  die  Opfer  etc. 
(Cap.  44).  Nachdem  er  so  berufen  und  belehrt  ist,  tritt  er  öffent- 
lich auf  und  verkündet  allen,  die  von  nah  und  fern  herbeiströmten, 
um  ihn  zu  hören,  die  Grundzüge  seiner  neuen  Lehre  (Cap.  45). 
Da  ausser  den  seine  Berufung,  seinen  von  Gott  empfangenen  Unter- 
richt und  sein  öffentliches  Auftreten  schildernden  Versen  auc  h  noch 
solche  vorhanden  waren,  die  sich  auf  seine  Schicksale  (46'  1«  2), 
sein  Wirken  in  seiner  Gemeinde  (46,  5.  6.  18.  19)  und  sein  Eifern 
gegen  die  Abgötterei  (46,  4.  10),  sowie  auf  den  Kreis  seiner  Freunde 
und  Genossen  (46,  13  ff.)  bezogen,  so  schloss  man  diese,  um  das 
Bild  von  dem  Leben  und  Wirken  des  Propheten,  soweit  es  noch 
aus  treuen  Ueberlieferungen  zu  erkennen  war,  zu  vervollständigen, 
passend  hier  an  (46).  Da  hienach  dem  Ganzen  ein  bewusster  Plan 
und  Zweck  zu  Grunde  liegt,  so  sind  wir  zu  der  Annahme  berech- 
tigt, die  zweite  Gdthd  habe  ursprünglich  ein  für  sich  bestehendes, 
von  den  übrigen  ganz  unabhängiges  Buch  gebildet.  Sie  scheint 
indess  in  der  jetzigen  Gestalt  wirklich  jünger  zu  sein,  als  die  erste, 
die  sich  mehr  an  die  treue  Ueberlieferung  hält  und  keinen  so  deut- 
lich ausgesprochenen  Plan  und  Zweck  hat. 

Die  dritte  Sammlung  (Capp.  47  —  50)  iässt  weder  einen  be- 
stimmten Plan,  noch  eine  Anordnung  nach  Inhalt  erkennen.  Ihr  Zu- 
stand ist  meist  fragmentarisch.  Sie  enthält  Loblieder  Ahiiramazda's 
(47,  1  —  3.    50,  7  — 10)    und    der  Armaiti  (48,  5.  6),   verschiedene 


224        Hang,  die  Gäthd's  des  Zarathustra.    Schlussabhandlung. 

iilte  Sprüche,  die  sich  auf  die  heilige  Ceremonie  der  Erzeugung 
des  Feuers  durch  Reiben  zweier  Hölzer  (47,  6),  auf  Zarathustra's 
Person  und  Lehre  (48,  1 — 4.  7)  beziehen,  sowie  Fragen  über  das 
Verhältniss  der  Wahrhaftigen  und  Lügner  (47,  4.  5)  und  die  Hilfe 
der  Wahrheit  gegen  die  Lüge,  der  Anhänger  Zarathustra's  gegen 
die  Götzendiener  (48,  8  — 11).  Das  merkwürdigste  Stück  dieser 
Sammlung  ist  indess  ein  historisches  Lied  aus  der  Zeit  des  grossen 
Religionskampfes ,  in  dem  als  Anführer  der  Gegner  Bmdva  genannt 
wird,  worunter  wohl  ein  Panduide  zu  verstehen  ist  (49,  1  —  5).  Das 
Eigenthümlichste  dieser  Sammlung  sind  indess  die  vielen  Verse,  die 
Zarathustra  selbst  zum  Gegenstand  haben;  vgl.  ausser  48,  1 — 4.  7. 
49,  12  namentlich  50,  5.  6,  wo  er  hauptsächlich  als  Liederdichter 
auftritt.  Aber  auch  seiner  Freunde  und  Genossen  ist  darin  gedacht 
(49,  7  ff.).  Das  grösste  zusammenhängende  Stück  ist  Cap.  50,  in 
welchem  die  Erdseele  den  Ahiiramazda  um  Hilfe  anruft  (vgl.  29)  und 
den  Zarathustra  als  ihren  und  seinen  Sprecher  nennt:  ob  es  aber 
ursprünglich  ein  Ganzes  war,  ist  fraglich.  Merkwürdig  sind  über- 
haupt die  Anklänge,  die  sich  in  der  ganzen  Sammlung  an  Cap.  29 
entdecken  lassen,  worin  der  Ursprung  eines  der  Erdseele  gewordenen 
alten  Orakelspruchs,  den  Zarathustra  an  die  Menschen  überbringt, 
erzählt  wird;  man  vgl.  ausser  Cap.  50  noch  47,  3.  48,  7.  9.  Hieraus 
scheint  mir  mit  einiger  Sicherheit  zu  folgen,  dass  diese,  Stücke 
später  als  jenes  Capitel  entstanden  sind  und  eine  Art  Ausführung 
seiner  Grundgedanken  enthalten.  Um  den  Stücken  indess  den  An- 
schein eines  zarathustrischen  Gepräges  zu  geben,  wurden  der  Samm- 
lung einige  ächte  Verse,'  wie  49,  7.  8.  47,  6  u.  s.  w.,  einverleibt. 

Die  vierte  und  fünfte  Sammlung,  die  den  geringsten  Um- 
fang, jede  nur  ein  Capitel  (51.  53)  haben,  sind  entschieden  später 
als  die  drei  ersten  und  enthalten  auch  bloss  nachzarathustrische 
Verse.  Wichtig  sind  indess  beide  durch  die  Nennung  der  Freunde 
und  Verwandten  Zarathustra's.  Ausser  den  in  den  frühern  Samm- 
lungen erwähnten  Namen  des  Kavd  Vistd^pa,  Frashaostra  und  De- 
gdmd^im  finden  wir  auch  den  von  Maidjo-mdonhd  (51,  19)  und  der 
Tochter  Zarathustra's  Pouru-ci^td  (53,  3).  Am  meisten  Eigenthüm- 
lichkeiten,  namentlich  auch  in  sprachlicher  Beziehung,  hat  die  fünfte 
Sammlung.  Sie  ist  zugleich  die  einzige,  in  der  einer  der  alten 
indischen  Götter,  nämlich  Vaju  (53,  6),  angerufen  wird.  Als  ein 
Ganzes  lässt  sich  keine  von  beiden  betrachten;  sie  sind  meist  aus 
vereinzelten  Versen  zusammengesetzt.  Ihrer  Stellung  nach  sind  sie 
nur  als  ein  Nachtrag  zu  den  drei  altern  Sammlungen  anzusehen. 
S.  weiter  die  Einleitungen  zu  Cap.  51  und  53. 

Wann  und  von  wem  diese  fünf  Sammlungen  veranstaltet  wurden, 
lässt  sich  beim  Mangel  aller  Angaben  in  spätem  Schriften  natürlich 
nicht  bestimmen.  Dass  diese  lange  vor  der  Abfassung  des  Jüngern 
Jagna  und  auch  des  Vendiddd  geschehen  sein  muss,  ist  aus  §.  1 
deutlich  zu  ersehen.  Obschon  jede  Sammlung  ein  gewisses  eigen- 
thümliches   Gepräge    hat,    so    möchte   ich    doch    nicht   die   einzelnen 


Haag,  die  Gdthas  des  Zarathudra.    Schhissabhandlung,        225 

Sammlungen  bestimmten  Familien  zuweisen,  wie  diess  bei  den  vielen 
kleinern  Liedersammlungen,  aus  denen  der  JRigveda  erwachsen  ist, 
geschehen  muss;  denn  an  eine  solche  Fortpflanzung  alter  Lieder  in 
einzelnen  Familien  kann  nach  dem  Auftreten  Zarathnstra's  bei  den 
Iräniern  nicht  gedacht  werden,  da  seine  Lehre  nicht  zur  Geheiin- 
lehre  bestimmt  war,  sondern  ein  Gemeingut  des  ganzen  Volkes 
oder  wenigstens  aller  seiner  Anhänger  werden  sollte.  Die  Gdthas 
mussten  beim  öffentlichen  Gottesdienst  vor  dem  Feueraltar  gesungen 
werden  und  waren  in  den  ältesten  Zeiten,  als  ihre  Sprache  noch 
Volkssprache  war,  gewiss  jedermann  verständlich.  Dagegen  liegt 
die  Vermuthung  nahe,  dass  sie,  wie  die  Gäthd's  des  Buddha,  von  den 
ersten  Anhängern  und  Schülern  des  Zarathustra  gesammelt  wurden. 
Aber  dagegen  scheinen  mehrere  Gründe  zu  sprechen.  1)  Die  Samm- 
lungen sind  zu  klein,  als  dass  angenommen  werden  könnte,  sie  ent- 
hielten auch  nur  das  Wichtigste,  was  der  grosse  Prophet  während 
seines  reichen  Lebens  wirkte  und  dichtete  und  was  doch  seinen 
Jüngern  bekannt  sein  inusste.  2)  Sind  die  von  Zarathustra  selbst 
und  die  von  seinen  Freunden  und  ersten  Jüngern  herrührenden  Verse 
nicht  geschieden,  was,  hätten  die  Schüler  die  Sammlung  veranstaltet, 
bei  der  grossen  Verehrung,  die  dem  Meister  gezollt  wurde,  gewiss 
geschehen  sein  würde.  3)  Wäre  es  kaum  denkbar,  dass  die  Jünger 
vorwiegend  solche  Verse,  die  oft  gar  keinen  Zusammenhang  haben, 
ihrem  Inhalt  nach  aber  deutlich  als  Theile  eines  grössern  Ganzen 
sich  ergeben,  gesammelt  und  aus  dem  Zusammenhang  der  voll- 
ständigen Lieder  herausgerissen  haben  sollten.  4)  Sind  die  ersten 
Freunde  und  Jünger  Zarathnstra's  Kavd  Vistd^pa,  Frashaostra,  De- 
gdmd^pa  etc.  in  allen  fünf  Sammlungen  in  der  Art  genannt,  dass 
nicht  angenommen  werden  kann,  sie  selbst  hätten  die  Sammlung 
veranstaltet;  so  haben  sie  z.  B.  ehrende  Prädikate,  gerade  wie  Za- 
rathustra selbst,  Frashaosira  und  Degdmd^pa  heissen  hvogvd  (s.  darüber 
zu  46,  16),  Maidjomdonhd  und  die  Haecata^pa's  führen  das  Prädikat 
Zarathnstra's  gpitama,  Vistd^pa  heisst  gewöhnlich  kavd  (dass  dieser 
Beiname  auch  fehlen  kann,  und  nicht  etwa  einen  unzertrennlichen 
Theil  des  Namens  bilde,  beweist  28,  8).  Wären  sie  selbst  die  Samm- 
ler, so  würden  wir  diese  Prädikate  ebenso  gut  vermissen,  als  in 
den  acht  zarathustrischen  Stücken  das  Beiwort  ^püama  fehlt. 

Da  sich  somit  durchaus  nicht  wahrscheinlich  machen  lässt,  dass 
Zarathnstra's  Jünger  die  Liedersammlungen  veranstaltet  haben,  so 
sind  wir  zu  der  Annahme  genöthigt,  dass  sie  erst  nach  jener  Zeit 
des  grossen  Religionskampfes,  nachdem  auch  die  Jünger  des  grossen 
Propheten  bereits  vom  irdischen  Schauplatz  abgetreten  waren,  ge- 
macht worden  sind.  Wie  sich  namentlich  aus  den  drei  letzten 
Sammlungen  und  auch  aus  einzelnen  Versen  der  ersten  (so  33,  14) 
ergiebt,  war  Zarathnstra's  Lehre  bereits  eine  sichere  Glaubensgrund- 
lage seiner  Gemeinde  und  er  selbst  Gegenstand  der  Reflexion  bei 
den  Bekennern  seiner  Lehre  geworden;  er  galt  bereits  als  Herr  und 
Abhandl.  der  DMG.    II,  2.  15 


220         Haug,  die  Gäthas  des  Zarathustra.    Schlussabhandlung. 

Haupt  der  ganzeu  irdischen  Schöpfung  (51,  12.  48,  7),  was  eines 
der  Hauptdogmen  des  spätem  Pärsisraus  ist,  die  sich  aber  in  den 
ächten  alten  Stücken  noch  nicht  entdecken  lässt.  Auch  seine  Freunde 
und  Genossen  sind  bereits  hochgefeierte  PersöuHchkeiten  und  eben- 
falls Gegenstand  der  Speculation  geworden.  Diess  alles  konnte  nur 
in  einer  Zeit  geschehen,  wo  der  persönliche  Einfluss  des  Meisters 
und  seiner  Jünger  nicht  mehr  wirken  konnte  und  sie  bereits  Gegen- 
stand der  Verehrung  geworden  waren.  Wenn  wir  100 — 200  Jahre 
nach  Zarathustra's  Auftreten  die  Sammlung  der  Gdthas  ansetzen, 
so  dürfte  dieser  Zeitraum  eher  zu  klein  als  zu  gross  sein. 

Dass  die  Verse  überhaupt  aus  so  alter  Zeit  sich  erhalten  haben 
und  dann  später  zusammengestellt  wurden,  hat  gewiss  einen  gottes- 
dienstlichen Grund.  Wie  bei  den  stammverwandten  Indern  bestimmte 
Verse  alter  Lieder  beim  Gottesdienst  oder  andern  feierlichen  Hand- 
lungen, bei  Opfern,  Bereitung  des  Somatranks,  Streuung  des  hei- 
ligen Grases,  bei  Leichenbegängnissen  etc.  gesungen  oder  recitirt 
wurden,  so  dürfen  wir  sicher  annehmen,  dass  die  Iranier  schon  in 
der  ältesten  Zeit,  vor  und  nach  der  Trennung  von  ihren  Stamm- 
verwandten, bei  den  einzelnen  gottesdienstlichen  Handlungen,  bei 
der  Verehrung  des  Feuers,  den  Opfern,  dem  Ackerbau,  der  eine 
heihge  Handlung  ist,  ebenfalls  alter  Verse  und  Sprüche  sich  bedien- 
ten. Vor  dem  Auftreten  Zarathustra's  waren  diese  ganz  oder  zum 
Theil  identisch  mit  denen  der  wedischen  Inder.  Nachdem  aber  durch 
das  Auftreten  des  grossen  Propheten  die  Wedaverse  als  Zauber- 
sprüche und  Lügenwerk  gebrandmarkt  waren,  so  mussten  die  Iranier 
andere  Verse  bei  ihren  gottesdiensthchen  Handlungen  gebrauchen. 
Dass  die  von  Zarathustra  selbst  und  seinen  Gefährten  stammenden 
dazu  verwandt  wurden,  obschon  sie  ursprünglich  gar  keine  solche 
Bestimmung  hatten,  verstand  sich  bei  der  grossen  Bedeutung,  die 
alle  von  dem  Religionsstifter  selbst  oder  aus  seiner  Zeit  stammenden 
Worte  bei  den  Bekennern  der  neuen  Religion  haben  mussten,  ganz 
von  selbst.  Im  Verlauf  der  Zeit,  nachdem  der  neue  Cultus  fester 
geregelt  war,  entstand  das  Bedürfniss,  diese  Verse  zu  sammeln  und 
zu  ordnen  und  daraus  ein  für  alle  Zeiten  geltendes  kanonisches 
Buch  zu  machen.  Da  neben  den  bloss  beim  Gottesdienst  gebrauch- 
ten Versen  auch  noch  einzelne  wenige  grössere  Lieder,  wie  Cap.  30, 
sich  erhalten  hatten,  so  wurden  auch  diese  mit  aufgenommen.  Ueber- 
haupt  müssen  die  Sammlungen  zu  einer  Zeit  veranstaltet  worden 
sein,  in  der  schon  ein  grosser  Theil  des  alten  Liederschatzes  un- 
widerbringlich verloren  war.  So  enthalten  diese  fünf  Sammlungen 
sicher  fast  alles,  was  schon  in  früher  Zeit  von  Zarathustra  selbst 
hergeleitet  wurde.  Die  Sammlungen  haben  grosse  Aehnhchkeit  mit 
denen  des  Sdmaveda  und  Jagurveda,  insofern  sie  mehr  vereinzelte 
Verse  und  Bruchstücke  als  ganze  Lieder  enthalten.  Ob  ein  Rigveda, 
d.h.  eine  möglichst  vollständige  Sammlung  ganzer  Lieder,  bei  den 
Iräniern  überhaupt  existirte,  möchte  zu  bezweifeln  sein;  Spuren 
davon  lassen    sich    keine    entdecken,    wenn    man   nicht   einzelne   im 


Haug,  die  Gdthas  des  Zaruthustra.    Schlussabhandlung.        227 

Vendidad  (namentlich  Fargard  2  u.  3)  erhaltene  Verse  dazu  rechnen 
will.  Auch  die  übrigen  wenigen  im  Ja^na  zerstreuten  Verse 
(15,  2.   54)  sprechen   nicht  dafür. 


3.    Sprache  und  Metrum. 

Die  Sprache  der  Gäthä's  unterscheidet  sich  von  der  des  grössten 
Theils  des  Zendawesta  und  bildet  einen  eigenen  Dialekt.  Ausser 
den  fünf  Gdthas  sind  in  demselben  nur  sehr  wenige  Stücke  vor- 
handen, die  aber  sichtlich  ebenfalls  der  altern  Literatur  angehören. 
Das  an  Umfang  bedeutendste  ist  der  Ja^na  haptanhaiti  (Ja^.  35 — 42), 
eine  kleine  Sammlung  älterer  Gebete.  Sonst  sind  nur  noch  einige 
wenige  Verse  hieher  zu  rechnen,  wie  die  drei  heiligsten  Gebete 
(Jac.  27,  13  ff.  4,  26  und  Ja9.  15,  2),  das  Airjema-  (Ja^.  54)  und 
das  Fshiiso-mäthro-Gehet  (Jaq,  58),  sowie  einige  kleine  poetische 
Stücke  des  Vendidad  (2,  26.  3,  35),  wo  indess  einige  der  äussern 
Spuren,  wie  Dehnung  des  Schlussvokals,  verwischt  sind. 

Vor  allem  fragt  es  sich,  ob  dieser  Dialekt  nur  dem  Alter  oder 
auch  dem  Ort  nach  von  der  gewöhnlichen  Sprache  des  Zendavesta, 
in  der  der  Vendidad,  der  jüngere  Ja^na,  Vispered  und  die  Jeschts 
nebst  den  andern  liturgischen  Stücken  abgefasst  sind,  verschieden 
sei.  Westergaard  (Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  des  Zendawesta, 
p.  16,  not.  2)  behauptet,  dass  der  Unterschied  zwischen  diesen  beiden 
Dialekten  weniger  in  der  Zeit  als  im  Ort  liege  und  dass  der  rauhere 
Dialekt  des  Ja^na  (d.  h.  des  älteren  Ja^na  mit  den  Gdthd's  an  der 
Spitze)  einer  Gebirgsgegend,  der  andere  dagegen  als  weicher  dem 
mildern  Klima  der  Ebene  angehöre.  Wenn  sich  nun  auch  nicht 
läugnen  lässt,  dass  einige  Spuren  auf  eine  etwas  verschiedene  Oert- 
lichkeit  führen,  so  sind  diese  doch  nicht  hinreichend,  um  ein  all- 
zugrosses  Gewicht  auf  diesen  Unterschied  zu  legen.  Er  scheint 
etwas  harter  zu  sein,  als  der  gewöhnliche  Dialekt,  wie  die  öfter 
vorkommenden  Häufungen  von  Consonanten  zu  Anfang  der  Worte, 
so  ptd,  Vater,  für  pitd  oder  patd,  khgdiy  ich  will  sein,  für  hi^di, 
khshmd,  ihr,  für  hishmd,  wie  am  Ende  zeigen,  vgl.  die  Imperfecta 
tdst  für  tashat,  er  schuf,  moi^t  für  moithafy  er  stiess,  coist  für 
coithat,  er  wusste,  etc.,  in  denen  sänimtlich  das  a  der  letzten 
Sylbe  ausgestossen  ist.  Aber  der  gewöhnliche  Dialekt  ist  auch  nicht 
ganz  frei  von  solchen  Härten,  wie  die  Bildungen  khstd  für  histä, 
fstdna  für  pistdna  beweisen.  Daher  kann  aus  diesen  Cousonanten- 
häufungen  auch  nicht  mit  Sicherheit  auf  einen  besondern  Gebirgs- 
dialekt  geschlossen  werden.  Neben  diesen  Härten  finden  sich  indess 
Spuren  entschiedener  Weichheit,  woraus  man,  da  diese  im  gewöhn- 
lichen Dialekt  fehlen,  das  gerade  Gegentheil,  dass  der  Gathädialekt 
den  Ebenen  angehöre,  vcrmnthcn  könnte.  Hieher  gehören  vor  allem 
die  so  hänfigen  Erweichungen  einzelner  Consonanten  und  ganzer 
Grni)pen,    wie  vdzdreiig   für  vd^treng  von  vd^tra,    Flur,    ddreilg  für 

15* 


228         Haxigy  die  Gäihas  des  Zaruthusira.    Schlussahhandhing. 

äthreftg  von  diar,  Feuer  (beides  Accus,  plur.),  ferner  die  Auflösun- 
gen einfacher  Sylben  in  doppelte  durch  Verwandlung  des  Halb- 
vokals j  in  ein  e,  so  eed^=jdy  Dehnung  von  Vokalen  im  Inlaut, 
wie  fpitdma  für  ^pituma,  und  Auslaut.  Die  Dehnung  des  Schluss- 
vokals eines  Wortes  ist  so  durchgängig  im  altern  Dialekt,  dass  sie 
gerade  eine  seiner  Haupteigenthümlichkeiten  bildet.  Diese  Umstände 
machen  die  Vermuthung,  er  sei  ein  Gebirgsdialekt,  unwahrschein- 
lich; aber  sie  beweisen  auch  nicht  das  Gegentheil,  dass  er  etwa 
den  Ebenen  angehöre.  Dagegen  lassen  sich  mehrere  dieser  Erschei- 
nungen aus  der  Liederform  und  dem  Singen  oder  Recitiren  der 
Gdthd's  erklären.  Die  einzelnen  Laute  wurden  sehr  deutlich  und 
bestimmt  ausgesprochen,  ebenso  die  einzelnen  Worte  bei  der  Reci- 
tation  möglichst  geschieden,  wohl  gerade  so,  wie  diess  in  der  Schrift 
geschehen  ist.  Da  die  Wörter  so  ungemein  häufig  auf  Vokale  aus- 
lauten, so  konnte  das  Wortende  am  deutlichsten  durch  Dehnung 
des  Schlussvokals  hervorgehoben  werden.  Einen  bloss  metrischen 
Grund  kann  dieselbe  nicht  haben,  da  sie  auch  in  den  prosaischen 
Stücken  des  Ja^na  haptanhaiti,  die  wohl  auf  dieselbe  feierliche  Weise 
wie  die  Gdthd's  recitirt  oder  gesungen  wurden,  sich  findet.  Vom 
Accent  konnte  sie  auch  nicht  wohl  herrühren,  denn  dann  müsste 
bei  allen  Wörtern  der  Accent  auf  die  letzte  Sylbe  gefallen  sein, 
was  nicht  bewiesen  werden  kann ;  zudem  kann  der  Accent  kaum 
die  Kraft  haben,  die  Vokale,  auf  die  er  fällt,  durchgängig  zu 
dehnen,  wie  wir  diess  weder  im  Sanskrit  noch  im  Griechischen 
finden.  Die  übrigen  Dehnungen,  wie  ^pitdma,  können  metrische 
Gründe  haben,  wie  wir  ja  derartige  metrische  Dehnungen  auch  im 
Weda  finden.  Ebenso  haben  die  Verkürzungen  zum  Theil  auch 
metrische,  zum  Theil  aber  auch  Accent-Gründe,  wenn  der  Ton  rasch 
nach  hinten  eilte,  so  sicher  bei  ptd  für  jntd  =  TuaTTJp.  In  Folge 
dieser  Verkürzungen  mussten  Gruppen  von  Consonanten,  die  öfter 
etwas  hart  lauten,  entstehen;  so  konnte  higdi  bei  Ausstossung  des  i 
nur  kh^ai  werden,  da  hs  keine  Lautverbindung  ist,  weil  das  weiche 
Ä,  um  sich  halten  zu  können,  sogleich  zu  kh  sich  erhärten  muss. 

Wenn  auch  aus  den  bis  jetzt  angeführten  EigenthümUchkeiten 
kein  sicherer  Schluss  auf  eine  örtliche  Verschiedenheit  der  beiden 
Dialekte  gemacht  werden  kann,  so  lassen  sich  dagegen  einige  andere 
aufzeigen,  die  dieser  Vermuthung  mehr  Raum  zu  geben  scheinen. 
Hieher  gehört  vor  allem  das  ungewöhnlich  häufige  Vorkommen  des 
Vokales  e,  der  dem  Anschein  nach  (s.  die  Grammat.)  nur  eine  Ab- 
art des  i  ist,  namentlich  für  o  im  Auslaut,  so  ke  für  ko,  je  für  j6, 
ve  für  v6,  ne  für  no,  vace  für  vaco,  und  e,  so  avare  für  avare  =  avo, 
Hilfe.  Ein  metrischer  oder  ein  in  der  Recitation  liegender  Grund 
kann  hier  nicht  angenommen  werden;  ein  derartiger  Vokalwechsel 
weist  auf  eine  wirklich  dialektische  Verschiedenheit,  und  zwar  hier 
weniger  auf  eine  zeitliche,  als  eine  örtliche.  Indess  ist  dieser 
Wechsel  nicht  durchgreifend,  da  wir  oft  genug  auch  6  im  Auslaut 
finden.    Eine  andere  mehr  locale  Eigenthümlichkeit  ist  der  Wechsel 


Haag,  die  Gdthas  des  Zarathustra.    Scidussahhandhmg.        229 

des  t  mit  9  am  Ende;  so  haben  wir  cina^  (pait.  praes.)  für  cinat^ 
Qtavag  für  ^tavat  etc.,  aber  auch  dieser  ist  nur  zerstreut  und  nicht 
durchgreifend  genug,  um  viel  darauf  gründen  zu  können.  Andere 
Spuren  einer  verschiedenen  Oerthchkeit  lassen  sich  nicht  auffinden. 
Da  diese  somit  ganz  gering  sind,  so  sind  wir  auch  gar  nicht  be- 
rechtigt, eine  bedeutende  örtliche  Verschiedenheit  der  beiden  Dia- 
lekte anzunehmen.  Derartige  kleine  Verschiedenheiten  in  der  Vokal- 
aussprache finden  sich  oft  in  nahgelegenen  Orten ;  sie  scheinen  mehr 
die  eines  kleinen  Bezirkes,  vielleicht  nur  eines  einzelnen  Dorfes  zu 
sein.  Dass  bie  aber  so  treu  bewahrt  worden  sind,  beweist,  dass 
sie  für  sehr  wichtig  gehalten  wurden.  Daher  liegt  die  Vermuthung 
nahe  genug,  es  sei  der  Dialekt  von  Zarathustra's  Heimathsort  ge- 
wesen. Diess  ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  Zarathustra  ja  bei 
grossen  Volksversammlungen  seine  Lieder  und  Sprüche  vortrug,  so- 
dass jedermann  seinen  Dialekt  hören  konnte.  Bei  der  grossen  Wich- 
tigkeit, die  man  seinen  Worten  beilegte,  säumte  man  gewiss  nicht, 
sie  möglichst  getreu  so,  wie  der  Prophet  sie  selbst  gesprochen,  der 
Nachwelt  zu  überliefern. 

Weit  grösser  und  bedeutender  sind  dagegen  die  Unterschiede 
des  Alters.  In  dieser  Beziehung  steht  der  Gäthädialekt  zu  dem 
gewöhnlichen  Baktrischen  in  demselben  Verhältniss  wie  die  Sprache 
der  Weda's  zum  classischen  Sanskrit  oder  wie  das  Griechische  des 
Homer  zu  dem  classischen.  Dieser  Unterschied  zeigt  sich  sowohl 
in  der  Formenlehre  als  im  Wortschatz.  Da  alles  dieses  näher  und 
eingehender  in  der  Grammatik  behandelt  wird,  so  genügt  es,  hier 
einige  wichtige  Punkte  hervorzuheben.  Vor  allem  ist  die  Tmesis, 
die  Trennung  der  Präposition  von  ihrem  Verbum,  wie  im  Weda 
und  Homer,  hieher  zu  rechnen.  Ebenso  finden  wir  durchgängig 
den  (wedischen)  Infinitiv  auf  djdi,  der  in  den  spätem  Büchern  kaum 
zu  treffen  ist.  Der  Dual  ist  vollständiger  erhalten,  sowohl  im  Nomen 
als  im  Verbum.  Der  Genitiv  sing,  hat  noch  die  regelrechte  Form 
ahja  oder  härter  aqja  =  asja,  während  später  die  kürzere  a/«^  ge- 
bräuchlich ist.  Der  Accusat.  plur.  der  Nomina  auf  a  endigt  sich 
auf  efig,  vor  cä  auf  «9  und  entspricht  genau  der  wedischen  Form 
auf  ans.  Unter  den  Verbalbildungen  ist  vor  allem  die  erste  Person 
Conjunct.  sing.  (Voluntat.)  auf  di  und  kürzer  d  bemerkenswerth.  Das 
Augment  erscheint  noch  freier  gebraucht,  so  beim  Imperativ  und 
Conjunctiv,  wie  wir  ähnliches  auch  im  Weda  finden.  Ueberhaupt 
sind  die  grammatischen  Formen  durchgängig  fester  und  bestimmter 
als  in  der  spätem  Sprache,  und  von  der  Casusverwirrung  der  letztem 
ist  in  der  Liedersprache  kaimi  etwas  zu  verspüren.  Ausserdem 
finden  wir  manche  eigenthümliche,  aber  wie  die  Sprachvergleichung 
zeigt,  sicher  alte  Formen;  so  maibjd  =  mihi ,  mir,  iaihjd  =  tibi, 
dir,  mahjd ,  maqjdo ,  meiner,  thwahjd,  thwaqjdo,  deiner;  khshmd, 
i  h  r  (si  -\-  smaj ,  ehmd  (i  +  sma) ,  dieses  da,  eben  das,  cahjd , 
wessen?  cow,  von  wem,  wessen?  cici^  was  nur,  zdl,  sei, 
frtf,    seiend,   =  sant  (oder  eher  gleich  asant,    von  af,    er   war). 


230        Hang,  die  Gclthas  des  Zarathustra.    Schlussabhandliüig. 

ifojd,  ich  möchte  haben,  akojd,  ich  will  mich  schlimm  zeigen 
(s.  zu  43,  8),  «•  s.  w. -,  ferner  ältere  Pronominalpartikeln  wie  hjat,  da, 
daher,  jjat,  woher,  nämlich,  gat  (von  dem  wedischen  gha  =  jz), 
im,  i  etc.  Ebenso  wie  in  der  Grammatik  zeigt  sich  auch  im  Wort- 
schatz durchgängig  eine  wirklich  ältere  Sprache.  Manche  Wörter 
und  Wortgebilde  sind  später  ganz  verloren  oder  nur  als  Reminiscen- 
zen  gebräuchlich;  so  rdni  =  arani,  Reibholz,  der  Name  der 
Erde  ränjo^kerett ,  tashd,  Bildner,  maretan,  Sprecher,  apan, 
ein  Wegnehmer,  iirvdtem,  der  Ausspruch,  irikhtem,  Abwehr, 
airjemd  in  dem  Sinne  von  Client,  Genosse,  =  arjaman^  ^ari, 
Schöpfung,  arem-pithwd,  Mittag,  ä^ti,  Angst,  debäz,  verdop- 
peln, avapagti,  Flur,  afigro  =:  angiras,  arem  =  aram,  bereit, 
vorhanden  u.  s.  w. 

Hieraus  ergiebt  sich  mit  Sicherheit,  dass  der  Gäthädialekt  älter 
sein  muss,  als  die  gewöhnliche  Sprache.  Jener  Dialekt  läuft  der 
Sprache  des  Weda  ganz  parallel  und  ist  sicher,  wie  wir  weiter  im 
folgenden  Abschnitt  sehen  werden,  ebenso  alt  und  nur  mundartlich 
davon  verschieden.  Von  allen  iranischen  Dialekten  ist  er  der  älteste 
nnd  hat  die  grammatischen  Formen  am  treusten  und  vollständigsten 
bewahrt.     S.  weiter  die  Grammatik. 

Die  Metra  der  Gdthd's  zeigen  keine  grosse  Mannigfaltigkeit. 
Wir  können  vier  Arten  unterscheiden,  nach  welchen  die  einzelnen 
Sammlungen  geordnet  sind.  Bei  jedem  hat  die  Strophe  eine  be- 
stimmte Anzahl  von  Verszeilen.  Die  erste  Sammlung  hat  fast  durch- 
gängig ein  16sylbiges  Metrum;  drei  Verszeilen  bilden  eine  Strophe. 
Der  Quantität  nach  ist  es  vorwiegend  jambisch;  doch  lassen  sich 
hier  keine  bestimmten  Gesetze  auffinden.  Jede  Strophe  hat  48  Syl- 
ben  und  entspricht  somit  einer  doppelten  wedischen  Gdjatri  oder 
einer  iy2 fachen  Anushtubh,  woraus  der  (^loka  hervorgegangen  ist. 
Die  Grundlage  dieses  Metrums  sind  Sfüssige  Halbverse,  woraus  bei 
den  Indern  sowohl  die  Gdjatri  als  der  ^loka  hervorgegangen  ist. 
Wir  haben  demnach  in  der  Mitte  eines  jeden  Verses,  meist  nach 
dem  siebenten  Fuss,  eine  Cäsur  anzunehmen.  Die  zweite  und  dritte 
Sammlung  zeigen  gleichmässig  ein  llsylbiges  Metrum,  nur  mit  dem 
Unterschied,  dass  es  in  jener  fünf-,  in  dieser  nur  viermal  in  der 
Strophe  wiederholt  ist.  Letzteres  ist  vollständig  die  wedische 
Trishtuhh.  Nur  selten  fehlt  eine  Sylbe.  Die  vierte  Sammlung  zeigt 
ein  14sylbiges  Metrum,  das  dreimal  wiederholt  eine  Strophe  bildet. 
Dieses  ist  nur  eine  Abkürzung  des  Ißsylbigen,  indem  jedem  Halb- 
vers (Pada)  bloss  7  Sylben  gegeben,  sie  also  durchgängig  kata- 
lektisch  sind.  Die  fünfte  Sammlung  vereinigt  diese  drei  Arten  von 
Metra,  die  jedoch  öfter  gestört  sind.  Sie  hat  vierzeilige  Strophen; 
die  zwei  ersten  haben  ein  kürzeres,  die  beiden  letztern  ein  längeres 
Metrum.  Bei  dieser  Sylbenzählung  gelten  ere  und  are,  wenn  ein 
einfacher  Consonant  folgt  (erezus  43,  3,  pere(^at  43,  7)  einsylbig, 
das  e  im  Inlaut  wird  oft  gar  nicht  gezählt,  da  es  nur  den  Sinn 
eines    hebräischen    Schwa   hat    (vgl.    aeshemetn    30,  6),    ebenso    das 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.    Schlussabhandlimg.        231 

kurze  a,  namentlich  in  skjaothana.  Consonantengrnj>pen  wie  nj,  rj,  rv 
mit  folgendem  Vokal  gelten  als  zweisylbig  (j^^njd  30,  1 ,  frjdi  44,  1, 
a^rüdtem  30,  3).     S.  weiter  hierüber  die  Grammatik. 


4.    Dichter  und  Zeitalter. 

Als  Dichter  der  Gdthd's  ist  im  Zendawesta  selbst  (Ja^.  28,  1. 
53,  1.  57,  8)  Zarathustra  genannt.  Diese  Angabe  hat  an  sich  mehr 
Wahrscheinlichkeit  als  die  der  jetzigen  Parsen,  welche  den  ganzen 
Zendawesta  dem  Zarathustra  zuschreiben ;  denn  in  diesem  selbst 
wird  ausser  den  Gdthas  nichts  ausdrücklich  auf  Zarathustra  selbst 
zurückgeführt;  im  Vendidad  und  den  übrigen  spätem  Schriften  wird 
von  ihm  in  der  dritten  Person  geredet,  so  dass  diese  Schriften  auch 
nicht  einmal  den  Anschein  haben,  von  Zarathustra  selbst  verfasst 
zu  sein,  sondern  nur  als  Berichte  über  seine  von  Gott  empfangenen 
Belehrungen  gelten  wollen.  In  den  Gdthd's  dagegen  spricht  der 
Dichter  durchgängig  in  der  ersten  Person,  der  Einzahl  (30,  1.  44,  1. 
45,  1  etc.),  der  Zweizahl  (46,  16.  43,  10  etc.)  und  der  Mehrzahl 
(30,9.  32,1  etc.);  daneben  finden  sich  freilich  auch  Verse,  wo  von 
Zarathustra  in  der  dritten  Person  geredet  wird  (29,  8.  33,  14. 
49,  12).  Der  Dichter,  der  in  der  ersten  Person  von  sich  redet, 
kann  natürlich  auch  ein  anderer  als  Zarathustra  jrein  und  ist  es  in 
mehreren  Stücken  sicher.  Aber  es  sind  sichere  Zeichen  vorhanden, 
dass  Zarathustra  selbst  wirklich  mehrere  der  vorhandenen  Lieder 
und  Liederverse  gedichtet  hat.  Um  diese  wichtige  Thatsache  be- 
weisen zu  können,  müssen  wir  vor  allem  die  Art  und  AVeise,  in 
der  der  Name  Zarathustra  erwähnt  wird,  besprechen.  Diese  ist 
eine  dreifache.  1)  Der  Name  findet  sich  in  Verbindung  mit  der 
ersten  Person  sing,  verbi  43,  8:  Diesem  (dem  ^raosha)  sagte 
ich  :  erstlich  bin  ich  Zarathustra  (er  war  nach  seinem  Namen 
gefragt  worden);  zeigen  will  ich  mich  jetzt  als  Feind  der 
Lügner,  aber  als  mächtigen  Helfer  der  V^ahrhaftigen,  und 
mit  dem  Pronomen  der  ersten  Person  46,  19:  wer  mir  (für  mich), 
dem  Zarathustra,  dieses  wirkliche  Leben  am  meisten  för- 
dert (am  meisten  zum  Gedeihen  des  Lebens  durch  Ackerbau,  Baum- 
pflanzung etc.  beiträgt),  dem  wird  als  Lohn  das  Geistesleben 
verliehen.  2)  Zarathustra  wird  mit  Namen  angeredet  46,  14: 
wer  ist  dein  wahrhaftiger  Freund,  Zarathustra?  Die  Ant- 
wort ist,  dass  dieser  Kavd  Vistd^pa  sei.  3)  Am  häufigsten  wird 
von  Zarathustra  in  der  dritten  Person  geredet.  In  diesem  Fall  wird 
er  einmal  so  erwähnt,  dass  er  unverkennbar  als  Anwesender  oder 
wenigstens  als  Mitlebender  erscheint;  so  28,  7:  gieb  dem  Za- 
rathustra und  uns  mächtige  Hilfe;  und  43,  16'):  So, 
Lebendiger!    betet  Zarathustra   selbst    für  jeden,    der  den 


')  Nachdem  v.  15  ein  acht  zarathustrischer  Spruch  angeführt  worden. 


232        Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.    Schlussahhandlang. 

(guten)  Geist  wählt,  d.  h.  für  jeden  seiner  Anhänger.  Die  übrigen 
Stellen  (29,  8-  33,  14.  46,  13.  49,  12.  50,  6.  51,  11.  12.  15. 
53,  1.  2)  lassen  es  ganz  zweifelhaft,  ob  Zarathustra  noch  als  lebend 
zu  denken  ist  oder  nicht;  mehrere  führen  entschieden  darauf,  dass 
sein  Wirken  schon  ganz  abgeschlossen  und  ein  Gegenstand  der 
Speculation  geworden  war  (33,  14.  vgl.  48,  4.  51,  12),  und  seine 
Person  selbst  bereits  als  heilig  betrachtet  wurde  (46,  13),  wie 
namentlich  aus  dem  Prädikat  Qpitama,  hochheilig,  zu  erhellen 
schemt  (29,  8.  51,  11.  12.  53,  1).  Aber  aus  den  unter  1)  ange- 
führten Stellen  folgt  mit  Sicherheit,  dass  Zarathustra  selbst  der 
Dichter  ist.  In  dieser  Art  hätte  doch  sicher  keiner  der  frühesten 
Nachfolger  (und  nur  an  die  ältesten  ist  in  den  Gdthas  zu  denken) 
des  Propheten  aus  Ehrfurcht  vor  dem  grossen  Meister  zu  reden 
gewagt;  denn  er  würde  dadurch  einen  groben  Betrug  begangen 
haben;  ein  solcher  aber  konnte,  da  Zarathustra  vor  grossen  Volks- 
versammlungen öffentlich  lehrte,  in  früher  Zeit  nicht  gut  gewagt 
werden  und  hätte  auch  keinen  Sinn  noch  Zweck  gehabt.  Die  unter  2) 
ausgehobene  Stelle  scheint  sich  auf  ein  Zwiegespräch  zwischen  Za- 
rathustra und  einem  seiner  Freunde  zu  beziehen.  Von  den  unter  3) 
ausgeschriebenen  beweist  wenigstens  28,  7,  namentlich,  wenn  man 
die  zwei  nachfolgenden  Verse  vergleicht,  dass  Zarathustra  selbst  bei 
der  Opferhandlung,  während  welcher  jene  Verse  recitirt  wurden, 
zugegen  war.  43,  16  ist  das  Beten  Zarathustra's  für  seine  An- 
hänger als  ein  wirklich  geschehendes,  gegenwärtiges,  nicht  als  ein 
geschehenes  erwähnt. 

Steht  schon  hiedurch  unzweifelhaft  fest,  dass  wir  in  den  Gdthd's 
wirklich  von  Zarathustra  selbst  oder  von  seinen  nächsten  Freunden 
herrührende  Verse  besitzen,  so  kann  diess  noch  weiter  aus  dem 
Inhalt  vieler  Stücke  mit  der  grössten  Wahrscheinlichkeit  gefolgert 
werden.  Hier  kündigt  sich  ein  Mann  als  Prophet  an  (32,  13),  sagt, 
dass  ihm  von  Ahuramazda  öffentlich  aufzutreten  (43,  12)  befohlen 
sei;  er  fragt  Gott  und  wird  von  ihm  unterrichtet  (Cap.  44),  er 
tritt  vor  grossen  Volksversammlungen  wirkHch  auf,  fordert  Glauben 
an  seine  neue  Lehre  und  eine  entschiedene  Trennung  der  Wahr- 
haftigen und  der  Lügner  (Cap.  30.  45,  1  —  5);  er  beruft  sich  auf 
göttliche  Offenbarungen  und  auf  die  Sprüche  des  Erdgeistes  (30,  1.  2); 
seine  Grundlehren  sind  die  Existenz  von  zwei  Urkräften,  dem  Sein 
und  Nichtsein,  dem  Guten  und  Bösen,  in  der  Dreiheit  von  Ge- 
danken, Wort  und  That  (30,  3);  er  bekämpft  aufs  heftigste  den 
Götzendienst  und  die  Lehren  der  Götzenpriester  als  Unheil  und 
Verderben  bringend  (Cap.  32),  fordert  sogar  zur  Ermordung  der 
Götzendiener  auf  (31,  18.  46,  4)  und  findet  natürlich  viel  Wider- 
stand (32,  13.  34,  7.  46,  1);  er  ist  umgeben  von  Freunden,  die 
Frashaostra,  Vutd^pa  und  Degdmdgpa  heissen  (49,  8.  9.  46,  14); 
daher  redet  er  öfter  in  der  Mehrzahl:  wir  wollen  sein  (32,  1. 
49,  8.  vgl.  30,  6.  9),  und  auch  in  der  Zweizahl:  rettet  uns  beide 
(34,  7),    komm    mit    den    Treuesten,    Frashaostray    die    wir 


Hang,  die  Gdt/ias  des  Zarathustra.    Schlussabhandlung.        233 

beide  erwählt  (46,  16);  aus  welch  letzterer  Stelle  klar  ist,  dass 
der  eine  von  den  beiden   Frashaostra  heisst. 

Nach  alle  dem  zu  schliessen,  war  dieser  Mann  eine  gewaltige 
hervorragende  Persönlichkeit,  der  durch  seine  Lehre  und  durch  seine 
Bekämpfung  des  althergebrachten  Götterglaubens  eine  grosse  ge- 
schichtliche Bewegung  hervorrief,  deren  Schluss  eine  gänzliche  Tren- 
nung der  beiden  streitenden  Religionen  war.  Seine  Lehre  war  etwas 
Neues  und  begeisterte  viele  ihm  nachzufolgen.  Wer  anders  kann 
dieser  gewaltige  Mann  gewesen  sein  als  Zarathustra,  den  die  Iranier 
als  ihren  Religionsstifter  nennen?  Er  tritt  als  handelnde  Person 
auf,  nicht  bloss  als  solche,  über  die  berichtet  wird,  wie  später 
durchgängig.  Indess  haben  wir  noch  einen  andern  Beweis,  als  einen 
blossen,  wenn  gleich  folgerechten  und  sichern  Schluss,  dass  jene 
hervorragende  Persönlichkeit  wirklich  Zarathustra  selbst  ist.  Die 
Lehre  von  der  Dreiheit :  Gedanken,  Wort  und  That,  die  sich  30,3 
vorgetragen  findet,  wird  33,  14  gerade  eine  der  Grundlehren  Za- 
rathustra's  genannt,  vgl.  48,  4.  Der  Dichter  von  30,  2  beruft  sich 
auf  die  Aussprüche  der  Erdseele ;  29,  8  ist  Zarathustra  ausdrücklich 
als  derjenige  genannt,  der  ein  der  Erdseele  von  Ähuramazda  ge- 
gebenes Orakel  den  Menschen  überbringen  soll,  und  50,  6  erscheint 
er  geradezu  als  Dolmetscher  der  Geheimnisse  derselben.  Die  Najnen 
Vtstdgpa,  Frashaostra ,  Gdmä^pa  gehen  durch  die  ganze  parsische 
Sage  als  die  der  Freunde  und  eifrigsten  Anhänger  Zarathustra's. 

Dass  somit  in  den  Liedersammlungen  ächte  zarathustrische  Verse 
vorhanden  sind,  lässt  sich  hienach  nicht  bezweifeln.  Zu  diesen 
rechne  ich  28,  11.  12.  Cap.  30.  31,6  —  22.  Cap.  32.  33,1  —  5. 
Capp.  43.  44.  45,  6—10.  46,  1—11.  16—19.  Cap.  47.  49,  6—11. 
Sie  sind  an  der  einfachen,  klaren  und  schwungvollen  Sprache  (vgl. 
namenthch  Cap.  30.  31,  7.8.  44,3  fr.  45,6  —  10),  während  die 
übrigen  oft  allen  poetischen  Schwunges  entbehren  und  nur  in  metrische 
Formen  gebrachte  Prosa  sind,  sowie  an  der  scharfen  und  zum  Theil 
rein  persönlichen  Polemik  gegen  die  Abgötterei  und  die  Götzen- 
priester leicht  kenntlich  (vgl.  Cap.  32.  31,  17  ff.  44,  12  ff.).  Be- 
sonders stark  tritt  in  diesen  Versen  Ähuramazda  nur  als  der  einzige 
wirkliche  wahre  Gott,  der  Schöpfer  des  Himmels  und  der  Erde 
(44,  3  —  5),  der  Geister-  wie  der  Körperwelt  (31,  7.  8),  vor  den 
übrigen  himmlischen  Genien  hervor  (47),  während  in  den  nicht- 
zarathustrischen  Stücken  diese  weit  häufiger  mit  ihm  und  neben 
ihm  angerufen  werden.  Stark  betont  wird  auch  die  Zweiheit  von 
Körper  und  Geist,  der  das  irdische  und  das  geistige  Leben  ent- 
spricht. In  sprachlicher  Hinsicht  bemerken  wir  mancherlei  Eigen- 
thümliches.  Vor  allem  die  Formeln :  diess  will  ich  fragen,  dein 
dacht'  ich,  so  will  ich  nun  verkündigen  (vgl.  §  3);  die  Zu- 
sammenstellung von  qaetus,  Herr,  airjemä ,  Schutzgenosse, 
Freund,  und  verezena,  Diener  (32,  1.  33,  3.4.  46,  1.  49,  7)-, 
die  Redeweise:  wie  einer  dem  Freunde  giebt  oder  wie  ein 
Freund  dem  Freunde  giebt  (43,  13.  46,  2),  der  Meinige  (sage 


234        Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.    Schlussabhandlung. 

es)  dem  D einigen  44,  1.  vgl.  46,  7;  die  Ausdrücke  maretdno,  Pro- 
pheten, eigentl.  Sprecher  (30,  6.  32,  12.  vgl.  43,  14),  änmd, 
Seele  (30,  7.  44,  20.  45,  10),  arigrö  =  arigiras ,  hell,  glänzend 
(43,  15.  44,12). 

Der  grössere  Theil  der  Verse  der  Liedersammlungen  stammt 
indess  nicht  von  Zarathustra,  sondern  rührt  theils  von  seinen  ersten 
Jüngern  und  Gefährten,  theils  von  noch  spätem  Nachfolgern  her. 
Eines  der  sichersten  Kennzeichen,  dass  ein  Vers  nicht  von  Zara- 
thustra herrührt,  ist  das  Prädikat  ^intama^  das  er  sich  selbst  nie 
beilegt  und  das  ihm  auch  seine  Freunde  noch  nicht  gegeben  zu 
haben  scheinen  (28,7);  von  selbst  versteht  sich  die  nichtzarathustrische 
Abfassung  eines  Verses,  wenn  von  ihm  in  der  dritten  Person  ge- 
sprochen wird  (33,  14.  50,  6);  ebenso  wenig  können  solche  Verse 
von  ihm  herrühren,  die  Anspielungen  auf  ihn  enthalten,  wie  34,  2. 
48,  7,  wo  von  dem  heiligen  Manne,  dem  Grossen,  der  Ab- 
trünnige verstösst  (33,  9),  die  Rede  ist,  noch  weniger  die,  in  denen 
er  bereits  eine  dogmatische  Persönlichkeit  als  Herr  der  ganzen 
Schöpfimg  (51,  12)  und  seine  Lehre  Gegenstand  der  Speculation 
geworden  ist  (48,  4).  Von  wem  diese  Stücke  verfasst  seien ,  lässt 
sich  natürlich  nicht  bestimmen.  Nur  haben  wir  allen  Grund  zu  ver- 
muthen,  dass  manches  den  Gefährten  Zarathustra's  zugeschrieben 
werden  darf,  wie  28,  7  —  9,  wo  der  Dichter  von  Vistd^pa,  Fra- 
shaostra  und  Zarathustra  als  anwesenden  Personen  redet,  33,6  —  10 
wo  auf  Zarathustra  (^magavd,  v.  7)  als  einen  Lebenden  ange- 
spielt wird.  Viele  Verse  wurden  indess  wahrscheinlich  erst  von 
spätem  Dichtern  verfasst,  die  100  Jahre  oder  noch  länger  nach 
Zarathustra  lebten. 

Ob  wir  auch  vorzarathustrische  Verse  in  den  Liedersammlungen 
haben,  ist  etwas  fraglich,  doch,  da  sich  Zarathustra  selbst  auf  Pro- 
pheten (30,  6)  beruft,  nicht  unwahrscheinlich.  Vielleicht  gehört  zu 
diesen  28,  2—6  (s.  p.  40)  und  31,  2.  3  (s.  I,  p.  118). 

Die  Zeit  der  Abfassung  genau  zu  bestimmen,  ist  bei  allem 
Mangel  chronologischer  Daten  ein  Werk  der  Unmöghchkeit;  wir 
werden  uns,  wie  bei  den  Weden,  mit  allgemeinem  Schätzungen 
begnügen  müssen.  Die  Frage  ist  um  so  wichtiger,  als  sie  mit  der 
von  Zarathustra's  Zeitalter  eigentlich  identisch  ist.  Vor  allem  fragt 
es  sich,  welche  Zeit  und  Verhältnisse  finden  wir  geschildert ^  die 
uns  einen  Anhaltepunkt  zu  Schlüssen  geben  können.  Der  kräftige 
polemische,  ja  selbst  fanatische  Geist,  der  in  den  altern  Liedern 
weht,  weist  auf  die  Zeit  eines  grossen  Religionskampfes,  der  zwischen 
zwei  stammverwandten  Völkern,  die  bisher  dieselbe  Religion  und 
Sitten  gehabt  und  friedhch  neben  einander  gewohnt  hatten,  ausge- 
brochen war.  Dass  die  Völker  wirklich  nahverwandt  waren  und  zu- 
sammen lebten,  geht  klar  aus  30,  2.  29,  5.  33,  1—5  hervor;  34,  7 
ist  sogar  von  dem  Nächsten  die  Rede,  der  für  immer  vom  Him- 
mel ausgeschlossen  werden  soll.  Der  Kampf  ist  vorzugsweise  gegen 
die   Daevd's  oder  Götter   und   die  Kdvajas  und  Karapano    als  deren 


Hang,  die  Gdthas  des  Zaraihiistra.    Schlussahhandlang.        235 

Priester  und  Propheten  gerichtet;  einer  derselben  heisst  Grehma 
(32,  12 — 14);  ein  anderer  Feind  des  neuen  Glaubens  ist  Befidvo 
(49  i  1.  2);  als  Feind  überhaupt  ohne  nähere  Beziehung  auf  den 
Glauben  ist  Frjdna  (46,  12)  aufgeführt.  Die  Verehrer  der  Götter 
heissen  dregväo,  d.  i.  Lügner,  die  Verehrer  Ahuramazdas  ashavä, 
d.  i.  Wahrhaftige.  Der  grosse  Kampf  scheint  blutig  gewesen  zu  sein, 
da  einigemal  Schlachten  und  streitende  Heere  erwähnt  werden  (32,  7. 
44,  15)  und  von  der  Ermordung  der  Lügner  mit  dem  Schwerte  die 
Rede  ist  (31,  18.  vgl.  46,4).  Wer  diesen  Kampf  hervorgerufen, 
ist  nicht  genau  zu  ermitteln.  Keine  Spur  führt  auf  den  Anfang 
desselben ;  überall  finden  wir  uns  mitten  darein  versetzt.  Nur  soviel 
ist  klar,  dass  es  nicht  bloss  eine  neue,  vom  bisherigen  Volksglauben 
abweichende  Lehre,  sondern  auch  eine  neue  Sitte  war,  die  jene 
gewaltige  Bewegung  verursachte.  Die  neue  Lehre  war  die  von 
zwei  Grundkräften,  dem  Sein  und  Nichtsein,  Guten  und  Bösen  in 
Gedanken,  Wort  und  That;  dieser  schloss  sich  die  von  Ahuramazda, 
als  dem  einzig  wahren  Gott  und  Schöpfer  des  Himmels  und  der 
Erde,  der  mit  mannigfachen  Kräften  ausgestattet  ist  und  der  das 
Reich  des  Guten  fördert,  an.  Die  neue  Sitte  war  der  Ackerbau 
und  das  sesshafte  Leben.  Ueberall  wird  die  Bebauung  der  Erde 
als  ein  verdienstHches  Werk  gepriesen  und  mit  besonderem  Nach- 
druck hervorgehoben;  sie  selbst  unter  mehreren  Namen,  Annaiti, 
Rdnjd^kereti,  gepriesen;  der  Erdgeist  selbst  wird  redend  eingeführt 
(29.  50)  und  verlangt  Hilfe  und  Schutz  gegen  die  Verderber.  Be- 
sonders eifrig  wird  über  der  Erhaltung  der  Gaethd's,  der  eingefrie- 
digten Familienbesitzungen,  welche  von  den  Feinden  so  häufig  an- 
gegriffen werden,  gewacht.  Die  Gegner  sind  Feinde  des  Ackerbaus 
und  suchen  die  Besitzungen  zu  zerstören,  daher  wird  eine  Tren- 
nung von  ihnen  gefordert  (29,  5.  30,  2).  Daraus  ist  klar,  dass  es 
nicht  etwa  fremde  turänische  Stämme  waren,  die  Raubzüge  gegen 
die  Iränier  unternahmen,  sondern  Leute  des  gleichen  Stammes,  welche 
die  neue  Sitte  des  Ackerbaus  hassten  und  lieber  das  alte  Nomaden- 
leben fortsetzen  wollten.  Ackerbauer  (vd^trja)  und  Nichtackerbauer 
(avd^trja)  stehen  sich  ebenso  schroff  gegenüber  als  der  Wahrhaftige 
und  der  Lügner  (31,  9.  10);  der  Vermögende,  der  Landmann,  ist 
dem  Lügner  geradezu  entgegengesetzt  (29,  5).  So  hängt  die  neue 
Lehre  mit  einer  neuen  Culturepoche  zusammen;  sie  entstand  also 
zur  Zeit,  als  ein  Theil  der  alten  Arier  von  dem  Nomadenleben,  wie 
wir  es  im  Weda  herrschend  finden,  zum  Ackerbau  und  zur  Grün- 
dung fester  erblicher  Besitzungen  fortschritten.  Aber  wie  hängt  die 
Einführung  des  Ackerbaus  mit  der  Bekämpfung  der  Vielgötterei 
und  der  Lehre  von  zwei  Grundprincipien  zusammen?  Die  Verehrung 
der  Erdseele  und  Heilighaltung  der  Erde  sollte  man  sich  als  die 
einzig  natürliche  Folge  denken,  und  diess  war  auch  sicher  die  erste. 
Aber  da  die  neue  Sitte  als  ein  Abfall  vom  Glauben  betrachtet 
wurde,  so  konnte  der  durch  die  anfangende  Verschiedenheit  der 
Lebensweise  hervorgerufene  Streit   leicht   zu  einem  Religionskampfe 


236        Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.    Schhissahhandlung. 

werden.     Doch  ein  solcher,    namentlich    wenn    er  nicht    etwa  gegen 
einzelne  Gottheiten,  sondern   gegen  ein   ganzes  Rehgionssystem   ge- 
richtet ist,   muss  durch    eine  grosse  Persönlichkeit  wachgerufen  und 
geführt   werden.     Wie  im  Judenthum  und  Mohammedanismus  jener 
Kampf  gegen  die  Abgötterei  von  den  Gründern  des  neuen  Glaubens, 
Moses  und  Mohammed,  angeregt  und  geführt  wurde,  so  rauss  diess 
ebenfalls   von    dem   Urheber    der    alten  arischen  Rehgionsbewegung, 
Zarathustra,     geschehen    sein.      Der    geschichtliche    Zusammenhang 
zwischen    der   Einführung    des   Ackerbaus    und   Zarathustra's   Lehre 
und  Wirken  scheint  mir  folgender  zu  sein.    Die  neue  Sitte,  Grund- 
stücke einzufriedigen   und  zu  cultiviren,    hatte  grossen  Zwiespalt  in 
der    arischen  Gemeinde   hervorgerufen;    die  Priester    eiferten    gegen 
diese  Aenderung  der  altväterlichen  Sitten  und  sahen  darin  einen  Ein- 
griff in  die  Rechte  der  Götter,  denen  es  allein  zustand,  Satzungen 
zu  ändern.     Die  Priester  mochten  längere  Zeit   mit  einigem  Erfolg 
gegen   die    neue  Sitte  angekämpft   haben,    da   sie    als  Besitzer    alt- 
ehrwürdiger und  allgemein  als  heilig  verehrter  Lieder  und  Sprüche, 
denen    man  Wunderkraft   zuschrieb,   im  höchsten  Ansehen    standen; 
aber    sie  konnten    sie    nicht   mehr  ausrotten.     Bald  musste    sich  bei 
den  Anhängern  der  neuen  Sitte  die  Ueberzeugung  geltend  machen, 
dass    nur    durch    eine  Bekämpfung    des  ganzen  Götterglaubens    und 
seiner  Priester  und  durch  Trennung  von  den  nomadisirenden  Brüdern 
dieselbe    befestigt    werden    könne.      Der   Träger    dieser    neuen    Idee 
war  Zarathustra.     Der  neuen  Sitte   aufs  eifrigste  ergeben,    sann  er 
nach    über    den  Grund    des  neuen  Zwiespalts    und    über  die  Mittel, 
der  neuen  Sitte  des  Ackerbau's  den  Sieg  zu  verschaffen.    Er  fand, 
dass  er,  um  erfolgreich  gegen  die  heilig  verehrten  alten  Lieder  und 
Gebräuche,    wie    den  Somacult,    wirken    zu   können,    neue    Sprüche 
und  Lieder  als  eine  ihm  unmittelbar  gewordene  göttliche  Ofifenbarung 
vortragen  müsse.     In    diesen    legte    er    das  Ergebniss    seines  Nach- 
denkens dar.     Der  Unterschied  zwischen   den  Ackerbauern  und  den 
Nomaden,  zwischen  cultivirtem  Land  und  Wildniss  und  weiter  zwischen 
Leben  und  Tod  war  ihm  ein  so   durchgreifender  und  unvereinbarer, 
dass  er  auf  die  Annahme  zweier  Grundkräfte,  wobei  ihm  der  Volks- 
glaube von  einem  weissen  und  schwarzen  Geist  zu  Hilfe  kam,    ge- 
führt wurde.    Alles  Gute  und  Nützliche  in  der  Schöpfung  hing  ihm 
mit  dem  Feldbau,  dagegen  alles  Böse  und  Schädliche  mit  der  Wild- 
niss und  Wüste  zusammen.     Jeder,    der  der  Bebauung    des  Bodens 
Widerstand  leistete,    galt  ihm  für  einen  Beförderer    des  Schlechten; 
solche  waren  vor  allem    die  Priester    des    alten   Götterglaubens    und 
die  Götter   selbst.     Hatte    er    einmal   die  Idee    eines   uranfänglichen 
Dualismus    erfasst,    so    mussten   die  Götter    und  ihr  x4nhang    sonach 
dem  schlechten  (32,  2),   alles  Lebenfördernde   dagegen    dem  guten 
Grundprincip  entstammen.    Die  nächste  praktische  Consequenz  seiner 
Philosophie  (das  Weitere  übergehen  wir  hier)  musste  die  eifrige  Be- 
kämpfung  des  Götterglaubens,    als    der  Wurzel    allen  Uebels,    sein. 
Da  ein  längeres  Zusammenleben  beider  Parteien  nicht  mehr  möglich 


Ilaug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.    Schlussabhandlwig.        237 

war,  so  mtisste  Zarathustra  auf  eine  völlige  Trennung,  die  sich  bis 
auf  die  Famihe  erstreckte  (33,  3.  46,  5),  hinarbeiten.  So  wurde 
er  der  Führer  einer  grossen  Bewegung,  jedoch  nicht  der  eines  aus- 
wandernden Volks,  sondern  der  eines  bereits  sesshaften;  die  Nomaden 
mussten  vertrieben  werden. 

Wenn  nun,  wie  sich  nach  dem  Vorhergehenden  nicht  läugnen 
lässt,  Zarathustra's  Auftreten  mit  der  Einführung  des  Ackerbaus 
und  dem  Uebergang  zum  sesshaften  Leben  zusammenhängt,  so  be- 
weist dieser  Umstand  für  die  Bestimmung  seines  Zeitalters  wenigstens 
soviel,  dass  es  in  ein  graues  Alterthum  fallen  muss,  und  an  die 
Zeit  des  Darius  Hystaspes,  also  an  das  6.  Jahrhundert  vor  Chr., 
nicht  im  entferntesten  gedacht  werden  kann,  da  zu  jener  Zeit  der 
Ackerbau  in  Iran  längst  eingeführt  war.  Diess  musste  ja  schon  ge- 
schehen sein,  als  das  baktrische  Reich  gegründet  wurde,  denn 
Nomaden  gründen  als  solche  kein  Reich*,  und  dieses  Reich,  das 
die  Heimath  Zarathustra's  war,  wurde  historischen  Ueberlieferungen 
zufolge  schon  1200  a.  Chr.  von  Assyrien  aus  i)  vernichtet.  Zwischen 
der  Gründung  des  Reichs  und  seiner  Vernichtung  liegt  aber  gewiss 
ein  sehr  beträchtlicher  Zeitraum.  Die  alten  Lieder  kennen  aber 
noch  gar  kein  grosses  Reich  mit  einem  gewaltigen  Herrscher  an  der 
Spitze,  so  wenig  als  die  Wedalieder,  sondern  nur  eine  Art  Gau- 
verfassung. Am  vollständigsten  wird  uns  die  Gliederung  dieses  Ge- 
meinwesens 31,  18  vorgeführt,  wo  Haus  (demana) ,  Dorf  (m<;)^ 
Stadt  oder  Bezirk  (shoithra)  und  Land  (daqjusj  sich  folgen; 
31,  16  ist  das  zweite  ausgelassen,  46,  4  nur  Bezirk  und  Land, 
48,  10.  12  Länder  genannt;  diese  kleinem  und  grossem  Ganzen 
hatten  ein  Oberhaupt,  wie  schon  an  sich  leicht  verständlich  ist  und 
durch  die  spätem  Erwähnungen  von  Hausherr,  Ortsherr,  Be- 
zirksherr 2),  Landesherr  (Jt.  10,  18.  84.  vgl.  Ja^.  19,  18)  be- 
stätigt wird.  Diese  Oberhäupter  scheinen  viel  Macht  und  Einfluss 
gehabt  zu  haben,  da  es  in  ihrer  Gewalt  stand,  ganze  Genossen- 
schaften von  der  Annahme  des  neuen  Glaubens  zurückzuhalten 
(31,  18).  Dabei  soll  nicht  geläugnet  werden,  dass  bei  solchen  Zu- 
ständen kein  Oberherrscher  dagewesen  sein  könne;  nur  soviel  ist 
gewiss,  dass  wenn  er  vorhanden  war,  er  nur  geringe  Macht  hatte, 
da  nirgends  dieselbe  hervorgehoben  wird.  Dass  aber  wirklich  ein 
iranisches  oder  baktrisches  Reich  mit  Königen  an  der  Spitze  im 
frühen  Alterthum  existirte,  wissen  wir  aus  den  Classikern  sowohl  als 
aus  dem  Shdhndmeh.  In  welchem  Verhältniss  steht  nun  dieses  Reich 
zu  der  in  den  Gäthd's  angedeuteten  Verfassung,  die  indess  auch  in 
den  spätem  Büchern  des  Zendawesta  bewahrt  scheint?    Ich  glaube, 


^)  Duncker,  Geschichte  des  Alterthums,  II,  p.  305. 

^  Für  shoithra  steht  später  gewohnlich  zantii,  eigentl.  Geschlecht, 
Stamm,  das  sich  in  den  Gdlhd's  nur  in  dem  Compositum  huzentits,  von 
edlem  Geschlecht,  nachweisen  lässt. 


238        Haugy  die  Gdthd's  des  Zarathustra.    Schlussabhandlung. 

dass  sie  die  Anfänge  desselben  enthält  und  dass  sich  zu  Zarathustra's 
Zeit  das  Königthum  erst  zu  bilden  anfing.  So  werden  wir  auch 
von  dieser  Seite  auf  ein  graues  Alterthum  geführt. 

Doch  alle  diese  Schlüsse  würden  immer  noch  keinen  zwingenden 
Grund  enthalten,  Zarathustra  in  eine  so  ungemein  frühe  Zeit  zu 
setzen^  wenn  nicht  die  ältesten  Urkunden  des  bekämpften  arischen 
Brudervolks,  die  Weden,  zu  Hilfe  kämen.  Die  bekämpfte  Religion 
war  die  der  alten  Inder,  noch  ehe  sie  in  das  Gangesland  gezogen 
waren  und  das  eigentliche  Brahmanenthum  sich  ausgebildet  hatte. 
Dafür  sind  unwiderlegliche  Beweise  vorhanden.  Bis  jetzt  war  nur 
einer  bekannt,  dass  der  Name  der  indischen  Götter,  deva,  im 
Zendawesta  Bezeichnung  der  bösen  Geister  geworden  ist.  Ich  habe 
noch  zwei  weitere  und  zwingendere  Beweise  gefunden.  Der  eine 
beruht  auf  den  Namen  der  Götterpriester  und  wedischen  Lieder- 
dichter, der  andere  auf  der  Verwünschung  des  Somatranks.  Für 
die  Priester,  Propheten  und  Dichter  der  Gegenpartei  finden  wir  drei 
Namen:  kdvajo  (32,  14.  46,  11.  44,  20),  karapano  (32,  12.  46,  11. 
48,  10.  51,  14)  und  u^ikhs  (44,  20).  Der  erste  und  dritte  lassen 
sich  im  Weda  nachweisen,  der  zweite  wenigstens  erschliessen  (s.  zu 
32,  12  u.   14). 

Kavi  ist  im  Weda  der  Name  der  Seher  und  Opferpriester 
(Rv.  I,  128,  8.  142,  8.  188,  1);  durch  den  Genuss  des  Soma 
erlangt  man  die  Kraft  eines  kavi,  d.  h.  man  wird  ein  Seher 
(Rv.  I,  91,  14);  der  Somapriester  führt  geradezu  diesen  Namen 
(IX,  37,  6.  72,  6);  da  sie  im  Besitz  höherer  Weisheit  und  Einsicht 
sind,  so  werden  sie  um  Rath  gefragt  und  sind  Propheten  und 
Orakelpriester  (1,164,6.  VII,  86,  3);  die  Götter  selbst,  vor- 
nämhch  Agni,  führen  diesen  Namen  (II,  23,  1.  III,  14,  1  heisst  er 
kavitamah,  d.  i.  der  grösste  kavi).  (Vgl.  weiter  zu  32,  14.)  Ueber 
karapano,  womit  nur  die  Opferpriester  bezeichnet  zu  sein  scheinen, 
s.  zu  32,  12.  Der  Name  ugikhs  findet  sich  als  upg  ebenfalls  im 
Weda  und  bedeutet  einen  Weisen,  Verständigen,  wie  deutlich  aus 
Rv.  II,  21,  5.  X,  46,  2  hervorgeht,  sicher  nicht  eifrig  strebend, 
zugethan,  wie  das  Petersburger  Sanskritwörterbuch  (I,  p.  1009) 
will;  Qdnkh.  Gfhj.  6,  12,  19  ist  es  mit  Aam  zusammengestellt,  gerade 
wie  Jag.  44,  20;  es  war  wahrscheinlich  nur  ein  anderer  Name  dafür. 
Dass  die  drei  Worte :  kdvajo,  karapano  und  u^ikhs  wirklich  in  den 
Gdthd's  eine  schlimme  Bedeutung  haben,  geht  aus  dem  Zusammen- 
hang der  betreffenden  Stellen  (s.  oben)  mit  vollkommener  Sicher- 
heit hervor.  Dieser  Umstand  muss  auf  den  ersten  Anbhck  um  so 
mehr  befremden,  als  kavi  bei  den  Iräniern  der  Ehrenname  einer 
ganzen  Dynastie,  der  Kajanier,  war  und  Zarathustra's  Freund, 
Vtstd^pa,  denselben  vor  seinem  Namen  trug,  denn  kai  Gustd^p  der 
Pärsen  ist  nur  aus  einem  kavi  Vistdgpa  zu  erklären.  Dieser  Ehren- 
name fehlt  ihm  wirkhch  auch  in  den  Gdthd's  nicht;  aber  er  lautet 
kavd.  Da  aber  im  Baktrischen  ein  scWiessendes  i  nie  in  a  ver- 
wandelt wird,  so  liegt  die  Annahme  nahe  genug,  es  sei  der  ominösen 


Hang,  die  Gdthu'n  des  Zaratftudra.    Schlussabhandlung.        239 

Bedeutung  wegen  absichtlich  in  kavd  *)  verändert  worden.  Dieser 
Umstand  führt  uns  auf  eine  wichtige  Thatsache. 

Wie  kavi  in  den  Gdthd's  eine  schhiuine  Bedeutung  hat,  so  hat 
sie  kava  in  dem  Weda;  kavdsakhah,  Freund  des  kava,  kavdri,  An- 
hänger des  kava,  kavatnu,  sind  lauter  Bezeichnungen  für  Götter- 
feinde. Die  den  Worten  im  Petersburger  Sanskritwörterbuch  ge- 
gebene Bedeutung  eigennützig,  karg  gründet  sich  auf  eine  falsche 
Etymologie;  denn  eine  Wurzel  ku,  geizig  sein,  existirt  nirgends, 
und  auf  das  verkleinernde  und  herabsetzende  Präfix  ku  kann  es 
sicher  nicht  zurückgeführt  werden;  ein  Wort  wie  kavdsakhah  setzt 
für  das  erste  Glied  nothwendig  ein  kava,  aber  sicher  kein  blosses 
ku  voraus.     Prüfen  wir  die  Stellen.     Rv.  V,  34,  3  : 

jah  asmdi  ghrarnse  uta  vd  jah  udhani  somam  sunoti  bhavati  djimän  aha 
apa  apa  gakrah  tatanushtim  ühati  tanü^ubhram  maghavd  jah  kavd- 
sakhah 

wer  ihm  (dem  Indra)  bei  Licht  und  Dunkel  (d.  i.  stets)  Soma 
presst,  wird  glänzend  (von  ihm  erleuchtet);  aber  weit  fort 
stösst  der  Mächtige  (Indra)  den,  der  Besitzungen^)  von 
Gütern  hat,  den  durch  sich  selbst  Glänzenden  (Mächtigen), 
den  Maghava,  der  dem  Kava  folgt.  Diese  Stelle  lässt  sich 
vollständig  nur  aus  den  Gdthd's  erklären.  Im  ersten  Halbverse  sind 
die  Verehrer  des  Indra,  die  ihm  den  Soinatrank  darbringen  und 
dadurch  zu  Glanz  und  Macht  gelangen,  im  zweiten  ihre  Gegner, 
die  diese  Ceremonie  verachten  und  sich  eigener  Kraft  rühmen,  ge- 
nannt. Dass  Zarathustra  gegen  den  Somacult  eiferte,  folgt  sicher 
aus  zwei  Stellen  der  Gdthd's  (32,  3.  48,  10).  Die  Gegner  haben 
ausgedehnte  Besitzungen,  aus  denen  sie  vertrieben  werden  sollen; 
diess  sind  die  Gaethd's.  Der  Name  der  Anhänger  Zarathustra's  ist 
magava  (51 ,  15) ;  da  das  Wort  häufig  genug  im  AVeda  in  der  Be- 
deutung Mächtiger  vorkommt,  so  musste,  um  eine  Zweideutigkeit 
zu  vermeiden,  das  Beiwort  havdsakhah  zugesetzt  werden;  kavd  ist 
der  Ehrenname  von  Zarathustra's  mächtigstem  Freund  und  Beschützer 


^)  Wenn  44,  20,  wo  die  Götzenpriester  gemeint  sind,  der  Singular 
ebenfalls  kavd  lautet,  so  ist  diess  sicher  die  Verbesserung  eines  Abschrei- 
bers, der  den  Sinn  des  schwierigen  Verses  nicht  mehr  verstand  und  dem 
aus  dem  Zendawesta  nur  ein  Singular  kavd,  aber  nicht  kdvi  bekannt  war. 
Dass  aber  im  schlimmen  Sinne  dieser  wirklich  vorkam,  beweist  der  Genit. 
kevinö  51,  12. 

^)  tatanushti  kann  nur  eine  Abstractbildung  von  tanus,  Körper,  sein; 
die  Reduplikation  verstärkt  die  Bedeutung;  sie  darf  nicht  befremden,  da  sie 
im  Wedadialekt  noch  sehr  häufig  ist.  Dass  es  auf  die  GaiUlid's  sich  bezieht, 
scheint  mir  Ja9.  43,  7,  wo  (ja^thä  mit  tanus  zusammengestellt  ist.  Die 
Erklärung  Jäska's  (Nir.  0,  10)  einer,  der  sich  gern  ausdehnen, 
schmücken  möchte,  d.i.  hochmüthig,  ist  unstatthaft  Richtig  bezieht  er 
es  jedoch  auf  den  ajajvan,  den  Nichtverehrer  der  Götter. 


240        Haag,  die  Gdthas  des  Zarathustra.    Schlussabhandlung. 

Vistdt^pa  seiner  ganzen  Familie.  Den  gleichen  Sinn  wie  kavdsakhah 
hat  kavatnu,  dem  Kava  eigen,  d.  i.  ergeben;  Rv.  VH,  32,  9: 

md  sredhata  somino  dakshatd  mähe  kfjiudhvam  rdje  dtuge 
taranir  ig  gajati  ksheti  jmshjati  na  devdsah  kavatnave 

Nehmt  keinen  Schaden,  ihr  Somatrinker!  werdet  stark 
und  helft  zu  grossem  Gut,  dass  es  uns  zufalle.  Der 
Schnelle  (Indra)  siegt,  nimmt  in  Besitz,  gedeiht;  nicht 
(helfen)  die  Götter  dem  ifava ergebenen.  Diese  Worte  sind 
nicht  an  die  Götter,  sondern,  wie  die  vorhergehenden  Verse  zeigen, 
an  die  den  Soma  bereitenden  und  trinkenden  Priester  gerichtet; 
diesen  ist  der  kavatnu,  als  ein  den  Soma  verschmähender,  entgegen- 
gesetzt. In  derselben  Beziehung  zum  Soma  finden  wir  kavdri,  dem 
iTaüa  nachfolgend  oder  ergeben.     X,  107,  3: 

devt  imrtir  dakshind  devajagjd  na  kavdribhjo  na  hi  te  phianti 
athd  narah  prajatadakshiiidso  ^vadjahhijd  bahavah  prnanti 

Die  glänzende  Gabe  des  geläuterten  Tranks  (Soma)  ist  den 
Göttern  darzubringen,  nicht  den  Anhängern  des  Kava; 
denn  diese  kämpfen  nicht;  aber  die  Männer,  denen  die 
Opfer  dargebracht  wurden,  kämpfen  in  grosser  Zahl.  Die 
Männer,  welche  kämpfen,  sind  die  Manen  nach  v.  1  (mahl  gjotih 
pitfbhir  dattam),  und  zwar  kämpfen  sie  für  die  Ihrigen  zum  Dank 
für  die  dargebrachten  Gaben.  Ihnen  sind  die  kavdri  entgegenge- 
setzt, was  hier  nicht  auf  die  lebenden  Somaverächter,  sondern  auf 
ihre  Vorfahren  bezogen  werden  muss,  ein  Beweis,  wie  tief  im  Volks- 
glauben noch  das  Bewusstsein  des  zur  Zeit  der  Abfassung  dieis^s 
Liedes  längst  ausgekämpften  Religionszwistes  wurzelte.  Dieses  ka- 
vdri finden  wir  auch  mit  dem  a  privativ,  zusammengesetzt  akavdri, 
nicht  dem  Kava  folgend,  als  Beiwort  Indra's  (ill,  47,  5)  und 
der  Sarasvatt  (VII,  96,  3);  beide  Gottheiten  sind  also  als  Feinde 
der  Kavas  bezeichnet;  bei  Indra,  dem  Somatrinker,  begreift  sich 
diess  leicht;  aber  höchst  merkwürdig  ist,  dass  Sarasvatt,  die  zugleich 
ein  Flussname  ist,  ebenso  heisst;  man  könnte  vielleicht  daraus 
schliessen,  dass  dieser  FIuss  der  Gränzfluss  zwischen  beiden  Parteien 
war,  den  die  tränier,  als  nicht  mehr  zu  ihrem  Gebiet  gehörig, 
nicht  überschreiten  durften.  Auch  das  einfachste  Negativum  akava 
finden  wir,  das  denselben  Sinn,  dem  Kava  nicht  zugehörig, 
hat.     Rv.  VI,  33,  4: 

sah  tvam  nah  Indra  akavdbhih  üti  sakhd  vi^va-djuh  avitd  vfdhe  bhuh 

Du,  Indra,  bist  uns  zur  Hilfe  mit  den  Feinden  d^v  Kava's, 
ein  Freund,  ein  Helfer  im  Wachsthum.  (Vgl.  I,  158,  1. 
III,  54,  16.) 

Nach  diesen  Untersuchungen  sind  kavdri  oder  kavdsakha  und 
akava  oder  akavdri  religiöse  Parteinamen.  Die  erstem  sind  Ver- 
ächter der  Götter,  insbesondere  des  Indra  und  seines  Lieblingstranks, 


Hang,  die  Gäthas  des  Zarathiistra.    Schlussabhandluiig.        241 

des  Soina.  Dass  darunter  die  Anhänger  der  zarathustrischen  Religion 
gemeint  sind,  geht  mit  Sicherheit  aus  den  Gdthd's  hervor.  32,  3 
ist  der  Soma  mit  seinem  indischen,  nicht  mit  dem  iranischen  Namen 
Haoma  als  ein  Werk  der  Lüge  und  des  Trugs,  das  die  Dahd's 
bereitet,  genannt;  48,  10  wird  gefragt:  wann  erscheinen  die 
Männer  von  Muth  und  Kraft?  wann  verunreinigen  sie 
diesen  Rauschtrank?  (mada  =  madhu ,  Name  des  Soma  in  den 
Weden,  vgl.  zu  der  Stelle);  durch  diese  Teufelskunst  sind 
die  Götzenpriester  übermüthig  und  durch  den  schlechten 
Geist,  der  in  den  Ländern  herrscht.  Diese  Thatsache,  dass 
Zarathustra  den  altheiligen  Somacult  zu  vernichten  strebte,  muss 
um  so  mehr  überraschen,  als  wir  die  Verehrung  des  Haoma  im 
spätem  Zendawesta  so  gut  treffen  wie  im  Weda.  Mehrere  Capitel 
(Ja^.  9.  10)  sind  ihm  gewidmet,  und  auch  sonst  wird  er  oft  genug 
als  ein  wesentlicher  Bestandtheil  des  Cultus  aufgeführt.  Sonach  ge- 
lang es  Zarathustra  nicht,  diesen  Rauschtrank  abzuschaffen.  Dass 
er  es  aber  versuchte,  schien  noch  längere  Zeit  nach  ihm  im  Volks- 
bewusstsein  fortzuleben;  denn  man  suchte  ihn,  um  den  altheiligen 
Gebrauch  zu  schützen,  später  zu  einem  Verehrer  Haoma's  zu  machen. 
Diess  geht  deutlich  aus  dem  9.  Capitel  des  Ja^7ia  hervor,  in  welchem 
Haoma  dem  Zarathustra,  als  er  die  Gdthd's  recitirt  und  das  Feuer 
reinigt,  erscheint  und  ihn  auffordert,  sein  Verehrer  zu  werden,  indem 
er  ihm  einen  Lohn  verheisst  und,  um  ihm  Vertrauen  einzufiössen, 
auf  den  Segen,  der  den  Vorvätern  Jima  etc.  durch  seine  Verehrung 
geworden,  hinweist.  Diese  ganze  Aufforderung  hätte  keinen  Sinn,, 
wenn  Zarathustra  ebenso  wie  seine  Vorväter  den  heiligen  Gebrauch 
beobachtet  hätte.  Da  er  aber  denselben  abschaffen  wollte,  und 
dieser  dennoch  bestehen  blieb,  so  iiess  die  Sage  den  Zarathustra 
durch  das  Erscheinen  des  Haoma  selbst  in  glänzender  Gestalt  wieder 
dazu  bekehrt  werden. 

Da  der  Somacult  aufs  engste  mit  der  Verehrung  Tndra's  zu- 
sammenhängt, mit  dieser  aber  eine  neue  Epoche  in  der  altarischen 
Religionsentwicklung  beginnt,  so  gewinnen  wir  dadurch  einigen  An- 
haltepunkt  für  die  Bestimmung  von  Zarathustra's  Zeitalter.  Im  Weda 
ist  Indra  der  Gott  des  Donners  wie  des  heitern  Himmels  und  der 
Herr  der  Schlachten,  geradezu  der  Nationalgott.  Um  Kraft  zur 
Besiegung  seiner  zahlreichen  Feinde  zu  gewinnen,  trinkt  er  den 
berauschenden  Soma;  dieser  muss  ihm  und  seinen  Schaaren,  unter 
denen  die  Götter  der  Winde  die  erste  Stelle  einnehmen,  von  seinen 
Verehrern  dargebracht  werden;  denn  ohne  ihn  vermag  er  nichts. 
Diesen  obersten  Rang  hatte  er  indess  nicht  von  Anfang  an,  sondern 
wie  Zeus  bei  den  Griechen  an  die  Stelle  des  Uranos  kam,  so  trat 
er  bei  den  Indern  an  die  Stelle  des  Varima.  Je  herrschender  und 
allgemeiner  seine  Verehrung  wurde,  die  neue  Gebräuche,  wie  den 
Somatrank,  mit  sich  brachte,  desto  mehr  mussten  die  Anhänger  deS: 
alten  Cultus  ihr  widerstehen.  Der  wilde  kriegerische  Geist  des  neuen 
Indracultus  stand  mit  der  alten,  so  friedlichen  und  kindlichen  Ver- 
Abhandl.  der  DMG.    II,  2.  16 


242        Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.    Schlussabhandlung, 

ehrung  des  Feuers  und  der  erhabenen  des  Himmels  und  seiner 
Lichterscheinungen  im  schneidendsten  Widerspruch,  so  dass  alle  die- 
jenigen Arier,  welche  zu  einem  sesshaften  Leben  übergehen  wollten 
oder  schon  übergegangen  waren,  sich  durch  die  neue  Religion  be- 
droht sahen.  So  rief  dieselbe  einen  gewaltigen  Kampf  hervor,  dessen 
Ende  eine  vollständige  Trennung  der  beiden  stammverwandten 
Völker  war. 

Da  die  von  Zarathustra  geleitete  Religionsbewegung  von  der 
eben  angedeuteten  nach  den  obigen  Erörterungen  nicht  verschieden 
ist,  so  dürfen  wir  mit  Recht  sein  Zeitalter  dem  der  Entstehung  der 
WedaUeder  vollkommen  gleichsetzen,  und  zwar  der  altern,  nicht  etwa 
der  spätem,  im  10.  Buche  des  Rigweda  und  im  Atharvaweda  er- 
haltenen; denn  Indra  und  Soma  ziehen  sich  durch  den  ganzen  Weda, 
durch  die  ältesten,  wie  die  neuesten  Stücke.  Diese  Annahme  wird 
durch  ein  gewichtiges  Zeugniss  bestätigt,  nämlich  durch  die  Erwäh- 
nung von  Zarathustra's  Namen  in  der  Form  Garadashti  im  Weda. 
Die  Hauptstelle  steht  Rv.  VII,  37,  7  in  einem  an  Indra  und  die 
Rbhu's  gerichteten  Liede: 

abhi  jarii  devi  nirftigcid  t^e  nakshanta   Indram  garadah  suprkshah 
upa  tribandhur  Garadashtim  ^eti  asvave<;am  jam  krinavanta  martdh 

von  welchem  (dem  Pferd,  das  die  Güter  entführt  hatte)  die 
Göttin  der  Vernichtung  Besitz  nimmt;  dem  Indra  aber 
werden  gabenreiche  Jahre  (als  Ersatz  für  das  Geraubte)  zu 
Theil;  zu  Garadashti,  den  die  Leute  von  seinem  Eigen- 
thum  vertrieben  haben,  kommt  der  Dreibund.  Der  Zusam- 
menhang beider  Halbverse  ist  schwer  zu  ermitteln;  es  scheint  eine 
Anfeindung  und  Bekämpfung  Indra's,  zu  der  Garadashti  in  Beziehung 
steht,  angedeutet  zu  sein.  Der  zweite  Halbvers  lässt  sich  vollständig 
aus  den  Gdthä's  erklären.  46,  1  klagt  Zarathustra:  Nach  wel- 
chem Land  soll  ich  mich  wenden?  wohin  soll  ich  mich 
flüchten?  Welches  Land  gewährt  Schutz  dem  Herrn  und 
seinem  Gefährten?  Niemand  von  den  Dienern  verehrt 
mich,  noch  von  den  Herrschern  des  Landes,  die  ungläu- 
big sind.  Hier  finden  wir  also  den  Propheten  landflüchtig,  ver- 
trieben aus  seiner  Heimath  und  seinem  Eigenthum,  wie  er  im  Weda- 
verse geschildert  ist.  Der  Dreibund  (tribandhu  findet  sich  im  ganzen 
Rigveda  nur  hier,  vgl.  dvibandhu,  Zweibund,  Paar,  von  Mitra- 
Varuna  X,  61,  7)  ist  die  dreifache  GHederung  der  zarathustrischen 
Gemeinde:  qaetus,  Herr,  airjama,  Schutzgenosse,  Gefährte, 
und  verezena,  Diener,  wie  sie  uns  nur  in  den  ächten  Stücken  ent 
gegentritt  (s.  oben).  Es  scheint  eine  neue  Einrichtung  Zarathustra's 
gewesen  zu  sein;  denn  wir  finden  sie,  so  natürlich  sie  auch  ist, 
weder  im  Weda,  noch  in  dem  übrigen  Zendawesta.  Namentlich 
muss  die  Stellung  des  Airjama  bald  etwas  in  Vergessenheit  gekom- 
men sein,  da  das  Wort  später  stets  einen  Genius  bedeutet,  so 
schon   in   der    alten   Formel  (Ja9.  54);    dass    aber    das  Bewusstsein 


Haug,  die  Gdthas  des  Znrathustra.    Schlussabhimdluitg.        243 

davon  nicht  ganz  verschwand,  zeigt  eine  spätere  Notiz  (s.  zu  46,  1). 
Der  Dreibund  könnte  aber  auch  auf  Zarathustra's  drei  wichtigste 
Freunde,  VistcK^pa,  Frashaostra  und  Degdmd(;pay  bezogen  werden; 
aber  die  erstere  Erklärung  verdient  entschieden  den  Vorzug.  Der 
Sinn  des  Verses  ist  <lemnach :  dem  durch  seine  Feinde  von  seinem 
Eigenthum  vertriebenen  Garadashii  kommt  seine  Gemeinde  zu  Hilfe. 
Will  man  die  Stelle  aus  dem  Zusammenhang  des  Liedes  erklären, 
so  müsste  mau  tribandhu  auf  die  drei  Rbhus,  Rbhukshd,  Vibhvd  und 
Väga,  und  Garadashti  auf  Indra  oder  Agni,  der  ebenfalls  in  Ge- 
meinschaft der  Rbhus  sich  findet,  beziehen.  Aber  der  Vers  steht 
augenscheinlich  in  gar  keinem  rechten  Zusammenhang  zu  dem  ganzen 
Liede.  Ein  Sammler,  der  den  wahren  Sinn  nicht  mehr  verstand 
und  unter  tribandhu  die  drei  Rbhu's  sich  dachte,  stellte  ihn,  da  er 
ihn  sonst  nicht  unterzubringen  wusste,  an  das  Ende  dieses  Rbhu- 
liedes;  er  Hess  zwar  noch  einen  Vers  folgen  (v.  8),  aber  auch  dieser 
ist  an  Savitar  gerichtet  und  ist  vom  ganzen  Liede  völlig  unabhängig. 
Ausser  der  angeführten  Stelle  treffen  wir  Garadashti  nur  noch 
Rv.  X,  85,  36.  Der  Vers  ist  an  Pushan,  den  Wächter  des  Hauses, 
gerichtet. 

grbhndmi  te  saubhagatvdja  hastam  majd  imtjd  Garadashtir  jathd  asak 

ich  ergreife  deine  Hand  zu  meinem  Glücke;  mögest  du 
mit  mir  sein,  wie  Garadashti  mit  dem  Herrn.  Die  Verglei- 
chung  ist  etwas  dunkel.  Da  Garadashti  dem  angerufenen  Gotte 
gegenübersteht,  so  liegt  die  Verrauthung  nahe,  er  sei  ebenfalls  ein 
Gott,  und  zwar  Agni,  der  ein  Schützer  des  Hauses  ist  und  der 
V,  8,  2  das  Prädikat  garad-vish  (der  das  Nass  lobt  oder  der  altes 
Nass  besitzt)  führt.  Und  dem  Dichter  mag  er  auch  so  gegolten 
haben,  nachdem  die  wahre  Bedeutung  des  Namens  verloren  ge- 
gangen und  sich  nur  noch  die  dunkle  Erinnerung,  dass  durch 
einen  Garadashti  der  Feuerdienst  erhalten  wurde,  bewahrt  hatte; 
daher  konnte  er  leicht  mit  Agni  identifizirt  werden.  Treuer  und 
geschichtlicher  ist  die  Erinnerung  in  der  erstem  Stelle  (VII,  37,  7), 
wo  Garadashti  nur  auf  eine  wirkliche  Person  bezogen  werden  kann. 
Wollte  man  dieselbe  auf  Ag7ti  beziehen,  so  müsste  man  annehmen 
„aus  seinem  Eigenthum  vertrieben"  gehe  darauf,  dass  man  ihm 
seinen  eigenen  Heerd  genommen  und  ihm  einen  mit  den  Rbhu's 
gemeinschaftlichen  eingerichtet  hätte.  Aber  diess  würde  dem  ganzen 
-<4gwibegriff  des  Weda  widerstreiten,  wornach  dieser  der  Vermittler 
zw.ischen  den  Göttern  und  Menschen  ist,  und  also  den  Heerd  mit 
Niemand  zu  theilen  hat.  —  Gegen  die  Identification  des  Garadashti 
mit  Zarathustra  könnte  man  indess  in  lautlicher  Beziehung  Bedenken 
erheben;  aber  man  muss  bedenken,  dass  der  Name  Zarathustra  den 
Indern,  als  einem  etwas  abweichenden  Dialekt  angehörig,  fremd 
klang  und  daher,  wie  es  Fremdwörtern  so  leicht  geht,  im  Volks- 
munde verunstaltet  wurde.  Er  wurde  ja  zudem  auch  bei  den  Iräniem 
selbst    verstümmelt,    und   unter   den   mehreren    verderbten    Formen 

16* 


244        Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.    Schlussabhandlung. 

finden  wir  die  fast  ganz  gleiche  Zaradesht  neben  der  gewöhnlichem 
Zerdusht  im  Shdhndmeh  (Vuller's  Lexic.  pers.,  TT,  p.  103).  Wollte 
man  Garadashti  aus  dem  Sanskrit  erklären,  so  würde  es  einen, 
der  das  Ziel  lobt,  bedeuten;  aber  auf  alle  Fälle  kann  es  VIT,  37,  7 
nur  der  Eigenname  eines  Mannes  sein. 

Nach  diesen  Darlegungen  hängt  somit  die  Bestimmung  von  Za- 
rathustra's  Zeitalter  aufs  engste  mit  der  Frage  über  die  Abfassungs- 
zeit der  altern  Wedalieder  zusammen.  Letztere  Frage  erfordert 
eine  ganz  weitschichtige  und  höchst  schwierige  Untersuchung,  die 
ich  mir  für  einen  andern  Ort  vorbehalten  will.  Nach  dem  bisher 
Bekannten  darf  man  das  Alter  eines  grossen  Theils  der  Wedalieder 
über  1500  a.  Chr.  setzen.  Da  aber  Garadashti  im  Weda  schon  eine 
halbverklungene  Persönlichkeit  ist,  so  wird  man  nicht  irren,  wenn 
man  ihn  ebenfalls  über  diese  Zeit  setzt.  Die  classischen  Schrift- 
steller setzen  bekanntlich  Zarathustra  in  eine  unvordenkliche  Zeit. 
Aristoteles  lässt  ihn  nach  Plinius  Mittheilung  6000  Jahre  vor  Plato 
leben,  andere  5000  Jahre  vor  dem  troischen  Krieg.  Nach  Berosos, 
dem  Geschichtschreiber  Babylons,  war  Zoroaster  König  der  Meder, 
der  an  der  Spitze  einer  medischen  Dynastie  stand,  die  zwischen 
2200  —  2000  a.  Chr.  über  Babylon  regierte.  Duncker  (Gesch.  des 
Alterth.,  TT,  p.  317)  setzt  seine  Lebenszeit  zwischen  1300  und  1250, 
was  offenbar  zu  niedrig  gegriffen  ist  und  weder  mit  den  classischen 
Nachrichten,  noch  mit  den  Ergebnissen  meiner  neuen  Untersuchung 
sich  recht  reimen  will.  Denn  wie  ist  es  denkbar,  dass  der  Ackerbau 
erst  eingeführt  wurde,  nachdem  schon  lange  die  Kaj anier-Dy n^Lstie 
bestand,  gegen  deren  Ende  Zarathustra  nach  seiner  auf  das  Shdh- 
ndmeh sich  stützenden  Annahme  gelebt  haben  soll?  Bunsen  dagegen 
setzt  ihn,  den  Zeugnissen  der  Alten,  namentlich  dem  des  Berosos 
mehr  Gewicht  beilegend,  weit  höher,  zwischen  3000  —  4000  a.  Chr. 
(Aegyptens  Stelle  in  der  Weltgeschichte,  V.  a,  p.  236).  Er  macht 
mit  Recht  die  nähere  Entscheidung  über  das  Zeitalter  des  arischen 
Religionsstifters  von  der  Beantwortung  der  Frage  abhängig:  Ist 
Zoroaster's  Auftreten  in  Baktrien  vor  oder  nach  der  Auswanderung 
aus  Baktrien  zu  setzen?  Ich  glaube  mich  unbedingt  für  den  erstem 
Fall  entscheiden  zu  müssen;  denn  im  zweiten  müsste  man  eine  Rück- 
wanderung der  Iranier  aus  dem  Indusland,  in  welches  sie  mit  ihren 
indischen  Brüdern  gezogen  sein  würden,  annehmen.  Dafür  fehlen 
nicht  nur  alle  Zeugnisse,  sondern  die  Zustände,  die  wir  in  den 
Gäthd's  geschildert  finden,  widersprechen  sogar  ganz  einer  solchen 
Annahme.  Die  Tränier  sind  bereits  sesshaft;  sie  sind  im  Besitz  von 
eingefriedigten  Grundstücken  (gaethd'sj  und  bauen  den  Acker.  Wie 
kann  da  an  eine  Auswanderung  oder  Rückwanderung  gedacht  werden? 
Wenn  von  einer  Trennung  beider  Glaubensweisen  in  den  alten  Liedern 
geredet  wird,  so  darf  diess  nicht  auf  eine  Auswanderung  der  Za- 
rathustrier,  sondern  nur  auf  eine  Ausscheidung  der  Altgläubigen, 
die  sich  nicht  bekehren  wollten,  bezogen  werden.  Da  diese  von 
den  Anhängern  der  neuen  Religion  aufs  heftigste   bekämpft  wurden. 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarat/iustra.    Schlussahhandluvg,        245 

so  wanderten  sie  in  das  Indiisland  aus.  Ob  indess  das  ganze  Volk 
der  wedischen  Inder  an  dem  Kampfe  Antheil  genommen,  ist  frag- 
lich-, ich  vermuthe,  dass  es  nur  die  nördlichen  Stämme  waren. 


5.    Zarathustra's  Leben  und  Lehre  nach  den   Gdthd''s. 

Obschon  Zarathustra's  hohe  Persönlichkeit  wie  ein  rother  Faden 
durch  den  ganzen  Zendawesta  sich  durchzieht,  so  ist  es  doch  un- 
möglich, ein  genaueres  Bild  seines  Lebens  zu  entwerfen;  denn  die 
weniger  ächten  Stücke  in  den  Gdtha's,  in  denen  Zarathustra  als 
eine  rein  historische  Persönlichkeit  erscheint,  geben  zu  wenig  Aus- 
beute, und  in  allen  spätem  Stücken  ist  er,  mit  einem  Nimbus  der 
Heiligkeit  umgeben,  der  wirklichen  Geschichte  entrückt  und  daher 
ein  desto  fruchtbarerer  Gegenstand  der  Sage  und  Speculation  ge- 
worden. Ebenso  unhistorisch  und  legendenhaft  sind  die  Nachrichten 
des  Shdhndmeh  und  der  spätem  Pärsenbücher  und  die  aus  der 
Sage  geflossenen  der  Classiker,  obschon  nicht  geläugnet  werden 
kann,  dass  sich  noch  ein  Rest  wirklich  historischer  Erinnerung  er- 
halten hat.  Dahin  gehört  vor  allem,  dass  er  unter  Kavd  Vistd^pa 
gelebt,  dass  Frashaostra  (Freshoster),  De-gdmdgpa  (Gdmd^p),  Maidjo- 
mdonhd  (Mediomah)  seine  (zum  Theil  mit  ihm  verwandten)  ersten 
eifrigsten  Anhänger  gewesen  seien;  dass  er  gegen  eine  bestehende 
Priesterkaste,  die  Magier,  aufgetreten  sei,  worin  eine  deutliche  Erin- 
nerung an  die  Kavi's  sich  erhalten  hat,  dass  er  sich  auf  eine  un- 
mittelbar göttliche  Sendung  berufend,  eine  neue  Lehre  verkündigt 
habe,  und  vielfach  angefeindet  und  verfolgt,  doch  schliesslich  den 
Sieg  errungen  habe,  Suchen  wir  nun  die  geringen  Spuren  in  den 
Gdthas  auf,  die  uns  ein  freilich  nur  sehr  dürftiges  Bild  des  rein 
historischen  Zarathustra  geben  können. 

Zarathustra,  der  vortreffliche  Sänger  oder  Dichter  ^),  wie 
der  Name    übersetzt  heisst,   gehörte   zu  der  iranischen  Familie    der 


^)  Der  Name  hat  schon  viele  Deutungsversuche  erfahren.  Die  ver- 
breitetste,  von  den  Parsen  selbst  herrührende  ist  die  von  Goldstern  (aus 
zairi,  Gold,  und  Tishja,  Name  eines  Sterns);  diese  lässt  sich  indess  auf 
keine  Weise  mit  der  Urform  des  Namens  Zarathustra  reimen  und  wider- 
spricht allem,  was  wir  sicher  von  ihm  wissen.  Man  suchte  sie  dadurch  zu 
rechtfertigen,  dass  man  ihn  zu  einem  Sternanbeter  machte;  aber  davon  findet 
sich  keine  Spur  in  den  Gotha' s.  Besser  ist  der  Versuch  Burnoufs  „gelbe 
Kameele  habend",  den  er  aber  wieder  aufgab  und  den  viel  schlechtem 
alten  von  Goldstern  dafür  eintauschte.  Ustra  findet  sich  öfter  als  Name 
des  Kameeis  im  Zendawesta,  und  Personennamen,  die  dieses  Wort  zu  ihrem 
letzten  Gliede  haben,  waren  im  Baktrischen  gewiss  ebenso  leicht  bildbar 
als  die  zahlreichen  mit  aQpa,  Pferd,  schliessenden ,  wie  llaccatacpa, 
Vtstdcpa  etc.;  aber  zaroth  kann  nicht  wohl  gelb  oder  golden  heissen,  da 
68  kein  Adjectiv  sein  kann,  sondern,  wie  die  Analogie  der  wedischen  Namen, 
z.B.  Iiharad-vd(ja ,  lehrt,  die  Grundform  des  Participii  praes.  sein  muss, 
welcher  aber  (zarat  =  harat,  garat)  nirgends  die  Bedeutung  gelb  zukommt. 


246        Havgj  die  Gäthas  des  Zarathustra.    Schiassabhandlung. 

Haecat-a^jms,  wie  mit  Sicherheit  aus  dem  vollständigen  Namen 
seiner  Tochter:  Pouruci(^td  Haecat-a^pdnä  (53,3),  d.i.  Pouriicigtä 
(Vielwisserin)  die  Haecata^pidin ,  die  heilige  von  den  Töchtern  Zara- 
thustra's,  deutlich  hervorgeht.  Diese  Familie  ist  46,  15  auch  wirk- 
lich genannt  und  führt  wie  Zarathustra  selbst  das  Prädikat  ^pitama, 
das  gewöhnlich  durch  hochheilig,  der  heiligste  erklärt  wird. 
Von  dieser  heisst  es  dort,  dass  sie  das  Recht  und  Unrecht  unter- 
scheide und  dass  durch  ihre  schon  von  Anfang  an  von  dem  leben- 
digen Gott  eingesetzten  Gebräuche  ihr  die  Wahrheit  verliehen  werde. 
Hieraus  können  wir  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  den  Schluss  ziehen, 
dass  in  ihr  das  Richteramt  erblich  und  sie  daher  im  Besitz  aller 
Ueberlieferungen  und  der  Kenntniss  der  Gesetze  war.  Vielleicht 
steht  auch  ihr  Prädikat  ^pitama  in  Beziehung  zum  Richteramt-,  die 
Bedeutung  hochheilig  ist  sicher  nicht  die  ursprüngliche,  sondern 
diese    ist    am    besten    reinigend,    scheidend    (von    ^pi,    weg- 


Will  man  an  der  Deutung  des  uslra  durch  Kameel  festhalten,  so  lässt 
sich  das  zarath  =^  garat  durch  lobend  oder  alternd,  also:  Kameele 
lobend  oder  alternde  Kameele  besitzend,  erklären  (man  vgl.  sanskr. 
garad-gava,  ein  alter  Ochs).  Da  aber  der  Sinn  zu  unpassend  ist,  so 
müssen  wir  von  diesem  Versuch  ganz  abstehen.  Die  Erklärung  durch 
Goldschmied  ist  schon  von  lautlichem  Standpunkt  ganz  zu  verwerfen; 
denn  man  müsste  zara  und  thuslra  trennen  und  in  letzterem  eine  Verkür- 
zung für  das  wedische  tvashlar,  Bildner,  sehen;  aber  dieses  Wort  lautet 
im  Baktrischen  Uncörestar,  das  sich  nicht  zu  thiistra  zusammenziehen  konnte; 
zudem  heisst  das  Gold  zairi,  nicht  :;arrt.  Will  man  auf  eine  wirklich  rich- 
tige und  haltbare  Erklärung  kommen,  so  muss  vor  allem  die  Trennung  des 
Namens  in  zara  und  thustra  aufgegeben  werden;  man  darf  nur  zarath-uslra 
abtheilen.  Der  erste  Theil  zaraih  ist  entweder  die  Grundform  eines  Particip. 
praes.  zarat  von  der  W^urzel  zur  =^  gar  in  der  doppelten  Bedeutung  lob- 
singen und  altern,  oder  das  Substant.  znrad  =  hrd,  Herz;  der  zweite 
ustra  ist,  da  nach  dem  eben  Gesagten  uslra,  Kameel,  aufgegeben  werden 
muss,  soviel  als  skr.  ultarn ,  höher,  vortrefflich;  das  a  der  vorletzten 
Sylbe  ist  ausgestossen ,  gerade  wie  in  gdgerebuslrö  (Vend.  4,  48  nach  der 
Lesart  der  meisten  Codd.)  für  (jdrjerebustarö,  der  mehr  ergriffen  hat, 
und  in  Frashaostra,  wofür  53,  2  Frashaosara  sich  findet;  iistrem  =  nltaram 
in  der  adverbialen  Bedeutung  weiter,  mehr  treffen  wir  44,  18.  Von  den 
drei  möglichen  Bedeutungen  der  ersten  Hälfte  muss  die  von  alternd  (skr. 
garat)  als  zu  unpassend  bei  Seite  gelassen  werden.  Zwischen  den  beiden 
andern  ist  dagegen  schwer  zu  entscheiden,  weil  auf  beide  in  alten  Versen 
angespielt  scheint;  auf  zarad,  Herz,  43,  11  pap  mashjaeshu  zarazdditis, 
da  ich  bin  die  Herzenshingabe  unter  den  Menschen,  d.i.  da  ich 
euer  ergebenster  Diener  bin;  ebenso  31,1:  joi  zarazddo  anhen  Mazddi, 
die  ihr  Herz  den  Mazda  geben,  dagegen  aufwar,  lobsingen,  44,17: 
kathd  Mazda  zarem  cardni  haca  cardni,  wie  soll  ich  euch  lobpreisen 
gehen?  Auf  zarad,  Herz,  zurückgeführt  würde  somit  das  Ganze  der 
ein  treffliches  Herz  hat  bedeuten;  von  zarat  =  garat,  lobsingend, 
abgeleitet  dagegen  der  treffliche  Lobsänger.  Da  das  Singen  von  Lob- 
liedern in  den  Gdlhä's  eine  wichtige  Rolle  spielt  (vgl.  den  Namen  des  Pa- 
radieses garö-demdna,  Liederwohnung,  und  34,  2)  und  Zarathustra  selbst 
als  Dichter  erscheint  (50,  6),  so  ziehe  ich  die  letztere  Erklärung  vor.    Der 


Uebergang  des  t  von  zarat  in  ///  geschah  durch  Einfluss  des  u 
lieh  gebildeter  Name  ist  der  indische  garat-kdru. 


Ein  ähn- 

gc 


Hang,  die  Gdthd'a  des  Zarathustra.    Schhssabhandlung.        247 

nehmen,  tilgen  von  der  Kraft  des  Glaubens  Vend.  3,  41).  Sicher- 
lich führte  Zarathustra  dieses  Prädikat  nur  als  Mitglied  der  Haecat- 
agpideii-F mmVie,  das  ausser  diesen  auch  noch  den  Maidjo-mdonhd's 
(51,  19)  zukoraint.  Diese  Familie  ist  in  der  Ueberlieferung  der 
Pärsen  zu  einem  Einzelnamen  Mediomah,  der  ein  Vetter  Zara- 
thufetra's  gewesen  sein  soll,  geworden.  Dass  die  Familie  verwandt 
war,  scheint  mir  das  gemeinschaftliche  Prädikat  ^püama  zu  beweisen. 
Zarathustra's  Vater  ist  in  den  Gdthd's  nicht  erwähnt;  nach  Ja 9.  9 
hiess  er  Pourushd^pa,  welcher  Name  ganz  richtig  sein  mag.  Der 
Sage  nach  hatte  Zarathustra  Söhne  und  Töchter.  Der  Söhne  ist 
in  den  Gdthd's  nicht  gedacht,  dagegen  der  Töchter,  von  denen 
Pouru-ci^td  (die  Vielwisserin)  53,  3  mit  dem  Familienprädikat  ^pi- 
tdmi  ausdrücklich  genannt  ist;  wahrscheinlich  war  sie  sein  hervor- 
ragendstes Kind,  die  die  Sprüche  und  Lieder  ihres  Vaters  am  besten 
bewahrte;  darauf  scheint  ihr  Name  hinzudeuten.  Ueber  die  Heimath 
Zarathustra's  geben  die  Lieder  nicht  die  geringste  Andeutung.  Aber 
alle  Traditionen  weisen  aufBaktrien,  das  ich  in  herehhdhd  Armaiti, 
d.  i.  Hochland  (s.  zu  44,  7),  der  Gdthd's  zu  erkennen  glaube,  und 
wir  haben  gar  keinen  Grund,  diess  zu  bezweifeln;  jedenfalls  kann 
seine  Heimath  dem  obern  Tndusgebiet,  wo  sich  lange  die  wedischeu 
Inder  aufhielten,  nicht  fern  gelegen  haben.  Seiner  Stellung  nach 
war  er  Priester  des  Feuers  und  wahrscheinhch  auch  Richter.  Er 
zählt  sich  selbst  zu  denen,  die  dem  Feuer  Opfer  darbringen  (43,  9) 
und  wird  auch  von  Andern  einer  der  Opfer  er  (rcitäm)  genannt 
(33,  14).  Diese  Bezeichnung  deutet  auf  priesterHche  Geschäfte, 
gerade  wie  wir  ähnliche  Priesternamen  im  Weda  haben  (man  vgl. 
ftvig,  der  zur  rechten  Zeit  Opfernde).  Wir  treffen  ihn  öfter 
(30,  2.  32,  1)  vor  dem  Feueraltar,  wie  er  in  die  hell  auflodernden 
Flammen  schaut,  um  daraus  Ahuramazda's  Stinnne  zu  vernehmen 
und  seine  Sprüche  zu  hören.  Dieser  Umstand  lässt  ihn  deutlicher 
als  Orakelpriester  und  Propheten  erkennen.  Er  selbst  nennt  sich 
einen  mäthran,  d.  i.  einen,  der  heilige  Gebete  (mantra's) 
spricht  (32,  13),  und  einen  Gesandten  (duta)  Ahuramazda's 
(32,  1);  letztere  Benennung  theilt  er  aber  mit  seinen  Gefährten, 
die  maretan  oder  Sprecher  (30,  6.  vgl.  43,  14)  heissen,  welcher 
Name  indess  auch  frühern  Propheten  zuzukommen  scheint.  Ob  es 
indess  zu  seiner  Zeit  schon  einen  fest  eingerichteten  Priesterstand 
gab,  können  wir  nicht  sicher  entscheiden ;  wenigstens  wird  er  nirgends 
in  den  alten  Liedern  erwähnt.  Die  öfter  genannten  (^aoskjanto ^  d.  i. 
Feueranzünder  (s.  über  die  Etyjn(»l()gie  die  Note  zu  45,  11),  wahr- 
scheinlich so  genannt,  weil  sie  die  heilige  Ceremonie  der  Feuer- 
erzeugung durch  Reiben  zweier  Hölzer  {rdni  =1  arani ,  vgl.  p.  119) 
vorzunehmen  pflegten,  kann  man  als  Feuerpriester  betrachten;  aber 
sie  scheinen  noch  keinen  eigentlichen  Stand  gebildet  zu  haben.  Nach 
48,  12  sind  die  (^aoskjanto  in  den  Ländern  diejenigen,  welche  mit 
gutem  Sinn  der  Verehrung  Ahuramazda's  obliegen  und  seine  Befehle 
vollziehen,    und    von    ihm    zu  Vernichtung    aller  feindlichen  Angriffe 


248        Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.    Schiassabhandlimg. 

auf  den  Ackerbau  eingesetzt  sind.  Sie  besitzen  heilige  Sprüche 
(45,  11);  ihi'e  schönen  Werke  oder  Spriiche  heissen  der  Weg  des 
guten  Sinnes  (34,  13)-,  ihre  hohen  Gedanken  trugen  sie  in  künst- 
lichen Liedern  vor  (46,  3);  sie  beschäftigten  sich  aber  auch  mit 
der  Erklärung  alter  Offenbarungen  (48,  9).  Ihre  Lehre  war  die- 
selbe, wie  die  Zarathustra' s,  Vistd^pa's  und  Frashaostra's  (53,  3), 
mit  welchen  wir  sie  auch  später  (Ja9.  12,  7)  zusammengestellt  finden. 
Die  Benennung  Hausherr  (deng-pati  45,  11)  wirft  ein  Streiflicht 
auf  ihre  ursprüngliche  Bedeutung.  Es  waren  die  Hausväter  und 
patriarchalischen  Priester,  die  sich  durch  W^eisheit  auszeichneten  und 
Lieder  zum  Preise  des  Feuers  und  der  Erde  dichteten.  Dieselbe 
Stellung  als  Priester  hatten  die  Hausväter  ja  auch  bei  den  wedischen 
Indern-,  aber  diese  setzten  früh  Stellvertreter  (purohita)  ein_, 
woraus  sich  später  das  Brahmanenthum  entwickelte.  Diess  scheint 
bei  den  Iräniern  nicht  geschehen  zu  sein,  da  wir  keine  Spur  davon 
finden.  Sie  nehmen  in  der  iranischen  Religion  ganz  dieselbe  Stelle 
ein,  wie  die  Angirasas  und  die  Bhrgavas  im  Weda,  die  man  neuer- 
dings gewiss  mit  Unrecht  ganz  in  das  Nebelgebilde  mythischer  Ge- 
stalten auflösen  wollte.  Sie  sind  die  frommen  Vorväter,  die  nur 
das  heilige  Feuer  verehrten  und  den  Acker  zu  bauen  anfingen,  auf 
die  mit  Verehrung  hingeblickt  wird.  Merkwürdigerweise  finden  wir 
auch  den  Namen  aTigreng  :=  angirasas  (43,  15)  in  demselben  Sinne 
von  Feuerverehrer,  wie   ^aoskjaiito  (s.  zu  44,  12). 

An  die  Lehre  dieser  ^aoskjafito ,  d.  h.  an  die  alten  überlieferten 
Sprüche  und  Lieder  derselben  zum  Lobe  des  Feuers,  schloss  sich 
Zarathustra  insofern  an,  als  er  zunächst  den  uralten  Feuerdienst, 
der  durch  den  neuen  wilden  Indracult  etwas  vernachlässigt  wurde, 
aufrecht  zu  erhalten  suchte;  er  wollte  mit  der  Vergangenheit  seines 
Volkes  nicht  brechen.  Dass  ihm  die  alten  Traditionen  heilig  waren, 
beweist  auch  die  Art  und  Weise,  in  der  er  des  Jima,  des  hochge- 
feierten Dschemschid  der  iranischen  Sage,  gedenkt  (32,  8).  Den 
altarischen  Volksglauben  an  gute  Geister,  ahura's  mazda's  genannt, 
die  als  alles  Leben  und  Gedeihen  schaffend  und  im  Besitze  aller 
Weisheit  gedacht  wurden,  behielt  er  bei  und  suchte  ihn  zu  ver- 
geistigen (s.  nachher);  dem  Glauben  an  böse  Mächte  dagegen  gab 
er  eine  gcinz  veränderte  Gestalt,  indem  er  die  meisten  bisher  ver- 
ehrten Götter  zu  solchen  umstempelte.  Diess  war  der  Anfang  der 
grossen  Religionsbewegung,  der  ältesten,  die  die  Weltgeschichte 
kennt  und  die  seinen  Namen  an  der  Spitze  trägt.  Dass  er  die 
Bewegung  in  Folge  des  sich  immer  mehr  verbreitenden  stürmischen 
und  den  altväterlichen  Sitten  widerstrebenden  Indra-  und  Soma- 
dienstes  hervorrief,  um  die  altern  Sitten  zu  erhalten  und  den  eben 
erst  beginnenden  Ackerbau  zu  schützen,  ist  bereits  im  vorigen  Ab- 
schnitte gezeigt  worden.  Um  mit  Erfolg  gegen  eine  von  Vielen 
anerkannte  Religion,  deren  Träger,  die  Priester  und  Weisen,  man  im 
Besitz  geheimer  Kräfte  glaubte,  wirken  zu  können,  musste  er  sich 
auf  eine  höhere  Offenbarung  und  auf  unmittelbar  göttlichen  Auftrag 


Ilaug,  die  Gäthd's  des  Zarathustra.    Schlussabhandliing.        249 

berufen  können.  Dass  er  diess  wirklich  that,  lehrt  das  wichtige 
43.  Capite],  wo  er  von  den  Besuchen  des  Genius  (^raosha  in  Be- 
gleitung des  Vohü-mam  oder  guten  Sinnes  redet  und  v.  12  sagt, 
dass  ihm  Ahiiramazda  befohlen  habe,  nicht  ohne  die  Offenbarung 
aufzutreten,  ehe  nämlich  ^raosha  die  erhabenen  Wahrheiten,  wie 
sie  bei  der  heiligen  Ceremonie  der  Feuererzeugung  durch  Reiben 
zweier  Hölzer  zu  schauen  sind,  ihm  mitgetheilt  habe.  Diesem  Auf- 
trag leistete  er  nach  v.  14  wirklich  Folge,  wo  er  sich,  nachdem  er 
in  den  Besitz  mannigfacher  kräftiger  Sprüche  gekommen  ist,  auf- 
zutreten bereit  erklärt.  Der  folgende  Vers  beschreibt  nun  sein, 
wahrscheinlich  erstmaliges  Auftreten,  das  gewiss  zunächst  im  Kreise 
seiner  Freunde  geschah.  Er  erklärt,  dass  der  heilige  Feuerdienst, 
der.  Glück  und  Frieden  bringe,  fortdauern  solle,  und  fordert  die 
Zuhörer  auf,  dass  Niemand  den  Lügenpriestern,  sondern  den  alten 
Feueranzündern  Verehrung  darbringen  solle.  Später  trat  er  vor 
grossen  Volksmassen,  die  von  nah  und  fern  herbeiströmten,  um  den 
gewaltigen  Propheten  zu  hören,  auf;  eines  seiner  Lieder,  das  er 
bei  einer  solchen  Gelegenheit  vortrug,  ist  Cap.  30  erhalten  (vgl.  die 
Einleitung  zu  demselben  [,  p.  92  ff.);  eine  Nachahmung,  wahrschein- 
lich von  einem  seiner  Nachfolger,  haben  wir  Cap.  45,  1  —  5.  Er 
entwickelte,  vor  dem  Feueraltar  stehend,  seine  neuen  eigenthüm- 
lichen  Lehrsätze,  auf  die  wir  bald  zu  sprechen  kommen  werden, 
und  verlangte  eine  Glaubenswahl,  d.  h.  eine  Trennung  der  Bekenner 
der  zwei  bisher  neben  einander  bestandenen  Religionen;  daher  ist 
varena,  Wahl,  das  acht  zarathustrische  Wort  für  seine  Religion; 
die  der  Gegner  heisst  tkaesha  (49,  3),  das  aber  später  seine 
schlimme  Bedeutung  ganz  verloren  und  ein  gewöhnliches  Wort  für 
Glauben  (neupers.  kesh)  geworden  ist.  Alles  Unheil,  das  auf  Erden 
gestiftet  wird,  legt  er  den  Götzendienern  und  ihrer  Religion  zur 
Last.  Der  Mensch  wird  durch  die  Götter  und  ihre  Priester  um 
seinen  Wohlstand,  sein  Glück  und  seine  Unsterblichkeit  betrogen 
(32,  5).  Dieser  Angriflf  auf  den  Götterdienst  rief  den  heftigsten 
Widerstand  hervor;  die  Priester  suchten  den  neuen  Propheten  durch 
Worte  zu  widerlegen,  und  im  Anfang  mag  der  Streit  nur  ein  Wort- 
streit (31,  11.  12)  gewesen  sein,  was  daraus  zu  schliessen  ist,  dass 
schon  nach  Beginn  des  Zwiespalts  die  Bekenner  beider  Religionen 
noch  neben  einander  wohnten  (30,  2),  ja  sogar  ein  und  derselben 
Familie  angehören  konnten  (33,  3).  Sie  behaupteten,  auf  ihre  Lieder, 
denen  eine  unwiderstehliche  Siegeskraft  zugeschrieben  wurde,  sich 
stützend,  dass  sie  im  Besitze  der  höchsten  und  wichtigsten  Lehren 
seien;  aber  Zarathustra  bestritt  es  und  suchte  überall  seine  Lehre 
als  die  bessere  und  höhere  darzustellen  (31,  17).  Er  nannte  sie 
geradezu  maga  maz,  d.  i.  das  grosse  Gut,  der  grosse  Schatz 
(29,  11.  46,  14).  Da  die  Sprüche  und  Lieder  der  Götterpriester 
in  grossem  Ansehen  standen,  so  scheint  er  anfänglich  mit  keinem 
grossen  Erfolg  dagegen  angekämpft  zu  haben;  er  musste  den  Seinen 
ausdrücklich  verbieten,  nicht  mehr  auf  diese  Zaubersprüche  zu  höret). 


250         Hang,  die  Gäthas  des  Zarathustrn.    Schlussabhandlung. 


weil  sie  nur  verderblich  wirkten  (31,  18).  War  der  Faualism 
einmal  angefacht,  so  konnte  es  bei  keinem  blossen  Wortstreit  mehr 
bleiben;  ein  blutiger  Religionskrieg  war  die  nothwendige  Folge.  Um 
Zarathustra  schaarten  sich  alle,  die  dem  Feuerdienst  der  Vorväter 
und  der  Verehrung  der  Geister  des  Lichts  und  Lebens  treu  bleiben 
und  den  friedlichen  Landbau  betreiben  wollten.  Um  die  Götter- 
priester sammelten  sich  alle  Verehrer  des  neuen  Somacultes  und 
Freunde  des  Nomadenlebens.  Zwischen  beiden  streitenden  Parteien 
kam  es  zu  Kämpfen  (31,  18.  32,  7.  44,  15)  mit  wechselndem  Glück. 
Als  die  Hauptgegner  des  Propheten  und  seiner  Lehre  sind  Grehma 
(32,  12  — 14),  worunter  vielleicht  der  berühmte  wedische  Sänger 
Gftsamada  (I,  p.  176)  zu  verstehen  ist,  und  Befldva  =  Pdjidava 
(49,  1.  2),  also  ein  Sprössling  des  berühmten  Pändugeschlechts,  ge- 
nannt. Grehma  hatte  die  Besitzungen  der  Anhänger  Zarathustra's 
verwüstet  und  den  Propheten  selbst  aufs  heftigste  geschmäht ;  daher 
soll  er  mit  seinen  Helfern,  den  andern  Kavi's,  vertrieben  werden. 
Bendva  hatte  ebenfalls  das  angebaute  Land  der  Zarathustrier  ver- 
heert; der  Dichter  bittet  den  Ahuramazda  um  Hilfe  gegen  ihn.  Für 
einige  Zeit  scheinen  die  Götterpriester  gesiegt  zu  haben;  denn  wir 
finden  46,  1  den  Propheten  landflüchtig;  er  klagt  Ahuramazda  seine 
Noth  und  bittet  ihn  um  seinen  Beistand  (46,  2). 

Als  die  wärrasten  und  eifrigsten  Anhänger  Zarathustra's  sind 
Kava  Vistdgpa ,  Frashaostra  und  De-gämä^pa  oder  vielmehr  die  Fa- 
milie der  De-gdmd^pa's  genannt.  Alle  drei  kennt  auch  die  iranische 
Sage.  Nach  ihr  war  Vistd^pa  (Kai  Giistdsp)  der  König,  unter  dem 
Zarathustra  auftrat;  aber  wir  finden  ihn  nirgends  deutlich  als  König 
oder  Herrscher  bezeichnet,  wie  wir  überhaupt  nach  dem  oben  Ge- 
sagten keine  deutlichen  Spuren  eines  wirklich  starken  Königthums 
entdecken  können.  Er  ist  Freund  und  Verehrer  (urvatho)  Zara- 
thustra's genannt,  der  bereit  ist,  dessen  Lehre  weiter  zu  über- 
liefern (46,  13);  er  erlangte  die  wahre  Erkenntniss  durch  die  Kraft 
des  Maga  (Zarathustra's  Lehre),  durch  die  Verse  des  guten  Geistes 
(51,  16);  er  bahnt  als  Verehrer  Ahuramazda' s  mit  Frashaostra  die 
richtigen  Wege,  d.  h.  er  befördert  den  wahren  Glauben,  Feuerdienst 
und  Ackerbau  (53,  2).  Da  er  als  ein  Verkündiger  (denn  dieser 
Begriff  liegt  in  fra^rüidjäi  46,  13,  s.  die  Note)  der  zarathustrischen 
Lehre  erscheint,  es  aber  kaum  denkbar  ist,  dass  der  Oberherrscher 
von  Iran  die  neue  Lehre  selbst  öffentlich  gepredigt  habe,  und  da 
der  aus  knvi  verdrehte  Name  Kavd  ursprünglich  durchaus  keinen 
König  oder  Herrscher,  sondern  nur  einen  Priester  oder  Weisen 
bezeichnete,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  er  nur  Hauj)t  eines 
hoch  angesehenen  Geschlechts  war,  das  namentlich  in  religiösen 
Dingen  eine  einflussreiche  Stimme  hatte;  später  mögen  dann  daraus 
Könige  hervorgegangen  sein.  —  Frashaostra,  der  Sage  nach  ein 
Bruder  des  Gdmdgp,  wird  neben  Zarathustra  und  Vistd^pa  (28,  7  f.) 
genannt.  Der  Prophet  richtet  an  ihn  (46,  16)  eine  Aufforderung, 
mit  den  Getreuen    zur  Armaiti   und    den    übrigen  hohen  Genien    zu 


US     ^ 


Hang,  die  Gäthas  des  Zaraihv^^'"'''     Schlussabhandlung.       251 

kommen,  was  auf  die  au«^  ^"^  Vend.  2  bekannten  Zusammenkünfte 
Zarathustra's  mit  r^^««  höhern  Geistern  hinzudeuten  scheint  (vgl. 
46,  14).  51,  iV  sagt  von  ihm  die  Erdseele,  dass  er  ihr  für  die 
Verbreituots  *^es  Glaubens  einen  glänzenden  Körper  ausersonnen  habe, 
in  welchem  sie  von  Ahuramazda  fortgeschickt  zu  werden  wünscht, 
was  entweder  auf  ein  schönes,  dem  Lobpreis  der  Erde  gewidmetes 
Lied  (in  Cap.  50  redet  die  Erdseele  durchgängig  in  der  ersten 
Person,  so  dass  sie  als  Dichter  erscheint)  oder  auf  eine  schön  ein- 
gerichtete Besitzung  hindeutet.  Letzteres  ist  das  Wahrscheinlichere. 
Damit  stimmt  die  Bitte  des  Dichters  49,  8,  Ahuramazda  möge  dem 
Frashaostra  die  gedeihlichste  und  blühendste  Schöpfung  verleihen, 
und  sein  Prädikat  hvogva,  reich,  angesehen  (s.  zu  46,  16).  Er 
war  sonach  einer  der  eifrigsten  Pfleger  des  Ackerbaus,  der  grosse 
und  schöne  Güter  besass,  und  schon  aus  diesem  Grunde  eifrig  dem 
verderblichen  Indradienst  entgegenwirkte.  —  De-gdmd^pa,  Gdmdsp  bei 
den  Pärsen,  nach  der  Sage  Minister  des  Königs  Gustdsp,  lässt  sich 
nur  als  Plural  in  den  Gdthd's  nachweisen,  woraus  wir  mit  Sicher- 
heit schliessen  dürfen,  dass  es  nicht  der  Name  eines  einzelnen 
Mannes,  sondern  einer  ganzen  Familie  war.  Das  vorgesetzte  De 
ist  wie  Kavd  ein  Ehrenname  und  heisst  der  Weise  (vgl.  dht,  Nach- 
denken, dhira,  weise,  im  Weda);  ausserdem  haben  sie  auch  das 
Prädikat  hvogva,  wie  Frashaostra.  Dass  die  Familie  als  Besitzerin 
von  Segenssprüchen  galt,  geht  klar  aus  46,  17  hervor,  wo  sie  auf- 
gefordert sind,  dorthin  zu  kommen,  wo  ihnen  die  Segensworte  zu 
Theil  werden  und  sie  stets  die  von  (^raosha  geschafienen  Güter, 
d.  i.  die  Ueberlieferungen  besitzen  sollen.  Wahrscheinlich  waren  es 
Kenntnisse  in  der  Heilkunde,  durch  die  die  Familie  sich  auszeich- 
nete; denn  darauf  deutet  der  Ausdruck  afshmdni,  Segens-  oder 
Heil  Sprüche  (s.  die  Note).  Ihre  Sprüche  und  ihre  Erkenntniss 
werden  auch  sonst  gerühmt  (49,  9.  51,  18).  —  Ausser  den  drei 
genannten  ist  einmal  der  Name  Maidjü-mdonhd  (s.  oben)  erwähnt 
(51,  19);  diese  Familie  scheint  aber  keine  solche  Rolle  wie  die 
drei  genannten  Namen  gespielt  zu  haben. 

Wie  viel  diese  eben  aufgeführten  ersten  Bekenner  des  Zara- 
thustrismus  an  der  Vorbereitung  und  Aufbildung  desselben  Antheil 
hatten,  lässt  sich  natürlich  nicht  genaii  bestimmen.  Sie  wachten 
wohl  über  die  Reinerhaltung  der  Lehre  und  setzten  nach  Zara- 
thustra's Tode  den  Kampf  gegen  die  Götterpriester  fort.  Sie  sind 
als  die  ersten  Magava's,  d.  i.  Schatzreiche,  Mächtige  (als  In- 
haber wirksamer  Lieder  und  Sprüche)  zu  betrachten  und  aus  ihren, 
sowie  aus  Zarathustra's  eigener  Familie  erwuchs  die  später  so  ein- 
flussreiche Kaste  der  Magier.  Das  Wort  kommt  im  ganzen  Zend- 
awesta  merkwürdigerweise  nur  dreimal  vor  (Ja9.  33,  7.  51,  15. 
Vend.  4,  47);  in  der  einen  (33,  7)  ist  es  wahrscheinlich  eine  Be- 
zeichnung Zarathustra's;  in  der  andern  (51,  15)  ist  Nom  Lohne  die 
Rede,  welchen  Zarathustra  den  Magava's ,  die  in  den  folgenden 
Versen  (16 — 19)  mit  Namen  aufgeführt  sind  (Vtstdt^pa,  Frashaostra^ 


252         Haug,  die  Gdthas  des  Zarathustra.    Schlüssahhandlung. 

De-gdmd^pa,  Maidjomdonhd) ,  ziierkaim^.  hcibe;  in  der  dritten  weit 
spätem  scheinen  schon  die  wirklichen  Magier  — jedenfalls  eine  be- 
sondere Menschenklasse —  gemeint,  denn  es  hels^t•  ich  spreche, 
wie  der  Magava  laut  zu  sprechen  pflegt,  d.  li.  ich  spreche 
eine  Formel  ganz  in  der  Weise,  wie  diess  die  thun,  welcKe  sich 
einen  besondern  Beruf  daraus  machen,  wie  dä^  Magava's.  Das  Ver- 
hältniss  der  Magava's  zu  den  Priestern  des  Zendawesta,  den  dthrava's, 
darzulegen,  würde  mich  zu  weit  in  die  iranische  Religionsgeschichte 
hineinführen.  Ich  bemerke  für  jetzt  nur  soviel,  dass  wohl  lange 
nach  Zarathustra  ein  Sectenkampf  ausbrach,  in  welchem  die  An- 
hänger der  reinen  ächten  Lehre  Zarathustra's ,  die  Magava's,  von 
den  Feuerpriestern,  die  noch  viele  heidnische  Gebräuche,  wie  den 
Somacult,  bewahrt  und  Zarathustra's  Ideen  mit  dem  alten  Götter- 
glauben in  Einklang  zu  bringen  versucht  hatten,  aus  Baktrien  ver- 
trieben wurden.      Wir  finden  sie  ^'päter  in  Westirän  oder   Medien. 

Zarathustra's  Thätigkeit  war  nach  dem  Bisherigen  auf  Ver- 
nichtung des  Götterdienstes  und  Reinerhaltung  des  Feuercultes,  sowie 
auf  Beförderung  des  Ackerbaus  gerichtet.  Die  Wirksamkeit  in  letzterer 
Beziehung  tritt  so  stark  hervor,  dass  er  geradezu  ein  Prophet  des 
Ackerbaus  genannt  werden  kann.  Ihm  theilte  Ahuramazda  selbst 
einen  auf  die  Erdseele  bezüglichen  Spruch,  dass  diese  zum  Schutze 
des  Landmsnns  von  Gott  geschaffen  sei,  mit  und  befiehlt  ihm,  den- 
selben den  Menschen  zu  überbringen  (29,  8).  Der  Erdgeist  selbst 
nennt  ihn  (50,  6)  seinen  Verehrer  und  den  Dolmetscher  seiner  Ge- 
heimnisse. Auf  seine  Aussprüche  beruft  sich  der  Prophet  (30,  2). 
Hieraus  ist  mit  Sicherheit  zu  schliessen,  dass  er  wesentlich  zur  Ver- 
breitung des  Ackerbaus  beitrug.  Dieser  hing  mit  dem  sesshaften 
Leben  aufs  engste  zusammen ;  daher  sind  in  allen  Gdthd's  die 
Gaethd's  oder  Besitzthümer  so  ungemein  stark  hervorgehoben  (über 
die  Ableitung  vgl.  Zeitschr.  der  D.  M.  G.,  VIH,  p.  746  ff.).  Dass 
es  eingehegte  oder  eingefriedigte  Ackerstücke  (mit  Haus  und  Hof)  *) 
waren,  geht  nicht  nur  aus  den  stets  in  Bezug  auf  sie  gebrauchten 
Zeitwörtern  frdd  und  vared  (s.  zu  44,  10),  einhegen,  einzäunen, 
sondern  auch  aus  der  wichtigen  Stelle  46,  12,  wo  ihre  Entstehung 
beschrieben  wird,  hervor^):  „als  unter  den  Verbündeten  und  ihren 


^)  Das  Mascul.  goMha  (im  Locat.  gaHhi  34,  2)  bedeutet  Wohnung 
überhaupt;  es  steht  dort  für  das  gewöhnliche  demäna,  Haus. 

^)  Vgl.  weiter  den  13.  Farg.  des  Vendiddd.  Hier  heisst  es  nämlich, 
der  Pagus-haurva^  d.  i.  Vi  eh  hüte  r  (Name  einer  bestimmten  Hundeart), 
müsse  stets  bei  den  Gaethd's  sein  (v.  50.  Sp.),  damit  kein  Dieb  etwas  davon 
wegnehmen  könne  (v.  28).  Hier  sind  sie  abgegränzte  Orte,  wo  das  Vieh 
weidet.  Dass  sie  mit  Latten  oder  Pfählen  eingefriedigt  waren,  versteht  sich 
leicht  von  selbst  und  folgt  aus  dem  Obigen  mit  Sicherheit.  —  Die  im  Ven- 
diddd so  ungemein  häufige  Formel:  dätare  gaSthanäm  aglvaitinäm  heisst 
nicht:  Schöpfer  der '  daseienden  Welten,  sondern  Schöpfer  der 
irdischen  Besitzthümer  (Familiengrundstücke),  d.h.  Gründer  des  sess- 
haften Lebens, 


Hang,  die  Gctthd's  des  Zarathustra.    Schlassabhandlung.        253* 

Nachkommen,  den  Siegern  über  den  Feind  Frjdna,  die  heiligen 
Gebränche  (asha,  Feuerverehrnng  und  Ackerbau)  aufkamen,  [^o 
schufest  du  zimmernd  die  Gaethas  der  Armaiti.  Ahuramazda  stiess 
sie  (die  Pfähle)  rings  herum  ein  und  wies  sie  ihnen  (den  Verbün- 
deten) zum  Besitze  an."  Sie  gehören  der  Armaiti  (43,  6.  44,  10) 
im  doppelten  Sinn  des  Worts,  als  Erde  und  Frömmigkeit^  der  Erde, 
insofern  sie  Grundstücke  sind,  der  Frömmigkeit,  insofern  sie  nur 
durch  sie  erworben  und  erhalten  werden  können.  Sie  sind  ein  In- 
begriff des  Lebens,  weil  in  ihnen  unter  sorgfältiger  Pflege  alles 
blüht  und  gedeiht;  Zarathustra  ist  ihr  Herr  und  Haupt;  für  ihn 
friedigte  sie  Ahuramazda  selbst  ein  (46,  13);  daher  heissen  sie  auch 
seine  Gaethd's  (43,  7,  wo  (^raosha  ihn  fragt,  wie  sorgst  du  für 
deine  Gaethd's  und  Körper?).  Da  später  dieses  Wort  als  Inbegriff 
alles  irdischen  Lebens  und  Gutes  die  Bezeichnung  für  Welt  über- 
haupt wurde  (vgl.  das  neupersiche  gethi,  Welt,  aus  gaethja,  was 
sich  auf  die  gaethd's  bezieht,  verstümmelt),  so  musste  sich 
auch  die  Vorstellung  von  Zarathustra  als  dem  Haupt  und  Herrn 
der  irdischen  Schöpfung,  wovon  wir  schon  früh  Spuren  finden 
(Ja9.  51,  12:  in  ihm  ist  das  Dasein,  die  Welt,  erwachsen),  ent- 
wickeln. Aus  diesem  in  den  alten  Liedern  angedeuteten  Verhält- 
niss  Zarathustra's  zu  den  Gaethd's  möchte  ich  schliessen,  dass  er 
nicht  nur  darauf  bedacht  war,  die  bereits  gegründeten  zu  erhalten, 
sondern  auch  neue  gründete,  um  möglichst  viel  Land  zu  cultiviren 
und  das  Gedeihen  des  Lebens  in  der  Natur  zu  fördern. 

Nachdem  wir  bei  seiner  praktischen  Thätigkeit  verweilt,  müssen 
wir  nun  auch  seine  theoretische,  nämlich  seine  Meditation  und  die 
daraus  hervorgegangene  Lehre  etwas  besprechen.  Bei  der  blossen 
Bekämpfung  des  Götterdienstes  und  der  Erhaltung  der  Feuerver- 
ehrung und  des  Ackerbaus  konnte  er  nicht  stehen  bleiben.  Er  musste 
der  hochangesehenen  Lehre  der  Götterpriester  und  ihrer  vielge- 
priesenen Weisheit  eine  neue  entgegensetzen.  Seine  wesentlich  neue 
Lehre  war  das  Ergebniss  eines  tiefen  Nachdenkens  und  enthält 
streng  genommen  keine  Religion,  sondern  eine  reine  Philosophie. 
Er  ist  der  älteste  Philosoph  —  im  vollen  Sinne  des  Worts  —  den 
die  Weltgeschichte  kennt.  Ueber  den  Zusammenhang  seiner  Lehre 
mit  seiner  praktischen  Thätigkeit  sind  schon  im  4.  Abschnitt  An- 
deutungen gegeben  worden.  Am  klarsten  und  deutlichsten  ist  seine 
Philosophie  in  dem  höchst  merkwürdigen  30.  Capitel  vorgetragen. 
Die  mathematische  Grundlage  ist  eine  Zwei-  und  eine  Drei- 
theilung.  Alles,  was  sich  der  Betrachtung  des  Menschen  darbietet, 
ist  auf  zwei  Urkräfte  zurückzuführen,  die  nur  als  die  einzigen  nicht- 
erzeugten  im  Gegensatz  zu  allem  Erzeugten  ein  Zwillingspaar 
genannt  werden,  aber  in  ihrer  Thätigkeit  grundverschieden  und  sich 
geradezu  entgegengesetzt  sind.  Diese  sind  das  Sein  und  Nicht- 
sein (gaja  oder  gjditis  und  agjditis),  der  Anfang  und  das  Ende 
(paourvim,  apemem).  Das  Sein  ist  das  Leben  (ahu),  die  Wirklich- 
keit und  AVahrheit  (asha)   und    das    Gute,    das   Nichtsein   der  Tod, 


"^54         Haug,  die  Gdtha's  des  Zarathustra.    Schlussabhandlmg. 

der  Schein,  die  Lüge  (druhhs)  und  das  Böse.  Aus  ihrem  Zusammen- 
wirken ist  die  ganze  Welt^  die  körperliche  wie  die  geistige,  her- 
vorgegangen. Die  Macht  beider  erstreckt  sich  somit  nicht  bloss  auf 
die  äussere  Welt,  sondern  auch  auf  die  Gedanken,  Worte  und 
Thaten  der  Menschen.  Der  Gedanke  ist  stets  vorangestellt;  die 
guten  wie  die  schlechten  Worte  und  Thaten  haben  in  ihm  ihren 
Ursprung.  Diese  Dreitheilung  (drigu,  Dreiheit,  34,  5)  wird  schon 
früh  (33,  14)  eine  der  Grundlehren  Zarathustra's  genannt;  sie  zieht 
auch  durch  den  ganzen  Zendawesta  hin.  Die  beiden  sich  wider- 
streitenden Religionen  ruhen  auf  jenen  beiden  Grundkräften.  Die 
Verehrer  des  Feuers  und  die  Ackerbauer  gehören  dem  wahren  und 
guten  Princip  an,  weil  sie  alles  thun,  was  das  Leben  und  das 
Wohlsein  der  Welt  fördert;  daher  heissen  sie  ashava,  d.i.  die  das 
Wahre,  Wirkliche,  Fortdauernde  besitzen.  Die  Verehrer  der 
Götter  dagegen  folgen  der  bösen  Grundkraft,  von  der  die  Götter 
mit  ihrem  Lug  und  Trug  selbst  stammen ;  sie  heissen  dregvdo, 
Lügner  (nach  der  iranischen  Bedeutung  der  Wurzel  dreg,  drug 
=  skr.  driih,  zerstören),  weil  sie  die  Wahrheit  vernichten  und 
das  Gedeihen  der  guten  Schöpfung  stören.  Die  Zweizahl  finden 
wir  indess  noch  weiter  in  diesem  System  angewandt.  Das  Leben 
ist  ein  zweifaches,  ein  irdisches,  körperhches  (a^tvat)  und  ein 
geistiges,  „das  des  Gedankens"  (hjatcä  mananho  28,  3.  43,  3), 
öfter  nur  die  beiden  Leben  ohne  weitere  Bestimmung  genannt. 
Sie  heissen  auch  Urleben  (pardhu)  und  Gedanke  {mane  46,  19); 
das  geistige  auch  das  zweite  (daibitim  45,  1).  Nicht  hieher  zu 
ziehen  ist  dagegen  der  Ausdruck:  das  Erste  des  Lebens  (44,  2. 
45,  3),  was  auf  den  Anfang  (paourvim)  des  Lebens  sich  bezieht, 
dem  das  Ende  (apemem)  entgegengesetzt  ist.  Eine  weitere  Zwei- 
theilung ist  in  der  Unterscheidung  zweier  Denkungsarten  (mainis) 
oder  Weisheiten  (khratus)  zu  erkennen;  sie  heissen  die  erste  und 
die  letzte  (44,  19.  48,  4),  d.  i.  die  göttHche  und  die  menschliche 
Weisheit,  die  Urintelligenz  und  die  durch  Erfahrung  erworbene  *). 
Diese  wenigen  Grundgedanken  der  eigentlichen  Philosophie  Za- 
rathustra's bilden  das  wesentlich  neue  Element,  das  er  in  die  Volks- 
religion brachte.  Diese  bestand  in  der  einfach  kindlichen  Verehrung 
des  Feuers,  als  des  Schützers  gegen  alle  feindlichen,  in  das  Dunkel 
der  Nacht  sich  bergenden  Mächte,  und  in  der  Anbetung  guter 
Geister,  die  als  die  Urheber  des  Lebens  und  die  Inhaber  aller  Weis- 
heit gedacht  wurden  und  daher  bald  Ahura's,  d.  i.  Lebendige, 
bald  Mazda' Sy  d.  i.  Weise,  genannt  wurden  (31,  4.  45,  1).^  Ihre 
Zahl  war  anfänglich  ganz  unbestimmt,    ebenso  wie  die  der  Aditjd's 


0  Diese  Unterscheidung  finden  wir  noch  in  spätem  Pärsibüchern.  Die 
erste  heisst  ägnö-kliratu,  Urvveisheit,  die  zweite  gaoshö-Qrüta-khratu, 
die  durchs  Ohr  vernommene  Weisheit.  Die  Urweisheit  ist  als 
Mainju-khard,  d.  h.  himmlische  Weisheit,  in  dem  sogenannten  Minökhired 
personifizirt. 


Hang,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.    Schlussahhandlung.        255 

(^Varu7ia,  Mitra,  Arjaman,  Bhaga,  Am^a^  Daksha  sind  dte  vornehmsten) 
des  Weda,  die  gewöhnlich  zur  Vergleichung  herbeigezogen  werden. 
Die  Vorstellungen  von  beiden  sind  verwandt,  aber  sicher  nicht 
identisch.  Denn  der  Name  keines  einzigen  dieser  später  auf  die 
Siebenzahl  beschränkten  und  unter  der  allgemeinen  Benennung  Amesha 
Qpeiita  (Unsterbliche,  Heilige)  bekannten  Ahura's  mazdas  stimmt 
mit  denen  der  im  Weda  als  Aditjä's  bezeichneten  Genien.  Von  allen 
sieben  Einzelnamen  der  Amesha  ^pefita's  lässt  sich  überhaupt  nur  ein 
einziger,  als  Name  einer  Genie,  im  Weda  nachweisen;  nämUch  Ar- 
maiti;  aber  die  entsprechende  wedische  Aramati  wird  nie  zu  den 
Aditjä's  gezählt.  Wenn  sich  auch  sonst  einige  dieser  Namen,  wie 
Arjaman,  Bhaga,  Mitra,  im  Iranischen  wiederfinden,  so  haben  sie 
andere  Bedeutungen;  in  den  acht  zarathustrischen  Stücken  heisst 
airjama  nur  Freund,  Schutzgenosse,  und  hagha  ist  später  ein 
allgemeinerer  Name  für  Gott.  Mitra  steht  dh  Mithra  ganz  ausser- 
halb des  Systems  der  Amesha-^peüta's ,  und  nimmt  in  der  iranischen 
Mythologie  ganz  die  Stelle  des  wedischen  Varima  ein,  der  als  Gott 
ganz  und  gar  aus  dem  iranischen  Glauben  verschwunden  ist.  Au 
eine  Herleitung  der  Ainesha-^peTita-hehre  und  weiter  des  Ahura-mazda- 
Glaubens  aus  der  Vorstellung  von  den  Aditjä's  ist  sicher  nicht  zu 
denken.  Beide  haben  aber  dieselbe  Grundlage,  nämlich  den  ein- 
fach kindlichen  Glauben  an  das  Walten  guter  Geister,  denen  man 
alles  NützHche  und  Gute  zuschrieb,  deren  Zahl  anfänglich  unbe- 
stimmt war  und  die  wohl  auch  keine  besondern  Namen  hatten ;  sie 
nahmen  im  altarischen  Glauben  ganz  dieselbe  Stelle  ein,  wie  die 
Elohim  bei  den  alten  Semiten.  Deutlich  zu  ihnen  gerechnet  wird 
indess  der  Geus  urvd,  der  Erdgeist  (29,  2.  6),  der  in  dem  spätem 
System  keine  Stelle  hat.  —  Neben  den  guten  Genien  kannte  der 
Volksglaube  auch  böse,  wovon  wir  auch  Spuren  genug  im  Weda 
finden.  Ihr  ältester  Name  war  wohl  Khraf^tra,  d.  i.  Fleischfres- 
ser, worunter  nicht  bloss  schädliche  Geschöpfe,  sondern  auch  Un- 
holde zu  verstehen  sind. 

Aus  diesen  Vorstellungen  in  Verbindung  mit  dem  Feuerdienst 
entwickelte  sich  der  Volksglaube  an  einen  weissen  (^pefltö)  und 
schwarzen  (anrö,  s.  zu  44,  12)  Geist,  den  die  stammverwandten 
Slawen  in  Biel  bog  (weisser  Gott)  und  Czerny  bog  (schwarzer  Gott) 
bewahrt  haben.  Sie  sollten  zunächst  nur  die  Mächte  des  Lichts 
und  der  Finsterniss  in  einer  Einheit  repräsentiren.  Die  nächste 
Veranlassung  zur  Bildung  dieses  Glaubens  war  wohl  der  Feuerdienst; 
in  der  hellauflodernden  glänzenden  Flamme  erblickte  man  den 
weissen,  in  dem  ganz  verkohlten  schwarzen  Holze  den  schwar- 
zen Geist.  Als  Urkräfte,  als  Schöpfer  des  Guten  und  Schädlichen 
in  der  Welt,  als  die  Urheber  aller  guten  und  schlechten  Thaten  der 
Menschen  galten  sie  sicher  nicht,  sondern  sie  nahmen,  wie  in  der 
slawischen  Mythologie,  nur  eine  untergeordnete  Stellung  ein.  Darauf 
deuten  schon  die  Namen  hin,  die  nur  auf  rein  physische  Eigen- 
schaften sich  beziehen,  ferner  dass  Steigerungen  des  Namens  ^pentö, 


256        Haug,  die  Gdthd's  des  Zarathustra.    Schlussabhandlung. 

weiss,  wie  ^pentotemö,  der  allerweisseste,  oder  ^penisto ,  der 
weisseste,  häufig  vorkommen,  wenn  die  Bezeichnung  auf  Ahura- 
mazda  angewandt  wird.  Die  Finsterniss,  das  eigentliche  Element 
des  bösen  Geistes,  gilt  in  den  Liedern  zudem  nicht  für  etwas  Böses, 
wie  später  durchgängig;  denn  44,  5  sind  die  Finsternisse  (te- 
mdogca)  wie  die  Lichter  von  Ahuramazda  geschaffen  und  haben 
auch  dasselbe  Beiwort  hvdpdo,  die  Gutes  schaffenden.  Während 
wir  dem  Namen  des  weissen  ((^pentü)  Geistes,  der  allmählich  eine 
Bezeichnung  Ahuramazda' s  wurde,  oft  in  den  Gdthd's  begegnen, 
finden  wir  den  des  schwarzen  Geistes  eigentlich  nur  einmal  (45,  2), 
wo  er  dem  weissen  entgegengesetzt  wird;  das  Wortspiel  von  ailgro 
und  anro  44,  12  (mainjus  fehlt)  kann  kaum  gerechnet  werden.  Za- 
rathustra suchte,  um  dem  Volksaberglauben  nicht  zu  viel  Nahrung 
zu  geben,  ihn  geflissentlich  zu  vermeiden. 

Wie  verhält  sich  nun  Zarathustra's  Philosophie  zu  diesem  Volks- 
glauben? Er  suchte  ihn  durch  seine  neuen  Ideen  zu  läutern  und 
zu  vergeistigen.  Indem  er  seine  neuen  Gedanken  demselben  anpassen 
wollte,  lief  er  Gefahr  alle  Volksvorstellungen  vom  götthchen  Wesen 
in  blosse  Begriffe  aufzulösen ;  und  ganz  ist  er  auch  dieser  Gefahr 
nicht  entgangen;  aber  er  war  in  dieser  Beziehung  doch  glücklicher 
als  Buddha,  der  durch  lauter  Speculation  alle  Persönlichkeit  ver- 
nichtete. Zarathustra  rettete  wenigstens  den  Glauben  an  einen  persön- 
lichen Gott.  Diesen  gewann  er  aber  zunächst  nicht  dadurch,  dass 
er  den  Begriff  des  Seins  personifizirte,  sondern  indem  er  die  Volks- 
vorstellung vom  weissen  Geist  und  von  den  Ahura's  mazda' s  zu 
einer  Einheit  verschmolz  und  durch  den  Begriff  eines  anfanglosen 
Daseins  vergeistigte;  jener  lieh  die  Einheit  des  Begriffs,  diese 
statteten  ihn  mit  den  götthchen  Eigenschaften  und  Gütern  aus.  Aus 
den  Ahura's  mazda's  wurde  nun  ein  Ahura-mazda,  mit  dem  der 
ältere  Name  fpeiltö  mainjus,  weisser  Geist,  wechseln  konnte,  aber 
so  dass  dann  ^peüto  die  übertragene  Bedeutung  heilig  annahm. 
Ein  deutliches  Zeichen,  dass  das  Prädikat  <^pe?it6  nicht  mehr  ganz 
zu  genügen  schien,  erkennen  wir  in  der  öfter  vorkommenden  Er- 
setzung desselben  durch  höhere  Steigerungsgrade,  seltener  durch 
den  Comparativ  ^panjdo  (45,  2),  häufiger  durch  die  beiden  Super- 
lative ^peuisto  und  gperitdtemo.  Der  herrschende  Name  wurde  indess 
der  andere,  viel  bezeichnendere,  JAwramazda,  lebendiger  Weiser. 
Er  ist  der  Schöpfer  und  Herr  des  leiblichen,  wie  des  geistigen 
Lebens  (vgl.  die  schöne  Stelle  31,  7.  8  und  den  Hymnus  44,  3  —  5); 
in  seiner  Hand  sind  alle  Geschöpfe,  daher  heisst  er  dämis,  der  die 
Geschöpfe  habende;  er  als  der  Ungeschaffene  ist  der  Selbst- 
leuchtende f(jfafÄraj,  von  dem  Alles  Licht  und  Leben  borgt;  erschuf 
zuerst  die  Gaethd's,  die  Besitzthümer,  und  die  Daenas,  die  Sprüche 
und  Lieder,  zum  Schutze  der  guten  Schöpfung;  er  ist  der  Wissende, 
Einsichtige  etc.  Auch  den  Begriff  der  Gerechtigkeit  finden  wir  nicht 
ausgeschlossen,  denn  er  giebt  Schlechtes  dem  Schlechten,  Gutes 
dem    Guten    43,  5.      Er    ist   im   Besitze   mannigfacher    Gaben    und 


Hang,  die  Gdthas  des  Znrafhusfra.    Schlussabhandlung.        257 

Kräfte,  wie  des  khshathrem  oder  des  irdischen  Besitzes  (31,  6), 
der  Haurvatät  oder  Ganzheit,  Vollkommenheit,  der  Ameretät 
oder  Unsterblichkeit  (31,21.  33,8.9);  er  ist  der  Vater  des 
guten  Sinns  (Vohü-mano  31,8.  45,4),  der  Inbegriff  des  Wah- 
ren (asha  31,  8);  in  ihm  ruht  die  Armaiti,  flie  Erde,  sie  ist  seine 
Tochter  (31,  9.  45,  4);  auch  der  Erdgeist  ruht  in  ihm  (31,  9). 
Diese  Kräfte  wiirden  sehr  früh  personifizirt  und  als  höchste  Geister 
dem  Ahuramazda  beigeordnet;  man  brachte  mit  ihm  ihre  Zahl  auf 
sieben  und  gab  ihnen  den  allgemeinen  Namen  Amesha  ^pentuy  un- 
sterbliche Heilige.  Aber  weder  ihre  Siebenzahl,  noch  ihr  all- 
gemeiner Name  findet  sich  in  den  Gaihd's  (die  entschieden  spätere 
Ueberschrift  von  Cap.  28  ausgenommen).  Man  konnte  sie  um  so 
leichter  personifiziren,  als  der  Volksglaube  an  gute  lebendige  Geister 
hier  zu  Hilfe  kam.  Nun  entsteht  die  Frage,  waren  nicht  gerade 
sie  die  alten  Ahura's  Mazda's?  Von  einigen  wird  es  sich  nicht 
läugnen  lassen,  wie  von  der  Armaiti.  Diese  war  eine  Genie  schon 
iu  älterer  Zeit,  wie  die  entsprechende  Aramati  des  Weda  lehrt,  und 
hatte  schon  früh  die  doppeltet  Bedeutung  Ergebenheit,  Fröm- 
migkeit und  Erde.  Schon  mit  weniger  Grund  können  wir  diess 
bei  Haurvatät  und  Ameretät  annehmen,  denn  diese  sind  selbst  in  den 
Gäthä's  nie  personifizirt,  sondern  nur  Kräfte  in  der  Hand  des 
höchsten  Gottes.  Khshathrem  und  Vohü-mano  sind  reine  Begriffe  und 
ein  blosses  Produkt  von  Zarathustra's  Speculation.  Nach  33,  14 
hat  er  das  khshathra,  den  Begriff  irdischer  Macht  und  irdischen 
Reichthums,  zuerst  eiugefiüirt.  Vohü  mano,  der  gute  Sinn,  ist 
ein  zarathustrischer  Name  des  guten  Grundprincips  des  Seins 
und  der  gerade  Gegensatz  von  akem  mann,  dem  nichtigen  Sinn^ 
dem  Nichtsein  (30,  3),  wir  finden  davon  auch  den  Comparativ 
vahjö  und  sehr  häufig  den  Superlativ  vahistem;  für  Zarathustra  selbst 
war  es  ein  blosser  Begriff  und  sicher  keine  Person.  Asha  (skr.  rta), 
das  Wahre,  Wirkliche,  Fortdauernde,  der  Inbegriff  des  Da- 
seins, ist  eigentlich  nur  ein  Beiname  der  Ahura's  mazda's,  Dass  er 
aber  bald,  schon  vor  Zarathustra,  Name  eines  besondern  Genius 
wurde,  lässt  sich  nicht  verkennen,  da  er  als  solcher  in  den  unver- 
kennbar alten  Stücken,  wie  Cap.  28  u.  29,  erscheint  und  in  sicher 
zarathustrischen  Stücken  dem  Mazda  gegenübergestellt  wird  (30,  10). 
So  ist  die  ganze  Amesha-i^penHa-l^ehre  theils  aus  altern  Vorstellungen 
des  Geisterglaubens,  theils  a|is  der  Personification  zarathustrischer 
Begriffe  hervorgegangen.  Dieses  geschah  schon  sehr  früh,  da  wir  in 
<len  Gäthä's  Anrufungen  von  wenigstens  vier  einzelnen  derselben  (mit 
Ausnahme  Ahuramazda' s) ,  nämlich  des  Asha,  Vohü-mano,  Khshathra 
und  der  Armaiti,  finden  (28,  2  —  6.  29,  11  n.  s.  w).  Auch  Zara- 
thustra selbst  vermied  es  nicht  ganz,  im  Plural  von  der  Gottheit 
zu  reden,  wahrscheinlich,  um  sich  besser  dem  Volke  verständlich 
machen  zu  können.  Am  durchgreifendsten  und  überwiegendsten  tritt 
die  Einheit  Ahuramazda' s  in  der  zweiten  Gäthä  hervor,  die  verhält- 
nissmässig  die  meisten  acht  zarathustrischen  Verse  enthält.  Gelter 
Abhandl.  der  DMG.     II,  ±  17 


258         Hang,  die  Gdthas  des  Zarat/iustra.    SaliUissabhandlang. 

finden  wir  auch  einen  Dual  (28,  2),  wenn  Ahura  von  Mazda  ge- 
trennt und  als  ein  besonderer  Genius  gedacht  ist.  Die  beiden  sind 
häufig  ganz  getrennt,  ein  deutlicher  Beweis,  dass  sie  ursprünglich 
nicht  einen  Namen  bildeten.  Alle  dem  liegt  eben  noch  die  Vor- 
stellung von  einer  Vielheit  des  göttlichen  Wesens  zu  Grunde,  die 
Zarathustra  nicht  ganz  aufheben  konnte. 

Während  nach  dieser  Untersuchung  Zarathustra  aus  den  Volks- 
vorstellungen von  einem  weissen  Geist  und  von  guten  Genien  durch 
sein  philosophisches  Princip  des  Seins  den  Begriff  eines  lebendigen 
persönlichen  Gottes^  des  Ahuramuzda,  entwickelte,  so  können  wir 
nicht  sagen,  dass  er  aus  dem  Glauben  an  einen  schwarzen  Geist 
und  an  böse  Geister  überhaupt  vermittelst  seines  Princips  des 
Nichtseins  den  Iräniern  einen  persönlichen  Teufel  gegeben  hätte. 
Er  mochte  die  schlimmen  Einflüsse  einer  krassen  Teufelsiehre  voraus- 
sehen; daher  war  er  hier  behutsam  und  bewegte  sich  meist  nur  in 
Abstractionen.  Er  selbst  gebraucht  den  Namen  Anro  maiiijus,  die 
später  stehende  Bezeichnung  des  Teufels,  nie  (ausgenommen  in 
dem  Wortspiel  von  44,  12,  wo  indess  mainjus  fehlt).  Seine  philo- 
sophische Benennung  des  bösen  Grundprincips  ist  akem,  d.i.  nichts 
(outl),  ein  von  ihm  neugebiidetes  Wort  (30,  3),  womit  er  zunächst 
nur  den  Begriff  des  Nichtseins  bezeichnen  wollte  und  wovon  wir 
auch  den  Comparativ  ashjo  und  den  Superlativ  acistem  finden;  in 
physischer  und  ethischer  Beziehung  nannte  er  es  drukhs ,  Verder- 
ben und  Lüge,  was  einer  der  gewöhnliclisten  Namen  ist;  rein 
physische  Bedeutung  hat  die  Bezeichnung  aeshema,  Angriff  (29,  1), 
rein  ethische  die  von  dusgagtis,  Verläumdung,  Schmähung  (32,  9. 
45,  1),  die  indess  in  die  concrete  von  Verla umd er  überzugehen 
scheint;  nur  in  der  Bezeichnung  dregvdOf  Verderber,  Lügner,  die 
aber  auch  für  die  Götterverehrer  gebraucht  wird,  finden  wir  das 
böse  Princip  deutlicher  personifizirt  (30,  5).  Von  einem  besondern 
Reich  des  bösen  Geistes  mit  Ahriinan  und  sechs  Erzdews  an  der 
Spitze,  wie  wir  es  später  finden,  lässt  sich  noch  keine  Spur  ent- 
decken. Nach  der  acht  zarathustrischen  Anschauung  (32,  3)  sind 
die  Dadva's,  die  Götter,  aus  dem  Princip  des  Nichtseins  hervor- 
gegangen, d.  h.  sie  sind  Schein,  Lug  und  Trug;  von  einem  Reich, 
wo  sie  einen  besondern  Rang  einnehmen,  weiss  er  nichts.  Aus  dem 
zarathustrischen  Grundprincip  des  Nichtseins  in  Verbindung  mit 
dem  Volksglauben  an  einen  schwarzen  Geist  ist  dann  in  späterer 
Zeit,  wohl  schon  durch  einige  seiner  ersten  Nachfolger,  die  seine 
Philosophie  nicht  mehr  begriffen,  die  Vorstellung  von  einerrt  leib- 
haftigen persönlichen  bösen  Grundwesen,  das  als  gleich  uranfänglich 
dem  Ähiiramazda  gegenübergestellt  wurde,  hervorgegangen. 

Der  Glaube  an  einen  Himmel  und  an  eine  Hölle  findet  sich 
schon  in" den  Gäthd's.  Ob  Zarathustra  denselben  bereits  vorfand, 
oder  ihn  erst  begründete,  lässt  sich  nicht  sicher  entscheiden.  Ich 
vermuthe  das  Erstere.  Der  gewöhnliche  Name  für  den  Himmel  ist 
Garo-demdna  (Liederwohnung),  wo   die  Schaaren  seliger  Geister  Lob- 


Hang,  die  Gdthas  des  Zarathustra.    Schlussabhandluug.        259 

lleder  singen  (28,  10.  34,  2)  und  >vo  Ahuramuzda  wohnt,  zu  dem 
die  Magavas,  die  erleuchtetsten  Freunde  Zarathustra's,  kommen 
(51,  15)  und  ihm  Lob  und  Preis  darbringen  (45,  8).  Ein  anderer 
Name  ist  a^man  34,  7:  welche  nicht  das  Wahre  denken,  sind 
fern  vom  glänzenden  Himmel.  Der  Name  der  Hölle  ist 
Drugo-demdna,  Wohnung  der  Lüge  oder  des  Verderbens;  hieher 
kommen  die  Götterpriester,  die  das  wahre  Leben  zu  Grunde  rich- 
teten (46,  11),  und  alle,  die  Schlechtes  denken,  reden,  thun  und 
glauben  (49,  11).  Mit  dem  Glauben  an  Himmel  und  Hölle  hängt 
die  Vorstellung  von  der  Brücke  Cinvat  zusammen,  die  im  spätem 
Pärsismus  eine  so  grosse  Rolle  spielt.  Üeber  diese  gelangen  die 
Frommen  ins  Paradies  zur  Lobpreisung  Ahuramazdas  (46,  10),  die 
Gottlosen  (vornämlich  die  Götterpriester)  müssen  sie  umgehen  und 
gelangen  in  die  Wohnung  des  Verderbens  (46,  II).  In  einer 
spätem  Stelle  (51,  13)  ist  von  zwei  Brücken  Cinvat  die  Rede,  gegen 
welche  die  Seele  des  Verderbers  anstürme.  Man  kann  Cinvat  nur 
als  Versammler,  nicht  als  Richter  deuten;  denn  von  einem  Ge- 
richt nach  dem  Tode  finden  wir  in  den  Gdthd's  ebenso  wenig^eine 
Spur,  als  dort  die  reine  Wurzel  ci  richten  heisst.  Die  Vorstellung 
bildete  sich  wohl  aus  dem  Glauben  von  Zarathustra's  und  seiner 
Jünger  Gängen  zu  höhern  Geistern,  von  denen  er  Unterricht  und  Be- 
lehrung empfing  (vgl.  46,  14.  16  f).  Der  Name  Versammler  be- 
zeichnet ursprünglich  wohl  Zarathustra  selbst  oder  den  Genius  Qraosha. 
In  der  Vorstellung  von  den  urviäno  oder  Seelen  haben  wir  die 
Grundlage  des  spätem  Glaubens  an  die  Fravashi  oder  Schutzgeister 
(aus  fravareti  =  Phraortes,  Schützer,  verderbt);  sie  sind  die  Seelen 
der  Verstorbeneji,  welche  ihre  Nachkommen  schützend  umschweben 
und  für  sie  kämpfen  (49,  11);  sie  folgen  nur  dem  guten,  nicht 
dem  bösen  Geist  (45,  2). 


Druck  von  F.  A.  Brockliaus  ii»  Leipzig. 


BL  Windischmann,   Friedrich 

I5S5  Heinrich  Hugo 

W5  Mithra 


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