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Full text of "Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Athenische Abteilung"

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EX  LIBR.IS 
MARTIN  R  NILiSON 


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MITTHEILUNGEN 


DES 


INSTITUTES 


IN  ATHEN. 


•Mit    vierzehn  Tafeln,  viei*  Beilagen  und  vieleit 
A.bbildun§ren  im  Xext. 


ATHEN, 

IN   COMMISSION    BEI    K  A  R  L 'WI  LBE  RG. 
1885 


Athen   —  nruck  von   aEBRÜEDER  PERRIS.  —  Uiiiversitaets-Plat/. 


Inlialt. 


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DoEiiPFKLi),  Di'  P.opylüen  der  Alviopolis  von   Mlicii. 

I.  II.  (Tat.  II  III  \  I  .  .  .  .  .  ;5.s.iai 
»  »  Das   cli()i'ai:;is(.*lio    Moiiiiiin'iiL  (Jcs  Ni- 

kias  (Tal'.  VII)      .      .      .      .      .      .      .      IW) 

»  ))  h.'i'    alle    Allit'iia  -  Tein|M'l    auf  der 


.\kro|)()lis  zu    Mlicii, 


•nr. 


»  »  Mi'li'()loji;isclu'  Rt'ilriiue.  \^  ■    D;is   ila- 

lisclie  Maass  -  System 280 

F.  DüEMMLER,  Marmoi'statiie  in  !> 'iriit  (Taf.  I)       .      •      .        27 
E.  Fabiucius,    Altertliiimor    auf    Krola.  II.  Die    Idäische 
Zeusi;rolte  (mit  einer  Heilage).  III.  Ar- 
chaische   Inschriften    (mit    einer    Bei- 

la£?e) 59.92 

»  »      Ein  bemaltes  Grah  aus  Tanagra     .  158 

»  »       Der  Tempel  des    Apollon   Chresterios  bei 

Aigai 272 

ü.  KoEHLER,  Insclirift  von  Samos 32 


Potamos.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  und 

Topographie  der  attischen  Demen    . 
Numismatische    Beiträge.  III ■    Die  soh)ni- 


105 


sehe  Münzreform 151 

»       »         Die  choresische   Inschrift  des  Nikias.     .     231 
»        »         Die  attischen  Grabsteine  des  fünften  Jahr- 
hunderts. I  (Taf.  XIII  \IV)    ....     359 
Fr.  Koepp,  Die   Attische    Ilygieia.    Mit    einem   Excurs 

(Taf.  VIII  IX)    ." 255 

B.  Latischew,  Die  in  Russland  befindlichen  griechischen 

Inschriften.    Zweiter  Theil     .      .      .      .      113 

E.  Loewy,  Künstlerinschrift  aus  Megara 145 

H.  G.  LoLLiNG,  Das  Delphinion  bei  Oropos  und  der  De 

mos  Psaphis 

F.  Marx,  Bronzemünze  von  Elaia 


»     »      Diosku renartige  Gotlh.-iten  (Taf.  IV) 
»      ))      Marmorgruppe  aus  Sparta  (Taf.  VI) 


350 
21 
81 

177 


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jV  INHALT 

P.  J.  Meier,  L'eber  das  archaische  Giebelrelief  von  der 

Akropolis  1.11. III.  (mit  einer  Beilage)     237.322 
J.  H.  Müiü)TMA>N,  Ueber   einige    vorderasiatische  Gott- 
heiten      11 

Inschriften  aus  dem  Tschinili  Kiösck.  15 

Inschriften  aus  Syrien   .....  165 

Zur  Epigtapliik  von  Ryzikos  III  .      .  200 

Inschriften  aus  Varnn  (Odessos)  .      .  313 

A.  NmrsKV,  Zu  C.  I.  .4.  II    141. 57 

»        »      Zu  den  delphischen  Proxentnlisten.      .  101 

N.  NovosADSKv,  De  inscriptione  Lebadiae  nnper  invenla.  217 

E.  Petersen,  Zum  Erechtheion 1 

W.  M.  Ramsav,  Notes   and    Inscriptions   frnm   Asia  Mi- 
nor IV-VII    ........  334 

Tu.    Sciiiu.ir.EK.    Alcxaiidrinische    Sculptiii'cn    in    Athen 

(T.if.  \  XI  XII) 380 

LiDw.  V.  SvHEL,  Askh'pins  und  Alkon 97 

G.  WEiiEK,  Akdsche  -  Kajti.    Eine  unbekannle   Felsburg 

bei  Sinyina  (mit  einer  Beilage).      .      .      .  212 


MISCELLEN 


St.  ApAror.MHi:,  "Tafono; 172 

E.  Fabricius,  Zur  Idäischen  Zeusgrotte 280 

Ap.  Fontrier,  Inseription  d'AYdin 278 

»             »              'E'fcatax.fj   £;ciypa-jT) 401 

U.  KOEHLER,  Wäsclier  und  Waschfrauen  in  Atlien 77 

»          »         Bialpliabete  Inschrift  in  Athen 281 

»           »         Grabsteine  und  -  Denlcmäler 402 

Fr.  Koepp,  TerracüUagruppe  aus  Tanagra 173 

B.  Latischew,  C.  I.  A    II  60^) 76 

H.  G.  LOLLING,  Maralhonische  Inschriften  . 279 

»          »           Inschriften  in  Chalkis 282 

»          »           Inschriften  aus  Sykamino  und  Limogardi     ....  283 

J.  H.  MoRDTMANN,  Nachträge  zu  i^.200  fg.  (Zur  Epigraphik  von  Kyzikos)  402 

11  EP.   r.   Zkp.ventis,  'ETT'.yoaaai  s'y.   'Po'oou  (i;uv£)(^£ta) 73 

Lilteratur  un<l  FuiHh' 78.174.285.406 

Sitzuiigs|)rol(tcolle 175 

Ernennungen 176 


Zum  trechUieion  V 


Ohne  Noth  hat  man  den  \  ielhesprochencn  ^  Bau,  welcher 
der  v£w?  £v  CO  To  äp^aiov  öcyaXij.a  genannt  wird,  complicierter 
gemacht  als  er  gewesen.  Rücken  an  Rücken  enthielt  er  zwei 
iinnefähr  quadrate  Räume,  einen  östlichen  mit  östlicher  Vor- 
halle, prostyl,  sechssäuh'g,  der  xpdaTX'Ti;  xpö;  eco ;  einen  um 
9  Fuss  tiefer  gelegenen  westlichen  mit  westlichem  Vorraum, 
der  aher  nicht  eine  offene  Halle  war  sondern  durch  eine 
Mauer,  den  TO"t;(oc  7üp6;  tou  Oav^po'jeio'j  der  Bauurkurde,  ge- 
schlossen^. Obgleich  diese  Westfront,  im  oberen  Theil  mit 
vier  Halbsäulen  zwischen  zwei  Anten  geziert,  der  Ostfront  in 
der  Erscheinung  sich  annähert,  bleibt  doch  ein  Unterschied, 
welchen  Pausanias  zum  Ausdruck  bringen  zu  wollen  scheint, 
indem  er  das  eine  ol'/.'/^|7.a,  nennt,  das  andre  va-o;"^.  Dass  die- 
ser, welchen  der  Perieget  erst  nach  jenem  besucht,  eben  die 


^  Michaelis,  welcher  diese  Zeilen  vor  dem  Druck  gelesen,  theilt  mir  mit, 
dass  er  die  Zweistöckigkeit  des  Baus  schon  nach  Borrmanns  Unlersuchun- 
gen  aufgegeben  habe,  an  Pausanias.  Einlritt  durch  die  Südhalle  fest  halten 
müsse. 

2  S.  bei  Borrmann  in  diesen  Mittheilungen  II,  373,  1.  Rangabis  Aufsatz 
ebenda  VII  S.  258  u.  321  darf  als  ein  älterer  angesehen  werden.  Murrays 
Meinung  Journal  of  hell,  sludies  I  224  (mit  dem  Borrmann  S.  378  überein- 
stimmt) und  Fergussons  Erwiderung  ebenda  II,  83  kommen  hier  nicht  in 
Betracht. 

3  Die  Geschlossenheit  war  allerdings  weit  geringer  wenn  Borrmanns  S.387 
mit  seiner  sehr  ansprechenden  Vermuthung,  dass  ursprünglich  nur  Gitter- 
werk  zwischen  diesen  Säulen  vorhanden  war.  Recht  hatte. 

^  Aus  der  Zusammenstellung  Schubarts  im  Philologus  15,  38511".  ergiebt 
sich  zunächst  ein  bewusster  Gegensatz  zwischen  o(y.r^\j.x  und  vao';.  \\  6,  22.  8 
oiy-rffiat«  T£  zkz'.TZZTO  öXiya  xal  'AX^eta^a?  'Apxe'fx'So;  ayaXjxa  £v  vao, ;  ähnlich  ö, 
21,  1  und  2,  13,  8,  desgleichen  zwischen  dem  synonymen  ol/.oooar,[ia  uud 
vaö?  7,  15,  10  oj'te  ispa  .  .  .  oj'xi  o'./.ooo[jLr;[j.aTa.    Dass  an  dieser  Unterscheidung 

MITTH.  D.  ARGH.   INST.  X.  1 


2  ZUM  ERECHTHEION 

prostyle  Osthälfte  ist,  hat  Michaelis  aus  der  Inschrift  erwie- 
sen, welche,  wie  sie  die  einzelnen  Säulen  der  Osthalle  von 
einem  seitlich  gelegenen  Altar  (dem  der  Dione)  aus  bestimmt, 
so  von  allen  zusammen  als  rtöv  /.axa  tov  ßwaöv  (Jahn-Michae- 
lis Pausaniae  arc.  Ath.  descr.  tit.  20  c  1  35  u.  ß4)  oder  twv 
r,y.fy.  töv  ßcoy.öv  (c  II  48)  spricht.  Denn  6  ßcojv.o?  ohne  nähere 
Bestimmung  muss  der  Altar  der  Atliena  sein,  so  gut  wie  to 
ayyAaa  (to  äp^aTov)  tit.  IV),  1  und  I  75  ihr  Bild  bezeichnet  ^ 
In  der  That  ist  nun  auch  der  Westbau  vermöge  jener  Ge- 
schlossenheit des  Vorraums  ein  SittT^oOv  oi/f/ij^-a,  wie  Pausanias 
nachträglich  da  angiebt,  wo  er  aus  dem  einen  in  das  andre 
Gemach  tritt.  Auch  sonst  bezeichnet  er,  wie  Schubart  Philo- 
log.  15,  394  f.  nachgewiesen,  zwei  neben  oder  hinterein- 
ander gelegene  Räume  in  dieser  Weise.  Dass  er  mit  diesem 
Ausdruck  hier  allein  etwas  anderes  bezeichne,  nämlich  zwei 
übereinander  gelegene  Räume:  diese  Ansicht  hat,  wie  Julius 
und  Borrmann  gezeigt,  um  mich  nicht  auf  die  eigenen  Augen 
zu  berufen,  an  den  erhaltenen  Theilen  des  Baus  keinen  An- 
halt; die  von  Michaelis  versuchte  Durchführuno;  ist  unan- 
nehmbar  und  eben  mit  dem  Text  des  Pausanias  unvereinbar^. 
Denn  die  Altäre,  welche  Michaelis,  im  Gegensatz  zu  demje- 
nigen des  Zeus  Hypatos  -pö  tvi;  e^toSou,  drinnen  aufführt 
i<;z)M\)(j<.  Ss  v.Gi  ßwaoi  lloi^siSaivo?  u.s.w.  hat  eine  vorurtheilslose 


in  erster  Linie  die  Bestimmung  der  Gebäude  betheiligt  sei,  ergiebt  sich 
daraus,  dass  zwar  ausser  profanen  Bauten  auch  geweihte  sich  unter  den  ol- 
■/.7][jLa  genannten  linden,  aber  wem,  geweiht"?  Adonis,  Tyche,  dieselbe  und 
der  äyaOo;  oa;[j.wv,  das  Skcptron  Agamemnons,  Dioskuren,  Amphiaraos  und 
Asklepius,  nach  andern  aber  Prometheus,  endlich  Ilypnos  sind  denn  doch 
Dämonen  eigener  Art; ^ der  einzige  Apoll  Karncios  ist  mit  Hypnos  verbun- 
den. Demgemäss  wird  aber  auch  die  Form  der  Gebäude  kaum  tempelartig 
gewesen  sein.  Allerdings  2,  10,  2  wird  wohl  —  vgl.  2,  11,  8  —  ev  ttj  cioa  rich- 
tig von  dem  Bau  selbst  verstanden. 

'  Michaelis  in  diesen  Mittheilungen  II,  18.  Borrmanns  (S.  390)  Bedenken 
scheinen  mir  unbegründet. 

-  Es  scheint  doch  auch  was  Pausanias  3,  15,  10  sagt  vaöv  ol  tov  oTSa  (xdvo) 
Toj-o  /.a'i  jTcspwov  a)Xo  £;rw/.o5o'[xriTa'.  Mop-jou;  Upöv  jener  x\nnahme  entgegen  zu 
stehen:  denn  was  er  hier  alt  einzig  hervorhebt  ist  nicht  ein  updv  über  dem 
andern  sondern  ein  ii;:£pwov  im  vad?,  trotz  der  Unterscheidung  von  olV.Tjpia. 


ZUM  ERECHTHEION  3 

Auslegung  in  dem  zunäclistbetretenen  Ilauni,  d.  i.  auch  nach 
Michaelis  das  westliche  Vorgemach,  ich  will  es  mit  ihm  Pro- 
stomiaion  nennen,  zu  suchen;  eine  Treppe  hoch  im  Ober- 
stock, selbst  wenn  es  einen  solchen  gegeben  hätte, würde  man 
wenigstens  einen  Altar  des  Poseidon-Ereclitheus  überhaupt 
kaum  glaubhaft  finden  können.  Wie  sonderbar  wäre  über- 
dies, wenn  Fausanias,  dessen  Worte  Michaelis  weiterhin  für 
lückenhaft  erklärt  und  mit  /.y.TocSalci  ergänzend  also  schreiben 
will  /.axaSocGi  Ss  (S'.-T^o'jv  yxp  l'jTt  to  ol'x-/i[xa)  xat  uStop  e^jTiv  i'v- 
Sov  Baly.'TTiov  u.  s.  w-,  auf  die  Zweistöckigkeit  des  Baus  nicht 
beim  Hinaufsteigen  sondern  erst  beim  Wieder-Ilinabsteigen 
aufmerksam  machte.  Das  doppelte  x.ai  ist  unverdächtig.  Grade 
Pausanias  liebt  im  Anfang  eines  Satzes  diese  doppelte  An- 
knüpfung, des  ganzen  Satzes  mit  '  und',  des  hervorgehobenen 
Begriffs  mit  'auch',  der  Art  dass  diese  beiden  >tai  durch  ein 
Wort  getrennt  werden  wie  3,  14,  7  xai  jy^oi  x.at  toOto  «.TCo^paivei 
Tov  ).6yQv  etx-OTa,  3,  22,  12  xai  ti  /.ai  jxxvrsuj^.a  r,v,  1,  1,  2  y,at 
vew;  zai  e?  iu.s  okoi  r;«7av  ^  Statt  dieses  augenscheinlich  nur  der 
Trennung  zweier  gleichlautender  Wörter  wegen  dazwischen 
geschobenen  Sätztheils  hat  Pausanias  an  jener  Stelle  die  das 
folgende  i'vSov,  welches  bei  Michaelis  nicht  recht  verständlich 
ist,  erklärende  Bemerkung  eingefügt. 

Also  die  Altäre  des  Poseidon-Erechtheus,  Butes,  Hephai- 
stos  im  Prostomiaion,  Salzwasserbrunnen  und  Dreizackmal 
im  zweiten  inneren  Gemach,  der  eigentlichen  Cella  des  in  sei- 
nem Element  anwesenden  Gott-Heros.  Wie  auch  immer  die 
widersprechenden  Aussagen  von  Borrmann,  Julius,  Michae- 
lis, Bötticher,  Tetaz  und  der  Protokolle  der  athenischen  Com- 
mission  über  die  Oeffnung  im  Boden  der  Nordhalle  sich  mit- 
einander abfinden  werden,  dass  Pausanias,  oder  sein  Gewährs- 
mann Brunnen  und  Mal  im  zweiten  Gemach  sah  oder  zu  se- 
hen glaubte  wird  man  zugeben  müssen,  dass  beides  im  Hei- 


■•  AndrB  Beispiele  1,  5,  3  xal  ot)  ym  14,  5  ebenso,  dasselbe  im  Satz  1,  23,  8 
43  fl)i.,  ferner  44,  9  xai  acpiat  7.a,(  28,  5  y.a.i  [loi  /.xl  i,  31,  2  xa\  saTi  xal  £s  £[A£  43, 
3  y.at  Ol  /.a'i  aXXa  u.  s.  w. 


4  ZUM  ERECHTHEION 

ligthum  mehr  als  draussen  am  Platz  sei,  schwerlich  leugnen. 
Den  Namen  Prostomiaion  für  das  Vorgemach  hat  Michaelis 
theils  mit  einer  Stelle  der  Bauurkunde,  theils  mit  einer  Aus- 
leoung  jenes  Namens  zu  begründen  versucht.  Das  Resultat 
scheint  mir,  wie  gesagt,  richtig,  aber  die  Begründung  im  er- 
sten Theil  zu  ergänzen  im  zweiten  zu  berichtigen.  Zunächst 
das  l.etztere.  Michaelis,  cxö^aioc  als  ostia  fauces  fassend,  erklärt 
es  als  '  Thürenvorplatz ' :  wegen  der  ungewöhnlich  vielen, 
nach  ihm  fünf,  vielleicht  sechs  (S.  29j,  Ausgänge.  Bleiben 
von  diesen  nach  Beseitigung  der  Zweistöckigkeit  auch  nur 
vier  übrig,  so  ist  die  Zahl  allerdings  immer  noch  gross.  Lag 
denn  aber  dieser  Raum  vor  den  Thüren?  Freilich  vor  der 
einen  ins  innere  (i'vSov)  führenden,  aber  doch  hinter  den  drei 
Eingängen  von  den  zwei  Prostaseis  und  vom  Pandroseion 
her.  Denn  das  'vor'  (und  'hinter')  so  gut  wie  'innen'  und 
'  aussen  '  steht  fest,  kann  nicht  je  nach  der  Richtung  des  Ein- 
oder  Aus-gehenden  wechseln.  Als  Vorplatz  vor  der  einen 
Eingangsthür  wird  man  das  F^rostomiaion  nicht  passend  be- 
nannt linden,  vielleicht  doch  auch  wegen  der  nicht  gewöhn- 
lichen Verwendung  von  ct6[j.'.ov,  wohl  aber  als  Gemach,  ol- 
/tr,[Aa  möchte  ich  mit  Michaelis  S.  29  ergänzen,  vor  dem  Sto- 
mion,  der  Mimdiing  des  Salzwasserbrunnens,  dieses  Wun- 
ders, das  die  Hauptsache,  die  von  Pausanias  einzig  namhaft 
geraachte,  des  inneren  Raumes  war.  Grade  für  wunderbare, 
geheiligte  Erdöffnungen  wird  o-6'uov  bekanntlich  gebraucht, 
so  für  den  Orakelschlund  in  Delphi  Aischylos  Cho.  790  und 
Strabo  9,419  das  ä'vToov  .  .  .  oO  u.xky.  sOp'JaTOjj.ov  .  .  .  Ü7i:£p-/,£"i(j6ai 
Sk  TO'j  ciToiJ.io'j  xpiTToSa  u.  s.  w.,  dem  verwandt  wohl  das  gto- 
[urri  in  Olympia  mit  Altar  der  Themis  daneben,  bei  Paus.  5, 
1  i,  8,  der  Allarordnung  gemäss  in  bedeutungsvoller  Nach- 
barscbaft  zwischen  Altären  der  Ge  (einst  Orakel)  und  des  Zeus 
Kataibates  genannt.  Aristoteles  Kosm.  4  statuiert  wie  Was- 
ser- und  Feuer-  so  auch  Windquellen  der  Erde,  ofj.oiw?  Se  y.y.i 
7wV£ui7-7.T0)v  Two'XXöc  77oVAa/oO  yr,?  cToy.ix  ävswx.xai,  unter  denen  er 
die  Orakelschlünde  von  Del|)hi  und  Lebadea  aufzäblt.  Dann 
heissen  auch  von    Menschenhand    gemachte  in  die  Erde  füh- 


ZUM  ERECHTHEION  5 

rende  Oi^ffminuen  GT6[X'.a,  so  des  Txcpo;  der  Antigone,  eines 
Bergwerks  l><)Iyb.  1(5,  11,  i,  der  arabischen  Cislernen  Diod. 
19,  04.  Mit  SieluM'licil  darf  man  hcliaiipten  dass  (Mn  '  Pnisto- 
miaion  '  in  d(M'  Itnüchiing  dos  wunderbaren  oclro.  in  welchem 
man  bei  Sddwind  VVeilenranschen  zu  vernehmen  glanble, 
von  diesem  her  seinen  Namen  empfangen  liat  ;  aber  man 
könnte  meinen  das  Wort  miisse  etwas  vor  dem  Stomion  Be- 
legenes, nicht  das  vor  dem  Gemach,  in  welchem  das  Stomion 
sich  befand,  belegene  Vorgemach  bezeichnen.  Eine  solche 
Meinung  verträgt  sicli  jedoch  kaum  mit  dem  einzigen  Zeug- 
niss,  welches  uns  den  Namen  des  Prostomiaion  überliefert. 
Das  führt  mich  auf  den  ersten  Theil  der  Begründung  von  Mi- 
chaelis, den  ich  zu  ergänzen  verhiess. 

An  der  von  Michaelis  a.  0.  S.  28,  von  Borrmann  S.  390  be- 
sprochenen Stelle  der  Baunrkunde  (Michaelis  tit.\S)\  GOff.)  wer- 
den nach  dem  inneren  toi/o;  nacheinander  aufgeführt  Theile 
ToO  £v  TCO    -porTTOiy.iaiw,    Tvi?   rapaaTXf^o?,   toO   Trpoi;    Twyy.^jv.y.To;. 
Michaelis  und  Borrmann  sind  einig,  dass  zu  toO  beide  Male 
TOiyo'j  zu  ergänzen,  aber    den  -roiyo?  tvco?   -rwyy.'Xy.aTo;  versteht 
jener  von  der  Scheidewand  zwischen  Erechtheion  und  Polias- 
tempel,  als  vor  welcher  gegen  Osten  gekehrt  das  Bild  stand, 
dieser  die  Thürwand  dem  Bild  gegenüber.  Das  letztere  möchte 
dem    eigentlichen  Sinn    von  Trpo;  mit  Genetiv  wohl   am  mei- 
sten entsprechen.    Da   Trpö?   so  aber   üuch    mit   gesichtslosen 
Dingen  verbunden  wird,  wie  in  derselben   Urkunde  77pö;  toO 
ß(o;7.o'j,  und    gleichbedeutend  -pö;   votov  neben  -poc  vöto-j  sich 
findet,  so  scheint  mir  jedesfalls  die    dem    Bild   nächste  d.  i. 
ohne  Zweifel  die  hinter  demselben  befindliche  Wand  gemeint, 
um  so  mehr  als    dem  Bild  gegenüber   die  Thür   gelegen  sein 
musstc,  und    die  Thürwand   eben    die   Parastas    sein    muss. 
Parastas   für   eine    'Bildnische'    gesagt  ist   so  viel  ich  sehe 
nicht  nachgewiesen.  In  guier  Zeit,  in  Originalstellen  bedeutet 
das  Wort  den    zur   Seite  der    Thür    vortretenden    Wandvor- 
sprung, deren  zwei  mit  der  Thürwand  die  Vorhalle  bilden.  Es 
brauchen   nicht    Misverständnisse  der    Grammatiker,  die  das 
Wort  in  den  Schoben  zu  Eur.  Androm.  1089  und  P/wen.  418 


ZUM   EREGHTHEION 


richtis;  erklären,  zu  sein  wenn  dann  TrapaaTcc;  auch  im  Sin- 
gular dem  ganzen  xpoO'jpov  gleichgesetzt  wird,  wie  bei  Hesy- 
chius  unter  cplix,  oder  bei  anderen  Grammatikern  (s.  Boetti- 
cher  Tektonik  I-,  198,  4)  ^apacxi;  mit  GTaejj.o?  erklärt  wird, 
obgleich  damit  der  Name  von  dem  VVandvorsprung  auf  die 
Thürwand  oder  einen  Theil  derselben  übergegangen  ist.  Pa- 
rastaden  in  jenem  ersten  Sinne  hat  der  prostyle  Poliastempel 
nicht;  wohl  aber  nennt  das  inschriftliche  Inventar  Michaelis 
tu.  23  und  24  Corp.  inscr.  alt.  II,  2,  733  und  735  Gegen- 
stände im  oLpiouoc,  v£co?  zuerst'ausserhalb  der  Thür  an  der  Pa- 
rastas,  dann  hinter  d.  h.  wohl  noch  in  der  Thür,  dann  innen 
rechts  und  links  vom  Eingang  an  der  Parastas.Was  kann  die 
Parastas  hier  anders  sein  als  die  Thürwand  des  Poliastem- 
pels?  Diese  werden  wir  auch  in  jener  anderen  Urkunde  ver- 
stehen, wenn  nicht  ihre  Aussenseite  so  ihre  Innenseite. 

Damit  ist  nun  auch  der  zol-^oq  T^po?  Tcoya'Xjj-aTo?  fixiert  und 
endlich  auch  der  im  Prostomiaion, welcher  in  diesem  Zusam- 
menhang nicht  wohl  eine  Balustrade  vor  dem  Stomion,  son- 
dern nur  ein  Theil  des  Baus  sein  kann.  Ob  man  aus  den  Be- 
nennungen des  -zoiyoc;  schliessen  darf,  auf  welcher  Seite  die 
unfertigen  Theile  sich  befanden?  Es  scheint  natürlich,  dass 
es  bei  dem  letzteren,  der  Parastas  an  der  westlichen,  bei  dem 
ersteren,  dem  t.  izpoq  -rcöy.  dagegen  an  der  östlichen  Mauer- 
seite war.  Warum  aber  werden  die  drei  Quer-Wände  nicht  von 
Ost  nach  West  oder  umgekehrt  aufgeführt  sondern  erst  die 
westliche,  dann  die  östliche,  drittens  die  mittlere?  Die  Auf- 
zählung wird  dem  Gange  derJBesichtigung  folgen.  Diese  aber 
konnte,  wenn  sie  mit  der,  wie  es  scheint,  grössten  Zahl  im 
Prostomiaion  anfangen  wollte,  danach  nur  erst  an  die  vor- 
dere, hernach  an  die  hintere  Wand  in  der  Poliascella  gelan- 
gen, wenn  keine  Verbindungsthür  aus  dem  Erechtheion  in 
jene  führte.   Solche  wurde  früher   allerdings   angenommen  ^ 


<  Auch  Bornnanii  S.  385  doch  nur  leichthin  veiMnulhcnd.  Ich  kann  nicht 
glauben,  rlass  die  mehreren  /XtixaxfSe?  der  Inschriften  hei  Michaelis  16,  3  17  a 
22  26  35  f.  b\  wirkliche  Treppen  sind. 


ZUM  ERECHTHEION  7 

Michaelis  hat  sie  aufoe<i;eben,  wie  mir  scheint  mit  gutem 
Grund.  Denn  die  sowohl  nördlich  als  auch  siidlidi  aussen 
am  Tempel  durch  die  Trei)})en  und  beiden  Prostasen,  die 
nördliche  Tupö?  tou  O'jpcoy.aro;  die  südliche  Trpo?  tö»  Ksy-poTüiw 
geschaffenen  Verbindungen  zwischen  dem  Poliastempel  und 
dem  Erechlheion,  bez.  Pandroseion  schliessen  eine  Verbin- 
dung innen,  wie  mir  scheint  aus,  wie  ja  auch  zwischen  He- 
katompedos  und  Parthenon,  nach  Üssing-Dörpfelds  Benen- 
nung, keine  Verbindungsthüren  vorhanden  Avaren  ^ 

Konnte  man  nun  durch  die  nördliche  so  gut  wie  durch  die 
südliche  l*rostasis  in  das  Prostomiaion^  einen  ''Vorplatz",aber 
nicht  einen  'Corridor'  zwischen  jenen  beiden  Prostaseis,  der 
keinen  Sinn  gehabt  hätte,  gelangen,  so  Trage  auch  ich  noch 
einmal,  welchen  Zugang  wählte  Pausanias?  Der  Grund  wel- 
chen Michaelis  S.  19  für  den  Eintritt  durch  die  Südhalle  an- 
führt, ist  hinfällig.  Auf  Pausanias'  'pedantische  Weise' 
könnte  man  sich  berufen,  wenn  es  sich  darum  handelte,  ob 
er  von  Osten  oder  durch  eine  der  Seitenhallen  eintrat.  Da  je- 
nes aber  auch  für  Michaelis  ausgeschlossen  ist,  und  nicht 
einmal  gewiss  ist,  ob  das  letztgenannte  Monument,  die  Athena 
des  Endoios  nord  -  oder  süd-  östlich  vom  Poliastempel  stand, 
und  nur  das  Eine  feststeht,  dass  Pausanias  nicht  von  Ost 
nach  West  vorgehend  Poliastempel,  Erechtheion,  Pandroseion 
besucht  nnd  beschrieben,  sondern  mit  dem  in  der  Mitte  lie- 
genden Erechtheion  begonnen  hat,  so  ist  es  für  die  pedanti- 
sche Regelmässigkeit  in  der  That  gleichgiltig,  ob  er  nördlich 
oder  südlich  den  Poliastempel  umgehend  ins  Erechtheion 
trat.  Eine  Entscheidung  muss  andre  Gründe  haben  oder  un- 
terbleiben. 

Pausanias  erwähnt  Tzpo  ttiq  elnö^o^j  einen  Altar  des  Zeus 
Hypatos:  er  erkennt  also  nur  einen  Eingang  an,  und  verglei- 
chen wir  die  drei  vorhandenen  Einoäno;e,  so  müssen  wir  zu- 
geben,  dass  von  ihnen  einer,  der  nördliche,  in  der  That  derar- 
tig ausgezeichnet  ist  schon  durch  die   breite  Treppe  nördlich 


<  S.  in  diesen  Mittheilungen  VI  285  tf.  (verdruckt  385). 


8  ZUM  EBECHTHEION 

vom  Poliastempel,  sodann  durcli  die  o;rosse  Prostasis^  endlich 
durch  das  Oupo)[y-a,  dass  er  jedenfalls  dei-  Haupteingang  ge- 
nannt werden  muss,jaer  ist  der  einzige  der  als  der  Eingang 
eines  Heiligthums  charakterisiert  ist.  Es  ist  durchaus  natiir- 
lich,  dass  wenn  Pausanias  Grund  halte  das  Erechtheion  vor 
dem  Poliastempel  zu  hesuchen  —  und  vielleicht  genügte  ihm, 
oder  seiner  mehr  systematischen  Quelle  die  Absicht,  die  Po- 
lias  und  ihren  Tempel  von  dem  Pandroseion  und  dem  Oel- 
baum  nicht  zu  trennen  — er  durch  den  Haupteingang  eintrat. 
Weiter  entspricht  es  jenen  Worten  des  Pausanias  nicht  ge- 
nau, wenn  Michaelis  S.  19  den  Altar  des  Zeus  irgendwo  aus- 
sen in  dem  Peribolos  südlich  von  dem  Gesammtbau  sucht. 
Die  i'ToSo;  der  Korenhalle  ist  nicht  die  egoSo?  des  olV/i[xa,:  viel- 
mehr wenn  vor  der  eio;entlichen  '(ao^oc,  ein  Vorbau  wie  die 
TrpocTaci;  sich  befand,  werden  wir  die  Worte  genau  nehmend, 
den  Altar  in  der  Prostasis  suchend  Von  einem  Altar  in  der 
südlichen  Prostasis  haben  wir  weder  Lieberlieferuns;  noch  eine 
Spur;  in  der  nördlichen  stand  laut  den  Urkunden  (Michaelis 
tüAd  I  77  II  95  20,61)  der  ßcop?(ToO)  Oori/oO,  nicht  nach  einem 
Gott  sondern  nach  dem  Opferer  benannt.  Dieser  Name  be- 
zeugt aber,  wie  schon  Thiersch  Epikrisis  S.  418  sah,  ohne, 
durch  Vorurtheil  befangen  wie  er  war,  den  nöthigen  Schluss 
daraus  zu   ziehen,  ^    lür  den  Opferbrauch    dieses  Altars  das- 


<  Bei  Gräbern  z.  B.  die  aussen  vor  dem  Tempel  liegen,  sagt  Pausanias 
7ip6  TO'j  vaoj  2,  21,  3  Vgl.  22,  1,  oder  loü  vaojH'[x:T:poaOcv.  Wo  er  unmillclljar 
naclieinander  vor  dem  Eingang  und  (hinter  demselben  d.  h.)  drinnen  etwas 
angiebt  wie  beim  Erechtheion  oder  2,  10,  2  s?  Ss  tö  'AaxXrjjTtcTov  eaioüai  xaO' 
Ixatspov  T^;  sao'oou  i^  [ilv  Ilavö;  xa6Tf[i.£vov  eaitv  ol-^oCKij.«.  zfi  Ss  "ApiE[i.i?  E'^ziqy.tv, 
lasXOoClot  o£  6  6£Ö;  scheint  mir  die  Thür  selbst,  die  nach  5,  10,  9  ja  auch  im 
Pronaos  sein  kann,  verstanden  werden  zu  müssen.  So  nennt  denn  P.  2.  11, 
8  erst  die  a£To\  dann  etwas  in  der  atoa,  danach  die  s'aooo?;  ebenso  2,  17,  3 
erst  den  Schmuck  von  Giebeln  und  Metopen,  dann  die  ollenbar  in  der  Sloa 
stehenden  Bildnisse  -pö  t%  lao'oou  um  dann  in  den  7:povaos  einzutreten.  Die 
Thür  einer  Grotte  heisst  laoSo;  1,  32  fin.,  eines  Tempels  2,  10,  'i,  und  deut- 
lich ist  namentlich  2,  21,  4  np6  t%  eao'oou  (lou  Upoü)  L';iep  twv  Oupwv. 

2  Durch  Michaelis  aufmerksam  gemacht  finde  ich,  dass  auch  Bursian  im 
Litlerar.   Cenlralblatl  1879  S.  620  und  sogar  in  der  Griech.  Geogr.  1,  317 


ZUM   ERECHTHEION  9 

selbe  was  Paiisanias  für  denjem\i?en  des  Zeus  Hypatos  über- 
liefert evOx  ä'y.'l'jyov  O'jO'joriv  o-jf^sv,  -s'y.aaxy.  Hl  Osvte:  oÖ^sv  eti  * 
ol'v(j>  ipy)cx<yf)y.\.  vo[xi?^o'j'7iv.  Denn  (lass  die  ()pfert>alic'n,  von  wel- 
chen der  Oj7;/ö?  d.  i.  Ojt^x.oo;  seinen  Namen  hat,  auch  Trey.y.y.Ta 
heissen  können  zeigt  die  Anm.  1  angeführte  Stelle  des  Pau- 
sanias  5,  15,  G  und  Hcsychios  unter  Oow  .  .  .  i'vioi  tö.  äooiaa-ra. 

Pausanias,  der  auch  S,  2,  3  sicli  des  Zeus  Hypatos  und 
seines  Altars  und  Opferbrauches  erinnert,  und  hier  Kekrops 
als  Stifter  nennt,  erwähnt  1,  24,  4  noch  einen  anderen  Altar 
des  Zeus,  nämlich  des  Polieus.  So  wenig  also  der  vorm  Ein- 
gang ins  Erechtheion  gelegene  Altar  des  Zeus  Hypatos  mit 
demjenigen  des  Zeus  Herkeios,  welchen  Pausanias  allerdings 
nicht  erwähnt,  der  aber  unter  dem  Oelbaum  im  Pandroseion 
stand,  zu  welchem  der  Perieget  erst  27,  2  gelangt,  identisch 
sein  kann,  so  wenig  mit  demjenigen  des  Zeus  Polieus.  Dies 
auch  darum  nicht,  weil  zwar  auch  auf  diesem  Altar  nach  der 
Cultuslegende  der  Dipolia  (s.  die  Zeugnisse  bei  Jahn-Michae- 
lis zu  Paus.  1,  24,  i)  ursprünglich  nur  xyvx  O'jy.axa  darge- 
bracht waren,  gleichfalls  Trslavo;  (und  O'Ar^fxaTa)  nach  den 
meisten  und  besten  Zeugen  benannt,  aber  seit  alten  Zeiten, 
nach  Pausanias  1,  28,  10  seit  König  Erechtheus  auch  ein  Stier 
geopfert  wurde.  Der  Ritus  war  also  nach  der  Tradition  auf 
dem  einen  Altar  der  ursprüngliche  geblieben,  auf  dem  andern 
abgeändert;  beide  aber  standen  mit  dem  Götterstreit  in  Ver- 
bindung: bei  dem  Bild  und  Altar  des  Polieus  stand  das  Bild- 
werk xb  9'jtÖv  t-?;?    ily.iy.q   'AOviva    x.ai  ySju.y.  xvacpaivwv    IIotsiSwv, 

den  Altar  des  Ojtj/o;  su  erklärt,  und  die  nördliche  Tliür  für  den  llauplcingang 
und  darum  für  Pausanias  Eingang  nimmt. 

*  Ich  sehe  nicht  ein  warum  ojosv  ät-  ändern:  "sie  legen  Kuchen  auf. 
ohne  noch  Wein  dazuzuthun'.  Denn  sonst  ptlegte  man  allerdings  auf  die 
Kuchen  noch  eine  nüssige  Spende  zu  giessen.  Pausanias  5,  15,  b  Xi6avwTou 
yap  6[A0j  jtupoc;  (j.£[i.ay[j.='voi;  u-ikiTi  [xc[jLaY[i.c'vot;   (so  wird  aus  Weihrauch  ein 

7C£u.[ia)  öufxiwtriv  ini  töv  ßwjiüiv  nOsaa-.  31  xal  x).wvas  sXata;  eti'  a'jTwv  za;  oi'vco 
/pövTai  (j;^ovo^  und  8,  42,  5  eOuaa  (ein  Opferthier)  .  .  ojoe'v,  xä  oj  a-o  twv 
ös'vSpcüv  .   .  .  y.ai    [j.eX'.txwv  t;  -/.ripioi  .   .  .  xidixiiv  ik'.    xov    ßojjiöv   (iV/.o5o[i.r)[ji£'vov   -qq 


10  ZUM  ERECHTHEION 

der  Altar  des  Hypatos  vorm  Eingang  ins  Erechtheion  muss 
in  nächster  Nähe  der  Götterzeichen  selbst  gestanden  haben. 
Dass  der  Platz,  welchen  Michaelis  dem  Altar  des  Hypatos 
gegeben  hat.  zu  dieser  Verbindung  schlechter  passt  als  der 
ß(i>{xö;  TO'j  6'jrr/^o'3  vor  der  doppelten  Thür,  deren  eine  zur  6i- 
y.'xn'sx,  die  andere  zur  i\yJ.x  führte,  ist  klar.  Einen  Priester 
des  Zeus  Hypatos  werden  wir  nun  nicht  mehr  vermissen  wie 
A.  Mommsen,  welcher  in  der  Heortologie  S-  450**  die  Frage 
aufwarf,  ob  es  nicht  derselbe  gewesen  sei  wie  der  des  Polieus: 
im  Theater  sind  im  mittleren  Cuneus  zur  Seite  des  Dionysos- 
priesters dem  Priester  des  Zeus  Polieus  und  dem  Thyechoos 
bei  einander  die  Plätze    ans'ewiesen.  Ob  die  Rasur  über  dem 

ö 

0YHXOOY   etwa  die   mögliche   andere   Bezeichnung  des 

c  c 

Priesters  des  Zeus  Hypatos  beseitigt  hat,  weiss  ich  nicht. 
Prag. 

E.  PETERSEN. 


üeber  einige  vorderasiatische  Gottheilen. 

1.  "Ocrio?  /.y-l  Si/caio?.  '^  Der  rieih'ij;e  und  Gerechte" 
scheint  sich  nur  in  Phrygien  und  an  seinen  Grenzen  zu  fin- 
den :  C.  I  G.  3.V.)4  (Alexandria  Troas):  'Otuo  y.y.i  ^'./.aio)  ne- 
ben zwei  ausgestreckten  Händen;  ganz  ähnhcli  C.  I.  ^\  6845 

(  "  Tergesti  in  niuseo  pubhco'' ) 

Ao'jx,'/^epa. 

^  hoc  loco  duae  manus  sublatae  ' 

Onioi  -/.yj.  Si/.aio) 

Arch.  epigr.  Mitth.  ausOesterr.  VII  177  (aus  Eskisehehr); 
M,  A'jp.  TiT'.avo;  NjTTwp  oTrsp  aa'jToO  /.£  töv  (oicov  tt^vtcov  ütüeo 
üyta?  /.ai  TOT'/ipia;  'Ocricp  /,£  A'/z-ecp  eü^^'/iv  ;  Mitth.  d.  arch.  Inst. 
VII  137  (aus  Seidiler):  'Ofriw  />ai  Aix.-/;w  uTrep  tto.vtwv  »rcoTr,- 
pia;  ZojTi  .  .  ;  sUpeu?,  Osco  or.pyr,yizr,,  i\jyr,v. 

Die  beiden  letzten  Inschriften  zeigen,  dass  die  Händepaare, 
welche  C.  I.  G.  359  i  und  6845  auf  dem  Steine  abgebildet 
sind,  nicht  gerade,  '  certum  quoddam  execrationis  genus'  zu 
bezeichnen  brauchen,  wie  C.  l.  G.  III  S.  1051  angenommen 
wird;  ebensowenig  deutet  der  Name  des  Gottes  daraufhin, 
dass  er  als  Ilächer  eines  Todten  angerufen  wird. 

Statt  "O'jio;  y.y.1  Ai/.aio;  kommt  auch  "Ogio;  allein  vor :  C.  I.  G. 
4117  mit  folgendem  Lemma  "  in  vico  Togray  (Belso  Hatden- 
gry)  ad  sepulcrum,  ed.  Gruler  p.  MLXXVI  1 1  ex  schedis  Busbe- 
quianis,  exlat  etiam  in  schedis  Belsi  in  quibiis  additur  appicta 
arula"  : 

ABIBA  CAPIC 

T  UU  N   O  C  Y   n 

e  P  T  UU   O   A   I   UU 

N  o  c  e  I  UU  e  Y 

X  H  N 


\2  UEBER   EINIGE   VORDERASIATISCHE  GOTTHEITEN 

1.  'A^i^a?  'ApiGTuvo;  6~£p  t(ö[v  eijf^twv  'Oasito  £'jj(^7iv  (von  Franz 
nicht  sehr  glücklich  behandelt). 

Mou-reiov  -/.«i  ßig\.  t-  sOayy.  ^^x-  1878  S.  53  N"  124  (aus 
[]  s  c  h  a  k) :  'AyaOvi  Tuy Y|  A'jo .  M-^vocpiXo?  KoHy-nc  IOtix-ev  'Oaiw  sü- 
[;^-;;]v.Die  Beschreibung  der  dazu  gehörigen  bildlichen  Darstel- 
lung s.  Mitth.  VI  S.  139  fo.  ;  darnach  ist  auf  dem  Steine 
"durch  vier  von  seinem  Haupte  emporragende  Strahlen  ge- 
nügend charakterisirt,  Helios,  der  ein  im  Galopp  dahinspren- 
gendes  Viergespann  lenkt"  dargestellt;  vgl.  hierzu  ©sw  Si- 
•/cai(p  MiOpz  aus  Kilisse  Hissar  =  Tyana  bei  Rizo  Kaz/caSo- 
Ki/ca  113. 

Ebenfalls  nach  Lydien  gehört  Moug.  •/..  ßX.i880,  169  N°  t.xy' 
(aus  Golde  bei  Kula)  :  ösw  'Oaiw  xai  Ar/.aio)  'Epix-^?  'Hrpai'JTiw- 

Merkwürdig  ist  das  Vorkommen  der  Mehrzahl  Oeoi  öcioi  xoci. 
St-/.aioi  C.  /.  G.  3830.  Diese  Inschrift  fand  Fellows  (S.  137) 
im  Thale  des  Pursak  Tschai  (Thymbres)  zwischen  In  Oenü 
und  Kiutahja  (Cotyaeum),  später  gelangte  das  Denkmal  ins 
hiesige  Museum,  wo  Dethier  ( Epigr.  von  Byzantion  90)  und 
Dumont  die  Inschrift,  allerdings  nicht  viel  besser  als  der  erste 
Herausgeber  entzifferten.  Es  ist  eine  Art  Altar,  welcher  auf 
seinen  vier  Seiten  folgende  Darstellungen  trägt: 

1.  Vorderseite:  Reiter  nach  r.;  die  Rechte,  welche  eine 
Doppelaxt  hält,  holt  nach  hinten  aus. 

2.  Rechte  Schmalseite:  Weibliche  Figur  stehend  cn  face, 
in  d.  R.  eine  Waage  haltend;  um  die  Figur  zwei  Guirlan- 
den,  von  denen  Epheublätter  herabhängen- 

3.  Hinterseite;  Rechts  stehende  weibliche  Gestalt  mit  Füll- 
horn; l.  ein  grosser  Krater,  darunter  Traube  mit  Blättern  und 
Stengel. 

4.  Linke  Schmalseite :  Männliche^stehende  Figur;  rechts 
ein  Baumstamm,  um  den  sich  eine  Schlange  windet ^ 


'  Hiernach  ist  die  Beschreit)ung  Dumonts  zu  t)erichtigen;  namentlich 
hebe  ich  hervor,  dass  der  I^ciler  auf  der  Vorderseite  durchaus  nicht  doppel- 
köpfig  ist   (  "  t7  a  un  double  visagc,  ilont  iun  regarde  ä  droite  devant  lui  et 


UEBER   EINIGE  VORDERASIATISCHE   GOTTHEITEN  13 

Die  Inschrift  aurdcr  Vorderseile  lautet  nach  einem  Ahklatsch: 

ArAGHTYXHOEOIEOEIOICKAlA 

KAI0ICHP04)IÄ 
ÜAnAEYXHN 

AyaO-/]  'i\>yri  Oeol,;  öatot;  x.at  S[i]/caioi;  'Hp6''^i"X[o;]  Ilaxa.  eüj^yjv. 
Auf  der  1.  Schmalseite; 

ACKÄACKAIACKÄHnA 
OlACKAHnAÄÄTYnOI 
KOYPNAITH    N   O   I 

'AiJt'Xa?  xcLi  'A(j-/Ayi7T:a[?]  ol   'Atx.XyitvX  Xaru-oi  KoupvaiT'/ivoi. 


2.  AEI.  Diese  Schreibung  für  Au  hat  v.  Domaszevvski  N° 
14  (Kurschumlu)  AeiBPONTUUNTI,  ebenso  in  N"  33  (Al- 
piköi)  beidemal  nach  Abklatsch;  ebenso  wird  auf  einem  Vo- 
tivallar  in  der  Sammlung  des  Smyrnäer  Museums  (vgl.  Mouc. 
xai  ßigX.  1875  S.  75  N"  39)  gelesen  AsT  Sü)T'?ipi.  C.  l.  G.  3817: 
A7ij;-a;  '/.ai  Tiioq  Oxsp  ßowv  tSicov  riaxia  ALI  StoTvipi  (so  Kin- 
neir;  Leake:  AI  -  -  I);  auf  dem  Stein  steht  gewiss  AEI  \a, 
während  dies  C.  I.  G.  3822  Z.  3,  wo  Kinneir  AH  gibt,  nicht 
so  sicher  ist;  C.  1.  G.  4135  "  ante  Ogur  [alibi  OgiU) ''  aus  den 
Papieren  des  Belsus:  Hoöao?  Nava,  Oxerp]  t[(ö]v  tSkov  7:x[v-:]wv 
y.(ai)  T-^?  xco^ATi;  ÄETBPONTUUNTI  eüj^yjv  ;  auch  hier  ist 
ÄET  für  AEI  verlesen. 

Ausserhalb  Phrygiens  scheint  sich  diese  Form  nicht  weiter 
zu  finden. 


l'autre  derriere"'' ),  trotzdem  annh  D(5thier  dies  behauptet;  Ati?,  ohjei  mhoü' 
naissable  qui  ressemble  ä  un  caducec,  dunt  l'exlreniilc  superieure,  au  Heu  d'e- 
tre  dicoupee  et  ä  Jour,  serait  massive  !  ist  so  deutlich  wie  möglich  eine  Ama- 
zonenaxt. Ebenso  unrichtig  ist  die  ISeschreibung  der  1.  Schmalseite,  bei  D. 
deuxieme  face.  IJcsscr  schon  (h'r  vuii  Öalonion  lleinach  angefertigte  Calalo- 
gue  du  musie  Imperial  N"  27Ü. 


14  UEBER  EINIGE  VORDERASIATISCHE   GOTTHEITEN 

3.  In  Eskischelir  fand  Hr.  v.  Domaszewski  folgende  In- 
schrift (N"  23): 

MMTPIOE^NKPA 
.OCMEFAAOY 

Aio(pxvYi;  T£ipL[e]ou  [so  zu  lesen]  üizi[^  t]s  eauTOo  /.al  twv  iSi[(ov 

TTXVTCOV    S'J^Ylv]. 

Z.  1  fg.  liest  der  Herausgeber:  Mvirpl  Oeöv  '/.px[T]o{u)<;  f^^syä- 
>.o'j.  aber  eine  solche  Ausdrucksvveise  wäre  doch  sehr  unaje- 
wohnlich.  Ich  glaube,  dass  dieselbe  "Mutter"  auch  C.  I  G. 
4121 —aus  Bukaraler  — erwähnt  wird  :  'AyaÖ^  Tiij^vi  EFOICO 
K  n  M  H  T  A  [I]  u-tp  sauTcov  >c(ai)  töv  xapTraiv  MHTPIKPANO 
MErAAHNH  euyYjv  u.  s.  w.  Darnach  ist  wohl  auch  in  un- 
serer Inschrift  Z.  2  z.  A.  der  fehlende  Buchstabe  ein  N  gewe- 
sen und  KP  A  N  O  CM  Er  A  AO  Y  als  Ortsname  zu  fassen; 
aber  allerdings  ist  bei  dieser  Deutung  METAAGY  st.  M  E- 
r  A  A  H  C  auffällig;  auf  einer  thrakischen  Inschrift  findet  sich 
j(_(opiov  N'/}T0'j[xeyxX7];  utzq  Na>coXiav. 

Pera. 

J.  H.  MORDTMANN. 


Inschriften  aus  dem  Tschinili  Kiösek. 


1.  Grabstele  mit  Giebelkrönung;  im  Giebelfeld  der  sog. 
Thrakische  Reiter  n,  r.,  darunter:  männliche  Büste  en  face, 
daneben  Gladiator  n.  1.  mit  'riuirsehild  und  kurzem  Dolche 
(in  der  L.)  bewaffnet^  Roinach  Catalogue  N"  234.  Darunter 
folgende  Inschrift,  welche  [sich  durch  ungewöhnliche  ßuch- 
stabenligaturen  auszeichnet: 

T    4^AA  :^j  <I  c:/\TYP<I 

N  fe  ll<H<l>0  PcQ>  °1tKET^A^K 

AAIMONÖ  (^T«aKAKl\Rhr=Q 

XAPM     EKT^NlAlöN      XAIFENAIKICCE 
XAlPEKAlLYTICnoTEI 

T.  <l>X7.0'jio;  Hy.T'jpo;  Nsuvicpopoi  Suvstoj  Aax£[S]«iu!.ovt(p  Tto  xal 

Na[p]x«i(j'je'  yocTps  /.a.1  <j'j,  ti?  tcot'sL 

Dieser  Grabstein  stammt  aus  KiouTupoXi  bei  Salonichi ;  Bavet- 
Duchesne  Mm.  au  Moni  Athos  theilen  N"  80  eine  Copie  des 
Hadji  Thomas  mit,  welche  jedoch  ganz  unbrauchbar  ist. 

2.  Dethier,  in  der  Sammlung  archäologischer  Aufsätze,  die 
nach  seinem  Tode  verötten flicht  worden  ist,  beschreibt  S.  120 
ein  Basrelief  mit  Thrakischem  Reiter,  welches  aus  Brussa 
hierher  geschickt  sein  soll.  Reinach  a.  a.  0.  N"  236  wieder- 
holt diese  Angabe  mit  dem  Fehler  Amios  st.  Amias;  die  In- 
schrift ist  aber  die  bei  Bayet  — Duchesne  a.  a.  0.  unter  iN"  83 
mitgetheilte  und  es  gehört  also  das  Denkmal  nach  Salonichi. 


16 


INSCHRIFTEN  AUS   DEM   TSGHINILI   KIOESGK 


üeberhaupt  ist  der  Provenienzangabe  Brussaim  Reinach'schen 
Cataloo-e  auch  bei  andern  Stücken  nicht  zu  trauen. 

3.  Umgekehrt  ist  nach  Salonichi  ein  Grabstein  verwiesen 
worden,  der  sicherlich  nicht  dorthin,  sondern  nach  Phrygien 
gehört.  Dethier  a.  a.  0.  113  beschreibt  das  Relief  und  die 
Inschrift,  und  lleinach  a.  a.  0.  N°  244  ist  ihm  durchaus 
gefolgt. 

(In  Giebelfelde:  Adler) 
Auseinandergeklapptes  Korb  mit 

Diptychon  Rabe? 


Men    en  face  mit 

phrygischer  Mütze, 

Halbmond  auf  der 

Schulter;  in  der  L. 

Palme. 


Weibliche  Büste  en 
face  mit  einer  Art 
Aureole  auf  einem 
Halbmond, ruht  auf 
den  Köpfen  der  He- 

kate. 
Die   dreifache   He- 
kate  mit  Fackeln. 
Die  Inschrift  lautet  nach  meiner  Abschrift: 


Kamm 

Spiegel 

NackterKnabe  enface 
in  der  R.  einen  Dop- 
pelhammer, in  der  L. 
einem  Hunde  einen 
Iraubentörmigen  Ge- 
genstand hinhaltend. 


Any lONTONeAYTHCCYNBIONrAeiON  K  ATCG I  6  PUUC  GNC  UU T I  P  H  6 
KATHKAIAne.AAACK  AlFAeiOCeTeiMHCA  NTOYC  6  AYT  UU  N  T  O 

NICMN 
HMHC 
XAPIN 
TS  IMG 
ACMOY 
PMATe 
ANOC 

Att'Iiov  [für  'Axcp'.ov]  tÖv  iaux-^;  guv^iov  Fietov  /caTSsispw'jSv  Sw- 
[j.rc<j.rtq  /_y.p!.v.  Tsijxeoc;   Mo'jp|7,aT£avö;.    Üntei'  der   Inschrift   sind 


INSCHRIFTEN  AUS  DEM   TSCHINILI  KIOESCK  17 

eine  männliche  und  eine  weibliche  Biiste  mit  Spindel  en  face 
abgebildet;  ganz  unten  ein  IM'lugscliaar. 

Diese  Inschrift  zeigt  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  C.  I.  G. 
3827  9  =  Le  Bas  lS"  805:    'AyaO-?i  Tu/-/).   >]oiTctpr;((;))    'E/A^r, 

['Ov-/)C)i][y-o?  >t(ai)  "A-pcpr,  A'/jij.ooOsvt)  tÖv  ea-jxoJv  utov  T6i[p'.rj]0£VTa  Oxö 
i](jL)T£tpYi;  'E/tXT'/)? /taT£i  ep(i)(7a,v  A-/i;xo(jO£v/]i;  Traxpcoi;  y.(al)    'Av£i- 

[•/,7]T0? ]     <jUV3CaT£l£pW<jaV      T£>.£(jCpOpOi;   ....    .po?    (7llV>taT£l£- 

[pcocev].  . 

Die  Le-Bas'sche  Inschrift  stammt  aus  Colyaeum  und  es 
wäre  ein  seltsamer  Zufall,  wenn  ein  Grabstein  in  Salonichi 
mit  ihm  in  so  auffälliger  Weise  übereinstimmte,  wie  dies  hier 
der  Fall  ist,  namenllieh  in  der  Form  lllcoTEip-/]  und  -/.aT£t£pa)':£v ; 
etwas  ähnliches  kommt  auf  den  Inschriften  von  Salonichi 
nicht  vor,  wohl  aber  lässt  sich  die  Zugeiiörigkeit  nach  Phry- 
gien  noch  anderweitig  wahrscheinlich  machen  : 

1)  Die  'E/.xT'o  erscheint  unter  dem  Namen  IlwT£tpa  auf 
phr^/gischen  Münzen,  vgl.  Eckhel  DN  111  122;  C  LG.  ;]857 /t 
aus  Äppia  steht  folgende  Verwünschung: 

6;  (xv  7upo«70ic£i  )(^£!.pa  TTjV  ßapu'pOovov 
'Ex-XTV);  [J!.£XaivY)i;  7;£pi7ü£c;oiTO  Saiao'jiv. 

2)  Die  seltsame  barbarische  Form  xa.T£i£pwc;£v  scheint  speciell 
phrygisch  zu  sein;  vgl.  C.  I.  G.  5921  B^  und  zwei  Inschrif- 
ten von  Kula  Mo-j^.  •/..  ßigl.  t.  EOocyy.  S;^.  1880  S.  IGO  N" 
T/.a '= Wagner /rtscr.  Grecques  recueillies  en  Asie  mineure  S.  19 
und  N°  T/tß',wo  zur  Abwechslung  >taTa£upa)C)av  geschrieben  ist. 

3)  Die  Namen  "ATwcpiov  und  T£if;.£a;  sind  namentlich  häuiig 
in  Phrygien. 

4)  Die   Sitte,  dass  der   Steinmetz  seinen    Namen   und  sein 


*  Der  in  dieser  Inschrift  von  den  Te/vEtra!  geehrte  Q.  Julius  Miielus  ruft 
5922  den  Schutz  des  Sarapis  für  die  [xapfxapapiot  an  und  giebt  an  aus  der 
Stadt  Asiens  Tripolis  zu  sein;  b'J32  ist  eine  Dedication  dcrseüjen  Tc/vcTtat 
an  den  speciell  phrygischen  Zeü?  ßpoviuiv;  danach  dürfte  unter  Tripolis  die 
Stadt  dieses  Namensam  Mäander,  heute  Jcnidjc,  zu  verstehen  sein ;  vgl. 
Bull,  de  corr.  hell.  VIII  379. 

MITTH.  D.  ARGH.  INST.  X.  2 


18  INSCHRIFTEN   AUS   DEM   TSCHINfLI    KIOESGK 

Vaterland  auf  dem  Denkmal  hinzufügt,  ist  ebenfalls  speciell 
der  phrygisclien  Epigrapliik  eigen;  vgl.  die  "Xa-oTroi  KoupvaiTr,- 
voi  C.  I.  G.  3830  und  zu  3827  ^  . 

4.  Zwei  zusammengehörige  Fragmente  einer  Stele;  Höhe 
von  a  0,47,  Br.  0,60-6:  H.  0,51, "ßr.  0,47. 

ArA0HI-l§iXHI 

a.  KATATOAOPMATHZKPA 
TI2THZ  B0¥AH2:KAIT0¥ 
IEPnTATO¥AHMO¥AY  P  H  AI 
ANEY(|)HMIAN0YrATEPATO¥ 

5    A:2:'^/^'"''~'^'^^"'"^vRA7''^p''^^ 

b.  ZEKO¥NAEINO¥AIOrN 
A¥PHAI0Z5:ABEINIAN 
K¥INTIANOZOZ¥Nrr- 

10  E¥T¥XßZ 

'Ayaö'^i  TujriV  xaTÖc  xo  S6y[/.a  Tvig  "/«paTicTTTi;  ßou7.r,;  y.y.i  toö 
lepcoTaTOu  Sri[xo'j  AüpYi'Xiav  E'jipYitjiav  Guyarepa  toO  dcEioT^oycoTXTO'j 
ßaailsci);  [eine  Zeile]  H£-/.ouvS£ivo'j  Ai6yv[io;]  Aüp'/iX'-o?  SaSstvia- 
v[6?]  KuivTiavo;  6  Guvy£[v7i?].   Eijtuj(_w;. 

üeber  die  Provenienz  der  Inschrift  steht  so  viel  fest,  dass 
sie  bis  vor  etwa  zehn  Jahren  im  Galatathurm  aufbewahrt 
wurde;  sie  stammt  also  möglicher  Weise  nicht  von  auswärts, 
sondern  gehört  zur  Epigraphik  von  Byzanz;  der  Vater  der 
'Aurelia  Euphemia  war  vermuthlich  ein  bosporanischer  König 
des  11  oder  III  Jahrb.  n.  Chr.;  stand  nun  am  Ende  der  ver- 
lorenen öten  Zeile  yuvaua  Ss,  so  hat  man  für  die  fehlenden  11 
Buchstaben  die  Wahl  zwischen  'Poi{;.7iTxX)tou  oder  'PaGicouTro- 
piSo;. 

Für  die  Provenienz  des  Steines  aus  Byzanz  kann  man  noch 
das  z'jxuy^üiq  am  Schlüsse  anführen,  welches  so  öfter  auf  thra- 
kischen  Inschriften  vorkommt. 

5.  Stele,  oben  abgebrochen;  H.  0,44,  Br.  unten  0,28.  Pro- 
venienz unbekannt. 


INSCHRIFTEN   AUS   DKM   TSCHINILI   KIOESCK  19 

EPMIAZAMATOK^  'Ept/ia?   'Aty.aT6/.[ou. 

().   Zwei    Fragrnenlo;    a   li.    0,2  i,    br.  0,5:2;    b.   li.    0,38, 
br.  0,Ü7. 


0  E  O  (1)  I  A  O  2  A  I  O  r  E  N 
.NTEOAÜTAIO  n  P  O  Z  h 
_PTO¥KAIA¥TONEME 
TAAETHNHMETEPANFA 
ZOPON  A/^ZEIT 


b. 

YSKAAAIXOPITIAOZEÜE 

rpoznAnrros  ,moy 

A¥THNKATATE0H  NÄI 
HNMHAENAETEPO'JEIZ  ZQ' 
"  K  A  I  T  H  n  O  A  I  ^^     NA 

M 


Dieser  Stein  fand  sicli  unter  den  Baumaterialien  des  Seraske- 
rals  zu  Anfang  der  70  er  Jahre  und  kam  kurz  darauf  in  das 
Museum;  er  ist  vermuthlieh  bei  den  Abbruchsarbeiten  oder 
dem  Ausgraben  der  Fundamente  zu  Tage  gekommen: 

©eocpiT-o?  AioY£v[oju?  KalXiy^opixu^o?  £X£[ ev  f,  tccoJsv- 

TeOaTTTOci  6  TTpo;  (v^YiJxpo;  tüxt^xo;  (7.o'j  [Name  uizjep  to-j  -/.al  aü- 
TÖv  £[/,£  [i?]  aÜT7)v  xotTaTEÖ-^vai  [xai  Ty;v  yjvawx  [;.ou'  p'-£]TÖt.  Sk  t')]v 

71[X£T£paV    £v[Ta<p]r,V    [J,7lS£Va   £'T£po[v]   £t;[€V/)67ivai'    £1   §£  Tl?  .  .   .   .  Tr,v] 

(jopöv  Sü>C)£t  t[(i>  Ta[7-£iG)  X  .  .  .  ]  x.a,t  ttj  ttoXi. 

Das  Grab  ist  später  trotz  des  Verbotes  von  einem  Unberu- 
fenen benutzt  worden,  welcher  auch  die  Inschrift  theiiweise 
tilgte;  doch  sind  von  dem  späteren  Texte  nur  einige  Buchsta- 
ben erhalten. —  Es  ist  wohl  möglich  dass  der  Stein  wie  so 
manches  andere  Material  schon  in  byz.  Zeit  aus  Chalkedon 
nach  Constantinopel  verschleppt  ist,  da  aus  Chalkedon  ein 
Phylenname  Ka'X>>i;(^op£aT  .  .  .  inschriftlich  überliefert  ist  [C. 
1.  G.  3794). 

7.  Basrelief  =  Ileinach  a.  a.  0.  169,  angeblich  aus  Samos 
stammend;  h.  0,30,  br.  0,38;   unten  vier  ringende  Knaben, 


20  INSCHRIFTEN  AUS  DEM   TSCHINILI   KIOESCK 

vermuthlich  aus  dem  Corps  der  veoi;  K.  freilich  erklärt  sie 
für  Amoretten;  wahrscheinlich  aus  Kyzikos.  üeber  dem  Bas- 
relief das  folgende  Namensverzeichniss  (mit  mehreren  Liga- 
turen) : 

02  HPENN0L 

AIOY  N  O  YM  H  NI2-B- 

AH2HPAKAE  WNOSHPAKAEIAHZrAYKWN 
..OnAiOSOYAAEPIOY  AFAOHNWP-B- 

5   lOYAlO^EniZA  AIONYZIOZOYAAEPIOZ 

AIOZKOYPIAHZZATYPINNOZ  -  Zwn  YPOSEPMOAWP 
AlAAElZnATTA  OYAAHZ  O  Y  A  A  E  P  I  O  Y 

AFAONNAAAA  HP  E  NN  O  Y  A  A  E  N  T02 

KOTY2X  PH  ZTO  Y  A10NYZI02     0P<I)E05: 

Die  Träger  der  Namen  AiXXei;  na::«.,  'Ayaöwv  AaSa,  Kotu; 
Xp-/i<7Tou  werden  wohl  mysische  oder  thrakische  Barbaren  ge- 
wesen sein;  die  Lesung  dieser  Namen  sowie  das  ER  I  ZA  Z. 
5  I  Col.  steht  durchaus  fest. 

J.  H.  MORDTMANN. 


IJroncemünze  von  Elaia. 


F.  Imhoof-Blnmer  hat  Monnaies  grecques  S.  274  eine  im 
Wiener  Kabinet  befindliche  Broncemünze  von  Elaia  in  der 
Aiolis  beschrieben  und  zugleich  die  interessante  Darstel- 
lung auf  dem  Revers  derselben  in  einem  Holzschnitt  mit- 
geteilt. Der  Avers  der  Münze  zeigt  das  bekleidete,  lorbeer- 
bekränzte Brustbild  Marc  Aureis  nach  rechts  «ewendet  mit 
der  Umschrift  A'j[TO)cpaTwp]  K[aTo:ap]  M[ä.p/-o<;]  Aupyj'X'.o?  'Avtco- 
vtvo?,  die  Darstellung  auf  dem  Revers  lässt  Imhoof-Blumer 
ungedeutet^  Aus  einer  kunstvoll  verzierten  Lade,  von  der 
Art  wie  uns  von  Vasenbildern  die  "Xapva^  der  Danaesage  und 
vei'wandter  Mythen  bekannt  ist^,  erhebt  sich  eine  langge- 
lockte, mit  einem  kurzärmlichen_,  langen  Chiton  bekleidete 
weibliche  Gestalt  en  face,  welche  die  linke  Hand  auf  den 
Rand  der  Lade  stützt  und  die  rechte  wie  zur  Begrüssung  ei- 


*  Die  hier  als  Vignette  vorgedruckte  Zeichnung  des  Reverses  der  Münzein 
natürlicher  Grösse  ist  nach  einem  Abguss  vorn  Original  gemacht,  welcher 
der  Güte  von  Domaszewskis  verdankt  wird. 

2  Welker  A.  D.  V  Taf.  XVII  Mus.  Borb.  II  Taf.  XXX. 


22  BRONCEMUENZE   VON   ELAIA 

nem  bärtigen  Mann  darreicht,  der  links  von  dem  Kasten 
steht,  wie  es  scheint,  dicht  vor  dem  Schiff,  dessen  Vorderteil 
neben  ihm  sichtbar  wird.  Ihm  entspricht  rechts  ein  ähnli- 
cher bärtiger  Mann,  wie  jener  mit  einem  kurzen^  nur  bis 
über  die  Hüften  reichenden,  gegürteten  Chiton  bekleidet;  er 
trägt  eine  viereckige  Tasche  an  der  linken  Hüfte  und  hebt  er- 
staunt die  linke  Hand  auf.  Hinter  diesem,  dem  Schiffsvorder- 
teil entsprechend,  steht,  wie  angelehnt,  ein  Steuerruder,  lie- 
ber den  hochaufgeschlagenen  Deckel  der  Lade  sieht  man  noch 
die  Köpfe  von  zwei  bärtigen  Männern  hervorragen:  der  rechts 
stehende  legt  erstaunt  die  Hand  an  die  Stirn,  der  zur  linken 
hält  mit  dem  rechten  Arm  den  Deckel  der  Kiste  fest.  Die  Ki- 
ste selbst  scheint  in  einem  Netz  zu  stehen,  dessen  Maschen 
und  nach  unten  gebogenen  Saum  man  unterhalb  der  Or- 
namente erkennt,  lieber  der  Darstellung  lesen  wir  Itüi  <7Tpa[Tn- 
yoii]  ne"X"Xwvio'j  veo/.[6po'j] ^  in  dem  kleinen  Segment  unter  der- 
selben 'ET^ociTcöv . 


'  Irahüüf- Blumei  giebt  NEOY  (?)  (wobei  sich  das  Fragezeichen  auf 
das  sehr  unsichere  Y  bezieht),  statt  dessen  zweifellos  zu  lesen  ist  N  EO  K. 
Unter  den  Strategen,  welche  auf  den  Münzen  von  Elaia,  ICyniai,  Smyrna, 
Kolophon,  Tralleis,  Pergamon  und  Phokaia  als  höchste  eponyrae  Ma- 
gistrate erscheinen,  kommt  der  Name  des  Pellonios  auf  den  zahlreichen 
Münzen  von  Elaia  mehrmals  vor.  Zweimal  lesen  wir  Ini  IlsXXwvfou  bei 
Mionnet  Suppl.  VI  S.  28  no.  191  und  S.  29  no.  198,  von  denen  die  letztci- 
tierte  Münze  auf  dem  Avers  den  Kopf  Hadrians  zeigt,  und  einmal  in\  izp. 
nsXXwvio?  (sie)  bei  Mionnet  III  S.  16  no.  93.  Drei  andere  Münzen  bieten  die 
Legende  im  airp.  IIeXacüviou  ve.  bei  Mionnet  Suppl.  VI  S.  28  no.  190.  III  S. 
16  no.  95  S.18  no.  105,  von  denen  die  letztcitierte  mit  dem  Kopf  der  jün- 
geren Faustina  der  unsrigen  gleichzeitig  ist.  In  den  Buchslaben  vs  hat 
Eckhel  D.  N.  II  S.  495  und  andere  vor  ihm  nach  manigfachen  Analogieen 
sicher  die  Abkürzung  von  vsozopoj  erkannt, und  darnach  und  nacli  der  Münze 
mildem  Kopf  des  Commoilus  bei  Mionnel  Suppl.Vl  S.31  no.2H  auf  der  wir 
lesen  sn:i  atp.  IIcXkuMou  t.  a.  vco/..  ist  auch  auf  unserer  Münze  zu  testen  veo- 
x[o'poj]  stall  des  .^nnlosen  ve'oj.  Der  untere  schräge  Strich  des  K  scheint 
nicht  ausgedrückt  zu  sein  und  das  ■/.  erscheint  desshalb  als  ein  u.  Nach  einer 
Miltheilung  von  Domaszewskis  wäre  übrigens  nach  dem  veo  überhaupt  kein 
Buchstabe  mehr  zu  erkennen.— .\ucli  die  Münze  bei  Mionnet  III  S.  16  no. 
95  erinnert  an  die  Lokalsage;  sie  trägt  den  Kopf  des  MsvsaOeü?  -/.ziair^i  :  vgl. 
Stepli.  Dyz.  s.  V.  'EXai'a. 


BRONGEMUENZE  VON  ELA.IA  23 

Die  Situation,  welelio  das  Miinzbild  uns  vor  Au^^en  fülirt, 
ist  nnverkonnhar.  Durcli  den  ScliilTssoIinabcl  und  das  Steuer 
ist  die  nnmitlelbare  lNüIic  dos  Meeres  an«i,e(leutet,  an  dessen 
Geslade  Fischer,  als  solche  durch  den  kurzen  Chilon  charak- 
terisiert \  in  ihrem  Netz  eine  grosse  Lade  ans  Land  gezogen 
und  geölTnel  haben  :  zu  ihrem  Erstaimen  befindet  sich  eine 
Frau  in  dem  wundersamen  Gehäuse.  .1  moins  de  reconnaUre 
Danae,  sagt  lmhoof-i31umer  a.  a.  0.,  qiu  vient  d'aborder  äVUe 
de  Seriphos,  avec  son  enfant  Persee,  cache  encore  au  fand  du 
coffre,  et  qui  est  accueillie  par  Diktys^comme  M.  Six  me  le  pro- 
pose  —  le  type  doit  se  rapporter  d  quelque  mytlie  local  d'Elaia, 
dont  nous  n'avons  pas  connaissance . 

Die  Deutung  der  Darstellung  dürfte  doch  zu  finden  sein. 
Die  Stadt  Elaia,  nach  welcher  der  ganze  Golf  benannt  wurde, 
lag  in  der  Nähe  der  Mündung  des  Kaikos,  nach  Strabo  nur 
12  Stadien  vom  Ausfluss  desselben  entfernt,  XIII  S.615:  MsTot 
Ss  TTjv  riiTivr/v  6  Kxuo;  £ig  tov  'EXatxviv  x,a7;0'ju-£vov  xcIttov  ev 
TptaxovTa  rjTaSiOK;  sx.^iStomv.  sv  Ss  tö  Tuspav  xou  Kaix,ou  owosx,a 
Suvourjoc  Tou  TroTa[7-oij  TTaSiou?  'EXaia  %o\ic,  Ato"Xu7i  xal  aüno, 
neoYa(/,7ivoiv  e-xivsiov  ,  £x,aTOV  x,ai  sl'xoTi  (jxaöio'j?  öiljro'j'ja  tou 
rispyitxo'j.  Es  war  die  ILafenstadt  von  Pergamon ,  wo  die 
nach  Pergamon  Reisenden  landeten:  Liv.  XXXVIII  18,37. 
Polyb.  XXI  8.  In  der  Mündung  des  Kaikos  ward  aber 
der  Sage  nach  der  Kasten  der  Auge  durch  Athenas  Walten 
angetrieben :  so  hatte  Euripides  gedichtet  nach  Strabo  XIII  S. 
615:  MsTa^'j  §£  'Elocia?  ts  xai  H'.txv/i?  -/.ai  'Axa-pvEco?  y.ai  Hep- 
yau.ou  TsuOpavia  e'^ti  .  .  .  /.ai,  6  TeuOpa;  K'Aix-cov  xai  Mucrwv  itto- 
pTiTai  ßarjiXsu?.  EupiTTu^'o?  S'Otto  'AXeo'j  (p'oai  tou  t^c  Auyvi;  Tira- 
Tpo?  et;  \xpvocx.a  t7)v  AuyTiv  xocTaTsOslcrav  afxa  tS>  ttäiSI  Tvi'Xe'pcp 
KaTaTTOVTwOvivat  (pa)p7,C)a,vT0?  t'/]v  s^  'Hpay."X£0'jg  (pOopav  'ABYiva?  oe 
xpovoia  T'/jv  Xxpvaxa  -epaicoOet'jav  ex.TCSCieov  et?  tÖ  (jTOjxa  tou  KaJ- 
xo'j,  TOV  Se  TeuÖpocvTcc    ä,va7^a€6vTa  tx  acöi^XTa  tyj  [j.£v  cÖ?    yaaeT"^ 


'  Charakleristisch  ist  auch  das  Slclion  mit  eingeknickten  Knioen  für  die 
Seeleute,  wie  bei  der  Statue  des  Fischers  bei  Clarac  Tf.  325.  Visconti  Mus. 
Pio  Clem.  III  Tf.  32. 


24  BRONCEMUENZE   VON  ELAIA 

j^p7)(7a(jOat,  Tö  Se  w?  eajToö  TüaiSi  und  ebenso  erzählte  Hekataios 
von  Milet  nach  Paus.  VIII  4,  9:  'Alicd  Ss  ap^eve?  iasv  TuatSe? 
A'jxo'jpyo?  T£  xai  'A[/.(piSy.[y.a(;  -/.at  K'/i<p£u?,  OuyxTYip  ^s  sylvsTO 
ACyT;.  Ta'JT-(i  T'?i  A'JYXI  '^'P  'E/.aTaiou  'Xoyw  rjuveyivsTO  'HpaxXyit; 
OTTOTe  ä'iix.oiTO  e;  T^ylav  tsIo;  Ss  /.ai  s^pcopy.Ov]  tetox-uTo.  ex.  toO 
'HpaJcXeO'j?  x,ai  auTviv  6  "A'Xeoi;  ETÖsjxevo?  6[/.oi)  xö  xaiSl  s;  'Xxpvax.a 
i^piriTiv  £?  By-XaiTiTav.  x,a,i  t)  piv  äoix.£TO  I?  TeuOpocvra,  S'jvaaTTiv  ocv- 
Spx  £v  Katx-O'j  77£Si(0,  x.ai  c>uvcox,7]'7£v  iparjOlvTi  Tö  TeoGpavTi*  x.at 
vijv  £<7Ti  a£v  A'jy/i;*    [AV7J[7,a  £v  nepyy.i/w  t-^  Oxep  tou    Kaf)iO'j,  y^; 

J^öi{/,a   T^lOo'J     7ü£p!,£'/6(X£VOV    X.p'/ITUIÖI,    £'7X1    §£    £V     TCO      [XV'^fXy.Tl     ETriÖYlfy-O. 

yrjxk/,o\t  TZiTzovriiJ.ivO'i,  yjv/i  yju.vr;. 

Nicht  alle  Mythographen  berichteten  über  Auges  Ausset- 
zung mit  dem  neugeborenen  Telephos,  wie  Hekataios  erzählt 
und  nach  ihm  Euripides  gedichtet  hatte.  Nach  andern  wird 
die  schwangere  Auge  von  dem  erzürnten  Aleos  dem  Nauplios 
übergeben  sie  ins  Meer  zu  versenken  :  auf  dem  Weg  dahin 
gebiert  sie  den  Telephos,  der  von  einer  Hirschkuh  in  Arka- 
dien ernährt  wird  und  als  erwachsener  Jüngling  nach  Mysien 
zieht  seine  von  Nauplios  an  den  Myserkönig  Teuthras  ver- 
kaufte Mutter  aufzusuchen.  So  mit  geringen  Abweichungen 
Hygin.  fab.  99.  100  Alkid.  Odyss.  S.  670  Bekker  Apollod. 
n  7,  4  Diod.  IV  33  Paus.  VIII  48,  7-  Von  einem  Einschlies- 
sen  in  eine  Lade,  wie  Euripides  und  Hekataios  erzählt,  ist 
dabei  nicht  die  Rede.  In  Pergamon,  wo  nach  Paus.  III 
26,  10  Telephos  göttlich  verehrt  wurde  und  die  Telephossage 
ein  beliebtes  Motiv  der  bildenden  Kunst  war,  wie  der  kleine 
Relieffries  am  Zeusaltar  gezeigt  hat^,  scheint  die  von  Heka- 
taios und  Euripides  abweichende  Version  die  anerkannte 
Stammsage  gewesen  zu  sein:  wenigstens  wollen  die  Perga- 
mener,  welche  ein  Orakel  C.  l.  G.  3538  Telephiden  nennt, 
Arkader  sein  tüv  öy.ou  T7)X£ipco  SiaSxvTcov  Iq  xry  'Aaiocv  (Paus.  I 
4,   6),    woraus    hervorgeht,    dass   die    Erzählung   von    einer 


*  Über  den  jetzt  als  (ivnb  der  Auij;e  hezeichiieten  Grabhügel  E.  Curtius 
Beiträge  zur  Gescliiclile  und  Topographie  Kleiiiasiens  Ö.  53. 
2  Die  Ergebnisse  der  Ausgrabungen  zu  Pergamon  S.  65  ff. 


BRONCEMUENZE   VON  ELAIA  ?5 

ü^leiclizeiti^^en  Landung  von  Mutter  und  Sohn  bei  den  Perga- 
menern  nicht  sosehr  vorherrschte,  wii;  die  Sage  von  dem  sj)ii- 
teren  Zug  des  Telephos  nach  Mysien.  Die  Darstelhingen  des 
kleinen  Relieffrieses  schliessen  sich  in  der  Hauptsache  durch- 
aus an  die  von  der  Euri|)ideischen  verschiedene  Version  an. 
Trotzdem  erscheint  es  zweifellos,  dass  auf  unserer  Münze  der 
kästen  der  Auge  dargestellt  ist,  den  Fischer  an  der  Kaikos' 
mündung  unweit  Elaia  in  ihrem  Netz  ans  Land  gezogen  und 
geöffnet  haben,  wie  die  Fischer  von  Seriphos  den  Kasten  der 
Danae  und  die  von  Oinoie  den  des  Thoas.  Das  auffallende  an 
unserer  Darstellung,  dass  der  kleine  Telephos  — abweichend 
von  Euripides  und  [Jekataios  — fehlt,  dass  nur  Auge  in  der 
Lade  an  dem  mysischen  Gestade  anlandet,  kann  man  ver- 
schieden erklären.  Anzunehmen,  dass  der  Knabe  noch  in  dem 
Kasten  verborgen  gedacht  sei,  wie  Six  wollte,  oder  dass  die 
Darstellung  eine  ungenaue  wäre,  dazu  berechtigt  nichts.  Man 
könnte  vermuten,  dass  dieses  Münzbild  auf  eine  Version  der 
Sage  zurückgehe,  nach  der  die  schwangere  Auge  von  Aleos 
in  die  Lade  eingeschlossen  wird  und  erst  in  Mysien  als  Gat- 
tin des  Teulhras  von  Telephos,  den  sie  von  Herakles  enij)fau- 
gen,  entbunden  wird;  so  wird  Rhoio,  von  Apollo  schwanger, 
in  einer  T^icva^  von  ihrem  Vater  Staphylos  in  das  Meer  ver- 
senkt, landet  in  Euboia  und  gebiert  dort  den  Anios  nach 
Schol.  Lycophr.  570  Kinkel  epic.  Gr.  fragm.  S.  29  Diod.  V 
62.  Besser  nehmen  wir  an  —und  darauf  weist  die  oben  er- 
wähnte Stammsage  der  Pergamener  hin  — ,  dass  man  die  Sa- 
genversion des  Hekataios  und  Euripides  von  der  Aussetzung 
in  der  Kiste  mit  der  anderen  Gestaltung  der  Sage,  nach  der 
Telephos,  in  Arkadien  geboren  und  auf  wunderbare  Weise 
erzogen,  später  nach  Mysien  auszieht  seine  Mutter  zu  suchen, 
in  der  Version  vereinigte, welche  der  Darstellung  auf  unserer 
Münze  zu  Grunde  liegt.  Auge,  nachdem  sie  in  Arkadien  den 
Telephos  geboren  und  ausgesetzt,  wird  von  Aleos  in  die  Lade 
eingeschlossen  und  gelangt  so  durch  das  Wallen  der  Gölter 
an  das  Teuthranische  Gestade.  Bei  diesen  Sagen  von  einer 
Einschliessung  in  die  Xäpva^,  Aussetzung  im  Meer  und  wun- 


26  BRONCEMUENZE   VON  ELAIA 

derbaren  Landung  handelt  es  sich  nicht  immer  um  eine  Mut- 
ter mit  ihrem  Rind,  wie  bei  Danae  mit  Persens  und  Semele 
mit  Dionysos  nach  der  Landessage  der  Brasiaer  (Paus.  III 
24,  3).  So  landen  in  einem  Kasten  eingeschlossen  Thoas,  der 
Vater  der  Hypsipyle,  auf  Oinoie  [Apollon.  R/iod.  1  621)  und 
die  Geschwister  Tenes  und  Hemithea  auf  Tenedos  (Paus.  X 
14  Schol.  Hom.  A  38  Schol.  Lycophr.  232  Diod.  V  83).  Ueber 
die  in  Pergamon  herrschende  Form  der  Augesage  wird  die 
bevorstehende  Publikation  des  kleinen  Relieffrieses  sicherlich 
Licht  verbreiten,  auf  dem  nach  der  Beschreibung  ja  auch 
Auge  dargestellt  zu  sein  scheint,  in  Trauer  zusammengebeugt 
auf  einem  Felsen  sitzend,  im  Begriff  übers  Meer  gebracht  zu 
werdend 


FRIEDRICH  MARX. 


*  Die  Ergebnisse  d.  Ausgr.  z.  Pergamon  S.  67  unten. 


Marmorstatue  in  Beirut. 

(Hierzu  Tafel  I.) 

Die  Marmorgruppe,  welche  wir  auf  Tafel  I  vorlegen, wurde 
im  Jahre  KSH'i  in  Beirut  beim  Abbruch  eines  Hauses  gefun- 
den und  o;elano;te  in  den  Besitz  des  Herrn  Alexander  Sursock. 
Wir  verdanken  die  Mittheilung  des  Fundes  sowie  die  Anfer- 
tigung einer  Photographie  den  Bemühungen  des  deutschen 
Consuls  für  Syrien  Herrn  Schröder,  welcher  ferner  mittheilt, 
dass  die  Höhe  der  weiblichen  Figur  1,35  m.  beträgt,  dass 
dieselbe  an  der  Rückseite  des  Gürtels  Spuren  rother  Bema- 
lung bewahrt  hat  und  am  linken  Oberarm  sowie  am  linken 
Knie  Ansätze  zeigt,  welche  darauf  schliessen  lassen,  dass  sie 
in  der  linken  Hand  einen  langen  Gegenstand  hielt.  Der  sit- 
zende Knabe  ist  geflügelt,  der  linke  Flügel  ist  abgebrochen. 
Nach  der  von  Herrn  Schröder  vermittelten  Photographie  hat 
Herr  Gillieron  eine  Federzeichnung  angefertigt,  welche  un- 
serm  Lichtdruck  zu  Grunde  liegt.  Einige  Uebelstände  waren 
bei  diesem  Verfahren  trotz  der  erreichbar  grössten  stilisti- 
schen Treue  unvermeidlich,  da  die  Photographie  unter  fal- 
scher Beleuchtuno;  aut'o;enommen  war.  Um  eine  künstlerische 
fleproduction  zu  erzielen,  musste  das  Licht  gedreht  werden, 
und  so  musste  zum  Theil  das  auf  der  Photographie  sichtbare 
Detail  wegen  der  neuen  Beleuchtung  wegbleiben,  zum  Theil 
bot  die  Photographie  gerade  an  den  Stellen,  wo  es  bei  der 
Zeichnung  zur  Geltung  gekommen  wäre,  kein  Detail  wegen  zu 
tiefer  Schatten.  Die  Gruppe  verdient  unser  Interesse  sowohl 
wegen  der  bisher  nicht  vertretenen  Composition,  namentlich 
aber  als  eines  der  wenigen  Werke  hellenistischer  Kunst  in 
Syrien,  welche  uns  erhalten  sind.  Obwohl  Kopf  und  rechter 


28  MARMORSTATÜE  IN  BEIRUT 

Unterarm  der  weiblichen  Figur  und  rechter  Arm  sowie  linke 
Hand  und  beide  Füsse  des  Kindes  fehlen^, so  kann  doch  über 
die  Deutung  der  Gruppe  kein  Zweifel  obwalten.  Der  geflü- 
gelte Knabe  kann  nur  Eros  sein  und  die  weibliche  Figur  ist 
mithin  Aphrodite.  Versuchen  wir  nun  die  Beiruter  Gruppe 
stilistisch  einzureihen,  so  bieten  sich  unter  den  erhaltenen 
Aphroditestatuen  keine  Parallelen.  Zwar  darf  man  sich  dar- 
über, dass  die  Fis-ur  vollständio;  bekleidet  ist.  nicht  wundern, 
wenn  auch  zufällig  aus  gleicher  Zeit  keine  gänzlich  beklei- 
dete Aphrodite  vorhanden  ist.  Seitdem  auf  Grund  volkstüm- 
licher Etymologie  jene  Differenzierung  zwischen  der  Urania, 
welche  ursprünglich  orientalischer  Sinnlichkeit  vornehmlich 
nahe  steht,  und  der  Pandemos  geschaffen  worden  ist,  wie  sie 
uns  in  Piatons  Symposion  entgegentritt  und  in  Olympia  in  der 
Nachbarschaft  der  Statuen  des  Pheidias  und  Skopas  ihren  Aus- 
druck fand,  wird  sittsame  Bekleidung  stets  ein  Hauptmerk- 
mal der  himmlichen  Göttin  geblieben  sein. Das  Auffällige  liegt 
vielmehr  in  der  streng  gebundenen  Stellung  der  Göttin  und 
in  ihrer  Beziehung  zu  dem  Kinde,  welches  nicht  zu  einer  le- 
bendigen Gruppe  mit  ihr  vereinigt  ist,  sondern  wie  auf  man- 
chen Monumenten  der  müde  Sklave  apathisch  ihr  zu  Füssen 
sitzt-  Zwar  Hesse  sich  für  letzteres  Motiv  eine  Parallele  aus 
Pausanias^  anführen. Im  Heraion  zu  Olympia  stand  eine  eherne 
Statue  der  Aphrodite  von  Kleon  aus  Sikyon, einem  Enkelschü- 
ler des  Polyklet :  TtaiSiov  Se  sT^iypucov  /.xOrjTai  yjtxvov  Tvpo  ttj? 
'AcppoSiTT);.  BoTiöo?  Vt  iTopBrjrsiv  auTo  Konpyjn^övio^.  Es  würde  je- 
doch gewagt  sein,  hierin  das  Vorbild  unsrer  Statue  zu  vermu- 
then,  denn  auch  bei  der  olympischen  Zusammenstellung  ist 
einheitliche  Conception  und  oi-ganischer  Zusammenhang  frag- 
lich, da  das  kleine   Kunstwerk   des  Boethos  später  äusserlich 


'  Wie  weit  der  linke  Arm  der  weibliclieii  l<M^ur  erhalten  ist,  ist  mir  un- 
bekannt und  aus  der  Photographie  nicht  zu  ersehen.  Nach  der  Ansalzspur 
kurz  über  dem  unteren  Rande  des  Diploidions  sowie  den  von  Herrn  Schrö- 
der erwähnten  Ansätzen  scheint  er  gesenkt  zu  sein. 

2  V  47,  4. 


MARMORSTATUE   IN  BEIRUT  29 

angefügt  sein  kann.  Das  Absonderliche  unsrer  Gruppe  erklärt 
sich  vielmehr  gerade  daraus,  dass  die  weibliche  Figur  ur- 
sprünglich als  Einzelslalue  concipiert  war  und  nun  äusser- 
iich  durch  den  hinzugelügleu  Eios  als  Aphrodite  charakteri- 
siert wird 

Die  Göttin  ist  ursprünglich  keine  Ajjhrodite  sondern  Äthe- 
na.  Sie  gehört  zu  jenen  Nachahmungen  der  l*arthenos  des 
Pheidias,  von  welchen  l^ange  in  der  Archaeologischen  Zei- 
tung 1881  S.  lt)7  Anm.  2  eine  Anzahl  zusammen  gestellt  hat. 
Wie  die  Parthenos  steht  sie  auf  dem  rechten  Beine,  welches 
durch  schwere  Vertikal  fallen  vollständig  verborgen  wird,  wie 
jene  hat  sie  das  linke  Bein  ziemlich  weit  seitwärts  gesetzt, 
so  dass  nur  die  Fusspilze  den  Boden  berührt,  bei  beiden  fälil 
vom  Knie  abwärts  eine  steife  Verlikalfalte,  während  bei  spä- 
teren Umformungen  desselben  Motivs  der  Lmriss  des  Schien- 
beins, welcher  nur  von  kleinen  schrägen  Falten  geschnitten 
wird, die  äussere  Gränze  der  Statue  bildet.  Auch  die  Armhal- 
tung scheint  der  Parthenos  entsprochen  zu  haben  und  sogar 
Kleinigkeiten  wie  die  Gürtung  über  dem  Diploidion  und  die 
hohen  Sandalen  kehren  wieder.  Gleichwohl  stammt  die  Sta- 
tue weder  aus  der  Schule  des  Pheidias  noch  will  sie  eine  Co- 
pie  eines  seiner  Werke  sein,  sondern  sie  ist  ein  Original  aus 
hellenistischer  Zeit  und  vertritt  innerhalb  derselben  eine 
bestimmte  Geschmacksrichtung.  Mit  Lysipp  war  der  Höhe- 
punkt technischen  Könnens  erreicht  worden.  Die  Kunst  be* 
sass  vollständige  Freiheit  der  Bewegung,verbunden  mit  gross« 
ter  Glätte  und  Zierlichkeit,  sie  hatte  den  Kreis  der  damals 
möglichen  Probleme  durchlaufen, die  Plastik  hatte  zum  Theil 
wohl  ihre  Gränzen  schon  überschritten. Mit  dem  Heraustreten 
aus  den  landschaftlichen  Gränzen  büsste  sie  an  religiösem 
und  patriotischem  Gehalt  ein  und  trat  in  den  Dienst  des  Lu- 
xus. Gegen  diese  Gefahren  wird  sich  schon  früh  eine  lleac- 
tion  geltend  gemacht  haben, welche  aber  nichts  Selbständiges, 
Positives  an  Stelle  des  Verschmähten  setzen  konnte  und  später 
zu  einem  dürftigen  und  stillosen  Archaisieren  führte.  Einen 
eigenartigen   U ebergang  zu  dieser   Richtung  stellt  unsre  Sta- 


30  MARMORSTATUE   IN  BEIRUT 

tue  dar.  Der  Künstler  wollte  ein  frommes,  strenges  Werk 
schatTen,  er  fand  unter  den  vorhandenen  Aphrodiletypen  kei- 
nen, der  ihm  genügte  und  grifY  auf  eins  der  strengsten  Ideale 
attischer  Kunst  zurück.  Er  musste  nun  zu  einem  äusserlichen 
Mittel  greifen  um  die  Göttin  als  Aphrodite  zu  charakterisie- 
ren. Der  Eros  ist  fast  wappenartig  hinzugefügt,  wie  ander- 
wärts der  Delphin.  Da  sich  für  den  Eros  kein  klassisches 
Vorbild  fand,  so  steht  er  im  schärfsten  Gegensalze  zu  dem 
strengen  Motiv  der  Götlin  und  verräth  den  Künstler  als  Kind 
seiner  Zeit,  Er  bildet  für  sich  ein  Genrebild  von  um  so  grös- 
serem Reiz,  als  bei  ihm  keine  Spuren  eines  zwiespältigen  Be- 
strebens sichtbar  sind.  Die  kindlichen  Proportionen  sind  voll- 
kommen richtig  wiedergegeben.  Fleisch  und  Haarbehandlung 
scheint  von  grosser  Wahrheit  und  Frische,  er  steht  dem 
Werke  des  Boethos,  dem  Knaben  mit  der  Gans,  nahe  und  be- 
zeichnet dem  Dionysosknaben  des  Praxiteles  gegenüber  einen 
jener  wenigen  Fortschritte,  welche  der  hellenistischen  Epoche 
vorbehalten  blieben.  Aber  auch  in  der  Behandlung  der  Göt- 
tin selbst  verläugnet  sich  diese  Epoche  nicht,  der  Vortrag 
steht  auch  hier  im  Gegensatze  zum  Motiv.  Durch  kleine  kaum 
merkliche  Modificationen  ist  überall  das  Gewand  aus  einem 
ruhigen,  starren  in  ein  weiches,  unruhiges  verwandelt  ^  Die 
Vertikalfalten  am  rechten  Beine  sind  durch  kleine  Eindrücke 
aut  dem  Faltenrücken  als  weich  und  sciilaff  charakterisiert, 
während  man  bei  der  Parthenos  auf  den  Gedanken  hat  kom- 
men können,  das  Gewand  mit  Blech  zu  vergleichen.  Das  Di- 
ploidion  ist  am  rechten  Arm  weit  durch  den  Gürtel  hinauf- 
gezogen und  bildet  ein  System  rechtwinkliger  Falten,  welche 
sowohl  zu  den  gespannten  Falten  über  der  Brust  wie  zu  den 
gebauschten  über  der  Mitte  des  Gürtels  einen  Gegensatz  bil- 
den. Nur  zu  dem  Zwecke,  Unruhe  in  die  Falten  zu  bringen, 
ist  der  Göttin   ein    Band   gegeben,  welches  von   der  rechten 


'  Hier  hat  die  Pliolograpliie  Vorzüge,  welche  beim  Umzeiclinen  verloren 
gehn  mussten. 


MARMORSTATUE   IN   BEIRUT  31 

Schulter  nach  der  linken  Weiche  läuft  und  straff  anliefi;l  ^ 
Sehr  künstlich  sind  die  Falten  des  üehersclilaj^s  unter  dem 
Gürtel,  sie  setzen  eine  Kunststul'e  voraus  wie  sie  durch  das 
Gewand  des  Praxitelischen  Herines  repräsentiert  wird-  Der 
untere  Hand  des  üeberschlags  bildet  im  Gegensatz  zur  Ein- 
fachheit der  Parthenos  eine  vielfach  gebrochene  Linie. 

Wie  die  Statue  zu  ergänzen  sei,  wage  ich  nicht  zu  bestim- 
men^ da  viele  Vermuthungen  möglich  sind  Vielleicht  würde 
die  Anlehnung  an  die  Parthenos  am  besten  erklärt, wenn  man 
sich  kriegerische  Attribute  dächte,  etwa  in  der  rechten  Hand 
den  Helm,  am  linken  Arm  die  Lanze.  Die  Stärke  der  Stütze 
an  der  rechten  Hüfte  spricht  dafür,  dass  die  rechte  Hand  einen 
schwereren  Gegenstand  tru«;. 

Jedenfalls  überwiegt  das  stilistische  Interesse  das  sachli- 
che. Wenn  auch  die  Güte  der  Arbeit  auf  gute  Zeit  schliessen 
lässt — jedenfalls  noch  drittes  Jahrhundert  —  so  hat  doch  der 
Eklekticismus  des  Werkes  etwas  Unharmonisches  und  ist  ein 
sicheres  Kennzeichen  des  Epigonen. 

Athen,  10.  März  1885. 

FERDINAND  DÜMMLEll. 


<  Dies  Band  ist  wohl  von  Arlemisstatuen  herüber  genommen,  wo  es  voll- 
ständig motiviert  ist,  da  es  den  Köcher  trägt.  Ohne  eine  derartige  Motivie- 
rung erscheint  es  z.  B.  in  Claracs  Musee  de  sculplure  III  Fl.  516,  lüöü  hei 
einer  Thalia  und  ebenda  IV  IM.  6ü6  B  1621  A  bei  einer  Bacchantin.  Keine 
Analogieen  fand  ich  für  den  breiten  Ring  an  dieser  Stelle  des  rechten  Arms. 


Inschrift  von  Samos. 


Die  nachstehende  Inschrift  kann  beinahe  als  unbekannt  gel- 
ten. Zwar  ist  eine  Abschrift  gedruckt  worden  ',  aber  diese  Ab- 
schrift scheint  unter  ungünstigen  Verhältnissen  gemacht  wor- 
den zu  sein;  eine  Ergänzung  oder  Erklärung  ist  nicht  versucht 
worden. Ohne  von  der  früheren  Publication  Kenntnisszu  haben 
hat  Hr.  Fabricius  während  seiner  Anwesenheit  in  Samos  eine 
Copie  und  zwei  Abklatsche  des  Steines  angefertigt,  die  er  mir 
auf  meine  Bitte  zur  Benutzung  überlassen  hat. 

"ISHNErKANOIAIPEOEN  rPA<t>OIPEPITHSENEAIKaNiai 

SAPOAEIKNYMENOY^YPOTnNXIAIASTHpnNEPIMHNlOYSTI-; 
H^SYNOAOYTHSENEAlKnNinin  NOMEN  H2EPIMHNIEYEINEAN 
ANAEAPOAHMnSINOYSANKATAAlPa^lNAYTQNKYPIOYSKATA 
AYTEPArrEATOITINE?PEISO?ITOYSAYTaNXlAIASTHPA? 
'^NTOISAYTOYXI A IA2THPSIANAEAIPEOEISTI2HAYTOS 
vSHlEISPPAXOHTnAPAXMASAIAKOSIASYPOTnNN 
'^NK'AIT  v\HNinNTnNSYNAPOAEI 


Der  Stein  ist  links  und  unten  gebrochen.  Der  obere  Rand  ist 
verstümmelt,  doch  ist  vor  den  erhaltenen  keine  Zeile  verloren 
gegangen.  An  der  rechten  Seite  fehlt  nichts.  Ueber  die  Lesung 
kann  nur  an  einer  Stelle  ein  Zweifel  obwalten.  Z.  2  a.  E.  ist 
die  Oberfläche  des  Steines  verletzt.  In  der  mir  vorliegenden 
Abschrift  sind  die  drei  letzten  Buchstaben  gelesen  worden 
TPE,  doch  hat  sich  der  Urheber  der  ersteren  damit  einver- 
standen erklärt,  dass  die  auf  den  Abklatschen  erkennbaren 
Spuren  vielmehr  auf  THS:  führen. 

Die  Inschrift  lässt  sich  dem  Inhalt  nach  folgendermaassen 
herstellen  : 


*  Bull,  de  corr.  hell.  VII  (1883)  S.  517. 


INSCHRIFT  VON   SAMOS  33 

[TäSs  ^  e]i'7-/)V£Y/tav  ol  atp£0£v[T£(;  vo[xo]ypa(poi  xEpl  Tvi;  £v  'EXixw- 

viw 
[öucia?"  TOu]?    ä— oo£t/.vu|J'.£vou?    üxo    tcöv    yCkiy.a':r,p(i)v  £7:i[j,rjViO'J5 

T[7ii;] 
[TravT^yopiax]"?]?  cjvooO'j  t'^?  £v'E7.ixt>)viw  yivoy.Evr,?  £7:ip/ovi£'j£tv  eäv 
[£vSrip-w(Jt,  ijäv    o£  (X7roö'(i[;-(]j(7iv,  ou?   a,v    xaxaliTvto'jiv   aÜTÜv  X'j- 

ptoui;  /.aTO. 
5   [Taüxa.  Eotv  Se]  a'jT£777.yy£'XToi  tiv£;   Tvsiawcii   Toü;   aüxdiv  y/kioi- 

(jT^pa;, 
[  -  -  —  auTojv  Tot;  aÜTOü  j^^i'Xio.Gxrjp'ji.  äv  §£  atp£0£i;  xt;  '/^  aüxo? 
[-Etira?    p,r,    £-:n[;!.-/ivi£6](j-/i,    £t(T7rpaj(_0'/ixco    Spa^ixx?    Siaitocia;    utco 

xcov  v[o]- 
[(/.oypxcpoiv   xoJv  a.ip£6£vxo)]v  zocl   x[(ov  £7ri]{j:,-/ivi(i)v    xwv  cuvaTCoSet- 

[•/.vu{;.£vcov]. 

So  gelesen  enthält  die  Inschrift  einige  zwar  nicht  durch  ihre 
Neuheit  überraschende  aber  immerhin   willkommene  Daten 
zur  Geschichte  von  Samos.  Dieselbe  giebt  sich  als  Antrag  ei- 
ner Gesetzescommission  (vojxoypäfpoi)  in  Betreff  der  Festfeier  im 
Helikonion   zu  erkennen.    Dass  der  Antrag  die   Zustimmung 
des  Volkes  erhalten  habe,  folgt  aus  der  Existenz  der  Urkunde 
darüber  ohne  Weiteres,  und  ist  wie  in  andern  ähnlichen  Fäl- 
len in  der  letzteren  nicht  besonders  bemerkt  worden.  Die  Com- 
mission,  welche  ihn  eingebracht  hatte, war,  w  ie  der  Zusatz  ol 
aip£6£vx£?  beweist,  eine  ausserordentliche,  keine  stehende  Be- 
hörde. Der   Opferdienst   an  der  Festfeier  im    Helikonion    ist 
durch  das  vorliegende  Gesetz  den  von  den  Chiliasteren  jeder 
Zeit  ernannten   i-iixrivio'.   übertragen  worden.  Wie  andere  sa- 
mische  Inschriften  gelehrt  haben  war  die  Bürgerschaft  der  In 
sei  in  Phylen,  Chiliastyen,  Hekatostyen  und  Geschlechter  ein 
getheilt;  mit  dem  hier  zum  ersten  Mal  vorkommenden  Wor 
)(^di,a'7xr,p£;  werden  die  Älilglieder  einer  Chiliastys  bezeichnet 
Wie  die  folgende  Bestimmung  zeigt,  wonach  die  £7:i{x-/)vtoi  ge 


^  Möglich  wäre  auch   [Kara  laSs  s]iorjv£Y/.av ;   ich  habe  angenommen,  dass 
die  erste  Z.  links  sowie  rechts  um  ein  Paar  Stellen  eingerückt  war. 

MITTH.  D.  ARGH.  INST.  X.  3 


34  INSCHRIFT   VON   SA  MOS 

halten  sein  sollen  im  Falle  ihrer  Abwesenheit  bevollmächtigte 
Stellvertreter  (aOröJv  x'jpiou;)  zu  hinterlassen,  ist  denselben  der 
Opferdienst  im  Helikonion  neben  ihren  sonstigen  Funktionen 
übertragen  worden;  wären  sie  eigens  für  das  Fest  ernannt 
gewesen,  so  hätte  begreiflicher  Weise  jener  Fall  nicht  ein- 
treten können.  Hiernach  ist  unter  den  eri^ar^vioi  von  Samos 
eine  jährlich  für  die  Hauptfeste  ernannte  Opferbehörde  zu  ver- 
stehen ähnlich  wie  die  UpoTvoiot  in  Athen  ^  Eine  weitere  Be- 
stimmung betraf  die  Ernennung  von  Männern  zu  £7:i[;//]vtot, 
welche  sich  ihren  Chiliasteren  selbst  zur  Uebernahme  der 
Functionen  bereit  erklärt  hatten.  Dass  die  Ernennung  solcher 
Candidaten  zugelassen  war,  zeigt  das  Folgende;  in  welcher 
Form  dies  ausgesprochen  oder  welche  Bedingung  daran  ge- 
knüpft war, wird  sich  mit  den  jetzigen  Mitteln  kaum  feststellen 
lassen.  Für  die  i-iy/n^>M  scheint  sicli  daraus  zu  ergeben,  dass 
ihre  Function  mit  eigenen  Ausgaben  wenigstens  verbunden 
sein  konnte  und  darum  als  eine  Art  von  Liturgie  betrachtet 
oder  behandelt  wurde  ^  Eine  kleine  Schwierigkeit  ist  in  der 
letzten  Bestimmung  der  Inschrift  enthalten,  der  zu  Folge  die 
Einziehung  fälliger  Bussen  den  Nomographen  und  £7:i{y//)viot 
obliegen  soll.  Hiernach  könnte  es  scheinen,  als  seien  entwe- 
der die  Nomographen  eine  stehende  Behörde  oder  das  Fest  ein 
einmaliges  gewesen,  Suppositionen,  von  denen  die  eine  eben- 
sowenig wie  die  andere  mit  der  Fassung  der  Urkunde  verei- 
nigt werden  kann.  An  der  vorgenommenen  Ergänzung  halte 
ich  gleichwohl  fest  und  halte  für  möglich,  dass   die  Formu- 


'  Wenn  in  der  Inschrift  von  Smyrna  C.  1.  ß.  3137  Z.  31  unter  den  smii.i\- 
vtoi  Tf];  ßouX^;  der  geschäftsführende  Ausschuss  des  Rathes  zu  verstehen  ist, so 
kann  in  der  samisclien  Inschrift  doch  augenscheinlich  diese  politische  Behör- 
de nicht  gemeint  sein, auch  abgesehen  davon  dass  in  den  weiter  zu  erwähnen- 
den Volksbeschlüssen  der  Samier  die  Prytanen  genannt  sind.  Nach  dem  Zu- 
satz Ol  uKo  Twv  /iXtaaTrfpwv  äTToSeixvufjiEvoi  zu  schliessen  gab  es  in  Samos  meh- 
rere CoUegien  von  £;it[i.rjvtot,  sowie  in  Athen  mehrere  Classen  von  hpoKOiol 
zu  unterscheiden  sind  (vgl.  Diltcnberger  SijlL  334  Anni.  13). 

2  Vgl.  das  Decret  des  zotvöv  twv  au[j.:rop£uo[Ji.£vojv  7:apa  A^a  'Ts'xiov  auS  Kos 
b.  Cauer  Del.  162,  in  welchem  ETrijjLrjvtoi  xjziKix-^yili:oi  wegen  ihrer  Leistungen 
belobt  werden. 


INSCHRIFT   VON  SAMOS  35 

lirimg  der  Bestimmung  nicht  ganz  corrcct  ist  und  die  erste 
Hälfte  sich  auf  diejenige  Zeit  heschrünkt,  in  der  die  Nomo- 
graphen  noch  in  Function  sein  würden.  Lebrigens  ist  es  mir 
wahrscheinlich,  dass  hiermit  die  Urkunde  schloss  und  so- 
mit die  8.  Zeile  die  letzte  der  Inschrift  war. 

Nach  den  graphischen  und  sprachlichen  Eigenthümlichkei- 
ten  der  Inschrift  kann  das  Gesetz  über  die  helikonische  Fest- 
feier unmöglich  in  die  Zeit  vor  der  Besiedelung  von  Samos 
mit  attischen  Kleruchen  (3G5  v.  Ch.)  gehören.  Diese  Periode 
der  samischen  Geschichte  endigte  im  J.322,  in  welchem  Per- 
dikkas  die  Athener  nöthigte  die  Insel  an  die  Samier  zurück 
zu  geben,  die  nach  ihrer  Heimkehr  nichts  dringenderes  zu 
thun  hatten  als  das  seit  einem  halben  Jahrhundert  aufgelöste 
Staatswesen  wieder  herzustellen  und  soweit  Mittel  und  Um- 
stände es  gestatteten  ihren  Verpflichtungen  gegen  alle  diejeni- 
gen, welche  ihnen  das  Exil  erleichtert  hatten,  zu  genügen. 
Von  diesem  lobenswerthen  Bestreben  legen  eine  ziemliche 
Reihe  von  Beschlüssen  des  Rathes  und  Volkes  Zeugniss  ab, in 
denen  Bürgern  verschiedener  griechischer  Städte,  welche  sich 
den  vertriebenen  Samiern  nützlich  erwiesen  hatten,  Lob  und 
Ehren  gespendet  werden^;  das  helikonische  Gesetz  gehört  in 
das  Verfassungswerk.  Unter  dem  Helikonion  ist  eine  Cuit- 
stätte  des  helikonischen  Poseidon  zu  verstehen,  dessen  Hei- 
ligthum  am  Vorgebirge  Mykale  den  sacralen  Mittelpunkt  der 
kleinasiatischen  Jonier  bildete  und  daher  den  Namen  Pan- 
ionion  führte.  Pausanias  (VII  4,  5)  erwähnt  Helikonien  bei 
Milet  und  in  Teos;  von  der  Existenz  der  Cultslätte  in  Samos 
war  bisher  nichts  bekannt.  Wahrscheinlich  ist  der  Gott  ur- 
sprünglich in  allen  Städten,  welche  an  der  Feier  der  Panionien 
Theil  hatten,  besonders  verehrt  worden;  diese  städtischen 
Culte  gewannen  an  Bedeutung  in  Zeiten,  in  denen  die  am- 
phiktionische  Feier  unterbrochen  war.  Die  herrschende  An- 
sicht scheint  allerdings  zu  sein,  dass  die  Panionien  un- 
unterbrochen  bis   in   die   Kaiserzeit  hinab    gefeiert  worden 


Vgl.  Fabricius  Mitth.  IX  S.  193  ff. 


36  INSCHRIFT    VON   SAMOS 

seien;  aber  es  ist  ziemlich  sicher,  dass  das  amphiktionische 
Fest  während  des  o-pössten  Theiles  des  fünften  und  vierten 
Jahrhunderts  nicht  begangen  und  erst  im  Beginn  der  helle- 
nistischen Epoche  neu  organisirt  worden  ist  ^  Die  Inschrift 
von  Samos  ist  nach  dem  Inhalt  in  die  erste  Zeit  nach  der 
Rückkehr  der  Samier  aus  dem  Exil  zu  setzen;  sie  ist  wahr- 
scheinlich etwas  älter  als  die  oben  erwähnten  Ehrendecrete 
des  samischen  Ralhes  und  V^olkes.  Man  lernt  daraus  dass  die 
heimo-ekehrten  Samier  ähnlich  wie  die  Athener  nach  der  Ver- 
treibung  der  Dreissig  eine  Commission  zur  Ausarbeitung  von 
Gesetzesentv\  ürfen  für  das  neu  zu  constituirende  Gemeinwe- 
sen eingesetzt  hatten,  welche  der  Genehmigung  durch  das 
Volk  bedurften,  um  für  rechtskräftig  zu  gelten.  Der  auf  das 
nationale  Fest  bezügliche  Antrag  ist  uns  in  der  hier  bespro- 
chenen Inschrift  erhalten,  welche  dem  Inhalt  nach  zu  schlies- 
sen  in  dem  Helikonion  aufgestellt  war.  Letzteres  mit  dem 
Tempel  des  Poseidon  an  der  Ostküste  von  Samos  zu  identifi- 
ciren,  welchen  Strabo  637  erwähnt,  liegt  kein  Grund  vor. 
Der  Inschriftstein  wurde   früher  in  einem    Hause  des   Dorfes 


^  Herodot  I  148  (vgl.  170  Anf.)  spriclit  von  der  Feier  der  Panionicn  als 
der  Vergangenlieit  angeliörig  (äyeaxov  öpi7\v) ;  sie  wird  die  Niederwerfung 
des  jonischen  Aufslandes  (499 — 496)  und  die  nivellirenden  Verwallungs- 
niaassregeln  des  Artaphernes  nicht  überlebt  haben.  So  lange  das  attische 
Reich  bestand,  war  die  Wiederherstellung  derselben  ein  unmöglicher  Ana- 
chronismus. Was  es  mit  der  Erzählung  Diodors  (XV  49,  vgl.  Ötrab  385  und 
Schoeraann  Anl.  j.  p.  Gr.  S.  413,  10)  von  der  Verlegung  der  Feier  nach 
Ephesos  im  J.  374  auf  sich  hat,  soll  hier  dahingeslelll  bleiben;  an  sich  er- 
scheint es  nicht  unmöglich,  dass  damals  ein  partieller  Versuch  (der  Text 
Diodors  spricht  von  9  Städten)  gemacht  worden  sei  die  alte  amphiklionische 
Feier  wieder  zu  beleben.  Die  erste  Spur  des  neu  organisirteu  zoivciv  steht  in 
einer  Inschrift  aus  der  Zeil  zwischen  306  und  302  (Le  Bas  Asie  min.  86  = 
Dillenberger  SyU.  126  z.  Anf.).  Zu  dem  öflei'  herausgegebenen  Beschluss  der 
13  jonischen  Städte  zu  Ehren  des  Hippostratos,  des  Günsllings  des  Königs 
Lysimachos,  ist  neuerdings  ein  interessantes,  leider  stark  fragmentirtes  De- 
cret  aus  der  Rcgicrungszeit  des  Antiochos  Soter  hinzugekommen  (herausge- 
geben von  Ar.  Fontrier  in  dein  demnächst  erscheinenden  Heft  der  Publica- 
lion  der  evang.  Schule  in  Smyrna  äp.  v32).  Das  an  der  Stelle  des  Panio- 
nions  gefundene  Decret  0.  I.  G.  2909  ist  chronologisch  nicht  lixirl,  stammt 
aber  wahrscheinlich  auch  aus  der  hellenistischen  Zeit. 


INSCHRIFT  VON  SAMOS  37 

Mylilini  aiifbovvalirl,  welches  nngefälir  1  y,,  Sliinden  nord- 
wesllicli  von  den  Iliniiinauern  der  allen  Stadt  Samos  700'" 
über  dem  Meeresspiei2;el  liegt  '.  Das  F'anionion  am  Vorgebirge 
Mykale  sowie  die  Helikonien  bei  Milet  und  in  Teos  waren  hei- 
lige Bezirke  mit  dem  Altar  des  Gotles.  Das  Gleiche  darf  man 
für  das  Helikonion  in  Samos  vermiithen.  Heilige  Bezirke  mit 
Altären  waren  die  tViihste  und  einfachste  Form  der  (lultslät- 
ten  in  Griechenland,  Es  scheint,  dass  diese  Form,  die  in  man- 
chen Landschaften,  welche  abseits  lagen  von  den  Centren  des 
nationalen  Lebens  und  in  denen  sich  daher  alterthümliche 
Lebensformen  länger  erhielten,  wie  in  den  griechischen  Städ- 
ten Kyperns"^,  erst  in  der  hellenistischen  Zeit  den  kunstvolleren 
Tempelbauten  gewichen  ist,  in  dem  uralten  Dienst  des  heli- 
konischen Poseidon  typisch  geblieben  ist^. 

ULRICH  KOEHLER. 


'  Vgl.  über  die  Allerthümer  in  Mytilini  die  Bemerkungen  von  Fabricius 
a.  a.  O.  S.  192. 

2  Vgl.  die  Auseinandersetzungen  von  Rieh.  Neubauer  über  das  Temenos 
des  Apollon  bei  Atienu  Gomm-  in  hon.  Mommseni  S.  673  fi".  Das  Ileiliglhurn 
bei  Voni,  über  dessen  Aufdeckung  Mitth.  IX  S.  127  iT.  berichtet  ist,  war  of- 
fenbar gleichfalls  ein  Temenos  ohne  Tempel.  Cesnola  Ci/prus  S.  139  will  das 
F'ehlen  von  Baugliedern  bei  Atienu  und  anderswo  auf  der  Insel  daraus  er- 
klären, dass  die  Tempel  aus  Luftziegeln  und  Holz  aufgeführt  gewesen  seien. 
Es  wird  einer  erneuten  Untersuchung  der  Fundstätten  auf  Cypern  bedürfen 
um  zu  entscheiden,  wie  weit  diese  Annahme  ausgedehnt  werden  darf. 

^  Die  Berichte  über  das  Erdbeben  von  Helike  erwähnen  nur  das  Teme- 
nos des  Helikoniers.  welches  ausserhalb  der  Stadt  am  Meere  lag.  und  das 
Bild  des  Gottes.  Die  lonier  in  Athen  verehrten  den  StammgoU  anderEa/apa 
jenseits  des  Ilissos  auf  der  höchsten  Spitze  der  Hügel  von  Agrai,  Wachs- 
muth  Die  Stadt  Athen  S  394  f.  Vor  der  Stadt  lag  wie  erwähnt  auch  das 
Helikonion  von  Milet.  Danach  scheinen  die  Jonier  den  Erderschüttercr 
geflissentlich  seine  Cultställen  abseits  von  den  Wohnungen  der  Menschen 
bereitet  zu  haben. 


Die  Propyläen  der    Akropolis  von    Athen, 
I.  Das  ursprüngliche  Project  des  Mnesikles. 


Während  die  bauo;eschichtliche  Forschung  sich  bei  den 
griechischen  Bauwerken  bisher  meist  darauf  beschränkt  hat, 
ein  möo-lichst  vollständio;es  Bild  von  dem  Innern  und  Aeus- 
sern  derselben  zu  gewinnen,  sowie  die  Zeit  ihrer  Erbauung 
und  Zerstörung  zu  ermitteln,  fasst  sie  auf  dem  Gebiete  der 
mittelalterlichen  und  neueren  Baukunst  ihre  Aufgabe  schon 
längst  als  eine  weitergehende  auf,  indem  sie  vor  allem  auch 
die  Abänderungen,  welche  der  ursprüngliche  Entwurf  eines 
Bauwerkes  während  der  Bauzeit  oder  später  erfahren  hat,  in 
den  Kreis  ihrer  Untersuchung  zieht.  So  ist,  um  nur  an  ein 
Beispiel  zu  erinneren,  an  der  Peterskirche  in  Rom  bekannt- 
lich längst  ermittelt,  welche  Gestalt  der  ursprüngliche  Plan 
des  Bramante  hatte  und  in  welcher  Weise  dieses  schöne  Pro- 
ject von  den  späteren  Architekten  der  Kirche  umgeändert  ist. 
Lässt  sich  diese  Art  der  Forschung  nicht  auch  auf  die  antike 
Baukunst  anwenden  ? 

Bei  vielen  griechischen  Bauwerken  werden  solche  Unter- 
suchungen aus  dem  einfachen  Grunde  zu  keinem  Ziele  füh- 
ren, weil  ihr  Plan  genau  in  der  Weise  zur  Ausführung  ge- 
langt ist,  wie  ihn  der  Architekt  zuerst  entworfen  hat.  Die 
Grundrisse  der  griechischen  Tempel  sind  meist  so  einfach, 
dass  spätere  Abänderungen  oder  Einschränkungen  fast  ganz 
unmöglich  waren.  Aber  es  giebt  auch  antike  Bauten,  wel- 
che in  ganz  andrer  Weise  ausgeführt  sind,  als  sie  ursprüng- 
lich projeclirt  waren;  sei  es  dass  man  den  zuerst  aufgestellten 
Plan   allmählich  erweitert  hat,  sei  es  dass  derselbe  während 


DIE   PnOPYLAEEN    DER   AKROPOLIS   VON  ATHEN  39 

der  Ausführung  bedeutendere  Einschränkungen  erfuhr.  Zu  der 
ersteren  Klasse  von  Bauten  gehört  z.  B.  das  Olympieion  in 
Athen,  das  von  Pisistralus  begonnen  und  von  Antioclius  und 
Hadrian  erweitert  und  vollendet  wurde.  In  die  zweite  Kate- 
gorie gehören  die  Propyläen  von  Athen- 

Welches  Project  Perikles  und  der  Architekt  Mnesikles  für 
dieses  Festlbor  entworfen  haben  und  wie  dieser  grossartige 
Plan  allmählich  verkleinert,  ja  auf  die  Hälfte  reducirt  worden 
ist,  sollen  die  folgenden  Zeilen  darlegen. 

Nachdem  der  Parthenon  im  Jahre  438  vollendet  und  bei 
der  Panathenäenfeier  eingeweiht  war,  fasste  Perikles  den 
Plan,  den  westlichen  Aufgang  der  Burg,  der  noch  mit  den 
altertümlichen  Resten  des  Pelasgikon  und  mit  dem  Thorge- 
bäude des  Kimon  versehen  war,  mit  einem  grossartigen  Fest- 
thore  auszustatten.  Der  Architekt  Mnesikles  wurde  mit  dieser 
Aufgabe  betraut.  In  der  kurzen  Zeit  von  io7  —  432  führte  er 
einen  Thorbau  aus,  der  im  Altertum  hochgepriesen  wurde 
und  auch  noch  heute,  obwohl  er  in  Trümmern  liegt,  die  Be- 
wunderung der  Welt  verdient.  Wie  der  Bau  aussah,  als  er 
noch  aufrecht  stand,  ist  durch  die  Aufnahmen  und  Untersu- 
chungen von  Stuart  und  Revett,  le  Roy,  Hoffer  und  Scholl, 
Penrose,  Julius  und  Bohn  festgestellt.  Den  beiden  letzteren 
gebührt  namentlich  das  Verdienst,  die  seltsame  Gestalt  des 
Südflügels  aus  den  im  Frankenthurm  vermauerten  Baustücken 
ermittelt  und  im  Einzelnen  nachgewiesen  zu  haben. 

Fast  alle  Gelehrte,  welche  sich  mit  den  Propyläen  be- 
schäftigt haben,  (ich  nenne  ausser  den  obigen  noch  nament- 
lich Ross,  Bötticher,  Michaelis  und  Robert)  haben  bemerkt, 
dass  der  Bau  des  Mnesikles  niemals  fertig  geworden  ist.  Man 
erkannte  wohl,  dass  der  Südflügel  anfänglich  eine  andere  Ge 
stall  haben  sollte,  und  dass  innerhalb  der  Burg  zu  beiden  Sei- 
ten der  Hinterhalle  grosse  Säulenhallen  projectirt  waren. Wel- 
che Gestalt  diese  Neben  bauten  aber  haben  sollten,  wie  ihr 
Grundriss  und  Aufriss  im  Project  des  Mnesikles  aussah,  dar- 
über hat  sich  i)isher  noch  niemand  genauer  ausgesprochen. 
Man  ging  offenbar  von  der  Voraussetzung  aus,  dass  es  bei  dem 


40  DIE   PROPYLAEEN  DER   AKROPOLIS  VON  ATHEN 

Mangel  bestimmter  literarischer  Nachrichten  nicht  genügende 
Anhaltspunkte  gäbe,  um  die  Gestalt  der  nicht  zur  Ausführung 
gelangten  Bautheile  zu  bestimmen.  Diese  Voraussetzung  ist 
aber,  wie  wir  sehen  werden,  eine  irrige.  Die  Ruinen  liefern 
uns  in  ihrem  jetzigen  Zustande  noch  ausreichendes  Material 
zur  Reconstruction  des  ursprünglichen  Entwurfes. 

Auf  den  beiden  beigefügten  Tafeln  habe  ich  den  Grund- 
riss  und  einige  Aufrisse  der  Propyläen  im  Maasstab  1  :  250 
gegeben.  Im  Grundrisse  sind  die  wirklich  ausgeführten  Bau- 
teile mit  schwarzer  Farbe  schrafHirt,  während  die  nicht  zur 
Ausführung  gelangten,  nur  projectirten  Teile  durch  eine  rothe 
Schraffirung  kenntlich  gemacht  sind.  Tafel  III  zeigt  verschie- 
dene Aufrisse  des  ursprünglichen  Projecles. 

Der  Mittelbau  der  Propyläen  ist  genau  nach  dem  Entwürfe 
des  Mnesikles  fertiggestellt  worden,  wenigstens  weist  nichts 
daraufhin,  dass  während  der  Ausführung  Veränderungen  des 
ursprünglichen  Planes  stattgefunden  haben.  Westlich  von  der 
Abschlussmauer,  die  von  fünf  Thoren  durchbrochen  ist,  liegt 
eine  grosse  Vorhalle  mit  6  dorischen  Säulen  an  der  Front; 
die  prächtige  steinerne  Decke  des  Innern  wurde  von  6  joni- 
schen Säulen  getragen.  An  der  Innenseite  der  Burg  ist  eine 
schmalere  liinterhalle  angeordnet,  welche  ebenfalls  eine  von 
6  dorischen  Säulen  gebildete  Fassade  hatte. 

Die  Grenzmauer  der  Burg,  oder  sagen  wir  lieber  des  heili- 
gen Bezirks  der  Athena,  sollte  von  aussen  nicht  ganz  schmuck- 
los erscheinen  und  wurde  desshalb  nördlich  und  südlich  von 
der  sechssäuligen  Vorhalle  mit  Nebenbauten  ausgestattet, wel- 
che man  jetzt  gewöhnlich  als  Nord-  resp. Südflügel  bezeichnet. 
Der  nordwestliche  Flügel  —  so  wollen  wir  den  ersteren 
zum  Unterschied  von  einem  nordöstlichen  Anbau  nennen 
—  ist  genau  nach  dem  Projecte  ausgeführt  und,  wenn  wir  von 
dem  an  vielen  Stellen  noch  abzuarbeitenden  Werkzoll  abse- 
hen, auch  ganz  vollendet  worden.  Er  besteht  aus  einem  un- 
gefähr quadratischen  Saale  mit  einer  nach  Süden  gelegenen 
Vorhalle.  Die  Südwand  öffnet  sich  mit  drei  Säulen  zwischen 
zwei  Anten,  enthält  also  vier  hitercolumnien.  Die  West-  und 


DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN  41 

Nordwand  sind  vollständig;  frcsclilossen,  weil  sin  nahn  an  den 
Rand  des  Burgfelsens  liei'antreten  und  auf  sehr  iioliem  l  nler- 
bau  stehen. 

üeber  die  Gestalt,  welche  der  südwestliche  Flügel  im 
Altertume  gehabt  hat,  ist  man  lange  im  Unklaren  gewesen; 
erst  nachdem  der  Frankenlhurm  gefallen  war, und  die  in  dem- 
selben vermauerten  Bauglieder  der  Propyläen  untersucht  wer- 
den konnten,  hat  Julius  in  dieser  Zeitschrift  (I  S.  26)  und 
später  Bohn  in  seinem  grossen  Werke  über  die  Propyläen  die 
richtige  Lösung  für  die  Grundrissform  ^  dargelegt.  Auf  Ta- 
fel li  kann  man  an  der  schwarzen  Schrallirung  erkennen, 
welche  Gestalt  dieser  Flügel  im  Altertume  gehabt  hat.  Die 
Nordfront  enthielt  drei  dorische  Säulen  zwischen  zwei  Anten, 
war  also  vollständig  symmetrisch  mit  der  ihr  gegenüberlie- 
genden Südfront  des  nordwestlichen  Flügels  gebildet.  Hinter 
dieser  Front  lag  nach  Süden  nur  ein  einziger  Raum,  nicht 
zwei,  wie  bei  dem  anderen  Flügel.  Im  0.  und  S.  war  der- 
selbe von  geschlossenen  Wänden  umgeben.  Nach  W.  reiclite 
er  nicht  bis  an  den  westlichen  Eckpfeiler  der  Front  heran, 
sondern  war  schon  bei  der  dritten  Säule  beendet,  denn  von 
dieser  ging  das  von  einem  schmalen  Miltelpfeiler  unterstützte 
Gebälk  auf  die  Südwand  über.  Der  Eckpfeiler  der  Nordfront 
sprang  also  coulissenartig  vor  und  stand  vollständig  isolirt  da. 

Ein  so  seltsamer  Grundriss  ist  nicht  von  Anfang  an  pro- 
jectirt  gewesen  ;  darüber  kann  kein  Zweifel  sein.  Es  fragt  sich 
aber,  welche  Gestalt  dieser  Flügel  ursprünglich  haben  sollte, 
und  welche  Umstände  eine  solche  Reduction  des  ersten  Pla- 
nes herbeigeführt  haben.  Man  hat  bisher  fast  allgen)ein  an- 
genommen, dass  der  Flügel  nach  Westen  bis  zum  Eckpfeiler 
reichen,  also  dieselbe  Länge  haben  sollte, wie  der  N.  W.  Flü- 
gel, dass  aber  die  Südwand  schon  im  Project  in  derjenigen 
Entfernung  von  der  iNordwand  angesetzt  war,  welche  sie  jetzt 
zeigt.  So   richtig  die   erstere   Annahme  ist,  so    falsch  ist   die 


*  Dass  der  obere  Abscliluss  anders  gewesen  ist,  als  mau  bisher  annahm, 
werde  ich  in  einem  zweiten  Aufsatze  nachweisen, 


42  DIE    PROPYLAEEN  DER   AKROPOLIS  VON   ATHEN 

zweite.  Der  S.W.  Flügel  sollte  nicht  nur  dieselbe  Länge,  son- 
dern auch  dieselbe  Tiefe  wie  der  N.  W.  Flügel  (die  Pinako- 
thek) haben. 

Um  diese  Behauptung  zu  beweisen,  betrachten  wir  zunächst 
die  ausgeführte  S.  W.  Ante  {A  auf  Plan  HI),  welche  einst  den 
Abschluss  der  Südwand  bildete.  Nach  Bötticher,  Julius  und 
Robert  soll  diese  Ante  als  Thiirpfosten  charakterisirt  sein  und 
einer  Thür  angehören,  welche  in  der  S.  W.  Ecke  des  Gema- 
ches angebracht  war.  Ich  will  kein  Gewicht  auf  den  Umstand 
legen,  dass  man  eine  solche  Thür,  wenn  man  sie  anlegen 
wollte,  doch  schwerlich  in  der  äussersten  Ecke  des  Flügels 
angelegt  hätte,  denn  es  sind  immerhin  Gründe  denkbar,  wel- 
che eine  solche  Lage  der  Thür  rechtfertigen  könnten;  aber  es 
ist  ein  architektonischer  Irrlhum,  in  der  Ante  einen  Thür- 
pfosten  zu  erkennen.  Man  sehe  doch  nur,  wie  die  5  Thüren 
des  Mittelbaues  der  Propyläen,  wie  diejenige  im  N.  W.  Flü- 
gel und  wie  überhaupt  die  Thüren  in  alten  dorischen  Bauten 
gebildet  sind.  V^on  steinernen  Anten  ist  dort  nichts  zu  fin- 
den, denn  alle  diese  Thüren  waren  mit  einer  hölzernen  Um- 
rahmung versehen.  Die  Form  unserer  Ante  beweist  vielmehr, 
dass  sie  zur  Aufnahme  eines  von  Westen  kommenden  Archi- 
traves  bestimmt  war, und  dass  also  genau  in  der  Verlängerung 
der  Mauer  eine  Stütze  und  zwar  unbedingt  eine  runde  Säule 
stehen  sollte.  Diese  Säule,  welche  selbstverständlich  den  glei- 
chen Durchmesser  haben  musste  wie  die  anderen  Säulen  der 
Flügelbauten,  kann  nur  in  einem  solchen  Abstände  von  der 
Ante  projectirt  gewesen  sein,  dass  ihre  Axe  genau  in  die 
Flucht  des  grossen  N.  W.  Pfeilers  unseres  Flügels  und  damit 
zugleich  in  die  Verlängerung  der  westlichen  Abschlusswand 
der  Pinakothek  fiel.  Der  Standplatz  der  Säule  ist  dadurch  ge- 
nau bestimmt,  ihr  Centrum  liegt  2,25"  von  der  S.  VV.  Ante 
(.4)  nach  Westen  und  6,5ß'"  von  der  Aussenkante  der  Nord- 
wand nach  Süden. 

Dass  die  Weslwand  des  S.  W.  Flügels  im  ursprünglichen 
Projecte  Säulen  enthalten  sollte,  können  wir  auch  noch  auf 
einem  anderen  Wege  beweisen.  Die  eigenthümliche  Form  des 


DIE  PROPYLAEEN  DER  AKR0P0LI8  VON  ATHEN  43 

grossen  N.  W.  Pfeilers  (ß),  wie  sie  Tafel  II  im  Grundriss 
zeigt,  ist  bisher  noch  nicht  genügend  erklärt  worden.  Wenn 
dieser  Pfeiler  nur  den  provisorischen  Abschluss  der  Nord- 
wand bilden  sollte,  so  hätte  man  ihn  gewiss  einfach  rjuadra- 
tisch  gemacht  und  ihm  nicht  jene  complicirte  Form  gegeben. 
Seine  Gestalt  ist  nur  dann  erklärlich,  wenn  wir  annehmen, 
dass  er  schon  im  Projecte  des  Mnesikles  genau  so  gebildet 
war,  wie  er  später  ausgeführt  ist.  Wir  können  dann  den  Pfei- 
ler architektonisch  definiren  als  ein  kurzes  Wandstück,  das 
an  zwei  Enden  antenförmis;  abgeschlossen  ist.  Der  nördliche 
Abschluss  hat  ganz  dieselbe  Form  wie  die  gegenüberliegende 
S.  W.  Ante  der  Pinakothek  und  der  südliche  Abschluss  ist 
gerade  so  gestaltet  wie  die  östliche  Ante  der  Nordwand  oder 
die  oben  besprochene  westliche  Ante  der  Südwand.  Da  nun 
eine  solche  Parastas  nur  dann  architektonisch  berechtigt 
ist,  wenn  ihr  eine  Säule  gegenüber  steht,  so  folgere  ich, 
dass  sich  im  Projecte  des  Mnesikles  an  den  grossen  N.  W. 
Pfeiler  nach  Süden  eine  Säulenstellunor  anschliessen  sollte. 
Da  die  Axweiten  dieser  Säulen  unzweifelhaft  ebenso  gross 
sein  müssen,  wie  diejenigen  der  wirklich  ausgeführten  Nord- 
wand, so  können  wir  aus  den  Dimensionen  der  letzteren  die 
Standplätze  der  Säulen  an  der  Westseite  berechnen.  Nach 
Bohn  ist  bei  der  Nordwand  diej  Entfernung  der  östlichsten 
Säule  von  der  östlichsten  Ante^  2,32'"  und  die  Axweite  der  3 
Säulen  beträgt  je  2,50™.  Die|erste  Säule  der  Westwand  muss 
daher  auch  2,32™  von  der'Ante  entfernt  sein  und  die  zweite 
Säule  wieder  2,50™  von  der  ersten.  Berechnen  wir  hiernach 
die  Dimensionen  der  Westwand,  so  erhalten  wir  für  die  Ent- 
fernuno;  der  ersten  Säule  von  der  Aussenkante  der  Nordwand 
4,08™  und  für  die  Entfernung  der  z  wei  ten  Säule  von  der- 
selben Kante  6,58™.  Da  wir  oben  den  Abstand  derjenigen 
Säule,  welche  in  der  westlichen  Verlängerung  der   Südwand 


^  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  nicht  etwa  der  Abstand  der  westlichen 
Säule  von  ihrer  Ante  genommen  werden  darf,  weil  letztere  sich  wegen 
ihrer  grösseren  Breite  anders  zum  Triglyphenfriese  verhält,  als  die  östliche 
Ante,  welche  genau  die  Breite  einer  Triglyphe  hat. 


44  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

stehen  sollte,  von  der  Aussenkante  der  Nordwand  auf  dasselbe 
Maass  (0,50™)  bestimmt  haben,  so  ergiebt  sich  das  wichtige 
Resultat,  dass  diese  Säule  mit  der  zwei  ten  Sau  le  der  West- 
wand identisch  ist.  Diese  üebereinstimmung  der  Zahlen  ist 
der  denkbar  sicherste  Beweis  für  die  Richtigkeit  unserer  bis- 
herigen Schlüsse. 

Die  Westfront  des  S.  W.  Flügels  zeigt  also  bis  jetzt  links 
einen  von  zwei  schmalen  Anten  eingefassten  Pfeiler  und  wei- 
ter rechts  noch  zwei  Säulen.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  eine 
so  unregelmässige  Front  nicht  von  Mnesikles  projectirt  sein 
kann,  sondern  dass  er  die  Wand  auch  rechts  mit  einer  Ante 
abgeschlossen  haben  wird.  Wie  viele  Säulen  waren  aber  zwi- 
schen den  beiden  Anten  ansreordnet?  Auch  hier  führt  uns  ein 
einfaches  Rechenexempel  zu  einem  sicheren  Ziel.  Nehmen 
wir  nämlich  an,  dass  die  ganze  Westfront  ausser  den  beiden 
breiten  Eckpfeilern  noch  4  Säulen  gehabt  habe,  so  berechnet 
sich  die  ganze  Breite  auf  1 ,76+2, -32+2, 50+2, 50+2, 50  + 
2,32+1,76"'=  15,66"".  Das  ist  aber  nach  dem  Bohnschen 
Plane  ganz  genau  das  Breitenmass  der  Pinakothek  (15,64™). 
Was  man  also  schon  von  vorne  herein  hätte  annehmen  kön- 
nen, dass  nämlich  der  S.  W.  Flügel  im  Projecte  genau  so 
breit  und  tief  war  als  der  N.  W.  Flügel,  das  wird  durch 
unsere  Berechnung;  aufs  beste  bestätiot. Wie  sich  hiernach  die 
projectirte  Westfront  des  S.  W.  Flügels  gestaltet,  habe  ich 
auf  Tafel  II  im  Grundriss  mit  rother  Schraffirnng  und  auf 
Tafel  III  im  Aufriss  dargestellt.  An  den  südlichen  Pfeiler 
sollte  sich  jedenfalls  eine  undurchbrochene  Siidwand  an- 
schliessen,  welche  der  Nordvvand  der  Pinakothek  entsprach. 

Der  Standplatz  des  projectirten  S.  W.  Pfeilers  liegt  zwar, 
wie  man  auf  dem  Grundriss  erkennt,  etwas  ausserhalb  der 
Burgmauer,  allein  der  Burgfels  springt  an  jener  Stelle  so  weit 
vor,  dass  der  Fundamentirung  des  Pfeilers  keinerlei  Schwie- 
rigkeiten entgegenstanden.  Wir  dürfen  sogar  den  Umstand, 
dass  der  Bauplatz  der  Propyläen  gerade  die  p]rrichtung  zweier 
gleich  grosser  Flügelbauten  erlaubt,  als  eine  willkommene 
Bestätigung   unserer   Beweisführung  ansehen.  Die  jetzt  vor- 


DIE  PROPYLAEEN   DER   AKROPOLIS  VON   ATHEN  45 

handene  Südwand  war,  wie  wir  spälcr  sehen  werden,  im 
Ui'spriinglichen  Projecte  jedenfalls  nicht  vorgesehen,  sondern 
der  ganze  S.  VV  Flügel  sollte  einen  einzigen,  nngelheillen 
Raum  hilden,  der  sich  nacii  i\.  mit  1  Inlercolumnien  zum 
Miltelhau  der  Propyläen,  nach  VV.  mit.  5  Inteccolnmnien  zum 
Nikepyrgos  öff'nele.  Eine  vollständige  Symmetrie  der  heiden 
westlichen  Flügelbanten,  wie  sie  sich  am  meisten  empfahl, 
konnte  der  Archilect  nicht  erreichen,  weil  durcii  den  S.  VV. 
Flügel  ein  Zugang  zum  Tleiligthiim  der  Athena  Nike  gesrliaf- 
fen,  also  die  VV^estwand  durchbrochen  werden  mussle,  wäh- 
rend die  Westwand  der  Pinakothek  wegen  des  steilen  Felsen- 
abhanges geschlossen  war.  Und  doch  wollte  er  beide  Flügel 
wenigstens  möglichst  orleichmässis  machen.  Deshali)  erhielt 
die  Pinakothek  an  ihrer  VV-'estseite  genau  dasselbe  Gebälk,  wie 
der  S.  VV.  Flügel,  obwohl  nach  den  Kegeln  des  dorischen 
Stiles  auf  der  geschlossenen  W.Wand  kein  besonderer  Archi- 
trav  zu  liegen  brauchte;  deshalb  wurde  an  der  S.  VV.  Ecke 
der  Pinakothek  auch  eine  Ante  Eingeordnet  obwohl  bei  gleich- 
zeitigen oder  älteren  dorischen  Bauten  eine  gewöhnliche  Mau- 
erecke niemals  eine  Ante  zeigt.  Auch  der  Umstand,  dass  für 
die  beiden  Eckpfeiler  an  der  Westwand  des  S.  W.  Flügels 
keine  einfachen  Parastaden,  sondern  wirkliche  Mauerstücke 
mit  je  zwei  schmalen  Anten  gewählt  worden  sind,  bezeugt 
uns  den  Wunsch  des  Architekten,  die  beiden  Flügelbaulen 
nach  Möglichkeit  symmetrisch  zu  gestalten. 

Haben  wir  somit  erwiesen,  welche  Form  der  S-  W.  Flügel 
im  ursprünglichen  Project  des  Mnesikles  hatte,  so  fragt  es 
sich  weiter,  welche  Gründe  den  Architekten  zu  der  lleduction 
seines  Planes  gezwungen  haben.  Bei  Ausführung  des  ganzen 
S.  W.  Flügels  hätten  von  zwei  verschiedenen  älteren  Meilig- 
thümern,  dem  Bezirke  der  Artemis  Brauronia  und  demjeni- 
gen der  Athena  Nike,  Stücke  abgeschnitten  werden  müssen. 
Die  Priester  haben  sich  gewiss,  so  bald  Mnesikles  sein  Pro- 
ject öffentlich  bekannt  gab,  dieser  Verkleinerung  der  Bezirke 
widersetzt  und  auf  eine  Abänderung  des  Entwurfes  gedrun- 
gen. Dass  sie  ihren  Willen  durchgesetzt  haben,  zeigt  uns  die 


46  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

jetzii^e  Gestalt  des  Flügels,  denn  wegen  der  brauronischen 
Terrasse  ist  die  Südwand  weiter  nach  N.  und  wegen  des  Be- 
zirkes oder  Altares  der  Athena  Nike  die  westliche  Wand  mehr 
nach  0.  verlegt  worden.  Aber  Perikles  und  sein  Architekt 
haben  trotzdem  ihr  Project  nicht  aufgegeben.  Obwohl  nach- 
weisbar schon  vor  dem  Beginne  des  Baues  die  Keductionen 
ansjeordnet  und  eingetreten  sind,  hat  der  Architekt  doch  nicht 
für  den  verringerten  Bauplatz  einen  ganz  neuen  Entwurf  aus- 
gearbeitet, sondern  hat  den  alten,  durch  die  Reduction  ent- 
stellten Plan  beibehalten,  in  der  Hoffnung,  dass  in  näherer 
oder  fernerer  Zukunft  die  vorhandenen  Schwierigkeiten  geho- 
ben,und  dann  das  grosse  Project  in  seiner  ganzen  Ausdehnung 
zur  Ausführung  kommen  würde.  Nur  unter  dieser  Voraus- 
setzung ist,  wie  wir  sehen  werden,  die  eigenthümliche  Ge- 
stalt des  S.  VV.  Flügels  zu  erklären.  Das  Vorhandensein  der 
grossen  pelasgischen  Festungsmauer,  welche  zugleich  die 
Grenzmauer  des  Bezirkes  der  Artemis  Brauronia  bildete, machte 
die  Erbauung  der  projectirten  Südwand  unmöglich.  Es  hätte 
nun  nahe  gelegen, dem  S.W.  Flügel  dieselbe  Tiefe  zu  geben  wie 
der  Vorhalle  der  Pinakothek.  Dies  geschah  aber  nicht,sondern 
die  Wand  wurde  genau  in  die  Axe  der  zweiten  Säule  der  pro- 
jectirten Westwand  gelegt  und  mit  einer  Ante  abgeschlossen, 
welche  auf  diese  Säule  Rücksicht  nimmt.  Der  Architekt  hoffte 
also  die  Erlaubniss  zur  Erbauung  der  Westwand  mit  ihren  4 
Säulen  und  2  Pfeilern  noch  nachträglich  zu  erhalten,  und 
dann  würde  die  provisorische  Südwand  in  organischem  Zu- 
sammenhang mit  dieser  Säulenstellung  gestanden  haben. 
Diese  Hoffnung  hat  sich  aber  weder  während  des  Baues  noch 
später  jemals  erfüllt,  und  so  hat  denn  der  S.  W.  Flügel  bis 
zu  seiner  Zerstörung  die  seltsame  Form  behalten  müssen,  die 
anfänglich  nur  ein  Provisorium  sein  sollte. 

Ich  habe  die  Frage  nach  dem  Alter  des  Niketempels  und 
des  Nikepyrgos  hierbei  unberührt  gelassen,  weil  sie  für  unser 
Thema  irrelevant  ist.  indem  ich  mir  vorbehalte,  in  einem  an- 
deren Aufsatze  auf  dieselbe  zurückzukommen,  bespreche  ich 
hier  nur  einen  Punkt,  der  für  unsern  Gegenstand  von  Wich- 


DIE    PROPYLAEEN    DKH    AKItOPOLIS   VON   ATHEN  47 

ligkeit  ist.  Julius  und  Bolin  nehmen  an,  dass  während  des 
Baues  der  Propyläen  der  Beschluss  zur  iM-nclilunii  des  Nike- 
tempels gefasst,  und  durch  diesen  Beschluss  die  IManvtMÜn- 
derung  des  südwestlichen  Prop) lüenllügels  herheigelührt  wor- 
den sei.  Aus  der  obigen  Darstellung  geht  schon  hervor,  dass 
ich  diese  Annahme  nicht  tur  richtig  halle.  Da  ihatsächlich  in 
den  untersten  Fundamenten  des  S.  VV.  Flügels  die  Re- 
duction  schon  eingetreten  ist,  so  kann  sie  nicht  erst  w  iili- 
rend  des  Baues,  sondern  muss  schon  vor  Beginn  dessel- 
ben vorgenommen  worden  sein.  Hierbei  ist  es  vollständig 
gleichgültig, ob  der  jetzige  Niketempel  damals  schon  existirte, 
oder  ob  ein  älterer  Tempel  oder  ein  Altar  an  seiner  Stelle 
stand.  Irgend  ein  Heiligthum  hat  jedenfalls  schon  vor  Erbau- 
ung der  Propyläen  auf  dem  Nikepyrgos  gestanden,  sonst 
würde  ja  die  Anordnung  von  Intercolumnien  in  der  West- 
wand des  S.  VV.  Flügels  schwer  verständlich  sein. 

Ausser  den  beiden  westlichen  Flüe;elbauten  sollten  auch  im 
Osten,  also  im  Innern  der  Akropolis  zwei  Flügel  und  zwar 
zwei  grosse  Hallen  errichtet  werden.  Die  Merkmale,  welche 
diese  Absicht  des  Mnesikles  erkennen  lassen,  sind  schon  viel- 
fach erkannt,  aber  erst  von  Robert  und  Thür  (Kydathen  S. 
190)  und  später  von  Bohn  (Propyläen  S.  31)  eingehend  ge- 
würdigt worden.  Betrachten  wir  zunächst  den  N.  0.  Flügel. 
Unmittelbar  neben  der  grossen  N.  0.  Ante  des  Mittelbaues 
der  Propyläen  springt  nach  N.  ein  schmaler  Pfeiler  vor,  wel- 
cher deutlich  als  Ante  charakterisirt  ist  und  zwar  als  eine 
solche,  welche  einen  von  N.  kommenden  Architrav  aufneh- 
men sollte.  In  der  Verlängerung  des  Pfeilers  war  also  eine 
Säulenstellung  projectirt.  Obgleich  weder  von  diesen  Säulen 
noch  von  ihrem  Stylobate  jemals  irgend  ein  Stück  fertig  ge- 
worden ist,  genügt  doch  allein  der  antenförmige  Pfeiler,  um 
die  Existenz  einer  grossen  N-  0.  Säulenhalle  im  Projecte  des 
Mnesikles  zu  erweisen.  Man  hat  allerdings  den  Pfeiler  auch 
in  andrer  Weise  erklärt;  man  glaubte,  dass  er  bis  ans  Haupl- 
gesimse  des  Mittelbaues  habe  hinaufgeführt  werden  sollen, 
damit  sich  an  ihm  die  in  verschiedenen  Höhen  liegenden  Ge- 


48  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

simse  des  Mittelbaues  lodt  laufen  könnten.  Allein  diese  Er- 
kläruno;  könnte  nur  dann  Anspruch  auf  Richtigkeit  machen, 
wenn  der  Pfeiler  erstens  grade  in  der  Verlängerung  der  Fünf- 
thorwand  stände,  denn  hier  stossen  die  Gesimse  der  beiden 
Theile  des  Mittelbaues  in  hässlicher  Weise  zusammen,  und 
wenn  er  zweitens  nicht  im  Grundriss  unabweislich  als  Ante 
charakterisirt  wäre. 

Für  die  Existenz  einer  grossen  N.  ü.  Halle  spricht  aber 
weiter  noch  der  Umstand,  dass  die  Süd-  und  VVestwand  die- 
ser Halle  an  ihrer  Innenseite  mit  einem  Gesimse  versehen 
sind, wie  es  nur  bei  Innenräumen  vorkommt,  und  wie  es  auch 
die  beiden  westlichen  Flügelbauten  der  Propyläen  im  Innern 
besitzen.  Da  dieses  Gesimse  sich  an  der  ganzen  Westwand, 
selbst  an  dem  über  die  Pinakothek  nach  N.  vorspringenden 
Stück  befindet,  so  ist  dargethan,  dass  die  Säulenhalle  sich 
nach  N.  über  die  Pinakothek  hinaus  erstrecken  sollte.  Der 
jetzige  nördliche  Abschluss  der  VVestwand  ist  wie  sich  nach- 
weisen lässt,  ein  provisorischer;  nach  dem  ursprünglichen 
Entwürfe  sollte  sich  diese  Wand  noch  weiter  nach  Norden 
ausdehnen,  denn  ihre  Fundamente  reichen  noch  jetzt  bis  un- 
mittelbar an  die  Burgmauer  heran-  Die  nördliche  Grenze  der 
N.  0.  Halle  sollte  also,  ebenso  wie  bei  der  Pinakothek,  von 
dem  Rande  des  Burgfelsens  gebildet  werden.  Dies  wird  be- 
stätigt durch  die  projectirte  S.  0.  Halle;  dieselbe  erhielt, 
wenn  sie  ebenfalls  bis  zum  Rande  des  Burgfelsens  reich- 
te, grade  dieselbe  Länge  wie  die  N.  0.  Halle,  weil,  wie  man 
auf  Tafel  H  erkennen  kann,  die  Entfernung  vom  Mittelbau 
bis  zur  Burgmauer  im  Süden  und  Norden  gleich  gross  ist. 
Die  Axe  der  Propyläen  ist  also  so  gelegt  worden,  dass  an  bei- 
den Seiten  des  Mittelbaues  Säulenhallen  von  gleicher  Länge 
erbaut  werden  konnten.  Die  Länge  einer  jeden  Stoa  lässt  sich 
hiernach  auf  rund  23™  bestimmen. 

Wieviele  Säulen  werden  an  der  Ostfront  einer  jeden  dieser 
grossen  Hallen  gestanden  haben?  Um  diese  Frage  beantwor- 
ten zu  können,  müssen  wir  zunächst  die  Axweite  der  Säulen 
bestimmen.  Das   einzige  sichere  Mittel  hierzu  bieten  uns    die 


DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN  49 

Dimensionen  der  wirklich  ausgeführten  Ante.  Bei  dem  Mittel- 
bau und  bei  den  vvesllichen  Flügeln  stehen  nämlich  die  Ab- 
messungen der  Anten  in  einem  bestimmten  Veriiältniss  zur 
Axweite  der  Säulen.  So  ist  bei  beiden  Bauten  die  Axweite  der 
Säulen  (3,G3  resp.  2,51'°)  ziemlich  genau  das  2  7-2  fliehe  der 
Anlenbreite  (1,43  resp.  1,01'"]  und  das  0,il  resp.  0,43  fache 
der  Antenhöhe  (8,85  resp. 5, 85"').  Da  nun  die  zur  Ausführung 
gelangte  Ante  eine  Breite  von  0,87'"  hat,  und  ihre  Höhe, wenn 
wir  ausser  den  erhaltenen  Quaderschichten  noch  eine  Schicht 
fürs  Kapitell  rechnen,  circa  5,40'"  beträgt,  so  berechnet  sich 
hieraus  nach  obigen  Verhältnisszahlen  die  Axweite  auf  2,18- 
2,32'",  wofür  wir  im  Mittel  2,25"^  nehmen  dürfen.  Bei  Zu- 
grundelegung dieser  Zahl  können  an  der  Front  der  Halle  ge- 
rade 9  Säulen  angesetzt  werden. 

Noch  eine  andre  Art  von  Merkmalen,  welche  schlagend  für 
die  Existenz  einer  grossen  N.  0.  Halle  im  Entwürfe  des  Mne- 
sikles  spricht,  lässt  sich  anführen,  nämlich  die  für  die  Holz- 
construction  des  Daches  bestimmten  Löcher.  Erstens  befin- 
det sich  an  der  Südwand,  genau  in  der  Mitte  zwischen  Vor- 
der- und  Rückwand  der  Halle,  etwa  0,84'"  über  dem  oberen 
Wandgesimse,  ein  grosses  Loch  von  0,76'"  Breite,  0,64'"  Höhe 
und  0,38™  Tiefe,  welches  unzweifelhaft  eine  mächtige  höl- 
zerne Firslpfette  aufnehmen  solltet  Von  dieser  Pfette,  welche 
fast  dieselben  Abmessungen  wie  die  als  Pfetten  dienenden 
Epistylia  in  der  Skeuothek  des  Philon  hatten,  sollte  das  Dach 
nach  beiden  Seiten,  d.  h.  nach  VV.  und  0.,  in  gleichmässi- 
ger  Neigung  abfallen  und  über  der  nördlichen  Schlussw^and 
wahrscheinlich  in  einem  Giebel  endigen. 

Zweitens  erkennt  man  an  der  Westwand  unmittelbar  über 
dem  Wandgesimse  eine  Reihe  grosser  Löcher,  welche  in  Ab- 
ständen von  0.61"'  liegen  und  0,61'"  breit,  0,49"  hoch  und 
0,36""   tief  sind ;    sie    waren    entweder  zur   Aufnahme    von 


'  Durch  die  Existenz  dieser  Firstpfette  wird  Bohii's  Annahme  wider- 
legt, dass  in  dieser  Ecke  ein  olfener  Huf  mit  einer  ringsherum  laufenden 
Halle  projectirt  sei. 

t 


MITTH.  D.  ARCH.   KNST.  X. 


tO  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

horizontalen  Balken  oder  von  schrägen  Sparren  bestimmt. 
Bei  der  grossen  Tiefe  der  Halle  (  12,90'"  im  Lichten)  ist  die 
Annahme,  dass  horizontale  Balken  ohne  mittlere  Unter- 
stützung von  der  Vorderwand  bis  zur  Rückwand  hätten  rei- 
chen  sollen,  so  gut  wie  ausgeschlossen.  Eine  horizontale  Decke 
liess  sich  nur  so  construiren,  dass  entweder  ein  starker  Trä- 
ger quer  unter  den  Balken  lag  und  dieselben  in  der  Mitte  un- 
terstützte, oder  dass  die  Balken  an  einem  über  ihnen  liegen- 
den Träger  aufgehängt  waren.  Die  erstere  Lösung,  welche  die 
einfachere  gewesen  wäre,  kann  nicht  beabsichtigt  gewesen 
sein,  weil  an  der  Südwand  der  Halle  kein  Loch  zur  Aufnahme 
eines  Unterzuges  vorhanden  ist.  Bei  der  zweiten  Construction 
konnte  die  gewaltige  Firstpfette,  deren  Existenz  gesichert  ist, 
als  Träger  dienen,  an  welchem  die  Deckbalken  mit  Eisen 
aufgehängt  werden  sollten  (vergl.  die  xepyaSs?  in  der  Skeuo- 
thek  des  Philon).  Eine  solche  Decke  setzte  natürlich  Innen- 
säulen voraus,  welche  die  Firstpfette  oder  einige  der  Balken 
unterstützten.  Diese  Construction  habe  ich  auf  Tafel  III  Figur 
3  gezeichnet  wo  zwischen  der  Firstpfette  und  den  Deckbal- 
ken noch  ein  besonderes  Zwischenholz  angeordnet  ist.  Die 
Aussensäulen  müssen  in  diesem  Falle  um  eine  Quadratschicht 
(0,49™)  höher  sein,  als  wir  oben  angenommen  haben. 

Es  ist  noch  eine  andre  Dachconstruction  möglich,  nämlich 
eine  solche  ohne  horizontale  Balken.  Auf  Tafel  HI  ist  sie  in  dem 
Querschnitt  (Fig. 2)  durch  punctirte  Linien  angegeben.  Sie  war 
eine  sehr  einfache.  Eine  hölzerne  Firstpfette  von  0,76""  Breite 
und  0,64'° Höhe, weichein  das  beschriebene  Loch  der  Südwand 
eingriff,  reichte  von  der  Mitte  der  S.Wand  bis  zur  N.Wand;  sie 
musstevon  mehreren  schlanken  Säulen  unterstützt  werden,  weil 
sie  sich  auf  eine  Distanz  von  23""  nicht  freitragen  konnte. Von 
dieser  Pfette  reichten  stehende  Sparren  ((7(pr,/.i<7/toi)  nach  W.bis 
zur  Rückwand  und  nach  O.bis  zur  Vorderwand. Die  Breite  der- 
selben sollte  nach  den  Dimensionen  der  vorhandenen  Löcher 
0,61'"  und  ihre  Distanz  von  Mitte  zu  Mitte  1,22'"  betragen. 
Ihre  projectirte  Höhe  lässt  sich  nicht  ermitteln,  kann  aber  bei 
der  grossen  Spannweite  nicht  gut  kleiner  als  0,25'"  gewesen 


Die  propylaeen  der  akropolis  von  athen  54 

sein,  üeber  den  Sparren  sollten  jedenfalls  Qiierli(")lzer  (l[x«vTei;) 
parallel  zur  Firslpfelte  und  über  diesen  Deckbretter  (x.ocT.ufx- 
[jt.aTa)  parallel  zu  den  (jr^fiyday.oi  Hetzen. 

Dass  eine  solche  Anordnung;  des  Daches  wahrscbeinlich 
die  beabsichtigte  war,  dafür  liefert  einen  ziemlich  siche- 
ren Beweis  die  Abschräüunü-  der  an  der  nördlichen  Aussen- 
vsand  des  Mittelbaues  vorhandenen  Auskragung.  Der  Zweck 
dieser  Auskragung  ist  schon  von  Thür  und  Bohn  richtig  er- 
kannt worden:  die  Erbreiterung  der  iN.Wand  des  Mittelbaues 
sollte  nicht  im  Inneren  der  N.  0.  Halle  sichtbar  sein  und  da- 
her musste  sie  gerade  da  stattlinden,  wo  sie  vom  Dache  der 
Säulenhalle  verdeckt  war.  Bei  unserer  Reconstruction  trifTt 
nun  die  "  consolartige  "  Abschrägung  der  vorgekragten  Ecke 
genau  mit  der  Oberkante  des  Sparrens  überein,  in  der  Weise, 
dass  der  unmittelbar  an  der  Wand  liegende  Sparren  gerade 
unter  der  schrägen  Quader  liegt  und  diese  für  den  im  Inne- 
ren der  Halle  Stehenden  verdeckt.  Die  Abschrägung  der  aus- 
gekragten Ecke  giebt  also  genau  die  Dachneigung  und  zwar 
speziell  die  Lage  des  Sparrens  an.  Dass  sie  übrigens  keine 
zwecklose  Anarbeitung  ist,  w  ird  durch  das  Vorkommen  einer 
ganz  gleichen  Abschrägung  in  der  projectirten  S.  0.  Halle 
zur  Genüge  erwiesen.  Bei  der  zuerst  erwähnten  Dachcon- 
sti'uction  (Tafel  III,  Figur  3)  trifft  die  Abschrägung  des  vor- 
gekragten Steines  mit  der  ünterkante  des  Sparrens  überein, 
es  kann  daher  in  diesem  Falle  unmittelbar  an  der  Südwand  un- 
möglich ein  Sparren  gelegen  haben,  was  mit  den  an  der  West- 
wand vorhandenen  Löchern  nicht  in  Einklang  zu  brin- 
gen ist. 

Beide  Lösungen  des  Daches  bieten  noch  eine  andre  Schwie- 
rigkeit. Das  Tranfgesimse  der  Westwand  kann  bei  ihnen 
nicht  in  der  Höhe  des  östlichen  Traufgesimses  gelegen  haben, 
weil  in  derjenigen  Höhe,  wo  über  den  östlichen  Säulen  das 
Gesimse  liegt,  in  der  Westwand  noch  eine  resp.  zwei  glatte 
Quaderschichten  erhalten  sind. Wie  diese  Schwierigkeit  über- 
wunden werden  sollte  weiss  ich  nicht.  Man  könnte  an  ein  nach 
W.  ansteigendes  Pulldach  an  Stelle  des  Satteldaches  denken, 


%i  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

wenn  nicht  der  über  der  S.  W.  Ecke  der  Halle  vorhandene 
Triglyph  des  Mittelbaues  einer  solchen  Annahme  widersprä- 
che. Die  Form  eines  solchen  Pultdaches  ist  in  Figur  3  auf 
Tafel  II i  durch  punktirte  Linien  angegeben. 

Zur  Unterstützung  der  grossen  Pfette  mussten  jedenfalls 
in  der  Mitte  der  Halle  Säulen  aufgestellt  werden,  wel- 
che vom  Fussboden  bis  zur  Pfette  hinaufreichen  sollten.  Ir- 
gend welche  Spuren  solcher  Säulen  oder  Fundamente  der- 
selben haben  sich  nicht  gefunden.  Auf  Tafel  11  habe  ich  des- 
halb die  4  Innensäulen,  welche  ich  jeder  Halle  gegeben 
habe,  nur  durch  punktirte  Kreise  bezeichnet.  Die  Zahl  der- 
selben ergab  sich  aus  der  bei  anderen  Säulenhallen  beob- 
achteten Thatsache ,  dass  die  Innensäulen  gewöhnlich  die 
doppelte  Axweite  der  äusseren  haben,  ihre  Höhe  ist  na- 
mentlich bei  dem  Dache  ohne  horizontale  Balken  auffallend 
gross  im  Verhältniss  zu  derjenigen  der  Aussensäulen ;  da  sie 
jedoch  sicherlich  jonisch  oder  korinthisch  sein  sollten,  wäh- 
rend für  die  letzteren  unzweifelhaft  der  dorische  Stil  vorge- 
sehen war,  so  konnten  ihre  Durchmesser  noch  kleiner  sein 
als  die  der  Aussensäulen.  Auch  erreicht  ihre  Höhe  (c.  8,25'°) 
noch  lange  nicht  das  Maass  der  jonischen  Säulen  in  der  Mit- 
telhalle (10,30™). 

lieber  die  Fussbodenhöhe  habe  ich  noch  einige  Worte  hin- 
zuzufügen. Wie  dt^r  Querschnitt  auf  Tafel  III  zeigt,  liegen  der 
Stylobat  und  die  Orthostaten  der  zur  Ausführung  gelangten 
S.  0.  Parastas  der  Halle  mit  den  entsprechenden  Schichten 
der  daneben  stehenden  grossen  Ante  des  Mittelbaues  in  glei- 
cher Höhe.  An  der  südlichen  und  westlichen  Innenwand  der 
Stoa  reichen  dagegen  die  Orthostaten  um  fast  1'"  tiefer  herab. 
Trotzdem  braucht  der  Fussboden  der  Halle  nicht  tiefer  als  ihr 
östlicher  Stylobat  gelegen  zu  haben,  denn  die  grosse  Tiefe  der 
Orthostaten  ist  lediglich  dadurch  veranlasst,  dass  die  beiden 
Mauern  an  der  Aussenseite  (in  der  vorderen  Mittelhalle  und 
in  der  Pinakothek)  ihre  Orthostaten  gerade  in  solcher  Höhe 
haben  mussten.  Ein  ähnlicher  Fall  kommt  bei  der  N.  Wand 
des  Erechtheion  vor.  Wie  nehmen  daher  an,  dass  der  Fuss- 


DIE  PROPYLAEEN   DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN  53 

boden  der  N.  0.  Halle  genau  in  der  Höhe  ihres  östlichen  Sty- 
lobatos  liefj;en  sollte. 

Von  der  projectirten  grossen  nordöstlichen  Säulenhalle  wis- 
sen wir  also,  dass  sie  12,90™  tief  und  c.  23'"  lang  war,  dass 
an  ihrer  Ostseite  0  dorische  Säulen  und  2  Anten  und  im  In- 
neren vermulhlich  4  jonische  Säulen  standen,  und  dass  der 
ganze  Bau  mit  einem  hölzernen  Dach  überdeckt  war.  Aber  diese 
geräumige  Stoa,  in  welcher  mehrere  hundert  Menschen  Platz 
gefunden  hätten,  ist  nie  zur  Ausführung  gelangt.  Denn  ob- 
wohl ihre  S.  0.  Parastas,  die  Löcher  für  Firstpfette  und  Spar- 
ren, das  innere  Deckengesimse  und  die  consolartige  Abschrä- 
gung an  der  Südwand  schon  ausgeführt  waren  und  noch  jetzt 
vorhanden  sind,  so  hat  doch  nachweislich  weder  der  östliche 
Stylobat  noch  die  nördliche  Wand  jemals  bestanden.  Ob  für 
die  Innensäulen  schon  einzelne  Fundamentpfeiler  hergestellt 
waren,  lässt  sich  nicht  bestimmen,  da  sie  bei  Erbauung  der 
grossen  Cisterne,  welche  jetzt  diese  Ecke  der  Propyläen  ein- 
nimmt, zerstört  worden  sein  können. 

Weshalb  hat  man  aber  diese  grosse  Säulenhalle,  die  ein 
prächtiger  Schmuck  der  Akropolis  gewesen  wäre,  nicht  aus- 
geführt? Ist  es  auch  hier  irgend  ein  Heiligthum  gewesen,  des- 
sen Einschränkung  dem  Architekten  nicht  erlaubt  wurde,  oder 
hat  der  Ausbruch  des  peloponnesischen  Krieges  und  der  da- 
mals eingetretene  Geldmangel  dem  Architekten  Halt  geboten? 
Möglicher  Weise  haben  hier  ähnliche  Hinderungsgründe  vor- 
gelegen, wie  beim  S.  W.  Flügel^  denn  durch  die  neuesten 
Ausgrabungen  sind  die  starken  Fundamente  eines  antiken  Ge- 
bäudes zum  Vorschein  gekommen^  welches  in  den  Bauplatz 
der  N.  0.  Halle  hineinreicht  und  daher  bei  einer  wirklichen 
Ausführung  des  ganzen  Projectes  hätte  zerstört  werden  müs- 
sen (vergl.  Tafel  II  links  oben).  Allein  der  jetzige  Thatbe- 
stand  an  der  im  S.  O.  projectirten  zweiten  Halle  weist,  wie 
wir  sehen  werden,  darauf  hin,  dass  die  Erbauung  der  nörd- 
lichen Säulenhalle  lediglich  durch  den  Ausbruch  des  grossen 
Krieges  verhindert  worden  ist. 

Dass   südlich  vom   Mittelbau   eine  der  N.  0.  Halle   ganz 


54  DIE   PROPYLAEEN  DER   AKROPOLIS   VON  ATHEN 

gleiche  Stoa  errichtet  werden  sollte,  haben  wir  früher  schon 
erwähnt.  Die  Existenz  ihrer  nordöstlichen  Parastas  und  der 
consolartigen  Abschrägung  an  der  Südwand  des  Mittelbaues 
beweist  dies  zur  Genüge  (vergl.  die  Zeichnung  von  Thür  bei 
Robert,  Kydathen).  Das  innere  Deckengesimse  und  die  Löcher 
für  Firstpfette  und  Sparren,  welche  wir  in  der  N.  0.  Halle 
fanden,  fehlen  aber  hier  vollständig.  Dürfen  wir  etwa  hier- 
aus schliessen,  dass  im  S.  0.  überhaupt  keine  Halle  projec- 
tirt  war,  und  dass  die  vorspringende  Parastas  nur  der  Sym- 
metrie halber  hergestellt  war?  Keineswegs.  Vielmehr  lehrt 
uns  dieser  Thatbestand  nur,  dass  die  S.  0.  Halle  früher 
aus  dem  Bauprogramm  gestrichen  ist  als  die  N.  0.  Halle. 
Und  der  Grund  hierfür  liegt  ja  klar  zu  Tage.  Durch  die  Er- 
bauung der  S.  0.  Halle  wäre  die  Terrasse  der  brauronischen 
Artemis  mindestens  auf  die  Hälfte  ihrer  jetzigen  Ausdehnung 
einofeschränkt  worden.  Gegen  eine  solche  Absicht  hat  natür- 
lieh  die  Priesterschaft  energisch  prolestirt  und  zwar,  wie  wir 
sehen,  mit  Erfolg.  Bei  Beginn  des  Baues  hat  der  Architekt 
noch  gehofft,  er  werde  trotz  des  Einspruches  der  Priesterschaft 
die  S.  0.  Halle  nachträglich  noch  ausführen  können;  dess- 
halb  Hess  er  die  Parastas  errichten,  um  bei  einer  späteren 
Hinzufügung  der  Halle  keine  technischen  Schwierigkeiten  zu 
haben.  Als  aber  der  Bau  der  Propyläen  bis  zur  halben  Höhe 
gediehen  war,  erkannte  er  die  Nichtigkeit  seiner  Hoffnungen 
und  entfernte  sowohl  das  innere  VVandgesimse  wie  die  ßal- 
kenlöcher  aus  den  Bauplänen  der  S.  0.  Halle.  Die  nördliche 
Stoa  glaubte  er  damals  noch  fertigstellen  zu  können,  denn 
hier  Hess  er  nicht  nur  das  ganze  Gesimse  anbringen,  sondern 
auch  schon  die  Löcher  für  die  Hölzer  des  Daches  aussparen. 
Dieser  Unterschied  zwischen  der  südlichen  und  nördlichen 
Säulenhalle  berechtigt  uns  zu  der  Annahme,  dass  es  ganz  ver- 
schiedene Momente  waren,  welche  den  Bau  der  beiden  Säu- 
lenhallen verhindert  haben;  bei  der  südlichen  wird  es  der 
Einspruch  der  Priesterschaft,  bei  der  nördlichen  der  Beginn 
des  peloponnesischen  Krieges  gewesen  sein- 


DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN  55 

Fassen  wir  zum  Schlüsse  die  Ergebnisse  unserer  Untersu- 
chung kurz  zusammen:  Der  Plan  des  Mnesikles  zu  einem 
Festthore  der  Akropolis  war  bei  weitem  umfangreicher  als  die 
wirklich  ausgeführten  Propyläen,  deren  Ruinen  erhalten  sind. 
Zu  beiden  Seiten  des  grossen  Mittelbaues,  welcher  die  fünf 
Thore  enthält,  sollten  im  Inneren  der  Burg  geräumige,  bis 
an  die  Burgmauern  reichende  Säulenhallen  erbaut  werden, 
und  im  Westen  waren  zwei  vorspringende  Flügelbauten  von 
gleicher  Grösse  projectirt.  Der  Zweck  der  einzelnen  Bauten 
ist  nicht  sicher  zu  bestimmen;  wahrscheinlich  sollten  sie  alle 
als  offene  Hallen  dienen,  in  denen  das  Volk  gegen  Sonnen- 
schein, Regen  und  Wind  Schutz  finden  konnte.  Der  S.  W. 
Flügel  wurde  ausserdem  als  Durchgang  zum  Heiligthume  der 
Athena  Nike  benutzt. 

Das  grossartige  Project  war  ohne  jede  Rücksichtnahme  auf 
ältere  Bauten  oder  heilige  Bezirke,  ausschliesslich  nach  künst- 
lerischen Gesichtspunkten  entworfen.  Das  neue  Festthor  sollte 
ein  dem  Parthenon  ebenbürtiges  Bauwerk  werden  und  die 
ganze  Westseite  der  Burg  einnehmen.  Vor  Beginn  des  Baues 
wird  wohl  ein  heftiger  Kampf  entbrannt  sein  zwischen  Peri- 
kles,  der  gewiss  das  Project  seines  Architekten  eifrig  durch- 
zusetzen suchte,  und  der  Priesterschaft, welche  die  Einschrän- 
kung oder  Vernichtung  der  Heiligthümer  nicht  zulassen 
wolltet  Perikles  und  Mnesikles  unterlagen  zwar  in  diesem 
Kampfe,  denn  das  Project  ist  reducirt  und  den  bestehenden 
Heiligthümern  angepasst  worden;  allein  sie  Hessen  den  ein- 
mal gefassten  Plan  doch  nicht  ganz  fahren,  sondern  richteten 
den  Bau  so  ein,  dass  die  abgeschnittenen  Theile  später  leicht 
hinzugefügt  werden  konnten.  Der  Bau  war  noch  nicht  ganz 
fertig,  als  sich  der  peloponnesische  Krieg  am  Horizonte  zeig- 
te. Schnell   mussten  die  angefangenen  Theile   vollendet   und 


<  Ob  die  Inschrift  aus  Eleusis  über  die  neue  Abgrenzung  der  Heiligthü- 
mer im  Pelasgikon  mit  diesem  Kampfe  in  Verbindung  gebracht  werden 
kann  (Kekulö,  Balustr.  d.  Ath.  Nike,  S.25  und  Löschke,  Dorp.  Progr.  1883, 
S.  19),  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden. 


56  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

weitere  Reductionen  vorgenommen  werden.  Der  Ausbruch 
des  traurigen  Krieges  setzte  den  Arbeiten  am  Bau  für  immer 
ein  Ende.  Gewiss  hoffte  der  Architekt,  in  besseren  Zeiten 
seinen  Plan  noch  vollenden  zu  können;  allein  diese  Hoffnung 
hat  sich  nicht  erfüllt.  Bis  zu  ihrer  Zerstörung  sind  die  Pro- 
pyläen unvollendet  geblieben. 

WILH.  DOERPFELD. 


Zu  C.  1.  A.   11,   141. 

Vor  kurzem  ist  ein  zweites  Fragment  der  Inschrift  C.  I.  A. 
II,  141  zu  meiner  Kenntniss  gelangt,  welches  ich  hier  folgen 
lasse : 

S  A  I  1 
A  A  A  E  ^  0  A  I 
ONOTIAOKEI 
AIMENKAEOMIN 
ANAloNEPEIAHK 
oTHNAHI^iTnNEA 
I  AYNATA  I  AFAOO 
riNAiaNKAI  E  I  NAI 
A  I  EYEPrETHNAYT 
»^^YToYAOHK 

Die  cToij^viSöv  geschriebene  Inschrift  steht  auf  einer  Platte  von 
c.  M.  0,11  Länge,  0,14  Breite  und  0,07  Dicke;  rechts  ist  der 
Rand  erhalten,  an  den  übrigen  Seiten  Bruch,  unten  leerer 
Raum  (von  c.  0,02)  K  Die  Zusammengehörigkeit  der  beiden 
Fragmente  ist  zweifellos. 
Es  ist  zu  lesen: 


.    .    .   XpOCTT)?   >ta    -    -    - 

tv]   TrOO£Sp£U£[lV    £V    TüJl   SYi[J;.(i)l    £1?  T'/^- 

V  TCpJwTYiv  £5t)c>.[iO(jiav  j^pYijxaxiJcai  [tce- 


<  Der  Stein  wird  nächstens  der  archaeologischen  Gesellschaft  übergebe^ 
■werden. 


58  zu  C.  I.  A.  II,  141. 

pl  tJoutcov,  yvo)[[j(.-ov  Vt  cruiy-SjilXsdOai 

TT]'.  ß]oii>75i  £7r[aive(i]ai  (/.ev  K>.£0(/.iv 
10      'A7ro>.]XoSä)pou  [M7]9'j][jtvaiov,  ETvetSr]  x- 
ai  To]u;  ö.'XovTa;  [Ü7:]6  tüv  7^7ii<jTöv  sX- 
uffaTo]  /.ai  TuoieT  [ot]i  Suvaxai  äyotöo- 
V  Tov  Svif^Jov  tÖv   'A[07)]vatwv,  xal  eivat 
auTOv  7:p6]^£vov  [xjai  eüepYexviv  auT- 
6v  xai  £xy6v]ou[?  toö  S-/]][xo'j  tou    'AOv)v- 
aiwvj. 

Der  Geehrte  ist  allem  Anschein  nach  der  aus  Isokrates  be- 
kannte Tyrann  von  Methymna  {Epist.  ad  Timoth.,  §  8  f.,  de- 
ren Abfassungszeit  etwa  346  oder  345  v.  Chr.  ist,  s.  Schae- 
fer,  Demosth.  u.  s.  Z.  1,  S.  435,  und  Blass,  Die  Att.  Bereds. 
H  Abth.,  S.303).  Schaefer  und  Blass  a.  a.O.vermuthen  ferner, 
dass  eben  derselbe  bei  Athenaeus  (X,  S.442  Faus  Theopomp), 
wo  K^sofAsv-io;  steht,  zu  verstehen  sei.  Weniger  wahrscheinlich 
ist,  soviel  ich  sehe,  die  Vermuthung,  dass  auch  der  beim  De- 
mosthenes  {g.  Boeot.  II,  37,  S.  1019)  erwähnte  Kammes  mit 
dem  Kleomis  identisch  sei  (s.  z.  B.  Korais, 'Icrox.pxTou?  axavTa, 
1840  II  S.  239),  denn  obwohl  es  der  Zeit  nach  nicht  unmög- 
lich wäre,  ist  doch  bei  Demosthenes  vom  Tyrann  von  My- 
tilene,  bei  Isokrates  aber  von  demjenigen  von  Methymna 
die  Rede.  Ebensowenig  entschliesse  ich  mich  apzunehmen, 
dass  unser  Kleomis  S.  des  Apollodoros  und  die  sogenannten 
'A7iro'X>oSc3jp£iot  von  Eresos  (s.  die  bekannte  Inschrift  von  Ere- 
sos,  zuletzt  edirt  bei  Collitz,  Dial.  Inschr.  Heft  II  N  218  c)  in 
Verwandtschaft  standen. 
Athen  März  1885. 

A.  NIKITSKY. 


iElLAGE    ZU    MITTH.  D.  ARCH     INST.     X      S.  59. 


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Alterthümer  auf  Kreta. 


li    Die  Idäische  Zeusgrotte. 


Im  Idagebirge,  das  ungefähr  die  Mitte  der  Insel  Kreta  ein- 
nimmt, liegt  östlich  von  dem  über  achttausend  Fuss  hohen 
Hauptgipfel  eine  rings  von  steilen  Felsabhängen  umgebene 
Hochebene.  Während  die  jetzige  Bezeichnung  des  Gebirges 
Psiloriti  lautet,  und  der  Gipfel  nach  einer  dort  erbauten  Ka- 
pelle des  heiligen  Kreuzes  Stavros  genannt  wird,  hat  sich  an 
jener  Hochebene  der  antike  Name  mit  geringer  Veränderung 
erhalten:  sie  heisst  tti;  NiSa?  6  xx^atto?,  das  Nida  -  Feld.  Die 
Ebene  liegt  zwischen  vier  und  fünf  Tausend  Fuss  über 
dem  Meere  ^  und  in  den  VVintermonaten  bedeckt  sie  tiefer 
Schnee.  Ist  im  Frühjahr  der  Schnee  geschmolzen,  so  über- 
zieht sich  alsbald  der  ganze  Grund  mit  frischem  Grün  und 
bietet  die  köstlichsten  Weiden  dar.  Ausserdem  entspringen 
rund  um  die  Ebene  zahlreiche  Qi]ellen,  die  einzigen  in  dem 
sonst  wasserarmen  Hochgebirg,  und  daher  bildet  das  Nidafeld 
den  natürlichen  Sammelplatz  für  die  Hirten  der  umliegenden 
Ortschaften,  die  die  Sommermonate  mit  ihren  Herden  im  Ge- 
birg zubringen.  Bis  auf  die  nächsten  Umgebungen  der  Quel- 
len, sind  die  Abhänge  fast  ganz  unbewaldet.  Gewaltige  Stürme, 
die  von  Zeit  zu  Zeit  hier  toben  sollen,  haben  die  meisten  grös- 
seren Bäume  entwurzelt;  überall  sieht  man  die  dürren  Stäm- 
me am  Boden  liegen. 


^  Nach  meiner  Barometermessung  liegt  die  Ebene  1100™  unter  der  Spitze 
des  Ida,  die  ihrerseits  auf  2460™  Seehöhe  angegeben  wird.  Die  grösste  AuS' 
dehnung  der  Ebene  von  ü.  nach  W.  beträgt  zwischen  3  und  4  km. 


60  ALTERTHUEMER   AUF  KRETA 

Auf  der  Westseite  des  Hochplateaus,  da  wo  der  Pfad  von 
der  höchsten  Spitze  des  Ida  herabkommt,  liegt  am  Abhang 
etwa  500  Fuss  über  der  Ebene  eine  natürliche  Grotte,  die  von 
den  Hirten  und  oft  auch  von  Fremden  bei  Besteigungen  des 
Ida  zum  üebernachten  benutzt  wird  ^  Fm  Innern  sowie  in  der 
unmittelbaren  Umgebung  dieser  Grotte  haben  Hirten  von  dem 
vier  Stunden  entfernten,  am  Nordostabhange  des  Gebirges  ge- 
legenen Dorf  Anoja  ('Avcöyeia)  im  vergangenen  Sommer  durch 
zufällige  Funde  veranlasst  Nachgrabungen  angestellt,  bei  wel- 
chen eine  grosse  Anzahl  von  Alterthümern  gefunden  wurde. 
Die  Kunde  von  diesen  Entdeckungen  bestimmte  mich,  die 
Grotte  zu  besuchen  und  jene  antiken  Reste,  die  ich  zum  Glück 
noch  grösstentheils  in  den  Händen  der  Hirten  fand,  genau  zu 
besichtigen. 

Gleichzeitig  mit  der  Nachricht  von  den  Funden  am  Nida- 
feld  tauchte  auf  Kreta  selbst  die  Vermuthung  auf,  jene  Grotte 
sei  die  des  Zeus,  mag  sich  nun  eine  Erinnerung  an  das  'I^aTov 
avTpov  Tou  Ai6?  im  Volke  erhalten  haben,  oder  die  Kenntniss 
durch  moderne  Reisende  verbreitet  sein.  Die  Richtigkeit  jener 
Vermuthung  lässt  sich  durch  das  von  mir  gesammelte  Mate- 
rial, obwohl  inschriftliche  Zeugnisse  bis  jetzt  noch  fehlen, 
direct  beweisen.  Denn  erstens  zeigen  die  an  der  Höhle  selbst 
haftenden  Spuren  sowie  der  Charakter  der  meisten  Fundge- 
genstände deutlich,  dass  hier  im  Alterthum  ein  bedeutendes 
Heiligthum  bestanden  hat,  und  zweitens  stimmen  die  zum 
Theil  schon  angeführten  Beobachtungen  über  Lage  und  Um- 
gebung der  Grotte  vollkommen  mit  allem  überein,  was  an- 
tike Schrifsteller  über  das  'iSaTov  avrpov,  die  Stätte,  wo  Zeus 
als  Kind  von  Nymphen  und  Kureten  gepflegt  und  behütet  sein 
sollte,  überliefert  haben. 

Der  Eingang  der  Grotte  ist  nach  Osten  gerichtet.  Vor  ihm 
dehnt  sich  ein  kleines  Plateau  aus,  das  sich  gleich  der  Cavea 


<  Unter  Anderen  hat  Capt.  Spratt  hier  übernachtet;  vgl.  dessen  Schilde- 
rung der  Nidaebene  Travels  and  Researclies  in  Crele  I  S.  9  u.  S.  19.  Die 
Höhe  des  Einganges  der  Grotte  über  der  Ebene  habe  ich  mit  dem  Barome- 
\tx  auf  160°»  gemessen. 


ALTERTHUEMER   AUF   KRETA  6i 

eines  antiken  Theaters  von  allen  Seiten  nach  der  ca.  25""  brei- 
ten Oetlnuntj;  zu  senkt.  Ueber  dem  Eingang  steigt  ganz  senk- 
recht eine  Felswand  von  über  100  Fuss  Höhe  auf,  den  Hin- 
tergrund bildend  in  einem  eigentbunilich  wirkungsvollen 
landseharilichen  Bilde,  kurz  und  tretend  kennzeichnet  der 
Römer  solche  Oertlichkeit  mit  numen  inest.  Zur  Linken  des 
Herankommenden  tritt  ein  Felsen  etwas  vor.  Sein  äusser- 
ster,  mehrere  Meter  über  den  Grund  sich  erhebender  Vor- 
sprung ist  sorgfältig  behauen  :  die  Spitze  bildet  einen  rech- 
winkligen Aufsatz  von  4,90'"  Länge,  2,10'"  Breite  und  bis 
0,90™  Höhe,  den  eine  ungefähr  1"'  breite  Plattform  umgiebt*. 
Es  ist  der  grosse  Altar,  auf  dem  im  Alterthum  die  Brand- 
opfer dargebracht  wurden.  Auf  der  gegenüberliegenden  An- 
höhe nördlich  vom  Emgang  der  Höhle  fanden  wir  im  Dorn- 
gebüsch behauene  Kalksteinblöcke,  die  sich  als  Basen  gros- 
ser Weihgeschenke  bestimmen  Hessen.  Ein  1^70'"  langer, 
0,95""  breiter  Block  zeigte  auf  der  einen  Langseite  Anschluss- 
fläche, sowie  Bettungen  für  zwei  H  förmige  Klammern,  wäh- 
rend auf  der  Oberseite  die  Standspuren  einer  Bronzestatue, 
ein  grosser  ausgemeisselter  Fuss  nebst  mehreren  kleinen  Ein- 
satzlöchern, unverkennbar  waren.  Die  andere  zugehörige  Hälf- 
te desselben  Bathron  lag  dabei, tief  verschüttet.  Auch  ein  zwei- 
ter kleinerer  Block  Hess  deutliche  Standspuren  einer  Statue  er- 
kennen. Weitere  behauene  Stücke  lagen  gerade  vor  dem  Ein- 
gang der  Höhle  in  der  Einsenkung  zwischen  jenen  grösseren 
Basen  und  dem  Altar.  Hier  ist  zugleich  die  Stelle,  wo  kaum 
einen  Meter  unter  der  heutigen  Oberfläche  die  meisten  der 
gleich  zu  erwähnenden  Bronze-,  Silber-  und  Gold-  Sachen 
gefunden  worden  sind. 

Das  Innere  der  Grotte  zerfällt  in  zwei  Abiheilungen.  Ist 
man  über  die  Geröllhalde,  die  jetzt  den  Eingang  bedeckt, 
hinabgestiegen,  so  gelangt  man  in  eine  weite  Halle,  dem  Chor 
eines   grossen    Domes   vergleichbar.    Nirgends   erkennt   man 


'  Vgl.  die  bloss  nach  dem  Augenmass  gezeichnete  kleine  Planskizze  der 
Höhle  auf  der  Beilage  zu  diesem  Artikel  links  unten. 


62  ALTfiRTHUEMER  AUF  KREtA 

Spuren  von  Bearbeitung  an  der  natürlichen  Felswand.  Auf 
der  Südseite  dieses  ersten  Raumes  fanden  wir  noch  im  Sep- 
tember einen  ansehnlichen  Schneeberg,  der  die  Sommerhitze 
überdauert  hatte.  Offenbar  schieben  sich  in  jedem  Winter  grosse 
Schneemassen  von  dem  Plateau  aus  in  die  Höhle  hinab,  und 
die  starke  Verschüttung  des  Eingangs,  die  an  die  Moraine 
eines  Gletschers  erinnert,  ist  eben  diesem  Arbeiten  der  Natur 
zuzuschreiben.  Nördlich  schliesst  sich  an  den  Hauptraum 
eine  kleinere  Kammer  an  von  nur  geringer  Höhe  (6-8™),  20" 
tief  und  8"°  breit.  Der  Boden  dieses  Raumes  ist  auf  mehrere 
Fuss  Tiefe  mit  Asche  und  Kohlen resten  bedeckt.  Hier  sind 
zahlreiche  Thonlampen  gefunden  worden,  von  denen  ich  über 
100  Exemplare  gesehen  habe.  Scherben  von  I.ampen  lagen 
noch  bei  unserem  Besuch  in  der  Höhle  umher.  Auch  mehrere 
halbvermoderte  Stierschädel  mit  ansitzenden  Hörnern  sind 
hier  zum  Vorschein  gekommen,  die  ich  nicht  anstehe,  für  an- 
tike Bukranien  zu  haltend  Sie  mögen  einst  an  den  Wänden 
der  Grotte  aufgehängt  gewesen  sein. 

Das  Heiligthum  stand  jedenfalls  zur  Nida-Ebene  in  naher 
Beziehung.  Gerade  unterhalb  der  Grotte,  am  Westrande  der 
Ebene  an  einer  Stelle,  wo  vermuthlich  der  antike  Weg  herauf- 
geführt hat,  sind  Fundamente  eines  römischen  Hauses  erhal- 
ten, das  den  Wächtern  des  Heiligthumes  zur  Wohnung  ge- 
dient hat. 

Ebenso  deutlich,  wie  die  Ueberreste  aus  dem  Alterthum, 
die  ich  an  Ort  und  Stelle  verzeichnen  konnte, weist  die  Mehr- 
zahl der  Einzelfunde  auf  Kultzwecke  und  Mysteriendienst  hin, 
der  bekanntlich  bis  in  späte  Zeit  mit  der  Verehrung  des  Idäi- 
schen  Zeus  verbunden  war  2. 

Die   grosse   Masse  der  vor   der  Höhle   ausgegrabenen  Ge- 

^  Diese  Schädel  haben  wegen  der  Form  der  Hörner  bei  den  Kretensern 
grosse  Verwunderung  erregt,  weil  heutzutage  keine  Stiere  von  ähnlicher 
Rasse  auf  der  Insel  vorkommen  sollen.  Am  Ida  weiden  gegenwärtig  nur 
Ziegen. 

2  Hoeck,  Kreta  I  S.  176.  Die  Stellen  vollständiger  bei  Hermann  Gottes- 
dienstliche Alterthümer  §  32,  6. 


aLTERTHUEMER   auf   KRETA  63 

genstände  ^  sind  Tlieile  bronzener  Weihgeschenke: 
Beine  und  ein  Uinghenkel  von  grossen  Dreifüsseii,  zerdrückte 
Bronzekessel  und  Schalen,  Henkel  und  bewegliche  GrifiV;  mit 
Attachen,  Fragmente  von  kleinen  Gestellen  zum  Aufsetzen 
von  Gefässen  mit  Füssen  in  Form  von  Löwenklauen,  figürli- 
cher Schmuck  von  Gelassen,  lauter  Stücke,  die  ihre  nächsten 
Analogien  in  dem  Bronzemuseum  von  Olympia  haben  und 
unter  den  Funden  von  Dodona. 

Die  wichtigsten  Stücke  zähle  ich  hier  kurz  auf  2.  Die  Drei- 
füsse  gehören  jener  Gattung  an,  von  der  in  Olympia  zahl- 
reiche Beispiele  gefunden  sind,  und  deren  Vorkommen  jetzt 
auch  für  Delos  nachgewiesen  ist 3.  Die  Beine,  von  denen  6-8 
Stücke  von  verschiedener  Grösse  vor  der  Grotte  ausgegraben 
wurden,  haben  die  Form  von  Schienen,  nur  ist  bei  den  Mai- 
schen Exemplaren  die  Deckplatte  nicht,  wie  bei  den  meisten 
Olympischen,  überstehend^,  die  Kanten  sind  vielmehr  nur 
durch  reliefartig  erhobene  Längsstreifen  hervorgehoben,  was 
indessen  auch  in  Olympia  vorkommt.  An  zwei  Stücken  ver- 
schiedener Grösse  (Breite  der  Schiene  des  einen  45'"'",  der  des 
anderen  22'""',  Beilage  Fig.  5)  ist  die  angearbeitete  breite 
Platte  erhalten,  mit  der  der  Fuss  an  dem  aus  Blech  getriebe- 
nen Kessel  ansass,  sowie  die  Bronzenieten,  die  zur  Befesti- 
gung des  Ansatzes  an  den  Kessel  gedient  haben.  Der  einzige 
Ringhenkel,  der  gefunden  worden  ist,  (0,244'"  Durchmesser, 


<  Die  Funde  sind  jetzt  theilweise  in  den  Besitz  des  Griechischen  Syllo- 
gos  in  Iraclio  (Candia),  der  neuerdings  ein  kleines  Museum  gebildet  hat, 
übergegangen,  theilweise  in  die  Hände  des  Antikenhändlers  Mitzotakis,rus- 
sichen  Consuls  in  Iraclio,  gelangt. 

2  Vgl.  dazu  die  Abbildungen  auf  der  litographischen  Beilage,  die  nach 
meinen  flüchtigen  Bleistift-Skizzen  angefertigt  sind  und  keinen  Anspruch 
auf  Genauigkeit  machen. 

3  Vgl.  über  die  Olympischeu  Dreifüsse  Furtwängler,  die  Bronzefunde 
aus  Olympia,  Abhandl.  d.  Kgl.  Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin  1879,  S.  12 
ff.,  und  Aimali  1880  S.  118  ff.,  über  die  Delischen  Archäol.  Zeitung  1882 
Spalte  333. 

^  Vgl.  den  Querschnitt  [eines  Dreifussbeines  auf  der  Furtwängler's  Ab- 
handlung beigegebenen  Tafel  Fig.  4a;  Abbildung  eines  gegossenen  Ring- 
henkels ebenda  Fig.  3. 


64  ALTERTHUEMER   AUF   KRETA 

Beilage  Fig.  4)  zeigt  die  gleiche  durchbrochene  Arbeit,  wie 
viele  ebenfalls  gegossene  Olympische  Dreifussringe.  Der 
breite  Bügel,  mit  welchem  der  Ring  an  dem  Kessel  befestigt 
war,  ist  absrebrochen,  dafires-en  haben  sich  Theile  von  zwei 
schräg  nach  unten  gehenden,  runden  Stäben  rechts  und  links 
von  der  Bruchstelle  erhalten,  welche  den  aufrechtstehenden 
Ring  mit  dem  Kesselrande  verbanden.  Äehnliche  Stützen 
kommen  auch  an  Ringhenkeln  von  Olympia  vor. 

Auf  Grund  der  Fundumstände  und  der  dem  geometrischen 
System  entlehnten  Decoration  weist  Furtwängler  den  Olym- 
pischen Dreifüssen  ein  hohes  Alter  zu;  sie  scheinen  nur  etwa 
bis  zum  fünften  Jahrhundert  v.  Chr.  herabzugehen.  Es  ist 
aber  kein  Grund  vorhanden,  die  Idäischen  Dreifüsse  für  jün- 
ger zu  halten,  wie  die  Mehrzahl  der  Olympischen. 

Ob  ein  grosser  Bronzekessel,  von  dessen  Rand  ein 
0,95""  langes  Stück  erhalten  ist,  zu  einem  Dreifuss  gehört  hat, 
oder  selbständig  als  Krater  geweiht  war,  Hess  sich  nicht  ent- 
scheiden. Von  Schalen  ist  eine  Anzahl  grosser  Fragmente 
gefunden  worden,  die  zum  Theil  getriebene  Buckel  zeigen. 
Bei  einem  Exemplar  fehlt  nur  der  ursprünglich  dünne  Boden, 
während  der  kreisrunde  Rand  (0,18™  Durchmesser)  vollständig 
ist.  Da  die  grösseren  Gefässe  meist  aus  wenig  starkem  Bron- 
zeblech gearbeitet  waren,  sind  sie  durch  Oxydation  bis  auf 
kleine  Fragmente  zu  Grund  gegangen,  die  schweren,  gegos- 
senen Henkel  oder  beweglichen  Griffe  hingegen  ha- 
ben sich  in  vielen  Exemplaren  erhalten. Sie  lassen  genau  die- 
selben Formen  ei;kennen,  die  in  Olympia  massenhaft  vorkom- 
men; u.  A.  begegnet  ein  sehr  fein  gearbeitetes  Exemplar  je- 
ner unten  in  eine  Palmette  auslaufenden  Attache,  in  der  sich 
ein  durch  Ringe  mehrfach  getheilter  Griff  dreht  so  gross,  dass 
bequem  die  Hand  hineinfassen  kann,  (Beilage  Fig.  6,  vgl. 
Furtwängler  a.  a.  0.  S.  72).  Andere  nicht  minder  gut  gear- 
beitete Attachen  und  Griffe  sind  mit  Perlschnur- Ornamen- 
ten und  erhabenen  Ringen  geschmückt  (das  beste  Exemplar 
Beilage  Fig.  7)  und  erinnern  an  Muster  aus  Dodona,  Ca- 
rapanos   Taf.    45,  5  6  9,    Taf.  47,  8.  Auch   ein   Henkelfrag- 


ALTERTHUEMER  AUF   KRETA  65 

ment  mit  einem  40'"™  langen,  sorgfältig  modellirten  und  gra- 
virlen  Schlangenkopf  findet  sich  (hii'tintcr,  ähnlich  den  Stü- 
cken aus  Dodona,  Carapanos  'raf,2I  n.  iS.  Die  kleinen  ring- 
förmigen ,  von  drei  Fiissen  in  Form  von  Löwcnklauen  ge- 
tragenen Untersätze  grosser  Gefässe,  von  denen  melirere 
gleichartige,  aber  nicht  zusammengehörige  Fragmente  gefun- 
den wurden,  haben  genau  die  Form,  wie  die  bei  Carapanos 
Taf.  41,  1,2;  23,2  abgebildeten  Untersätze  aus  Dodona,  zu 
denen  sich  ein  ganz  entsprechendes  Seitenstück  im  Bronzemu- 
seum zu  Olympia  befindet  (Inv.  433G,  Furtwängler  S.  65); 
selbst  hinsichtlich  der  Ciselirung  stimmen  die  Idäischen Exem- 
plare mit  jenen  überein. 

Zur  Verzierung  eines  Gefässes  diente  augenscheinlich  die 
reliefartig  behandeüe  Bronzefigur  einer  gelagerten  Sphinx 
(n.  r.,  Kopf  e.  f.,  Beilage  Fig.  2)  mit  einem  dem  Modius  ähn- 
lichen Aufsatz  auf  dem  Kopf,  lang  herabfallenden  Flechten 
und  grossen  Flügeln  (80"'"  breit,  öö""'"  hoch).  Der  untere  Ab- 
schluss  dieser  eher  archaistischen  wie  archaischen  Ficrur   ist 

o 

durch  eine  mit  eingravirler  Zickzacklinie  verzierte  Leiste  ge- 
bildet, die  in  zwei  Voluten  endigt,  ähnlich  wie  bei  der  ur- 
sprünglich dem  gleichen  Zweck  dienenden  Bronzefigur  einer 
geflügelten  Meduse  acht  alterthümlichen  Stiels  in  Olympia, 
Ausgrabungen  IV  Taf.  23  Mittel 

Mit  mehr  Sicherheit,  wie  die  letztgenannte  Figur,  lassen 
sich  zwei  weitere  Fundstücke  der  archaischen  Kunstepoche 
zuweisen.  Das  erste  ist  eine  0,160'"  hohe,  vollgegossene  Sta- 
tuette, einen  bartlosen  nackten  Mann  von  sehr  kräftigem 
Körperbau  darstellend,  der  mit  fest  zusammengeschlossenen 
Füssen  und  glatt  an  den  Oberschenkeln  anliegenden  Händen 
grad  und  steif  auf  einer  kleinen  viereckigen  Platte  steht  (Fig. 
1).  Die  Haare  liegen  wie  eine  dicke  Haube  um  den  Kopf  und 
fallen  als    breiter  Schopf  auf  den    Rücken  herab.  Die  Augen 


'  Zwei  weitere  Exemplare  von  gelagerten  Sphingen  wurden  nach  Mit- 
theilungen, die  ich  der  Güte  des  Herrn  Chatzidakis,  Vorsitzenden  des  Syl- 
logos  in  Iraclio,  und  Dr.  Halbherr's  verdanke,  nach  meiner  Abreise  von 
Kreta  gefunden  und  vom  Syllogos  erworben. 

MITTH.  D.  ARGH.  INST.  X.  5 


66  ALTERTHUEMER   AUF   KRETA 

sind  Stark  vortretend  gebildet;  durch  das  Gesicht  geht  leider 
ein  Gussfehier.  Bei  dem  gänzlichen  Fehlen  von  Attributen 
bleibt  es  unentschieden,  ob  diese  Statuette  etwa  einen  jugend- 
lichen Zeus'  darstellt,  oder  vielmehr  als  Bildniss  des  Wei- 
henden gefasst  werden  muss.  Der  andere,  sehr  alterthümliche 
Gegenstand  ist  das  in  fünf  Stücke  gebrochene  grössere  Frag- 
ment von  dünnem  Bronzeblech  mit  Reliefdarstellun- 
gen, von  der  Bekleidung  eines  kreisrunden  Gegenstandes 
stammend,  von  dem  wir  hier  eine  ziemlich  treue  Skizze  ver- 
kleinert im  Holzschnitt  mittheilen.  Durch  concentrische  Kreise 


^  w 


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-^ 


ä#^" 


war  die  Platte  in  eine  Anzahl  breitere  und  schmälere  Strei- 
fen getheilt.  in  den  letzteren  ist  ein  Ornament  angebracht, 
kleine  Buckel  um  die  sich  ein  Fleclitband  windet,  während 
die  breiteren  Streifen  bildliche  Darstellungen  zeigen.  Auf  dem 
erhaltenen  Sluck  erkennt  man  von  aussen  nach  innen:  sie- 
hende,  geflügelte   Löwen,  weidende  Hirsche  und   springende 


<  Ueber  die  Darstellungen  des  Zeus  in  jugendlicher  Gestalt  vgl.  Overbeck 
Kunstmylholügie  IS.  195  U'. 


ALTERTHüEMER   AUF   KRETA  67 

Raubtliiere,  alle  nach  links  gCNvendct.  Die  Haupllinien  sind 
mit  einem  scharfen  Meissel  einj^ehauen,  Kreise,  Ornamente 
und  Fiiijnren  ^ireii-ieben,  die  letzteren  ausserdem  noch  sorgfäl- 
tig ciselirl.  Nach  (iem  erhaltenen  Stück  (breit  0,1  ;V2"',  hoch 
0,lo6"'j  zu  urlheilen,  muss  die  ganze  Platte  mindestens  0,44'" 
Durchmesser  gehabt  haben.  Der  äussere  Hand  ist  nirgends 
erhalten.  Vielleicht  war  das  Ganze  ein  natürlich  nur  als 
Weihgeschenk  gearbeiteter  Schild.  Von  einem  anderen  ähnli- 
chen Ueliet*  sind  über  zwanzig  sehr  kleine  Stücke  gefunden 
worden,  die  alle  getriebene  und  ciselirte  Zotteln  eines  Felles 
zeigen. 

Direct  auf  den  Zeuskultus  weist  die  kleine  Figur  eines 
Stieres  mit  grossen  Hörnern  hin,  ein  Stück  primitivster,  ro- 
hesler  Technik,  das  allein  von  allen  Bronzen  im  Innern  der 
Höhle  gefunden  worden  ist  (60'"'"  lang),  während  das  Vor- 
kommen einer  frei  und  natiirlich  gearbeiteten,  liegenden 
Zifge  mit  umgewendetem  Kopf  (45'"'"  lang)  sich  durch  die 
Beziehung  auf  die  Ziege  Amalthea,  die  im  Mythus  das  Zeus- 
kind nährt,  noch  besonders  erklären  liesse. 

Von  Bronzen  sind  schliesslich  noch  zu  nennen  eine  0,288'° 
lange  blattförmige  La  iizenspi  Ize,  sowie  eine  60'"'"  lange 
Fibel  guter  Arbeit  (Fig.  8),  der  Form  nach  mit  den  Fibeln 
von  Olvnipia  übereinstimmend,  deren  schönstes  Beispiel  Furt- 
wängler  a.  a.  O.  Taf.  Fig.  7  abgebildet  hat'.  Das  viereckige 
Blechblätlchen  am  unteren  Ende  des  Bügels,  der  eigenthüm- 
liche  Theil  der  Fibeln  dieser  Gattung,  ist  bei  dem  Idäischen 
E.vemplar  ebenso  wie  bei  einem  Olympischen  schmucklos. 
Der  Bügel  zeigt  links  und  rechts  von  der  verdickten  Mitte  je 
zwei  erhabene  Reifen  an  Stelle  der  eingravirten  Ringe  an  der 
Fibel  aus  Olympia. 

Zusammen  mit  den  Bronzen  ist  auf  dem  i*laleau  vor  der 
Höhle  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Gold-  und  Silbersa- 
chen entdeckt  worden.  Das  wichtigste  Stück  ist  eine  grosse 
silberne  Haarnadel  mit  kunstvoll  gearbeitetem  vergolde- 


<  Vgl.  den  Text  S.  36  IL,  und  Annati  1880  S.  122  ff. 


68  ALTERTHUEMER   AUF  KRETA 

teil  Kopf  (0,180'"  lang,  der  Stab  6"'"'dick,77  Gramm  schwer, 
Beilage  Fig.  3),  für  die  mir  keine  Analogie  bekannt  ist. Wäh- 
rend die  Oberseile  des  flachgedrückten  Kopfes  durch  eine  in 
Relief  gearbeitete  Rosette  geschmückt  ist,  zeigt  der  gleichfalls 
vergoldete  Hals  ein  System  von  Ringen.  Ferner  habe  ich  eine 
grosse  Anzahl  (über  60)  runder  und  viereckiger  Goldblätt- 
chen von  verschiedener  Grösse  gesehen,  die  alle  entweder 
durchbohrt  oder  mit  kleinen  Oesen  versehen  waren,  also  wohl 
zu  einem  kostbaren  Schmuck  gehört  haben.  Die  grössten  der 
runden  Goldblättchen  (bis  40'"'"  Durchm.,  2  72  Gramm  Gew.) 
zeigen  schwach  aiifgepresste  Rosetten,  die  bei  einigen  weni- 
gen Exemplaren  durch  aufgelöthete  feine  Goldkörner  hervor- 
gehoben waren.  Die  viereckigen  Blättchen  sind  von  einem 
feinen  Band  ganz  kleiner  ebenfalls  gepressier  Spiralen  umzo- 
gen. Auch  einzelne  perlenarlige  Goldhülsen,  die  auf  eine 
Schnur  gezogen  als  Schmuck  gedient  zu  haben  scheinen,  sind 
an  derselben  Stelle  gefunden  worden-  Endlich  ist  im  Schutt 
vorder  Höhle  ein  Te  t  rad  räch  m  on  von  Chersonesos 
auf  Kreta  zum  Vorschein  gekommen  mit  dem  nach  rechts  ge- 
wendeten weiblichen  Artemiskopf  auf  der  einen,  dem  die  Keule 
schwingenden  Heracles  und  der  Beischrift  XEPS;ONA2!inN 
auf  der  anderen  Seite,  ein  Stück  von  ausoezeichneter  Schön- 
heit^Von  Eisen  Sachen  wurde  ausser  vielen  kleinen  Pfeil- 
spitzen ein  grosser  gewöhnlicher  Radreifen  vor  der  Grotte 
ausgegraben,  von   dem  es  sich  schwer   erklären  lässt,  wie  er 


<  Wie  von  Sallet,  Zeitschr.  f.  Numisni.  II  S.  124  f.  gezeigt  hat,  ist  diese 
Münze  von  Cliersonesos  eine  Copie  der  Stücke  von  Stymphalos  in  Arca- 
dien.  Das  bei  der  Idagrotte  gefundene  Exemplar  stimmt  niclit  nur  in  der 
Richtung  des  weihlichen,  Kropfes,  sondern  auch  in  allen  Einzelheiten  mit 
der  dort  abgebildeten  Münze  von  Stymphalos  genau  überein,  überragt  die- 
selbe aber,  wenn  die  Abbildung  nicht  täuscht,  noch  weit  an  Feinheit:  Sie 
macht  alles  weniger  als  den  Eindruck  einer  "geistlosen  und  rohen  Copie", 
wie  das  a.  a  ü.  ebenfalls  abgebildete  Stück  von  Chersonesos  (mit  n.  1.  ge- 
wendetem Frauenkopf)  der  Berliner  Sammlung. —  Auch  eine  Silbermünze 
von  Lyttos  ist,  wie  Herr  Chalzidakis  mir  mittheilt,  kürzlich  bei  der  Ida- 
Grolle  gefunden  worden. 


ALTERTHUEMER   AUF   KRETA  69 

in  diese  Felseneinöde,  zu  der  niemals  ein  fahrbarer  Weg  hin- 
auf geführt  haben  kann,  gekommen  sein  mag. 

Während  die  Mehrzahl  der  im  Freien  vor  der  Höhle  ent- 
deckten Gegenstände  sicher  griechischer,  einzelne  Stiicke  so- 
gar sehr  alter  Zeit  anijehören,  sind  die  Funde  vom  Innern 
der  Grotte  mit  alleiniger  Ausnahme  des  erwähnten  kleinen 
Bronzestieres  römisch.  Wir  gedachten  bereits  der  zahlreichen 
Thonlampen,  die  in  der  von  Kohle  geschwärzten  Erde  des 
hinteren  Raumes  gefunden  sind.  Die  meisten  sind  klein,  nur 
für  eine  Flamtne  berechnet  und  zeigen  roh  aufgepresste  Or- 
namente, unter  denen  ein  einfacher  Blattkranz  und  stilisirte 
Epheublätter  vorherrschen.  Mit  bildlichen  Darstellungen  habe 
ich  etwa  10  Exemplare  gesehen;  neben  obscönen  Scenen 
kommt  ein  Wettrenner  auf  der  liiga,  ein  zweihöckeriges  Ka- 
mel, ein  sitzender  Leierspieler,  ein  Adler  und  ein  Eros  vor, 
nichts,  was  älter  zu  sein  scheint,  wie  römische  Kaiserzeit. 
An  vielen  Exemplaren  hat  sich  rother  Firniss  erhalten  *. Viel- 
leicht fanden  diese  Lampen  bei  dem  Geheimdienst  Verwen- 
dung, der  bis  in  späte  Zeit  mit  dem  Kult  des  Idäischen  Zeus 
verbunden  war.  Gleichfalls  mit  Mysteriendienst  in  Verbin- 
dung zu  bringen  ist  üewlss  eine  Anzahl  eioenartiger  Ana- 
theme  aus  gebran  n tem  Thon,die  zugleich  mit  den  Lam- 
pen, mit  denen  sie  auch  wohl  zeitlich  zusammengehören,  in 
dem  hinteren  Kaum  der  Grotte  vorkommen,  stilisirte  Akan- 
thusblätter  von  verschiedener  Grösse,  die  unten  mit  einem 
Fuss  und  hinten  mit  einem  kleinen  Henkel  zum  Durchstecken 
des  Fingers  versehen  sind,  sowie  kleine,  ebenso  ausgestattete, 
oben  mit  einem  Pinienapfel  abgeschlossene  Reliefbildchen 
des  thronenden  Pluton.  Der  Gott  ist  e.  f.  dargestellt  mit  dem 
Modius  aut  dem  Kopf,  das  oben  in  eine  Spirale  endende  Scep- 
ter  in  der  Linken,  zur  Rechten  den  dreiköpfigen  Cerberus. 
Während  ich  von  den  letzlen^n  Figürchen  nur  wenige  Bruch 


*  Fragmente  gleicharUger  liampen  sind  zusammen  mit  einer  schlecht  er- 
haltencn  römischen  Kupfermiinze  l)ei  den  erwähnten  Haureslen  am  West- 
rande des  Nida-  Plateau's  Kefuuden  worden. 


70  ALTERTHUEMER   AUF   KRETA 

Stücke  von  im  Durchschnitt  0,160"  hohen,  roh  gearbeiteten 
Exemplaren  gesehen  habe, waren  von  der  ersten  Gattung,  den 
stilisirten  Blättern,  zahlreiche  zum  Theil  grosse  Fragmente 
vorhanden.  Darunter  befanden  sich  zwei  besonders  grosse 
Stücke,  bei  welchen  symmetrisch  zwischen  den  Ranken  zwei 
ganz  übereinstimmende  Reliefbildchen  des  Eros  mit  den  Waf- 
fen des  Heracles  (62"""  hoch)  angebracht  sind.  Auch  diese 
Anatheme  waren  ursprünglich  roth  gefirnisst. 

Endlich  ist  auch  im  Innern  der  Grotte  der  einzige  In- 
schriftstein  gefunden  worden,  der  bis  jetzt  vorliegt,  ein 
'Hill  K  Uü  links  unvollständiger  Block  aus  Muschelkalk, 
T  'Hill  I  O  I  0,195"'  hoch  und  0,10"^  dick,  auf  dem  ich  die  ne- 
YIOC  Hill  benstehenden,  schlecht  eingehauenen  und  stark 
O  C    Y  F     verwitterten  Buchstaben  gelesen  habe.  Gleichfalls 

N  aus  dem  Innern  der  Höhle  stammt  ein  0,10™  lan- 

ges Fragment  vom  Rand  eines  grossen  Thongefässes,  auf  dem 
die  vor  dem  Brennen  eingekratzten  Buchstaben  AEITTONI 
(oder  AEITTO  N  I)  stehen. 

Vergleichen  wir  nun  die  Nachrichten  bei  antiken  Schrift- 
stellern über  das  'iSa.iov  ävxpov  toO  Atoc  mit  dem,  was  die  ün- 
tersuchuno-  der  Grotte  an  der  Nidaebene  und  die  Prüfung  der 
Funde  ergeben  hat.  Drei  Stellen  sind  es,  die  hier  vornehmlich 
in  Betracht  kommen^,  die  Beschreibung  der  Grotte  und  ihrer 
Umgebung  bei  Diodor,  eine  gelegentliche  Erwähnung  in  der 
Pflanzengeschichte  des  Theophrast,  und  die  Einleitung  zu 
Piatons  Gesetzen.  Diodor  sagt  B.  V.  K.  70:  /.axä  ttiv  "ISyiv  ev 
Yl  cuvlby)  Tparprjvai  tov  Osov  t6  te  avrpov  ev  cp  t'/iv  SiaiTav  üyj.  xaö- 
i^pwrai  x.at  ol  xepi  auTO  \n[j.is>^ii;  oji-oicoi;  ävelvrai  Tvspt  T7)v  ä.>cpw- 
peiav  ovTe?.  Diese  heiligen  Gefilde  wird  man  in  der  Nidaebene 
suchen  müssen,  die  jedenfalls  in  naher  Beziehung  zur  Grotte 
gestanden  hat.  Weiter  spricht  Diodor  von  den  Bienen, die  dem 
Mythus  nach  den  Gott  mit  ihrem  Honig  ernährt  hätten,  er 
habe  zum  Andenken  daran  ihre  Farbe  verändert  und  sie  un- 


<  Vgl.  die  Zusammenslellung  aller  Nachrichlen  bei   Iloeck.  Kreta  I   S. 
175-77. 


ALTERTHUEMEn    AUF    KRETA  71 

empfindlich   cjemaclit  geilen  dio  rauhe  Witterung:    too  tozo'j 

yivoac'vtov  /.oti  /lövo?  TToT^Vr,;  ■;ti-to'j(7'/1{;.  Wie  vortriilllich  diese 
Scliilderung  zu  der  Umgebung  der  IN ida- Ebene  passt,  erliellt 
aus  dem,  was  oben  über  d(>n  ('harakler  derselben  gesagt  ist. 
Die  Stelle  bei  Theophrast  hist.  plant.  III,  3,  4  lautet:  ev  Kpr,T-(i 
f^£  x,ai  al'yeipo'-  '/.aprip-oi  xXeiouc  dni'  jxia  fy.ev  ev  Tai  GTO[y.i(p  xoo  av- 
xpo'j  TO'j  £v  T'?i  "IfViTi,  £v  (I)  TO.  oi.\v.Hrty.ot.xff.  äv7./i£iTai,  a»7;  §£  [7-iy.py. 
ttItictiov  aTTcoTepo)  Se  j/.i'XtGTa  So)S£/ta  TTaSiou?  7:£pi  Tiva  /.orjvriV 
Saopo'j  xa^o'jyivrjv  77o").).ai.  Wir  haben  hier  also  ein  ausdrück- 
liches Zeugniss,  dass  die  idagrotte  des  Zeus,  denn  nur  diese 
konnte  Theophrast  meinen,  im  Alterthum  mit  Weihgeschen- 
ken angefüllt  war.  Der  Name  Sauros  ist  als  Bezeichnung  für 
eine  der  7  bis  8  Quellen  an  der  Nidaebene  den  dortigen  Hir- 
ten heute  nicht  mehr  bekannt.  Die  platonischen  Gesetze  end- 
lich beginnen  mit  der  poetischen  Schilderung,  wie  sich  die 
drei  Personen  des  Dialoges  anschicken,  gemeinsam  von  Kno- 
sos  zur  Idäischen  Grotte  zu  wandern.  Der  Athener  begründet 
seinen  Vorschlag,  unterwegs  über  Verfassung  und  Gesetze  zu 
sprechen,  mit  den  Worten:  ttxvtw?  S'  -/i  ye  U  KvoiToö  oSo;  ei? 
TO  TO'J  Atö;  avTpov  xal  Upov,  cö?  äxotjoaev,  i/.av7)  y.y.1  avi-a'jlat 
'/.xxx  Tv;v  Of^öv  (öc  £r/,ö?  Trviyoui;  ovto?  xx  vöv  Iv  toI?  u'^tiIoi;  ^EvSpe- 
(Ttv  £07'.  «7x.iapa.i  x.t£,  und  der  Kreter  bestätigt  dies,  indem  er 
besonders  die  schönen  Cypressenhaine  rühmt,  durch  die  der 
Weg  hindurchführe.  Zunächst  lehrt  die  Stelle,  dass  die  hei- 
lige Grotte  des  Zeus  auf  dem  Ida  ein  Wallfahrtsort  war,  den 
auch  Fremde  im  Sommer  von  Knosos  aus  häufig  besuchten, 
und  ferner  scheint  es  als  ob  die  geschilderte  Scenerie  in  der 
That  der  Wirklichkeit  entlehnt  sei.  Auf  direclem  Weg  beträgt 
die  Entfernung  von  Knosos,  dessen  Lage  in  der  Ebene  östlich 
vom  Ida  eine  Stunde  südlich  von  Iraclio  (Candia)  gesichert 
ist,  bis  zum  Nidafeld  8  bis  9  Stunden,  gerade  einen  Tages- 
marsch, und  es  wird  von  Theophrast  {hist.  plant.  IV  1,  3) 
und  Anderen  ausdrücklich  bezeugt,  dass  die  Abhänge  des  Ida, 
wo  heutzutage  nur   immergrüne  Eichen,  Ahorn   und   spärli- 


72  ALTERTHUEMER  AUF   KRETA 

ches   Buschwerk  vorkommen,  im  Alterthum  gerade   von  Cy- 
pressen  bewachsen  waren. 

Im  vorstehenden  Berichte  habe  ich  mich  der  grösseren 
Uebersiclitlichkeit  zu  Liebe  darauf  beschränkt,  Anak)gien  zu 
den  bei  der  Idagrotte  gefundenen  Gegenständen  nur  soweit 
anzuführen,  als  nöthig  schien,  um  von  den  letzteren  eine  hin- 
reichende VorstelluniT  zu  sreben,  und  ohne  auf  die  Thatsache 
selbst  der  üebereinstimmung  jener  Funde  mit  solchen  vom 
griechischen  Festlande  einzugehen.  Sie  constatirt  zu  haben 
genügt,  um  die  grosse  Wichtigkeit  der  Idafunde  ausser  Frage 
zu  stellen.  Anderseits  würde  jede  Schlussfolgerung  aus  dieser 
üebereinstimmung  verfrüht  sein,  da  die  Grabungen  kaum 
über  einen  Meter  Tiefe  vorgedrungen  sind  und  ohne  Zweifel 
fortgesetzt  werden.  Erst  wenn  mehr  Material  zum  Vergleich 
der  Idäischen  Bronzen  namentlich  mit  den  Olympischen  vor- 
liegt und  entschieden  ist,  dass  die  üebereinstimmung  auch 
für  die  ältere  Zeit  zutrifft,  wird  man  mit  Sicherheit  darüber 
urtheilen  können,  ob,  worauf  ja  die  mythische  Tradition  hin- 
zuweisen scheint,  in  der  That  ein  Zusammenhang  bestanden 
hat  zwischen  der  Kunstübunsj,  deren  Erzeuo;nisse  in  den  äl- 
teren  Fundschichten  der  Altis  von  Olympia  vorkommen,  und 
derjenigen,  die  die  Zeusgrotte  im  kretischen  Ida  mit  Weihge- 
schenken gefüllt  hat. 

ERNST  FABRICIÜS. 


Miscellen. 

'Exiypacpai  iy.  'PöSou. 
(i]jv^/£ta.) 


8.  TIMAKPATHZ  Tit^axpiT-^?. 

API2TIQNOZ  'Api<7Tiü)vo;. 

B  O  Y  A  I  A  O  Bou7.iS[a;?]. 

'EtwI  v£>tpur,?  xilTTT,?. 

9.  MENANAPO  M£vavSpo[;  .... 

A  I  N  A   O  AivSo[TCo'XiTa;. 

'FiTzl  Tep.ayiO'j  'XiBou. 

10.  TIMOAIKOY  TipSix-o'j 
nVOOTENEYS  OueoyEvsu? 

AAAAPMIOY  AaSap[y.io'j. 

'EtttI  £7ripr/C0u?  >.i6o'j  j(^pYi<5tjj.£uovTo;  viSv)  ü)<;  Xapva^. 

11.  AEIO0EA  'AlioUcL 

YEAOßNOZ  EjuaOcovo? 

Y  r  A  2  I  Z  Tyact? 

rYNAAE<l>IAiaN02  yjvx  Se  4>at(ovo;. 

'EtcI  pjcpou  ßxOpou  a.Yal{J^aTo;.    'ES71[xo(JI£'j9-/i  e'XXitvw?  £v  tu  7^5- 
pioSiJcü  ßw//.  de  corr.  hell.  IX.  ceX.  121  äp.  25, 


74  MISCELLEN 

12.  A  r  H  M  n  N  'Ayviutov 
GEYPOMPOY  e£U7r6|^.TCO'j. 
AMNHSTIOS  'Ap-;i(7Tio(;. 

'Exi  |7.ix,po'j  ßxOpo'j  ö.yy.'XaaTO;. 

13.  HPOAOTOY  'HpoSoTO'j 
APZTANAPIAA  'Ap(i)7TavSpiSa 

T  H  A  1  O  Y  Tvi^^iou. 

'Exi  f;-'.-/tpoij  ßy.Bpou  (xyüfxaTO?. 

14.  API2TOKPATEY2  'Api-7ToxpxT£u? 

APIZTÜNOZ  'Api'TTwvo; 

KYMIZAAEÜS  Ku[xic>al£co;. 

'Ettti  p.upoCi  ßiOpou  äyaT^p.aTog. 

15.  AMYNTA2  'Af^.uvxa? 
KAnPAAOZ  KaTTTräSo^. 

'Etti  {y-'.y.poij  ßaOpou  äyx'Xf/.a.To;. 

16.  EAAATOPA  'EUayöpa. 
'Etci  v£x.piX7i<;  >'-i>>7nr](;. 

17.  A  P  T  E  M  I  2  "Apreai? 
0  P  Y  r  I  A  «l^puyia. 

'EtüI  T£[y.a^{o'j  XiOou. 

18.  AIAIAMENEE0EIATHKAI 
KAAAIKAEIAOAAYIOEAPAK^N 

O  A  N  H  P 


MISCELLEN  75 

KaX'Xi/Asia  ^lAx'Jio;  A://.wv 
6  äv7]p, 

■^S'^  cö;  üSpoSoyY)?. 

19.  E  Y  0  A  N  H  Z  E  Y  0  A  E  Y  2  E'jrpivo;  Eü^ieu? 

T  Y  M  N  I  O  Z  Tu;j.viO(;. 

'Etti  TeTpaywvO'j  T£aaytO'j    XiOo'j    £VT£T6iy(^i(jf;-£vou.    'ESTifjLOTie'jO'o 
£c(pa>>|7,£V(i)(;    £v  ßev.  iirc/i.  \lll  'teX.  364  ap.   41. 

20.  P  A  O  Y  T  I  ü  N  nXo'jTicov 
A    Y    K    I    O    Z  A6>tio;. 

'Ettl  [j-ix,pou  (üiOpo'j  äyz'XixaTo;. 

21.  AHMYAOYZAMIOY 

EYEPFETAKAI 
TAZTYNAIK   O   Z 
A0ANOKAEIAZ(t)AZHAITY 

Ayi(X'jXou  Safxiou 

£Ü£py£Ta    AXi 

Ta;  yuvaDcö; 
'Aöavo/clEia;  $aGy)>.iT[iSo?. 

'PoStvT)  Trpö?  tÖ  Map'/r7iov  töv   'Ayidiv    'Avapyupwv. 

22.  =  E  N  a  N  S£Vü)v 
E  r  r  E  N  H  Z                iyyev-;)?. 

'Eti  [xr/cpoo  ßxOpO'j  ö.yoc'Xii.ocTo;,   £t;  tÖ  MapxTiQv   'Ay.    'Avapyu- 


76  MISCELLEN 

23.  0  I  A  H  T  O  Y  $ayiTOu 

AAEZANAPEftZ  'AT^e^avSpsw?. 

'EtcI  {ADtpoö  ßaOpou  äyaXp,aTo;. 

24. 


26. 


Z  n  1  2  1  A  A  2 

.  .  .  .  ?  IIi'TiSac 

rOZX AI PE 

.  .  .  t]o;  yoCipt. 

A  A  K  1 

'Alxi^  .... 

ANI  O  Y 

aviou. 

N  1  K  O  A  A  Z 

Nix.6>va; 

(j)  P  Y  Z 

4>p6^. 

'Ev  'Ep|i.ou;:dX£i  Supou. 


ÜEPIKAHS    r.    ZEPAENTHS. 


C.  I.   A.   II  605. 
Briefliche  Mittheiliing.) 


Dans  votre  petit  article  insere  dans  les  Mittheil.  VIII  p.382 
vous  restituez  im  passage  de  la  liste  des  proxenes  publiee  pur 
HaussouUier  en  la  rapprochant  d'iine  inscriptinn  Attique  et 
vous  ernyez  que  la  ville  qui  y  est  nommee  doit  etre  Laodicee 
du  Lyons.  Mais  le  decret  de  Delphes  publie  par  Le  Bas  n. 
880  me  semble  prouver  que  ce  n'est  pas  ainsi:  il  est  fait  en 
l'honneur  de  Aiicatapp;  «^tXwviSa  AaoSr/.eü;  qui  doit  etre  iden- 
tique  avec  un  des  deux  freres  de  la  liste  des  proxenes;  or  il 
est  dit  dans  ce  decret,  que  Aixa(ap/o;  cuvepyei;  {xetoc  Trxcvi?  Trpo- 
Öu{;-ia?  toi?  äcpuvoufxevot;  A£l(pwv  ttoti  tov  ßadtXe'a  'AvTio;(_ov  et 
qu'il  est  citoyen  de  Laodicee  ttotL  ^aXxaaoc,  c'est  ä  dire  de  L. 
de  Syrie.  De  la  sorte  les  ßac^ast;  nommes  dans  l'inscription 
AttK^ue  doivent  etre  ceux  de  Syrie. 

B.  LATISCHEW. 


MISCELLEN  T7 


Wäscher  und  Waschfrauen  in  Athen, 


^KIKVeEPUV/^TPIAAEKATE/^A/^EeEKEA' 


Die  vorstehende  Inschrift,  zu  lesen  Sp>t'jG-o  TüXuvxpia  ^v/.x- 
T71V  äv£Orix.£v,  ist  rund  um  einen  Untersatz  eingegraben,  der 
vielleiclit  ein  -cpippxvTopiov  gelragen  hat.  Sie  war  im  Bau- 
schutt des  Parthenon  vergraben  und  reicht  sicher  in  das  sech- 
ste Jahrhundert  zurüci^.  Die  Verbindung  d -r  Standesangabe 
mit  Personennamen  ist  in  der  attischen  Epigraphik,  nament- 
lich wenn  man  von  der  römischen  Zeit  absieht,  ausserordent- 
lich selten.  Doch  sind  von  dieser  Regel  drei  Stände  auszu- 
nehmen, nemlich  die  Äerzte,  die  Schauspieler  und  die  Wä- 
scher. Die  Aerzte  werden  nicht  nur  in  Grab-  nnd  Weihin- 
schriften (vgl.  C.I.  A.  II  83")  Frg.  c-/  Z.  13,836  Frg.  c-Ä-  Z. 
17)  sondern  auch  in  privatrechtlichen  Urkunden  (ebda.  1149) 
als  solche  bezeichnet.  Was  die  Wäscher  anlangt,  so  ist  die 
Weihinschrift  der  zwölf  7ü)^'jvr,?  (darunter  2  Frauen)  an  dem  jetzt 
in  Berlin  befindlichen  Relief  Nani  (C.  /.  G.  455)  aus  der  er- 
sten Hälfte  des  4len  Jahrb.  längst  bekannt,  unedirt  meines 
Wissens  die  nachstehende  Grabschrift: 


O  N  H  5:  I  M  O  2  'OvyicifJLo? 

P  A  Y  N  E  Y  s:  ttluveu?. 


Damit  ist  zu  verbinden  die  der  Inschrift  der  Smikythe  gleich- 
altrige VVeihinschrift  des  xvoccpeu;  Simon  C.  I.  A.  I  St^/jp/.  373/*. 
Die  Erscheinung,  dass  gerade  den  Namen  der  Aerzte,  Schau- 


IS  MISÖELLEN 

Spieler  und  Wäscher  iii  den  Inschriften  die  Angabe  des  Ge- 
werbes beigefügt  wird,  scheint  sich  aus  der  Bedeutung  zu  er- 
klären, welche  jene  drei  Stände  jeder  in  seiner  Art  für  das 
bürgerliche  Leben  des  alten  Athen  hatten.  Die  Gleichstellung 
der  Aerzle  mit  den  Waschfrauen,  die  darin  zu  liegen  scheint, 
darf  keinen  Anstoss  erregen;  vom  antiken  Standpunkt  aus 
waren  die  Einen  und  die  Andern  Banausen  ^ 

ULRICH  KOEHLER. 


Litteratur  und  Funde. 


Der  diesjährige  Winter  ist  an  archäologischen  Funden  ver- 
gleichsweise unfruchtbar  gewesen.  Die  Ausgrabungen  der  ar- 
chäologischen Gesellschaft  wurden  während  der  unfreundlich- 
sten Monate  unterbrochen.  Indess  sind  zwei  interessante  Ent- 
deckungen gemacht  worden.  In  Epidauros  hat  Hr.  Kabba- 
dias  in  einer  der  früher  aufgefundenen  Inschriften  die  voll- 
ständige Bauurkunde  des  Haupttempels  des  Heiligthums  er- 
kannt. Es  ist  dies  die  dritte  umfangreiche  Bauinschrift,  wel- 
che seit  dem  J.  1882  zum  Vorschein  gekommen  ist.  In  das 
Gebiet  der  alten  Architektur  gehört  auch  die  zweite  Entde- 
ckung die  in  den  letzten  Monaten  gemacht  worden  ist.  Bei 
der  Untersuchung;  des  Innenraumes  des  Telesterions  von 
Eleusis  ist  Hr.  Philios  auf  die  Fundamente  eines  älteren 
Baues  gestossen,  welcher  durch  den  Bau  des  Koroibos  ersetzt 
worden  ist. —  Die  Arbeiten  auf  der  Akropolis  sind  in  Folge 
der  längeren    Krankheit  und  des   Todes  des  Hrn.  Stamatakis 


<  Wenn  in  den  Listen  geweititer  Schalen  ( C  I.  A.  II  768  ff.,  u.  S.512) 
die  Stifter  durctigeliends  nacli  dem  Wolinort  und  dem  Gewerbe  bezeiclinet 
sind,  so  tiängl  das  unzweifelhaft  mit  dem  Ursprung  jener  Listen  zusammen, 
der  noch  immer  nicht  vollständig  aufgeklärt  ist. 


MISGELLEN  19 

ins  Stocken  «eralhen.  Die  Anerivenniing-,  welche  die  langjäli- 
rige  amlliclie  Tliiiligkeil  des  Versloi-Itenen  als  l-lplioros  und 
zuletzt  General  -  Kplioros  der  Allei-lhiinier  sowolil  wie  sein 
schlichter  und  ehrenwerther  f-liaraktcr  hei  seinen  I^andsleu- 
ten  gefunilen  hatte,  ist  hei  seinem  Begrähniss  in  imposanter 
Weise  zu  Tage  getreten. 

An  dein  Wege,  der  nordwärts  von  Athen  nach  dem  Dorfe 
Kolokythu  führt,  sind  von  Arbeitern  einige  Grabsteine 
späterer  Zeit  ausgegraben  worden,  lieber  den  Fund  eines  al- 
ten Grabes  am  Fusse  des  Lykabettos  ist  bisher  Näheres  nicht 
in  die  Oeffentlichkeit  gedrungen. 

In  Saloniki  sollen  nach  einer  kurzen  Zeitungsnotiz  Reste 
eines  alten  Thores  freigelegt  worden  sein. 

'E<pYi[;.6pi(;  (xp^aioXoyix,ri  1884  Heft  IV':  St.  A.  KoujjLavouSyii;, 
'Atti/cöv  tj/7](pi(j[;.a  (mit  1  Tafel). —  Xp.  T(70'jvTa?,  'Exiypacpr/  e^ 
'A/.poTgöXeco;  (mit  1  Tafel). —  T.  NspoOrTOi;,  !l]r,[X£iü)a£i;  £~i  Sex.y. 
{y.o[7-i(xi;  (mit  1  Tafel). —  A.  «I'i'Xto;,  VlDTz-zix.  e;  'EXeurjtvo;  (mit  1 
Tafel). —  I.  X.  ApayxT(j'/i;,  'ETüiyparpat  ex  FletpaKÜi;- —  K.  Kapa- 
Tcävo;,  'O  v(xö;  tou  'AtcoX'Xwvo;  TTrepTeXeocTOu. —  I.  IlavTa^iöTit;, 
Bpaj(_£t;at  fj'ri[j.Hbiai.i^  dq  xiva?  i^  'KIvjcXvoi;  eTriypacpxg. —  Su!7.p:.i/CTa. 

Bull,  de  corr.  Hell-  1885  H.  I:  Haussoullier,  Inscriptions  de 
Crete. —  üiehl,  La  pierre  de  Cana. —  Collignon,  Bronze  grec 
du  Musee  de  Tschinli- Kiosk  ä  Constanlinople  (mit  1  Tafel). — 
Cousin  u.  Durbach,  Insaiptions  de  Leinnos. — Blavette,  Legende 
du  plan  d'Eleusis  (mit  i  Tafel). —  Paris  u.  HoUeaux,  Inscrip- 
tions de  Carte. 

Bull,  de  corr.  Hell.  1885  H.  11:  HoUeaux  u.  Diehl,  inscrip- 
tions de  rtle  de  Hliodes. —  Clerc,  Inscription  de  Nysa. —  Miller, 
Inscriptions  grecques  de  l'Egypte. —  Paris,  Inscription  choragi- 
que  de  Delos. —  Fottier  u.  Keinach,  Nike  et  Psyche  (mit  2  Ta- 
feln).—  Cousin,  inscription  du  Musee  de  Constanlinople . —  Bi- 
bliographie. 


80  MlSCELLEN 

Bull,  de  corr.  Hell.  1885  III:  Pottier  li.  Reinach,  Fouitles 
dans  la  necropole  de  Myrma. —  Diehl,  Peintures  Byzantines  de 
ntalie  meridionale . —  Foiicart,  Inscri/dions  de  Thessalie. —  Pa- 
ris, Nouveau  fragment  de  l'Edit  de  Üiocletien. —  Mat'lha,  Cas- 
tor  et  Pollux  (mit  1  Tafel). —  Mylonas,  Inscriptions  de  Laco- 
nie. —  Coiiignon,  Miroir  grec  du  Musee  du  Louvre  (mit  2  Ta- 
feln). 

OapvadToc  T6[x.  0'  t£u/.  ß'  S.  155  bespricht  M.  P.  Lam- 
pros  ein  im  Leipziger  Hesperos  (Heft  74  N"  30)  publicirtes 
aus  Kypern  stammendes  angeblich  antikes  Reliefbild  der 
Athena  aus  Bronze  und  beweist,  dass  dies  eins  der  Aufbilder 
sei,  welche  die  unter  der  englischen  Oberherrschaft  1810  in 
der  Eptanesos  gebildeten  griechischen  Regimenter  auf  Helm 
und  Waffengürtel  trugen. 

K(i)V(TT.  N.  K(i)(7Ty5(;,  riepl  äSix,7)[xa.To:  xal  t^oivt^?  ev  ir\  apj^aiac 
£>.\"/lvi)tf,  TpaywSia.    'AOrivriCi,  TuTcoyp.   llaT^iyyeveaia.   1885. 

'I.  Sa;cx.£).icov,  ToO  f/,ax.apt(i)TiTOu  0£oScop7]TOu,  irciay.OTZou  Ku- 
pon, £7Ct<7To'Xai  S'joiv    SEOUTaiv  TCEVTVjxovTa  EX.  OaTpaKoö   ^£ipoypa- 

<pOU    TE'jyO'J?  VUV    T^pdiTOV    T'JTVOIC    £/cSt.S6[7.£Vat.     'AO-OVYiTl,    TUTCOyp.   TÖV 

'AS£).(pwv  ÜEppr,,  1885. 

Mapy.  r.  A'/iuLiTca?,  'I(7T0pia  Tvi?  'Al£^avSp£ia;  aTro  ty)?  xti- 
«T£w;  {Jt.£/pi  TYi;  uTTO  Töiv  'Apä€(ov  xaTax.T7ic;£(ii;  ocuTri?.  Metoc  totto- 
ypa(pi>tou  ^apTOu.  'Ev  'A6-/ivai;  ex.  toO  xuTroypacpEiou  "  6  üala^ar)- 
^Ti;"  1885. 

Mapy.  r.  AripTca«;,  ÜEpioSEia  Tvi?  AiyouTOu.  'Ev  'Aörivat;  £>t 
ToG  TUTToypy.cpEiO'j  S.  11 .    'lacEp'.iSou   1885. 


(April  1885.) 


Dioskurenartige  Gottheiten. 

(Taf.  IV.) 

K.  Gerhard  hat  in  der  Archacolon^isclien  Zeitung  18G5  Taf. 
CXCIX  eine  in  Kyzikos  gefundene  Terrakotte  aus  dem  Besitz 
G.  Perrots  veröffentlicht,  welche  durch  die  Seltsannkeit  der 
Darstellung  den  Anlass  gab  drei  analoge  Stücke,  zwei  aus 
dem  hiesigen  Museum  der  Arcliaeolo'nschen  Gesellschaft,  ein 
drittes  aus  dem  Museum  zu  Olympia  hier  mitzuteilen.  Jene 
Perrotsche  Terrakotte  stellt  zwei  nackte  Knaben  im  frühesten 
Kindesalter  dar,  mit  den  pausbackigen  Köpfen  eng  an  einan- 
der geschmiegt,  die  inneren  Arme  sich  gegenseitig  um  die 
Schultern  legend  wie  Kitylos  und  Dermys  auf  der  bekannten 
böotischen  Grabstele.  Sie  sitzen  auf  einem  mit  hohem  Polster 
belegten  Stuhl  mit  zwei  Seitenlehnen  (?),  um  deren  rechte 
der  rechts  sitzende  Knabe  den  rechten  Arm  hinten  herumzu- 
legen scheint.  Das  unlere  Stück  der  Vorderseite  ist  heraus- 
gebrochen:  die  Rückseite  bis  auf  die  rechte,  untere  Ecke  gut 
erhalten.  Die  drallen,  derben  Kinderkörper  sind  völlig  nackt, 
die  Köpfe  schmücken  hinten  gefranste  phrygische  Spitzmüt- 
zen, deren  lange  Laschen  über  ihre  äusseren  Schultern,  hin- 
ler den  deutlich  ausgeprägten  Ohren  herabfallen.  Der  Ge- 
sichtsausdruck erscheint  derb  kindlich  und  natürlich.  Gerhard 
deutet  die  Knaben  auf  Dioskuren  a.  a.  0.  S.  66.  Er  erinnert 
dabei  an  die  Eigenartigkeit  der  Idole  der  Stadt  Kyzikos  und 
an  die  für  Daktylen  und  Kabiren  übliche  Darstellung  in 
zwerghafter  Kindesgestalt  ^  Zur  Vergleichung  mit  jener  Ky- 
zikener  Terrakotte  mögen  vorerst  die  auf  Tafel  IV  1.2  in  na- 
türlicher Grösse  abgebildeten  Stücke  aus  Böotien  dienen, wel- 


'  Über  welche,  soviel  ich  sehe,  etwas  Sicheres  nicht  überliefert  ist.  Stellen 
wie  Herod.  III  37  Paus.  VIII  31,  3  Diod.  V  64  sind  nicht  beweisend. 

MITTH.  D.  ABOH.   US'ST.  X.  ß 


82  dioskurenartiCtE  Gottheiten 

che  beweisen  dass  jene  Art  der  Darstellung  keineswegs  spezi- 
jQsch  Kyzikenisch  war. 

Das  erste  Stücke  ein  grauschwarzes  Terrakottaläfelchen 
aus  Theben,  N"  482  der  Sammlung,  0,01)5'"  lang,  0,05™  breit, 
die  grösste  Dicke  ist  etwa  0,01'",  war  etwas  unterhalb  der 
Mitte  entzweigebrochen:  die  untere  Hälfte  ist  vom  Brand  ge- 
schwärzt—  die  Feuerspuren  sind  unverkennbar  — die  obere 
sieht  grau  aus.  Das  Täfelchen,  dessen  Uückseile  völlig  glatt 
ist,  stellt  eine  Art  von  Tragbett  dar,  auf  dem  zwei  kleine 
Kinder  gebettet  sind.  Man  erkennt  zwei  mit  Tuch  überklei- 
dete Hölzer,  zwischen  denen  ein  Tuch  gespannt  zu  sein 
scheint,  das  oben  und  unten  wie  zur  Verzierung  mehr  oder 
weniger  regelmässige,  rundliche  Ausschnitte  zeigt:  unter  dem 
Kopf  der  beiden  Kinder  liegt  ein  Kopfkissen  von  der  Gestalt 
eines  länglichen  Rechtecks.  Diese  selbst  sind,  jedes  für  sich, 
vom  Hals  bis  zu  den  Füssen  in  ein  Tuch  eingewickelt  und 
darüber  noch  in  je  einen  Umschlag  eingehüllt,  der  vom  Hals 
an  zu  halbmondartigen  Falten  sich  formend  in  der  Gegend 
der  Füsse  sich  nach  unten  spifzwinklich  auf  den  beiden  erst- 
genannten, viereckig  gefalteten  Tüchern  abhebt.  Ihre  Köpfe 
sind  mit  spitzen  Hüten  bedeckt,  an  denen,  wie  gleichermas- 
sen  an  dem  Kopfkissen  Spuren  roter  Farbe  deutlich  erhalten 
sind.  Der  linksliegende  Knabe,  rechts  vom  Beschauer,  er- 
scheint etwas  kräftiger  gebildet  als  sein  Zwillingsbruder:  sein 
Hut  ist  um  einen  kugelartigen  Ansatz  höher  als  der  andere 

Das  andere  Stück  2,  W  21*2  der  Sammlung,  ist  ungewisser 
Provenienz:  wahrscheinlich  stammt  es  aber  nach  der  Aussage 
des  Conservators  des  Museums,  Herrn  Kumanudis,  ebenfalls 
aus  Boeotien.  Höhe  und  Länge  0,08'",  Breite  0,035'".  Auf  ei- 
ner Kline   sitzen   nebeneinander  zwei    kleine  Knaben.   Beide 


'  Beschrieben  von  J.  Martha,  Caialogue  des  jigurines  en  terre  cuile  du  mu- 
s6e  de  la  socieU  archiologique  d'Atkenes  1880  S.  78  N'^  415,  der  die  Farbspu- 
ren und  den  Bruch  übersehen  zu  haben  scheint. 

2  Martha  a.  a.  O.  8.  195  N"  909.  Die  roten  Farbspuren  an  den  Hüten  hat 
er  übersehen  :  die  Spuren  von  Gelb,  die  er  als  an  den  Füssen  der  Kline  be- 
üadlich  augiebt,  kann  ich  nicht  für  Farbspureu  halten. 


blOSKURENARTIGE  GOTTHEITEN 


83 


tragen  den  Pilos  und  das  Himation,  unter  diesem  erkennt 
man  bei  beiden  die  Kniee  und  den  rechten  Arm,  den  der 
rechts  sitzende  aufsein  rechtes  Kniee  leijt;  der  andere  legt  den 
rechten  Unterarm  quer  über  die  Brust  nacli  der  linken  Schul- 
ter zu.  Der  nach  innen  umgeschlagene  Saum  ihres  Himations 
zieht  sich  bei  beiden  von  der  rechten  Schulter  nach  der  lin- 
ken Hüfte  herab:  der  sichtbare  untergeschlagene  Teil  des  bis 
zu  den  Füssen  reichenden  Gewandes  steht  mit  seinen  drei  bis 
vier  Falten  senkrecht  auf  jenem  Saum,  Auch  hier  erscheint 
der  links  sitzende  Knabe  etwas  kräftiger  gebildet  und  ist  durch 
einen  grösseren  Hut  vor  dem  andern  ausgezeichnet.  Wie  die 
Farbspuren  beweisen,  waren  auch  hier  die  Hüte  rot  bemalt: 
ein  grösserer  Rest  von  Blau  befindet  sich  auf  der  Kline  und 
eine  Spur  von  Hot  in  dem  Gesicht  der  Knaben.  Die  Rückseite 
der  Terrakotte  ist  roh:  man  kann  niclit  erkennen,  worauf  die 
Knabon  sitzen.  Die  Farbe  des  Materials  ist  braunrot. 

Imu  drittes  Exemplar,  von  dem  nach  einer  Zeichnung  mei- 
nes Freundes  Fabricius  eine  Skizze  in  natürlicher  Grösse  hier 
im  Text  gegeben  ist,  fand  sich  im   Museum  zu  Olympia.  Es 


ist   ein  Stück   aus  rötlich    braunf^m  Thon,  0,055'"  hoch   und 


M  ÖIOSKUhENAR'TmE  GOTTHEITEN 

ebenso  breit:  Inventar  no.  74.  Gefunden  wurde  dasselbe  in 
dem  Westgraben,  an  der  byzantinischen  Westmauer:  die  un- 
tere Hälfte  ist  weggebrochen. Innerhalb  einer  oben  giebelartig 
abgeschlossenen  Umrahmung  liegen  bis  über  die  Ohren  in 
Windeln  eingehüllt  zwei  kleine  Kinder:  hier  erscheint  das 
rechtsliegende  grösser  gebildet.  Die  zwei  kreuzweise  über  ihre 
Brust  ausgespannten  Bänder  haben,  wie  es  scheint,  den  Zweck 
sie  auf  ihrem  gemeinsamen  Bett  festzuhalten. 

Die  Analogie  dieser  drei  Stücke  mit  jener  Terrakotte  aus 
Kyzikos  ist  einleuchtend  und  klar  die  Absicht  der  Verfertiger 
aller  dieser  Stücke  Zwillinge  darzustellen:  die  Deutung  der- 
selben ist  aber  schwierig  und  ungewiss  und  der  Zweck  dieser 
Abhandlung  ist  mehr  der  auf  diese  sicherlich  in  noch  vielen 
Exemplaren  vertretene  Gattung  von  Monumenten  aufmerksam 
zu  machen,  als  eine  endgültige  Deutung  derselben  zu  geben. 
Fragen  wir, was  für  Zwillinge  dargestellt  seien,  so  wird  schon 
durch  die  Verschiedenheit  des  Fundorts  bei  einer  so  gleich- 
artigen Darstellung  der  Gedanke  an  Genre  abgewiesen.  Es 
wäre  dagegen  wohl  denkbar,  dass  Eltern  nach  der  Geburt 
von  Zwillingen,  um  deren  Gesundheit  es  nahe  lag  besonders 
besorgt  zu  sein,  derartige  Bildchen  in  dem  Tempel  irgend  ei- 
ner Gottheit  aufzustellen  pflegten.  Bedenkt  man  jedoch  die 
vielerwähnte  Unfruchtbarkeit  der  Ehen  im  Altertum ,  die 
Aengstlichkeit,  mit  der  man  im  Altertum  auf  geringe  Anzahl 
von  Kindern  bedacht  war  (Hermann- Blümner  Gr.  Privatal- 
tertümer S.  278)  und  demnach  Zwillingsgeburten  nicht  ge- 
rade als  freudiges  Ereigniss  begrüssen  mochte,  endlich  die  re- 
lative Seltenheit  von  Zwillingsgeburten  überhaupt,  so  hat  bei 
der  Verschiedenheit  des  Fundorts  eine  derartige  Annahme  we- 
nig V^'ahrscheinlichkeit  für  sich.  Es  sind  also  göttliche  Zwil- 
lingsknaben—an die  Letokinder  zu  denken  berechtigt  nichts 
—  gewiss  Aiö;  /.oupoi,  wie  Gerhard  deutete,  aber  nicht  die 
Söhne  der  Leda,  von  deren  Kult  oder  Sage  in  Boeotien  nir- 
gends eine  Spur  zu  bemerken  ist.  Auch  sind  nicht  die  Spitz- 
mülzen,  mit  denen  wir  oft  bei  Terrakotten  und  auf  Grabre- 


DIOSKÜRENARTIGE  GOTTHEITEN  85 

liefs*  die  Köpfe  kleiner  Kinder  bedeckt  sehen,  das  entschei- 
dende: vielmehr  können  wir  ebenso  wie  Phitarch  {de  [rat. 
amore  1 )  über  das  Bihl  der  Tyndariden  zu  Sparta  so  über  diese 
Terrakotten  sagen,  dass  So>t£T  roi  'pi'XaSe'Xcpo)  twv  9eoiv  otx.£Tov  ei- 
voci  Tou  äva6ri[AaTo?  to  /.oivöv  y.ai  iSiaipeTov.  Bemerkenswert  ist, 
dass,  wie  oben  schon  erwähnt,  ebenso  in  diesen  l'^rzeugnissen 
des  niederen  Kunstliandvverks,  wie  auf  Gemälden,  Vasenbil- 
dern und  Skulpturen  jeder  Art  bei  Darstellungen  der  Tynda- 
riden und  des  Amphion  und  Zethos,  das  Bestreben  klar  her- 
vortritt, den  einen  der  Zwillinge  in  irgendwelcher  Weise  vor 
dem  anderen  hervorzuheben  und  auszuzeichnen  :  darüber  ge- 
nüge es  zu  verweisen  auf  Welcker  Götterlehre  II  S.  427,  Alte 
Denkmäler  I  S.  359.  369, von  Paucker  in  der  Arch.  Zeit.1853 
S.  134,  Mercklin  ebenda  1854  S.  255. 

lieber  ganz  Griechenland  und  die  Kolonien  ist  der  alt  in- 
dogermanische Kult^  von  Götterzwillingen  verbreitet,  von 
zwei  jugendliehen  Lichtgöttern,  die  stets  eine  unzertrennbare 
Einheit  bilden,  selbst  dann  noch  w-enn  sie  zu  Heroen  ver- 
blasst,  durch  die  Sage  immer  mehr  unter  einander  geschieden 
wurden  und  durch  Sondernamen  und  Sondereigenschaften 
sich  mehr  und  mehr  von  ihrer  ursprünglichen  Gleichheit  ent- 
fernten. Das  berühmteste  dieser  Götterzwillinge  ist  das  spar- 
tanisch-messenische Brüderpar  der  Tyndariden,  die,  ursprüng- 
lich sicher  einander  gleich  wie  die  beiden  Balken,  ihr  altes 
Kullbild  in  Sparta 2,  durch  Sage  und  Dichtung,  die  von  einem 
Kastor  und  einem  Polydeukes  zu  erzählen  nicht  müde  ward, 
sich  nach  und  nach  trennten.  Aber  wo  Sage  und  Dichtung 
nicht  in  gleicher  Weise  tätig  war,  ging  diese  Scheidung  nicht 
vor  sich.  Auf  der  Insel  Pephnos,  der  Geburtsstätte  der  Dioscu- 
ren  nach  Alkman  und  der  Landessage  standen  nach  Paus.  III 
2(),  3  äy7.>v[j.aTa  AiOfj/.o'jpwv  yoCkxoi  [j-sysÖo;  TwoSiala  ev  'j~ai9p(i> 
xTii  v-^ciSo?.  Hier  sind  es  noch  sicher  Dioskuren :  aber  in  ßra- 


<  Arcliaeol.  Zeit.  1845  Taf.  XXXIV  Koerte  Mittheilungen  III  S.  325  und 
öfters. 

2  Welcker  Gr.  Götterlehre  I  S  607. 

3  Die  ooxava,  Plut.  de  (rat.  amore  \. 


86  DIOSKURENARTIGE    GOTTHKITEM    - 

siae  scheinen  es  nur  verwandte  Götter  zu  sein  III  24,  5:  a/.oa 

0  £'(TTi  £v  xaT;  BpocGtai?  [^.'//.py.,  Trpoeyo'jTa  'öcey.a  s;  ttiv  OyAaTTav 
x,al  ETr'a'jT'^  yjx.'k-/.r>X  xoöiaiQv  iaTrr/.y.niv  oO  ixsi^ovs;,  tti^ou;  et:»,  rai? 
y.£<pa>aT;  e^ovxe?-  oü/.  oiSa,  et  AtOTx.O'jpou;  c;'pa.c  Yj  Kop'j^avTa:  voai- 
Co'jC)i.  Diese  kleinen  nur  einen  Fuss  hohen  Broncebildchen  mit 
den  Spitzmützen,  deren  Kleinheit  dadurch,  dass  sie  im  Freien 
standen  doppelt  auffallen  musste,  müssen  einen  ähnlichen 
Eindruck  gemacht  haben  wie  unsere  Terrakotten.  Aehnlich 
berichtet  Pausanias  X  38,  7  über  Amphissa  in  Lokris  :  "Ayo'j<7i 
0£  y,al  xeT^eTYiv  oi  'Ai/jj^iaan^  ävx/wTwv  Xwaloufxsvwv  TraiSwv  oiTtve; 
ö£  Beöv  £irriv  ol  avaxT£(;  to-TSe?  oü  /.axa  Ta'jxa  ectiv  £ip7)[;ivov,  ä»öt 
£tvai  Aio<7xoupo'j?,  Ol  Se  Ko'jpYixa?,  ol  Sk  ttIeov  ti  E-i'jTa'jöai  vo^xi- 
^ovT£;  Ka^Eipou;  liyo^jm.  Einen  ähnlichen  Kult  erwähnt  er  X 
33,6  bei  den  Charadraern  in  Phokis :  XapaSpaiot?  Se  yipwwv 
xaloupJvcov  Eirrlv  £v  T'?i  ocyopa  ß(0[/.oi  /,ai   auroü;  ol  [xev  Aioaxoupwv, 

01  Se  l-xij^ciipioiv  Eivai  (pacrtv  7)pwcov.  An  den  erwähnten  Orten  ist 
der  Kult  der  Götterzwillinge  noch  in  seiner  ursprünglichen, 
namenlosen  Unbestimmtheit  erhalten  gewesen  :  anderswo  wer- 
den, wie  bei  den  Athenern  die  ursprünglich  selbstständigen 
attischen  avax.E?  oder  avaxol,  die  alten  göttlichen  Brüder  durch 
mächtige  Einflüsse  spartanischer  Kulte  von  den  Tyndariden 
absorbiert*  oder  sie  sinken,  wie  die  Aphariden,  Aktoriden, 
Aloaden  und  die  vielen  Brüder-  und  Freundespare  der  Hel- 
densage zu  einfachen  Heroen  herab  2. 

Unsere  aus  den  verschiedensten  Teilen  der  griechischen 
Welt  stammenden  Terrakotten  setzen,  wie  es  scheint,  einen 
dem  Lokalkult  jener  avax.T£;  Trai^E?  von  Amphissa  in  seiner 
Unbestimmtheit  etwa  entsprechenden  Kult  eines  göttlichen 
Zwillingspares  voraus,  der  eine  weite  Verbreitung  gehabt  ha- 
ben muss  und  von  dem  in  der  litterarischen  Ueberlief'erung 
kein  Zeugniss  erhalten  zu  sein  scheint.  Zwar  können  wir  an 
den  drei  Fundorten,  in  Kyzikos,  in  Olympia  und  in  Theben, 
überhaupt  in  Boeotien  Dioskurenkulte  nachweisen:  dieselben 


<  Preller  Gr.  Myth.  II  104  Welcker  Arch.  Zeit.  1854  S.  279. 

3  Mehr  derartige  Götterzwillinge  bei  Gerhard  Gr.  Mylh.  I  §:  161-167. 


DIOSKUnENARTiriK    OOTTHRfTEX  87 

sind  aber  sehr  hotoroo-ener  Natur,  während  docli  jene  Terra- 
kotten als  ziisaninu'nii;('hötM|L!;  zu  hetraehlen  sind.  In  der  llip- 
paphesis  in  Olympia  erwjilmt  Paiisanias  V  15,  5  einen  Altar 
der  Dioskiiren  zusainnu'ii  mit  Allaren  des  Poseidon  llippios 
lind  der  Hera  Hippia:  es  sind  dies  wohl  die  rossetnmmeln- 
den  Tyndariden,  die  ja  auch  einst  in  Olympia  den  Siej;  da- 
von<>et ragen  (Paus.  V  8,  4).  Auf  einen  Dioskurtmkult  in  Ky- 
zikos  lassen  abijjesehen  von  der  Argonautensage  (vgl.  Gerhard 
Arch.  Zeit,  ist;,')  S  (h  )  besonders  die  Kaisermünzen  der  Stadt 
mit  Sicherheit  schliessen,  welche  das  Bild  derselben  aufwei- 
sen :  Mionnet  Sup}d.  V  S.  326  no.  281  S.  335  no.  347.  349. 
Es  sind  dies  aber  wohl  die  Osoi  [xiyi'koi  rrcoTTipe;,  die  Schiff- 
fahrtsgötter von  Samothrake,  die,  ungewiss  wann,  mit  den 
Tyndariden  zu  einem  Götterpar  verschmolzen  wurden  und 
denen  auch  die  zur  See  mächtigen  Kyzikener  ihre  Verehrung 
bezeugen  (C.  /.  G.  2157.  2158.  Conze  Reisen  auf  d.  Inseln  d. 
Thrak.  Meeres  S.65.  70).  Ganz  anderer  Art  ist  aber  der  Dios- 
kurenkult  in  Theben,  überhaupt  in  Boeotien  und  einem  Teil 
von  Phokis.  Dort  hat  sich  ein  selbstständiger  Kult  der  genann- 
ten Art  erhalten,  der  Kult  der  Söhne  des  Zeus  und  der  An- 
tiope,  welche  dieselbe  Rolle  in  der  thebanischen  Sage  spielen, 
wie  die  italischen  Dioskuren  Romulus  und  Remus  in  der  rö- 
mischen. Sie  führen  den  Namen  Aiö?  xoupoi;  wie  die  Tynda- 
riden und  die  eingeborenen  Aktoriden*  heissen  auch  sie  ^-vj- 
■M-hiloi.  So  berichtet  Hesych  s.  u.  AioTv.oupoi-  ol  'EXevyi?  oL^ik- 
(poi.  ZviOo?  y.y.l  'A7,<pioiv  Is'jy.o-co'Xoi  y,v.\o'j y.i^joi  und  über  die  bei- 
den der  Schol.  Hom.  t  518  outoi  tocc  Q-'n^ctq  oly.oxJm  xpöTov  xal 
xa"XoOvTai  At.ö;  /.oOpoi  >.£'j/.6'nr(oloi.  So  nennt  sie  in  der  Tat  Eu- 
ripides  Herc.  für.  29  Phoen.  GOG.  Bildsäulen  töv  eE  'Av-rio- 
TT'/i?  yevvr,6£VT(ov  Atoax.oopwv  .  .  .  'Ajxcpiwvo;  /,vA  Zr.Oou  von  Tlbe- 
rius  in  Antiochia  errichtet,  erwähnt  Jo.  Malalas  S.  234  d. 
Bonner  Ausg.  Euripides  nennt  sie  noch  Oeol  "Xe'jx.o-toXoi  und 
erwähnt  dabei  ihren  Tempel  in  Theben  Phoen.  (50G :  xal  Oscüv 
Töv  Xe'j>co7rü)"X(ov  S(ö[;.aTa.  Ihr  Kult,  wahrscheinlich  meist  mit  dem 


<  Find.  Pytli.  I  66  Ibykos  bei  Athen.  II  S.  58. 


öö  DIOSKURENARTIGE   GOTTHEITEN 

der  Mutter  verbunden  muss  in  Boeolien  Phokis  Sikyon  weit 
verbreitet  gewesen  sein:  die  Sage  weist  auf  Verehrung  in  Hy- 
ria*  oder  Hysiae,  der  Heimat  der  Antiope^,  in  Sikyon  wohin 
sie  flüchtete^,  in  Eleutherae,  wo  sie  die  Zwillinge  gebar  ^  und 
aussetzte,  in  Eutresis,  wo  diese  auch  die  Mauern  erbaut  ha- 
ben sollen,  bevor  sie  nach  Theben  kamen  ^,  vor  allem  in  The- 
ben selbst  und  in  Tithorea  am  Parnass  in  Phokis.  Bei  den 
Sikyoniern,  welche  die  böotischen  Dioskuren  wie  ihre  Mutter 
als  ihnen  angehörig  ansahen  (Paus.  II  10,  4),  hatte  Antiope 
eine  Statue  im  Tempelbezirk  der  Aphrodite  (Paus.  II  6).  In 
Theben  knüpfte  sich  ihr  HauptkuU  an  das  Grabmal  des  Ze- 
thos  und  Amphion,  das  die  Tragiker  verschiedentlich  erwäh- 
nen^ und  von  dem  Paus.  IX  17,  3  berichtet:  ZtiÖw  Se  pTijxa 
5tal  'Ap.(picovi  £v  Koivoi  yriq  j^Si^i.  Ictiv  oü  [/.eya.  ucpaipeTcöai  Se  eOe- 
"kouaiv  äx'  auToij  tt);  yriq,  ol  TiÖopsav  ev  tti  <S>w}ciSi  e^ovxe;,  eOe- 
7.0'jci  06  ETTSiSäv  tÖv  £v  O'jpavü  Taopov  6  ri'ki.oq  SieEr/)'  Tiov'//cauTOC  yotp 
"^v  äx'  auToü  'XaSovTs;  yviv  tö  'Avtiotttj?  i7,v'/i(;-aTt,  [Trepty-^j/oxyi],  Tt- 
Oopeeudiv  oiati  -/.ocpTrov  y)  ^wpa,  öioSaioi?  Se  O'j^  Of^.oico?.  /.ai  £7rt 
TOUTO)  (ppo'jpäv  ol  ÖioSaiot  t6t£  eyoucri  toö  (xv/jj^aTo;.  Die  Titho- 
reer  wallfahrten  also  viele  Meilen  weit  vom  Parnass  nach 
Theben,  um  die  segenbringende  Erde  vom  Grab  der  Diosku- 
ren zu  erbeuten  und  auf  das  Grab  der  Antiope,  das  bei  ihnen 
war,  niederzulegen'^.  Nach  Stephanus  von  Byzanz  s.  u.  TtOo- 
pea  jedoch  waren  Amphion  und  Zethos  in  Tithorea  selbst  be- 
graben. 

Weder  mit  den    rosselummelnden    Tyndariden,  noch    mit 


<  Steph.  Byz.  s.  u.  Tp^a. 

2  Strab.  IX  404. 

3  ApoUod.  III  5,  5   Hygin.  fab.  7   Schol.  Apoll.  Rhod.  IV  1090. 
->  Paus.  I  38,  9. 

s  Steph.  Byz.  s.  v.  Ei'Tpr)at;  Strab.  IX  411  B. 

6  Aeschyl.  Sept.  509  Eurip.  Phoen.  147  Jahn  Archaeol.  Zeit.  1853  S.  72 
Anm.  21. 

■^  Thebaner  und  Tithoreer  streiten  wohl  in  diesem  Brauch  um  den  Besitz 
des  Grabes;  für  dessen  Besitzergreifung  ist  die  Wegnahme  einer  Erdscholle 
symbolisch  :  vergl.  die  Erzählung  über  den  Tcailöwv  xacpos  bei  den  Chalkidiern 
auf  Euboea  bei  Plut.  quaest.  Graecae  22. 


DJOßKUHIiNAUTlGE   GOTTHEITEN  89 

den  Samothraki sehen  grossen  Göttern  oder  den  Söhnen  der 
Äntiope  haben  unsere  Thonll^uren  irfjjeiid  etwas  zu  tun:  hei 
der  Verschiedenheit  des  Fundorts  schliesst  das  eine  immer 
das  andere  aus.  Sind  dieselben  wirklich  Götterbilder—  wofür 
wie  oben  erwähnt  alles  spricht  —  so  setzen  sie  einen  weitver- 
breiteten Kult  eines  Dioskurenartigen  göttlichen  Zwillingspa- 
res  voraus,  welches  so  originell  und  eigenartig  gewesen  sein 
muss,  wie  seine  uns  eriialtene  Darstellung  handwerkartiger 
Kunst.  Das  Auffallende  eben  an  diesen  vier  Götterbildchen  ist 
die  Darstelluno;  in  Gestalt  kleiner  Kinder.  Man  kann  dabei 
erinnern  an  ähnliche  Darstellungen,  wie  an  die  des  Zeus  als 
Säugling  und  Knaben  (Ovcrbeck  Kiinstrnythologie  Zeus  S. 
194  IT.),  an  Jakchos,  den  Photius  und  Suidas  als  Aiov-j-to;  i-i 
TW  pLa(jT(p  erklären,  an  den  Sosipolis  der  Eleer,  an  Telespho- 
ros  u.  dgl.  m.'.  Man  kann  auch  diese  Art  der  Darstellung 
ähnlich  erklären  wie  die  rohe  Symbolik  flei'  Sö>tava  zu  Sparta: 
es  will  der  Künstler  lediglich  den  Begriff  der  Zwillingschaft 
und  diesen  möglichst  klar  zum  Ausdruck  bringen  und  dies 
geschieht  ungleich  mehr  durch  die  Darstellung  als  kleine  Kin- 
der und  Säuglinge,  welche  nur  eine  gleichzeitige,  gemeinsame 
Geburt  in  der  Weise  paren  konnte,  als  wenn  sie  als  erwach- 
sene Jünglinge  gebildet  waren,  die  wohl  gleichgross  und  ver- 
schiedenen Alters,  Freunde  und  Brüder  sein  konnten-  Die 
vollständig  realistisclie  Ausstatlierung  der  neugeborenen  Göt- 
terzwillinge, die  Kinderhütchen  auf  ihren  Köpfen,  welche  mit 
den  Dioskurenhüten  nichts  zu  tun  haben,  entspricht  vollstän- 
dig dem,  was  Hymn.  in  Apoll-  Del.  V.  120  über  die  Wartung 
des  neugeborenen  Apoll  erzählt  wird.  Sicherlich  wird  erst  eine 
weitere  Bereicherung  des  Materials  die  Erklärung  dieser 
merkwürdioen  Monumente  im  Wesentlichen  sicher  stellen  und 
vielleicht  auch  das  iXichtzusammengehörige  unter  diesen  vier 
Terrakotten  ausscheiden. 


'  So  erwähnt  Cicero  de  cliuin.  II  85  zu  Praeneste  einen  Juppiter  puer,  qui 
lactens  cum  Jiinune  Fortunae  in  gremio  sedens  mammam  appetens  eastissime 
colitur  a  malribus.  Vgl.  die  Terrakotte  bei  Gerhari  Antike  Bildwerke 
Taf.  IV  \ . 


90  DIOSKURENARTIGE   GOTTHEITEN 

Die  Zwillingskinder,  welche  in  der  bildenden  Kunst  am 
meisten  dargestellt  wurden,  waren,  soviel  wir  sehen,  Apoll 
und  Artemis  auf  den  Armen  der  Leto  oder  ihrer  Amme  Or- 
tygia.  Frühzeitig  ward  das  Schema  der  Darstellung  für  die 
Mutter  mit  den  Zwillingen  auf  den  Armen  in  der  Kunst  der- 
art  fixiert,  dass  dieselbe  auf  dem  rechten  und  dem  linken 
Arm  je  eines  der  Kinder  trug:  diese  Art  der  Darstellung  fin- 
den wir  ausschliesslich  auf  Broncen  (Caylus  Recueil  d'antiqui- 
tes  III  Tf.  41,5),  Vasenbiidern  {Elite  des  mon.  ceramographi- 
ques  II  Tf.  1  und  2  Gerhard  Auserlesene  Vasenbilder  I  Taf.55 
Micali  antichi  mon.  TL  So)  und  Münzen  (die  Citate  in  der 
Elite  d-  m.  ceram.  II  S.  7  Imhoof- Blumer  Monnaies  grecques 
S.  285.  412).  Nach  diesem  Schema  war  die  Nacht  mit  Schlaf 
und  Tod  auf  den  Armen  auf  der  Kypseloslade  gebildet  (Paus. 
V  18  1)  und  ebenso  die  Ortygia  des  Skopas  mit  den  Letokin- 
dern  (Strabo  XIV  640).  Eine  verwandte  Darstellung  bietet 
eine  Terrakotte  aus  Boeotien,  von  der  eine  Abbildung  am 
Schluss  dieser  Abhandlung  im  Text  gegeben  ist. 

Das  Stück,  N"  693  der  Sammlung  der  Archaeologischen 
Gesellschaft,  stammt  aus  der  Gegend  des  alten  Thisbe^  Höhe 
0,06™  Breite  0,075"".  Rotbrauner  Thon.  Es  stellt  eine  Frau 
dar,  welche  mit  der  erhobenen  rechten  Hand  das  Gewand, 
das  ihr  um  die  Schullern  und  auf  den  Armen  liegt,  gefasst 
hat;  auf  dem  linken  Arm  trägt  sie  auf  einem  GewandsLück 
zwei  eingewickelte  kleine  Kinder  mit  Mützen  auf  den  Köpfen. 
Der  rechte  Unterarm  ist  unterhalb  des  Handgelenks  abgebro- 
chen, die  linke  Hand  ist  stark  beschädigt,  der  ganze  untere 
Teil  der  Figur  ist  unter  der  nackten  Brust  weggebrochen.  Die 
einzelnen  Harsträhne  sind  in  lockenartigen  Wülsten  anoredeu- 
tet:  eine  Harlocke  oder  wulstige  Harsträhne  fällt  nach  vor- 
nen  über  die  linke  Schulter  auf  die  Brust  lang  herab.  Auf 
den  Haren  sind  Spuren  braunroter  Farbe.  Sorgfältige  Arbeit. 


'  Beschrieben  von  Martha  a.  a.  0.  ö. 


DIOSKURENARTiriK   GOTTHEITEN 


91 


Diese  anmutige  Thonfignr  ist  desslialb  interessant,  weil  sie 
abweichend  von  dem  gewöhnlichen  Schema,  wie  es  die  oben 
erwähnten  Monumente  aufweisen,  eine  Mutter  darstellt,  wel- 
che beide  Kinder  nebeneinander  auf  dem  linken  Arme  trägt. 
Es  ist  dies  eine  Art  der  Darstellung,  wie  sie  schwerlich  der 
Wirklichkeit  entnommen  ist:  die  gewöhnliche  Darstellungs- 
weise, welche  auch  Skopas  für  seire  Ortygia  in  Anwendung 
brachte,  erscheint  weit  naturgemässer.  Der  Bildner  der  Ter- 
rakotte, welcher  sich  bei  seiner  Darstellung  an  das  bekannte 
Schema  der  Mutter  mit  einem  Kinde  auf  dem  linken  Arm  eng 
anschliessen  wollte,  brachte  allerdings  den  Betriff  der  Zwil- 
linge  in  den  beiden  Kindern,  welche  wie  ein  Wesen  auf  dem 
Arm  der  Mutter  nebeneinandergebettet  daliegen,  auf  seine 
Weise  weit  klarer  zum  Ausdruck,  als  wenn  er  sich  an  das 
überlieferte  Schema  gehalten  hätte.  Gegen  die  zunächstlie- 
gende Deutung  auf  Leto  mit  ihren  Kindern  scheint  eben  diese 
Abweichung  von  der  gewöhnlichen  Art  der  Darstellung  zu 
sprechen,  während  für  eine  andere  Deutung,  etwa  auf  Leda 
oder  Antiope,  jeder  Anhaltspunkt  fehlt. 

FRIEDRICH  MARX. 


Alterthümer  auf  Kreta. 
III.   Archaische  Inschriften, 


1.  Die  grösste  der  auf  der  lithographischen  Beilage  zu  die- 
sem Artikel  abgebildeten  Inschriften  stammt  aus  dem  Dorfe 
Priniäs  im  Bezirk  Mylopotamo,  wo  sie  an  der  üeberwöl- 
bung  des  Hofthores  von  dem  Hause  des  Konstantinos  N.  Za- 
charakis  eingemauert  ist.  Priniäs  liegt  wenige  Minuten  süd- 
lich von  den  Ruinen  der  Akropolis  des  alten  Eleutherna 
(vgl.  Spratt,  Travels  in  Crete  II  S  89  ff.,  Thenon  Revue  ar- 
cheol.  n.  s.  XVII  S.  293  ff.).  Der  Block  besteht  aus  Kalkstein 
und  ist  erst  neuerdings  zu  dem  Zweck,  dem  er  jetzt  dient, 
zurechtgehauen  worden,  wobei  ein  beträchtlicher  Theil  der, 
wie  man  mir  sagte,  ursprünglich  viel  grösseren  Inschrift  zer- 
stört worden  ist.  Die  Schrittfläche  scheint  rechteckig  gewe- 
sen zu  sein,  breiter  wie  0,90'°  und  höher  wie  0,60™.  Die 
Buchstaben  sind  sorgfältig  eingehauen;  Schriflhöhe  2(i  (O®) 
bis  35™'°,  Zeilenhöhe  40'°'". 

Hinsichtlich  der  Richtung  der  Zeilen  steht  die  Inschrift  un- 
ter allen  griechischen  Inschriften,  wenn  ich  nicht  irre,  allein 
da:  auf  dem  erhaltenen  Stück  wechselt  je  eine  linksläufige 
mit  je  zwei  rechtsläufigen  Zeilen,  ähnlich  wie  auf  der  marsi- 
schen Bronzeinschrift  vom  Fuciner  See,  wo  Zeile  1,  3  und  4 
nach  rechts,  2  und  5  nach  links  geschrieben  sind.  Diese  Ei- 
genthümlichkeit ,  ein  Vorbote  der  späteren  rechtsläufigen 
Schreibweise,  ist  bei  der  Inschrift  aus  Eleutherna  um  so  auf- 
fallender, als  bei  anderen  kretischen  Inschriften  älterer  Zeit 
die  Neigung  zur  linksläufigen  Schrift  entschieden  vorherrscht. 
Von   links  nach   rechts  sind  die  Columnen   angeordnet  beim 


BEILAGE    ZU    MITTH     D    ARCH     INST.     X.    S     92 

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ALTKRTHUEMER    AUF   KRETA  93 

Gesetz  von  Gortyn,  iiuksiäuiig  6iu(J  dorl  die  ersten  Zeilen  der 
Columnen  eingehauen,  linkslaiifig  fast  alle  allen  einzeiligen 
Inschriften  von  Kreta.  Anderseils  ist  dem  Schriflcharakler 
nach  unsere  Inschrift  kaum  jünger  als  die  Gortynische.  Das 
Alphabet  hat  wieder  nur  18  oder  1*)  Zeichen,  von  denen  [i, 
Y  und  vielleicht  Digamma  und  o  nur  zufällig  nicht  vorkom- 
men. Epsilon  mit  nur  zwei  schrägen  Strichen  F  tritt  hier  zum 
ersten  Mal  auf  griechisclicn  Inschriften  auf.  Pi  hat  die  ge- 
wöhnliche Gestall  P  anstatt  der  in  Gortyn  und  Lytlos  übli- 
chen Form  c,  womit  die  Inschrift  aus  Eleutherna  sich  denen 
.VOR  Axos  anreiht  (/.  G.  A.  480  und  Haussoullier  Bull,  decorr. 
Hell.  IX  (1885)  S.  2),  die  gleichfalls  Pi  in  der  Gestalt  P  zei- 
gen. Die  Bildung  des  lllio  P  in  Zeile  3  neben  der  älteren  F*  Z. 

2  u.  4,  lässt  das  allmähliche  Eindringen  jüngerer  Schriflfor- 
men  erkennen. 

In  der  ersten  linksläufigen  Zeile,  über  der  man  die  Enden 
mehrerer  Hasten  einer  vorhergehenden  Zeile  erkennt,  ist  zu 
lesen:  Aiowoaiav  vevo  und  der  liest  eines  Buchstabens,  viel- 
leicht eines  K;  das  A  ist  sicher.  — Z.  2  beginnt  mit  einer  schrä- 
gen Hasta,  dann  ist  ^  sicher  vor  Ti^aapj(_o;  (der  Name  ist  in 
späterer  Zeit  noch  in  Eleutherna  heimisch,  Polybius  IV  53,2); 
das  folgende  F  ist  wohl  ehr  ri  zu  lesen  und  damit  anzuneh- 
men, dass  das  besondere  Zeichen  für  y)  im  Alphabet  fehle,  als 
zum  Folgenden  — /co'7fy-iü)[v  oder  xo(J[aio[vt  .  . —  zu  ziehen.  —  Z. 

3  erkennt  man  hinter  den  mir  unverständlichen  Buchstaben 
Sic'jpoTToioi,  von  denen  auch  die  ersten  drei  sicher  sind,  rpico- 
Se'Xov  To ;  vgl.  das  Gesetz  von  Gortyn  II  Z.  1."),  wo  ich  irr- 
thümlich  in  der  Umschrift  [ev  öj^slov  für  [öjSeT^ov  ergänzt  habe, 
und  Z.  16  S'j'  oSeXov;.— Z.  4  am  Anfang  kann  sowohl  i^s  wie 
/^ S  gestanden  haben;  das  Weitere  ist  mir  unverständlich, 
hinter  K  P^  5  ®  A  scheint  ^  gestanden  zu  haben.  Am  Schluss 
der  Zeile  ist  vielleicht  zu  lesen:  ai  Sk  StaP,  der  letzte  Buch- 
stabe ist  fast  sicher. —Z.  5  in  der  linken  Hälfte  ist  vor  dem 
ersten  ^  nichts,  nach  ®  ein  F,  in  der  Hälfte  rechts  f=*  A  A'  P 
mit  Sicherheit  zu  erkennen.  —  Z.  6  ist   nur  T  A  sicher,  der 


94  ALTERTHUEMKIl    AUF    KRETA 

Buchstabe  vorher  ist  ganz  verrieben,  nachher  ist  sowohl  N  \ 
möglich,  wie  T  oder  F  '^. 

2.  Kleines  Bruchstück  von  weisslichem  Kalkstein,  im  Stadt- 
gebiet von  Eleutherna  bei  der  Kapelle  Hagia  Irini  aufge- 
lesen. Oben  und  links  Anschlusstläche,  rechts  und  unten 
Bruch,  h.  0,120'"  br.  0,195'".  Die  Schrift  ist  nach  Form  und 
Grösse  ganz  übereinstimmend  mit  der  der  grösseren  Inschrift, 
nur  mehr  verrieben,  beide  Stücke  könnten  einem  und  dem- 
selben Denkmal  angehört  haben. —  In  Z.  1  (rechtsläufig)  liest 
man  [piJaiT'jp-,  Z.  2  (linksläufig)  o  x.ai  to;  das  ^  ist  nach  der 
falschen  Seite  gerichtet,  wie  in  Z.  40  der  ersten  Columne  des 
Gesetzes  von  Gortyn.  Unter  Z.  2  scheint  auf  dem  erhaltenen 
Stück  nichs  mehr  gestanden  zu  haben. 

Das  Fragment  hat  einer  Inschrift  angehört,  die  über  min- 
destens zwei  Schichten  einer  in  regulärem  Quaderbau  ausge- 
führten Wand  eingehauen  war,  und  liefert  damit  einen  neuen 
Beleg  für  die  in  Kreta  besonders  beliebte  Sitte,  Inschriften  auf 
den  Wänden  von  Gebäuden  anzubringen.  Es  verdient  hervor- 
gehoben zu  werden,  dass  die  vor  Kurzem  von  Haussoullier 
publizi.-len  Inschriften  aus  Axos  (s.  o.)  keine  einzelnen  Denk- 
mäler sind,  sondern  ebenfalls  einer  grossen  Wandinschrift  an- 
gehört haben.  Die  Blöcke  sind  nehmlich  nicht,  wie  der  He- 
rausgeber unrichtig  angiebt,  rechteckige  Platten  aus  weissli- 
chem Marmor  {plagues  rectangulaires  de  marbre  blanchätre), 
sondern  polygonale  Blöcke  aus  gewöhnlichem  Kalkstein. 
Aus  einer  etwas  genaueren  Zeichnung  hätte  die  polygonale 
Form  der  Stücke  ersichtlich  sein  müssen.  Die  Inschrift,  der 
alle  von  Haussoullier  sur  la  coUine  qui  domine  le  village  d'Axos 
gesehenen  Bruchstücke  angehören,  stand  also  an  der  in  Po- 
lygonal-Technik  erbauten  Wand  eines  Gebäudes  auf  der  al- 
ten Akropolis. 

3.  Gortyn.  Block  aus  grauem  Kalkstein,  eingemauert  am 
Metochi  des  Rezep  Kutzakis  am  1.  Ufer  des  Lethäus,  8  Minu- 
ten unterhalb  von  der  Fundstelle  der  grossen  Gesetzesinschrift. 
Der  Stein  war  ursprünglich  wohl  Wandquader,  ist  rechts  neu 
behauen,  unten  vielleicht  unvollständig;  br.  0,55™,  h.  0,29™, 


ALTERTHCEMER    AUF    KRETA  95 

t.  0,23™.  Die  Schrift  ist  tiei  aber  weniger  regelmässig  einge- 
hauen,wie  bei  jenem  Denkmal;  Buclistabenhöhe  0,025  —  0,030, 
Zeilenhöhe  ungleich,  ca.  0,0()0"'.  Die  Oberlläche  hat  sehr  ge- 
litten. 

Alphabet  und  Schriftcharakter  zeigen  gegenüber  der  gros- 
sen Inschrift  von  Gortyn  manche  Verschiedenheileii :  E  und  H 
sind  unterschieden,  der  Winkel  zwischen  den  schrägen  Ha- 
sten des  K  ist  viel  spitzer  wie  dort,  die  mittleren  Hasten  von 
M,  die  hinteren  von  nn  und  H  sind  kürzer.  Dagegen  stimmt 
die  Schrift  mit  der  von  Dr.  Halbherr  aufgenommenen  klei- 
neren Geselzesinschrift  an  der  Mauer  nördlich  vom  Rundbau 
(Milth.  W  S.  370)  überein. 

Den  Zusammenhang  vermag  ich  nicht  herzustellen;  nur 
einzelne  Worte  sind  zuerkennen:  Z.  1:  Sei/.aovTi  a-.M ;  der 
letzte  Buchslabe  ist  zweifelhaft.  —  Z.2-3  :  eSJoTO-v  xä.;  Ss/ca  c|Ta- 
T'/ipa;  Toc?;  M  am  Anfang  von  Z-  2  ist  fast  sicher,  ganz  sicher 
das  M  am  Ende  von  Z.  3.  —  Z.  4-5:  e]v  -olT.  laTO<jiot|(;  -/.aTy.- 
8oa7)v  x.  Vielleicht  ist  /.aTaSoiv-ev  zu  lesen,  und  eine  Vertau- 
schung von  E  und  H  anzunehmen,  die  auf  jener  grösseren, 
in  gleicher  Schrift  geschriebenen  Geselzesinschrift  häufig  be- 
gegnet. Sollte  AaToMtoi;  für  laThNioi?  verschrieben  sein?  — Z. 6: 
ava',.  [All  Se  \j:r\  £?  y.\  zwischen  2  und  z  ist  auffallender  W^eise 
keine  Spur  von  dem  A  zu  erkennen;  die  Stelle  sieht  wie  ab- 
sichtlich freigelassen  ai]s. 

4.  Gortyn.  Einzeilige,  linkslaüfig  geschriebene  Inschrift 
auf  einem  Kalksteinblock  von  0,605'"  Länge,  0,30'"  Höhe, 
0,39""  Dicke;  Buchstabenhöhe  OjOB*".  Der  Block  lag  in  einem 
vor  kurzem  zerstörten  Grabe,  das  südlich  vom  Dorfe  Hag. 
Deka,  also  südöstlich  von  der  alten  Stadt,  im  Acker  des  Geor- 
gios  Boskakis  aufgefunden  worden  ist. 

Die  erhaltenen  Ueberreste  des  Grabes  gestatten  seine  ur- 
sprüngliche Einrichtung  vollständig  zu  erkennen.  Darnach 
war  das  Grab  unterirdisch  in  geringer  Tiefe  unter  der  Erdo- 
berfläche angelegt  und  in  vorzüglichem  Quaderbau  ausgeführt. 
Es  bestand  aus  einer  nach  Osten  gerichteten  Kammer,  an  die 
sich  westlich   eine  zur  Aufnahme  des  Todten  bestimmte  iM- 


96  altertHuemer  auf  kreta 

sehe  schloss.  Die  Kammer  hatte  eine  lichte  "Weite  von  2,72™ 
bei  3,33™  innerer  Längenausdehnung  und  war  mit  einem  Ton- 
nengewölbe überdeckt  aus  9  ohne  allen  Verband  sorgfältig  ge- 
fügten Schichten  von  je  2  bis  3  keilförmig  zugehauenen  Blö- 
cken. Auch  die  Nische  war  durch  ein  flaches  Gewölbe  von 
2,12'°  Spannweite  überdeckt.  Verband  war  nirgends  ange- 
wendet. Ein  Grab  von  ganz  gleicher  Constriiction  habe  ich  in 
Kisamos,  dem  allen  Hafenplatz  von  Polyrrlienia,  im  Westen 
Kretas  gesehen,  und  ich  halte  es  trotz  der  Verwendung  des 
Gewölbebaufs  für  sehr  wohl  möglich,  dass  beide  Anlagen  aus 
griechischer  Zeit  stammen.  Bei  der  Auflindung  soll  nach  Aus- 
sage des  Entdeckers  der  Grabbau  bei  H.  Deka  o-anz  unver- 
sehrt  gewesen  sein,  und  man  habe  im  Innern  die  Inschrift, 
die  ich  nicht  mehr  an  ihrer  alten  Stelle  fand,  sehen  können. 
Leider  waren  die  Leute  aber  nicht  im  Stande,  mir  den  ur- 
sprünglichen Platz  genau  zu  zeigen,  so  dass  es  nicht  möglich 
war  zu  entscheiden,  ob  die  Inschrift  in  irgend  einer  Bezie- 
hung zu  dem  Grabe  gestanden  hat,  oder  ob  der  Block  bei  Er- 
bauung des  Grabes  nur  wiederverwendet  worden  ist.  An  sich 
spricht  alle  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  die  Inschrift  viel 
älter  ist,  als  das  Bauwerk. 

Leider  ist  der  erste  Buchstabe  sehr  zerstört,  so  dass  man 
über  die  Lesung  schwanken  kann.  Am  meisten  weisen  die 
Spuren  auf  M  (SwTtp?),  aber  dann  wäre  das  erste  Sigma  nur 
30"""  breit,  neben  dem  36""°  breiten  sicheren  Schluss-Sigma. 
Anderseits  müssle  Pi  die  in  Gortyn  nach  Münzen  und  In- 
schriften wie  es  scheint  allein  übliche  semilunare  Form  c  ha- 
ben, während  M  weder  zu  den  Resten  recht  passt,  noch  auch 
eine  wahrscheinliche  Lesung  ergiebt. 

ERNST  FABRICIÜS. 


Asklepios  und  Alkon. 

Im  atlienischen  Asklepieion  verlritL  Hygieia,  auf  Bildwer- 
ken mit  Kanne'  oder  Schale  dargestellt,  die  (Jiiellnymplie. 
Der  epidaurische  Cultiis  und  mit  ihm  die  Tochter  des  Askle- 
pios ist  erst  im  fünften  Jahrhundert  dort  eingeführt  worden; 
wie  liiess  die  ursprüngliche  Nympiie,  wie  hless  die  Heilquelle 
der  Grotte? 

Die  Legende  erzählt,  an  dieser  Quelle  habe  Alkippe,  Ares 
und  Aglauros  Tochter,  \on  Halirrhotios,  dem  Sohne  Posei- 
dons, Gewalt  erlitten  '^.  Als  physische  Basis  des  Mythus  ist 
die  brakige  Natur  des  Wassers  vermuthet  worden^.  Auch  un- 
abhängig von  der  Richtigkeit  dieser  Mythendeutung  wird  Al- 
kipp(!  als  die  gesuchte  ursprüngliche  Quellnymphe,  ihr  iVame 
als  der  der  Quelle  angesehen  werden  dürfen;  sie  wurde  durch 
die  Tochter  des  Asklepios  bei  Seite  geschoben. 

Der  Name  Alkippe  eignet  mehreren  Heroinen,  ist  übrigens 
mit  Aganippe  bildungsverwandt;  die  äV/cv)  könnte  hier  ur- 
sprünglich auf  die  Heilkraft  gegangen  sein  und  doch  die  je- 
denfalls secundäre  Genealogie  (A.  Tochter  des  Ares  und  der 
Aglauros)  mit  veranlasst  haben. 

Dem  'A(j)tXTrim£iov  ev  cLgth  steht  ein  ausserstädtisches  gegen- 
über^ bei  Plin.  2,  2  25  ein  phalerisches:  quae  in  Aesculapi 
fönte  Athenis  mersa  sunt,  in  Phalerico  redduntur  (vgl.  was  vom 
Alpheios   erzählt  wird).   Der  Heros    Phaleros  war   Sohn    des 


<  S.  ra.  Katalog  S.  XV,  z.  B.  4347  =  Mitth.  II  Taf.  14;  vgl.  v.  Duhn  ebd. 
II  S.  117  Anm.  1. 

2  Eur.  /.  T.  946.  EL  1260.  Paus.  1,  21,  4.  Apd.  3,  14,  2.  Schol.  Pind.  Ol. 
11,  83;  daselbst  sagt  Didymus,  Halirrhotios  sei  Epiklese  des  Poseidon  (vgl. 
Erechtheus-  Poseidon). 

3  Bursian  Geogr.  I  303.  Vgl.  Xen.  comm.  3,  13,  3.  Girard  VAsclepieion 
d'Athenes  bezieht  auch  die  6aXa-cia  bei  Aristoph.  Plut.  656  auf  die  Quelle  un- 
ter Vergleichung  der  Erechtheis  Hdl.  8,53  und  des  neugriechischen  Sprach- 
gebrauchs. Dagegen  spricht  aber  Vs.  659  ETtei-ca  npö;  x6  TSfiEvo;  f,jj.£v  toj  Oeod 
—  die  Quelle  lag  doch  innerhalb  des  Temenos. 

MITTH.  D.  ABCH.  INST.  X.  7 


98  ASKLEPIOS   UND   ALKON 

Alkon.  ''Man  wird  auch  hierin,  meint  PauckerS  wieder  eine 
Spur  erkennen,  die  darauf  zu  leiten  scheint,  dass  Alkon  der 
dem  Asklepios  verwandte  Heros  selbst  in  dem  Tempel  des 
Gottes  eine  Stätte  hatte  und  der  Queilnymphe  Alkippe  nicht 
fremd  war".  Der  Scholiast  zu  Ai'istoph.  Plut.  (ili  zwar  setzt 
das  ausserstädtische  Asklepieion  in  den  Piräus^;  aber  es  fragt 
sich,  ob  in  der  üeberlieferung  nicht  wahrscheinlicher  der  jün- 
gere Hafen  den  älteren  verdrängt  hat,  als  umgekehrt;  und 
wiederum,  ob  nicht  auch  am  Phaleron  eine  Cultslätte  des  Al- 
kon gewesen  ist,  auch  hier  in  Ortsgemeinschaft  mit  der  des 
Asklepios.  Bei  allem  Diesem  ist  die  Voraussetzung,  dass  Pau- 
cker  mit  Recht  den  Heilhems  Alkon  mit  dem  gleichnamigen 
Erechthiden  und  Vater  des  Argonauten  Phaleros  identificirt 
hat;  Athen  gehören  sie  ja  beide  an.  StoU  in  Roschers  mytho- 
logischem Lexikon  unterscheidet  neun  Träger  des  Namens,  da- 
runter die  genannten  als  n,  4  und  5. 

Sophokles  war  bei  Lebzeiten  Priester  des  Alkon,  6;  laxiv  rtpo? 
[A£t'  'AocV/TTTiou  7:apa  Xeipwvi  [Tpafpei?  Meineke;  vgl.  hierzu  u. 
zum  Folgenden  die  Vit.  Sop/i.  mit  Parallelstellen  vor  Otto 
Jahn's  Elektra].  Sophokles  erhielt  nach  seinem  Tode  heroi- 
sche Ehren  (istros  in  der  Vita),  unter  dem  Cultnamen  Ae^iwv, 
otTTo  TT,?  ToO  'ÄG/AyiTTtoa  Ss^iwcrsw;  [Et.M.)  Auch  hatte  er  ihm  ei- 
nen Altar  gestiftet.  In  dem,  Ant/ioL  Pal.  6,  145  erhaltenen 
Weihepigramm  ist  von  mehreren  Göttern  und  Altären  die 
Rede,  welche  Bergk  Comm.  de  vita  Sophoclis  auf  Asklepios 
und  andere  Heilgötter  bezog;  es  muss  aber  erwähnt  werden, 
dass  wenigstens  die  Asklepiaden  Altargenossen  des  Asklepios 
waren  ^  Endlich  hat  Sophokles  einen  Päan  auf  den  Gott  ge- 
dichtet; in  späten  Zeiten  war  er  noch  in  Gebrauch^  und  ward 
das  athenische  Asklepieion  als  das  ^'  von  Sophokles  her  be- 
rühmte" bezeichnet^.  L'nter  den  izoXkk  Texp/zipio.,  die  sich  von 

*  Abhandl.  der  Curländ.  Ges.  lieft  4  (1848):  Alkou  der  Heros  der  päoni- 
sctien  Heilkraft  S.  95. 

2  Vgl.  U.  Kühler  Milth.  II  S.  176. 

3  Kühler  MiUh.  II  S.  242. 

■*  Philüstr.  Ap.  Tijan.  3,  17.  Luciaii  Encom.  Uem.  27. 
^  T6  ä.r.6  '^o-fOy.\ioji  im-fa.vli  'AaxXrjntelov  Mariü.  Pl'ucl.  29. 


ASKLEPIOS  UND  ALKON  99 

der  Epixenosis  erhalten',  werden  Päan  und  Altar  zu  verste- 
hen sein. 

Die  Heroisirung  des  gefeierten  Dichters  speciell  zu  begrün- 
den und  dem  Askiepieion  in  den  Augen  der  Späteren  Glanz 
zu  verleihen  mag  Dexiosis,  Altargi'Qndung  und  Päan  hinrei- 
chend erscheinen.  Aber  was  besagt  der  Dexiosismythus?  und 
hat  die  Altargriindung  irgend  eine  über  das  persönliche  Inte- 
resse des  Stifters  hinausgehende  liedeutung  gehabt?  bei  wel- 
cher Gelegenheit  ist  der  Päan  gedichtet  worden?  Demeter  in 
Argos  von  Pelasgos  oder  Mysios  aufgenommen,  in  Pheneos 
von  Trisaules  und  Damilhales,  in  Kleusis  von  Keleos — der- 
gleichen Mythen  wollen  die  Einführung  des  Cultus  erzählen. 
Sollte  nun  auch  der  sophokleische  Dexiosismythus  auf  die 
(in  diesem  Falle  historische)  Einführung  des  Cultus  sich  be- 
ziehen? So  hätte  Sophokles  den  epidaurischen  Cul- 
tus in  Athen  eingeführt.  Bwjy-ou?  TouiSe  öeoT;  So<pox.V/i(; 
iSp'jGa,To  TrpuTog — dies  Epigramm  mag  Bergk  mit  Recht  auf  eine 
Erneuerung  der  Altäre  bezogen  haben. Ob  die  ausgegrabene  In- 
schrift ähnlichen  Inhalts  zum  Altar  des  ersten  oder  zweiten 
Tempels  gehörte,  lässt  Köhler  Mitth.  IIS.  241  unentschieden. 

**  Der  Päan  wird  gesungen,  nachdem  die  Krankheit  über- 
wunden ist "2.  Die  Freude,  wenigstens  ein  Fragment  des  so- 
phokleischen  Päan  gefunden  zu  haben,  hat  nicht  gedauert^, 
auch  die  litterarische  Ueberlieferung  versagt.  Bergk  ^  vermu 
thete  seine  Veranlassung  in  der  grossen  Pest;  deren  Aufhö- 
ren wäre  ja  Grund  genug  gewesen,  dem  Gott  zu  opfern  und 
zu  singen.  Die  frühesten  Erwähnungen  des  Asklepios  und  der 
Asklepiaden  in  Athen  finden  sich  beim  lambographen  Her- 
mippos  um  420^  und  in  Aristophanes  Pkitus,  aufgeführt  un- 
ter dem  Archon  Antipatros  Ol.  97,4^389.  Die  Inschriften 
gehen  nicht  über  das  vierte  Jahrhundert  zurück. 


<  Plut.  nonposse  s.  v.  22  S.  1103  ß. 

2  Sctiol.  Arist.  Plut.  636. 

3  Vgl.  C.  I.  Att.  III  add.  171  g. 

<  P.  L.  Gr.  -^  II,  245.  Comm.  de  vita  Sopli.  §  6. 

8  Schol.  Arist.  Plut.  701.  Bergk  P.  L.  Gr.^  II,  505. 


100  ASKLEPIOS  UND  ALKON 

Sophokles  also  war  Priester  des  Alkon,  des  altathenischen 
Heilheros'  und  Mitschülers  des  Asklepios  bei  Cheiron.  Wenn 
der  eigene  Priester  sich  an  den  auswärtigen  CoUegen  seines 
Heros  wendet,  diesem  Altäre  gründet  und  Paane  dichtet,  ja 
seinen  Besuch  empfängt,  so  muss  Alkon  verlieren.  Und  wenn 
gefragt  werden  muss,  welche  Stätte  Sophokles  für  seinen  As- 
klepiosaltar  wählte,  allgemeiner  gesprochen,  welche  Stätte 
dem  Asklepios  für  seinen  athenischen  Cult  bereitet  ward,  so 
bietet  sich  die  Hypothese,  dass  Alkon  auch  local  durch  As- 
klepios verdrängt  ist,  wie  wir  Alkippe  durch  Hygieia  sagen 
wir  bei  Seite  geschoben  sahen:  Sophokles  hat  im  Temenos 
des  altalhenischen  Heros  Alkon  und  an  der  altverehrten  Heil- 
quelle Alkippe  dem  epidaurischen  Gott  den  ersten  Altar  ge- 
gründet, um  auf  kümmerlichen  Stamm  ein  kräftigeres  Reis 
zu  pfropfen, 

Nach  Sophokles'  Tode  errichtete  sein  Sohn  lophon  ihm  eine 
Statue,  nicht  als  dem  Alkonpriester  im  Priesteroruat,  sondern 
als  dem  Heros  Dexion  2,  dem  von  Asklepios  begnadeten.  Das 
vornehme  Bild  im  Lateranmuseum  (Benndorf-Schöne  n.  237) 
kann  nicht  wohl  die  von  lophon  dedicirte  Statue  direct  wie- 
dergeben, aber  sie  erinnert  in  gewissen  Zügen,  der  einge- 
schlagenen und  eingestemmten  Linken  unter  dem  überge- 
schlagenen Mantelsaum,  mit  der  so  schön  vom  Arm  fallen- 
den Draperie,  an  den  Haupttypus  des  Asklepios  (vgl.  m.  Ka- 
talog S.  X.V);  unter  den  vielen  poetes  et  p/iilosophes  bei  Clarac 
nähern  sich  sonst  nur  noch  die  Statuen  5,  846,  2 131  (Flo- 
renz), 843,  2122  (Aeschines  Neapel),  908,  2301  B  (Florenz) 
und  ausserdem  der  "Sardanapalos"  (vgl.  m.  Katalog  n. 292). 
Ist  das  Zufall?  Diese  Mantelmänner  sind  doch  so  fein  diffe- 
renzirt. 

LUDWIG  V.  SYBEL. 


*  Der  rjpü)?  laxpö;  {C  I.  AU.  II,  ),  403,  404)   ist  in  Marathon  zu   Hause 
und  nach  Athen  nur  übertragen,  vgl.  Hermes  XX  S.  43. 
2  Vgl.  0.  Jahn's  Texlgestaltung  der  Vita  und  Bergk's  Comment. 


Zu  den  delphischen  Proxenenlisten. 

In  der  Sammhino;  der  Älterlhümer  zu  Kastri  habe  ich  neu- 
erdings unter  anderen  die  folgende  Inschrift  copirt: 

b  a 

S KAEY20ENI  t.    N    .    .    .    /\   . 

.....  E.KY....- 

AKIAITIMOOEOZ  El    E  P  Y  O.  .  . 

IEYPYAAM05:ZEN0(|)QNT0  ENKAA.ON  . 

::h  AprioiAiTi/  \ok  p  i  t  o  2  e  n  m  y  p  inaih 

:TEIAIOEP^nNroPr  E  FPOJA 

E:EN0  2(|)IAnN  ENEA I. 

....IKAIO  2EYN02  ~  N  r  E  P  r  .  .  .  I 

AIFOAITASFYPPOY  ENFI  lAI  .  . 

.M.  .   .  KO  SAPPAI  E  N  K  A  N  .  .  .  . 

ÜNFEYKIOS  ENATAPI. 

lZANAPoZ(t)IAIFFo  ..BA 

.  AI  AHMH  TP102(1)I  AlFFoY  ENAZZ.... 

AAZFYPPIoY  ENAT'^AI. 

KAMENE2TPATOS  ENAN'TA. 


T102NE0FT0AEM0  ENFAPrA.. 

..YoQNFOAYoZ  ENAMAZITÜ 

OEY0IAOZOEY4)IAOY  ..APIZ. 

.  .  AiroPrIAS  .... 
A  10  I  A 


Ich  lese : 


£V 

e[v]  K6[aat 

£v    'Epu6[paT;  .  .  . 
£v  K'Xa[{^"!o[[X£vaT;  .  . 
£v  Mupivai  H  ,  .  . 
np[(j)]Ta  .  .  . 


102  zu   DEN  DELPHISCHEN  PROXENENLISTEN 

£v   'EX[aiai 

£v  nepY[a[;-Ci)i  .    .    . 

£V    IIlTä[vOCl     .... 

10      £v  Ka,v[ai; 

£v   'ATäp[vai.   .   .   . 
.  .  ßad.  .  . 

£V    "A(J(j[(Ol? 

£v   'ATpa[[7.ijTta)i  •   .   . 
15      £v    'AvTa[vSpci)i  .... 

£v  rapyx[poi?  .   .  . 
£v   'A[;.a^iT(ö[i  .   .   . 
£v  A]api<j[ai  .  .  . 
20     

h  £v] K'X£'J(tO£V'o[? 

£v] A  E  I  A  I  TijxoOeo; 

£v]  .......  i  EüpuS(X[;.0(;  E£vo(pa)VTOi; 

5      £v   'Apyfiöiai?  Tij^.o'/tpiTo; 

£v] T  E  I  A  I  ©£p(T(i)v  ropY£[iou 

£v] ^£vo;  <J>i'X(ov  .  .  . 

£v] {/.ocio;  Eüvoa[T  .  .  . 

£v] AI  rioXiTa;  riuppoi» 

10      £v] [A  .  .  .  y.o;   'App(x[Saiou? 

£v] cjv  FIeuxio«; 

£v] cavSpo?  <I»iXt7V7ro[u 

y.?]ai  Ay)(X7iTpio?  ^i'Xitctuo'j 

£v Sa?  ri'jppiou 

15     £v] KA  M£V£GTpaTog 

£v] TtO;   N£07UTOl£p.o[u 

£v] 'JOcov  IlöXuo; 

£v] ©Eurpilo?  0£ij(piXou 

20      £v] AI  Topyia; 

ev] A  I  O  I  A  .  . 


zu   DEN   DELPHISCHEN  PROXENENLISTEN  103 

Das  Fragment  ooIk'h'I  zu  der  geographisch  geordneten  Pro- 
xenenliste,  von  welcher  drei  Fragmente  von  II.  Ilaiissoiillier 
herausgegeben  sind  {Bull,  de  corr.  hell.  \'\\,  S.  191  ff.);  nach 
der  \'crgleichung  mit  den  Frgg,  .4  und  ß  (das  Frg.  C  habe 
ich  nicht  aufgefunden)  zu  urtheilen  steht  die  unter  a  abge- 
druckte Inschrift  auf  der  Vorderseite  und  b  auf  der  linken 
Schmalseite.  Die  Vorderseite  ist  0,105  breit,  die  Schmalseite 
0,25;  die  Höhe  bis  zu  dem  erhaltenen  Hand  ist  0,20;  auf 
allen  anderen  Seilen  ist  der  Stein  gebrochen,  auf  der  Rück- 
seite aber  vielleicht  nur  sehr  wenig  (die  Dicke  der  Frgg.  A  u. 
B  bei  Haussoullier  ist  0,26).  Die  Buchstabenhöhe  ist  in  b 
0,005  und  etwas  grösser  in  a.  Die  Oberfläche  des  Steins  in  a 
rechts,  sowie  in  b  links  ist  sehr  verwischt. 

Auf  der  Seite  a  waren  unzweifelhaft  die  delphischen  Pro- 
xenen  in  den  Küstenstädten  Kleinasiens  eingeschrieben,  und 
sind  unsere  Ergänzungen  richtig,  so  war  die  Liste  in  diesem 
Abschnitt  streng  geographisch  geordnet:  nur  an  zwei  Stellen 
wird  die  Ordnung  unterbrochen  (Z.  2  u.  13),  aber  in  keiner 
auffallenden  Weise. 

Von  der  Seite  6  finde  ich  nichts  näheres  zu  sagen,  da  nur 
ein  Sladtname  erhalten  ist  (Z.  5  'ApyeOia ;  die  Lesung  halte 
ich  nur  für  wahrscheinlich).  Es  ist  zu  bemerken,  dass  ein 
Proxenos  in  Argethia  schon  bei  Haussoullier  A  III  35  genannt 
ist,  aber  auch  wenn  in  beiden  Stellen  von  derselben  Stadt  die 
Rede  ist,  so  ist  das  Vorkommen  eines  zweiten  Proxenen  noch 
kein  Beweis  dafür,  dass  wir  ein  Fragment  von  einer  anderen 
Liste  vor  uns  haben  (vgl.  A  II  15  u.  21  ;  III  31  u.  40).— 

Der  von  mir  genommene  Abklatsch  von  der  bekannten 
chronologischen  Proxenenliste  (Wescher  und  Foucart,  Inscr. 
de  'ielphes  N"  18  =  Di iten berger,  SylL  N"  198)  gibt  einige 
Abweichungen  von  der  Abschrift  der  ersten  Herausgeber. 

Z.  23.  Auf  dem  Abklatsch  sehe  ich  ganz  deutlich  Nt/.wvo; 
statt  Kt/twvog. 

Z.  25.  Nach  den  erkennbaren  Spuren  scheint  mir  die  Le- 
sung AxTpo-o;  wahrscheinlicher,  als  'l-/Tpo7rog  (ein  AirpoTro; 
ist  in  den   delphischen  Inschriften  bei  VV.-F.  436  =  Philo- 


104  ZU  DEN  DELPHISCHEN  PROXENENLISTEN 

logus,  Bd.  19,  S.  178    unter  den  Zeugen   genannt,  doch   ist 
hier  das  Ethnikon  nicht  hinzugefügt). 

Zwischen   den   Zz.  137  u.  138  ist   eine  Zeile   ausgefallen; 
auf  dem  Stein  steht: 


Z.  136  'ApKJTOV'.Ko;  'Api<TTOvi/COu  'AXs^avSpeu? 
137  nTO>.£[7.aiO(;  HTo'XeiJ.aiou  'AXsEavr^psu? 
137  6   Newv   [lToX£t;.atO'j   'A'XeEavSps'j; 

Kofxavo?  'AXe^avSpeu; 


Z.  142  steht  T  A  n  E  Y  Z  auf  dem  Stein. 

Z.  166  ist  zu  lesen  Mvaala  st.  ©paaeoc,  Z.  167  ^iXittttou  st. 
^iXaiTcölou,  Z.  268  Sex'jwvioi  st.   Sivcucövioi. 

Z.  282  hat  der  Stein,  soviel  ich  sehe,  nicht  y^Tzo  'ATrxfxou, 
sondern  in  grossen  Buchstaben  AFOFYPAMoY,  i-o  Ou- 
pxjxou ;  die  Stfcidt  'AvTi6)(^£ia  i-ivl  too  n'jpxao'j  in  Cilicien  ist  bei 
Steph.  V.  Byz.  {s.  v.   'AvTio/eia)  erwähnt. 

Endlich  sind  die  Versehen  des  Steinmetzen 

Z.  63  riapvvotcciou  st.  riapvaTCiiou,  Z.  202  Seupav  st.  Ss'jxepav, 
Z.  216  'A^zvSpou  st.  'AXe^xvSpo'j  (auf  dem  Steine  ist  keine 
Lücke  zwischen  A  und  Z)  u.  2473HIAB0YAEY0NI  ON 
T  fl  N  T  A  N  schon  von  den  Herausgebern  berichtigt. 

Zwischen  den  Zeilen  290  u.  300,  wie  sie  bei  W.-F.  S.29 
bezeichnet  sind,  ist  Nichts  ausgefallen  (das  hielt  Th.  Bergk 
für  möglich,  Philologus  Bd.  42,  S.  228);  es  scheint  nur  so 
in  Folge  eines  Druckfehlers:  die  Liste  hat  nicht  319  Zeilen, 
sondern  nur  314-|-1  (==137  6)2. 
Athen  1885  Me^i. 

A.  NIKITSKY. 


<  So,  nicht  hinter  den  Zeilen  137—139. 

a  Ob  in  Z.  307  (=302)  'Ap/>  oder  'Ap-//Aa  steht  (s  Bergk,  ebd.  S.264), 
kann  ich  nicht  sagßn,  da  ich  leider  einen  Theil  des  Abklatsches  (die  zwei- 
ten Hälften  von  Zz.  302-307 )  auf  der  I^eise  verloren  habe.  Die  Zeilen  von 
81  bis  121  sind  jetzt  wieder  verschüttet. 


Potamos. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  und  Topographie 
der  attischen  Demen. 


In  den  Mitth.  IV  (1879)  S.  102  habe  ich  bei  der  Bespre- 
chung einer  Liste  der  Prylanen  der  Phyle  Leontis  aus  dem 
Anfang  des  vierten  Jahrhunderts  (C.  I.  A.  II  864)  darauf  auf 
merksam  gemacht,  dass  darin  die  Rubrik  HoTaij-ioi  drei  Mal 
vorkommt.  Es  sind  nemhch  die  Demen  in  der  Inschrift  von 
Anfang  an  in  der  nachstehenden  Reihenfolge  aufgezählt: 
K-^TTioi  'AXi[7.o'jr;ioi  IloTXjj-'.  Ol  /t  ot  6  0  TT  £  p  Ö  s  V  (2  Namcn )  rio- 
TOCji-tot  uxevepOev  (1  N.)  Sx,oc[x€coviSai  \vr/.oyoiriq  XoXktX^v.i 
$peappioi  (9  N.)  So'jviyi?  (4  >f.)  AeipaSiwTai  (2  N.)  noTCCtxioi 
(2  N.)  u.  s.  w.  Nun  ist  zwar  durch  dieselbe  Liste  die  Exi- 
stenz dreier  Demen  des  Namens  Koluvo?  definitiv  erwiesen 
worden,  aber  diese  gehörten  verschiedenen  Phylen  an;  dass 
in  derselben  Phyle  drei  Demen  denselben  Namen  geführt  ha- 
ben sollten,  schien  nicht  unbedenklich.  Ich  glaubte  daher 
wenigstens  die  Möglichkeit  ofl'en  halten  zu  sollen,  dass  bei 
der  Aufzeichnung  der  streng  genommen  nicht  amtlichen  Ur- 
kunde ein  V^ersehen  vorgekommen  und  dadurch  der  Schein 
erweckt  worden  sei,  als  wenn  es  drei  Demen  Namens  Doxa- 
(xo;  gegeben  habe.  Eine  neuerdings  von  mir  in  den  Kellerräu- 
men des  Varvakion  copirte  Inschrift  schliesst  diese  Möglich- 
keit aus  und  eröffnet  einen  Blick  in  die  Geschichte  der  Orga- 
nisation der  attischen  Demen. 

Der  Stein  ist  von  allen  Seiten  abgebrochen,  von  der  Auf- 
schrift Folgendes  erhalten ; 


106 


POTAMOS 


X  OY 

N  E^TPATOY 


10 


K 

A  I  O 

AVK  I  NC 
4)ANIA^ArAN 
AEYKnNAHMEOY 
EYBOYAO^AIOAÜPOY 
A  P  K  T  O  KPITO^AYTO  0  A  N  O  Y 
AOHNOTIMOY  ^OYNIH^ 

ANAPOMENHC  XAAKIAEÜ^ 
AIO(t)ANH^AIOnEI  OOY^ 
OOYTIMlAH^(t)ANI0Y 
A  lONY  ^  I  0 1 A  O  ^OOYrEITONC 
nOTAMICElPAAlÜTAI 
PYPPO^      ^MAXOY 
^^  A  V       ^  E  OPTIOY 
T  A  I  frei 
Auf  den   ersten    Blick  vermuthet  man  in  der  Inschrift  ein 
Fragment   einer    (.iste  der   Prytanen    der  Leontis,   und  diese 
Vermuthung  bestätigt  sich  bei  näherem  Zusehen.  Die  Reihen- 
folge der  Demen  in   der  erhaltenen  Columne  ist   ähnlich  wie 
in  der  oben   erwähnten  vollständigen  Liste,  die  Zahl  der  un- 
ter den  einzelnen  liubriken  aufgeführten  Personen  die  gleiche. 
Es  ist  zu  lesen  : 

[«^  p  £  a  p  p  1 0 1] 


15 


AYKAEOY^ 
<EK4)ANT0Y 

AYNANAPOY 


\AI€TPATOY 
^K AE  O Y^ 

^  PO  Y 
^  p 


- 

-  -    -  -  X^'^ 

K  , 

[ 

MeJvefTxpäTOu 

Aio  - 

[Demotikon] 

A'jxavo[(;  -  -  -] 

[ 

OoJ'X'jXwXsou; 

^avia;   'Ayav  - 

5  - 

-  i   'Ex.cpivTOu 

AeuxGjv  A'/][j!,EO'j 

[Demotikon] 

EuSou'Xo;  AioScopo'j 

[ 

-  -  -   'A][jLuvavSpou 

'ApidTOycpiTO?  AÜTO(pOCVOU 

- 

'AÖYlVOTip.O'J 

S  0  u  V  t  '/i  g 

[Demotikon] 

'AvSpo[7iv7i;  XaV^iSsw? 

0[ 

-  -  -  KaXj'Xt'TTpxTO'j 

AiocpavTi;  AioTustSou? 

- 

■'  -      -OJcXeou; 

©ouTifxiSy);  $a.viou 

POTAMOS  107 


[Demotikon]  AiovucriipiXo?  Oo'jyeiTOvo; 

[■-.__      -f^]ä)pou  Hot  <x.i^JAo[i  AjeipaSiwTat 

[ -Swpou]  IIuppO?   [...u]t7.7.J(_Q'J 

15   —  ri[ol'jx.'Xr,](;  'EopTiou 

[  A  £  i  p  a  S  i  w  ]  T  a  i 


Die  Inschrift  gehört  in  die  Zeit  nach  der  Mitte  des  vierten 
Jahrhunderts  ^  Die  zu  Anfang  der  zweiten  Columne  erhalte- 
nen Namen  rühren  unzweifelhaft  aus  der  Rubrik  tt>p£appioi 
her;  dieser  Demos  ist  der  einzige  der  Phyle  Leontis,  der  nach 
Ausweis  der  älteren  Liste  mehr  als  vier  Buleuten  gestellt  hat. 
Die  Rubrik  Souvivi?  stimmt  in  der  Zahl  der  Prytanen  mit  der 
letzteren  überein;  hierauf  folgen  an  Stelle  der  Rubriken  Aet- 
paSiwxai  und  IloTajxiot  mit  je  zwei  Buleuten,  in  der  jüngeren 
Liste  die  Rubriken  Uoi:xi/.ioi  AeipaSiöTai  mit  zwei  Prytanen 
und,  schon  im  Bruch,  AeipaSiwTai.  Daraus  folgt,  dass  es  im 
vierten  Jahrhundert  in  Attika  drei  Demen  Namens  Iloxa^ao; 
gegeben  hat,  deren  Mitglieder  als  noToc[xioi  xaOuxepÖev,  IL  'jtzI- 
vepOev  und  IL  AeipaSiöTai  unterschieden  worden  sind.  Diese 
drei  Demen  waren,  wie  aus  der  Benennung  zu  schliessen  ist, 
dadurch  entstanden,  dass  ein  Theil  von  Potamos  mit  einem 
entsprechenden  Theil  von  Deirades  vereinigt  und  der  Rest  in 
die  beiden  Gemeinden  Ober-  und  önterpotamos  gespalten 
worden  war  2.    Wann  ist  diese  doppelte  Theilung  vorgenom- 


'  Dass  die  Liste  nicht  älter  ist  als  350  folgt  aus  der  Schreibweise  ohne 
Weiteres;  dieselbe  darf  wegen  der  darin  verzeichneten  Zahlen  der  Pryta- 
nen gewiss  nicht  unter  die  Zeit  der  10  Phylen  herabgerückt  werden  Der 
Schriftcharakter  weist  auf  die  Zeit  nach  der  Mitte  des  Jahrhunderts;  der 
Prytane  Aioaavr);  Ato:i£tOou?  wird  der  Sohn  des  Suniers  Diopeithes  sein,  der 
in  Aeschines'  Rede  geg.  Tira.  63  erwähnt  ist. 

2  Man  könnte  auf  den  Gedanken  kommen,  dass  die  Bezeichnung  IIoTa- 
|i.tot  AEipao'.öiai  nach  der  Analogie  von  'AXal  'Apa^i^v^E?  zu  beurtheilen  sei 
und  nur  die  Lage  bezeichne,  und  den  Beweis  für  die  Richtigkeil  dieser  Auf- 
fassung in  der  räumlichen  Trennung  der  OoTafA-ot  xa9.  und  univ.  von  den 
n.  AsipaSiwTat  in  der  Liste  linden.  Aber  der  sprachliche  Ausdruck  lässt  jene 
Deutung  schwerlich  zu,  und  was  die  Stelle  in  der  Liste  anlangt,  so  wird 
man  sich  leicht  überzeugen,  dass  sie  nicht  in  der  angegebenen  Weise  zu 
verwenden  ist. 


108  POTAMOS 

men  worden  und  welches  sind  die  bestimmenden  Gründe  ge- 
wesen? 

Man  hat  den  Bericht  Herodots,  wonach  Kleisthenes  den  10 
Phylen  entsprechend  lOü  Deinen  creirte,  mit  der  Angabe  Stra- 
bons,  Attika  zähle  174  Demen,  durch  die  Annahme  in  Ein- 
klang zu  setzen  gesucht,  dass  im  Laufe  des  fünften  Jahrhun- 
derts in  Folge  der  Zunahme  der  Bevölkerung  die  grösseren 
Demen  getheilt  und  neue  Demen  geschaffen  worden  seien  und 
dass  auf  diese  Weise  allmählich  die  Gesammtzahl  der 
Demen  gewachsen  sei  ^ ;  und  diese  Combination  hat  fast  all- 
gemeine Zustimmung  gefunden,  obwohl  Hermann  Sauppe 
schon  vor  40  Jahren  hervorgehoben  hat^,  dass  die  notorische 
Ungleichheit  der  Demen  derselben  entgegensteht.  Dieser  von 
Sauppe  mit  vollem  Recht  erhobene  Einwand  lässt  sich  heute 
im  Einzelnen  bestimmter  begründen,  als  es  damals  möglich 
war^.VVenn,  wie  oben  nachgewiesen  ist,  die  drei  Gemeinden 
der  Potamier  zusammen  dnrch  fünf,  oderwenn  Ober-  und  ün- 
terankyle  {C.I.A.  II  870 und  872)  durch  zwei  Buleuten  vertreten 
waren, während  andere  bis  zu  drei  und  zwanzig  Mitglieder  des 
Rathes  stellten,  kann  da  die  Uebervölker u ng  der  Grund 
gewesen  sein,  jene  Demen  zu  halbieren  und  zu  dritteln?  Und 
was  soll  man  dazu  sagen,  wenn  Oberpaeania  durch  elf,  ün- 
terpaeania  durch  eine  Stimme  vertreten  ist  (C.  I.  A.  II  865 
und  871)?  Kann  man  vernünftigerweise  annehmen, dass, wenn 
der  Demos  aus  dem  angegebenen  Grunde  gespalten  worden 
wäre,  die  Theilung  in  so  ungleicher  Weise  vorgenommen  sein 


•  Vgl.  Ross,  Die  Demen  v.  A.  S.  3  f  und  Schömann,  Die  Verfassungs- 
geschichle  Athens  S.  61  i\.  (und  ähnlich  schon  in  seinen  früheren  Schriften). 

2  De  demis  urbanis  AthenarumS.  9.  Der  Verfasser  bezweifelt  ähnlich  wie 
vor  ihm  C.  Fr.  Hermann  und  Grote  die  Genauigkeit  des  bei  Ilerodot  vor- 
liegenden Berichtes. 

'  Dass  nicht  nur  die  Demen  im  Ralhe  vertreten  waren,  wie  ich  Mitth.  a. 
a.  O.  nachgewiesen  hatte,  sondern  dass,  was  damals  nur  vermuthet  wer- 
den konnte,  ein  festes  Verhältniss  zwischen  der  Zahl  der  Demoten  und  Bu- 
leuten bestand,  haben  spätere  Funde,  namentlich  C  I.  A.  II  872  gezeigt;  vgl« 
die  Bemerkungen  von  Hauvette-  Besnault,  Bull,  de  corr.  hell.  1881  S.  367f. 


POTAMOS  109 

würde?  Kämen  diese  Fälle  allein  in  Frage,  so  würde  viel- 
mehr zu  vermuthen  sein,  dass  innerhalb  der  Demen  selbst 
Secessionen  stattgefunden  hätten  und  von  der  Volksgerneinde 
anerkannt  worden  wärtiu.  Aber  auf  diesem  Wege  hätten  wohl 
einzelne  neue  Demen  entstehen,  nimmermehr  aber  die  Liste 
um  nahezu  Dreiviertel  vermehrt  werden  können, wie  es  durch 
Strabon  bezeugt  ist.  Die;  grosse  Anzahl  der  neu  creirten  Ge- 
meinden allein  hätte  darauf  führen  sollen,  dass  diese  nicht 
allmählich  aus  zufälligen  Ursachen  entstanden  sind,  sondern 
dass  die  Demenlisten  der  einzelnen  Phylen  aus  administrati- 
ven Gründen  durch  einen  einmaligen  Akt  des  sou verainen 
Volkes  umgestaltet  worden  sind.  Bis  hierher  glaube  ich  mei- 
ner Sache  sicher  zu  sein;  was  folgt  gebe  ich  als  lly|)Othese, 
die  hoffentlich  wenigstens  dazu  dienen  wird  Andere  für  die 
Frage  zu  interessiren. 

Neben  den  Phylen  imd  Demen  hatte  Kleisthenes  für  die 
Regelung  des  Flottendiensles  die  alte  Eintheilung  der  Bür- 
gerschaft in  Naukrarien  bestehen  lassen,  indem  er  ihre  Zahl, 
um  sie  der  der  Phylen  sowohl  wie  derjenigen  der  Demen  an- 
zupassen, auf  fünfzig  erhöhte.  Aber  schon  im  J.  483  setzte 
Themistokles  seinen  Plan  durch, welcher  die  Stärke  der  Flotte 
verdreifachte  und  die  Summe  der  SchifTe  mit  einem  Male 
auf  einhundert  und  fünfzig  brachtet  Mit  dieser  Neugründung 
der  Flotte  muss  eine  neue  Regelung  des  Dienstes  verbunden 
gewesen  sein,  da  die  alte  Ordnung  sich  an  die  Zahl  der  Schiffe 
anschloss.  Die  Naukrarien  kommen  später  nicht  mehr  vor;  sie 
werden  damals  aufgelöst  worden  sein.  Nach  der  Ordnung, 
welche  damals  eingeführt  zu  sein  scheint,  zerfielen  die  Phy- 
len in  je  drei  Abtheilungen  oder  Triltyen,  deren  jede  eine  ent- 
sprechende Anzahl  grösserer  und  kleinerer  Demen  in  sich 
schloss  und  nach  einem  derselben  genannt  war  2.  Ich  vermu- 


'  S.  über  die  Zeit  Th.  Bergk  im  t^heiii.  Mus.  1881  S.  108. 

2  Dass  Kleisllienes  die  Naukrarien  Ijeslelien  liess,  beruht  auf  dem  Zeug- 
niss  des  K^icideinos.  Die  neuerdings  aufgefundenen  opot  der  Triltyen  gehö- 
ren nacli  der  Selirifl  noch  in  die  erste  Hälfte  des  fünflen  Jahrhunderts,  sie 
können  sehr  wohl  aus  der  Zeil  der  Perserkriege  stammen.  Dies  spricht  ge- 


HO  POTAMOS 

the,  dass  in  Verbindung  mit  der  Einrichtung  der  Trittyen  die 
Zahl  der  Demen  durch  Theilung  und  Verleihung  der  Demen- 
reehte  an  Flecken  vermehrt  worden  ist^  lieber  die  Reorga- 
nisation der  Flotte  hat  sich  keine  Tradition  erhalten;  kein 
Wunder,  dass  keine  Nachricht  über  die  Vermehrung  der  klei- 
sthenischen  Demen,  die  mit  jener  im  engsten  Zusammenhange 
stand,  auf  uns  gekommen  ist 

Den  Demos  Potamos  nennt  Strabon  in  seiner  Aufzählung 
der  attischen  Küstendemen  zwischen  Thorikos  und  Prasiai; 
von  der  irrigen  Ansicht  ausgehend,  dass  der  Demos  einer  der 
volkreichsten  gewesen  sei,  haben  Leake  und  Ross  denselben 
bei  dem  Dorfe  Keratea  angesetzt  2.  Aber  nach  der  Statistik  der 
Grabinschriften,  soweit  mir  dieselbe  bisher  vorliegt, zu  schlies- 
sen  lag  bei  Keratea  vielmehr  der  Demos  Kephale,  den  Ross 
jedenfalls  richtig  im  Süden  oder  Osten  des  Hymettos  gesucht 
hat.  Hiernach  werden  die  drei  Potamoi  mit  Bursian  ^  an  der 
Küste  in  der  Gegend  von  Dhaskalio  und  den  anstossenden  ßerg- 
abhängen  zu  suchen  sein;  und  Deirades,über  dessen  Lage  bisher 
jeder  sichere  Anhalt  fehlte,  welches  aber  wie  aus  der  Existenz 
des  Demos  IloTipoi  AeipaSicÖTai  zu  schliessen  ist  an  Potamos 
grenzte,  erhält  nunmehr  seine  naturgemässe  Lage  an  den 
Bergrücken  (SeipxSei;)  die  sich  von  Dhaskalio   nordwärts  bis 


gen  C.  Schäfer,  der  die  Einrichtung  der  Trittyen  mit  der  perikleischen 
Staatsleitung  in  Verbindung  bringen  möchte  (Mitth.  1880  S.  87). 

'  Dass  die  im  Text  vorgetragene  Combinalion  Manches  unaufgeklärt  lässt, 
verkenne  ich  nicht.  Wir  wissen  eben  von  der  Organisation  des  Seedienstes 
im  fünften  Jahrhundert  fast  nichts  als  den  Namen.  Praktisch  bewährt  hat 
sich  auf  die  Länge  auch  diese  Organisation  nicht;  in  der  Ueberlieferung 
des  vierten  Jahrhunderts  treten  durchaus  die  Demen  in  den  Vordergrund, 
obwohl  die  Trittyen  wie  bekannt  fortexistirt  haben.  Uebrigens  halte  ich  es 
nicht  für  unwahrscheinlich,  dass  auch  später  noch,  ausser  den  Berenikiden 
und  Apolloniern,  der  eine  oder  andere  Demos  creirt  worden  ist.  Aber  die 
182  Demen, welche  Geizer  in  den  Beilagen  zu  Hermanns  Staatsalterthümera 
zusammengezählt  hat,  hätten  nicht  mehr  als  Beweis  für  die  allmähliche 
Vermehrung  der  Demen  angeführt  werden  sollen,  seitdem  der  dritte  Band 
des  Corpus  und   Dittenbergers  Untersuchungen  über  die  Phylen  vorliegen. 

'  Leake,  Die  Demen  v.  A.  S.  61;  Ross,  Die  Demen  v.  A.  S.  92. 

'  Geogr.  v.  Gr.  I  S.  352. 


POTAMOS  \{i 

nach  Porto-  Raphti,  dem  Hafen  von  Prasiai  hinziehen  (jetzt 
Mavronoros).  Seitwärts  an  einer  Ruinenstälte  zwischen  Ku- 
vara  und  Kalybia  Knvara  wird  soweit  ich  jetzt  seilen  kann 
Prospalta  anzusetzen  sein,  welches  in  dieser  Gegend  gelegen 
haben  muss  und  neuerdings  gewöhnlich  zu  Folge  einer  von 
Ernst  Curlius  gegebenen  Anregung  bei  Keratea  angesetzt  wird. 
Man  sieht,  wie  diciit  gedrängt  hier  die  Demen  bei  einander 
lagen.  Die  für  den  Seeverkehr  offene  Lage  und  der  Betrieb 
der  Bergwerke  haben  frühzeitig  schon  die  Südostspitze  von 
Attikazudem  bevölkertsten  Theilder  Landschaft  gemacht;  wie 
die  Aufnahmen  der  Officiere  des  Deutschen  Generalstabes  er- 
geben haben,  ist  dieses  Gebiet  wie  besät  mit  Resten  antiker 
Gründungen. 

Die  Topographie  der  attischen  Demen  ist  durch  die  eben 
erwähnten  Aufnahmen  in  ein  neues  Stadium  getreten.  Die- 
selben geben  das  topographische  Gesammtbild;  um  die  alten 
Namen  für  die  einzelnen  Ruinenstälten  zu  finden  ist  eine  Auf- 
nahme der  sämmtlichen  in  der  Landschaft  zerstreuten  Grab- 
inschriften nothwendig.  Erst  wenn  diese  Aufgabe  gelöst  ist, 
wird  es  möglicli  sein  die  Topographie  von  Attika  auf  der  von 
Leake  und  Ross  gelegten  Grundlage  auszuführen. 

Zum  Schlüsse  theile  ich  hier  ein  inschriftfragment  mit, 
dessen  Copie  ich  Hrn.  Korolkow  verdanke: 

< 

I     H   0 

A    I    E    n  A 

ANATPAYAI 

^YNH^ENEKAOT 

1  EKP  I  NENAYTO^HBOAH 

N  I  KANTA^AAAA^(t)YAA^ 

ft^AP  I  ^TAPPYTANEY^A 

TA^TH  I  POAE  I 

Den  Anfang   kann  ich  nicht  ergänzen;    dann  ist  zu  lesen: 

—  e7:a[iv£(jai  y.ixl]   ävotypxtj/ai  [SuaiojcuvTi;   ev£)ca,  oti    expivev  au- 


WÜ  POTAMOS 

TO'j?  7)  ßo'jV/)  vixav  Ta;  a)^"Xa<;  cp-j'Xa.?  ö?  apicxa  TCpuTaveu(7a[v]Ta(; 
T-?i  TToT^si.  Das  Fragment  rührt  von  einem  Volksbeschluss  zu 
Ehren  der  Prytanen  einer  Phyle  her;  es  stammt  aus  dem  An- 
fang des  vierten  Jahrhunderts.  Dasselbe  bestätigt,  dass  in  der 
älteren  Zeit  nur  eine  Prytanie  im  Jahre  ausgezeichnet  wurde, 
wie  ich  früher  vermuthet  habe;  man  entnimmt  daraus,  dass 
die  Entscheidung  im  Käthe  lag,  der  die  Ansprüche  der  ein- 
zelnen Phylen  prüfte;  und  dass  damals  noch  nicht  die  Verlei- 
hung eines  Kranzes  mit  der  Belobigung  verbunden  war.  Die 
Inschrift  ist  in  Magula,  einem  auf  einer  Anhöhe  nördlich  von 
Eleusis  gelegenen  Dorfe,  abgeschrieben  worden.  Aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  war  dieselbe  in  dem  Heiligthum  der  Phyle 
aufgestellt,  deren  Prytanen  darin  belobt  waren;  aber  es  liegt 
soviel  ich  weiss  bis  jetzt  kein  fester  Anhalt  dafür  vor,  welcher 
alte  Demos  an  der  Stelle  von  Magula  gelegen  hat.  Leake  wollte 
Thria  (Oineis)  dort  localisiren  ^,  aber  mit  Recht  ist  eingewen- 
det worden,  dass  die  Reihenfolge  bei  Strabon  dieser  Ansetzung 
widerspricht. 

ULRICH  KOEHLER. 


'  Leake  a.  a.  O.  S.  146. 


Die  in  Russland  befindlichen  Griechischen 
Inschriften. 

{Fortsetzung.) 
II.   IJnseln  des  Aegäischen  Meeres. 


a.  Aegi?ia.  —  \(y.  In  der  Kaiserlichen  Ermitage  wird  seit 
dem  Anfange  der  50-ger  Jahre  das  aus  Aegina  stammende 
Grabdenkmal  eines  Antiochiers  Theraistokles  aufbewahrt,  zu- 
erst ptiblicirt  von  L.  Stephan!  in  Bulletin  hist.-phil.  de  l^Acad. 
de  St.  Petersbourg  IX  S.  21'6  =  Melanges  greco-rom.  IS.  193*, 
dann  von  K.  Keil  Phiiol.  \  III  S.  174  wiederholt  und  daraus 
von  Kaibel  Epigr-  gr.  ex  lapid.  conl.  n"  112  entlehnt.  Da  das 
Denkmal  seh  )n  \on  den  früheren  Herausgebern  ausführlich 
genug  behandelt  ist,  so  beschränke  ich  mich  auf  die  Repro- 
duclion  seiner  Inschrift  nach  meiner  Copie  und  Abklatsch,  da 
in  Slephanis  Copie  die  Foi-men  der  Buchstaben  nicht  immer 
genau  widergegeben  sind. 

ANTIoXH0EMIZ/vNoZAE0AO(t)OPoNKoNI2:HAE 
KEY0EIA^AEXETHFAIAA0EMIZTOKAEA 
OZBoYAANKAI0ÄP2O2EX^NIZoM/vNYMrvlANAPI 
////ONH2KEITHNMolP^NoYFPO(j)Yr^NAYNAMIN 

Die  Buchstaben  sind  klein  (0,005  —  0,008  cm.),  aber  ziemlich 


'  Auch  in  der  von  dem  verewigten  Prof.  Leontjew  herausgegebenen  rus- 
sischen periodischen  Sammlung  "  Propyläen  "  Bd.  V  (1856)  S.  281. 

MITTH.  D.  ABfiH.   INST.  X.  ^ 


Il4  aRIECHrSCHE    INSCHRIFTEN   IN   RUSSLAND 

tief  eingeschnitten  und  leicht  zu  entziffern,  Das  stumme  Iota 
in  der  3-ten  Zeile  ist  ganz  deutlich  auf  dem  Stein. 

b-  Rheneia. —  Im  Journal  d'Odessa  1827  n"  22  (19  Mars)  le- 
sen wir  folgende  Notiz  von  de  B[laram  bergj :  Uu  bätiment 
arrive  de  VArchipel  avait  decharge  wie  partie  de  son  lest  pres  du 
mole  de  la  quarantaine.  M.  Sontag,  capitaine  du  port  d'Odessa, 
ayant  remarque  par  hazard  parmi  les  pierres  qui  composaient  ce 
lest,  quelques  debris  en  marbre,  crut  devoir  les  examiner  de  plus 
pi^es;  il  se  trouva  que  ces  inorceaux  constituaient  deux  pierres 
sepulcrales  avec  bas-reliefs  et  inscriplions  parfaitement  bien  con- 
servees.  Ces  mouuments  .  .  .  fönt  maintenant  partie  de  la  collec- 
tion  d'antiquites  du  musee  d'Odessa.  —  D'aprh  la  declaration  du 
capitaine  du  bätiment  qui  conferait  ce  lest,  ces  pierres  funer ai- 
res  auraient  ete  ramassees  sur  le  rivage  de  l'ile  de  A-^lo;  {Delos), 
consacree,  comme  on  sait,  d  Apollon,  et  oü  la  saintete  du  Heu 
avait  fait  defendre  de  brüler  ou  d'inhumer  les  niorts ;  mais  il  est 
plus  vraisemblable  quelles  se  trouvaient  sur  une  petite  tle  deserte 
ä  laquelle  les  Grecs  d'aujourdkui  donnent  vulgairement  le  meme 
nom.  C'est  l'ancienne  Rhenia  de  Strabon,  eloignee  seulement  de 
quatre  Stades  de  l'ile  de  Delos,  et  ou  etaient  les  sepultures  des 
Deliens.  —  Les  sujets  des  deux  bas-reliefs  sont  ä  peu  pres  les  me- 
ines, et  representent  c/iacun  une  figure  de  fenime  assise  et  un 
jeune  komme  devant  eile  qui  lui  serre  ta  main  en  signe  d'eter- 
nel  adieu.—  Au  dessous  sont  gravees  les  inscriptions  suivantes. 
Die  Texte  der  Inschriften  sind  in  gewöhnlichen  Majuskeln  ge- 
geben. Diese  Beschreibung  ist  fast  wörtlich  im  Bulletin  des 
Sciences  histor-  B.  IX  (182(S)  8.249  wiederholt;  daraus  sind  die 
Texte  im  C.  I.  Gr.  2314  und  2317  ( Le  Bas,  lies  1940  u.2037) 
wiedergegeben.  Die  Steine  befinden  sich  bis  jetzt  im  Museum 
der  Odess.  Gesellschaft  der  Gesch.  und  Alterth.,  und  die  Ver- 
gleichung  ihres  jetzigen  Ztislandes  mit  den  Beschreibungen 
und  Copien  zeigt,  dass  alle  Herausgeber  Fehler  gemacht 
haben.  Blararnberg  stellt  zwar  genau  die  Inschriften  dar,  aber 
er  irrt  sich,  indem  er  behauptet,  dass  beide  Steine  mit  Relief- 
darstellungen  geschmückt  seien_,  da  in  der  That  nur  einer  mit 
einem    Kelief  versehen  ist;    bei  den   anderen   Herausgebern 


Griechische  Inschriften  in  russland  116 

sind  ancli  die  Inschriften  ungenau  wiedergegeben,  wie  es  un- 
ten angegeben  wird. 

17.  Grabstein  von  weissem  Marmor,  oben  abgebrochen,  H. 
0,36"',  Br.  0,37'",  D.  0,07'".  Von  dem  Kelief,  das  sich  auf  dem 
Steine  befand,  hat  sich  die  untere  Uiilftc  der  im  Sessel  ruhen- 
den Frauenfigur  und  die  zu  ihrer  Rechten  (vom  Beschauer) 
befindliche  Männerfigur  bis  zur  Brust  erlialten.  Die  Inschrift 
ist  unter  dem  Belief  auf  der  rechten  Seile  des  Steines  einge- 
graben. C.  I.  Cr.  2317  (Le  Bas  1940).  Copie  und  Abklatsch. 


HPAKAEÜN  'Hca-/.>£(ov  |  Neixiou   'Avtio[-/^£ö 

NEIKIOYANTIO         X^riazl  ivÄpt. 
XEYXPHZTE 
X  A  I  P  E 


Die  Inschrift  steht  vollständio;  im  Journ.  d'Od.  und  im  Bull, 
des  sc.  hist.,  aber  im  C.  I.  Gr.  (wie  auch  bei  Le  Kas)  fehlt 
die  letzte  Zeile. 

18.  Viereckige  Basis  aus  Kalkstein, wie  es  scheint,  H.0,14™, 
Br.  0,48'",  D.  0,29"';  oben  ist  eine  viereckige  Vertiefung  zu 
sehen.  Die  Inschrift,  welche  unweit  von  dem  oberen  Rande 
der  Vorderseite  des  Steines  steht,  lässt  sich  noch  sehr  gut  ent- 
ziffern C.  I.  Gr.  2314   (Le  Bas  2037).   Copie  und  Abklatsch. 


EYnOPJAHPAKAJTOYXPHSTHXAlPE 


EuTCopia  'Hpce./.'kizo'j  y^pf\nx'/]  J^capt. 


Der  Name  der  Verstoibeneu  steht  richtig  bei  Blaramberg,  aber 


H6  ÖRIECHISCHE   INSCHRIFTEN  IN  RUSSLANÖ 

schon  im  Bull,  des  sc.  hist.  ist  EYTPOniA  gegeben,  wie 
auch  im  C.  I.  Gr.  und  bei  Le  Bas.  So  ist  man  genöthigt  an- 
zunehmen, dass  Boeckh  selbst  das  Journal  d'Odessa  nicht  zu 
Gesicht  bekommen  hat. 

Nach  den  Schriftzügen  zu  urtheilen,  ist  diese  Inschrift  äl- 
ter als  die  vorige  und  kann  noch  im  II.  oder  im  1.  Jahrb.  vor 
Chr.  geschrieben  sein. 

c.  A7norgos.~-\m  Museum  der  Od.  Gesellscbaft  werden  auch 
drei  Fragmente  von  Inschriften  aus  Amorgos  aufbewahrt, 
welche  sämmllich  zur  Zahl  der  auch  anderweitig  bekannten 
Decrete  der  Milesier  aus  Aegiale  gehören.  Eine  von  ihnen 
ist  schon  hinlänglich  bekannt  nach  der  Herausgabe  im  C.I  Gr. 
2264;  alle  drei  sind  von  Prof.  Leontjew  in  Monatsber.  der 
Berl.  Akad-  1854  S.  G84  publizirt,  aber  bloss  in  Majuskeln 
ohne  jede  Erklärung;  aiisserdpm  sind  zwei  von  Prof  Jurge- 
wicz  in  den  Memoiren  der  Od.  Gesellschatt  Bd.  VI  S.  30  fg. 
mit  russischem  Commentar  behandelt.  Nach  der  Angabe  des 
letzten  Herausgebers^  sind  diese  Inschriften  im  Jahre  1840 
dem  Museum  sammt  anderen  Alterlhümern  einverleibt  wor- 
den, die  der  Sammlung  des  vormaligen  Russ.  Consuln  in 
Sm^rna  Sp.  Destunis  gehörten.  Ich  theile  hier  meine  Copien 
aller  drei  Documente  mit,  da  die  Leontjewschen  Copien  nicht 
überall  genau  sind,  die  Jurgewiczsche  Ausgabe  aber  im  Aus- 
land weniof  zuffänolich  ist  und  ausserdem  die  Texte  von  ihm 
in  gewöhnlichen  Majuskeln  abgedruckt  sind,  weiche  die 
Schriftzüge  und  die  zahlreichen  Ligaturen  nicht  wiedergeben. 

19.  Platte  aus  weissem  Marmor  oben  nnd  unten  abgebro- 
chen, H.  0,35'",  Br.  0,32'",  D.  0,07'".  Sie  war  mit  einer  Re- 
liefdarstellung geschmückt,  von  welcher  jetzt  nur  der  untere 
Theil  einer  mit  Himatioii  bekleideten  Männerligur  und  eines 
links  von  ihr  sitzenden  Hundes  erhalten  ist.  C.  /.  Gr.  2264. 
Leon  tj  e  w  a.  a.  0.  n"  2. 


'  Vgl.  auch  Mein.  d.  Od.  Ges.  I  S.  637. 


GRIECHISCHE   INSCHRIFTEN   IN  RUSSLAND 


Hl 


MEIAHSIQNTniAlG.  rONAiriAAHNKATOIK  O  V§ 

thneAoizenapxoyeib  o  y  a  h  a  h  m  a  r  n  n  m  h  c  ff/ 

THr^NKAIAEKAÜPaTnNEXONTUUl..  K  AIT§|f/ 
1 .  P  Y  TAN  ..HN.5:O...ANIEHrHEAME.O  MM'/l 
5  0IZMAIA.  Dfl///|//OYETPATnNOZEniYh^i 
MENOYAErÄÄHNOYTOYnAPAMnNÜ 
KATATONNOMON     -^     ETTEIArAOCÜ 
XOYÄNHPNEOCTHHÄlKlAAlAf 

tpüthnkäienAoziotAt  hf 

10     IM^N  Ä  P  X  H  N  n  E  K  Ä  I  nÄPÄA 
DHNÄlÄYTanEPITOYTO 
DNKAI  EÜEI  K  E  I  Ä  CHI 

«iifiüCTEIMH,^,^ 


Die  Ver«3leichuno[  mit  der  im  C.  I.  Gr.  aljojed ruckten  Copie 
zeigt  dass  der  Stein  rechts  sehr  gelitten  hat  seitdem  er  von 
Millingen  und  Cadalvene  copiert  worden  ist;  aber  es  ist 
kaum  nöthig  die  Varianten  aufzuzählen.  Böckhs  Ergänzun- 
gen von  der  7.  Zeile  ab  werden  zweifelhaft,  aber  etwas  ganz 
sicheres  statt  ihrer  zu  geben  ist  bis  jetzt  noch  si'hwer.  Am  E. 
der  6- Zeile  ist  unzweifelhaft  i[ypx(^'n]  statt  des  von  Böckh  ge- 
gebenen e[/./.'X7)'7iy.]  zu  lesen. 


20.  Fragment  einer  Platte  aus  grauem  Marmor  H.  0/)'2"', 
Br.  0,46",  D.  0,0b™.  Auch  diese  ist  mit  einem  jetzt  beschä- 
digten Relief  versehen,  welches  ein  sogenanntes  Todtenmal 
darstellt:  man  sieht  noch  eine  -/.■XivY],  auf  welcher  eine  männ- 
liche Figur  liegt;  vor  ihr  steht  ein  dreitüssiger  Tisch  und  am 
Fusse  der  yJlvr/]  ist  noch  eine  Frauenfigur  zu  sehen.  Leont- 
jew  a.  a.  0.  n"  3.  Jurgewicz  a.  a.  0.  S.  34*. 


*  [Die  zahlreichen  Ligaturen  der  Inschrift  haben  im  Druck  nur  durch  die 
Stellung  der  Buchslaben  angedeutet  werden  können. —  U.  K.] 


\[S  GRIECHISCHE    INSCHRIFTEN   IN   RUSSLAND 

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GRIECHISCHE    INSCHRIFTEN   IN   RUSSLAND  119 

[Msi'Xri'jtJwv  Twv     'Aaopyov    A'lyizlrjV    x.y.TOix.ouvTcov  i'^o^ev    ap- 

[[7.(0,  yvcojy.Ti  (jTpaTr,Ya)v    x.a'.    f^s/arcco-rwv,   iyiv'byi    o\    /.ai,  ty,v 

-p'j-:avix,7;v  £- 
[Eo'jTiav,  i.\lG-rr(r,ny-[j.ivj'j  to  'Ir/^iTp.a  A'jp.  ISlvTiciiOeou  toO  Eüa- 

AO'j.    £7:i'|r,<Di- 
[cauivou  Se  Aü]p.   SepaT^iwvo;  y''   £yp^-<p'0  x-axä  tov  v6[;-0v. 
5    ['EtteiSy;    'AyaOJYip.epU  ^o)T-/ipi/0'j,  yjvr,  Aüp.   E'VppoTUVO'j,   av- 

Spö; 
[twv  äpir>T(>)v?]  — oIsitwv,  y.r,T7;p  o£  Aücp.  ^wT'/ipiyo'j  x.al  E'Vppo- 

[(jovo'j  x.al ]o'j  ävSpwv  i'v  te  ip^ai;  x.ai.  ).£iTO'jpyta.i; 

[— XTai?  x.al  [y.ovwv  x,al  asTjz    twv  tj'x.vwv  aOrtov  £v  T'?i    TcaTpioi 


(X 


W\'-- 


[tcTO);     lj7:T,p£T0'JVTC0V,     Ol)GT£      y-]r;Ö£V    £V    a7]f)£V!.     TTj    7TaTpif)l      £VÖ£- 
^£r,X.£- 

10   [vai ]  TTi?  O'jyaTpo?  a'jT'?/?  Aup. 

'AopoSsifji- 
[a; TYj  cTJpaTYiyiz  x.aT£i>?i- 

[te  oöcia  ^'Ao7:poi77;y6pou  (?)  x.al  EuTrpoiTjyöJpo'j,  w?  Baup-y^eTOai 
[auT7)v  x,ai  äyaTjacjOai  u7:ö  —  xvtojv  i~\  x.a'XjO/tayaSia,  Tavov  ä- 
[(pTOpT^xyri  Otto  tt^;  ei^aapp.£V7ii;,  w?  'XfiX-j^'^cOai  tou;  >ca?]Xou?  ettI 

T'^  [;.£Ta- 

15   [)v).ayfj  TOij  ßto'j? S£S6^9]ai  T'?i  ßouX'^  xai 

[tw  ^r,aw • ]  '/ipco'U  fxovo- 

[ TTapai^.'jOioGaoOai  §£   toÜ;  luyyEVEt;  auxr,;  j^je- 

Tpiw;  <p£- 
[p£iv  tÖ  aufxSsG'iOx.oi;  .... 


Aüp'/iT^io;  SspaTiriwv  y'  ist  wohl  der  Sohn  des  Aüp.  ÜEpaTüttov  G', 
welcher  in  einem  älinlichen  Decret  'AO-/iv.  11  S.  408  erwähnt 
ist.  Die  (zwar  nicht  immer  sicheren)  Ergänzungen  sind  nach 
anderen  ähnlichen  Inschriften  angegeben. 

21.    Platte   aus  weissem  Marmor,  oben  und    links  beschä- 
digt, H.  0,57'",  Br.  0,35"',  D.  0,07'".  Oben  befindet  sich  ein 


120  GRIECHISCHE    INSCHRIFTEN    IN    RUSSLAND 

Relief  dem  Inhalt  nach  dem  von  n"  20  ähnlich:  eine  Frau  ist 
auf  einer  ylivr,  halbliegend  und  sich  auf  die  linke  Hand  stüt- 
zend dargestellt;  vor  der  -Alb-t]  steht  ein  niedriger  Tisch. 
Leontjew  n"  1.  Jur^gewicz  a.  a.  0.  S.  39, 


D  N  Ä  I  r  I  A  Ä  H  NKÄTOIKOYNTaN  E  A  O  Z  E  N 
MHZTPATHrnNKAIAEKA  nPÜTaNEXON 
NIKHNEZOYS  I  Ä  N  I  Z  H  r  H  2  Ä  M  E  N  O  Y  T  O  4^  H 
X  P  Ä  M  O  N  O  Y  E  n  I  Y  H  (t)12AMENOYAEAN0OYTO 
5         ONNOMON  EnEIZYNHPnAKENÄI(t)NI  Ainz 
HSEiMÄPMENHZ  ^SIMHNArÄGEINOYOYrATE 
ÄTÄTEÄAAÄ(t)lAÄNAP  ONKAlzn(j)PONÄnPÄ 

nANTÄzÄNGPnnoYz  nApEsxHKYiÄNasnE^ 

HNAIAYTHAM  E  M  TTTONKAiEY2TÄ0HBION;/////.  rasura 
10     TOAeAoXOAiTHBOYA  HKAlTnAHMflTTPOMOl 
imenoyüApäinesaimenA  IÄTOYAeTOYYH<|)IZ 

NEIZÄYTH2KÄI  T  ONÄN  APÄEYMOAnON  B-KÄIC  § 
AOTÄ2OTIOY  KEZTINÄMYNÄinPOZTHNEni 
ITETArMENHNMOl  pAn  AOYNÄlTEAYTHTOnON 
15    TTOYANOlOIKEIOlAYTHSnPoAlPaNTAlEAc 
ENHZEKKAH  ZI  Azn  P  OSKAHTOYnPO  I  K  AÄ-iA  If 
vac. 

[M£i\y)ti(ov  tüv   'Aaopyojv  Alyixk-riv  -/taTOi/tO'jvxcov  eSo^ev 
[apy__0'j«7i,  ßouX-^,    S'/jaw'    yvoj^av)    irxpaT'/iyöv    />ai    Ss/ca-pwTcov, 

[twv  öe  /.oü  T-/1V  TCp'JTa]viyC-/iv  £^0'j(7iav,  iTyiy/iTajj-evo'j  to  <]/'/)- 
[<ptc[A(X  Toö  ösivo;  TOd  na]pa[i,6vo'j,£7ri'];7icpi(jx[j'.£vo'j  Ss  "AvBou  to[u] 
5   [(Jeivo?,  eypxcp-/)  /taxk  t]6v  v6;j-ov.  'EtteI  (j'JV'/;p7:a>t6v  aicpvtSico? 
[y)  ä,7tapaiTy)To;  xai  äve'Xejv)!;  eltxapfyivY)  Z(i)(jtfj(,'ov    'AyaOetvou  6u- 

yare- 
[pa,  Eu[j.6>.7ro'j  oe  yuvat'/c]a  toc  ts  ciXka  (piT^avSpov  xal  <jcocppova, 

Tcpa- 
[ÖT7]TX  xe  -/lOo'j?  Tupöc]  Tixvxa?  ivöpcoTCOug  xaps'T^f'/T/.'jiav,   w?  tte- 
[pi  TrXsiffxou  7toi7)6?]7Jvoti  aüx^  a(Jt,e[J!.7uxov  jcai.  eücxaö'^  ßtov .... 


GRIECHrSCHlC    INSCHRIFTEN    IN    RCSSI-AND  121 

10   [ Stx  TO'jjxo  Ss^ö/Oat  TY)  ßo'jVri  xy.i  Toi  Sr,jJ-o> 

[pGj?  TOOTOu  Y£Y£vri?][j(,£VO'j  TTapaiveGai  j^.av  öix  TOOöe  toO  (j/'ocpiG- 
[[AocTo;  Tou;  te  yojvei;  auT'?!;  x.al  xöv  xvt^pa  E'jy.o).-ov  €'  /.at  o[i]- 

[(pepo{X£V7iv  !XT:acrt]  T£TaY[i.evrjv  [xoipav,  SoOvoci  t£  a'jx-i^  totuov 
15   [liq  Tr,v  y.rjSeiav  ö]~ou  ocv  ol  oix.sioi  auTvi;  TupoatpoJvTai.    "EJbo- 
[^£  TW  Sr,aü)  iyoaJEVT);  £X>tX-/irj{a;  —  poG/.'XrjTO'j  7:po  i'  x,a7..  'Ia[vou- 
apiwv  .  .  . 

Z.  4  ist  vielleicht  derselbe  raV/;vö;  napa[x6vou  genannt,  der 
in  n"  19  Z.  6  vorkommt.  Der  Inluak  dieser  späteren  Decrete 
von  Milesiern  aus  Aeo;iale  ist  fast  immer  derselbe:  sie  enthal- 
ten  verschiedene  Ehrenbezeigungen  für  verstorbene  Persön- 
lichkeiten als  Dankbarkeitszeichen  für  ihre  Verdienste  und 
zum  Trost  ihrer  verwaisten  Verwandten.  Nicht  sehen  werden 
auch  die  vornehmsten  Frauen  durch  solche  Decrete  o-eehrt 
für  ihr  bescheidenes  Leben,  ihre  Güte,  Frömmigkeit  u.  s.  w. 

So  erinnern  uns  diese  Decrete  ihrem  Inhalt  nach  an  un- 
•  sere  Grabreden,  nur  in  sehr  gedrängter  Form.  Eine  besondere 
Ausbreitung  scheint  diese  Sitte  in  Aegiale  im  II. und  III. Jahrb. 
n.  Chr.  erreicht  zu  haben:  die  oft  wiederholten  Namen  Aüpvi- 
"Xto?  gestatten  uns  nicht  die  Decrete  der  Zeit  vor  der  Herr- 
schaft der  Aurelier  zuzuschreiben;  dann  begegnen  wir  in  ei- 
nigen  Decreten  dem  römischen  Kalender',  welcher  bekannt- 
lich erst  sehr  spät  von  den  Griechen  adoptirt  wurde;  endlich 
sind  schon  zwei  Fälle  der  Dalirung  nach  den  Namen  der  Con- 
suln  aus  dem  III.  Jahrb.  bekannt 2. 

d.  Leshos. — -  22.  (-ylinder  aus  grauem  Marmor  ungefähr  1 
M.  hoch  und  0,50"  im  Durchschnitt,  oben  ein  wenig  beschä- 
digt, im  Odess.  Museum.  Die  Inschrift  ist  sorgfältig  einge- 
graben, die    Buchstaben  sind  mit   apices  verziert.  Herausgeg. 

^  So  zum  Beisp.  Millheil  d  D.  Insl.  I  S.  347  fg  im"  15  u  16,  wie  aucli 
unser  n°  21. 

-  Mitllieil.  a.  a.  O.  lieber  die  Sjtle  im  Allgemeineii  vgl.  Weils  Be- 
merkuneen  a-  a.  O.  S.  348, 


122  GRIECHISCHE   INSCHRIFTEN   IN   RUSSLAND 

von  P.  Becker  in  Mem.  dor  Od.  Gesellschaft  B.  V  (1863)  S. 
76  fg.  Nach  der  Angabe  des  Herausgebers  behauptete  der 
vormalige  Besitzer  des  Steines,  der  ihn  aus  Lesbos  nach 
Odessa  gebracht  und  später  der  Gesellschaft  abgetreten  hat, 
dass  der  Stein  in  Halikarnass  gefunden  sei;  aber  schon  Be- 
ckerselbst hat  auf  Grund  der  Vergleichung  der  Inschrift  mit 
anderen  I^esbischen  unwiderleglich  bewiesen,  dass  über  die 
Herkunft  des  Steines  aus  Lesbos  und  namentlich  aus  Mytilene 
kein  Zweifel  obwalten  kann. 

O  n  A  M  O  2 
ABANTAKON^   N   02IPA   TEY 
2ANTAKAIArnNO0ETHZAN 
TATA2NEAZAAIKIA   J.  T   QOi 
b   K   Q.  T  a   H   -Z   EBAZTriNKAI   TAS 
OEPMIAKAZnANArYPIOZEY 
ZEBEß2TTPO2TETOIZ0EOIZ 
ZEBASTOIZKAlTONZYMnAN 
TAAYTQNOIKONKAITOIznA 
10  TPniOiZOEOlZ   <l)IAArA0az 
AEKAIMETAnA|2AZAAMTTPO 
TATOZTAZEZTANTTOAI    N 

0  Sap.o? 
"ASavTÄ  Kovcovo;  IpaTEu- 
(javTa  xal  ä.yo)vo9£T'/^<7av- 
xa  Toc;  vsa?  i7.r/',ia;  Toi  ol'- 
5        xw  Twv  SeSacTtov  xai  xoc; 
©sppy.xa?  Travayopioi;  eu- 
ae^ioic,  7rp6;  te  toIi;  Oeok; 
^^eSy.cTOi?  xai  xöv   gu^-tzolv- 
xa  aoxtov  ouov  y.ai  xoi?  Tra- 
10        xpwioi?  öeoi?,  i'^iXayxOcL); 

Sk  x,ai  p.exöc  7zy.iay.c,  lapi-xpo- 
xa.xo(;  xa;  e;  xäv  xoXiv, 


GRIECHISCHK    INSCHRIFTEN   IN   nUSSLAND  1?3 

Aehnliche  Losbische  KhreninscIinCten  s.  jetzt  in  der  Collitz- 
sclien  Suinniliini:;  dv\-  (Iriccli.  Dialckt-Iusflirirtcn  Hd.  I  S.  \)i 
fg.  nn"  2  i  1-252. 

III.    I\  I  ('  i  n  a  s  i  e  II . 


a.  Cyzicus  (^).  —  2''i.  Ein  vollkommen  (M-Iiaitenes  Grab- 
denkmal aus  weissem  Marmor,  II.  1,80'",  Br.  (),G<S"',  0.0,25'". 
Oben  ist  es  mit  einem  Fron  ton  versehen,  iinler  welehem  in 
einer  tiefen  Nische  ein  unbärtiger  Mann  dem  Zuschauer  zu- 
gewandt steht;  er  ist  mit  Chiton  und  einem  llimation  beklei- 
det, dessen  Falten  er  mit  der  lleclit''n  auf  der  Brust  festhält, 
während  er  in  der  herabgesenkten  Linken  eine  Holle  hält; 
drei  andere  zusammengebundene  Rollen  liegen  zu  seinen  mit 
Sandalen  bekleideten  Füssen.  Die  Höhe  der  Figur  erreicht 
1,45'";  die  Inschrift,  welche  jetzt  sehr  verwischt  ist,  befindet 
sich  auf  dem  Fronton.  Das  Denkmal  wird  im  Museum  der  Od. 
Gesellschaft  aufbewahrt.  Die  Inschrift  ist  zuerst  von  Mursa- 
kewicz  in  Mem.  der  Od.  Gesellschaft  B.  1  (18ii)  S.  284 
herausgegeben  ';  nach  dessen  Ansjabe  soll  das  Denkmal  im 
Jahre  1828  oder  1829  in  den  Trümmern  von  Olbia  gefunden 
sein;  aber  später  ist  dasselbe  im  C-  I.  Cr.  IV  n"  6978  edirt 
mit  folgendem  Lemma  :  monumentum  Constantinopoli ,uhi  quam- 
diu  fuerit  ignoratiir,  missum  est  ad  Blarambergium,  qui  delinea- 
tionem  misit;  da  es  dem  Museum  wirklich  aus  der  Blaram- 
bergschen  Collection  einverleibt  worden  ist^  und  da  im  Jour- 
nal d' Odessa  1826  n"  19  sich  eine  Notiz  über  die  ihm  aus 
Constantinopel  zugekommenen  Alterthümer  befindet  (obgleich 
in  ihren  kurzen  Beschreibungen  keine  einzige  ist,  die  gerade 
zu  unserem  Denkmal  passen  könnte),  so  muss  man  Blaram- 
bergs  Angabe  über  die  Herkunft  des  Denkmals  unbedingt  den 
Vorzug  geben  vor  der  des   Mursakewicz.  um  so  mehr,  da  es 


*  Wiederholt  von   E.    Muralt    im  Bullelin  hist-phil.  de  l'Ac.  de  Sl-  Pe- 
tersbourg  III  S.  35-2,  daraus  in  Zeitschrift  für  die  Alterthumswiss.  18478.680. 
2  Vgl.  Mem.  der  Od.  Ges.  I  S.  283  u.  637. 


124  GRIECHISCHE   INSCHRIFTEN  IN  RUSSLAND 

der  Inschrift  nach  eine  anffallende  Aehnlichkeit  mit  den  Grab- 
denkmälern von  Cyzicus  hat,  zu  deren  Zahl  es  schon  von  K. 
Keil  Philol.  XVI  S.  22  und  J.  H.  Mordtmann  Mitth.  d. 
D.  Inst.  VI  S.  127  gerechnet  worden  ist. 

OY 

YnOM  N  H  M  A-nOT  AM  DNOZ-TOY-AAEZANAP 
OKATEIKEYAIENAYTQ-O-AAEA0OI-AIONYIIOZ-AAEHANAP'///// 

Z.  2  am  E.  APOY  Murs.  und  Blar. —  Es  ist  kaum  nöthig 
die  augenscheinlichen  Fehler  ihrer  Abschriften  hier  aufzu- 
zählen. 

Das  Denkmal  ist  kaum  älter  als  der  Anfang  der  christlichen 
Zeitrechnung. 

b.  Smyrna.—2i.  In  der  Ermitage  wird  seit  1853  ein  inte- 
ressantes Denkmal  ans  dieser  Stadt  aufbewahrt,  welches  schon 
mehrmals  edirt  worden  ist.  Seine  erste  und  beste  Copie  ist  von 
Wagener  noch  zur  Zeit  als  der  Siein  in  Smyrna  war  (in  der 
Sammlung  von  IvanofT)  angefertigt  und  bei  Le  Bas- Wad- 
dington, Inscr.  d'AsieMin.  1532  publiciert.  Nachdem  der 
Stein  nach  Petersburg  geschafft  war,  hat  B.  Köhne,  Hevue 
archeol.  X  (1853)  S-  504  die  Inschrift  herausgegeben^  und 
neuerdings  ist  sie  nach  der  Wagenerschen  Abschrift  von  Kai- 
bel  Epigr.  gr.  n"  311  reproduziert  worden.  Da  die  zugäng- 
lichste ('opie  von  VVagener  auch  die  beste  ist,  so  finde  ich  es 
unnöthio;  eine  neue  Abschrift  zu  o-eben.  Ich  beschränke  mich 
auf  die  Bemerkung,  dass  am  Anfange  der  .l.  Z.  gewiss  mit 
Waddington  tooO'  5  ttot'  wv  zu  lesen  ist  und  nicht  to-jOo  ttot'wv 
mit  Kaibel,  der  ausserdem  am  E  der  3.  Z.  fehlerhaft  £;(_co  statt 
E/ov  gegeben  hat. 

'  Ausserdem  (inden  sicti  Copien  dieser  Iiisciuift  in  zwei  Russischen 
Biiclicrn,  ncinlich  im  "  Auszuge  aus  dem  Bericlite  über  die  arcliäol.  For- 
scliungen  im  .Jalire  1853  '  S.  24  und  in  "Pro|)yläen"  Bd.  V  S.  279  (hier 
ju  Minuskeln). 


GRIECHISCHE    INSCHRIFTEN   IN   RUSSLAND  125 

IV.   I  nsc.'li  i'i  f  ten   von   u  nbekan  n  le  r  Herkunft. 

In  der  Ermitage  holiiiden  sicli  einige  Denkmäler  und  Frag- 
mente, deren  Provenienz  unbekannt  bleibt,  da  man  aus  den 
Catalogeu  der  Sammlung  nur  erlabrt,  dass  su'  im  .1.  1872  aus 
der  Petersburger  Akademie  der  Künste,  wo  sie  seit  langen 
Jahren  aufbewahrt  wurden,  dahin  versetzt  worden  sind.  Da 
über  die  Uebeifülirung  einer  ansehnlichen  Quantität  von  an- 
tiken Denkmälern  aus  Griechenland  nach  l*etersburg  in  un- 
serem Jahrhunderte  nichts  bekannt  ist,  aus  Süd-Russland  aber 
die  Steine  gewiss  nicht  stammen,  so  scheint  es  mir  am 
wahrscheinlichsten  zu  sein,  dass  diese  Denkmäler  nichts  an- 
deres als  die  üeberieste  der  Alterthümer  sind,  die  auf  den  In- 
seln des  Archipels  während  des  Aufenthalts  der  Russischen 
Flotte  daselbst  im  Jahre  1770  und  fg.  erworben  wurden  ^ 
Für  diese  Meinung  kann  man  einige  Besläti";unn;  in  den  Mo- 
numenten  selbst  üuden;  so  ist  zum  Beispiel  n"  25  eine  ar- 
chaische Inschrift  in  Ionischer  Schrift,  unzweifelhaft  also  von 
einer  der  Inseln  des  Archipels  oder  aus  Kleinasien  stammend; 
die  Dorische  Inschrift  n"  2!)  kann  aus  Melos  oder  Thera  stam- 
men; von  dieser  letzten  Insel  kann  auch  das  Denkmal  n"  33 
herkommen,  da  seine  Inschrift  der  Galtung  nach  den  bekann- 
ten Theräischen  Grabinschriften  sehr  ähnlich  ist,   u.  s.  w. 

25.  Bruchstück  aus  weissem  Marmor,  oben  und  links  un- 
versehrt, 0,12'"  hoch,  0,17'"  breit;  die  Höhe  der  Buchstaben 
erreicht  0,02.  Copie  und  Abklatsch. 


^  Bröndsted,  Reisen  und  Untersuch,  in  Griechen).  (Paris  18?6)  B.  I  S. 
35  Iheilt  aus  einer  tlandscliriri  von  Viiloison  die  i'ulgeiide  Bemerlvung  mit: 
Les  Busses  unt  enleve  beaucuiip  d'inscriplions  et  de  marbres  de  Poles  ä  Zea,  de 
Regio-castru  {par  currupliun  on  i'appeUc  Uibreo-caslro)  ä  Tliermie  et  du  Moni 
Sainl-Elienne  n  Saniorin.  Bröndsted  selbst  fügt  folgendes  hinzu:  "Dass  einst 
ein  russisches  Schilf  (wahrscheinlich  gegen  1770,  als  Orlort  mit  der  Flotte 
aus  K^ronstadt  zum  Erstaunen  der  Türlven  im  griechischen  Meere  und  an  den 
Küsten  von  Morea  erschien)  in  der  Bucht  bei  Täs  Poläs  von  den  dortigen 
Ruinen  mehrere  Marmor  eingcschifTt  habe,  wurde  auch  uns  in  Zea  er- 
zälilt".  Vgl.  auch  C  1.  Gr.  zu  u'  2462  und  'A6r)vatov  III  S-  649. 


1^6  GRIECHISCHE   INSCHUlFTEN   IN   RUSSLAND 

®    E    P   ^    A  ©£p(JCt[vSpWl j 

T   n  I  P   Y  A  Toii  'Pua[  .....  SsSoTai] 

A  T  E  A  E  H  XTskiri  [aü-roj'.  x.ai  sy]- 

r  O  N  O  I  YÖvoi[?]. 

Es  ist  zu  bedauern,  dass  die  Herkunft  dieses  Bruchstückes 
nicht  genau  bekannt  ist,  da  es  zur  I"]i'weiterun2;  unserer  Kennt- 
nisse  über  das  archaische  Alphabet  der  Gegend,  aus  der  es 
stammt,  dienen  könnte.  Die  (nschrift  kann  mit  grösster  Wahr- 
scheinlichkeit der  1.  Hälfte  des  V.  Jahrhunderts  zugeschrie- 
ben werden,  da  die  Form  des  ®  uns  nicht  gestattet  sie  für 
jünger  zu  halten;  andei'erseits  haben  aber  manche  andere 
Buchstaben  (besonders  AEH)  schon  die  jüngeren  Formen. 

26.  Fragment  aus  weissem  Marmor  0,08'"  hoch,  0,18™ 
breit,  mit  0,01  hohen  Buchstaben  geschrieben.  Copie  und  Ab- 
klatsch. 

frei 
TPIAKAAlOlA    P    Xv^i 
TANEPTAAElIvTHMPA^ 
NnPoZTAKOlHAPPoi: 
^    TOM   ETPIAM   A^ 

Nach   dem    Character  der   Schriftzüge  kann    das   Bruchstück 
noch  aus  dem  III  Jahrhundert  v,  Chr.  slammen. 

27.  Kleine  Grabplatte  aus  weissem  Marmor  mit  der  Uelief- 
darstellung  eines  mit  Himation  bekleideten  Mannes.  H.0,28™, 
Br.  0,17. 

AIOKÄHÄAY  Aio/Avi  aluTire  yaTps. 

TT  '^  X  Ä  I  pe 

Das  Denkmal  stammt  aus  Römischer  Zeit. 

28.  Unterer  Theil  eines  Grabdenkmals  aus  weissem  Mar- 
mor; H.  0,21'",  Br.  0,34.  Es  sind  die  unteren  Theile  (von  den 
Hüften  ab)  zweier  Männer  und  dazwischen  eines  Hundes  zu 
sehen.  Darunter  liest  man  folgende  Inschrift: 


Griechische  iNscnrtiFTEN  in  russland  127 

HAI   O   A   O  p  £§  Ai/ill//l/iAÖHH  O  /\QPt 
O  I  A  O  H  N  C      ,;  O  Y  iimM  X  A  I  P  E  T  (^ 

'IlXioScops  [>t]a[i]   'AQ'/ivöSojpe 

ot  [ 'A]6riVo[^a)p]o'j  yy-ipeze. 

29.  Grabdenkmal  ans  weissem  Marmor  etwa  I  M.  Iiocli  und 
0,50  breit  (es  war  mir  iiniiKi^iich  es  genau  aiisziimessen). 
Es  träst  folurende  künstlich  i^eniig  ausgeführte  Darstellung:  zu 
jeder  Seile  steht  eine  Korinthische  mit  Caneluren  versehene 
Säule;  sie  stützen  ein  Dorisches  Fronton  mit  einer  Rosette 
und  einem  Fries  mit  acht  Triglyplien,  zwischen  welchen  auf 
den  Metopen  je  eine  Rosette  angebracht  ist.  Zwischen  den 
Säulen  sitzt  eine  mit  einem  über  den  Kopf  gezogenen  Hima- 
tion  bekleidete  Frau, welche  mit  einer  Hand  das  Himation  auf 
der  Schulter  festhält  und  mit  der  anderen  ein  Kästchen  von 
dem  vor  ihr  stehenden  Mädchen  empfangt;  das  Mädchen  hält 
in  der  anderen  Hand  eine  Schale.  Neben  dem  Sessel  der  Frau 
ist  noch  ein  kleines  Mädchen  zu  sehen.  Darunter  liest  man 
bloss  den  Namen  der  Verstorbenen  und  zwar  in  der  Dori- 
schen Form : 

A^iZTOBfiAA  ['AJpiaxogwXa. 

30.  Platte  aus  weissem  Marmor  0,20'"   hoch,  0,22"'  breit. 

\  0  e   M   l   Ä  e   n    I  M  [ 'Av?]6£|^,ia  £771  M. 

A  Y  P  ■  O  A  Y  M  n  I  O  Y  K  e  A'jp.    'Olu-^.xiou  jtk 

ePMOreNOYCer  'Epfy.oy£vou;  £y- 

r"ONUUNTOYKT  yovwv  toO  x.t- 

ICTOYoAYmTTIoY  WTOi.   '0).up.7riou. 

Die   Inschrift  ist  sehr    spät,  aber  wie  es  scheint   noch   nicht 
christlich. 


1^8  GRIECHISCHE   INSCHRIFTEN   IN   ftUSSLANÖ 

31.  Bruchstück    aus  weissem  Marmor  mit   grauen   Adern, 
0,\b"'  hoch,  0,27"  breit. 

^    KHAIA(t)ePOY        ii:(o|7.aToO]r,-/.Y)  (S)i(>:<p£pou[<7a  too 
rAOLUNOCAP     [Ssivo;  xai  'AjyiÖwvo?  'Ap 

Christliche  Grabinschrift  aus  ziemlich  später  Zeit. 

32.  Links  unversehrtes    Bruchstück  aus   grauem   Marmor, 
0,23™  hoch,  0,15'"  breit. 

I  I 

E  E  Y 

N  O  ¥  I 

E  A  B  A 

O  E  N  "I 

A  H  E  K 


Einige  andere  Denkmäler  unbekannter  Herkunft  hab'ich  an 
anderen  Orten  abseschrieben. 

33.  In  Petersbnr"-  m  der  Akademie  der  Künste;  ein  oben 
abgebrochenes  0,46™  hohes  und  0,33™  breites  Grabdenkmal, 
oberhalb  mit  einem  das  sogenannte  Todlenmahi  darstellenden 
Relief  'j;eschmückt :  ein  Mann  ist  auf  einem  Lager  auso;estreckt 

o  PC 

ZU  dem  ein  niedriger  dreifüssiger  mit  Gelassen  besetzter  Tisch 
herangerückt  ist;  neben  dem  Tisch  sitzt  ein  kleiner  Hund  und 
links  steht  ein  Knabe.  Die  unter  dem  Belief  befindliche  In- 
schriftist sehr  nachlässig  eingemeisselt  und  lässt  sich  nur  mit 
Mühe  entziffern  : 


ETTA(t)PA2TAN0YrA  'E-acppa?  txv  O-jya- 

TEPAZÜTHRAM  Tspa  ^ÜTTipav 

A  4)  H  P  n  1 1  E  ä(p7)po>i(^)6. 

Das  Denkmal  stammt  aus  Römischer  Zeit  und  ist  wahrschein- 
lich mit  den  oben  angeführten  jetzt  in  der  Ermitage  belind- 


GRIECHISCHE    INSCHRIFTEN   IN    RUSSLAND  f29 

liehen  Steinen  aus  dem  Archipel  nach  Petersburg  gebracht 
worden:  ähnliclie  Formeln  begejinen  namentlich  in  den  The- 
räischen  Grabinscliriften,  vgl.  C.  l    V,r.  2i()7  — 247o. 

34.  In  l^elersbnrg,  im  numismatischen  Kabinet  der  Aka- 
demie der  Wissenschaften  ;  kleines  Bruchstück  ans  grauenn 
Marmor,  von  allen  Seiten  ausser  der  rechten  abgebrochen. 

M  H  (X-/1- 

i  N  l<  A  E  [vo?  Toö  Seivo? ]a)v  IQe- 

O  A  I  O  ^  A  [wvo;  (?)  etxev.  'EtteiS-o  6  Selva  'PjoS-.o;  i- 

A  I  A  T    E  A  E  [vYip  äyaOö?  xai  ;^pr,ai{;.o;  wv]  SiaT£);£[T] 

5      K  A  I  T  O   I    21  [tcüi  Sr,[xa)i  twi ]  xai  toi; 

N  O  I  S!  T  i^  [de, ä<p!,/cvoutxs]voi(;  Ta)[v 

Herr  G.  Kicserilzky,  dessen  l.iebenswürdigkeit  ich  die  Kennt- 
niss  dieses  Bruchslückes  verdanke, konnte  mir  nichts  Genaues 
dai'über  mitlheilen,\vie  wann  und  woher  es  in  die  Akademie 
gebracht  wurde.  Nach  dem  Charakter  der  Schrift  scheint  das- 
selbe nicht  später  als  aus  dem  III.  Jahrb.  v.  Chr.  zu  stammen. 

35.  Im  Museum  der  Odessaei-  Gesellschaft  d.  Geschichte 
und  Alterth.;  eine  fast  unbeschädigte  Platte  aus  weissem 
Marmor,  H.  0,29'",  Br.  0,4;V",  D.  0,10'".  Die  gut  erhaltene 
Inschrift  ist  in  schönen  Buchstaben  der  Römischen  Zeit  ein- 
gegraben und  mit  einem  Rahmen  umzogen,  ausserhalb  des- 
sen an  den  Ecken  des  Steines  Reliefverzierungen  eingemeis- 
selt  sind:  unterhalb  links  eine  Blume  und  rechts  eine  Schlan- 
ge, oberhalb  rechts  ein  Scorpion ;  die  Verzierung  der  linken 
oberen  Ecke  ist  beschädigt, 

TOMNHMEIONKATE2  Ti  fy.vYi|j.£rov  xarec- 

ZKEYA5:AN-AYA0ZBET  cxsüaTav  AÖXo?  Bex- 

T  lAPI  OZKPIZTTOZKAIAY  Tiäpio?  Kpia-wO?  y.al  Au- 

A02:BETTIAPI02ETTA  lo?  BeTTiocpto;  'Exa- 

5      (iJPOAEITOZ-CpYAHZ  (ppot^eiTO?  <s^^Ar^^ 

OHZZHIAOSi.EAY  G-oaa'/jiSo?  iau- 

TOIZKAITOIZJAIOIZ-  toT?  >tal  toi?  tSioi; 

KAiATTEAE^^FPOlZ  xai  äireXtuöepoi?. 

MITTH.  D.  AUCH.   UN  ST.  X.  9 


130  GRIECHISCHE    INSCHRIFTEN   IN   RUSSLAND 

In  dem  Catalog  des  Museums  (8le  Ausg.  1880  S.  42)  ist  an- 
seseben,  dass  das  Denkmal  aus  Athen  stammt,  aber  diese 
Äno-abe  wird  namentlich  durch  die  Erwähnuno;  der  Phvle 
Theseis  auf  demselben,  die  in  Attika  nie  existirte,  widerlegt. 
Dieser  Name  kommt  hier,  wenn  ich  mich  niciit  irre,  zum  er- 
sten Mal  vor  und  kann  deshalb  nicht  als  Indicium  der  Her- 
kunft des  Denkmals  aus  dieser  oder  jener  Stadt  dienen;  aber 
am  wahrscheinlichsten  stammt  es  aus  einer  der  Thrakischen 
oder  Kleinasiatischen  Städte.  Üeber  die  in  diesen  vorkommen- 
den Phylen  vgl.  I.  H.  Mordtmann,  Marinora  Ancyranii  {diss. 
inaug.  Berl.  187  4)  S.  23  fg. 

Das  sind  alle  in  Russland  aufbewahrten  Inschriften  aus  ver- 
schiedenen Gegenden  der  Griechischen  Welt,  die  ich  bis  jetzt 
kennen  gelernt  habe;  wenn  es  mir  später  gelingt  andere  zu 
finden,  so  werde  ich  trachten  sie  auf  den  Seiten  dieser  Mit- 
theilungen bekannt  zu  machen. 

S.  Petersburg. 

ß.    LATISCHEW. 


Die  Propyläen  der  Akropolis  von  Athen, 


II.   üeber  die  Gestalt  des  Südweslflügels. 


(Hierzu  Tafel  V. 


Im  ersten  Abschnitte  dieser  Arbeit  (s,  oben  S.  38)  haben 
^^ir  unter  Anderem  zu  ermitleln  versucht,  welche  Form  der 
südwestliche  Flügel  der  Propyläen  in  dem  ursprünglichen 
Projecte  des  Mnesikles  hatte,  und  wie  dieser  erste  Entwurf 
noch  vor  seiner  Ausführung  eingeschränkt  und  verändert 
wurde.  Die  letztere  Fi-agc  konnte  nur  kurz  behandelt  wer- 
den, verdient  aber  eine    besondiTe   eingehende  Besprechung. 

Ueber  die  Gestalt,  welche  der  S.  W.  Flügel  nach  seiner 
Vollendung  zeigte  und  bis  zu  seiner  Zerstörung  im  Mittelalter 
bewahrt  hat,  ist  man  lange  verschiedener  Meinung  gewesen. 
Dass  an  seiner  N.  Wand  eine  Ante  und  drei  Säulen  standen, 
dass  die  0.  Wand  geschlossen  war,  und  dass  die  ebenfalls 
geschlossene  S.  Wand  im  Westen  in  einer  Ante  endete,  geht 
aus  dem  Zustand  der  Ruine  noch  jetzt  mit  vollkommener  Si- 
cherheit liervor,  es  fragte  sich  aber,  ob  die  N-  Wand  an  ih- 
rem westlichen  Ende  noch  eine  zweite  Paraslas  (derjenigen 
des  N.  W.  Flügels  entsprechend)  gehabt  habe,  und  wie  die 
W.  Wand  gebildet  gewesen  sei. 

Diese  beiden  Fragen  konnten  erst  eine  bestimmte  Lösung 
finden,  als  im  Jahre  1875  der  über  unserem  Flügel  erbaute 
grosse   Frankenthurm   abgebrochen  wurde   und   unter  dem 


132  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

hierbei  gewonnenen  ßaumaleriale  sehr  viele  der  fehlenden 
Bauglieder  der  Propyläen  zum  Vorschein  kamen.  Zuerst  hat 
L.  Juhus  dieses  neue  Material  in  einem  Aufsatze  über  den 
Südflügel  (Mitth.  IS.  26)  verwerthet.  Er  weist  überzeugend 
nach,  dass  die  N.  Fronte  des  S.  W.  Flügels  genau  in  dersel- 
ben Weise  gebildet  war  wie  die  S-  Fronte  des  iN.VV.  Flügels, 
dass  ihr  westlicher  Eckpfeiler  eine  eigenthümliche  aus  zwei 
Anten  combinirte  Grundrissform  hatte  und  dass  zwischen  der 
3.  Säule  der  N.  Wand  und  der  westlichen  Paraslas  der  S. 
Wand  ein  schmaler  Pfeiler  stand,  welcher  das  Gebälk  der 
W.  Wand  trug,  üeberdeckt  denkt  sich  Julius  den  Flügel  mit 
einem  zweiseitigen  Walmdach,  dessen  Grat  von  der  3.  Säule 
der  N.  Wand  zur  S.  0.  Ecke  des  Baues  lief. 

Später  hat  R.  Bohn  in  seinem  vorzüglichen  Werke  über  die 
Propyläen  die  Frage  nach  der  Form  des  S.  W.  Flugeis  noch- 
mals eingehend  behandelt.  In  Bezug  auf  die  Gestaltung  des 
Grundrisses  stimmt  er  seinem  Vorgänger  vollständig  bei,  auch 
bezüglich  der  Form  von  Pfeiler  und  Gebälk  weicht  er  nur  in 
einigen  Nebenpunkten  von  jenem  ab,  dagegen  schlägt  er  für 
das  Dach  eine  ganz  andere  Lösung  vor.  Ceber  der  N.  Wand 
nimmt  er  einen  Giebel  an,  dessen  First  sich  bis  zur  Mitte  der 
S.  Wand  erstreckt.  Wo  der  First  die  Wand  trifft,  beginnt  eine 
Kehle,  welche  zur  N.  0.  Ecke  des  Baues  hinunterläuft.  Wie 
der  westliche  Theil  des  Daches  gestaltet  war,  vermag  Bohn 
nicht  anzugeben.  Wenn  in  der  That  über  der  N.  Wand  des 
S.  W.  Flügels  ein  Giebel  angeordnet  war,  so  muss  selbstver- 
ständlich der  N.  W.  Flügel  an  seiner  S.  Seile  ebenfalls  einen 
Giebel  getragen  haben. 

Ausser  den  Schwierigkeiten,  welche  die  Anordnung  eines 
Giebels  über  der  N-  Wand  unseres  Flugeis  in  technischer  Be- 
ziehung bei  der  Construclion  des  Daches  bot,  hatte  diese  Lö- 
sung noch  Unregelmässigkeiten  und  Bedenken  architektoni- 
scher Art  im  Gefolge.  Unter  der  Mitte  des  Giebels  hätte  eine 
Säule  gestanden  und  die  beiden  Parastaden  der  N.Wand  wä- 
ren nicht  einmal  symmetrisch  zu  dieser  Mittelsäule  aufgestellt 
gewesen.  Bohn  verhehlte  sich  diese  Schwierigkeiten  allerdings 


DIE    PROPYLAEEN    DER    AKROPOLIS   VON   ATHEN  133 

nicht,  glaubte  aber  durch  das  Vorhandensein  mehrerer eigen- 
thiimlichei'  Gicbcl^eisa,  für  welche  Julius  keine  passende 
Stelle  halte  finden  können,  zu  seiner  Annahme  gezwungen 
zu  sein. 

Diese  Geisa,  von  denen  iiohn  die  wichtigsten  auf  Taf. XVIII 
seines  Werkes  unter  Fig.  Ha.  €.  y  imd  f"^  abbildet,  waren 
bei  Abb'uch  des  Frankenthurmes  gefunden  worden  und  muss- 
ten,  da  fast  sämtntliches  Baumaterial  dieses  Thurmes  von 
den  Propyläen  stammte  und  da  sie  ausserdem  in  Bezug  auf 
Material,  Arbeit  und  Grösse  mit  den  Werkstücken  der  Pro- 
pyläen übereinstimmten,  in  irgend  einer  Weise  bei  den  Pro- 
pyläen untergebracht  werden.  Dass  sie  einem  Giebel  angehört 
hatten,  zeigte  ein  Anfangstück  (14  ß)  und  ein  Scheitelstück 
(H  y).  Da  das  letztere,  ebenso  wie  zwei  andere  Gesimsblöcke, 
nach  hinten  in  seltsamer  Weise  abgeschrägt  war,  musste  der 
Giebel  weiter  einem  Bau  angehören,  dessen  Dach  nicht  in  der 
gewöhnlichen  Weise  gestaltet  war.  Offenbar  passte  dies  alles 
so  vorzüglich  zu  der  unregelmässigen  Form  des  S.  W.  Flü- 
gels, dass  ein  Zweifel  daran,  ob  die  Geisa  auch  wirklich  zu 
diesem  Flügel  gehörten,  ziemlich  ausgeschlossen  war. 

Während  Bohn  mit  diesen  Untersuchungen  beschäftigt  war, 
besuchten  B.  Borrmann  und  ich  auf  einige  Tage  Athen.  Bohn 
hatte  damals  die  Güte,  uns  bei  einer  Besichtigung  der  Propy- 
läen auch  jene  Geisa  zu  zeigen  und  zu  erklären.  Wir  verhehl- 
ten ihm  zwar  unsere  Bedenken  eeiien  seine  Dachlösun«;  und 
die  Anordnunnj  von  drei  Giebeln  an  der  Fronte  der  Propyläen 
nicht,  vermochten  ihm  aber  keinen  einzigen  besseren  Aus- 
wies; vorzusch  lauen. 

Erst  am  Ende  des  vorigen  Jahres  ist  es  mir  nach  langen 
vergeblichen  Versuchen  gelungen,  die  richtige  Lösung  zu  fin- 
den, wie  sie  auf  der  beia;efüo;ten  Tafel  V  in  mehreren  Zeich- 
nunoen  dargestellt  ist.  Dass  sie  mit  Becht  die  richtige  se- 
nannt  werden  darf,  hoffe  ich  durch  die  nachfolgende  Beweis- 
führung darzulegen. 

Die  Thatsachen, welche  mit  der  Bohn'schen  Anordnung  jiur 


134  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

schwer  in   Einklang  zu   bringen  waren,  sind    namentlich  die 
folgenden  : 

1)  Die  ebenffills  im  Frankenthurme  gefundenen  und  un- 
zweifelhaft zur  N.  Wand  unseres  Flügels  gehörigen  horizon- 
talen Geisa  (vergl.  Bohn,  Tafel  XVIll,  Fig.  11)  sind  an  ihrer 
Oberfläche  sämmllich  nur  rauh  bearbeitet  und  können  daher 
nach  den  Regeln  der  antiken  Technik  niemals  einen  Giebel 
getragen  haben.  Denn  zur  Aufnahme  der  Quadern  des  Gie- 
beldreiecks hätte  ihre  obere  Fläche  vollständig  geglättet  wer- 
den müssen. 

2)  Dieselben  Geisa  zeigen,  wie  man  auch  auf  der  Zeichnung 
Bohns  erkennt,  an  ihrer  Rückfläche  grosse,  schräg  eingear- 
beitete Löcher, welche  offenbar  für  stehende  Sparren  bestimmt 
sind.  Ihre  Existenz  neben  einem  Giebel  über  derselben  Wand 
kann  nur  in  gezwungener  Weise  erklärt  werden. 

3)  Die  Bedenken  künstlerischer  Art  habe  ich  schon  oben 
erwähnt.  Die  Nordwand  ist  unsymmetrisch  gebildet  und  hat 
ausserdem  in  ihrer  Mitte  kein  Intercolumnium  sondern  eine 
Säule;  es  hätte  den  Gesetzen  der  griechischen  Kunst  wenig 
entsprochen,  wenn  über  einer  solchen  Fronte  ein  Giebel  an- 
geordnet worden  wäre. 

4)  Da  der  N.  W.  Pfeiler  coulissenartig  vor  die  W.  Wand 
vorspringt,  so  wäre,  wenn  sich  über  der  N.  Wand  ein  Gie- 
bel befand,  ein  Stück  der  Rückseite  dieses  Giebels  stets  sicht- 
bar gewesen ;  einen  schönen  Anblick  hätte  das  nicht  gewährt ! 

5)  Die  schon  erwähnte  eigenthümliche  hintere  Abschrägung 
einiger  Giebelgeisa  findet  bei  Bohns  Reconstruction  keine  ge- 
nügende Erklärung.  Man  begreift  nicht,  zu  welchem  Zwecke 
das  Scheitelgeison  des  Giebels  nach  hinten  abgeschrägt  war, 
da  doch  der  First  horizontal  verlaufen  musste. 

Diese  verschiedenartigen  Bedenken  werden  wohl  jeden  zu 
der  Ueberzeugung  bringen,  dass  über  der  N.  Wand  kein  Gie- 
bel gewesen  sein  kann  und  dass  wir  uns  daher  nach  einem 
anderen  Platz  für  jene  Giebelgeisa  umsehen  müssen.  Kann 
nicht  die  W.  Wand  einen  Giebel  gehabt  haben?  Es  lassen 
sich  in  der  That  mehrere  Gründe  anführen, welche  eine  solche 


DIE    PnOPYLAEEN    DER    AKROPOLIS    VON   ATHEN  135 

Annahme  glauhwunliii  crsclicinen  lassen,  und  ich  will  geste- 
h(Mi,  dass  ich  cini;  Zeil  lani>;  diese  Lösung  l'iir  diirchfnhrbap 
hielt.  Allein  auch  hiiM-  erheben  sich  bald  verschiedene  Be- 
denken. Erstens  ist  die  VV.  Wand  in  ihrer  jetzigen  Form  zu 
kurz  im  Verhiillniss  zn  den  vorhandenen  zahlreichen  Giebel- 
geisa,  nnd  eine  coiilissenarlige  Verlängerong  der  VV.  Wand 
nach  S.  (dein  iirspiiinglichen  Projecte  des  Mnesikles  entspre- 
chend) anzunehmen,  verbietet  auf's  bestimmteste  der  Zu- 
stand der  Ruine.  Allerdings  ist  durch  die  letzten  Ausgrabun- 
gen des  leider  zu  (Vüli  verstorbenen  Herrn  Stamatakis  con- 
statirt  worden,  dass  der  Stylobat  und  das  Fundament  der  W. 
Wand  sich  nach  S.  bis  zur  Burgmauer  ausdehnte,  dass  also 
der  dreieckige  Baum  zwischen  der  S.  Wand  und  der  Brau- 
ronischen Terrasse  an  seiner  Westseite  durch  eine  Schwelle 
begrenzt  und  möglicher  Weise  auch  durch  eine  niedrige  Mauer 
oder  ein  Gitter  abgeschlossen  war.  Allein  das  Breitenmaass 
dieser  Schwelle  und  namentlich  der  wohl  erhaltene  Ab- 
schluss  des  Architravs  über  der  S.  W.  Ante  beweisen  sicher, 
dass  auf  der  Schwelle  keine  Stützenstellung  mit  Gebälk  ge- 
standen haben  kann. 

Zweitens  sind  die  zur  W.  Wand  gehörigen  horizontalen 
Geisa,  welche  ebenfalls  der  Frankenihurm  geliefert  hat,  an 
ihriM-  Obeifläche  nur  rauh  gearbeitet  i.nd  können  daher  nie- 
mals ein  Giebeldreieck  getragen  haben.  Die  W.  Wand  kann 
mithin  als  Platz  für  unsere  Giebelgeisa  nicht  in  Betracht 
kommen. 

Dass  auch  über  der  0.  Wand  des  Flügels  kein  Giebel  ge- 
wesen sein  kann,  bedarf  keines  weiteren  Beweises,  da  das 
Quadermauerwerk  noch  jetzt  bis  über  die  Dachfläche  des  Flü- 
gelbaues erhalten  ist.  Es  bleibt  also  schliesslich  nur  die  S. 
Wand  für  die  Unterbringung  jener  Giebelgeisa  übrig.  Einen 
Giebel  im  sjewöhnlichcn  Sinne  des  Wortes  kann  aber  auch 
diese  Wand  nicht  getragen  haben,  denn  am  östlichen  Ende 
lag  die  Dachfläche  nachweisbar  höher  als  am  westlichen.  Aber 
ist  denn  auch  die  Voraussetzung  richtig,  dass  jene  Geisa  wirk- 
lich  gewöhnliche  Giebelgeisa  sind?  Mit  dieser  Frage  haben 


136  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

wir  den  schwachen  Punkt  in  der  Beweisführuno;  Bohns  ge- 
troffen. Sehen  wir  uns  die  Geisa  einmal  etwas  genauer  an  1 
Der  von  Bohn  auf  seiner  Tafel  XVIII  unter  Fig.  14  ß  abge- 
bildete Block  (auf  unserer  Tafel  V  Fig.  7  mit  F  bezeichnet) 
ist  allerdings  unbestreitbar  der  zweite  Anfänger  eines  mit  ei- 
ner Neigung  von  1  :  5  ansteigenden  Gesimses;  der  Stein  14  y 
dagegen  (auf  unserer  Tafel  mit  C  bezeichnet)  ist  von  F.ohn 
falsch  abgebildet.  Der  Winkel,  welchen  die  beiden  Schenkel 
einschliessen,  ist  bei  Bohn  viel  kleiner  als  in  Wirklichkeit; 
er  ist  genau  so  gross  wie  der  Winkel  von  14  ß.  Wenn  man 
dem  kurzen  linken  Schenkel  die  Neigung  1  :  5  giebt,  so  fällt 
der  längere  Schenkel  nicht  unter  demselben  Winkel  nach 
rechts  hinab,  wie  es  bei  einem  regelmässigen  Giebel  erforder 
lieh  wäre,  sondern  er  läuft  horizontal  nach  rechts 
weiter-  Die  fraglichen  Geisa  haben  also  nie  einen  Giebel  ge- 
bildet, sondern  gehören  einem  Gesimse  an,  welches  zuerst 
unter  einem  Winkel  von  1  :  ■)  ansteigt  und  dann,  indem  es 
einen  Knick  macht,  horizontal  verläuft  Gerade  eine  solche 
Form  muss  aber  das  auf  der  Südwand  liegende  Gesimse  ge- 
habt haben,  wie  wir  auf  einem  anderen  Wege  beweisen 
werden. 

An  der  Innenseite  der  0.  Wand  (vergl.  den  Querschnitt 
Fig.  5  auf  Tafel  V)  erkennt  man  noch  das  kleine  Deckenge- 
simse, über  welchem  die  Holzbalken  der  horizontalen  Decke 
lagen.  Oberhalb  dieses  Gesimses  erblickt  man  eine  von  links 
nach  rechts  ansteigende,  in  die  Wand  eingehauene  Rille, 
welche  ein  Steigungsverhältniss  von  1:5  hat.  Dass  diese 
Rille  nicht  aus  byzantinischer  oder  fränkischer  Zeil  stammt, 
sondern  fiir  das  antike  Dach  gearbeitet  ist.  haben  schon  Ju- 
lius und  Bohn  mit  Recht  hervorgehoben.  Sie  war  bestimmt, 
die  über  den  Sparren  liegenden  Querhölzer,  die  iaxvrs;  und 
'/taX'jaaara,  aufzunehmen.  Die  Sparren  selbst  lagen  unterhalb 
der  Rille,  die  Marmorziegel  dagegen,  wie  man  an  der  Ver- 
witterung der  Wandquadern  erkennen  kann,  über  derselben. 
Die  Sparrenfüsse  griffen  in  die  schon  erwähnten,  in  den 
Traufgeisa   der    ]\.  Wand  befindlichen   schrägen  Löcher   ein 


DIE    PROPYLAEEN    DER   AKROPOLIS   VON   ATHEN  137 

lind  lagen  sein*  diclil  iu'b(>nein;in(ler'  (Abstand  nur  0, IG"). 
Die  oberen  Enden  der  Sparren  lagen  nicht,  wie  man  vermu- 
Ihen  konnte,  auf  der  S.  Wand  auf— denn  diese  Wand  besitzt 
keine  Löcher  für  dit^selben  — ,  sondern  müssen  dundi  einen 
dicht  an  der  Wand  liegenden  Balken  unterstützt  worden  sein. 

Ausser  der  durch  diese  Sparren  gebildeten  Dachfläche,  wel- 
che von  dem  Gesimse  der  N.  Wand  nach  S.  ansteigt,  können 
wir  an  dem  Bau  selbst,  trotz  seiner  starken  Zerstörung,  noch 
das  fridiere  Vorhandensein  einer  zweiten  Dachnäcliu  constati- 
ren,  welche  von  dem  Geison  der  W.  Wand  nach  ().  ansteigt 
und  die  erstere  Fläche  in  einem  Grate  schneidet.  Schon  1^. 
Julius  hat  (Milth.  I  S.  2"22)  darauf  liingewiesen,  dass  man  an 
der  Innenseite  der  Südwand  sichere  Spuren  einer  Dachlinie 
erkennen  könne.  Bei  Bestimmung  derselben  muss  er  sich  aber 
vermessen  haben,  denn  die  von  ihm  berechnete  Dachneignng, 
welche  geringer  ist  als  diejenige  an  der  0.  Wand  (1  :  5)  und 
bei  welcher  das  Geison  der  S.  Wand  ohne  Knick  und  ohne 
horizontalen  Schenkel  nach  0-  ansteigen  würde,  ist  in  Wirk- 
lichkeit nicht  vorhanden.  Hätte  Julius  diesen  kleinen  Mess- 
fehler nicht  gemacht,  so  würde  er  schon  die  vollkommen 
richtige  Dachlösung  und  damit  auch  die  richtige  Stelle  tür 
jene  Geisa  gefunden  haben- 

Bohn  erwähnt  die  von  Julius  beschriebenen  Spuren  der 
Dachneigung  an  der  S.  Wand  nicht.  Sie  waren  in  der  That 
auch  nur  mit  Mühe  zu  erkennen,  weil  oben  auf  der  S.  Wand 
noch  Mauerwerk  von  dem  Frankenlhurm  stehen  geblieben 
war,  welches  ihre  Oberfläche  verdeckte.  Nachdem  dieses  späte 
Mauerwerk  auf  meine  Bitte  im  vorigen  Jahre  durch  Herrn 
Slamatakis  entfernt  worden  war,  trat  die  Neigung  der  Ober- 
kante der  S.  Wand  ganz  deutlich  zu  Tage.  Der  Stein  K  (Fig. 
7  auf  unserer  Tafel  V)  zeigt  eine  starke  Abschrägung  nach 
links;  sein  Nachbarstein  L,  welcher  ebenfalls  keiltörmig  ist, 
lag  zwar  nicht  mehr  in  situ,  befand  sich  aber  in  dem  späte- 
ren Mauerwerk  und  konnte  daher  wieder  an  seine  alte  Stelle 
gerückt  werden;  die  Quader  M  liegt  noch  in  situ  und  zeigt  in 
ihrer  westlichen    Hälfte   dasselbe   Gefälle  wie  K  und  L;   die 


138  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

folgende  keilförmige  Quader  N  fVhlle,  ich  fand  .sie  aber  bald 
unter  den  am  Boden  liegenden  Steinen  und  konnte  sie  daher 
wenigstens  in  der  Zeichnuns;  wieder  an  ihren  früheren  Platz 
setzeil  (es  ist  derselbe  Stein,  den  Bidin  auf  seiner  Tafel  XVIII 
unter  Fig.  16  als  Stein  eines  Giebeldreiecks  abgebildet  hat); 
die  anstossende  Quader  0,  welche  ebenfalls  fehlt,  konnte  ich 
nirgends  finden.  Mit  P  habe  ich  das  von  Bohn  auf  seiner  Ta- 
fel XVIII  in  Fig.  15  mitgetheilte  Fckgeison  bezeichnet,  es  liegt 
zwar  nicht  mehr  m  situ.,  gehört  aber  unzweifelhaft  an  diese 
Stelle.  Ebenso  habe  ich  die  von  Bohn  (Tafel  XVIII,  Fig.  7  a) 
gezeichnete  und  richtig  erklärte  Quader  Q  in  der  Zeichnung 
wieder  an  ihren  allen  Platz  gesetzt. 

Die  obere  Abschrägung  der  S.  Wand,  welche  an  den  auf- 
gezählten Quadern  mit  Sichei'heit  festgestellt  ist,  besitzt  ein 
Gefälle  von  1  :  5,  stimmt  also  überein  mit  dem  Steigungs- 
verhältniss,  welches  wir  an  der  Rille  der  0.  Wand  und  an 
den  Geisonbiöcken  F  und  C  fanden.  Wir  sind  daher  berech- 
tigt den  Gesimsblock  F  an  das  westliche  lünde  der  S.  W^and 
auf  das  Eckgeison  P  zu  setzen.  Als  ich  dies  thal,  stellte  sich 
heraus,  dass  nicht  nur  die  Dübellöcher  der  beiden  Steine  ge- 
nau aufeinander  passen,  sondern  dass  man  auch  auf  der  Über- 
fläche von  P  die  eigenlhümliche  Umrisslinie  von  F  an  der 
verschiedenen  Art  der  Verwitleriing  noch  deutlich  erkennen 
konnte.  Das  winkelförmige  Geison  C  müssen  wir  an  dieje- 
nige Stelle  setzen,  wo  die  Steigung  der  S.  Wand  in  die  Ho- 
rizontale  übergeht.  Die  letzte  abgeschrägte  Quader  istX;  ihre 
rechte  Nachbarquader  J,  welche  noch  mit  ihrem  alten  Eisen- 
dübel befestigt  ist  und  daher  sicher  in  situ  liegt,  zeigt  schon 
eine  horizontale  Oberfläche.  Lieber  der  Stossfuge  von  K  und  J 
nnuss  also  der  Knick  des  Gesimses  liegen.  Man  wendet  viel- 
leicht  ein,  dass  doch  möglicher  Weise  über  J  noch  eine  keil- 
förmige Quader  gelegen  haben  könne.  Dass  dies  jedoch  nicht 
der  Fall  gewesen  sein  kann,  beweist  schon  die  Höhe  der  Qua- 
der ./,  welche  0,58'"  misst,  während  alle  übrigen  Quader- 
schichten der  Wände  und  sogar  die  Quadern  der  entsprechen- 
den  Schicht   der  0.  Wand  nur  0,49  —  0,50™  hoch   sind.  Der 


DIE   PROPYLAEEN   DER   AKROPOLIS    VON   ATHEN  139 

Stein  J  und  seine  beiden  (■>stli('li(!n  Nachbarn  mnssten  höher 
gemacht  werden,  damit  das  Geison  gerade  seine  richtige  Hö- 
henlage bekam.  Die  Stelle  fiir  den  Oosimsblock  C  ist  also  ge- 
naii  bestimml,  sein  horizontaler  Schenkel  miiss  auf  der  Qua- 
der J,  sein  geneifiter  Schenkel  auf /v  liegen.  Zwischen  den  bei- 
den Geisa  F  und  C  und  östlich  von  C  haben  wir  nun  die  übri- 
gen Geisonsteine  (im  Ganzen  7  Slück)  unterzubringen. 

öm  diese  Vertheilung  vornehmen  zu  können,  müssen  wir 
eine  schon  kurz  erwähnte  Eigenthümlichkeit  einzelner  dieser 
Geisa  besprechen.  Zwei  von  ihnen  zeigen  nämlich,  ebenso  wie 
das  Winkelgeison  C,  eine  Abschrägung  der  Oberfläche  nach 
hinten,  durch  welche  ihre  Höhe  von  0,29'"  auf  0,14"'  verrin- 
gert wii'd  (vergl.  Bohn,  Taf.  XVHI,  14  y  und  ^).  Gerade  eine 
solche  Abschrägung  mnssten  aber,  wie  man  auf  unserem 
Querschnitt  (Taf.  V,  Fig.  5)  erkennen  kann,  die  auf  der  Süd- 
wand liegenden  horizontalen  Geisa  haben,  damit  ihre  hori- 
zontale Oberfläche  in  die  geneigte  Dachfläche  übergehen 
konnte.  Die  ansteigenden  Geisa  derselben  Wand  durften  da- 
gegen nicht  abgeschrägt  sein,  ihre  Oberfläche  lag  schon  von 
selbst  mit  der  zweiten  Dachfläche  in  einer  Ebene.  Hieraus 
folgt,  dass  die  beiden  hinten  abgeschrägten  Geisa  IB  und  A) 
ösilich  von  C  ihre  Stelle  haben.  Das  dort  <j;erade  lür  die  bei- 
den  einzigen  gefundenen  Stücke  Platz  ist,  dürfen  wir  als  ei- 
nen werthvollen  Beweis  für  die  Richtigkeit  unserer  Kecon- 
struction  ansehen.  Das  Geison  A  zeigt  noch  eine  Besonder- 
h'^it,  welche  früher  nicht  bemerkt  worden  ist.  Dasselbe  ist 
nämlich  im  Grundrisse  schief  abgeschnitten  und  zwar  unter 
demselben  Winkel,  nach  welchem  die  ganze  S.  0.  Ecke  un- 
seres Flügels  durch  die  kyklopische  Mauer  der  Artemis-Ter- 
rasse coupirt  wird.  In  Fig.  3  und  7  auf  Tafel  V  habe  ich  diese 
Coupirung  der  S.  0.  Ecke  unter  Weglassung  der  kyklopi- 
sehen  Mauer  durch  eine  dunkle  Schrafhrung  sichtbar  gemacht. 
Hiernach  ist  es  nicht  nur  zweifellos,  dass  das  Geison  A  an  die 
S.  i).  Ecke  gehört,  sondern  wir  dürfen  auch  weiter  die  wich- 
tige Folgerung  ziehen,  dass  die  kykiopische  Mauer  der  Arte- 


140  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

mis-Terrasse  zur  Zeit  der  Eibauung  der  Propyläen  noch  bis 
über  das  Dach  des  S.  W.  Flügels  hinausragte. 

Die  noch  übrigen  5  Gesimsblöcke,  welche  ich  mit  D  be- 
zeichnet habe,  oehören  z,u  dem  ansteiarenden  Theile  des  Gei- 
son  und  lassen  sich  zwischen  die  beiden  Fixpunkle  C  und  F 
gerade  so  einordnen,  dass  ihre  Dübellöcher  mit  den  auf  der 
Wand  befindlichen  l.öchern  zusammenpassen.  Sie  füllen  den 
Zwischenraum  von  C  bis  F  nicht  ganz  aus,  sondern  es  bleibt 
noch  eine  Lücke  übrig  für  einen  Block  E,  welcher  ebenso  wie 
das  kleine  Eckstück  G  und  wie  so  manche  andere  Steine  der 
Propyläen  zerschlagen  oder  verloren  ist. 

Sämmtliche  bei  Abbruch  des  Frankenihurmes  gewonnenen 
Geisa  sind  jetzt  am  S.  W.  Flügel  untergebracht:  die  Geisa 
mit  den  Tropfenplatten  gehören  zur  Nordwand,  die  einfachen 
horizontalen  Gesimse  zur  Westwand  und  die  etwas  anders 
profilirten  sog.  Giebelgeisa  zur  Südwand. 

Dass  unsere  Reconstruction  des  S.  W.  Flügels  wirklich  die 
richtige  ist,  dafür  können  wir  schliesslich  noch  einen  letzten 
und  zwar  schlagenden  Beweis  anführen.  Nach  unseren  bishe- 
rigen Darlegungen  bestand  das  Dach  aus  zwei  Flächen  (Wal- 
men),  welche  von  der  nördlichen  und  westlichen  Traufe  an- 
stiegen und  sich  in  einem  nach  S.  0.  gerichteten  Grate  durch- 
schnitten. Da  die  beiden  VValme  erwiesenermaassen  ein  glei- 
ches Gefälle  (1  :  5)  hatten,  musste  der  Grat  im  Griindriss  den 
Winkel  der  beiden  Trauflinien  halbiren.  Hiernach  können  wir 
leicht  bestimmen,  an  welcher  Stelle  der  Gratbalken  die  Süd- 
wand traf.  Ist  nun  unsere  Reconstruction  des  Daches  richtig, 
so  muss  erstens  diese  Stelle  mit  dem  Knick  in  dem  Geison 
der  S.  Wand  zusammentreffen  und  zweilens  muss  »-erade 
dort  auch  irgend  ein  Auflager  für  den  Gratbalken  vorhanden 
sein.  Beide  Bedingungen  werden  vollständig  erfüllt,  denn 
nicht  nur  trifft  eine  von  dem  Schnittpunkt  der  beiden  Trau- 
fen unter  45  Grad  gezogene  Diagonale  genau  diejenige  Stelle 
der  Südwand,  wo  das  ansteigende  Geison  in  das  horizontale 
übergeht, sondern  an  der  betreffenden  Stelle  befindet  sich  auch, 
wie  man  auf  unserer  Tafel  im  Grundrisse  (Fig.  4),  im  Quer- 


DIE   PROPYLAEEN  DER   AKROPOLIS   VON  ATHEN  14! 

schnitte  (Fig.  5)  und  im  Längenscliiiillc  (Fig.  Gj  selicn  kann, 
noch  jclzl  ein  grosses  schräg  eingearbeitetes  Luch  zur  Auf- 
nahme des  müchlii'en  Gralbalkcns. 

Wir  haben  bisher  bei  unserer  Untersuchung  stillschwei- 
gend vorausgesetzt,  dass  der  Gnindriss  des  S.W.  Flügelsein 
einfaches  Hechteck  sei,  welches  im  W.  bei  der  3.  Säule  der 
N.Wand  abschliesse.  In  Wirklichkeit  war  dies  aber  nichtder 
Fall,  sondern  an  der  TN.  W,  Ecke  sprang  der  grosse  Eckpfei- 
ler mit  seinem  Gebälke  coulissenartig  vor.  Trotzdem  waren 
,  wir  zu  dieser  Voraussetzung  vollkommen  berechtigt, weil  der 
vorspringende  Pfeiler  die  Gestalt  des  Daches  in  keiner  Weise 
beeinflusst  hat.  Der  Eckpfeiler,  dessen  architektonische  Be- 
deutung wir  in  dem  ersten  Theile  dieser  Arbeit  (oben  S.  38) 
besprochen  haben,  hatte  einen  fast  horizontalen  Abschluss 
mit  einem  geringen  Gefälle  nach  allen  drei  freien  Seiten.  Das 
Dach  des  Flüü;elbaues  war  bei  der  3.  Säule  der  N.  Wand 
beendigt  und  ohne  jede  Rücksicht  auf  die  vorspringende  Ecke 
angelegt. 

Wie  der  südwestliche  Flügel  der  Propyläen  hiernach  im 
Alterthume  aussah^  sollen  die  drei  Ansichten  auf  Taf.  V  dem 
Leser  veranschaulichen.  Es  sind  geometrische  Aufrisse  im 
Maasstabe  1  :  150,  bei  welchen  die  zurückliegenden  Theile  et- 
was dunkler  als  die  weiter  vorspringenden  gehalten  sind.  Um 
die  Form  des  Daches  möglichst  deutlich  zu  zeigen,  habe  ich 
die  Sima  und  LMarinorziegel  forlgelassen  und  nur  die  Stossfu- 
gen  der  Ziegel  durch  einfache  Linien  angedeutet.  In  Fig.l  und 
3  sieht  man  am  besten,  dass  das  Dach  erst  bei  der  3.  Säule  der 
N.  Fronte  beginnt  und  dass  der  grosse  Eckpfeiler  ganz  dach- 
los gewesen  ist.  In  Fig.  7  habe  ich  den  oberen  Theil  von  Fig. 
3  im  doppelten  Maasstabe  (1  :  75)  wiederholt,  um  die  einzel- 
nen Steine  besser  zu  zeigen  und  ihre  Dimensionen  angeben 
zu  können.  Der  Grundriss  und  die  beiden  Schnitte  sind  ebenso 
wie  die  Ansichten  im  Maasstabe  1  :  150  gezeichnet. 

Nachdem  wir  bewiesen  haben,  dass  der  S.  W.  Flügel  an 
seiner  Nordseite  keinen  Giebel  besass,  kann  natürlich  auch 
der  N.  W.  Flügel  den  ihm  von  Bohn  aus  Gründen  der  Sym- 


142  DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN 

raetrie  zugetheilten  Giebel  nicht  mehr  behalten,  sondern  wird 
ebenso  wie  jener  ein  Walmdach  gehabt  haben.  Nach  Analo- 
gie des  S.  W.  Flügels  und  nach  den  erhaltenen  Spuren  der 
Dachneigung  muss  dieses  Dach  aus  3  VValmen  bestanden  ha- 
ben,welche  sämmtlich  dasselbe  Gefälle  hatten  und  sich  daher 
in  zwei  Graten  und  einem  kurzen  Firste  durchschnitten. 

Hatte  aber  der  N.  VV.  Flügel  ein  dreiseitiges  Walmdach, 
so  kann  man  die  Frage  aufwerfen,  warum  Mnesikles  nicht 
auch  dem  S.  W.  Flügel  drei  statt  der  beiden  Walme  gege- 
ben hat.  An  Stelle  des  eigenthümlichen  gebrochenen  Gesim- 
ses würde  dann  die  Südwand  auch  nur  ein  einziges  horizon- 
tales Hauptgesimse  gehabt  haben.  Der  Grund  hierfür  liegt 
vermuthlich  darin,  dass  der  Architekt  den  S.  W.  Flügel  als 
einen  nicht  fertigen  Bau  charaklerisiren  wollte. Seine  Dachform 
entstand  dadurch,  dass  von  dem  dreiseitigen  Walmdache  des 
projectirlen  Flügels  ein  Stück  von  der  Breite  des  reducirten 
Baues  abgeschnitten  wurde.  Die  Durchschnittsfläche  erhielt 
hierbei  gerade  diejenige  Gestalt,  welche  die  S.  Wand  im  Al- 
terthume  zeigte,  ßeachtenswerlh  ist  in  dieser  Beziehung  noch, 
dass  Mnesikles  an  der  S.  Wand  nicht  neben  dem  oberen  ge- 
brochenen Gesimse  auch  das  horizontale  Geison  der  beiden 
anderen  Seiten  herumführte,  sondern  dasselbe  an  einer  vor- 
tretenden einfachen  Quader  sich  todtlaufen  liess.  Die  Form 
dieses  Gesims-Abschlusses  hat  Bohn  bereits  gefunden  und  ge- 
nau festgestellt. 

Zum  Schlüsse  mache  ich  noch  besonders  auf  die  geringe 
Dachneigung  der  beiden  Flügelbauten  (1  :  5)  aufmerksam  Die 
meisten  griechischen  Tempeibauten  hatten  Dachneigungen 
von  1  :  3  Y2  bis  J  :4  74  und  dementsprechend  schwankt  bei 
den  erhaltenen  Giebeln  das  Verhältniss  der  Höhe  und  Grund- 
linie fast  immer  zwischen  1  :  7  und  1  :  8  ^j^.  Die  Flügelbau- 
ten der  Propyläen  hatten  also  auffallend  flache  Dächer.  Wie 
ist  diese  Thatsache  zu  erklären?  Man  könnte  annehmen,  der 
Architekt  habe  die  Walmdächer  so  flach  gemacht,  um  sie 
nicht  sichtbar  werden  zu  lassen;  allein  auch  schon  bei  eirem 
Gefälle  von  1  : 4  74,  ^vie  es  der  Mittelbau  der  Propyläen  auf- 


DIE  PROPYLAEEN  DER  AKROPOLIS  VON  ATHEN  U3 

weist,  hätte  man  bei  der  liohen  Lage  des  Baues  die  Dächer 
fast  von  keinem  Punkte  sehen  könniMi.  Man  könnte  wiuter 
vermutiieii,  die  üücIhm-  der  Fiugclljaulen  seien  dessliaib  so  nie- 
drig, damit  ijir  First  noch  iinlcr  dem  Gesimse  der  beiden 
grossen  projectirlen  östlichen  Säulenhallen  bleibe.  Allein  ich 
habe  schon  im  ersten  Aufsätze  (S.  51)  darauf  hingewiesen, 
dass  das  Gesimse  an  der  Westseite  dieser  Hallen  keinenlalis 
mit  dem  Hauptgesimse  an  ihrer  Ostl'ronte  in  einer  Höhe  ge- 
legen haben  kann.  Da  ich  aus  diesem  Grunde  jelzt  die  dritte 
der  von  mir  damals  angeführten  Möglichkeiten,  dass  nämlich 
die  grossen  östlichen  Säulenhallen  mit  einfachen  Pultdächern 
abgedeckt  werden  sollten,  für  die  bei  weitem  wahrscheinli- 
chere halte,  so  lag  das  Gesimse  an  der  Westseite  der  östli- 
chen Hallen  ungefähr  in  der  Höhe  des  Geison  vom  Mittelbau 
und  der  Architekt  konnte  mithin  die  Dächer  der  Flügelbau- 
ten noch  beträchtlich  steiler  machen,  ohne  mit  den  Firsten 
derselben  das  Gesimse  der  Säulenhallen  zu  erreichen. 

Ich  glaube  vielmehr,  dass  die  geringe  Dachneigung  durch 
das  Eindeckungsmaterial  veranlasst  worden  ist.  Einem  mit 
Mai-morziegeln  eingedeckten  Dache  konnte  man  ein  geringe- 
res Gefälle  geben,  als  einem  Thonziegeldach,  weil  sauber  be- 
arbeitete Marmorziegel  genauer  auf  einander  passen  und  da- 
her weniger  Wind  und  liegen  durchlassen  als  gebrannte 
Thonziegel,  welche  beim  Brennen  immer  etwas  windschief 
und  uno-enau  werden.  Während  man  daher  bei  Marmordä- 
ehern  sehr  gut  ein  Gefälle  von  1:5  anwenden  konnte,  ging 
man  bei  Thonziegeln  nicht  gerne  unter  l  :  3  ■^/4  hinunter.  Dass 
trotzdem  die  Marmordächer  fast  sämnitlich  eine  arrössere  Stei- 
gung  als  1  :  5  besitzen,  hat  darin  seinen  Grund,  dass  diese 
Bauten  fast  stets  Giebel  hatten.  Der  griechische  Giebel  ist 
nämlich  an  dem  älteren  'i'honziegeldach  entstanden  und  hat 
daher  die  Proportionen  dieses  Daches  angenommen.  Als  man 
später  die  Marmorziegei  erfand,  hätte  man  die  Giebelneigung 
bedeutend  verringern  können.  Man  that  dies  aber  nur  in  sehr 
geringem  Maasse,  vermuthlich,weil  man  die  einmal  als  schön 


444  t>l£   PRÖPYLAEEN   DER   aKROPOLIS  VON  ATHEI^ 

erkannten  Proportionen  des  Giebels,  an  die  man  sich  gewöhnt 
hatte,  nicht  mehr  abändern  wollte.  Für  den  Mittelbau  der  Pro 
pyläen  mnsste  demnach  Mnesikles  des  Giebels  wegen  eine 
Dachneigung  von  1:4  Y4  wählen, während  er  die  Walmdächer 
der  Flügelbauten  mit  dem  für  Marmorziegel  hinreichenden 
Gefälle  von  1  :  5  versah. 

WILH.   DOERPFELD. 


Künstlerinschrift  aus  Megara. 


Vor  dem  Hause  des  Christos  Penkos  in  Megara,  welches 
sich  unmillelbar  atn  Nordfusse  des  östlichen  der  beiden  Hügel 
in  der  Ebene,  in  der  Gegend  befindet,  welche  den  Namen 
Kamari  führt',  liegt  eine  Anzahl  antiker  Blöcke,  welche  vor 
etwa  drei  Jahren  beim  Baue  des  Hauses  in  ganz  geringer 
Tiefe  zum  Vorschein  gekommen  sein  sollen.  Dieselben  beste- 
hen alle  aus  dem  gleichen  grauen  Marmor,  wie  er  sich  in 
Megara  auch  sonst  zahlreich  verwendet  findet.  Zwei  davon  er- 
weisen sich  durch  eine  über  sie  hinlaufende  Inschrift  zunächst 
als  zusammengehörig;  sie  sind  beide  0,2(S  Meter  hoch,  0,80 
dick,  die  Länge  beträgt  bei  a  1,27,  bei  b  1,26.  Die  obere  La- 
gerfläche zeigt  einen  umlaufenden  geglätteten  Rand,  welcher 
bei  6  0,05  Meter  breit  ist.  Leberdiess  haben  beide  Blöcke  auf 
dieser  Fläche  nahe  der  rechten  hinteren  Ecke  eine  viereckige 
Vertiefung,  welche  bei  a  0,07  tief,  0,28  lang  und  breit,  von 
der  Kante  der  Rückseite  0,185  und  vom  rechten  Rande  0,08 
entfernt  ist;  dieselbe  öffnet  sich  rechts  in  einer  schmalen 
Rinne,  die  bis  an  den  Hand  geht.  Bei  b  ist  die  Vertiefung  0,32 
lang,  0,24  breit;  mehr  liess  sich  hier  nicht  feststellen,  da  der 
Stein  verkehrt  am  Boden  liegt;  nur  in  der  Mitte  der  oberen 
Lagerfläche  war  noch  eine  schmale,  etwa  0,15  lange  Rinne, 
wie  für  eine  Klammer,  sichtbar.  Man  wird  aus  diesen  Vor- 
richtungen auf  eherne  Figuren,  zu  deren  Aufnahme  dieselben 
dienten,  schliessen  dürfen  = 


'  Etwas  weiter  westlich  von  der  Fundstelle  belinden  sich  in  giusser  An- 
zahl mächtige  Quadern,  die  ich  in  der  Dunkelheit  nicht  näher  untersuchen 
konnte.  Dieselben  dürften  mit  den  von  Vclsen  Archäol.  Anzeiger  1853  S. 
380  auf  das  Olympieion  bezogenen  Resten  identisch  sein. 

MITTH.  D.  ARGH.   INST.  X.  10 


146  KUENSTLERINSCHRIFT  AUS  MEGARA 

Von  den  übrigen  Blöcken  lassen  sich  weiters  drei  wegen 
der  üebereinstimmiing  der  Maasse  als  zusammengehörig  anse- 
hen. Bei  einer  durchgehenden  Höhe  von  0,3G  sind  die  übri- 
gen Dimensionen:  0,94X0,91,  0,93x0,90,  0,94x0,89.  Der 
letzlangeführte  Block  zeigt  oben  bei  rauhgehaltener  Innenflä- 
che einen  ses-iätteten  erhöhten  Rand;  derselbe  findet  sich  an 
drei  Seiten,  auf  der  vierten  ist  der  Stein  Verstössen  (daher  die 
Länge  von  nur  0,89)  Ein  genau  ebensolcher  Saum  von  glei- 
cher Breite  ist  auch  an  dem  zweitangeführten  Blocke,  dessen 
eine  Ecke  ganz  fehlt  und  dessen  Kanten  zum  Teile  Verstössen 
sind,  zu  erkennen;  doch  liegt  der  Stein  mit  der  betreffenden 
Fläche  gegen  den  Boden.  Der  erstangeführte  Stein  endlich, 
welcher  jetzt  für  eine  VVeinpresse  zugearbeitet,  in  seinen  Kan- 
ten aber  intact  ist,  zeigt  aul  der  bei  seiner  gegenwärtigen 
Lage  nach  oben  gekehrten  Fläche  bloss  zvsei  Löcher  an  der  ei- 
nen längeren  Kante, welche  ich  nicht  mit  Sicherheit  als  Klam- 
merlöcher zu  bezeichnen  mich  getraue;  von  der  entgegenge- 
setzten Lagerfläche  liess  sich  nichts  sehen.  Aus  der  geschil- 
derten Beschaffenheit  dieser  drei  Blöcke  geht  hervor,  dass 
dieselben  bestimmt  waren,  oben  ein  stufenförmig  zurücktre- 
tendes Glied  aufzunehmen, als  welches  sich  nach  den  Maassen 
die  beiden  Inschriftblöcke  eroeben.  Wird  die  Breite  des  er- 
höhten  Randes,  welcher  für  die  jetzt  am  Boden  liegende  Flä- 
che des  als  VVeinpresse  dienenden  Steines  gleichfalls  voraus- 
gesetzt werden  kann  und  den  ich  an  den  anderen  beiden  mit 
0,06  und  0,065  mass,  von  0,94  abgezogen,  so  stimmt  diess 
auf  das  Genaueste  mit  der  0,80  betragenden  Breite  der  In- 
schriftblöcke. Ein  Gleiches  gilt  von  der  Länge,  die  bei  den 
Inschriftblöcken  zusammen  2,53  beträgt,  da  der  Saum  an  der 
0,94  messenden  Seite  des  oben  an  dritter  Stelle  angeführten 
Blockes  etwas  breiter  ist  als  an  den  beiden  anderen.  Dei"  eben 
genannte  Block,  welcher  an  der  angeführten  Seite  eine  geglät- 
tete Stossfläche  aufweist,  wird    sonach  an  der  entoeo-enaresetz- 

'  CCD 

ten,  jetzt  verstossenen  Seite  überhaupt  keinen  erhöhten  Saum 
gehabt  haben. 


KUENSTLERINSCHRIFT  AUS  MEGARA  147 

Das  Bathron  muss  aber  noch  weitere  Glieder  gehabt  haben. 
Daraufweisen  zwei  Blöcke,  von  denen  der  eine  mit  den  Maas- 
sen  0,3(>X0,91  XO,64  bei  den  früher  bntrachtelcn  liegt;  der- 
selbe hat  oben  einen  nur  0,01  (S  breiten  vertieften  Band  (Schlag) 
und  seine  linke  Stossflüche  ist  als  Anschlusslläche  mit  geglät- 
tetem Rand  gearbeitet.  Der  andere  Block,  welcher  im  Hause 
des  Penkos  verbaut  ist,  ist  zerbrochen;  seine  Höhe  mass  ich 
mit  0,35, was  der  der  vier  anderen  wol  gleichkömmt.  Wie  nach 
diesen  -Stücken,  zu  denen  nach  den  mir  gemachten  Angaben 
noch  andere  in  der  Nachbarschaft  verschleppte  hinzuzufügen 
sein  dürften,  die  weitere  Beconstruction  des  Ganzen  vorzu- 
nehmen ist,  muss  einer  Nachprüfung  von  fachmännischer 
Seite  vorbehalten  bleiben,  von  welcher  sich  auch  für  die  an- 
geführten Steine  eine  Ergänzung  der  obigen  Angaben  erwar- 
ten lässt^  Doch  führen  schon  die  betrachteten  Umstände, 
welche  ein  mindestens  zweistufiges  und  in  dem  obersten 
Gliede  2,53X0,80  messendes  Bathron  ergeben,  auf  eine  Stif- 
tung von  ansehnlicher  Grösse. 

Den  Künstler,  von  welchem  dieselbe  herrührte,  lehrt  die 
Inschrift  kennen,  welche  die  beiden  oberen  Blöcke  des  Ba- 
throns  in  symmetrischer  Anordnung  einnimmt,  und  welche 
das  nebenstehende  Facsimile  (S.148)  in  ^5  der  wirklichen  Grös- 
se reproduciert.  Zwischen  ihr  und  dem  Rande  bleibt  links  ein 
Raum  von  0,255,  rechts  von  0,24  frei. 


'  Hier  sei  noch  bemerkt,  dass  der  erwäiinte  fragmentierte  Block  von  0,36 
Höhe  auf  der  unleren  Lagerfläche,  d.  i.  jener,  welcher  der  den  erhöhten 
Rand  tragenden  entgegengesetzt  ist,  in  analoger  Weise  wie  die  Inschrift- 
blöcke eine  viereckige,  0,06  tiefe  und  in  Länge  und  Breite  0,27X0,28  mes- 
sende Vertiefung  hat,  welche  von  der  einen  glatt  gearbeiteten  Seite  vou 
0,93  Länge  0,15,  von  der  anstossenden,  gleichfalls  glatt  gearbeiteten,  0,90 
langen,  0,06  absteht.  Auf  der  anderen  Seite  von  0,93  waren  auf  dieser  La- 
gerfläche zwei  Löcher  wie  die  zu  dem  modern  zugerichteten  Block  erwähn- 
ten angebracht,  von  denen,  da  die  eine  Ecke  des  Steines  fehlt,  nur  eines  er- 
halten ist. —  Zusammen  mit  den  genannten  liegt  auch  ein  Block  von  bläu- 
lichem Marmor  (0,27X0,88X0,70)  mit  allseits  rauh  gehaltenen  Flächen 
welcher  wol  schwerlich  zugehörig  ist. 


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KUENSTLERINSCHRIFT   AUS  MEGARA  149 

Während  ich  für  (h'ii  als  Stifter  genannten  Theramenes  eine 
Identification  nicht  vorzunehmen  vermao;,  scheint  mir  die  des 
Lysi[)!)r)s  mit  dem  bcrülimten  sikyonischen  Künstler  nicht  be- 
zweit'eil  werden  zu  dürfen.  Zwar  überrascht  zunächst  der 
Schriftcharakter,  den  man  von  vorne  herein  geneigt  sein  wird, 
einer  späteren  Zeit  zuzuweisen,  und  die  Anwendung  des  Im- 
perfects  eizoUi.  Indessen  haben,  was  Ersteres  betrifft,  eine 
Reihe  von  Tatsachen,  die  erst  in  der  aihirjüngsten  Zeit  be- 
kannt geworden  sind,  schrittweise  für  die  Chronologie  Lysipps 
und  seiner  Schule  zu  einer  Herabrückung  geführt,  wonach  es 
möglich  wird,  die  Tätigkeit  des  Künstlers  später,  als  bisher 
angenommen  wurde,  beginnen  und  sich  bis  hart  an  das  Ende 
des  vierten  Jahrhunderts  erstrecken  zu  lassend  Damit  ver- 
mindern sich  aber  zugleich,  wie  ich  glaube,  die  paläographi 
sehen  Bedenken  in  erheblichem  Maasse.Dass  die  üebertragung 
der  an  attischen  Inschriften  gewonnenen  Anschauungen  üher 
die  für  die  verschiedenen  Perioden  charakteristischen  Schrift- 
formen auf  Inscliriften  anderweitiger  Provenienz  nicht  ohne 
Weiteres  statthaft  sei,  steht  lange  fest.  Doch  bieten  aus  dem 
Kreise  der  Künstlerinschriften  die  attischen  n.  83  und  104, 
welche  zum  Teile  sogar  noch  um  ein  Beträchtliches  älter  sein 
können  als  die  vorliegende  Inschrift,  Analogien,  deren  Ge- 
wicht durch  die  in  der  megarischen  Inschrift  erscheinenden 
Grundformen  des  P  mit  durchgehends  un verlängertem  liori- 
zontalbalken  und  des  5  mit  der  verticalen  Mittelhaste  ver- 
stärkt wird,  während  beispielsweise  die  böotische  Inschrift 
des  Lysipp  (n.  93)  und  sogar  die  des  Praxiteles  von  gleicher 
Provenienz  (n.  76)  die  Form  Z  ohne  senkrechten  Strich  auf- 
weisen. Ich  glaube  sonach,  dass  eine  Ansetzung  der  megari- 
schen Inschrift  am  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  durchaus 
zulässig  ist,  und  kann  ein  Hindernis  dafür  in  der  allerdings 


'  Vgl.  Inscliriften  griechischer  Bildhauer  n.  93.  94.  487  mit  Zusätzen  für 
Lysipp;  n.  120  f.  ni.  Nachlr.  für  Tisikrales;  n.  135 «  .  \db^  und  im  Nach- 
trag n.  135"=  ,  ferner  154,  k.  l  für  Xenokratcs,  endlich  Nachtrag  n.  103«  , 


150  KUENSTLERINSCHRIFT   AUS   MEGARA 

ganz  vereinzelten  Anwendung;  des  Imperfeetums '  im  Verbum 
nicht  erblicken.  Vielmehr  erscheint  mir  dös  Vorkommen  die- 
ser Form  in  einer  Inschrift,  die  man  nach  der  Schrift  doch  nicht 
wesentlich  unter  das  dritte  Jahrhundert  hinabriicken  wiii-de, 
dafür  lehrreich,  wie  bedenklich  es  bei  derartigen  Dingen 
rein  formaler  Natur  ist,  selbst  aus  einem  reichlich  imd  aus- 
nahmslos belegten  Gebrauche  bindende  Regeln  gewinnen  zu 
wollen.  Denn  für  das  Imperfect  in  einer  Bildhauerinschrift 
des  griechischen  Festlandes  finden  sich,  von  den  archaischen 
Inschriften  natürlich  abgesehen,  bisher  die  frühesten  Analo- 
gien erst  in  der  Kaiserzeit-.  Soweit  lässt  sich  die  Inschrift 
aber  keinesfalls  herabrücken,  vielmehr  wird  für  dieselbe  ein 
ungewöhnlicher,  individueller  Gebrauch  zu  statuieren  sein, 
den  man  aber  gerade  einem  Künstler  wmc  Lysipp  gerne  zumu- 
ten mag. 

Dass  Lysipp  für  Megara  tätig  war,  wird  von  Pausanias  be- 
zeugt, w^elcher  daselbst  eine  Gruppe  des  Zeus  mit  Musen  von 
ihm  erwähnt  (1  43,  6) :  y.ai  sv  xw  vaw  tö  tt^yigiov  MouTac  -m1 
5^aV/co'jv  Ata  ettoi-ots  Auaiimro?;  vorher  werden  die  Tempel  der 
Aphrodite  und  der  Tyche  angeführt.  Auf  eine  Gruppe  von 
mehreren  Figuren  weisen  die  Dimensionen  des  Bathrons  hin, 
und  auch  in  der  VVidmungsinschrift  sehe  ich  kein  Hindernis 
für  eine  etwaige  Identität,  da  die  von  Pausanias  genannte 
Gruppe  gleichfalls  bloss  ein  Weihgeschenk  gewesen  sein  kann. 
Doch  muss  ich  mich  bei  dem  Fehlen  sonstiger  Indicien  und 
dem  Stande  unserer  Kenlnis  von  der  Topographie  des  alten 
Megara  mit  dem  Hinweis  auf  die  Möglichkeit,  dass  das  erhal- 
tene Bathron  zu  dem  von  Pausanias  gesehenen  Werke  des  Ly- 
sipp gehöre,  bescheiden. 

E.   LOEWY. 


'  Vgl.  darüber  Brunn  Sitzungsberichle  der  bayrischen  Akademie  1880  8. 
485  (Bildhaucrinschrirten  S.  349). 
'  Bildhaueiinschriflen  zu  n.  243. 


Numismatisclie  Beiträge. 

(Vgl.  MiUli.  IX  S.  354.) 


3.  Die  solonische  Münzreform.  Die  Veränderung,  welche  So- 
Ion  mil  der  athenischen  Münze  vornahm,  gieht,  je  nach  dem 
Standpunkt,  zu  drei  Fragen  Veranlassung:  Erstens,  worin 
bestand  thatsächlich  die  von  dem  Gesetzgeber  in  dem  Münz- 
wesen der  Stadt  eingeführte  Neuerung;  zweitens^  wie  ver- 
hielt sich  der  von  demselben  eingeführte  Münzfuss  zu  den 
älteren  in  und  ausserhalb  Athens  geltenden  Währungen; 
drittens,  welchen  Grund  hat  Solon  gehabt  die  Währung  zu 
ändern.  Die  anliquarische  Frage  ist  von  Böckh  in  endgülti- 
ofer  Weise  beantwortet  worden.  Solon  hat  den  Metallwerth 
der  Münzen  um  beiläufig  27  p.  C.  herabgesetzt,  während  er 
den  Nominalwerth  unverändert  Hess.  Auf  die  Lösung  der 
zweiten,  der  metrologischen  Frage  ist  viel  Gelehrsamkeit  und 
Scharfsinn  verwandt  worden,  bis  sie  neuerdings  durch  Im- 
hoof-Blume:-  auf  Grund  der  numismatischen  Denkmäler  in 
einfacher  und  überzeugender  Weise  entschieden  worden  ist. 
Der  von  Solon  eingeführte  Münzfuss  ist  derselbe,  nach  wel- 
chem in  den  Städten  Euboeas  damals  noch  geprägt  wurde 
und  der  darum  den  Namen  des  Euboeischen  führt;  dass  die 
in  Athen  vorausgegangene  Währung  die  aeginaeische  gewe- 
sen sei,  hatte  man  schon  früher  erkannt.  Die  historische  Frage 
ist  bisher  oar  nicht  formiilirt  worden-  Die  Antwort  auf  die- 
selbe  schien  zugleich  mit  der  üeberlieferung  über  die  Münz- 
reform  gegeben    zu  sein.  Nach  der  Darstellung   Androtions 


152  NUMISMATISCHE   BEITRAEGE 

hatte  Solon  den  Münzfuss  herabgesetzt,  um  das  Volk  von  der 
Schuldenlast  zu  befreien,  unter  der  es  seufzte  (Plut.  SoL  15), 
Die  in  schwerem  Gelde  contrahirten  Schulden  seien  in  leich- 
tem Geld  zurückgezahlt,  gleichzeitig  der  Zinsfuss  ermassigt 
worden.  Entspricht  diese  Darstellung  den  Thatsachen,  wie 
Boeckh  u.  A.  geglaubt  haben,  so  ist  in  der  That  die  Frage, 
aus  welchem  Grunde  Solon  die  Währung  in  Athen  geändert 
habe,  im  voraus  entschieden. 

Aber  die  Auffassung,  welche  die  Seisaclithie  durch  die  V^er- 
änderung  der  Münzwährnng  erklärt,  war  weder  die  einzige 
im  Alterthum  noch  auch  die  verbreitetste.  Die  Meisten  von 
denen,  welche  darüber  berichteten,  unter  ihnen  Philochoros, 
waren  der  Ansicht,  Solon  habe  Kraft  der  ihm  verliehenen 
Vollmachten  einen  allgemeinen  Schuldenerlass  angeordnet, 
die  bestehenden  Schuld  vertrage  für  null  und  nichtig  erklärt. 
Dieser  Ansicht  hat  sich  Plutarch  angeschlossen.  Er  führt  die 
Verse  an,  in  denen  sich  Solon  rühmt,  Attika  von  den  Pfand- 
säulen befreit  und  die  der  Schuldknechtschaft  Verfallenen  er- 
löst zu  haben,  und  bemerkt  sehr  richtig,  dass  damit  Andro- 
tions  Darstellung  nicht  übereinstimme.  Beschränkte  sich  die 
Seisachthie  auf  eine  Ermässisruno;  der  Zinsen  und  eine  Herab- 
Setzung  des  Capitales  in  der  angegebenen  Höhe,  so  mochten 
diejenigen  Schuldner,  welche  Hab  und  Gut  verpfändet  hat- 
ten, hoffen  sich  im  Laufe  der  Zeit,  wenn  ihnen  das  Glück 
günstig  war,  emporzuarbeiten;  der  grossen  Zahl  derer, welche 
nichts  als  den  Leib  hatten  einsetzen  können  und  in  Knecht- 
schaft gerathen  waren,  blieb  selbst  diese  Hoffnung  versagt. 
Damit  lassen  sich  Solons  Aeusserungen  über  den  Erfolg  sei- 
ner Wirksamkeit  schlechterdings  nicht  vereinigen,  auch  wenn 
man  zugeben  will,  dass  die  Aufregung  des  Volkes  durch  die 
Aussichten  auf  eine  ungewisse  Zukunft  hätte  beschwichtigt 
werden  können.  Die  Seisachthie,  die  Stellung,  welche  Solon 
nach  derselben  eingenommen  hat,  lassen  sich  nur  verstehen 
unter  der  Voraussetzung  eines  Schuldenerlasses;  für  die  Aen- 
derung  des  Münzfusses  muss  der  Gesetzgeber  andere  Gründe 


NUMISMATISCHE   BEITRAEGE  153 

gehabt  liab'ii'.  Um  diese  zu  ciktMiicn  ist  es  nölhig  zunächst 
einen  Blick  aui*  die  Geschichte  des  iii-icchisclicu  Münzwesens 
zu  werfen. 

Das  älteste  sichere  Factum  aus  der  Geschichte  des  Münz- 
wesens des  griechischen  Mutterlandes  ist  das  Nebeneinander- 
bestehen zweier  Währungen,  welche,  bezeichnend  genug, 
nach  zwei  Inseln  genannt  sind,  die  seit  den  frühesten  Zeiten 
als  Mittelpunkte  der  SchifTfahrt  und  des  Handels  genannt  wer- 
den. Von  diesen  Währungen  herrscht  die  aeginaeische  auf  dem 
grössten  Theil  des  Festlandes,  soweit  dasselbe  Münzen  schlägt, 
und  auf  den  Kykladen  Kreta  einbegriffen,  während  die  eu- 
boeische  auf  die  Slädte  dieser  Insel  und  auf  Korinth  beschränkt 
ist.  Wie  Münzfunde  beweisen,  circulirte  im  sechsten  Jahr- 
hundert das  Geld  der  verschiedenen  Städte,  welche  nach  dem- 
selben System  j)räglen,  unterschiedslos  nebeneinander-^.  Grie- 
chenland zerfiel  auf  diese  Weise  in  zwei  freilich  sehr  imglei- 
che  Münz-  und— als  nothwendige  Folge  hiervon— Handels- 
gebiete, und  die  Veränderung,  welche  Solon  mit  der  attischen 
Münze  vornahm,  lief  darauf  hinaus,  dass  Athen  von  dem  einen 


<  Dass  die  Seisachthie  ohne  Schuldenerlass  nicht  begreiflich  ist,  wird 
heute  wohl  von  den  Meisten  zugegeben,  nur  über  die  Ausdehnung  des  letz- 
teren divergiren  die  Meinungen.  Grote  und  Duncker  wollen  ihn  auf  gewisse 
ICalegorien  von  Schuldnern  beschränkt  wissen,  beide  aus  dem  ausgesproche- 
nen Grunde,  weil  bei  einem  allgemeinen  Schuldenerlass  Solon  keine  Ver- 
anlassung gehabt  haben  würde  den  Münzfuss  herabzusetzen  (Grote  Gesch. 
Griechen!.  II  S.  81  Duncker  Gesch.  des  Alterth.  IV  1857  S.  180  Anm.  3). 

2  Ueber  Funde  aus  dem  euboeischen  Münzgebiet  vgl.  Milth.IX  S.358.  Für 
das  aeginaeische  Gebiet  wird  die  Thatsache  illustriert  durch  den  merkwürdi- 
gen Münzfund  von  Santorin  aus  dem  J.  1821,  welchen  M^  Warwick  Worth 
kürzlich  durch  seinen  dankenswerthen  Aufsatz  in  Num.  Chron.  IV  8.26911". 
der  Vergessenheit  entzogen  hat.  Der  Fund  von  Santorin  enthielt  760  Mün- 
zen, die  sich  auf  13  verschiedene  Prägstätten  vertheilen.  Von  diesen  13  Gc- 
prägen  gehören  zehn,  die  grosse  Masse  der  Münzen,  der  aeginaeischon  Wäh- 
rung an,  während  drei,  die  nur  durch  ganz  wenige  wohl  durch  Zufall  in  den 
Fund  gekommene  (im  Ganzen  sechs)  Exemplare  vertreten  sind,  das  klein- 
asiatische Gewicht  haben.  Merkwürdig  ist  das  häulige  Vorkommen  des  Del- 
phins als  Haupt-  oder  Nebentypus  auf  Münzen  aeginaeischer  Währung  ver- 
schiedener Prägstätten. 


154  NUMISMATISCHE   BEITRAEGE 

Gebiet  zu  dem  anderen  überging.  Die  für  ihn  bestimmenden 
Gründe  müssen  speciell  handelspolitischer  Natur  gewesen 
sein,  denn  an  sich  war  kein  Grund,  die  eine  Währung  der 
anderen  vorzuziehen;  wohl  aber  war  der  aeginaeische  Fuss  am 
weitesten  verbreitet  und  Athen  auch  durch  seine  Lage  mehr 
auf  diesen  angewiesen  als  auf  den  euboeischen. 

Die  Neuordnung  der  Münze,  Maasse  und  Gewichte  bildete 
einen  Theil  des  Landrechtes,  welches  Solon  aufsetzte,  in  der 
Absicht  eine  Wiederkehr  des  momentan  überwundenen  Nolh- 
standes  in  der  Zukunft  unmöglich  zu  machen  imd  Athen  in 
die  Bahn  des  Fortschrittes  und  der  Entwickelung  hinüberzu- 
leiten, um  dieses  Ziel  zu  erreichen  musste  unter  Anderem  der 
Volkswohlstand  gehoben  werden,  dadurch  dass  der  Erwerbs- 
thätigkeit  neue  Hülfsquellen  eröffnet  wurden.  Athen  war  bis 
dahin  vorwiegend  ein  ackerbautreibender  Staat  gewesen,  wäh- 
rend die  Bodenbeschaffenheit  und  Lage  des  Landes  die  Be- 
wohner auf  Industrie  und  Handel  anwiesen.  Die  Tendenz  den 
Gewerbsbetrieb  zu  heben  tritt  in  den  erhaltenen  üeberresten 
der  solonischen  Gesetza;ebuno;  klar  zu  Taoe  und  ist  schon  im 
Alterthum  als  vorhanden  erkannt  worden.  Aber  damit  war  es 
nicht  gethan.  Für  die  für  den  Export  bestimmten  Manufacte 
und  Producte  des  Landes  musste  ein  Absatzgebiet  gefunden 
werden.  Athen  hatte  sich  an  dem  Aufschwung,  den  in  Ver- 
binduno; mit  der  Colonisation  der  griechische  Handel  seit  dem 
achten  Jahrhundert  genommen  hatte,  nicht  betheiligt.  Seine 
nächsten  Nachbarn  im  saronischen  Busen  hatten  es  überflü- 
gelt. Der  Handel  nach  dem  Ponlusgebiet  einerseits,  den 
Küstenlandschaften  des  syrisch  -  aegyptischen  Meeres  ande- 
rerseits war  in  den  Händen  der  Meffarer  und  Aeo;ineten,  die 
sich  mit  den  kleinasiatischen  Emporien  in  die  Vortheile  des- 
selben theilten^Es  lag  am  wenigsten  im  Interesse  von  Aegina 


'  Dass  Megara  vor  Athen  den  Getreidehandel  zwischen  den  Pontoslän- 
dern  und  Griechenlaiul  vermittelt  und  diesem  Mandel  seinen  frühen  Wohl- 
stand verdankt  hat,  ist  eine  wahrscheinlich  richtige  Vermuthuiig  von  H. 
Droyseij   (Alhcii  und  der  Westen  S.  41  f).  Für  die  Richtung  des  Handels 


NUMISMATISCHE   BEITRAEGE  155 

und  Megara,  Athen,  dessen  I{i\alitat  sie  in  joder  Beziehung 
zu  fürchten  hatten,  den  Kintritt  in  den  Welthandel  zu  er- 
leichtern. Solon  musste  seine  Blicke  nach  einer  andern  Seite 
wenden,  wenn  er  ein  Ahsatzgehict  lur  die  von  ihm  ^M!j)flegte 
attische  Industrie  suchte.  Seit  etwas  mehr  als  hundert  Jahren 
hatten  die  Stammgenossen  der  Athener  die  Chalkidier  begonnen 
im  Norden  die  Halhinsel  Chalkidike,  im  Westen  die  sicilische 
Küste  zu  colonisiren  und  dadurch  dem  griecliischen  Handel 
zwei  neue  Gebiete  gewonnen, deren  hauptsächlichste  Producle, 
Getreide  und  Bauholz,  gerade  diejenigen  waren,  deren  Athen 
für  die  Einfuhr  am  Meisten  bedurfte. Den  Chalkidiern  waren  in 
beiden  Landschaften  die  Korinthier  auf  dem  Fusse  gefolgt;  die 
Gemeinsamkeit  der  Handelsbeziehungen  hatte  in  den  auf  dem 
gleichen  Fusse  basirten  Münzwährungen  ihren  Ausdruck  ge- 
funden. Auf  denselben  Fiiss  sind  die  ältesten  Münzen  der 
Städte  Siciliens  und  der  Chalkidike,  welche  bis  jelzt  bekannt 
geworden  sind,  ausgebracht ;  diese  Münzen  scheinen  nicht 
lange  vor  dem  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  geschlagen  zu 
sein,  aber  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  von  den  Anfän- 
gen der  Prägung  an  in  den  chalkidischen  Colonien  die  eu- 
boeische  Währung  Geltung  gehabt  hat*.  Wenn  man  sich  alle 


der  Aegiiieten  ist  es  bezeichnend,  dass  Aegina  die  einzige  Stadt  des  grie- 
chischen Mutterlandes  ist,  die  im  sechsten  Jahrhundert  eine  Factorei  im 
Nildelta  angelegt  hat.  Es  ist  zu  hofren,  dass  die  neuerdings  an  der  Stelle 
des  alten  Naukratis  gemachten  Funde  (vgl.  M""  Reginaid  Stuart  Poole  in  The 
Academy  1885  Ö.  391)  auch  über  den  griechisch -aegyptischen  Mandel  Auf- 
klärung bringen  werden. 

^  Ich  bin  im  Text  Imboof- Blumer  gefolgt,  der  in  dem  in  den  chalki- 
dischen Colonien  Siciliens  geprägten  Silberstück  von  5,  90  —  80  Drittel  des 
Tetradrachmon  euboeischer  Währung  erkennt,  welche  um  des  Ausgleichs 
mit  dem  aeginaeischen  Gelde  Willen  ausgegeben  worden  sind  [Le  sysieme 
monüaire  euboicjue  S.  4  f.).  Wie  Imhoof-Blumer  nachgewiesen  hat,  sind 
ähnliche  Ausgleichsversuche  fast  überall  gemacht  worden,  wo  der  euboei- 
sche  Fuss  gegolten  hat:  ganz  natürlich,  da  die  euböische  Währung  in  Be- 
zug auf  die  Verbreitung  sowohl  hinter  der  aeginaeischen  wie  hinter  der 
kleinasiatischen  weit  zurückstand  Historisch  lässt  sich  das  Münzsystem 
der  sicilischen  Städte  nur  unter  jener  Voraussetzung  verstehen.  Nicht  ohne 
Grund  setzte  Boeckh  in  den  chalkidischen  Colonien  die  euböische  Wäh- 


456  NUMISMATISCHE   BEITRAEGE 

diese  Dinge  versjeorenwärtio-i :  die  wirthschaftliehen  Zustände 
Athens  und  die  Tendenz  der  neuen  Gesetzgebung,  die  allge- 
meine Handelslage  und  das  Verhältniss  der  Geld-  und  Wäh- 
rungsfrage zu  derselben,  so  wird  man,  scheint  mir,  auf  den 
Schlnss  geführt,  dass  Snlon  den  Münzfuss  in  Athen  geändert 
und  statt  der  aeginaeischen  die  euboeische  Währung  einsre- 
führt  hat  in  der  Absicht,  dadurch  Athen  den  Anschlussan  das 
chalkidisch  -  korinthische  Handelsgebiet  zu  eröffnen. 

Dass  das  makedonische  Küstenland  und  Sicilien  seit  dem 
fünften  Jahrhundert  für  den  athenischen  Handel  von  zuneh- 
mender Bedeutung  gewesen  und  dass  selbst  die  Geschicke 
der  Stadt  wiederholt  hierdurch  beeinflusst  worden  sind,  ist 
bekannt  und  braucht  hier  nur  erwähnt  zu  werden.  Auch  da- 
rüber ist  man  einverstanden,  dass  der  athenische  Kaufmann 
in  Sicilien  und  Italien  den  chalkidischen  und  korinthischen 
verdrängt  hat.  Aber  über  die  Anfänge  der  attischen  Handels 
im  Westen  sind  wir  zur  Zeit  noch  im  Dunkel,  welches  nur 
durch  sorgfältige  Beobachtung  der  in  Italien  imd  namentlich 
in  Sicilien  gemachten  Gräberfimde  gelichtet  werden  kann. 
Fragt  man,  welche  Artikel  Athen  im  sechsten  Jahrhundert 
ausführen  konnte,  so  werden  die  Fabricate  der  xepau.ei?  und 
ya\y.Hc  und  Olivenöl  zu  nennen  sein,  welches  letztere  damals 
in  Italien  wenn  überhaupt  so  doch  gewiss  nur  in  kleinen 
Quantitäten  producirt  wurde  und  dessen  Ausfuhr  Solon,  sehr 
bezeichnend  für  die  hier  berührten  Fragen,  ausdrücklich  frei 
gegeben  hatte.  Von  diesen  Artikeln  gewähren  nur  die  Thon- 
waaren  die  Möglichkeit  chronologischer  Fixirungen,  wegen 
der  bekannten  Sitte  der  Gräberausstattunor.  Nach  dem  Urtheil 
Kundiger  lässt  sich  der  Import  attischer  Thongefässe  in  Sici- 


rung  voraus,  al)er  dadurcli,  dass  er  das  c'ilberstück  von  5,90  für  die  euboei- 
sche Drachme  hielt,  gerieth  er  auf  Abwege.  Man  hat  dann  angenommen, 
dass  an  der  Nordostküste  von  Sicilien  Anfangs  die  aeginaeische  Wäh- 
rung gegolten  habe,  welche  später  durch  die  von  Solon  in  Athen  einge- 
führte ersetzt  worden  sei.  Ich  überlasse  dem  I^eser  die  Unwahrscheinlich- 
keilen, um  nicht  zu  sagen  Unmöglichkeiten  zu  erwägen,  an  denen  djese 
Vorstellung  leidet. 


NUMISMATISCHE  BEITRAEGE  157 

lien  bis  in  das  Ende  des  sechsten  Jahrhunderts  zurückverfol- 
gen ^  Auf  ältere  Schichten  scheint  man  wenigstens  in  dem 
Gebiet  der  chalkidischen  Städte  bisher  überhaupt  nicht  ge- 
stossen  zu  sein;  dass  Hoffnung  vorhanden  ist  die  lAicke  aus- 
gefüllt zu  sehen,  lehren  die  neuerdings  in  der  Nekropole  del 
Fusco  bei  Syrakus  gemachton  ihrer  Zusammensetzung  nach 
noch  nicht  hinlänglich  bekannten  Funde.  Die  Geschichte  des 
antiken  Geldwesens  und  die  Geschichte  des  antiken  Handels 
hängen  eng  zusammen;  in  demselben  Maasse,  in  welchem 
das  eine  der  beiden  Gebiete  aufgeklärt  wird,  wird  das  andere 
Licht  erhalten. 

ULRICH  koehli:r. 


'  C.  Robert  bei  H.  Droysen  a.  a.  O.  S.  34. 


Ein  bemaltes  Grab  aus  Tanagra. 


Vor  Kurzem  ist  in  der  Nekropole  von  Tanagra  ein  Grab  ge- 
funden worden,  das  wegen  seiner  Ausschmückung  durch  Ma- 
lerei ein  besonderes  Interesse  beanspruchen  kann.  Leider  ist 
es  bei  der  Auffindung  seines  Inhaltes  heimlich  beraubt,  und 
die  Anlage  selbst  zerstört  worden,  so  dass  ich  über  jenen  gar 
nichts  erfahren  konnte,  während  sich  die  letzlere  nur  aus  den 
erhaltenen  Bruchstücken  einigermassen  reconstruiren  lässt. 
Diese  Bruchstücke,  vier  theilweise  zerschlagene  Porosplatten 
von  bedeutender  Grösse,  sind  durch  die  Fürsorge  des  Aufse- 
hers der  Tanagräischen  Allerthümer  nach  Skimatari  gebracht 
worden,  wo  ich  sie  kürzlich  im  Hof  bei  dem  Hause  des  Auf- 
sehers gesehen  und  die  nachstehenden  Notizen  aufgenommen 
habe. 

Die  vier  Platten  bestehen  aus  weisslichem,  weichem  Porös, 
haben  alle  gleiche  Dicke  von  0,15 — 0,16'"  und  gleiche  Höhe 
von  0,83",  zwei  Platten,  ursprünglich  die  Langseiten  des 
Grabes  waren  über  2™  lang,  während  die  Länge  der  beiden 
andern  nur  ca.  0,80™  misst.Von  dem  Boden  und  von  der  Be- 
deckung des  Grabes  ist  nichts  erhalten.  Alle  Platten  sind  nur 
auf  je  einer  Breitseite  sorgfältig  geglättet  und  zwar  waren  die 
geglätteten  Seiten  ursprünglich  nach  Innen  gewendet.  Die 
Schmalseiten  rechts  und  links  sind  nämlich  bei  allen  Platten 
im  Winkel  von  45°  abgeschrägt,  so  dass  über  die  frühere 
Zusammensetzung  kein  Zweifel  obwalten  kann.  Die  seitlichen 
Ränder  der  geglätteten  Innenseiten  sind  ganz  wenig  vorgebo- 
gen, die  Ecken  des  Grabes  waren  also  ursprünglich  etwas  ge- 
rundet. Da  von  Aussen  gegen  die  rauh  gelassenen  Rückseiten 


EIN  HEMALTKS  GHAU  AUS  TANAGIU  159 

Erde  angeschüttet  war,  bediifflen  die  IMatlcti  keines  \'erban- 
des.  Der  durch  sie  iimfriedigtc  Kaum  halle  eine  Länge  von 
genau  2,00'"  bei  0,73'"  BreiU;. 

Das  Grab  aehörl  also  zu  dvv  \oii  Lollin'r  bei  Kekule  Grie- 
chische  Thonliguren  aus  Tanagra  S.  11  unter  No.  4  und  von 
Haussoullier  in  der  Dissertation  Quomodo  se/mlcra  Tanagraei 
decoraverinl  S.  65  ff.  unter  IV  2  beschriebenen  Galtung.  Auch 
die  Abmessungen  des  Grabes  stimmen  mit  den  Dimensionen 
dervon  Haussoullier  aufgeführten  anderen  Beispiele  überein. 

Während  sich  bei  früher  bekannten  Gräbern  gleicher  An- 
lage nur  ein  L'eberzug  der  Innenseite  mit  rother  Farbe,  bei 
einigen  wenigen  auch  schwarze  und  rothe  Ornamente  vorge- 
funden haben,  waren  die  geglällelen  Innentlächen  der  oben 
beschriebenen  Platten  durch  bunte  Zeichnungen  geschmückt, 
von  denen  sich  bedeutende  Reste  erhalten  haben.  Die  Bilder 
sind  direcl  auf  die  geglättete  weissliche  Fläche  des  Sleines 
aufgetragen  soviel  ich  sehen  konnte  ohne  vorherige  Grundi- 
rung  mit  weissem  Gips,  wie  sie  bei  den  von  Haussoullier  a. 
a.  0.  S.  B(i  beschriebenen  Gräbern  vorkommt.  Von  Farben 
unterscheidet  man  Schwarz,  Grau,  ein  helleres  imd  ein  dunk- 
leres Roth  (Rolhbraun),  Gelb  und  Braun.  Sie  sind  in  Wasser 
nicht  löslich  also  vermuthlich  enkaustisch  aufgetragen.  In  der 
bekannten  Dicäarch  von  Messene  zugeschriebenen  Beschrei- 
bung von  Tanagra  wird  die  Sitte  der  Bewohner  erwähnt,  en- 
kaustische    Gemälde   als    Anatheme    öffentlich    aufzustellen: 

Fragm.  hist.  Craec.  II  S.  257  :  ■/)  ttö'X'-? tot?  tojv  oi>ciwv  Trpo- 

öupoic -y^ai  ey/caup-aTiv  ävaO'/][j-aTi,x.oT?  x.x'X'Xi(7Ta.  -/.o(.Tiny.vjixnfj.vjri  (vgl. 
Haussoullier  S.  34).  Die  Zeichnung  ist  ganz  frei  von  jeder 
alterthümlichen  Steifheit,  theilweise  skizzenhaft  und  flüchtig. 
Der  Versuch  perspectivisch  darzustellen  unverkennbar,  wenn- 
gleich nicht  ganz  gelungen.  Der  Maler  hat  dunkelrothe  und 
schwarze  Linien  zur  Schattengebung  verwendet.  Man  wird 
deshalb  die  Entstehung  des  Grabes  in  ziemlich  späte  Zeit  set- 
zen müssen  (drittes  Jahrhundert  v.  Chr.?). 

Zwischen  0,05  und  0,15'"  vom  oberen  Rande  der  Platten 
ist  ein  breiter  Ornamentstreifen  in  Form  einer  Guirlande 


^60  EIN  BEMALTES  GRAB  AUS  TANAGRA 

gemalt,  die  sich  ursprünglich  ununterbrochen  und  stets  mit 
der  gleichen  Richtung  der  Blätter  nach  links  auf  allen  vier 
Seiten  des  Grabes  herumzog.  Die  einzelnen  Blätter  oder  klei- 
nen Zweige  (vielleicht  sollen  es  Tannenzweige  sein)  sind  mit 
schwarzer  Farbe  sehr  flüchtig  gemalt  und  nur  stellenweise 
wohlerhalten.  Doch  erkennt  man  deutlich  dass  das  Gewinde 
auf  jeder  Schmalseite  je  ein  Mal,  auf  den  Langseiten  je  zwei 
Mal  mit  einem  breiten  rothen  Bande  doppelt  umschlungen 
dargestellt  war. 

Nicht  bloss  am  besten  erhalten,  sondern  wohl  auch  ur- 
sprünglich am  sorgfältigsten  ausgeführt  ist  die  Darstellung 
auf  der  einen  Schmalseite  .4.  Die  Platte  selbst  ist  leider  in  vier 
Stücke  zerschlagen.  Man  sieht  hier  links  Kopf  und  Brust  ei- 
nes Pferdes  im  Profil  nach  links  gewendet.  Die  Kopflänge 
misst  0,30'°,  für  Hintertheil  und  Beine  reichte  der  Platz  nicht 
aus;  die  untere  Hälfte  der  Brust  war  indessen  ausgeführt  und 
ist  jetzt  nur  zerstört.  Mit  hellem  Roth  ist  der  Kopf  ganzgrun- 
dirt,  der  Aussen-Contour,  die  '^gespitzten"  Ohren,  Auge, 
Maul,  das  einfache  Zaumzeug  und  die  Mähnen,  die  letzteren 
in  einzelnen  von  einander  gelösten  Strängen,  sowie  endlich 
der  Contour  der  Schultermuskeln  sind  mit  dunkelem  Roth, 
die  Nüstern  mit  Schwarz  eingetragen.  Die  Zeichnung  ist  na- 
turgetreu und  lebendig.  Rechts  von  dem  Nacken  des  Pferdes 
ist  ein  Wehrgehänge  dargestellt,  das  Schwiert  mit  gelbem 
Griff  in  rother,  auf  beiden  Seiten  geschweifter  Scheide,  und 
lose  darumgelegt  der  gleichfalls  rolhe  Gurt,  der  wie  eine 
Schlinge  von  der  Guirlande  herabhängt.  Mit  dunklerem  Roth 
ist  die  Parierstange  hervorgehoben  und  am  unteren  Rand  der 
Schwertscheide  eine  Schattenlinie  gezogen,  sowie  auch  der 
Schatten  angegeben,  den  die  vor  der  Scheide  her  gehende 
Hälfte  des  Gurtes  auf  erstere  wirft,  während  die  andere  Hälfte 
des  Gurtes,  die  hinter  der  Scheide  liegt  und  von  der  Innen- 
seite  sichtbar  wird,  ganz  mit   dunklerem  Roth  übermalt  ist. 

Die  andere  Schmalseite  B  nimmt  das  Bild  eines  aufrecht 
stehenden  Webstuhles  ein,  trotz  der  mangelhaften  Erhal- 
tung (links  u.  unten  unvollständig)  und  der  auf  die  Haupt- 


EIN  nEMALTKS  GHAU  AUS  TANAGHA  !€»< 

theile  beschränkten  Darstelhinf];  unverkennbar.  An  zwei  star- 
ken, senkrecht  aiif^epdanzten  Hölzern,  den  iGxÖTzo^t^  oder  )C£- 
■XeovTe?,  ist  ein  horizontales  Querholz  von  gleicher  Dicke  an- 
gebracht, auf  dem  der  gtouwv,  die  Keihe  der  senkreclit  lau- 
fenden Fäden,  16-18  an  Zahl,  aufgespannt  sind. Weiteres  De- 
tail ist  weggelassen  oder  nicht  erhaltend  Die  Farbe  ist  roth- 
braun in  hellerer  und  dunklerer  Schatliriing.  Die  Breite  des 
Querholzes  oben  beträgt  0,41'",  die  Höhe  lässt  sich  nicht  mehr 
bestimmen. 

Weit  schwieriger  wahrzunehmen  und  zu  verstehen  sind  die 
Zeichnungen  auf  den  beiden  Langseiten  des  Grabes.  Nicht 
bloss  ist  hier  die  Erhaltung  sehr  viel  schlechter,  sondern  die 
Ausführung  scheint  ursprünglich  auch  weit  flüchtiger  gewe- 
sen zu  sein,  wie  namentlich  bei  Seite  A.  Welche  von  den  bei- 
den Platten  rechts  und  welche  links  von  A  angebracht  war, 
ist  nicht  mehr  zu  entscheiden.  Beide  sind  in  zwei  Stücke  ge- 
brochen. 

Auf  der  einen,  C,  glaubte  ich  eine  Landschaft  zu  erken- 
nen. Ganz  links  sieht  man  in  perspectivischer  Zeichnung  ein 
kleines  Haus  mit  flachem  Dach.  Die  Thüre,  die  fast  die  ganze 
Vorderseite  einnimmt,  scheint  halbgeöfl'net.  Die  Thürumrah- 
mung  und  die  Ränder  der  rechten  Seitenfläche  des  kleinen 
Baues  sind  gelb^  das  Mittelfeld  jener  Fläche  schwarz,  die 
Thüre  selbst  hellroth  und  das  Innere  neben  der  Thür  dunkel- 
roth  gemalt.  Das  Häuschen  hat  etwa  ein  Drittel  Plattenhöhe. 
Es  folgt  rechts  davon  ein  zeltartiger  Bau  gleichfalls  in  uncor- 
rekter  perspectivischer  Ansicht.  Das  hohe  Dach  ist  durch 
rothbraune  in  eine  schwarze,  abgestumpfte  Spitze  zusammen- 
laufende Linien  auf  hellrothem  Grund  angegeben,  breite  dun- 
kelrothe  Streifen  bezeichnen  die  Ecken  des  Baues,  auf  der 
rechts  sichtbaren  Schmalseite  erkennt  man  ein  schwarzes  Feld, 


'  Ungleich  vollkommener  ist  die  Darstellung  eines  stehenden  Webstuh- 
les dieser  Art  auf  dem  belcannten  Skyphos  aus  Chiusi  mit  Odysseebildern, 
Monumenti  IX  T.  42;  vgl.  Conze  Ann.  1872  S.  190  Ü'.,  Blümner  Technologie 
und  Terminologie  I  S.  356  ff. 

MITTH.  D.  AROH.   INST.  X.  1  1 


46ä  EIN  BEMALTES  GRAB  AUS  TANAGRA 

das  die  Thüre  vorstellen  könnte.  Das  ganze  Gebäude  hat  etwa 
halbe  Plallenliöhe.  Ungefähr  die  Mitte  der  Platte  nimmt  ein 
Palmbaum  ein,  dessen  Aeste  durch  sechs  geschweifte  rothe 
Linien  angedeutet  sind.  Er  hat  nur  ein  Drittel  Plattenhölie,  ist 
aber  soweit  in  die  Höhe  gerückt,  dass  seine  Spitze  die  Guir- 
lande  berührt:  es  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  erkennen,  ob 
der  Maler  sich  den  Baum  weit  im  Hinlergrund  oder  auf  einem 
Hügel  stehend  dachte, vermutlilich  das  Erstere.Vor  der  Palme, 
den  Stamm  verdeckend,  haben  sich  schwache  Reste  eines  dem 
erstgenannten  kleinen  Häuschen  ähnlichen  Baues  erhalten. 
Weiter  rechts,  jenseits  des  Bruches,  der  die  Platte  in  zwei 
ungleiche  Hälften  trennt,  bemerkt  man  einen  länglichen  Ge- 
genstand, der  Aehnlichkeit  hat  mit  einem  Kasten  oder  Troo-, 
wieder  perspectivisch  in  brauner  Farbe  gemalt.  Auf  ihm  steht 
ein  grosses  halbkugeiförmiges  Gefäss  (rolhbraun).  Farbspu- 
ren über  dem  Gefäss  lassen  vermuthen,  dass  hier  ein  Brun- 
nen daroestellt  war.  Endlich  "lanz  rechts  erkennt  man  wie- 
der  deutlich  einen  Palmbaum  mit  gekrümmtem  Stamm  (roth- 
braun) und  geschweiften  Aesten  (in  Hellroth).  Er  steht  mehr 
im  Vordergrund  wie  der  andere  Baum  und  der  Brunnen  und 
hat  ungefähr  halbe  Plattenhöhe. 

Die  vierte  Langsei Le  Ü  endlich  ist  mit  emer  Anzahl  von 
Geräthschaf ten  geschmückt,  deren  Erklärung  mir  indes- 
sen nicht  «reluno-en  ist.  Sie  haben  alle  etwa  halbe  Plattenhöhe. 
Man  erkennt  von  links  nach  rechts:  l.  Ein  kleines  Fässchen 
in  horizontaler  Lage,  oben  an  der  Stelle  des  Spundloches  mit 
einem  Eiuguss.  Es  ist  mit  fünf  (oder  mehr?)  Binden  umwun- 
den, deren  wellenförmige  Enden  Irei  herabhäugen.  Das  Fäss- 
chen selbst  ist  grau,  die  Binden  sind  schwarz,  der  Einguss 
und  die  gegen  die  Gesetze  der  Perspective  beide  sichtbaren 
Schmalseiten  des  Fässchens  sind  roth  gemalt.  Ein  Gefäss  von 
der  gleichen  Form  trägt  der  die  Leiter  hinabsteigende  Jüng- 
ling auf  der  Fieoronischeii  Cista.  —  2.  Zwei  symmetrisch  zu 
einander  von  einem  kleinen  horizontalen  Stab  herabhängende 
Büschel  ans  rothen  und  schwarzen  Strängen,  wie  zwei  Spinn- 
rocken gelormt, —  3-  Ungefähr  die  Mitte   der   Platte  einneh- 


EIN  BEMALTES  GRAB  AUS  TANA6BA  ^63 

mend  ein  grosser  gelbgemaller  Kreis  oder  Iting,  der  an  einem 
in  Kolh  angegebenen  Zapfen  oder  Nagel  aufgeliängl  selieint. 
Von  seinem  nnlersten  liogen  liängen  7-8  schwarze  rollibraune 
und  hellrolhe  Bänder  (?)  herab,  deren  leiden  in  die  Höhe  ge- 
bogen sind. — 4.  Jenseils  des  Bruches,  der  die  IMalle  D  in  zwei 
ungleiche  Hälften  theilt,  erkennt  man  nalie  dem  rechten 
Plattenrand  einen  Onij)halos  -  ähnlichen  Gegenstand,  von  hell- 
rothen  doppelten  Linien  umzogen  und  geschmückt  durch  ur- 
sprünglich etwa  sechs  horizontale  Streifen,  die  von  rothbrau- 
nen Linien  eingefassl  und  mit  einem  netzartigen  Ornament 
von  schrägen  sieh  kreuzenden  Strichen  in  gleicher  Farbe  aus- 
gefüllt sind. -5.  In  der  Ecke  rechts  oben  hängt  ein  schwarz 
gemalter  Kranz  an  der  Gniriande. 

Die  beiden  diii-ch  sorgfältigere  Ausführung  der  Malerei  be- 
vorzugten, ursprunglich  sich  gegenüberliegenden  Schmalsei- 
ten .1  und  ß  sind  auch  in  der  Decoralion  als  Gegenstücke  be- 
handelt: hier  Boss  und  Schwert,  dort  der  Webstuhl;  unzwei- 
deutiger konnte  der  Hinweis  auf  Mann  und  Frau  kaum  aus- 
gesprochen werden'.  Von  aussen  waren  die  Bilder  niemals 
sichtbar.  Nicht  um  ein  ehrenvolles  Gedäclilniss  an  die  Ver- 
storbenen bei  den  Ueberlebenden  wachzuhalten,  sind  sie  an 
den  Wänden  des  engen  Grabes  angebracht  worden,  sondern 
nur  an  die  Todten  ist  dabei  gedacht. Nichts  Passenderes  konnte 
man  dazu  wählen,  als  die  Gegenstände,  die  diesen  im  Leben 
der  grösste  Stolz  und  die  grösste  Freude  waren. 

Anderseits   ist  aber  auch   die  Aehnlichkeit   der   Bilder  auf 


'  Üass  die  Tanagräcr  Gräber  dieser  Gattung  niclit  bloss  für  einen  einzi- 
gen Todten  beslinunl  waren,  sondern  auch  als  Familiengräber  gebraucht 
wurden,  würde  sich  aus  dem  von  HaussouUier  a.  a.  0.  S.  66  unter  N«  3 
milgelheilten  Fundbcrichl  eines  mit  vier  Inschriftsteinen  bedeckten  Grabes 
ergeben,  wenn  als  sicher  angenommen  werden  könnte  (was  aus  den  Wor- 
ten von  HaussouUier  nicht  hervorgeht),  dass  die  Inschriflsteine,  von  denen 
drei  Fraueuiiamen  tragen,  wirklich  zu  dem  betrelTciiden  Grabe  gehören 
und  nicht  voll  andern  Gräbern  genommen  und  hier  bloss  als  Baumaterial 
verwendet  sind.  In  dem  Abschnitt  S.  76  §  2  von  Ilaussoullier's  Schrift  ver- 
misst  man  eine  Bemerkung  darüber,  ob  dem  Verfasser  Gräber  mit  Ueber- 
reslen  von  mehreren  Todlen  bekannt  geworden  sind. 


164  EIN  BEMALTES  GRAB  AUS  TANAGRA 

Seite  A  mit  den  Darstellungen  von  Ross  und  Waffen  auf  Grab- 
reliefs, namenllicli  auf  den  sogenannten  Todtenmahlen  un- 
verkennbar. Hier,  auf  den  Grabgemälden,  lässl  die  Gegen- 
überstellung von  Ross  und  Waffen  mit  dem  Webstuhl  keinen 
Zweifel  über  die  Anschauung,  die  der  Wahl  dieser  Gegen- 
stände zum  Schmuck  des  Grabes  zu  Grunde  liegt.  So  wird 
denn  wohl  auch  dort,  bei  den  Grabreliefs,  die  Voraussetzung 
der  gleichen  Anschauung,  die  in  dem  Ross  das  Streitross  des 
Mannes  sieht,  das  er  im  Leben  geritten,  in  dem  Schwert  seine 
Waffe,  die  er  im  Leben  getragen,  den  Vorzug  verdienen  vor 
der  in  neurer  Zeit  oft  wiederholten  Auffassung  des  Pferdes 
als  das  dem  heroisirten  Todten  als  solchem  zukommende  At- 
tribut^ 

ERNST  FABRICIÜS. 


^  Vf?l-  besonders  Furlwüiigler,  Millh.  VII  S.  165  f.  und  die  Zusammen- 
stcllunf,'  der  verschiedenen  Ansichten  über  das  l^ferd  auf  Grabreliefs  bei 
Gardner,  Journal  of  Hell.  Sludies  V.  S.  114. 


Inscliriflen  aus  Syrien. 

Herr  D""  Paul  Schroeder,  Deutscher  Reichs-Consul  in  Bei- 
rut, übersandte  mir  vor  einigen  Wochen  die  folgenden  In- 
schriften aus  Beirut  und  Umgegend  : 

1).  Im  Herbst  1884  wurde  in  Beirut,  oder  in  der  Nähe, 
bei  dem  Aufgraben  der  Fundamente  für  einen  Neubau  an  der 
Damascus- Chaussee  eine  Steinplatte  gefunden,  welche  nach 
dem  Abklatsch  M.  0,45  h.  und  M.  0,54  breit  ist;  dieselbe 
besteht  aus  einem  vertieften  Viereck  (0,33x0,42)  mit  einem 
erhöhten  Rahmen.  Im  Viereck  in  starkem  Relief  ein  mäch- 
tiges fascinum,  welches  an  einem  Bande  eine  Glocke  trägt, 
etwa  wie  ein  Kameel  oder  anderes  Thier;  mit  diesem  fasci- 
num sind  noch  zwei  andere  von  kleineren  Dimensionen  ver- 
bunden. 

Auf  dem  erhöhten  Rande  oben  folgende  Inschrift: 

TTATAZIBAZKANOS 
darunter  schon  im  Viereck  : 

K  A  I  2  Y 
2).   Grabsäulc    mit  hohem    Piedestal  im  Serail   zu   Beirut; 
soll  aus  Tartus  [Antaradus  bez.  Marathus)  stammen.  Copie. 

MArNAXPHCTH 
K   A    I   A   AOinEXAlPE 


ZHCAEAETHM0I 
ETEAEYTA3T 

üeber  die  Ruinen  von  Der-el-qal  'a,  woher  die  folgen- 
den Inschriften  stammen,  sehe  man  Texier  Architecture  By- 
zantine  S.  86  ff.  und  Renan's  Mission  en  Phenicie  353-358. 
Aus  dem  Schreiben  des  Herrn  D''  Schröder  setze  ich  folgende 
Stellen  hierher: 

**Die  Ruinen  sind  sehr  erheblich  und  durch  die  Colossa- 


166 


INSCHRIFTEN  AUS   SYRIEN 


lität  der  jetzt  wirr  durcheinander  liegenden  Steinblöcke  im- 
posant; die  Einwohner  des  benachbarten  grossen  Dorfes 
Beit-Meri  (Vileggiatur  der  Beirutiner,  ca.  800  M.  über  dem 
Meere)  holen  grosse  Quadern  aus  diesen  Ruinen  zum  Bau  ih- 
rer Häuser;  man  braucht  nur  1-2  Fuss  tief  zu  graben  und 
zieht  die  schönsten  Blöcke,  bisweilen  mit  Inschriften,  heraus. 
Hier  müssen  ausser  dem  grossen  Tempel  des  Ba'al  Marqod 
noch  andere  Tempel  und  grossartige  Tempel  gestanden  ha- 
ben.—Bei  meiner  Excursion  nach  Der-el-qaPa  habeich  auch 
einen  Plan  des  Tempels  des  Balmarqod  aufgenommen;  er 
lässt  sich  ziemlich  leicht  reconstruiren,  obgleich  die  Kloster- 
räume und  die  Kapelle  theihveise  in  die  Fundamente  des  Tem- 
pels hineingebaut  sind.  Die  Steinblöcke  der  Grundmauern, 
die  noch  vollständig  mehrere  Meter  hoch  erhalten  sind,  sind 
von  enormen  Dimensionen,  and  die  vier  noch  aufrecht  ste- 
henden monolithen  Säulen  (a,  b,  c,  d),  colossaler  als  die  Säu- 
len von  Baalbek,  haben  einen  unglaublichen  Umfang.  Vor 
der  Westfacade  des  Tempels  standen  zwei  Säulenreihen  zu  je 
vier  Säulen  Die  Tempelcella  war  c.  30  M.  1.  und  17  M.  br." 
(bei  Texier  a.  a.  0.  auch  ein  Grundriss). 


Auf  den  in  diesem  Tempel  verehrten  Baal  bezieht  sich  na- 
mentlich die   folgende   Inschrift,  die  sich   auf  dem   in  zwei 


INSCHRIFTEN   AUS  SYRIEN  167 

Stücke  zerbrochenem  Piodestal  einer  broncenen  Ammonstatne 
befand: 

M.  'O/.TXO'jio;  "D^apo;  sü^xasvo?  ävsOo/cy.  0-ep  nuiXTipiv.:;  K.  .  .  . 
E'jT'jyfoO;  y.xi  -ex.vtov. 

y.xl  ySk'h  ao'j,  ^ETTrora,  vjv   'lüpo-j' 

Gol o(.)v  xveOvT/.a 

TYi'XoOsv  sx.  v^TOio   'Pofio'j  zi/'fy.Gu.y.  tvoOivov 
"At;.7,{ovo;  xepaoO  y^iV/ceov  «.VTiT'jTrov , 
"^rpoyeovTa  ßpoxoi;  IspoSpoaov  uStop. 

So  dCirfte  wolil  auf  Grund  dei"  vorlietienden  Abschriften  zu 
lesen  sein,  die  nameiiliicli  in  KAYCCOY  —  nicht  /Aue  [[xjou 
—  Z.  2  übereinstimmen;  aus  der  Zeichnung  bei  Texier  [und 
Saulcv^  <?eht  ferner  liervor  dass  vor  Trpo/lovTa  Nichts  fehlt; 
man  lluit  also  der  freien  Versilication  Zwang  an,  wenn  man 
darin  regelrechte  Hexameter  und  Pentameter  sucht. 

Die  Aolleren  sahen  in  Baimarcos  eine  Nebenform  von  Baal 
Melqart,  wesshalb  Franz  Ba'Xaap/.w[6]  corrigirle;  llenan  da- 
gegen und  AA.  fassten  es  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  als 
üebersetzung  des  daneben  siehenden  -/toipave /.ä)[Acov,  indem  ra- 
qad  im  Flebräischen  und  Syrischen  ''springen"  ''tanzen"  be- 
deutet. Die  Correctur  Ba'X[xap/.o)[0]  erweist  sich  übrigens  schon 
durch  die  lateinischen  Inschriften  (C.  /.  L.  III  155:  Jovi  Bal- 
marcodi;  Henzen  5617  u.  s.  w.)  als  unbegründet.  Auf  diesen 
Baal  beziehen  sich  folgende  Inschriften : 

3).  "In  unmittelbarer  Nähe  des  Klosters  liegen  einige  Steine 
mit  fragmentirten  Inschriften,  die  nach  Angabe  der  Mönche 
erst  seit  einigen  Jahren  ausgegraben  sind,  sie  wurden  in  den 
Fundamenten  des  Tempels  gefunden".  Dies  sind  ausser  die- 
ser N"  noch  N"  4  und  5.  Abklatsch.  0,3 1-0,32  b. 

G  E  N  2  D  C  Gen.  Do[m. 

B  Ä  L  M  Ä  R  C  Balmarc[od  .... 

r  "^  I  M  i«j  I  G.  Vinni[us  etc. 

Z.  3  hat  die  handschriftliche  Copie  Herrn  D""  Schröders  CO 
Slh»KSI. 


168  INSCHRIFTEN    AUS   SYRIEN 

4).  ''Fragment  eines  Altars;  es  scheint,  dass  die  Inschrift 
nur  aus  vier  Zeilen  bestand  ;  die  Inschrift  ist  0,29  h.,  0,21  b.; 
die  ganze  Breite  des  Altars  scheint  0,50  betragen  zu  haben  ". 

P  V  R  I 
PROSA 
ET  S  V  C 

Vielleicht  der  Schluss  von  N"  3. 
5).  M.  0,30  h.,  0,27  br. 

I  O  M  I 
Tl  -  I  V  L  • 
E  V  H  E  L 
P  I  S  T  V 

J.  0.  M.  [B]  Ti.  Jul.  Euhelpistu[s]. 

6).  'Mn  Bet  Meri"  schreibt  Hr.  D'"  S.  ''sah  ich  vordem 
Hause  des  Herrn  Alphons  Nakkasch  zwischen  Bausteinen, 
die  verarbeitet  werden  sollten,  drei  Steine  mit  lateinischen 
Inschriften,  lauter  schwer  leserliche  Bruchstücke;  dieselben 
sind  aus  Der-el-qala  verschleppt,  wo  sie  zusammen  mit  der 
Inschrift  McUri  Matutae  gefunden  wurden  "  (s.  u.  N**  8). 

Herr  D""  Schröder  theilt  folgende  Copie  mit: 


ERIORVMSVORVMET 
SENTIAEMVSAEVXORIS 
V  ■  L  -  A  •  S  - 

pro  saliUe  sua  et  lib]er[t]oru7n  suorum  et  Sentiae  Musae  uxoris 
V.  l.  a.  s. 

7).  Aus  Der-el-qala,  jetzt  in  Privatbesitz  in  Beirut. 
Herr  Vice-Consul  Loytved  theilLe  mir  folgenden  Abklatsch  mit 
(H.  0,78,  Br.  0,32): 


INSCHRIFTEN  AUS  SYRIEN  1G9 

\   Y   P  I  UU  I  e  I  K]up(6>  [r]£[v- 

N  Ä  I  UU  B  Ä  A  vaio)  liaX- 

M  Ä  P  K  UU  A  I  aapxtoSi 

T  U)  K  A  I  M  H  T(ji  >cai  M-n- 

5         rPINKATA  y^i^  /caTÖt 

K  €  A  6  Y  c  I  N  xaeuaiv 

0   e    O   Y  A  Oeou   'A- 

P  e  M  0   H    I  p£(i.07ii- 

N    O    Y    M    A  voO  Mot- 

to        z    I    M    O    C  ^ipt.0? 

e  Y  X  A  P  I  C  T  eüj^api^TT- 

UU    N    A    N     E  wv  äv£- 

0    H    K    A  e-oKa. 

Aus  diesem  Texte  lernen  wir  zwei  oder  drei  neue  Bezeicli- 
nungcn  des  Gottes  liennen;  die  Worte  K-jpio?  yEwato;  Ba'Xp.ap- 
xtl)?  stecken  auch  vielleicht  im  Anfano;  der  lat.  Inschrift  ohcn 
N"  3  Gen{naeo)  l)o[m{inoj]  Balmarc[odi  u.  s.  w.  und  der  Bei- 
name Mriypiv  Z.  */f,  i"  dem  7.  0.  M.  M.  der  Mummeius- In- 
schrift (Renan  a  a.  0.  350).  Zweifelhaft  ist,  oh  unter  dem 
6eö<;  'ApejxÖYiivo;  Z.  7  f.  wieder  der  Balinarcos  zu  verstehen 
ist.  'Ap£|xOioiv6?  ist  offenhar  ein  Ethnikon  ahgeleitet  von  einem 
einheimischen  Ortsnamen  'ApsfAÖy]  oder  ähnlich,  der  in  der 
syrischen  Onomatologie  mehrfache  Analoga  hat  (s.  Gesenius 
Thes.  L.  Hebr.  11  1275  f.,  das  'Api[xaOa-;a  Matth.  27,  57,  'Pa- 
[u^ixSteph.  Byz. iii  Mein.  'Pa[xaO£{;.  1  Makk.  ll,3i);  im  llebr. 
hirämäh,  st.  cstr.  rämat  eine  dem  Götzendienst  geweihte  Höhe. 
8).  Auf  meine  Bitte  fertigte  Hr.  D""  Schröder  einen  Ab- 
klatsch der  von  Mommsen  in  der  Ephem.  Epigr.  im  Aucla- 
rium  zu  C.  /.  L.  unter  N°  1332  nach  Ganneau  publicirten  In- 
schrift an.  H.  ca.  0,50,  Br.  0.55. 

MATRI-MATVTAE 
FLÄVIÄ-T-FIL-NICOLÄIS 
SÄDDÄNE-L-ÄNTISTII- 
VETERIS-  EXRESPONSO 
5     D  EÄ  E  •  I  V  N  O  N  I  S  -  AR  Am 
FECIT.DEDICAVITQVE 


170  INSCHRIFTEN  AUS   SYRIEN 

Matri  Matutae  Flavia  T.  Filia  Nicolais  Saddane  L.  Antistii  Ve- 
leris  ex  responso  deae  lunonis  aram  fecit  dedicavitque. 

Die  Dealuno  —  wohl  identisch  mit  der  Mater  Matula  — 
kommt  noch  Eph.  Ep.  a,  a.  0.  N"  1331  als  Juno  Oricina,  fer- 
ner eine  Juno  Regina  bei  Texier  a.  a.  0.  S.  89,  vgl.  Renan 
a.  a.  0.  358  vor,  vgl.  die  Inschrift  C.  I.  L.  III  159:  taberna 
OBMCATONVM  /.  0.  M.  B.  et  Jimonis  ßl.  Jovis  Sim  ■  .  . 
ebenfalls  aus  Dör-el-qala-  Hier  überall  ist  sicher  eine  einhei- 
mische Gottheit  die  Ba  altis,  oder  wie  sie  in  einer  lat.  Inschrift 
heisst  {Auctarium  C-  I.  L.  III  in  der  Eph.  Ep.  Bd.  II  N"  675: 
Balti  diae  divinae  et  Diasuriae)  die  grosse  syrische  Göttin  zu 
verstehen.  Es  bestätigt  sich  auch  hierdurch  Herrn  D""  Schrö- 
ders Vermuthung,  dass  in  Der-el-qala  die  Ruinen  mehrerer 
Tempel  von  verschiedenen  Gottheiten  erhalten  sind. 

9).  Ban'ias  =  Balajiae,  vgl.  Renan  a.  a.  0.  106-1 10. Mar- 
mor über  der  Thüre  eines  Hauses,  h.  0,95,  br.0,35.  Abschrift. 

THCBOYAHC 

NTAANAPIN 

AUUPUUANTIO 

AHMHTPIOY 
5  THCANTIAP 

PeCBeYCANTI 

Noe  iotaton 

\TOPA-CeiTUJ 
I    •    e   Z    I    A    I    UU   N 
10  eVCANTIAFO 

CANTI-AEKA 
C  A  N  T  1  0  I  A  O 
A  M  e  N  UU  A  e  I 
HoeNTiYno 

15  eUUCnAPATOi 

TOKPATO   P   I 

e  T  O  Y  N   T   I    ^ 

'  e  Z   I  A   I  UU   N 

lOTHCiePAC 
20  rXPITHCS 


INSCHRIFTEN   AUS  SYRIEN  171 

Zur  Ergänzung  vgl.  die  ganz  älinliche  Inschrift  aus  Banjas 
bei  Renan  a.  a.  0.  S.  108. 

[Tov  üttÖ]  Tvi;  ßouV?;;  [<|/-/i(pi(TO£]vT[o(.]  äv§p'.[a]vTa.  .  .  .  Swpw  'Av- 
ti6[you  toö]  Ar/y//iTpiO'j  [TTpaT'oJyr/cavTi  ap[^avTi  7r]p£<Jo£'jr?otvTi 
[rapk  tÖ]v  OeiOTaTOv  [aÜTOx.pJi-ropa,  'j£',Tco[v/;<javT]i  1^  töitov  .... 
eudavTi,    (XYo[pavo[/."yi]<70tvTi,    S£y.a[7rp(OT£'j](7avTi,     <pi>.o[T£iaYi'7]a[/.£V(i> 

aei, yiOevt'.  OttÖ  [tti?  ttoT^Ieü);  Trapa  tö  [a'jjxoxpxTopt,  .  .  . 

£TOijVTi  .   .   .   .  £^  iSi(i)v[  .   ,  .  üJtto  T7i;  lEpa«; 

10).  Aus  Bassa,  zwischen  Tyrus  und  Akka.  Abklatsch 
(h.  cir.  0,35  br.  cir.  0,42)  mitgetheilt  von  Herrn  Loylved. 

Oben :  Zwei  sich  gegenüberstehende  Widder,  zwischen  ih- 
nen ein  Kreuz;  darunter  die  folgende  Inschrift: 

fEniTOYENAOzr 
ZUUIAOYETPATHAc         so\ 
KAI TOY0EOCEB£ 
TABAKjMAKAPIOY 
5        K,A  O   I   nUUNAAEA0^ 

_  8 

K,AKYAINnPEK 
TOnPIBATON 

'EtTI  TOij    £vSo^(oTXTOu)     ZcOlXou    (TTpaT71>.(äT0'j)    '/.cd   TOU     9£0<T£b(e- 

(TTXTO'j)  TxSax..   (?)  Ma-x.apiou  x(ai)  >.oi'n:wv  äS£)^<p(o>v)   x(at)    'AxuXi- 

VOU   7rp(£cSuT£pOu)    £X.[Ti(79r)]    tÖ    TrpiSoCTOV. 

Das  abgekürzte  TaftaA;  scheint  irgend  ein  Amt  zu  bezeichnen. 

Pßrä. 

J.  H.  MORDTMANN. 


Miscellen. 

Mittheilungen  des  deutsehen  Arch.  Institutes,  I  S. 139-150. 
255,  256.  Ein  griechisches  Gesetz  über  Todtenbestattung. 

Zeile  14-17  :  t-1q  Se  ücTepx  [-epijppaivsiv  ttjv  oikiyjv  [sjXsüGepov 
0a>.[>^o't(5i]  TrpwTOv,  sTueiTa  [S Jvra  x>.7v. 

'AvTt7rapa€a>.wv  xpö  etcov  tÖ  outco  (AETayeypafj'.f^.lvov  utto  tou 
exSoTOu  TT]?  sTTiypa^^?  x.  Ü.  Koehler  xeifAsvov  Trpo;  ttiv  ev  Tcapap- 
T7i[/.aTi   /.£Cp(x*Xaioi?   Ypx|Jt,[jLaGiv  ä7V£i.x.6vi(nv  auxou,  v^ouacuv  ev    'JTij^cd 

16    OUTCO?" 

nPftTONEPEITAA.Y<ftT..O..ITH 

e'xpiva  TuiOavov  oti  6  'JTtj^o;  outo;  £t)(_£V  wSs" 

TrpÖTOv,  ETreiTOC  ^[e]  ü[(j]ü)[7r(i)i]  o  .  .  ix'f] 
ci.^y.Tzrik''r\rsix^  ixiliGTa  t6  toQ  ';v£VTY])tocTOü  (j;a>.pt.oö  "  pavTiet;  [xe  Ü(t- 
(Tü)7rcp  xai  )ca6api(T67)(jo[7.ai  ". 

'E(p£To;  Se,  laSciiv  (xev  j^otpTivov  aTVOTUXtofxa  xüv  gtij^cov  toutwv 
T'^;  EX'.ypacpy];,  äEeTX'ja;  Ss  xal  auxöv  xöv  XtOov  £7rt[j(,£\co<;,  ettI  [y.ev 
TOU  ä7roTU7r(o{/.aTO?,  utuo  tou  \\jjy^\i  piiXiGTa  to  ©oi;,  Gafpw?  Su>tpiva 
To,  l'^VTj    TO'j  TS  €  >cai   tou  n  xai  äxapaiov  to  tt]?    3taTa>.ri^£a)?  ß, 

ETCI.   0£   TOU   >.tOou    ETTE^EßatCOCa   T7)V    XV Gty V 0) (71V  . 

OuTG);  tjo^.f^   äv(xvTippv)T(i)(;"    "  TVEpippaivEiv  ttiv   otx(y;v  E^EuÖEpov 

BooHoTci  TTpÖTOv,  £r£'.Ta  Se  ütwxo)  ".  "Ey^ojxEv  S7)"XaS'/i  pocvTt(jj/.a  xai 

)ca9api(jaöv  tyi;  otxta?    ("e-jttiv    Se  Siappavö'^  x,a6(xpyiv  Eivai  tviv  ot- 

xi'/iv     ),  xapaTr'Xvicia.  TOt?   xai   a'/ii^-Epov    Trap'Titxiv    toT;    -^pi'JTiavoi; 

E'XXYim  /.aTO,  OpYi(jXi£uTix,rjV  xapxSoGiv  TE"Xoupi£voii;. 

Ti  0£  6  voOKOQ  r\  vcrau.noQ  (StOTi  y,al  outco  ypacpETai)  tt^?  71[J!.et£- 
pa?  £7rtypa<prj?  ;  'Api  y£  ßozdyri  p\>nTixri^  y;  xaTO.  SouiSav  £v  tö 
TOv  i\a€iS  ({/a>.{Jt.(|»    StjXouulevt)  ;    v^  vacanlq  t)  (jotfxij/uyo;,  xaö'  'H(yy- 


MISCKI.LEK  173 

j(^iov,  tÖ  ap(i){/.aTi>töv  dfidpaxor ,  ■'/)  [i3cpSap6(p(i)vo;  'öp-cov  iiarrCovpdra 
(j5(op,ati7Ti,  /taToc  Aio(j)copiSyiv,  jt/a^Coy^ara  —  majoranu),  yiv  ßa-xi- 
CjOVTEi;  et;  äyiaofia  oi  Yi[ji,£T£poi  lepeic,  paivo'jciv  Y)[J!.a;  te  xai  xa?  oi- 
xia?  7i{x(ov  Tupö;  äyiaTixöv  5tat  xaOotpiGu.ov  ;  IliOavcoi;  toOto,  to  ^eu- 

TEpOV. 

'AXXa.  ToC  ;j.£v  TroT^T^aTrXoo  ßoTavi/COu  *(7iT-/)tj.aT0?  y)  Xuci;  äv-/;X.Ei 
o.'X'Xoi?  äp[7-ooi(OT£poi;  xpiTai;,  ücp '  öSYiyoti;  toi?  äpyaioi?  Aio(jx,opiS'(i 
xai  n>.ivi(o  etSt.xoi?  TCEpi  OgcotO'j  ypx(]/a<jiv '.  Ei;  Yi[i.a;  S'  äpx.£t  t) 
xapaT7ipv)C)^  OTi,  av  toO  OawTrou  t]  TcpojTV)  yvüXjTy)  p.vEia  uiirxpyri  £V 
TTi  ißpaüYi  'E^ödo),  o)?  ßE^aiot  6  rj^o'XiaaT-Ji?  xat  ejcSot-iti;  toO  Aio- 
(jÄopioo'j  Ko'jpTio?  HxpEyyeX,  ävavTtppYiTw?  TcpcoTviv  )ta9apw?  e'XXt)- 
VU71V  TTEpl  OctoTVOu  [jLapTuptav  E^oaev   Tr,v  ev  t-?)  tti;   Kecj   £Xiypa<p*?). 

Stefanos  N.  APAroYMHS. 


Terracottagruppe  aus  Tanagra. 

(Vgl.  oben  S.  81  ff.) 

Seit  Kurzem  befindet  sich  in  der  Sammlung  der  Archaeo- 
logischen  Gesellschaft  (n.  1698)  eine  Terracottagruppe  aus 
Tanagra  welche  mit  den  von  Marx  oben  S.  81  ff.  besproche- 
nen Monumenten  so  nah  verwandt  ist  dass  es  angemessen  er- 
scheint hier  eine  kurze  Beschreibung  folgen  zu  lassen. 

Auf  einem  Felsen  sitzt  eine  Frau  und  blickt  sinnend  nieder 
auf  ein  Zwillingspaar,  das  zu  ihren  Füssen  liegt.  Der  Kopf 
der  Frau  ist  zur  linken  Schulter  geneigt,  die  linke  Hand  zum 


<  Atoaxopioou  r'.  30,  47  xai  xä  (j/dXia  tou  Snp^yyeX.  OXtviou  Hist.  Nat.  XIV 
16  XX  1.5  xa'i  ä.Xka.yoxi.  Ntxavopou  0rjp.  at.  872  xal  «jy^dXia.  "EtiiO;  xa\  'AOr,va^ou 
0.  681  xal  oaa  Ttspl  äpiapaxou  Xe'yei  6  ©id^paaTo;. —  tlap«  Bapva6a  xat  EuasSUi)  xö 
ovo[xa  Exo^pcxai  oüoexs'pwi;,  uawiuov,  oGxw  Se  xa\  Xaxiviaxl  und  IlXtvtoo  xat  Maxepo{, 
apacvr/.ws  Se  j^rö  xoCi  laxpo'j  K^Xaou. — "Efo8o;  IB '  22.  BaaiX.  A'.33.  Aeutx.  IA'.4,6, 
52.  'Apiö.  r.  6,  18.  lojavv.  K")'.  22.—  IlapaSaXE  xat  Littr6,  Dict.  de  la  laügue 
fr.  £v  Xe^Et  hysope  xat  John  Kitlo,  The  pictorial  Bible,  Exodus  XII  22,  ev  xf) 
[xaxpa  ar][ji£tojaEt  ev  fj  8t8aaxExat  dxt  Sta'^opo?  xou  xotvoö  uaoi;iou  6  ev  xot^  ävw  ar]- 
[XEtwÖEtat  XE[i.ay^ot?  xi^;  xe  IlaXaia;  xat  xrj?  Katvfji  AtaOirjxr]?  üawno?  (iSpataxt  ezou  »j 
ezob).  'AXX'  ö  xoü  il'a^^iJLOu; 


174  MlSCELLEN' 

Kinn  erhoben,  das  auf  den  Spitzen  der  beiden  ausgestreckten 
Finger  (jetzt  abgebrochen)  leicht  zu  ruhen  schien.  Der  rechte 
Arm  liegt,  in  das  Gewand  gehüllt,  im  Schooss.  Der  Felssitz 
ist  so  hoch  dass  die  Füsse  den  Boden  nicht  erreichen :  frei- 
schwebend ist  der  rechte  über  den  linken  geschlagen.  Der 
Peplos  verhüllt  den  Unterkörper,  ist  hinten  bis  über  den  Na- 
cken in  die  Höhe  gezogen  und  um  den  rechten  Arm  ge- 
schlungen, auch  die  Hand  verhüllend,  während  er  Brust  und 
linken  Arm  frei  lässl.Den  Kopf  bedeckt  eine  über  dem  Schei- 
tel in  eine  Spitze  auslaufende  Haube  (ähnlich  bei  n.  6)  aus 
der  auf  jeder  Seite  eine  Locke  hervorquillt  und  auf  die  Schul- 
ter herabfällt.  Der  Fels,  dessen  dünne  Wände  aus  vielen  Stü- 
cken wieder  zusammengesetzt  werden  mussten,  während  die 
weibliche  Figur  fast  unverletzt  wai',  ist  hinten  senkrecht  ab- 
geschnitten und  offen  gelassen,  vornen  dagegen  schliesst  sich 
ein  dimne  Plinthe  von  annähernd  dreieckiger  Form  an,  auf 
der  das  ganz  flache  Bettchen  mit  den  Zwillingen  steht.  Wie 
bei  der  auf  Tafel  IV  1  publicirten  Terracotte  haben  beide 
Wickelkinder  spitze  Mützchen ;  wie  dort  erscheint  das  eine 
(hier  dasjenige  links)  grösser  als  das  andere;  endlich  stimmt 
die  Form  des  Bettchens  aufs  genauste  überein. Farbspuren  sind 
folgende  zu  bemerken:  weisse  Deckfarbe  am  Peplos  und  Kör- 
per der  Frau  und  an  den  Wickelbändern  des  Kindes  rechts; 
Rot  an  den  Haaren  der  Frau  und  den  Wickelbändern  des  Kin- 
des links;  Blau  am  Boden,  dem  Band  des  ßetlchens  und  in 
schwachen  Spuren  an  dem  Fels.  Die  Höhe  der  ganzen  Gruppe 
beträgt  ungefähr  0,18. 

FR.  KOEPP. 


Litteratur  und  Funde. 

Herr  Penrose  hat  die  vor  zwei  Jahren  begonaenen  Untersuchungen  an 
der  Stelle  des  allen  ülympieioiis  in  Athen  (vgl.  Millh.  VIII  S.  386) 
im  vergangenen  Monat  wieder  aufgenommen  und  zu  Ende  geführt. —  Schon 
seil  mehreren  Jahren  ging  die  Archäologische  Gesellschaft  mit  dem  Plane 
um,  im  Norden  der  Stadt  Athen  zwischen  der  sog.  TiuXrj  xf]j  äyopä«, 


MISCELLEN  <75 

dem  Thurm  der  Winde  und  dem  sog.  Gymnasium  lladrians  Aus- 
grabungen anzustellen, die  Verhandlungen  niil  den  Grundbcsilzern  zogen  sich 
jedoch  in  die  Länge. Da  brannte  im  vorigen  Soiiimerder  Bazar  nieder,  der  in 
die  Peribolusniauern  des  Gymnasiums  hincdngebaul  war.Uieser  Unglücivsrali 
hat  der  Geseiischalt  die  Gelegenheil  gegcbiMi  ihren  früheren  Plan  in  weite- 
terem  Umfang  auszuführen;  dieselbe  hat  seit  einigen  Tagen  die  Ausgrabun- 
gen an  der  Stelle  des  Bazars  begonnen. —  Im  Piraeus  sticss  man  vor  Kur- 
zem bei  der  Anlage  einer  Kahrslrasse,  die  längs  der  Üslseile  des  Hafens 
Zea  nach  den  Zillerschen  Häusern  führt,  auf  alle  Reste.  Eine  Untersuchung, 
welche  die  Arehaeulogische  Gesellschaft  anstellen  Hess,  hat  ergeben,  dass 
diese  Reste  von  den  alten  ÖchiH'shäusern  herrühren,  welche  sich  landein- 
wärts bis  über  die  moderne  Strasse  hinaus  erstreckten  und  hier  von  einer 
Mauer  abgeschlossen  wurden.  Die  wahrscheinlich  hölzernen  Dächer  der 
vEojcoixot  wurden  von  runden  Stützen  aus  piraeischem  Stein  gelragen,  die 
in  parallelen  Reihen  von  der  Rückwand  abwärts  nach  dem  Meere  liefen. 
Reste  dieser  Säulen  waren  früher  sichtbar  und  haben  zu  der  irrigen  Ver- 
mulhung  Veranlassung  gegeben,  dass  der  Hafen  Zea  ringsum  von  einer 
Ilallenanlage  umgeben  gewesen  sei. —  Die  J^Vanzösische  Schule  gräbt  seil 
einiger  Zeil  an  der  Stelle  des  IJeiligthums  des  Ptoischen  Apoll  bei 
dem  Dorfe  Kardilza  im  Boeotien,  mit  glücklichem  Erfolge:  eine  grosse 
Anzahl  von  allerlhüiiilichen  Skulpturen,  Bronzen,  Inschriften  und  Vasen- 
scherben siiul  gefunden  worden.  —  Auf  Kosten  der  K.  Italienischen  Regie- 
rung hat  sich  vor  einigen  Monaten  Herr  Ilalbherr  nach  Kreta  begeben, 
um  an  der  Stelle  von  Gortys  weitere  Nachforschungen  nach  archaischen 
Inschriften  anzustellen. 

'E'^r|jjL;p'.;  äp/a'.oAOYi/.'i  1885  Heft  I:  II-  Ka,6aota;,  "E:ctYP*?*'  '^  '^'^  '^  'Erci- 
Saupix  avaa/.X'^ojv. —  X.  TaoJvia;,  üi  Tipo'.dioptxol  zxzioi  iv  'EXXäoi. —  II.  Kaoo«- 
Si'a;,  'AyflcXfiaTa  ex  twv  £v  'Eretoaupia  «vaaxa^öiv  (mit  zwei  Tafeln). —  X.  Tcjojv- 
■ca;, 'AyyctoniXaaTat  'AOrjvalot  (mit  einer  Tafel). — XlJjJLfjiixta:  N.  No6oaaÖTxrj,  Wr\- 
<pta(Jia  rpo^cvixöv  i^  "Apyou;.  —  T.  Havta^tor);,  IIcpl  xuÜ  'l'TCEpTeXsaTou.  — A.  4>^- 
Xto;,  T6  Tjapa  Tr^v  Ze'av  sv  Haipatel  Oeatpov.  —  11.  A.  KojjJiavo'jor,;,  "AvaYpaip»]  nu- 
Xwpdiv  ~T];  axpo~dXioj;    'AOr,vojv. 

IJuUetin  de  corr.  hell.  1885  Heft  IV:  Homolle,  Note  siir  Irois  tetes  de  mar' 
bre  truuvces  ä  Delus  ( mit  zwei  Tafeln). —  Reinach,  Les  arelalogues  dans  ian- 
tiquite.  —  Latyschew,  La  cunslüulion  de  Chersonesos  en  Tauride.  —  Daresle, 
La  loi  de  Gorlyne,  Iraduclion.  —  Durbach,  liiscviplions  d'Aegosienes  et  de  Pa- 
gae. —  Collignon,  Miruir  grec  ä  relief  [mii  einer  Tafel). — Paris  u.  HoUeaux, 
hucripliuns  de  Garie. 


Sitzii  ngsprotocolle . 


Sitzung  am  lOteii  December  1884  :  Koe hier,  über  aegyptische  Urkunden 
und  grieehischo  Tradition. —  Dörpfeld,  über  das  älteste  griechische  Thea- 
ter.—Lo  I  li  iig,  über  die  Topographie  der  Doris  (vgl.  Mitth.  IX  S.  305). 


i16  ÄilSCELLfiltf 

Sitzung  am  24sten  December:  Bohn,  über  die  letzten  Resultate  der  Aus- 
grabungen von  Pergamon. — Köhler,  legt  eine  Mittheilung  von  Dragatsis 
über  einen  Stempel  vor. —  Marx,  über  die  Kratere  aus  Poggio-Somraavilla 
Mun.  II  55,  Jahn  Arch.  Beitr.  Taf.  V  und  VI. 

Sitzung  am  7len  Januar  1885:  Dörpfeld,  über  die  Propyläen  (vgl.  oben 
S.  38).  —  Dümrnler,  über  einige  Caeretaner  Vasen.  —  P'abricius,  über 
die  Zeusgrotte  am  Ida  (vgl.  oben  S.  59). 

Sitzung  vom  21sten  Januar:  Köhler,  über  zwei  attische  Todtenlisten. — 
Mylonas,  über  einige  neugefundene  Inschriften. —  Lo  Hing,  über  die  Lage 
von  Halonnesos. 

Sitzung  am  4ten  Februar:  Köhler,  über  attische  Grenzsteine — Lolling, 
über  die  Lage  des  Aninov  7i£Ö;'ov. 

Sitzung  am  iSlen  Februar:  Köhler, über  eine  neue  Aufnahme  von  Cons- 
tantinopel  (Constantmople  au  moyen-äge.  Relevi,  topographique  -  -  dresse  par 
le  Dr.  A.  Mordimami). —  Kabbadias,  über  eine  Inschrift  aus  Epidauros. — 
Koepp,  über  eine  Darstellung  der  Gigantomachie  in  Rom.  —  Dörpfeld, 
über  die  älteste  griechische  Dachconstruction. 

Sitzung  am  4ten  März:  Köhler,  legt  das  Werk  von  Ü.  Benndorf  und  G. 
Niemann,  Reisen  in  Lykien  und  Karlen  vor.  —  Schliemann,  legt  die 
Tafeln  seiner  Publication  über  Tiryns  vor. —  Köhler  und  Dörpfeld,  über 
das  choregische  Monument  des  Nikias. 

Sitzung  am  ISten  März:  Mylonas,  über  Inschriften  aus  Lakonien. — 
Lolling,  über  die  Lage  der  Städte  der  Molosser.  —  Fabricius,  über  kre- 
tische Vasenfunde  ältester  Technik  (s.  unten). 

Sitzung  am  Isten  April:  Köhler,  über  eine  samische  Inschrift  (vgl. oben 
S.  32). —  Dumm  1er.  über  chalkidische  Vasen. 

Sitzung  am  15ten  April:  Köhler,  über  den  Ursprung  des  Gorgoneions 
(s.  unten). — Dörpfeld,  über  den  Ursprung  der  Basiliken  (vgl.  Konr. 
Lange,  Haus  und  Halle).  —  Loewy,  über  eine  Künstlerinschrift  von  der 
Akropolis. 

Sitzung  am  29sten  April:  Postolaka,  legt  Probender  Tafeln  griechi- 
scher Grabreliefs  vor. —  Lolling,  über  die  Lage  von  Aphelai.  —  Köhler, 
über  die  solonische  Münzreform  (vgl.  oben  S.  151 ). —  Derselbe,  legt  Mün- 
zen bithynischer  Städte  vor. 

Ernennungen. 

Unter  dem  2isten  April  1885  sind  zu  ordentlichen  Mitgliedern  des  Insti- 
tutes u.  A.  die  Herren  W.  Dörpfeld,  St.  Dragoumis,  H.  Schliemann 
in  Athen,  E.  Fabricius  in  Pergamon,  B.  Latischew  in  Petersburg;  zu 
Correspondenten  die  Herren  F.  Kopp  in  Athen,  A.  Nikitsky  a.  Odessa 
z.  Z.  in  Athen,  lac.  Dragatsis  in  Piraeus,  P.  Zerlentis  in  Syra,  los. 
Chatzidakis  in  Heraklion  in  Kreta,  F.  Halbherr  aus  Roveredo  z.  Z. 
in  Kreta  ernannt  worden. 

(Juni  1885.) 


Marmorgruppe  aus  Sparla. 

(Taf.  VI.) 


Die  staik  vorsliiminellc  Mariiior^ruppc,  welche  nach  Gil- 
lieronschcn  Zeichnungen  ('/.^  der  natürlichen  Grösse)  hier 
auf  Tal'rl  \l  niilgeleill  isi, wurde  hei  dem  Dorfe  Magula  aus- 
gegi'al)en  und  befindet  su  h  jelzl  in  dem  Provincialmuseum 
zu  Sparla.  Höhe  ü,  iS'",  Breite  0,28'".  Das  Material  ist  der  lo- 
cale,  blaugraue  Marmor,  wie  es  scheint,  derselbe  der  sparta- 
nischen Kelief's  Vermutungsweise  ist  dies  seltsame  Stück  in 
dem  Dressel-Milchhöferschen  ('atalog  der  antiken  Kunstwerke 
aus  Sparla  und  Umgebung  (Mittheilungen  II  8.297)  als  Gruppe 
einer  kinderniihrenden  Frau  bezeichnet  und  an  die  Spitze  der 
archaischen  Sculptuien  gestellt  worden. Sicherlich  macht  diese 
Gruppe,  welche  nach  dem  Gegenstand  der  Darstellung  ganz 
vereinzelt  dasteht,  unter  allen  dort  vorhandenen  Denkmälern 
archaischer  kunslübung  — von  den  Reliefs  abgesehen  — nach 
der  lechnik  den  am  meisten  altertümlichen  Eindruck. 

Wir  erkennen  eine  völlig  nackte  Frau,  an  welche  sich  zu 
beiden  Seiten  je  eine  in  kleineren  Verhältnissen  gearbeitete 
männliche  Figui'  eng  anschmiegt.  Betrachten  wir  zuerst  die 
Mitlelligur  der  Gruppe.  Nicht  erlialten  sind  der  Kopf  und 
Hals,  die  Arme  und  Unlei'seheiikel  von  den  Knieen  ab;  die 
linke  Schulter  ist  völlig,  die  linke  Brust  bis  auf  einen  kleinen 
liest  weggebrocheu.  Wie  abgezirkelt  heben  sich  die  flachen 
Halbkugeln  der  Brii.sle,  aui"  widclien  die  Brustwarzen  nicht 
angegeben  sind,  von  dein  vei'hällnissmässig  breiten  Brustkas- 
ten ab:  in  der  Gegend  der  Weichen  ist  der  Rumpf  enger  ein- 
geschnüi't  und  erweitei't  sich  wieder  etwas  weiter  unten  zur 
Bilduno-  des  Beckens.  Der  Leib  ist  ganz  o;latt  und  flach,  zeigt 

MITTH.  D.  ABOH.  INST.  X.  12 


nS  MARMORGRUPPE   AUS   SPARTA 

keinerlei  Detail  von  Knochen  orler  Muskelbildung :  nach  un- 
ten, wo  die  besonders  drall  und  iippiju  hervortreUMidcn  Ober- 
schenkel ansetz(^n,  läuft  derselbe  dreieckifj;  zu.  Das  /judeHdiitti 
nadiehre  isL  deutlich  anffeoeben  :  nicht  so  der  Nabel.  Elwa.s 
obei'halb  der  Kniee  trennen  sich  die  fest  aiieinander^eprcssten 
Übersehenkel  wieder:  zwischen  b^'iden  Knieeii  ist,  der  Stein 
stehen  a;eblieben.  Das  rechte  Bein  ist  kurz  über  dem  knie  we"- 
o-eb röche n  :  das  linke  gerade  bis  auf  das  Knie  erhalten,  des- 
sen spitze  Form  man  noch  zur  (iiMiiige  erkennen  kann.  Aus 
letzterem  [Imstande  ist  seh  )n  in  deui  Catalo2;e  richtij^  £;e- 
schlossen  worden,  dass  dasselbe  ruckwärls  i>ebeuo;t  »ewesen 
sein  muss.  Der  Hiimpf  (vei'oi.  die  Seitenansicht)  bildet  tnitden 
Oberschenkeln  einen  stumpfen  Winkel:  auffallend  ist  die  iin- 
verhältnissmässig  grosse  Tiefe  des  linislkastens  (0, 1 .')'"),  des 
Leibes  und  der  Schenkel,  welche  sich  daraus  erklärt,  dass  der 
Künstler  sich  den  für  die  Bildung  i\{'V  Seilenligureu  u/iligeu 
Kautii  sichern  wollte.  Die  Einschnürung  des  Frnueuled)es 
über  dem  Becken  in  der  Gegend  der  Hüften  springt  l»ei  der 
Seitenansicht  infolge  des  stark  herxorspriugenden  oberen  Rü- 
ckens und  des  ebenso  auffallend  h_^rvorlrelenden  Gesässes  be- 
sonders in  die  Aiiaren.  Die  Rückseite  ist  loh  behandelt:  das 
Gesäss  ohne  jeglichen  Spalt,  das  Rückgrat  nur  flüchtig  durch 
eine  Vertiefung  angedeutet,  die  Oberschenkel  unterhalb  des 
Gesässes  durch  eine  wenig  tiefe  llinue  von  einander  getrennt. 
Wenden  wir  uns  nunmehr  zu  der  Betrachtung  der  beiden 
männlichen  Seitenlignren,  zuer.-il  zu  der  den  Proportionen 
nach  grösseren  Figur  rechts  vom  Beschauer,  von  der  nui'  ^i'V 
linke  Arm,  ein  Stück  Leib  mit  dem  Geschlechtsteil  und  dem 
Ansatz  der  Beine,  und  Aqv  (lontur  des  oberen  Rückens  auf 
der  (nicht  gezeichneten)  linken  Seite  der  bereits  beschriebe- 
nen Hauptligiir  der  Gruppe  erhalten  ist.  Dieser  (lontur  des 
sonst  völliii'  zerstcirten  Ol)erkör|)ers  des  ,JiiM2;liu2;s  ^  welcluM- 
sich  deutlich  auf  der  linken  Seite  (\^^^  Frauenkörpers  abhebt 
und  besonders  klar  die  l  rnrisslinii-M  des  (d)L'i'en  Rückens  er- 

'  Der  Beweis  für  die  Iiiclilii,^ls.cil  dieser  Beiicinuniir  erfüll  weiter  unten. 


MARMORCRUPPE   AUS   SPARTA  179 

kennen  liisst,  beweist  znr  Kvi<lenz,  dass  derselbe  iriil  dein 
(HK'i'l\("tr(K'i-  etwas  naeli  vorwiirls  bzw.  seitwärts  links  geneigt 
lind  niil  seiner  l>nisl  eni;  an  die  linke  Seite  der  Frau  ange- 
s(;htniegt  war.  Die  liidve,  geidl'nele  Hand  legt  er  auf  den  Un- 
terleib derselben:  der  Ellbogen  isl  an  ilirer  Hüfte  leicht  ge- 
kriimint,  i\i'V  Znsarnmenbang  des  Oberarms  mit  dem  llnmpf 
des  .Iniiglings  an  dw  Aeliselliölile  am  Original  so  klar  ersiclit- 
licdi,  dass  keinerlei  Zweifel  über  die  Zugeiiörigkeit  des  Armes 
anfkommen  kann.  Daraus  folgt,  dass  der  Gesclilecbtsteil  ent- 
weder lals(dilu:li  an  die;  linke  llüite  zu  sitzen  kam  oder  der 
Körper  des  Jünglings  unnatürlich  verrenkt  dargestellt  war. 
Man  ei'wartet,  dass  derselbe  den  Uumpf  der  Frau  mit  beiden 
Händen  und  Armen  von  der  Seite  umfing,  dass  also  sein  rech- 
ter Arm  auf  dem  Rücken  der  Miltelüi'ur  zu  liefen  kam:  da 
sich  aber  dort  keinerlei  Ansatzspur  findet  und  die  ganze  Gruppe 
iiir  di(!  \ordei ansieht  fraglos  berechnet  war,  so  mag  derselbe 
einfach  an  seiner  rechten  Seite  herabhänoend  Gebildet  <j;evve- 
sen  sein.  Der  Künstler  beabsichtigte  der  Gleichförmigkeit  hal- 
ber auch  diese  Figur  analog  den  beiden  andern  Figuren  der 
Gruppe  en  face  darzustellen,  trotzdem  dass  durch  die  Lage 
des  Körpers  eine  andere  Stellung  geboten  war.  Fr  verrenkte 
desshalb  den  Obei'körper  der  .Jüno;linosliour  so,  dass  der  Ge- 
schlechtsteil  en  face  zu  stehen  kam,  woraus  man  sicherlich 
schliessen  darf,  dass  auch  der  Kopf  e/z /l2ce  dargestellt  und 
nicht  etwa  mit  dem  Angesicht  in  die  Seliulter  der  Frau  ver- 
graben war.  Dem  Gebrauch  der  archaischen  Kunst  entspricht 
dies  durchaus. 

Etwas  mehr  erhalten  isl  von  der  männlichen  Figur  links 
vom  Beschauer.  Dieselbe  war,  wie  man  schon  aus  der  Ver- 
gleichung  des  rechten  Arms  mit  dem  linken  quer  über  dem 
Leib  der  MitleÜigur  liegenden  Arm  des  vorherbesprochenen 
Jünglings  ersehen  kann,  in  um  ein  wenig  kleineren  Verhält- 
nissen gearbeitet:  während  sein  Scheitel  nur  bis  zur  Mitte  der 
rechten  Brust  der  Frau  heranreicht,  muss  der  Kopf  des  an- 
dern die  linke  Brust  derselben  noch  etwas  überraart  haben. 
Von    seinem    linken  Bein,  welches   mit    leicht  gekrümmtem 


180  MARMORGRUPPE   AUS   SPARTA 

Knie  vorgesetzt  war,  ist  der  obere  Teil  und  der  ganze  (iOntur 
bis  zum  [üiüclu'i  am  Sclicukcl  der  Fi'.iii  doiillich  crki'iinhar : 
das  rechte  Standbein  ist  oberhalb  d.-s  Knies  weggebroehen, 
Hüeivgrat  und  der  Spalt  im  Gesäss  sind  sorgfältig  angegeben, 
ebenso  der  Geschlechtsteil.  So  sehr  auch  der  dicke  Kopf  und 
die  Unterarme  beslossen  sind,  so  erkennt  man  doch  deutlich 
die  grossen  Augen,  die  stumpfe,  dreieckige  Nase  und  diecha- 
racteristische  Behandlung  des  Hars,  das  bis  auf  die  Schullern 
herah-,  am  Halse  keilförmig  \or\valll  und  wie  ringsherum 
abgeschnitten  erscheint.  L'eber  dem  Ohr  s|)ringl  eine  einzelne 
Harpartie  nach  dem  Auge  zu  vor'.  Die  Behandlung  des  Ha- 
res  bestimmt  uns  die  richtige  Benennung  der  beiden  Seitei.- 
figuren  bezüglich  des  Lebensalters.  I^s  sind  natürlich  keine 
Kinder,  aber  auch  keine  Knaben,  welche  nach  Lycurgs  Vor- 
schrift £v  /od)  '/.v/.T.pu.vioi  bis  zum  Eintritt  ins  Jünülingsaller 
einhergingen.  Es  sind  die  Jünglinge  im  E|)hel)eiialter,  die  sich 
x.o;j.wvT£?,  im  vollen,  ofTenen  Harschmiick,  bis  zum  l']intritt 
ins  Mannesalter  trug-^n ',  wie  die  jugendliclie  von  Loeschcke 
Zeus-Amphiaraos  genannte  männliche  Figur  der  spartani- 
schen Basis,  welche  auch  schon  im  C.alaloo-  zur  V erbleich iino; 
herangezogen  ist.  —  Deutlich  sind  ferner  zwei  Finger  zu  er- 
kennen, welche  der  Jüngling  an  die  Li|)pen  legt  oder  in  den 
Mund  steckt:  ebenso  ist  sicher  der  rechte  Arm  gekrümmt  und 
führt  eben  einen  oder  zwei  Finger  an  (»der  in  den  Mund.  Es 
ist  aber  bei  der  Rohheit  der  Arbeit  und  dw  schlechten  Er- 
haltung gerade  dieser  Partie  kaum  zu  bestimmen,  (d)  nur  die 
rechte,  oder  ob  beide  Hände  zum  Munde  geführt  sind,  ob  der 
Jüngling  die  Finger  nur  auf  die  Lippen  legt  oder  ob  er  sie  in 
di'U  Mund  steckt:  schliesslich  könnte  man  in  dieser  Figur  selbst 
einen  die  Doppelflöte  blasenden  Jüngling  erkennen  wollen. 
Indessen  hat  bei  genauerer  Betrachtung  des  Originals  die  An- 
sicht, welche  teilweise  auch  im  Calalog  vei-treten  ist,  nämlich 


'  Ganz  analof,^  auf  der  spartaiiisclicn   Steh;  am   Ivopf  des  jugondliohoii 
"  Aiii(jliiaiau.s". 
-  Piularcli.  Lycurg.  16.  22. 


MARMORGRÜPPE   AUS   SPARTA  181 

dass  der  Jiinglini!;  je  einen  riniier  — dass  es  gerade  der  Daii- 
nieii  sei,  dalVir  sprielil  iiidils— |('  cinei'  lland  an  (»der  in  den 
Mund  Frdirl.  am  meisten  W  alir.scjicinlichkeil.  Denn  zw  iselicn 
seinem  i-cclilcn  I  nierarm  und  di-i-  lliifie  Arv  Miiudfli^nr  selieinl 
eben  eine  l']rli("»linnii  aid"  diMi  liest  des  altu:(*s(osspnen  linken 
Interarms  Acs  Jnnulini^s  liinziiweisen,  weJclier  ii;l(!i(ddalls 
zum  Mund  iielidirl  war.  Wie  die  Fij^nren  eines  Hochreliefs 
sind  die  beiden  SeilenliüMren  aid' den  Seileidliielien  der  Mil- 
f.elfifTiir  heransii-earhi'ilel :  nur  das  re(dile  l»ein  des  znl(Uzl  be- 
spmelienen  J(ini2;Iinij;s  muss  vom  Knie  ab  frei  üjearbeilel  gewe- 
sen sein,  da  sieb  an  dem  woblerhaltenen  rechten  Schenkel 
der  Frau  keinerlei  Ansatzspur  zeigt.  Aehulieh  verhielt  es  sich 
wohl  aiieli  mit  dem  reeliteu  Hein  des  grösseren  der  beiden, 
welches  nach  der  IJingsrichtung  des  ('ontnrs  seines  Ilückens 
zu  schliessen  gleichfalls  frei  gearbeitet  gewesen  sein  ninss. 

Alles  kommt  darauf  au  zu  bestimmen  in  welcher  Weise 
man  sich  die  Hau|)lligur  i\v\'  Darstellung  ergänzt  denken 
mnss.  Auch  die  beiden  Zeichnungen  genügen  darüber  zum 
Schliiss  zu  kommen,  wenngleich  erst  die  Betrachtung  des  Ori- 
ginals oder  eines  Abi>(isses  über  die  richtige  AnlTassunü  die- 
ser  merkwürdigen  Grup])e  völlig  überzeugen  kann.  Wir  ha- 
ben auszugehen  von  der  am  besten  erhaltenen  d^A-  drei  Figu- 
ren, der  zuletzt  besjjrocheiien  männlichen  Seilenligur  links 
vom  Bes(Oiauer.  Es  unterliegt  keinerlei  Zweifel  dass  dieselbe 
stehend  gebildet  war,  vitdieicht  ein  klein  wenig  nach  vorn 
geneigt.  Daraus  ergiebt  si(di,  duss  an  dem  unteren  Ende  der 
Mittelfigur  gerade  noch  soviel  fehlen  muss,  um  die  l  iiter- 
schenkel  und  Füsse  des  Junglings  richtig  proportional  ergän- 
zen zu  kr»nnen,  also  nicht  so  sehr  viel  bis  zur  Basis:  denn 
etwa  anzunehmen,  dass  die  mit  dei-  llauplUgur  ans  einem 
Stuck  gearbeiteten  Seitenliguren  erhöbt  auf  gesonderten  Basen 
gestanden  hätten,  wäre  olTenbar  verfehlt.  Bringen  wir  den 
Körper  des  Jünglings  in  die  richtige  senkrechte  l-.age,  so  steht 
auch  i\y'v  l\iimpt'  (\i'\-  Fimh  scnivrechl,  w  ie  wir  es  nicht  anders 
erwarten  dürfen  :  dieselbt;  kann  aber  dann  weder  gesessen 
noch   gestanden   haben.  Gestanden   selbstverständlich  nicht: 


185  MARMORGRUPPE  AUS  SPARTA 

der  Rumpf  bildet  ja  mit  den  Oberschenkeln  einen  stumpfen 
Winkel  und  wie  das  linke,  spitze  Knie  andeutet,  waren  die 
Unterschenkel  nach  rückwärts  gekrümmt,  die  Seitenfigiiren 
schwebten  überdiess  in  der  Luft.  Sitzen  ist  aber  ebenso  un- 
möglich. Denn  absresehen  davon,  dass  man  Stuhl  und  Frau 
zusammengearbeitet  erwartete  und  an  dem  glatt  bearbeiteten 
Gesäss  keinerlei  Ansatz  erhalten  ist,  dass  die  Seitenfiguren  auf 
erhöhten  Bathren  gestanden  haben  müssten,  kann  die  Mittel- 
figur desshalb  nie  eine  sitzende  Stellung  eingenommen  haben, 
weil,  wenn  man  dieselbe  in  der  Tat  auf  das  Gesäss  setzt,  sie 
selbst  mit  dem  Jüngling  unnatürlich  hintenüberliegt :  bringt 
man  sie  daaieoren  in  eine  sjerade  La2;e  und  denkt  sich  die  Fi- 
gur  — da  sie  in  der  Tat  infolge  der  Bearbeitung  des  Gesässes 
so  nicht  sitzen  kann  — etwa  hintenangelehnt  und  von  en  face 
gesehen  sitzend  gedacht,  so  bleibt  abgesehen  erstens  von  der 
gänzlichen  ünzulässigkeit  einer  solchen  Annahme  und  zwei- 
tens davon,  dass  der  Winkel,  den  Rumpf  und  Oberschenkel 
bilden, zum  Sitzen  viel  zu  stumpf  ist,  immernoch  die  Schwie- 
rigkeit mit  den  rückwärts  gekrümmten  Unterschenkeln  und 
den  Seitenfiguren,  welche  wiederum  nicht  hätten,  worauf  sie 
stünden. 

Offenbar  führten  Erwägungen  ähnlichen  Inhalts  die  Ver- 
fasser des  Catalogs  zu  dem  Resultat,  dass  die  Frau  sich  in 
kauernder  Stellung  befunden  haben  muss,  ohne  diese  Stel- 
lung näher  zu  beschreiben.  Indessen  stossen  wir  auch  bei  der 
Annahme  einer  kauernden  Stellung  jedweder  Art  auf  diesel- 
ben Schwierigkeiten,  wie  bei  der  Annahme  der  sitzenden  oder 
stehenden  Lage,  Schwierigkeiten,  welche  sich,  wenn  nicht 
alles  täuscht,  nur  dann  völlig  lösen,  wenn  man  die  Mittelfi- 
gur als  auf  derselben  Basis  knieend  auffasst.  auf  der  die 
beiden  Seitenfiauren  stehen;  in  der  Art  ist  die  Gruppe  in  dem 
Holzschnitt  hier  im  Text  wenn  auch  wenig  stilvoll  ergänzt 
worden.  Es  erweist  diese  Erü-änzunj^  sicherlich  die  Richtis- 
keit  der  Auffassung  besser  als  jede  Argumentation- 


MARMORGRUPPE  AUS  SPARTA 


183 


Die  Auffassung  der  MilteUiiiiii'  als  kniende  Frau  hilft  wei- 
ter zur  Ausdeutuuii'  der  Gi'uppe  und  erklärt  zugleich  gut  die 
Art  ihrer  Erhallunü;  bezv\ .  ihrer  Zei'slöruno;.  Mit  der  Basis  aus 
einem  Stück  gearbeitet  hing  dir  Hauptfigur  mit  derselben  nur 
an  der  schiefen  Bruchfläche  an  den  Knieen  (vgl.  die  Seiten- 
ansicht) zusammen:  ebenso  dienten  die  beiden  teilweise  frei 
gearbeiteten  rechten  Beine  der  Seitenfiguren,  welche  geti-ennt 
auf  der  Basis  aufstanden,  mit  als  Stütze  für  die  schwere  Last 
des  Frauenkörpers.  Die  Ijeiden  Arme  der  Frau  müssen  ent- 
weder wagreclit  nach  vornen  oder  senkrecht  nacli  aufwärts 
i^estreckt  gewesen  sein:  weni<j;stens  ist  weder  an  ihrer  wohl- 
erhalleneu  rechten  Seile  noch  an  dem  Jüngling  daselbst  die 
Ansatzspur  eines  Armes  Norhanden.  Kopf  und  Arme  der  Frau 
sowie  die  freigearl)eiteten  Teile  der  Sei tenfigu reu  waren  zuerst 
der  Zerstörung  ausgesetzt:  da  ferner  an  der  Stelle,  wo  die 
Mitlelfigur  der  Gruppe  mit  der  Basis  zusammenhing,  der  Stein 
eine  verhältnissmässig  nur  gei-inge  Dicke  hat. so  musste  ebenda 
in  den  Kniekehlen  der  Frauenkörper  mittelbar  von  der  zuge- 
hörigen Basis,  unmittelbar  von  den  Unterschenkeln  bei  ge- 
walltätigen Finfli'issen  \on  aussen  wegbrechen. 

Was  stellt  dies  mei-kwürdige  Bildwerk  dar?  Mit  der  \  er- 
mutung   es  sei   ein  kindernährendes  Weib   werden  wir   uns 


184  MARMORGRUPPE   AUS   SPARTA 

doch  nicht  zufrieden  geben.  Gehen  wir  aus  von  der  Hauptfi- 
gur der  Gruppe,  der  nackten,  knieenden   Frau.  In   den  Dar- 
stellungen der  aegyptischen  und  indischen  Kunstwerk;^  ist  die 
knieende  Slelluno-  besonders  bei  Frauen  sehr  häufiff.  Sie    ist 
indessen  mit  dem  Sitzen  völlig  gleichbedeutend:   das  Knieen 
ist  nur  eine  andere  A.rt  des  Sitzens.  Auch   Schutzflehende  se- 
hen wir  — ebenso  auf  griechischen    Kunstv^^erken  — in   dieser 
Stellung  das    Erbarmen  einer   Gottheit  oder    eines  Mächtigen 
anflehen.  Von  etwas  derartigem  kann  bei  unserer  Darstellung 
nicht  die  Hede  sein.  Mit  der  nackten  Frau.  Vk'elche  hinknieet 
und  die    Arme  ausstreckt,  geht   irgend  etwas  vor,  wobei  die 
beiden   männlichen  Fisuren  zur  Seite  helfend  eingreifen,  am 
unmittelbarsten   und  werktätigsten  olTenbar  die  Figur   rechts 
vom   Beschauer,  welche  ihr  den  linken  Arm    auf  den  Unter- 
leib legt.  Aber  wir  wissen  auch  von  Götterbildern  in  knieen- 
der  Stellung.  In  Aegina  genossen  hohe  Verehrung  die  Schnitz- 
bilder der  Damia   und  Auxesia.  aus    dem  heiliaren  Holze   des 
attischen    Oelbaums  gefertigt.  Die  Tempellegende   berichtete, 
beide   Idole  seien  zusammen  auf  die    Kniee  o;efallen,  als   die 
Athener  dieselben  vor  Alters  gewaltsam  wegnehmen  wollten, 
und  seien  seitdem  in  dieser  Stellung  verharrt  (Herod.V  82  ff). 
Sie  waren  ursprünglich  von  den  Aegineten  aus  Epidauros  ent- 
führt. Auch  in  Troezen  wurden  die  Göttinnen  verehrt. Ihr  Cult 
war  aus  Kreta  dort   eingeführt  und  es  wurde  ihnen  ein    Fest 
AiöoSoT^ia    genannt  dort   gefeiert,  woraus  sich    die    Sage  ent- 
wickelt hatte,  es  seien  kretische  Mädchen  gewesen  welche  vor 
Alters  bei   Gelegenheit  eines  Ständekampfes  in  der  Stadt  ge- 
steinigt worden  waren  (Paus.  II  32,  2).  In  Aegina   und   Epi- 
dauros ehrte  man  die  Göttinnen  durch  von  Männern  geführte 
Weiberchöre,  welche  nur   die   einheimischen  Weiber,   nicht 
die  Männer  in  Spottliedern  schmähten:  auch  sonst  waren  die 
Cullgebräuche  den  eleusinischen  ähnlich  (Herod.  a.  a.  0.  Paus. 
II  30,  5).  Warum  beide  Göttinnen  knieend  dargestellt  waren, 
darüber  giebt  weder  Herodot,  der  die  Geschiciue  von  ihrem 
wunderbaren  Kniefall  wohl  erzählt,  aber  nicht  glaubt,  noch 
Pausanias  irgendwelche  Auskunft.  Wohl  giebt  aber  letzterer 


MARMOROniPPE    AUS   SPARTA  185 

durch  eine  Nachricht  über  das  (liillhild  der  KihMthyia  in  Te- 
gea  (Um  Schliissul  zum  Versliindniss  der  actfineLiscIien  Knie- 
bihier.  ''Aiicii  von  (h'i'  l']ileilhyia"  hi'iicIiUU  er  ^  Ili  1JS,5,  ''li;i- 
ben  die  Tei:;('al('n  auf  dem  Markte  ein(Mi  Tempel  mil  (irdler- 
biid.  Sie  nennen  sie  aber  A-jy/;  iv  yova^j'.v,  weil  \iii;e  als  sie 
von  iNanj)li()s  wegi^elVilirl  wurde,  dort  wo  jetzt  das  IltMligtnm 
der  l^leitbyia  ist,  auf  die  Kniee  Del  und  so  den  kuabeii  i^'e- 
bar".  Wie  wir  aus  dcv  Foi-m  di!r  ae^inetiseiien  Selmilzbildi'r 
auf  ihre  nrs|)rimgliche  liech'ntnng  seliliessen  müssen,  so  müs- 
sen wir  bei  der  Kileithyiastatne  von  Tegea  aus  ibrer  Bedeu- 
tung und  Benennung  auf  ihre  Form  scbliessen.  Es  kann  keine 
Fi'a^e  sein,  dass  die  Teneaten  ihr  Fileithviabild  nur  (h^sshalb 
"  Äuge  auf  den  Knieen"  benannten,  weil  ihr(!  Geburtsgötlin 
wirklich  ursprünglich  den  NanuMi  Auge  führle  und  wirklich 
aul'den  Knieen  liegend  in  ilirer  (ailtstatue  dari-estellt  war, und 
ebenso  khir  ist,  dass  die  Knidaurier  Aei>inelen  und  Troezeniei' 
jene  chlhonischen  Göttinnen  sich  ursprünglich  als  gebärende 
Erdmütler  in  ihren  Kniebildern  vorslellten.WeIcker  (Kl.  Sehr. 
III  S.  187  und  andere  nach  ihm)  geht  zu  weil  indem  er  an- 
nimmt, dass  Damia  und  Aiixesia  wirklich  ursprünglich  (h^r 
Entbinduno;  der  Frauen  vorstanden:  aus  der  Ijeherlieferniii'- 
erhellt  nur,  dass  es  Göttinnen  der  Fruchtbarkeit  und  des  Ge- 
deihens der  Erdtrüchte  waren,  welche  eben  die  Symbolik  ur- 
alter Kiinsl Übung  als  Gebärerinnen  auf  den  Knieen  darstellte. 
Die  knieende  Stell unii'  war  die  Slelluno;  der  kreissenden 
Frauen.  Dieselbe  war  l'ur  den  Akt  der  Entbindung  so  charac- 
teristisch,  dass  man  wie  jene  I^ileitliyia-Auge  von  Tegea  so- 
gar männliche  Gottheiten,  welche  den  gebärenden  Frauen  in 
der  Stunde  der  Niederkunft  beistanden,  in  knieender  Stellung 
darstellte.  \ov  der  Cella  der  Minerva  auf  dem  Capitol  befan- 
den sich  drei  männlielie  Kiiieligiiren.  Entbindungsg(>lter,  wie 
Paulus  S.  17.)  berichtet,  welche  den  Kreissenden  in  ihren 
Wehen  beistanden.  Sie  hiessen  di  nixi  d.h.  zurückübersetzt 
in  die    Sprache    ihrer    eigentlichen    Heimat    Hsoi  sv  yöva.Tiv  ' . 


'  So  wird  (las  Slernt)il(l  :v  ^ovaa'-v  oder  Eufjonasis  bei   Martian   Capelle^ 


186  MARMORGRUPPE   AUS  SPARTA 

Alis  Griechenland  sollten  sie,  nach  einigen  von  M'.  Aciliiis 
nach  der  Besiegiinfi  des  Antiochos,  nach  andern  nach  dem 
Fall  von  Corinth  nach  Kom  oebracht  worden  sein  (Fesliis  S. 
17  i).  Am  bekanntesten  aber  war  die  Niederkunft  der  knieen- 
den Leto  auf  Delos,  wie  sie  der  fiymn.  Honi.  in  Apoll.  Del. 
116  ff.  beschreibt: 


£'JT '  £7:1  A-^lo'j  sSaivs  aoyoTTO/.o;  Et'Xsiövia, 
Sr,  TOTE  T71V  t6>co?  eVkt,  [;-£voiv/)a£v  Sk  T£>C£'jOai. 
ittipl  Sk  (poivt/.i  ^xke  Tz-'rij^si,   yoOva  o    £p£t<7£v 
X£U7-wvi  jxaXa/tC)'  [jLetSr,c£  Sk  yai'  Ü7ü£v£pÖ£v. 

£-/.    S'   £Oop£V    TirpÖ    (p6(i)cS£. 

iJ.iss  es  bei  mauclien  Naiurvölkern  Brauch  war  und  jetzt  noch 
Brauch  ist  in  knieender  Stelluno-  zu  gebärfn,  hat  VVelcker  a. 
a.  O.  S.  190  au  dem  Beispiel  der  Kamlschadaiinnen  und 
Abessinieriuneu  aus  Beiseberichten  erwiesen:  es  verdient 
auch  mitgeteilt  zu  werdeti,  dass  der  Gymuasiarchos  in  Sparta 
versicherte,  dass  heule  noch  in  Lakouien  die  Frauen  aul  dem 
Laude  in  dieser  Slellune;  entbuudcn  werden  '. 

Mach  der  Analogie  der  Hau])tligur  uusi-er  Gruppe  mit  deu 
bes|)rocheneu  Nachrichten  ist  dieselbe  gewiss  als  kreissende 
Flau  aufzufassen :  die  deutlichere  Aüi»abi^  des  sch\van<Jeren 
Leibes  wii'd  bei  dev  Vordei-ausicIiL  niemand  \ermissen  oder 
bei  der  Seitenansicht  in  der  auffallenden  Tiefe  des  ganzen 
Frauenkörpers  erkennen  wollen.  Anders  wie  die  zahlreichen 
knieenden  Frauen  auf  aegyptischen  Denkmälein,  welche  mit 
dem  Gesässaufden  Lnterschenkeln  fest  aufsitzen,  kniet  iin- 


VIII  S.  838.  84U.  H'i'2  Kupp  mit  iii.nis  ühcisetzl  Die  nLin  vvenieu  aucli  ei- 
wiiliiil  tjei  Nullius  S.  ')!  u.  eiit.rae.  [Jbcv  die  Siulle  Ovid.  inelmn.  1X294  wei- 
ter uiilcn. 

'  Mclir  Ijei  vuii  Siel)ul(l  Gesell,  il  <  iciiiirlsliiiHV  I  8.  3U.  l^luss  Über  die 
Lage  und  ölelluny  der  Frau  wälireiid  der  (Icljurl  bei  verscliiedenen  Völ- 
kern Leipz.1872.  G.  Eiigelmann  Die  Geburt  bei  den  Urvöllceru  Wien  lS8i 
Letztere  Schriften  sind  mir  augenblicklich  nicht  zur  Hand. 


MARMORGRUPPE    AUS  SPARTA  187 

sere  spartanische  Wöchnerin  analog  der  Staliie  von  Mykonos 
[Monum.  deW  imtil.  I  U  VVeIcker  Kl.  Sehr. III  S.IHH).  NNeh-he 
weder  Leto  wie  Welker  wollte^  nuch  Ijlcilli via,  .sondern  am 
wahrscheinlichsten  einlach  eine  zur  Ijilhiiidiing  nii'derknic;- 
eiide  Frau  darslelh  ',  w(!iL  slrilci'  iiiid  i>cra(lcr.  Non  hildli- 
chen  l)ar;>lelliinii,('n  einer  iMilhindniijj'sscene  sind  im  lolj^enden 
einii;e  zusammengestelll:  ein  einzij^es  Monument,  eine  ägyp- 
tische Darstellung  ans  der  Zeit  der  hetzten  Ptolemäer  auf  der 
Ostwand  der  Cella  zu  Erment  {Description  d'Egypte  A.  vol.  I 
pl.  96  Lepsius  Denkmäler  ans  /Vegypten  und  Aethiopien  Ab- 
theil. IV'  B.  I\  Blatt  ()0)  kommt  für  unsere  Gruppe  näher  in 
Betracht.  Die  Wöchnerin  liegt  auf  den  Knieen,  ebenso  wie 
die  vor  ihr  knieende  Entbindungsgöttin,  weiche  das  Neuge- 
borene aus  dem  Schos  der  Mutter  zieht.  Hinter  ihr  steht  eine 
zweite  weibliche  Figur,  welche  mil  der  rechten  Hand  die 
Brust  der  eben  Enibiindenen  berührt,  mit  der  linken  die  auf- 
wärts gestreckte  linke  Hand  derselben  fest  nmfasst;  dei'  rechte 
Arm  der  Gebäi'erin  ist  gleichfalls  nach  aufwärts  erhoben  und 
fasst  die  rechte  Schulter  der  hintei-  ihr  stellenden  Wehmut- 
ter. Die  übrigen  Figuren  der  Darstelluna;  kommen  nicht  wei- 
ter  in  Betracht. 

Andre  Darslellunoen  "gleichen  Inhalts  zeigen  uns  den  Akt 
der  Entbindung,  wie  er  sich  in  späterer  Zeit  nach  den  An- 
ordnungen (\i'v  Hebammenkunst  und  der  medicinischen  Wis- 
senschaft zu  v(»llzielien  pflegte:  so  das  Kalksteinrelief  aus 
Golgoi  der  Sanimlnng  (iCsnola  (Doell,  die  Sammlung  (lesnola 
Memoires  de  l'acad.  de  St.  Petersbourg  \^l'^  VII.  Serie  Tafel  Vi 
t  Cesnola  Colleclion  of  Cypriote  antiquities  I  Tafel  lAVI),  das 
Gemälde  der  ritnsthermen  (Ve.stif/ia  del/e  terme  dl  Tito  c  loro 
interne  pitture  no.  17),  das  Kelief  M//.s\  Pio  Clem.  W  .  37,  das 
Elfenbeinrelief  der  Palagischen  Sammlum;  in  der  Archaeol. 
Zeitung  l(SH)Taf.  \\\V|||  u.  a.  Sie  illustrieren  gut  die  Vor- 
schriften des  Soranus  -spi  yjva'./sior,'  und  des  nach  dem  Werk 
des  Soranus   zusammen<Testellten   Hid)ammenkatechismus  des 

'  Anders  Milchhöfer  Mittlieiluiii-en  1879  S.  ^6, 


188  MARMORGRUPPE   AUS   SPARTA 

Miiscio  (Sorani  gynaeciorum  uetus  translatio  lieraiisgeg.  v.  Rose 
S.  21  ff.  S.  2o()  ff).  Die  äusserst  rohe  Terrakolte  aus  Dali 
oder  l.arnaka  bei  Heiizey  Tcrres  cuites  du  Louvre  Tf.  9  S.  7  ' 
wird  erklärt  durch  die  Anordiinni;-  des  Soranus  S.  239  [lose: 
<j.r,  — y.cövTO:  Ss  toO  ao.uoTi/.'j'j  h'/oooj  y,y.'.  itzI  u/riCfAz  y'jvoor/.o;  x.aOs- 
'Cou.v^r,;  i  yJj-iz  H'r/'XZT.i  ysveriOai  Gycy.y.z'.i'j.'i;  x.t>..  S.  22  Sl  llPro 
sella  obsteiricalis  non  est,  in  forlis  mulieris  femora  sedere  dehel 
ut  illic  pariat.  Die  knieeiide  Stfllimg  bei  der  Niederkunft 
wird  nur  bei  besonderen  Fällen  einpCohleii  (S  o57  Rose).  So- 
ranus eifert  gegen  alle  siiperstiliösen  Gebräuche  bei  der  Geburt: 
so  gegen  die  V'orsclii'ift  einiger,  welche  anordnen,  die  He- 
bamme müsse  knieend  ihre  Hanlu-riingen  verrichten  (S.  239 
Rose),  ebens(t  gegen  die  Anordnung  die  Kleider.  Binden  und 
Hare  der  Wöchnerin  zu  lösen  aus  einem  andern  als  rein 
practischen  Grunde  (S.  240),  beides  \'üv  uns  wichtige  Finger- 
zeige alter  Symbolik.  Die  gelösten  Hare  der  oben  erwähnlen 
knieenden  Slatue  von  Mykonos  waren  gleichermassen  wie  das 
gelöste  Gewand  (Oppian.  Cynec.  1  190)  lui-  die  Deutung  auf 
eine  kreissende  zu  verwerfen:  schliesslich  sei  noch  auf  die 
Analogie  dieser  Knietigur  mit  den  um  den  neugeborenen  Pria- 
pos  auf  der  Ära  von  Aquileia  (Archaeol.  L]pigi'.  Mittheilungen 
aus  Oesterreich  I  Tal*.  \')  beschäftigten  knieenden  Frauen  und 
den  Helferinnen  auf  den  beiden  Gemälden  der  Titusthermen 
{Vestigia  delle  terme  di  Tito  no.  17  und  l(i),  welche  gleichfalls 
das  Gewand  halb  gelöst,  die  eine  Brust  nackt  zeigen,  kurz 
hin<j;e  wiesen. 

Die  Richtigkeit  der  Auffassung  iinsrer  Gruppe  als  Darstel- 
lung einer  Entbindung  wird  bestätigt  durch  die  Betrachtung 
der  männlichen  Figur  rechts  vom  Beschauer.  Mit  einer  die 
VVichti2;keit  dieser  Gebärde  in  hfdiem  Maasse  veranschaiili- 
chenden  Deutlichkeit  legt  dieselb'  die  geöffnete  linke  Hand 
auf  den  Unterleib  der  knieenden  Frau,  dicht  über  dem  deut- 
lich ausgeprägten  pudenduni  mulivlire  derselben  Der  bekannte 
Ver.s  6:70'j  ti:  xl^^v.  /.j'.Oi  /.7.'.  ty;v    /s'.:'  v/n  dient    etwas  modili- 

'  Audi   abi?ebil(lRl   bei    Perrot-('tiipi('z    IJisluirr  de  l'arl  dans  Vanti(jnüe 
\\\  S.  .^54.  . 


MARMORGRUPPE  AUS  SPARTA 


<89 


eiert  zur  Erklürunjj^  auch  dieses  Gestus '.  Der  Kreissenden 
sieht  ein  männlicher  (ichni'lsdacrnoii.  jciicii  di  itixi  vergleich- 
bar, zur  Seile  und  siicIiL  iiii-  die  Wehen  zu  (!i-leicJilern.  Sora- 
nus  238  Hose  ordnet  ähnlich  an  :  to-j?  Se  ttövou?  tö  jxev  ttoiütov 
TY)  Siä  6ep(/.ö>v  -rdiv  yetpwv  Trpo'jacpYi  ::pa'jv£iv;  und  S.  241  :  veoii 
o£  tÖv  rjyx.ov  £•/.  -lavtwv  'j-r.psTu^s:  i'7Tco'77.i  ttoo;  tO'j;  /.xtoj  tÖtto-j: 
TTpzw;  ioiH'Xi-hicxy.  was  Muscio  S.  2i  interpretiert:  A  laleribiis 
uero  ministrae  sine  (juassalioue  manibus  apertis  ///  deorsiun 
Uterum  deducnnt.  Da  die  Lage  des  rechten  Anns  nicht  mehr 
mit  Sicherheil  zu  ermitleln  isl,  so  wird  [uan  sich  mit  dieser 
Erklärung  bescheiden  müssen  :  fände  sich  am  Kücken  der 
Mittelhgur  ein  Ansatz  des  zerstörten  rechten  Armes,  so  würde 
die  besprochene  SeilenMgur  der  Grup|)e  die  Frau  in  dei"sell)en 
Weise  fest  halten  und  stützen,  wie  die  Eileitliyia-Thalna  den 
kreissenden  Zeus  auf  dem  etruskischen  Spiegel  bei  Gerhard 
Etrusk.  Spiegel  I  Taf.  ()(>  und  i\^'\'  Gemme  Archaeol.  Zeit. 
1849  Taf.  Vn. 


'  Man  vergleiclie  die  Terralvulle  aus  dem  Louvre  bei  Pcriut-Chipiez  His- 
tuire  de  l'art  III  S.  201:  La  inain  droile  s'appidc  sitr  le  venire,  äonl  la  saillie 
anormale  semble  indiquer  un  etat  de  grossesse,  und  die  Lajje  des  rechten  Arms 
der  Gcburtslielferin  auf  der  obeiicilierlen  Ileuzejsclieu  Terrakotte. 


19Ö  MARMOUGRCPPE   AUd   Sl'AKTA 

Die  Berührung  des  Leibes  der  Frau  von  Seilen  der  Golllieit 
bewirkt  die  L^nlbindimg '.  Als  Aphrodite,  Ehefrau  des  Ado- 
nis  geworden,  ilire  von  Dionysos  vor  der  \  erebelichung  eni- 
pfangene  Leibesfrucht  in  Lampsakos  vernichten  will,  bewirkt 
die  darüber  ergriniinte  Ehegöltin  Hera  ihre  .Niederkunft  da- 
durch, dass  dieselbe  y-cj^.ays'jy.evr,  tY|  /£ipi  iori^'^-'O  Tr,;  yacxpö; 
aÜT'?;?  /cai  e-oi'/irrev  ocÜtt/^  te/.jiv  -xi^x  ov  Ilpirj-ov  övo;j.a'7(i'?;va.t, 
xayTiif.o^  /.ai  7laop<pov  /.tX.  ^.  Aeh.iüche  Gebärden  wie  die  be- 
sprochene kann  man  in  jedeni  geburlshiltlichen  Alhis  sehen. 
Schwieriger  ist  die  Erkläi'iing  der  zweiten  männlichen  Fi- 
gur links  vom  Beschauer,  welche  mit  beiden  Händen  je  einen 
Finger  an  die  Lippen  legt  oder  in  den  Mund  steckt  und  den 
obertläciilichen  Beschaiiei'  zuerst  an  Harpokrales  erinnert.  Es 
ist  bekannt,  dass  die  zahlreichen  Darstellungen  des  Harpo- 
krales aus  der  römisch-alexandrinischen  Epoche  nur  rein 
äusserlich  in  der  Form  mit  dem  ägyptischen  "  Horus  als 
Kind  "  ^  zusammenhängen.  Nach  der  allgemeinen  Anschauung 
des  Altertums  dienten  diese  und  ähnliche  Figuien,  welche 
bald  weiblich,  bald  männlich,  bald  als  Kind,  bald  erwachsen, 
bald  einzeln,  bald  in  Gruppen,  mit  dem  Finger  oder  der  Hand 
an  oder  auf  dem  Mund  gebildet  sind  und  keinesweers  den 
Harpoki'atestypus  genau  nachbilden,  zur  Abwehr  bösen  Zau- 
bers jeder  Art  (O.  Jahn  Beri.chte  d.  sächs.  Ges.  d.Wissensch. 
1855  S.47  Leironne  Reime  archeol.  III  Tf.  51  Gerhard  Etrusk. 
Spiegel  I  Tf.  1'2).  Inwieweit  aber  alle  diese  Atnulete,  welche 
ursprünglich  nur  die  Beslimmung  haltenden  bösartigen  Ein- 
fluss  abzuwehren,  den  man  jedem  unzeitigen  Wort  und  omi- 
nösen Geräusch  zuschrieb,  wirklich  von  dem  aegyptischen 
Harpokrales  abhängig  sind,  inw  ieweit  dessen  Eintreten  in  die 


'  Ovid.  )nelam.  X  .jlü  CuiuliLil  ad  rainus  milis  Lucina  dolenie.s  Adinuvil- 
que  manus  el  ucrba  pucrpvra  di.rit. 

2  So  das  Etijmul.  Mann.  ri.  ?,  LS,  etwas  verschieden  davon,  aber  sicher 
aus  derselben  Quelle  Sdiul.  ApolUm.  Rliod.  I  932.  Die  Erzälilunj^'  im  E.  M. 
bietet  an  mehreren  Stellen  die  ricliligerc  Lesung  und  zeigt  allein  logischen 
Zusammenhang  in  der  Daistellung. 

•■*  Bunsen,  Aegyptens  Stellung  in  der  Weltgeschichte  I  S.  505. 


MAHMOUGRUPPK    AUS   SPAHtA  191 

kiinst  1111(1  Sii|>('rslili()ii  ilcv  hcidcri  antiken  ViHker  diiicli  iiliii- 
liclii'  (icstaltcii  (K's  lii'iiiiisclicii  (ir»llci'i;laiil»'iis  iiml  Alx'i'i^lau- 
bens  schon  voilMTcilcl  war,  isl  iiocli  kcint'swcjis  rcslsttdicnd. 
Weniü'slens  niidil  IVir  dir  üi'ircdii.sidie  W  t-ll.  Dem  llönnM-  war 
dei'  Gesttis  dos  llarpokaics  niclils  Neues.  Kine  Göllin  (ler  in- 
digitamenta,  die  sia(li>(liiiinrn(lf  Aniicroiia  war  dargestellt 
tyrc  ublif/ato  ohsicjiKiloquc  nach  iMin.  III  (i.)  :  nach  Ma('r(d».  Mi 
i),  i  (lifji'to  ad  OS  adinotd  silciiliuiii  dcmniluil.  \elinlieln'  (ioll- 
heiten  nuissen  die  Tacila  und  Miita  gewesen  sein:  dnreh  Op- 
fer an  die  erslere  fesselt  man  "  fei ndseliij;e  Zungen  und  un- 
freundliche ßlieke"  nach  Ovid.  f'((sl .   II  ÖTO  tf. 

Dass  ein  rein  iiusseriieher  Zusauiuieuhauij;  der  l)es|)roelie- 
nen  Figur  luil,  (l\ii\  aegypiischen  llarpokrateshiidern  besiehe, 
ist  bei  der  Eigenarligkeit  der  Darslellung  keinesfalls  anzuneh- 
men :  es  ist  aber  Aiv  Ti-age  offen  zu  lassen,  ob  nicht  au(di  in 
der  griechischen  Welt,  die  abergläubische  Anschauunu;,  wel- 
che  man  späterhin  auf  die  Harpokralesbilder  übertrug,  durch 
bildliche  Darstcdlungen  bereits  früher  einen  Ausdruck  gefun- 
den hatte.  DtM'  (iestiis  drs  Knaben  uiuss  auf  alle  Falle  hoch- 
bedeutsam  sein,  ob  er  nun  du!  Finger  nur  au  die  Lippen  legt 
oder  in  den  Mund  steckt:  auf  keinen  Fall  ist  dies  eine  rein 
aenrehafte  Darstellunu  '.  Wahrend  otfenbar  der  .lunüjlinü 
rechts  unmittelbar  wciküitig  in  den  Akt  der  l^^ntbindung  ein- 
greift, fördert  sein  Zw  illiugsbrndei'  aiil' der  andern  Seile  die 
schmerzvolle  Arbeit  du  ich  eiiufii  heilkrüftigen  Zauber,  im  Al- 
tertum bei  Göltern  und  Mensehv'ii  niidil  gei'inger  angeschla- 
gen als  rein  äusserliche  Hilfieisluniien  bei  der  Geburt,  Durch 
einen  zauberhaft  wirkenden  (Jestiis  hält  die  Geburtsgöttin 
Hera  selbst  die  Entbindung  der  s(diwer  kreissenden  Alkmene 
auf  bei  Ovid.  metam.  W  2*).")  IT. 

dextroque  a  ijoplite  laeuom 
pressa  (/emi  dinitis  inter  sc  pectine  iunctis 
sustiimil  iSixKS  '.  Tacita  (jKoqiie  carmina  iioce 
dixit. 


'  Calalog  Ö.297 :  "  fülirl  beide  Daumen  zum  Munde,  um  daran  zu  saugen". 
-  Über  diese  Sehreibung  \veiter  unleu. 


i92  MARMOHGRUPPE    AUS   SPARTA 

Umgekehrt  fördern  die  Eileilhyien,  welche  auf  Vasenbil- 
dern bei  Darstellungen  der  Athenaseburt  den  kreissenden 
Zeus  umstehen,  mehr  maoisch  durch  die  Gesten  ihrer  hoch- 
erhobenen  Hände  als  durch  sinnlich  werktätiges  Eingreifen 
den  Akt  der  Geburt:^  erst  spätere  Darstellungen,  wie  die 
etruskischen  und  praenestinischen  Spiegelzelchnungen  ma- 
chen sie  zu  wirklich  anfassenden,  hantierenden  Hebammen. 
Die  Sympathiemitlel  und  symbolischen  Handlungen, denen  das 
Altertum  eine  Beschleunigung  und  Erleichterung  der  Geburt 
zuschrieb,  einzeln  aufzuzählen,  ist  unn()lig:  es  genüge  zu  ver- 
weisen auf  Plin.  XXVIII  3;].  42.  ;>9  Boetliger  Kl.  Sehr.  I  S. 
80  VVelcker  Kl.  Sehr.  III  S.  J'.)I.  VX]  und  die  Anmerkung 
Diltheys  Archaeol.  Epigr.  Mittlieil.  aus  Oeslerr.  II  S.  50.  Die 
mt'hrfach  citierle  medicinisch  -  oehurlshiiüliche  Litteratur 
macht  durch  ihre  Aufgeklärtheit  in  Bezug  auf  Superstition 
jeder  Art  einen  äusserst  wohllätigen  Eindruck. 

Ob  nun  die  besprochene  männliche  Figur  rechts  von  der 
Frau  wirklich  die  Finger  auf  die  Lippen  legt  um  während 
der  Entbindung  jedes  unzeitige  oder  gar  bezaubernde  Wort 
von  aussen  verstummen  oder  unschädlich  zu  machen,  oder 
ob  der  Geslus  sich  auf  die  F()rderunc;  der  Geburt  bezieht  und 
eine  lösende  oder  heilbi'ingende  Bedeutung  hatte,  bleibe  da- 
hingestellt. Heilbringendei'  Geslen  mit  den  Fingern,  nicht  al- 
lein mit  dem  diyitus  salutaris,  unserm  "Daumen  einschla- 
gen" {ijollkem  premere  Plin.  XXVIII  25)  vergleichbar,  mag 
es  ja  im  Altertum  viele  gegeben  haben  und  für  die  letztere 
Autfassung  spi'icht  die  Analogie  mit  der  Geschichte  von  der 
Entbindung  der  Alkmene.  Nach  der  Analogie  der  andern 
männlichen  Figur  rechts  vom  Beschauer  erwartet  man  über- 
diess  auch  viel  mehr,  dass  auch  auf  der  andern  Seite  die 
schmerzvolle  Entbindung  selbst  tatkräftig  gefördert,  als  dass 
von  aussen  her  kommendes  ünlieil  von  der  Kreissenden  ab- 
gewendet werde.  Zwar  liesse  sich  auch  für  die  erstere  Auf- 
fassung einiges  vorbringen:  das  Schweigen  spielt  in  dem  Aber- 


<  Weicker  Kl.  Sehr.  III  S.  191.  l'J2.  Elile  ceramogr.  I  Ö.  185. 


MARMORGRUPPE  AUS  SPARTA  193 

glauben  der  Alten,  in  der  Medicin  (Plin.  XXVIII  (52),  in  der 
sparlanisclien  äy^YY)  und  der  dorischen  Philosophie  eine 
grosse  Kolle  :  llo"XXoTc  yxp  ivOpcoTroiTi  (pä.p[;.a.y.ov  /.a/^.wv  Siy'ö  : 
doch  sind  die  Gründe,  welche  l'iir  die  letztere  sprechen,  ent- 
schieden stichhaltiger'. 

Wir  haben  also  nine  zur  Entbindung  niederknieende  Frau 
vor  uns,  welchei*  zwei  hilfVeiche  Dämonen  — denn  für  göttli- 
clie  lielfer  haben  wir  die  beiden  Seitenliguren  gewiss  zu  hal- 
ten—in der  schweren  Stunde  zur  Seite  stehen.  Ist  nun  diese 
knieende,  nackte  Frau,  äiinlicii  der  Eileithyia  der  Tegeaten 
und  den  griechischen  di  nixi  auf  dem  Capitol,  selbst  eine 
Eileithvia,  vielleicht  das  auf  uns  bekommene  Cullbild  aus 
einem  der  beiden  Tempel  der  Göttin,  welche  Pausanias  III  14, 
(i.  17,  1  erwähnt?  Schwerlich.  Es  spricht  dagegen  die  Dar- 
stellung als  Gruppe  und  man  ginge  ferner  in  der  Annahme 
religiöser  Symbolik  viel  zu  weit,  wenn  man  sich  die  Geburts- 
göttin selbst  von  zwei  andern  Geburtsgöttern  entbunden  in 
der  Weise  dargestellt  denken  wollte.  Es  ist  weit  wahrschein- 
licher dass  unsere  Gruppe  ein  Weihgeschenk  ist,  für  eine 
glückliche  Entbindung  den  beiden  hilfreichen,  jugendlichen 
Göttern  dargebracht,  welche  wir  an  der  MitteÜigur  tätig  se- 
hen. Es  ist  dies  durchaus  die  Sitte  des  Altertums,  dass  der 
Weihende  sein  eignes  Abbild  der  Gottheit  in  derselben  Stel- 
lung  und  Lage  darbringt,  in  der  er  deren  Hilfe  und  Beistand 
erfahren  hat:  der  Wagenlenker  auf  dem  Wagen,  der  Krieger 
in  Rüstung,  der  Flötenspieler  die  Flöte  blasend,  das  Mutter 
gewordene  Weib  in  der  Stellung  des  Gebarens. Weihgeschen- 
ke für  eine  glücklich  überstandene  Entbindung  darzubringen 
war  im  Altertum  ganz  gewöhnlich  ^:  der  Tempel  der  Eilei- 
thyia zu  Hermione  war  voll  derselben  (Paus.  II  35,  8)  und  in 


<  Sollte  in  dem  be.sprochenen  Jüngling  liuics  dennoch  ein  Flötenspieler 
zu  erkennen  sein,  so  Hesse  sich  auch  dafür  eine  Analogie  vorbringen:  vgl. 
die  oben  cilierle  Abhandlung  Dillheys  a.  a.  0. 

-  Aus  Sparla  sind  die  Aufschriften  zweier  Weihgeschenke  an  Eileithyia, 
welche  dorl  unter  dem  Namen  As/oi  verehrt  worden  zu  sein  scheint,  erhal- 
ten :  Roehl  WA  52  Mittheilungen  1877  S.  435.  440. 

.MITTH.   D.  ABfiH.   INST.  X.  13 


194  iMARMORGHUPPE   AL'S   SPAHTA 

dem  Cesnolaschen  Relief,  der  Heuzeyschen  Terrakotte  und 
der  Kniestatue  von  Mykonos  sind  uns  analoge  J>eispiele  er- 
halten. Von  dem  Cult  zweier  Entbindungsgölter  in  Sparta 
haben  wir  keine  besondere  Kunde*.  Möglicherweise  dass  eben 
unsere  Marmorgruppe  von  einem  derartigen  Cult  uns  Kunde 
giebt.  Aber  nicht  unwahrscheinlich  ist  es,  dass  dieselben 
identisch  sind  mit  dem  spartanischen  Götlerzwillingspar,  dem 
überhaupt  die  grosse  Masse  der  dort  noch  vorhandenen  VVeih- 
geschenke  gegolten  hat,  den  Tyndareossöhnen,  den  Reitern 
in  Not  und  Gefahr.  Sowohl  in  Sparta  wie  in  Argos  war  ihr 
Tempel  nahe  bei  dem  Heiligtum  der  Eileithyia,  welche  ähn- 
lich der  Auge-Eileithyia  von  Tegea  in  Argos  nur  eine  andere 
Gestallung  der  Mondgöttin  Helena  war  (VYelcker  Kl.  Sehr. 
ni  S.  186  Paus.  II  22,  7  III  14,  (i).  Für  Sjiarta  sind  die  Dios- 
curen  niro;ends  klar  als  Götter  des  weiblichen  Geschlechts  be- 
zeichnet:  vielleicht  dass  die  Nachricht  des  Varro  bei  Gellius 
XI  6,  wonach  in  Rom  ursprünglich  nur  die  Frauen  bei  den 
Castores  schwuren,  auf  einen  verwandten  Brauch  in  ihrer  Ur- 
heimat schliessen  lässt,  aus  der  ihr  Cult  über  Süditalien  auch 
nach  Rom  verpflanzt  worden  ist.  Dass  der  Jüngling  rechts 
vom  Beschauer  in  seinen  Proportionen  etwas  grösser  und 
stärker  gebildet  ist,  entspricht  dem  Brauch  der  alten  Kunst 
(Paus.  V  19,  1).  Das  besprochene  Bildwerk  ist  für  die  Kennt- 


'  Was  die  bei  Hesych.  u.  d.  W.  'AAx.t5ar  Osoi  zivti  jzapa  AazsSatjjLovt'ot?  und 
U.  Aptojodvas*  Oioi  Ttapa  Aa/.£oa'.[iov''ot;  Ti;j.tü[j.svo'.  erwäliiiteii  i'üi"  hilfreiche  (3ölLer 
(vgl."A)./.tov)  waren,  isLdunkel :  es  waren  wohl  gleichfalls  Zwillingsgötler,den 
Tyndariden  ähnlich,  niil  denen  sie  Gerhard  Gr  .NJyth.I  Ö.124  vergleicht.  Wäre 
übrigens  bei  üvid.  metam.  IX  294  Lucinam  Nixosque  pares  clamore  uocabam 
(Büettiger  a.  a.  O.  S.  81:  "Rief  .  .  .  die  Lucina  mit  Schrein  und  die  Zwil- 
lingsuiächte  des  Kreissens")  die  I^esung  richtig  hergestellt  und  richtig  er- 
klärt, so  hätten  wir  eine  analoge  Erscheinung.  Die  llandschr.  weisen  aber 
mehr  auf  uLvmque  was  wohl  richtig  ist.  Mit  den  drei  di  ni.ri  des  Festus 
könnteu  diese  nixi  pares  nur  verwandt,  keinesfalls  identisch  sein.  jVt.rwA- 
sind  die  woivc;,  die  EtXciOu-.at  (ElXs'.Ouia; .  .  .  i^ioxi  03  Ta;  föoiya;  Ilesych.),  wel- 
che an  der  oben  angeführten  Ovidstelle  Juno  sustincl,  wie  sie  bei  Homer 
ri19  'AX/tijiTfvri?  ävsÄauas  xo'y.ov,  07£O£  o'  EiXs'.Oji'ai;.  Ich  habe  darum  an  der 
obigen  Stelle  Nixus  mit  grossem  Anfangsbuchstaben  geschrieben.  Pares 
harrt  noch  der  Verbesserung  oder  Erklärung. 


MARMORGRUPPE    ALS   SPARTA  195 

nis  der  ältesten  lociilen  Marinor.sciilj)liir  Spartas,  liberliaupt 
liir  die  Kenntnis  der  iilteslen  iiriecliischen  Sculptiir  von  un- 
gemeiner \\  iclitigkeil.  I^]s  stellt  olTenbar  einen  der  ältesten 
Versuelie  (jiner  i^nksst-ren,  <i;ruppenai'tii^en  r,omj)()sili()n  dar 
und  ist  selion  desslialb  von  besonderem  Interesse-  Nacli  den 
vorhandenen  Funden  zu  urteilen  wurde  in  dem  Laconien  des 
sechsten  Jahrhunderts  im  Gegensatz  zur  Kcdiefbildnerei  die 
statuarische  Marmortechnik  wenig  geübt'  :  für  die  Cultbihler 
und  Kinzelstatuen  war  das  altlu'rkömmliche  Material  Holz 
oder  die  ßronce,  welche  bei  der  hohen  IJlüte  des  Erzgusses  — 
um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  wirkt  Theodoros  von  Samos 
in  Sparta  — besonders  dort  Eingang  gefunden  liaben  muss. 
Daü;eü;en  wird  die  handwerksmässio-e  Ansübunii;  der  Marmor- 

CO  o  ~ 

reliefsculptur,  wie  die  erhaltenen  Stücke  zeigen,  an  der  Hand 
eines  ausgedehnten  Heroen-und  Gräbercultus  früh  ausgebil- 
det. Von  diesen  Gesichtspunkten  aus  ist  unsere  Gruppe  zu 
beurteilen:  die  Mittelfigur  ist  lediglich  ein  in  die  Marmor- 
technik übersetztes  Xoanon,  die  Seitenfiguren  sind  reliefartig 
aus  den  zu  dem  Zweck  un verhältnismässig  breit  gelassenen 
Seitenflächen  der  Mittelfigur  lierausgearbeitel.  Von  der  Seite 
als  Kelief  betrachtet  ist  infolge  dessen  die  männliche  Figur 
links  bezüglich  der  Proportionen  kaum  zu  tadeln:  von  vorn 
gesehen  ist  dieselbe  gänzlich  formlos,  der  Kopf  unverhältnis- 
mässig dick,  der  Leib  und  die  Hüften  viel  zu  schmal,  das  linke 
Bein  überhaupt  nur  halb,  das  Ganze  wie  mit  der  Mittelfigur 
verwachsen.  Und  doch  war  die  ganze  Gruppe  zweifellos  für 
die  Vorderansicht  gearbeitet. 

Betrachten  wir  die  Hauptfigur  der  Gruppe.  Die  Technik  ist 
die  für  viele  Bildwerke  der  ältesten  Epoche  characteristische, 
welche  den  engen  Anschluss  der  Steinsculptur  an  die  Holz- 
schnitzerei bekundet.  So  die  halbkugelförmigen  Brüste,  die 
drallen,  ähnlich  wie  bei  aegyptischen  Frauenfiguren  nach  vorn 
vorquellenden  Schenkel,  der  bretarlig  flache,  an   den  Hüften 


'  Milclitiöfer,  MilUieilungeii  1877  S.  4öD  Anin.— Die  glciclie  Talsaclie  in 
dem  Attica  des  seclisteii  Jalirliuiideits:  Loesclickc  Millheiluugen  1879  S. 306. 


196  MAUiMOHGRUPPE   AUS   SPARTA 

eingezogene  Leib.  Besonders  interessant  ist  die  Form  der 
Brüste. Sie  sehen  aus, wie  gedrechselte  Holzhalbkugeln, welche 
auf  einem  Bret  aufsitzen,  ähnlich  wie  auf  den  bretartigen  pri- 
mitiven Terrakottaidolen  das  Geschlecht  durch  zwei  aufge- 
setzte,  flache  Brüste  angedeutet  ist.  Ganz  anders  beispielsweise 
die  in  den  Archaeol.  Epigr.  Mittheil,  aus  Oeslerreich  II  Tafel 
VIIl  publicierte  nackte  weibliche  Broncestatuette  archaischen 
Stils,  welche  weit  vollkommener  in  der  Durchbildung  der 
Formen  eine  ganz  verschiedene  Kunstrichtung  offenbart. 
Diese  Form  der  Brüste  ist  offenbar  hervorgegangen  aus  der 
Technik  der  lediglich  auf  Enfaceansicht  berechneten  bretarti- 
gen  Schnitzbilder  aus  Holz. 

Die  völlige  Nacktheit  des  Frauenkörpers,  die  barbarische 
Deutlichkeit,  mit  der  das  Geschlecht  angegeben  ist,  springt 
in  die  Augen,  beides  Erbteile  der  barbarischen  Kunstübung, 
welcher  die  griechische  Kunst  ihre  erste  Anregung  verdankt, 
und  auf  einem  Bildwerk  aus  Sparta,  wo  die  Entblössung  der 
Frauen  zum  Befremden  der  übrigen  Hellenen  und  der  Römer 
nichts  Unschickliches  hatte,  weniger  auffallend:  insbesondere 
kommt  ausserdem  der  gynaecologische  Gegenstand  der  Dar- 
stellung dafür  in  Betracht.  Die  Brustwarzen  sind  nicht  ange- 
geben :  ebenso  fehlt  im  Gegensatz  zu  den  übrigen  erhaltenen 
nackten  Statuen  der  archaischen  Kunst  die  Angabe  des  Na- 
bels. Besonders  für  letzteren  Teil  wird  wohl  die  Annahme 
von  Bemalung  berechtigt  sein.  Wie  bei  allen  archaischen  Sta- 
tuen ladet  das  Gesäss  weit  aus  und  erscheint  das  Kreuz  infol- 
gedessen tief  eingezogen  :  es  scheint  diese  stark  hervortretende 
süuuyia  indessen  auch  zur  Hervorhebung  der  Weiblichkeit  zu 
dienen  —  man  vergleiche  auf  der  Seitenansicht  den  Contur 
des  Rückens  der  männlichen  Figur  mit  dem  Rücken  der  Frau. 
Wir  beobachten  dieselbe  Erscheinung  auf  dem  technisch  voll- 
endeten Relief  aus  der  Maina  Mittheilungen  Vlll  Taf.  XVI 
und  an  der  oben  citierten  archaischen  weiblichen  Broncesta- 
tuette in  Wien.  Fine  Einordnung  der  besprochenen  Gruppe 
in  die  Reihe  der  erhaltenen  archaischen  Denkmäler  erscheint 
schwer  möglich.  Wir  lesen  am  Schluss  der  Beschreibung  im 


MARMOnGRUPPE    AUS   SPARTA  197 

Catalog:  ''das  ganze  ist  nocli  stillos  und  erinnert  stark  an 
primitive  Idole  aegyptiscli-syrisclier  Herkunft".  Darnach 
tmisslc  dasselbe  zienilich  hoch  hinaufdatiert  werden.  Allein 
der  Umstand,  dass  wir  kein  Denkmal  derselben  Art  erhalten 
haben,  dass  uns  liberhaupt  fast  jedes  Maass  der  Beurteilung 
und  chronologischen  Fixierung  der  spartanischen  archaisclien 
Sculpturen  des  sechsten  Jahrhunderts  bis  jetzt  fehlt,  mahnt 
zur  Vorsicht.  Ebenso  wenig  ist  es  berecliligt,  Sculpturen  aus 
anderen  Landschaften  zur  Ver2;leichun2;  heranzuziehen:  wir 
haben  ein  Erzeugniss  rein  localer  Kunstübung  vor  uns,  und 
wie  man  bei  der  (Chronologie  und  Beurteilung  eines  Kunst- 
werks rein  localer  Technik  von  den  Werken  anderer  I^and- 
schaften  und  Schulen  hinsichtlich  der  Vollendung  der  Arbeit 
völlig  absehen  muss.  kann  die  Grabstele  des  Kitylos  und  Der- 
inys  hinreichend  lehren.  Von  dem  Wirken  auswärtiger  Mar- 
morbildhauer in  Sparta  ist  nichts  überliefert:  vordem  Fehler 
aus  der  Nachricht  des  Plinius  XX XVI  9,  welcher  berichtet, 
Dipoinos  und  Skyllis  hätten  zuerst  von  allen  in  der  Marmor- 
sculptur  Ruhm  erlangt,  etwa  zu  schliessen,  dass  deren  in  La- 
conien  gebürtige  Schüler  oder  sie  selbst  die  Marmorsculptur 
dort  begründet,  davor  bewahren  uns  Kleins  Untersuchungen 
in  den  Archaeol.  Epigraph.  Mittheil,  aus  Oesterr.  V  S.  93  ff. 
Zur  Vergleichung  können  eben  nur  die  spartanischen  Grab- 
reliefs in  beschränktem  Maasse  herangezogen  werden  und  diese 
Vergleichung  kann  uns  davor  bewahren  die  besprochene 
Gruppe  allzu  hoch  hinaufzudatieren  ^  Greifen  wir  aus  unserer 
Gruppe  die  Teile  heraus,  welche  einen  Vergleich  hinsichtlich 
der  Technik  mit  den  Reliefs  erlauben  :  den  quer  über  den 
I^eib  der  Mittelfigur  gelegten  Arm  der  Figur  rechts  vom  Be- 
schauer. Wir  sind  überrascht,  bei  der  sonstioren  uneefüffen 
Rohheit  der  Arbeit  hier  anatomisch  durchgebildete  Formen, 


'  Es  ist  zudem  zu  beachten,  dass  ganz  ähnlich  wie  in  dorn  AUica  des 
sechsten  Jahrhunderts,  ebenso  in  Laconien  bei  dem  Überwiegen  der  Relief- 
ildnerei  vor  der  statuarischen  Marmurtechniic  die  letzlere  auch  denige- 
bmäss  anders  hinsichtlich  der  technischen  Volieudung  zu  beurteilen  ist 
(Loe-schcke  Mitlheilungcn  KS79  S.  3Ü5  11'.). 


198  MARMORGRUPPE  AUS  SPARTA 

weiche  schwellende  Linien  und  eine  richlise  Naturbeobach- 
tunff  zu  finden:  mmz  anders  die  Behandhino-  der  Giiedmassen 
auf  den  lleliefs  Mittheilungen  1877  Taf.W  \X11  \\\  b  oder 
auf  dem  Relief  von  Chrysapha  Mitlheilungen  1882  Tai".  VII 
mit  ihren  unbeholfenen,  eckigen,  geradlinig  scharfen  Contu- 
ren-  Der  Arm  ist  so  sorgfältig  und  sicher  gearbeitet  wie  die 
Gliedmassen  auf  dem  Relief  des  vollendeten  archaischen  Stils 
Miltheilungen  1877  Taf.  XXIV.  A.m  interessantesten  ist  die 
Figur  links  vom  Beschauer,  welche  wie  schon  oben  bemerkt, 
von  vornen  gesehen  in  ihren  Verhältnissen  durchaus  unhar- 
monisch und  vertrakt  erscheint:  von  der  Seite  gleichsam  als 
Relief  betrachtet  hält  dieselbe  den  Vergleich  mit  dem  Am- 
phiaraos  der  spartanischen  Stele  wohl  aus:  sie  erscheint  viel- 
mehr in  den  Prouortionen  noch  vollkommener,  die  Linien 
sind  weicher  und  mehr  unter  einander  vermittelt.  Die  Arbeit 
der  ganzen  Gruppe  war  eine  äusserst  sorgfällige,  wie  die  gut 
erhaltenen  Stellen  beweisen.  Sie  setzt  eine  bedeutende  Be- 
herrschung des  Materials  voraus,  wie  man  schon  aus  den  frei 
gearbeiteten  Teilen,  ganz  besonders  den  vorwärts  oder  auf- 
^värts  gestreckten  Armen  der  Mittelfigur  schliessen  kann  und 
wie  dies  schon  durch  den  kühnen  Versuch  eine  Gruppe  zu 
componieren  bedingt  wird.  Innerhalb  der  Sonderentwicklung 
der  laconischen  Marmorsculptur  setzt  dieselbe  gegenüber  den 
uns  aus  andern  Landschaften  erhaltenen  sogenannten  daeda- 
lischen  nackten  männlichen  Statuen  mit  den  steif  anliegenden 
Armen  einen  bedeutenden  Fortschritt  in  der  Kunst  der  Stein- 
arbeit voraus. 

Wir  dürfen  nach  diesen  Erwägungen  die  Zeit  der  Gruppe 
nicht  zu  hoch  hinaufdatieren.  Dieselbe  bezeichnet  einen  Ver- 
such localer  Kunstübung  eine  freie  mehrfigurige  Composition 
in  Marmor  darzustellen,  mit  den  Mitteln  welche  die  gleich- 
zeitige Relieftechnik  an  die  Hand  gab.  Der  Versuch  ist  recht 
plump  und  ungefüge  ausgefallen:  aber  es  wäre  verfehlt  dess- 
halb  auf  iKiheres  Alter  zu  schliessen. 

Für  eine  festere  Datierung  der  älteren  Reliefs  fehlt  uns 
noch  jeder  Anhaltpunkt.  Zwei  derselben,  Mittheilungen  1877 


MARMORGRUPPE    AUS   SPARTA  109 

Taf.  XXV  &  1883  Taf.  Will  2  tragen  fnsch.'iften,  aus  deren 
Cliaracler  wir  mit  Siehei'lieit  schlicssen  k/innen,  dass  sie  älter 
sind  wie  das  fiinftc  Talirliiindert:  wie  weit  wir  aber  die  lle- 
liefs  im  sechsten  Jalirliiinderl  liinaiirnieken  müssen,  ist  v()lli<^ 
iinbestimmhar.  Nacii  der  lieliaiidliing  der  Glieder  zu  sehlies- 
sen,  ist  unsere  Gruppe  weil  jünger  als  das  erstgenannte  Tino- 
klesrelief:  am  näelisten  kommt  dieselb(!  dem  jüngeren  Weih- 
geschenk des  IMeistiadas,  welches  indessen  in  der  Behand- 
lung der  Conturen  eine  noch  geringere  Fertigkeit  zeigt,  wie 
die  Seitenfignren  unserer  Gruppe.  Milchhöter  Mittheilungen 
1877  S.  455  setzt  das  Thioklesrelief  in  den  Ausgang  des  sech- 
sten Jahrhunderts.  Vielleicht  noch  zu  jung.  Denn  es  scheint 
unwahrscheinlich,  dass  sich  in  so  kurzer  Zeit  das  lacedaemo- 
nische  Alphabet  in  der  Weise  völlig  zu  den  Formen  umge- 
w^andelt  hätte,  welche  uns  auf  dem  datierbaren  Plataeischen 
Weihgeschenk  erscheint:  zwischen  beiden  Monumenten  steht 
noch  das  Dioscurenrelief  des  Pleistiadas.  Wir  rücken  besser 
das  Thioklesrelief  mindestens  in  die  Mitte  des  sechsten  Jahr- 
hunderts, wenn  nicht  noch  höher,  hinauf:  um  eine  gute  Zeit 
darnach  ist  unsere  Gruppe,  etwas  älter  als  diese  das  Weih- 
üeschenk  des  Pleistiadas  anzusetzen.  Mehr  als  diese  annä- 
hernde  Zeitbestimmung  zu  geben  erscheint  vorerst  unmöglich. 

FRIEDRICH  MARX. 


Zur  Epigraphik  von  Kyzikos. 
III. 

(Vgl.  Mitth.  VI  40  fg.,  121  fg.,  VII  251  fg.) 


N"  28.  Dieser  und  der  folgende  Stein  sind  vor  unsrefähr 
drei  Monaten  von  Kyzikos  hierher  gebracht  worden. 

N°  28,  eine  Stele,  unten  0,64™,  oben  0,60'"  br.  und  links 
0,67°"  h.,  trägt  folgende  Darstellung:  Herakles  holt  mit  der 
Keule  nach  einem  r.  von  ihm  zu  Boden  gesunkenen  Manne 
aus,  indem  er  ihm  das  1.  Knie  auf  den  Rücken  setzt;  sein 
Gegner,  offenbar  im  Fliehen  eingeholt,  versucht  sich  aufzu- 
richten und  durch  Vorhalten  eines  Armes  den  tödtlichen 
Streich  abzuwehren;  rechtsein  Baum,  an  welchem  ein  Schild 
und  eine  Löwenhaut  aufgehängt  sind.  Leider  ist  das  Relief 
dadurch  arg  zugerichtet,  dass  es  als  Verzierung  eines  Lauf- 
brunnens gedient  hat  und  durch  das  in  der  Mitte  durchge- 
brochene Ausgussloch  der  Kopf  und  die  oberen  Theile  des 
Gegners  des  Herakles  zerstört  sind  ;  man  erkennt  noch,  dass 
er  mit  einem  langen  Gewände  bekleidet  war;  an  seiner  lin- 
ken Seite  hängt  eine  leere  Schwertscheide.  Vermuthlich  ist 
die  Episode  aus  der  Argonautensage  dargestellt,  wie  Herakles 
im  nächtlichen  Kampfe  aus  Versehen  den  befreundeten  König 
Kyzikos,  den  Ktisten  der  gleichnamigen  Stadt,  erschlägt,  vgl. 
Marquardt  Cyzicus  43  und  über  Herakles  auf  Münzen  Eckhel. 

Oben  über  dem  Relief  folgende  Inschrift : 


ZUR  EPIGRAPHIK  VON  KYZIKOS  201 


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?02  ZUR  EPIGRAPHIK  VON   KYZIKOS 

Unsere  Inschrift  s;iebt  einis-e  Aufschlüsse  über  die  Verfas- 
siing  der  Stadt.  Böckh  nahm  für  Kyzikos  sechs  Phylen  an; 
aus  der  Mitth.  VI  42  v(^töfYentlichten  Inschrift  ergab  sich, 
wenigstens  für  die  Kaiserzeit,  eine  siebente,  die  der  SeSaaTsi;, 
der  vorliegende  Text  beweist,  dass  sogar  nenn  Phylen  vor- 
handen waren ;  ebenso  wird  die  Zahl  der  Strategen  erst  jetzt 
festgestellt.  Die  ungefähr  gleichzeitige  Inschrift  Rev.  arch. 
XXX  1)3  fg.  lässt  vermuthen,  dass  der  an  erster  Stelle  ge- 
nannte Stratege  bez.  Phylarche  einen  höheren  Rang  hatte  als 
die  übrigen;  der  erste  Stratege  wird  derjenige  sein,  dessen 
Name  zuweilen  auf  späteren  Münzen  genannt  wird. 

Von  den  eponymen  Hipparchen  sind  bis  jetzt  folgende  be- 
kannt geworden  : 


1.  £7:i   'AvTiylvou;  too   'Epp-ayopou  iTTTüocp^sco  C.  I.  G.  2157. 

2.  £:ri  IxTripyeo)  Bottcwvoc  C.  I.  G.   3658. 

3.  l-l  'ETTiaio'j  ToO  nor>etS(ovio'j  unedirt. 

4.  ETUI  'Eraipicovo;  tou  Eijt;.vr,(7T0'j  t[-7:ä.]p[)(^£0)  C.  /.  G.  2158. 

5.  eVi]  E'j[fi.£VO'j;  to'j   'A]pt,(7TxvSpo'j  iTTTräpyEcoi  C.  I.  G.  3695*  . 

6.  iTz]i  E'j'^'/;[X0'j  TO'J  A£(i)^ä[[j.a]vTO;  i7r-ap/£w  Re'y.örcÄ.XXX93  ff. 

7.  iizl  0£OyV/)TO'J   TOd    ....    XO'J   ["KTZXpy^ZlxH   C.    I.    G.    3668  ^. 

8.  £711  'Ittttovi/cou  toO  Au(Tay6po'j  iTC^ap^Eo)  Inschr.  bei  Conze- 
Hauser-Niemann  I  43,  21. 

9.  £xi  na'j(Tavt[o'j  tJoü  ....  Mitth.  VI,  55. 

10.  ItzI  Faiou  Kaiffapo;  ixTrap/Ewi  Berl.  Berr.  1874  S.  1  ff.  n°IV. 

11.  iTTTCapj^o'jvTo?  'ApiGTayopou  TO'J  'ApiyvtÖTO'j,  unten  n"  29. 

12.  iTTzapyo'jvTo;  Bo'j*XeiSo'j  to'j  M'/jTpoSwpO'j  C  /.  G.  3668  ^. 

13.  IxTüapj^ouvTo;  MevegOeco;  to'j  Ilo'X'jtSo'j  unten  n"  30. 

14.  i7i:7i:ap^O'jvTo;  T.  K>..  Eup.£vo'j;  -/ipwo;  Mitth.  VI  121  (so  zu 
lesen,  nach  einer  von  Hrn.  Papadopulos  Kerameus  mit- 
getheilten  Revision  des  Originals). 

15.  i7:7:ap;((^ouvTO?  K'X.  Xaipso'j  -/ipwo;  Mitth.  VI,  42,  vgl.  i::- 
Tripy'Yi  XaipEz  To  r,'  ebend.  44. 

IG.     ITTXapy^O'JVTtOV    T£p£VTi(0'j)    AwVXTO'J  '/.V-l  B£l€i(ou)    'A[A(pUTUO- 

vo;C.  LG.  3661. 


zun    EPir.RAPHIK   VON   KYZIKOS  203 

17.  iTTTTap^ouTT];  AupTolia?  'lou'Xia;  MevelaiSo^-zipwiSo;  G./.G  3665. 

18.  IxTrapyo'jTY)?  Kl.  nToXsp-atSo?  .Mitlli.    VI  122. 

19.  iTTTuapyo'jfycov  .  .  .  .Jpsiv/i?  to  e'  /-(at)   Nojvia;  Ko7.:tl'/i?  Mittll. 

VI  127. 

20.  ol    TTpuTai^vs'j'Ta.vTs;    [j.r,va     'AJpxsy.i'Tiwva  tov    ettI  K'X.    Hxfjnr,!; 
[^[Trapj^ouTr/C y.y.i  x,aX>.'.]7.'7avT£;  tov  Txupewva  e[~i  .  .  . 

t]qu    iXlOV'JGlO'J. 


Auch  ist  wohl  mit  ziemlicher  Sicherheit  anzunehmen,  dass 
die  in  den  Praescripten  von  C.  I.  G.  3()r)6  (£7:1  'Apiaxxv^po'j 
ToO  'AxoAXo<pzvo'j)  und  der  beiden  Dekrete  zu  Ehren  der  Klei- 
dike  (C.  [.  G  3657  :  Itzi  'Hyoaiou  ;  Mitth.VIl  156:  i-jzi  llei.?.  .  .) 
genannten  Magistrate  Hipparchen  sind.  Auffällig  ist  in  der 
obigen  Zusammenstellung  das  Vorkommen  zweier  Hippar- 
chen (N"  15),  bez.  Hipparchusen,  wenn  die  Ergänzung  der 
Inschrift  Mitth.  VI  127  richtig  ist. 

N"  29.   Copie,  mitgetheilt  von   Flerrn  'Iwxwr,;  F.  riavtopio;, 
hellenischem  Viceconsul  in  Panderma  (n7.vop[j!.o?) : 


inPAPXOYNTOZAPJSTArorOPOYTOYAPi 
r  N  a  T  O  Y 
A  I  O  I  K  O  I  T  H  Z 
MENIPPOZAZKAHPIAAOY 

rPAMMATEY2 
AZKAHPIAAHSAPTEMIAnPOY 

A  I  A  K  O  N  O  I 
APOAAO(l)AN  HSGAYMriNOS 
APTEMIAnP02(t)IA0NIK0Y 
MENIPP02      MEIAIOY 
MEIAlAi:     AOHNinNOZ 
MENEKPATHZ     MHNIAOZ 
OINO0YAAZ 
rOPAQN    MEMNONOZ 
M  H  TP  I   TO  A  YP  1  A  N  H    X  AP  I  S  T  H  P  I  O  N 


204  ZUR   EPIGRAPHIK   VON   KYZIKOS 

'iTTTrapyouvTo;  *Apt(JTa<YO)Y6po'j  toO  'ApiyvcÖTOu'  ^ioix(y])t7i  ?* 
MaviTTTTo;  'AcxV/iTCixSo'j*  y  p  a[^.[/aT£u  ?•  'AcjcItixkxSti;  'AprepSco- 
po'j*  Sta,x.ovof  'A7Col>.o'^7.v'/)(:  0au[X(ovo;,  'ApTEfv-iScopo?  $t>^ovty.o'j, 
MsviTTTTo?  MeiSio'j,  MeiSia?  'A9y)vi(ovo;,  Mevs^pdcTTj;  MrjviSo?*  oivo- 
i3p'jXaE'  röpScov  M£[y.vovo;  [j-viTpl  ToXoTTtocv^  yapiaT'^piov 

Herr  Panorios  schreibt:  Gij^o;  p.apj^.xpo'j  1,41,  ■Tr'XaTo;  0,59. 
'Etui  x£i3paV?5?  t'?)!;  xlaxö;  t6  ä.7i:£i/-6via[Ji,a  tt^;  To>.ixiav^(;  MviTpo? — 
ä(/,£(j(i)5  )CZT(i)0£v  £vv£a  UpEi?,  (Lv  7rpo7rop£0£Tai  TraT?  ayojv  £t;  Ouciav 
y.pt6v,  (XTTEvavTi  §£   ß(0[xö?.  Au(i)    wpa;  NA  ty)?    riavopj^.O'j    Trapa  rö 

y^^Wpiov  A£TC>.£5t£  (ZV£tjp£9?l  T;  X>.a^  aUT75  •y)5:p(i)TyipiaGU,£V7]  (XVü)0£V, 
7^£(X£l   Se   t6   Tipd'J    [J!.£pO?   T-^?     EtX.ÖvO?   T^?   ^ZOiC,    [^Z/lTpO?.     'Ev    T^    0£<7£l 

£v  Yj  tiipi^-/)  uTuäp^oucTiv   TTolT^ix  '7uvT£Tpti/.[X£va   p.äpjy.apa,  xiovojcpavoc 

£x,£l  vaö;  ouTtvo?  l')(^v/)  [7.6vov  cpaivovTat.  0'jS£(/.iav  ocXV/iv  s7:iypa'p'/;v 
-/lS'jv-/i6-ov  va  £!jpw  £7rt  T£;7-aj^i0'j  [j-övov  [/.otpfxäpou  £vt6;  äypou  uxap- 
^'O'jfTt  Toc  ypap'.pLaTa.  AY.  M£Ta^u  §£  Ilavopy.O'j  x.ai  toO  jfcopiou   A  £- 

vaou  xapa  Ty)v  o-^H-riv  y£i{Aappou  etc. 

N"  30.  Stele,  br.  0,36'",  li.  0,57'",  oben  abgebrochen;  von 
dem  über  der  Inschrift  befindh'chen  Relief  ist  nur  die  untere 
Hälfte  erhalten,  doch  ist  die  Darstellung  noch  deutlich  zu  er- 
kennen : 

rechts:  die  Kybele  en  face  auf  einem  Sessel  thronend,  die 
L.  auf  ein  Tympanon  gestützt,  in  dei'  R.  eine  Opferschale 
haltend;  neben  dem  Sessel  zwei  sitzende  Löwen; 

in  der  Mitte:  der  untere  Theil  einer  mit  einem  langen 
Gewände  bekleideten  stehenden  Gestalt  en  face,  deren  1.  Arm 
im  Ellbogen  auf  eine  Stele  aufstützt; 

links:  Altar,  vor  welchem  ein  Sklave  einen  Widder  zum 
Opfer  führt;  links  davon  eine  nach  r.  ausschreitende  Gestalt. 

Die  beiden  Gottheiten  sind  ungefähr  doppelt  so  gross  aus- 
gefallen als  die  beiden  menschlichen  Wesen- 

Das  Ganze  zeigt  die  grösste  Aehulichkeit  mit  dem  angeblich 
aus  Nikäa  stammenden    Votivrelief  an   ApoUon  und   Kybele, 


zun    KI'lGUAinilK    VON    KYZIKOS  i'05 

welches  Conze  in  seiner  "Heise  auf  der  Insel  Lesbos"  Taf.XIX 
publiciert  hat.  Auf  diesem  letzteren  ist  in  der  Mitte  der  Apol- 
lon  Kitharödos  (laro;eslellt,  und  wir  dürfen  wohl  anneinnen, 
dass  derselbe  auch  auf  unserem  Relief  mit  der  Kybele  ver- 
bunden war  und  die  Reste  der  Gestalt  im  langen  Gewände 
demnach  zu  erklären  sind.  Auch  die  Votivreliefs  an  den  Apol- 
lon  Krateanos,  Arch.  Zeit.  IN.  F.  Vi!  162  fii,  zeigen  viel  Aehn- 
lichkeit. 

Darunter  die  folgende  Inschrift: 

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IPPAPXOYNTOZMEN  E^IOE^S  TOYPoAYlAoY 
APX./^NH5:2KoniAi:olBPoYArAOAPXo5:NIKlo/f/ 
EPIToYXPHMATIZ  MoY/AEIA|A  S  A  P  o  A  .0.1/^// 
ToYMEIAloY       /AENAM  AP02MENAN  APoY 
KAIMEToIXol  AHMHTPIoZOEoPENoY 
A  P  I  2  T  I /^  N  A  P  I  Z  T  I  rv  N  O  2 
A  I  o  M  YSIOS  APIZTI/xNoS 
APTEMIA/^POZKAE  l/AAMAPoY 
M  E  N  E  2  O  EYZHPAK  A  E  I  T  o  Y 
M  H  T  POA/xPO  Z  M  H  T  PO  (t>A  NoY 
0  E  o  KP  ITOZO  E  o  K  P  I  T  o  Y 
A  P  X  E  B  I  o  Z  APXEBloYToYAlO  N  Y  2  I  O  Y 
APT  E/A^HAPTE/A^MOZ 
A  Fl  A  Z  A  H  AA  H  T  P I  o  Y 
AIOMYZIOZAIONYZIOY 
KAIEPAF^rolAI  ON  Y  ZIOZZ-n-THPoZ 
A  I  o  H  Y  Z  I  OSZ^KPA  T  o  Y 
P02EiAj^MIKAIA<t)P0AEI  THPoNTIA 
XAPISTHPloH 

'iTCxappövTO?  MevEGÖeco;  to-j  lloXutSou-  äp)(_o)v/i(;'  S^OTTia? 
0igpou  (?) ,  'AyocOapx^o;  N[siy,i]o[>j] •  e  tc  l  t  o  u  x,  p  'z:  [^  *  t  i  c  [a  o  u •  Mei- 
Sta?  'ATTO^^fXcovio'j  ?  'ÄTTo'X'XoSwpo'j?]  ToO  MeiSiou,  MevavSpo;  Me- 
vy.vSpo'j-  v.9.1  ixixoiyoi'  A-/i[xr,Tpto?  ösoylvo-j,  'Api<TTiwv  ApicTio)- 
vo?,  AiovuGto?  'ApicTicovo?,  'ApT£[xiSwpo?  KX£i{xävSpou,  MtvicHtix; 
'HpaxAeiTOu,  MyivoSwpo;  MnTpo(pocvov,  0£6/tpiTO5  ©eo/tpiTOu,  'Ap^t* 


206  ZUR   EPIGKAPMIK   VON   KYZIKOS 

€io;  'ApyeSiou  toO  Aiov-j-rio"-»,  'ApTEfjiwv  'ApT£(/.a)vo?,  'Ayia;  Arj- 
[j-TOTpio'j.  Aiovoc)'.o;  Aiov'jcriou"  x,ai  sTraytoyoi"  Aiovoirtoc  SwT'^po;, 
AiovOaio?  ^(ox.pxTO'j  lIo'i£'.'^divi  -/.al   'AcppoSeiTrj  llovxty.  ^apiGX'öpiov. 

Die  GeselUchalt, welche  hier  dem  Poseidon  und  der  Aphro- 
dite Pontia  ein  Dankgeschenk  weiht,  hatte  irgend  ein  mit  der 
Fischerei  oder  der  Seefahit  zusammenhängendes  Gewerbe 
oder  den  Zoll  von  einem  solchen  gepachtet.  An  der  Spitze 
stehen  der  ipywvY)?.  bez.  zwei  '  Haiiptpächter'  und  zwei  'Ge- 
schäftsführer' (i-Tzi  xou  yjr,y.xTin^.o<Z) :  ausserdem  werden  die 
elf  'Theilhaber'  [/Azoiy^oi  und  zum  Schluss  zwei  äT^aycoyol  ge- 
nannt. 

'Apywv^;  ist  nach  Hesychios  6  -por/yo-jasvo;  ly.pyo'ky.^iji^  ri  ep- 
yoAx^wv.  Hier  sind  die  Theilnehmer  als  tj-iroiyoi  bezeichnet, 
ein  Ausdruck  der  sonst  nicht  vorkommt,  dessen  Lesung  aber 
durchaus  sicher  ist  und  durch  die  in  den  Wörterbüchern 
angeführte  Stelle  des  Andokides  tc.  t.  (jt-uar.  133:  'Ayuppio; 
yicp  otjTo;t,  6  /.aT^o;  x.iyixGo!;,  äp^covYi?  eysvETO  tt,:;  7C£vt£x.ogt7^;  xpt- 
Tov  £T0;,  v.al  £7rpiaT0  xpii/.ovTa  -raÜvTcov,  atiia'/  ov  Sk  auxw  outoi 
7rivT£;  Ol  7i:apa(j'A>ey£VT£;  Otto  t-/^v  'X£6x.-/iv  /.t'X. —  vgl.  z.  Schluss 
des  ^  ö"Xiyo'j  7:pa9£i'i-/i(;  [7,£Tac7y£Tv  und  §  134  oi  asTaa/övTs?  —  be- 
stätigt wird.  Ferner  gehört  hierher  das  Bull-  de  corr.  hell.  I 
409  veröffentlichte  Priaposrelief  aus  Gallipoli,  welches  nach 
der  Inschrift  von  einer  Fischereigesellschaft  geweiht  ist,  de- 
ren Mitglieder  mit  ihren  Chargen  aufgeführt  werden.  Die  vom 
Herausgeber,  wie  es  scheint,  nicht  überall  richtig  gelesene 
und  ergänzte  Inschrift  lautet  mit  VVeglassung  der  langen  Ei- 
gennamen :  £7ul  i£p£a);  x.ai  «j  .  .  o;  .  .  ,  .  A£'j/tiou  $>.a€iou  zo  S£'j- 
Tepov  oi  St/tT'japy__-/i<75t,vT£;  xy.i  T£[Xcov]a[p^]-/;<7avT£C  £v  tw  N£[t]Xai(i) 
ap^wvoOvTO?  IIo— lio'j  'Aouiou  A'jfji^.xyOD,  SixT'jxpyo'jvxtov  y.z'k.  (4 
Namen),  G-/,o-ta^6v-rwv  x.ta.  (2  Namen)  x.'j€£pvcüVTtov  (2  Namen) 
(p£>.[>.o])^aXa<7TOuvTO?  xoO  SjIvo:,  £(p'/)[/.£p£'JovTo;  to'j  S£ivoc,  ivTiypa- 
cpoL/.£vo'j  Toö  Sfivo;,  >.£p.€ap/[oüv]Tcov  (4  Namen)  cuwaOTai ;  merk- 
würdig ist  die  Uebereinstimmung  in  der  Zahl  des  Personals; 
sie  beträgt  in  der  Inschrift  von  Kyzikoswie  in  der  von  Kalli- 
polis,  mit  Ausschluss  des  äpywv/^c,  15,  sodass  man  auf  die 
Vermuthung  kommt,  dass   sie   nicht  zufällig  ist;    vielleicht 


zun    EPIGHAI'IIIK    VOxN   KYZlKOS  2ü7 

sind  die  piToi/o-.  niclil  nur  die  iiiil  CapiLuiien  an  der  Unter- 
nehmung Belheiligten,  sondern  aueh  solche,  die  als  Schifls- 
führer,  Steuerleute,  ,\etz\veri'er  etc.  das  gepachtete  Gewerbe 
selbst  ausübten. 

Die  Mitlh.  I\  G3  veröü'enllichte  Inschrift  aus  Kamaräs  (l*a- 
rion)  zeigt  manche  Analogie  mit  der  Inschrift  von  Gallipoli 
und  ist  vielleicht  so  zu  ergänzen: 

Upei ]  <I>ai)C7iv'!fo  <i>ip[7,cp  [ot  .  .  7.py]r,ny.'j':ti;  ev  <t>pO'j  .... 

^.  Mipjcioi;  Miyvo; <I>poO/.TO?,  <l>0'j<7)to[; iy.07:]ix- 

(^ovTwv  <I»ouc)co['j  /.TA.  Di^v  Dativ  z.  A.  wie  manchmal  in  den 
Consuldaten  =  £-1  lepeco;  z.  Auf.  der  Inschrift  von  Kallipolis; 
das  ....  7;(javT£;  £v  tppo'j  ....  ist  vielhMcht  mit  den  Worten 
Ol  SixT'japvviGavTE:  •  .  .  £v  tw  NEiTvaiw  der  letzteren  Inschrift  zu 
vergleichen  (vgl.  Ilapapr.  äpy.  toO  ie'  t6;j..  toiJ  'EXX.  (pi>..  t-j'X'X. 
S.  64  N"  5).— C.  /.  G.  3912*(Hierapolis)  kommt  ein  ap^wv/i? 
[^]u[(7]toi;  tö  ß'  vor,  welclier  der  rruvepya'jia  —  vermuthlich  der 
Färber  —  eine  Herkulesstalue  weiht. 

AufYällig  ist  die  Dissonanz  zwischen  dem  Relief,  welches, 
wie  wir  sahen,  den  Apollon  und  die  Kybele  darstellt,  und 
der  Inschrift,  welche  den  Poseidon  und  die  Aphrodite  Pontia 
als  die  Gottheilen  nennt,  denen  das  Dankgeschenk  darge- 
bracht wird.  Der  Steinmetz,  bei  dem  dieses  bestellt  wurde, 
hatte  vermuthlich  nur  von  der  ersteren  Sorte  auf  Lager  und 
verwandte  das  schon  fertige  Relief  ohne  Rücksicht  auf  die 
Bestimmung. —  lieber  die  Aphrodite  in  Kyzikos  s.  Mitlh.  VI 
43  N"  2  III' Z.  31,  VII  255  N"  27. 

N"  31.  In  Ermeniköi  bei  Takvor.  Relief,  von  dem  oben  r. 
ein  Stück  abgeschlagen  ist,  bei  Z.  1  der  Inschr.  0,25"'  br., 
an  der  1.  Kante  0,21'"  h. 

Dargestellt  ist  ein  Opfer  an  Artemis:  1.  sechs  Figuren  in 
zwei  Reihen  en  proßl  n.  r.  in  anbetender  Stellung;  r.  davon 
Altar,  vor  dem  Altar  ein  Sklave  ein  Schaf  führend;  über  dem 
Altar  eine  aedicula  mit  einer  Büste;  r.  vom  Altar  ein  Hirsch; 
r.  sind  noch  einioe  Reste  der  Göttin,  namentlich  eine  Schale, 
die  sie  vermuthlich  in  der  R.  ausgestreckt  hielt,  zu  erkennen. 

Darunter  folgende  Inschrift : 


i>08  ZUfi   EPtGRAPHIK    VON   KYZIKOS 

rAYKHNAnOAAaNlOYKAI  L/,y  F  Y  i 
AYTOYZTPATONIKHMENANAPC 
KAIYIOIAYTOYEP/AOFEN  HZTA 
NOZKAirAYKQNrAYKÜNO 
A  N  H  Z  T  P  O  <t)  I  M  O  Z  A  P  T 
T  EM  I  Af 

rX'J/Cwv  'A7:o>.>.(ovio'j  xai  t]  y^v^'/iJ  aurou  UrpaTOvi/tr,  M£vy.vSpo[u] 
xat  uioi  auTOö  'EpjxoyEvrj?  r>.[Ö5t(i)jvo?  x.ai  r>.uxcov  r>.'r/,(i)vo[;  .... 

M]ivYi;  Tpo^pifxo;,    'ApT[  ....   'Ap]T£p.iSi  [^'^X'^'*']* 

Ueber  den  Namen  Manes  in  Kyzikos  s.  Mitlh.  VI  53. 

N"  32.  In  einem  Hause  in  l']rmeniköi  wurde  mir  am  26. 
Mai  d.  J.  eine  grosse  Platte  mit  Paaren  von  Fusssolilen  ge- 
zeigt, ohne  dass  es  mir  gestattet  wurde  die  Inschriften  zu  co- 
piren;  auf  einem  Paare  las  ich  AÜToxpaTwp  TiSspto?  Katcap  Se- 
€a<jTOo  'jIÖ;  SeSa^TTÖ;  tÖ  Se'Jxepov  —  vgl.  Mitth.  VI  121  N"  4, 
VII  252  N"  18. 

N°  33.  Ein  Marmorstück,  wie  es  scheint  Fragment  von 
einem  cylindrischen  ausgehöhlten  Gefässe,  mit  folgender  Dar- 
stellung: 1.  Hermes  en  face,  in  der  L.  den  Caduceus,  in  der 
R.  einen  Beutel  haltend;  r.  Theile  einer  weiblichen  beklei- 
deten Gestalt,  in  der  R.  eine  Opferschale  haltend;  darüber 
folgende  Inschrift : 

Z  -  E  A  l<  C  "Ep[;/?i];  <7a-/.o[^öpo(;? 

N"  34.  Im  Jahre  1876  sah  ich  hier  in  Privatbesitz  folsen- 
des  Relief,  welches  angeblich  in  Kyzikos  gefunden  war:  Rei- 
ter nach  r.  mit  fliegender  Chlamys;  1.  Lorbeerbaum  um  den 
sich  eine  Schlange  windet;  die  r.  Seite  des  Steines  ist  abge- 
brochen (br.  0,17,  0,24™  h.). 

Darüber :     A  Y  P  A  O  M  E  Aup(r,).tO(;)  Aop.£[Tto;  .... 

Darunter:    KA0IAPYZENK       -/.aOiSpuTev  )t(at)  [ä^i^pwcev] 
0  E  ^  I  /^  öeü  'A[tc6>;>{ovi. 

ME  und  NK  stehen  in  Ligatur. 


ZUR  EPIGRAPHIK   VON  KYZIKOS 

N"  35.   Grosser  Block;  Abklatsch. 


209 


A  I  O  r  N  I  O  Z 
TOYAIOFNHTOY 
AOH  N A I O Y 

Aiöyvto;  tou  AioyvYjTOo   'AOvivaio'j. 

iN"  3G.  Copie  Carabella's;  zwei  metrische  Fraj:;mente,  viel- 
leicht zusammengehörig. 
Br.  2,11'",  h.  0,98'". 

a.  b. 

eineTiNocroA       NOTeNHsnAT 
eineAGKAiTic      NjeKAieiKOce 
TicAeMiNeNOAAe      opeiAMeNoiG 

AIOCA'NS       NAPO      MOYCAICniCYNO 

I  A  H  e  K 

a.   Z.    1    1.    £ITC£    TtVO?    [7u]6>.]£0)i;  .   .   .   .    Z.    3  Ti;     Se   [/.tv    £v[6otS]* 
=[6a^/£v  .  .  .  Z.  4  Sio;  'A['X]£[^a]vSpo[<; ;  6  Z.  1  :  M7i]vo[Y]£vn[?. 

N"  37.  Grabrelief  mit  folgender  Darstellung: 


1  2        3      4 

Baum  mit  4  Männer,  die  L.  auf  Ruhekissen 

Schlange.  gestützt,  in  der  R.Schalen  hallend 

Sitzende  mit  Ausnahme  von  N»  1;  N»  4  ist 

Frau,  den  bärtig  und  von  älterem  Aussehen. 

Schleier  Knabe  mit      Tisch  mit      Krater, 

lüftend.  Schale.          Speisen. 


Sklave 
en  face 
die  Hände 
auf  dem 
Bauche  ge- 
kreuzt, das 
r.  Bein  über 
das  1.  geschla- 
gen. 


Halbes 
Pferd 
Frau  sich 
entschlei- 
ernd.        Sklavin. 


MITTH.  D.  ABr.H.   INST.  X. 


14 


*21D  ZUR   EPiaRAPHiK  VON  KYZiKOS 

Darunter  folgende  Inschrift: 

AIONYIIOYTOY  FAMMENOY  AIONYIIOY        ©EoKPIToYToY 

KANAIONOZ     TOYNOYMHNIOY     ToYBAKXIoY     BAKXIoY 

Vergleicht  man  das  Relief  mit  den  Namen,  so  ergiebt  sich 
mit  Wahrscheinlichkeit^  dass  in  dem  Grabe  zwei  Brüder, 
Dionysios  und  Theokrilos,  Söhne  des  Bakchios,  und  ihre  bei- 
den Schwäger  beigesetzt  waren, 

N"  38.  Grosser  Sarkophag  im  hiesigen  Museum. 

YnOMNHMA 

a  i  o^y  a  i  o  y  o  nh 
2imoyokate 
zkeya2:enay 

5       TßOnATPn 

N  H  Z     T  1      I   O   Y  A  I  O  2 
0   P   O   Y   r   E   I   Z 
EiESTnAET^AnE 
'[  AEYOEPnMOYTEOHN 

10       AlEniTYNXANONT 

l2TAYn0THN20P0NEIAETI2Eni  X  E!  PH  2EI 
TE0HNAII2THNZOPONHK  EINHZAITOnfiMA 
AnOAÜZEITQcMSKaX/    Bc|)KEYnEY0Y 
NOSEZTÜTnTHZTY  NB  ßPYXIAZENK  AHMATI 

In  meiner  Copie  oder  auf  dem  Steine  selber  ist  zwischen  Z. 
10  u.  11  ein  I  ausgefallen.  In  Ligatur  sind  geschrieben  Z.  2 
NH   Z.  9  TE   u.  HN   Z.  11    THN    Z.  12  TE,  HN,  HN,  NHK, 
NH  Z.   13  KE  u.  RE  Z.  14  TH,  NB,  NK,  HM. 
N°  39.  Copie  Carabella's. 

1     ANenAYCATOOTHC 

MerAAonpen^KAieN 

AOZ^MNHMHCAAeiAN 
MHNINOeMPSAiNA 


ZUR    EPIGRAPHIK    VON    KYZIKOS  2H 

'Av£7ira'jaaT0  6  T'?i?  ly.eYaXoTtrpeTcfeTTaTyi;)  /iat  £vSo[^(oTdtT'yi(;)]  p.vr,- 
|j.7i;   'A'X£Eav[SpO(;]  [7.r,vi  NoE[Jt,[€jp(tw)  X' ivS(i)CTiüivo<;)  .... 

N"  40:  Mi-c/ieinin  de  Pandcnna  ä  Kourchomnlou,  suü  i  h. 
est  de  tanderma,  dans  la  chapelle  rustique  d\in  monastere 
{A'ia  Anna)  sitae  sur  la  montagne  an  quart  d'heure  du  bord  de  la 
mer.  Copie  Carabella's. 

a  b  c 

Yno 

AAMIANOY  AAYniAK 

'AZENEAYT  OPEÜTHRa 

{T  0\'ZTEK\H;i/  I  G  A  M  H  Z  H  E  -          E  P  O  N  K 

HKT02  fr-rxTA 

Fragmente  eines  Sarkophages  ähnlich  wie  N"  37. 

N"  41.  Aus  Panderma  hierhergebracht;  i.  J.  1879  beim 
Antikadji  Minas  copirt. 

L.AENHBOCnA  'Eli^n  BocTra. 

Darunter  ein  Relief:  Frau  stehend  en  face,  links  neben  ihr 
Dienerin.  Zum  Vatersnamen  vgl.  Böottov  auf  der  kyz.  Inschrift 
C.  I.  G.  3658. 

Pera,  Sept.  1885. 

J.  H.  MORDTMANN. 


Akdsche  -  Kaja. 
Eine  unbekannte  Felsburg  bei  Smyrna. 


Der  grossartige  Bergkranz,  der  den  Golf  von  Smyrna  uin- 
giebt,  besieht  in  seinem  südliehen  Theil  aus  den  nördlichen 
Ausläufern  des  Kizil-Dagh  (Kolhberg).  Die  Hauptspitzen  die- 
ses Zuges  sind  die  zwei  Brüder,  die  drei  Schwestern  und  der 
Pagos.  Der  antike  Name  der  ganzen  Kette  ist  nicht  sicher 
überliefert;  Strabos  Bezeichnungen  (Korakion  bei  Kolophon, 
Korykos  zwischen  Teos  und  Erythrae  Strab.  644  645)  schei- 
nen sich  blos  auf  den  Rand  des  Gebirgsstockes  zu  beziehen, 
sowie  sich  der  Name  Pagos  nur  auf  den  Burgfelsen  von 
Smyrna  bezieht.  Der  höchste  Gipfel  des  ganzen  Zuges  erhebt 
sich  zwei  Stunden  von  Smyrna  bis  zu  der  Höhe  von  1070™, 
während  die  beiden  Brüder  nur  876  und  860'",  die  nörd- 
lichste von  den  drei  Schwestern  nur  426""  erreichen  ;  diese  letz- 
tere Bergkette  in  gerader  Linie  bis  Sediköi  verfolgt  (vgl.  das 
Kärtchen  auf  der  Beilage)  bildet  eigentlich  den  Abschluss  des 
Gebirges  gegen  NO  hin.  Von  hier  aus  bis  zur  Stadt  Smyrna 
entwickelt  sich  ein  Meer  von  Hügeln,  die  sich  sowohl  ihrer 
Gestalt  wie  ihrer  geologischen  Formation  nach  völlig  von 
dem  Kizil-Dagh  unterscheiden:  während  dieser  letztere,  mei- 
stens aus  Sandstein  und  Schieferlhon  bestehend,  mit  hohen, 
scharf  zugespitzten  Gipfeln  erscheint,  ziehen  sich  dort  Kalk- 
steinhügel bei  viel  geringerer  Höhe  (280'")  wellenförmig  da- 
hin, bis  sie  am  NO-  Rande  bei  den  Trachythügeln  von  Pagos 
ihren  Abschluss  finden. 


llc 


cilflüC!  zu  MiUlt.  'I   'H'-Ii'  '"^''  -"^  ^-  '^'■'• 


Südwestliche    Umgebung 

SMYR.HA 

bis  lurRuineAkdsche-Kaja 
aufgenommen 


PLAN  DER  AKROPOLIS  von  AKDSCHEKAJA, 
aufeenommen  von  GAVeher,  1882. 


■ecgrlrih  Ir-*.  v  W  0«-^^  KfeJ  Hofitti-.SCTTii 


AKDSCHE-KAJA  213 

In  jener  Kette  zwischen  den  drei  Schwestern  (ßallschowa^) 
und  Sediküi  und  zwar  etwa  in  der  Mitte  ragt  neben  grün  be- 
wachsenen Gipfeln  eine  weisse  Kalksteinknppc  liervor,  die 
schon  lange  meine  Aufmerksamkeit  auf  sich  g«'Zogen  halle, 
bis  es  mir  im  Frtilijalir  18(S2  gelang  trotz  der  iiäuberbanden 
einen  Ausflug  dahin  zu  unternehmen. 

Nachdem  man  die  Eisenbahnlinie  da  wo  sich  der  Neben- 
fluss  von  Tachtadschiköi  in  den  sog.  Meles  ergiesst  verlassen 
hat,  schneidet  man,  dem  Laufe  des  ersteren  folueud,  zuei'sl  die 
alte  Strasse  von  Smyrna  nach  Ephesos.  Eine  doppel bögige 
liriicke  aus  dem  Mittelaller  führt  über  das  während  des  Som- 
mers meist  wasserlose  Flussbelt.  Nach  allen  Seiten  hin  sind 
liauernü-ehöfte  mit  Gärlen  und  Weinbergen,  meist  von  Tür- 
ken  bewohnt,  zerslreut;  die  Gegend  führt  den  Namen  Rara- 
baglaria.  Der  Weg  berührt  in  kurzer  Entfernung  eine  zerstörte 
Wasserleitung:  nur  in  der  Thalsohle  sind  noch  schöne  Kalk- 
steinr|uadern  erhallen,  an  beiden  Seiten  des  engen  Thaies 
hinauf  zieht  sich  unförmliches  Mauerwerk  aus  Steinen  und 
Mörtel,  das  seine  bessere  Gewandung  an  die  umwohnenden 
Fiauern  zum  Bau  ihrer  Häuser  ab^eeeben  hat.  Bald  darauf 
gelansjt  man  zu  dem  kleinen  türkischen  Dorf  Tachtadschiköi, 
um  dann  stark  ansteigend  über  eine  vorliegende  Hügelreihe 
den  Fuss  der  Kalksteinkuppe  zu  erreichen.  Ein  kleiner  Bach 
entspringt  an  der  Südseile,  umkreist  sie  zur  Hälfte,  wendet 
sich  dann  gegen  Norden  und  wirft  sich  unterhalb  Baltschowa 
ins  Meer.  Ein  von  Sediköi  kommender  Pfad  folgt  ihm  in  sei- 
ner ganzen  Länge. 

Die  Kalksteinkuppe  selbst,  Akdsche-  Kaja  (weisslicher 
Felsen)  genannt,  erhebt  sich  isolirt,  nur  im  Westen  mit  den 
hinteren  Bergen  verbunden  auf  breiter  runder  Grundlage  na- 
hezu 100'"  über  die  Thalsohle;  die  absolute  Höhe  beli'ägt 
430"'.  An  dem  Abhänge  fallen  sofort  zwei  Terrassirungen  in 
die  Augen.  Auf  der  unteren  liegen  die  Grundmauern  eines 
antiken  Gebäudes,  ungefähr  40™  lang  und  35"  breit;  auch  im 


<  Auf  der  engl.  Adiniralilütsltarle  Baltchikevy. 


214  AKDSCHfe-KAIA 

Innern  sind  liebte  von  Mauerzügen  erhalten,  doch  ist  die  Zer- 
störung zu  weit  fortgeschritten,  um  eine  Restauration  zuzu- 
lassen. An  der  nach  Osten  gewandten  Aussenseite  ist  die  gut 
griechische  Mauer  noch  in  zwei  Reihen  schöner  Quadersleine, 
ohne  Spur  von  Kalk,  erhalten-  Die  zweite  Terrassirung  ist 
eigentlich  die  alte  Strasse,  die  in  weitem  Bogen  langsam  am 
Berg  hinaufführt,  um  an  der  entgegengesetzten  Seite  in  die 
Akropolis  einzumünden.  Am  innern  Rande  der  Strasse  trifft 
man  auf  zwei  Kalköfen,  die  auch  hier  den  antiken  Ruinen 
verhängnissvoll  gewesen  sind  (s.  den  Plan  auf  der  Beilage). 

Oben  angekommen  steht  man  vor  einer  langen,  jähen  5 8" 

hohen  Felswand,  welche  von  N.  nach  S.  abfallend  den  gan- 
zen Gipfel  im  Westen  begleitet  und  eine  natürliche  Festungs- 
mauer abgiebt. 

Der  Eingang  in  die  Felswand  (m  auf  dem  Plan)  ist  9"*  lang 
und  an  der  Mündung  2,84'°  breit, erweitert  sich  aber  dann  bis 
zu  3, SS-". Da  der  Eingang  der  Erhebung  des  Felsgrades  folgend 
stark  ansteigt,  so  waren  in  der  ganzen  Breite  Stufen  angelegt, 
die  zwar  jetzt  fehlen,  aber  untrügliche  Spuren  hinterlassen 
haben.  Von  den  zwei  untersten  ist  noch  je  ein  Stützstein  in 
situ  erhalten  ;  die  drei  folgenden  Stufen  ruhten  auf  beiden  Sei- 
ten im  Felsen  selbst,  wie  es  die  regelmässigen  treppenarti- 
gen Einschnitte  in  den  Wänden  erweisen.  Die  Länge  und 
Höhe  derselben  betragen  je  0,40™,  die  Tiefe  nur  0,30™. 

Ist  man  auf  dem  Plateau  angekommen,  so  fällt  sofort  sein 
doppelter  Charakter  ins  Auge.  Die  südliche  Hälfte  ist  eine 
stark  gegen  Osten  abfallende  Fläche,  deren  äusserer  Rand  di- 
rekt in  den  Bergabhang  übergeht;  nur  im  Süden  und  Wes- 
ten bieten  die  Felsen  Schutz.  Die  nördliche  Hälfte  hingegen 
erhebt  sich  zur  eigentlichen  Akropolis,  ist  überall  von  Felsen 
umgeben  und  leicht  zu  vertheidigen.  Da  wo  beide  Hälften 
durch  eine  Art  Mulde  verbunden  werden,  ist  eine  25'"  lange, 
aus  grossen  unbehauenen  Steinen  zusammengesetzte  aber  nur 
in  der  unteren  Schicht  erhaltene  Futtermauer  (fe)  gezogen. 
Von  einem  Thor  habe  ich  hier  keine  Spur  mehr  finden 
können. 


AKDSCHE-KA.IA  215 

Ueberreste  der  ümfassunnjsmauer  finden  sich  hei  b  c  d  und 
g.  Bei  b  und  g  sind  es  nur  Fiillmauern  in  der  natürlichen 
Felswand  ;  bei  d  sind,  aber  nur  auf  ein  Paar  Schritte,  noch 
zwei  Schichten  schöner  Quadersteine  erhalten. 

im  Innern  der  Burg,  deren  Terrain  anstei<Jt,  passirl  man 
zuerst  die  nur  zum  Theil  erhaltenen  Grundmauern  eines  lang- 
seitigen  Gebäudes  (/).  Etwa  8'"  weiter  zieht  sich  eine  ziemlich 
lange  Mauer  {i)  hin,  die  im  Westen  verschiedene  Absätze  hat; 
bei  y  lassen  sich  deutlich  die  Spuren  eines  Einganges  nach- 
weisen. Im  Osten,  bei  k,  liegen  zwei  Säulenschafte  aus  ro- 
them  Sandstein,  die  wahrscheinlich  zu  dem  vorher  erwähnten 
Gebäude  gehören;  die  Zerstörung  der  Ueberreste  ist  zu  weit 
fortgeschritten,  als  dass  man  ohne  Ausgrabungen  einen  si- 
chern Anhalt  erewinnen  könnte. 

Auf  der  nördlichen  Seite  dieser  Anhöhe  trifft  man  eine  pa- 
rallele, nur  viel  kürzere  Fultermauer,  an  welche  sich  eine 
natürliche  Felswand  anschliesst.  Bei  h  lassen  Einschnitte  in 
den  Felsen  auf  eine  Fortsetzung  dieser  Mauer  und  gewiss  auch 
eine  Verbindung  mit  der  Mauer  i  schliessen.  Im  Westen  ist 
das  Terrain  durch  eine  Felswand  abgeschlossen.  Im  Mittel- 
punkt des  so  eingeschlossenen  Raumes  erblickt  man,  von  ei- 
nem grossen  Steinhaufen  umgeben,  eine  wohl  erhaltene  mit 
Quadern  ausgemauerte  Cisterne.  Der  Grundriss  derselben  ist 
auffallender  Weise  birnförmig ;  ihre  Länge  beträgt  4,70™,  die 
grösste  Breite  3,10'".  Die  Höhe  der  Quaderschichten  variirt 
zwischen  0,20™  und  0,30'";  die  Länge  der  einzelnen  Blöcke 
zwischen  0,40™  und  0,64"^;  die  Tiefe  der  Cisterne  beträgt  3"°. 

Diese  Felsburg  erinnert  sofort  an  die  Akropolis  von  Alt- 
Smyrna  sowie  an  die  zwei  Stunden  tiefer  im  Gebirge  liegende 
Burg  von  ''Ada"  ^ :  derselbe  Verein  von  Quaderbau,  polygo- 
nalem und  cyclopischem  Ausbau;  hier  wie  dort  folgt  der 
Mauerzug  genau  den  Umrissen  des  Plateaus.  Wir  sind  daher 


'  In  meinem  Buclie  Sipylos  et  ses  monuments  als  Hicron  der  Kybele  be- 
schrieben. Vgl.  auch  in  dem  Journ.  of  Hell.  Studies  v.  J.  1880  den  Aufsatz 
von  W.  M.  Ramsay :  Newly  diso,  siles  near  Smyrna. 


216  AKDSGHE-KAJA 

wohl  berechtigt  diese  Anlagen  derselben  Zeit  und  demselben 
Volke  zuzuschreiben.  In  einem  Punkte  unterscheidet  sich  je- 
doch die  neue  Anlage  von  den  früher  bekannten:  während 
die  Burgen  von  Ada  und  Alt-Smyrna  das  Meer  beherrschen, 
trägt  Akdsche  -  Kajä  ganz  den  Charakter  einer  Landfestung ; 
wie  von  jenen  aus  jede  feindliche  Annäherung  vom  Meere 
her  sofort  bemerkt  werden  konnte,  so  dürfte  den  Inhabern 
dieser  keine  Bewegung  entgangen  sein,  die  von  Süden  her 
durch  das  Melesthal  gegen  den  smyrnäischen  Meerbusen  zu 
gerichtet  war. 

Smyrna  im  Juni  1885. 

GEORG  WEBER. 


De  inscriptione  Lebadiae  nuper  inventa. 


D'  G.  Lambakis  luimanissime  mihi  praestitit  ectypum 
cliarlaceum  decreti  de  proxenia,  quod  exeunte  proximo  anno 
Lebadiae  inventum  esse  dixit.  Tabula  ab  inferiore  parte  est 
fracta.  Litterae  0,008  altae  sunt;  totidem  fere  distant  inter  se 
singuli  quique  versus  perspicuis  in  ectypo  lineolis  a  lapida- 
rio  inclusi- 

OI02:EPATfiNos:APXoNTos:B  OlQToI^AAA(|)  o  T 
H  S:  X I N  AO  E  A  E  i  E  E  P  I  A  E  I  T  I /A  n  N  A  H  A  A  A  a  P  E  P  P  H 

bos:e^0aaannas:xpeis:imos:estito  isai  aei 
menoi^aeaoxohtoiaamoippoienon 

EIMENKHEYEPrETANTaKoINftBoir^Tn 
AYToNKHErroNnSKHEIMENAYT 

as:eppa^inkhfis:oti^'^ 

-{  A  X ''III/II/Ij  \  H  K  H  P  o  A  F 

1      0t6;.    'EpXTcovo;  ap^ovTo;  BotcoxoT?   'A^/^or[efoi;] 
['H](5j^ivao  Iki^e'  i-nii^d  Ti^u-wv  A-/iSocXci>  Ileppv)- 

{yJvoi?,  SeSo^Oyi  toi  Sä[ji.oi  Trpo^evov 
5      et[/,6v  X7)  eüepyerav  tw  /.otvoi  Boicotcü[v] 

auTOv  xt;  eyyovGx;  x,7]  Eijxev  aÜT[ot?  ya?  x,y)  Foi-] 
[)tt]a;  £TC7ca(jiv  X7]  FicoT£[Xtav  xy)  ä(j(pütav] 
[xY]]  ä(5[oulia]v  y.ri  noXil^Aü  xy)  tpxva<;  x.t.'X. 

Quis  fuerit  Tinion  ille  Perrhaebus  aut  Amphoterus  Ae- 
schini  filius,  nos  latet  neque  magis  sumus  edocti,  quo  anno 
Eratou  eponymum  gesserit  apud  ßoeotos  magistratum.  I^itte« 


218  DE   INSCRIPTIONE   LEBADIAE   NUPER   INVENTA. 

ramm  quidem  formis  indicatur  titulum  tertio  ante  Chr.  n. 
seculo  posteriorem  vix  esse.  Qiiod  spatium  quo  aceuratius  de- 
finiatur,  animiim  advertamus  oportet  honorari  proxenia  a  foe- 
dere  Boeotieo  Perrhaebiim.  Nam  cum  ex  amicis  civitati- 
bus  proxenos  sibi  quaeque  eivitas  eligeret,  non  abhorret  a 
vero  Timoni  eo  tempore  proxeniam  totius  foederis  Boeotici 
delatam  esse,  quo  Boeoti  amicitiam  cum  Perrhaebis  haberent. 
Frequentius  autem  commercium  et  amicitiam  intercessisse 
inter  utramque  gentem  probabile  est  post  initum  a  Boeotis 
Antigono  auctore  factum  foedus,  cuius  mentionem  facit  Po- 
lybius  (IV  9,  4):  In  yöcp  evop/to?  i'tjt.£V£  tzxgiv  v)  y£y£V7i[/,£V7i 
<ju[i.f7.(xj^ia  Si'  'AvTiyovou  /.ätÖc  too;  KX£oa£vi)toü;  /taipou;  'A^aioT?, 
HrEipcÖTat;,  $w)t£'^(7i,  Max£S6(jt,  Boicütoi?,  'Ajcapvau'.,  ©Exxa- 
"koXi.  Par  enim  erat  Perrhaebos,  qui  ea  aetate  sub  Antigoui 
dicione  essent,  eisdem  ac  Macedones  sociis  atque  amicis  uli. 
Quae  cum  ita  sint,  paullo  post  commemoratam  illam  a  Po- 
lybio  (juu,p.a;(tav  datum  esse  hoc  decretum  videtur. 

In  singulis  adnotanda  sunt  perpauca.  L.  3.  I;  $alocvva?  cf. 
Kolli tz.  Samml.  IV  383  n"  1329,  15:  xai  tot?  |  i?  xav  4)alav- 
vaiav  7i:oXi[(ov  xo>.i]'r£iav  toT?  7roxypa({/a(y.£voi;. 

L.   4-5:  a(S€i{X£voi;  cf.    'ABriv.  1881.  ail.  362,  €.  5:   ßeilo-. 

Praebet  titulus  eam  dicendi  brevitatem,  quae  in  plerisque 
decretis  Boeotorum  de  proxenia  nobis  occurrit.  Cnum  enim 
de  meritis  Timonis  dicere  visum  est  satis :  esse  cum  toT; 
aiö£i[j-£voi;  j^p£i<jip.ov. 

N.  NOVOSADSKY. 


Das  choragische  Monument  des  Nikias. 

(Hierzu  Tafel  VII.) 


(n  dem  sog.  Beuleschen  Thore  am  westlichen  Fiisse  der 
Akropolis  von  Athen  sind  eine  Anzahl  dorischer  Architectur 
glieder  verbaut,  welche  bisher  nicht  die  Beachtung  gefunden 
haben,  welche  sie  verdienen.  Beule,  der  Entdecker  des  Tho- 
res,  welcher  in  seinem  Buche  Uacropole  d^Athhies  gute  Zeich- 
nungen desselben  veröffentlicht  hat,  schrieb  diese  Steine  ver- 
schiedenen Bauten  zu.  Die  marmornen  Architrave,  welche 
eine  Sieger-Inschrift  tragen,  erkannte  er  als  Tlieile  eines  cho- 
ragischen  Monumentes;  die  Triglyphen  aus  Porös  theilte  er 
einem  der  zahlreichen  archaischen  Tempel  zu,  welche  Xerxes 
zerstört  habe;  die  marmornen  Geisa  und  die  profilirten  Blö- 
cke der  obersten  Schicht  des  Thores  glaubte  er  andern  Tem- 
peln zuschreiben  zu  müssen. 

Diese  verschiedenen  dorischen  Bauglieder  gehören  aber, 
wie  wir  sehen  werden,  trotz  der  Verschiedenheit  ihres  Mate- 
rials alle  zu  einem  einzigen  grossen  Gebäude  und  zwar  zu 
einem  choragischen  Denkmal,  welches  Nikias,  der  Sohn  des 
Nikodemos,  im  Jahre  3  ^^/jg  zur  Aufstellungeines  Sieges-Drei- 
fussses  errichtet  hat.  Dasselbe  darf  we2;en  seiner  technischen 
und  künstlerischen  Ausführung  eine  ehrenvolle  Stelle  unter 
den  antiken  Bauten  beanspruchen.  Seine  Bedeutung  für  die 
Architekturgeschichte  wird  noch  dadurch  erhöht,  dass  es  er- 
stens genau  datirt  werden  kann,  was  bekanntlich  nur  bei  we- 
nigen griechischen  Bauten  der  Fall  ist,  und  dass  es  uns  zwei- 
tens über  die  Polychromie  der  antiken  Gebäude  erwünschten 
Aufschluss  giebt. 


220  DAS   CHORAGISCHE   MONUMENT   DES   NIKIAS 

Wir  stellen  zunächst  das  noch  vorhandene  Material  zusam- 
men und  versuchen  aus  demselben  den  Grundriss  und  Auf- 
riss  des  Baues  zu  reconstruiren-  Nachdem  wir  denselben  so- 
dann mit  anderen  schon  bekannten  choragischen  Monumen- 
ten verglichen  haben,  besprechen  wir  seine  technischen  und 
architektonischen  Details  und  schliessen  mit  einem  Excurs 
über  die  Bemalung  antiker  Bauwerke. 

Das  erhaltene  Baumaterial  des  Nikias-Monumentes  ist  zum 
grössten  Theil  im  Beuleschen  Thore  verbaut,  aber  ausserdem 
findet  man  in  der  Nähe  dieses  Thores  noch  manchen  Stein 
herumliegend,  welcher  ebenfalls  mit  Sicherheit  dem  Bau  des 
Nikias  zusreschrieben  werden  kann.  Einige  Blöcke  liefen  west- 
lieh  vom  Thore  ausserhalb  der  jetzigen  Burgmauer,  andere 
befinden  sich  in  dem  kleinen  Hofe  beim  jetzigen  Eingang  zur 
Burg,  wieder  andere  stecken  in  der  Festungsmauer,  welche 
an  die  S.  W.  Ecke  des  Nikepyrgos  stösst,  und  noch  andere 
liegen  in  dem  Räume  zwischen  dem  Beuleschen  Thore  und 
dem  Nikepyrgos.  Alle  diese  Steine  waren  vermuthlich  als 
Material  zu  der  gleichzeitig  mit  dem  Beuleschen  Thore  er- 
richteten westlichen  Burgmauer  verwendet  und  sind  erst  in 
diesem  Jahrhundert  beim  Abbruch  einzelner  Stücke  dieser 
Mauer  zum  Vorschein  gekommen. 

Unter  diesen  verschiedenen  Bauffliedern  nehmen  die  Ar- 
ehitrave  aus  weissem  pentelischen  Marmor  wegen  ihrer 
grossen  Zahl  und  wegen  ihrer  Bedeutung  für  die  Reconstruc- 
tion  des  Baues  die  erste  Stelle  ein.  Es  sind  13  hochkantig  ge- 
stellte Platten  von  verschiedener  Länge,  deren  Vorderseite 
sauber  geglättet  und  deren  Hinterseite  zum  Anschluss  an  eine 
zweite  Platte  hergerichtet  ist  (vergl.  die  beigefügte  Tafel  VII). 
Diese  13  Steine  lassen  sich  in   folgende  Gruppen  zertheilen : 

1)  2  Eckstücke  mit  je  2  Y2  Tropfenleisten  an  der  Vorder- 

seite (a  und  e  auf  Tafel  VII). 

2)  3  Blöcke  mit  je  2  halben   und  1  ganzen   Tropfenleiste. 

(6,  c  und  (/);  diese  3  tragen  die  Bauinschrift. 

3)  2  Steine  mit  je  2  ganzen  Tropfenleisten  und  3  den  Me- 

topen  entsprechenden  Zwischenräumen  (/"und/i);  3 


DAS   CHOHAGISCHE    MONUMENT    ÜKS    NIKIAS  22! 

andere  Platten,  welche  fragmentirt  sind,  können  die- 
ser Gruppe  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  zugetheilt 
werden. 

4)  1   Architrav   mit  8  ganzen  Tropfenleisten  und  2  Meto- 

pen,  {g);  ein  anderer  fragmentirter  Architrav  war 
vermuthlich  ebenso  gestaltet. 

5)  1   Stein  mit  1  ganzen,  1  halben  und  einem  kleinen  Stück 

einer  dritten  Tropfenleiste  (/<;). 
Die  unter  N"  2  aufgeführten  drei  Platten,  welche  die  Bau- 
inschrift tragen,  gehören  unbedingt  zur  Front  unseres  Monu- 
mentes. Dasselbe  gilt  von  den  beiden  Eckstücken  N"  1,  weil 
bei  allen  griechischen  Bauten  die  schmale  Seite  der  Eckar- 
chitrave  zur  Seitenfront  gerichtet  ist.  Da  alle  diese  5  Steine 
genau  in  der  Mitte  der  Tropfenleisten  zusammengefügt  sind, 
so  kann  erstens  keiner  der  übrigen  8  Architrave  zur  Front 
gehören,  denn  diese  alle  sind  anders  abgelheilt,  und  zweitens 
muss  die  Front  aus  einzelnen  Stützen  und  nicht  aus  einer  ge- 
schlossenen Wand  bestanden  haben.  Letzteres  beweisen  aus- 
serdem die  ünterflächen  der  Steine.  5  Architrave  erfordern 
aber  5  Intercolumnien  und  6  Stützen  und  es  muss  daher  un- 
ser Monument  eine  o;ewöhnliche  sechssäuliare  Fassade  von  fast 
11'"  Länge  gehabt  haben,  wie  Fig.  1  auf  Taf.  VII  zeigt.  Die 
übrigen  Architrave  sind  also  den  Nebenfronten  zuzutheilen. 
Ueber  die  Gestaltung  der  letzteren  belehrt  uns  der  Fugen- 
schnitt der  gefundenen  Architrav-  Stücke.  Die  unter  N"  5  ge- 
nannte Platte  [k)  passt  nämlich  genau  an  den  Eckarchitrav  (a) 
heran,  dessen  Tropfenleiste  erst  durch  Anfügung  des  an  der 
Platte  k  erhaltenen  kleinen  Stückes  einer  solchen  zu  der  rich- 
tigen Länge  ergänzt  wird.  Sie  muss  also  den  ersten  Archi- 
travblock  der  Nebenseite  gebildet  haben.  Ihre  zweite  Stoss- 
fuge  trifft  gerade  die  Mitte  einer  Tropfenleiste  und  hat  daher 
wahrscheinlich  wiederum  auf  einer  Stütze  und  nicht  auf  ei- 
ner geschlossenen  Wand  gelegen.  Die  nach  links  angrenzende 
Platte  {i  in  Fig.  2)  ist  leider  nicht  gefunden,  muss  aber,  um^ 
den  üebergang  zu  den  anders  geschnittenen  Architravplattert 
zu  bilden,  entweder  die  in  unserer  Zeichnung  angegebene 


222  DAS  CHOBAGISCHE   MONUMENT   DES  NIKIAS 

Form  gehabt  haben,  oder  links  mit  einer  Metope  abgeschlos- 
sen gewesen  sein.  Im  letzteren  Falle  könnte  eines  der  unter 
N°  3  genannten  Fragmente  dem  Steine  i  angehören.  Die  wei- 
ter nach  links  sich  anschliessenden  Stücke  h,  g  und /"lagen 
sicherlich  auf  einer  geschlossenen  Wand,  weil  im  andern  Fall 
ihre  vertikalen  Slossfugen  mit  den  Mitten  der  Tropfenleisten 
zusammenfallen  müssten.  Unter  der  Stossfuge  von  z  und  h 
hat  vermuthlich  die  Ante  gelegen,  welche  die  Wand  ab- 
schloss.  Die  zahlreichen  Architravstücke  allein  gestatten  uns 
also  schon,  ein  allgemeines  Bild  des  Nikias-  Monumentes  zu 
entwerfen.  Es  war  ein  grosser  Bau  mit  6  dorischen  Säulen 
an  der  Vorderseile,  über  den  drei  mittelsten  Intercolumnien 
stand  die  Weihinschrift.  An  den  Seitenfronten  waren  ver- 
muthlich eine  Ecksäule  und  daneben  eine  zweite  Säule  auf- 
gestellt, während  der  übrige  Theil  von  einer  geschlossenen 
Wand  eingenommen  war.  Ob  eine  Rückwand  vorhanden  war, 
oder  ob  sich  der  Bau  ebenso  wie  das  choragische  Monument 
des  Thrasyllos  an  die  Felswand  anlehnte,  ist  nicht  zu  ent- 
scheiden, doch  spricht  das  Fehlen  der  hinteren  Eckblöcke  für 
die  letztere  Annahme.  Die  beschriebenen  Architrave  bildeten 
nur  die  äussere  Hälfte  des  aus  zwei  neben  einander  gestell- 
ten, hochkantigen  Platten  bestehenden  Epistyls.  Die  innere 
Hälfte  wurde  von  den  Marmorblöcken  gebildet,  welche  jetzt 
die  oberste  Schicht  des  Beuleschen  Thores  einnehmen  und  an 
ihrer  Oberkante  mit  einem  Kyma  geschmückt  sind.  Dass  diese 
Blöcke  in  der  That  an  jene  Stelle  gehören,  beweisen  ihre  Di- 
mensionen und  ihre  Bearbeitung  aufs  Schlagendste.  Beide 
hochkantigen  Platten  waren  durch  I — I  förmige  eiserne  Klam- 
mern mit  einander  verbunden. 

Von  dem  Triglyphenfriese  sind  eine  Menge  Blöcke  ge- 
funden, welche  ans  Porös  bestehen  und  an  welche  die  Tri- 
glyphen  angearbeitet  sind.  Die  Metopen  waren  aus  dünnen 
Marmorplatten  hergestellt  und  in  besondere  Falze  von  oben 
her  zwischen  die  Triglyphen  eingeschoben.  Die  Slossfugen 
der  einzelnen  Blöcke  lagen  gerade  in  der  Mitte  zwischen  je 
zwei  Triglyphen  und  waren  daher  von  den  Metopenplatten 


DAS   CHORAGISCHE   MONUMENT   DES   NIKI  AS  '2^3 

überdeckt.  Die  Conslruction  des  Frieses  erkennt  man  am  l)e- 
sten  aus  der  kleinen  perspeclivisclien  Skizze  (Fig.  5),  in  wel- 
cher die  aus  Porös  bestehenden  Tlieile  eine  dunkle  Schatti- 
rung  erhalten  haben.  Die  l*orosblöcke  waren  unter  sich  durch 
eiserne  Kkimmern,  mit  dem  Archilrav  und  Geison  durch  ei- 
serne Splintdübel  verbunden. 

Während  wir  aus  den  zahlreichen  Friesstücken  nichts  Neues 
über  die  Gestalt  des  IJaues  erfahren,  lehren  uns  die  erhalte- 
nen Geisa,  dass  das  Monument  mit  einem  Giebel  ausgestat- 
tet war.  Von  den  vorhandenen  Geisonblöcken  gehören  näm- 
lich die  im  Beuleschen  Thore  verbauten  dem  horizontalen 
Giebelgesimse  an;  unter  den  in  der  Nähe  des  Thores  gefun- 
denen ist  aber  auch  eines  mit  ansteigender  Oberfläche,  wel- 
ches mithin  zu  den  Traufseiten  gehört.  Da  sich  nach  dem 
letzteren  Blocke  die  Giebelneigung  wenigstens  annähernd  be- 
stimmen lässt,  konnten  wir  in  Fig.  1  den  Giebel  in  seinen 
Umrissen  reconstruiren,  obwohl  keines  der  ansteigenden  Gie- 
belgesimse gefunden  ist.  Das  Material  des  Gesimses  ist  pen- 
telischer  Marmor.  Die  einzelnen  Blöcke  waren  unter  sich 
gleichfalls  durch  eiserne  Klammern  verbunden.  Die  im  Beu- 
leschen Thore  verbauten  Blöcke  zeigen  an  ihrer  überkante 
die  Buchstaben  A  B  F  A  6  Z  H,  welche  von  der  Erbauung 
des  Thores,  also  von  der  zweiten  Verwendung  der  Steine  her- 
rühren. Sie  liefern,  wie  schon  Beule  erkannt  hat,  einen  An- 
haltspunkt zur  chronologischen  Festsetzung  der  Zerstörung 
des  Nikias-Monumentes  und  der  Erbauung  des  Thores. 

Wir  sind  bisher  von  der  Annahme  ausgegangen,  dass  die 
verschiedenen  Bausteine  (die  Architrave,  Triglyphen,  Meto- 
pen  und  Geisa)  zu  einem  einzigen  Bau  gehören,  obwohl  wir 
wissen,  dass  Beule  dies  entschieden  leugnet.  Wir  haben  da- 
her diese  Annahme  noch  zu  beweisen.  Die  Gründe,  welche 
Beule  für  seine  Ansicht  anführt,  sind  verschiedener  Art,  aber 
sämmtlich  leicht  zu  widerlegen.  Zunächst  sollen  die  Trigly- 
phen, weil  sie  aus  Porös,  die  andern  Bautheile  aber  aus  Mar- 
mor bestehen,  einem  andern  und  zwar  einem  archaischen  Ge- 
J)äude  angehören.  Aber  der  Wechsel  des  Materials  beweist 


224  DAS  CHORAGISCHE  MONUMENT  DES  NIKIAS 

nichts,  wie  uns  die  dem  älteren  Parthenon  zugeschriebenen 
Bauglieder  in  der  Nordmauer  der  Akropolis  lehren;  bei  ih- 
nen sind  die  Metopen  ans  Marmor,  die  andern  Theile  des  Ge- 
bälkes aus  Porös.  Und  wie  will  es  Beule  erklären,  dass  die 
Breitenmasse  der  Triglyphen  und  Metopen  ganz  genau  mit 
den  Tropfenleisten  des  Ärchitravs  und  ihren  Zwischenräumen 
übereinstimmen?  Die  Identität  der  Abmessungen,  die  Gleich- 
heit der  technischen  Bearbeitung  und  das  Zusammenpassen 
der  Dübellöcher  beweisen  znr  Genüge,  dass  die  Porostrigly- 
phen  auch  zu  dem  Nikias- Monumente  gehören.  Ferner  sollen 
die  Geisa  desshalb  nicht  mit  den  Architraven  und  Triglyphen 
von  einem  Gebäude  stammen  können,  weil  ihre  Tropfenplat- 
ten schmaler  seien,  als  die  Triglyphen  und  die  mit  diesen 
übereinstimmenden  Tropfenleisten  des  Ärchitravs.  Dies  ist  ein 
Irrthum  Beules,  der  sich  dadurch  erklärt,  dass  jetzt  an  dem 
schlechtgebauten  Thore  das  ganze  Gesimse  gegen  die  Trigly- 
phen etwas  verschoben  ist.  Beules  Architekt,  Herr  Lebou- 
teux,  giebt  auf  Tafel  IV  die  Breite  der  Tropienplatten  voll- 
kommen richtig  an.  Endlich  sollen  auch  die  in  der  obersten 
Schicht  des  Thores  vorhandenen  Profilsteine  einem  anderen 
Gebäude,  und  zwar  dem  Inneren  einer  Tempelcella  angehö- 
ren, während  doch  ihre  Zusammengehörigkeit  mit  den  äus- 
seren Architravplatten  auf  Grund  ihrer  gleichen  Abmessun- 
gen, ihrer  gleichen  Bearbeitung  und  des  Zusammentreffens 
ihrer  Klammerlöcher  ganz  ausser  Frage  steht.  Die  dorischen 
Bauglieder  des  Beuleschen  Thores  stammen  also  sicherlich 
von  demselben  antiken  Gebäude. Was  hätte  auch  die  Erbauer 
des  Thores  dazu  veranlasssen  können,  die  sämmtlichen  Ar- 
chitrave  von  einem  choragischen  Monumente,  die  Triglyphen 
von  einem  anderen  schon  durch  die  Perser  zerstörten  Poros- 
bau,  die  Geisa  wieder  von  einem  anderen  Gebäude  und  end- 
lich die  inneren  Architravbalken  von  einer  Tempelcella  zu 
nehmen?  War  es  nicht  einfacher,  von  demselben  Monumente, 
dessen  Architrave  sie  benutzten,  auch  die  übrigen  Bauglieder 
zu  verwenden?  Letzteres  ist  in  der  That  der  Fall  gewesen. 
Beim  Bau  der  westlichen  Festungsmauer  hat  man  das  Nikias- 


Das  choragische  monlment  des  nikias  255 

Monument  abgebrochen  und  die  Steine  seines  Gebälkes  zur 
Errichtung'  des  Thores  und  der  unstosseiideii  liurgmauer  ver- 
wendet. 

I^eider  ist  es  mir  nicht  gelungen,  ausser  den  aiifgezählten 
Baugliedern  nocii  andere  Steine  des  choragischen  Denkmales 
zu  linden.  l']s  ist  zwar  in  der  äusseren  Festungsmauer  neben 
dem  jetzigen  Burgeingang  ein  gutes  dorisches  Marmorcapitell 
verbaut  und  ein  zweites  liegt  ausserhalb  der  Burg  in  der  iNiilie 
des  Beuleschen  Thores;  aber  beide  sind  im  xMaasstabe  viel 
zu  klein,  als  dass  sie  auch  nur  mit  einiger  Wahrscheinlich- 
keit unserem  Monumente  zugetheilt  werden  könnten.  Wir 
wissen  daher  weder,  wie  die  Säulen  und  Anten  gestaltet  vs'a- 
ren,  noch  wieviele  Stuten  der  Stylobat  hatte,  noch  wie  die 
geschlossene  Wand  gebildet  war.  Aber  trotzdem  können  wir 
uns  aus  den  vorhandenen  Baulheilen  ein  Bild  des  Gebäudes 
machen  und  dieses  mit  den  anderen  choragischen  Monu- 
menten vergleichen. 

Von  grösseren  Bauten  zur  Aufstellung  von  Siegesdreifüssen 
waren  bisher  zwei  Beispiele  allgemein  bekannt,  die  choragi- 
schen Monumente  des  l^ysikrates  und  des  Thrasyllos. 
Das  erstere  ist  der  bekannte  zierliche  Rundbau  korinthischen 
Styles,  welclier  noch  jetzt  im  Osten  der  Akropolis  an  der  al- 
ten Dreifuss-  Strasse  steht  und  aus  dem  Jahre  334  stammt. 
Das  andere  stand  bis  zu  den  griechischen  Freiheitskriegen 
oberhalb  des  Dionysoslheaters  vor  einer  Grolle  und  war  eine 
aus  zwei  breiten  Eckpfeilern  und  einem  schmalen  Mittelpfei- 
ler gebildete  kleine  dorische  Halle,  welche  im  Jahre  320  von 
Thrasyllos  erbaut  worden  war.  Durch  das  Nikias-Monument 
lernen  wir  eine  drille  Form  dieser  Gebäudeciasse  kennen.  Es 
hatte  die  Geslall  eines  Tempels;  über  den  (>  dorischen  Säu- 
len der  Front  lag  ein  vollständiges  dorisches  Gebälk  mit  ei- 
nem ziemlich  niedrigen  Giebel;  vermullilich  stand  es  nicht 
ganz  frei,  sondern  halle  ebenso  wie  das  Thrasyllos-  Monu- 
ment die  Gestall  einer  Halle,  deren  Kückwand  vom  Burg- 
felsen firebildel  war.  Im  letzteren  Falle  könnte  das  Gebäude 
möglicher  Weise  an  der  Südseite  der  Burg  unmittelbar  un- 

MITTH.  D.  ABfiH.   INST.  X.  15 


226  DAS   GHOBAGISCHE    MONUMENT   DES   NIKIAS 

ter  dem  Niketempel  und  dem  Siidflügel  der  Propyläen  ge- 
standen haben.  Denn  u;egenüber  dem  jetzigen  Burglhore  ist 
der  Fels  zur  Aufnahme  eines  grösseren  Baues  abgearbeitet. 
Daselbst  sahen  Spon  und  Wheler  im  17.  Jahrhundert  nocli 
die  Reste  eines  Marmorgebäudes, welches  so  prächtig  sei,  dass 
es  mehr  als  eine  halbe  Million  Thaler  gekostet  haben  müsse. 
Bevor  jedoch  nicht  die  Wächterhäuschen  und  kleinen  Mu- 
seen, welche  jetzt  neben  dem  ßurgeingang  stehen,  abgebro- 
chen sind,  wird  es  nicht  möglich  sein  zu  ermitteln,  ob  der 
Platz  auch  für  das  stattliche  Nikias-Monument  ausreicht. 

Es  ist  ein  seltsames  Zusammentreffen,  dass  wir  durch  lit- 
terarische üeberlieferung  ein  zweites  tempelartiges  Anathem 
zur  Aufsteilung  von  Dreifüssen  am  Südabhange  der  Burg 
kennen,  welches  ebenfalls  von  einem  Nikias,  aber  von  dem 
berühmten  Feldherrn  des  5.  Jahrhunderts  errichtet  war.  Plu- 
tarch  berichtet  nämlich  (iNik.3),  dass  von  dem  Feldherrn  Ni- 
kias noch  2  Anatheme  erhalten  seien,  ein  Palladion  auf  der 
Akropolis  xal  6  toii;  j^opvjyuoi?  xpiTTroaiv  u7uo/.6iiJ!.£vO(;  ev  Atovucou 
(TirepißöXü)  0.  Müller)  vew?. 

Man  könnte  geneigt  sein  unser  Monument,  welches  ja  auch 
eine  Tempelform  hatte,  mit  diesem  Tempel  des  älteren  Nikias 
zu  identiiiciren.  Plutarch  müsste  in  diesem  Falle  das  Ana- 
them des  jüngeren  Nikias,  des  Sohnes  des  Aristodemos,  irr- 
thümlich  dem  älteren  berühmten  iXikias,  dessen  f.ebensge- 
schichte  er  verfasste,  zugeschrieben  haben.  Da  wir  aber  wis- 
sen, dass  auch  der  ältere  Nikias,  der  Sohn  des  Nikeratos,  viele 
Choregien  geleistet  hat,  dürfen  wir  die  Nachricht  Plutarchs 
nicht  in  Zweifel  ziehen,  sondern  müssen  annehmen,  dass  es 
in  der  Nähe  der  Akropolis  zwei  tempelartige  Monumente  des 
Nikias,  das  eine  von  dem  älteren,  das  andere  von  dem  jün- 
geren Besitzer  dieses  Namens  gegeben  hat. 

Es  masr  hier  nebenbei  noch  auf  eine  andere  Eiffenlhümlich- 
keit  aufmerksam  gemacht  werden.  Das  Nikias-Monument 
hatte  eine  aus  (5  Säulen  gebildete  dorische  Fassade,  welche 
mit  der  Westfront  des  Mittelbaues  der  Perikleischen  Propy- 
läen im  Wesentlichen  übereinstimmte.  Das  Thrasyllos-Mo- 


DAS   CHOHAGISCHE   MONUMENT    Dliö   NlKlAS  227 

numenl  ist  dagegen  ofTcnbar  dem  SüdtUit!;el  der  l*r()})yläen 
nachgebildet^  denn  hei  beiden  Bauten  besieht  die  Front  aus 
zwei  breiten  F^ckpIVilern  und  cinetn  dünneren  Mittelpfeiler, 
bei  beiden  ist  der  Arcliilra\  mit  einer  ununterbrochenen  Reilie 
von  Tropfen  versehen  und  bei  beiden  fehlen  um  Friese  die 
Triglyphen. 

Da  das  Erbauungsjahr  des  Nikias-Monuments  feststeht,  ist 
es  für  uns  von  besonderem  VVerthe,  seine  co  n  s  tr  uc  t  i  v  en 
und  künstlerischen  Details  kennen  zu  lernen  und  sie 
mit  denjenigen  anderer  Bauten  zu  vergleichen.  Was  zunächst 
die  Construction  anbetrifft,  so  stelil  die  Technik  der  Stein- 
beai'beitung  und  Steinfügung  durchaus  nicht  hinter  derjeni- 
gen an  den  Perikleischen  Bauten  zurück.  Nicht  nur  die  sicht- 
baren Aussenflächen  sondern  auch  die  äusseren  Bänder  der 
Stossflächen  sind  sauber  bearbeitet  und  geschliffen.  Nur  die- 
jenigen Theile,  welche  bemalt  werden  sollten,  haben  ihre 
erste  rauhere  Bearbeitung  behalten.  Die  horizontalen  Eisen- 
klammern und  die  vertikalen  Eisendübel  haben  noch  dieselbe 
Form  (I — 1)  wie  am  Parthenon  und  an  den  Propyläen,  wäh- 
rend bei  anderen  gleichzeitigen  Bauten  (z.  B.  beim  Philip- 
peion und  bei  der  Echohalle  in  Olympia)  schon  die  späteren 
Klammern  (I  I)  vorkommen.  Die  Pioportionen  der  einzel- 
nen Architekturglieder  weichen  dagegen  schon  mehr  von  de- 
nen der  älteren  Bauten  ab;  bei  einer  Vergleichung  derauf 
Taf.  VTI  eingeschriebenen  Maasse  kann  sich  jeder  leicht  hier- 
von überzeuo;en.  Es  ma«;  2;enüo;en,  hier  nur  auf  das  Verhält- 
niss  der  Architravhöhe  zur  Triglyi)henhöhe  und  auf  die  Pro- 
portion zwischen  Höhe  und  Breite  der  Triglyphen  hinzuwei- 
sen. Beim  Tempel  auf  Aegina,  beim  Parthenon,  beim  The- 
seion und  bei  den  Propyläen  Athens  ist  der  Architrav  noch 
ebenso  hoch  wie  das  Ti'iglyphon  (eine  ganz  kleine  Differenz 
von  höchstens  1  Daktylos  kommt  hier  nicht  in  Betracht), 
während  beim  iNikias-Monument  das  Epistyl  0,565,  das  Tri- 
glyphon  aber  0,68 1™  hoch  ist.  Die  Epistylhöhe  verhält  sich 
hier  also  zur  Triglyphenhöhe  wie  100:120.  Beim  Tempel  zu 
Nemea   beträgt   dieselbe    Proportion  100:112.   Im  Laufe  des 


228  DAS   GHORAGISCHE    MONUMENT   DES   NIKIAS 

vierten  Jahrhunderts  wird  also  der  Architrav  beträchtlich 
niedriger  als  das  Triglyphon,  während  er  vorher  demselben 
fast  vollkommen  gleich  war.  Das  Verhältniss  der  Breite  der 
Triglyphe  zu  ihrer  Höhe  beträgt  beim  Tempel  auf  Aegina  100: 
173,  beim  Parthenon  100:163,  beim  Theseion  100:101,  bei 
dem  Nikias-Monument  100:162  und  beim  Tempel  von  Ne- 
mea  100:156.  Die  Triglyphen  sind  also  bei  älteren  Bauten 
schlank  und  werden  allmählich  gedrückter,  beim  Nikias- 
Monument  sind  ihre  Proportionen  aber  noch  dieselben  wie 
bei  den  Bauten  des  Perikles. 

Zum  Schluss  haben  wir  noch  die  Bemalung  des  Nikias- 
Monumentes  zu  besprechen.  Als  Beule  das  späte  Thor  der 
Akropolis  freilegte  und  so  die  Bausteine  unseres  Monumentes 
zu  Tage  förderte,  fand  er  an  demselben  noch  ziemlich  viele 
Farbenspuren,  an  den  Tropfenplatten  und  den  Triglyphen  sah 
er  blaue,  an  den  Zwischenräumen  der  Tropfenplalten  rothe 
Farbe  "in  ihrer  vollen  Lebhaftigkeit".  Jetzt  sind  nur  noch 
geringe  Farbenspuren  zu  finden.  An  einem  der  Porostrigly- 
phen  erkennt  man  noch  kleine  Reste  von  Blau,  ebenso  an  ei- 
ner Tropfenplatte,  an  einem  der  Eckarchitrave  ist  ein  Stück 
des  oberen  Abakus  noch  roth  sefärbt.  Aber  trotz  dieser  ore- 
ringen  Spuren  der  früheren  Bemalung  ist  das  Nikias-Monu- 
ment  für  die  Frage  nach  der  Polychromie  der  antiken  Bau- 
ten von  ganz  hervorragender  Wichtigkeit. 

Während  nämlich  der  ganze  Bau,  soweit  wir  ihn  kennen, 
aus  weissem  Marmor  besteht,  sind  die  Triglyphen  aus  ge- 
wöhnlichem Piräuskalk  (Porös)  hergestellt.  Da  nun  der  Porös 
bedeutend  billiger  ist  als  Marmor,  so  hat  der  Architekt  offen- 
bar der  Koslenersparniss  halber  die  Triglyphen  aus  Porös  ge- 
macht. Warum  hat  er  denn  aber  nicht  auch  andere  Glieder 
aus  dem  billigeren  Materiale  hergestellt?  Sicherlich  desshalb, 
weil  nur  hei  den  Triglyphen  die  ganze  Aussenfläche  von  ei- 
nem Farbenüherzug  bedeckt  und  daher  unsichtbar  war,  wäh- 
rend man  b:'i  allen  anderen  Baugliedern  das  Material,  aus 
welchem  sie  bestanden,  erkennen  konnte.  Dass  sich  dies  that- 
sächlich  so  verhielt,  dass  wirklich  die  Triglyphen  am  dori- 


DAS   CHORAGISCHE    MONUMENT   DES   NIKIAS  229 

sehen  Bau  die  einzigen  Steine  waren,  welehe  eine  volle  Far- 
bendeeke  besassen,  dafür  können  wir  die  vielen  Porosbaiilen 
Olympias  und  vor  Allem  das  l.eonidaion  daselbst  anfuhren, 
dessen  liaui!;lieder,  weil  sie  schon  zur  Zeit  Neros  wiederum 
vermauert  worden  sind,  noch  jetzt  ihre  Bemalnng  in  fast  vol- 
ler Frische  aufweisen.  An  den  Porosbauten  von  Olympia  un- 
terscheidet man  jetzt  noch  3  verschiedene  Arten  der  Behand- 
lung der  Oberfläche : 

1)  Diejenigen  Stellen  der  Aussenfläche,  welche  keine  Farbe 
erhalten  sollten,  sind  mit  einem  feinen  weissen  Marmorsluck 
überzogen,  welcher  eine  sauber  geglättete  Oberfläche  besitzt. 

2)  Alle  Gliederungen,  welche  mit  mehrfarbigen  Ornamenten 
geschmückt  werden  sollten,  haben  ebenfalls  denselben  glat- 
ten Marmorpulz  erhalten.  Auf  diesen  Putz  sind  dann  die  Ver- 
zierungen aufgezeichnet  und  mit  verschiedenen  Farben  ausge- 
füllt worden. 

3)  Sollten  dagegen  Theile  der  Aussenfläche  mit  einer  einheit- 
lichen Farbe  überzogen  werden,  so  wurde  nicht  etwa  zuerst 
der  glatte  Marmorputz  gemacht  und  dieser  mit  Farbe  über- 
zogen, sondern  man  trug  die  Farbe,  wahrscheinlich  mit  Kalk 
vermischt,  unmittelbar  auf  den  Stein  auf.  Dieser  Überzug  war 
bei  weitem  nicht  so  wetterbeständig  als  der  glatte  Marmor- 
putz und  so  lindet  man  denn  häufig,  dass  an  einem  Sleiublock 
diejenigen  Stellen,  welche  einheitlich  bemalt  waren,  keinen 
Stucküberzug  mehr  besitzen,  sondern  nur  noch  ganz  geringe 
Farbreste  unmittelbar  auf  dem  Porös  zeigen, während  die  an- 
deren Theile,  welche  gar  nicht  bemalt  waren,  noch  mit  einem 
wohlconservirten  Marmorputz  überzogen  sind. 

In  der  zuerst  aufgeführten  Weise  sind  in  Olympia  gewöhn- 
lich die  Säulenschäfte  und  Kapitelle,  die  Architrave,  die  Me- 
topen  und  die  vordere  Fläche  der  Geisa  verputzt.  Diese  Bau- 
theile  haben  also  meist  keine  Farbe  gehabt,  sondern  zeigten 
einen  einfachen  weissen,  vielleicht  etwas  abgetönten  Marmor- 
putz. Mit  verschiedenartigem  Ornament  versehen  waren  na- 
mentlich die  kleinen  Gliederungen,  die  Kymatien,  Äbaken 
etc.  Zur  dritten  Kategorie,  also  zu  den  einheitlich   bemalten 


230  DAS   CHORAGISCHE   MONUMENT   DES  NIKIAS 

Baugliedern,  gehören  vor  allem  die  ganzen  Triglyphen,  fer- 
ner die  Tropfenieisten  und  der  Abakus  des  Architravs  und 
endlich  die  Tropfenplalten  und  die  Zwischenräume  derselben 
am  Geison.  An  den  dorischen  Porosbauten  Olympias  waren 
daher  sicherlich  die  Triglyphen  die  einzigen  Bausteine,  wel- 
che in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  gefärbt  waren. 

An  den  Marmorbauten  werden  in  entsprechender  Weise  die 
zur  ersten  Kategorie  gehörigen  Baulheile  keinerlei  Putz  ge- 
habt, sondern  den  glatten  polirlen  Marmor  gezeigt  haben, 
während  bei  den  andern  Gliedern  der  Marmor  mit  einer  Farb- 
schicht überzogen  und  daher  unsichtbar  war.  Wenn  nun  ein 
Architekt  an  einem  Marmorbau  möglichst  sparen  wollte,  so 
konnte  er  diejenigen  Glieder,  welche  ganz  bemalt  werden  soll- 
ten, aus  Porös  machen.  An  den  Säulen,  am  Architrav,an  den 
Metopen  und  am  Geison  sind  aber  nur  kleinere  Stücke  mit 
Farbe  überzogen,  diese  Baulheile  mussten  daher  unbedingt 
aus  Marmor  hergestellt  werden.  Nur  die  Triglyphen  waren 
ganz  bemalt  und  konnten  mithin,  ohne  dass  es  später  bemerk- 
bar war,  aus  billigerem  Materiale  bestehen.  Beim  Nikias-Mo- 
nument  ist  dies  thatsächlich  a;eschehen  und  daher  ist  uns  die 
ser  Bau  ein  wichtiges  Zeugniss  dafür,  dass  die  in  Olympia 
von  den  Porosbauten  abgeleiteten  Gesetze  der  Polychromie 
richtig  sind  und  auch  für  die  attischen  Marmorbauten  gelten. 

WILH.   DOEBPFELD. 


Die  choregische  Inschrift  des  JNikias. 


Dil!  über  dem  lieulesclien  Tlior  vermauerte  choregische  In- 
schrift hat  die  IVüheren  Herausgel)er  in  Verlegenheit  gesetzt'. 
Weder  über  die  l^esung  noch  über  die  Erklärung  hat  man 
sich  einigen  können.  Eine  im  vergangenen  Frühjahr  für  die 
Sammlung  der  attischen  Inschriften  vorgenommene  llevision 
des  Originales  hat  mich  in  den  Stand  gesetzt  den  Text  der 
Urkunde  zu  lixiren  und  dadurch  den  Weg  zum  Verständniss 
derselben  zu  bahnen.  Das  Ilesultat  ist  interessant  genug  um 
hier  mitgetheilt  zu  werden. 

Die  Inschrift  ist  vollständig  zu  lesen 

Ni[x]i[a](;   Nirx]oSY)(7.0'j   S'j[7T]£Taiwv    äveOr/xe   vixiocra?   y^opnywv  Ke- 

[riaJvxa'Xgcov  Six'j(ovio[c]  -rivln,   xn^j.y.   'EXTTTivwp  Ti[i.o9£Ou.  N£[aiyJ- 
|y-[o];  -/ip/^sv. 

Sie  weicht  in  mehrfacher  Beziehung  von  den  bekannten  In- 
Schriften  derselben  Gattung  ab.  Dass  sich  der  Chore«;  darin 
ausdrücklich  als  den  Weihenden,  nicht  blos  als  Sieger  (/opv:- 
ywv  evty.a)  bezeichnet,  ist  formaler  Natur  und  hat  ein  Seiten- 
stück in  der  auf  dieselbe  Festfeier,  die  grossen  Dionysien  des 
Js.  319,  zurückgehenden  choregischen  Inschrift  des  Thrasyl- 


'  Beule  L'arrupule  d'Alhcnes  1  S.  102  Kangabis  Ani.  Hellen.  986.  Danach 
Iveil  Alelanges  greco-rom.  II  Ö.  76  und  kürzlich  Reisch,  De  musicis  Graeco' 
rum  certaminibus  S.  36.  Der  recliiicirte  Text  C.  1.  A.  II  1246. 


232  DIE   CHOREGISGHE   INSCHRIFT    DES   NIKIAS 

los,  welcher  den  sieggekrönten  Männerchor  gestellt  hatte*. 
Bedeutungsvoller  ist  es,  dass  in  der  zweiten  Zeile  neben  dem 
den  Chor  begleitenden  Flötenspieler  die  Bezeichnung  des 
Dichters  und  Chormeisters,  des  Chorodidaskalos  vermisst 
wird.  Man  hat  dem  dadurch  abzuhelfen  gesucht,  dass  man 
zu  Anfang  der  Zeile  sSiSa^/^ev  eingesetzt,  nach  S'./.'jüVno;  inter- 
pungirt  und  r,"At\.  mit  dem  Folgenden  verbunden  hat.  Dieser 
Herstellung  würde  die  ungewöhnliche  und  unmotivirte  Wort- 
stellung ebenso  wie  der  nicht  übliche  und  überflüssige  Zu- 
satz icT^aa  in  der  Bezeichnung  des  Flötenspielers  entgegen- 
stehen :  die  Hauptsache  aber  ist,  dass  das  Original  eine  Er- 
gänzung an  irgend  einer  Stelle  der  Inschrift  nicht  zulässt,  die 
letztere  vielmehr  wie  oben  gegeben  vollständig  ist.  Wenn 
demnach  Pantaleon  mit  -/luT^si  zu  verbinden  ist,  so  bleiben 
die  Worte  ä(7[;.a  'ElTi-^vwp  Tijv.oOso-j  zur  Erklärung  übrig.  Kön- 
nen diese  gleichbedeutend  sein  mit  'EItttivcoo  Tii^.oOeou  äSiSa- 
Tx-ev  ?  In  einem  nach  Rubriken  geordneten  Siegercatalog  würde 
eine  solche  Breviloquenz  nicht  auffallend  sein:  in  einer  ana- 
thematischen Inschrift  ist  sie  unzulässig. 

Man  kommt  auf  die  richtio;e  Fährte,  wenn  man  sich  erin- 
nert,  dass  Elpenor  ein  aus  der  heroischen  Sage  bekannter  im 
Leben  selten  vorkommender,  Timotheos  der  iName  eines  re- 
nommirten  Dichters  war.  Nicht  der  Chorodidaskalos  war  in 
den  ausgeschriebenen  Worten  der  Inschrift  genannt,  wie  man 
nach  der  Analogie  der  übrigen  Choregeninschrif'ten  voraus- 
gesetzthat, sondern  der  zur  Aufführung  gekommene  Dithyram- 
bos, welcher  den  Titel  Elpenor  trug  und  Timotheos  zum  Ver- 
fasser hatte.  Augenscheinlich  ist  diese  Deutunsr  auch  vom  i!;ram- 
matischenGesichtspunkt  aus  die  nächstliegende.  Wenn  aber  in 
der  Inschrift  das  Gedicht, nicht  der  Dichter  genannt  war, so  folgt 
daraus, dass  der  letztere  den  Chor  nicht  eingeübt  hatte,  nicht 


'  0pä(juXXo;  0paajX),ou  AcXiXcE'j;  avs'Orj/.cV  y  opr^ytüv  vtxrj'ja;  ävopaaiv  'I;:;:oOojvTi'ot 
(puXi).  Eü'.05  XaXztos'j;  r]u'X£t.  N^'at/fjLO;  ripyz^j.  Kapxi?«(Ao;  SojctiO?  s5;5aay.£v  C.  I-  G. 
nk~C.  1.  A.  11  1247.  Vgl  DittenbergeV  Syll.  423,  welcher  zur  Fassung  tue 
Privatweihungen  der  Choregen  vergleiclil-  Die  im  Beul(5sclien  Thor  ver- 
baute Inschrift  scheint  Djtlenberger  nicht  gekannt  zu  haben. 


DIE   nHOREfilSCHE    INSCHRIFT    DES   NIKIA8  233 

hatte  einüben  können:  Timotheos  von  Milet,  neben  Philoxe- 
nos  der  gefeiertste  Ditliyranibendichter  des  vierten  Jahrlinn- 
derts,  war  bereits  am  Ende,  der  seehzii^er  Jahre  VLM'slorben  ; 
Elpenor  ein  altes  Stück,  welches  im  J.  319  von  nenem  auf 
das  Repertoire  gesetzt  worden  war.  Aus  den  Didaskalien  lia- 
l)en  wir  gelernt,  dass  seit  der  Mitte  des  vierten  .lahrliunderts 
auf  der  attischen  Bühne  neben  den  neuen  regelmässig  eine 
alle  Traorödie  aufo;eführt  wurde  und  dass  der  beherrschende 
Einfluss,  den  Euripides  auf  seine  Zeilgenossen  ausübte,  auch 
nach  seinem  Tode  fortdauerte  (Mitth.  Ili  S.  114  ff).  Für  den 
Dilhyrambos  war  das  Bedürfniss  geringer,  aber  es  ist  gewiss 
kein  Zufall,  dass  das  zweite  bekannte  Beispiel  einer  Wieder- 
aufführung eines  solchen  ebenfalls  ein  Gedicht  des  Timotheos 
betrifft':  die  gleiche  Geschmacksrichtung  der  beiden  durch 
persönliche  Freundschaft  verbundenen  Dichter,  des  Dra- 
matikers und  des  Melikers,  hat  bewirkt,  dass  ihre  Dichtungen 
das  gleiche  Schicksal  gehabt  haben.  Für  jene  zeugt,  was 
Timotheos  betrifft,  auch  der  Titel  des  in  der  choregischen  In- 
schrift genannten  Gedichtes:  das  rührende  Moment  in  der 
Sage  von  dem  unglücklichen  Knaben,  der  vor  der  lleife  durch 
einen  tückischen  Zufall  den  Tod  findet  und  durch  ein  ver- 
häno;nissvolles  Zusammentreffen  Gefahr  läuft  der  Grabeseh- 
ren  verlustig  zu  gehen,  war  für  ihn  bei  der  Wahl  des  Stoffes 
bestimmend. 

Das    Gegenstück   zu    dem    Bau  des   Nikias,  welchen   Herr 


'  Luciau  Ilantiüiiid.  t.  Die  8tellc  ist  angeführt  von  Ileiscli  a  a.  ü.  8  29, 
Avelclier  daraus  den  richtigen  Schluss  gezogen  hat,  dass  aucii  in  den  musi- 
schen Agonen  in  der  späteren  Zeit  ältere  Dichtungen  vorgetragen  worden 
sind.  Wenn  aber  Relsch  ineiut  die  Chorodidaskaloi, welche  alteGedichte  zum 
Vortrag  brachten,  hätten  an  Bedeutung  eingebüsst,  so  war  vielmeiir  zu  sa- 
gen, dass  in  solchen  Fällen  ein  Chorodidaskalos  überhaupt  nicht  bestellt 
wurde,  sondern  der  Aulet  dessen  Stelle  vertrat,  ebenso  wie  wieder  aufge- 
führte Dramen  unter  der  Leitung  des  Protagonisten  einstudirt  wurden.  Der 
Dichter,  welchen  Lucian  meint,  ist  unzweifelhaft  Timotheos  von  Milet,  das 
von  ihm  genannte  Gedicht  Ata?  E[ji[i.avri;  ist  ebenso  wie  Elpenor  in  die  Liste 
der  Dithyramben  des  letzteren  einzureihen. 


234  DIE  CHOREGISCHE   INSCHRIFT   DES  NIKIAS 

Dörpfeld  oben  S.  219  ff.  ans  den  Heberresten  reconstruirt  hat, 
bildete  das  noch  im  Anfang  dieses  Jahrhunderts  aufrecht  ste- 
hende Monument  des  Thrasyllos,  der  an  demselben  Tage,  an 
welchem  jener  mit  dem  Knabenchor  siegte,  mit  dem  Män- 
nerchor den  Preis  davon  getragen  hatte-  Im  Grundriss  und 
Aufbau  einfacher,  in  den  Verhältnissen  bescheidener  gehal- 
ten als  der  tempelartige  Bau  mit  der  sechssäuligen  Fa- 
cade  wirkte  es  durch  die  hervorragende  Aufstellung  mitten 
über  dem  Rund  des  Theaters  und  durch  die  Silzstatue  des 
Dionysos,  die  über  der  Attika  thronte,  nicht  weniger  als  die- 
ser. Mit  der  anspruchsvollen  Erscheinimg  der  beiden  Bau- 
werke harmonirt  die  ungewöhnliche  Fassung  der  daran 
angebrachten  Inschriften,  in  denen  sich  Nikias  und  Thrasyl- 
los,  wie  schon  bemerkt  wurde,  nicht  allein  als  Sieger  son- 
dern als  Weihende  bezeichnen  ^  Man  wiirde  sich  begnügen 
müssen,  diese  Thatsachen  lediglich  auf  die  Rivalität  der  bei- 
den Männer  zurückzuführen-,  wenn  sich  nicht  eine  Combi- 
nation  darböte,  welche  dieselben  noch  in  einem  andern  Lichte 
erscheinen  lässt.  Das  Fest,  an  welches  die  beiden  Monumente 
erinnern,  scheint  unter  ausserordentlichen  Umständen  gefeiert 
worden  zu  sein.  Als  nach  Antipaters  Tode  Kassander  Anstal- 


'  Mag  nun  der  Dreif'uss  des  Nikias  auf  der  Giebelfirst  oder  im  Innern 
des  Gebäudes  aufgestellt  gewesen  sein,  das  Missveriiältniss  zwischen  der  Be- 
stimmung und  den  Dimensionen  des  letzteren  bleibt  dasselbe.  Auch  in  die- 
ser Beziehung  kann  wie  mir  scheint  das  choregische  Monument  des  Lysi- 
krates  durch  den  Vergleich  mit  dem  des  Nikias  nur  gewinnen.  Uebrigens 
wäre  es  wohl  an  der  Zeil,  dass  die  Statue  vom  Monument  des  Thrasyllos 
neu  publicirl  und  bei  dieser  Gelegenheit  zugleich  entschieden  würde, ob  die- 
selbe den  Dreifuss  auf  dem  Schoosse  getragen  hat, was  behauptet  und  bestrit- 
ten worden  ist. 

-  Die  Familie  des  Thrasyllos  ist  aus  Inschriften  bekannt,  nicht  so  Ni- 
kias. Der  letztere  ist  vielleicht  identisch  mit  dem  berühmten  Maler  des 
gleichen  Namens,  welcher  Athener  und  im  Besitz  eines  grossen  Vermögens 
war.  Der  Vater  des  Malers  heisst  an  den  drei  Stellen  des  Pausanias,  an  de- 
nen er  genannt  ist  (1.  29,  15  III  19,  4  IV  31,  1'2),  in  den  Ausgaben  Niko- 
medes,  aber  an  der  ersten  Stelle  wird  aus  der  Pariser  IIS.  Bekkers  statt  Ni- 
■/.ofiTJSous  notirt  Ni/.oSrljjiou. 


DIE   CHOREGISCHE    INSCHRIFT    DES   NIKIAS  235 

ten  traf  sich  die  ihm  von  dem  sterbenden  Vater  versagte 
Würde  als  Keichsverweser  anzueignen,  war  einer  seiner  er- 
sten Sehritte  der,  dass  er  einem  ihm  ergebenen  Ollicier,  dem 
.\ikanor,  den  Oberbefehl  iiber  die  makedonische  Besatzung 
übertrug,  welche  von  Munychia  ans  die  Athener  im  Zaume 
hielt.  Nikanor  erreichte  sein  Ziel,  bevor  die  Nachricht  vom 
Tode  Antipalers  nach  Athen  gedrungen  war.  Als  dieser  Fall 
einige  Tage  später  eintrat,  gerieth  das  Volk  in  grosse  Aufre- 
gung, um  so  mehr  als  man  argwöhnte,  Phokion  sei  im  Ein- 
verständniss  mit  dem  neuen  Phrurarchen.  Phokion  soll  da- 
rüber seinen  Gleichmuth  nicht  verloren  haben,  bewog  aber 
Nikanor  sich  zuvorkommend  gegen  die  Athener  zu  zeigen,  xal 
(piXoTi[/.ia?  Tiva;  iTZHne  /.ai  rW.— xva;  0— OTTvivai  yevov.evov  äycovoOs- 
TYiv  (Plut.  Phoc.  e)l).  Die  ausgeschriebenen  Worte  hat  Droy- 
sen  auf  die  grossen  Dionysien  des  Js  319  bezogen,  an  denen 
Nikanor  als  Agonothet  fungirt  habe '.  Nim  kann  allerdings 
die  Angabe  der  Quelh?,  so  gefasst,  nicht  richtig  sein,  da  das 
Amt  des  Agonotheten  erst  ein  Jahrzehnt  später  geschaffen 
worden  ist.  Aber  andererseits  weist  der  gebrauchte  Ausdruck 
doch  auf  die  Dionysien  hin  2,  und  es  scheint  mir  sehr  begreif- 
lich, dass,  wenn  Nikanor,  sei  es  nun  auf  Anrathen  Phokions 
oder  in  Folge  der  ihm  von  Kassander  ertheilten  Instructionen, 
den  Athenern  zur  Ausrichtung  des  Festes  ein  Geldgeschenk 
machte  und  bei  der  Feier  assistirte,  in  einer  später  nieder- 
geschriebenen Relation  diese  Betheiliguno;  in  einer  Weise  be- 
zeichnet  wurde,  die  nur  formell  ungenau  war:  nicht  als  Ago- 
nothet  ex  officio  aber  freiwillig  als  Privatmann  hatte  Nikanor 
die  musischen  Aufführungen  ausgerichtet.  Fn  dieser  Modifi- 
cirung  scheint  mir  Droysens  Auffassung  zutreffend  zu  sein; 
es  folgt  daraus,  dass  die  Dionysien  des  Js.  319  mit  nicht  ge- 


'  Gescti.  der  Diadoc'nen  II  S.  215  Anm.  1- 

2  Die  Agonothesie  derTheseen  ist  schwerlich  älter  als  die  der  Dionysien, 
der  Agon  selbst  scheint  erst  in  der  späteren  Zeit  grössere  Reden tiinii  gewon- 
nen zu  haben. 


23Ö  DIE    CHOREGISGHE    INSCHRIFT   DES   NIKIAS 

wohnlichem  Pomp  begangen  wurden'  .  Ich  kann  mich  des 
Eindruckes  nicht  erwehren,  dass  mit  dem  Einfluss,  den  der 
makedonische  General  d.imals  auf  das  griechische  Volksfest 
ausgeübt  hat,  der  anspruchsvolle  gegen  die  zweckbewusste 
Selbstbeschränkimg  älterer  Zeit  so  auffallend  abstechende  Cha- 
rakter der  Monumente  und  ihrer  Aufschriften  im  Zusammen- 
hang steht,  welche  Nikias  und  Thrasyllos  zum  bleibenden 
Andenken  an  ihre  Erfolge  haben  herstellen  lassen. 


ULKICH  KOEHLER. 


'  Den  Tud  Aiilipaters  hat  Droysen  nach  dein  Zusaninienliang  der  Ereij,'- 
nisse  in  die  zweite  Hälfte  des  Aroliunlales  des  Neaichmos,  in  den  An- 
fang des  Jahres  319  gesetzt.  Diodor  (XVHI  48)  erzählt  denselben  unter  dem 
Arc|iontat  des  Apüllo(iorüs,\velclies  er  dem  jiilianischen  Jahr  319  gleich  setzt. 


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Ueber  das  archaische  Giebelrehef 
von  der  Akropolis. 


Unter  den  neuen  Funden  aus  dem  Bauschutt  des  Parthe- 
non, welche  ich  im  Frulijahr  ]88i  im  Akropohs-Museum 
noch  ungeordnet  aufgestellt  sah,  nahmen  unstreitig  die  zahl- 
reichen Fragmente  eines  Flachreliefs  aus  l'oros  den  ersten 
Platz  ein.  Sie  sind  inzwischen  durch  Purgold  zusammenge- 
setzt, als  Theile  emes Giebelfeldes  erkannt  und  in  der  'E(pr,i^.£pi; 
apj(^aioXoYur,  1884,  die  zugleich  auf  Tafel  7  eine  von  Gillieron 
besorgte  Publicalion  giebt,  Sp.  147  ff.  besprochen  worden'. 
Das  Monument  bietet  soviel  iNeues  und  erweckt  ein  so  viel- 
seitiges Interesse,  dass  die  Akten  darüber  kaum  so  bald  ge- 


♦  Ich  eulneliiiic  PurgoUls  AuCsalz,  dessen  zweiler  Theil  iiucli  aussteht, 
Folgendes:  Das  Relief  wurde  1882  in  tler  Südostecke  der  Akropolis  nörd- 
lich vom  Museum  in  einer  zur  Flanirung  des  Terrains  gemachten  Aufschüt- 
tung gefunden  Es  bestand  aus  sechs  Platten  Porosstein,  welche  auf  beide 
Flügel  gleichniässig  vertheilt  waren;  ihre  Stärke  schwankt  zwischen  16  und 
18  cent.  Der  Stein  ist  reichlich  mit  Muscheln  durchsetzt  und  jetzt  sehr  bröck- 
lich.— Soweit  Purgold.  Der  Relielgrund  ist  ungleich, die  Farbe  direct  auf  den 
Stein  aufgetragen.  Vgl. die  Beilage, auf  welcher  mit  Frl.iubniss  der  Redaction 
der  'Ap/aioXoyt/.ri  'E-fT]ji.£pl?  die  in  dieser  mitgetheilte  Zeichnung  in  verkleiner- 
tem Maasstabe  wiederholt  ist.  Von  dem  Relief  ist  neuerdings  noch  ein  klei- 
nes Fragment,  einen  Schlangcnkopf  darstellend,  aufgefunden  worden.  Die 
an  der  gleichen  Stelle  gefundenen  Archilekturfragmentc  harren  noch  der 
technis(h(>n  Untersuchung. Als  Länge  des  linken  Flügels  des  Reliefs  hat  man 
2,899'°,  als  die  des  rechten  2,91'"  berechnet;  doch  ist  die  Ungleichheit  bei 
dem  Zustande  der  Stücke  und  dem  unsicheren  Materiale  nicht  auHällig.  Als 
Gesammlläiige  ergeben  sich  8,80'".  als  grössle  Höhe  0,79,  als  Steigungswin- 
kel 7,4«.  Über  ein  für  sich  stehendes  l'^ragmcnt  vgl.  Excurs  I.  an  Ende  von 
Abschnitt  III. 


238  GIEBELRELIEF   VON    DER    AKROPOLIS 

schlössen  werden  möchten.  Die  fol^^enden  Zeilen  beanspru- 
chen demji'emäss  auch  nicht,  erschöpfend  und  nach  allen  Sei- 
ten hin  das  Thema  zu  behandeln,  sondern  solh-n  vielmehr 
nur  einige  besonders  wichliiie  Punkte  zur  Discussion  bringen. 


Dargestellt    ist,  wie    bekannt,  Herakles'  Kampf  gegen  die 
Hydra.  Der  H'^ld,  nur  im    Panzer  i,  den    Köcher  umgehängt, 
scheint  mit  der  Linken  einen  der  Schlangenköpfe  ergreifen  zu 
wollen,  um  ihn  mit  der  in  der  Rechten  hocherhobenen  Keule 
zu    zerschmettern.    Seine    Feindin,  die  wenigstens  8,  höchst 
wahrscheinlich  9  Köpfe  besass,    nimmt    den    ganzen   rechten 
Flügel    des  Giebels  ein.  Die    Köpfe  sind   zum    grössten  Theil 
Herakles  enlgegengeslreckt,  nur  zwei,  die  schon  von  der  Keule 
getroffen  sind,  sieht  man  gesenkt  und  von  oben.  Die  Mäuler 
sind  weit  geöffnet,  so  dass  die  Zunge  hervorschaut,  der  Un- 
terkiefer ist  mit  einem  Bart  versehen.  Die  in  den  Hälsen  wild 
verschlungenen  Glieder  ordnen  §ich  weiter  hinten  zu  paralle- 
len Windungen,  welche  schliesslich  zu  einem  Leibe  zusam- 
menwachsen. Den  linken  Flügel  dagegen  füllt,  Herakles  zu- 
nächst, sein  Zweigespann,  nach  links  gewendet.  Der  bärtige, 
mit  einem  Wams  bekleidete  lolaos,  der  den  Kopf  dem  Kampfe 
zuwendet,  hält  in    beiden  Händen    die  Zügel  und  betritt  mit 
dem  linken  Bein  den  Wagen.  Beide  Pferde  senken  die  Köpfe; 


'  Peisandros  von  Kameiios,  der  in  der  zweiten  Hälfte  des  siebenten  Jaiir- 
hunderts  blühte,  soll  zuerst  Herakles  mit  der  später  üblichen  L.iwenbaut 
versehen  haben:  \ii].  Kinkel  Epiror um  G  fragme?ita  Ü.  2b0.  Hesiod  srid. 
12-211.  und  die  ällest-n  Darstellungen  zeigen  ihn,  wie  Strabon  XV  688  be- 
nchtel  und  wir  jetzt  durch  die  Monumente  selbst  wissen,  ohne  dieselbe.  Na- 
turlich ist  Peisandros  mit  seinem  Herakleskostüm  ohne  Einfluss  auf  die 
bildende  Kunst  geblieben;  diese  hat  sich  vielmehr  hierin  ebenso,  wie  der 
Rhodier  selbst,  an  Bilder  des  sog.  phönikischen  Herakles  (z.  B.  Perrot-Chi- 
piez,  Phönicie  et  Cfnjpre  S.  577;  aiigoschlüsscn.  Wie  lange  sich  die  ältere 
irachl  in  der  Kunst  gehallen,  wann  zuerst  die  neue  aufgekommen,  wissen 
wir  nicht. 


GIEBELRELIEF   VON  DER   AKROPOLIS  239 

aber  nur  von  dem  des  hinleren  ist  ein  Tlieil  erhallen '.  Deut- 
lich, auch  in  ihren  Kinzelheiten,  ist  die  Zügelrnaschine.  Das 
spitze  Ende  des  Giel)els  iiininit  ein  gewaltiger  Krebs  ein,  der 
leider  stark  zerstört  ist:  Gillieron  hat  ihm  in  der  Ergänzunur 
auf  Grund  der  gleichen  Dai'stellung  auf  Vasen  die  Form  eines 
Taschenkrebses  gegeben. 

In  die  Augen  fällt  bei  dem  Relief  vor  allem  die  vveilge- 
hende  ßernalung  und  ihi-  Princip. —  Bei  sämmtlichen,  an  ei- 
nem Tempel  befindlichen  Skulpturen,  die  man  bisher  kannte, 
fand  sich,  soweit  überhaupt  Farbe  constatirt  werden  konnte", 
der  Grund  dunkel,  und  zwar  entweder  rolh  oder  blau  be- 
malt. Jene  Farbe  war  verwendet  bei  den  Metopen  von  Seli- 
nunt,  sowohl  den  ältesten,  als  den  jüngsten '\  diese  dagegen 
beim  Giebel  des  megarischen  Schatzhauses  und  den  anderen 
gleichzeitigen  Reliefs  aus  Mergvikalk  in  Olympia,  beim  Athe- 
natempel  zu  Aigina,  dem  Harpyienmonument,  dem  Theseion- 


'  Dass  der  Kopf  dem  hinleren  Pferde  angehört,  ergiebl  sich  daraus,  dass 
derselbe  abgesehen  von  den  rothen  Nüstern  ebenso  unbenialt  ist,  wie  der 
sonstige  Körper  desselben.  Gillieron  hat  ihn  zu  weil  rechts  geslelll;  so 
könnte  nur  der  Kopf  des  vorderen  Pferdes  zu  stehen  l^omnien. 

2  Beim  Parthenon  z.  B.  ist  dies  leider  nicht  möglich;  die  Farbspuren 
müssen  doch  zu  gering  gewesen  sein,  wenn  sie  bald  als  rolh,  bald  als  blau 
erkannt  sind;  vgl.  Michaelis  Parthenon  S.  125. 

3  Übrigens  auch  beim  Grunde  der  «tele  des  ArisUon  und  dem  bemallen 
Stelenfragment,  welches  Löschcke  Millh.IV  Taf.  II  2  veröHenllichl  hat, vgl 
ferner  Milchhöfer  ebend.  V  ö.  190  11'.  No.  2.  8.  Löschcke  nimmt  auf  Grund 
dieser  Darstellungen  das  Gleiche  für  die  Lyseasslele  in  An.spruch.— Auf 
einem  noch  strengen,  vermuthlich  altischen  P'lachrelief  im  Neapler  Museum 
fand  ich  in  der  Verliefung  des  Conlurs  zahlreiche  Spuren  von  rolh;  dar- 
gestellt ist  hier  ein  fast  nackter  Reiter  auf  einem  nach  links  sprengenden 
Pferd;  von  seiner  lechten  Schuller  llalterl  eine  Chlamys  lang  herab.  Seine 
zerstörte  Linke  lag  auf  dem  gleichfalls  abgebrochenen  Kopf  des  Pferdes, 
ohne  Zweifel  um  ihm  einen  Kranz  aufzulegen  (vgl.  darüber  Löschcke  a.  a.  o! 
S.  292  neb.-,!  Beilage  und  Taf.  IV  );  die  Kechte  hält  senkrecht  eine  Lanze. 
Der  Kopf  des  Iteiters  fehlt.  Beine  flösse  und  Arme  desselben,  sowie  die 
Hufe  des  Pferdes  sind  unnatürlich  laug;  sonst  ist  jedoch  die  Arbeil  gut.  Die 
Slosslläche  ist  nur  unten  erhallen;  die  grösste  Breite  beträgt  0,27"',  die 
grösste  Höhe  0,245™.  Den  Marmor  konnte  ich  nicht  genau  beslimm'en.wahr- 
scheinlich  ist  es  penlelischer. 


240  GlEBELRIiLlEF   VON    DER    AKROPOLIS 

tries;  dazu  kommt  das  cärelaner  Giebelakrolerion  in  Berlin 
mit  Eos  und  KepJialos  (vii;l.  Furtwängler  Archäol.  Zeitung 
1882  S.  353  Anm.  74,  Taf.  15),  welches  gleichfalls  blau  im 

im  Grunde  hat^  Abwechselnd  blau  und  roth  scheint  bei  den 
Metopen  des  Zeuslempels  zu  Olympia  verwendet  zu  sein; 
blau  fand  sich  beider  Stier-,  roth  bei  der  Hydrametope  (vgl. 
Bötticher  Olympia  S.  299),  welche  beide  der  westlichen  Seite 
des  Tempels  angehören.  Beim  Fries  des  Erechtheions  ferner 
hoben  sich  die  weissen  Marmorliguren  hell  von  dem  schwar- 
zen eleusinischen  Kalkstein  ab,  der  den  Hintergrund  bildete. 
Wenn  uns  daher  auch  bei  anderen  architektonischen  Skulp- 
turen sichere  Angaben  in  dieser  Beziehung  tehlen,so  ist  doch 
für  alle  diese  mit  grösster  Wahrscheinlichkeit  vorauszusetzen, 
dass  sie  jenem  Princip  der  Bemalung  folgten,  welches  die 
hellen  Figuren  in  Gegensatz  stellte  zum  dunklen  Hinter- 
grund. Nur  die  Schlussfolgerung,  die  man  vielleicht  gemacht 
hat,  dies  Verhältniss  des  Beliefs  zum  Grunde  wäre  bei  Skulp- 
turen jener  Gattung  von  Anbeginn  an  die  Hegel  gewesen, 
würde  sich  angesichts  des  Akropolisreliefs  als  irrig  erweisen. 
Denn  hier  hat  man  auf  dem  Grunde  keine  Spur  von  Farbe  ge- 
funden; er  hat  also  stets  seine  natürliche,  hellbräunliche  Fär- 
bung besessen.  Dagegen  sind  fast  alle  Belieftheile  kolorirt 
und  zwar  in  sehr  naturalistischer  Weise,  so  dass  keineswegs 
nur  im  Allgemeinen  der  Gegensatz  der  einzelnen  Farben  in 
der  Natur  angedeutet  werden  soll,  wie  dies  Brunn  z.  B.  fiir 
die  Aegineten  nachweist  (Glyptothek  S.72).  So  sind  beim  He- 
rakles und  lolaos  alle  nacklen  Parthieen  mit  Fleischfarbe 
überzogen,  während  man  Theile,  die  schon  in  der  Natur  eine 
dem  Ton  des  Steines  ähnliche  Färbung  haben,  wie  der  Pan- 


'  Im  Ccntralmuseurn  zu  Athen  beliiidet  sich  ein  gleichbehanclelles,  spä- 
tes (wohl  römisches)  ürabrelief  (breit  0,4475'",  hoch  0,935'")  von  Anten  und 
Giebel  eingefassl,  mit  der  Darstellung  eines  Mädchens  von  vorn  ;  dasselbe 
trägt  Chiton  mit  Brustbändern  und  Mantel,  und  hält  in  der  gesenkten  Rech- 
ten eine  Ente.  Blau  bemeikle  ich  ausser  im  Grunde  am  Aiitenkapitäl;  roth 
sind  dagegen  das  Haar  und  die  Schuhe.  Auf  dem  Archilrav  steht  XOPHDS 
XOPHfinNOi.  Bei  Sj-bel  ist  es  noch  nicht  verzeichnet. 


GIEBELRELIEF   VON   DER    AKROPOLIS  541 

zer  und  die  Keulo  des  Ilerakics,  das  Gewand  des  lolaos,  der 
Waiden  «grossen llieils  und  das  liinlere  IMerd  unbemalt  blieben. 
Im  übiiiirn  isl  bei  dem  xordeien  Pferde,  bei  IJaar  ßart  und 
Augen  des  b)laos  — bei  IJerakles  febll  der  Kopf  bis  aid"  einen 
kleinen  Kest  des  gleielifalls  seliwarzen  Bartes — ,  sowie  iheil- 
weise  bei  den  Windungen  der  Hydra  sebwarz,  bei  den  Köpfen 
und  JJälscn  der  leLzlereii  liellgriin  angebraelit;  rolli  sind  die 
Zügel,  der  VVagenrand,  das  Küclierband  des  Herakles  und  das 
Maul  der  Scblangenköpfe;  ibre  Zungen,  die  bei  der  bröckli- 
clien  Natur  des  Steines  zu  stark  liätten  ausfallen  müssen,  sind 
vertieft  dari>;estellt  und  sebwaiz  bemalt.  Dort,  wo  die  einzel- 
nen  Scblangenleiber  zu  einem  JUindel  paralleler  Windungen 
zusammenwachsen,  siebt  man  mebrfaeb  einen  Wechsel  zwi- 
schen schwarz  und  Grundton,  der  nur  bei  einzelnen  Frag- 
menten fehlt,  welche  wohl  zerstörenden  Einflüssen  stark  aus- 
gesetzt waren  und  daher  jetzt  ganz  farblos  sind.  Die  verschie- 
dene Färbung  hatte  vermuthlich  den  Zweck,  das  Gewirr  der 
Schangenleiber  etwas  zu  mildern. 

Der  Künstler  war  also  bestrebt,  das  Relief  sich  dunkel  von 
dem  helleren  Grunde  abheben  zu  lassen,  oder  er  betrachtete 
vielmehr,  wenn  man  die  Sache  scharf  fasst,  den  Grund  als 
eine  durchaus  neutrale  Fläche,  die  nicht  in  principiellem  Ge- 
gensatz zum  Bilde  steht,  wie  dies  später  der  Fall  ist,  sondern 
nur  das  Material  repräsentirt,  auf  dem  sich  das  Relief,  resp. 
die  Malerei  behndet^  An  einem  Relief,  welches  den  Giebel 
eines  Tempels  schmückte,  ist  dies  für  uns  neu;  aber  das 
Princip  ist  durchaus  natürlich  und  ging  ursprünglich  durch 
alle  Gattungen  der  bildenden  Kunst,  soweit  sie  hierfür  in  Be- 
tracht kommt. 

Fragen  wir  zuerst,  wie  sich  die  Vasenmalerei,  die  sich  ja 
mit  den  einfachsten  Mitteln  begnügt,  zu  dieser  Frage  stellt. 
Wenn  wir  von  den  primitiven  silhouettenartigen  Figuren  auf 


•  So  isl  ja  z.  B.  das  Weis»  dei  nackten  weiblichen  IvürpcrUicile  tieller, 
als  der  Grund  und  das  Gleiclie  ist  bei  einigen  ägjplisclien  Wandgemälden 
der  Fall. 

MITTH.  ü.  ABOH.   INST.  X.  Jß 


242  GIEBELRELIEF   VON   DEH    AKHOPOLIo 

den  Dipylonvasen  absehen,  so  war,  um  eine  Gestalt  darzustel- 
len, nur  der  äussere  ümriss  erforderlich  mit  den  nothwen- 
digsten  Innenlinien  im  Gesicht  für  Auge,  Mund  und  Ohr,  so- 
wie an  den  Stellen,  wo  sich  die  Beine  berühren  und  die 
Arme  den  Körper  kreuzen.  Benutzte  man  hierbei  an  Stelle  ei- 
nes spitzen  Instrumentes  den  Pinsel,  wie  es  bei  der  Vasenma- 
lerei geschah,  so  lag  es  nahe,  nicht  allein  Umrisse,  sondern 
auch  farbig  ausgefüllte  Flächen  zu  geben'.  Da  dies  Princip 
jedoch  mit  der  Innenzeichnung  nicht  recht  harmonirte  — denn 
ein  Aussparen  der  Linien  war  nicht  leicht  —  ,  so  wurde  es 
nur  bei  Gewändern  und  ähnlichen  Theilen  verwendet,  dage- 
gen blieb  der  blosse  Contur  im  Gesicht  und  bei  den  anderen 
nackten  Theilen,  die  in  der  Farbe  mit  jenem  übereinstimmen 
musslen.  Dies  war  um  so  natürlicher  als  die  Farbe  des  hel- 
leren Thons  die  des  Gesichtes  ganz  pass -nd  wiederzugeben 
schien.  Hierher  gehören  die  kyprischen  ii.id  altrhodischen  (z. 
B.  Furtwängler  Berl.  Vasen  295.  290)  Gelasse,  ferner  Vasen 
von  Troia,  Mykenä,  Tiryns,  Melos,  Thera  und  die  des  Aristono- 
phos  {Mon.  d.  Inst.  IX  4).  Später  überträgt  man  das  Ciseliren 
von  der  Metalltechnik  auf  die  Vasenmalerei  (vgl.  Klein  Eu- 
phronios  S.  24  und  Benndorf  Archäol.  Zeitung  1(S(S1  S.  4) 
und  überzieht  nun  auch  die  nackten  Fleischtheile  mit  brauner 
Farbe,  während  man  die  Innenzeithnung  eingravirt;  dies 
lässt  sich  zuerst  bei  der  sog.  protodorischen  Klasse  beobach- 
ten; vgl.  Furtwängler  Archäol.  Zeitung  1883  Taf.  10  Sp- 
155  ff.  und  in  seinem  Vasenkatalog  33ü.  Der  sich  hiermit  er- 
gebende  Gegensatz   zwischen  dem  Grunde  und  dem    ganzen 


<  Übrigens  ist  keineswegs  damit  gesagt,  dass  dies  Verfahren  sich  aus 
dem  anderen  entwickelt  hat;  mit  Recht  sagt  Brunn  Kunst lergeschichte  II 
S.  7:  "  Sehen  wir  doch  auch  schon  hei  ersten  Versuchen  von  Kindern,  dass 
sie  sich  nicht  immer  mit  blossen  äusseren  Umrissen  begnügen,  sondern 
sich  ehensowulil  auch  der  Farbe  zu  silhoueUenartigen  Bildern  bedienen; 
ohne  dass  das  eine  oder  das  andere  nothwendig  als  spätere  Entwicklungs- 
stufe zu  belrachlon  wäre".  Überhaupt  wird  die  ganze  Construction  der  al- 
ten Malerei  bei  Plinius  hinfällig,  wenn  man  bedenkt,  dass  dieselbe  bei  den 
Griechen  ebensowenig  von  den  ersten  Anfängen  an  selbständig  erfunden 
ist,  wie  Architektur  und  Plastik. 


GlKHELliKLlEK    VON    DÜU    AKIlOPOLIS  243 

Bilde  wird  tiiii  ein  Beträchtliches  erhöht  in  der  clialkidisclien 
und  sl'^'.  ullisclien  Vasenmalerei,  welche  beide  sieh  für  ihre 
Figuren  des  seiiönen  schwaizen  Firnisses  bedienen  und  die 
Innenzeichnunjjj  wieder  durch  Bilzlinien  herstellen.  Durch 
jene  Neuei'ung  i^ewinnen  die  Gefässe  unzweifelhaft  ein  i^iiin- 
zenderes  Aussehen,  enifernen  sich  aber  mit  ihren  wunderba- 
ren schwarzen  Gestalten  selir  weit  von  der  Natur,  welche  von 
den  älteren  Gallungen  trotz  deren  beschränkteren  Mitteln  ver- 
hältnissmässig  getreu  wiedergegeben  wurde  (vgl.  Excurs  II); 
ziemlich  für  sich  steht  der  Teller  von  Kameiros  mit  dem 
Zweikauipr  zwischen  Hektor  und  Menelaos  über  Euphorbos 
Leiche  (Salztnann,  Necropolc  de  Camiros  Taf.  5'>);  zu  Grunde 
liegt  hier  eine  Cmrisszeichnung  von  brauner  Farbe,  welche 
letztere  in  verschiedenen  Slücken  auch  fiii'  WafTenstücke  und 
ürnamenle  benutzt  ist;  roth  sind  einzelne  Theile  an  der  Ge- 
wandung und  IVüstung;  auffallend  ist  aber  vor  allem,  dass 
sämmlliche  nackten  Theile  innerhalb  des  braunen  Umrisses 
mit  rosa  Fleischfarbe  iiberzosen  sind. —  In  ähnlicher  Weise 
ist  auf  dem  korinthischen  l^inax  387  zu  Berlin  das  Gesicht 
Poseidons  mit  schwarzem  Firnisscontur  umrissen,  das  Innere 
mit  hellrollier  Fleischlarbe  ausgefüllt.  Offenbar  lehnen  sich 
beide  Bilder  sehr  eng  an  den  Gebrauch  der  monumentalen 
Malerei  resp.  Reliefplastik  an,  vgl.  auch  Pinax  393.  Aber 
trotz  der  grossen  Unterschiede  haben  alle  diese  Vasengattun- 
gen das  Gemeinsame,  dass  sie  dem  Grund  seine  natürliche 
Färbung  lassen^,  dahingegen  die  Darstellung  selbst  durch 
meist  dunklere  Farbe  vom  Grunde  sich  abheben  lassen. 

Die  gleiche  Farbenverlheilung  tritt  uns  dann  bei  den  älte- 
ren Wandgemälden  ^  so  denen  aus  Paestum  in  Neapel  und 
den  etruskischen,  im  Unterschied  von  der  pompejanischen 
Malerei  entgegen;  der  LJmriss  ist  mit  dem  Pinsel  gezogen,  die 
Fläche  farbig  gefüllt,  aber  der  Grund  hell  gelassen  ;  ebenfalls 
sind  die  weiblichen  Körpertheile,  wie  dies  auch  bei  einzelnen 


'  Bekaniillicli  isl  das  Gleiche  scliou  (lurelij;;tuj;ig  auf  ägyplisclicii  Warul- 
gemälden  der  I-'all.  Ul)er  die  allatlisclie  l)enialte  Siele  in  Berlin  vt,'l.  u. 


244  GIEßELRELIEF   VüN   DER   AKRüPOLIS 

Vasen  geschieht  (vgl.  Exciirs  II),  farblos  geblieben'.  Diesen 
Wandbildern  sehliessen  sich  enger,  als  den  übrigen  Vasen, 
die  polychromen  atiischen  Lekylhoi  mit  iliren  buhten  Figuren 
und  weissem  Grunde  an,  wie  die  Berliner  Gefässe  2684.2685 
Furtvv. —  Und  wiederum  dieselbe  Polychromie  findet  sich  bei 
den  bemalten  cäretaner  Terrakotlatafeln  in  Berlin,  besonders 
dem  Archäol.  Zeitung  1872  Taf.  68  publicirten  Fragment;  der 
Grund  und  das  von  bi-aunem  Contur  umgebene  Fleisch  der 
beiden  Frauen — dass  es  zwei  sind, sah  Curtius  a.a.O.S.97  Anm. 
5  richtig — , blieb  hell, die  Lippen  sindroth,  Pupille  schwarz, das 
Fleisch  des  Mannes,  der  Vogelleib,  Gewand  und  Halskette  der 
Frau  hellbraun. Hier  müssen  auch  die  Mon.  deinnst.XlTathS  f. 
publicirten  und  Annali  1883  S.168  tV.  von  Puchstein  und  Hu- 
mann besprochenen  bemalten  TerrakoKasaikophage  aus  Kla- 
zomenai  erwähnt  werden,  die  in  der  Art  ihrer  Decoralion  sich 
eng  mit  den  archaischen  Vasen  berühren.  Die  Figuren  sind 
nämlich  bei  dem  älteren  Exemplar  auf  weissem  Grunde  mit 
gelblichen  Linien  umrissen  und  mit  röthlicher  Farbe  ohne  An- 
wendung von  Innenlinien  gefüllt  (nur  bji  d^^n  beiden  Bri- 
sten von  behelmten  Männern  und  von  Thieren  ist  Umrisszeich- 
nung verwendet,  vgl.  auch  den  S.  168  beschriebenen  Sarko- 
phag aus  Kamiros);    auf  dem   jüngeren   ohne  vorherige  Um- 


<  Ganz  für  sich  steht  das  uralte  Bild  vom  Palast  zu  Tiryns,  welches  einen 
Gaukler  auf  einem  Stier  darstellt.  Hier  ist  nämlich  zuerst  der  Stier  mit  ro- 
ther Farbe  gemalt,  dann  der  Grund  blau  ausffofülll  und  auf  diesen  der  Mann 
weiss  aufgetragen,  vgl.  einstweilen  v  Hhoiien  in  Haunieisters  Denkmälern 
des  klassischen  Alterthums  II  S.852.  Dass  hier  das  oben  besprochene  Princip 
vom  Gegensalz  der  hellen  P'iguren  zum  dunklen  Grunde  klar  ausgesprochen 
ist,  möchte  ich  bezweifeln,  da  in  der  allen  orientalischen  Kunst,  besonders 
in  der  ägyptischen  das  praktische  Bedürfniss  nach  demselben,  soweit  ich 
sehe,  gefehlt  hat.  Ich  glaube  vielmehr,  dass  das  Bild,  welches  sich  hinsicht- 
lich der  Grösse  mit  den  im  Text  behandelten  Grabgemälden  gar  nicht  ver- 
gleichen lässt,  nicht  selbständige  Bedeutung  bei  der  Dekoration  der  Wand 
gehabt  hat,  sondern  nebensächlich  verwendet  war  und  sich  desshalb  im 
Grundton  nach  seiner  Umgebung  richten  musste.  Übrigens  besteht  nicht 
der  geringste  innere  Zusammenhang  zwischen  diesem  Bilde  und  der  späte- 
ren griechischen  Malerei,  sundern  es  weist  dasselbe  auch  in  der  vollende- 
ten Durchführung  lediglich  auf  den  Orient. 


GIEBELRELIEF   VON    DER    AKROPOLIS  245 

risszeichniing  einfach  als  Silhouetten  mit  schwarzem  Firniss 
gleichfalls  auf  weissen  Grunde  hinii^emalt.  Besonders  die  letz- 
tere Art  der  Bemaliino-   ist,  z.  li.  auch  liinsichliieh  der  Aus- 
führung-, identisch  mit  der,  welche  die  letzten  Exemplare  der 
sfg.  Vasen- Gattung  aufweisen,  wie  sie  besonders  in  der  Va- 
sensamnilung  zu  Alhen  so  häufig  sind.  Denn  mit  Recht  stellt 
es   Puchstein   a.  a.  ().  S.   171  als  das  wahrscheinlichste  hin, 
dass  niemals  auf  den  beiden  Sarkophagen  etwas  anderes,  als 
die  noch  jetzt  vorhandenen  Silhouetten  existirt  haben.  Daher 
hat  die   figürliche  Decoration   dieser  Sarkophage  nicht   selb- 
ständigen VVerlh  und  schliesst  sich  ebenso  eng  an  die  Vasen- 
malerei, als    das  oben    erwähn le  Terrakottafragment   an    die 
Wandmalerei,  ^uv  hei  dem  S.  178  I\o.  G  beschriebenen  Sar- 
kophag wird  polychrome  Malerei  angegeben;  andere  No.  5  a 
und  7  haben  die   Innenzeichnung  eingeritzt.  Die   polychrome 
Behandlung  des  Beliefs,  soweit  dasselbe  nicht  an  architekto- 
nisch bedeutsamer  Stelle  sich  befand  — in  diesem  Falle  war, 
wie  wM'r  sahen,  der  Grund   regelmässig  dunkel  gehalten—, 
ist  nur  selten  festzustellen,  da  die  Farben  meist  völlig  verbli- 
chen sind.  Doch  zeigt  das  Relief  von  der  Akropolis,  grade  in 
seinem    Gegensatz  zu  allen   späteren   Giebelsciilpturen,  sowie 
der  durchgehende  Gebrauch   aller  Gattungen  der  Malerei  in 
älterer  Zeit,  dass  ursprünglich  auch  das  Relief,  das  noch  dazu 
in  gewissem  Sinne  nur  ein  besonderer  Zweig  der  Malerei  ist, 
den    Grund    unbemalt  liess.  Wodurch  erklärt    sich    nun   der 
völlige  Umschwung  dieses  Princips,  der  fast  auf  allen  Gebie- 
ten eintritt,  nirgends  aber  sich   so  aufdrängt,  als  bei  der  Va- 
senmalerei?  Es  wird  gut  sein,  die  Frage  zunächst  auf  dieses 
Gebiet  zu  beschränken,  da   man  hier  bereits  den  Versuch  ge- 
macht hat,  dieselbe  zu  lösen.  Löschcke  hat  nämlich  in  seinem 
inhaltreichen    Aufsatz    über  altattische  Grabstelen  (Mitth.  IV 
S.  36  ff.)    unter   ausführlicher   Begründung  die    Vermuthung 
ausgesprochen,  dass  die  rothfigurige  Vasenmalerei  in  der  An- 
ordnung der  Farben  von   den  bemalten  Stelen  abhängig  sei; 
denn  auch   diese  färbten  den   Grund  dunkel  und    liessen  die 
Darstellung  hellfarbig.  Der  Zusammenhang  zwischen  den  bei- 


246  GIEBELRELIEF   VON   DER    AKROPOLIS 

den  iMonumentenklassen  ist,  voran sueselzt,  dass  man  unter 
den  '' bemalten  Stelen "  auch  die  polychromen  Relief- 
stelen versteht,  wohl  zweifellos;  aber  dass  an  eine  vollstän- 
dige Abhängigkeit  der  Vasen  von  den  Stelen  zu  denken  ist, 
kann  noch  nicht  für  erwiesen  geltend  Und  angenommen, 
sie  hätte  bestanden  ,    so  wäre  die   Lösuno;  der   eigentlichen 

'  Co 

Frage,  auf  die  es  uns  hier  ankommt,  doch  damit  noch  nicht 
gegeben,  sondern  nur  weiter  hinausgeschoben.  Wie  kommt 
es,  so  fragen  wir  weiter,  dass  die  altattischen  Grabstelen,  so- 
wohl die  nur  bemalten,  als  die  skulpirten  und  dann  gefärb- 
ten, im  Gegen satze  zu  anderen  Monumentengattungen  ihre 
Farben  vertheilen?  In  der  Technik  selbst  scheint  der  Grund 
nicht  zu  liegen.  Auch  fügen  sich  nicht  alle  Stelen  diesem  Ge- 
setze. So  war  auf  dem  Fragment  einer  einst  polychromen 
Stele  in  Berlin  (Verzeichniss  der  antiken  Sculpturen  des  Ber- 


^  Der  Einwand  freilich,  mit  dem  Franz  Winter  in  seinem  Aufsalz  über 
Vasen  mit  Umrisszeiclinung  Arcliüol.  Zeitung  1885  lieft  3  Lüschckes  Ver- 
mutliung  zu  widerlegen  glaubt  möchte  nicht  stichhaltig  sein.  Er  sagt  "eine 
directe  Abhängigi<.eit  würde  nur  dann  wahrscheinlich  sein,  wenn  die  Va- 
sen, aufweichen  die  rothligurige  Technilv  zum  ersten  Male  angewendet  ist, 
noch  unter  dem  frischen  Eindruck  einer  neuen  Ertindung  entstanden  wä- 
ren". Derartige  radicale  Aenderungen  können  wubl  sprungweise  vor  sich 
gehen,  aber  dann  ist  für  die  allmähliche  innere  Umbildung  eine  längere 
Zeit  der  Entwicklung  anzusetzen.  Das  Piincip  der  Bemalung  musste  sich 
erst  auf  dem  betrelTenden  Gebiet  bewähren  und  das  Auge  sich  soweit  daran 
gewöhnen,  dass  es  dasselbe  auch  sonst  angewandt  sehen  wollte.  Ebenso  sind 
die  Nachbildungen  der  Partlienonhildwerke  auf  Vasen  (z.  13.  die  Verfolgung 
Helenas  i/Ms.  Gregoriano  II  Taf.  .5,  2",  die  Berliner  Vase  2357  mit  der 
Darstellung  des  ü7vo6i6a?£a6at)  erst  geraume  Zeit  nach  Vollendung  des  Baus 
entstanden,  und  lässt  sich  nicht  auch  die  Thatsache  vergleichen,  dass  die 
ersten  Wirkungen  der  Tragödie  auf  die  Vasenmalerei  bedeutend  später  fal- 
len, als  man  glauben  sollte?  —  Noch  weniger  kann  der  Einwurf  Milchhöfers 
Mitth  V  S.165  bestehen  ;  verstehe  ich  ihn  recht,  so  meint  er,  die  dunkle  Fär- 
bung des  Hintergrundes  auf  bemalten  Stelen  sei  nur  ein  Surrogat  für  die 
Schattenwirkungen  des  Reliefs  Aber  die  Relief-Stele  des  Aristion  hat  ja 
gleichfalls  dunklen  Grund. —  Den  Umschwung  der  Vasenmalerei  leitet  üb- 
rigens Klein  keineswegs  nur  aus  inneren  Gesetzen  und  Wandelungen  her; 
die  letzteren  sind  ihm  vielmehr  gegenüber  den  äusseren  Einwirkiuigen 
des  Kimon  von  Kleonä  mit  Recht  nur  begleitende  Momente;  vgl.  Euphro- 
nios  S.  24. 


GTEBELRELIEF    VON    DER    AKROPOMS  '247 

liner  Museums  1885  No.  734;  piibl.  Bull,  de  corr.  hell.  VIII 
Taf.  XIV  und  Archäol.  Zpitnni;  188:>  Heft  3)  der  jetzt  zer- 
fressene Grund  nicht  mit  Farbe  l)edeckt,\välirend  das  Gesiclit 
eben  diinli  den  schützenden  Ueberziig  gut  conservirt  ist.  l  nd 
dieses  Verhältniss  scheint  später  sogar  wieder  die  Regel  ge- 
worden zu  sein;  vgl.  Milchhöfer  Mitth.VS.  188  ff. Wir  müs- 
sen also  schliessen,  dass  ähnlich,  wie  bei  der  rfg.  Vasenma- 
lerei, auch  bei  der  Stelenmalerei  ein  äusserer  Einfluss  mass- 
gebend gewesen  sei. 

Noch  auf  einem  dritten  Gebiete  sahen  wir  einen  plötzlichen 
Umschlag  in  der  Polychromie.  Das  Relief  von  der  Akropolis 
besass  farblosen  Grund,  alle  übrigen  Tempelsculpturen  dun- 
kel gefärbten.  Wir  werden  im  Folgenden  sehen,  wodurch 
hier  eine  Veränderung  veranlasst  war ;  im  Augenblick  ge- 
nügt es,  dieselbe  zu  constatiren  und  zu  bemerken,  dass  sie 
hier  offenbar  früher  erfolgt  ist,  als  bei  den  anderen  Monu- 
mentenklassen;  denn  der  meo;arische  Giebel  und  die  selinun- 
tischen  Metopen,  welche  bereits  das  neue  Princip  befolgen, 
reichen  ja  in  bedeutend  höhere  Zeit,  als  Stelen  und  Vasen  mit 
dunklem  Grunde.  Dass  zweimal  selbständig  jene  Aende- 
rung  vorgenommen  ist,  ist  um  so  weniger  wahrscheinlich, 
als  wir  in  dem  einen  Fall  vergeblich  nach  einem  inneren  Be- 
weo;2;runde  suchten  und  einen  äusseren  annehmen  musslen. 
Ich  halte  es  für  das  sicherste  Ergebniss  dieser  Untersuchung, 
dass  bei  den  Tempelsculpturen  zuerst  der  erfolgreiche  Ver- 
such gemacht  wurde,  den  Grund  dunkel  zu  färben,  und  dass 
seitdem  diese  neue  Erfindung  nicht  allein  auf  dem  beschränk- 
ten  Gebiet,  wo  sie  gemacht  wurde,  die  weiteste  Verbreitung;, 
sondern  auf  allen  anderen  Gebiet^'n  bald  Nachahmung  fand. 
Der  grosse  Kontrast,  in  welchem  erst  jetzt  die  helleren  Mar- 
mor-Figuren zum  dunklen  FJintero;rund  traten,  die  Schärfe 
und  Deutlichkeit  des  äusseren  Conturs  derselben  fielen  so 
sehr  in  rlie  Augen  und  predigten  so  handgreiflich  die  Vor- 
iheile  des  neuen  Princips,  dass  die  weitgehendsten  Wirkun- 
gen nicht  ausbleiben  konnten.  Ich  leugnete  oben  nicht  den 
Zusammenhang  zwischen  den  Stelen  und  den  Yasenbildern ; 


248  GIEBELRELIEF   VON    DER   AKROPOLIS 

ich  halte  es  vielmehr  für  gewiss,  dass  die  polychrome  Aen- 
derung  zuerst  bei  den  Stelen  befolgt  wurde  und  dass  dieser 
Vorsrano-  nicht  ohne  Bedeutuns;  für  die  Vasenmalerei  ijoltlie- 
ben  ist;  aber  im  Grunde  haben  beide  Gattungen  der  bilden- 
den Kunst  hierin  dasselbe  Vorbild  gehabt'.  Indessen  ha- 
ben noch  andere  Momente  bei  Stelen  und  Vasen  die  neue  Ge- 
wohnheit beeinflusst.  In  früherer  Zeit  hatte  man  Holz  oder 
o;ewühnlichere  Steinsorten  verwendet,  welche  ijanz  mit  Farbe 
überzogen  werden  mussten.  Die  Oberfläche  des  Marmors  da- 
gegen, welcher  sich  von  den  Inseln  her  überallhin  verbreitet 


'  Klein  (Euphrunios  S.  24  f.)  und  1^'ranz  Winter  a.  a  O.  führen  die  Neu- 
erung der  Vasen  auf  den  Maler  Kimon  von  Kleonä  zurück.  In  der  bekann- 
ten Pliniusstelle  über  denselben  Natur,  hist.  35,  56:  hie  catagrapha  inveaü, 
hoc  est  obliquas  imagines,  ei  varie  formare  voltus,  respicientis,  suspicientisve 
vel  despicienti.s  etc.  deutet  IClein  abweichend  vun  Plinius  Übersetzung  den 
Ausdruck  •/.aiaypa-.pr]  als  Umrisszeichnung;  er  glaubt  Kinion  hätte  an  die 
Stelle  der  alten,  noch  durch  Euraaros  vertretenen  Silhouettenzeichnung  die 
Umrisszeichnung  treten  lassen,  auf  der  ja  auch  die  rfg.  Vasenmalerei  im 
Grunde  beruhe-  Im  Gegensatz  zu  Klein  fasst  Winter  richtig  das  catagrapha 
mit  Plinius  als  Profil,  und  nimmt  an,  dass  man  invenit,  wie  in  so  vielen 
Fällen  bei  Plinius,  nicht  wörtlich  auffassen  dürfe.  Aber  er  scheint  der  Mei- 
nung zu  sein,  dass  vor  Kimon  die  Figuren  in  der  monumentalen  Malerei 
so  silhouettenartig  und  dunkel  gewesen  sind,  wie  auf  den  Vasen,  und  dass 
Kimon  zuerst  das  Verhältniss  der  hellen  Figuren  zum  dunklen  Grunde  ein- 
geführt hat,  und  darin  irrt  Winter.  Die  Maler  haben  von  Anfang  an  dar- 
nach gestrebt,  ihre  Figuren  auch  in  der  Farbe  soweit  als  irgend  möglich  mit 
der  Natur  übereinstimmen  zu  lassen;  dies  erkennen  wir  schon  bei  den  alt- 
ägyptischen Gemälden,  und  dass  das  Gleiche  in  Griechenland  der  Fall  war, 
zeigt  das  Akropolisrelief  sowie  die  S.244  erwähnten  Vasenbilder  mit  inreih- 
chender  Deutlichkeit.  Die  sfg.  Vasenbilder  sind  nur  ihrem  schönen  Firniss 
zu  Liebe  hiervon  abgegangen.  Ferner  ist  oben  gezeigt,  dass  auch  noch  in 
den  älteren  Wandgemälden,  die  aber  doch  erheblich  jünger  sind,  als  Ki- 
mon, der  Grund  als  neutrale  Unterlage  der  Malerei  betrachtet  wurde;  dies 
wird  bei  Kimon  und  noch  geraume  Zeil  nach  ihm  nicht  anders  gewesen 
sein. —  Auch  finde  ich  in  der  Pliniusstelle  einen  Gegensatz  des  Kimon 
zu  Eumaros,  den  Winter  aufstellt,  nicht  heraus;  im  Gegentheil  heissl  es, 
Kimon  hätte  die  Erfindungen  des  Eumaros  weiter  ausgebildet — Dass  Ki- 
mon mit  seiner  sauberen,  eingehenden  Ausführung  der  Einzelheiten,  mit 
seiner  Fähigkeit,  dem  wechselnden  Gesichtsausdruck  gerecht  zu  werden, 
auf  die  rfg.  Vasenmalerei  einen  starken  Einfluss  ausgeübt  hat,  bleibt  nichts 
desto  weniger  in  vollem  Umfang  bestehen. 


r.IliBELHEIJKF    VON    DEIt    AKHOl'OMS  240 

hatte,  dann  in  den  verschiedenen  Landschal'tcn  selbst  {gewon- 
nen wurde,  war  so  seliön,  glänzend  und  i;latt,  dass  es  tliö- 
richl  gewesen  wäre,  sie  mit  einer  F.irhkrnste  zu  verdecken 
und  dass  man  daher  bald  zu  AhKniiiuiicn  durch  Beizen  seine 
Zuflucht  nahm.  In  diesem  FaHe  aber  konnte  sicdi  bei  den  Ste- 
len das  Gesicht  und  alle  nackten  Theile,  soweit  sie  direkt  auf 
dem  Grunde  standen,  nicht  genügend  abheben;  schon  dess- 
halb  war  es  hier  von  Vorlheii,  den  (irund  dnidad  zu  färben. 
Ftir  die  VasiMi  andrerseits  fiiiirl  klein  (i'jiplii'onios  S.17)  aus, 
dass  die  Sitte,  einen  grossen  Theil  des  Gelasses  mit  Firniss  zu 
bemalen,  und  die  frühe  Füllung  der  Schaleninnern  mit  dem 
wesentlich  ihongrundigen  Gorgoneion  (vgl.  Puchstein  Ar- 
chäol.  Zeitung  1881  Sp.  245)  die  Einfidirung  rother  Figuren 
wesentlich  erleicherte;  auch  mag  das  Lnnatürliclie,  das  in  der 
schwarzen  Hautfarbe  der  Männer  lag,  nicht  weni"-  dazu  bei- 
getragen  hab^n '.  Es  ist  möglich,  dass  man  damals  auch  im 
Marmor  noch  das  Fleisch  von  Mann  und  Weib  durch  Nuance 
in  der  Färbung  unterschieden  hat^;  aber  der  Unterschied 
konnte  kein  grosser  mehr  sein  und  mussle  z.  B,  bei  den  hoch 
gestellten  Tempelsculpturen  faktisch  fortfallen.  Ueberhaupt 
wird  der  Kontrast  des  hellen  Marmors  und  des  dunklen  Hin- 
tergrundes so  stark  gewesen  sein,  dass  andere  Farben,  z.  B. 
an  Gewandstücken,  die  vielleicht  auch  nur  massig  angebracht 


'  Man  liatle  t'nilier  versuclit,  sicli  auch  auf  andere  Weise  zu  helfen;  da- 
J)iii  gcliörl  die  I'ülluiig  des  inäniiliclien  Gcsiclites  mit  duulvelrolti,  wie  auf 
verscliiedenen  Jvorialliisclicii  Piiiaives  zu  Berlin  (bei  Furiwängler  347.  368. 
370  u.  s.  w.)  und  kuriulliischen  Gelassen,  z.  B.  dem  Kraler  im  Museo  Gregu- 
riano  II  Taf.  23,  1,  ferner  auf  der  im  Excurs  II  besproclienen  Mydria  125 
in  München,  dem  attischen  Gefäss  von  Aigina  in  Berlin  682  (publ.  vun 
Furlwäng'ler  Arcliäul.  Zeitung  1882  Taf.  lü).  In  tier  Sammlung  Bourguignon 
in  Neapel  belindcl  sich  das  Fragment  einer  scliöncn  sfg.  N'ase  atlisclien 
Stiles  mit  der  Darslellung  einer  Göllerprocession,  hier  liat  der  unbärlige 
Apollon  ein  vullsländig  mit  rolhbraun  überzogenes  Gesicht.  Die  Beispiele 
Hessen  sich  leicht  vermehren. 

2  Dass  es  überhaupt  bei  Temi)elsculpturen  gescliah.  zeigen  die  späteren 
selinuntischen  Metopen  ,  bei  denen  die  unbekleideten  Kurpertheile  der 
Frauen  im  Gegensatz  zu  den  anderen  Figuren  aus  Marmor  hergestellt  sind. 


250  GIEBELRELIEF  VON   DER   AKROPOLIS 

waren, mehr  verschwanden  und  der  Hanpteindruck  auf  der 
Doppelfarbiijkeit  beruhte.  Ich  möchte  vermuthen,  dass  da- 
durch die  gleiche  F^rschcinung  rothfiguriger  Vasen  nicht  un- 
wesentlich beeinttusst  wurde. 


II. 


Das  Äkropolisrelief  ermöglicht  uns  einen  weiten  (Jeberblick 
über  die  allmähliche  Entwicklung  der  Tempelsculpturen,  vor 
allem  der  sculpirten  Giebelfelder.  Wir  lernen  durch  dasselbe, 
dass  man  für  diesen  verhältnissmässig  spät  entstandenen 
Theil  des  dorischen  Tempels  (s.  unten),  wie  natürlich,  nicht 
eine  £;anz  neue  Art  von  Verzieruno;  erfunden,  sondern  einfach 
das  Relief,  das  bereits  anderweitig  ausoebildet  war,  auf  den 
Giebel  übertragen  und  hierbei  nur  diejenigen  Aenderungen 
vorgenommen  hat,  welche  der  eng  begränzte  Raum  er- 
heischtet Fast  sieht  es  aus,  als  wenn  das  Akropolisrelief  den 
ersten  Versuch  einer  solchen  Uebertragung  böte;  jedenfalls 
steht  es  demselben  ausserordentUich  nahe.  Denn  in  allem,  in 
der  Composition,  in  der  Vertheilung  der  Figuren,  in  der 
Verwendung  der  Farben  ist  es  ebenso  von  allen  späteren  Gie- 
belfeldern verschieden,  wie  es  mit  gewöhnlichen  Streifenre- 
liefs, friesartiiien  Wandgemälden,  sfg.  Vasenbildern  verwandt 
ist.  Machen  wir  uns  die  wesentlichen  Eioenschaften  archai- 
scher  Giebelsculpturen  klar!  Es  herrscht  bei  ihnen  die  streng- 
ste Symmetrie.  Die  Mitte  des  Giebels  mit  ihrer  grösseren  Höhe 
erfordert  eine  einzelne  Gestalt,  die  wenn  möglich  auch  inner- 
lich die  ganze    Darstellung  beherrscht,  für  gewöhnlich    also 


^  Das  Relief  als  Schmuck  iJes  Giebelfeldes  kann  jetzt  nicht  mehr  als  Sin- 
gularität gelten,  sondern  muss  als  die  erste  Stufe  der  Tympanonsculptur 
gelten.  Führt  nicht  auch  die  eigenthümlich  verdrehte  Fussstellung  der 
Alheua  im  äginetischen  Giebel,  die  auch  auf  der  selinuntischen  Perseus- 
metope,  aber  hier  noch  verdrehter,  vorkommt,  auf  die  Gewohnheit  des  Re- 
liefslils? 


GIEHELHKLIEF    VUX    UKlt    AKHnl>()r,IS  251 

einen  Gott,  wie  ihn  die  äginetisehen  Giebel  und  die  vom 
olympischen  Zeiistempel  haben.  Im  Ge^tmsalz  dazu  sind  in 
den  beiden  Ecken  iijelajjijerte  Fiiiiirei),  bald  Todte  und  Ver- 
wundete, bald  Orts-  und  Fliissgöttei'  angcdjracht.  Die  Sym- 
metrie, die  in  diesen  Eckfiguren  besteht,  erstreckt  sich  dann 
auch  auf  den  übrioren  Raum.  Man  sehe  nur,  wie  "leichmäs- 
sig  jene  oben  ervviilinten  Giebel  disponirt  sind;  im  Oslgiebel 
des  Zeustempeis  ist  das  Gesetz  sogar  zu?ii  langweiligen  Schema 
geworden.  Nicht  weniger  dem  gegebenen  Raum  entsprechend 
ist  aber  auch  das  bislier  älteste  Giebelfeld  vom  Schatzhaus 
der  Megarer  angeordnet.  Nur  war  eine  Mittelfigur  hier  aus- 
geschlossen, da  der  oberste  Gott  selbst  in  den  Kampf  verwi- 
ckelt war;  dafür  trat  eine  Mittelgru  ppe  ein  (Zeus  schlagt  den 
feindlichen  Gigant  zu  Boden),  und  nun  folgen  gleichmässig 
auf  beiden  Seiten  die  anderen  Zweikämpfe :  zuerst  je  eine 
Gruppe  eines  Gottes  (links  Athena,  rechts  Herakles)  und  eines 
rücklings  gestreckten  Feindes,  dann  jederseits  eine  ähnliche 
zweite  Gruppe,  in  welcher  nur  des  engen  Raumes  wegen  der 
siegreiche  Gott  (links  Poseidon,  rechts  Ares)'  vor  seinem  ge- 
fallenen Gegner  niederkniet,  um  diesem  den  Todesstoss  zu 
geben.  Ohne  Zweifel  steht  in  stilistischer  Strenge,  Sorgfalt 
und  Zurückhaltung  dieses  Giebelrelief  hinter  den  jüngeren 
Aegineten,  die  mehr  Schulung  zeigen,  zurück;  aber  man  wird 
dem  Meister  das  Lob  nicht  versao;en  können,  dass  er  mit  üe- 
berlegung  und  mit  Verständniss  für  die  Forderungen  eines 
Tympanon  komponirt  hat;  man  beachte  auch  wie  vortrefflich 
der  gegebene  Raum  mit  Figuren  gefüllt  war. 

Wie  himmelweit  davon  verschieden  ist  das  Akropolisrelief. 
Obgleich  es  nahe  lag,  die  Hauptfigur  in  die  Mitte  zu  rücken, 
befindet  sich  Herakles  fast  mit  seinem  ganzen  Körper  noch 
auf  dem  linken  Flügel;  nur  sein  linker  Arm,  der  Vordertheil 
der  Keule,  die  Zehen  des  linken  Fusses  ragen  über  die  Mittel- 
linie hinaus.  Dei-  gewaltigen  Hydra,  die  den  rechten  Flügel 
so  vollständig  lullt,  dass    kaum  ein    Stückchen   des   Grundes 


Vgl.  über  die  Benennung  der  Figuren  Friederichs- Wolters  No.  294.295, 


252  GIEBELRELIEF  VON   DER  AKROPOLIS 

vorschaiit,  vermögen  die  Figuren  der  anderen  Seite,  die  ver- 
hältnissmässig  nur  wenig  Raum  beanspruchen,  nur  schlecht 
zu  entsprechen.  Indess  n  ist  doch  anzuerkennen,  dass  auch 
dieser  Künstler  nicht  ohne  Nachdenken  an  sein  Werk  gegan- 
gen ist.  Die  Schlange  wird  dem  niedergehenden  Flügel  ganz 
natürlich  angepasst  und  füllt  ihn  auf  das  Beste.  Das  Gleiche 
fand  offenbar  statt  bei  der  äussersten  linken  Ecke,  wo  der 
Krebs  angebracht  war;  gewöhnlich  finden  wir  ihn  in  gröss- 
ler Nähe  des  Herakles,  den  er  bereits  in  das  Bein  beisst  ^  ; 
wenn  er  auf  dem  Giebel  die  Darstellung  links  schliesst,  so 
ist  es  geschehen,  weil  der  Künstler  seine  vortreffliche  Ver- 
wendbarkeit an  dieser  Stelle  einsah  und  erkannte,  dass  er  in 
die  Mitte  der  Scene  nicht  wohl  gerückt  werden  konnte.  Wie 
geschickt  verstand  es  ferner  der  Künstler,  die  Neigung  der 
Pferdeköpfe, welche  gleichfalls  durch  den  Raum  bedingt  war, 
zu  motiviren.  Der  erhaltene  Kopf  schnüffelt  offenbar  an  dem 
langsam  herankriechenden  Krebs,  der  ilim  nicht  "eheuer  vor- 
kommt.  Auch  in  dem  Grössenverhältnisse  des  Herakles,  des 
lolaos  und  der  Pferde  wird  dem  Raum  Rechnung  getragen. — 
Im  übrigen  ist  der  Künstler  durchaus  Herr  des  Reliefstils. 
Alle  Gestalten  sind  normal  im  Sinne  der  Zeit  wiederoreo;eben, 
w^ohl  proportionirt,  mit  massvollen  Bewegungen,  sorgfältig 
und  sauber  ausgeführt.  Die  Härten,  die  sich  in  den  eckis;en 
Zügeln,  den  grade  vertieften  Schlangenzungen  und  sonst  zei- 
gen, fallen  nicht  sowohl  dem  Meister,  als  dem  schlechten  Ma- 
terial zur  Last.  Sonst  erkennt  man  überall  tüchtioe  Schulunaf, 
geschickte  Aneignung  der  überlieferten  Formen,  volle  Beherr- 
schung des  Stilistischen. —Wenn  wir  noch  einmal  eine  Pa- 
rallele ziehen  zwischen  dem  Akropolisrelief  und  dem  mega- 
rischen  Schatzhausgiebel,  so  scheint  es,  als  ob  zwischen  ih- 
nen eine  Zeit  liegt,  in  welcher  man  allmählich  die  Forderun- 
gen eines  Giebelfeldes  erkannt  und  zu  erfüllen  gelernt  hat, 
ohne  den  gewohnten  Basreliefstil  zu  verlassen,  und  dass  der 
megarische   Giebel  zu  den    allerersten  Versuchen   gehört,  die 


•  Vgl.  Berliner  Vase  1854;  Welcker  Alle  Denkm.  III  Taf.  6. 


GIEBELRKLrEF   VON    DER    AKROPOUS  253 

Gestalten  soweit  als  mr)<ilicli  vom  llinler^iiinde  frei  zu  lösen. 
Denn  auf  dem  \\  ej^e  vom  Akropoüsrelief  zu  den  Aeginelen 
musste  das  Hochrelief  als  Lleberi'angssladiuni  berührt  wer- 
den. Ohne  Zweiliil  henilil  das  Fclilerhafle  und  Ungeschickte 
in  dem  megarischen  Tympanon  darauf,  dass  man  noch  nicht 
gewohnt  war,  hoehplaslischo  Figuren  zu  meisseln. —  Zu  dem 
Unterschied  in  der  IJöhc  des  Keliels  kommt  der  bereits  oben 
erwähnte  in  der  Farbengebiing:  auf  dem  attischen  Helief  ist 
der  Grund  farblos,  auf  dem  megarischen  blau. —  Die  Veran- 
lassung zu  dieser  zweifachen  Aenderung  des  Reliefs  und  der 
Farbengebung  lässl  sich  unschwer  erkennen.  Das  Giebelfeld 
eines  Tempels  bietet  der  Sculptur  nicht  durchweg  günstige 
Bedingungen;  das  vorspringende  Dach  wirft  starken  Schatten, 
die  Entfernung  vom  Standpunkt  des  Beschauers  verwischt 
leicht  die  Umrisse  und  erschwert  die  Uebersicht,  sobald  eine 
grössere  Zahl  von  Figuren  erforderlich  ist,  die  (vom  Beschauer 
aus  gerechnet)  nicht  allein  neben,  sondern  auch  hinter  einan- 
der angeordnet  sind.  Das  altische  Giebelfeld  mit  seinen  5,80 
Metern  ursprünglicher  Ausdehnung  wird  nur  bei  einem  klei- 
nen und  niedrigen  Tempel  Anwendung  gefunden  haben.  Die 
gerügten  Uebelstände  aber  ergaben  sich  sofort  bei  einem  grös- 
seren Bauwerk, —  und  sofort  wurde  beiden  abareholfen.  Wie 
das  megarische  Schatzhaus  beweist,  wurde  bereits  in  früher 
Zeit  der  Reliefgrund  dunkel  gefärbt,  und  da  auch  diese  Aen- 
derung nicht  zu  genügen  schien,  bald  darauf  oder  zu  gleicher 
Zeit  —  die  erhaltenen  Monumente  bieten  beide  Neuerungen 
—  das  Relief  erhöht,  so  dass  sich  die  Figuren  in  doppelter  Be- 
ziehung klar  und  deutlich  vom  Grunde  ablösten.  Das  Ghuche 
geschah  eben  so  früh  bei  dem  Apollotempel  zu  Selinunt,  des- 
sen Metopen  ein  starkes  Hochrelief  mit  rothem  Hintergrund 
erhielten  ^  Erst  jetzt  war  es  möglich,  Giebelfelder  und  Meto- 


'  Auch  liier  wird  das  liücksichtslose,  (liol('sk-iinü:e.scliickte.  in  dci'  Dar- 
slellung  dein  noch  unentwickellcii  und  ungewohnlea  Hochrelief  zuzuschrei- 
ben sein.  Dass  die  Melopcn  dem  "Ursprung  des  Ileliefslils"  so  nahe  ste- 
hen, wie  man  allgemein  annimmt,  glaube  ich  nicht.  Das  Flächenartige 
scheint  mir  grade  hier  überwunden  zu  sein;  man  beachte  vor  allein  die 


254  GIEBELRELIEF   VON   DER   AKROPOLIS 

pen  auch  an  hochragenden  Tempeln  mit  Sculpturen  zn  schmü- 
cken, bewegtere  und  beleblere  Composilionen  mit  grosser  Fi- 
gurenzahl zu  verwenden,  so  vor  allem  leidenschaftliche 
Kampfscenen,  die  nun  besonders  beliebt  wurden.  Lange  dau- 
erte es  nicht,  so  that  man  den  weiteren  Scbritl,  die  Figuren 
ganz  frei  hinzustellen  und  so  der  Entwicklung  der  Tympa- 
nonplastik  und  der  Plastik  überhaupt  einen  mächtigen  An- 
stoss  zu  geben. 

Die  Aenderung,  besonders  in  der  Farbengebung,  war  so 
zweckmässig,  dass  sie,  soweit  wir  dies  aus  den  erhaltenen 
Denkmälern  schliessen  dürfen,  bald  in  allen  Landschaften 
Griechenlands,  selbst  bei  kleineren  Gebäuden,  zu  denen  ja 
auch  das  megarische  Schatzhaus  gehört,  Aufnahme  fand  und 
sich  das  Auge  rasch  daran  gewöhnte,  die  Gestallen  vom  dun- 
klen anders  gefärbten  Hintergrund  sich  abheben  zu  sehen.  In 
Athen  fehlen  uns  jelzt  die  iMillelglieder  zwischen  dem  Relief 
auf  der  Akropolis  und  den  grossen  Tempelsculpturen.  Aber 
sie  bestanden  ohne  Zweifel  und  sie  werden  zum  grössten  Theil 
die  neue  Art  der  Bemalung  benutzt  haben.  Dass  die  Neue- 
runij;  in  Athen  zuerst  ijemachl  wurde,  lässt  sich  weder  be- 
iiaupten  noch  verneinen,  aber  sie  ist,  soviel  wir  sehen,  hier 
zuerst  auf  andere  Gebiete  der  Kunst,  auf  Stelen-  und  Vasen- 
malerei übertragen  worden. 

{Fortsetzung  folgt.) 

Braunschvvcii;. 

P.  J.  MEIER. 


Pferde  der  Viergespannmetopo,  die  ducli  entschieden  halbirl  sind.  Auch  die 
Beine  des  Herakles  sind  verhällnissniässig  starlv  gerundet.  Der  Umstand, 
dass  hier  mit  dem  dunlvlen  Hintergrund  eine  Neuerung  benutzt  ist,  die  das 
Aivropolisrelief  noch  nicht  liennt,  muss  uns  vorsichtig  machen,  die  Meto- 
I>en  für  älter  zu  halten,  als  sie  wirklich  sind.  An  das  siebente  Jahrhundert 
möchte  ich  wenigstens  nicht  denken. 


Die    Attische    Hygieia. 

(Ilici/.ii  T.if.  Vin  niid  IX.) 


In  den  letzten  Jahrzehnten  des  fünften  Jahrhunderts  ist  der 
Cultus  des  Asklepios  von  Epidauros  nach  Athen  verpflanzt 
worden.  Ein  älterer  Heilheros  ward  von  dem  Solin  der  ko- 
ronis  verdrängt.  Und  kein  anderer  als  der  Priester  eben  jenes 
Heros  Alkon  war  es  der  den  Asklepios  in  Athen  einführte: 
Sophokles.  Das  hat  neuerdings, wie  mir  scheint  überzeugend, 
Sybel  erschlossen'.  Aber  wenn  dem  Alkon,  als  iNymphe  der 
Heilquelle,  eine  Alkippe  zur  Seite  gestanden  hatte,  so  ist  es, 
zunächst  wenigstens,  nicht  Hygieia  gewesen  welche  die  Stelle 
derselben  einnahm.  Hygieia  ist  nicht,  wie  Sybel  meint,  mit 
Asklepios  vom  Epidaurischen  Hieron  an  den  Südabhang  der 
Akropoiis  übergesiedelt.  Sie  ist  überhaupt  nicht  von  Epidau- 
ros gekommen.  Erst  zu  Pausanias'  Zeit,  so  scheint  es,  ward 
ihr  dort  ein  Tempel  errichtet,  von  dem  Senator  Antoninus, 
dem  späteren  Kaiser.  Ein  erwähnenswertes  ßild  scheint  es  im 
Hieron  auch  damals  noch  nicht  gegeben  zu  haben.  Wol  aber 
gab  es  dort  wie  in  dem  städtischen  Heiligtume  Bilder  der 
E[)ione,  die  zu  Epidauros  als  die  Gemahlin  des  Asklepios,  als 
die  Mutter  der  laso  Panakeia  und  Aigle  galt  2.  Dass  auf  Epi- 
daurischen Weih  in  Schriften  Hygieia  auch  erst  im  zweiten 
Jahrhundert  erscheint  kann  ich  nicht  zum  Beweise  anführen, 
da  alle  bis  jetzt  bekannt  gewordenen  Weihmschriften  der  Kai- 
serzeit angehören.  Dass  sie  abei-  nur  zweimal  erscheint-^,  wüh- 


*  S.  oben  8.  97  f.;  vgl.  den  r]\curs. 

2  Pausanias  II  27,  6  f.  29,  1.  Suidas  u.  'Hiitovr;. 

3  'Eor)[x.  äp/_.  1883  S.  149  II.  40  und  1884  Ö.  24  n.  63. 


256  DIE   ATTISCHE    HYGIEIA 

rend  wir  so  viele  Weihungen  an  Askiepios  und  Apollon  be- 
sitzen, beweist  doch  wol  dass  Hygieia  auch  zu  dieser  Zeit  in 
Epidanros  noch  nicht  gleichen  Ansehens  genoss  wie  in  Atlien 
und  anderwärts. 

Der  Komiker  Hermippos  nannte  in  seinen  Jamben  die  As- 
klepioslüchter  laso  Panakeia  und  Aigle:  von  Hygieia  wusste 
er  nichts  ^  Aristophanes  bezeichnet  im  Plutos  laso  und  Pa- 
nakeia als  Begleiterinnen  dos  Gottes:  von  Hygieia  weiss  er 
nicht.  Wir  sind  gewöhnt  uns  Hygieia  stets  und  überall  mit 
Askiepios  verbunden  zu  denken.  Aber  nicht  nur  diese  beiden 
ältesten  Schriftsteller- Zeugnisse  sondern  auch  — worauf  mich 
Herr  Professor  Koehler  gelegentlich  aufmerksam  gemacht  hat 
—  die  Inschriften  und  endlich  die  Kunstwerke  beweisen  dass 
der  Epidaurische  Gott  diesen  Bund  erst  in  Athen  eingegan- 
gen und  dass  derselbe  nur  allmählich  so  fest  geworden  ist  wie 
die  Fülle  später  Zeugnisse  ihn  erscheinen  lässt. 

In  zwei  Inschriften  des  dritten  Jahrhunderts  ('AÖ/ivaiov  V 
S.103  n.  13  und  S.339  n.  h=C.  I.  A.  II  839  und  567*)  und 
einer  dritten  welche  Kumanudis  noch  ins  vierte  Jahrhundert 
setzt  ('AÖr,v.VI  S,133  n. 9)  wird  der  Priesternur nach  Askiepios 
benannt,  während  wir  für  spätere  Zeit  Upeu;  'Ag/cXtittiou  x.ai 
Tyiaa?  als  den  officiellen  Titel  kennen-.  Aber  einerseits  wis- 
sen wir  dass  damals  bereits  Hygieia  dem  Askiepios  beigesellt 
war,  andererseits  wird  auch  noch  in  weit  späterer  Zeit  der 
Name  der  Hygieia  zuweilen  weggelassen   (wie   'AOyivatov  V  S. 


<  rtcliül.  zu  Aristuph.  Plul.V.  701  (Meineide  F.  C  Gr.  I  S.  9G  Kock  F. CA. 
I  S.  247  Bergic  P.  L.  Gr.  '<  II  S.  505).  Dieses  gilt  als  das  älteste  literari- 
sche Zeugniss  für  dea  Aslilepioscullus  in  Atlien  (s.  z.  B.  Wilamowitz,  Aus 
Kydalhen  S.  170)  Zu  l)emerken  ist  dass  nach  Hermippos  die  Asklepiostöch- 
ter  Kinder  der  Ilelostochler  Lampetia  waren.  Arist.  Flut.  V.  701  f.  V.  730. 
Der  bittere  Spott  den  der  Dichter  (bes.V.  076  f.)  über  den  Cullus  ausgiesst, 
und  der  sich,  wie  mir  scheint,  sehr  bestimmt  unterscheidet  von  dem  was 
Aristophanes  sonst  wol  über  andere  (löUer  scherzend  sagt,  erscheint  in  ganz 
anderem  Lichte  wenn  er  gegen  einen  ganz  'neugebackenen'  Cullus  gerich- 
tel  ist.  Er  wird  auch  im  ersten  Plutos  gestanden  haben,  der  Ol.  92,  4  auf- 
geführt worden  ist. 

2  Koehler,  Mittheilungen  II  S.  241, 


DIE   ATTISCHE   HYHIEIA  257 

198  n.  S  =  C.  L  A.  III  712«  und  S.  42(5  n.  1!)  =  C.  /.  A. 
II  477'').  Kein  Zufall  dagegen  isl  es  dass  die  wenigen 
VVeiliinsehril'ten  welche  der  ältesten  Zeit  des  atlienisclien  (^iil- 
tes  anzugehören  scheinen  durchweg  den  Asklepios  allein  nen- 
nen, wahrscheinlich  doch  um  so  weniger  Zufall  als  eine  da- 
von für  eine  Frau ,  eine  andere  von  einer  Frau  gesetzt 
ist  (V  S.  325  n.  4  und  S.  415).  I^]ndlicli  beweisen  auch  die 
beiden  Inschriften  des  Telemachos^  so  verstümmelt  sie  sein 
mögen,  dass  Hygieia  damals  noch  nicht  dieselbe  Stellung  wie 
später  einnahm.  Denn  das  that  sie  nicht,  auch  wenn  sie  sich 
—  was  ich  nicht  »laube  und  im  Verlaufe  dieser  IJntersuchunEr 
als  durchaus  unwahrscheinlich  nachzuweisen  holte— unter  den 
6{7.öS(i)y.oi  der  einen  Inschrift  ('Aöy)v.VI  S  137  n.l4)  oder  unter 
den  Asklepiostöchtern,  die  in  der  anderen  nach  den  Söhnen 
genannt  gewesen  zu  sein  scheinen  (ebd.  S.  138  n.l5),  verber- 
gen sollte.  Einen  directen  Beweis  dafür  dass  Hygieia  nicht  mit 
Asklepios  von  Epidauros  herübergekommen  ist  würden  wir 
schliesslich  in  der  Inschrift  'AÖr^vatov  \\  S.  137  n.  13  besit- 
zen, wenn  Kumanudis'  Ergänzung  so  sicher  wäre  als  sie 
wahrscheinlich  isl.  Denn  dann  würde  der  Gott  neben  Hygi- 
eia als  6  £v  ETTiSaupco  bezeichnet  sein  —  was  sich  hier  nur  auf 
die  Herkunft  des  Cultes  beziehen  kann. 

Es  isl  immer  eine  gewisse  Bürgschaft  für  die  Richtigkeit 
einer  Hypothese  wenn  man  die  Reihenfolge  der  Beweise  um- 
kehren kann.  Die  Hypothese  welche  ich  bis  jetzt  durch  lite- 
rarische Zeugnisse  und  Inschriften  zu  begründen  versucht 
habe  hat  sich  mir  zuersL  aufgedrängt  bei  der  Betrachtung  der 
Monumente.  Es  muss  jedem  der  die  VVeihreliefs  aus  dem  As- 
klepieion  überblickt  ins  Auge  fallen  :  diejenigen  welche  diese 
Reliefs  schufen  kannten  keinen  festen  Typus  der  Hygieia.  Wer 
sich  bewusst  ist  mit  welch  sparsamer  Selbstbeschränkung  die 
griechische  Kunst  sonst  mit  wenigen  Typen  haushält, wie  ste- 
tig und  folgerichtig  sie  andere  Göttertypen  entwickelt  hat,  den 
muss  die  Mannichfaltigkeit  dieser  Hygieiagestalten  befrem- 


^  Koehler,  Mittheilungen  II  S.  241  Gerard  L' AscUpieion  S.  13. 

MITTH.  D.  ABßH.  INST.  X.  17 


258 


DIE   ATTISCHE   MYGlElA 


den.  die  zwischen  dem  aiifblühenden  Mädchen  und  der  wür- 
devollen Matrone  schwankt.  Denn  dass  wir  da  wo  neben  Äs- 
klepios  eine  weibliche  Gestalt  erscheint,  wenn  dieselbe  nicht 
ansdrücklich  als  eine  andere  Göttin  gekennzeichnet  ist,  Hy- 
gieia  zu  erkennen  haben  wird  doch  wol  angesichts  der  In- 
schriften und  der  späteren  Monumente  nicht  erst  des  Bewei- 
ses bedürfen.  Wie  konnte  man  fast  zur  selben  Zeit  — denn  fast 
alle  diese  Reliefs  gehören  einem  ziemlich  eng  begrenzten  Zeit- 
raum an  — dieselbe  Göttin  in  so  verschiedener  Gestalt  darstel- 
len? Die  Reihe  der  bis  jetzt  publicirten  Reliefs  lässt  diese 
Verschiedenheit  noch  nicht  genügend  zu  Tage  treten  :  es  ist 
unter  ihnen  keines  auf  dem  Hygieia  ganz  matronal  erscheint. 
Desshalb  wird  in  dem  nachstehenden  Holzschnitt  ein  solches 
mitgetheilt*. 


'  Dulin  n.  -lOrriSybel  n.  4001  /Gipsabguss  Martinelli  249).  Die  Alibildung 
gibt  nur  die  eine  Hälfte  des  Reliefs  wieder,  da  es  hier  nur  auf  die  Gestalt 
der  Ilygieia  ankommt,  und  die  andere  Hälfte  welche  nur  die  Adoranlen  ent- 
hält überhaupt  ohne  Interesse  ist.  Weitere  Beispiele  der  matronalen  Hygi- 
eia sind  D.  17  =  8.  3994;  D.  15  =S.  4009;  D.  32  =  8.  4013.  Wenn  es  zwi- 
schen den  matronalen  und  den  mädchenhaften  Hygieiagestalten  nicht  auch 
Uebergänge  gäbe,  wie  z.  B,  die  Hygieia  Mitth.  11  T.  XVH,  könnte  man 


Die  attische  Hvr.iEtA  259 

Es  ist  klar  :  die  Zeit  in  welcher  die  Reliefs  entslandon  sind, 
sagen  wir  in  l>aiiscli  und  nniitMi  das  vierte  Jalirhiindert,  suclite 
erst  nach  ciiuMii  Typus  (\(iv  llygieia.  Also  kann  die  Göttin 
nicht  von  Epidauros  heriibergekommen  sein.  Auch  für  Askle 
pios,  kann  man  einwerfen,  haben  die  Keliet's  nicht  nur  einen 
Typus.  Es  ist  wahr.  Aber  alle  Varianten  lassen  sieh  auf  zwei 
Grundtypen  zurückführen  *,  von  denen  der  eine,  der  des  thro- 
nenden Gottes,  neben  dessen  Sessel  die  Schlange  sich  auf- 
rollt, eben  der  Epidaurische  ist,  den  wir  durch  Pausanias' 
Beschreibung  des  Goldelfenbeinbildes  im  Hieron  so  genau 
kennen.  Ihn  variirten  freilich  die  Künstler  in  freierer  Weise, 
wie  er  auch  in  Epidauros  selbst  variirt  ward^;  aber  wo  wäre 
ein  Unterschied  wie  derjenige  zwischen  der  schlanken  Hygi- 
eia,  die  auf  dem  Relief  D.  n.  7=S.  n.  4019  an  dem  Stuhle 
des  Asklepios  lehnt,  wie  Hebe  auf  Vasenbildern  neben  Hera 
(Rekule,  Hebe  T.  V  3)  und  der  iMatrone  der  oben  aufgezähl- 
ten Reliefs?  Daneben  sehen  wir  denn  allerdings  einen  ganz 
neuen  Typus  gewissermassen  vor  unseren  Augen  entstehen, 
den  des  beobachtenden  Arztes  (Duhn  Mittheilungen  II  S.218)^. 

Doch  kehren  wir  zu  Hygieia  zurück.  Dass  sie  nicht  aus 
Epidauros  gekommen  ist  haben  auch  die  Reliefs  uns  gelehrt. 
Aber  sie  lehren  uns  noch  mehr.  Auf  dem  Relief  Mittheilun- 


wol  daran  (lenken  jene  gar  nicht  l^Iygieia  zu  nennen  sondern  in  ihnen  etwa 
Demeter  zu  selien,  die  ja  auf  dem  Relief  Mitth.  II  T.  XVIII  und  vielleicht 
auch  sonst  noch  in  der  Thal  mit  Asklepios  vereint  ist;  aber  man  würde  da- 
mit auf  andere  Bedenken  stossen. 

<  D.  7i=S.  3991  gehört, wenn  hier  überhaupt  Asklepios  und  Hygieia  dar- 
gestellt sind,  doch  sicherlich  nicht  der  Reihe  von  "Adorantenreliefs",wemi 
dieser  Ausdruck  gestattet  ist,  an,  von  denen  hier  allein  die  Rede  ist. 

2  Das  zeigt  das  neuerdings  publicirte  Relief:  'Etprifz.  äp^.  1885  Ta-el  2,  6. 

3  Die  '  abwartende  Ruhe  des  beobachtenden  Arztes'  passt  wol  für  den 
Gott  dem  sich  Sterbliche  hilfesuchend  nahen.  Aber  wenn  sie  Pheidias  in 
dem  'Asklepios'  des  Ostfrieses  zum  Ausdruck  gebracht  hätte,  wie  Duhn 
meint  (Arch  Zeitung  1885  S.  103),  so  wäre  das  recht  ungeschickt  gewesen. 
Der  Gott  sitzt  doch  nicht  desshalb  unter  den  anderen  Olympiern  um  aufzu- 
passen ob  etwa  im  Feslzug  jemand  marode  wird.  Er  hat  aber  von  der  '  ab- 
wartenden Ruhe"  auch  nicht  mehr  als  Athena  oder  Zeus  und  manche  an- 
dere Gestalt  des  Pheidias. 


"260  DIE   ATTISCHE    HYGIEIA 

gen  11  T.  XIV  (Sybel  n.  4327),  welches  Duhn  mit  Recht  für 
das  älteste  von  allen  erklärt  hat,  folgen  dem  Asklepios  zwei 
Mädchen.  Wenn  Hygieia  nicht  mit  den  anderen  Asklepiaden 
von  Epidauros  herübergekommen  ist,  wenn  sie  wirklich  erst 
späten  Mythographen  eine  Tochter  der  Epione  war,  wenn  an 
den  vorausgegangenen  Erörterungen  irgend  etwas  wahres  ist, 
so  kann  Hygieia  unmöglich  im  fünften  Jahrhundert  mit  laso 
oder  Panakeia  in  dieser  Weise  verbunden  worden  sein.  Und 
dem  Ausgang  des  fünften  Jahrhundert  gehört  das  Relief  zwei- 
fellos an.  Erinnern  wir  uns  des  Aristophanischen  Plutos. 
Ganz  so  wie  der  Gott  hier  erscheint  schildert  ihn  der  Dich- 
ter, von  laso  und  Panakeia  begleitet.  Diese  haben  wir  ohne 
Zweifel  auch  hier  zu  erkennen.  Dem  fünften  Jahrhundert  ge- 
hört auch  das  Mittheilungen  II  T.  XV  publicirte  Relief  (Sy- 
bel n.  3995)  an,  wenn  auch  die  Verwandtschaft,  besonders 
des  zweiten  Mädchens,  mit  den  Figuren  des  Parthenon frieses 
uns  nicht  verführen  darf  das  Relief  gleich  hoch  hinauf  zu  rü 
cken  :  es  bedurfte  einiger  Zeit  bis  die  Gestalten  der  grossen 
Kunst  Gemeingut  der  handwerksmässigen  Kunst  wurden,  und 
dann  wieder  längerer  Zeit  bis  sie  auch  hier  den  modernen 
Idealen  wichen.  Auch  hier  hat  der  Gott  zwei  jugendliche  Be- 
oleiterinnen,  auch  hier  sind  sie  ohne  Zweifel  laso  und  Pana- 
keia  zu  nennen.  Dass  die  dem  Vater  zunächst  stehende  einen 
etwas  älteren  volleren  Eindruck  macht  liegt  nur  an  der  En- 
face-Wendung  des  Oberkörpers,  durch  welche  der  Künstler 
andererseits  eine  so  reizvolle  Beziehung  zu  der  folgenden 
Schwester  erreicht  hat.  Von  einem  dritten  Relief  derselben 
Art  ist  leider  nur  ein  Bruchstück  erhalten:  der  Kopf  des  As- 
klepios im  Profil  nach  rechts,  vor  diesem  in  gleicher  Höhe 
der  [Jmriss  eines  anderen  Kopfes,  von  dem  es  ungewiss  ist  ob 
er  einem  Jüngling  oder  einem  Mädchen  in  Haube  (wie  auf 
dem  ersten  dieser  Reliefs:  T.  XIV)  angehört,  auf  Asklepios 
folgend  ein  Mädchen  mit  langen  Locken,  ganz  ähnlich  dem- 
jenigen auf  dem  zweiten  Relief  (T.  XV),  hinter  diesem  noch 
ein  Gewand rest,  der  zu  einer  vierten  Figur  gehört  zu  haben 
scheint.  Es  war  also  hier  wie  es  scheint  der  Gott  von  wenig- 


DIE    ATTISCHK    HYGIEIA  261 

stens  drei  Personen  begleitet,  vielleielit  von  den  drei  Töchtern 
der  E|)ione,  vielleicht  auch  von  den  Söhnen,  keinesfalls  von 
Uyg ii'ia  ^ 

Erwähnen  muss  ich  hier  noch  das  vor  hundert  Jahren  aus 
Athen  nach  England  versetzte  Relief,  welches  sich  jetzt  in 
Brockleshy-i*ark  befindet  (Micliaelis,  Ancient  Marbles  in  Greal 
Britain  S.  228  n.  10).  liier  folgt  auf  Askle[)ios  nur  ein  Mäd- 
chen, dem  ich  denn  doch  den  Namen  Hygieia  nicht  ohne  Be- 
denken abstreiten  würde.  Und  doch  ist  der  Typus  ganz  der- 
jenige der  eben  besprochenen  Reliefs  und  den  Stil,  über  wel- 
chen die  Abbildung  im  Museum  Worsleianum  I  1  kein  Trleil 
gestattet,  nennt  Michaelis  dem  des  Parthenonfrieses  sehr  ähn- 
lich. Doch  ehe  wir  eine  stilgetreue  Publication  besitzen  kann 
wol  das  letzte  Wort  über  das  Verhältniss  zu  unseren  Reliefs 
nicht  gesagt  werden. 

Mit  dem  vorliegenden  Material  aber  glaube  ich  den  ge- 
wissermassen  autochlhonen  Ursprung  der  Hygieia  im  Gegen- 
satz zu  den  von  Epidauros  zugewanderten  Asklepiaden  hin- 
länglich sichergestellt  zu  haben.  Gegen  Ende  des  fünften  Jahr- 
hunderts zog  der  Gott  von  Epidauros  in  Athen  ein;  zu  An- 
fang des  vierten,  so  scheint  es,  ward  ihm  Hygieia  beigesellt 2. 

Wir  haben  gesehen  wie  die  Kunst  des  vierten  Jahrhunderts 
nach  einem  Typus  der  Hygieia  suchte;  bedarf  es  da  noch  des 


^  Dulin  3=:Syt)el  4374.  Eine  Zeiclinung  wird  E.  Loewy  in  der  von  itini 
vortjereiteten  tiainmluiig  allisclier  Iteliefs  pul)liciren. 

-  Damit  ist  nalürlicli  weder  Kesaf,^  dass  alle  diejenigen  Ileiiefs  auf  denen 
Aslilepios  mit  den  Töcliterii  der  Epione  ersclieinl  notwendig;  äl'er  sein  müs- 
sen als  die  Gesaramttieil  derjenigen  aufweichen  ihn  Hygieia  allein  beglei- 
tet, noch  ist  damit  absolut  ausgeschlossen  dass  man  in  späterer  Zeit  einmal 
Hygieia  mitten  unter  die  Epidaurische  Familie  versetzt  habe,  mit  der  sie 
von  Haus  aus  nichts  zu  thun  hat.  Aber  selbst  in  dem  Hymnos  C-  I.  A  HI 
1  n.  171  i»  .  wo  das  letztere  geschieht,  wird  in  der  Verbindung  doch  der  Hy- 
gieia ihre  Sonderstellung  bewahrt,  ja  vielleicht  sollte  sie  gar  nicht  für  eine 
Tochter  der  Epione  gelten  Es  heist  von  Asklepios  (Z.  14  f I :  Tod  0'  l^i^io^-o 
xopot  IIoÖaAsip'.o;  rßi  Ma/aojv,  " VXt.ri'z[<y  -/.oafJirJTopE]  Xö^/^r,; — '.rj  Haiav — r^o'  'laaw 
'Axsaw  TS  xal  Al'yAr;  zal  navä-/.3ta, 'HTito'vrj?  [Ö^yaips;,  aüv]  apiTzps'rTo)  'Yy^ta — it) 
Ha'.av.  Späte  Mylhographen  freilich  reihten  ja  sicher  Hygieia  den  Töchtern 
der  Epione  ein:  Suidas  u.  d.  W.  '\\-'.6yr,.  Aristides  VH  S.  79  Dindorf. 


262  DIE   ATTISCHE   HYGIEIA 

Beweises  dafür  dass  dem  fünften  Jahrhundert,  das  so  viele 
Göttertypen  für  alle  Zeiten  ausgeprägt  hat,  diese  Aufgabe  noch 
ü;ar  nicht  gestellt  war?^  Denn  einmal  gestellt  musste  sie  auch 
irgendwie  gelöst  werden.  Die  Dichtung  kann  die  Göttin  wol 
als  ■nrpsTSi'jTa.  (y.a/cipcov  anrufen  und  dann  doch  wieder  von  ihr 
eine  anmutig  jugendliche  Vorstellung  erwecken,  die  Kunst 
muss  sich,  wenn  sie  verstanden  werden  will,  schliesslich  für 
die  eine  oder  die  andere  entscheiden,  im  Notfall  zu  Attribu- 
ten ihre  Zuflucht  nehmen  Aber  wie  alt  auch  immer  die  Per- 
sonification  des  höchsten  Lebensgutes,  der  Gesundheit,  in  der 
Poesie  der  Volkssprache  oder  der  Dichtung  sein  mag  2,  eine 
leibhaftige  Göttin  wurde  Hygieia  erst  als  Genossin  des  As- 
klepios. 

Als  die  Athener  der  Athena  als  Hygieia  jene  Broncestatue 
weihten,  deren  Basis  noch  jetzt  an  Ort  und  Stelle  vor  der  s.  ö. 
Ecksäule  der  Propylaien  steht  •^,  hatte  Hygieia  sicherlich  noch 
keinen  Cultus  in  Athen,  war  sie  noch  einfache  Personifica- 
tion,  ebenso  wie  Nike  zu  Athen  noch  lediglich  poetische  Vor- 
stellung gewesen  sein  wird  als  man  der  Athena  als  Nike  einen 
Tempel  weihte. 

Das  vierte  Jahrhundert  also  hat  die  attische  Göttin  Hygieia 
in  Wahrheit  erst  geschafYen;  ihm  fiel  auch  die  Aufgabe  zu 
der  neuen  Göttin  künstlerisch  Gestalt  zu  geben.  Wie  hat  es 


*  Dass  im  Westgiebel  des  Parthenon  Asklepios  und  Hygieia  nicht  dar- 
gestellt waren  bedarf  heute  keines  Beweises  mehr  nachdem  die  andere  Deu- 
tung durch  Loeschck.es  überaus  glückliche  Interpretation  der  einst  gegen- 
über heündlichen  Figuren  über  allen  Zweifel  erhoben  ist:  eine  Deutung 
stützt  die  andere  weil  sich  beide  zu  einem  (3anzen  zusainmenschliessen  wie 
man  es  schö.ier,  kunstgeschichllich  wie  historisch  bedeutungsvoller  nicht 
denken  kann-  » 

2  Blosse  Personilication  ist  Hygieia  wenn  sie  neben  Eudaimonia  und 
Pandaisia  auf  einem  attischen  Vasenbild  erscheint:  Briti.sk  Museum  Catalo- 
gue  n.  1263,  Jahn,  Vasen  mit  Goldschmuck  T.  II. 

3  Loewy,  Inschriften  griechischer  Hildhauer  n.  53.  Neben  der  Athena 
Hygieia  sah  Pausanias  noch  eine  Statue  der  Hygieia,  i^v  'AaxÄ7)7cioü  7cat8a  a- 
vai  liyojGi.  Vielleicht  nahm  er  dafür  die  SsSaarr)  Tys^'a  deren  Basis  hier  ge- 
funden worden  ist:  G.  I.  A.  IH  1,  46Ü. 


DIE    ATTISCHE   HYßlEIA  ?63 

diese  Aufgabe  gelöst?  Ist  man  überhaupt  hinausgekommen 
über  (h-is  Schwanken  und  Suchen  von  welchem  die  lleliel's  zu- 
näclisl  Zeiigniss  ablegen?  Duhn  meint  (a.  a.  (3.  S.  220)  im 
allgemeinen  finde  man  die  matronale  Bildung  mehr  auf  den 
Reliefs  späteren  Ursprungs,  die  mädchenhafte  mehr  auf  de- 
nen der  besten  griechischen  Periode.  Das  wäre  nnffallend  \veil 
die  spätere  Kunst,  die  doch  wahrscheinlich  hier  wie  sonst  von 
der  attischen  abhängig  ist,  an  diesen  und  nicht  an  jenen  Ty- 
pus angeknüpft  zu  haben  scheint  ^  Aber  wenn  wir  die  ältes- 
ten Reliefs  mit  Recht  ausgeschieden  haben  bleibt  kein  Grund 
mehr  zu  Duhns  Annahme.  Denn  man  wird  schwerlich  mit 
einigem  Schein  behaupten  können  dass  beispielsweise  das  Re- 
lief Mitth.  ii  T. XVI  älter  sei  als  das  beistehend  publicirte.  Ue- 


berhaupt  scheinen  mir,  wie   ich  schon  hervorgehoben   habe, 
diese  Reliefs  einem  so  begrenzten  Zeitraum  anzugehören  ^  dass 


'  Soviel  kann  man  wol  sagen  obgleich  das  reiche  Material  späterer  H.ygi- 
eia-Darslellungen  erst  noch  einer  gründlichen  Sichtung  liedart'  Ob  die 
späteren  ICunslwerke  überhau|)i  von  anderen  als  attischen  abhängig  sein 
könnten  —  das  heissl  ob  Hygieia  anderwärts  früher  als  in  Alben  CultgöUin 
wurde  —  ist  eine  Frage  die  ich  einer  anderen  Untersuchung  vorbehalte. 

-  Das  ist  ja  nicht  auH'allend  sondern  vielmehr  sclbslversländlicb  l']s  ist 
die  Zeit  da  die  altische  Reliefkunst  überhaupt  ein  reiches  Leben  führt — von 
den  I^rosamen  vom  Tische  des  Pheidias. 


264  DIE    ATTISCHE    HYGIEIA 

ich  eine  chronologische  Scheidung  für  unausführbar  und  für 
bedeutungslos  halten  möchte  ^ 

Wol  aber  lässt  sich,  wenn  wir  auf  das  zufällig  erhaltene 
Material  überhaupt  einen  Schluss  gründen  dürfen,  ein  Vor- 
wiegen des  jugendlichen  Typus  bemerken,  welches  diesem 
schliesslich  den  Sieg  zu  versprechen  scheint 2. 

Für  diesen  jugendlichen  Typus  sind  nicht  nur  die  schlan- 
ken jungfräulichen  Formen  charakteristisch  sondern  auch  die 
Stellung  Selten  nur  steht  Hygieia  frei  und  selbständig,  in 
sich  abgeschlossen  da,  wie  stets  wenn  sie  malronal  gebildet 
ist.  Meist  lehnt  sie  sich  seis  an  einen  Baum,  seis  an  einen  Pi- 
laster,  seis  an  den  Sessel  des  Asklepios  oder  endlich  an  des- 
sen Schulter 2.  Häufig  ist  dabei  das  eine  Bein  ganz  entlastet, 
der  eine  Fuss  über  den  anderen  geschlagen  ^.  Der  Kopf  folgt 
häufig  der  lässigen  Haltung  des  Körpers  durch  eine  leichte 
Neigung  zur  einen  Schulter^. 

Zuweilen  sind  nur  die  umrisse  der  Figuren  übrig  geblie- 
ben'''; selten  sind  die  Köpfe,  seltener  noch  die  Gesichter  erhal- 


'  D.  32=:S.  4013  macht  allerclinfj;s  den  FJiiidruck  eines  späten  Machwerks 
—  und  doch  ist  hier  Hygieia  niatronal  gebildet.  Aber  geringe  Arbeit  er- 
scheint uns  immer  spät,  oft  gewiss  mit  Unrecht.  Das  Relief  ist  das  kleinste 
und  ärmlichste  von  allen.  Der  Charakter  der  Inschrift  gibt  keine  Veran- 
lassung es  in  besonders  späte  Zeit  zu  setzen. 

2  Die  vier  Beispiele  des  matronalen  Typus  sind  oben  aufgezählt.  Jugend- 
lich aber  erscheint  Hygieia  auf  folgenden  Reliefs:  D.  8=8.  4002  (Mitth.Tf. 
XVI);  D.  33=8.  4007  (Bull,  de  corr.  hell  H  Tf.  IX);  D.  9=8.  4000  (ebenda 
Tf.  VII);  D.  7=8.  4019;  D.  11=8.  3993;  D  13=8.  4264;  D.  42=8.  4010; 
D.  29=8.  4032;   D.  21=8.  4310;  8.  '(027;    D.  27=8.  4986. 

•■'  An  einen  Baum  (beidemal  mit  hochaufgestütztem  Arm)  :  Bulletin  Tf. 
VH  und  Tf.VIII,  ferner  8.4293;  an  einen  Pilaster  (in  derselben  Weise) :  ebd. 
Tf.  IX  und  8.  4265;  an  die  Stuhllehne  des  Asklepios:  8.  4019  und  8.  4254 
(publicirt  auf  8.  263);  an  Asklepios'  Schulter:  8.  4010,  8.  173,  8.  4027, 
S.  4281,  wahrscheinlich  8.  3993.  Etwas  selbständiger  erscheint  sie:  S.4310, 
nochmehr  8.  49S6  8.  4008  Mitth.  II  T.  XVII.  Alle  Fragmente,  soweit  sich 
auf  ihnen  die  Stellung  der  Hygieia  überhaupt  erkennen  lässt,  dieser  Stati- 
stik einzureihen,  erscheint  überflüssig. 

^  Sybel  4002.  4019,  4293. 

■'  Sybel  4007,  4010,  4264,  4265,  4986. 

«  Sybel  4986  ff. 


DIE   ATTTSCHE    HYPtIEIA  265 

ten.  Bei  dem  im  Bulletin  TL  VII  piiblicirten  Relief  (SybeliOOO) 
sowie  bei  Sybel  iOlO  und  'il)(S()  lässl  dei"  erhaltene  limriss 
des  Kopfes  noch  erkennen  dass  das  Haar  der  Hy*!;ieia  boch- 
aufgebunden  war.  Dieselbe  Frisur  finden  wir  denn  auch  auf 
den  beiden  Reliefs  welche  den  Kopf  der  Göttin  verhäll- 
nissmässig  wolerhalten  darbieten:  Sybel  4001  =  Bulletin  Tf. 
I\  und  42()4  (hier  zuerst  abgebildet  S.  2G3)'.  Diese  Frisur 
also  schien,  vermutlich  nach  der  Mode  jener  Zeit,  der  ju- 
gendlichen Göttin  angemessen.  Fs  ist  die  Haartracht  späte- 
rer ApoUonköple,  auch  der  Artemis  und  Aphrodite^.  Im  vier- 
ten Jahrhundert  wird  sie  die  Tracht  junger  iMädchen  gewesen 
sein  und  ist  dann  alsbald  von  Artemis  auf  Apoüon  übertra- 
gen worden. 

Wenn  nun  im  Asklepieion  ein  weiblicher  Kopf  von  jugend- 
lichen Formen  gefunden  worden  ist,  der  jene  leichte  ^eiglmg 
zur  einen  Schulter  sowie  jene  hohe  Frisur  hat,  so  dürfen  wir 
ihnwol  als  Kopf  der  Hygieia  in  Anspruch  nehmen.  Es  ist  der 
Kopf  welcher  auf  unserer  Tafel  VIII  nach  einer  Zeichnung  L. 
Ottos  abgebildet  ist^.  Der  nach  aussen  gerichtete  Blick  und 
der  leicht  geöffnete  Mund  charakterisiren  das  Alter,  das  starke 
Kinn  dessen  untere    Linie  fast  ganz  gerade  verläuft   gibt  dem 


^  Der  Jüngling  rechts  —  sicherlich  einer  der  Asklepiaden  —  Hess  sieh 
durch  das  Fragment  Sybel  43"?3ä  ergänzen,  wodurch  sich  ergibt  dass  dieses 
mit  n.  4323*'  nichts  zu  Ihun  hal. 

2  Conze,  Nuuve  Memorie  delV  huiUiilo  S.  40S  f. 

3  Sybel  4119  Leider  gibt  die  Zeichnung  den  Ko[»f  nicht  in  der  noch  deut- 
lich erkennbaren  Neigung,  welche  '.ranz  mit  derjenigen  des  Hygieiakopfes 
auf  dem  S.263  abgebildeten  Relief  übereinstimmt.  Der  llaarschopf  ist  etwas 
zu  hoch  geraten,  das  Kinn  etwas  zu  niedrig  und  weich  —  Um  den  Kopf 
geht  eine  0,01  breite  Bandbettung,  die  vornen  vor  dem  Schopf  sich  ver- 
läuft: das  Melallband,  welches  wol  vermittelst  eines  hinten  in  der  Bandbet- 
tung belindlichen  liOches  befestigt  war,  schien  unter  dem  Haar  zu  ver- 
schwinden. Wozu  ein  zweites  rundes  I^och  mitten  auf  dem  Kopf  gedient 
haben  könnte  weiss  ich  nicht  zu  sagen.  Im  1.  Ohr  sind  zwei  Ilinglücher, 
im  rechten  eines  Hinten  und  oben  ist  das  Haar  nur  ganz  oberflächlich  be- 
handelt sodass  sich  nicht  erkennen  lässt  dass  das  Haar,  wie  man  annehmen 
muss,  hinten  aufwärts  gestrichen  ist.  Gesichtshöhe  vom  Kinn  bis  zum  Haar 
0,17,  mit  dem  Haar  0,23. 


266  DIE   ATTISCHE    HYGIEIA 

Ausdruck  etwas  Festes,  Keusches.  Der  Kopf  scheint  mir  dem 
Typus  des  Äpollon  näher  zu  stehen  als  die  Zeichnung  erken- 
nen lässt.  Man  wird  lim  unbedenklich  ins  vierte  Jahrhundert 
setzen  können. 

Auf  der  folgenden  Tafel  (IX)  wird  einer  der  reizvollsten  Mäd- 
chenköpfe attischer  Kunst  zum  erstenmale  veröffentlicht ^ 
Man  hat  ihm  längst  den  Namen  Hygieia  gegeben.  Und  die 
Verwandtschaft  mil  dem  Kopf  des  Asklepieions  ist  ja  unver- 
kennbar: die  gleichen  mädchenhaften  Formen,  die  gleiche 
leise  Neigung  des  Kopfes,  fast  übereinstimmende  Haartracht. 
Der  schlanke  Hals  erhöht  den  Eindruck  des  Jugendlichen. 
Die  Haare  sind  rings  um  den  Kopf  straff  in  die  Höhe  gestri- 
chen um  zu  dem  Schopf  vereinigt  zu  werden,  während  bei 
dem  anderen  Kopf  die  Stirn-  und  Schläfenhaare  seitwärts  ge- 
strichen sind  und  so  die  Ohren  halb  verdecken  :  auch  dieser 
Unterschied  lässt  jenen  Kopf  noch  jünger,  mädchenhafter  er- 
scheinen. Er  dürfte  kaum  viel  späterer  Zeit  angehören.  Si- 
cherlich ist  er  noch  guter  Zeit  würdig.  Den  Namen  Hygieia 
mag  er  immerhin  führen. 

F.  KOEPP. 


Excurs. 


Der  vorliegende  Aufsatz  war  niedergeschrieben  als  das 
zweite  Heft  der  Archaeologischen  Zeitung  erschien.  Meine  An- 
schauung von  der  Altischen  Hygieia  ist  nicht  wie  Sybels  As- 
klepios-  Hypothese  abhängig  von  der  Frage  ob  schon  am  Par- 
thenon Asklepios  dargestellt  werden  konnte.  V^iclmehr  könnte 
ich  wenn  Duhn  (a.  a.  0.  S.  90  f.)  Recht  behielte  gerade  da- 
rin dass  der  Gott  .-illein  erscheint,  zumal  wenn  der  Aphrodite 
ihre  Tempelgenossin  Peitho  beigesellt  wäre,  ein  -n  neuen  Be- 


*  Im   Cenlralmiisoiiiri.  Sybel    n.  64U.   A1),l;uss  hei    Marüiiclli,  danach  der 
Lichldruck. 


DIE   ATTrSCHI';    HYrtlErA  267 

weis  für  meine  Hypothese  finden  :  nur  miissten  alle  Daten  um 
ein  Menschenaller  elNva  ziii'ück<Ji;ei'iickt  WLM'den.  Aber  ich  halte 
auch  an  Sybels  Combinatioii  fest.  So  bestechend  Dulins  Be- 
weisführung auf  den  ersten  Blick  zu  sein  scheint  —  nicht  we- 
niger als  alles  was  wir  vom  Asklepioscult  wissen  spricht  da 
gegen  dass  er  bereits  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  ein- 
gebürgert gewesen  wäre,  geschweige  denn  eine  so  hervorra- 
gende Stellung  eingenommen  hätte.  Die  Zeugnisse  sind  im 
Verlaufe  dieser  Untersuchung  fast  alle  berührt  worden  ;  ich 
brauche  sie  hier  nicht  noch  einmal  zusammenzustellen.  Dazu 
scheint  mir  S_ybels  Hypothese  nicht  leicht  zu  wiegen.  Kin 
stricter  Beweis  lässt  sich  freilich  nicht  führen.  Aber  anderer- 
seits verliert  auch  Duhns  Argumentation  bei  näherem  Zuse- 
hen viel  von  ihrem  bestechenden  Schein.  Dieser  besteht  ja 
vornehmlich  darin  dass  mit  der  Deutung  auf  Asklepios  auch 
das  Princip  gefunden  scheint  nach  dem  die  Auswahl  der  Göt- 
ter getroffen  ist.  Diejenigen  Götter  sollen  dargestellt  sein  '  die 
man  besonders  Veranlassung  hatte  als  Zeugen  gegenwärtig  zu 
denken,  w^enn  der  panatheuäische  Festzug  seinem  Ziele  zu- 
strebte': in  den  beiden  mittleren  Paaren  die  Hauptgötter  der 
Burg,  in  den  äusseren  Grup|)en  die  Götter  der  Unterstadt,  an 
deren  Tempeln  die  Processioa  vorüberzog,  Aber  Zeus  selbst 
war  auf  der  Akropolis  keine  Hauptperson  und  über  die  An- 
wesenheit der  Hera  o;ar  a;eht  Duhn  doch  etwas  zu  leichten 
Fusses  hinweg  (S.  102);  endlich  die  Art  wie  dem  Leser  insi- 
nuirt  wird  dass  die  Aphrodite  keine  andere  sei  als  die  vom 
Südabhang  erscheint  mir  fa.^t  als  ein  unerlaubter  Kunstgriff. 
Denn  es  wird  doch  niemand  im  Ernst  glauben  dass  Aphro- 
dite desshalb  in  die  Ferne  schaut  und  weist  weil  ihr  Heilig- 
tum xaT6^j/lov  y?};  xr,;  Tpo'.^r,viy.;  war  und  nicht  einzig  und  al- 
lein desshalb  weil  sie  ihrem  Knaben  Eros  den  hei'ankommen- 
den  Zug  zeigt.  Die  Anwesenheit  des  Eros  und  der  Nike  sollte 
doch  auch  vor  der  strengen  Durchfühi-nng  des  "topographi- 
schen Princips'  warnen.  Diese  geht  schon  bei  'Asklepios' 
und  Dionysos  etwas  weit;  bei  Demeter  und  Ares  aber  soll  gar 
die  Gruppirung  des  Frieses  als  '  Bestätigung  einer  an  und  für 


268  DIE    ATTISCHE    HYGIEIA 

sich  schon  höchst  wahrscheinlichen  topographischen  Thatsa- 
che'  gelten.  Was  soll  dann  erst  die  vielbesprochene  Gruppi- 
rnng  der  Demeter  mit  dem  gegenübersitzenden  Jüngling  für 
topographische  Folgt*rnngen  nach  sich  ziehen!  Dass  wir  die 
Hauptgötter  der  Stadt  hier  zu  suchen  haben  scheint  sich  zu- 
nächst von  selbst  zu  verstehen;  dass  an  deren  Tempeln  die 
Panathenäenprocession  vorüberzog  ist  an  und  für  sich  wahr- 
scheinlich. Aber  dadurch  Hess  sich  die  Phantasie  des  Künst- 
lers nicht  binden.  Wolke  Pheidias  überhaupt  die  Götter  dar- 
stellen wie  sie  in  Athens  Tempeln  wohnten,  nicht  wie  sie  in 
den  olympischen  Wohnungen  um  Zeus  und  Hera  versammelt 
waren,  so  durfte  er  nicht  mit  solcher  Freiheit  verfahren:  der 
Hermes  des  Frieses  ist  doch  thatsäehlich  nicht  derjenige  wel- 
chen man  auf  dem  Markte  verehrte,  der  Dionysos  des  Frieses 
gleicht  auf  keinen  Fall  dem  Gott  der  h  Aipai;  wohnte, die  Pal- 
las des  Frieses  ist  nicht  die  Polias,der  das  Gewand  dargebracht 
wird  :  könnte  sie  sonst  auch  gleich  den  anderen  Göttern  als 
unbetheiligte  Zuschauerin  dasitzen?  Duhn  sagt  (S.102)  'Wäre 
unter  den  Göttern,  die  ausgeschlossen  werden  sollten  oder 
durften,  Poseidon,  so  würde  sich  dafüi*  ebensogut  eine  Erklä- 
rung finden  lassen,  wie  sich  bis  jetzt  die  Gelehrten  abmüh- 
ten, darzuthun,  dass  derselbe  am  wenigsten  könne  gefehlt 
haben'.  So  unbestimmt  und  schwankend  sind  in  der  That 
unsere  Vorstellungen  von  dem  Götterkreis  der  Athen  im  fünf- 
ten Jahrhundert  beherrschte.  Wir  würden  zurückgehen  auf 
die  Gründungssage  der  Panathenaeen  und  sagen,  Poseidon- 
Erechtheus,  der  sie  eingeführt,  könne  nicht  den  anderen  Göt- 
tern gleichberechtigt  der  Feier  beiwohnen.  Aber  weil  der 
Künstler  die  directe  Beziehung  des  Zuges  zur  Biirggöttin  nicht 
zum  Ausdruck  gebracht  hat,  weil  er  Athena  gleich  den  ande- 
ren Olympiern  Zuschauerin  sein  lässt  durfte  er  .luch,  ja  mir 
scheint  musste  er,  den  Tempelgenossen  oder  Nachbar  der 
Göttin  auch  Zuschauer  sein  lassen,  f^oseidon  -  Enchlheus  war 
einmal  einer  der  \ornehmslen  Götter  der  Buri>-  und  es  wäre 
gelehrte  Tüftelei  gewesen,  wie  wir  sie  dem  Pheidias  und  dem 
fünften  Jahrhundert  nicht  zutrauen  können,  wenn  er  aus  dem 


DIE   ATTISCHE    HYGIEIA  269 

angedeuteten  Grund  ausgeschlossen  worden  wäre.  Denn  diese 
Gütterversammlung  ist  eine  freie  Scliöj)f'ung  des  Künstlers, 
unabhängig  von  uralten  Mythen  und  Volksvorstellungtm,  die 
eine  naive  Zeit  wol  im  Ritus  fortleben  iässt,  doch  ohne  sie 
sich  zum  Bewusstsein  zu  bringen. 

Wenn  aber  der  Aiigensclicin  lehrt  dass  hier  nicht  Poseidon 
dargestellt  ist?  '  Wo  immer  die  Kunst  des  sechsten  und  fünf- 
ten Jahrhunderts  Gelegenheit  halle,  Poseidon  darzustellen, 
suchte  sie  iii  ihm  den  kraftvollen  Bruder  des  höchsten  Him- 
meisgottes vorzuführen,  jenem  nahezu  gleichberechtigt  und 
unumschränkter  Herrscher  in  seinem  Gebiet'.  So  Duhn  (S- 
99).  Echt  altertümliche  Statuen  oder  Keliefs  gibt  es  nicht, 
die  schwarzfigurigen  V'asenbilder  kommen  nicht  in  Betracht, 
weil  bei  ihnen,  wie  Overbeck  (Kunstmythologie  III  S.  '213) 
richtig  bemerkt,  '  von  einer  bevvussten  Charakteristik  nicht 
die  Rede  sein  kann  '.  Die  Münzen  von  Poseidonia  weichen  in 
wesentlichen  Dingen  von  einander  ab  (ebenda  S.217  f.):  bald 
ist  der  Gott  bärtig  bald  un bärtig  (?),  bald  hat  er  lange  Locken 
bald  kurzes  Haar.  Der  Tynus  stand  offenbar  noch  nicht  fest. 
Dass  der  weitausschreitende  den  Dreizack  schwingende  Gott 
hier  wie  auf  den  rolfigurigen  Vasen  strengen  Stils  (S.  224  f.) 
gewaltig:  und  muskelkräftiß-  gebildet  wurde  versteht  sich  von 
selbst.  Aber  ist  der  Unterschied  zwischen  diesem  Poseidon 
und  dem  des  Frieses  grösser  als  der  zwischen  dem  Blitze 
schleudernden  Zeus  der  Gigantenkämpfe  und  dem  desselben 
Frieses,  der  so  bequem  in  seinem  Sessel  sitzt?  xMan  sollte  doch 
nur  solche  Poseidondarstellimgen  mit  dem  '  Poseidon '  des 
Frieses  vergleichen,  die  den  Gott  in  gleicher  Ruhe,  sitzend, 
nicht  in  der  lebhaften  Bewegung  des  Kampfes  oder  der  Ver- 
folgung zeigen.  Es  sind  unter  den  r.  f.  Vasen  des  strengen 
Stils  nur  ganz  wenige  (Overbeck  S.  229).  Aber  auch  nur  sol- 
che Monumente  sollte  man  heranziehen  die  stilistisch  dem 
Relief  des  Parthenon  verwandt  sind.  Und  das  sind  nicht  die 
Vas^n  des  'strengen  Stiles'.  Der  Poseidon  der  Schale  des  Er- 
ginos  und  Aristophanes  steht  dem  des  Parthenonfrieses  näher 
als   derjenige   der  von    Overbeck  S.  224  zusammengestellten 


270  blE   ATTlSCrtE   HYGIEIA 

Vasen.  Durch  Verwandtschaft  der  Situation  würde  nnter  den 
Vasen  des  freieren  Stiles  am  ersten  die  Schale  Monumenti  V 
Tf.  59  zum  Vergleich  aiilTordern.  Doch  Overhecks  Alias  kann 
jeden  überzeugen  dass  man  überhaupt  nicht  Statuen  Reliefs 
Vasen  Münzen  und  geschnittene  Steine  in  eine  Entwicke- 
lungsreihe  zwängen  kann,  weil  jede  Monumentengaltung  ihre 
eigene  Entwickelung  hat.  Wie  sollen  wir  da  nachweisen  dass 
Poseidon  ausserhalb  jeder  Action,  ruhig  dasitzend  in  der  Re- 
liefkunst der  Zeit  des  Pheidias  anders  habe  aussehen  müssen? 

Nur  Zeus  geniesst  in  der  Götterversammlung  des  Ostfrie- 
ses den  Vorzug  eines  Lehnstuhles  und  macht  davon  zu  seiner 
Bequemlichkeit  Gebrauch.  Die  übrigen  Götter  sitzen  alle,  so- 
weit sie  nicht  den  Oberkörper  en  face  wenden  mit  etwas  ge- 
krümmtem Rücken,  wie  jedermann  bei  lässigem  Sitzen  auf 
einem  Stuhl  ohne  Lehne.  So  Hermes,  so  Pallas,  so  auch  Po- 
seidon. Es  ist  kein  Zeichen  von  Gebrechlichkeit. 

Der  rechte  Arm  des  Gottes  hängt  schlaff  herab.  Soll  das 
des  Meerbeherrschers  unwürdig  sein?  Es  ist  ja  hier  keine  Ge- 
legenheit den  Dreizack  zu  schwingen.  Ich  glaube  nicht  dass 
Pheidias  einen  Unterschied  machte  oder  auch  machen  konnte 
zwischen  einem  ruhig  herabhängenden  Arm  der  wol  versteht 
'eine  wuchtige  Angriffswaffe  zu  schwingen'  und  einem  ru- 
hig herabhängenden  Arm,  dessen  '  blosse  Erhebung,  das  Aus- 
strecken der  Hand,  genügt  um  die  Menschheit  zu  überzeu- 
gen von  der  Wirksamkeit  göttlicher  Kraft'.  Habe  ich  von  der 
Kunst  des  Pheidias  eine  zu  geringe  Meinung?  Sieht  man  denn 
der  Rechten  des  Zeus  an  dass  sie  gewohnt  ist  Blitze  zu  schleu- 
dern oder  derjenigen  der  Pallas  dass  sie  die  mächtige  Lanze 
schwingt?  Die  linke  Hand  des  Gottes  hielt  einen  Stab.  Es 
scheint  in  der  That  dass  derselbe  nur  a;emalt  war;  denn  we- 
der  oben  am  Rand  der  Platte  noch  unter  dem  Daumen  ist 
ein  Bohrloch.  Warum  soll  es  kein  Dreizack  gewesen  sein? 
Es  ist  ja  bekannt  genug  wie  willkürlich  am  Parthenonfries 
bloss  gemalte  Details  mit  bronzenen  abwechseln  (Michaelis  S. 
225).  Aber  man  kann  auch  daran  erinnern  dass  auf  der  Hie- 


biK    ATTlöCHli    HVdlElA  271 

ronvase  Monumenti  W  Tf.  V>\,  die  eine  der  wenigen  Darstel- 
lungen des  sitzenden  Poseidon  auf  r.  f.  Vasen  des  strengeren 
Stils  bietet,  Poseidon  statt  des  Dreizacks  ein  Scepler  iiält. 

Mehr  weiss  ieli  gegen  Dulm's  Hypothese  augenblicklich 
nicht  zu  sagen.  Dass  es  kein  strieter  Beweis  ist  habe  ich  vor- 
ausgeschickt. 

F.   K. 


Der  Tempel  des  Apollon  Chresterios 
bei  Aigai. 

Auf  einer  Reise  von  Pergamon  über  Myrina  und  Aigai 
(iNimrud-Kalessi)  *  nach  Magnesia  am  Sipylos,  die  ich  im  No- 
vember dieses  Jahres  iheilweise  in  Gemeinschaft  mit  Herrn 
R.  Bohn  und  in  Beij;leituno  von  Herrn  Demostbenes  Bahazzi 
ausgeführt  habe,  bin  ich  in  der  Nähe  von  Nimrud-Kalessi  auf 
die  Ruinen  eines  Tempels  geslossen,  der  nach  der  erhaltenen 
VVeihinscbrifl  dem  ApoUon  Chresterios  unter  dem  Proconsul 
P,  Servilius  Isauricus  geweiht  worden  ist,  dem  Mitconsul 
Caesars  vom  Jahre  48  v.  Chr.,  der  im  Jahre  46  die  Provinz 
Asia  verwaltet  hat. 

Von  dem  Sattel,  der  die  Höhe  von  Nimrud-Kalessi  von 
dem  östlich  sich  anschliessenden  Gebirgszug  trennt,  führt 
ein  antiker,  mit  rechteckigen  Trachytplatten  sorgfältig  be- 
legter Weg  in  südöstlicher  Richtung  an  der  Berglehne  hinab 
zum  Bett  des  Kodja-Tschai,  des  Flusses,  der  südlich  an  Nim- 
rud-Kalessi vorbeifliesst  und  in  der  Nähe  von  Kalabassary  in 
den  Golf  von  Ischandailik  mündet^.  An  der  Stelle,  wo  dieser 
Weg  die  Sohle  des  Thaies  erreicht,  drei  Viertelstunden  von 
Nimrud-Kalessi  entfernt  liegen  auf  dem  rechten  Ufer  des  Flus- 
ses die  Trümmer  des  genannten  Tempels  noch  alle  so  zusam- 
men, wie  sie  bei  dem  Einsturz  des  Baues,  der  durch  Erdbe- 
ben veranlasst  zu  sein  scheint,  Erefallen  sind.  In  Mitten  mas- 
senhafter,  malerisch  übereinander  gethürmter  Werkstücke 
steht  die  gewaltige  Thür  der  Cella,  aus  drei  monolithen  Blö- 


<  Bull.  d.  Corr.  Hell.  1881  S.  131-136.  511. 

2  Vgl.  Poltier  und  Reinach,  Bull.  d.  Corr.  Hell.  1882  S.  199  und  205-207. 


DEn    TEMPEL   DßS   APOM,ON   CMHESTERIOS   BEI    AlGAI  273 

cken  tJjebildel,  allein  noch  aufreclit.  Die  Süuleiitrommcln  zei- 
gen die  Cannelirung  jonisclier  Baulcn  und  aucli  die  jonischen 
Kapitale  sind  vorhanden  sowie  h][)ist}lijl(")cke  mit  dreifacher 
Theilung  der  Vorderseite,  Friesplatten,  mit  liukranien  und 
Guirlanden  in  llelief  geziert,  und  endlich  die  schön  profilir- 
ten  Geisa  mit  Zahnsehnitt  und  VVassers|)eiern,  Alles  aus  röth- 
lich  braunem  Trachyt.  Es  müssen  die  Werkstiicke  des  Baues 
noch  nahezu  vollständig  vorhanden  sein.  Grösse  und  Grund- 
risstorm  zu  erkennen,  ist  indessen  nur  nach  Wegräumung 
der  den  Stylobat  bedeckenden  Trümmer  möglich,  eine  Ar- 
beit, deren  Vollendung  ich  nicht  abwarten  konnte.  Sie  wer- 
den sich  bei  der  genauen  Aufnahme  des  Ganzen,  die  Herr 
Bohn  binnen  kurzem  herausgeben  wird,  ebenso  wie  die  Re- 
construction  des  Baues  zweifellos  mit  Sicherheit  bestimmen 
lassen. 

V^on  der  VVeihinschrift,  die  auf  zwei  Streifen  vertheilt  an 
dem  Epislyl  der  Vorderseile  des  Tempels  angebracht  war, 
sind  zwei  grosse  Stücke  erhalten  beziehungsweise  zur  Zeit 
sichtbar:  a.  dasjenige  Epistylion,  das  den  Anfang  der  In- 
schrift trägt,  rechts  unvollständig  und  der  Länge  nach  gespal- 
ten, und  b.  das  sich  ursprünglich  anschliessende  zweite  Epi- 
stylion, vollständig: 

a.  OAAMOZAn 

YnononAi^zE 
6. 

HZTHPiaiXAPISTHPIONSnC 
AiaYlfilZAYPIKQTQANOYnATß 

'O  SäcfAo;  'A7t[61>.(ovi  XpJyj'iT'/ipioj  ^api(JTr,ptov  (ji>i^[eiar,^  tt/?  TraTpiSo;] 
i)7c6  llox'Xiw  Se[poiXi(«>  no7r]>>t(o  ulo  'laaupi-zco)  tw  ävOuTcaTW. 

Auf  der  Agora  von  Pergamon  ist  die  Basis  einer  Statue  des- 
selben Servilius  Isauricus  gefunden  worden,  aus  deren  Auf- 
schrift hervorgeht,  dass  Servilius  als  Proconsul  in  Pergamon 
die  demokratische  Verfassung  nach  älterer  Form  wiederher- 

MITTH.  D.  ABOH.  INST.  X.  lg 


274  DER   TEMPEL   DßS  APOLLON   CHRESTERIOS  ÖEI   AIGaI 

gestellt  hatte.  Die  Inschrift,  die  ihn  deshalh  als  Hettor  nnd 
Wohlthäter  preist,  lautet  (h]ri;el)nisse  der  Ausgr.  von  Perga- 
inon  I  S.  7())  :  6  fVi^ao;  etiixtiTSv  Uott'Xiov  i^spoD.iov  Flo-'Xio'j  utov 
'I(7aupi>tov  Tov  avOuxaTOv,  yeyovoTy.  rjcoTTipa  /.ai  sOspylTr^v  xr,?  -6- 
'Xeco?  xal  äTTOr^e^coy-OTa  t-^  ttoIei  tou:  Trarpio'j?  voao'jg  x,a'.  Tr,v  ot)- 
aoxpaTiav  äf^o'jXfoTov.  hjiie  ähnliehe  Vei'i2;i'msli<i;iing  seheinl  Ser- 
vilins  auch  der  Stadt  Aia;ai  gewährt  zu  hahen,  wofür  ihn  die 
Gemeinde  in  der  VVeihinschrift  unseres  Tempels  neben  Apol- 
lon  nennt.  Die  Ergänzung  von  Z.  I  wird  daher  dem  Sinne 
nach  das  Richtige  treffen. 

Durch  den  Nachweis  eines  Apolhdieiliglhumes  am  oberen 
Kodja-Tschai  wird  nunmehr  auch  die  bis  jetzt  vereinzelte 
Nachrieht  des  Agathias  von  Myrina,  dass  der  Fluss,  an  des- 
sen Mimdung  seine  Vaterstadt  liege,  rJjOix.o;  geheissen  habe, 
verständlich,  und  die  idenlificirung  i\e.y  Ruinen  von  Kalabas- 
sary,  wo  der  Kodja-'rschai  miindct,  mit  denen  von  Myrina 
erhält  damit  eine  neue  Bestätigimg. 

Noch  verdient  erwähnt  zu  wertlen,  dass  wir  Kunde  haben 
von  einem  zweiten,  älteren  Tempel  des  Apollon  Chresterios 
in  derselben  Gegend,  nämlich  durch  Cyriacus  von  Ancona, 
der  zu  Strabo  XIII  (122,  zu  der  Stelle  über  den  Apollotempel 
von  Gryni()n,im  codex  Mediceus  an  den  Handgeschrieben  hat: 
Kuptaxo;  S'  eyö  aÜTO?  [/.exa^u  Muptvio; /CocL  K6[).'f)Q  Iq  toc  toO  a'jxoiJ 
'Ato'X'Xcovo;  Upo'j  i^ÜTZiy.  ev  tö  uTrepxeiasvcp  'XiÖw  tt);  Tzu'k'riq,  [J-syt- 
CTO'.?  y.y.i  y.oCk\ia-zoi;  ypxtv-fxa'jt  7;a>>!Xiol;  xoSe  t6  ETriypaaixa  supov 
APOAA^NI  XPHZTHPini  (t)IAETAIP02  ATTAAOY.  Dass 
das  lleiligthum,  dessen  Kuinen  C-yriacus  gesehen  hat,  der  oft- 
erwähnte  Apollotempel  von  Grynion  sei,  nimmt  der  berülimte 
Italiener  vielleicht  mit  Unrecht  an  ^ ;   dieselben  müssen  aber 

<  Vgl.  Pottier  u.  Reinach  a.  a.  O.  S.  20o  Aiiiii.  2. 
jedenfalls  in  der  Nähe  der  kiiste,  vermuthlich  niclit  weit  vom 
Pythicus  gelegen  haben. 

EllNST  FABKICILIS. 


Der  alle  Alhena-  Tempel  auf 
der  Akropolis  zu  Athen. 

Ks  wird  den  Lesern  dieser  Mitfheiliin^en  erwünscht  sein, 
eine  vorläufige  Nachricht  über  einen  Bau  zu  erhalten,  wel- 
cher bisher  noch  unbekannt  war,  aber  eine  lanj>e  Zeit  hin- 
durch der  t^ntsste  'remj)el  Athens  pjewesen  ist. 

Mau  |)ll('j^l  als  erwiesen  zu  helraclilcu,  dass  vor  den  Per- 
serkriegeu  an  (h^r  Stelle  des  jelzij^i'u  Parthenon  ein  von  den 
Pisistratiden  erbauter  grosser  Tempel  stand,  welcher  noch 
nicht  gauz  vollendet  war,  als  er  von  den  P(!rsern  verbrannt 
und  zerstört  wurde.  Seine  Säulen  aus  Marmor  und  sein  Ge- 
bälk aus  Porös  sollen  von  Themistokles  beim  schnellen  Auf- 
bau der  nindliehen  Burgmauer  als  Baumaterial  verwendet 
sein.  Auf  seinem  von  der  Zerstörung  nicht  mitbetrolTenen  Un- 
terbau habe  dann  l*erikles  den  jetzigen  l*arthenon  errichtet. 
Gegen  diese  Annahme  lassen  sich  aber  mehrere  Bedenken  gel- 
tend machen. 

Die  in  der  Burgmauer  verbauten  Säulentrommeln  können 
mit  den  daselbst  befindlichen  Gebälkstücken  schwerlich  zu 
einem  Gebäude  gehören,  denn  jene  bestehen  aus  penteli- 
schem  Marmor,  diese  aus  l*iraeuskalk  (Porös);  auch  sind  jene 
noch  nicht  ganz  vollendet,  während  diese  nicht  nur  ganz  aus- 
gearbeitet und  verj)utzt,  sondern  auch  schon  bemalt  waren. 
Ferner  lässt  sich  aus  technischen  Merkmalen  nachweisen,  dass 
der  unter  dem  perikleisclien  Parthenon  liegende  Unterbau  ei- 
nes älteren  Tempels  zu  gleicher  Zeit  mit  der  grossen  Süd- 
mauer der  Burg  errichtet  sein  muss.  Dies  passt  aber  nicht  zu 
der  bisherigen  Annahme,  dass  der  ältere  Parthenon  schon 
lange  vor  den  Perserkriegen  bestanden  habe,  denn  nach  dem 
einstimmigen  Bericht  der  alten  Schriftsteller  ist  die  grosse 
Stützmauer  erst  von  Rimon  erbaut  worden,  b^ndlich  war  es 
auilallend,  dass  die  Athener  in   der  langen  Zeit  von  den  Per- 


276    DER  ALTE  ATHENA-  TEMPEL  AUF  DER  AKROPOLIS  ZU  ATHEN 

serkriegen  bis  zu  Perikles  nicht  an  den  Wiederaufbau  ihres 
grossen  Athena-  Tempels  gedacht  haben  sollten.  Diese  und 
noch  andre  fragliche  Punkte  erhallen  mit  einem  Mal  eine  be- 
friedigende Lösung  durch  einen  jüngst  gemachten  Fund. Zwi- 
schen Parthenon  und  Erechlheion,  dicht  neben  dem  letzteren 
Tempel  liegt  ein  rechteckiges  Plateau  von  22'"  Breite  und  45'" 
Länge,  in  welchem  man  bisher  den  heiligen  Bezirk  der  Alhena 
Polias  erkannte.  Diese  Terrasse  ist  aber  nicht  wie  man  glaubte 
ganz  mit  polygonalen  Steinen  gepflastert,  sondern  besteht  aus 
mehreren  starken  Mauern,  deren  Zwischenräume  mit  Erde  ge- 
füllt sind. 

In  diesen  Mauern  dürfen  wir  die  Reste  eines 
grossen  Tempels  erkennen,  welcher  nur  der  von 
Herodot  oft  erwähnte  und  von  den  Persern  ver- 
brannte Athena-  Tempel  sein  kann.  Schon  jetzt 
bevor  noch  Ausgrabungen  gemacht  sind,  erkennt  man,  dass 
der  Tempel  ein  Peripleros  gewesen  sein  muss.  Die  noch  vor- 
handenen Fundamente  und  Stufen  beweisen  weiter,  dass  er 
aus  der  vorpersischen  Zeit  stammt,  denn  in  ihrer  Construc- 
tion  und  ihrem  Material  (dichter  Kalkstein)  stimmen  sie  über- 
ein mit  den  Resten  des  älteren  Dionysos-  Tempels  in  Athen 
und  des  kürzlich  entdeckten  älteren  Tempels  in  Eleusis.  Da 
ferner  der  nördliche  Stylobat  von  der  Korenhalle  des  Erech- 
theions  überbaut  ist,  so  muss  der  Tempel  unbedingt  schon 
zerstört  gewesen  sein,  als  das  jetzige  Erechtheion  errichtet 
wurde.  Zu  den  Maassen  des  Unterhaus  passl  nun  das  in  die 
nördliche  Burgmauer  verbaute  alte  Gebälk  aus  Porös  ganz 
vorzüglich,  wenn  wir  annehmen  dass  der  Tempel  je  G  Säulen 
an  den  Fronten  und  je  12  an  den  Langseiten  hatte.  Einige 
Reste  der  Säulentrommeln  aus  Porös  kamen  im  vorigen  Jahre 
bei  den  Ausgrabungen  östlich  vom  Parthenon  zum  Vorschein 
und  andere  Säulentrommeln  sind,  wie  eine  genaue  Untersu- 
chung der  kimonischen  Südmauer  neuerdings  ergeben  hat,  in 
den  untersten  Schichten  derselben  als  Material  verwendet. 
Das  Aeussere  des  alten  Tempels  lässt  sich  hiernach  ziemlich 
vollständig  reconstruiren.  Die  Form   und  die   Abmessungen 


DER  ALTE  ATHENA-  TKMPEL  AUF  HER  AKROPOLIS  ZU  ATHEN   ?77 

der  Cella  sind  dagegen  noch  vollkommen  unbekannt,  werden 
sicli  aber  durch  Ausgrabungen  hofTcntlich  feststeUen  lassen. 

I)i(>  Lage  des  Tempels  im  VerliaUuiss  zu  den  andern  Ge- 
bäuden der  Burg  erkennt  man  am  besten  auf  dem  kleinen 
Plane  der  Akropolis  in  Michaelis-  Jahn:  Pamaniae  descrijdio 
arcis  Athenarum,  wo  der  Platz  weiss  gelassen  und  durch  die 
Zahl  30  als  Area  der  Athene  bezeichnet  ist.  Nachdem  die  Per- 
ser diesen  allen  Porös- Tempel  zerstört  haben,  l)egann  Ki- 
mon  weiter  südlich  an  der  Stelle  des  jetzigen  Parthenon  einen 
stattlichen  Neubau,  für  den  er  mit  Errichtung  der  grossen 
südlichen  liurgmaucr  zunächst  einen  Bauplatz  schaffen  musste. 
Dieser  neue  Tempel,  welcher  noch  grösser  werden  sollte,  als 
der  Perikleische  Parthenon,  wurde  aber  nicht  vollendet,  denn 
Kimons  Verbannung  und  die  schlechten  Zeiten,  welche  Athen 
bald  darauf  durchzumachen  hatte,  unterbrachen  den  Bau  in 
den  ersten  Anfangen.  Ihm  gehören  die  halbfertigen  Säulen- 
trommeln aus  pentelischem  Marmor  an,  welche  in  der  nörd- 
lichen Burgmauer  östlich  von  dem  Porosgebälk  sichtbar  sind. 
Nach  Verlegung  des  Bundesschatzes  von  Delos  nach  Athen 
nahm  Perikles  den  Bau  wieder  auf  und  führte  ihn  in  etwas 
veränderter  Gestalt  zu  Ende. 

Vor  den  Perserkriegen  hat  also  an  der  Stelle  des  jetzigen 
Parthenon  noch  kein  Athena-  Tempel  gestanden,  vielmehr 
lag  in  jenen  Zeiten  der  grosse  Athena-  Tempel  der  Burg  ne- 
ben und  zum  Theil  unter  dem  jetzigen  Erechtheion.  Die  alten 
Kultmale:  der  heilige  üelbaum,  das  Dreizackmal  des  Posei- 
don, der  Brunnen  mit  Seewasser  und  das  Grabmal  des  Ke- 
krops  lagen  unmittelbar  neben  der  nördlichen  äusseren  Säu- 
lenhalle des  alten  Athena-  Heiliglhums  theils  in,  theils  neben 
dem  alten  Tempel  des  Erechtheus. 

WILH.  DOEBPFELD. 


Miscellen. 


Inscription  d'Aidin. 


AAPAZTOSAAP/ 
TOYTOYAAPA2TO 
AAMAAQN  lEPOS 
NEIKATHNTPITH  N 
nE  PI  O  AONTQN  X  A  P 
MIAEinNÜAIAr^N 

nANKPATION 
Ar^N  O0ETOYNTOS 
TT  O-A  I  A- Ao  Y  K  1  A  I  A  N  O  Y 

AIONYZ  I  O  Y 
EniMEAHOENTOZ 
T  H  2 ANAZTA^EÜZ 
TOYANAPIAN  T02AAPA 
2TOYTOY  B  TOYü  A  T  P  O  Z 
AYTO  Y 


"A^paaxoi;  'ASpx[c?- 
TO'j  Toö   'A(^pxr>To[u 

V£l/,5c    T-/]V    XpiT'/lV 

TTspioSov  Tüv  Xap- 
[^-losiwv  Tiraiowv 

7rav)tpa.Tiov 
äywvoOsToOvTO? 
no(7c\io'j)  Ail(iO'j)  Ao'j/'Aiavo'j 

AiovuGtou 
ETri'xs'XTiOevTo; 

TOu  ä.vSpi!XVTo;   'ASpa.- 

«7T0'j  TO'j  'ASpacTO'j  TOU  zarpo; 
auTOu. 


L'inscription  est  gravee  sur  iine  base  de  statue  de  marbre 
blane  d'iin  melre  de  bauteur,  0,44  de  largeur  sur  la  base, 
0,40  sur  la  partie  superieure,  et  de  0,46  d'epaisseur,  portee 
ä  la  gare  du  chemin  de  fer  d'Aidin  du  village  Omourlou  si- 
tue  tout  pres  d'Aidin*. 


Smyrne  le  3/15  Aout  1885. 


ARISTOTE  M.  FONTRIER. 


*  [Die  Inschrift  ist,  mittlerweile  in  MouasTov  xa't  BiöXioÖrlxr)  xfa  EyayyEXtx^s 
S/oXtjs.  ricp-'ooo?  ziiiKTi].  'Ev  Sjxjpvr]  1885  äp.  uLj'  in  Minuskeln  publicirt wor- 
den.—U.  K.] 


MISCELLEN  279 

Marathonische  Inschriflen. 

1.  Vor  kurzer  Zeit  wurde  unp;.  80'"  südöstlich  vom  sog. 
PyPijjos  in  einem  Weinberg  der  marathonischen  Ebene  ein 
würfelförmiges  Postament  (li.  0,i9;  br.  (),'t(;;  d.  0,3!)'")  aus 
weissem  Marmor  gefunden,  dessen  am  obei'en  Hand  etwas 
beschädigte  Frontseite  die  Inschrift 

O  A  Y  A  E  I  lI]oXuSe[uxiü)V 

TÜAIONYCQ   flilli  Tü>  AiovO-TO)  [eu- 

CIEBEIAIIENEKA  (jeßeia?  £V£x.a. 

trägt,  uns  also  wieder  eins  der  in  Kephisia  und  Marathon 
häutigen  Monumente  kennen  lehrt,  die  aul  Herodes  Attikos 
zurückgehen  ;  in  der  Mitte  der  oberen  Fläche  dieses  Steines  ist 
ein  kleines  rundes  Einsatzioch  erhalten,  das  vermuthlich  zur 
Befestigung  einer  Dionysosstatuette  diente. 

Auch  dieses  Monument  giebt  leider  ebenso  wenig  wie  die 
Mitth.  III  S.  '259  fg.  besprochene  Weihung  der  T  E  T  P  A- 
P  O  A  E  E  ^  (so  ist  nach  meiner  neuen  Revision  zu  lesen)  ei- 
nen genauen  Anhalt  zur  Ansetzung  des  Dionysosheiligthums 
in  Marathon,  denn  der  neue  Stein  ist  auch  nicht  in  situ  ge- 
funden. Ein  unter  der  Inschrift  eingeritztes  Kreuz  zeigt,  dass 
er  zu  der  Kapelle  gehörte,  deren  Ruinen  mit  vielen  antiken 
Quadern  untermischt  nur  ung.  100'"  östlich  von  seiner  Fund- 
stätte entfernt  liegen  Der  Zustand  dieser  Ruinen  macht  wohl 
wahrscheinlich,  dass  die  Kapelle  an  die  Stelle  eines  alten  Hei- 
ligthums,  vielleicht  des  Dionysos,  getreten  ist,  aber  zusam- 
menhängende Fundamente  sind  wenigstens  jetzt  nicht  zu 
sehen. 

2.  An  dem  grossen  Brunnen  im  Hofe  des  einem  gewissen 
Rabanis  gehörenden  Gehöftes  beim  Sorös  sind  zwei  Frag- 
mente eines  Altars  aus  pent.  Marmor  vermauert,  der  am  obern 
Rand  mit  Rosetten  geschmückt  war.  Auf  einem  der  beiden 
Fragmente  steht  APTSMIAOC,  auf  dem  andern  6  I  A  6  I- 


280  MISCELLEN 


OYißN;  der  Altar  ist  schon  im  Alterthum  zerstört  und  das 
zweite  Fragment  als  Grabstein  benutzt  worden,  da  auf  einer 
Seitenfläche  desselben  in  grossen  plumpen  Zügen  MS  I  K  6  I  ÄC 
eingehauen  ist. 

In  demselben  Hofe  tragt  eine  grosse  pent.  Marmorplatte, 
die  als  Basis  für  den  Holzpfeiler  einer  Kelter  dient,  auf  einer 
der  längeren  Schmalseiten  folgende  gross  und  sorgfältig  ge- 
schriebene Inschrift. 

H  I    H  M  r  'H[y]:0(/.[ü)V 

f"    I     ^    I  ^  ['Hy/)<7ioo]. 

H.  G.   LOLLING. 


Zur  Idäischen  Zeusgrotte. 


Es  liegt  nunmehr  auch  die  inschriftliche  Bestätigung  dafür 
vor,  dass  die  Grotte  beim  Nidafeld  im  kretischen  Idagebirge 
in  der  That  das  Heiligtum  des  Zeus  Idaios  ist.  Nach  einer  gü- 
tigen Mittheilung  der  Herrn  I.  Chatzidakis  und  Fr.  Halbherr 
aus  Iraclio  (Candia)  ist  in  diesem  Sommer  in  der  Grotte  ein 
Täfelchen  aus  gebranntem  Thon  gefunden  worden, welches  in 
Typen,  die  an  die  Formen  der  Cursivschrift  erinnern,  nach- 
folgende Inschrift  trägt : 


A  1  1  A  A  1  »i 

AI   'lSai[a)(0] 

e  Y  X  H  N 

SÜJ^TIV. 

Ä  C  T  H  P  /  i 

'AcTTip    'A- 

Ä  e  zÄ  N 

"Xe^dcv- 

A  P  O  Y 

Spou. 

Dr.  Halbherr,  dem  wir  die  Abschrift  verdanken,  giebt  fol- 
gende Beschreibung  des  Täfelchens:  Tavoletta  dt  terra  cotta 
{spessore  7  mm,  alt.  45  mm  larg.  60  mm)  un  po'  frammentata  a 


MISr.KfJ.EN  281 

destra.  l  solchi  delle  letteresono  riempüi  d'una  tinta  rosso-chiara. 
AI  rovescio  porta  iinpressa  la  sigla:  A. 

Der  griechische  Syllogos  von  Iraclio  haL  in  ielzler  Zeil  re- 
gelrechte Ausgrabungen  bei  der  Grolle  vorgenommen,  denen 
Dr.  Halbherr  beigewohnt  hat.  iNach  einer  Mittheilung  des 
Letzleren  wurden  dabei  weilere  üeberresle  von  VVeihgeschen- 
ken  gefunden,  Theile  von  bronzenen  Dreit'üssen  und  grosse 
Stücke  von  Bronzeschilden,  letztere  mit  älmlichen  Heliefdar- 
stellungen  wie  auf  dem  oben  S.  66  veröiTentlichten  kleinen 
Fragment.  * 

ERNST  FÄßlllClüS. 


Bialphabete  Inschrift  in  Athen. 


Rechteckige  Platte  aus  pentelischem  Marmor, nach  der  rech 
ten  Seite  hin  gebrochen. 


A  X  L  A  n  f /  u  N  I 

^  V  /^  ®  E  ^  I 
A  X   E   U  O   I  C 

Die  erste  Zeile  steht  hart  am  oberen  Rand,  die  zweite  nach 
dem  unteren  Rande  zu;  in  jener  ist  von  einigen  Buchsta- 
ben jetzt  nur  die  untere  Hälfte  erhalten.  Der  Stein  scheint  in 
eine  Wand  eingelassen  gewesen  zu  sein.  Augenscheinlich  war 
derselbe  Vermerk  in  etwas  verschiedener  Fassuni?  zwei  Mal, 
ein  Mal  in  der  attischen  Schrift  aus  der  ersten  Hälfte  des 
fünften  Jahrhunderts,  das  andere  Mal  in  der  jonischen  Schrift 
der  zweiten  Hälfte  des  vierten  Jahrh.  auf  dem  Steine  einge- 
graben. Die  Herstellung  ist  unsicher,  vermuthlich  waren  die) 
Nymphen  durch  ein  Attribut  gekennzeichnet,  also  wohl; 


282  MISGELLEN 

N'jv(p-/i':i ' Aytkiinöli  iepov]. 

Die  Entstellung  der  doppelten  Fassung  wird  man  sieh  nicht 
anders  denken  können  als  so,  dass  die  erste  Zeile  später,  nach- 
dem die  attische  Schrift  ausser  Uebunsr  sjekommen  war, um  der 
Deutlichkeit  Willen  auf  dem  Stein  hinzugefügt  worden  ist. 
Die  nächste  Analogie  bietet  der  zuerst  durch  J.  H.  Mordtmann 
bekannt  gemachte  Stein  aus  Kyzikos  fe.  Roehl  /.  G.  A.  491 ; 
verwandt  sind  auch  die  Inschriften  der  sos.  Herme  von  Si- 
geion,  deren  Entstehung  indess  noch  nicht  aufgeklärt  ist^Dass 
Ächeloos  in  Attika  verehrt  worden  sei,  hat  man  aus  dem 
Eingang  des  Phaidros  geschlossen;  ein  inschriflliches  Zeug- 
niss  steht  C.  I.  G.  470  b,  ist  aber  nicht  als  solches  erkannt 
worden;  der  von  Fauvel  copirte  Text  ist  zu  lesen:  [Njaucw 
(oder  ein  anderer  ähnlicher  Name)  'A)(^s[Xjo)w  äveO-zixev  EÜ[xvyi- 
«TTO'j  riaiaviea)?  yuv/].  Die  Weihinschrift  rührt  aus  der  ersten 
Hälfte  des  vierten  Jahrb.  her. 

ULRICH  KOEHLER. 


Inschriften  in  Chalkis. 

1.  Vor  der  Dimarchie  steht  ein  dunkelgrauer  prismatisch 
geformter  Steinblock,  der  bei  der  Arethusa  gefunden  wurde 
und  auf  einer  seiner  grösseren  Flächen  folgende  Inschrift  trägt: 

EV0e:MO^ANE©/f  Eu'f-op?  7.v£6[7i- 

M  3  >l  x£v. 

2.  Im  Hof  der    Dimarchie  wird   eine  weisse   Marmorplatte 


*  [Vgl.  jetzt  y.  WilamowiU  Udiones  epigr.  Güllingea  1885  S.  3  f.]. 


MISCELLEN  283 

aufbewahrt,  welche  von  Jakupi  unweit  Bathonda  bei  Chalkis 
stammt.  Die  Insclirift  lautet: 

rHPAIAHKAEONIKEAinnNBIONAINE  TOSA2TOI  t 
KEISAITONAEMETANTYMBON   E*   E??AM   E   N   O? 
IEIAIAEKrErAnSAinAPO?AETOKAIO?OPl??a 
PAIAnNTEAKMAIAAEIPETAIAAlKIA 

KAEON  IKO  € 

(}>  E  I  A  I       O        Y 

rripa'i  St),  KXsovi/te,  >.i77wv  ßiov  atvexo?  acTOi? 

4>]£iSia  EJcyEyao);  liTrapö?  §£  rö  x,'X[£]o?  ÖTüt^jrro), 

riaiStov  T£  ä/CjAaioc  X£i7r£Tai  ä,Xi>tia. 
K'Xeovi'.co? 

<I>£lSiO'J. 

H.  G.  LOLLING. 


Inschriften  aus  Svkamino  und  Limocrardi. 


Auf  dem  Gute  des  Herrn  Timoleon  Bassos  in  Sykamino, 
^2  Stunde  vom  Dorfe  Oropos,  sieht  u.  a.  ein  weisser  Mar- 
morblock, der  foloende  Inschrift  trägt: 


b  P  M  Q  N 

'Epjy-cjv 

A  A  EZ  A  N 

'AXe^gcv- 

APO YEFI 

SpOU    £TCl- 

M  E A  HTHZ 

(/.e>.7)Ty]? 

PEN  O  MEN 

yevöjJLEv- 

OZHPAKAEI 

o;  'HaoLyCi 

Unter  den  Zeilen  1,  2,  3  und  i  ist  eine  IJnie  horizontal  über 


den  Stein  gezogen- 


284  MISCELLEN 

Im  Bull,  de  corr.  hell.  1882  S.580  fg.  veröffentlicht  B.  Lati- 
schew  ein  Verzeiehniss  von  Bürgern  aus  Nart  hak  i  on, weiche 
als  Proxenen  fremder  Slaaten  fiinffirt  haben,  sov^ae  Fragmenle 
von  2  Coliimnen  einer  Bürgerliste  in  der  sich  einige  INamen 
der  Proxenenliste  wiederfinden.  In  dem  ebenfalls  gleichzeiti- 
gen grösseren  epigraphischen  Denkmal  der  Sladt,  dem  a.  a. 
0.  S.  364  fg.  mitgetheilten  Senatusconsult,  kehrt  ferner  ein 
auch  in  den  beiden  übrigen  Denkmälern  vertretener  Name 
wieder. 

Auf  dem  Gute  des  Ep.  Dimolulias  in  Liniogardi  fand  ich 
ein  weiteres  Fragment  der  von  Latischew  S.  588  fg.  publicir- 
ten  Columnen  von  Bürgernamen,  durch  welches  eine  dersel- 
ben vervollständigt  und  die  Anfänge  einer  3ten  Columne  (a) 
neu  bekannt  werden;  letztere  stand  auf  einer  andern  (links 
anstossenden)  Seite  des  Steins. 

Durch  die  neuen  Fragmente  werden  einige  der  von  L.  auf- 
gestellten Vermuthungen  bestätigt,  andere  beseitigt;  ich  hebe 
nur  hervor,  dass  im  Senatusconsult  .4  Z.  i  statt  Ku^itütcou  ein- 
zusetzen ist  <l>£iS{7:7rou .  Die  neuen  Stücke  sind 

a.  b. 

V  A 

§  E  /  0   E    I   ^   I    I  ITTTTO?, 

_  Y  B  Eügo'j"XiSa.  A  N  T  I  F  xarpoc, 

r  H  /  XIa?  A  P  X  I  A  /   [7.0? 
YH  A  liv..                  OYO  I  E  Y  ^^  vSpou. 

Cn^/  vSpo?  E  Y  A  N  Spo? 

A  F  O  A  IwviSa.  A  P  X  I  A  ä.i^.o-j. 

N  I  K  O  /^  ao?  E  Y  A  N  A  po;, 

N  I  K  A  vSpo'j.  F  O  A  Y  K  Ivi; 

NIKAvSpO;  O   I   ({)  E   I  A   I  TTTTOJ. 

NIKOAäo'j.  ^  K  A  E  O  I  €ou-Xo?, 
M  E  r  A  /    'XoxVo;  K  A  E  O  ^  xpaTo; 

E  Y  F  O  ).£[xou.  O  I  K  A  E  A  ivetou. 

0  P  A^  ^  '^(^ap?  M  I  K  K  I  tov, 

N  I  K  O  A  70V,  F  O  A  Y  icpaTY)^ 


Misniji.t.KN'  ?85 

A  I  ^  X  I  va?  O  I  A  N  T  iTraxpo-j. 

r  A  Y  P  taxou.  N  I  K  O  A  ao? 

r  A  Y  P  t'7/.o;  A  I  K  A  I  /   p/ou. 

K  A  E  O  /^  i>co; 

Eine  i\eiiverp;leic',lHirit>-  der  I^oxenenlisLe  hat  er^cbun,  dass  Z. 
5  P  Ä  T  I  il  N  K  A  E  M  I,  also  XlrlpaTiüiV  K>.£a[vc5po;  od.  KX£a[i- 
vETOi;,  Z.  21  M'//,/cioiv ,  Z.  '25  0£p'7ia  zu  lesen  ist. 

H.  G.  LOLLING. 


Litteratur  und  Funde. 

Der  neuernannte  General-  Ephur  der  Alterthüraer  Herr  Kabbadias  hat 
die  dankenswerthe  Eiiiriclitung  getrulVen  in  der  'Efrj[i.;p\;  if,;  KuSepvrlasw; 
monatliche  Übersichten  über  die  im  Bereich  des  Königreichs  gemachten  und 
zur  Kennlniss  des  Oeneral-  Epborates  gekommenen  Funde  von  Antiken 
zu  verölFentlichen.  Herr  Kabbadias  hat  gestattet,  dass  diese  Berichte  in  den 
Mittbeilungeu  des  Institutes  wiederholt  werden.  Beim  Abdruck  ist  der 
Text  an  einigen  Stellen,  wo  es  unbeschadet  der  Sache  zulässig  schien,  ge- 
kürzt worden. 

APXAIOAOriKON  AeATION  TOJ  [ArjVO;  'lo'jvi'ou  1885. —  Kaia  tciv  |J.^'va  'lojviov  £l- 
O7J/Ori0av  et?  10  Ypa^^tov  xtj;  v£vtx%  soopi'a?  ai  l^fj;  äp/^aiOTrjTES'  1)  "iVyaXjAa  'A:i:oX- 
T^tJüvo;  piappLaptvov  tpuaixou  ixzyiOouc,  awov,  ip/ (xivMiix-zov  T»jv  [xoptprjv.  2)  Kop[A6;  yj- 
[i.voy  aya^-jJ-aTo;  ouatzoD  [xsyc'Ooj;  'iyo)v  so»'  Ixaxe'po'j  twv  [xriptüv  äpyaiV.rjv  ETktypayrjV. 
3)  Ke-faÄr)  'A:idAXojvoi;  (;)  »ua'.zoü  [asys'Öous  äp/aVxojTaTr]  -u/jv  [xopsrjv  xa\  Epyaaiav  xal 
xaXXtuTT]?  S'.aTTJpr^asüJc.  4)  To  xai'o  [Jispo;  äp^atV.wTaTOu  ayaXjjiaroj  £x  7:cop;vo'j  ).!0ou, 
lyovTo;  [loptprjv  (jTrjXr)?-  'j;i£p  tou?  ;idoa;  aw^ciai  ßoüaipoc'Tjoov  y£ypa[i.ij.£vr)  ävaOr][jLa- 
Tix»!  ET^iypayrJ.  5)  KEyaXrj  'A:idXXojvo;  (;)  [/appiapivri  äp/atxr]  Trjv  TE/vrjV,  [JL£y£0ou4 
xa-cä  Tt  tAtxpoTEpou  Tou  yuatzoO'.  6)  XaXxouv  ayaX;i.aTtov  'ATrdXXwvo;  äp/aVxtoTaTov 
":J)v  pLopiprjv  [Acx'  äva9rjp.«Tr/.f](;  ßouaTposprjoov  y£ypa[jL[j.£vr];  Imfpazif^i;.  7)  Hpaüaf/axa 
3ta|)o'ptiJV  ayy£''wv  za';  «XXtov  ::t]X;vojv  Eupr) piaTcoy,  eiotoXitüv  xXti.  8)  "ET£pov  äyaXixa- 
Tiov  ip-^a'v/jjv  p.£v  T/jv  [JLopcprjV,  äXXa  zaXXt'aTr);  t£)(_v7];"  r/^£t  xai  touto  äp/aVxTjv,  o^cwi; 
Ta  aXXa  £7T'.ypa-^rjv.  At  äp-/_aidTr;T£s  auTat  £up^67)(jav  aTiasai  £v  Tat;  £:i\  tou  dpou^ 
ntrooj  T^;  Boiojxt'a;  (^rapa  xrjv  Kapjtiaav)  £V£pyou(j.£'vai;  ävaaza-ial;  CiTto  xf]?  FaXXt- 
x^;  ayoXf];. 

llapa  xrjV  XaXz^öa,  £v  xaxaozEua^ojJLEvr)  8r)[jLoaix  öooj,  Eupe'Br,  xptyojvizov  ßaOpov 
ayaXjJiaxo?,  £v  to  aoiCsxat  äp^aixrj  ßou(jxpoor,oöv  y£ypa[x(Xcvrj  ävaOrjuaxtzfj    sTitypaoTJ  *, 


S.  oben  auf  S.  282. 


286  MISCliLLEN 

'E:ii  T^;  ööoj  81  xf^c,  p.£Ta?ü  XaXxioos  xat  3r)po/copioj  jupsÜT)  iiTtö  yioptz  wv  ay.£<paAov 
aYaX[j.a  yuvaixos  -jyatxoij  [Aey^^O'^?  poj[i.aVx(J5v  ypo'vwv. 

ApxAiOAOriKON  Aeation  tou  ;xt)v6$  'Io'jV.ou.  A' .  ' Ap^awT^rec,  elaaj(^ßeTaai  eiq 
Tt)r  rerixi)r  Ecpoplar.  i)  Auo  /«Tontpa  yaXxa,  ojv  TÖ  ev  £/£i  Itci  t^;  Irspa;  twv  Irtt. 
?pav£iwv  ajToO  wpoc.oTaiov  ävayXu'-pov  £txov''Cov  rfjy  Evptomir  eti'i  tou  Tavpov,  xal  uTir) 
■joÜTOV  Ö£l(pZra.  T6  £T£pov  £iv£  T£OpauCT[X£'vov  ci?  T£[xay^ta  xat  aoj^Etai  nspiTtou  xaia  ta 
2/3,  t/v.  ZI  xal  TO'JTO  xäXXtaiov  ävacYAj^ov  elxov'^ov  Nr)pr)tSa  öyoupiEvrjv  da.laaalov 
ijinov.  Ti  xatOTcipa  TaOxa  (jiEia  nvwv  äYyci'tov  T£6paua;jL£'vo)v,  w;  etii  tö  izkv.rsiow,  xat 
oüy\  «^''tuv  Xo'you,  EÜpE'Orjcjav  £v  'Ep£Tp!a  ::£pi  loyoypiov  «  xatw  Mari.ouXa  ».  2)  'E7:t- 
Ta^iov  avotyXupov,  r/ov  <J/jfjpia   vataxou  xa\  h  xw  ExtatuXiw   xai  ä£Toi[jLaTt  EJttypayrjv. 

'H  Trapaaxaat;  £tv£  iwv  xaXoufXEvwv  vszp'.xwv  Oc'!:ivojv.  T6  ävocyXu^ov  toüto  ;tpO£'py£- 
Tat  £x  Bapvrj?.  3)  Tptaxovxa  r£VT£  vopu'apiaTa,  £^  wv  ta  [jlev  Eix-oa;  xat  £v  £lv£  Sidpaxfta 
'A2e(ärdpov,  toc  S:  xpi'a  Sidpa^^a  (PiXiTtnov.  Ta  vo{x;'a[i.aTa  xauia  £'jp£'6r,<Tav  £v  Ku- 
-apnjat'a,  £v  xjj  xaxaax£ua!^op.£vif)  £X£t  Tipoxujjiata.  4-5)  'Apy^atdxaxov  xr)v  xi/yriw  '^al- 
xovr  äfaJftavior  avopo;  fipovzoi  opuytxöv  tiTXov,  e^ovxo;  xoug  Tcooa;  auyxcxoXXr)[jL£- 
vou?  xat  xoc;  X.^'P*5  ^'l^  F"'^^  T^po?  "^^  *vw  x£xa[i.[j.£vrjv,  xfjv  oe  Tcpö;  xa  xäxw,  xat  [i.ap- 
[JLaptvT]  xecpaÄi)  rearlov  pw[i.atxfjs  X£yv7)$  xat  [j.£y£Öou;  [i.'.xpox£pou  toü  fj[j.faea);  <pi;at- 
xou.  Taüxa  Eup^Ö/jtjav  ;:apa  xoü;  AeX'^ou;  ev  xf,  xaxaax£ua(^op.£'vT]  Syijxoat'a  63(I>. 

ß'.  'Apj(^ai6zr}zsQ  Tuir  fjrapjj^twr. —  'Ev  xat;  avojXEpw  (ap  1)  [Jivr|[xov£uGctaat; 
ävaaxa'^at;  xa^ojv,  7:Xt)v  xwv  xaxoTixpwv  xat  äyy£iojv,  supEÖri  Tipoi;  xouxoi;  Ejrtxa^tov 
cV£7:iypa^ov  äray^vjpor,  Etxovt'sov  Süo  [xopaa;,  ojv  f)  [xi'a  xpaxEl  £ts  xi;  ayxocXa;  ßpEipo;. 

—  'Ev  'AxaXdvXT)  £'jp£6r]5av  ouo  Xt'öot  TiEptipEpoS;  ßaöpou,  k'yovxo?  ETütypa-^rjv,  8r)- 
Xouaav  Ttpö;  xoT;  aXXot;  xa  ovdp.axa  8Jo  0ri6ai:'ojv  XEy^vtxwv. 

r".  'Araaxarpai. —  Ai  £v  A/JXw  ävaaxot'^at  ytvovxat  oaTcavat;  xr);  TaXXtx^;  Kuösp- 
vrJaEw;.  'A:^oxA£CTfi.a  xwv  fJ-.ypt  xouOc  ävaa/.aswv  xojXojv  ctvat  f;  ä7:oxaXu']/t;  xou  oa- 
TtEOOu  ayvwoxou  raov  Siopixov  pvO^ov  xat  f)  £Üp£at?  fX£yaXou  ävaöyjpiaxtxoü  ärajXv- 
cpov,  Vi  M  xptic,  (X7zo-AzY.poj<!iiiv(xi.  piopaat  eJziYpacprjc  djwrtOTtpcfjc,  ^v  fj  JcoXXä  ovö- 
[jLaxa  opafjtaxtxwv  7iot7]Xwv,  azecparoizixuir  iji'qyKjfiäzior  Y.a.\  za^iiaxZir  xazajpacpZir, 
(ov  xö  TUcptcydfjLEVov  £tvc  xaxaXoyo;  ävaOr)[j.axojv,  Xoyaptaaptög  £7it(jx£uwv,  [xtaÖwaEwv, 
Evoix^wv  xxX.  E'jpEÖriaav  Ixt  Ocxa  TiipiTzou  ä;i.50p£T;,  [i.txpä  üja.liiäzia  xat  xtva  ro^i- 
(Tjiaza- 

—  'Ev  Tavaypa  JodOrj  aO£ta  ;:api  xoÜ  'Y'rtoupyetoj  st;  xov  A.  Fiaytav,  t'va  £v£p- 
yrjar]  avaoxacpa;  npöi  ävaxaXu'^iv  xä-jfov  iv  totoxxrjxot;  otypoT;.  A'.  ävaaxa(pal  auxat  k'ifiE- 
pov  [Jtc'ypt  xouOi  £t;  0.0)?  ETtxä  £V£7:typä-^ou;  eJttzvfiGiovQ  ozr)2ac  /'-a't  xs'aaapa  a^tdXoya 
TtrjXtva  äyali^azia. 

üaaJxto;  xtji  I.  fla^aXT]  lyoprjyTJOr)  aocta  7:apa  xoü  'TjiO'jpyetou  voe  IvEpyi^'ar)  £V- 
xailOa  xaxot  xa  OT;[i,oxtxa  a-^ayEta  ävaaxa-^a;  ;ipö;  avaxaXu'|iv  xa-^wv.  'Ev  xaT;  spya- 
atat;  xaüxat;  äv£xaXu-^8r)'jav  äpxExo't  xä-^ot,  äXX'  £üpr;[ji.axa  lyEvovxo  TZoXb  öXt'ya  xa't  ävä- 
^ta  Xdyou. 

—  Ytzo  x^;  Tcvtx^;  'E'fOpat'a;  c'vrjpyrJOr]  ävaaxaor)  Tcapa  xdv  ßpayov  xoj  'Apct'ou 
näyou  Tipö;  avaxaXu^J/tv  xoj  oaTiEÖou  xoj  v/.ii  xaT£p£t7ioj[i.£'voj  vaoj  xoj  Atovu- 
alo\i  xo'j  'Apsiortayt'xou.  'Ev  x^  Epyaata  xajxr)  äv£xaXu»9rj  öXdxXrjpov  xd  cSayo;  xou 
vaoj  xa't  E'jp^Orioav  X£(i.a/iov  i22r}rixov  ävay2v(pov,  £v  (o  6  axpo?  Tioü?  avSpö;  xa't 
xop,uö;  axTjXT);  (;),  /Ju^arrtrör  xieröxparor,  xal  zpia  Mrixä  xioyoxpara,  wv  xä  8jo 
npo^p/ovxat  £^  oixo3o[Ji.rj[j.axo;  xoiv  xaXwv  'EXXrjVixwv  ypövtxiv.  'AJCExaXocaÖrjaav  §£  xai 
;;oXXo"t  ji^p tOTtanxoi  zacpoi  rtXrJoEt;  Ötxwv,  sv  ot;  oüo£v  £X£pov  Eup^ör;  rj  T£(jt«yta  uaX{- 


MlSfiELLEN  287 

vo)V  x£/pa)[/ana[Jisvwv  ä.yyd(j)v.  llpo^Sr)  0£  f)  spyaa^a  xat  Tzipxv  t^5  c'.aooou  tou  vaoCi 
7.0.1  ExsT  atTjcxaXuyOrj  (Jispo;  «pjj^otou  iJ.Ar)ri,xov  zoijf^ov,  00115  ärtoxeXiT  ßeSa-'o^?  ajvs- 
/£iav  Toü  Tot'/oj  JXEi'vou,  o'jTtvo?  aoirovTat  X£!'|ava  67:$p  iriv  npö;  [joppav  toj  vaoü /a- 
Twcp£p£iav. 

ApXAiOAOriKON  Ai:\TlON  tou  [jit)voi;  A'jyO'jitou  A'.  'Ap'^^aiör^zK:  tiaay^änoai  tir 
xi)r  Fsrixiir  i<j)opilay.  1)  'AvayXjsov  zi/vr^i  xtÜv  xaXwv  'LJXXrjvtxwv  ypovoiv,  Iv  «o 
eixovt'^exai  yu[j.v6?  vEav'a?,  oipuyj  öta07][j.a  ;i£p!  xriV  xopirjV  xai  JC£p'.6aXXa)v  8ta  t^i;  apt- 
aT£pa{  xai  o[ov£i  E;:£pci5o'(Ji£vo;  £7tt  ;w£.:;'.-^=poj;  i'.vo;  ö'yxoj.To  ävayX'Jy'Ov  xoCto  ctvc  yw- 
viaxov  TEfJiaytov  ^coo'^opou  o!xo8o[xrj[J.ai05  nvo?,xa't  aipEÖrj  ev  t^  Ctto  irjv  äpx-:!xr,v  tiXeu- 
pav  T/j? 'AxpOTtoXifii;  otxt'a  xwv  xXr,povo[i.'ov  Bapjxa.  2)  'l'J;i'.YP*-^''i  ■/p''i'Tt[A£'JO'jTa  w; 
öpda7)[AOV  xal  £XX£n}(0£'.ori?  ßaai;  aYaX[i.a-:o;,  EÜpsOstaat  £v  Xfö  £v  IIaxr;aiO'.;  Uooi  vaoj 
xou  '(^a;ou  Aojxä.  3)  BaOpov,  £v  (■>  zmypa-^ri  avaOr,|i.ax;xrj  «  'Aoptavw  'OXu[i.ntfo  », 
eupc6Jv  £V  'A0rjvai5. 

B'-  'Apj^atözrizsQ  zuir  inap^iw-.  'Kv  MEyapoi?  cjpE'Orjaav  ouo  äxfpaXa  yuvaixjTa 
aYaX[xaxa  ptojjLai'xwv  yp'jvtov  xai  oua'.xoO'  [xsyE'Oou;. 

'i^v  Kapoixar)  xr]?  (-)£aaaX;a;  äv£xaX'JcpOr)  äp/atoj  xoc'^oi;,  e-^'ou  £7:txu[Ji5!o;  £V£;:;'ypa- 
ipo;  Xi'öo;,  ry(^ajv  xal  avocyXu-^ov  £txovt!^ov  xov  Oavdvxa  xa\  nixp '  aüxoi  Suo  ixExa;. 

'Ev  x^  {■KcupyJ.'x  MEyaXojcdXiU»?,  xaxaax£ua^o[XEvr);  8r]ij.oa!'a?  oSoÜ,  äv£uplGrj  ßaOpov, 
£v  w  ava07i[i.ax'.xr)  £i;  «  M-  Ta3iov  S;:£Otavov,  xa  X£  äXXa  ::oXtX£Uua{X£vov  iptXoxi'pitüt 
xai  aytiivoOEXTlaavxa  xwv  A'.xa;ajv  xa\  KaiaapiOiv  xX::.» 

F'.  'Araaxafpal. —  AI  jtiÖ  xfj?  FaXXixrj;  KuÖEpvrJijEo);  £V£pyo'ju.£vai  ävaaxa-^a'i  £v 
ArjXüj  EJicpaxwOTjaav.  TcXsuxaTa  0£  EjpTJjxaxa  £y£vovxo  xä  l^^;- 

1)  'ApyaVxöv  axEaaXov  äyaXjjLa  "Atio'XXojvo;,  ;üap£tx-^£p£;  xoT;  £v  Teve'oc,  ev  'Op/^0- 
[J.EVW,  £v  Hrfpa  /.a\  xWxyoit  XTJ;  'I^X?.aoo;  EJOEOciai.  2)  KepaXr)  Aiovjcou,  xaXXtaxa 
otax7;poj[j.£vri.  3)  Tp'ywvtxov  ßaOpov,  e/ov  e!?  xJ]v  [j.'.'av  xöiv  yojv.cjijv  ävayXj^ov  xE'fa- 
Xrjv  xp'.oS  xai  £i;  x/jv  IxEpav  xE-^aXrjv  MEOouarj;.  'Ev  aüxw  aoji^Exai  ETiiypa-^r]  äp/aixr) 
ßouaxpo^Tjoov  yEypa[jL[j.E'vT),  07)XoCiaa  xov  Tcoirjaavxa  Nä^iov  XE-/vixr|V.  4)  [IXETaxa;  etci- 
ypasal,  ev  ai;  ojoj  xaXwi;  oiaxrjpoiijjiEvai  avaypa-ja'i  avaOr,[j.axo)v. 

'Ev  xaT;  j-o  xr,v  E7r;xr[p7)aiv  xr,;  xuÖEpvrJoEw;  jtiÖ  ioio>xtJüv  yivo[i.E'vai;  oti/afjxaoaT?  ev 
Tavaypa  a;cExaX'j'^Or)aav  oyoorjxovxa  TtEpiTCOj  xaaoi,  01  [x£v  oia  piEyäXcov  ^loipivwv  rXa- 
xüiv  xaxEaxEuaaiJLE'vot,  01  oe  öia  XEpajxtoojv.  Ta  Iv  xoT;  xa-^oi;  8e  xouxoi?  y£vo'[JiEva  xxe- 
piapiaxa  eive  oX;ya  ^^(^EXtxa);  TTpo;  xov  apiöjjidv  aüxwv,  oidxi  01  jrXEiaxoi  T]<jav  TEOUArjuiE'- 
voi  xai  7tEpi£i/ov  a-y^^prjixa  pidvov  CTjvxpifXjjLaxa. 

'I*]v  'AOrjvai;  E'yEvovxo  ävaaxa-iixai  ipyaaiai  ev  x^  jtio  xfjv  ßopEi'av  -XcUpav  xf;; 
'AxpOTcdXEojs  oixt'a  xwv  xXripovd[xwv  BapJxa.  'Ev  xai;  Epyaaiat;  Ss  xaüxai;  xa'i  £v  xrj 
xaxEoaai'aEi  xfj;  oixi'as  EupEÖrj  xd  avwxEpoj  [avtjploveuOev  'jk  äp.  1  ävayXu-^ov  xai  £X£pa 
X£[Jia-/ia,  ETCiypa-itxa  xe  xa'i  yXuT^xixa,  ävEpyd[Ji£va  £v  oho  Et?  OExaxEaoaoa  xöv  äptOpidv. 

APXAiOAOriKON  Aeation  xoö  [xrjvci;  i]E;:xE[xvpiou.  A'.  ' Apj^^ai6zi]Z£c  elaa^dnaai 
£tC  f/'/r  r£i-ix))r  iipopeiar-  \]  FuvaixETov  äxEsaXov  ayaX[Aa  ex  :iap!OU  (j.ap[jLapou ,  Xi- 
y^^^r^i;  äp/_aix%  xa'i  [AEyE'Oou;  (xäXXov  'j;t£p-^uoixo2,  £vO£OU[i.Evov  roorj'pT)  ytxwva  xai  ijjiä- 
xiov  xaxEp/diAEVov  \t.i/pi  xwv  yovaxwv.  'II  01'  auxo'j  EtxoviCofAEvr)  0=a  (;)  napt'axaxai 
ßao;^ouaa,  xa'i  oüxw;  e/ei  xöv  apiaxEpdv  7:60a  7i;po6E6X7][j.E'vov  xa'i  xyiyzi  xöv  yiXfova  oia 
x^;  ö[jiüJVj[xoj  axpa;  y_Etpös,  £v  to  6  OE^id;  ^jpxy'.hy/  rjxo  XExa[A[i.E'vo;  xaxa  xöv  äyxüiva 
xai  npö?  xi  £jj.;:poaOEV  XExapiEvo;.  '11  [i.axpa  xa'i  oaaEia  xdfjir]  xaxaTiirtXEi  £15  TiXoxa- 
[JLOU5,  wv  Ol  ava  oüo  eti'i  xwv  [jiaaxwv  xaxaX/fyovxE;  £xo(j[i.oüvxo  8iä  yaXxcüv  Oucravwv  rj 
;;«panXr)(ifwv   xoap,ii.axojv.   '0  Xaipiö;  oe   eive  XExoa[i.rj[jiE'vo5   oii  7i£pi3£pai'ou   xat  Suo 


^288  miscEllen 

xatvtwv,  xaTcp'/ofxs'vojv  fA^/pt  tcjv  [j^aariöv.  T6  aya^f^a  io'jto  Ejpi'Or]  ev  ArJXw,  £v  I'tei 
1883,  £v  Tai?  JTCO  TTJs  raXXiz^;  SyoXfj;  svEpyoujjLc'vai;  ävaaxaoaT;. 

2)  KsoaXy]  -wytovo^dpo;,  äpyatXouar)?  TS/vrj;,  ji.£Y£'Oou;  ouatzoO  xal  xaAXi'aTTji;  ota- 
Tr]p7Jajw?.  EupsÖT)  y.a\  auTr,  sv  ArjXti). 

3|  Auo  ETTt^paoal  £7iii'j[x6ioi  y.al  STfcCtüfxStov  svsJttypatpov  ävayXu-^ov  •/oivf];  tf/^vr]?, 
£i/.ov'.'Cov  Y'Jvat/.a  ijTa[j.£vr,v  op9;av  xa't  £v5£0U[i.£'vr|V  7:oor|pr]  y_tTwva  zal  '.[jiat'.ov,  oS  ävi- 
■y(^£(  tÖ  xpaa;i£00v  ot' IxaTEpaj  twv  yzipojv.  E'jp£'6r)aav  xa~ä  ttjv  S'.aaTaupojatv  Toiv  öowv 
SoipoxX^ou;  xal  napOevaYwyEtou. 

4)  'E7CiTufji6io;  E^rtypaipr),  E'jpcÖcioa  sv  t^  xaxa  ttjv  63öv  KoXoxoTpüivT)  oix;a  toj  x. 
Ar][x.  MTidpoa. 

5)  KE^aXf,  yuvaixsta,  [xeyEÖO'j;  öX'yov  Tt  [i.txpoT£'pou  toü  Z/uaixoCi',  xal  T£[JLa-/iov  äva- 
yXü-jou,  £V  u)  yuvatx£ta  [xopcpr],  £v5£0U[X£'vt)  jioÖTJpr,  ytiwva  xal  xpaioijaa  o'.a  Tfj;  Oc^ia? 
Ii£'pav  [xop'^rjv.  'Apfoxspa  eive  T£')(^vr];  xoiv^;  xal  eupö'örjaav  ev  'ixv.  1880,  £v  t^  68w 
KaXajJitoiTou,  Iv  ttj  oixt'a  töv  äSsXcowv  M£V'.5iaiou. 

B'.  Mp^atortjrfc  ^t^r  f'jrapj^^-icür. —  'Ev  S;rapTr]  sOpsSr]  ävayXu'-sov  1^6/ oj  xaXXo- 
v^;,  eIxovi^ov  avopa  xpaxo'jvia  Xupav  xal  yuvaTxa  xpaxouaav  xüXtxa  xal  jcapa  T0Ü5  :id- 
8a;  ä[JL-^OTipwv  ouo  :i:xr,va. 

Oapi  Tr,v  'EpsTpatav  avE/.aXü-^Or)  xaxi  Tuy^rjV  [is'po;  xuxXoiepou;  £x  zwpi'vwv  Xi'Owv 
o!xooo[Ji7J(xaTOi;,  xal  aupe'Oriaav  Trspl  aütö  ayaX[i.a  cxyEVci'ou  äv5pö;,  k'yov  u'|o;  Suo  ::£p;'- 
Tcou  [xExpwv  xal  £v5£3up.£'vov  TcoorJpT]  y^tTwva  xal  [[xaTtov,  xal  8'jo  avaOrjpiaTtxal  £7itypa- 
csal,  6iv  7]  [i.;a  k'y^Ei  oütoj:  0  KXeo'vcixov  Ajuavopou  'AfA^ixpaTT];  Auaavopou  tov  lauToy 
^fXov  »■  EjpEÖT^  7:po;  TOJTOt;  xal  7:poTO[jt.f,  ävSpixrj,  rj;  zXkelTzei  td  avo_)  [Jispo;  tou  xpavt'ou. 

E*HMEPis  APXAiOAOriKH  1885  Heft  III:  Xp.  A.  TaouyTa?,'E:ttypaaal  £?  'Axpo- 
TcdXcw;. — A.  <l>iXto?,  'ETriypaaial  s$ 'EX£uaTvo;.  —  B.  AsovapiSo;,  'Apiptapsfou  Im- 
ypa'^at. —  il.  Apayojfxrj?,  'E;i[ypacpal  £x  Mcy*p;oo;. —  XIt.  Kouu.avoj07);,'ATTtxal  £7Ci- 
ypa-ja;. —  A.  «tt'X'.o;,  'Ap/aioXoy.xa  £Opr][i.aTa  sx  twv  £v  'EXcjaTv.  ävaaxa-jwv  (mit 
zwei  Tafeln). —  i]u[ji[jL'.xxa. 

Bulletin  de  corr.  kell.  1885  Heft  V:  Cousin  und  Durrbach,  Inscriptions  de 
Nemee. —  Haussou liier,  Inscription  de  Thebes.  —  Pottier,  Fouilles  dans  la  n6- 
cropole  de  Myrina  (mit  zwei  Tafeln). —  Egger,  Inscription  de  l'ile  de  Leuce. — 
Reinach,  Servius  Cornelius  Lenlulus  preteur  proconsul  ä  Delos.  —  Foucart, 
Inscriptions  d'Asie  Mineure.  —  Foucart,  Inscriptions  de  Beolie.  —  Radet  und 
Paris,  Üeux  nouveause  gouvernenrs  de  provinces.  —  Diehl  und  Cousin,  Sena- 
tiis  consulte  de  Lagina.  Beeret  relalif  au  droit  d'asijle. —  Holleaux,  Fouilles  au 
temple  d'Apollon  Ptoos. 

Mou(J£tov  xai  B'.SXtoOrlxTj  zf\q  EJayycXtxfi;  ^/oX^;.  HaptooG;  XEXapxrj.'Ev  il[i.tjpvr) 
188'i:  Weber,  Etüde  sur  la  chorographie  d'Ephöse. —  KapoXiSr)?,  'H  Iv  KaTi- 

T:aoox;a  XaXoujiEvr^  IXXrjvixvj  i5'aX£xxo;  xal  xa  iv  aüxv^  awi^dfisva  r/vr)  x%  aoyaiasxajt- 
7iaooxtxf){  yXojaar)g. —  IIcp^ooo;  7:^[j.7:xr)"  'Ev  SjAupv?)  1885:  'E;itypacpa^. 

Ae.  PorEünorAOE,  'E7T:iaxoXal  ip/.A'nep':  st'xdvo;  'AvxiydvT);.  'Ev  "Aör^vai; 
1885  (mit  einer  Tafel). 


December  1885.) 


Metrologische  Beiträge. 
IV.  Das   italische  Maass-  System. 

In  dem  ersten  melrologisehen  Beitrag  (Mitth.  VII,  S.  277) 
haben  wir  nachgewiesen,  dass  der  in  einem  grossen  Theile 
Griechenlands  übliche  und  von  Solon  in  Athen  eingefiilirte 
Längenfuss  gleicli  dem  römischen  Fusse  von  0,296'"  gewesen 
ist.  Da  die  Griechen  diesen  Fuss  koinenfalls  erst  von  den  llö- 
mern  erhalten  haben, so  können  wir  uns  die  üebereinstimmung 
nur  in  zweierlei  Weise  erklären  :  Entweder  war  der  Fuss  von 
0,290'"  ein  altes  Erbstück  des  graeko-  italischen  Volksstam- 
mes und  daher  seit  uralten  Zeiten  bei  beiden  Völkern  im  Ge- 
brauch, oder  aber  die  Kömer  haben  denselben  und  das  auf 
ihm  basirte  Maass-  System  erst  von  den  Griechen  entlehnt. 
Das  erstere  kann  nicht  der  Fall  sein,  weil  auch  die  Griechen 
diesen  Fuss  nachweisbar  erst  in  historischer  Zeit  eingeführt 
haben;  es  bleibt  also  nur  die  zweite  Möglichkeit  übrig,  dass 
nämlich  die  Römer  ihren  pes  monetalis  von  den  Griechen 
übernommen  haben. 

Dass  die  römischen  Maasse,  und  zwar  nicht  nur  ihre  Na- 
men, sondern  auch  ihre  Eintheilung,  in  Folge  des  lebhaften 
Verkehrs  zwischen  den  llömern  und  Griechen  etwas  verändert 
und  den  griechischen  Maassen  angepassl  worden  sind,  wird 
meines  Wissens  allgemein  als  feststehend  angenommen.  Man 
ist  aber  gewöhnlich  der  Ansicht,  dass  diese  Veränderung  nur 
eine  geringe  gewesen  sei  und  dass  die  römischen  Längen- 
maasse.  Gewichte  und  Hohlmaasse  in  der  ältesten  Zeit  schon 
ungefähr  dieselbe  Grösse  gehabt  haben,  wie  zur  Zeit  der  Kai- 
ser;   der  griechische   Einfluss  habe   nur    bewirkt,  dass  die 

MITTH,  D.  ARfiH.   INST.  X.  19 


$90  METROLOGISCHE   BEITRAEGE 

Maasse  der  beiden  Völker  in  ein  einfaches  Verhältniss  zu  ein- 
ander gesetzt  und  höchstens  einige  griechische  Theilmaasse 
in  das  römische  System  eingeordnet  seien.  Dass  diese  Ansicht 
nicht  richtig  ist,  wird  die  nachstehende  Untersuchung  zeigen. 
Wie  das  römische  Alphabet,  die  römische  Kunst  und  noch 
manche  andre  römische  Einrichtung  von  den  Griechen  ent- 
lehnt ist,  so  haben  die  Römer  auch  das  griechische  Längen- 
maass,  Hohlmaass  und  Gewicht  unter  Abschaffung  ihrer  ei- 
genen älteren  Maasse  angenommen.  Nur  einzelne  Eigenlhüm- 
lichkeiteu  des  alten  Systems  sind  beibehalten  und  bis  in  die 
Kaiserzeit  bewahrt  worden.  Diese  Reminiscenzen  an  das  äl- 
tere System  sind  es  namentlich,  welche  wir  im  Folgenden  be- 
sprechen werden.  Sie  geben  uns  in  Verbindung  mit  den  Nach- 
richten der  Schriftsteller  und  mit  den  aufgefundenen  alten 
Maassen  und  Münzen  genügendes  Beweismaterial,  um  darzu- 
legen, dass  erstens  ursprünglich  in  Rom  und  in  einem  Theile 
Italiens  ein  Längenfuss  von  0,278"  und  ein  auf  demselben  ba- 
sirtes  System  der  Hohlmaasse  und  Gewichte  im  Gebrauch  war 
und  dass  zweitens  der  griechische  Fuss  von  0,296'°  und  des- 
sen Maass-  System  wahrscheinlich  im  Jahre  268  v.  Ch.  in 
Rom  eingeführt  worden  ist. 

A.  Die  Laengenmaasse.  —  i)  Varro  {de  r.r.\, iO)  und  Frontin 
{de  /m. S.30)  berichten  übereinstimmend,  dass  in  Campanien 
(resp.bei  den  ümbrern  und  Oskern)  nicht  das  duodecimal  ge- 
theilte  Jugerum, sondern  der  vorsus  von  100  Fuss  Seitenlänge  als 
Flächenmaass  in  Anwendung  war.  Dieser  vorsus  verhielt  sich 
nach  einer  weiteren  Angabe  Hygins  [de  cond.  agr.  S.121)  •  zum 
römischen  Jugerum  wie  1  :  3  Y3.  Wäre  nun  der  vorsus  100 
rö  mische  Fuss  lang  und  breit  gewesen,  so  hätte  er  sich  zum 
Jugerum  wie  10000  :  28800,  oder  wie  1  :  2,88  verhalten  müs- 
sen. Der  Fuss,  nach  welchem  der  vorsus  gemessen  wurde, 
muss  daher  kleiner,  als  der  römische  gewesen  sein,  und  zwar 
muss  er  sich  zu  diesem  wie  v2,88:v3,33,  oder  wie  1,697  : 
1,826,  oder  wie  93:  100  verhalten  haben.  Da  der   römische 


*  Über  die  Lesail  Daliaalia  statt  Camyania  vei},'!.  Hullsch  S.üTl  Auui. 


METROLOGISCHE   BEITRAEGE  291 

Fuss  0,296'°  ist,  so  erhalten  wir  für  den  oskisch  -  umbrisclien 
Fuss  0,2753'". 

2)  iNissen  (Templurn  S.iJj)  inaclildaraul'aufmerksam,dass 
Hygin  (S.  340)  eine  Limilirung  erwähnt,  nach  welcher  in  ein- 
zelnen Theilen  Italiens Terminalcippen  94  l'  ,  375  1'  und  470^ 
von  einander  entfernt  standen.  Er  schliesst  mit  vollem  Rechte 
hieraus,  dass  mit  diesen  Zahlen  Beträge  von  100,  400  und 
500  älteren  Füssen  gemeint  sind.  Dieser  Fuss  verhielt  sich 
also  zum  römischen  von  0,290'"  wie  94  :  100  und  war  also 
gleich  0,2782'". 

3)  iNissen  hat  ferner  (Pompejan.  Studien  S.  83)  nachgewie- 
sen, dass  ein  Fuss  von  0,275  an  den  älteren  Bauten  Pompejis 
vorkommt  und  dass  erst  die  späteren  Bauten  dieser  Stadt  nach 
dem  römischen  Fuss  von  0,290'"  errichtet  sind. 

4)  Die  Maass-  Tabellen  Herons  {Metr.  scriptor.  1  S.  180) 
und  die  dem  Euklid  zugeschriebene  Tafel  {Met?\  Script.  1  S. 
197)  kennen  einen  Fuss,  welcher  der  italische  genannt  wird 
und  sich  zum  philetärischen  wie  5  :  6,  zum  römischen  wie 
50 :  54  verhall.  Diesen  Fuss  haben  wir  schon  in  unserm  drit- 
ten metrol.  Aufsalze  (Mitlh.  Vlll  S.355)  auf  0,2775'"  berechnet. 

5)  Da  der  italische  Fuss  des  lleron  nachweisbar  in  klein- 
asien  im  Gebrauch  gewesen  ist,  so  dürfen  wir  einen  in  Fla- 
viopolis  (in  Phrygien)  aufgefundenen  Maasstab  von  0,555"", 
(zweifussige  Elle)  auch  zur  Bestimmung  des  italischen  Fus- 
ses  heranziehen.  Er  liefert  uns  einen  Betrag  von  0,2775'". 

Gj  Hultsch  hat  aus  zwei  Inschriften  (C.  /.  Gr.  5774  und 
5775),  welche  über  Landvermessungen  in  Herakleia  berichten, 
nachzuweisen  versucht  (Metrol.  S.  068),  dass  in  dieser  Stadt 
ein  Fuss  von  0,278'"  in  Anwendung  gewesen  sei.  Dieser  Nach- 
weis ist  aber  auf  theils  Vkillkührlichen,  theils  geradezu  fal- 
schen Voraussetzungen  aufgebaut,so  dass  er  als  nicht  erbracht 
gellen  muss.  Obwohl  die  Möglichkeit,  dass  der  italische  Fuss 
auch  in  Herakleia  benutzt  wurde,  nicht  auss-eschlossen  ist, 
scheint  es  mir  doch  unzulässig  den  von  liultsch  berechneten 
Betrag  hier  als  Beweis  zu  verwerthen. 

Die  unter  1 — 5  angeführten  Punkte  genügen  auch  vollkom- 


292  METROLOGISCHE  BEITRAEGE 

men,  um  zu  constatiren,  dass  es  einen  Längenfuss  von  0,275™ 
— 0,278™  gegeben  hat,  dass  dieser  Fuss  der  italische  genannt 
worden  ist,  dass  er  in  einigen  Gegenden  Italiens  noch  wäh- 
rend der  Kaiserzeit  im  Gebrauch  war  und  dass  er  in  Pompeji 
durch  den  römischen  pes  monetalis  verdrängt  worden  ist. 

Um  einen  möglichst  genauen  VVerth  für  diesen  Fuss  zu  ge- 
winnen, dürfen  wir  nicht  einfach  das  arithmetische  Mittel  der 
fünf  verschiedenen  Resultate  nehmen,  sondern  müssen  uns 
erst  fragen,  ob  auch  die  einzelnen  Berechnungen  wenigstens 
annähernd  gleiche  Beweiskraft  besitzen.  Vor  Allem  haben  wir 
die  beiden  Exempel  N°  1  und  2  gegen  einander  abzuwägen. 
Den  Ausgangspunkt  für  N"  1  bildete  die  Gleichung,  dass  3  ^3 
vorsus  =  1  jugerum,  oder  10  vorsus^^^'S  jugera  sind.  Wir  be- 
rechneten daraus,  dass  100  "  oskische",  oder  sagen  wir  lieber 
allgemein  "italische"  Fusse  =  93  römischen  Füssen  sind. 
Da  nun  aber  aus  N"  2  folgt,  dass  die  römischen  Feldmesser 
100  italische  Fusse  nicht  zu  98,  sondern  zu  94  röm.  Füssen 
rechneten,  so  kann  es  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass 
die  letztere  Gleichung  genauer  ist,  als  die  erstere.  In  der  That 
ist  — auch  rein  mathematisch  betrachtet  —  ein  Verhältnissvon 
3:10  zwischen  zwei  grossen  Flächenmaassen  abgerundeter 
und  daher  wahrscheinlich  ungenauer,  als  ein  Verhältniss  von 
94:100  zwischen  Längen maassen.  Hieran  kann  auch  die 
scheinbar  sehr  genaue  Zahl  8640,  welche  Hj^gin  anführt,nichls 
ändern,  denn  dieselbe  ist  in  Wirklichkeit  nur  nach  dem  run- 
den Verhältniss  3:10  aus  der  Zahl  der  Quadratfusse  eines  Ju- 
gerum  berechnet.  Das  Resultat  N"  2  (0,278)  muss  daher  rich- 
tiger sein,  als  N"  1  (0,275). 

Hat  aber  nicht  Nissen  den  letzteren  Betrag  an  den  Pompe- 
janischen  Bauten  nachgewiesen  (N"  3)?  Allerdings;  aber  die 
pompejanischen  Bauwerke  gestatten  theils  in  Folge  ihres  Ver- 
falls keine  genaue  Messung  mehr,  theils  sind  sie  schon  im  Al- 
terthum  nicht  ganz  regelmässig  ausgeführt  worden.  JNach  mei- 
ner Erfahrung  passt  ein  Fuss  von  0,278  oder  0,277  an  eini- 
gen Bauwerken  Pompejis  last  ebenso  gut,  als  ein  Fuss  von 
0,275.   iNiösen  hat  seinen  Untersuchungen  von  vorne  herein 


METROLOGISCHE  BEITRAEGE  293 

den  Betrag  von  0,275"' zu  Griinrle  gelegt,  weil  er  von  der  Be- 
rechnung N"  1  ausging, welelie  er  fiir  die  genaueste  liiolt.  Eine 
Special  -  Untersuchung  muss  angestellt  \verden,  um  diese  Frage 
zu  entscheiden,  und  doch  ist  es  hei  der  Ungenauigkeit  der 
Pompejan.  Bauten  sehr  fraglich,  ob  eine  solche  Arbeit  zu  ei- 
nem sichern  Resultat  führen  würde.  Unter  diesen  Umständen 
kann  unser  E\empel  N°  3  auch  keinen  Anspruch  auf  beson- 
dere Genauigkeit  erhoben.  Es  verbleiben  uns  daher  zur  Be- 
stimmung eines  möglichst  genauen  Werthes  hauptsächlich  die 
drei  übrigen  Zahlen  0,2775—0,2782,  wofür  wir  im  Mittel 
0,278™  setzen  miissen. 

Haben  wir  hiermit  bewiesen,  dass  der  Fuss  von  0,278™  in 
einigen  Gegenden  Italiens  vorkam,  so  ist  dadurch  natürlich 
fiir  Rom  selbst  noch  nichts  gewonnen.  Man  müsste,  um  die- 
sen Fuss  auch  für  das  alte  Rom  nachzuweisen,  die  altrömi- 
schen Bauten  auf  den  ihnen  zu  Grunde  liegendenden  Fuss  hin 
untersuchen.  In  Bezug  auf  den  Tempel  des  Capitol.  Jupiter 
ist  dies  vor  einiger  Zeit  von  O.  Richter  geschehen.  Dieser  hat 
(Hermes  1883,  S.  016)  nachgewiesen,  dass  die  von  Dionysius 
überlieferten  Grössenangaben  desselben  nicht  für  den  römi- 
schen, sondern  nur  für  den  kleineren  italischen  Fuss  von 
0,278™  passen.  Allein  ich  trage  Bedenken,  dieses  Resultat, 
welches  die  Frage  entscheiden  würde,  in  meiner  Beweisfüh- 
rung zu  verwerthen,  weil  ich  nicht  weiss,  in  wieweit  das  für 
die  jetzt  ausgegrabene  Terrasse  des  Jupitertempels  angege- 
bene Maass  gesichert  ist.  Ich  begnüge  mich  daher  damit,  die 
Existenz  eines  Fusses  von  0,278  für  einen  Theil  Italiens  nach- 
gewiesen zu  haben.  Für  Rom  selbst  werden  wir  die  von  die- 
sem Fusse  abgeleiteten  Hohlmaasse  und  Gewichte  constatiren 
und  können  dann  indirect  auch  auf  das  Vorhandensein  des 
italischen  Längenfusses  schliessen. 

ß.  Die  Hohlmaasse.  — \u  den  Pompejanischen  Studien  (S.70fT) 
weist  Nissen  nach, dass  in  Pompeji  und  ebenso  in  Minturnae  die 
Hohlmaasse  während  der  Kaiserzeit  verändert  worden  sind. Die 
älteren  Maasse  waren, wie  der  in  Pompeji  gefundene  Messtisch 
zeigt,  kleiner  als  die  gewöhnlichen  römischen  Maasse.  Wie 


294  METROLOGISCHE  BEITRAEGE 

gross  diese  Differenz  war,lässt  sieh  an  dem  gefundenen  Messti- 
sche nicht  ermitteln.  Wir  können  aber  für  Rom  selbst  ein  noch 
zur  Kaiserzeit  daselbst  zum  Messen  von  Oela;ebräuch  liebes  Hohl- 
maass  nachweisen, welches  ein  üeberbleibsel  der  älteren  Hohl- 
maasse  sein  muss.  Galen  (Metr.  Script.  S.  209-218)  erwähnt 
mehrmals  ein  in  12  Unzen  abgetheiltes  Hörn,  mit  welchem 
man  Oel  zu  messen  pflege  und  das  man  Oelpfund  nenne.  Er 
habe  selbst,  sagt  Galen  S.  217,13,  eine  genaue  Messung  die- 
ses Hornes  vorgenommen,  um  zu  bestimmen,  wie  viel  ge- 
wöhnliche Gewichtsunzen  es  enthalte  und  habe  gefunden, 
dass  die  12  Raumunzen  des  Horns  gleich  10  Gewichtsunzen 
seien.  Galen  hat  also  jedenfalls  das  Hörn  mit  Wasser  gefüllt 
und  dann  das  Gewicht  dieses  Wasserquantums  zu  10  Ge- 
wichtsunzen bestimmt.  Dieser  Messung  entsprechend  rechnet 
er  an  einer  andern  Stelle  (S.  216,  2)  die  Unzen  des  Oelhor- 
nes,  welche  er  auch  "  italische"  nennt,  nach  dem  Verhält- 
niss  von  10:  12  in  Unzen  des  römischen  Pfundes  um  (vergl. 
Hultsch  S.  120  Anm.  1).  Es  gab  mithin  in  Rom  ein  Pfund, 
welches  wir  nach  Galen  "italisches"  nennen  dürfen  und  das 
sich  zum  gewöhnlichen  römischen  Pfunde  wie  10 :  12  verhält. 
Ist  nun  das  italische  Hohlmaass  und  Gewicht,  ebenso  wie  die 
römischen  Maasse,  von  einem  Längenfuss  abhängig  (1  Pfund 
=  Y8Q  Cbfuss  Wasser),  so  muss  sich  der  zu  dem  italischen 
Pfunde  gehörige  Längenfuss  zum   römischen   Fussewie^jQ: 

f,_  ,  oder  wie  1  :  1,063   verhalten.   Der  römische  Fuss  ist  = 
Vi  2 

0,296'",  folglich  der  italische  =  o,29rY^,oe3=: 0,278™. 

Ein  altes  römisches  Hohlmaass  führt  uns  also  auf  densel- 
ben Längenfuss  von  0,278,  den  wir  oben  für  einen  Theil  Ita- 
liens als  älteren  Fuss  nachgewiesen  haben.  Ist  es  hiernach 
nicht  höchst  wahrscheinlich,  dass  dieser  Fuss  von  0,278  auch 
bei  den  Römern  vor  Einführung  des  griechischen  Fusses  von 
0,296  im  Gebrauch  war? 

Das  System  der  italischen  Hohlmaasse,  welches  sich  hier- 
nach ergiebt  und  in  welches  sich  das  Oelhorn  orafanisch  ein- 
ordnet,  setzt  sich  in  folgender  Weise  zusammen : 


METROLOaiSCHE   BEITRAEGE  295 

1)  Cubns  von  1  ital.  F.  (0,278'")=  1     italisolie  Amphora 

oder  Keramion 
=  21,5  Liter 

2)  Cul)iis  von  V2  F.  (0,139"')=V«Cbf.      =  1   ital.  conr/ms  = 

2,  7  Litor 

3)  y^Q  Cuh\\du?^^^y^^cnnfJ^m  =  Oe\horn  =  0,2'l   Liter. 

Es  verliiilt  sieli  also  die  italische  Amphora  zum  Congius  und 
zum  Oelhorn  =  80:  10:  1. 

C.  Geiiricht  und  Münzrn.  — Während  die  Griechen  ihre  Ta- 
lente, die  Wassergewichte  ihrer  Cubikfusse,  in  fiO  Theile  thcil- 
ten  und  so  als  Haupt- Gewichtseinheit  die  Mine  erhielten, 
hatten  die  Römer  als  grösste  Unterabtheilung  des  Talentes  das 
Pfund  (lilra,  lihra),  von  dem  80  ein  Talent  ausmachten.  Bei 
den  italischen  Völkern  kommen  beide  Arten  der  Theilung  vor, 
denn  sowohl  Y^^  wie^go  ^^^  Talents  lassen  sich  als  gebräuch- 
liche Gewichte  für  Italien  nachweisen. 

Ein  italischer  Cbfuss  fasste  21,5  Liter,  enthielt  also  auch 
rund  21,5  Klo;. Wasser  oder  Wein.  Diese  Gewichtsmensie  war 
das  i  talische  Talent.  Die  nach  griechischer  Weise  gebil- 
dete Unterabtheilung  (Voo)'  welche  von  den  Griechen  Mine, 
von  den  Italern  wahrscheinlich  auch  Pfund  genannt  wurde, 
wog  21^5/^^  =  0,358  Klg.  oder  358  Gramm.  Dass  ein  solches 
Gewicht  in  Italien  im  Gebrauch  gewesen  ist,  lehren  uns: 

a)  zahlreiche,  noch  erhaltene  Gewichtsstücke,  von  denen 
ich  hier  einige  aulTühre^ 

1)  Erzgevviclit  mit   silbei'uer   Marke  V  und  Inschrilt',  wiegt 
17üG  Gramm,  giebt  eine  Mine  von 353  gr. 

2)  Erzgewicht,   mit   Marke  X  und   Inschrift,  wiegt 

3549  gr.,  giebt  für  die  Mine 355     » 


<  N«  1-5  sind  der  Zusaiiiineiislolluug  Boeclclis  (Metrol. Untersuchungen  S. 
181)  entnommen,  wälirond  N"  6  und  7  in  einem  Aufsatze  Monirasens  über 
attisclie  Gewichte  in  Pumpeji  (Hermes  1881  S.  317)  ansefülirt  werden. 

2  Über  die  Inschrit't  dieses  und  der  folgenden  Gewichte  vergl.  Boeckh 
Metrol.  Untersuchungen  S.  189. 


296  METROLOGISCHE   BEITRAEGE 

3)  Erzgewiclit  mit  AA  {Iura  I)  wiegt     ....     355     » 

4)  Erzgewicht    mit   Marke    11   und  Inschrift  wiegt 

7173  gr.,  giebt  eine  Mine  von 359     » 

5)  Hercul.  Gewicht  mit  TA-II  Swiegt  42,74  Klg., 

giebt  für  1  Talent  21,37  Klg.  und  für  1  Mine  .     356     » 

6)  Nefrit-Gewicht,  ^5  Mine  von   226  gr.,  giebt   l 

Mine  von    ............     377     » 

7)  Desgl.  ^/jQ  Mine  von  22,1  gr.,  giebt  1  Mine  von     368     » 

6)  die  in  einem  Theile  Italiens  und  speciell  auch  in  Rom 
selbst  vorkommende  Drachme  (  =  YiooMine)  von  3,58  gr. 
Gewicht.  In  Rom  wird  diese  Drachme  zum  Unterschiede  von 
dem  der  Kupferwährung  angehörigen  Denar  nach  ihrem  Ge- 
präge Victoriatus  genannt.  Nach  der  von  Bahrfeldt  (Berl.  Zts. 
f.  Num.  1883  S.  186)  gegebenen  Zusammenstellung  passt  der 
Betrag  von  3,58  gr.  viel  besser  als  ursprüngliches  Normalge- 
wicht für  den  Victoriatus,  als  der  von  Hultsch  angenommene 
Mittelwerth  von  3,41  gr.  Es  spricht  entschieden  für  die  Rich- 
tigkeit unserer  ganzen  Hypothese,  dass  der  Victoriat,  dessen 
Entstehung  und  Verhältniss  zur  römischen  As-  Rechnung 
bisher  nur  schwer  zu  erklären  war,  sich  bei  unserer  Annahme 
eines  auf  den  Längenfuss  von  0,278  aufgebauten  italischen 
Maass-  Systems  ganz  von  selbst  als  italische  Drachme  heraus- 
stellt. Als  gewöhnliche  Drachme  (Vgooo  ^^^  Talents)  brauchte 
er  nicht  wie  der  Denar  eine  Aufschrift  zur  Angabe  seines 
Werthes  in  Kupfer-  Assen;  er  gehörte  vielmehr  als  Einheit 
zu  einem  ganz  anderen  System  und  daher  durfte  seine  Hälfte 
auch  einfach  mit  dem  Buchstaben  S  bezeichnet  werden. 

Ist  somit  die  Theilune  des  Talentes  von  21,5  KIs.  nach 
griechischer  Weise  in  60  Minen  und  6000  Drachmen  nach- 
gewiesen, so  haben  wir  noch  zu  untersuchen,  ob  die  römische 


<  So  glaube  ich  statt  TA-H  lesen  zu  müssen.  Herr  Postolaccas,  Director 
des  Münz-Cabinets  in  Athen,  halte  die  Güte,  während  seiner  Anwesenheit 
in  Neapel  nach  dem  Aufbewahrungsort  dieses  CTewichlsleines  zu  forschen, 
um  die  Aufschrift  zu  controlliren.  Leider  vergebens.  Das  Stück  ist  nicht 
mehr  aufzufinden. 


METROLOGISCHE   BEITRAERE  ?97 

Eintlieilnna^  in  80  Pfunde,  welche  wir  schon  bei  den  Hohl- 
maassen  kennen  lernten,  sicli  anch  bei  den  Gewichten  wieder- 
findet. DerSO.Theil  eines  Talentes  von  21,5  Klir.  l)eträi,n  269 
Gramm.  Hat  es  ein  solches  Pfund  in  Rom  gegeben? 

Um  diese  Frage  zu  beantworten,  müssen  wir  einen  Blick 
auf  das  ältere  römische  Miinzwesen  werfen.  Alle  römischen 
Schriftsteller,  welche  von  dem  alten  römischen  Kiipfergelde 
berichten  (Varro,  Plinius,  Verrius  Flaccns  u.  a.),  sagen  aus- 
drücklich dass  der  alte  As,  die  Einheit  des  schweren  römi- 
schen Knpfergeldes,  ein  volles  Pfund  (327  gr.)  gewogen 
habe.  Mit  dieser  Ueberliefernns:  stimmen  aber  die  in  sehr 
grosser  Zahl  gefundenen  alten  römischen  Asse  nicht  überein. 
Denn  von  mehreren  Tausenden  schweren  Assen  ist  kein  ein- 
ziger ein  volles  römisches  Pfund  schwer.  Einzelne  nähern  sich 
zwar  dem  Betrage  des  Pfundes,  ''aber  die  weitaus  grössere 
Masse  des  heutzutage  noch  erhaltenen  Schwerkupfers  ergiebt 
für  den  As  ein  Gewicht  zwischen  11  und  9  Unzen,  ist  also 
auf  einen  Münzfuss  von  etwa  10  Unzen  ausgebracht"  (Hultsch, 
Metr.  S.  259).  Wie  die  weiter  unten  mitzutheilende  Tabelle 
zeigt,  wiegen  92^0  sämmtlicher  schweren  Asse  zwischen  11 
Unzen  und  9  Unzen  ;  nur  2  °/q  derselben  sind  schwerer  als  1 1 
Unzen  (in  max.  1 1  Yo  Unzen)  und  6  7o  gehen  unter  9  Unzen 
hinab. 

Man  hat  die  verschiedensten  Versuche  gemacht,  diesen  auf- 
fallenden Widerspruch  zwischen  der  Ueberlieferung  und  den 
Funden  zu  erklären.  Mommsen  {La  mon.  rom.  1  S-  235  ff.) 
glaubt,  dass  man  die  kupfernen  Asse  desshalb  etwas  leichter 
als  ein  Pfund  gemacht  habe,  damit  ihr  Werth  nach  dem  Ver- 
hältniss  250: 1  genau  einem  Scrupel  Silber  entspräche.  Gegen 
diese  Hypothese  hat  schon  Hultsch  mit  Recht  mehrere  Be- 
denken geltend  gemacht;  namentlich  hält  er  es  für  unwahr- 
scheinlich, ''dass  die  Römer  fast  200  Jahre  lang  in  Silber 
gerechnet,  oder  wenigstens  ihr  Kupfer  nach  einem  bestimm- 
ten Verhältniss  zum  Silber  ausgemünzt  hätten,  während  sie 
ausschliesslich  Kupfermünze  und  kein  einziges  Siiberstück 
besassen", 


298  METROLOGISCHE  BEITRAEGE 

Hultsch  seinerseits  (Metr.  S.  261)  zieht  das  übrige  italische 
Schwerkupfer  zur  Erklärung  jenes  Widerspruches  heran. Das- 
selbe habe  einen  grossen  Einfluss  auf  das  römische  Knpfer- 
geld  ausgeübt  und,  da  es  durchschnittlich  leichter,  als  ein  rö- 
misches Pfund  gewesen  sei^  habe  man  auch  den  römischen  As 
sehr  bald  leichter  gegossen.  Ein  solcher  Einfluss  des  auswär- 
tigen Geldes  auf  die  römischen  Asse  hätte  vielleicht  bewirken 
können,  dass  die  letzteren  allmählich  etwas  niedriger  als  12 
Unzen  ausgebracht  worden  wären;  aber  auf  diese  Weise  er- 
klärt sich  doch  noch  nicht,  dass  es  überhaupt  keinen  einzi- 
gen Äs  über  11  Y2  Unzen  giebt,  während  doch  die  üeberlie- 
ferung  einstimmig  dem  alten  As  12  Unzen  zuschreibt. 

Bahrfeldt  (Gesch.  des  älteren  röm.  Münzwes.  S.  46)  end- 
lich sucht  neuerdings  nachzuweisen,  dass  der  älteste  As  in 
der  That  ursprünglich  ein  volles  Pfund  gewogen  habe.  Der 
Münzfuss  sei  sehr  bald  von  12  auf  10  Unzen  gesunken  und 
dann  lange  Zeit  bei  diesem  Betrage  stehen  geblieben, weil  die 
Bedürfnisse  des  Staates  eine  lano-e  Zeit  hindurch  nicht  zur 
weiteren  Verschlechterung  der  Münze  gedrängt  hätten.  Die 
schwersten  Stücke  habe  man  eins-eschmolzen  und  es  sei  nur 
Zufall,  dass  man  bisher  keinen  einzigen  As  von  mehr  als  11  ^^ 
llnzen  gefunden  habe.  Aber  auch  dieser  Versuch  einer  Erklä- 
rung jenes  Widerspruches  muss  als  wenig  überzeugend  be- 
zeichnet werden.  Erstens  müssten  hiernach  die  schwersten 
der  gefundenen  Asse  die  ältesten,  die  leichtesten  dagegen  die 
jüngsten  sein;  aber  der  grosse  Münzfund  von  Cervetri  beweist 
augenscheinlich  das  Geerentheil.  Denn  obwohl  er  s;anz  sicher 
schon  der  Periode  der  Asreductionen  angehört,  enthält  er  ge- 
rade die  schwersten  bisher  gefundenen  vollen  Stücke.  Zwei- 
tens lässt  sich  Bahrfeldt  mit  seinen  eigenen  Worten  widerle- 
gen. S.  173  rechnet  er  nämlich  (meines  Erachtens  mit  vol- 
lem Recht)  zum  Zwei-Unzen-Fusse  noch  solche  Asse,  welche 
um  20  "^/q  schwerer  sind,  als  2  Unzen,  indem  er  sie  als  über- 
münzte Stücke  aufTasst.  Consequenter  Weise  müsste  er  nun 
aber  auch  die  verhältnissmässig  wenigen   Asse  von  10  ^^  — 


METROLOGISCHE  BEITRAEGE  299 

11  Y2  ünz^n  als  übermünzte  Exemplare  des  Asses  von  10  Un- 
zen auffassen. 

Diese  drei  Erklärungsversuche  werden  überflüssig,  wenn 
wir  uns  an  die  schon  oben  erwiesene  Thalsache  erinnern,  dass 
in  einem  Theile  Italiens  und  speciell  in  Rom  ursprünglich 
kleinere  ^laasse  im  Gfhrauch  waren.  Für  Korn  lial)en  wir  ein 
Hohlmaass,  das  Oelpfund,  kenneu  gelernt,  dessen  VVasserge- 
wicht  gerade  10  römische  Unzen  betrug.  Es  gab  also  that- 
sächlich  in  Rom  ein  Pfund,  welches  um  2  Unzen  kleiner  war, 
als  das  spätere  nimische  Pfund.  Da  nun  fast  allgemein  zuge- 
üchen  wird,  dass  die  schweren  Asse  durchschnittlich  auf  ei- 
nen  Fuss  von  10  Unzen  ausgebracht  sind,  kann  man  da  noch 
zweifeln,  dass  es  dieses  ältere  Pfund  ist,  nach  welchem  alle 
schweren  Asse  normirt  sind?  Der  Widerspruch  zwischen  der 
litterarischen  Ueberlieferung  und  den  erhaltenen  Münzen  fällt 
dann  fort:  der  alte  As  war  wirklich  ein  volles  Pfund  schwer, 
allerdings  kein  späteres  römisches,  sondern  ein  altes  etwas 
kleineres  Pfund.  Die  römischen  Schriftsteller  der  Kaiserzeit 
waren  sich  des  Unterschiedes  zwischen  den  beiden  Pfunden 
allerdings  nicht  bewusst.  Sie  kannten  die  Ueberlieferung,  dass 
der  As  ursprünglich  pfundig  war  und  dachten  dabei  unwill- 
kürlich an  ein  späteres  römisches  Pfund. 

Die  älteren  Asse  sind  hiernach  offenbar  für  unsere  L'nter- 
suchuns;  über  die  Grösse  der  älteren  römischen  Maasse  und 
Gewichte  von  so  grosser  Bedeutung,  dass  wir  die  Frage  nach 
ihrer  ursprünglichen  Grösse  und  ihrer  späteren  Gewichtsver- 
ringerung hier  eingehend  behandeln  müssen. 

Einen  sehr  lehrreichen  Ueberblick  über  die  Gewichte  der 
aufgefundenen  gegossenen  ganzen  Asse  gewährt  die  nachste- 
hendeTabelle, welche  ich  auf  Grund  des  Bahrfeldtschen  Buches 
über  die  ältesten  Asse  angefertigt  habe*.  Hiernach  giebt  es  : 


*  Die  Zahlen  sind  zwar  dem  Buche  Bahrfeldts  entnommen,  doch  habe  ich 
die  einzelnen  Posten  nach  halben  und  nicht  nach  ganzen  Unzen  abnehmen 
lassen. 


300  METROLOGISCHE   BEITRAEGE 


ASSE 

UNZEN 

ASSE 

UNZEN 

0 

zwischen 

12-117, 

0 

zwischen 

6  72-6 

17 

» 

1172  —  11 

1 

» 

6       5  7, 

53 

» 

11  — 107, 

7 

» 

572-5 

222 

» 

1072  —  10 

7 

)) 

5-472 

331 

» 

10  —  972 

9 

)) 

4  7o  -  4 

175 

» 

9*/. -9 

20 

» 

4-37, 

35 

» 

9  -  872 

20 

» 

3  7,  -  3 

10 

» 

87.  —  8 

31 

» 

3  -  2  7, 

5 

» 

8  -  77, 

30 

» 

272-2 

1 

» 

77o  —  7 

16 

)) 

2  -  1  7o 

1 

» 

7  -  67, 

2 

» 

1  7'^  -  ^ 

In  Bezug  auf  die  Zahl  der  vorkonnmenden  Asse  unterschei- 
det man  sofort  zwei  grosse  Gruppen.  Die  erste  umfasst  die 
Stücke  von  11  72  —  6  7'2  Unzen,  die  zweite  die  leichteren 
Stücke  von  6—1  Unze.  Innerhalb  der  ersteren  beginnt  die 
Zahl  der  Asse  mit  17,  steigt  auf  331  und  fällt  wieder  bis  auf 
1,  innerhalb  der  letzteren  steigt  sie  von  1  auf  31  und  fällt 
wieder  bis  auf  2.  Betrachten  wir  ztinächst  nur  die  erstere,  die 
Gruppe  der  schweren  Asse.  Die  beiden  ganz  vereinzelten 
Exemplare, welche  zwischen  772  ""^  ^^/'z  liegen,  können  wir 
hierbei  füglich  ausser  Acht  lassen.  Wir  haben  dann  als  obere 
Grenze  dieser  Gruppe  11  72>  ^'^  untere  7  72  Unzen.  Das 
schnelle  Steigen  und  ebenso  schnelle  Fallen  der  Stückzahl  und 
ferner  der  Umstand,  dass  die  weitaus  grösste  Zahl  der  Asse 
zwischen  10  72  ^^^  9  Unzen  liegt,  beweisen  zur  Genüge,  dass 
das  Gewicht  des  Asses  in  ältester  Zeit  nicht  normal  1 1  72  Un- 
zen, oder  gar  12  Unzen  war  und  allmählich  bis  auf  7  72  '^'"' 
absank,  sondern  dass  wir  für  alle  die  schweren  Asse 
ein  einziges  mittleres  Normalgewicht  annehmen 
müssen.  Die  schwersten  Stücke  sind  übermünzte,  die  leich- 
testen untermünzte  oder  durch  den  Gebrauch  leichter  gewor- 
dene Asse  desselben  Fusses.  Um  die  Grösse  dieses  Normalge- 
wichts zu   bestimmen,  dürfen  wir  nicht  etwa  das  arithmeti- 


METROLOGISCHE  BEITRAEfiE  301 

sehe  Mittel  sämmtlieher  Exemplare  nehmen,  denn  das  würde 
nur  dann  zu  einem  rieliLigen  llesullaL  iuhien  ktinnen,  wenn 
die  Stücke  sämmtlieh  noch  ihr  ursprüngliches  Gewicht  hät- 
ten. Wir  müssen  vielmehr  in  Betracht  ziehen,  dass  die  Stü- 
cke wohl  sämmtlieh  mehr  oder  minder  lange  im  Umlaut'  ge- 
wesen sind  und  daher  an  Gewicht  etwas  verloren  haben.  Das 
Normalgewicht  muss  demnach  etwas  höher  sein  als  das  mitt- 
lere Gewicht  aller  Stücke.  Dieser  Bedingung  entspricht  aber 
ein  Gewicht  von  10  Unzen  ganz  vorzüglich,  denn  die  Ueber- 
münzung  beträgt  in  diesem.  Falle  in  maximo  15  "/q,  bei  ziem- 
lich vielen  Stücken  bis  10  "^/q,  während  die  Untermünzung  in 
V^erbindung  mit  der  Verringerung  des  Gewichtes  in  maximo 
25  7oj  t^^i  einer  grösseren  Anzahl  von  Exemplaren  20  ^/^  be- 
trägt. Man  wird  vielleicht  einwenden,  dass  diese  Procentsätze 
zu  hohe  seien,  um  das  Vorhandensein  eines  einzigen  unverän- 
derten Normalgewichts  wahrscheinlich  zu  machen.  Jedoch 
erwäge  man  erstens,  dass  die  Asse  nicht  geprägt,  sondern  ge- 
gossen sind  und  ausserdem  aus  einem  wenig  werthvollen  Me- 
talle bestellen.  Da  bei  unsern  heutigen  Kupfermünzen  trotz 
der  vollkommenen  modernen  Maschinen  5  ^/q  Uebermünzung 
und  ebensoviele  Frocente  Untermünzung  erlaubt  sind,  dürfen 
wir  uns  nicht  wundern,  wenn  bei  dem  primitiven  Schwer- 
kupfer Koms  Uebermünzungen  bis  zu  10  7o  ^"d  t)ei  ganz  ver- 
einzelten Stücken  bis  zu  15  "/gVorkommen-Bei  dem  verhältniss- 
mässig  geringen  VVerlhe  des  Kupfers  war  es  für  den  Staat 
sowohl,  wie  für  den  Privatmann  gleichgültig,  ob  einzelne  Stü- 
cke etwas  schwerer,  andere  etwas  leichter  waren,  wenn  nur 
die  im  Curs  befindlichen  Stücke  in  ihrer  Gesammtheit  das 
vorgeschriebene  Normalgewicht  erreichten.  Zweitens  können 
wir  aber  auf  analoge  Fälle,  auf  die  späteren  Asse  von  2  Un- 
zen und  von  l  Unze  hinweisen,  bei  welchen  nachweisbar  Ue- 
bermünzungen und  Untermünzungen  bis  zu  denselben  Pro- 
centsälzen  vorkommen.  Dies  ist  ausgeführt  von  Bahrfeldt  S.78 
und  S.  173.  An  letzterer  Stelle  werden  z.  B.  Asse  von  66,  62 
61  und  58  gr.  aufgezählt,  welche  ihrem  Gepräge  nach  zum  2 


302  METROLOGISCHE   BEITRAEGE 

Unzen-  As  von  54  gr.  gehören  müssen,  obwohl  ihre  üeber- 
münzung  in  maximo  sogar  ca.  20  ^/^  beträgt. 

Jener  Einwand  ist  damit  erledio;t  und  wir  dürfen  als  bewie- 
sen  ansehen,  dass  alle  der  ersten  Gruppe  angehörigen  Asse 
dasselbe  Normalgewicht  von  10  römischen  Unzen,  oder  einem 
alten  italischen  Pfunde  gehabt  haben. 

Wann   das   schwere  Kupfergeld   ausser   Curs  gesetzt  und 
wann    in  Verbindung  mit   einer  Münzreform   das  Silbergeld 
und  wahrscheinlich  gleichzeitig  ein  neues  Maass-  System  ein- 
geführt wurde,  wird  uns  eine  kurze  Betrachtung  der  As-  Re- 
ductionen    lehren.  Werfen  wir  nunmehr  einen  Blick  auf  die 
zweite  Gruppe    unserer  obigen    Tabelle.  Dass    die  leichteren 
Asse,  welche  diese  zweite  Gruppe  bilden,  von  denen  der  er- 
sten Gruppe  durch  eine  Kluft  getrennt  sind,  ist  augenschein- 
lich; giebt  es  doch  zwischen  7  ^9  und  5  Y?  Unzen  nur  3  ganz 
vereinzelte   Asse.  Es  muss   daher  zu    irgend  einer  Zeit    eine 
plötzliche  Herabsetzung  des  As-  Gewichtes  statt- 
gefunden haben. Wie  gross  ist  diese  Reduction  gewesen?  Neh- 
men wir  für  die  zweite  Gruppe  dieselbe  Uebermünzung,  wel- 
che wir  für  die  erstere  nachgewiesen  haben,  nämlich  in  ma- 
ximo 15  °/q  an,  so   erhalten  wir   als  Normalgewicht   für   die 
schwersten  Asse  der  zweiten  Gruppe  h  römische  Unzen.  Das 
Gewicht  des  Asses  muss  also   von  10  Unzen    plötzlich  auf  5 
Unzen,  also  auf  die  Hälfte  herabgesetzt  worden    sein.  Dieser 
auf  mathematischem  Wege  gefundene   Ansatz  wird   bestätigt 
durch  die  Ueberlegung,  dass  es  der  Natur  der  Sache  nach  ein 
rundes  Verhältniss  gewesen  sein  muss,  in  welchem  der  äl- 
tere As  zu  dem  reducirten  stand.  Die  alten  Asse  konnten  nicht 
sofort  sämmtlich  aus  dem  Verkehr  gezogen  werden,  sondern 
mussten  nach    neuen  Assen    bequem  tarifirt  werden  können. 
Die  Umrechnung  war  am  einfachsten,  wenn  1  alter  As  genau 
gleich  zwei    neuen  galt.   Die  Veranlassung  zu   dieser  plötzli- 
chen Reduction  der  pfundigen  Asse  auf  ein  halbes  Pfund  muss 
wohl  eine  grosse   Geldnoth  gewesen  sein.  Alle   Schulden  so- 
wohl des  Staats   als  auch  der   Privaten  wurden    durch   diese 


METROLOGISCHE   BEITRAEGE  303 

Maassregel  auf  die  Hälfte  herabgesetzt;   die  Gläubiger  verlo- 
ren, die  Schuldner  gewannen  50  7o- 

Zu  dieser  Annahme  einer  plötzlichen  Kcdnction  des  Asge- 
wichles  auf  ö  Unzen  passen  die  Münzfunde  und  vornehmlich 
der  Fund  von  Cervelri  ganz  vorzüglich.  Währcmd  z.  B.  der 
Schatz  vom  Monte  Mario  (liahrfeldt  S.  183)  nur  Asse  von  11 
bis  8  Unzen,  also  nur  librale  Asse  enthielt,  lieferte  der  Münz- 
fund von  Cervetrl  ueben  1575  pfundigen  römischen  Assen 
schon  3  reducirte  Stucke  von  b^^—h  römischen  Unzen.  Der 
letztere  Schatz  ist  also  vergraben  worden,  als  eben  die  erste 
Reduction  stattgefunden  hatte.  Neben  den  Assen  von  5  Unzen 
waren  damals  noch  die  alten  vollen  Asse  von  10  Unzen  im 
Curs.  Nachdem  einmal  die  schiefe  Bahn  der  Münzverschlech- 
terung betreten  war,  ging  es  bald  unaufhaltsam  bergab.  Die 
Asse  wurden  allmählich  immer  leichter  ausgebracht. Das  lehrt 
uns  ein  Blick  aut  unsere  Tabelle.  Bei  den  pfundigen  Assen 
lag  das  Maximum  der  Stückzahl  ganz  in  der  Nähe  des  Nor- 
malgewichts von  10  Unzen,  bei  den  reducirten  Assen  dage- 
gen steigt  diese  Zahl  von  5  Unzen  an  noch  allmählich  in  die 
Höhe,  erreicht  erst  bei  der  Stufe  3  — 272  Unzen  ihr  Maxi- 
mum und  sinkt  dann  schnell  wieder  herab.  Wir  schliessen 
hieraus,  dass  nach  der  ersten  Reduction  schlechte  Zeiten  für 
den  römischen  Staat  kamen,  welche  ihn  nöthigten,  die  Ver- 
ringerung des  As-  Gewichts  immer  weiter  fortzusetzen.  Als 
die  Gewichts- Reduction  bei  2  Unzen  angelangt  war,  fand  die 
grosse  Münzreform  statt,  welche  in  der  Eintührung  des  Sil- 
bergeldes und  einer  neuen  gesetzlichen  Regelung  des  kupfer- 
geldes  bestand;  nach  bestimmter  Ueberlieferung  fällt  sie  in 
das  Jahr  269  oder  268  v.  Chr.  Dieses  feste  Datum  giebt  uns 
einen  Anhaltspunkt,  um  auch  rückwärts  für  die  erste  Reduc- 
tion einen  passenden  Zeitpunkt  ausfindig  zu  machen.  Da  die- 
selbe eine  Verminderung  aller  Schulden  um  50  ^/q  bedeutet, 
so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  sie  286  v.  Chr.  stattge- 
gefunden  hat,  weil  in  jenem  Jahre  das  römische  Volk  zum 
dritten  Mal  nach  dem  Janiculum  auswanderte  und  durch  Hor- 
tensius  unter  dem  Versprechen  der  Schulden-  Erleichterung 


304  METROLOGISCHE  BEITRAEGE 

und  der  Gewährung  einiger  politischer  Rechte^zur  Rückkehr 
bewogen  wurde.  Der  Schatz  von  Cervetri  könnte  dann  sehr 
gut  etwa  im  Jahre  283  während  des  Krieges  mit  den  Etrus- 
kern  und  Galliern  vergraben  worden  sein.  Die  schlimmen 
Jahre  des  Krieges  mit  Pyrrhos  (280-275)  brachten  vermuth- 
lich  die  weiteren  Reductionen  des  Asses  bis  auf  2  Unzen, 

Nachdem  im  Jahre  272  Tarent  eingenommen  und  ganz 
Süd-  Italien  unterworfen  war,  musste  es  Roms  erste  Sorge 
sein,  seine  zerrütteten  Münzverhältnisse  zu  ordnen.  Im  Jahre 
269  —  2(58  wurde  diese  Reform  vorgenommen.  Man  verzich- 
tete auf  den  auschliesslichen  Gebrauch  des  Kupfergeldes  und 
übernahm  von  den  griechischen  Städten  Süditaliens  und  Si- 
ciliens  das  dort  schon  längst  übliche  Silbergeld. Wie  das  Sil- 
ber der  bisherigen  Kupfermünze  angepasst  wurde  und  wie  in 
Folge  dessen  eine  neue  Doppelwährung  entstand,  haben  wir 
noch  zu  erörtern.  Das  Gewicht  des  Asses  war  thatsächlich  von 
5  Unzen  auf  4,  3  und  schliesslich  auf  2  Unzen  herabgegan- 
gen, während  es  gesetzlich  noch  immer  5  Unzen  betragen 
sollte.  Der  neuen  Doppelwährung  legte  man  nun  den  am  Häu- 
figsten im  Verkehr  vorkommenden  As  von  2  Unzen  zu  Grunde 
und  schuf  3  Silbermünzen: 

\)  den  Denar  von  10  kleinen  Assen  =  20  Unzen  l\upfer: 

2)  den  Quinar  von  5  kleinen  Assen  =  10      »  » 

3)  den  besterz  von  2  </2  kleinen  Assen=5      »  » 

Der  alte  Kupferas  stand  gesetzlich  auf  5  Unzen,  folglich 
musste  er  gleich  einem  Silber- Sesterz  gerechnet  werden. Dass 
dies  in  der  That  geschehen  ist,  und  dass  die  Rechnung  nach 
aes  grave  und  Sesterzen  ohne  Unterschied  bis  in  die  Kaiser- 
zeit neben  einander  im  Gebrauch  blieb,  ist  namentlich  von 
Mommsen  erwiesen  worden  (vergl.  Hultsch  Metrol.  S.  273 
Anm.  3). 

Da  der  Denar  von  '/ü  Unze  Siibergewicht  gleich  10  redu- 
cirten  Assen  von  je  2  Unzen,  also  gleich  "^O  Unzen  Kupfer 
galt,  so  muss  das  damalige  Werthverhältniss  zwischen  Silber 
und  Kupfer  1  :  120  gewesen  sein.  Ein  solches  Verhältniss  der 
beiden  Metalle  passt  zwar  sehr  gut  zu   demjenigen,  welches 


VeU 

nze 

Silber 

'/<2 

); 

» 

'iu 

» 

» 

METROLOGISCHE   BEITRAEGE  305 

durch  die  spätere  Münzordniinpj  vom  Jahre  217  v.  Chr.  fest- 
gesetzt wurde  (1  :  112)  und  stimmt  auch  mit  den  heutigsn 
Werthen  des  Silbers  und  Kupfers  (ca  1  :  00)  wohl  überein.  Bis- 
her hat  man  aber  aligemein  für  die  Zeit  des  römischen  Schwer- 
kupfers und  für  die  ersten  Jahrzehnte  der  römischen  Silber- 
währung ein  ganz  anderes  Verhältniss  angenommen,  nämlich 
ca  1:250  (vergl.  Huitsch  Metr.  S.  264).  Das  Kupfer  müsste 
daher  in  kurzer  Zeit  um  das  Doppelte  im  VVerthe  gestiegen, 
oder  das  Silber  um  ebensoviel  gefallen  sein.  Es  würde  mich 
hier  zu  weit  führen,  das  Unwahrscheinliche  eines  solchen  Vor- 
ganges darzulegen  und  die  Beweise,  welche  für  die  Existenz 
des  Verhältnisses  1 :250  beigebracht  werden,  einzeln  zu  prü- 
fen. Ich  verweise  desshalb  auf  die  Darlegungen  Bahrfeldts 
(a.a.ü.S.178)  und  mache  hier  nur  noch  auf  einen  Punkt  auf- 
merksam. Aus  Pollux  ist  bekannt,  dass  Aristoteles  den  silber- 
nen korinthischen  Stater  einem  sicilischen  Dekalitron  aus  Kup- 
fer gleichsetzt.  Daraus  leitet  man  unter  der  Annahme,  dass 
eine  sicilische  Litra='/i2o  Talent  sei,  ein  Werthverhältniss 
des  Kupfers  zum  Silber  von  1:250  ab.  Kann  aber  die  Litra, 
welche  Aristoteles  meint,  nicht  die  reducirte  Litra  von  Y240 
Talent  sein?  Ist  dies  möglich,  so  würde  das  Werthverhältniss 
in  Sicilien  damals  1  :  125  gewesen  sein. 

Den  besten  Beweis  für  die  Richtigkeit  unseres  Satzes,  dass 
die  Einführung  des  Silbergeldes  gleichzeitig  ist  mit  der  lle- 
ducirung  des  Kupfer-Asses  auf  2  Unzen,  und  dass  mithin  das 
Werthverhältniss  der  beiden  Metalle  damals  1  :  120  gewesen 
ist,  liefert  uns  das  schon  oft  citirte  Buch  Bahrfeldts.  In  dem- 
selben wird  aus  dem  Gepräge  der  silbernen  und  kupfernen 
Münzen  und  ihren  Beizeichen  der  Nachweis  geführt,  dass  die 
ältesten  Silberdenare  ausschliesslich  zu  Kupfermünzen  des 
Zwei-Cnzen-Fusses  gehören. Dass  Bahrfeldt  und  ich  unabhän- 
gig von  einander  und  von  ganz  verschiedenen  Gesichtspunk- 
ten ausgehend  zu  demselben  Resultat  gelangt  sind,  spricht 
gewiss  für  die  Richtigkeit  des  letzteren. 

Die  weiteren  Reductionen  der  Kupfer-  und  Silbermünzen 
haben  für  unsere   Untersuchung  wenig  Interesse  und  mögen 

MITTH.  D.  ABCH.  INST.  X.  20 


306  METROLOGISCHE  BEITRAEGE 

daher  nur  kurz  erwähnt  werden.  Bald  nach  der  Einführung 
des  Silbergeldes  und  der  Reform  des  Münzwesens  kamen  wie- 
der schlechte  Zeiten  für  den  römischen  Staat.  Der  Kupferas 
ging  allmählich  von  2  Unzen  auf  l  Unze  und  der  silberne 
Denar  von  4,50  Gramm  auf  3,90  Gramm  herab. Im  Jahre  217 
fand  desshalb  wiederum  eine  Reform  statt;  das  Gewicht  des 
Asses  wurde  nun  gesetzlich  auf  1  Unze  (27  gr.),  dasjenige  des 
Denars  auf  7?  Unze  (3,90  gr.)  festgesetzt  und  es  wurde  zu- 
gleich bestimmt,  dass  auf  den  Denar  IG  neue  Asse  gerechnet 
werden  sollten.  Das  Werthverhältniss  zwischen  Silber  und 
Kupfer  betrug  demnach  1:112.  Die  lex  Flaminia, welche  diese 
Reform  anordnete,  darf  mit  Recht  als  der  letzte  Versuch  be- 
zeichnet werden,  das  Münzverhältniss  zwischen  Silber  und 
Kupfer  dem  wirklichen  Werthverhältniss  der  beiden  Metalle 
anzunähern  (Hultsch  Metr.  S.  290  Anm.  1).  Es  dauerte  nicht 
lange,  so  ging  der  Kupferas  noch  weiter  bis  auf  Yz  Unze  her- 
ab. Er  hörte  damit  auf  VVerlhgeld  zu  sein  und  war  Scheide- 
münze geworden. 

Die  Geschichte  der  As-  Reductionen  zeigt  hiernach  folgende 
Phasen. 

1)  Der  As  ist  ursprünglich  pfundig  u.  zw.  gleich  einem 
alten  Pfunde  von  10  römischen  Unzen.  Die  Stücke  werden 
gegossen  und  sind  daher  theils  etwas  schwerer,  theils  etwas 
leichter  als  das  Normalgewicht. 

2)  Gesetzliche  Reduction  des  Asses  von  10  auf  5  Unzen, eine 
Maassregel  zur  Verminderung  der  Schulden.  Ausprägung  hö- 
herer Nominale  in  Kupfer. 

3)  Nachdem  das  Gewicht  des  Asses  allmählich  von  5  auf  2 
Unzen  herabgesunken  ist,  wird  durch  die  Münzreform  des 
Jahres  268  v.  Chr.  Silbergeld  eingeführt  und  gleichzeitig  der 
As  auf  2  Unzen  festgesetzt.  1  Denar  von  4,50  gr.  ist  gleich 
10  reducirten  Assen  von  je  2  Unzen;  1  Sesterz  ist  gleich  2  Y2 
neuen  Assen  von  je  2  Unzen  und  also  gleich  einem  älteren  As 
von  5  Unzen.  Verhältniss  zwischen  Silber  und  Kupfer  wie 
1 :  120.  Die  höheren  Kupfernominale  werden  seltener  und 
verschwinden  allmählich. 


METROLOGISCHE   BEITRAEGE  307 

4)  Das  Gewicht  des  Kupfer-  und  Silbergeldes  fängt  bald 
wieder  an  zu  sinken.  Eine  neue  Revision  findet  im  Jahre  217 
statt.  Der  Kupferas  wiegt  l  Unze,  der  Denar  Y?  Ijnze-  IG  Asse 
gelten  einen  Denar. 

5)  Durch  das  weitere  Sinken  des  Kupferasses  bis  auf  Y2 
Cnze  wird  derselbe  zur  Scheidemünze. 

Wie  stimmen  hiermit  die  iVachrichten  der  alten  römischen 
Schriftsteller?  Varro,  Plinius  und  Andere  (vergl.  Hultsch  S. 
277  Anm.  1)  berichten  im  Wesentlichen  übereinstimmend,  er- 
stens dass  der  As  ursprünglich  ein  volles  Pfund  gewogen, 
zweitens  dass  der  Staat  wegen  grosser  Schulden  den  As  auf  2 
Unzen  reducirt  habe,  drittens  dass  im  Jahre  268  zuerst  Sil- 
bergeld geprägt  worden  sei  und  viertens  dass  man  im  Jahre 
217  den  As  von  1  Unze  eingeführt  habe-  Der  erste  Punkt  ist 
richtig,  nur  wogen  die  Asse  kein  späteres  römisches,  sondern 
ein  altes  Pfund,  dessen  frühere  Existenz  den  Schriftstellern 
der  Kaiserzeit  unbekannt  war.  Die  erste  Reduction  des  Asses 
von  10  auf  5  Unzen,  welche  sich  aus  den  erhaltenen  Münzen 
augenscheinlich  ergiebt,  kennen  die  Schriftsteller  nicht.  Sie 
berichten  nur  über  die  zweite  Reduction  auf  2  Unzen  und 
glauben,  dass  diese  zur  Erleichterung  der  Schulden  stattge- 
funden habe,  während  nach  unserer  Annahme  nur  die  erste 
Reduction  durch  die  hohen  Schulden  veranlasst,  die  zweite 
dagegen  eine  Münzreform  war,  durch  welche  die  immer 
schlechter  gewordenen  Münzverhältnisse  wieder  verbessert 
werden  sollten.  Die  dritte  und  vierte  Nachricht  der  Schrift- 
steller haben  wir  ohne  Bedenken  acceptirt.  Die  Tradition  über 
den  alten  As  und  seine  Reduction  ist  hiernach  zwar  eine  lü- 
ckenhafte, lässt  sich  aber  ohne  grosse  Schwierigkeiten  mit  un- 
sern  obigen  Resultaten  in  Einklang  bringen. 

Als  metrologisches  Ergebniss  unserer  Darlegung  des  älte- 
ren römischen  Münzvvesens  haben  wir  vor  allem  die  Existenz 
eines  älteren  Pfundes  zu  notiren,  welches  zu  dem  späteren  rö- 
mischen Pfunde  in  dem  Verhältniss  10  :  12  stand  und  dem  in 
Rom  zur  Kaiserzeit  noch  üblichen  Oelpfunde  gleich  war.  Die 
oben  (S.  297)  aufgeworfene  Frage  ob  es  ein  Pfund  von  269  gr. 


308  METROLOGISCHE   BEITRAEGE 

in  den  älteren  Zeiten  in  Rom  gegeben  habe,  dürfen  wir  daher 
mit  einem  entschiedenen  Ja  beantworten. 

Bisher  haben  wir  stillschweigend  vorausgesetzt^  dass  dieses 
Pfund, welches  gleich  10  späteren  römischen  Cnzen  war, nicht 
in  12,  sondern  in  10  Unzen  getheilt  worden,  und  dass  mit- 
hin die  ältere  Unze  mit  der  späteren  identisch  gewesen  sei. 
Ist  diese  Voraussetzung  richtig? 

Für  die  späteren  Zeiten  des  römischen  Staates  steht  aller- 
dings unumstösslich  fest,  dass  das  Pfund  in  12  Unzen  zerfiel. 
Für  die  Jahrhunderte  vor  Einführung  dieses  Pfundes,  als  noch 
das  ältere  Pfund  in  Gebrauch  war,  ist  damit  aber  noch  nichts 
erwiesen.  Vielmehr  ist  es  recht  wohl  denkbar,  dass  der  äl- 
tere Pfund-  As  10  eigene  Unzen  hatte  und  dass  man  nach 
Einführung  des  um  Yö  grösseren  Pfundes  die  Zahl  der  Unzen 
einfach  von  10  auf  12  erhöhte  ohne  die  Grösse  der  einzelnen 
Unze  zu  verändern. 

Betrachten  wir  zunächst  die  Gründe,  welche  für  die  ur- 
sprüngliche Decimaltheilung  und  dann  diejenigen, welche  ge- 
gen dieselbe  sprechen.  Erstens  ist  im  Allgemeinen  das  Deci- 
malsystem  in  ältester  Zeit  in  Italien  mehr  im  Gebrauch  ge- 
wesen als  später.  Mommsen  (Rom.  Gesch.  7.  Aufl.  1  S.  204) 
sagt  darüber, nachdem  er  zuvor  die  ursprüngliche  Ausschliess- 
lichkeit des  Decimalsystems  bei  den  Indogermanen  hervor- 
gehoben: "  Was  Italien  anlangt,  so  sind  hier  alle  ältesten  Ver- 
hältnisse vom  Decimalsystem  durchdrungen :  es  genügt  an 
die  so  gewöhnliche  Zehnzahl  der  Zeugen,  Bürgen,  Gesand- 
ten, Magistrate,  an  die  gesetzliche  Gleichselzung  von  einem 
Rind  und  10  Schafen,  an  die  Theilung  des  Gaues  in  10  Cu- 
rien  und  überhaupt  an  die  durchstehende  Decuriirung,  an  die 
Limitation,  den  Opfer-  und  Ackerzehnten,  das  Decimiren, 
den  Vornamen  Decimus  zu  erinnern.  Dem  Gebiet  von  Maass 
und  Schrift  angehörige  Anwendungen  dieses  ältesten  Decimal- 
systems sind  die  merkwürdigen  italischen  Ziffern". 

Zweitens  weist  die  in  Rom  übliche  Eintheilung  des  itali- 
schen Talentes  in  80  Pfunde  entschieden  auf  ein  Decimalsy- 
stem hin.  Da  nämlich  das  Talent  ebenso  wie  die  Amphora  von 


METROLOGISCHE  BEITRAEGE  309 

dem  Cubikfuss  abgeleitet  ist,  so  war  die  natürlichste  und 
zweekmässigste  üntcrabtheiliing  für  beide  das  Achtel,  weil 
dieses  sjerade  dem  Cubus  eines  halben  Fusses  entsprach.  Die- 
ses Achtel,  welches  als  Hohlmaass  congius  hiess,  wurde  nun 
weiter  decimal  getheilt  und  zwar  war  die  nächste  ünterab- 
theilung  das  Pfund  = '/lo  ^^"Ö'^^^^  Vso  l'alent.  Ist  es  nun 
nicht  sehr  wahrscheinlich,  dass  auch  dieses  Pfund  ursprüng- 
lich weiter  decimal  in  10  Unzen  getheilt  wurde? 

Einen  dritten  Beweis  für  die  Zehntheilunsi;  liefert  uns  ferner 
die  ThaLsache,  dass  der  Sesterz,  welcher  nach  Einführung 
des  Silbergeldes  dem  alten  As  aeris  gravis  entsprach,  als  Rech- 
nungsmünze in  10  Theile  {lihellae)  getheilt  wurde,  obwohl 
der  silberne  Sesterz  selbst  keine  solche  decimalen  Unterab- 
theilun^en  hatte.  Diese  Schwierigkeit  findet  nur  dann  eine 
vollkommene  und  natürliche  Erklärung,  wenn  der  alte  librale 
Kupferas,  dessen  Aequivalent  in  Silber  der  Sesterz  war, schon 
vor  der  Einführung  des  Silbergeldes  in  10  Theile  getheilt 
wurde  und  diese  Eintheilung  des  schweren  Asses  auf  seinen 
Stellvertreter,  den  Sesterz  überging. 

Endlich  ist  beachtenswerth,  dass  in  Hatria  und  überhaupt 
den  transapenninischen  Städten  der  As  sicherlich  in  10  Theile 
getheilt  wurde.  Marchi  [Vaes  grave)  und  nach  ihm  Lepsius 
(lieber  die  Verbreitung  des  ital. Münzsystems  S.50)  haben  dies 
bewiesen  und  ich  halte  diesen  Beweis  für  erbracht,  obwohl 
ihn  Mommsen  (La  mon.  rom.  I  S.  248  Anm.  2)  verwirft.  Da 
die  Einheit  in  Hatria  litra  (U)  hiess  und  als  Unterabtheilun- 
gen 5,  4,  3,  2  und  1  Unze  vorkommen,  so  können  letztere  bei 
dem  Fehlen  von  6  Unzen  unmöglich  ^/j^,  Y12  ^^^-  s^*"  sondern 
müssen  YioZ/io^'^^'  darstellen.  Das  Pfund  der  Städte  Hatria, 
Ariminum,  Vestini,  Venusia,  Luceria  bestand  daher  unbedingt 
aus  10  Unzen.  Andrerseits  kann  freilich  nach  den  vorhandenen 
Münzen  nicht  bezweifelt  werden,  dass  in  Etrurien  und  Sici- 
lien  das  Pfund  von  Alters  her  12  Unzen  enthielt.  Für  Rom 
und  die  ihm  benachbarten  Städte  geben  uns  die  Aufschriften 
der  Münzen  keinen  directen  Anhalt  zur  Bestimmung  der  Ein- 
theilung des  Pfundes.  Denn  die  Unterabtheilungen  des  Asses 


310  METROLOGISCHE   BEITRAEPtE 

sind  dort  durch  den  Buchstaben  S  für  die  Hälfte  und  durch 
4,  3,  2,  1  Kügelchen  für  die  kleineren  Theile  bezeichnet  und 
es  ist,  wenn  wir  von  dem  efTectiven  Gewicht  der  Münzen  ab- 
sehen, ganz  unmöglich,  auf  mathematischem  Wege  zu  ent- 
scheiden, ob  S  =  7i2  oder  ^/^^  und  ob  demnach  4  Kügelchen 
Yi9  oder  Yio  bezeichnen  etc. 

Diesen  Beweisen,  welche  eine  Zehntheilung  des  Asses  als 
wahrscheinlich,  oder  wenigstens  als  möglich  erscheinen  las- 
sen, stehen  andrerseits  einige  Thatsachen  gegenüber,  welche 
einer  Zwölftheilung  das  Wort  reden. 

Erstens  wurde  das  in  Rom  übliche  Oelpfund,  welches  Ga- 
len bespricht,  nach  der  ausdrücklichen  Angabe  dieses  Schrift- 
stellers in  12  Dnzen  getheilt  und  diese  Unzen  hiessen  "itali- 
sche". Da  wir  nun  in  diesem  Oelpfunde  oder  Oelhorne  das 
alte  italische  Pfund  nachgewiesen  haben,  so  ist  es  sehr  wahr- 
scheinlich, dass  auch  letzteres  12  Unzen  hatte.  Man  könnte 
hiergegen  nur  einwenden,  dass  die  Eintheilung  des  Oelhor- 
nes  in  12  Unzen  erst  später  eingeführt  sei,  weil  nach  der  da- 
maligen Anschauung  jedes  Pfund  unbedingt  in  12  Unzen  zer- 
fallen müsse;  allein  einem  solchen  Einwand  kann  immerhin 
nur  wenig  Gewicht  beigelegt  werden. 

Zweitens  kommt  hier  das  effective  Gewicht  der  Münzen,  und 
zwar  speciell  der  Unterabtheilungen  (vom  Semis,  Triens  bis 
zur  Unze)  des  römischen  Libralasses  in  Betracht.  Wenn  wir 
nämlich  das  Durchschnittsgewicht  sämmtlicher  erhaltenen 
Semisse  nehmen,  so  können  wir  das  Durchschnittsgewicht 
des  ganzen  Asses  durch  Verdoppelung  sofort  bestimmen,  mag 
nun  der  As  10  oder  12  Unzen  gehabt  haben.  Bei  den  kleine- 
ren Theilstücken  ist  dies  jedoch  nicht  möglich,  bei  ihnen  er- 
halten wir  verschiedene  Werthe  für  den  As,  je  nachdem  wir 
diesen  zu  12  oder  zu  10  Unzen  ansetzen.  Das  Stück  von  4 
Unzen  z.  B.  war  =  Y3  ^^>  wenn  der  letztere  12  Unzen  hatte 
und  durfte  in  diesem  Falle  mit  Recht  Triens  genannt  werden; 
es  war  aber^  Yio  ^^^^  Vs  '^^'  wenn  letzterer  10  Unzen  hatte. 
Ebenso  war  das  Zwei-Unzen-Slück  = '/^  As  in  ersterem  und 
=  75  ^s  ^^   letzterem  Falle.  Da  wir  nun  aus  den   Semissen 


METROLOßlSCHE  BEITRAEßE  311 

das  Durchschnittsgewicht  des  ganzen  Asses  sicher  bestimmen 
können,  so  lässt  sich  leicht  ermitteln,  ob  die  Gewichte  der 
kleineren  Theilstücke  besser  zu  einem  As  von  12  Unzen  oder 
zu  einem  solchen  von  10  Unzen  passen.  Eine  solche  Berech- 
nung^ ergiebt  nun,  dass  die  ünterabtheilungen  des  schweren 
römischen  Asses  unbedingt  besser  zu  einer  duodecimalen 
Theilung  des  Asses  passen.  Für  die  Asse  von  flatria,  Lnceria 
etc.  erhallen  wir  dagegen  das  entgegengesetzte  Hesullat. 

Wäoen  wir  diese  verschiedenen  Gründe  seseneinander  ab, 
so  müssen  wir  besonders  mit  Rücksicht  auf  den  letzten  Be- 
weis unsere  obige  Voraussetzung,  dass  der  ältere  römische 
Pfundas  in  10  Unzen  zerfiel,  als  kaum  haltbar  bezeichnen. 
Die  grössere  Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür,  dass  zwar  im 
östlichen  Italien  der  As  zu  10  Unzen,  dass  er  aber  in  Rom 
selbst  zu  12  Unzen  gerechnet  wurde. 

Für  unsere  Darstellung  der  As-Reductionen  in  Rom  ist  die 
Entscheidung  dieser  Frage  materiell  ohne  Einfluss,  nur  for- 
mell hat  derjenige  eine  kleine  Veränderung  vorzunehmen, 
welcher  sich  für  die  Zwölftheilung  entscheidet.  Die  erste  Re- 
duction  e.ifolgte  in  diesem  Falle  von  12  alten  Unzen  auf  Gälte 
Unzen,  und  die  zweite  gesetzliche  Herabsetzung  fand  von  6 
alten  Unzen  auf  2  neue  Unzen  statt.  Da  6  alte  Unzen  gleich 
5  neuen  waren,  so  war  das  Verhältniss  zwischen  6  alten  und 
2  neuen  Unzen  dasselbe  wie  zwischen  dem  Sesterz  und  einem 
Zwei-Unzen-As,  d.  h.  2  7o:  1- 


Nach  unserer  obigen  Darstellung  kann  es  kaum  noch  einem 
Zweifel  unterliegen,  dass  die  officielle  Abschaffung  der  alten 
italischen  Maasse  und  Gewichte  und  die  Einführung  eines 
neuen  Maass  -  Systems  mit  der  grossen  Münzreform  des  Jah- 
res 268  zusammenfällt.  Dass  diese  Einführung  neuer  Maasse 

<  Herr  Dr.  jur.  Haeberlin  in  Frankfurt  a/M.  hatte  die  Güte,  mir  brieflich 
eine  Zusanimensteiluuf,'  der  hier  in  Betracht  iiommenden  Münzen  niitzu- 
theileri  und  mich  auf  die  Wichtigiieil  dieser  Durchschniltsgewichte  auf- 
merksam zu  machen. 


312  METROLOGISCHE   BEITRAE6E 

eine  einheitliche  war,  d.  h.  dass  mit  den  Gewichten  auch 
gleichzeitig  die  Hohlmaasse  und  Längenmaasse  verändert 
wurden,  bedarf  meines  Erachtens  keines  besonderen  Bewei- 
ses, weil  das  ältere  Gewicht  ja  offenbar  von  dem  alten  itali- 
schen Längenfuss,  das  neue  von  dem  neuen  römischen  pes 
monetalis  abgeleitet  ist.  Die  neuen  Maasse  wurden,  wie  die 
Schriftsteller  berichten,  im  Tempel  der  Juno  Moneta  aufbe- 
wahrt, woselbst  man  auch  eine  Münzstätte  errichtete.  Den 
neuen  Fuss  nannte  man  desshalb  im  Gesrensatz  zu  dem  alte- 
ren  den  pes  monelalis. 

Dass  dieser  Fuss  der  griechische  war,  haben  wir  in  der 
Einleitung  schon  erwähnt.  Die  Römer  lernten  ihn,  wie  auch 
das  auf  ihm  basirte  Maass- System  in  den  griechischen  Städ- 
ten ünteritaliens  und  Siciliens  kennen,  wo  fast  überall  das 
attische  Münzgewicht  und  mithin  auch  der  solonische  Längen- 
fuss im  Gebrauch  war. 

Es  zeugt  von  dem  weiten  Blick  der  römischen  Staatsmän- 
ner jener  Zeit,  dass  sie  nach  der  Eroberung  Süditaliens  nicht 
zögerten,  die  alten  particularen  Maasse  Roms  aufzugeben  und 
dafür  das  damalige  Weltmaass,  das  griechische,  anzunehmen. 
Ganz  abgeschafft  wurde  das  alte  Maass  -  System  allerdings 
nicht,  sondern  manche  Eigenthümlichkeiten  der  älteren  ita- 
lischen Maasse  blieben  bestehen  und  so  entstand  das  beson- 
dere Maass -System,  welches  wir  unter  dem  Namen  des  rö- 
mischen kennen. 

WILH.  DOERPFELD. 


Inschriften  aus  Varna  (Odessos' 


Herr  B.  A.  Mystakides  aus  Athen  hat  auf  meine  Veranlas- 
sung gelegentlich  einer  Reise  nach  Varna  die  folgenden  dort 
vorhandenen  Inschriften  abgeklatscht  und  mir  die  Abklatsche 
behufs  Veröffentlichung  in  uneigennützigster  Weise  überlas- 
sen. Hr.  M.  schrieb  ausserdem  eine  handschriftliche  Samm- 
lung von  Inschriften  ab:  leider  erwies  sich  die  darauf  ver- 
wandte Mühe  als  unnütz,  indem,  wie  ich  zur  W^arnung  für 
zukünftige  Reisende  bemerke,  die  darin  enthaltenen  Texte 
sämmtlich  aus  gedruckten  Werken  entnommen  sind. 

In  der  Revue  archeol.  1878  (Febr.  u.  März)  habe  ich  eine 
Anzahl  Inschriften  von  Odessos  nach  Photographien  des  Rus- 
sen Ermakow  veröffentlicht;  die  Abklatsche  sind  an  manchen 
Stellen  deutlicher  ausgefallen  und  ich  wiederhole  daher  hier 
die  wichtigeren  Texte. 

N"  1,  Hev.  arch.  a.  a.  0.  nM;  h.  0,31,  br.  (Z.l)  0,11, 
{Z.13)0,17. 

O  N  A  I  S  /> 


O  I  F  P  Y  T  A  h 
ESiTEOANO 
Y     EFIMHNIEY^  A  N 
AFOAAQNJON 

s:  I  M  ß  N  o  s: 

0^     KAAAIMAXON 


'  Vgl.  C.  I.  G.  II  2056-2056«=  und  die  Add.;  Homraaire  de  Hell  »'oyage  en 
Turqiiie  et  en  Perse  I  (mir  unzugänglich);  Rev.  Arch.  1878  XXXV  S.llO  fg.; 
XXXVI,  303  =  Kaibel  540  'in  aliqua  Thraciae  parte';  Mittb.  IX  227,  nM?- 
15;  Arch.  Ztg.  1852  S.  141  n"  6  n»  7. 


314 


10 


INSCHRIFTEN  AUS  VARNA 

<t>  AN  EPO  Y 
KAirPAMMATEI 
OESiSAAON 
APTEMIAQPOY 
7  PO  Y 


Zwischenraum   von  5  Zeilen   unbeschrieben;  dann  die  Reste 
zweier  Distlcha: 


15 


ßAE^EAAON 

GEFATPHf 
E  M  N  Offf  §§-  O  Y 


lieber  die  e7ui{Air)vioi  dieser  Inschrift  vgl.  Doermer  De  Graeco- 
rum  sacrißculis  qui  I  E  P  O  n  O  I  O  I  dicuntur  S.  73  fg. 
N°  2.  Rev.  archeol.  n"  3;  h.  0,17,  br.  0,41. 

K  A  H  z  I N  i  iii/iiuM,  A I N  mmiMiMi 

T  E  A  Y  T  i/ll/a  A  I  H  N  E  I  E  2   I  N 

'   A   O  T   E   I    M  -  E  0  A  N  O  Y  N  §  T  O  N 

KAOEKASTOfENIf/fTONENTOIZEP 
MAIOIZANA§rEAAONTOZTOYKHPY 
K020I   NEOISTE.ANOYZINZENAN 
Af/ONAFATOYPIOYq  IAOAOEIA2ENE 
KENTfSEISEAYTOYSTHNAEFIME 
AHANFOilfS\Z0AITH5:ANArOPEY2EnZ 
TOYSTE0ANO YTOY2  KA0EKAZTONENI 
'F'NOME  r-s 


Man  erkennt  jetzt  Z.  1.  fg.  ...  .  £7r]aiv[£i;v]  xt  auT[Qv  lizl  to"??] 
öiYiv£[)t]£(jiv  (pi"XoT£t[;.[iai:  )tal 'jjxecpocvouv  [aujrov  xaö  *  £xa'7To[v]  £vi[au]- 
tÖv  £v  toI;  'Epi^atoi;  äva[y]Y£7tlovTO;  toO  -/Cr/puitOi;'  ol  v£Oi  «7T£<^avoC!- 
Tiv  S£vavS[p]ov  'ATraxovptO'j  rpiXoSo^ta?  £V£X£v  Tf'^Jc  £'!;  iauTOu?,  t7)v 
ok  iTTijjJXyiav — so!  —  7ro[t7;]'ja'jOai  tt)?  ävayopEijTew?  toO  TtEcpavou 
Tou;  >ta6 '  £)ta(jTOv  £vi[a'JTOv]  y£ivo{JL£[vou(; 


INSCHRIFTEN  AUS  VARNA 


315 


Von  der  letzten  Zeile,  welclie  im   Abklatsch  nicht  deutlich 
hervortritt,  erkennt  man  auf  der  Photographie: 


O  N  r  E  I  N  O  M  . 


.  Z 


es  steht  also  vielleicht  auf  dem  Stein:  to-j?  xa9'  exaiTov  evt[ai>- 
t]ov  yt\.^ou.i[vo'j]i;  Yu[[J!.va]'7[i3cp)^0'j;. 

IN"  3.  Rev.  Arch.  n"  5,  ohne  wesentliche   Varianten.    Nach 
Z.  10  ist  in  der  Colnmne  rechts  noch  ein  Name  erkennbar: 


T  O  Y  P  I  O  Y  =  'ATraJxoupiou. 

Bdccco'j;  halte  ich  nicht  mehr  für  Transcription  von  Bassus, 
sondern  für  einen  einheimischen  Eigennamen,  wie  sich  deren 
anf  -o'j?  häufig  in  den  sarmatischen  Inschriften  finden,  s. 
Boeckh's  Introd.  Inscr.  Sarm.  C.  I.  G.  II  117,  4. 

N°  4.  Fragment,  h.  0,24,  br.  (Z.  2-6)  0,19;   evTÖ?  rr,;  o(- 
v-icLc,  TO'j  laTpou  Ba>.YyiSa. 

c  AO^Ö  A\  l^  §§  lllllllilU 

TEIAN^POEAPIANIZO  f §'Ü 
NQNAKJE'SArnzi    NHEZf 
§H  2  EfÄÄÄM  TEinNENKTH 
5  2  K  ÄiiÄ'Ii  AOYNKAIEKFAOY 
2  ff  Ä  YAEIKAIAZFONAEIEI 
flEFITHNBOYAHNKAITONA 

fi  A  T  O  N  A  E   I   E   P  O  F  O   I   O   N   A  f  f 
OAEEISTEAAM^K 
10  ZAMOOPAKlOh 

freier  Raum 

Offenbar  Seh  In  SS  eines  Proxeniedekrets,  und  zwar,  wenn  nicht 
Alles  täuscht,  identisch  mit  C.  /.  G.  2056.  Diese  letztere  In- 
schrift ist  zuerst  in  Georgii  Dousae  de  Itinere  suo  Constantino- 
politano  Epistola,  Leyden  1590  S.  104  mit  dem   Lemma   "  ev 

TY]  TcoliTsia   Bipvri  £vtö?   ty)?  My)Tpo7c6>.£(0(;  "  (d.  i.  in  der  Stadt 


316  INSCHRIFTEN   AUS  VARNA 

Varna,  in  der  Wohnung  des  Metropoliten)  und  in  Minuskeln 
ohne  Zeilenabtheilung  herausgegeben;  Gruter  (419,  2)  wie- 
derholte sie  in  Majuskeln  und  in  25  Zeilen  '^e  Dousae  Con- 
stantinopolitanis^^ )  sie  lautet  in  Transcription:  "ESo^e  t'^ 
ßou>,v)  y.ai  tö  SyijW-w'  KpaTiGÖlvri?  Zwt>.0'j  eIttsV  stteiSt;  "Epfxsio? 
'A(j)t).viTnoSc[)pO'j  'AvTiO)(^£u;  Starpt^wv  Tuapx  ßaci'XET  S/.uöcov  Ka- 
v{Ta  (so  zu  lesen,  s.  Rh.  Mus.  N.  F.  XXIV  562  A.  2)  suvouv 
xai  7:p69'j[;.ov  iauTov  tö  Srijxo)  SiaTeXsi  [Traps'j^oiv]  v.cd  tSiK  toT; 
£VT'JYj(avou(j!.v  a'jTÖ  Twv  TTo'XiTwv  [TüolstTÜv  Grut.]  aup.TTapi'JTaTat, 
(jxouSvic  ouOsv  £7i:i>.£iTC(ov  £v  7r5t(7i  ToT;  a.^tou[X£voi?,  S£S6)(_6at  Tvi  ßou\9i 
"/cai  TW  ö7ij/,(p  SE^oiOat  auTö  v.cd  ejtyovoK;  [exyovsK;  Grut.)  Tupo^eviav, 
7ro>.iT£iav,  7rpo£dpiav,  xxi'kBicfy  j^pvifxiTcov  xavTcov,  cov  ocv  EiGaywci 
)tai  e^otycodt  etti  ktyitsi,  xai  syysttov  i'y^cTTiGiv  jcai  Sixa?  7rpoSiy.ou; 
[^po^ixa?  Dousa],  x,ai  si^ttIouv  xal  EXTir'Xo'jv  K.at  Tro'Xsjy.ou  Jtai  eipy)- 
VTOC  iau>.£i  /tai  adTcovSet,  slvai  Ss  auToT?  ^ai  [von  D.  weggel.]  £(po- 
Sov  exi  TTiv  ßo'j'X7)v  >tal  tov  Syjaov  TrpwTOn;  asra  t«.  Upa'  tov  Ss  le- 
poTTOtöv  avaypx(|/at  to  (j;y)<pi<7[xa  touto  ei?  Ts'Xajj.wva  xal  OsTvai  ei?  xö 
lepov. 

Ist  unsere  obige  Vermuthung  richtig,  so  erweist  sich  durch 
das  neugefundene  Fragment  die  Grutersche  Zeilenabtheilung 
als  willkürlich;  dagegen  fehlen  gerade  zufällig  die  Stellen,  an 
denen  Gruters  Text  von  Dousa  abweicht,  so  dass  sich  über 
den  Werth  der  Varianten  nichts  entscheiden  lässt.Wohl  aber 
bietet  unser  Fragment  einige  andere  abweichende  Lesarten: 

Z.  1  {  =  Z.  11  fg.  Grut.)  scheint  nach  dem  Abklatsch  auf 
SESöaOai  ein  A  zu  folgen;  Z.  2  fg.  =Z.  13  fg.  Gr.  IrsoxilsioLw  — 
anstatt  äTs>,£iav  —  j^^p-ofXJCTcov  Tuavxwv,  wv  a.v  elaxyoirsu  ri  —  anstatt 
siaaywcri  y.ai  —  l^xydini:  ähnlich  in  der  Inschrift  ausMesembria 
C.I.G.  II  2053c  =  Mitth.  IX  218,4;  Z.8ff.==Z.22  fg.  Grut.: 
Tov  ö£  UpoTTOiov  ävaypa^pai  to  ij/7)cpi(jp,a  toSe  —  Grut.  toOto  —  £1; 
TE'XajAüva  xal  0£ivai  £t?  to  Upöv  [tö]  Sajj.oOpxxiov.  Dies  letzte  Wort 
fehlt  bei  Dousa  und  Gruter,  Böckh  hatte  es  indess  schon  ver- 
misst:  in  ßne  puto  dei  nomen  periisse,  verbi  causa  toG  A16;, 
quem  offerunt  numi;    zum  Heiligthum   der   Samothrakischen 


INSCHRIFTEN   AUS  VARNA  317 

Götter  vgl.  das  Dioskurenrelief  Rev.  arch  a.  a.  0.  N"  2  und 
unten  N°  6. 

Uebrigens  sind  auch  die  Buchstabenformen  C  und  UU  bei 
Gruter  rein  willkürlich  gewählt;  das  erhaltene  Fragment  hat 
stets  Z  und  ß. 

N"  5.  Höhe  des  Abklatsches  1,23,  Br.  0,40. 

ArAGHITYXHIOIAEIEPH  NTAI 
Ti^OEQIMETATHNKAGOAON 
HrE/AftNSftZTPATOY 
NOYMHNIOZEAAHNOZ 
ÖKOTYZAEPNAIOY 

/AHTPOAflPOZMHTPOAnPOY 
AnATOYPIOZAnATOYPIOY 
u.Sii'^IOZ  2POY 

AMYNTÜPEAAHNOZ 

10  ATTOAAAZEKATAIOY 
EAAHNNOY/AHNIOY 
TTAPMENaNAPTEMIAftPOY 
AnOAAAZAlONYZIOY 
AnOAAAZATTOAAftN   lOY 

15AMYNTQPAIANTIAOY 
EPMA(1)IA05:   EAAH   NOZ 
AlANTIAHSAnOAAA 
TEI/AOKPATHZEÜIMENOYS 
TTAP/AENinNTTAP/AENinN   02 

SOnOSIAHOZATTOAAA 

APTEMlAnPOZAÜOAAOAnPOY 
NOYMHNIOZAnOAAflNIOY 
A^KAHÜlAAHZAPTE/AIAnPOY 
ATTOAAaNIOZTTPO/AAeißNOZ 

25  MAPKOZANTHN  iOZA0HNAIO2 
AlONY^IOZZftnYPIÜNOZ 
API2TEIAH2AIZXPiaN0Z 
ZHNI2ArA0HNOPO2 
ArAOH     NßPZHNI 


318  INSCHRIFTEN  AUS  VARNA 

30FAP/AENÜNZaiAOY 
MHTP0AÜP02  jiji  O   N  Ü   N   O  Z 
APTEMIAftPOZNOYMHNIOY 
EAAHNEFIMENOYZ 
EYFOAE/AOZATTEß 

SSnOZZEIZZENi^NOZ 

APTEMIAÜPOZEZTIAI    OY 
P    O    ZI    Aft    NIOZNOYMH   NIOY 
H0AIZTinNAIONYZIOY 
APIZTOKAHZZHNI 

40<|)IAEINOZAAEZIMAXOY 
FPOMAOlßNAFOAAi^NIOY 
AlONYZIOZEKATOAftPOY 
HPOTIMOZArAOH     NOPOZ 
nOZZEIZAlOFENOY 

45NOYM   H   N   lOZIPFOMEAONTOS 
A    I    O    N    Y    Z    I    O    Z    F    Ä    2    E:     I    O    f 

eine  Zeile  anscheinend  frei 

flONYZIOZAFÄTOYPIOY 
MOZXiaNZillAOY 

Was  sofort  auffällt  ist  die  Verschiedenheit  in  der  Schrift 
zwischen  der  ersten  Hälfte  der  Inschrift  Z.  1 — 28  und  der 
zweiten  Z.  29  ff.;  letztere  zeigt  schmale,  auseinandergezogene 
ältere  Buchstabenformen,  mit  Ausnahme  von  Z.  48,  welche 
wieder  dem  Anfange  gleich  ist;  man  beachte  auch  die  jüngere 
Schreibung  Tei[jt,o>tpäT7i?  Z.  18  gegenüber  IlocriSwvio?  Z.  37, 
'HpÖTifAo;  Z.  43.  Vielleicht  stehen  die  ersten  28  Zeilen  in  Ra- 
sur, was  sich  auf  dem  Abklatsch  nicht  erkennen  lässt,  doch 
können  auch  andere  Umstände  eingewirkt  haben. 

Für  die  Zeitbestimmung  des  vorliegenden  Prieslerverzeich- 
nisses giebt  die  Inschrift  C./.G.2056^  aus  Varna  aus  der  Zeit  des 
Tiberius  einen  Anhaltspunkt;  der  dort  erwähnte  'AuoT^lövio? 
'ArtolXwviou  TOü  ripofxaOiwvo;  ist  doch  jedenfalls  identisch  mit 
dem  Träger  des  gleichen  Namens  in  unserer  Inschrift  Z.  24; 


INSCHRIFTEN   AUS  VAHNA  319 

ZU  dieser  Ansetzung  slimmt  auch  der  Name  Mapxo;  'Avtcövio; 
'A67]vaio?,  der  unmittelbar  darauf  Z.  2h  folgt. 

Die  Lesung  ist  überall  sieber;  Z.  8  ist  vermuthlich  'Ecti- 
aTo[;  MriTpoSjwpou  zu  erganzen;  unter  den  Eigennamen  sind 
hervorzuheben  Kotu?  Aepvatou  Z.  5  —  offenbar  thrakisclien 
Ursprungs^  II6c<j£i<;  Z.  ii,  gen.  ri[6]'7£io[;,  Z.  iG,  und  Zvivi;  Z. 
28,  </e/i.  Zvivi  Z.  21)  u  39;  diese  letztere  Form  ist  nicht  nur 
durch  ihr  doppeltes  Vorkommen  geschützt, sondern  auch  durch 
die  Inschrift  Rev.  arch.  a.  a.  0.  N"  9  bestätigt: 

J.  A  fKOYSEAAHNOZOYrATHP 
rVNHAEAPIZTOKAEOYSTOYIH 
N  I  /rei  X  A  I  P  E 

Sa./tOD?  "EÜTivo;  O'jyjcTvip,  yuvv)  Ss  'ApidTOxT^eou?  tou  Zrivi* 
;^aTp£,  denn  es  ist  doch  kaum  zu  bezweifeln,  dass  der  'Apicro- 
•/.Irii;  Zvivi  in  unserer  Inschrift  identisch  ist  mit  dem  gleichna- 
migen Manne  der  Sa.)(,ou;.  Aehnliche  Genitivformen  in  den 
sarmatischen  Inschriften  (Boeckh  C.  I.  G.  II  S.lll)  machen  es 
wahrscheinlich,  dass  auch  Zvivi?  ein  nichlhellenischer  Name 
ist;  vgl.  den  Dardaner  Z9ivi?  Xenoph.  Hell.  3,1,10. 

N°  6.  Br.  0,22. 


OY2Eni(t)ANEI2  6e]ou;  e7:i(pav£t? 

a  P  O  2  E  M  H  N  O  Z    so\    My)Tpö^>po?  "EX^yivo;. 

Vermuthlich  eine  Dedication  an  dieDioskuren,  vgl.  oben  N^i. 
N°  7   'ßatOpov  Movo?';   h.  0,17,  b;-.  (Z.  3)  0,15=ßeü.  arch. 
a.  a.  0.  n"  17;  oben  und  unten  vollständig. 

A  A  B  I  A  K  I  <|)]Xagta  K  .  .  . 

T  A   K  Y  M  A  I  To.  x.uf^ocT[ia  .  .  . 

NH  A   UU   P  O   N  vvi  ^(opov 

A  A'  e  0  H   K  A  aveOyjKa. 


320  INSCHRIFTEN  AUS  VARNA 

N"  8.  Ohne  nähere  Angaben. 

E  Z     T  I  A  I  O  2 

AIOZKOYPIAOY 

1  A  I  B  A  n  N 

N"  9.  Br.  des  Abklatsches  0,28. 

EAAHNECTIA 
X  H  C 

X  A  I  P  E 

N"  10.  Basrelief:  Rechts  Mann  gelagert  mit  Kranz  in  d.  R.; 
links  Frau,  die  Rechte  auf  der  Brust;  zwei  Diener.  H.  0,60. 
Heber  dem  Relief: 

MENTHC    NEIKlOYrYNH 

AYTOYANNIiENftNOC 
darunter: 

TOYAYTOKPATOYC 

OYTATHP     XAIPETE 

Die  thrakischen  Namen  Mevty)?,  "Awi  fallen  nicht  mehr  auf, 
nachdem  wir  aus  andern  Inschriften  Bdc(75ou?  (s.o.N"  3\  Zt^vi? 
(s.  0.  N"  5),  KoTu;  Aepvaiou  (ebd.),"ATT£co  (ebd.  Z.  34),  Tioötä 
(Mitth.  IX  230  N°  14),  MaSayaOa  {Rev.  arc/i.  a.  a.  0.  N°  15), 
0iaO{o'j?  (s.  u.  N°  12),  Aep^eÜTO-j,  Küpaa  {Rev.  arch-  a.  a.  0. 
N"  6)  kennen  gelernt  haben. 

N"  11.  Fragmente  a  H.  0,09,  Br.  0,11.-6.  H.  0,16,  Br., 
soweit  der  Abklatsch  reicht  0,13  *. 

aAOHT  h       OANHÄPÄY 

f  >iKAIM  TÄTO  Y  HP  ß  "| 

TD'^  2NÄNErPA         I 

K   ß   MH 


*  [Die  Ligaturen  der  Inschriften  H  und  12  haben  im  Druck  nur  angedeu- 
tet werden  können. —  U.  K.] 


INSCHRIFTEN    AUS   VARNA  321 

h   '/j.2:  Toö  "XaiATüpoJTäTOu  7}pw[o? ;    Z.  o:  -bi-^  äveYpa[i{/£v  ;  Z.  4: 

^"  12.   ('oj)ie  inilgellicill  von  mciiicin  ]jrudt!r."To(ltenmalil 
von  schöner  Arbeit". 

0lA0lo¥C^0¥rA  THP 
AE-AITEAAAAOSXAIPE 

Vermulhlich   Schluss    einer  Grabschrift: yjvrj  aÜToG] 

In  Varna  fand  Hr.  Mystakides  das  Cybelerelief  anf,welches 
ich  in  der  liev.  arch.  1878,  \XXV1  298  als  aus  Philippopel 
stammend  veröffentlicht  habe.  Ich  habe  die  Angaben  auf  den 
Ermakovv'schen  Photographien,  wo  ich  sie  sonst  controlliren 
konnte  (z.  B.  bei  den  Inschrii'len  aus  Ancyra),  stets  als  correct 
befunden;  ich  halte  es  daher  nicht  für  unmöglich,  dass  dies 
Relief  bei  seinen  geringen  Dimensionen  (H.0,15,  Br. 0,168'") 
nach  Varna  verschleppt  ist.  Doch  will  ich  erwähnen,  dass 
auch  die  Inschrift  aus  Varna  Rev.  arch.  a.  a.  0.  N°  15  nach 
VVeickum  (s.  Münchener  Ber.  1875  S.  74  fg.  N°  9)  aus  Küs- 
tendje  —  Tomi —stammt;  aber  auch  hier  ist  ein  Zweifel  er- 
laubt; Weickum  schrieb  diese  Inschrift  ''bei  D""  CuUen  "  ab, 
d.  h.  wie  den  grössten  Theil  seiner  Sammlung,  aus  D""  Cul- 
lens  Papieren  (s.  Flapaorrjao,  xoy.  des  XIII.  Bandes  der  Schrif- 
ten des  hiesigen  Syllogos  S.  66)  und  hat  sie  offenbar  nicht 
vor  Augen  gehabt.  Umgekehrt  ist  zwei  handschriftlichen  Co- 
i)ien  der  Inschriften  von  Tomi  Perrot  Mem.  d'arch.  183  N"  4 
2  beigeschrieben  'Ode 

Constautinopel,  Sept.  1885. 


und  N°  2  beigeschrieben  'Odessus'  d.  i.  Varna 


DM.  H.  MORDTMANN. 


MITTH.  D.  ABCH.  INST.  X.  21 


Üeber  das  archaische  Giebelrelief 
von  der  Akropohs. 

III. 

Eine  bestimmte  Zeit  für  die  Entstehung  des  Giebelreliefs 
anzugeben,  ist  nicht  möglich;  trotzdem  sind  wir  im  Stande, 
demselben  im  aligemeinen  seine  Stellung  in  der  Kunstge- 
schichte anzuweisen.  Die  Composition  und  die  Farhengebung 
desselben  zeigten,  dass  wir  es  mit  einem  der  frühesten  skul- 
pirlen  Giebelfelder  zu  thun  hahen.  Denn  nicht  allein  das  dort 
ausgesprochene  Princip  der  Ausschmückung,  sondern  das 
Monument  selbst  scheint  mir  älter  zu  sein,  als  der  megari- 
sche  Giebel.  Attika  ist  freilich  m  der  ersten  Periode  der  bil- 
denden Kunst  nicht  tonangebend  gewesen,  aber  es  waren  hier 
doch  zahlreiche  Künstler  von  den  ionischen  Inseln,  vermuth- 
lich  auch  von  anderen  Stätten  mit  Kunstschulen  thätig,  und 
so  wird  man  eine  Neuerung,  wie  wir  sie  am  megarischen  Gie- 
bel und  den  selinuntischen  Metopen  sehen,  hier  bald  aufge- 
nommen haben,  während  die  alte  Weise  rasch  verschwand. 
Auf  sehr  alte  Zeit  weist  aber  auch  die  Bekleidung  des  Hera- 
kles auf  dem  Relief,  der  nur  den  Panzer,  nicht  aber  das  Lö- 
wenfell trägt,  lediglich  eine  EigenlhümJichkeit  der  frühsten 
Monumente,  und  die  Benutzung  geringen  Materiales  an  Stelle 
des  schon  früh  verwendeten  Marmors.  Aber  zuweit  in  der  Zu- 
rückdatirung  zu  gehen,  verbieten  uns  auf  der  anderen  Seite 
wieder  ganz  bestimmte  Momente.  Zuerst  ist  es  klar,  dass  je- 
nes llelief  nicht  an  einem  aus  Luftziegeln  und  Holz  erbauten, 
sondern  an  einem  steinernen  dorischen  Tempel  angebracht 


GIEBELRELIEF   VON   DER   AKROPOLIS  S^S 

war.  Ueberliaupt  wäre  die  Annahme  verkehrt,  dass  bereits  an 
jenem  duiisehen  Lrtempei,  z.  LJ.  am  IJeraion,  ein  Giebelrelief 
—  man  miissle  hierbei  an  iiölzerne  Keliefs  denken  —  verwen- 
det wurde.  Denn  abgesehen  davon,  dass  Tu  r  dieselbe  auch 
nicht  ein  Grund  spricht,  erhebt  sich  gegen  dieselbe  der 
schwer  wiegende  Umstand,  dass,  wenn  diese  Gattung  der  Pla- 
stik bereits  eine  Entwicklung  vor  der  Schöpfung  des  Slein- 
tempels  gehabt  hätte,  die  Forderungen, welche  der  eigenthüm- 
lich  gestaltete  Raum  an  die  Composition  stellte,  wenigstens 
zum  Theil  besser  erkannt  und  beobachtet  wären,  als  es  bei 
dem  steinernen  Akropolisrelief  der  Fall  ist.  Wie  dringend 
grade  der  Umfang  der  Schwierigkeiten  ihre  Beseitigung  er- 
heischte und  wie  rasch  dieselbe  erfolgte,  können  wir  an  dem 
Fortschritt  bemerken,  den  das  Schatzhaus  der  Megarer  dem 
Akropolisrelief  gegenüber  aufweist,  obwohl  die  Zw  ischenzeit 
zwischen  beiden  nicht  sehr  gross  sein  kann. Wissen  wir  über- 
haupt, ob  der  dorische  Urtempel  Giebelfelder  besessen  hat? 
Für  die  allererste  Form  desselben,  die  des  templum  in  antis, 
hat  Reimers  in  seiner  kleinen  Schrift  Zur  Entwicklung  des  do- 
rischen Tempels  die  plausible  Ansicht  aufgestellt,  dass  er  ein 
Walmdach  besessen;  dagegen  schliesst  Dörpfeld  in  seinem 
äusserst  lehrreichen  Aufsatz  über  den  antiken  Ziegelbau  und 
seinen  Einfluss  auf  den  dorischen  Stil  (Historische  und  phi- 
lologische Aufsätze  E.  Curtius  gewidmet  S.137  ff.)  auf  ein  ur- 
sprüngliches horizontales  Lehmdach.  Die  Hauptsache  ist,  dass 
das  Dach  dieses  Tempels, wie  es  auch  sonst  gewesen  sein  mag, 
nach  allen  vier  Seiten  gleichmässig  gestaltet  war,  also  einen 
Giebel  ausschloss.  W'ann  creoen  diese  Form  des  Daches  das 
spätere  Giebeldach  eingetauscht  wurde,  ist  nicht  bekannt;  es 
liegt  aber  nahe,  anzunehmen,  dass  dies  im  Anschluss  an  die 
Erbauung  des  Tempels  aus  Stein  erfolgt  ist.  Jedenfalls  kann 
man  vor  jener  Hypothese  hölzerner  Giebelreliefs  nicht  drin- 
oend  oenuo;  warnen.  Ist  aber  wenigstens  die  Ausschmü- 
ckung  des  Giebels  an  den  Steintempel  geknüpft,  so  gewin- 
nen wir  zunächst  als  termi?ms  post  quem  die  Einführung  des 
Steintempels.  Aber  wir  werden  noch  weiter  gegen  den  ande- 


324  GIb;BELRKLIEF    VON    DER   AKRÜPOLIS 

ren  Terminus  hin  gedrängt, wenn  wir  bedenken,  dass  der  Ent- 
stehung des  Giebels,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  die  schuJ- 
mässige  Ausbildung  des  Reliefslils  vorangehen  musste.  So 
werden  wir  wohl  am  sichersten  gehn,  wenn  wir  das  Akropo- 
lisrelief  in  die  erste  Hälfte  des  sechsten  Jahrhunderts  setzen. 
Sollen  wir  nun  mit  Purgold  (a.  a.  ü.  Sp.  150)  annehmen, 
dass  das  Relief  im  eigentlichen  Sinne  ein  attisches  genannt 
werden  kann,  d.  h.  dass  es  nicht  allein  auf  attischem  Boden, 
sondern  auch  von  einem  attischen  Künstler  verfertigt  sei?  Ich 
fflaube  nicht.  Die  Künstler,  welche  noch  im  sechsten  Jahr- 
hundert  in  Athen  statuarisch  tliätig  sind,  scheinen  vorzugs- 
weise Griechen  aus  dem  Osten  gewesen  zu  sein,  so  Aristion 
und  Endoios, vielleicht  auch  Kritios  und  iNesiotes  (vgl.  Lösch- 
eke  Athen.  Mittheilungen  IV  S.  305,  Milchhöfer  ebend.  V  S. 
170).  Früher,  als  die  Rundplastik  hat  sich  freilich, wie  Lösch- 
cke  mit  Recht  annimmt,  die  Reliefplastik  in  Athen  ausge- 
bildet; aber  den  bisherigen  Funden  nach  scheint  sie  erst  mit 
dem  Gebrauch  des  pentelischen  Marmors  —  aus  diesem  ist 
nicht  allein  die  Stele  des  Lyseas  gearbeitet  sondern  auch  die 
des  Aristion  und  die  Stelen  bei  Sybel  5.  6.  7.  9  —  aufgekom- 
men zu  sein;  für  das  Stelenfragment  von  der  Themistoklei- 
schen  Stadtmauer  Sybel  2904  aus  parischem  Marmor  möchte 
ich  noch  einen  parischen  Meister  annehmen,  wenngleich  die 
Xenophantosbasis,  die  nach  Löschcke  a.a.O.S.300  das  statua- 
rische Werk  eines  Pariers  trug,  nicht  dazu  gehört.  Von  jenen 
rein  attischen  Marmorstelen  ist  das  Porosrelief  von  der  Akro- 
polis  zeitlich  weit  entfernt;  aber  nicht  weniger  stilistisch. 
Für  Aristion,  wie  für  Lyseas  lassen  sich  die  attischen  Vasen- 
bilder zur  Vergleichung  heranziehen ;  dieselbe  Stellung,  An- 
ordnung des  Gewandes,  Rüstung;  dieselben  Proportionen, 
dasselbe  Profil,  wie  dort,  findet  sich  auch  hier.  Für  das  Akro- 
polisrelief  fehlen  diese  Analogieen  durchaus.  Der  Unterschied 
tritt  weniger  bei  Herakles,  als  bei  lolaos  mit  seinen  gedrun- 
genen Körperformen,  am  stärksten  aber  bei  den  Pferden  her- 
vor; sie  haben  nicht  die  Spur  von  dem,  was  die  Pferde  auf 


niEBEMlKLIEF   VON    DEIl   AKROPOLIS  325 

altisclien  Vasen  auszeichnet  ^ — Noch  weniger,  als  an  einen 
altischen  Künstler,  werden  wir  an  einen  parischen  denken; 
dcmii  di(^  pai'ische  Schule  scheint,  in  welcher  Landscliaft  sie 
auch  immer  auftritt,  vom  parischen  Marmor  unzertrennlicli 
gewesen  zu  sein;  hat  doch  nur  durch  sie  dieses  schöne  Ma- 
terial seine  weite  Verbreituno;  finden  können.  Dass  ein  Parier 
in  einem  Lande,  wo  der  Marmor  seiner  Insel  in  alter  Zeit  so 
sehr  Elingang  gefunden  hatte-,  den  im  Grunde  völlig  unzu- 
reichenden Porös  benutzte,  erscheint  mir  undenkbar. —  Mit 
aller  Reserve, wie  sie  auf  einem  derartigen  Gebiete  unumgäng- 
lich ist,  möchte  ich  eine  andere  Vermuthung  aufstellen.  In 
der  'E(p7iaepi?  Taf.  7  ist  zugleich  mit  dem  Relief  dasjenige 
Vasenbild  abgebildet,  welches  Herakles  Kampf  gegen  die  Hy- 
dra am  ähnlichsten  zur  Darstellung  bringt.  Die  Reihenfolge 
des  Wagens,  des  lolaos,  des  Herakles,  der  Schlange  ist  iden- 
tisch lolaos  ist  auf  beiden  mit  seinem  Gespann  nach  links  ge- 
wendet und  dreht  den  Kopf  zurück.  Auf  dem  Vasenbild  ist  er 
freilich  gerüstet,  doch  muss  betont  werden,  dass  er  hier  eben- 
sowenig in  die  Handlung  selbst  eingreift,  wie  auf  dem  Re- 
lief 2.  Sehr  ähnlich  ist  ferner  die  Hydra  gebildet;  sie  rollt  sich 
in  gleicher  Weise  zusammen  und  hat  hier,  wie  dort  neun 
Köpfe,  die  mit  Ausnahme  von  zweien  dem  Herakles  entgegen- 
zischen ;  diese  zwei  aber  sind  gesenkt  und  werden  von  oben 
sichtbar. 

Von  den  Pferden  des  Vasenbildes,  die  ebenso,  wie  die  wel- 
che Tyxis  auf  der  gleichfalls  chalkidischen  Vase  Gerhard  Aus- 
erlesene   Vasenbilder    lli    Taf.    190.    191    reitet,    unleugbare 


*  Eine  eingehende  stilistische  Vergleichung  mit  anderen  Reliefs  ist  mir 
leider  nicht  möglich;  hei  der  früheren  Aufstellung  der  Fragmeute  wurde 
dergleichen  sehr  erschwert  und  die  Publikation  giebl  den  Eindruck  duch 
nicht  völlig  befriedigend  wieder. 

2  Vgl.v.Sybel  Skulpturen  zu  Athen  S.V;  auch  die  archaischen  Akropolis- 
funde  der  letzten  Jahre  sind  durchweg  aus  parischem  Marmor  gearbeitet. 

^  Das  Gleiche  sehen  wir  auch  auf  dem  Kypseloskasten;  denn  lolaos  wird 
bekanntlich  mit  Unrecht  von  Pausanias  zu  den  Leichenspielen  des  Pelias 
gezogen. 


326  CiIEBELRELIEF   VoN    DER    AKROPOLIS 

Aehnlichkeit  mit  denen  des  Reliefs  besitzen,  haben  zwei  die 
Köpfe  gesenkt.  Die  Ver^Yenduno•  des  Viergespanns  auf  der 
Vase,  die  Bekleidung  des  Helden  jnit  dem  Löwenfell  —  das- 
selbe fehlt  übrigens  auch  auf  den  chalkidischen  Vasen  Ger- 
hard a.  a.  0.  IV  Taf.  323  und  Heydemann  Neaplei*  Vasen  S. 
A.  120  — ,  vielleicht  auch  die  Anwesenheit  der  Göttin  weisen 
auf  den  späteren  Ursprung  der  Vase  hin.  Aber  die  Ueberein- 
stimmungen  scheinen  mir  doch  so  gross,  dass  man  wenig- 
stens die  Conjektur  wagen  darf,  der  Zusammenhang  sei  ein 
innerlicher,  der  Giebel  sei  ebenso,  wie  das  Vasenbild,  chal- 
kidische  Arbeit.  Abgesehen  von  der  Vasenmalerei  wissen  wir 
freilich  nichts  von  specifisch  chalkidischer  Kunst.  Aber  in  ei- 
ner Stadt,  die  in  den  bedeutendsten  Aeusserungen  der  Cultur, 
in  Schrift  und  Münzsyslem  selbständig  auftrat,  die  als  die 
erste  griechische  Stadt  im  fernen  Westen,  auf  Sicilien  und  in 
Italien  lebensfähiee  Colonien  gründete,  die  den  dort  ansäs- 
sigen  Völkerschaften,  namentlich  den  Etruskern,  die  Keime 
höherer  Cultur  einpflanzte,  die  vor  allem  auch  ohne  Zweifel 
diesem  Volke  die  Elemente  der  bildenden  Kunst  gebracht  hat, 
in  einer  solchen  Stadt  musste  selbstredend  auch  der  Plastik 
ein  breiter  Spielraum  gewährt  sein.  Und  sollten  nicht,  wie 
attische  Vasen  zum  grossen  Theil,  so  auch  chalkidische  mehr- 
fach Anregungen  durch  die  höhere  Kunst  empfangen  haben? 
Die  Stammesgleichheit  w^ird  gewiss  einen  regen  Verkehr  zwi 
sehen  Chalkis  und  Athen  hervorgerufen  haben  und  ebenso 
gut,  wie  attische  Meister  sich  früh  von  der  chalkidischen  Va- 
senmalerei beeinflussen  Hessen,  können  Künstler  der  benach- 
barten Insel  auf  der  Akropolis  thätig  gewesen  sein. 

Zu  welchem  Tempel  der  Giebel  gehört  haben  mag,  wissen 
wir  nicht.  Aus  der  Wahl  des  Gegenstandes  darf  man  jeden- 
falls keinen  Schluss  auf  die  Person  des  Gottes  ziehen.  Denn 
der  ältesten  Kunst  der  Griechen  kommt  es  nur  darauf  an,  über- 
haupt ein  Monument  oder  einen  Gegenstand  bildlich  zu  ver- 
zieren. Ein  Zusammenhang  zwischen  solcher  Darstellung  und 
dem  Zweck,  dem  sie  dient,  ergiebt  sich  erst  später.  Vergeb- 
lich würde   man   versuchen,  die   Bildwerke   am   Thron   des 


GlEBET.nELIKF    VON    DER    AKROPOLFS  327 

amykläischen  Apollon  in  Beziehung  zu  dieser  Gottheit  zu  set- 
zen. Auch  würde  es  in  unserem  Falle  schwer  sein,  den  Kampf 
gegen  die  Hydra  als  besonders  passend  zu  einer  der  auf  der 
Akropolis  mit  einem  Tempel  verehrten  Gottheiten  nachzuwei- 
sen. Ja  man  möchte  sogar  annehmen,  dass  einem  Tempel  der 
A  thena  das  Fehlen  ihrer  Figur  im  Giebel  widerspricht;  denn 
hier  ist  es  schwer  zu  glauben,  dass  der  Künstler  nicht  wenig- 
stens diesen,   im  Stoff  liegenden  Bezug  hervorgehoben  hätte. 


Excurs  I. 


Zu  gleicher  Zeit  mit  dem  Belief,  welches  Herakles  Kampf 
gegen  die  Hydra  darstellt,  ist  ein  anderes,  aus  demselben  Ma- 
terial gearbeitetes  gefunden  (publ.  ebenfalls  'E<p-/it^,£pi;  1884 
Taf.  7),  welches  sehr  viel  mehr  zerstört  ist.  Eine  nur  im  Ober- 
körper erhaltene,  bärtige  Figur  mit  langwallenden  Haaren 
sucht  der  gewaltsamen  Umarmung  einer  zweiten,  von  hinten 
herankommenden  Figur  zu  entfliehen,  welche  den  rechten 
Arm  um  den  Hals  des  Gegners  gelegt  hat  und  mit  der  Lin- 
ken die  eigene  rechte  Handwurzel  fest  hält,  um  den  Druck  zu 
verstärken.  Beide  sind  nach  links  gewendet.  Die  unterliegende 
Figur  streckt  den  rechten  Arm  hülferufend  aus.  Der  Grund 
des  Reliefs  ist  unbemalt,  die  durchweg  nackten  Körper  gleich- 
massig  mit  rolh  von  ziemlich  dunkler  Nuance  überzogen,  wie 
es  z.  B.  der  Fall  ist  bei  dem  neu  hinzugefundenen  Bruch- 
stück eines  Votivreliefs  an  Athena  (vgl.  Friederichs  — Wolters 
Bausteine  No.  117). —  Es  besteht  die  Ansicht,  das  erwähnte 
Relief  gehöre  zu  dem  Ostgiebel  desselben  Tempels,  der  auf 
seiner  Westseite  mit  Herakles  Kampf  gegen  die  Hydra  ge- 
schmückt war.  Mir  erscheint  die  Zusammengehörigkeit  sehr 
unwahrscheinlich.  Das  Relief  des  fraglichen  Stückes  —  offen- 
bar ist  Herakles  Kampf  mit  Triton  dargestellt  —  ist  ziemlich 
hoch,  die  Färbung  des  Körpers  gänzlich  verschieden  von  der. 


328  GIEBELRELIEF    VON   DEK    AKROPOLIS 

welche  die  nackten  Theile  des  andern  Monumentes  tragen. Und 
woher  wissen  wir  überhaupt  dass  der  Tempel  ein  zweites 
Tympanon  gehabt  hat?  Das  einfache  templum  in  antis  —  zu  ei- 
nem solchen  gehörte  seiner  kleinen  Dimensionen  wegen  ohne 
Zweifel  das  Relief — scheint  nur  e  i  n  Giebelfeld  gehabt  zu  ha 
ben,  wie  die  olympischen  Schatzhäuser,  die  ja  auch  nach  der 
Antenform  gebaut  sind,  und  die  Tradition,  dass  zuerst  die 
Korinther— in  doch  nicht  allzufrüher  Zeit,  wie  es  scheint  — 
dem  Tempel  zwei  Giebel  gegeben  haben  (vgl.  Reimers  Dori- 
scher Tempel  S.23)  wahrscheinlich  machen.  Ein  zweites  Gie- 
belfeld war  doch  nur  dann  am  Platze,  wenn  dem  Prodomos 
ein  Opisthodomos  entsprach, der  Tempel  also  grössere  Ausdeh- 
uno;  besass. —  Von  dem  Stil  des  Tritonreliefs  habe  ich  keine 
sichere  Vorstell  uns;  mehr. 


Excurs  II  (zu  Seite    .'43 ). 


Schon  früh  hatte  man  sich  genöthigt  gesehen,  auch  in  der 
Vasenmalerei  den  Unterschied  in  der  Färbung  des  männli- 
chen und  weiblichen  Körpers,  der  bereits  in  Aegypten  zum 
Ausdruck  gebracht  war,  ohne  Zweifel  im  Anschluss  an  höhere 
Gattungen  der  Kunst  hervorzuheben.  So  lange  man  bei  den 
Gesichtern  durchweg  Linearzeichnung  anwandte  war  eine 
Differenzierung  von  Mann  und  Frau  im  Gesicht  noch  nicht 
möglich.  Selbst  auf  den  ältesten  korinthischen  Vasen,  wo 
Frauen  überhaupt  selten  dargestellt  sind,  bemerken  wir  noch 
nichts  von  derselben;  so  sind  auf  dem  korinthischen  Napf 
2438  in  der  Sammlung  der  archäologischen  Gesellschaft  in 
Athen  Frauen,  welche  sich  im  Reigentanz  die  Hände  rei- 
chen, ohne  Anwendung  von  weiss  dargestellt'.    Plinins    be- 

^  Auf  der  Vase  des  Timonides  Collij^iiuii  ISl  isl  I'olyioiia  ebenso  wie 
die  übri^'cn  Fi^'ureii  iiiil  brauner  Farbe  und  ciiiiiekialzter  Inneuzeichnung 
dargestelll. 


GIEBELHELIEF    VON    DEU    AKHOPOLIS  329 

richtet,  dass  zuerst  der  Athener  Eumaros  Mann  und  Frau 
geschieden  liabe ;  auf  welche  Weise  er  es  getlian  lial.  erfali- 
ren  wir  nicht.  Es  wäre  voreilig  anzunehmen  dass  es  ebenso 
geschehen  sein  müsse,  wie  fast  diircligeliends  auf  den  sog. 
sfg.  Vasen.  Denn  dies  Verfahren  war  nicht  das  einzige  in 
früher  Zeit.  Wenn  der  kiH-pcr  des  Manntvs  mit  hraiiner  oder 
dunklerer  Farbe  überzogen  war ,  genügte  es  ja  ,  den  der 
Frau  ganz  unbemalt  zu  lassen  und  ihn  nur  mit  braunen  Li- 
nien zu  umziehen.  Diese  Methode,  welche  sieh  mit  Leich- 
tigkeit aus  der  alten  Gewohnheit,  alle  nackten  Theile  in  Lm- 
risszeichnung  zu  geben,  entwickeln  konnte,  wird  desshalb 
wohl  auch  als  die  älteste  zu  betracdilen  sein.  Sie  findet  sich 
im  Gebiete  der  Vasenmalerei  zuerst  auf  dem  melischen  (iefäss 
(Conze  Taf.  III.  IV),  der  allattischen  Schüssel  aus  Aigina  (Ber- 
liner Vasensammluiig  1G82;  publ.  v.  Furtwängler  Archäol. 
Zeitung  1882  Taf.  9),  wo  in  der  Perseusdarstellung  Athena  so 
gezeichnet  erscheint,  bei  den  Bildern  der  Amphitrite  auf  ver- 
schiedenen korinthischen  Pinakes  (Berlin.  Vasens.  475.  477. 
479.  487.  488.  493.  495.  498.  538.  787.  827.  828.  705,  vgl. 
auch  765.  891.)  und  dem  der  Athena  auf  der  attischen  Vase 
des  Kolchos  (Berlin.  Vasens.  1732).  Wir  dürfen  aber  wegen 
der  wenigen  Beispiele  nicht  schliessen,  dass  das  Verfahren 
nur  in  beschränkter  Weise  angewendet  wäre.  Wir  sahen  viel- 
mehr oben,  dass  es  sich  auf  dem  cäretaner  Terracottafragment 
in  Berlin  und  durchgehends  bei  den  älteren  Wandgemälden  in 
Gräbern  hndet. —  Ich  denke  mir,  dass  hiermit  auch  die  Ge- 
wohnheit verschiedener  Schalenmaler,  vor  allem  des  Hermo- 
genes,  jede  Seite  des  Gefässes  mit  einem  Kopf  in  Umriss- 
zeichnung zu  schmücken,  zusammenhängt;  denn  es  kann 
kaum  Zufall  sein,  dass  fast  ausschliesslich  weibliche  Köpfe 
verwendet  sind'    Beide  Momente,  das  hohe  Alter  des  Verfahrens 


*  Andrerseits  lässl  es  sich  ganz  wohl  erklären,  wie  innerhaih  dieses  eng 
begränzten  Gebietes  nun  auch  männliche  Köpfe  in  Umrisszeichnung  gege- 
ben wurden.  Hierher  gehürlauch  der  tJerliner  Pinax  490,  auf  welchem  nicht 
allein  Amphitrites  sondern  auch  Poseidons  Gesicht  nur  im  Conlur  gegeben 


330  GIEBELRELIEF   VON   DER    AKROPOLIS 

und  seine  Beschränkung  \N'esnnflieh  auf  Bilder  von  Frauen 
scheinen  mir  die  Ansicht  Winters  a.  a.  0.  auszuschliessen, 
der  erlaubt,  jene  Vasen  mit  ümrisszeichnuno;  hätten  von  sf». 
zu  rfo;.  Technik  insofern  den  üebero-ano;  o;ebildet  als  sie  der 
erste  Versuch  waren,  mit  der  alten  sfg.  Technik  zu  brechen. 
Aus  dieser  [Imrisszeichnuna;  entwickelt  sich  der  Gebrauch 
die  durch  den  Contur  eingeschlossene  Fläche  mit  weiss  zu 
füllen  und  die  Innenzeichnung  mit  brauner  Farbe  darüber  zu 
legen;  derselbe  findet  sich  durchgehends  bei  den  späleren  ko- 
rinthischen Gefässen,  besonders  den  Krateren,  und  auf  der 
Francoisvase,  welche  auch  in  dieser  Beziehung  einzig  unter 
den  attischen  Vasen  dasteht. —  Inzwischen  beginnt  man  aber, 
auch  die  nackten  Theile  der  Frauen  und  somit  die  ganze  Dar- 
stellung gleichmässig  schwarz  anzulegen  und  erst  nachträg- 
lich ebenso,  wie  an  anderen  Stellen  rothbrau m,  weiss  darüber 
zu  malen  '.  Dies  s^eschieht  bei  allen  sfs;.  attischen  Vasen  ohne 


ist;  vgl.  aucli  846  (Jäger  mit^gelbein  Coiilur).  Vgl.  Winters  melufacli  er- 
wähnten Aufsalz,  in  weicliem  er  die  Vasen  mit  Unirisszeiclinung  zusam- 
mengestellt hat. 

'  Bei  ruthbraun  geschieht  es  regelmässig,  schon  bei  der  protukuiinlhi- 
schen  Lekylhos  336  in  Berlin  (vgl.  Furtwängler  Archäol.  Zeitung  1883  Sp. 
155);  aber  es  ist  auch  bei  weiss  auf  korinthischen  Vasen  fast  die  Regel,  wenn 
es  sich  um  Kleinigkeiten  handelt,  die  man  sich  bei  der  ersten  Conceplion 
des  Bildes  noch  nicht  überlegt,  die  man  vielmehr  erst  nachträglich  hinzu- 
fügt. Es  liegt  also  wenigstens  hier  Vereinfachung  des  Verfahrens  zu  Grunde; 
dieselbe  ist  dann  consequenl  in  der  chalkidischen  und  attischen  sfg.  Va- 
senmalerei durchgeführt,  so  dass  nun  mit  derselben  Ijeichligkeil  der  irgend- 
wie vorgezeichnete  Umriss  des  Bildes,  wie  später  in  der  rfg.  Technik  der 
Grund  ausserhalb  des  Umrisses  schwarz  ausgefüllt  werde;n  konnte; 
vgl.  auch  Flasch,  I^olychroraie  der  griechischen  Vasenbilder  S.  32.  Hierbei 
ist  es  sehr  häutig  geschehen,  dass  der  Maler  von  der  strengen  tjmrisslinie 
nach  innen  oder  aussen  abwich,  und  es  liegt  daher  die  Vermuthung  nahe, 
dass  zu  dieser  Arbeit  jüngere,  lernende  tvräfie  verwendet  wurden,  während 
eine  geübtere  Hand  den  Umriss  zog  und  zuletzt  Innenzeichung  und  feines 
Detail  hinzufügte  —  Die  Absicht  die  Arbeit  zu  erleichtern  scheint  mir  um  so 
wahrscheinlicher  flem  geschilderten  Gebrauch  zu  Grunde  zu  liegen,  als  der- 
m'Mh".  keineswegs  dazu  beiliug,  das  leicht  abspringende  Weiss  besser  am  Ge- 
fäss  haften  zu  lassen.  Es  hat  sich  meines  Wissens  auf  dem  Thon  besser  ge- 
halten, als  auf  dem  schwarzen  Firniss. —  Auf  den  Unterschied  im  Auftrag 


GIEHELHKLIEF   VON    DER    AKHOPOLIS  331 

Ausnahme,  selbst  denjenigen,  welche  direkte  NaclitiliinLing 
korinthischer  Waare  sind*,  und  zwar  im  Änschlnss  an  die 
chalkidische  Fabrikation,  welche  aucli  zum  ersten  Mal  den 
schwarzen  Firniss  an  Stelle  des  braunen  brnutzt  hat.  Ich  beo- 
bachlele  diese  Gewohnheit  auf  l'olgendcn  chaikidischen  Ge- 
fässen  :  auf  den  Fragmenten  in  Florenz  mit  Meiiiuons  und 
Achills  Zweikampf  (No  10  in  der  Aiii'ziihlung  bei  Klein  Va\- 
phronios  S.  31),  dem  Napf  mit  gleicher  Darstellung  und  dem 
Dreif'ussraub  in  Neapel,  bei  IJ(!jdemann  Sanlangelo  {'20;  auch 
auf  dem  grossen  Gefäss  Monumenti  ckW Insliluto  1  Taf.ol  muss 
bei  Athena,  da  sie  in  der  Publikation  schwarz  angegeben  ist, 
weiss  auf  schwarz  gesessen  haben.  Hierzu  kommt  die  von 
Furtwängler  chalkidisch  genannte  sfg.  Schale  1()72  in  Berlin. 
Bei  der  chaikidischen  Ampliora  IGTO  ebendaselbst  liegt  es  nur 
an  der  Nachlässigkeil  des  Malers,  wenn  iheilvveise  bei  den 
Pferdeschvvänzen  weiss  nicht  die  gewöhnliche  schwarze  LJn- 
terlage  hat. —  Die  Hydria  125  in  München  (i\o  9  bei  Klein, 
Gerhard  Auserlesene  Vasenbilder  III  Tal*.  237)  verfährt  nicht 
consequent  hierin.  Weiss  steht  auf  dem  Thongrund  auf  der 
Vorderseite  bei  Figur  1  (Chiton),  2  (Gesicht,  Hand,  Fijssej, 
7  und  9  (Chiton)  Dagegen  scheint  bei  Alalant«^  schwarz  un- 
tergelegt zu  sein,  obwohl  hier  die  Innenzeichnung  nicht  ein- 
geritzt, sondern  wie  beim  Aussencontur  mit  hellerem  Firniss 


der  weissen  Farbe   hat  zuerst  Furtwängler  aufnierl<^sani  gemacht ;   vgl    ki- 
chäol.  Zeitung  1882  Sp.  205  und  seinen  Berliner  Vasenkatalog. 

*  Lüschcke  Archäol.  Zeitung  1876  S  115  setzt  diese  Vasen  in  die  Mitte 
des  fünften  Jahrhunderts,  worin  ihm  Klein  Euphronios  S.3o,  2  widerspricht. 
Ich  kann  mir  für  diese  IniitaLion  fremder  Produkte  nur  die  Entstehung  den- 
ken, dass  irgend  ein  attischer  Fabrikant  die  Absicht  halte,  mil  seiner  mög- 
lichsl  getreu  kopirten  Waare  den  bisherigen  Absatz  korinthischer  Am- 
phoren in  Etrurien  zu  seinem. Vortheil  zu  ändern. Seine  Gefässe  sind  offenbar 
als  echt  korinthische  angepriesen  und  als  solche  auch  gekauft  worden  ; 
daraus  ergiebl  sich,  dass  sie  in  derselben  Zeil  angefertigt  wurden,  inwehdier 
der  Export  der  korinthischen  Gefässe  besonders  scdiwnn^liafl  betrieben 
wurde,  also  früher,  als  Ldschcke  annimmt.  Andrerseits  zwingt  der  (Imsland. 
dass  auf  allen  diesen  korinthisirenden  Vasen,  die  ich  gesehen  habe,  weiss 
auf  schwarz  aufgetragen  ist,  zu  der  Annahme,  dass  dies  Verfahren  sich  be- 
reits völlig  in  Anika  eingebürgert  halle,  als  jene  verfertigt  wurden, 


332  rrlEBELRELIEP   VON   DER    AKROPOLIS 

gezoo;en  ist,  was  auch  auf  diesem  Gefäss  die  Ree;el  ist,  wo  weiss 
keine  besondere  Unterlage  hat.  Unzweifelhaft  ist  weiss  auf 
schwarz  aufgetragen  beim  Chiton  des  Typhon.  Zugleich  be- 
merke ich,  dass  bei  einzelnen  Männern,  bei  Figur  1,  6,  7  am 
Halse,  bei  1  und  6  auch  im  Gesicht  rothbraun  verwendet  ist, 
was  auf  dem  schwarzen  Firniss  steht  (vgl.  oben  S.249);  der 
Bari  ist  jedesmal  schwarz  geblieben  ^ 

Da  ich  einmal  von  chalkidischen  Gefässen  spreche, möchte 
ich  auf  das  Fragment  einer  sfg.  Thonplalte  in  der  Sammlung 
der  archä'dogischen  Gesellschaft  zu  Athen  aufmerksam  ma- 
chen, welches  sicher  nicht  attisch,  vermuthlich  ebenfalls  chal- 
kidisch  ist.  Es  ist  nur  der  untere  Theil  mit  dem  Rand  erhal- 
ten und  auf  ihm  die  Beine  zweier  Figuren;  die  der  einen 
(links)  sind  nach  links,  die  der  anderen  nach  rechts  gewen- 
det; vielleicht  sind  Spuren  von  dem  Fuss  einer  dritten  Figur 
erhalten.  Die  Beine  sind  mit  braunrothen  Schienen  bedeckt. 
Dargestellt  war  der  Kampf  der  Götter  gegen  die  Giganten; 
zwischen  den  Beinen  des  ersten  Kriea;ers  steht  nämlich 
EJ0IAUTEC,  zwischen  denen  des  zweiten  AI^  E^ ;  zu- 
gleich befindet  sich  hier  eine  Palmetle.  Eingeritzte  Umrissli- 
nien sind  selbst  bei  den  meisten  Buchstaben  verwendet*.  Be- 
weisend für  die  Verwandtschaft  mit  chalkidischer  Vasenma- 
lerei ist  die  wellenförmioe  Form  des  Sigma,  die  mit  dem  vier- 

~  CD  ' 

strichigen  grössere  Aehnlichkeit  zeigt,  als  mit  dem  dreistri- 
chigen.  Diese  Form,  die  sich  auf  sfg.  attischen  Gefässen  nicht 
findet,  weisen  konstant  die  beiden  chalkidischen  Vasen  in 
München  125  und  1108  auf-,  denn  auch  110(S  ist  sicher  chal- 
kidisch,  schon  der  sofort  auffallenden,  stilistischen  Eigen- 
ihümlichkeiten  wegen,  welche  dasselbe  trotz  Brunns  Wider- 


*  Die  Publikation  bei  Geiiiard  ist  in  diesen  Dingen  völlig  unzuverlässig. 

*  [Die  Scherbe  ist  kürzlicti  von  Herrn  Philios  in  der  'E9.  ap/.18S5  Tf. IX 
Fig.  12  und  12»  zu  Sp.178  f.  herausgegeben  worden.  Sie  ist  auf  beiden  Sei- 
ten bemall;  gefunden  isl  sie  bei  den  Ausgrabungen  in  Eleusis.] 

-  Ivirchhoir  Griechisclies  Alphabet  S.  112  f.  giebt  die  Eigenthümlichkeil 
niclil  immer  so  genau  wieder,  als  die  Facsimiles  in  Jahns  Beschreibung  der 
jTiüncheaer  Vaseiisammlung. 


GIEHELHELIEF    VON    DER    AKROPOLIS  333 

sprucli  sclir  bestimmt  von  Produkten  attischer  Fabrication 
scheiden.  Weiss  ist  bei  diesem  Gef'ässe  und  dem  athenischen 
Pinaxfragment  niciit  zur  Verwendung  gekommen. 

Isolirt  steht  in  Bezug  auf  den  Auftrag  der  weissen  Farbe 
unter  korinthischen  Tlionwaaren  (hu-  Berlinc^r  Pina.v  i8()  da, 
wo  das  Gesicht  Amphiti'ites  jetzt  freilich  schwarz  ist,  einst 
aber  darüber,  was  niclit  nur  walirscheinlich,  sondern  sicher 
ist,  weisse  Deckfarbe  trug;  aber  auch  der  sorgfältige  viel  ent- 
wickeltere Stil  erinnert  stark  an  feine  attische  Zeichnuntr. 
Vielleicht  war  auch  auf  dem  Pina.v  764  Athena  ursprünglich 
weiss,  während  jetzt  nur  die  schwarze  Unterlage  erhalten  ist. 

Brau?isc/iweig . 

P.  J.  MEII^R. 


JNotes  and  Inscriptions  from  Asia  Minor. 

{Mittheihmgen  1883,  p.  71.) 

IV.  Milyasa  and  Cabalis. 


The  value  of  the  order  of  enumeralion  in  Hierocles's  lists 
as  an  aid  to  restore  the  ancient  topography  of  Anatolia  has 
been  oflen  insisted  on  ^  A  striking  proof  of  this  prineiple  is 
afforded  by  the  cities  in  the  soiithvvestern  district  of  Pisidia, 
or  according  to  Byzantine  arrangemenl  in  the  province  of 
Pamphylia  Secunda. 

Hierocles  begins  bis  lisL  of  the  Pamphylian  cities  witli  the 
western  part  of  Pamphylia  proper,  i.  e.  ihe  coast-Lind  south 
of  mount  Taurus.  He  then  passes  by  Termessus,  ^^hich  lies 
on  the  pass  over  Mount  Taurus,  to  the  highlands  of  Pisidia, 
and  enumerates  the  cities  of  the  Taurus  valley  as  follows: 

The  names  have  been  much  corriipted.  The  first  should  clear- 
ly  be  Syijxou  MevSsvscov.  The  word  S^ifj-ou  has  been  repeated 
incorrectly  before  the  following  name,  which  is  obviously  in- 
tended  for  the  city  Pogla.  SivSa  is  perhaps  correct,  bul  it  is 
much  more  probable  that  the  true  form  "I^ivSa  was  originally 


<  G.  Hirsclifeltl,  Geograph.  Jahrh.  X  p.  444, 


NOTES   AND   INSnniPTIONS   FROM    ASIA    MI'NOn  335 

written  here.  Bsp^T)  is  cornjct,  hui  ^vj^y.'r^y.  Iias  hcen  corrup- 
ted  so  niucli  tlial  no  one  lias  liillierto  recogniscd  in  il  llie  city 
Andeda,  vvell-known  to  numistnalisls :  it  appoars  more  cor- 
reclly  in  the  Notitiae  Episcopatuum  as  Sandidos  or  Sandida 
(i.  e.  [et]?  "AvS'oSa). 

Of  these  five  cities  llic  sile  ol'  l*ogla  alone  lias  yet  Ijüoii  do- 
termined  cerlainly.  Prof.  Kiepert  recognised  llial  ihe  Turkisli 
village  Fulla  relains  the  ancient  naine:  the  local  pronuncia- 
tion  appeared  to  me  to  he,  not  Fulla,  hut  Fughla,  vvhich  ap 
proaches  very  closely  to  the  usual  Byzantine  form  Oo'jy'Xa. 
Isinda  has  heen  conjecturally  identified  with  the  modern  Ista- 
noz,  but  the  identification  has  not  been  generally  accepted. 
No  Suggestion  has  ever  been  made  about  Berbe,  Andeda,  aud 
the  demos  of  the  Mendeneis. 

In  June  1884  Mr.  A.  H.  Smith  and  I  e.vplored  part  of  the 
Taurus  valley^Fugla  is  obviously  an  ancient  site:  \ve  copied  a 
number  of  inscriplions,  none  of  vvhich  give  any  evidence  as  to 
the  ancient  name,  but  ihere  can  be  no  reasonabie  doubt  that 
Kiepert  was  righl  in  identifying  Fughla  wilh  Pogla.The  foUo- 
wing  inscription,  on  a  iarge  basis  in  the  cemelery,  is  of  some 
interest. 

A  K  O  A  O  Y  0/^ 

M  A  Z   I   N       r 

AYPHAION/ 

A  I  A  I  T  P  I  A  N  O  N  A  P  Tf 

M  O  Y  A  P  X  I  A  I  P  E  n  Z  K  Af/ 

KTIZTOYANAPANEAN 

ANTTAIAEIAAIATTPE^AN 

TAAPzANTATHNETTQNY 

MONAPXHNKAIAHMI 


<  I  had  hoped  that  ttie  inscriplions  given  in  this  paper  would  have  been 
published  heforc  this  lime  by  Mr  Smith. 


336  NOTES   AND    INSCRtPTIONS   FROM   ASIA   MINOR 

OYPrHZANTATTOIH 
ZANTAKAITTPOOAO 
KAIAEITTNH2ANTATOY2 
TETTOAEITAZITANTAS: 
K   A    ITOYSEÜlAHMH^iA 
TAZzENOYZIEPAZ 
M  E  H  O  f!/  K  A  \  A  \  O  T  /:,  E  r  fl, 
TOY  KAITYXH2EBA2TQ 

0  M  O  I  m:  A  I  TT  NH  Z  A  N  T  A  T  o  Y  2 
TEÜOAEITAZKAIzENOYZ 
ETTITAISIEPQZYNAIZAON 

TnNAYTfiNKAIEIZKATA 
EKEYHNEPrnNxAyN 

1  P  H  N  A  P  X  H  Z  A  N  T  A  TT  A  P  A  TT  E  M  f 
TOAIEPANANN^NANTO  §Af 
ANAPIANTAANEZTH2E  f  Hf 
^  ^  "^  WlimiillM  T   E   M    E   I   Z 

(n  1.  2  r  is  probably  an  incomplete  PI*. 

'A)co'Xo'jO[oi?  ^|/7i^i(j][^-a(jiv  [Ilcoy'Xecov].  Aupr/T^iov  'A[pT£i[7.av]  ^iki- 
rpiavov,  'ApT[£i][AO'j  apj(_i(£)p£(o;  x.a[i]  xtictou,  av^pa  v£av[t]av  irai- 
Sfita  SiaTrp£i];avTa.,  ap^avTa  ttjv  £7üwvup-ov  apj^vjv.  zai,  Srjfxioupy/)- 
cavra,  TroivjCjavTa  x.at  7rpo6So[u(;]  ^  x,al  SfiTüv/icavTa  toO;  t£  TCo7;£iTa; 
TtavTa?  Y.y.1  tou;  £7i;tSYi[j.ri'7a[v]Ta(;  ^svo'j?,  i£pac)[oc][j-£vo[v]  /.y.i  Ato? 
[Ml£y[i<>]TO'j  Jtat  Tijy7)(c)  S£Ga.GTü)[v],  6t;-ot(o?  S(£)i7rv-/;(7avTa  tou?  t£ 
Tro'X£iTa;  xai  ^£vou?  £7ri  rat;  i£p(o«7uvai;,  Sövtcov  X'jtwv  x-y.t  £i;  xa- 
Ta(jK£U'yiv  i'pywv  (Svivapia)  ,«4'^',  [£]tp7)vapj(_Yi(javT(X,  xapa7C£[Jt.!}[avTa] 
TO  S'  Upäv  ä.vv(ovav   to[v]  ^[k]  avSpiivTa   äv£STV)'7£[v]  7)  [yuvy)]    aü- 

t[0Ö    Aup.     'Ap]T£[X£l?. 

The  phrase  TcapaTrsf^.'j/avTa  to  S'  Upkv  avvwvav  is  uniqiie  in  in- 

*  [Die  Ligaturen  des  Originales  sind  im  Druck  dadurch  angedeutet,  dass 
die  betreuenden  Zeichen  näher  aneinander  gerückt  sind. —  U.  K.J. 

^  öuch  is  the  certain  reading  on  the  stone:  it  probably  means  processions 
in  lioaour  ul'  Ihe  guds  uf  the  State,  TOjire«;. 


NOTES   AND    INSCRIPTIONS   FROM    ASIA   MINOR  337 

scriptions  of  this  kind ':  Dililrianos  had  four  times  been  prosecu- 
tor  a///JO/?ae. The  eirenarchia  and  tlie  prosecutio  annonae  are  enu- 
merated  among  tlie  munera  personalia,  in  the  Z)/^(?s/.50,4,18,3. 
About  three  miles  soulh  of  Fughla  is  a  village  Andia  or  An- 
diya.  There  can  be  no  doubt  that  it  is  an  ancient  site,  for  in- 
scriptions  abound  here  as  at  Fughla,  and  the  modern  name  is 
obviously  only  a  slight  alteration  of  the  ancient  Andeda;  but 
we  were  also  forlunale  in  finding  the  corroborative  evidence 
of  the  following  inscription,  which  is  engraved  on  a  small 
broken  pedeslal  in  the  cemetery. 

ANAHAEff^N 
:)^AHKAITtf5AHMff5 

fozEnArAOof 

%  I   A  2   E   K   O  ¥  i 

5  :)  ¥  A   \   A  -E.   ^  i  § 

§  T  p  A  n  E  i/fim'/, 

11,  \  T  P  O  Z  A  ^   'Hill 

\  r  A  A   M  /    Uli 

3  A  z  E  r   i' 

10  ^  ^  Z  A  N  WÄWM 

\  I    K    I  N   N  I  A  lllllllfim 

Z  <   K  A  I  I  E  P  O  M  f f 

i  O  Y  A  I  O  Y  .  P  O  f  1  2 

'AvStiSewv 

'loo'Xijo;   'E7iry.Ya9o[?  xal 
'louXjia  S£/,oo[vSa  xjt:- 

71 ;  Eu?]Tpa7r£['Xou  tti^ 


^  Prof.  Mommsen  k.iüdly  replied  to  my  enquiry  on  this  point.  See  Cod. 
Theodos.,  13.  9,  4,  on  the  prosecutio  annonae. 

-  In  line  12  it  is  douhtful  whether  the  lelter  after  A  is  N  or  M  or  1 1  or  TT. 
The  third  letter  from  Ihe  end  of  line  13  is  perhaps  FI  or  r.  Line  2  is  com- 
plele  on  Ihe  right.  Line  1  is  complete, 

MITTH,  D.  ABOH.  INST.  X.  22 


338  NOTES   AND   INSCRIPTIONS  FROM   ASIA  MINOR 

.  .  .  (x]Ya>.(/,[a  )tat?  . 
.  .  .  .]€a?  £7r[oiYi(7av  /.at? 
10  y.aöiejpcocav  [i-jzi  apj^- 

ovTO??]  Ar/Civvia[voi)  FXu- 

JtWVO?]?  Xai   l£pO[J!.[v7)|/.0- 

vo?  'IJouXiou  [n]p6[xXo'j. 
The  restoration  of  lines  8-9  is  very  doubtful.  Julius  Epa- 
gathus  dedicated  to  the  Senate  and  People  some  objects  of  art, 
(xyaXfxa  or  äyäT^fxaTa.  The  gap  at  the  end  of  7  and  beginning  of 
8  perhaps  contained  the  name  ot  the  deity  whose  image  was 
dedicated  :  an  example  of  this  custom  occurs  C.  L  G.  3946, 
TOu;  7ir£VT£  "Epcoxa?  t'^  yliDcuTXT'i;!  TjaxpiSt  (äv£9Yi/t£v).  An  Other 
part  of  the  dedicatory  offering  seems  to  be  described  in  the 
beginning  of  9  ^  The  inscription  probably  belongs  to  the  first 
Century  after  Christ. 

A  few  rare  coins  bear  the  legend  OYePBIANÜN.  The 
ethnic  was  otherwise  unknown,  and  we  were  therefore  mueh 
pleased  to  discover  the  foUowing  inscription  in  the  cemetery 
of  Andia. 

H  B  O  Y  A  H 
KAIOAHMOC 
MAPKONÜAAN 
KIONKOPNHAI 
5     ANONPAIONARXI 

E^ACAMENONTUUNCEBAC 
TUUN<t)IAOnATPIN(j)IAO 
TEIMONKTICTHyfy-ENoYC 
TOYnP^TEYONTOCÜA 
10     PHMEINAPXIEPAEAMENON 
AEKAIENTHOYEPBIA 
NUUNITOAEIEYNOIAE 
ENEKENTHCEICTHN 
n   A    T    P    I    A    A 


*  Unless  B  was  written  for  Y,  Ihe  reading  may  have  been  [Atovuaou  ä'JyaX- 
{j.[a  xal  T«j  xEAejöas. 


NOTES   AND    INSCRIPTIONS   FROM   ASIA   MINOR  339 

'H  ßo'jV/1  y.ai  6  ^'ny-oc,  Map^ov  nXotvx.iov  Kopvvi"Xtav6v  Fätov,  ap- 

"/_i£[p]acä[y.£vov  Twv  iSe^aGTcöv,  «piloTCaxpiv,  «ptTvOTeiw-ov,  x.Ti(JT7i[v  y]e- 
vou?  TOu  xpoTeuovTo;  7:ap '  f/jjtetv,  äpj^tepacap.evov  Se  x.ai  ev  t*^  Ou- 
epoiavüiv  TCo'Xei,  euvota;  ä'vexev  Tvi;  ei;  TrjV  uaTpiSa. 

It  is  to  be  inferred  from  this  inscription  that  -h  OuepSiavöv 
Tzolii;  was  not  far  distant  from  Andia,  since  a  Citizen  of  the 
one  tovvn  could  hold  a  priesthood  in  the  other.  This  is  con- 
firmed  by  the  order  in  Hierocles,  BepSvi,  i^ivSotuvSa.  The  No- 
titiae  Episcopatuum  also  always  mention  together  Andeda  and 
Berbe  or  Barbe. 

Berbe  must  therefore  have  been  situated  near  Andeda  in  the 
Valley  of  the  Taiirus.  There  was  probably  an  other  town  in  the 
Valley  of  the  same  tribiitary  where  Andeda  is  situated,  near 
the  village  of  Zivint.  This  town  and  Andeda  are  grouped  by 
natiire  as  a  pair,  and  hence  ihey  are  always  mentioned  toge- 
ther in  the  Byzantine  writers.  The  inscriptions  found  at  Zi- 
vint present  the  elosest  possible  analogy  to  those  of  Andia, 
biit  they  are  not  of  sullicieiit  interest  to  be  published  here. 

The  spelling  BspSn  in  later  documents  corresponds  to  Oü- 
sp^T)  in  coins  and  inscriptions:  so  e.  q.  Ba€a.;  and  Oüaoua?. 
Andeda  has  been  corrupted  in  the  text  of  Hierocles  to  Sin- 
daunda,  where  the  first  syllable  has  been  imported  from  the 
precediiig  name  HivSa.  These  names  have  been  the  cause  of 
much  dilliculty  and  of  some  errors  among  modern  vvriters,  and 
M.  VVaddington  in  bis  Voyage  Numismatique  (s.  v.  Isinda), 
identifies  Hierocles'  Sindaunda  and  the  Sandida  of  the  Noti- 
tiae  with  the  Sinda  of  Livy  (XXXVIII.  15).  The  facts  are  as 
foUows.  (1)  Besides  the  city  Andeda,  there  was  a  city  Isinda, 
about  twelve  miles  to  the  south,  near  the  modern  Istanoz,  al 
the  western  end  of  the  pass  leading  from  Pamphylia  across 
Mount  Taurus  by  Termessus  in  to  Pisidia  (töv  xaTo.  Tepanc- 
aöv  GTEvcÜv  /cai  TTj?  ei;  to  evxo;  tou  Taupou  ÖTüepOefjeoo;  Si '  aÜTÜv 
irzi  "laivSa  Strab.  p.  G31).  The  road  which  crosses  this  pass, 
and  which  must  of  necessity  go  through  Istanoz,  is  of  ex- 
treme imporlance.  All  intercourse  between  Pamphylia  on  the 


34Ö  NOTES   AND   INSCRIPTIONS  FROiM   ASIA   MINOR 

south,  and  Carla,  lonia,  and  the  Lycus  valley,  on  the  north, 
must  take  ihis  route.  Isinda  therefore  \Yas  an  importanl  point, 
commanding  a  narrow  gateway  in  the  hüls  on  the  north  side 
of  the  Istanoz  valley.  Its  coinage  is  conslderable,  and  very  si- 
milar  In  character  to  that  of  Termessos.  It  is  mentloned  by 
Livy  as  isionda,  and  the  war  between  it  and  Termessos  Is  na- 
tural between  two  powerful  eitles,  whose  territorles  were  con- 
termlnous.  (2)  A  town  Isinda  of  Lycia  Is  mentloned  only  once, 
In  an  Inscrlption  publlshed  by  M.  Waddington  (Le  Bas,  129Ü), 
A\ho  at  ürst  identitied  this  city  with  the  precedmg  one,  but 
afterwards  dlsllnguished  them.  The  second  opinlon  Is  more 
probable.  (3)  A  small  town  Sinda  in  Cabalis  (Isinda  Is  in  Mi- 
lyas  or  Milya)  is  mentloned  by  Livy  (XXXVill.  15)  and  by 
Strabo  (p.  570,  630).  The  passage  of  Livy  shows  that  it  was 
sltuated  either  on  the  rulns  close  to  Aghlan  Keui  \  about 
twelve  mlles  north  east  of  Cibyra,  or  possibly  a  Utile  further 
on  the  march  of  Manllus  In  the  valley  of  Göl  Hissar.  This  Si- 
tuation agrees  admirably  with  the  words  of  Strabo. 

Isinda  of  Plsidia  then  was  situated  near  Istanoz,  the  which 
shows  by  numerous  large  sculptured  stones  the  proxlmlty  of 
an  anclent  city.  The  inscrlptions  which  we  copled  are  Insl- 
gnificant,  but  an  Inscrlption  found  in  an  other  part  of  the  Val- 
ley mentions  a  Citizen  of  Isinda  as  worshipper  of  the  god  of  a 
nelghbouring  people.  The  inscription  is  engraved  on  the  side 
of  the  rock  sanctuary  descrlbed  in  the  foUowlng  paragraph. 
It  is  as  foUows : 

MAPKOC     TIBe 
PI  OC     A  N  T  UU 
N  IOC     I  Cl  N  AS 
Y  C    e  Y  X   H   N 

The  inscription  does  not  prove  anything  as  to  the  Situation  of 
Isinda,  but  when   on  other   grounds  Isinda  is   placed  in   the 


There  are  hvo  villages  Beuyeuk  Aghlan  Keui  and  CutchukAghlaii  Keui- 


NOTES   AND    INSCRIPTIONS    FROM    ASIA    MINOR  344 

same  Valley,  it  is  natural  to  find  a  native  of  Isinda  inscribing 
bis  name  on  tlie  rock. 

One  otber  name  remains  in  tbe,  passage  of  Hierocles,  f^7ip,o'j 
MevSevewKv).  Two  inscriplions  found  by  Mr  A.  H.  Smith  and 
me  give  tbe  trne  form  of  tbe  name, and  sbow  tbat  a  syllable  bas 
been  lost  in  tbe  text  of  Hierocles.  Tbe  people  were  named 
Perminodeis,  and  tbey  inbabilcd  tbe  lower  valley,  between 
Istanoz  and  tbe  lake  of  Kestel.A  little  sontb  of  tbe  point  wbere 
tbe  river  of  Istanoz  flows  into  tbe  lake,  tbe  village  of  Kizilja 
Ägatcb  lies  about  a  mile  from  the  west  bank  of  tbe  river, 
among  tbe  bills.  Near  tbe  villaiie  tbere  is  a  little  rock  sanc- 
tuary,  wbere  it  is  evident  tbat  cutting  of  tbe  rocks  was  com- 
bined  witb  a  certain  amonnt  of  building  to  produce  a  small 
temple.  Tbe  place  is  now  entirely  dismantled,  but  a  number 
of  inscriptions  on  tbe  rock,  of  wbicb  Mr  A.  H.  Smitb  and  I 
decipbered  seven  witb  great  difficulty,  reveal  tbe  original 
sanctity  of  tbe  sbrine,  tbe  deity  to  wbom  it  was  dedicated, 
and  tbe  name  of  tbe  district.  One  of  tbe  inscriptions  was  well- 
cut  in  laro;e  bold  letters.  It  is  as  foUows : 

TIKAPOYZQNAnOAAffSNITTEPMINO 
AEc^NEYXHN 

Tbe  name  riepfxivoSecov  occurs  in  a  second  inscription,  and  is 
tberefore  perfectly  certain. 

Of  these  five  places  wbicb  Hierocles  enumerates  in  succes- 
sion,  Isinda  and  tbe  people  Perminodeis  lie  on  the  Istanoz  Tcbai, 
wbile  tbe  otber  three  are  in  tbe  valley  of  a  Iribiitary  stream. 
Wbile  tbey  form  a  group^and  are  tberefore  properly  enumerated 
side  by  side,  it  is  clear  tbat  tbe  order  in  wbich  Hierocles  men- 
tions  tbem  is  ratber  baphazard :  but  if  we  transpose  bis  SivSa 
and  bis  StvSauvSa,  tbe  order  is  true.  On  tbis  bypotbesis  tbe 
original  text  was  Srifxoo    OepaivoSswv,   Ilwyla,   "Av^r;Sa.,  Bsp^T), 


342  NOTES   AND   INSCRIPTIONS   FROM   ASIA    MINOR 

It  is  important  for  the  proper  estimate  of  Ptolemy's  map  lo 
compare  these  results  with  his  evidence.  His  list  of  the  dis- 
trict  Cabalia  mentions  together  the  foHowing  four  towns  — 
Pogla,  Menedemion,  Ouranopolis,  Pisinda.  It  is  eertainly 
tempting  to  Substitute  for  the  improbable  Ouranopolis  the 
form  Ouerbianopolis  and  for  Menedemion  üep^aivoSewv  S9i[7.o;, 
and  we  should  then  have  four  of  the  five  cities  side  by  side, 
but  the  change  is  violent. 

Ptolemy  utterly  misrepresents  the  Situation  of  these  two 
districts,  if  we  accept  the  far  better  authority  of  Strabo.  Ac- 
cording  to  the  latter  Milya  or  Milyas  extends  from  Termessos 
and  Isinda  to  Sagalassos,  and  the  cities  which  must  then  be 
included  in  it  are  Pogla,  Andeda,  Ouerbe,  the  Perminodeis, 
Comana  Coionia,  the  town  overhanging  the  Kestel  lake  on  the 
north,  and  Cretopolis.  Ptolemy  however  places  most  of  these 
towns  in  Cabalia.  He  places  the  district  Milyas  in  the  heart  of 
Lycia,  and  assigns  the  Pisidian  town  Milyas  to  Cabalia.  Ac- 
cording  to  Strabo  Cabalis  or  Cabalia  extends  from  Cibyra  east- 
wards,  and  the  whole  valley  of  the  Gebren  Su,  together  with 
the  highlying  district  of  Ali  Fachreddin  Yaila  and  the  lake  of 
Sugut  must  be  included  in  it.  Of  the  nine  towns  which  Pto- 
lemy enumerates  in  Cabalia  only  Ariassos  (perhaps  Hassan 
Pasha)  and  Corbasa  (northeast  from  Kemer)  belong  to  it.There 
can  be  little  doubt  that  Strabo  is  correct,  and  Ptolemy  utterly 
wrong.  Ptolemy  places  Corbasa  in  Cabalis  and  Cormasa  in 
Phrygian  Pisidia.  These  are  two  names  of  the  same  place, 
which  is  called  Colbasa  by  Hierocles,  and  which  strikes  coins 
with  the  legend  KOABACCeaN,  implying  also  a  form 
Colbassos.  The  name  has  been  corrupted  in  Strab.,  p.  570,  to 
TapSaGGÖ;,  unless  we  accept  this  as  one  more  variety  of  the 
Greek  attempts  to  render  a  Pisidian  name^ 


'  So  Olba  of  Cilicia  Tracheia  is  given  twice,  in  Cilicia  and  in  Cappado- 
cia,  as  M.  Waddington  has  shown. 


NOTES  AND  INSCRIPTIONS  FROM  ASIA   MINOR  343 


V.  TREBENNA  of  Pamphylia. 

Trebenna  Struck  some  very  rare  coins.  The  British  Museum 
possesses  two,  the  first  of  which  was  piiblished  by  Borrell 
{Num.Chron.lHiß),  the  second  by  Waddinfjton  {Rev.  Numis7n. 
1853.  p.  97).  The  latter  remarks  that  the  sole  reference  to  the 
city  is  in  Ptolemy,  vvho  places  Trebendai  among  the  Lycian 
cities  about  Mount  Massicytos.  He  therefore  concludes  that 
Trebenna  is  a  Lycian  town.  But  Ptolemy  includes  the  Pisi- 
dian  Sagalassos  in  the  same  group.  It  has  not  been  observed 
that  all  the  Byzantine  lists  mention  Trebenna  as  a  city  of  Pam- 
phylia  Secunda.Hierocles  hasitin  the  form  Tresena, which  may 
be  unhesitatinglv  corrected  to  Trebena.  The  Notitiae  have  the 
forms  Perbaina  and  Perbena.  The  Epistle  of  the  Bishops  of 
Pamphylia  Secunda  to  the  emperor  Leo  (A.  D.  458)  is  signed 
by  Polemon  of  Trebenna.  These  authorities  far  outweigh 
Ptolemy. 

The  boundary  between  Lycia  and  Pamphylia  is  not  uncertain: 
itlies  in  the  mountainoiis  and  almost  trackless  region  between 
Elmali  and  Termessus.  Trebenna  then  is  in  Pamphylia,  east 
of  the  mountains.  Now  any  one  who  reads  the  description  gi- 
ven  by  Spratt  and  Forbes '  of  the  ruins  at  Evde  Khan,  in  the 
Pamphylian  piain  close  to  the  entrance  of  the  pass  to  Termes- 
sos,  will  certainly  conclude  that  a  city  existed  there,  and  the 
Order  of  Hierocles  assigns  to  that  city  the  name  Trebenna. Hie- 
rocles  gives  the  cities  of  the  Pamphylian  piain  as  follows: 
Perga,  Syllaion,  Magydos,  Attalia,  Demou  Olbianou  ^,  Tre- 
benna, Diki  Tanavra:  these  are  enumerated  in  proper  order 
around  the  piain,  if  we  assume  that  Olbia  has  been  correctly 
placed  by  Spratt  and  Forbes  (which  seems  cerlain),  and  that 


*  Confirmed  by  Hirschfeld,  Berlin.  Monatsber.  1874,  p.  718,  who  rightly 
rejects  Ihe  ancicnl  namc  suggested  by  Spratt  and  Forbes,  but  proposes  no 
other. 

2  Hierocles  has  the  corrupt  form  Demou  Ouliambos. 


344  NOTES   AND   INSGRIPTIONS  FROM  ASIA   MINOR 

the  ruins  near  Kirk  Göz  at  the  foot  of  the  pass  to  Padem 
Agatch  belong  to  the  small  town  Diki  Tanavra.  The  exacl 
form  of  the  latter  name  is  quite  uncertain :  it  occurs  as  Dikio- 
tanabra,  Adiketanaiira,  Diketanauros,  Dikitanabra,  Kitan- 
naura, Ädeia  Tanaura^  and  in  Hierocles  as  Demou  Kanaura. 
Having  exhausted  the  Pamphylian  piain,  Hierocles  crosses  the 
pass  of  Termessus,  in  which  lay  the  three  tovvns  lobia,  Ter- 
messus,  and  Eudokias  generally  united  under  one  bishop. 

The  Variation  in  the  initial  letter  in  Trebena  or  Trebenna 
and  Perbena  is  apparently  due  to  a  peculiar  sound  in  Pamphy- 
lian. The  same  Variation  occiirs  in  Aspendos,  on  whose  an- 
cient  coins  the  legend  E2TFEAIIY2  occurs,  where  TF 
represent  the  same  sound  which  was  afterwards  indicated  by 
the  Greek  symbol  TT. 


VI.  The  Province  Pamphylia. 


The  Roman  Colony  Julia  Augusta  Fida  Comana,  about  six 
miles  southeast  of  the  lake  of  Kestel,  was  founded  B.  C.  6. 
It  was  in  the  province  of  Galatia,  as  is  proved  by  the  men- 
tion  of  the  legatus  Augusti,  Cornelius  Aquila,  on  the  miles- 
tone^,  which  was  erected  there  when  the  colony  was  founded 
and  the  syslem  of  roads  connecting  it  with  the  military  cen- 
tre,  Antioch  of  Pisidia,  was  completed.  The  road  from  An- 
tioch  to  Comana  must  certainly  have  passed  through  Cremna 
Colonia  and  then  along  the  northern  shore  of  the  Kestel  Lake, 
but  the  rest  of  its  course  is  quite  uncertain.The  total  distance 
from  Antiochia  to  Comana  is  given  as  CXXIl  Roman  miles  "2. 

On  another  inscription  of  Comana^,  dated  under  Antoni- 
nus  Pius,  Q.  Voconius  Saxa,  legatus  Augusti,  is  mentioned, 
and  M.  VVaddino-ton  informs  me  that  he  was  governor  of  the 


'D 


go^ 


^  Ephemeris  Epigraphica  V.  p.  584. 

2  It  is  hypothetical  that  the  distance  is  measured  from  Aiitiocheia. 

3  Ephemeris  Epigraphica,  V.  p.  582. 


NOTES   AND   INSCRIPTIONS   FROM    ASIA    MINOR  345 

Province  Lycia- Pamphylia  149  A.  D.  Between  6  B.  C.  and 
149  A.  D.,  therefore,  Comana  and  the  country  round  had  been 
transferred  from  the  province  of'Galutia  to  tliat  of  Lycia-Pam- 
phylia-  This  is  conlirmed  by  the  aulhority  oC  Ptolemy,  who 
assigns  the  whole  of  central  and  southern  Pisidia  to  the  Ro- 
man Pamphylia,  and  gives  only  the  northern  districts  of  Pi- 
sidia (Apollonia,  Antiocli,  Amblada,  Neapolis,  Pappa  and  Mis- 
thion)  to  ihe  Roman  Galatia.  The  enlire  Valleys  of  the  Gebren 
Tchai,  of  Isbarta,  and  of  the  rivers  Eurymedon,  Melas,  and 
Cestrus,  were  during  the  second  Century  governed  by  the  le- 
gale of  Lycia-  Pamphylia,  and  Aufidius  Coresinus,  whom  M. 
Perrot  ^  makes  governor  of  Galatia,  must  certainly  be  assi- 
gned  to  Lycia  -  Pamphylia. 

This  reorganisation  doubtless  took  place  when  the  province 
of  Lycia- Pamphylia  was  constituted  by  Vespasian,  and  pla- 
ced  under  a  legatus  Augusti. 

When  the  provinces  were  reorganised  by  Diocletian,  the 
boundaries  of  Pamphylia  on  the  north  were  altered.  The  Val- 
ley of  the  Gebren  Su  remained  attached  to  Pamphylia,  also 
the  middle  and  lower  Valleys  of  the  Cestrns  and  Eurymedon, 
and  probably  the  whole  valley  of  the  Melas,  but  the  country 
along  the  Buldur  lake,  the  valley  of  Isbarta,  Sagalassos,  and 
the  flan  Ova  at  the  head  of  the  Eurymedon  ~  were  made  part 
of  the  new  province  of  Pisidia.  The  Byzantine  lists  imply  a 
further  division  into  Prima,  and  Secunda  Pamphylia.  M. 
Waddington  {Rev.  Numisiyi.  1883,  p.  29)  remarks  ihat  the 
subdivision  of  Pamphylia  is  posterior  to  the  list  of  Hierocles. 
This  is  not  correct,  (1)  The  Epistle  of  the  Bishops  of  the  Region 
of  Pamphylia  to  the  Emperor  Leo  is  signed  by  fifteen  bishops 
of  Pamphylia  Secunda,  but  not  by  any  bishop  of  Pamphylia 
Prima ^.  It  is  therefore  clear  that  in  A.  D.  458  the  bishopries 
of  Pamphylia  were  divided    between  the    metropolis  of  Side 

*  De  Galatia  Provincia  Romana,  p.  122. 

2  Timbrias  was  on  the  Eurymedon,  wtiose  name  appears  on  an  unpu- 
blished  coin:  it  must  therefore  have  lieen  situated  in  the  Ilan  Uva. 

3  Ada  Concil.,  ed.  Mansi,  VII.  p.  57G. 


346  NOTES  AND   INSCRIPTIONS   FROM   ASIA  MINOR 

(Prima)  and  the  metropolis  of  Perga  (Secunda).  (2)  Hierocles 
enumerates  first  all  the  towns  of  Secunda  Pamphylia,  and  then 
those  of  Prima,  ünless  llie  division  existed  in  bis  time,  it  is 
hardly  possible  that  he  should  have  so  accurately  followed 
the  partition  between  the  two  districls.Probably  tbe  bishopnes 
were  appoptioned  between  the  two  metropoleis,  but  no  civil 
division  had  been  made.  Hierocles  follows  the  ecclesiastical 
Classification^,  as  6  Tupt,SpiaS£(i)v  (e-iTx.o-o?),  and  he  always 
puts  ^■riy.o'j  in  the  genitive,  implying  £-{ax.o7ro; :  he  therefore 
placed  first  all  the  towns  under  the  metropolis  Perga.  On  the 
other  band  bis  Order  of  enumerating  the  cities  of  Phrygia  Pa- 
catiana  disregards  the  division  of  that  province  between  the 
two  metropoleis  of  Laodiceia  and  Hierapolis,  and  proves  that 
the  division  was  unknown    to  bim. 


Vli.   Corrections. 


I  may  take  this  opportunity  of  correcting  some  topographi- 
cal  mistakes  into  which  1  have  fallen- 

(1)  Colonia  Pariais.  in  the  Bulletin  de  Correspondance  Helle- 
nique,  1883,  p.  318  I  have  proved  that  a  Roman  Colony  exis- 
ted at  Khatyn  Serai,  south  of  Iconium.  As  only  one  Roman 
colony  in  Lycaonia  remained  to  be  placed  on  the  map,  Par- 
iais, I  drevv  the  conclusion  that  it  was  situated  at  Khatyn  Se- 
rai. Since  that  time  M.  Waddington  {Hev.  Numism.  1883,  p. 
57),  followed  by  M.  Imhoof-Blumer  [Monnaies  grecques,  p. 
347),  have  publisbed  coins  which  prove  that  Lystra  also  was 
a  colony.  My  argument  therefore  ceases  to  have  any  validity; 
but  the  choice  of  names  is  restricted  to  the  two,  Colonia  Par- 
lais  and  Colonia  Lystra.  We  must  look  to  the  results  of  Mr 
Sterrett's  exploration  of  northern  Isauria  to  decide  the  doubt. 

(2)  Hadrianopolis  of  Phrygia.  In   the   MiUheilwigen,  1883, 


'  See  Journal  of  Hellenic  Sludies,  1883,  p.  373,  416. 


NOTES   AND   INSGRIPTIONS   FROM   ASIA   MINOR  347 

p.  76,  I  have  stated  the  opinion  that  Hadrianopolis  was  si- 
tuated  at  Isakli.  This  is  absolutely  vvrong  A  passage  in  Cin- 
namus  makes  it  perfeclly  piain  tlial  Hadrianopolis  was  si- 
tuated  on  the  direcl  road  from  Philoinelium  to  Iconiiini,  south 
of  a  village  Gaita,  whicli  retains  its  name  to  the  present  day 
as  Agait.  This  road  has  been  traversed  by  my  late  friend  Co- 
lonel  J.  D.  H.  Stewart  (who  was  afterwards  with  Gordon  in 
Khartum).  His  estimates  ofdistance  are  from  Äk  Sheher  (Phi- 
lomelium)  Agayit  7,  Doghan  Hissar  17,  Tchir  29,  Kavakli  48, 
Konia  64  English  miles,  The  site  of  Hadrianopolis  was  near 
Doghan  Hissar.  Mr  J.  II.  S.  Sterrett  has  correctly  placed  Ha- 
drianopolis here  ^  though  the  inscription  which  he  gives  as 
evidence  does  not  really  afford  any  proof,  as  it  merely  states 
that  a  native  of  Hadrianopolis  was  buried  here.  This  city  was 
included  in  the  Byzantine  Pisidia. 

(3)  Prymnessos  and  Metropolis.  In  Mittheilungen  1882  I  at- 
tempted  to  solve  a  problem  which  I  have  found  one  of  the 
most  difficult  in  Phrygian  topography.  The  Peutinger  Table 
seems  to  give  a  road  which  runs  nearly  due  south  from  Do- 
rylaion  by  Docimion  to  Synnada;  I  attempted  to  trace  the 
course  of  this  road  and  the  stations  on  it^.  In  regard  to  Augus- 
topolis  and  the  Byzantine  fortresses  Acroinos  and  Cedrea,  I  be- 
lieve  1  was  right  in  placing  them  at  Siirmene,  Afiom  Kara 
Hissar  and  Bayat.  But  there  was  no  such  Roman  road  as  I, 
like  all  previous  writers,  had  inferred  from  the  Peutinger  Ta- 
ble :  the  Table  really  gives  a  bad  representation  of  two  roads, 
one  from  Dorylaion  to  Amorion,  and  the  other  from  Synnada 
by  Prymnessos  and  Docimion  to  Amorion.  It  may  be  useful 
to  State  here  briefly  the  topography  of  the  district,  as  far  as  l 
believe   myself  to  have  succeeded  in  fixing  it.   Conni  was  at 


<  See  his  Preliminary  Report,  Boston,  1885,  p.  10.  The  exact  site  is  said 
by  him  to  be  at  Kotcbash,  one  and  a  half  hours  N.  E.  of  Doghan  Hissar. 
ICotchash  isclearly  false:  it  conlains  the  word  agatch,tree  (pronounced  ätch). 

2  I  wrongly  followed  Kiepert  in  placing  Lysias  at  Khosrev  Pasha  Khan, 
and  Hirschfeld  in  placing  Metropolis  (the  southern)  in  the  plaiu  of  Olu 
Borlu. 


348  NOTES  AND   INSCRIPTIONS  FROM  ASIA   MINOR 

Beuyeuk  Tchorgia,  seven  miles  north  of  Äfiom  Kara  Hissar; 
Ämbasos  er  Metropolis  (cp.  Steph.  Byz.,  s.  v.  "AjaSkto?)  at 
Ambanaz,  which  is  also  probably  the  "AaTrouv  of  Anna  Com- 
nena,  11,  p.  336;  Acroenos  at  Afiom  Kara  Hissar;  Prymnes- 
sos  at  Seiilun;  Anaboura,  afterwards  Augustopolis  (perhaps 
an  imperial  eslate  gave  rise  to  the  name)  at  Surmene;  Doc- 
imion  at  Istya  Kara  Hissar;  Cedrea,  at  Assar  Kaie  tvvo  miles 
west  of  ßayat;  Petsia  or  Pissia  at  Bayat;  Caccabokome  at 
Khosrev  Pasha  Khan,  and  Lysias  at  Bazar  Agatch  on  the  bor- 
ders of  Phrygia  Paroreios^  There  are  no  coins  Struck  by  the 
northern  Metropolis  of  Phrygia;  all  those  coins  which  bear 
the  legend  MHTPOTTOAeiTQN  and  have  been  altrib- 
uted  to  Phrygia,  must  be  given  to  the  loniaii  Metropolis.  The 
northern  Metropolis  of  Phrygia  was  a  small  place,  which  was 
linder  the  authority  of  Prymnessos  and  did  not  receive  the 
rank  of  a  city  tili  affer  the  Eastern  Empire  began.  The  sou- 
thern  Metropolis  of  Phrygia,  siluated  near  Tatarli  in  the  Tchul 
Ova, Struck  coins  with  the  legend  M  HTPOTTOAeiT^N^PY. 
Melissa,  where  Alcibiades  died,v\as  on  the  road  between  Syn- 
nada  and  the  southern  Prymnessos. 

(4)  Carallia,  Misthia,  Amblada,  Pappa,  and  Vasada.  In 
Mittheilungeri  1883,  p.  77,  I  adopted  the  old  belief  that  Ke- 
reli  on  the  lake  of  Beisheher  retains  the  name  of  the  ancient 
Carallia.  The  actual  pronunciation  of  the  name  is  rather  Kirli, 
which  is  a  common  Turkish  name  for  villages:  the  spelling 
Kereli  is  due  to  the  fixed  idea  that  the  name  is  ancient.  I 
found  it  difficult  to  explain  how  the  Byzantine  province  of 
Pamphylia  could  extend  so  far  north  as  to  include  Kereli  or 
Kirli,  and  my  attempted  explanation  was  quite  insufficient. 
Moreover,  as  Amblada  belonged  to  Lycaonia,  and  as  I  had 
formerly  schown  that  Amblada  probably  lies  somewhere  in 
the  country  west  of  Egerdir  Göl  and  north  of  Beisheher  Göl, 
the  extension  of  Pamphylia  to  include  Kirli  cuts  off  one  part 


'  I  have  only  unsatisfactory  evidence  aboul  Pissia,  and  only  inference 
about  Lysias.  Ttie  resl  are  nearly  cerlain. 


NOTES   AND    INSCRIl'TIONS   FROM    ASIA    MINOR  349 

of  I^ycaonia  from  the  rest.  Many  difTiculties  disappear  if  we 
treat  Kirli  as  a  piirely  Turkish  name.  The  town  near  Kirli 
was  a  Station  on  the  lloman  road  from  Iconiiim  lo  Antioch. 
Misthia,  as  the  Anonymus  Ravenncmis  proves,  was  a  Station 
on  a  road  in  this  district:  it  was  also  one  of  tlie  two  cities  of 
the  Orondeis.  l'appa  also  was  a  city  of  the  Orondeis,  and  was 
afterwards  included  in  the  Byzantine  Pisidia,  while  Misthia 
was  in  Lycaonia.  Novv  the  order  in  Hierocles  favours  the  pla- 
cing  of  Pappa  southwest  of  Antiocheia,  on  the  road  thence  by 
Hadrianopolis  to  Tyriaion  (we  know  also  from  the  Auon.Rav. 
that  it  was  a  Station  on  a  roadj.  As  to  Misthia,  Hierocles  pla- 
ces  it  next  to  Amblada:  Hence  there  can  be  little  doubt  that 
it  is  somewhere  towards  the  northeast  of  ßeisheher  Göl,  and 
in  all  probability  at  the  site  near  Kirli.  In  regard  to  Amblada, 
the  ditlicuity  is  to  lind  a  site  which  can  reasonably  be  inclu- 
ded in  Lycaonia,  and  yet  be  in  the  counlry  towards  Egerdir 
GöP.  A  site  at  the  extreme  northwestern  end  of  the  lake  of 
Beisheher  would  satisfy  these,  and  Hirschfeld  mentions  that 
remains  exist  at  ßeldjeis.  As  to  Carallia,  there  is  everv  rea- 
son  to  connect  it  with  the  lake  Caralis:  the  Byzantine  lists 
sometimes  have  the  form  Coralia,  and  the  lake  is  called  Co- 
ralis  in  Strabo.  An  ancient  site  existed  somewhere  at  the  son- 
thern  end  of  the  lake,  as  Sir  C.  Wilson  copied  inscriptions  at 
Beisheher;  and  to  this  site  we  may  assign  the  name  Carallia 2. 
M.  VVaddington  {Rev.  Numism.  1883,  p.  36  ff.)  rightly  re- 
jects  Kereli  or  Kirli  as  the  site  of  Carallia,  but  on  account  of 
his  belief  that  the  Byzantine  Pamphylia  did  not  extend  so  far 
north  as  I  have  extended  it,  he  inclines  to  place  Carallia  much 
further  south,  in  a  country  which  I  believe  is  too  mountai- 
nous  to  Support  the  cities  placed  there  by  M.  VVaddington. 

W.  M.  RAMSAY. 


*  See  Journal  of  Hellenic  Studies,  1883,  p.  38. 

2  Col.  Stewart  mentions  a  ruined  biidgeat  Beisheher,  still  passable, which 
he  considers  to  show  traces  of  Roman  work. 


Das  Delphinion  bei  Oropos  und 
der  Demos  Psaphis. 


1.  Delphinion.  Die  einzige  Erwähnung  des  Delphinion 
oder  heiligen  Hafens  von  Oropos  findet  sich  in  folgender  ih- 
rem Wortlaute  nach  oft  angezweifelten  Stelle  Strabons  (403): 
'E^ri?  §£  xriv  TrepiYiyviaiv  ty]?  X'^?^^  Tuoir.Tsov  (Xp^a[x£vou(;  (X7rö  tyi; 
Trpoi;  EuSoiav  Tirapalioti;  tt);  guv£J(_ou?  t-^  'Attix'?)"  ipj(_vi  S'  6  'üpco- 
Tcö;  Koct  6  Upo;  Xt.j/.y}v  ov  x,aXou(Ji  AsXcpiviov,  x.aO'  dv  tj  TiraXatöc  'Epe- 
Tpta  £v  T^  EüSoiiX,  SixtcXouv  ijOKtacc  £^7]>covTa  (TxaSiwv  ixETa  o£  t6 
AeX<piviov  6  'QpoiTuö;  £v  £l'x,0(ji  GTaSioi;'  /caTO,  §£  toutov  ecTTiv  t)  vuv 
'Eperpia,  SiäxXou?  S '  £7i: '  a'jTVjv  (jTxStoi  T£TTapa'^ovTa"  Eixa  AriXiov 
ktX.  Die  handschriftliche  Lieberlieferung  gibt  hier  die  Entfer- 
nung von  Oropos  zu  Neu-  Eretria,  von  denen  ersteres  bei  der 
jetzigen  Skala  von  Oropö,  letzteres  an  der  Stelle  der  jetzigen 
gleichnamigen  (volksthümlicher  Aletria  genannten)  Stadt  lag, 
auf  40  Stadien  an,  während  der  Epitomator  (X  10,  bei  C. 
Müller  in  den  Geogr.  gr.  min.  II  58G)  dafür  60  Stadien  setzt. 
Groskurd  hat  zur  angeführten  Stelle  Strabons  bemerkt,  dass 
sie  nicht  aus  der  Epitome  und  aus  Thuk.  Vlll  95,  der  eben- 
falls 60  Stadien  bietet,  geändert  werden  dürfe,  da  der  Zusam- 
menhang auf  Verschiedenheit  der  beiden  Entfernungen,  zwi- 
schen Delphinion  und  Alt-  Eretria  einer-  und  Oropos  und 
Neu-  Eretria  andererseits  deute  und  dass  der  Epitomator 
wahrscheinlich  aus  Thukydides  habe  verbessern  wollen. 

Da  allerdings  eine  Verschiedenheit  der  beiden  Entfernungs- 
angaben durch  die  Fassung  des  Textes  postulirt  wird,  könn- 
ten die  von  Thukydides  und  dem  Epitomator  angegebenen  60 


DAS   DELPHINION   BEI   OROPOS   UND   DER    DEMOS  PSAPHIS  351 

Stadien  nur  dann  in  den  Text  Strabons  aufgenommen  wer- 
den, wenn  die  vorhergehenden  üü  Stadien  geändert  würden, 
hier  also  ein  Fehler  des  Textes  oder  ein  Versehen  des  Schrift- 
stellers angenommen  würdet  Zur  Stütze  der  letzteren  An- 
nahme Hesse  sich  darauf  liinweisen,  dass  die  auf  Küstenge- 
genden bezüglichen  Angaben  Strabons  vornehmlich  auf  Schif- 
ferbüchern beruhen,  die  einem  praktischen  Bedürfnisse  ent- 
sprangen, zwischen  dem  verschollenen  Alt-  Eretria  und  Del- 
phinion aber  sicher  kein  regelmässiger  Verkehr  bestand,  so- 
dass die  Angabe  über  ihre  beiderseitige  Entfernung  aus  einer 
andern  Quelle  entnommen  oder  durch  Combination  gewon- 
nen sein  muss.  So  lange  darum  die  Stelle  Alt-  Eretrias  wie 
die  des  Delphinion  noch  nicht  nachgewiesen  ist,  könnte  ein 
Zweifel  an  der  Richtigkeit  der  Entfern i.ngsangabe  geltend 
gemacht  werden.  Dass  ein  solcher  Zweifel  aber  abgewiesen 
werden  muss,  wird  die  im  Folgenden  gegebene  Nachweisung 
des  Delphinion  und  eine  Untersuchung  über  die  muthmass- 
liche  Lage  Alt-  Eretrias  lehren. 

Aus  der  oben  mitgetheilten  Stelle  Strabons  geht  hervor, 
dass  wir  den  Delphinion  genannten  Hafen  20  Stadien  von 
Oropos  an  der  sich  in  südöstlicher  Richtung  hinziehenden 
Küste  zu  suchen  haben.  Meine  Nachforschungen  an  der  so 
deutlich  bezeichneten  Stelle  sowie  bei  den  Bewohnern  dieses 
Küstenstriches  haben  ergeben,  dass  sich  c.  1  Stunde  von  der 
Skala,  d.  h.  dem  alten  Oropos,  an  der  Kamaraki  genannten 
Stelle  der  Küste  eine  antike  j.  als  Mandraki  bezeichnete  Ha- 
fenanlage befindet,  die  wir  unbedenklich  für  den  delphini- 
schen Hafen  erklären.  Wer  ohne  mit  der  Sachlage  bekannt 
zu  sein,  den  von  Skala  nach  den  Mühlen  von  Kalamo  führen- 
den Weg  verfolgt,  wird  freilich  nichts  von  einer  Hafenanlage 
bemerken.  Nur  wer   bei  ruhiger   See  mit  dem  Boote  hier  in 


^  Dass  die  Entfernung  von  Oropos  nach  Eretria  wirklich  auf  40  Stadien 
angegeben  war,  wird  dadurch  fast  ausser  Zweifel  gesetzt,  dass  die  Entfer- 
nung von  der  Skala  nach  Eretria  in  der  That  genau  40  Stadien  beträgt.  Irr- 
thümlich  behauptet  Classen  zu  der  angef.  Stelle  des  Thuk.,  dass  dieser  mit 
Strabon  übereinstimme. 


352  DAS   DELPHINtON    BEI   OROPOS   UNt)   DER    DEMOS   PSAPHIS 

der  Nähe  der  Küste  hinfährt  oder  wer  den  schroff  aufsteigen- 
den Küstenhügel  über  dieser  Stelle  ersteigt  bemerkt  etwa  ei- 
nen halben  Fuss  unter  dem  Wasser  ein  ziemlich  grosses  an- 
tikes Bassin,  das  wegen  seiner  Aehnlichkeit  mit  einer  moder- 
nen Hürde  den  Namen  Mandraki  erhalten  hat.  Von  einem 
dasselbe  mit  der  Küste  verbindenden  Molo  ist  jetzt  nichts  zu 
sehen,  doch  kann  ein  solcher  natürlich  nicht  gefehlt  haben 

Die  Bezeichnung  des  delphinischen  als  heiligen  Hafens  be- 
rechtigt zu  der  Annahme,  dass  derselbe  zunächst  oder  aus- 
schliesslich zum  Ämphiaraeion  gehörte.  In  der  That  ist  die 
Stelle  des  Hafens  genau  derjenige  Punkt  der  Küste,  der  dem 
j,  in  Mavrodilisi  wiederaufgedeckten  Heiligthum  des  Amphia- 
raos  am  nächsten  liegt.  Zwar  schieben  sich  die  nach  der  Küs- 
tenseite ziemlich  steil  abfallenden  Verzweigungen  des  sog. 
Phanö-  Berges  zwischen  beide  und  sowohl  der  Weg  von  Oro- 
pos  als  der  von  der  Ebene  von  Kalamo  im  Ravin  des  Baches 
von  Mavrodilisi  heraufführende  Fusssteig  bieten  eine  etwas 
bequemere  Verbindung  zwischen  Heiligthum  und  Küste,  wie 
aber  der  Thatbesland  lehrt,  muss  die  Rücksicht  auf  Abkür- 
zung des  Weges  der  Grund  zur  Anlegung  des  künstlichen 
Hafenbassins  von  Mandraki  gewesen  sein.  LJebrigens  bietet 
nur  die  erste  Hälfte  des  Weges  vom  Delphinion  zum  Heilig- 
thum einige  Schwierigkeit  dar,  die  zweite  ist  bequem  und  an 
dieser  zweiten  zeugen  üeberreste  von  2  Kapellen  (darunter 
die  des  heiligen  Michael,  aus  welcher  die  Inschrift  'Ecpyifjt.. 
äp)^.  1884  S.  128,  N°  5  stammt)  dafür,  dass  hier  früher  ein 
regerer  Verkehr  herrschte  als  jetzt,  wo  fast  die  ganze  Hügel- 
landschaft zwischen  Mavrodilisi  und  der  Küste  den  Hirten 
überlassen  wird. 

Nach  dieser  Darlegung  des  Thatbestandes  kehren  wir  zur 
Prüfung  der  Angabe  Strabons  zurück,  dass  die  Entfernung 
von  Delphinion  bis  Alt-  Eretria  60  Stadien  betrage.  Nach- 
dem der  eine  Endpunkt  soeben  festgelegt  ist,  wird  es  zunächst 
nölhig  sein,  auch  den  zweiten  so  weit  es  möglich  ist  zu  be- 
stimmen. Was  ist  Alt-  Eretria?   Dieses  ist   nur  Strabon  be- 


DAS   DELPHINION   BEI   OROPOS  UND   DER    DEMOS  PSAPHIS  353 

kannt'.  An  eine  wirkliche  Verlegung  der  Stadt  und  noch 
dazu  an  eine  so  nahe  liegende  andere  Stelle  wird  niemand 
glauben,  denn  so  gewiss  die  Stadigründung  Athens  sich  an 
die  Akropolis  anschloss,  so  deutlich  ist  auch  die  vortretende 
Höhe  des  eretrischen  ülympos  von  Natur  zur  Akropole  einer 
grösseren  Sladtgründung  des  Mord-  Attika  gegenüber  liegen- 
den Küstenstrichs  prädestinirt.  Auch  das  Schweigen  der  His- 
toriker und  aller  anderen  Schriftsteller  berechtigt  uns  zu  der 
Annahme,  dass  die  Bezeichnung  der  Fundamente  unweit  der 
Stadt  als  "Alt-  Erelria  "  auf  eine  Linie  zu  stellen  ist  milder 
jetzigen  Bezeichnung  Paläochora  für  eine  Ortschaft,  deren 
Name  verschollen  ist  oder  mit  der  Benennung  Alt-  Theben 
für  mehrere  Ruinenstätten,  die  gleichfalls  namenlos  gewor- 
den sind^. 

Ueber  die  als  Alt-  Eretria  bezeichneten  Mauerzüge  entneh- 
men wir  aus  Strabon  nur,  dass  sie  von  Eretria  aus  in  der 
Richtung  nach  dem  Süden  der  Insel  hin  an  der  Küste  zu  su- 
chen sind^.  Die  für  die  Entfernung  vom  Delphinion  nach  Alt- 
Eretria  überlieferten  60  Stadien  führen  uns  zu  dem  Punkte 
der  Küste,  an  welchem  diese  von  Eretria  aus  zunächst  nord- 


'  Ausser  der  angeführten  Stelle  noch  448:  Mdav^t;  o' sxaXeTTo  Tipoxspov  fj 
'Epizpia.  xai  'Apo'tpia-  la'JTrjS  o'  jaVt  xoip.rj  fj  'AftäpuvOo;  ä-^'  l;:Ta  (jTaSt'wv  xou  zd- 
■/ou;'  t})v  \ih  ojv  äp/a;av  :idXtv  xaTsa/a'^av  Hepaai,  laYTiveuoavTE;  (o;  -^rjatv  'Hpd- 
80TOJ  loü;  ävOpojTCOu?  -CO)  ;rXT[Oci,  nepiyuOs'vTwv  twv  ßap6äpwv  Tai  Tei)(^ei  (xat  Setxvu- 
ouatv  st;  toÜ;  OejaeXiou;,  xaXoüai  oi  j;:aXatav  'EpsTp'.av),  rj  81  vCv  ertEXTiaiat. 

2  Die  Annahme  von  Ross  (Königsr.  II  S.  116),  dass  die  1  St.  von  Vasi- 
liko  nach  Eretria  hin  auf  einer  flachen  Küstenhöhe  gelegenen  Überreste  ei- 
ner alten  Ortschaft  Alt-  Eretria  gehören  könnten,  ist  bereits  von  Bursian 
(Sachs.  Ber.  1859  S.  127  Anm.)  widerlegt  worden.  Auch  darf  nicht  mit  Ul- 
richs (Reis.  u.  Forsch.  II  S.  250)  und  Baumei^er  (Topogr.  Skizze  der  Insel 
Euböa  S.  50  fg.)  daran  gedacht  werden,  dass  nach  den  Perserkriegen  die 
Burg  dieselbe  geblieben,  die  Unterstadt  aber  verlegt  sei,  denn  dann  müsste 
ja  auch  eine  Verlegung  des  Hafens  angenommen  werden  und  Strabon,  des- 
sen Worte  allein  diese  Frage  ins  Leben  gerufen  haben,  unterscheidet  deut- 
lich genug  zwei  von  einander  entfernte  Lokalitäten. 

3  Dass  die  Entfernung  vott  Eretria,  wie  Bursian  (a.  a.  O.  S.  130)  meint, 
eine  Stunde  betragen  habe,  kann  aus  Strabon  403  nicht  geschlossen  werden, 

iUTTH.  D.  ABOH.  INST.  X.  23 


354  DAS  DELPHINION   BEI   OROPOS   UND   DER    DEMOS  PSAPHIS 

Östlich  verlaufend  in  eine  ung.  östliche  Richtung  übergeht*. 
Dieser  Punkt,  an  welchem  sich  Fundamente  mehrerer  alten 
Gebäude  finden,  ist  von  Eretria  eine  kleine  halbe  Stunde  ent- 
fernt. Schon  Bursian  hat  (a.  a.  0.  S.  131,  vgl.  Geogr.  v. 
Griech.  11  S-  421  fg.)  angenommen,  dass  diese  L'eberreste  die 
Stelle  des  Heiligthums  der  "ApT£[j.i?  'Ap.apucrta  oder  'Ajxap'jvöia 
bezeichnen,  welches  wiederum  nicht  füglich  von  der  xwjjlyi 
'Ap,xp'jv6o;  gelrennt  werden  kann,  die  nach  Stabon  448  7  Sta- 
dien von  Eretria  entfernt  war.  Das  genaue  Zusammentreffen 
dieser  Stelle  mit  dem  Endpunkte  einer  vom  Delphinion  aus 
gezogenen  Linie  von  60  Stadien,  an  welchem  wir  nach  Stra- 
bon  Alt-  Eretria  zu  suchen  haben  sowie  die  enge  Verbindung, 
in  welche  er  Alt-  Eretria  zu  Amarynthos  zu  setzen  scheint, 
kann  zur  Vermuthung  führen,  dass  die  Eretrier  in  der  Nähe 
von  Amarynthos  und  seines  altberühmten  Tempels,  ihres 
Hauptcultlokales,  die  Stätte  ihrer  alten  Stadt  oder  in  jener 
Korne  einen  üeberrest  derselben  zu  erblicken  glaubten  ^. 

Wenn  die  Identificirung  von  Alt-  Eretria  mit  Amarynthos 
immer  und  die  Ansetzung  des  letzteren  wenigstens  vorläufig 
eine  Hypothese  bleiben  muss,  so  ergibt  sich  doch  aus  der 
vorstehenden  Untersuchung  zur  Genüge,  dass  kein  Grund 
vorliegt,  die  überlieferten  Zahlen  des  strabonischen  Textes  zu 
ändern. 

2.  Psaphis.  Strabon  399  fügt  seiner  Aufzählung  der  at- 
tischen Küstendemen  nach  der  Beschreibung  von  Marathon, 
Trikorynthos  und  Rhamnus  hinzu:  ska  ^a^pU  ^  twv  'üpoTcitov 
svxaGOa  hi  titou  x,ai  to  'Afxcpiipeiöv  £<jTt  ....  'üpojTro;  Ss  .  .  .  . 
iSpuTai  .  .  .  .  ev  {xsOopio)  x^;  xe  'Axxuvi;  )tai  xvi?  Boiojxia?.  Eine 


^  Die  englische  Seekarte  schreibt  hier  'Tamynä?'. 

^  Der  von  Strabon  gebrauchte  Ausdruck  £7:='xna-:ai  deutet  auf  die  Nähe 
der  von  ihm  geschiedenen  Gründungen  der  vor -und  nachpersischen  Zeit 
hin,  weiter  nicht;  an  ein  unmittelbares  Zusammenliegen  kann  Strabon  bei 
seiner  Annahme  einer  Verlegung  der  Stadt  nicht  gedacht  haben.  Wenn 
Amarynthos  bei  Sleph.  von  Byz.  eine  v^io;  genannt  wird,  so  soll  dadurch 
wie  so  häulig  durch  das  neugriechische  vrja;  wohl  nur  eine  peninsulare  Lage 
angedeutet  werden. 


DAS   DELPHlNlUN    BEI    OltOI'OS   UND    DE«    DEMOS   PSAI'HIS  355 

zweite  Erwähnung  des  später  (in  Ephebenlisten  des  zweiten 
Jahrh.  n.  Chr.,  C.  1.  .4.  III  1122  und  1160)  als  Demos  der 
Aianlis  erscheinenden  Psaphis  hat  man  in  dem  sog.  Dikäarch 
(Fr.  59,  6,  fragm.  hist.  gr.  II  S.  25Gj  linden  wollen,  wo  C. 
Müller  in  den  handschriftlich  überlieferten  Worten  evteöGev 
(d.  h.  von  Athen)  ei?  'üpcoTröv  SacpviSöv  >iai  tou  'A[^.(piapdtQu 
Aiö;  lepou  oSöv  x.t"X.  statt  des  verderbten  SacpviSöv  mit  Salmasius 
Ya<p'.Sd)v  geschrieben  hat.  Da  aber  der  Weg  von  Athen  nach 
dem  Amj)hiaraeion  hart  an  der  Westseite  des  alten  Aphidnä 
auf  dem  Rotronihügel  bei  Kapandriti  vorüberführt  und  Psa- 
phis  in  der  iNähe  der  von  diesem  Wege  nirgends  berührten 
Küste  gesucht  werden  muss,  kann  nur  das  von  Wordsworth 
[Athens  and  Attica  S.  23)  vorgeschlagene  Si'  'AcpiSvoiv  richtig 
sein.  Pausanias  erwähnt  (I  33  2)  zwar  den  Küstenpfad,  der 
von  iMarathon  über  Kato  Suli,  Ovriokastro,  Hagia  Marina,  die 
Mühlen  von  Kalamo  und  Kamaraki  nach  der  Skala  von  Oropo 
lührl,  nennt  aber  nur  die  Hauptslationen  und  erwähnt  Psa- 
phis  ebenso  wenig  wie  Trikorynthos  und  Delphinion.  So  sind 
wir  für  die  Bestimmung  der  Lage  von  Psaphis  allein  auf  die 
ausgeschriebene  Stelle  Strabons  angewiesen,  nach  welcher  wir 
Psaphis  unweit  des  Amphiaraeion  und  zwischen  Rhamnus 
und  Uropos  nahe  der  Nordgrenze  Attikas  in  der  Nähe  des 
Meeres  zu  suchen  haben. 

Diese  Andeutungen  führen  uns  in  die  Gegend  des  grossen, 
hoch  auf  den  Grenzhöhen  seiner  Küstenebene  gelegenen  Dor- 
fes Kalamo  und  die  älteren  Topographen  haben  geradezu  ge- 
meint, dass  dieses  die  Stelle  von  Psaphis  einnehme;  es  ist 
ebenso  wie  Markopulo  nur  eine  halbe  Stunde  vom  Amphia- 
raeion entfernt  und  liegt  auf  dem  Wege  von  Athen  nach  die- 
sem Heiligthume.  Aber  nach  einem  längeren  Aufenthalt  da- 
selbst darf  ich  versichern,  dass  sich  dort  auch  nicht  die  ge- 
ringste Spur  einer  antiken  Bewohnung  finde,  zweitens  ist  das 
Dorf  nicht  weniger  als  eine  Stunde  vom  Meere  entfernt  und 
die  Verbindung  mit  demselben  wegen  der  Steilheit  seiner  Hü- 
gelabhänge unbequem,  sodass  es  wie  die  übrigen  Dörfer  des 
jetzigen  Demos  Oropos  die  2  Stunden  entfernte  Skala  benutzt. 


356  DAS   DELPHINION   BEI   OROPOS   UND   DEK   DEMOS   PSAFHIS 

Hiernach  isl  es  an  die  Hand  gegeben,  dass  Psaphis  vielmehr 
in  dem  Küstenstrich  unterhalb  Kalamos  zu  suchen  ist. 

Dieser  Küstenstrich  zerfällt  in  zwei  ungleich  grosse  Theile, 
die  durch  die  vom  Tzesiberge  (dahinter  liegt  das  zu  Mendeli 
gehörende  Klösterchen  Kalo  Livadi)  vortretenden,  Chamolesa 
genannten  Hügel  geschieden  werden.  Diese  Hügel  sind  flach 
und  zum  Theil  angebaut;  sie  bieten  dem  Verkehr  zwischen 
beiden  Hälften  der  Ebene  keine  erhebliche  Schwierigkeit  dar^; 
die  gewöhnliche  Verbindung  erfolgt  auf  dem  Küstenwege,  der 
von  den  am  Rande  der  östlicheren  Hälfte  gelegenen  Mühlen 
von  Kalamo  an  der  Kapelle  der  Hagia  Marina  vorbei  zur  west- 
licheren unter  Kalamo  liegenden  Hälfte  führt.  Der  östliche 
Theil  wird  von  der  spitzen  ans  Meer  grenzenden  Höhe  Pirgar- 
ihi  (mit  der  Spiliä  tu  Tölia),  dem  schroffen  Zastäni,  dem  brei- 
ten Paraskeviberge,  der  Kette  des  Laka  Kükia  (Rothacker), 
dem  Tzesi  und  den  Chamolesahügeln,  der  westliche  von  letz- 
teren, den  Hügeln  von  Kalamo,  Mavrodilisi  und  den  Ausläu- 
fern des  Phanöberges  in  weiten  Bogen  umspannt;  am  West- 
rande des  ersteren  läuft  ein  wasserreicher  aus  einem  von 
Kalo-  Livadi  und  einem  etwas  östlicheren  Arme  entstehender 
Bach  den  Mühlen  von  Kalamo  zu,  der  westliche  wird  vom 
Unterlauf  des  ofi  heftig  anschwellenden  Ravins  von  Mavro- 
dilisi durchschnitten.  Die  Küste  des  östlicheren  Theils  bietet 
bei  den  Mühlen  eine  kleine  wenn  auch  ziemlich  offene  Rhede 
dar;  neben  letzterer  entspringen  zwei  starke  Sumpfquellen, 
welche  die  auch  von  Skala  benutzten  Mühlen  treiben  und  aus 
dem  Adyton  der  Apostelkapelle  strömt  eine  starke  Quelle  gu- 
ten Trinkwassers,  ebenfalls  in  der  Nähe  des  Meeres  und  der 
Mündung  des  erwähnten  von  Kalo  Livadi  herunter  kommen- 
den Baches.  Die  Küste  des  westlichen  Theils  dagegen,  an  wel- 
cher in  dem  Vlichada  genannten  Distrikt  j.  aufgegebene  Kel- 
ter und  bei  Blastö  auf  der  niedrigen  Magülahöhe  vor  den  Aus- 


^  Über  sie  hin  läuft  der  Weg  von  Kalamo  zu  den  Mühlen,  an  den  Ka- 
pellen der  Panagia  und  Hag.  Georgios  (nebeneinander  auf  halbem  Wege 
unter  dem  Tz(3siberge)  vorbei. 


DAS   DELI'HINION   BKI   OHOPOS    UND    DER    DEMOS   PSAPHIS  357 

läufern  des  Phanö  unbedeutende  vielleicht  z.  Th-  antike  Ue- 
berreste  von  Terrassen  mauern  liegen,  verläuft  in  fast  gerader 
Linie.  So  ist  also  die  Küste  des  östlicheren  Theils  des  Küsten- 
striches von  Kalamo  die  von  Natur  bevorzugtere  und  deshalb 
schloss  sich  auch  an  sie  die  antike  Ortschaft  an,  die  c.  10 
Minuten  vom  Meere  auf  einem  flach  ansteigenden  Hügel  lag, 
der  durch  den  an  seiner  Westseite  vorbeiziehenden  Bach  von 
den  Chamolesahügeln  getrennt  wird.  Unmittelbar  an  diesem 
Bache  liegen  c.  20  Minuten  vom  Meere  bei  einer  dachlosen 
Petroskapelle  die  Ruinen  des  ganz  aufgegebenen  Dörfchens 
Revithia,  nach  welchem  der  Bach  und  gewöhnlich  auch  der 
ebenervvähnte  ebenfalls  als  Magula  bezeichneter  Hügel  be- 
nannt wird.  Die  Magula  von  Revithia  bietet  sanft  ansteigend 
einen  breiten  flachen  Rücken  dar,  an  dessen  Rändern  und 
hier  und  da  quer  über  die  Fläche  laufend  noch  jetzt  Mauer- 
züge bemerkbar  sind,  obgleich  diese  Ueberreste  aus  dem  Ai- 
lerthume  vor  der  weiter  schreitenden  Cultur  immer  mehr  ver- 
schwinden Die  hier  o;eleo;ene  Ortschaft  darf  unbedenklich  für 
das  alte  Psaphis  erklärt  werden;  es  nahm  ungefähr  so  viel 
Raum  ein  wie  ein  Dorf  mittlerer  Grösse  ^ 

Mit  ofosser  Wahrscheinlichkit  kann  man  dem  hiermit 
nachgewiesenen  Psaphis  die  Inschriften  vindiciren,  welche 
sich  in  dem  c.'/o  St. entfernt  en  Klösterchen  Kalo-  Livadi  theils 
befanden,  theils  noch  jetzt  finden.  Es  sind  die  beiden  jetzt 
von  dort  weggenommenen  Grabschriften,  welche  Hauvette- 
Besnaull  im  Bull,  de  corr.  hell.  HI  (1879)  S.  200  N"  9  u.  10 
mitgetheill  hat,  die  Aufschrift  einer  an  der  S.  W.  Ecke  der 
Klosterkirche  eingemauerten  bläulichen  Marmorquader: 

A  P  I  Z  I  f  V  xoci 
A  Z  K  A  H  r  idcSv); 


*  Wie  es  scheint  nur  nach  der  französischen  Generalstabskarte  hat  be- 
reits Bursian  Geugr.  v.  Gr.  I  S.  '221  den  Demos  bei  Revithia  gesucht:  dass 
er  selbst  den  Urt  nicht  besucht  hat  gehl  aus  seinem  Reisebericlil  (Ber.  d. 
Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  a.  a.  O.  S.  110  fg.)  hervor. 


358  DAS  DELPHINION  BEI   OROPOS   UND  DER   DEMOS  PSAPHIS 

K  A  I  T  I  M  apj(_o?  ol 
•  T  I  M  A  P  X  ou  T71V  iau- 
>'  J^  N  M  H  T  Ipa  <t»ai- 
TT  TT  A  N   T  I    pösou 
T  '^  i  Oew 

und  die  vor  dem  mittleren  Eingang  ins  Heiligste  der  Kirche 
liegende  VVeihinschrift,  die  in  der  letzten  Publication  (von 
Martha  in  dem  Bull,  de  corr.  hell.  IV  (1880)  S.  260)  ein  etwas 
alterthümliches  Aussehen  erhalten  hat  (statt  F  P). 

Weitere  Anzeichen  dafür,  dass  das  Kloster  etwa  die  Stelle 
eines  alten  Heiligthums  einnehme,  sind  nicht  vorhanden. 


H.  G.  LOLLING. 


Die  attischen  Grabsteine 
des    fünften   Jahrhunderts, 

(Hierzu  Tafel  XIII  XIV.) 


I.  Die  Grabsteine  atts  der  Zeit  zwischen  den  Perserkriegen 
und  dem  pelopojinesisc/ien  Krieg. —YjU  den  auffallendsten  Er- 
scheinungen in  der  attischen  Epigraphik  gehört  das  Missver- 
hältniss,  welches  der  Zahl  nach  zwischen  den  Grabinschrif- 
ten des  alten,  der  Hauptsache  nach  vorpersischen  und  denen 
des  jüngeren, ausgeschriebenen  attischen  Alphabetes  obwaltet. 
Vierunddreissig  Stück  der  ersten  Classe  stehen  in  der  Samm- 
lung der  attischen  Inschriften  vier  der  zweiten  gegenüber  (C. 
/.  A.  1  489  —  491  und  491^  in  den  Suppl.)  Allerdings  ist  bei 
der  ßeurlheilung  dieser  Zahlen  in  Betracht  zu  ziehen, dass  sich 
die  Grabschriften  im  unausgebildeten  Alphabet,  woran  heut 
zu  Tage  nicht  mehr  zu  zweifeln  ist,  auf  einen  Zeitraum  ver- 
theilen,  der  mindestens  noch  ein  Mal  so  lang  ist  als  derjenige, 
welcher  von  den  Perserkriegen  bis  zu  der  ofTiciellen  Reception 
der  jonischen  Schrift  in  Athen  verstrichen  ist.  Allein  das  Ver- 
hällniss  der  Zahlen  bleibt  auch  unter  dieser  Voraussetzung 
abnorm,  zumal  da  erfahrungsmässig  die  Zahl  der  erhaltenen 
Denkmäler  nach  unten  hin  progressiv  zunimmt.  Nicht  ohne 
Grund  hat  man  daher  aus  dem  Fehlen  der  Grabschriften  auf 
das  Fehlen  der  Grabsteine  geschlossen;  allein  eine  so  auffal- 
lende Erscheinung  war  schwer  zu  erklären,  wenn  man  nicht 
zu  sehr  weitgehenden  Annahmen  über  die  Gräbersitte  und 
Kunstübung  des  fünften  Jahrhunderts  seine  Zuflucht  nehmen 
wollte.  Neuerdings  hat  sich  gegen  solche  Anschauungen  eine 
Reaction   geltend  gemacht.  Auf  der  Thatsache  fussend,  dass 


360  DIE   ATTISCHEN  GRABSTEINE 

das  jonische  Alphabet  im  fünften  Jahrhundert  in  Athen  bekannt 
gewesen  ist  und  vereinzelt  jonische  Zeichen  in  den  öffentli- 
chen Urkunden  seit  dem  Beginn  des  peloponnesischen  Krie- 
ges begegnen,  hat  man  mehrere  Grabmäler  in  jonischer  Schrift 
nach  dem  Stil  der  an  denselben  angebrachten  Reliefdarstel- 
lungen in  das  fünfte  Jahrhundert  zurückdatirt.  Zu  festen  zeit- 
lichen Bestimmungen  ist  man  auf  diesem  an  sich  unzweifel- 
haft richtigen  Wege  nicht  gekommen,  aber  auch  das  vorlie- 
ajende  Problem  kann  als  gelöst  nicht  betrachtet  werden.  Die 
Schrift  hat  im  Laufe  des  fünften  Jahrhunderts  in  formaler 
Beziehung  Wandelungen  durchgemacht,  welche  in  den  Grab- 
schriften, falls  solche  vorhanden  waren, nach  weisbar  sein  mus- 
sten,  mochten  diese  nun  im  attischen  oder  jonischen  Alpha- 
bet geschrieben  sein.  Ferner  ist  die  Thatsache  unbeachtet  oder 
unberücksichtigt  geblieben,  dass  in  der  zweiten  grossen  Grup- 
pe der  Privatinschriften,  den  Weihungen,  die  Lücke,  wel- 
che in  den  Grabinschriften  klafft,  nicht  bemerkt  wird. 

Ich  habe  Veranlassung  gehabt  die  attischen  Grabinschrif- 
ten, soweit  es  die  Zerstreuung  des  Materiales  zulässt,  auf  das 
fünfte  Jahrhundert  durchzusehen  und  theile  die  Ergebnisse, 
welche  nach  mehr  als  einer  Seite  hin  belehrend  sind,  hier  mit. 

Die  attischen  Schriftdenkmäler  aus  der  nachpersischen  Zeit 
zerfallen  in  zwei  Gruppen,  insofern  als  sie  entweder  die  Ue- 
bergangsformen  aus  der  älteren  unregelmässigen  in  die  spa- 
tere regelmässige,  oder  die  ausgebildete  regelmässige  Schrift 
aufweisen.  Auf  diesem  unterschiede  beruht  in  vielen  Fällen 
allein  die  genauere  chronologische  Fixirung  der  Inschriften 
des  fünften  Jahrhunderts.  Dabei  ist  es  gleichgültig,  ob  das 
angewandte  Alphabet  das  attische  oder  jonische  ist:  der  Stil 
der  Schrift  ist  von  dem  Alphabet  unabhängig.  Der  Lebergang 
von  der  unregelmässigen  zu  der  ausgebildeten  Schrift  voll- 
zieht sich  in  den  öffentlichen  Urkunden  um  das  Jahr  440;  ich 
setze  hier  als  spätesten  Termin  den  Anfang  des  peloponnesi- 
schen Krieges  dafür  ein.  Innerhalb  des  vorhergehenden  Zeit- 
raumes  bietet  das  dreischenkliche  Sigma  einen  chronologi- 


DIE    ATTISCHEN   ftRABSTEINE  36i 

sehen  Anhaltspunkt,  welches  in  den  öffentlichen  Inschriften 
um  das  Jahr  450  der  jüngeren  Form  Platz  macht'. 

Aus  der  Masse  der  attischen  Grabsohriften  lassen  sich  mit 
Sicherheit  eine  Anzahl  aussondern,  welche  die  Uebergangs- 
formen  der  Schrift  aufweisen  und  danach  der  Zeit  vor  dem 
peloponnesischen  Kriege  zuzuschreiben  sind.  Diese  Inschrif- 
ten enthalten  theils  attische  und  jonische  Zeichen  nebeneinan- 
der, theils  sind  sie  im  reinen  jonischen  Alphabet  geschrie- 
ben. Ich  lasse  hier  mit  Uebergehung  der  aus  dem  Corpus  an- 
geführten zunächst  die  Inschriften  des  Mischalphabeles,  so- 
dann eine  Auswahl  der  Inschriften  im  jonischen  Alphabet 
folgen . 

1  Niedrige  an  den  Rändern  und  auf  den  un leren  Flächen 
rauh  gelassene  Platte  a.  penl.  M.,  auf  beiden  Seiten  (a  6)  be- 
schrieben. 


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A   X   H 


M  Y   P   T  ß 

Neben  den  attischen  Zeichen  für  den  langen  0  -  Laut  (ein  Mal) 
und  Lamda  stehen  die  jonischen  für  den  langen  E-Laut, 
Gamma  und  den  langen  0-Laul  (ein  Mal),  ü e bergan gsfor- 
men  von  Alpha  und  Hho^. 

2  Kleiner  nachlässig  behauener  Pfeiler  a.  pent.  M.,  oben 
Verstössen. 


'  Vgl  Urkunden  und  Unters,  zur  Gescti.  des  del-att.  Bundes  S.  4  f.,  wo 
ich  die  Wandlungen, welche  die  Schrift  in  Athen  im  Laufe  des  fünften  Jahr- 
hunderts durchgemacht  hat,  zuerst  nachgewiesen  habe. 

3  Im  Druck  babeu  diese  Nuancen  nicht  wiedergegebeu  werden  können, 


362  DIE  ATTISCHEN  GRABSTEINE 

^  K  v^ 
E  A  ^ 
ME^A 

Alphabet    unbestimmbar,  hierher  gesetzt  wegen  der  beiden 
neben  einander  verwandten  Formen  des  Sigma. 

3  Massive  Vase  a.  pent.  M.  mit  Relief;  besehrieben  v, 
Sybel  Katalog  der  Skulpturen  z.  Athen  230.  Dargestellt  ist 
ein  von  links  heranschreitender  bärtiger  Mann, welcher  einem 
ebenfalls  bärtigen  Mann  die  Hand  gereicht  hat.  Der  letztere 
stützt  sich  auf  einen  plastisch  nicht  angegebenen  Stab.  Zu  bei- 
den Seiten  des  Kopfes  des  ersteren  steht  die  Inschrift 

©  I  A  E         ^1  O 

S.  Taf.  XIII  Jonisches  Lamda  neben  dem  attischen  Zeichen 
für  den  langen  E-  Laut.  Unterhalb  des  Reliefs  waren  ein 
breiter  Maeander  und  eine  Palmette  aufgemalt, 

4|  unförmliches  Fragment  a.  pent.  M.,  wohl  von  der  Ba- 
sis einer  Stele  herrührend, mit  der  Inschrift  (Kumanudis  2990) 

O  P  A  ^  O  N 

A  N  H  P Ar AOO? 

Das  attische  Zeichen  für  den  langen  0  -  Laut  neben  den  jo- 
nischen  für  Gamma  und  den  langen  E-  Laut. 

5  Kleine  Tafel  a.  pent.  M.  oben  glatt  abgeschnitten. 

A  P  +  I  P  P  H  ^ 
//  O  YME/^  I  O 

Der  lange  E-  Laut  ist  ein  Mal  nach  jonischer   und  ein  Mal 


DIE  ATTISCHEN  GRABSTEINE  363 

nach  attischerWeise  bezeichnet.  Schöne  alterthümliche  Buch- 
staben. * 

G  Kleine  Stele  a.  pent.  M.  mit  Leiste  und  Kyma  als  obe- 
ren Abschluss.  Hart  unter  der  Leiste  die  Inschrift  (Kumanu- 
dis  2740): 

AHM  A  PETE 

Alphabet  wie  in  der  vorhergehenden  Nummer. 

7  Kleiner  Pfeiler  a.  Kalkstein. 

0  1   A  O  i  H 
H  H 

Das  jonische  Alphabet  hat  den  Schreiber  verleitet  in  der  vor- 
letzten Sylbe  das  Eta  für  den  kurzen  E-  l^aut  zu  verwenden; 
ähnliche  Fehler  in  den  3  folgenden  Nummern. 

8  Kleine  Stele  a.  pent.  M.  oben  abgeschlossen  durch  eine 
Leiste  mit  Kyma.  Hart  unter  der  Leiste  die  Inschrift  (Kuma- 
nudis  2961  Kaibel  Epi^r.  Gr.  73): 

ANOEMIAOSTOAESHMAKYKAniSTE<|>A 
I^OYS/VITAIPOlMyVHMEIONAPETHS 
OYyVEKAKAI<|)IAIA  ? 

A  N  O  E  M  I  ^ 
H  PO<t)l  AE 

Das  unter  den  Eigennamen  gemalt  gewesene  Bild  ist  ver- 
schwunden. Die  Schrift  weist  den  Stein  in  die  Zeit  vor  dem 
peloponnesischen  Kriege.  Man  hat  gelesen  : 

'AvOejJiiSo?  ToSe  (j95[j(.a  xuxXö  <7Te<pavoi)c(i)v  (e)TaTpot 
jjt.VYi{ji.£t(ov  apexYic  oGvexa  xai  cpi>.ia;. 
'Hp6^i>>£.  *Av0e|xi5. 

Zunächst  war  hier  unstreitig  statt  'Hp6«pi>.e  zu  lesen  *Hpo(piXe 
d.  i.  'Hpo<pt)^7i;  der  Schreiber  hat  ein  Mai  den  langen  E-  Laut 
durch   Epsylon  wiedergegeben.    Aber  auch   die   Verse  sind 


364  DIE  ATTISCHEN  GRABSTEINE 

schwerlich  richtig  gelesen  worden.  Kaibel  lässt  pyifXEttov  von 
(TTecpavouciv  abhängen  (recentior  est  structura,  huic  tarnen  low 
necessaria)  und  versteht  unter  den  piofAETa  Bhimen  und  Krän- 
ze. Ich  will  die  Construetion  sowohl  wie  die  Bezeichnung  der 
ver£jänürlichen  Kränze  auf  sich  beruhen  lassen  ;  die  Verbin- 
düng  •/C'jxT.ö  TT£9avo'j<;iv  nöthigt  das  Verbum  im  weiteren  Sinn 
zu  fassen.  Ich  lese : 

[/.vTOfxs'iov  apsTvi;  oCvexa  xai  (p'Aia?. 

Den  um  den  Grabstein  versammelten  Genossen  wird  derselbe 
ein  Denkmal  (avv^ij.eTov)  der  Tugenden  der  Verstorbenen  sein.  Ich 
denke  der  im  Gebrauch  des  jonischen  Alphabets  noch  wenig 
geübte  Schreiber  des  Epigramms  hat  in  avYif7.£icov  das  jonische 
Zeichen  für  den  langen  Vocal  an  der  falschen  Stelle  gesetzt;  ob 
bei  derWahl  des  Zeichens  die  Rücksicht  auf  das  Metrum  mit- 
gewirkt habe,  welches  eine  Länge  verlangt,  lasse  ich  dahin 
gestellt  sein. —  4us  der  Stellung  der  Namen  über  dem  jetzt 
verblichenen  Bilde  ist  zu  schliessen,  dass  Herophile  sitzend, 
Änthemis  stehend  und  jener  die  Hand  reichend  abgebildet 
war.  Nach  dem  Epigramm  ist  anzunehmen,  dass  Herophile 
zu  den  Genossen  der  Verstorbenen  'gehörte,  die  ihr  das  Denk- 
mal hatten  errichten  lassen. 

9  Platte  a.  pent.  M.  mit  abgerundetem  Giebel  und  Relief, 
oben  zu  beiden  Seiten  verstümmelt;  vgl.  Wolters- Friede- 
richs Gipsabg.  des  Berl.  Mus.  1020.  Im  Giebel  waren  zwei 
sich  gegenüber  liegende  Löwen  dargestellt,  darüber  eine  Ro- 
sette. Das  Relief  unter  der  Leiste  stellt  zwei  bärtige  Männer 
dar,  die  sich  die  Hände  reichen,  dazwischen  ein  Kind  (Mäd- 
chen), welches  die  Rechte  zu  dem  links  stehenden  Manne  in 
die  Höhe  streckt.  Auf  der  Leiste  die  Inschrift 

Links  sind  2  oder  3  Buchstaben  weggebrochen.  Schon  Wol- 
lers hat  vermuthet,  dass  [KXeoJfxsv-/);  oder  ein  ähnlicher  Name 
zu  lesen  sei;  der  Schreiber  hat  in  der  vorletzten  Sylbe  H  statt 


DIE    ATTISCHEN    GRAßäTEINK  365 

E  gesetzt;  M  und  N  liaben  alterlhümliclie  Formen.  Der  zweite 
Name  ist  nicht  herstellbar. 

10  L'nrörniliehes  Bruchstück  einer  sculpirten  Platte  a.  pent. 
M.,  vgl.  He}'demann  Marmorbildvverke  z.  Athen  215  und  v. 
Sybel  a.  a.  O.  2067.  Vom  Relief  ist  der  Kopf  eines  bärtigen, 
über  der  Stirn  kahlen  Mannes  erhalten  (Höhe  c.  0,13),  der 
untere  Theil  des  Gesichts  von  der  Nase  an  ist  mit  weggebro- 
chen. Leber  der  Leiste  in  dem  verstossenen  Giebelfeld  die 
Inschrift  (Kumanudis  2951) : 

II 
II  PAK/    EAH^ 

üeber  HpaK'XeiSYi;  stand  vorhandenen  Spuren  nach  zu  schlies 
sen  vielleicht  (?)  ein  weiblicher  Name.  Grosse  in  schwachen 
Zügen  unsicher  eingeritzte  Buchstaben,  die  in  den  Formen  an 
die  vorpersischen  Grabsteine  erinnern.  Die  Inschrift  darf  nicht 
jünger  gesetzt  werden  als  die  Mitte  des  5ten  Jahrhunderts; 
die  hervorragende  Schönheit  des  Reliefs  würde  an  eine  spätere 
Zeit  denken  lassen. — Bemerkenswerthe  Form  des  Lamda, wel- 
che in  der  folgenden  iNummer  wiederkehrt. 

11  Kleine  Platte  a.  weissem  M.,nach  dem  beigefügten  In- 
ventarvermerk in  Ättika  gefunden,  beschrieben  von  Milch- 
höfer  Mitth.  1880  S-  191  n.  6.  Auf  dem  wannenartig  vertief- 
ten Grunde  ist  ein  Bild  gemalt:  vor  einer  nach  rechts  ge- 
wandten männlichen  Figur  steht  ein  kleines  Mädchen.  Lieber 
und  rechts  von  dem  Bilde  die  Inschrift  (Kumanudis  3105)  : 

AV^IMAXO^ 
I 

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366  DIE    ATTISCHEN   GRABSTEINE 

Schöne  regelmässig  eingegrabene  Buchstaben , 
aber  sicher  dem  5ten  Jahrhundert  angehörig;  ge- 
rade an  diese  Stelle  gebracht  wegen  der  Form 
des  Lamda,  welche  sich  in  der  aranzen  attischen 
Epigraphik  nur  in  dieser  und  der  vorhergehen- 
den Inschrift  findet. 

12  Kleine  Tafel  a.  parischem  Marmor  mit  Lei- 
ste und  Kyma  als  oberen  Abschluss,  jetzt  im  Ber- 
liner Museum,  wo  ich  sie  untersucht  habe.  Die 
Inschrift  (C.  /.  G.  940  C.  I.  A.  III  3102  Kuma- 
nudis  2799)  hier  nach  einer  Abschrift  von  M. 
Fränkel. 

A  O  K  I  M  O 

Wegen  der  Form  des  mit  der  rechten  Hälfte  in 
der  Luft  schwebenden  My  sicher  der  Zeit  um  die 
Mitte  des  5ten  Jahrhunderts  angehörig.  Wohl 
gleichzeitig  die  an  derselben  Stelle  gefundene  Ta- 
fel mit  der  Inschrift  (t)AINn  C.  LG.  1013,  Do- 
^  O  —  ^  kimos  und  Phaino  könnten  Mann  und  Frau  ge- 
wesen sein. 

13  Pfeiler  a.pent.M.  h.1,85  br.0,50  d.  0,25, 
eingelassen  in  eine  ebenfalls  marmorne  Plinthe, 
welche  auf  einem  Sockel  aus  Porös  ruht.  Am 
oberen  Rande  des  Pfeilers  in  grossen  Buchsta- 
ben die  Inschrift  (Kumanudis  15  Arch.  Zeit. 
1871  S.  29  Kaibel  Epigr.  Gr.  36) 

PTOArOI>0 
Auf  der  Plinthe  in  kleineren  Buchstaben  : 

(s.  links  am  Rande) 

Regelmässige  schöne  Buchstaben,  aber  durchweg 
alte  Formen.  Mit  dem  alterthümlichen  Stil  der 
Schrift  harmonirt  die  lektonische  Form  des  Denk- 
mals,welches  den  vorpersischen  Stelen  am  näch- 
sten steht;  wie  auf  diesen  war  auf  dem  Pfeiler 
das  Bild  des  Verstorbenen  nahezu  in  natürlicher 


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DIE   ATTISCHEN  GRABSTEINE  367 

Grösse  aufgemalt.  Mit  Unrecht  haben  die  Herausgeber  der  In- 
schrift diese  in  den  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts  gesetzt; 
sie  kann  nicht  jünger  sein  als  die  Milte  des  fünflcn  Jahrhun- 
derts,mag  sie  nun, wie  derVVorthujt  vermuthen  lässt, unter  den 
Auspicien  der  athenischen  Behörden  oder,  worauf  die  dialek- 
tischen Formen  der  Eigennamen  hinweisen,  im  Aultrag  der 
Hinlerhliebenen  des  Pythagoras  eingegraben  sein. 

14  Kleine  pfeilerartige  Stele  a.  penl.  M.  Anstatt  der  Leiste 
ein  blau  aufgemalter  Streifen  am  oberen  Kande.  Nach  einem 
Zwischenraum  die  Inschrift  (Kumanudis  22G9) 

MNH^APETH 
0   I   A   I   A'  I  A  O 
ErMTPIA'H^ 

Unterhalb  der  Inschrift  Bruch.  Schöne  alterthümliche  Buch- 
staben. 

15  Kleine  Platte  a.  pent.  M.,  an  den  Seiten  abgeschrägt 
(Kumanudis  1814). 

KE©AAO€ 
O  E  ^  A  A  O  ^ 

Grosse,  unsicher  geführte  Buchstaben. 

16  Schmale  pfeilerartige  kleine  Stele  a.  pent.  M.,  oben 
glatt  abgeschnitten,  rechts  und  links  in  eigenthümlicher 
Weise  abgeschrägt. 

A  A  Y  T  H  ^ 
E  Y  A  H  M  I  A  O 
T  O  P  ft  /^  A 
I  O  € 

Die  beiden  letzten  Buchstaben  der  zweiten  Zeile  stehen  auf 
der  rechten  Schmalseite.  Unter  der  Inschrift  war  eine  in  einen 
Knoten  verschlungene  Taenie  aufgemalt. 

17  Kleine  Stele  a.  pt-nl.  M,  mit  freiste  und  Ivvmation  als 
Abschluss. 


368  DtE   ATTISCHEN  GRABSTEINE 

M    I    K    K    O    ^ 

KAAA   I    KAEIAO 
T  O  P  Q  /^  A   I   O^ 

18  Kleine   Stele  a.  pent.  M.,  mit  glattem  bemalt   gewese- 
nen Giebel;  unter  der  Leiste  die  Inschrift 

APXIA^NEBPO 
A  N  A  P    I   O 

Aehnliehe  Buchstabenformen  wie  N"  8. 

19  Platte  a.  pent.  M.  mit  Giebel. 

EY(t>PA/^TIAH^ 
MA  H  APß  A'O^ 
A^TYPAAAIEOC 

20  Kleine   Stele  a.  pent.  M.  mit  Leiste  und  Kymation  als 
Abschluss  ('E^p.  ipj^.  380  Kumanudis  2469). 

AOHNOAOTO^ 

lATPOKAEO^ 

<t)  A  ^  H  A  I  T  O 

Grosse  schöne  regelmässige  Buchstaben,  jünger  als  die  Um- 
gebung aber  dem  5len  Jahrhundert  angehörig,  von  mir  hier- 
her gestellt  wegen  der  Fassung,  s.  unten. 

21  Kleine  Tafel  a.  pent.  M.  mit  Leiste  und  Kyma  als  Ab- 
schluss, im  Felde  die  Inschrift  (napva<j(76;  1881  S.  275): 

A  I  ^  X  P  I  ß  /^^ 
4)  I  A  I    €  K  O 
K  /^  I  A  I  O  ^ 

22  Auf  dem  unteren  Theil  einer  kleinen  pfeilerartigen  Stele 
a.  pent.  M. 


DIE   ATTISCHEN   GRABSTEINE  369 

A   A   E   i   I   A   E  n   € 
P   P   O   K   A   El  AO 
AAMYAKHAO^ 


Den  oberen  Theil   des   Steines   nahm    eine    aufgemalte  Pal- 


mette ein,  welche  durch    eine  gleichfalls  gemalte    Leiste  von 
der  Inschrifttläche  abgesondert  wurde. 

23  Kleine  Stele  a.  pent.  M.  mit  Leiste  und  Ryma  als  obe- 
ren Abschluss  und  der  Inschrift  (C. /.  G.  973*  'E(p.  äp;^.1537 
C;.  /.  A.  111  3291) 

M  Y  P  T  1  ^ 
OP//|OIQ/^0€ 


Schöne  grosse  alterthümliche  Buchstaben  der  Uebergangszeit. 

24  Kleine  Stele  aus  pent.  M.  mit  Leiste  und  Kyma;  darauf 
die  Inschrift  (llapvacco?  1881  S.275): 

^AAAMI/^IO^ 
(J)  I  A  Ü  /^ 

Das  Ethnikon  steht  unmittelbar  unter  der  Leiste,  der  Eigen- 
name unten  im  Felde,  dieser  vermuthlich  über  dem  hier 
gemalt  gewesenen  Bilde  des  Verstorbenen. 

25  Kleiner  Pfeiler  a.pent.M.;  die  Fläche  unter  der  Inschrift 
ist  rauh  gelassen  (Kumanudis  3469). 

+  A  P  T  O 

Man  hat  vorgeschlagen  zu  lesen  XapTo[;],  aber  die  Inschrift 
ist  vollständig.  Als  Nominativ  hat  man  sich  XapTTi?  zu  denken. 

26  Bruchstück  einer  Platte  a.  pent.  M. 

MITTH.  D.  ABGH.  INST.  X.  24 


370  DIE   ATTISCHEN  GRABSTEINE 

A  O  H 
/^  O  A 
O  T  O 

Die  Grösse  und  Form  der  Buchstaben  und  die  Vertheilung 
der  Zeilen  lassen  über  die  Zeit  keinen  Zweifel, 

27  Kleine  pfeilerartige  Stele  a.  pent.  M.  unten  gebrochen, 
am  oberen  Kande  die  Inschrift  (Kumanudis  3185  ß) 

^  A  tA  E  /^  H  ^ 

Unsicher  und  leicht  eingeritzte  Buchstaben,  die  indess  keinem 
Zweifel  über  die  Zeit  Raum  lassen.  Unterhalb  der  Inschrift 
Rest  eines  Reliefs,  welches  den  Todten  bartlos  in  stehender 
Haltung  darstellte;  das  Gesicht  Verstössen. 

28  Stele  aus  graulichem  Marmor,  oben  Gesims.  Die  erste 
Z.  der  Inschrift  steht  auf  dem  Gesims,  die  folgenden  zwei  un- 
ter dem  Gesims  im  Felde. 

AlO/^V^OAßPOY 

APO AAQN I AHS 
X  EPPONHSITH2 

Unsicher  eingegrabene  üebergangsformen.  Die  Stele  war  na- 
türlich bemalt. 

29  Kleiner  Pfeiler  a.  pent.  M.  gef.  b.  der  Hagia  Trias. 

0  I  A  A  I  /^  I  € 
/^  E  O  A  A  E 
K  E  T  A  I 

30  Bruchstück  einer  Platte  a.  pent.  M.  an  der  Seite  abge- 
schrägt (Kumanudis  2049). 


DIE  ATTISCHEN   GRABSTEINE  371 

APXEAHMO 
A  P    I  €TOBOAH^ 

Grosse  schöne  Schrift.  Ausgeprägt  alterthümliche  Formen 
fehlen  zufällig,  über  die  Zeil  kann  kein  Zweifel  sein. 

31  Platte  a.  pent.  M.  oben  glatt  abgeschnitten;  unter  dem 
Rand  die  Inschrift  (Kumanudis  3121): 


MEAETHENOAAE 
KEITAirYAHArAO 

H 

32  Tafel  a.  pent.  M.  mit  Giebel  und  Relief,  vgl.  Heyde- 
mann  Marmorbild  werke  z.  Athen  n.  804  v.  Sybel  Katalog  der 
Skulpturen  z.  Athen  104.  Einer  nach  rechts  sitzenden  Frau 
mit  verhülltem  Hinterkopf  reicht  eine  stehende,  weibliche 
Gestalt  die  Rechte;  in  der  gesenkten  L.  hält  die  letztere  einen 
Vogel.  Am  Schaft  die  Inschrift  ('E<p.ap;^. 261 1  Kumanudis  2629): 

ENOAAEAPI^^TVAAAKEITAI 
PAI^AP  l^€TaNO^TEKAIPOAIAAH€ 

€n4)pnNrnoYrATEP 

Ungelenke  noch  durch  keine  feste  Regel  gebundene  Schrift. 

33  Massive  Vase  a.  pent.  M.  mit  Relief:  eine  nach  rechts 
sitzende  Frau,  welche  in  der  Linken  einen  Spiegel  hält,  hat 
einem  vor  ihr  stehenden  Manne  die  Hand  gereicht;  neben 
dem  Stuhl  steht  ein  Kind, welches  in  der  Rechten  dem  Manne 
einen  Vogel  entgegen  hält;  darüber  die  Inschrift  (Kumanu- 
dis 3209) : 

NIKO^^TPATHTYNHAPUTH 
Schrift  ähnlich  wie  in  der  vorhergehenden  Nummer. 


372  DIE   ATTISCHEN   GRABSTEINE 

34  Niedriger  Pfeiler  a.  pent.  M.;  der  Raum  unter  der  In- 
schrift ist  nicht  geglättet  (Kumanudis  3422). 

0  I  A  I  n  P  H 
EME/^OXftPA 

Es  wird  nicht  anders  gelesen  werden  können  als  «I>i>.{tc7U7]. 
'E(ji.([x)£vo'j  ywpa.  In  der  zweiten  Z.  wird  die  Begräbnissstätte 
als  dem  Emmenes,  vermuthlich  dem  Mann  der  Philippe,  an- 
gehörig bezeichnet.  In  demselben  Sinne  stand  x"P°^  vielleicht 
C.I.  A.  I  497;  im  4.  Jahrh.  ist  der  übliche  Ausdruck  j^wpiov^ 

35  Kleiner  schmaler  Pfeiler  a.  pent.  M.  (Kumanudis  3059). 


K  AET/xK  AET^ 
N       Y     M    O 

Eigenthümliche  im  Druck  nicht  wiederzugebende  Schrift. 
Das  zweite  Tau  reicht  über  die  übrigen  Buchstaben  hinweg, 
während  das  Omega  beide  Male  in  der  Luft  schwebt. 

36  Sehr  kleines  Täfelchen  a.  pent.  M.  mit  glattem  spitzen 
Giebel. 

APUTOKAEIA 
EA'OAAE  K  E  ITAI 


37  Tafel  a.  pent.  M.  mit  runder  Bekrönung,  auf  welcher 
in  Relief  zwei  sich  gegenüber  stehende  Löwen  mit  erhobenen 
Tatzen  dargestellt  sind.  Darunter  auf  der  Leiste  die  Inschrift 
(Kumanudis  587) 

A  P  K  T  E  A  ^  :  I  C|)  I  €  T  I  A  A  H  ^ 

Darunter  auf  einer  zweiten  Leiste  in  grösseren  Buchstaben 


'  In  diesem  Sinne  steht  das  Wort  Arisloph.  Ljs.  600. 


DIE   ATTISCHEN  GRABSTEINE  878 

TIMAPI^TH/^tOEOC^aA^TO^AAMPTPEin^ 
API^Tn/^YMO€:APUTAIOY:l0I^TIAAH^ 
APUT0MAX0€:APUTE0Y:I<1)UTIAAH^ 

Darunter  Relief:  rechts  zwei  bärtige  Männer,  die  sich  die 
Rechte  reichen;  links  ihnen  ziii^ewandt  eine  Frau,  welche  die 
Sphendone  trägt  und  mit  der  L.  einen  Zipfel  des  Gewandes 
nach  dem  Gesicht  zu  führen  scheint;  alle  Figuren  stehend. 
Die  Inschrift  ist  incorrect  eingehauen,  TIMAPI^TH/^  statt 
TIMAPI^TH,  ein  Mal  APICTAIOY  statt  API^TEOY. 

Die  hiernach  dem  formalen  (Iharakter  der  Schrift  zusam- 
mengestellten Grabsteine  bilden  auch  in  anderen  Beziehun- 
gen, in  der  Fassung  und  Anordnung  der  Aufschriften,  dem 
Stil  und  der  Composition  der  bildlichen  Darstellungen  und 
der  tektonischen  Form  eine  geschlossene  Gruppe,  die  sich  so 
wohl  von  den  älteren  wie  den  jüngeren  Monumenten  unter- 
scheidet. Es  würde  einer  grösseren  Anzahl  von  Abbildungen 
bedürfen,  um  diese  verschiedenen  Gesichtspunkte  zu  verfol- 
gen;  ich  begnüge  mich  hier  einige  Momente  hervorzuheben. 

Was  die  angeführten  Grabdenkmäler  verbindet  und  schei- 
det, ist  hauptsächlich  ein  Negatives:  das  Fehlen  fester  con- 
ventioneller  Formen.  Diese  Regellosigkeit  giebt  sich  ebenso 
wie  in  den  Formen  der  Buchstaben  in  der  Fassung  der  In- 
schriften kund.  Die  vorpersischen  Grabsteine  tragen,  von  me- 
trischen Inschriften  abgesehen,  den  Namen  des  Todten  im  Ge- 
netiv ohne  weiteren  Zusatz;  die  spätere  Sitte  setzt  auf  den 
Grabstein  der  attischen  Bürger  den  Namen  des  Todten  im 
Nominativ  mit  folgendem  Vatersnamen  und  Demolikon;  bei 
Bürgerinnen  tritt  ausserdem  noch  der  Name  des  Gatten  hinzu. 
Die  aufkommende  Sitte  den  Namen  des  Vaters  beizufügen  hat 
wohl  die  erste  Veranlassung  gegeben,  dass  man  den  Namen  des 
Todten  in  den  Nominativ  statt  in  den  Genetiv  setzte.  In  den 
oben  gesammelten  Inschriften  gehen  regellos  Nominativ  und 
Genetiv  mit  und  ohne  Vatersnamen  neben  einander  her.  Das 


374  DIE   ATTISCHEN   GRABSTEINE 

durchgehende  Fehlen  der  Demotika  in  diesen  Inschriften  darf 
niclit  als  etwas  Conventionelles  angesehen  werden,  sondern 
heruht  auf  einem  historischen  Grund:  es  wird  dadurch  be- 
wiesen, dass  die  Gemeindeverfassung  des  Kleislhenes  um  die 
Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  noch  nicht  zu  dem  festen  Rah- 
men geworden  war,  in  welchem  sich  das  bürgerliche  Leben 
bewegte.  Eine  Ausnahme  bildet  die  Inschrift  n.37,  welche  aus 
formalen  Gründen  der  Schrift  von  mir  an  das  Ende  der  Reihe 
gestellt  worden  ist  und  vielleicht  aus  der  folgenden  Periode 
stammt,  obwohl  sie  andere  Unregelmässigkeiten  an  sich  trägt, 
auf  welche  oben  hingewiesen  worden  ist.  In  den  älteren  Stü- 
cken ist  dem  Namen  des  Todten  einige  Male  ein  avvip  äyaOo?, 
yuvy]  (xyaOyi  beigefügt,  ein  Ansatz  zu  einer  stehenden  Formel 
wie  in  den  Grabschriften  anderer  Landschaften  j^pYiaro?,  j^pyiuTTj 
oder  'opw<;,  welcher  später  durch  das  Demotikon  verdrängt 
worden  ist. 

Eine  grössere  Vollständigkeit  in  der  Nomenclatur  und 
grössere  Gleich mässigkeit  in  der  Fassung  als  die  Grabschriften 
der  attischen  Bürgerweisen  diejenigen  derFremden  auf,doch 
fehlt  es  auch  in  diesen  nicht  ganz  an  Abweichungen,  welche 
bestätigen,  dass  sie  derselben  Epoche  angehören  wie  jene.  Das 
Ethnikon  ist  drei  Mal  (n. 18. 19.20)  abweichend  von  dem  Ge- 
brauch der  späteren  Zeit  nicht  auf  den  Namen  des  Todten  son- 
dern auf  den  desVaters  desselben  bezogen.  Vermuthlich  hat  man 
durch  diese  Verbindung  anzeigen  wollen,  dass  der  Vater  des 
Verstorbenen  in  Attika  eingewandert  war,  eine  Unterschei- 
dung welche  später  nicht  mehr  gemacht  worden  ist.  Eigen- 
thümlich  ist  die  Anordnung  der  Inschriften  H  und  28,  in 
welchen,  in  jener  das  Ethnikon,  in  dieser  der  Name  des  Vaters 
vor  und  über  dem  Namen  des  Verstorbenen  eingegraben  sind. 
Was  die  lek  ton  ische  Form  derSteine  anlangt, so  erschei- 
nen als  besonders  charakteriscli  für  den  hier  behandelten 
Zeitraum  die  kleine  oben  mit  Leiste  und  Kyma  abgeschlos- 
sene Stele,  der  kleine  etwa  eine  Spanne  breite  und  entspre- 
chend hohe  Pfeiler  und  die  kleine  oben  giebelartig  zugespizte 
Tafel  oder  Stele.  Die  Stele  mit   Palmettenbekrönung  fehlt  ge- 


DIE   ATTISCHEN  GRABSTEINE  375 

wiss  nur  zufällig  in  dem  aufgestellten  Verzeichniss;  sie  wird 
vertreten  durch  die  Stücke  9  und  37,  auf  denen  das  sonst  zur 
Aufnahme  der  l^alinette  dienende  Rund  durch  ein  wappen- 
arlig  behandeltes  Lüwenpaar  vertreten  ist,  übrigens  so  viel 
ich  weiss  die  einzigen  bisher  bekannt  gewordenen  Beispiele 
ihrer  Art^  Daneben  kommt  die  Tafel  mit  dem  Giebel,  aber 
noch  ohne  die  seitlichen  Pilaster  vor,  welche  das  architekto- 
nische Bild  vollenden.  Alle  diese  tektonischen  Formen  gehen 
in  letzter  Instanz  auf  den  zur  Aufnahme  des  Namens  und  Bil- 
des des  Todten  bestimmten  Pfeiler  zurück.  Auf  einem  ande- 
ren Princip  beruhen  die  Formen  der  massiven  Vase  und  des 
massiven  einfach  profilirten  Rechtecks,  von  denen  jene  die  beim 
Todtencult  gebrauchte  ihönerne  Lekythos,  diese  den  Holzsar- 
cophag  nachbildet.  Man  hat  gemeint,  dass  die  Sitte  den  Lei- 
chensteinen die  Form  eines  Gefässes  zu  geben  auf  das  vierte 
Jahrhundert  beschränkt  gewesen  sei;  das  oben  unter  n.  3  be- 
schriebene Exemplar  beweist,  dass  sie  wenigstens  bis  in  die 
Mitte  des  fünften  zurückreicht.  Das  höhere  Alter  des  letzteren 
giebt  sich  auch  in  der  Bildung  zu  erkennen:  die  starke  Ver- 
jüngung wirkt  weniger  gefällig  als  die  mehr  bauchige  Form 
jüngerer  Exemplare.  Während  also  die  Grabvase  dem  fünften 
Jahrhundert  nicht  abgesprochen  werden  darf,  reicht  die  dem 
Sarcophag  nachgebildete  Form  der  Grabsteine,  welche  in  viel 
späterer  Zeit  mit  Relieffriesen  geschmückt  und  in  dieser  Aus- 
bildung nach  Rom  übertragen  worden  ist,  nach  den  bisheri- 
gen Erfahrungen  in  Attika  nicht  über  die  Mitte  des  vierten 
Jahrhunderts  hinauf. 

Um  von  dem  Reliefstil  der  hier  besprochenen  Grabdenk- 
mäler wenigstens  eine  Vorstellung  zu  geben,  habe  ich  die 
Steine  des  Phi  lesios  und  der  A r i sty IIa  auf  Taf.Xlli  und 
XlVabbilden  lassen.  Der  erstere  trägt  das  älteste  nachweisbare 
Beispiel  der  Darstellung  der  Se^icoiri?  auf  attischen  Grabsteinen. 


'  Verwandt  aber  wie  es  scheint  jünj2;cren  Ursprunges  ist  die  öfter  vor- 
kommende Ausfüllung  des  Sielenrundes  mit  zwei  sich  über  einem  am  Bo- 
den stehenden  Kantharos  stossenden  Ziegenböcken. 


376  DIE   ATTISCHEN  GRABSTEINE 

Nichts   deutet  in   diesem  Relief  auf  die  Wiederholung   eines 
traditionellen  Typus  hin;   die  rechts  stehende    Figur  des  Va- 
ters des  Philesios  ist  ganz  originell  gedacht.  Wie  die  Haltung 
des  in   den  Mantel  gewickelten  linken  Armes  zeigt,  hat  man 
sich  den  Alten  auf  einen  Stock  gestützt  zu  denken;   in  Folge 
dieses  Motives  ist  der  Mantel  hinten  hinabgeglitten  und  lässt 
den  in  Dreiviertelansichl  dem  Beschauer  zugewandten  Rücken 
frei;  die  Linie  des  Rückgrats  ist  am  Original  durch  eine  tiefe 
Furche    bezeichnet.  Es  ist  dem  Künstler  nicht  gelungen,  die 
Haltung  des  Oberkörpers  mit  dem  Motiv  des  Aufstützens  voll- 
kommen in  Einklang  zu  setzen. Der  Grabstein  der  Aristylla 
wiederhohlt  den  Typus  der  Dexiosis;  die  Mutter  der  Aristylla 
Rodilla  ist  sitzend  dargestellt,  wie  meistens  die  Frauen  in  die- 
sen  Scenen.  Während  diese    Figur  durch    die  bewegungslose 
Ruhe,  in  der  sie  befangen  erscheint,  idolartig  wirkt,  erinnert 
die  vor  ihr  stehende  Gestalt  der  Aristylla  in  Haltung  und  Ge- 
wandbehandlung  an  manche  Figuren  des  Parthenonfrieses; 
auch  die  Züge  der  Beischrift  lassen  auf  Gleichzeitigkeit   mit 
diesem  schliessen.  Aber  auch  die  Figur  der  Aristylla  für  sich 
betrachtet  macht  keinen  ganz  harmonischen  Eindruck.  In  den 
Beschreibungen   des   Grabsteins  wird  die  Figur  als  "Frau" 
bezeichnet  oder  aufgefasst,  und  in  der  That  ist  der  erste  Ein- 
druck den  man  erhält  der  einer  Frau  oder  eines  erwachsenen 
Mädchens.  Der  Künstler  hat,  wie  die  unentwickelte  Brust  imd 
das  in  den    Beschreibungen    übersehene  Attribut  des   Vogels 
beweisen,  ein  Kind  darstellen  wollen,  hat  es  aber  nicht  ver- 
slanden bei    der  Ausführung  die  Formen    und    Proportionen 
des  weiblichen  Körpers  in  das  Kindliche  umzusetzen.  Aehn- 
lich  wie  die  Figur  der  Aristylla  auf  dem  attischen  Grabstein 
wirkt   das    Mädchen  mit   dem  Voejel   auf  einem   bekannten, 
künstlerisch  weit  höher  stehenden   Relief  aus  Paros,  welches 
auch  zeitlich  jenem  verwandt  ist  {\nc  Marbles  in  Great  Britain 
z.  S.  229). 

Den  besprochenen  Grabsteinen  haftet  etwas  Unfertiges,  Un- 
harmonisches aber  Ursprüngliches  an,  welches  sich  in  der 
Form  sowohl  wie  in  der  Aufschrift  und  dem  Bildwerk  kund 


DIE    ATTrSCHEN   ORABSTEINE  377 

giebt.  Diese  Eigenschaften  geben  ihnen  ein  eigenthümli- 
ches  Gepräge.  Die  Grabsteine  stellen  darin  nicht  allein.  Es 
sind  dieselben  Eigenschaften,  vveleho  die  gesammte  Cultur 
der  grösseren  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  charakterisiren 
und  ihr  einen  besonderen  Keiz  verleihen.  Dem  war  nicht  im- 
mer so  gewesen.  Es  war  eine  Zeit  vorausgegangen,  in  wel- 
cher sich  Sitte  und  Kunst  in  Griechenland  in  festen, durch  die 
Tradition  bestimmten  Formen  bewegt  hatten.  Die  typische 
Form  für  den  Schmuck  der  Gräber  war  wenigstens  in  Athen 
die  schlanke  hohe  Stele  mit  dem  lebensgrossen  Bild  des  Ver- 
storbenen und  einer  meist  metrischen  Inschrift  gewesen. 
Durch  den  Sturm  der  persischen  Invasion,  welcher  wie  kein 
anderes  früheres  oder  späteres  Ereigniss  der  griechischen  Ge- 
schichte das  gesammte  nationale  Leben  bis  in  die  innersten 
Tiefen  aufgeregt  hat,  waren  die  alten  überlieferten  Formen 
gebrochen,  war  die  Bahn  zu  einer  neuen  Entwickelung  frei 
gemacht  worden.  Die  griechische  Cultur  ist  aus  den  Perser- 
kriegen nicht  nur  gerettet,  sondern  neugeboren  hervorgegan- 
gen. Von  dieser  Neugeburt  sind  auch  die  attischen  Grab- 
denkmäler beeinflusst  worden.  Auch  auf  diesem  beschränk- 
ten Gebiet  ist  man  von  den  alten  traditionnellen  Formen 
abgewichen,  ohne  deshalb  vollständig  mit  der  Vergangen- 
heit zu  brechen.  Nach  der  vorpersischen  Sitte  war  der 
Name  des  nächsten  Anverwandten^  welcher  den  Grabstein 
hatte  errichten  lassen,  neben  dem  Namen  des  Todten  in  dem 
Epigramm  genannt  worden;  in  der  nachpersischen  Zeit  hat 
man  den  Errichter  des  Denkmals  neben  dem  Todten  auf  dem 
Grabstein  abgebildet  und  den  beiden  Bildern  die  Namen  über- 
geschrieben. Später  hat  man  dann  die  Bilder  anderer  dem 
Verstorbenen  durch  die  Bande  des  Blutes  oder  treuer  Anhäng- 
lichkeit verbundener  Lieben  hinzugefügt.  So  sind  die  wun- 
derbaren Familienscenen  entstanden,  welche,  mit  den  Mitteln 
der  neu  aufblühenden  Kunstfertigkeit  ausgeführt,  seitdem 
den  charakteristischen  Schmuck  der  attischen  Gräber  bilden. 
Die  Erweiterung  der  bildlichen  Darstellung  erforderte  andere 
Raumverhältnisse;  so  entstanden  neue  Formen  der  Grabsteine, 


378  DIE  ATTISCHEN  GRABSTEINE 

welche   theils  von  der  alten   Stelenform  abgeleitet  theils  von 
dieser  unabhängig  waren. 

Wie  weit  die  oben  mitgetheilten  Inschriften  in  der  Zeit 
hinaufreichen,  ist  mit  Sicherheit  nicht  zu  sagen;  die  ältesten 
derselben  werden  schwerlich  viel  jünger  sein  als  der  Abzug 
der  Perser  aus  Griechenland.  Das  vierschenkeliche  Sigma  ist 
höchst  wahrscheinlich  aus  dem  jonischen  Alphabet  in  das  atti- 
sche übergegangen;  Inschriften  wie  n. 2  lassen  vermuthen,dass 
es  ähnlich  wie  jenes  in  den  Privatgebrauch  früher  recipirt  wor- 
den ist  als  vom  Staate.  Die  mitgetheilten  Texte  beweisen,  dass 
das  jonische  Alphabet  in  Athen  um  die  Mitte  des  fünlten  Jahr- 
hunderts für  private  Aufzeichnungen  auf  Stein  verwandt  wor- 
den ist;  es  kann  nicht  wohl  anders  gedacht  werden,  als  dass 
es  in  den  litterarisch  gebildeten  und  ihätigen  Kreisen  schon 
in  der  vorhergehenden  Epoche  im  Gebrauch  gewesen  ist  ^ 
Wenn  daher  die  Weihinschriften  in  attischem  Alphabet  bis 
an  das  F]nde  des  fünften  Jahrhunderts  herabreichen,  so  ist 
daraus  zu  schliessen,  dass  man  für  die  zur  Aufstellung  in  öf- 
fentlichen Heiligthümern  bestimmten  Aufzeichnungen  andern 
Grundsätzen  gefolgt  ist  und  an  der  alten  Schrift  festgehalten 
hat,  so  lange  der  Staat  sich  derselben  für  seine  amtlichen 
Aufzeichnunofen  bediente.  Dasieeen  o^iebt  es  eine  andere  Classe 
von  Denkmälern,  welche  genau  dieselben  Erscheinungen  der 
Schrift  aufweist  wie  die  Grabsteine  aus  der  nachpersischen 
Zeit  und  von  diesen  nicht  getrennt  werden  kann.  Auf  rothfi- 
gurigen  Vasen  findet  man  nicht  nur  attische  und  jonische 
Zeichen  in  den  Formen  der  üebergangszeil  neben  einander 
verwendet,  sondern  auch  dieselben  Fehler  in  der  Verwendung 
der  jonischen  Zeichen  für  die  langen  Vocale  wie  in  einigen 
der  oben  besprochenen  Grabinschriften^. 


*  Ich  glaube  auf  Grund  der  Grabsteine  noch  etwas  weiter  gehen  zu  kön- 
nen als  V.  Wilamowitz  (Homerische  Unters.  S.  303  f.),  der  im  Uebrigen 
richtig  geurtheilt  hat.  Den  Grabstein  der  Hipparete  aber  hätte  v.  W.  nicht 
wieder  dem  fünften  Jahrhundert  zuschreiben  sollen;  die  Inschrift  ist  wirk- 
lich nicht  älter  als  die  Mitte  des  vierten. 

2  Für  die  Bequemlichkeit  der  Leser  setze  ich  zur  Vergleichung  die  In- 


DIE    ATTISCHEN   CtRABSTEINE  379 

Grabinschriften  in  aUisscheiri  Alphabet  und  vollkommen  re- 
gelmässiger Schrift  sind  nicht  vorhanden.  Von  den  aus  dem 
Corpus  angeführten  Inschriften  gehören  n. 489  und  401, welche 
ich  im  Original  gesehen  habe,  sicher,  491«  nach  den  Drucken 
wahrscheinlich  der  Uebergangszeil  der  Schrift  an;  490  ist  nur 
vermuthungsweise  unter  die  Grabschriften  aufgenommen  wor- 
den. Auf  den  Steinen  der  üebergangszeit  überwiegt  das  jo- 
nische Alphabet.  Alles  drängt  zu  dem  Schluss,  dass  dieses 
spätestens  seit  dem  Anfang  des  peloponnesischen  Krieges  in 
Attika  allgemein  in  den  Grabinschriften  angewendet  wor- 
den sei. 

ULRICH  KOEHLER. 


Schriften  einer  dieser  Vasen  hier  her  (Dumont,  Les  CSramiques  de  la  Grece 
propre  Tf.  IX):  PO/VTOMEAEIA  AO^O  r/^AYKE  OAAEIA  KYMOAflKE  KYMO- 
OEA  TAAE/VE.  Ein  anderes  Beispiel  b.  Furtwängler,  Die  Samml.  Sabouroff 
Tf.  55.  Diese  Vasen  dem  vierten  Jahrhundert  zuzuschreiben  halte  ich  we- 
gen der  Schrift  für  unmöglich. —  Mit  den  Aufschriften  der  Grabsteine  stim- 
men natürlich  auch  die  von  Gräbern  herrührenden  opot  überein.  C.  I.  A.  II 
1064.  1071  (vgl.  S  540)  und  1073 gehören,  obwohl  in, jonischem  Alphabet  ge- 
schrieben, der  Üebergangszeit  des  fünften  Jahrhunderts  an.  Gemischtes  Al- 
phabet hat  der  'Aörjvaiov  IV  S.  123,  13  verötfentlichte  Stein;  in  der  Fassung 
hat  diese  Inschrift  eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  der  Grabschrift  der  Phi- 
lippe (oben  n.  34). 


Alexandrinische  Sculpturen  in  Athen, 

(Tafel  XXI  XII.) 


Vor  einigen  Jahren  hat  Puchstein  in  diesen  Mittheilungen 
(1882,  S.  8  ff.)  auf  eine  Anzahl  hellenistischer  Bildwerke  auf- 
merksam gemacht,  welche  mit  einer  Sammlung  aegyptischer 
Älterthümer  als  Schenkung  eines  griechischen  Patrioten,  Gio- 
vanni di  Demetrio,  in  den  Besitz  der  Archäologischen  Gesell- 
schaft in  Athen  gelangt  sind  und  jetzt  im  Polytechnikum  da- 
selbst bewahrt  werden.  Seitdem  ist  eine  griechisch-römi- 
sche Bronze  daraus,  die  Figur  eines  tanzenden  Fauns,  in 
der  'E^prjf;..  i.^/.  1885  ziv.  6  und  eine  altaegyptische  Bronze, 
die  Portraetfigur  einer  Priesterin  Takuschi,  in  der  Gaz.  ar- 
cheol.  1883  Tf.  33  und  34  publicirt  worden.  Das  Interesse, 
welches  diese  Produkte  alexandrinischer  Steinkunst  verdie- 
nen, wird  es  aber  rechtfertigen,  wenn  wir  auf  Tafel  10-12 
einige  andere  Figuren  der  Sammlung  Demetrio  veröffent- 
lichen. 

Der  Fundort  der  einzelnen  Stücke  ist  nicht  genauer  be- 
kannt. Gewiss  ist  nur,  dass  sie  aus  Aegypten  stammen,  und 
als  wahrscheinlich  darf  man  annehmen,  dass  Demetrio  haupt- 
sachlich in  seinem  Wohnort  Alexandrien  und  dessen  Umge- 
bung, überhaupt  im  Bereiche  des  Nildella  gesammelt  hat, 
welches  noch  heutzutage,  wie  zu  Minutoli'  s  Zeiten  und  noch 
früher', von  den  Antiquaren  Alexandriens  und  von  industriel- 


*  Minutoli,  Reise  nach  dem  Ammonstempel  S.  35.  Ders.  Abhandlungen 
vermischten  Inhalts  II,  1  S.  154  f.  Michaelis,  Anc.  marbl.  in  Girat  Briiain 
Ö.  188  und  neuerdiuf^s  Arneric.  Journ.  of  Archacul.  I  8    18. 


ALEXANDRINISCHE   SRUI.PTUREN   IN   ATHEN  38t 

len  Arabern  mit  Erfolg  ansgebeiitiU  wird.  Wenn  an  der  Pro- 
venienz im  allgemeinen  noch  ein  Zweifei  bestehen  könnte,  so 
würde  ihn  der  Gesammtcharakter  dieser  Funde,  der  Vasen 
Bronzen  und  Geräthe,  ihre  grösstentheiis  rein  aegyptischen 
Formen  und  Gegenstände,  zerstreuen.  Auch  wird  von  anderen 
Antiken  desselben  Sammlers,  welche  nach  Frankreich  und 
England  gekommen  sind,  die  Herkunft  aus  Alexandrien  aus- 
drücklich bezeugt '. 

Zur  Erklärung  der  auf  unseren  Tafeln  vereinigten  Bild- 
werke hat  bereits  Puchstein  in  dem  erwähnten  Aufsatz  einige 
Andeutungen  gegeben.  Ihm  entnehme  ich  auch  die  sachli- 
chen Notizen  über  Grösse,  Material  und  Arbeit  der  Originale, 
die  ich  selbst  nicht  untersuchen  konnte. 

Einen  bekannten  Atlantentypus  variirt  die  kleine  Bronze- 
figur Taf.XI,  1,  deren  Höhe  etwa  0,10  beträgt.  Der  knieende, 
unbekleidete  und  unbärtige  Träger  stützt  mit  beiden  erhobe- 
nen Armen  eine  dreieckige  Platte,  welche  durch  eine  nach 
dem  Rücken  der  Figur  geführte  Stange  noch  grösseren  Halt 
gewinnt.  Offenbar  ist  es  der  Träger  eines  jetzt  fehlenden, 
ursprünglich  auf  die  Platte  aufgelöteten  Gefässes  und  wir  ha- 
ben uns  die  Figur  mit  noch  zwei  anderen  so  vereint  zu  den- 
ken, dass  sie  das  Geräth  zwischen  sich  nahmen.  So  finden 
sich  kauernde  Atlanten  als  Stützen  eines  Wasserbeckens  im 
vatikanischen  Museum^  und  ganz  ähnlich  als  Träger  eines 
kugelförmigen  Gegenstandes  auf  dem  Relief  von  Scherschel 
im  Louvre^    Die  Kopfbeckung   erklärt  Puchstein  a.  a.  0.  S. 


*  Eine  runde  Marmorbasis  hieratischen  Stils  "  aus  Alexandrien"  ehemals 
bei  üio.di  Demetrio.jetzt  in  Cambridge, Trinily  College  nr.tl.^)  (Michaelis /Im;, 
marbl.S.  271), vgl.  auch  Michaelis,  Journ.  of  hell.  stud.  1885  S.292  f.  Über  die 

reicheSammlung  griechisch-römischer  Amphorenhenkel,  welche  Demetrio  aus 
den  Scherbenbergen  Alexandriens  gewonnen  hat,  berichtet  Nerutsos, 'Emyp. 
1^?  äp/.  toXecüs  'AXs^otvSpet'a?  xxX.  'A6.  1885  S.45  (Scpar.  Abdr.  aus  dem  'A^^ 
vatov  1874).  Die  oben  erwähnte  Bronzeligur  einer  aegyptischen  Prieslerin 
stammt  aus  Zakazik  im  Nildelta  (Pietschmann  zu  Perrot's  Gesch.  d.  Kunst 
d.  Alt.  I  S.  890). 

2  Visconti  Mt(.s.  Pio-Clem.  VH  Tf.  4  =  Clarac  726 />,  1770/1. 

3  Arch.  Zeit.  1862  Taf.  166,  1. 


382  ALEXANDRINISCHE  SCULPTUREN  IN  ATHEN 

11  nr.  157  fragvveise  als  einen  Helm,  doch  gleicht  sie  eher 
einer  Haube,  die  sich  kaputzenartig  um  Wangen  und  Kinn 
legt.  Vermuthlich  ist  die  persische  Tiara  gemeint,  und  als 
Perser  aufgelasst  entspricht  die  Figur  auch  der  Bedeutung 
nach  besser  der  Bestimmung  eines  Atlanten'.  Das  dem  grie- 
chischen Selbstgelühl  schmeichelnde  Motiv  ist  vielleicht 
zum  erstenmal  an  der  persischen  Halle  in  Sparta  (Paus. 3, 11. 
3  vgl.  Curtius,  Peloponnes  11,226)  angewendet  worden ;  dass 
es  — erklärlicherweise  — in  hellenistischer  Zeit  wieder  aufkam, 
beweisen  ausser  der  alexandrin ischen  Bronze  auch  zwei  als 
Pfeilerstützen  dienende,  ebenfalls  kauernde  Perserstatuen  des 
neapler  Museums,  die  in  der  Auffassung  der  Bronze  sehr  ähn- 
lich, sich  hauptsächlich  durch  das  sorgfältig  ausgeführte  iNa- 
tionalkostüm  von  ihr  unterscheiden. 

Mit  ungemein  scharfer  Charakteristik  ist  der  Typus  eines 
Schmarotzers  in  dem  Figürchen  Taf.  X  wiedergegeben  (H. 
0,15).  An  der  schlanken,  hageren  Gestalt,  deren  Leib  keinen 
Verdacht  allzu  reichlicher  Ernährung  aufkommen  lässt,  ist 
der  dicke  Kopf  mit  der  eingedrückten  aufgestülpten  Nase  und 
dem  unförmlich  breiten  Mund  das  einzig  Bemerkenswerthe. 
Wie  der  aypoixo;  in  Theophrasts  Charakteren  scheint  er  heim- 
licher Weise  etwas  aus  der  Vorrathskammer  erwischt  zu  ha- 
ben,was  er  jetzt  gierig  hinunter  schlingt.  Aber  der  würgende 
Bissen  ist  zu  gross  gerathen  und  muss  mit  beiden  Händen 
die  Kehle  hinab  gedrückt  werden.  Das  übermässig  entwickelte 
Geschlechtsglied  verstärkt  den  Eindruck  des  Komisch-Wi- 
derlichen. Die  Durchbohrung  desselben  weiss  ich  nicht  zu 
erklären.  Sie  kann  meines  Erachtens  weder  die  Infibulation 
darstellen,  noch  etwa  (woran  ich  einen  Moment  gedacht  hatte) 
dazu  gedient  haben  darin  einen  Ring  zum  Aufhängen  der  Fi- 
gur zu  befestigen.  Auch  die  Hallung  bleibt  unklar, wenn  man 
nicht  mit  Puchstein  (a.  a.  0.  S.  15  nr.  333)  annehmen  will, 


'  Gefesselte  Kriegsgefangene  als  Stützen  eines  Thrones  finden  sich  be- 
reits in  der  aegyplischen  und  assyrischen  Kunst,  iSeniper  Ölil  li^  Ö.15f.  20. 
Wilkinson,  Manmrs  and  customs  11  Tf.  H,  3. 


ALEXANDRINISCHE    SGULPTUREN    IN   ATHEN  383 

dass  irgend  ein  als  Sitz  dienender  Gegenstand  — doch  schwer- 
lich ein  ''Sessel"  —  verloren  gegangen  ist. 

Die  beiden  übrigen  Statuetten  haben  ihren  Vorwurf  augen- 
scheinlich Volkstypen  entlehnt,  wie  sie  in  den  Strassen  Ale- 
xandriens  und  anderer  Städte  des  Ptolemaeerreiches  ganz  ge- 
wöhnlich sein  mussten.  Das  kleine  Bronzefigürchen  Tafel  XI, 
2,  dessen  Höhe  nur  0,05  beträgt  (Puchstein  S.  14  nr.  332), 
stellt  einen  nubischen  Strassenverkäufer  dar*.  Seine  Waare — 
wie  es  scheint  sind  es  Früchte  — liegt  vor  ihm  auf  dem  Bo- 
den. Er  selbst  hat  sich  nach  einer  noch  im  heutigen  Aegyp- 
ten  allgemein  üblichen  Sitte  auf  die  Erde  gesetzt,  das  eine 
Bein  aufgestützt,  das  andere  untergeschlagen  2.  Die  Hände 
und  der  Kopf  ruhen  auf  dem  erhobenen  Knie.  Der  Ver- 
käufer hält  etwas  Siesta  und  der  auf  seiner  rechten  Schul- 
ter hockende  kleine  Affe  erhöht  das  VYohlgefühl  der  Ruhe 
durch  emsiges  Krauen  in  dem  dicken  VVollenhaar  seines 
Herren.  Die  zweite,  bei  weitem  grössere  Statuette  Tafel 
XII  ist  aus  Basalt  '^  und  in  ihrem  jetzigen  Zustand  etwa 
0,40  hoch  (Puchstein  S.  15  nach  nr.  333).  Es  ist  ein  Knabe 
von  schlanken  Formen ,  wiederum  mit  der  scharf  ausge- 
geprägten  Physiognomie  eines  Nubiers.  Er  steht  ruhig  auf 
dem  linken  Bein,  hat  den  linken  Ellenbogen  fest  in  die  Hüfte 
gestemmt  und  mit  der  Hand  einen  Gegenstand  hochgehalten, 
zu  welchem  der  breite  Ansatz  auf  der  linken  Schuller  gehört 


*  Herr  Prof.  Rob.  Hartmanii  in  Berlin  hatte  die  Güte  mir  über  diese 
Bronze  brieflich  mitzulheilen:  Überraschend  wirkt  Taf.  XI  Fig.  2:  Haar- 
tracht, die  glatte,  etwas  bärtige  Physiognomie,  die  Art  des  Kauerns,  die 
dünnen  Glieder,  der  stark  entwickelte  Phallus,  das  Ätl'chen  erinnern  durch- 
aus an  einen  Schwarzen  des  oberen  Nilsyslems.  Unter  meinen  Bleistift-und 
Aquarellskizzen  aus  Dongola  und  Sennaar  tindet  sich  diese,  dort  ganz  na- 
türliche Stellung  öfters  dargestellt,  sie  ist  eben  echt  landesgemäss.  Aber 
auch  die  sonstigen  Einzelheiten  des  Figürchens  trügen  nicht. 

2  Diese  Sitzweise  zeigt  auch  die  Bronzeligur  eines  Neger-  Knaben  in  den 
Wiener  Kaiserl.  Sammlungen,  welche  Schneider  im  Jahrb.  d.  Kunsthist. 
Samml.  d.  allerh.  Kaiserh.  1885  S.  3  Ü'.  publicirt  hat,  wo  im  Text  die  Ver- 
breitung des  Typus  ausführlich  besprochen  ist. 

3  Auf  der  Tafel  ist  irrlhüuilich  Bronze  als  Material  augegeben. 


384  ALEXANDRINISCHE   SCULPTUREN   IN   ATHEN 

haben  muss.  Der  rechte  Arm  bewegt  sich  gegen  diesen  jetzt 
fehlenden  Gegenstand,  den  Puchstein  für  eine  Leyer  hält. 
Auch  Prof.  Hartmann  empfing  zunächst  den  Eindruck,  als 
könne  in  der  Statuette  ein  Leyerspieler  gemeint  sein,  er- 
kannte aber  auch,  das»  die  Rassenmerkmale  (die  starke  Ent- 
wicklung der  Genitalien,  die  breittlüglige  Nase,  der  breite 
fleischige  Mund  und  das  lockige  Haar)  aus  dem  griechisch - 
römischen  Kreise  herausweisen.  Zu  letzteren  Merkmalen  ge- 
hört sicher  das  wollige  Haar,  welches  an  griechischen  Köpfen 
mit  hellenischem  Typus  nicht  vorkommt,  den  einzelnen  Fall 
des  gewöhnlich  auf  ßerenike  bezogenen  Bronzekopfes  im  nea- 
pler  Museum  {Bronzi  d'Erc.  I.  59.  60)  ausgenommen,  dessen 
Vorbild  eben  desshalb  im  Bereich  alexandrinischer  Mischkul- 
tur zu  suchen  ist.  Jedenfalls  würde  das  Musikgeräth  des  nu- 
bischen  Knaben  nicht  die  griechische  Leyer,  sondern  irgend 
ein  in  den  oberen  Nilländern  übliches  Instrument  gewesen 
sein.  Doch  ist  diese  Ergänzung  keineswegs  sicher.  Aus  der 
starken  Einbiegung  der  Hüfte  und  dem  Aufstützen  des  Arms 
auf  dieselbe  ist  zunächst  nur  zu  scliliessen,  dass  der  Knabe 
ein  schweres  Geräth  nach  der  noch  jetzt  im  Süden  gewöhnli- 
chen Weise  *  mit  emporgehaltener  Handfläche  getragen  hat, 
und  man  könnte  vermuthen,  dass  er  die  Last  durch  Anfas- 
sen mit  der  Rechten  vor  dem  Wanken  bewahren  wollte.  Von 
dem  Kopf  meint  Puchstein,  er  sei  bittend  oder  bettlerhaft 
links  nach  oben  gewendet.  War  es  also  ebenfalls  ein  Stras- 
senverkäufer ,  den  der  Verfertiger  der  Statuette  darstellen 
wollte,  so  mag  man  sich  denken,  dass  er  in  den  Strassen  Ale- 
xandriens  mit  lauter  Stimme  seine  Waaren  angepriesen  hat 
und  nun,  nach  den  Erkern-  emporschauend,  die  Wirkung 
seines  Rufes  abwartet. 


*  Vergleiche  z.  B.  Ebers,  Aegypten  II  S.  157,  eine  Orangenverkäuferin, 
welche  ihre  Früchte  auf  der  Ilachen,  emporgehobenen  Hand  trägt.  Ein  alt- 
aegyplisches  Beispiel  giebt  Wilkinson,  Manners  II  Fig.  77  IS.  6. 

^  Ich  bemerke  beiläufig,  dass  balconi  pensüi  (maeniana)  schon  im  alten 
Alexandria  vorauszusetzen  sind,  als  Vorbilder  der  pompejanischen  Erker- 
bauten und  zugleich  der  arabischen  Maschreblyen. 


ALEXANDRINISCHE    SCULPTUREN   in  ATHEN  385 

Auf  die  technische  Ausführung  der  Figuren  kann  ich  ohne 
Autopsie  der  Originale  nicht  näher  eingehen.  Die  sorgfältige 
Zeichnung,  welche  den  Abbildungen  zu  Grunde  liegt,  erlaubt 
jedoch  noch  in  einem  Punkte,  der  für  die  zeitliche  Ansetzung 
der  Statuetten  entscheidend  ist,  ein  hinreichend  sicheres  Lir- 
theil.  Die  Perserligur  Taf.  XI,  1  in  ihrer  "rohen"  Modelli- 
rung  könnte  auch  in  römischer  Zeit  entstanden  sein,  nicht  so 
die  übrigen  Bronzen  und  die  Basaltfigur,  an  denen  die  tref- 
fende Charakteristik  des  gierigen  Schmarotzers  und  des  nubi- 
sehen  Rassentypus  das  höchste  Lob  verdient.  Es  steigert  sich 
noch, wenn  wir  beobachten,  mit  welchem  Fleiss  an  dem  kaum 
daumenlangen  Figürchen  des  nubischen  Fruchthändlers  selbst 
noch  die  einzelnen  Löckchen  des  wolligen  Haupthaars  ausge- 
führt sind.  Solcher  Leistungen  war  die  gewöhnliche  Routine 
römischer  Bronzearbeiter  nicht  fähig,  wir  dürfen  sie  nur  in 
der  hellenistischen  Epoche  suchen,  in  welcher  die  griechische 
Toreutik  ihre  höchste  Vollendung  erreichte.  Soweit  mit  der 
Datirung  hinaufzurücken,  nöthigt  uns  auch  die  geschickte 
Behandlung  des  Basaltes  in  der  Statuette  des  nubischen  Kna- 
ben. In  römischer  Zeit  wird  dieses  harte  Material  noch  häu- 
fig genug  für  Sculpturen  verwendet,  aber  die  erlahmende 
Technik  vermag  ihm  nicht  mehr  feinere  Modellirung  abzuge- 
winnen. Die  alexandrinischen  Steinarbeiter  der  hellenistischen 
Epoche  und  namentlich  der  früheren  Zeit  der  Ptolemaeer- 
herrschaft  waren  darin  den  römischen  Steinmetzen  weit  über- 
legen, da  sie  die  Handgriffe  der  Technik  direkt  von  ihren  ait- 
aegyptischen  Vorgängern  überkamen.  Es  lässt  sich  aus  den 
erhaltenen  Denkmälern  überhaupt  nachweisen,  dass  die  ge- 
rühmten Handfertigkeiten  der  Werkstätten  Aegyptens  vor  Ale- 
xanders Zeit,  die  Kunst  in  den  härtesten  Steinen,  in  Glas  und 
Edelmetallen  zu  arbeiten,  mit  ihren  besonderen  Manipulatio- 
nen, ihren  Formen  und  Mustern,  nach  dem  Einwandern  grie- 
chischer Kultur  auch  auf  die  alexandrinisch  -  griechische 
Kleinkunst  überging. 

Ich  habe  kein  Bedenken  getragen  unsere  Figuren  sofort  in 
den   kunsthistorischen  Zusammenhang  einzureihen,  dem  sie 

•UlTTH.  D.  ABOH.  INST.  X.  25 


386  alkxandrinisgme  sculpturen  in  athen 

meiner  Ueberzeugung  nach  angehören.  Aber  es  bedarf  noch 
der  Rechtfertigung  von  aiexandrinischer  Plastik  im  engeren 
Sinne  des  Wortes  zu  reden,  einer  Kunst  deren  Vertreter  die 
schriftliche  üeberiieferung  völlig  mit  Stillschweigen  übergeht, 
während  sie  von  alexandrinischen  Architekten  und  Malern 
so  viel  zu  berichten  weiss. Sollte  es  nicht  bedeutsam  sein, wird 
man  einwenden,  dass  sich  kein  einziger  Name  eines  in  Ale- 
xandrien  geborenen  und  daselbst  thätigen  Bildhauers  der  Pto- 
lemaeerzeil  erhalten  hat?*  L,ucy  Mitchell  {Hist.  of  anc.sculpt. 
S.  60(3)  kommt  denn  auch  zu  dem  Schluss,  dass  kein  Grund 
vorliege  in  Aegypten  eine  neue  und  lebenskräftige  Kunst  der 
Art, wie  sie  sich  in  Pergamon  und  auf  Rhodos  entwickelt  hat, 
vorauszusetzen. Die  Statue  des  Nil  im  Vatikan,  deren  Ursprung 
man  so  gern  nach  Alexandria  verlegt,  und  ein  Paar  daselbst 
gefundene  Kunstwerke,  sowie  die  Zeugnisse  des  Kallixenos 
und  des  Theokrit  werden  zwar  angeführt,  gelten  aber  nicht 
als  genügender  Gegenbeweis.  Auch  nicht  für  die  beiden  Au- 
toritäten, die  vor  ihr  das  Problem  berührt  haben.  Brunn 
(Gesch.  d.  gr.  K.  1,  595)  versuchte  die  Lücke  der  üeberiiefe- 
rung damit  zu  erklären,  dass  die  in  Aegypten  seit  Jahrtau- 
senden blühende,  einheimische  Kunst  die  Ptolemaeer  genö- 
thigt  habe  sich  in  ihren  künstlerischen  Unternehmungen  den 
nationalen  Ansprüchen  zu  fügen  und  sich  zu  begnügen  eine 
Umgestaltung  nur  allmählich  einzuleiten.  Und  auch  Overbeck 
(Gesch.  d.  gr.  Plast.  iP,  199)  ist  der  Meinung,  Alexandria 
habe  keine  selbständige  Kunstschule  erzeugt,  es  habe  keine 
Plastik  besessen,  welche  sich  über  das  Niveau  des  künstle- 
rischen Handwerks  erhob.  Trotzdem  hoffe  ich  durch  die  Zu- 
sammenfassung bereits  vorliegender  Thatsachen  den  Nach- 
weis zu  liefern,  dass  in  Alexandrien  neben  einer  aufs  höchste 


*  Aus  römischer  Zeil  sind  einige  aegyptische  Steinmetzen  bekannt,  Löwy 
1GB.  nr.  363  (Frotys)  und  —  soviel  aus  dem  Namen  zu  schliessen  —  nr.  382 
(Phidias  und  Ammonios).  Die  von  Nerutsos,  'Entypajpal  xt)>.  S.  35  publicirte 
Votivinscljrift  nennt  nicht  die  Verfertiger  des  Votivs,  sondern  die  Donato- 
ren, lieber  die  Bildhauer  Theou  und  Demetrios  siehe  weiter  unten. 


ALEXANDRINISCHE   SnULPTUREN  IN  ATHEN  387 

gesteigerten  wahrhaft  schöpferisch  vorgehenden  Bauthätigkeit 
und  einem  ungeahnten  Aufscliwung  der  Wand  -  und  Tafel- 
maierei  auch  die  Plastik  nicht  verkümmert  ist,  vielmehr  neue 
und  eigenartige  Wege  gefunden  hat^ 

Die  allgemeinen  Gründe,  welche  dafür  sprechen,  mögen 
in  aller  Kürze  angedeutet  werden.  Schon  an  sich  ist  begreif- 
lich, dass  die  monumentalen  Schöpfungen  Alexanders  und 
der  ersten  Ptolemaeer,  welche  aus  der  Hauptstadt  des  neuen 
Weltreichs  eine  für  alle  folgenden  Zeiten  als  Vorbild  geltende 
Musteranlage  gemacht  haben,  auch  des  plastischen  Schmu- 
ckes nicht  entbehren  konnten.  Aus  den  Schilderungen  des 
Kallixenos  (Frg.  1  und  2  bei  Müller  F.  H.  G.  III,  59)  über 
den  Festzug  des  Ptolemaeos  Philadelphos  und  über  die  Pracht- 
gemächer der  Staatsbarke  (OaXa^-Toyo?)  des  Philopator,  aus  de- 
nen Theokrits  (15,  HO  fgg.)  über  die  Adonisfeier  der  Arsinoe 
erfahren  wir  genauer,  welchen  verschwenderischen  Gebrauch 
man  damals  in  Alexandrien  von  Kunstwerken  aller  Art,  na- 
mentlich auch  von  Statuen  zu  machen  liebte.  Eine  zufällig 
erhaltene  Künstlerinschrift  aus  dem  Beginn  des  2.  vorchrist- 
lichen Jahrhunderts  (Löwy  IGB.  nr.  187)  nennt  einen  Bild- 
hauer Theon  von  Antiochia  und  einen  Rhodier  Demelrios  als 
Verfertiger  eines  Reiterstandbildes  in  Alexandria,  zeigt  also 
in  einem  einzelnen,  aber  gewiss  nicht  vereinzelten  Falle,  dass 
der  Fürstenhof  der  Ptolemaeer  ganz  ebenso  fremde  Künstler 
an  sich   gelockt  hat,  wie  Pergamon  zur  Zeit  der   Attaliden^. 


'  Auf  die  Frage,  warum  die  literarische  Ueberlieferung  über  alexandrini- 
sche  Plastik  so  schweigsam  ist,  kann  ich  an  dieser  Stelle  ohne  weitläuGg 
zu  werden  nicht  näher  eingehen.  Es  begreift  sich  aber  leicht,  dass  darüber 
allein  die  Wahl  der  Quellen,  welche  unsere  beiden  Hauptautoren  zu  Rathe 
zogen,  d.  h.  deren  Stotfgrenzen  entscheiden  raussten,  und  dass  das  argumen- 
tum ex  sileniio  hier  noch  weniger  als  anderwärts  gilt.  Was  wüssten  wir  z.  B. 
über  die  rhodische  Kunst,  wenn  nicht  zufällig  die  Künstlerinschriften  in 
die  klalfende  Lücke  bei  Plinius  und  Pausanias  getreten  wären? 

^  Der  Name  eines  anderen  Bildhauers  scheint  an  dem  concaven  Theile 
einer  Plinlhe  erhalten  zu  sein,  welche  zusammen  mit  einer  Heraklesstatue 
aus  Marmor  im  Jahre  186tj  in  Alexandria  gefunden  wurde  (Bull,  de  VJnst. 


388  ALEXANDRINISCHE   SCULPTUREN   IN   ATHEN 

Ich  glaube,  dass  auch  Bryaxis,  der  Schöpfer  der  KuUstatue 
des  Sarapeions  in  Alexandria,  aus  Kleinasien  herbeigerufen 
war,  sehr  wahrscheinlich  von  Ptoiemaios  I.  Soter,  dem  Er- 
bauer oder  V  ollender  desselben  K  Und  an  Aufträgen  für  diese 
zuwandernden  Bildhauer  Hessen  es  die  Lagiden  auch  sonst 
nicht  fehlen.  Bereits  der  Begründer  der  neuen  Dynastie  sorgt 
dafür,  dass  sein  doch  wohl  in  Alexandrien  ausgeführtes  Stand- 
bild in  Olympia  aufgestellt  wird  (Paus.  (3,  15,  öj.  An  kunst- 
liebe und  Sammelleidenschaft  überbietet  ihn  sein  iNachfolger, 
Ptolemaeos  Philadelphos  ^,  dessen  Ehrenstatuen  wir  ebenfalls 
in  den  vornehmsten  Kultstätten  Griechenlands  begegnen.  Sei- 
ner Geliebten  und  Mundschenkin  Klemo  liess  Philadelphos 
überall  in  Alexandrien  Standbilder  errichten  (Polyb.  14,  11. 
2=:Athen.l3  S.  576).  Kultstatuen  in  den  von  ihm  seinen  El- 
lern und  seiner  Schwester  Arsinoe  erbauten  Tempeln  führen 
Theokrit    17,  124   (Goldelfenbeinbilder)    und  Plin.  37,  108 


egypi.  nr.  10  [1866]  S.  21).  Erhalten  waren  von  der  ersten  Zeile  die  Buch- 
staben AQP,  darunter  in  kleineren  Charakteren  der  Rest  voü  ['H-r.oiTt<3]i.v. 
Der  Verbleib  der  Ötatue  und  des  Basisfragiuenls  ist  mir  nicht  bekannt. 

'  Dieser  Bryaxis,  den  Athenodürus  (bei  Uiem.  Alex.  Protr.  4,  48)  be- 
stimmt von  dem  Zeitgenossen  des  Bkopas  unterscheidet,  ist  vermulhlich  wie 
sein  Name  (Bull,  de  corr.  hell.  V  S.  4yci  Ü'.  Bezzenberger  Beiträge  X  ö.  177) 
Karischer  Herkunft.  Seinen  Aufenthall  am  Hofe  des  öeleukosNikator  (3Ü6- 
281)  bezeugt  ^Fiin.  34,  73  und  die  Apollostatue  in  Daphne  bei  Anliochia, 
der  Sommerresidenz  der  Seleukiden  (Uverb.  SQ. 1321 11.).  Dass  die  Beschrei- 
bung bei  Clemens  von  Alexandrien  gerade  auf  das  Bild  im  Sarapeion  geht 
und  dieses  nichts  weniger  als  märchenhaft  ist,  wie  man  neuerdings  wieder- 
holt angenommen  hat,  beweisen  die  bisher  überseheneu  Angaben  in  Ruf- 
lins Kirchengeschichle  H,  23  (auch  in  Eilelberger, Quellenschriften  f.  Kunst- 
gesch.  XH  S.  1911'.).  über  die  verwickelte  Streitfrage  bezüglich  der  Her- 
kunft des  Bildes  oder  des  Kults  aus  Sinopevergl.  jetzt  auch  Michaelis  your«. 
ul  liell.  sind.  1885  S.  28U  II'.,  dessen  scharfsinnigen  Erörterungen  ich  mich 
nur  iheilweise  auschiiesen  kann. 

^  Bekannt  ist  die  Vorliebe  des  Philadelphos  für  Gemälde  der  Sikyoni- 
schen  Schule  (Kallixenos  l'rg.2),  eine  Neigung,  welche  Aratos  geschickt  be- 
nutzte (üutschmid  zu  Sharpes  Cesch.  Egypl.  1,  2IU).  Charakteristisch  sind 
seine  Verhandlungen  mit  deui  Maler  Nikias  (Uverb.  SQ.  18141.)  und  mit 
Anliochos,  von  dem  er  sich  eine  schöne  Arlemisslatuc  erbeten  balle  (Li- 
ban.  oral.  1,  öUü,  Vi  ed.  Keiske),  um  sie  in  Alexaudria  aufzustellen. 


ALEXANDRINrSCHE  SCULPTUREN  IN  ATHEN  389 

(Statue  der  Arsinoe  aus  einem  Topasblock)  an. Auch  die  Staats- 
barke des  Philopator  (221-204)  war  mit  Göttei'bildern  und 
den  Poi'trätstatnen  der  königlichen  Familie  reich  ausgestattet 
(Kallix.  Frg.l).  Derselbe  Ptolemaeer  schmückt  das  alexandri- 
nische  Homereion  mit  den  Statuen  des  Dichters  und  der  sie- 
ben konkurrirenden  Geburlsslädte  (Ael.  V.  H.  13,  21).  Nach 
alle  dem  war  Verherrlichung  der  Person  des  Königs  und  sei- 
ner Günstlinge,  Ausschmückung  seiner  Bauten  vermuthlich 
lange  Zeit,  wenn  auch  nicht  die  einzige  so  doch  eine  Haupt- 
aufgabe der  alexandrinischen  Hofkünstler  ^,  bis  das  wüste 
Treiben  des  Ptolemaeos  Physkon  (Athen.  4  S.  184)  um  die 
Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  jene  Flucht  der  Künstler  und 
Gelehrten  veranlasste,  welche  wie  es  scheint  den  Niedergang 
der  alexandrinischen  Kunslblüthe  zur  Folge  gehabt  hat.  Dass 
sich  aber  in  dem  Zeitraum  zweier  Jahrhunderte  neben  einer 
zu  und  abziehenden  Künstlerschaft  auch  eine  ansässige  Künst- 
lergilde herausgebildet!  hat,  dürfen  wir  als  selbstverständlich 
voraussetzen.  Es  fragt  sich  nur,  ob  ihren  Schöpfungen  in 
Form  und  Gedanken  ein  specifisch  alexandrinisches  Gepräge 
aufgedrückt  war  und  auf  diese  Frage  geben  die  erhaltenen 
Bildwerke  noch  eine  unzweideutige  Antwort. 

Die  Menge  der  nachweislich  im  Nildelta  und  speciell  auf 
dem  Gebiet  Alexandrias  gefundenen  Antiken  und  Anticaglien 
griechischen  Ursprungs  ist  grösser,  als  man  bei  der  gänzli- 
chen Zerstörung  der  hellenistischen  Städte  Aegyptens  vermu- 
then  sollte.  Sie  sind  weithin  in  den  europaeischen  Museen 
zerstreut  und  nur  zrmi  allergeringsten  Theil  im  Lande  ge- 
blieben. Es  fehlt  nicht  an  grösseren  Bildwerken  unter  ihnen, 
an  Statuen  und  Besten  von  solchen  aus  den  besten  Zeiten  ale- 
xandrinischer  Kunst  bis  zu  den  Dimensionen   jenes  kolossa- 


'  Porträtslatuen  der  Ptolemaeer,  von  ihnen  oder  ihren  Höflingen  gestif- 
tet, erwähnt  Pausanias  6,3,1;  16,7;  17,2;  9,31,i  u.  s.  o-  Einige  aus  Aegyp- 
ten  stammende  Bildnisse  der  Ptulemaeer  sind  in  das  Britische  Museum  und 
in  englischen  Privatbesitz  (Michaelis,  Anc.  marbl.  S.  416.  659)  gekommen. 


390  ALEXANDRINISCHE   SCULPTÜREN   IN   ATHEN 

len  Marmorfusses  im  Britischen  Museum  ^  den  man  versucht 
sein  könnte  mit  dem  erwähnten  Kultbild  des  Bryaxis  in  Ver- 
bindune:  zu  bringen.  Doch  überwiearen  begreiflicher  Weise 
die  kleineren  Kunstprodukte,  wie  Terrakotten  und  Bronzen, 
von  denen  namentlich  bei  den  durch  Napoleon  Hl  angeregten 
Ausgrabungen  in  Älexandrien  grosse  Mengen  gefunden  wor- 
den sind  2.  Ist  auch  bei  derartigen  Erzeugnissen  der  Klein- 
kunst, die  oft  genug  zu  Exportartikeln  werden,  die  Prove- 
nienz zunächst  kein  Zeugniss  für  den  Enstehungsort,  so  wir- 
ken doch  hier  in  vielen  Fällen  zwei  Momente  zusammen  den 
alexandrinischen  Ursprung  sicher  zu  stellen,  der  specifische 
Charakter  der  Gegenstände  und  die  üebereinstimmung  der 
Formen. 

Man  kann  sich  leicht  vorstellen,  dass  in  einem  Lande  von 
so  eigenartiger  Naturscenerie  und  Bevölkerung,  von  tausend- 
jähriger Kultur  und  voller  bewunderungswürdiger  Monumente 
die  Anregungen  für  die  einwandernde  griechische  Kunst  an- 
derer Art  gewesen  sein  müssen,  als  im  eigentlichen  Griechen- 
land. In  keiner  anderen  Stadt  des  Alterlhums  gab  es  einen 
solchen  Zusammenfluss  der  heterogensten  Volkselemente,  von 
Griechen,  Asiaten,  Juden,  Aegyptern  und  Negern, wie  in  Äle- 
xandrien;  ein  so  buntes,  ausgelassenes  Treiben  auf  den  Stras- 
sen, eine  Bevölkerung,  die  nur  für  Wettspiele,  Aufzüge,  Tän- 
zer, Musikanten  und  Possenreisser  begeistert  war^  und  deren 
beissenden  Witz  noch  die  römischen  Beamten,  ja  die  Kaiser 
selbst  bei  ihren  Besuchen  der  Stadt  zu  fürchten  hatten.  Die 
glänzende  Schilderung  Alexandrias  in  Friedländers  Sittenge- 


1 


Jetzt  aufgestellt  in  der  Southern  Egyptian  Galery  nr.  847.  Sharpe's  Ver- 
mulhung  (Gesch.  Eg.  II,  244)  hat  Emil  Braun  B.  d.  J.  1849  S.  151  sehr  fein 
durch  die  Bemerkung  unterstützt,  dass  mit  dieser  Annahme  auch  erklärt 
wird,  warum  der  Fuss  als  Theil  eines  Akroliths  hinterwärts,  wo  das  Ge- 
wand verdeckte,  glatt  abgeschnitten  ist. 

2  Oppermann  in  der  Archaeol.  Zeitung  1868  S.  14. 

3  Das  Unwesen  der  Gaukler  und  Musikanten  im  heutigen  Aegypten,  wel- 
Iches  Goltz,  Ein  Kleinstädter  in  Aegypten  S,134  so  drastisch  schildert,  deckt 
sich  noch  ganz  mit  dem  der  Ptolemaeer-  und  Römerzeit. 


ALEXANDRINISCHE   SCULPTUREN   IN  ATHEN  39t 

schichte  Roms  IP  S.  133  ff.  und  jetzt  die  kurze,  aber  tref- 
fende Charakteristik  in  Monimsens  Römischer  Geschichte  V, 
577  ff  überhebt  mich  der  Aufgabe  davon  ausführlicher  zu  re- 
den. Unter  diesen  Einllüssen  erhielt  die  neben  der  weiter  exi- 
stirenden  aegypfischen  neu  aufblühende  griechische  Lokal- 
kunst des  Ptolemaeerreiches  und  seiner  Residenz  S  wie  wir 
aus  ihren  Produkten,  den  Terrakotten  und  Bronzen,  den  Va- 
sen und  Schmucksachen,  den  Statuen  und  vor  allem  auch  aus 
zahlreichen,  specifisch  alexandrinischen  Bildern  und  Motiven 
der  campanischen  Wandmalerei  erkennen,  ihren  eigenthüm- 
lichen  Charakter.  Sie  zeigen  uns  als  die  frappantesten  Züge 
alexandrinischer  Kunst  das  Herübernehmen  gewisser  techni- 
scher Prozeduren  der  altaegyptischen  Kunst,  den  Versuch  im 
Ornament  und  in  Bau-  und  Geräthformen  aegyptische  Mo- 
tive den  griechischen  zu  assimilieren,  eine  Hinneigung  zum 
extremsten  Realismus,  welcher  der  Sinnesart  des  Alexandri- 
ners und  der  gelehrt -didaktischen  Richtung,  die  alle  geistige 
Thätigkeit  daselbst  beherrschte,  so  angemessen  war,  und  was 
damit  in  natürlichem  Zusammenhang  steht,  die  rückhaltlo- 
seste Hingabe  an  alle  Stoffe, welche  das  Leben  und  Treiben  auf 
den  Strassen  Alexandriens  dem  Ausre  darbot.  Nur  selten  ist 
die  Auffassung  solcher  Gegenstände  so  naiv  und  launig -hei- 
ter, wie  in  dem  londoner  Silberfigürchen  des  Knaben,  den  die 
Gans,  sein  Spielgefährte,  in  das  Ohr  beisst^,  und  gerade  diese 
Figur  weist  stilistisch  in  einen  besonderen  Kreis  von  Bild- 
werken, auf  den  ich  zurückkommen  werde.  Meist  wird  der 
Vorwurf  mit  dem  derbsten  Cynismus  behandelt  und  in  das 
Grotesk  -  Komische  herabgezogen.  Um  es  kurz  zu  sagen.  Ale- 
xandrien  scheint  nicht  nur  die  eigentliche  Brutstätte  des  hel- 


*  Die  literarischen  Zeugnisse  für  das  hochentwickelte  alexandrinische 
Kunstgewerbe  der  hellenistischen  Zeit  hat  Lumbroso,  L'rconomie  politique 
de  VEgijpte  sous  les  Lagides  8.  100  IT.  gesammelt.  Ich  unterlasse  es  sie  hier 
nochmals  anzuführen  und  mit  den  Denkmälern  zu  confrontiren. 

2  Die  Figur,  in  Alexandrien  gefunden  und  jetzt  im  Britischen  Museum, 
ist  vor  kurzem  von  Ernest  A.  Gardner  im  Journal  of  Hell.  Stiidies  1885  Tf.  A 
publicirt  und  sehr  eingehend  und  gelehrt  besprochen  worden. 


392  ALEXANDRINISCHE   SCULPTUREN   IN   ATHEN 

lenistischen  Genre's  zu  sein,  sondern  auch  mit  der  Schöpfung 
jener  Carricaturen,  die  wir  so  ungemein  häufig  in  spätgrie- 
chischen Terrakotten  finden,  den  Anfang  gemacht  zu  haben. 
Bereits  der  alexandrinische  Maler  Antiphilos,  der  Zeitge- 
nosse des  ersten  Ptolemaeers  und  Widersacher  des  Apelles, 
macht  sich  einen  Namen  mit  seinen  Gemälden  tanzender  Gryl- 
len  (Plin.  35,  114),  die  zum  Vorbild  einer  neuen  Kunstgat- 
tungwurden. Es  sind  jene,  auf  römischen  Monumenten  *  öfters 
vorkommenden  Zwers-ffestalten  mit  unförmlich  hängendem 
Glied,  spitzem  Kopf  und  spitzer  Mütze,  die  gewöhnlich  in 
einem  Nilboot  auf  hohem  Podium  unter  Flötenmusik  ihre 
wunderlichen  Tänze  {ypuXkiaif.ht;,  Phrynichos  bei  Bekker,  Anec- 
dot.  gr.  l  S.  33)  aufführen,  vielleicht  eine  Parodie  der  zügel- 
losen Lustbarkeiten  von  Kanobos,  welche  Strabo  17,  1,17  be- 
schrieben hat.  Nahe  verwandt  sind  ihnen  die  ebenfalls  zwerg- 
haften Pygmaeen,  die  gelegentlich  auch  dieselbe  spitze,  an 
den  italiänischen  Pulcinella  erinnernde  Filzmütze  tragen  (Hei- 
big,Wandb.  nr.  1531),  dazu  aber  noch  einen  Spitzbauch  oder 
unmässig  grosse  Glutaeen,  einen  dicken  Kopf  und  schwäch- 
lich dünne  Beinchen  bekommen.  Allerlei  Zerrbildungen  ähn- 
licher Art  schliessen  sich  an.  Mit  solchen  Kobolden  bevölkert 
die   alexandrinische  Malerei  2   gern  ihre  Nillandschaften,  sie 


*  per  volle  Typus  findet  sich  auf  geschnittenen  Steinen,  z.  B.  Ficoroni, 
Gemmae  litterat.  Tf.  III  Fig.  8.  Caylus,  Reciieü  I  Tf.  3.  3.  Die  Einzelfigur 
eines  Tänzers  auf  einer  aegyptisirenden  Bronze-Vase  der  Sammlung  Char- 
vet  bei  Fröhner,  Mus.  de  France  Tf.  18  (am  Hals  der  Vase  Krokodillkampf). 
Die  landschaftlichen  Motive  deuten  immer  bestimmt  auf  Aegyptcn.  Ein- 
zelne Tänzer  auch  auf  Lampen  Bellori,  Lucern.  sepidcr.  I,  34,  auf  einem 
Mosaik  aus  Villa  Corsini  ebd.  Tf.35,  unter  den  pompejanischen  Bronzen  u. 
s.  w.  Vgl.  O  Jahn,  Archaeol.  Beiträge  S.  431  Anm.  71. 

2  Heibig,  Camp.  Wandb.  nr.  1527(1.  Presuhn,  Reg.  9  ins.  5  nr.  8-10. 
Gaz.  arch.  1880  Tf.  25  und  sonst.  Ein  Pygmaee  gegen  einen  Kranich  kämp- 
fend auf  einer  dreieckigen  Flasche  der  aus  alexandrinischen  Funden  gebil- 
deten Sammlung  Pugioli  (nach  Mittheilung  des  Herrn  D'"  Puchstein).  Pyg- 
maeen, in  Nilbüten  fahrend,  an  der  Basis  des  vatikanischen  Nil  [Mus.  Pio- 
Clem.  I  Tf.  37)  und  auf  aegyptisirenden  Thonfriesen  (z  B.  Combe  Tf.  20. 
Agincourt  Tf.  9,  2).  Die  Aufzählung  der  Darstellungen  Hesse  sich  leicht 
vermehren.  Einiges  bezügliche  Material  stellt  Jahn,  Arch.  Beitr.  S.  430  zu- 
sammen. 


ALEXANDRINISCHE   SGULPTUREN   IN   ATHEN  393 

spuken  in  alle  möglichen  Situationen  des  Alltagslebens  hin- 
ein, an  Stelle  der  sonst  in  der  hellenistischen  Kunst  als  Hand- 
langer oder  Stellvertreter  der  Menschen  dienenden  Eroten.  Sie 
finden  sich  auch  noch  in  einer  grossen  Menge  von  Bronzen 
und  Terrakotten,  die  aus  Alexandrien  stammen.  Ein  Figür- 
chen  im  pariser  Cabinet  des  Medaüles  aus  der  Sammlung 
Oppermann,  welche  zahlreiche  alexandrinische  Funde  enthält 
(Arch.  Zeit.  1868  S.  14),  stellt  einen  solchen  Zwerg  mit  lan- 
gem Glied,  Spitzkopf  und  Dickbauch  dar,  dessen  Hände  sammt 
dem  Kopf  nach  einer  noch  jetzt  in  Aegyplen  üblichen  Weise 
in  einem  auf  den  Schultern  ruhenden  Zwangsholz  gefesselt 
sind,  unter  den  alexandrinischen  Terrakotten,  welche  Pugioli 
vor  Jahren  dem  Berliner  aegyptischen  Museum  zum  Verkauf 
anbot  und  deren  Photographien  sich  noch  im  Besitz  dessel- 
ben befinden,  kehrt  verschiedene  Male  der  Typus  eines  Mu- 
sikanten oder  eines  Possenreissers  in  ähnlicher  Auffassung 
wieder.  Andere  dergleichen  sah  ich  in  der  aegyptischen  Ab- 
theilung des  Britischen  Museums.  Das  aegyptische  Museum 
in  Berlin  enthält  wenigstens  in  der  Bronzefigur  eines  Cande- 
laberträgers  (mit  nr.  8315  bezeichnet)  ein  gutes  Beispiel  sol- 
cher Groteskbildungen. 

Wie  sind  diese  Darstellungen  zu  erklären?  Sind  sie  ledig- 
lich freie  Schöpfungen  der  alexandrinischen  Spottsucht? 
Man  würde  sie  anderwärts  als  Phantasiefiguren  bezeichnen 
müssen,  in  Alexandria  waren  es  wirkliche  Strassen  typen.  Wir 
wissen,  dass  man  hier  eine  eigenthümliche  Vorliebe  für  zwer- 
genartioe  Sklaven  hatte,  die  aus  den  südlichen  Nilländern  ein- 
geführt  wurden.  Auf  dem  Sklavenmarkt  von  Alexandrien 
standen  sie  neben  den  Pantomimen,  den  schönen  Mädchen 
und  Sklaven  zum  Verkauf  (Lumbroso,  ^con.  polü.  de  VEg. 
sous  les  Lagides  S.  65).  Selbst  das  königliche  Haus  hielt  sich 
solche  Zwerge  als  Hofnarren, wie  wir  aus  dem  Geschichtchen 
bei  Josephus  (.4.  /.  12,  4,  9)  erfahren.  Dies  sind  ohne  Zwei- 
fel die  Vorbilder  der  in  der  klassischen  Literatur  von  Homer 
bis  auf  Aristoteles  und  weiterhin  so  oft  erwähnten  Pygmaeen 
und  neuere  Forscher  glauben  sie  in  gewissen  Völkerstämmen 


394  ALEXANDRINISCHE  SGULPTUREN   IN  ATHEN 

von  Innerafrika,  die  möglicherweise  Reste  der  Urbevölkerung 
sind,  noch  jetzt  nachweisen  zu  können.  Die  Beschreibung, 
welche  der  Reisende  Schweinfurth  von  den  modernen  Pyg- 
maeen  im  Lande  der  Monbutlu  entwirft*,  passt  in  einigen  Zü- 
gen auch  auf  die  alexandrinische  Bronze  des  gierigen  Schlu- 
ckers. Den  runden  Kopf,  die  eingedrückte  Nase,  den  affenar- 
tig breiten  Mund,  die  sehr  langen  Arme  dieser  Zwergvölker 
finden  wir  an  der  Bronzetigur  des  Schmarotzers  wieder,  nur 
dass  der  aufgeblähte  Bauch,  um  die  Charakteristik  des  Hun- 
gerleiders zu  vollenden,  hier  weggelassen  ist.  Und  wenn  der 
Verfertiger  unserer  Bronze  auch  nicht  direkt  jene  Vorbilder 
benutzt  haben  sollte,  die  Anregung  zu  seiner  Schöpfung  scheint 
er  doch  von  ihnen  empfangen  zu  haben. 

Bei  der  Basaltstatue  des  nubischen  Knaben  und  der  Bronze 
des  nubischen  Strassenverkäufers  kann  nach  Stoff  und  For- 
men die  alexandrinische  Arbeit  noch  weniger  zweifelhaft  sein. 
Zwar  ist  schon  zu  Theophrasts  Zeiten  {c/iar.2\)  ein  nubischer 
Sklave  in  Athen  nichts  unerhörtes,  in  der  Kaiserzeit  in  Rom 
sogar  etwas  sehr  gewöhnliches.  Aber  Strassentypen,wie  diese, 
waren  nur  in  Aegypten  möglich  und  auch  nur  hier  konnte 
das  Interesse  an  der  hässlichen  Barbarenrasse  so  lebhaft  wer- 
den, die  Gelegenheit  zur  Beobachtung  so  häufig  sein, dass  ein 
griechischer  Bildhauer  es  fertig  brachte  seine  Nachbildung  zu 
solcher  tNaturwahrheit  zu  erheben  Einen  geistigen  Contact 
zwischen  der  Gedankenwelt,  welche  die  Gelehrten  des  ale- 
xandrinischen  Museums  beschäftigte,  und  derjenigen  der  dor- 
tigen Künstler  wird  man  nicht  leugnen  wollen.  Gerade  in 
Alexandrien  aber  wird  die  Völkerkunde  zuerst  zu  einer  V^is- 
senschaft  erhoben  und  gerade  hier  legte  man  sich  mit  Vor- 
liebe auf  das  Studium  Aegyptens,  wie  die  massenhaften  Mo- 


'  Bull,  {'gyplien  nr.  12  (1873)  S.  18t. Vgl.  Kiepert,  Lehrb.  d.  ant.  Geogr.  § 
188.  Ilartmann,  Die  Völker  Afrikas,  6211',  der  Ö.  297  darauf  hinweist,  dass 
man  bereits  im  allaegyptischen  Reiche  Hofzwerge  gekannt  habe,  und"  dass 
Zwerge  und  Verkrüppelle  noch  jetzt  in  vielen  afrikanischen  Ländern  von 
den  Häuptlingen  und  Königen  als  Merkwürdigkeiten  gehalten  werden. 


ALEXANDR INISCHE   SCULPTUREN  IN  ATHEN  395 

nographieen  über  dieses  Thema  (Gulschmid  im  Pliilologns  X, 
716  ff.)  beweisen. 

Es  liat  vielleiclit  wiederholter  Anläufe  für  die  bildende 
Kunst  bedurft,  ehe  sie  dieser  Leistungen  liihig  war;  jedenfalls 
sind  Darstellungen  von  Negern  in  Alexandrien  nichts  selte- 
nes gewesen.  Von  hier  stammt  auch  eine  Negerslatue  aus 
schwarzem  Marmor,  die  bereits  im  Beginn  des  17.  Jahrhun- 
derts gefunden  wurde  und  jetzt  verschollen  zu  sein  scheint 
(Michaelis,  Anc.  marbl.  in  Great  Britain  S  189,-  Alexandri ni- 
scher Erfindung  ist  ohne  Zweifel  die  londoner  Statue  des  nu- 
bischen, auf  einem  gezähmten  Krokodil!  balancirenden  Gauk- 
lers (Clarac  875,  2223  .1,  womit  Slrab.  17,  L  38  zu  verglei- 
chen), unbekannt  ist  mir  die  Herkunft  des  Marmorkopfes 
einer  Nubierin  in  den  Basement  Booms  des  Britischen  Mu- 
seums. Aber  wohl  die  vollendetste  Leistung, welche  aus  dieser 
Kunstrichtung  hervorgegangen  ist,  dürfte  die  Bronzehgur  des 
nubischen  Knaben  im  pariser  Münzkabinet  sein'.  Das  Motiv 
ist  demjenigen  der  Basaltfigur  so  ähnlich,  nur  umgekehrt, 
dass  man  für  beide  Figuren  dieselbe  Erklärung  suchen  möchte. 
Ich  bin  jedoch  auch  bei  der  pariser  Statuette,  die  bis  auf  den 
fehlenden  Gegenstand  in  der  erhobenen  Kechten  vollständig 
erhalten  ist,  nicht  im  Stande  den  ursprünglichen  Gedanken 
zu  errathen,  wenn  nicht  etwa  in  der  gekrümmten  rechten 
Hand  ein  triangelartiges  Instrument  vorauszusetzen  ist,  an 
welches  die  etwas  tiefer  gehaltene  Linke  mit  einem  Metall- 
stäbchen anschlug.  Der  Mund  ist  zum  Hufen  oder  Singen  geöff- 
net, der  Kopf  wie  in  der  Basaltstatuette  etwas  zur  Schulter  ge- 
neigt. Lieber  dem  Gesicht  liegt  ein  eigenthümlicher  Ausdruck 
von  Verdrossenheit  und  Schwermuth.  Die  ganze  Haltung  ist 
ungemein  lebendig  erfasst  und  ganz  meisterhaft  ist  die  Durch- 
bildung aller  Formen  der  mageren,  fast  dürren  Beine,  des 
schmächtigen  Leibes  und  besonders  des  mit  dem  höchsten  Rea- 
lismus ausgeführten  Kopfes. 


<  Chabouillel,  Camees  et  pierres  grav^es  de  la  Biblioth.  imper.  nr.  3078. 
Caylus,  Recueü  (VII)  Suppl.  Tf.  81,  3-5.  Mon.  deW  Inst.  IV  Tf.  20  B  (ver- 
kehrt). Am  besten  jetzt,  bei  Rayel,  Mon.  de  l'art  antüfue  U  Tf.  58. 


396  ALEXANDRINISCHE   SCULPTUREN  IN  ATHEN 

Ich  stehe  nicht  an,  ebenfalls  als  ein  Originalwerk  alexan- 
drinischer  Plastik  die  Marmorstatue  der  alten  Bäuerin  mit 
dem  Böcklein  nnter  dem  Arm  anzureihen ,  die  durch  die 
esquilinischen  Ausgrabungen  auf  Piazza  Fanti  in  Rom  zu 
Tage  gebracht  wurde  und  sich  jetzt  im  Oktogon  des  neuen 
kapitolinischen  Museums  befindet  ^  Das  Motiv  ist  echt  alex- 
andrinisch,  es  ist  ein  plastisches  Gegenstück  zur  Figur  der 
Hekate  in  der  Dichtung  des  Kallimachos.  Jeder  Zug  ist  dem 
Leben  abgesehen,  die  welke  schlaffe  Haut  des  halb  un- 
bedeckten Oberkörpers,  die  zusammengekniffenen  Lippen  des 
zahnlosen  Mundes,  die  eingesunkenen,  tief  umrtänderlen  Au- 
gen, der  faltige  Hals,  das  mühsame,  in  der  Beinstellung  das 
Geschlecht  verralhende  Schreiten,  die  gekrümmte  Haltung  und 
anderes,  was  in  seiner  Gesammtheit  abschreckend  hässlich 
wirken  müsste,  wenn  es  nicht  durch  die  packende  Natur- 
wahrheit und  durch  den  freundlichen  Ausdruck  des  ver- 
witterten Gesichts  der  Alten  sympathisch  würde. 

Darf  ich  noch  einen  Schritt  weiter  gehen  und  jenes  Dich- 
terporträt, das  Dilthey  auf  Kallimachos  bezogen  hat,  andere 
für  Theokrit  oder  Philetas  in  Anspruch  nehmen,  in  diesen 
Kreis  stellen?-  Keine  dieser  Deutungen  ist  gesichert,  aber  alle 
drei  sind  möglich  und  sämmtlich  würden  sie  mit  der  ange- 
nommenen Herkunft  des  Originals  im  besten  Einklang  ste- 
hen. Der  eigenthümliche  Reiz,  den  dieses  von  Furchen  zer- 
rissene Gesicht  eines  unbekannten  noch  jetzt  ausübt,  liegt 
doch  allein  darin,  dass  es  uns  hinter  der  körperlichen  Ruine 
den  ungebrochen  lebendigen  Geist  eines  bedeutenden  Men- 
schen ahnen  lässt.  Ein  solches  physiognomisches  Problem 
mochte  die  Künstler  reizen,  welche  bei  den  Anatomen  des 
alexandrinischen  Museums  das  Muskel-  und  Sehnengefüge 
des  Körpers  kennen  gelernt  hatten,  und  nur  solchem  Wissen 


'  Die  Statue,  ist  nocli  unpublicirt.  Ich  urllieile  nach  einer  mir  vorliegen- 
den Photographie. 

a  Brizio,  Annali  deWInst.  1873,  Tf.  L  S.  98  ff.  Mau  Bull.  deW  Inst.  1883 
S  89  ir.  Rayet,  Mon.  de  l'art  anlique  II,  Tf.  59. 


ALEXANDIUNISCHE   SGUM'TUHEN   IN  ATHEN  397 

gelangen  dann  aucli  ähnliche  Schöplungen,  der  Typus  des  Ho- 
mer, der  vielleicht  für  das  llomereiün  in  Alexandria  erfunden 
wurde,  der  Typus  jenes  1^'ischers,  von  dem  eine  Replik  im 
Louvre  miL  dem  angeführlen  Üichlerkopt  zusammengesetzt 
war  und  früher  als  Seneca  gedeutet  wurde,  u.  a.  *. 

Ich  weiss,  dass  jeder  Versuch  in  der  wirren,  heimatlosen 
Masse  der  hellenistischen  Sculpluren  Ordnung  zu  schallen, 
das  Zusammengehörige  auszusondern,  örtliche  Gruppen  oder 
gar  eine  consequente  Entwicklung  herauszulinden,  auf  grosse 
Schwierigkeiten  stösst  und  manche  Bedenken  wach  ruft.  Hat 
sich  seit  dem  Ausgang  des  4.  Jahrhunderts  der  strenge  Lokal- 
verband der  Schulen  allmählich  soweit  gelockert,  dass  der 
Künstler,  wie  der  hellenistische  Grieche  überhaupt,  sich  die 
freiesle  Selbständigkeit  seiner  Individualität  erringt?  Wer  sich 
zu  dieser  Ansicht  ohne  Einschränkung  bekennt,  wird  viel- 
leicht auch  geneigt  sein  die  künstlerische  Tradition  in  der 
hellenistischen  Epoche  für  weniger  zähe  zu  halten,  in  den  al- 
ten Kunstorten  eine  viel  geringere  Gemeinsamkeit  des  Stils, 
der  Motive  und  Gedanken  anzunehmen,  als  sie  der  älteren 
Zeit  eigen thümlich  war.  Aber  andererseits  lehren  die  spät- 
griechischen Sculpturen,  die  aus  Athen  und  Pergamon  stam- 
men, dass  man  mit  der  Vergangenheit,  mit  dem  von  Athen 
ausgehenden  Formenidealismus  keineswegs  gebrochen  hat 
und  dass  man  in  den  Werkstätten  der  kleineren  einheimischen 
Meister,  welche  für  Monumentalbauten  von  der  Art  des  per- 
gamenischen  Altars  die  ausführenden  Kräfte  hergaben,  eine 
gewisse  gleichmässige  Schulung  und  bestimmte  Muster  besass. 
Sie  waren  das  Dauernde,  Gefestigte,  während  die  grossen,  er- 
tindenden  Meister  häuhg  den  Wirkungsort  gewechselt  haben 
und  von  einem  Fürstenhof  zum  andern  gewandert  sind.  Daher 
zeigen  auch  die  Reliefs  jenes  Altarbaues  in  der   Arbeit   und 


^  Clarac  325,  2247  mit  verschiedenen  Repliken  Tf.  879,  2244  (besser  bei 
L.  Mitclieli,  Hid.  ufaac.  sculpt.  Ö.  611  Fig.  246),  Tf.  880,  2248.  Tf.  879, 
2245.  Einer  verwautllen  Darstellung  gehört  der  Fischerkopf  des  Museo  Tor- 
lonia  (Visconti  M.  T.  nr.  131),  an,  sicher  ein  hellenisUsches  Original  werk. 


398  ALEXANDRINISCHE    SCULPTLREN   IN   ATHEN 

Modellirung  trotz  kleinerer  Unterschiede,  im  Ganzen  eine  sehr 
bemerkenswerthe  Uebereinstirnmung,  an  der  man  vielleicht 
einst  die  lokale  Färbung  leicht  herausfinden  konnte.  Desshalb 
folgere  ich  weiter,  dass  eine  von  der  "hellenisch-attischen"* 
grundsätzlich  verschiedene  Kunstweise,  ein  Kunstprinzip, wel- 
ches die  Wahrheit  über  die  Schönheit  stellte  und  das  Schöne 
gelegentlich  selbst  im  Hässlichen  suchte,  nur  auf  einem  freien 
Boden  und  unter  Einflüssen,  die  denen  der  attischen  Geistes- 
richlung  direkt  gegenüber  standen,  erwachsen  sein  kann. 

Ganz  unabhängig  freilich  von  der  ansässigen  Künstlerschaft 
Alexandriens,  welche  Geschmack,  iNaturell  und  Bildung  der 
Bevölkerung  in  ihren  Werken  abspiegelte,  müssen  wir  uns 
den  wechselnden  Kreis  der  durch  die  Gunst  des  Hofes  ange- 
zogenen fremden  Künstler  denken.  Es  hat  für  die  Diadochen- 
zeit  nichts  auffalliges,  dass  an  demselben  Ort,  wo  Gr)'llen 
und  Pygmaeen,  Negerdarstellungen  und  andere  Slrassenlypen 
die  populärsten  Stoffe  waren,  auch  Werke  eines  idealen,  an 
die  attische  Kunst  erinnernden  Stiles  zum  Vorschein  arekom- 
men  sind,  ich  nenne  beispielsweise  von  den  im  Britischen 
Museum  befindlichen  Sculpturen  den  herrlichen  Alexander- 
kopf aus  Alexandrien,  das  oben  erwähnte  Silberfigürchen  des 
Knaben  mit  der  Ente,  die  Marmorstatuelte  eines  Knaben  aus 
dem  königlichen  Hause,  als  Harpokrates  aufgefasst,  beide 
ebendaher  stammend, und  den  Kopf  eines  Ptolemaeers  im  Kna- 
benalter  mit  der  Krone   von   Ober-   und    ünteraegypten  ^ , 


*  Ich  adoptire  einstweilen  diese  Bezeichnung  Kekules  (Thonfiguren  aus 
Tanagra  S.  23)  für  die  unter  dem  vorwiegenden  attischen  Einfluss  in  der 
Diadüchenzeit  entstehende  nationalhellenische  Kunstweise,  glaube  aber 
nicht,  dass  man  sich  auf  die  Dauer  mit  diesem  allgemeinen  Begriff  wird 
behelfeil  können.  Nach  meiner  Beobachtung  treten  auch  in  dieser  Zeit  noch 
neue  stilistische  Gruppen  mit  ganz  bestimmten  Stilnüancen  hervor. Sind  sie 
erst  sicher  ausgeschieden,  so  wird  man  auch  zu  dem  Versuch  geführt  wer- 
den sie  örtlich  gegen  einander  abzugrenzen  oder  wenigstens  den  Keim- 
punkl  zu  üxiren. 

2  Der  Alexauderkopf  (Stark,  Zwei  Alexanderköpfe  Taf.  3.  Mitchell,  Hisi. 
ofanc.  sculpt.  Fig. 218)  gehörte,  wie  ich  glaube,  zu  einer  Statue,  welche  das 
rechte  Bein  aufstützte,  den  linken  Arm  erhob.  Bezüglich  der  StilrichtUDg, 


ALEXANDRINISCHE   8CÜLPTUREN   IN   ATHEN  399 

Sculpluren  die  sämmtlich  noch  den  ersten  Zeiten  der  Ptole- 
maeerherrschaCl  angvliören  und  eine  einjenthiimlich  weiche, 
lliessende  Modcliining-,  eine  mehr  skizzenhafte,  aUe  nehen- 
sächliehen  Zuge  unterdrückende  Ausführung  gemeinsam 
haben. 

Aus  solcher  Thätigkeit  fremder  Künsth^r  in  der  Residenz 
der  Lagiden  könnten  sehr  wohl  die  einheimischen  Anregun- 
gen verschiedener  Art  empfangen  haben,  wie  diese  wiederum 
ihre  Wirksamkeit  weithin  erstreckten  ^  Vollkommen  zu  über- 
sehen sind  bereits  die  Beziehungen,  welche  zwischen  der  ale- 
xaudrinischen  Lokalkunst  und  den  frühzeitig  hellenisirten 
Städten  der  kampanischen  Küste  bestanden  haben.  Puteoli, 
die  Hauptstation  des  Handelsverkehrs  zwischen  Alexandrien 
und  dem  italischen  Festlande,  erhält  ebenso  wie  das  Pompeji 
des  dritten  und  zweiten  vorchristlichen  .Jahrhunderts  seine 
künstlerische  Ausstattung  und  seinen  Haiisrath  aus  Alexan- 
drien. Die  Sammlung  Demetrio  in  Athen  hat  dafür  erst  neu- 
erdings wieder  einen  Beweis  geliefert.  Die  von  Mylonas  im 
letzten  Hefte  der  'Efpyi[/.£pl;  äp^^^aio^oyi/t-)]  (Tafel  zu  S.  227  ff. 
und  Tziv.  6)  publicirte,  aus  Tanis  im  nördlichen  Nildelta 
stammende  Bronzefigur  eines  tanzenden  Satyrs  entspricht  im 
Motiv  und  in  der  Arbeit  durchaus  der  bekannten  Statuette, 
welche  in  der  nach  ihr  benannten  Casa  del  Fauno  zu  Pompeji 
gefunden  wurde.  Dieses  Haus  ist  aber  mit  seiner  gesammten 
Ausstattung  in  alexandrinischem  Geschmack  eingerichtet  ge- 
wesen. Der  Besitzer  hat  offenbar  die  deutlich  aegyptisirenden 


der  die  angeführten  Werke  zuzuweisen  sind,  niuss  ich  das  Urtheil  olJen 
halten.  Stark  (a.  a.  O.  S.  21)  wollte  indem  londoner  Alexanderkopfe  (einen 
Zweifel  an  der  Benennung  halle  ich  für  unbegründet)  das  frische  Leben 
lysippischer  Kunst  erkennen. 

^  Derselbe  Synkretismus  der  Ideen  und  Formen,  den  wir  als  das  Merk- 
mal hellenistischer  Kultur  auf  so  vielen  geistigen  Gebieten,  vor  allem  auf 
dem  der  Religion  beobachten,  kann  auch  auf  dem  der  bildenden  Kunst 
nicht  ausgeblieben  sein. 


400  ALEXANDRINISCHE   SGULPTUREN   in  ATHEN 

Mosaiken  direkt  aus  Alexandrien  bezogen'.  Aegyptisirende 
Motive  klingen  in  der  VVanddecoration  (Mau,  Pomp.  VVandm. 
Taf.  I,  e),  in  den  Sphinxen  unter  dem  Carnies  (Niccolini  TF.8), 
in  jener  als  Tischt'uss  dienenden  Sphinx  (Overbeek,  Pomp. 
Fig.  229'^),  in  der  Farbenskala  der  Wände  und  Mosaiken  an. 
Aus  alexandrinischen  VVerkslälten  stammt  sicher  die  hier  ge- 
fundene Glasvase  Auldjo  des  britischen  Museums  (Fnihner, 
La  verrerie  antique  S.  85)  und  so  ist  auch  der  tanzende  Faun 
ein  beredtes  Zeugniss  für  den  lebhaften  Export,  den  die  ale- 
xandrinische  Kleinkunst  schon  in  der  Ptolemaeerzeit  wie  noch 
unter  den  römischen  Kaisern  unterhalten  hat. 

TH.  SCHIIEIBER. 


'  Das  t)erühmte  Mosaik  der  Alexanderschlaclit  enthält  als  Umrahmung 
eine  Nillandschaft.  In  der  rechten  Ala  des  Atriums  fand  sich  das  Mosaik 
mit  der  Kalze,  die  eine  Wachtel  zerreisst.  Die  in  Aegyplen  abergläubisch 
verehrte  Katze  war  damals  noch  nicht  aus  ihrer  Heimat  nach  Italien  über- 
tragen (Hehn,  Culturpll.  u.  Hauslh.  S.  378').  In  den  decorativen  Mustern 
der  Casa  del  Fauno  wird  gern  Schwarz  und  Weiss  in  Contrast  gestellt, 
ganz  wie  in  dem  aegyptischen  Saale  der  Thalamegos  des  Ptolemaeos  Phila- 
delphos  (Athen.  V,  89  S.  206).  —  Auch  eine  alexandrinische  Bronze  der 
Sammlung  Pugioli  (sitzender  Fischer  mit  der  Angelrulhe  in  der  Rechten) 
kommt  nach  den  Aufzeichnungen  Puchsteins  im  Motiv  einer  pompejani- 
schen  Bronzeslaluette  (Uverbeck,  Pompeji  Fig.  295^)  ganz  nahe,  so  dass 
letzlere  ebenfalls  als  alexandrinische  Arbeit  gelten  darf. 


Miscellen. 

'EcpEoriax'r]  eiriypacpr]. 


Y^EPTH2TO^    xupiou  Y)[^-öv 
AYTQKPATOPOZTiTO'j  Ka{- 

ZAPOZYriHASKAIAIAMONHST    H2 
POMAIÜN  HrEMONIA5:AnOKATEZTA 
OHTOBAABENnEPITEIX  IZMATOYAY 
rOYZTHOYAlATAzANTOZMAPKOYOYAni 
OYTPAIANOYTOYANOYnATOYEniMEAH 
0ENTOZnOMnaNIOYBA22OYTOYnPEZ  BEY 
ToöTH2EniXOPHriAZrENOMENH2EKTnN 
JSiwN  nPOZOAQNrPAMMATEYONTOZAOY 
xiou  EPENNlOYnEPErPEINOY-AFNOYTOB 

Töv   Suo   xpwToiv  6£ipwv  Tix   Ypä[X[jt.aTa    etvai    [/.eya^-eiTEpa  twv 

'XOITTWV, 

SuvsTr'XTipoxja  to  toO  AuTOxpäxopo?  ovo[j(.a  6SyiyY)0eli;  £>c  röiv  toö 
)t.  Waddington  ypovoloyt)CGJv  twv  ävöuxxTwv  xaTa>.6y(ov  (Fastes 
des  provinces  Asiatiques,  Le  Bas  et  Waddington),  h  ol?  6  utt' 

äpiOfxov  100  (AV7)[;.ov6u£i  tÖv  evTauOa  (Xvacpep6[jL£vov  Mapxov  OuXttiov 

Tpaiavov,  tov  7caT£pa  toO  auTOxpocTopo?  Tpa'iavoO  *, 

Apist.  M.  $ontpiep. 


*  [Die  neuerdings  in  'AyiaaouXoüx  gefundene  Inschrift  ist  von  Hrn.  Fon- 
trier  zuerst  in  Minuskeln  in  der  in  Smyrna  erscheinenden  Zeitung  'ApfAovfa 
V.  28  November  herausgegeben  worden. —  U.  K.] 

MITTH.  D.  ABßH.  INST.  X.  26 


402  MISCELLEN 


Nachträge  zu  S.  200  ff. 
(Zur  Epigraphik  von  Kyzikos.) 

S.  200  st.  "  dieser  und  der  folgende  Stein  "  1.  ''  dieser  und 
der  unter  N"  30  folgende  Stein  ". 

S.  203  nach  Z.  7  oben  ist  das  Citat  ''  Milth.  VI  S.  45  N"  2 
11  6"  ausgefallen. 

Ebd.  Von  N"  29  erhielt  ich  durch  die  Güte  des  russischen 
Archäologen  Hrn.  D""  v.  Regel  einen  guten  Abklatsch.  Darnach 
bilden  Z-  1  u.  2  der  Copie  vielmehr  eine  einzige  Zeile;  st. 
APISTArorOPOY  ist  richtig  APIZTAFOROY, 
ebenso  Z.  2 -bez.  3  der  Copie  — AI  Ol  KH  TH2  zu  lesen;  für 
rOPAßN  Z.  14  der  Copie  bietet  der  Abklatsch  rOPrßN, 
ferner  ist  überall  A  statt  A  einzusetzen. —  Der  Name  der 
'Mutter'  ist  richtig  MviTpi  TOAYFIANH  Z.  15;  ich  be- 
merke dies  weil  Hr.  Panorios  in  seinem  Briefe  To>.imavr) 
schreibt. 

Die  Nummern  28,  30  u.  33  sind  in  den  Besitz  S""  Exe.  des 
Kais.  Botschafters  Hrn.  v.  Radowitz  übergegangen;  N"  35  und 
37  befinden  sich  im  Tschinili  Kiöschk. 

W  J.  H.  MORDTMANN. 


Grab  -  Steine  und  Denkmäler. 

1)  Weisser  anscheinend  pentelischer  Marmor  verbaut  in 
den  Kern  des  Mauervorsprunges  östlich  von  dem  inneren  Ein- 
gang des  Dipylon^  Der  Stein  ist  mit  der  Schriftseitenach 
oben  gewandt  und  ist  durch  die  Zerstörung  der  Mauer  blos- 


<  Auf  V.  Aliens  Plan  Milth.  III  Tf.  III  mit  41  bezeichnet. 


MISCELLKN  403 

gelegt  worden.  Er  scheint  an  drei  Seilen  gebrochen,  links 
der  Rand  erhalten  zu  sein. 

/ 

AP.-TEF^KAUAI^  +  PO^E/ret 

w  i  llllli  Hill  frei 
Man  erkennt  den  Schluss  einer  metrischen  Grabschrift;  etwa: 

[S-J^i/a  ToS'  'EpyJ<j[i(/.e]ve[i  TraJxTip  Ka^aicjrpo;  £[9yix£]. 

Reste  anderer  vorpersischer  Grabdenkmäler  sind  in  der  Nähe 
aus  der  Ringmauer  gezogen  worden  (vgl.  B.  Schmidt,  Die 
Thorfrage  in  der  Topographie  Athens  S.14  f.).  Die  Frage  muss 
aufgeworfen  werden,  ob  das  Dipylon,wie  angenommen  wird, 
in  seinem  sanzen  Umfano;  nachthemistokleisch  sei. 

'})  Kleine   Stele  a.  pent.  M.  mit   Anthemion  und  der  Auf- 
schrift : 

r  H  P  Y  i. 


1        €            O          T 

E 

A          H        ^ 

N              1 

K 

Q. 

r     H     P    Y    o      ^ 

r 

Y           N      H 

O   E  O  (J)   1   A  O       € 

1 

^     O  T  E  A  H  ^ 

EITOKAAn^E^TIOANEINKAMOITOYTAPENEIMETYXH 
OYAE<l>AO?AEY?nNOrEAAIMO?INHNArHPA?TO? 
PASINAANOPfiPOISIPAPESXONANENKAHTONE/AAYTON 
ENTIMONXOONIOlSIGEOISYPEAEiATOrAlA 

KAIErnTOYAANAPOSE<t)YNKAIPANTAOMOIA 
rHPAIKAI(t)PONTIAIEYSEBIASENEKA 


Fvip'jc  t(jOTe>.y}?. 


404  MISGBLLEN 

Et  t6  xa>Lüi(;  iaxi  Oaveiv  xäjxol  tout'  a,7r£V6ijj!.£  Tuj^^y)* 

Tvaiiv  S'  (XvöpÖTiOKJi  Tzxpiajo'^  av£vx.Xr/TOv  ejxauTOV 
svTtfAOv  j^Öovioiai  öeoT?  uTreSe^axo  yaia, 

Kai  eyoj  toöS'  avSpo?  e'fpuv  xai  TCOcvra  6{xoia 
yripa  xal  (ppovxiSi  suceSia?  £ve)ta. 

Nach  den  Schriftzügen  nicht  jünger  als  die  Mitte  des  dritten 
Jahrhunderts.  Auch  wer  mit  den  '' Kirchhofspoesieen  "  ver- 
traut ist,  wird  diesen  Galimalias  nicht  ohne  Erstaunen  le- 
sen, aber  auch  bald  erkennen,  dass  es  ein  Cento  aus  verschie- 
denen Epigrammen  ist.  Ich  kann  heute  nur  für  den  Anfang 
das  Original  nachweisen,  welches  einen  erlauchten  Namen  an 
der  Stirne  trägt  {Anthol.  Pal.Wl  253  =  Bergk  P.  L.  G.  S.  11 49): 


2  I  M  ß  N  I  A  O  Y. 
El  t6  xaXw;  OvYiaxEtv  apsTvi;  [Jt-Epo?  Itsrl  {XEyKjTOv, 

Y)p.TV    £X  TraVTüJV   TOOt'    a7r£V£'.[J(,£   Tuj^Y)* 

'EXXdtSi  yap  (y7U£üSovT£?  £>^£'j9£piav  '7T£pi9£ivai 
xei{/.£0'  (xyYipavTq)  j^pwfXEvoi  EuXoytr,. 


3)  An  der  Stadionstrasse  dem  Parlamentsgebäude  gegen- 
über ist  man  bei  der  Fundamentirung  eines  Hauses  auf  die 
Reste  einer  Grabstätte  gestossen,  welche  der  Lage  nach  zu 
der  Nekropole  vor  dem  Diomeischen  Thore  gehörte.  Die  Grä- 
ber waren  von  Mauerzügen  umgeben,  welche  nur  zum  Theil 
aufgedeckt  worden  sind.  Der  Inhalt  der  Gräber  war  unbe- 
deutend, von  um  so  grösserem  Interesse  die  lebensgrosse,  lei- 
der jetzt  kopflose  Figur  einer  sitzenden  Frau,  welche  im  Mo- 
tiv, in  der  Tracht  und  wie  es  scheint  auch  der  Arbeit  mit  zwei 
bekannten  Statuen  der  Sammlung  Sabouroff  (Furtwängler, 
Die  Sammlung  Sabouroff  Taf.  XV— XVII)  übereinstimmt  und 


MI8CELLEN  405 

die  Aufstellungen  des  Herausgebers  der  letzteren  über  ihre 
Bedeutung  und  Verwendung  bestätigt.  Die  innerhalb  der 
Mauern  gefundenen  Inschriften  sind  nicht  jünger  als  die  Mitte 
des  vierten  Jahrhunderts;  ein  kleiner  Pfeiler  a.  pent.  M.  trägt 
die  Aufschrift : 

€  H  M  A 

I  E  POK 

A  E  O  ^ 

Dieselbe  Inschrift  in  anderer  Anordnung  war  auf  einer  Platte 
a.  hym.  Stein  wiederholt.  Zwei  Grabsteine  tragen  die  Namen 
von  Frauen. 

4)  Unterer  Theil  einer  Platte  a.  pent.  M.  Darauf  die   In- 
schrift : 

rHPAIANANO^ONPAIAA^PAIAaN 
EPIAOY^ANAY^IAAANKATEXEI 
KOI NOTA^H^OAAAMO^ 

ry)patocv  avo<JOv  xaT^a;  Tuai^ojv  ewiSoudav 

Nicht  die  Sentenz  allein  erinnert  in  diesem  Epigramm,  wel- 
ches nicht  viel  jünger  ist  als  die  Mitte  des  4ten  Jahrhunderts, 
an  Herodots  Erzählung  von  der  Unterredung  Solons  mit  Kroi- 
sos.  Die  pessimistische  Anschauung,  welche  in  einem  frühen 
Tod  ein  Glück  sieht,  ist  den  attischen  Grabschriften  ebenso 
fremd  wie  dem  alten  Epos.  Der  Tod  in  der  Kindheit,  vor  der 
Reife  ist  grausam;  wer  nach  vollbrachtem  Lebenslauf,  umge- 
ben von  Kindern  und  Kindeskindern  und  von  Krankheit  un- 
berührt aus  dem  Leben  scheidet,  darf  sich  glücklich  preisen. 
Der  xotvoTa(p7)?  öiXafxoi;  in  dem  Epigramm  ist  eine  poetische 
Floskel;  gerade  die  Grabschriften  beweisen,  dass  die  geläu- 
terte Auffassung  der  Philosophen  von  dem  Wesen  der  Seele 
seit  den  letzten  Jahrzehnten  des  5ten  Jahrhunderts  in  den  ge- 
bildeten Kreisen  Athens  verbreitet  gewesen  ist,  Pas  Composj- 


406  MISGELLEN 


tum  )toivoTa9rj<;  ist  neu.  Das  Epigramm  ist  für  das  Grab  der 
Lysilla  geschrieben;  insofern  ist  es  original. 

ULRICH  KOEHLER. 


Litteratur  und  Funde. 

ApXAlOAOriKON  Aeation  Tüiv  [xrjvwv  'OxTtoSpfou  xal  Noe[j.5pfoj. —  A' .  ''Ag^aio- 
TTjrcc  daa^QtXaai  tic  zi)r  r£ri.xi)r  scpopeiar.  1)  'Evve'a  a^ia  Xdyou  TcrjXiva  aYaXp-«- 
Tta  EupEÖEVTa  £v  Tavaypoc,  wv  Tiivxe  yuvatxsTa,  taia(A£va  opOta  xai  sv  xaörjfzsvov,  xaX- 
Xtarov  T7]v  [i.op^r]v,  £)(^ov  Tr)v  auTrjv  axaaiv,  [[xartafjiöv  xat  ötaOsoiv,  i^v  £'X^^  'l  y^^'^'^'l 
Tü)^ri  Toö  EÜTU-/_t8ou  SV  'Avito/^eia.  2)  Tic  £v  loi  [jLoua£t'w  Tfjs  Tsy^a?  x£f[JL£va  X£i|aya 
EX  Twv  £v  TOl?  ä£Toj[Aaat  Toü  vaou  T^s  'AX£as  'AÖTjväs  äyaXiJLaTwv,  rj'xot  at  oüo  £X£tvat 
yvojaxat  x£yaXat  xai  f]  XcyaX»]  tou  xa;rpou.  TouTOt?  TrpouETEÖT)  xal  fj  Ttapi  tw  £yp£Tr) 
KoTaapi'oT)  ü-Jiip/^ouoa.  fjfJiiaEta  xE^aXrj,  oiaiE  xal  at  oüo  xE^aXal  £tv£  i]^ri  TcXTJpEt;. 
3)  KE^aXr)  yuvaixEt'a,  ^uatxou  fXEy^Öou;  xal  xaXX^dTr];  xiyyriq,  EupEÖEiaa  Iv  A£pvT)  xal 
xataxEÖETaa  Tcpoawpivw;  Iv  Toi  [Aouasico  "Apyoui;,  yvcoat»)  Ix  ttJ;  Iv  x3  TiepioStxäi  xou 
IvtaCiOa  r£p[xavixoü  'IvaiiiouTou  SripioaieuaEcos  aux^s  Iv  xo'fi.  H.  Iltv.  10.  4)  'Ava- 
yXuspov  X£Öpauu[i.^vov,  Iv  a>  aoSI^Exai  xö  xaxw  pi^po?  Imiiwz,  oO  O7:t<j0£v  laxap.£vo;  avrjp. 
Eup^ÖT)  ;rapä  xö  xaXou{X£vov  BouXEUxrJpiov  aTtEvavxi  xou  hpou  vaou  x%  'TTuajiavxfj;. 
5)  'E7:txu(i.6tOi;  iTiiypafflr),  £up£6£Taa  Iv  x^  oIxoSo[xou[jL^vr)  Iv  oooi  'A[i.aXia$  otxfa  xou  x. 
Sx£'^.  ApayoüfXT). 

'idracjcagaat. —  'E7cav£XrJ(p9r)aav  xrj  11  NoE[i.6p^ou  al  utcö  x%  'Ap)(^atoXoyix^;  'Exai- 
pi'a;  lv£pyou[j.£vat  ävaaxa^al  Iv  xfj  'Ay.po7toX£i  uTtö  xrjv  Ijciaxacfav  xfj?  FEVtxf];  loopEia?. 

At  Iv  Tavaypa  IvEpyoupiEvat  avaaxa'^al  ux6  A.  Fiayta  lji£paxoS67]aav.  Tä  y£vd[J.£va 
S'  £v  auxat5  Eup/ffiaxa  IxopttiOrjaav  aTcavxa  Iv  x^  Fevix^  laiop£^a,  £v6a  xä  [jlIv  xaXXt- 
<jxa,  oia  xä  avwxEpco  pivT][i.ov£u9ivxa  Ivv^a  ayaXptaxia,  TcapEXri^^Öriaav  5tä  xö  'E9vtxöv 
Moua£tov,  xa  Se  ^xxovo?  Xo'you  a^ta  äTCESo'Örjaav  xw  Xa6o'vxt  xrjv  a8£tav  xal  IvEpyrjaavxt 
xä?  avaaxaooe;. 

Ai  £v  'Axpatcpvt'w  xrj;  Botwxta;  lv£pyou(Jt£vat  uTtö  x^?  Tiap'  fjpitv  FaXXtx^?  SyoX^? 
oiExo'jcrjarav  £V£xa  xpu  -/EtpLwvo;.  'Ev  xat?  «vaaxaüati;  xauxat;  £up£'9r)aav  a')  XaXxou? 
Xe'Gt)?  u:t£pjjL£y£6ir);  äXX'  ItpOappLEvo?,  ou  at  I?  öpEtyaXxou  Xa6al  £txov^^ouatv  'ApTCut'a?, 
■/.aXX''aXT)i;  äpyatV.^  '':iyvrii;  xal  xaXXtaxa  otaxripou[j.£'va?"  6')  XaXxoiJv  ayaXjiaxiov 
'Atio'XXojvo?,  apyatV.^;  xal  xouxo  XEyvrj?,  oaxt;  Oä  IxpaxEi,  w;  tpatvExat,  Ev  [ilv  xrj  apt- 
axEpa  xo'^ov,  Iv  Se  xr]  Sc^ta  ßc'Xoi;"  y')  Mapptapivo?  xoppiöj  pttxpou  äyaX[xaxos  'AtcÖX- 
Xwvo?  ip/^a:(/.f^(;  xe/vt)?'  o')  Kv^alri  'Atvo'XXojvo;  piapjxaptvy],  äpyatxTJi;  x^yvT];'  e') 
KE'^aXrj  '^uatxou  jjLEyE'Oou;  Ix  Tiajpt'vou  Xt'Oou,  EtxovtXouaa  y^povxa  Tttuycovo'^o'pov"  xal 
ot')  'AftoXoya  yaXxiva  atyaXfxdxta,  apya'txfjs  t^/vt);  xat  xaXXfoxrji;  otaxrjprjaEO)?,  rj'xot 
TiavÖrjp,  Xe'ojv  xat  XaSrj  xaxo'jcxpou,  Ttaptaxwaa  avSpa,  "AxXavxa  law;. 

Et;  xoü;  A.  Mtie'aXov  xal  Noaxpaxr]v  r/opTjyTjör]  äoEta  vä  1  vEpyTJaojaiv  ävaaxacpäs  Iv 
lOtwxtxoT;  xXT{[jLaatv  Iv  'EpExpEta.  At  ävaaxatpal  auxat  E^Epov  Et;  (pw;  öXt'ya  xtvä  ;:pay- 
|j.axa,  ojv  a^toXoywxEpa  XrJxuOo;  xtJiv   Tiatotxwv,  Ey^ouaa  XEaoapa;  [xopoä;   EpuOpä;,  xa- 


MISCELLEN  407 

Xf]?  T:iyyyi(;,  xal  xaXaO^uxo;  tcXextö?  £x  tpuTwv,  rept^/wv  yaXxoÜv  xotvöv  xocTOTtipov,  :iu- 
$föa  $uX^;r)v  xai  xxe'vav. 

ApxAiOA.oriKON  Aeation  too  (XTivös  Aexe[A6p:^ou. —  ^4 '.  ' ApxaiSzriieQ  BlaaxBelaai 
eic,  zi)r  Ferixiir  iyopeiar.  1)  Kopfxö?  äyaXfxaxot  'AndXXwvo;  yuatxoü  |i.£Y^Oouj  xa\ 
XE/^VT);  «p/_atV.fj?,  £/_ovxo?  xrjv  (xopyrjv  Toü  yvojaiou  ex  TsvEa;  'ÄTcdXXwvo;.  To  ayaXfxa 
TOUTO,  cj;  xal  xi  iTcdjjiEva  [x^ypt  xoü  äpiOjjLoCI  9,  cup^Or)  ev  xal;  ev  'AxpaKpv^w  xijs 
Botcoxta;,  ev  xw  tEpw  xoO  llxwou  'A^cdXXwvo?,  EväpyriOE^aa'.;  ävaaxa^at;  utxö  xfj;  nap' 
TjjAtv  raXXixfjs  H/^oX^;.  2)  Kopji.6;  [JLixpox^poj  äyaXixaxo;  'A:xdXXa)VOs,  äp)(^atx^;  e;:i- 
aj)s  XE/VT);  xal  xr)v  aüxrjv  xS  ;tpoT]YOU[iEvoj  I/^ovxo;  [/.op^rfv.  3)  KE^aXr)  ex  :xwptvou  Xi:- 
6ou,  E/ouaa  (Ji^ysÖo?  epuatxöv  xal  Etxovi'^ouoa  yspovxa  j^ojywvocpdpov,  oüyl  Öeov  xtva  r] 
Tjptua,  äXX'  ävOpw;xov.  4)  XaXxoCiv  äyaXixaxtov  'ATrdXXwvo;  (\j<\i.  0,12)  äp)(^atx^i;  xe'/^- 
vrjs,  aw!^dp.Evov  [t-i'/^pi  xwv  acpupwv  xal  xaXXiaxa  otaxrjpo'jpiEvov.  'Ev  auxw  Etxov^Cs'^«'  ö 
OeÖ;  yupivö?,  ioxa[jLEvo;  dp9io;  xal  xpaxaiv  x6  rtotXat  7:payji.a  xi  ev  xt)  Se^ia  xal  sv  tt) 
apiaxEpa.  5)  XaXxJ)  Xa6fj  xaxo'jxxpou,  naptaxwaa  yujAvov  avopa  xpaxoövxa  oia  xöiv  ava- 
XExajAE'vwv  '/^etpwv  e;:i  x^;  XEcpaX^;  ro  £XXET;tov  xaxoTixpov.  6)  Aiio  Xa6al  /aXxat  X^ötj- 
xo?  u;xEp[i.Ey^Oou?  :rapi<jxcüaat  xaXXtaxa  otaxripou(x£vas  'Ap:iuia;.  7)  TpEt?  )(^aXxoi  Xe'ov- 
xe;  xaXXtaxrji;  äp/^aiV.^;  ^jy^i-  8)  Mtxpo;  /aXxou;  TzoXEpitaxr);  äpyatxrj?  X£/^vr]s  laxa- 
(AEvo;  opOto;,  ^Epojv  7iEp'.x£(paXa;av  xal  xvri[Ji.Toa;  xal  xpaxaiv  ev  x»)  äpiaxEpa  TCEpioEp^ 
äoKt'oa,  EV  w  ota  xf,;  OE^iä;  ExpaxEt  odpu.  9)  XaXxoiji;  EvETCi'ypaipos  Xu)(_vOi;,  ßäoEi?  )r_aX- 
xöv  ayaXpiaxuov  EVE^nypaawv,  xal  aXXa  ijxxovos  Xdyoj  apy^ala,  EÜpEÖE'vxa  a;iavxa  ev 
xals  ävwxEpoj  (ji.vT]|jLOV£uO£;aat;  ävaaxaspaTj.  10)  IvEifaXr]  Tiojywvoydpo;  jxEy^Oous  jjuxpdv 
xt  uTCEp^uaixoü,  7)s  x6  7cpdaw7:ov  evxeXw;  o/^eo6v  äjroxExpojapiEvov,  cOpsÖElaa  Ttapä  xtjv 
ExxXrjatav  xf,;   'TTraTiavxTJ;. 

Ä'.  'Araaxacpai. —  'Ev  xal;  ev  'EpExpEta  uizö  A.  Mtze'XXou  xal  Noaxpaxrj  svEpyou- 
[xe'vat;  aSe^a  x^s  Ku6£pvr|a£co;  avaaxa^at;  Eup^Or)  xäzompor  ^(^aXxoO'v,  2)(_ov  Siio  Ttoi- 
|jLaxa,  ly '  IxaxE'pou  xöiv  6;xo;tov  rjxo  TipoaxExoXXrnjLEvo;  oi'axo;.  «  'ü  [i.£v  £?  aüxwv  r/^£t 
»  jxapaaxauiv  avotyXuJXXOv  3t  £(j.7xaiaxtxou  xpü;xou  ex  otio  (xop^cüv,  xrj;  [j.ev  ävopixrj;, 
»  xpaxoüuT);  Oüpaov,  xrj;  oe  yuvatxEi'a;,  o;iiatü  xjj;  Ortoi'a;  u7iäp-/_Et  aXXo;  Osipao;  ävaxE- 
»  xXtfjLEVo;  Tcpo;  ßpa/_ov  al  [i.op^al  auxat  äaTca^ovxat  ocAXrJXa;  Epcoxtxca;.  'O  EXEpo;  öi- 
»  oxos  iy^si  ävayXurtxov  ;xapäaxacjtv  EJit'ar);  ex  öuo  {Aopcptöv,  tuv  rj  (xta,  law;  JtxEpioxrj 
»  xal  yuvatxE^a,  ßaaxä^Et  xtjv  §X£'pav,  ouaav  VEavtxriv,  etiI  xwv  yovaxtuv  ».  'Ev  xaT;  aü- 
xat;  ävaaxacpai;  EOpE'Srjaav  k'xt  ^üXXa  ^puaoü  ujiEp  xa  XEaaapaxovxa,  [Atxpo;  aojXrjv, 
£7X107);  -/^puaoü;,  £x  xivo;  xoap.TJp.axo;,  XEaaapE;  oivo/^dat  JCTJXtvat  psXaval,  pExa  poptpwv 
Xeuxwv  x6  TxXEcaxov,  xal  pappocptvo;  Xe'ojv  EXXtjtTj;  xoü;  Tcdöa;  xal  xrjv  oüpav,  xal  zij- 
vrjs  {xexp^a;  (ExÖEaEt;  E^opou  Hp.  Taouvxa). 

Die  unter  der  Leitung  des  General-  Ephoren  der  Alterthü- 
mer  Hrn.  Kabbadias  wieder  aufgenommenen  Ausgrabungen 
auf  der  Akropolis  haben  in  der  letzten  Zeit  zu  merkwürdigen 
und  überraschenden  Resultaten  geführt.  Es  hat  sich  gezeigt, 
dass  wie  an  der  Südseite  so  auch  an  der  Nordseite  der  Burg 
(zwischen  den  Propylaeen  und  dem  Erechtheion)  der  abfallende 
Felsen  in  der  nachpersischen  Zeit  aufgehöht  worden  ist  und 
dass  zur  Planirung  hier  wie  dort  die  Sculpturen  der  vorper- 


408  MISCELLEN 

sischen  Zeit  verwandt  worden  sind.  Es  sind  bis  jetzt  die  Tor- 
sen  von  vierzehn  meist  weiblichen  Statuen,  darunter  sieben 
mit  den  Köpfen;  ferner  einige  Bronzen,  Vasenscherben,  be- 
malte Thontafeln  und  Weihinschriften  gefunden.  Unter  den 
Marmorwerken  sind  wegen  des  Gegenstandes  die  Torsen  einer 
Nike  und  eines  Reiters  bemerkenswerth-  Die  übrigen  Statuen 
wiederholten  meist  denselben  Typus  einer  stehenden  Frau, 
welche  mit  der  gesenkten  Linken  das  Gewand  fasst  und  in 
der  ausgestreckten  Rechten  wohl  ein  Attribut  hielt.  Die  Aus- 
grabungen werden  fortgesetzt. 

E^HMEPis  ÄPXAlOAOriKH  1885  Heft  IV:  n.  KagSaSia?, 'Etci- 
Ypa^al  ex  töv  ev  'EmSaupicf  äva(y)ta(poiv. —  Em.  Loewy,  'Etci- 
Ypa^>)  tej^viTwv  e^  'Axa.'kxvzriq. —  St.  A.  Kou[^.avouS7i;,  'Exiypa- 
(pai  £>t  Ty5<;  £v  T^  ayopa  'AÖtqvwv  (xva'7-^a9>i?. —  Xp,  A.  Tcouvrot?, 
KpaTTjp  e^  'AxpoTiröleo);  (mit  zwei  Tafeln). —  K.  A.  Mu^Xaivot?, 
'0  ev  TYJ  (juXKoyri  'Icoxvvoy  A7)[jt.7iTpiou  j^a>.Koö;  SiTupo?  (mit  einer 
Tafel. —  n.  KaS^aSia?,  Kopivöiaxöv  xiovoxpavov  (mit  einer  Tafel). 
—  K.  Purgold,  'Apj(^aix6v  aeTü)(xa  cjc  t-^?  'AxpoTuö^eo);. —  ©.  So- 
«pou^v)?,  KuXi^  e)t  KopivÖou  (mit  einer  Tafel). —  Z.  A.  FaSaT^X?, 
'AvexSoTo;  äva6y)jjt.aTi>t75  e7r'.Ypa^7)  ^oXeyÄvSpou. 

Bullelin  de  corr.  hell.  1885  Heft  VI:  Pottier  und  Reinach, 
Fouilles  dans  la  necropole  de  Myrina  (mit  drei  Tafeln). —  Mar- 
tha, Inscriptions  de  Naxos. —  Clerc,  Fouilles  ä  l'Heraion  de  Sa- 
mos. — Durbach,  Inscriptions  du  Peloponnese.  —  Holleaux,FoM«7- 
les  au  temple  d'Apollon  Ptoos. 

Bulletin  de  corr.  hell.  1886  Heft  I:  Cousin  und  Durbach, 
Bas-relief  de  Lemnos  avec  inscriptions. —  HomoUe,  Note  sur  la 
Chronologie  des  archontes  atheniens  de  la  seconde  moitie  du  11°^^ 
siede  avantJ.-C — Cousin  und  Diehl,  Inscriptions  de  Gary- 
anda  en  Lycie. —  Holleaux,  Fouilles  au  temple  d'Apollon  Ptoos 
(mit  zwei  Tafeln). 


;März  1886.) 


MITTHEILUNGEN     DES    ARCHAEOL.  1 NSTITUTES    1885. 


TAFEL 


MARMORSTATUEIN  BEIRUT. 


Liclitdruck  v  A. Frisch ,  Berlan  W 


TAFELL  JJ 


/PROPYLAE  EN 

'm   -M   ^     IN      ATH  EN 


URSPRÜNGLICHES       PROJECT 
DES        MNESIKLES. 


Die   rotli    scliraiTirlen.  llveile    sind   T\ic>it 
z"ur  A-usfüliruji^  gel^oiamen  . 


JitTi  TL   5TuTidin.aTj>. ,  Athen 


/^> 


^ 


MITTHEILUNGEN     D    ARCHAEOL.  INSTITUTES     1885 


rmmri 


NW      FLÜGEL 


MIT" 

FiG.I.    ANSICHT  DER 


FIG. 2.    QUERSCHNITT     DURCH     DIE     N.O.HALLE 
MIT      SEITENANSICHT    DES    MITTELBAUES. 

W//i  /Jf>rp/clU  fec. 


PROPYLAEE 


U.R  SPRÜNGLICHES       PR 


vu. 

riÄEN  VON    WESTEN. 


S.  W.    FLU  G  E  L. 


UERSCHN  ITT 
EN    DACHLÖSUNGEN. 


MITTELBAU.  ^    q      HALLE. 

FlG.^.  ANSICHT  DER    PROPYLÄEN    VON  OSTEN 


10        li         12        1>        1^        15        IC         17 IS 


I  i  I  I  I  I 


Pi-sso"' 


Lith    A.  (•runilmaun  .  Athen 


IN      ATHEN 


T       DES        MN  E  S  IKLES 


V 


Lü 


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MITTHEILUNGEN       D.    ARCHAOL.    INSTITUTES     1885. 


IL 


Ä^^ 


SJ2: 


j j. 


1.    ANSICHT    VON    NORDEN, 


2.     ANSIC 


l-  -     1 


r/iW\ 


-\ 


^.  GRU  N  D  R  iSS 


1 1 i - 

I 


5.    quE 


PROPYLÄEN      IN      ATHEN. 

DER      SÜ  DWEST- FLÜGE  L. 


W.    Dörpfeld      fec 


(1:150) 


N    WESTE  N 


3.     ANSICHT     VON     SÜDEN. 


^S3Si::5 


j ». 


N  ITT 


6.    LANGENSCH  N  ITT, 


x 


cc 
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a. 

CO 
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Q. 

13 
CC 

o 

cc 
o 

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MITTHEILUNGEN     D .    ARCH AOL.  INSTITU T ES      1885. 


PANTAaE    n    N    ;    I     K'i-n    N    I    O    THYAEtAlf 


1.  VOR  D  E 


2.   SEIT 


"^ 


^E^ 


tiiln 


■J^Lj^-iiiUjiiiM-^ 


i  1  :  .'i 


_J     _3    _3    _3 


;             i    i 

--  0.389 X- 0.3fi» -^ 

^! 

3. 

SCHNITT     DURCH 

DAS    GEBAELK 

1 

0 

1  M 

if.   ECK  E    DES     TRI 


W.  Dörpfeld     foc 


CHORAGISCHES      MC 


TAFEL      VII. 


"-i  -t= 


:i.^-^  -.  ^Ji-^xL.^  O.^  L±gg 


!    H  t   A  £    X   O   P 

H  ^J  '"'  P  T  I     ' 


S53 liuuuuJ  F5^ 

\  O  O    E     O    ',-    N'      TA     :      X     ,  A    o     •,-     H     P      X     E 


^ 


SICHT 


HS 


'P  ~r  •    ,  '    '^   'N'    k    r 

t    O   \' 


5.   GEBAELK 


MENT     DES     NIKIAS 


I.itli .  K.CniiulTriaini.  Atlien  , 


MITTHEILUNGEN    DES  ARCHAEOL.  INSTITUTES    1885. 


TAFEL   VIII. 


WEIBLICHER     KOPF 

AUS    ATHEN. 


MITTHEILUNGEN    DES    ARCHAEOL.  I NSTITUTES    1885. 


TAFEL  IX. 


\ 


/ 


y 


KOPF    i  N     ATHEN 


Lichtdru  ck  v.APnsch,  Berlin. 


MITTHEILUNGEN    DES    ARCHAEOL    INSTITUTES     1885 


TAFEL  X. 


-■^ 


BRONZE    AUS    ALEXANDRIEN 


,  Berlin  W. 


MITTHEILUNGEN    DES    ARCHAEOL.  I NSTITUTES    188b. 


TAFEL    XI. 


BRONZEN    AUS    ALEXANDRIEN 


vA. Frisch.  Bern"  '-V 


MITTHEILUNGEN    DES    ARCHAEOL.  I NSTITUTES     1885 


TAFEL     XI 


^  -^  i  -^  -  ^%\  •:<« 


BRONZE    AUS    ALEXANDRIEN. 


Lichtdruck  v  A^  f-hsch .  Berun  W, 


TAl-i;i.    XIII. 


WITTHEU UNGEN  DES   ARCHAEOL.   INSTITUTES    1885. 


"N.*. 


y 


ATTISCHE     GRABVASE 


Licittdruck  v.  Gebr.  Rho  ni  aide  s,  Athen. 


lAKF.I     XIV. 


MITTHEILUNGEN   DES    ARCHAEOL.   INSTITUTES    1885. 


ATTISCHER     GRABSTEIN 


Lichtdruck  v.  Gebr.  Rh  o  mal  des,  Athet 


■^ 


iii, 


GETTY  CENTER  LIBRARY 


^ 


3  3125  00458  5408 


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